Protokoll:
17158

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 158

  • date_rangeDatum: 9. Februar 2012

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:18 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/158Inhaltsverzeichnis Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-Neuordnungsgesetz – LSV-NOG) (Drucksachen 17/7916, 17/8495, 17/8616) . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Edmund Peter Geisen (FDP) . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Dr. Joachim Pfeiffer, Dr. Michael Fuchs, Kai Wegner, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Martin Lindner (Berlin), Claudia Bögel, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Marktwirt- schaftliche Industriepolitik für Deutsch- land – Integraler Bestandteil der Sozialen Marktwirtschaft (Drucksache 17/8585) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 18835 A 18835 B 18838 A 18839 D 18841 A 18842 B 18844 A 18845 B 18855 A 18855 C 18857 A Deutscher B Stenografisch 158. Sitz Berlin, Donnerstag, de I n h a l Wahl der Abgeordneten Ingrid Remmers als ordentliches Mitglied in den Eisenbahninfra- strukturbeirat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl des Abgeordneten Peter Aumer als Schriftführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung des Tagesordnungspunktes 13 b . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Norbert Barthle . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begrüßung der Präsidentin des Parlaments der Republik Albanien, Frau Jozefina Topalli . . . Tagesordnungspunkt 3: A D M A D T A H A p e (D 18833 A 18833 B 18833 B 18833 B 18834 B 18834 D 18834 D Heinz Paula (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . . 18846 B 18847 A undestag er Bericht ung n 9. Februar 2012 t : lexander Süßmair (DIE LINKE) . . . . . . . . . r. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . arlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . nton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 4: ntrag der Abgeordneten Garrelt Duin, ubertus Heil (Peine), Doris Barnett, weiterer bgeordneter und der Fraktion der SPD: Im- ulse für den Standort Deutschland – Für ine moderne Industriepolitik rucksache 17/8572) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18847 D 18848 D 18849 D 18852 B 18853 D 18855 A Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . 18859 D 18860 B II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) . . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Edelgard Bulmahn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Lindner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Garrelt Duin (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, Uwe Kekeritz, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Fakultativprotokoll zum Interna- tionalen Pakt über wirtschaftliche, so- ziale und kulturelle Rechte (Drucksache 17/8452) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, Uwe Kekeritz, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Fakulta- tivprotokoll zum UN-Sozialpakt unter- zeichnen und ratifizieren (Drucksache 17/8461) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten René Röspel, Karin Roth (Esslingen), Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Millennium-Entwick- lungsziele ernst nehmen – Infektions- erkrankungen wirksam durch eine na- tionale und europäische Förderung von Product Development Partnerships be- kämpfen (Drucksache 17/8183) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Dr. Thomas Gebhart, Marie-Luise Dött, Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Horst Meierhofer, Michael Kauch, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Deut- sches Ressourceneffizienzprogramm – Ein Baustein für nachhaltiges Wirt- schaften (Drucksache 17/8575) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Privatisierung des Duisburger Hafens (Drucksache 17/8583) . . . . . . . . . . . . . . . . f) g Z a b T a d 18861 C 18863 C 18865 D 18868 A 18869 D 18871 A 18872 A 18874 C 18876 B 18876 C 18876 C 18876 D 18877 A Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung ge- mäß § 56 a GO-BT: Technikfolgenab- schätzung (TA) Forschung zur Lösung des Welternäh- rungsproblems – Ansatzpunkte, Strate- gien, Umsetzung (Drucksache 17/6026) . . . . . . . . . . . . . . . ) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen der Kreditwirtschaft zur Umstellung bestehender Einzugsermäch- tigungen auf das SEPA-Lastschriftman- dat (Drucksache 17/8072) . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 3: ) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Be- steuerung von Sportwetten (Drucksache 17/8494) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von den Abgeordneten Anette Kramme, Hubertus Heil (Peine), Gabriele Hiller-Ohm, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion der SPD einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz von Hinweisgebern – Whistle- blowern (Hinweisgeberschutzgesetz – HinwGebSchG) (Drucksache 17/8567) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 26: ) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Re- aktorsicherheit zu der Verordnung der Bun- desregierung: Verordnung zur Änderung der immissionsschutzrechtlichen Verord- nungen zur Begrenzung der Kohlenwas- serstoffemissionen bei der Betankung von Kraftfahrzeugen (21. BImSchV) und zur Begrenzung der Emissionen flüchti- ger organischer Verbindungen beim Umfüllen und Lagern von Ottokraft- stoffen (20. BImSchV) (Drucksachen 17/8321, 17/8406 Nr. 2.1, 17/8480) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ) – l) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 381, 382, 383, 384, 385, 386, 387, 388 und 389 zu Petitionen (Drucksachen 17/8469, 17/8470, 17/8471, 17/8472, 17/8473, 17/8474, 17/8475, 17/8476, 17/8477) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18877 A 18877 A 18877 B 18877 B 18877 C 18877 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 III Zusatztagesordnungspunkt 4: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsaus- schuss) zu dem Gesetz zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts (Drucksachen 17/6052, 17/6645, 17/7505 (neu), 17/7931, 17/8568) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsaus- schuss) zu dem Gesetz zur Änderung tele- kommunikationsrechtlicher Regelungen (Drucksachen 17/5707, 17/7521, 17/7930, 17/8569) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: EU-Fiskalpakt – Auswirkung auf Demokratie und Sozialstaat . . . . . . . . . Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Link, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Internatio- nalen Gesundheitsvorschriften (2005) und zur Änderung weiterer Gesetze (Drucksachen 17/7576, 17/8615) . . . . . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Bas (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Maag (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . D J E T E H w L G im S (D H D D M J Z A F S p (D D H V N K D M D T E M w B E d n (D M U 18878 D 18879 A 18879 A 18879 B 18880 B 18881 C 18882 C 18883 B 18884 C 18886 C 18887 C 18889 A 18890 B 18892 C 18894 A 18895 A 18896 B 18897 C 18897 C 18898 D 18900 B 18901 D r. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . rwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 6: rste Beratung des von den Abgeordneten alina Wawzyniak, Jan Korte, Ulla Jelpke, eiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE INKE eingebrachten Entwurfs eines esetzes zur Stärkung des Rechtsschutzes Wahlrecht durch Einführung der onneborn-Regelung rucksache 17/7848) . . . . . . . . . . . . . . . . . . alina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . r. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . r. Dieter Wiefelspütz (SPD) . . . . . . . . . . . . anuel Höferlin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . erzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 7: ntrag der Fraktionen der CDU/CSU und der DP: Verfahren gegen deutsche politische tiftung einstellen – Demokratisierungs- rozess in Ägypten fortsetzen rucksache 17/8578) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Wolfgang Gerhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . ans-Ulrich Klose (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . olker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . iema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . erstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . arina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . agesordnungspunkt 8: rste Beratung des von den Abgeordneten onika Lazar, Jerzy Montag, Katja Dörner, eiteren Abgeordneten und der Fraktion ÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten ntwurfs eines … Gesetzes zur Änderung es Strafgesetzbuchs – Strafbarkeit der Ge- italverstümmelung rucksache 17/4759) . . . . . . . . . . . . . . . . . . onika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . te Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 18903 B 18904 A 18904 D 18906 A 18906 B 18907 B 18908 D 18910 B 18911 B 18912 C 18913 C 18913 C 18914 C 18916 A 18917 B 18918 D 18920 B 18921 A 18921 D 18923 A 18923 B 18924 A IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Yvonne Ploetz (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: a) Antrag der Abgeordneten Florian Hahn, Albert Rupprecht (Weiden), Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Ab- geordneten Dr. Martin Neumann (Lau- sitz), Patrick Meinhardt, Dr. Peter Röhlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Forschung für die zi- vile Sicherheit (Drucksache 17/8573) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Rahmenprogramm der Bundesregie- rung „Forschung für die zivile Sicher- heit (2012 bis 2017)“ (Drucksache 17/8500) . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: a) Antrag der Abgeordneten Angelika Krüger-Leißner, Anette Kramme, Siegmund Ehrmann, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der SPD: Die Schutz- funktion der Arbeitslosenversicherung stärken – Rahmenfrist verlängern – Re- gelung für kurz befristet Beschäftigte weiterentwickeln (Drucksache 17/8574) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Fritz Kuhn, Agnes Krumwiede, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Flexibel Beschäftigte in der Arbeitslosenversi- cherung besser absichern (Drucksache 17/8579) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Z A Z J F H c (D A D S J B P T A In A s M o u w (D H G In D M K T A G re S M s (D R S S H M In 18925 B 18926 A 18927 A 18927 D 18929 A 18929 D 18930 A 18930 B 18931 C 18933 A 18934 B 18935 B 18936 C 18937 D 18938 D 18940 A 18940 A usatztagesordnungspunkt 8: ntrag der Abgeordneten Sabine immermann, Jutta Krellmann, Dr. Lukrezia ochimsen, weiterer Abgeordneter und der raktion DIE LINKE: Arbeitslosengeld statt artz IV – Zugang zur Arbeitslosenversi- herung erleichtern rucksache 17/8586) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ngelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . r. Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . . abine Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . ohannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . rigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 9: ntrag der Abgeordneten Marlene Mortler, gbert Liebing, Dr. Michael Fuchs, weiterer bgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU owie der Abgeordneten Helga Daub, Horst eierhofer, Jens Ackermann, weiterer Abge- rdneter und der Fraktion der FDP: Kinder- nd Jugendtourismus unterstützen und eiter fördern rucksache 17/8451) . . . . . . . . . . . . . . . . . . elga Daub (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . abriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . gbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . r. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . arkus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . laus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 12: ntrag der Abgeordneten Rüdiger Veit, abriele Fograscher, Petra Ernstberger, weite- r Abgeordneter und der Fraktion der SPD: taatsangehörigkeitsrecht modernisieren – ehrfache bzw. doppelte Staatsbürger- chaft ermöglichen rucksache 17/7654) . . . . . . . . . . . . . . . . . . üdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . tephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . evim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . artfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . emet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . go Wellenreuther (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18940 B 18940 B 18941 D 18943 B 18944 B 18946 B 18947 B 18948 C 18948 D 18949 D 18951 B 18952 D 18953 C 18954 C 18955 D 18955 D 18957 B 18958 D 18960 A 18961 B 18962 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 V Tagesordnungspunkt 11: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. Oktober 2011 zwischen der Regie- rung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebli- che Altersversorgung über den Sitz der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (Drucksachen 17/8236, 17/8506) . . . . . . . . . . Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Koch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Wolfgang Gehrcke, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Nach 40 Jahren – Berufsverbote aufheben und Opfer rehabilitieren (Drucksache 17/8376) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Par- laments und des Rates über Boden- abfertigungsdienste auf Flughäfen der Union und zur Aufhebung der Richt- linie 96/67/EG KOM(2011) 824 endg.; Ratsdok. 18008/11 (Drucksachen 17/8426 Nr. A.44, 17/8617) c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parla- ments und des Rates über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbe- schränkungen auf Flughäfen der Union T A D w B F S e a (D T E b d (D M S D R D T b c T A D te D (D 18963 D 18964 A 18964 D 18966 B 18967 A 18967 D 18969 B 18969 C 18970 C 18972 A 18972 C 18973 B 18974 B im Rahmen eines ausgewogenen Ansat- zes sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2002/30/EG des Europäischen Parla- ments und des Rates KOM(2011) 828 endg.; Ratsdok. 18010/11 (Drucksachen 17/8426 Nr. A.46, 17/8618) agesordnungspunkt 16: ntrag der Abgeordneten Ute Koczy, r. Frithjof Schmidt, Kerstin Müller (Köln), eiterer Abgeordneter und der Fraktion ÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Pakistan – ür eine aktive Einbindungsdiplomatie, tärkung der demokratischen Kräfte und ine verlässliche Entwicklungszusammen- rbeit rucksache 17/8492) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 15: rste Beratung des vom Bundesrat einge- rachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Än- erung des Umsatzsteuergesetzes rucksache 17/8320) . . . . . . . . . . . . . . . . . . anfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . abine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) . . . . . . . r. Daniel Volk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . r. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 26: ) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Pa- tentierung von konventionell gezüchte- ten landwirtschaftlichen Nutztieren und -pflanzen (Drucksachen 17/8344, 17/8614) . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Patente auf Leben (Drucksache 17/8584) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 17: ntrag der Abgeordneten Ulla Burchardt, r. Ernst Dieter Rossmann, Willi Brase, wei- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: ie soziale Dimension von Bologna stärken rucksache 17/8580) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18974 B 18975 A 18975 B 18975 B 18976 C 18977 A 18977 D 18978 B 18979 A 18979 B 18979 C VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Katrin Werner, Diana Golze, Paul Schäfer (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Militärische Verwendung von Minderjäh- rigen beenden – Ehemalige Kindersolda- tinnen und Kindersoldaten unterstützen (Drucksache 17/8491) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Kathrin Vogler, Diana Golze, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Opfer des Brustimplantate-Skandals unterstüt- zen – Keine Kostenbeteiligung bei medizi- nischer Notwendigkeit (Drucksache 17/8581) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dietrich Monstadt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Berichterstattung des Abgeordneten Peter Altmaier (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Vermittlungs- ausschusses zu dem Gesetz zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts (Zusatztagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Neuabdruck der Antwort des Parl. Staats- sekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (157. Sitzung, Tagesordnungspunkt 2, Münd- liche Frage 68) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A Z E v ru E c v A u o H A Z – – (T P D K P H S A Z A d K s R S J D 18979 D 18980 A 18981 D 18982 C 18983 B 18984 B 18985 C 18986 C 18986 C 18988 B 18989 B 18990 B 18991 C 18992 D 18993 D 18995 A 18995 C 18996 A nlage 4 u Protokoll gegebene Rede zur Beratung des ntwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen om 18. Oktober 2011 zwischen der Regie- ng der Bundesrepublik Deutschland und der uropäischen Aufsichtsbehörde für das Versi- herungswesen und die betriebliche Alters- ersorgung über den Sitz der Europäischen ufsichtsbehörde für das Versicherungswesen nd die betriebliche Altersversorgung (Tages- rdnungspunkt 11) olger Krestel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 5 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Beschlussempfehlung und Bericht: Vor- schlag für eine Verordnung des Europäi- schen Parlaments und des Rates über Bo- denabfertigungsdienste auf Flughäfen der Union und zur Aufhebung der Richtlinie 96/67/EG KOM(2011) 824 endg.; Ratsdok. 18008/11 Beschlussempfehlung und Bericht: Vor- schlag für eine Verordnung des Europäi- schen Parlaments und des Rates über Re- geln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Union im Rahmen eines ausgewoge- nen Ansatzes sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2002/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates KOM(2011) 828 endg.; Ratsdok. 18010/11 agesordnungspunkt 13 a und c) eter Wichtel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . aniela Ludwig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . irsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . atrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . erbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . tephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 6 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung des ntrags: Pakistan – Für eine aktive Einbin- ungsdiplomatie, Stärkung der demokratischen räfte und eine verlässliche Entwicklungszu- ammenarbeit (Tagesordnungspunkt 16) oderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . ibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . ohannes Pflug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . 18996 C 18997 A 18998 A 18999 B 19000 C 19001 B 19002 B 19003 B 19004 C 19005 B 19006 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 VII Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Die soziale Dimension von Bo- logna stärken (Tagesordnungspunkt 17) Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Axel Knoerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Burchardt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Keine Patentierung von konven- tionell gezüchteten landwirtschaftlichen Nutztieren und -pflanzen – Antrag: Keine Patente auf Leben (Tagesordnungspunkt 26 b und c) Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Max Lehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19007 D 19008 B 19009 B 19010 D 19011 D 19013 A 19014 C 19015 B 19016 B 19017 A 19018 A 19018 C 19019 B 19019 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 18833 (A) ) )(B) 158. Sitz Berlin, Donnerstag, de Beginn: 9.0
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 18995 (A) ) )(B) sammlung des Europarates Anlagen dient so der Vollzugserleichterung. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- A te g (§ w s w g g g e tu te d g d g L w K S tr W w re s w w b A s re g fo le s g g c ri Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 09.02.2012 Dreibus, Werner DIE LINKE 09.02.2012 Friedhoff, Paul K. FDP 09.02.2012 Glos, Michael CDU/CSU 09.02.2012 Günther (Plauen), Joachim FDP 09.02.2012 Hintze, Peter CDU/CSU 09.02.2012 Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 09.02.2012 Kekeritz, Uwe BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.02.2012 Kipping, Katja DIE LINKE 09.02.2012 Kramme, Anette SPD 09.02.2012 Kretschmer, Michael CDU/CSU 09.02.2012 Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.02.2012 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.02.2012 Luksic, Oliver FDP 09.02.2012 Menzner, Dorothèe DIE LINKE 09.02.2012 Poß, Joachim SPD 09.02.2012 Remmers, Ingrid DIE LINKE 09.02.2012 Rupprecht (Tuchenbach), Marlene SPD 09.02.2012* Steinbach, Erika CDU/CSU 09.02.2012 Wolff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 09.02.2012 Zapf, Uta SPD 09.02.2012 (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht nlage 2 Berichterstattung des Abgeordneten Peter Altmaier (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Ab- fallrechts (Zusatztagesordnungspunkt 4) Zur Beschlussempfehlung weise ich als Berichterstat- r im Auftrag des Vermittlungsausschusses auf fol- ende, dort gemeinsam erarbeitete Begründung zu Art. 1 17 Abs. 3 Satz 4, 5 und 6 -neu- KrWG) hin: Zu Satz 4 (neu): Die bisherige Prüfung der „gleichwertigen Leistung“ ird durch das Merkmal der „Leistungsfähigkeit“ er- etzt. Die Sammel- und Verwertungsleistung des ge- erblichen Sammlers muss „wesentlich leistungsfähi- er“ sein als das bereits bereitgestellte oder konkret eplante Angebot des öffentlich-rechtlichen Entsor- ungsträgers. Für die Beurteilung der Wesentlichkeit ist ntscheidend, dass für die in Satz 5 genannten Leis- ngskriterien messbare und gewichtige Leistungsvor- ile vorliegen. Eine nur unwesentliche Verbesserung es Angebots bleibt damit außer Betracht. Die Darle- ungs- und Beweislast für die höhere Leistungsfähigkeit er gewerblichen Sammlung trägt wie bisher dessen Trä- er. Darüber hinaus wird die Anwendung der Prüfung der eistungsfähigkeit beschränkt. Bezog sich die Gleich- ertigkeitsprüfung bislang auf § 17 Abs. 3 Satz 2 und 3 rWG insgesamt, wird die Fallgruppe des § 17 Abs. 3 atz 3 Nummer 3 KrWG („diskriminierungsfreie und ansparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im ettbewerb erheblich erschwert oder unterlaufen ürde“) nunmehr freigestellt. Die von dem öffentlich- chtlichen Entsorgungsträger durchgeführten Aus- chreibungen sind damit auch dann besonders geschützt, enn das Serviceangebot des gewerblichen Sammlers esentlich leistungsfähiger ist. Die Regelung trägt ins- esondere auch dem Schutz des vertraglich gebundenen uftragnehmers Rechnung. Zugleich ist dem europarechtlich geschützten Grund- atz der Wettbewerbsfreiheit bereits durch die transpa- nte und diskriminierungsfreie Ausschreibung Genüge etan. Das mit der Prüfung der Leistungsfähigkeit ver- lgte ökologische Ziel von hochwertigen Entsorgungs- istungen bleibt weiterhin erreichbar, denn der aus- chreibende öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger ist emäß § 20 KrWG an die Vorgaben der Abfallhierarchie ebunden. Zu Satz 5 (neu): Die neue Formulierung präzisiert die unterschiedli- hen Betrachtungsweisen bei der Anwendung der Krite- en im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit und 18996 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 (A) ) )(B) Die Kriterien der Qualität, der Effizienz, des Umfangs und der Dauer der Leistungen orientieren sich allesamt an den ökologischen Zielen der Kreislaufwirtschaft, während die gemeinwohlorientierte Servicegerechtigkeit aus Sicht aller privaten Haushalte im Gebiet des öffent- lich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu beurteilen ist. Wie bisher wird somit sichergestellt, dass es für den Leistungsvergleich nicht allein auf die vom Sammler ge- gebenenfalls gezielt angesteuerten ertragreichen Gebiete ankommt. Zu Satz 6 (neu): Der neue Satz 6 stellt ausdrücklich klar, dass es für die Prüfung der Leistungsfähigkeit allein auf einen Ver- gleich der konkreten Sammel- und Verwertungsleistun- gen ankommt und eventuelle Zusatzangebote des ge- werblichen Sammlers zu seiner Sammlung, wie etwa eine Müllsortierung in Großwohnanlagen oder eine Stellplatzreinigung, nicht in die Vergleichsbetrachtung einbezogen werden dürfen. Damit ist sichergestellt, dass der gewerbliche Sammler sein Angebot nicht mit Zu- satzleistungen aufwerten kann, die nicht in der Zweck- bestimmung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes liegen. Anlage 3 Neuabdruck der Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Drucksache 17/8537, Frage 68) (157. Sitzung, Tagesordnungspunkt 2): Während eines öffentlich geführten politischen Ge- sprächs im Rahmen einer Gemeinschaftsveranstaltung von Körber-Stiftung und Spiegel am 30. Januar 2012 in Hamburg stellte der Chefredakteur des Spiegel-Maga- zins Verteidigungsminister de Maizière wörtlich fol- gende Frage: „Sind wir eigentlich nach über zehn Jahren Krieg in Afghanistan jetzt ein Land wie jedes andere, wenn es um Krieg geht?“ Bundesminister Dr. de Maizière antwortete darauf: „Noch nicht, aber wir sollten es sein.“ Diese Antwort auf die oben im genauen Wortlaut zitierte Frage des Spiegel-Chefredakteurs steht nicht im Widerspruch zu Art. 26 Grundgesetz. Selbstverständlich versteht sich die Äußerung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ermächtigungen und der völkerrechtlichen Rahmenbedingungen, ein- schließlich des Gewaltverbots. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. Oktober 2011 zwi- schen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Aufsichts- behörde für das Versicherungswesen und die d e s G w n d d F R s tu s F q P d F s d m K d (C fo h a re w F V c m tr ri R n F fü tu B a s a M fe u le a H B s (C (D betriebliche Altersversorgung über den Sitz der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versi- cherungswesen und die betriebliche Altersver- sorgung (Tagesordnungspunkt 11) Holger Krestel (FDP): Im vergangenen Jahr haben ie drei durch das europäische Finanzaufsichtssystem ingesetzten Behörden, wie im Jahr zuvor vom Europäi- chen Parlament beschlossen, ihre Arbeit aufgenommen. emeinsam mit unseren europäischen Partnern haben ir so eine Aufsicht etabliert, welche nicht nur auf natio- aler Ebene stattfindet, sondern durch die neuen Behör- en auch auf europäischer Ebene harmonisiert und koor- iniert wird. Hierdurch wird ein stabiler europäischer inanzmarkt mit begrenzten Risiken und einheitlichen egeln geschaffen, anstatt finanzwirtschaftlicher Klein- taaterei, in der die linke Hand nicht weiß, was die rechte t. Passend zu der funktionierenden Zusammenarbeit ind auch die Sitze der Behörden über die europäischen inanzmetropolen verteilt. So befindet sich das Haupt- uartier der Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde in aris, während die Bankenaufsicht in London angesie- elt wurde. Als weiteres bedeutendes Zentrum wurde rankfurt am Main als Niederlassungsort für die Europäi- che Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und ie betriebliche Altersversorgung ausgewählt, die den eisten unter der etwas weniger sperrigen englischen urzform EIOPA bekannt ist. Seit 2004 war hier bereits er Ausschuss für das europäische Versicherungswesen EIOPS) ansässig und die Entscheidung, nun die Nach- lgeorganisation EIOPA in Frankfurt anzusiedeln, na- eliegend. Der Sitz befindet sich im Westhafen-Tower m Mainufer in der Frankfurter City, wo die Arbeit be- its am 10. Januar aufgenommen wurde. Von hier aus erden Unternehmensführung, Rechnungsprüfung und inanzkontrolle von Versicherern, Rückversicherern, ersicherungsvermittlern sowie Einrichtungen betriebli- her Altersvorsorge überprüft, kontrolliert und regle- entiert. Mit der gleichzeitigen Präsenz der Europäischen Zen- albank und dem Europäischen Ausschuss für System- siken in Frankfurt festigt die EIOPA damit auch den uf der Stadt nicht nur als Zentrum internationaler Fi- anzwirtschaft, sondern auch als Zentrum europäischer inanzpolitik. Die Etablierung solcher Zentren und viele hrende deutsche Köpfe in der europäischen Verwal- ng sind für Deutschland als größtes Mitgliedsland und eitragszahler selbstverständlich und notwendig, um uch außerhalb der formalen Ebene unseren gestalteri- chen Anspruch geltend machen zu können. Zu guter Letzt stärkt die Ansässigkeit von EIOPA uch den Finanzplatz Frankfurt in einem besonderen aße. Es sollen attraktive Arbeitsbedingungen geschaf- n werden, wie die Bereitstellung von Kinderbetreu- ngsplätzen. Diese werden auch benötigt, wenn die Be- gschaft von aktuell 30 Mitarbeitern bis 2014 laut Plan uf 120 anwachsen soll. Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes fordert von diesem ause ein Gesetz für Verträge, welche die politischen eziehungen des Bundes regeln. Ich bitte Sie daher, die- em Entwurf zuzustimmen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 18997 (A) ) )(B) Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Vor- schlag für eine Verordnung des Europäi- schen Parlaments und des Rates über Bodenabfertigungsdienste auf Flughäfen der Union und zur Aufhebung der Richtlinie 96/67/EG KOM(2011) 824 endg.; Ratsdok. 18008/11 – Beschlussempfehlung und Bericht: Vor- schlag für eine Verordnung des Europäi- schen Parlaments und des Rates über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Be- triebsbeschränkungen auf Flughäfen der Union im Rahmen eines ausgewogenen An- satzes sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2002/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates KOM(2011) 828 endg.; Rats- dok. 18010/11 (Tagesordnungspunkt 13 a und c) Peter Wichtel (CDU/CSU): Mit den vorliegenden beiden Vorschlägen für Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates beraten wir heute Teile des so- genannten Flughafenpaketes der Europäischen Kommis- sion, das Anfang Dezember des vergangenen Jahres vor- gestellt wurde. Das aus insgesamt drei Verordnungen zu den Bodenverkehrsdiensten, zu Betriebsbeschränkun- gen und zur Slot-Vergabe bestehende Maßnahmenpaket soll laut EU-Verkehrskommissar Siim Kallas die Kapa- zität und Qualität von Flughäfen erhöhen. Zum Bedau- ern der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gibt es aber schwerwiegende Bedenken im Hinblick auf die beiden vorliegenden Dossiers, auf die ich gerne ausführlich ein- gehen werde. So soll zunächst mit der Neuregulierung der bisheri- gen Bodenverkehrsrichtlinie 96/67/EG in Form einer Verordnung die Bodenabfertigung auf Flughäfen noch weiter liberalisiert werden. Dieser Eingriff ist nicht nur unnötig, da ein funktionierender Markt existiert und ein Anpassungsbedarf somit schlicht nicht vorhanden ist. Eine Umsetzung der angedachten Regelungen wäre zu- dem mit inakzeptablen Auswirkungen auf das in diesem Bereich beschäftigte Personal verbunden. Schon heute erwirtschaften die Flughäfen in dem margenschwachen Geschäftsbereich keine Gewinne mehr; die im Jahr 1996 eingeleitete erste Liberalisierung hat bereits zu einer Preissenkung von bis zu 25 Prozent geführt. Gering- fügige und befristete Beschäftigungsverhältnisse sind als Konsequenz seitdem weit verbreitet. Eine weitere Markt- öffnung würde die Lohnkosten zwangsläufig noch wei- ter absinken lassen, Lohndumping und Arbeitsplatzver- lust würden drohen. Auch die Sicherheit könnte unter einer unnötigen Marktöffnung leiden – Preisdruck und sinkende Löhne würden zwangsläufig zur Einstellung geringqualifizier- ter Arbeitskräfte führen, was in einem sicherheitsrele- v W E d lu ß o d S s w B E n B z Z B z M S d a K s ri v re n k d g E ti e d fe d d k ra d e m k tu V s s d s le F ß g ü E (C (D anten Bereich mit erheblichen Risiken verbunden wäre. ir wollen das gegenwärtige hohe Niveau an Qualität, ffizienz und Sicherheit bei der Bodenabfertigung an eutschen Flughäfen aufrechterhalten und Qualitätsver- st, Lohndumping und Sicherheitsprobleme ausschlie- en. Die CDU/CSU-Bundestagfraktion lehnt den Ver- rdnungsvorschlag der Kommission daher ab und hat ies in einem gemeinsam mit den Fraktionen der FDP, PD und Bündnis 90/Die Grünen formulierten Ent- chließungsantrag deutlich zum Ausdruck gebracht. So- eit es überhaupt einen Anpassungsbedarf bei der odenabfertigung gibt, befürworten wir stattdessen eine U-weite Umsetzung der bestehenden Richtlinie, die och immer nicht in allen Mitgliedstaaten erfolgt ist. Auch der Verordnungsvorschlag zu lärmbedingten etriebsbeschränkungen ist in der vorliegenden Form um Bedauern der CDU/CSU-Fraktion nicht akzeptabel. war ist die Anerkennung des Ruhebedürfnisses der ürger in den Mitgliedstaaten der EU und die Zielset- ung, Verbesserungen für die von Fluglärm betroffenen enschen zu erreichen, durchaus begrüßenswert. chließlich ist es auch unser Bestreben, Fluglärm und ie damit verbundenen Betroffenheiten zu mindern. Un- bhängig davon ist das in der Verordnung verankerte ontroll- und Vetorecht der Kommission aber nicht achgerecht und geht deutlich über das gemäß Subsidia- tätsprinzip zulässige Maß an Kompetenz hinaus. Die orgesehenen Ermächtigungen stellen einen weder ge- chtfertigten noch hinnehmbaren Eingriff in die Befug- isse der Mitgliedstaaten dar. Über Betriebsbeschrän- ungen und Lärmschutz müssen auch weiterhin allein ie Mitgliedstaaten anhand der jeweiligen örtlichen Ge- ebenheiten und der lokalen Auswirkungen entscheiden. ine Verlagerung der Handlungsspielräume von der na- onalen und regionalen Ebene nach Brüssel lehnen wir ntschieden ab. Zudem schränkt der Verordnungsvorschlag das von er Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, ICAO, stgelegte Konzept des „ausgewogenen Ansatzes“ bei er Bekämpfung von Fluglärm deutlich ein, indem mit er Möglichkeit der operationellen Betriebsbeschrän- ung nur eine einzelne Maßnahmenoption einseitig he- usgestellt wird. Das Ziel einer einheitlichen Anwen- ung des ausgewogenen Ansatzes wird aber nur durch ine gleichwertige Würdigung aller vorgesehenen Ele- ente erreicht, also auch der Berücksichtigung der Sen- ung des Lärms an der Quelle, der Planung und Verwal- ng der Flächennutzung sowie der betrieblichen erfahren zur Lärmminderung. Der ausgewogene An- atz der ICAO sieht die Möglichkeit einer Betriebsbe- chränkung sogar lediglich als letztes Mittel vor. Vor iesem Hintergrund ist auch dieser Verordnungsvor- chlag der Kommission in der vorliegenden Form abzu- hnen, was die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und DP in einem diesbezüglich formulierten Entschlie- ungsantrag auch verdeutlicht haben. Abschließend betrachtet sehen wir die beiden vorlie- enden Verordnungsvorschläge des EU-Flughafenpakets beraus kritisch und haben dies in den bereits erwähnten ntschließungsanträgen als jeweilige Stellungnahme ge- 18998 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 (A) ) )(B) genüber der Bundesregierung gemäß Art. 23 Abs. 3 des Grundgesetzes auch deutlich gemacht. Wir haben die Regierung dazu aufgefordert, die geplante Verordnung zu Bodenverkehrsdiensten abzulehnen und auch im Hin- blick auf die Verordnung zu lärmbedingten Betriebsbe- schränkungen auf eine Rücknahme des Vorschlages hin- zuwirken. Sollte hierfür auf europäischer Ebene keine Mehrheit zustande kommen, appellieren wir, in beiden Fällen auf maßgebliche Verbesserungen hinzuwirken. Daniela Ludwig (CDU/CSU): Heute geht es um das sogenannte Flughafenpaket. Wenn etwas einen solchen Namen hat, dann ist es in der Regel ein Zusammen- schluss von vielen Einzelteilen, die zu nennen viel zu viel Zeit kosten würde und der daher diesen freundli- chen, kurzen Namen erhalten hat. Aber thematisch hat es das Flughafenpaket in sich. Wir sprechen über insgesamt drei, heute aber nur zwei Vorschläge für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates, die zusammengenommen eine Verbesserung der Verhältnisse auf den Flughäfen der Gemeinschaft ergeben sollen. Wie Sie sich vorstellen können, oder wie Sie sicher- lich aus den Debatten wissen, ist dies nicht ohne Diskus- sionen an den nationalen Parlamenten vorbeigegangen. Das ist ja oft der Fall, wenn die Kommission eine Ver- ordnung oder eine Richtlinie erlässt, die es dann umzu- setzen gilt. Damit wir nicht überrascht werden von diesen Ideen und dann nicht mehr mitreden können, müssen wir im- mer gut aufpassen, was die Europäische Union plant und von uns verlangt. Nach vielen Diskussionen haben wir nun entspre- chende Entschließungsanträge als Stellungnahmen ge- genüber der Bundesregierung gemäß Art. 23 Abs. 3 GG dazu vorliegen, über die wir abstimmen werden und die nachdrückliche Verbesserungsvorschläge beinhalten. Da wäre zum einen der Vorschlag, wie die Bodenab- fertigungsdienste auf den Flughäfen der Union in Zu- kunft besser und einheitlicher geregelt werden können, was zur gleichzeitigen Aufhebung der Richtlinie 96/67/ EG führt. Zu diesem Punkt hat ja mein Kollege Wichtel schon ausführlich Stellung genommen und die aus unserer Sicht vorliegenden Knackpunkte und Haken beschrieben und unsere Verbesserungsvorschläge dargelegt. Daher möchte ich darauf jetzt nicht ausführlich eingehen. Hervorzuheben ist jedoch, dass die Bundesregierung, Luftverkehrsverbände, Gewerkschaften und die Ver- kehrspolitiker der Koalition sowie der SPD und der Grü- nen erhebliche Einwände gegen den vorgelegten Verord- nungsvorschlag haben und daher ein gemeinsamer Entschließungsantrag erarbeitet wurde. Wir fordern, dass es entweder keinen Verordnungs- vorschlag zu den Bodenabfertigungsdiensten geben soll oder, sollte keine Mehrheit (EU-Rat und -Parlament) für die Ablehnung zustande kommen, die Bundesregierung das Mandat erhält, in den weiteren Verhandlungen auf e d d a D b u m d le te a le H h „ E d Ic C k k d s d m z u v li A F s V m d z s d lu s d la n w z w p re e n (C (D uropäischer Ebene auf maßgebliche Verbesserungen es Verordnungsvorschlages hinzuwirken. Denn wir fin- en, dass die Erhöhung der Zahl von Drittanbietern nicht ls qualitätsverbessernd angesehen werden kann. In eutschland gibt es bereits einen funktionierenden Wett- ewerb, der unseren hohen Anforderungen an Qualitäts- nd Sicherheitsstandards gerecht wird. Sollten noch ehr Anbieter auf diesen Markt drängen, sehen wir iese Standards in Gefahr. Auch die Regelungen zur Untervergabe von Dienst- istungen sowie die Trennung von Bodenverkehrsdiens- n und zentralen Infrastrukturunternehmen lehnen wir b. Die Flughafenbetreiber sind eigenständige Dienst- ister, und derartige Eingriffe in das unternehmerische andeln sind von uns unerwünscht. Der zweite Vorschlag, den die Kommission formuliert at, befasst sich mit einer Revision der Richtlinie über lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen in uropa“ und deren Überführung in eine Verordnung. Gleich vorab: Wir sind erneut nicht damit einverstan- en, dass es diesbezüglich zu einer Verordnung kommt. h werde auch gleich darlegen, warum wir von der DU/CSU-Bundestagsfraktion und das Bundesver- ehrsministerium dagegen sind. Aber wir unterstützen natürlich das Ziel, dass der Ver- ehrslärm und die Belastung der Bevölkerung stetig re- uziert werden. Das betrifft nicht nur Flugzeuglärm, ondern jeglichen Verkehrslärm. Unsere Aktivitäten iesbezüglich in den letzten Monaten und Jahren kann an durchaus als erfolgreich und vielversprechend be- eichnen. Aber nun zum Inhalt des Vorschlags der Kommission nd zu unserem Entschließungsantrag. Es ist geplant, orrangig das Ziel zu verfolgen, dass es zu einer einheit- chen Anwendung des sogenannten „ausgewogenen nsatzes“ zur Verminderung von Lärmproblemen im lughafenumland kommt. Das klingt gut und ist unter- tützenswert. Doch dies sollte nicht durch die Rechtsform einer erordnung geschehen. Damit überschreitet die Kom- ission aus meiner Sicht ihre Befugnisse und greift irekt das Subsidiaritätsprinzip an. Sie hat durch das Set- en EU-übergreifender Rahmenbedingungen mit ver- chärften Kriterien zwar den richtigen Ansatz, aber in er vorliegenden Form wird ja nicht nur eine Empfeh- ng mit einer Richtlinie ausgegeben, sondern ausge- chlossen, also regelrecht verboten, dass Mitgliedstaaten ie erforderliche Berücksichtigung jeweils örtlicher Be- nge und Gegebenheiten ihrer einzelnen Flughäfen vor- ehmen und dies werten können. Damit meine ich je- eils passgenaue Maßnahmen zum Lärmschutz, wie um Beispiel Betriebseinschränkungen usw. Der „ausge- ogene Ansatz“ muss, allein schon wegen seiner Kom- lexität, weiterhin im Ermessen der Nationalstaaten ge- gelt und erwogen werden können. Alles andere würde ine zu starke Einschränkung bedeuten. Es ist daher auch fraglich, ob überhaupt der Bedarf ei- er Änderung oder einer Überarbeitung der bereits be- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 18999 (A) ) )(B) stehenden Richtlinie besteht. Wenn dies aber geschieht, dann muss, wie ich schon dargestellt habe, die indivi- duelle Situation vor Ort weiterhin Berücksichtigung fin- den, sodass es nicht durch starre Vorgaben zu Umset- zungsproblemen oder gar Strafen kommt. Zusammengefasst: Unser Entschließungsantrag for- dert die Bundesregierung auf, die Befugnisse der Kom- mission auf das notwendige Maß zu beschränken und die Handlungsspielräume auf nationaler und regionaler Ebene zu erhalten. Das grundsätzlich begrüßenswerte Ziel der einheitlichen Anwendung des sogenannten „ausgewogenen Ansatzes“ zur Verminderung von Lärm- problemen im Flughafenumland bedarf einer gleichwer- tigen Würdigung aller darin vorgesehenen Elemente und nicht einer einseitigen Fokussierung auf Betriebsbe- schränkungen. Und: In den Verhandlungen auf EU- Ebene muss es zumindest zu Verbesserungen beim Ver- ordnungsvorschlag der Kommission zu lärmbedingten Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen kommen, wenn keine komplette Rücknahme durch die Kommission er- zielt werden kann. Eines möchte ich noch sagen – und das sehen wir doch irgendwie alle so –: Die EU macht es sich immer öfter gerne leicht. Statt eine Richtlinie zu erlassen, geht man scheinbar dazu über, Verordnungen zu schreiben, um dann reihenweise die Mitgliedsländer zu verwarnen und Strafen zu verhängen. Das geht so nicht. Das dürfen wir so nicht ohne Weiteres zulassen. Wir bitten Sie daher heute, weiter die Augen offen zu halten und unseren Entschließungsanträgen zuzustim- men. Den Antrag der Linken lehnen wir ab. Kirsten Lühmann (SPD): Wir berichten heute aus dem Verkehrsausschuss über das sogenannte Flughafen- paket der EU-Kommission. Das Flughafenpaket besteht aus drei Verordnungsent- würfen. Die erste Verordnung regelt die Bodenabferti- gungsdienste. Die zweite Verordnung behandelt die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen der Europäi- schen Union. Die dritte Verordnung besteht aus Rege- lungen zu lärmbedingten Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen. Bevor wir zu den einzelnen Verordnungsentwürfen kommen, kann man einen Punkt bereits vorwegnehmen: Alle Fraktionen waren sich in den Ausschussberatungen einig, dass es bei den Vorschlägen der EU zu Bodenab- fertigungsdiensten und lärmbedingten Betriebsbeschrän- kungen jeweils keiner Verordnung bedurft hätte. Die bestehenden Richtlinien dazu haben die gewünschte Wirkung erzielt bzw. könnten dies bei der Richtlinie zu den Betriebsbeschränkungen mit geringfügigen Verän- derungen erzielen. Zu der ersten EU-Verordnung, der Verordnung zu den Bodenabfertigungsdiensten auf Flughäfen. Der Vor- schlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Bodenabfertigungsdienste auf Flug- häfen der Union soll eine Richtlinie (96/97/EG) aus den 90er-Jahren zu diesem Thema ersetzen. Im Zuge dieser R re a n b d D z n s ra L b u ü s v s h g e fe h D b F A tr n A a d d F d M F o B g v g z w Z A s h s Z g F a le (C (D ichtlinie erfolgte bereits eine Marktöffnung, die unse- r Meinung vollkommen ausreicht. Tatsache ist: Die Bodenabfertigungsdienstleistungen n den deutschen Verkehrsflughäfen haben ein im inter- ationalen Vergleich hohes Qualitätsniveau. Außerdem esteht durch die Marktöffnung bereits ein Wettbewerb, er in den letzten Jahren zum Sinken der Preise für die ienstleistungen geführt hat. Eine Notwendigkeit für eine weitere, europäisch er- wungene Öffnung des Marktes besteht nicht. Sie würde icht für mehr Sicherheit und Qualität an Flughäfen orgen. Wir befürchten vielmehr, dass eine weitere Libe- lisierung, wie sie der Verordnungsentwurf vorsieht, ohndumping und Arbeitsplatzverlust für die Flughafen- eschäftigten bedeutet. So ist schon jetzt die Zahl der nsicheren Arbeitsverhältnisse wie Zeit- und Leiharbeit berproportional gestiegen. Selten sind sich alle Seiten o einig: Flughafenbetreiber wie Arbeitnehmer sehen die orhandenen Standards gefährdet. Wir befürchten mas- ive Qualitätsminderungen für Passagiere. Die Verordnung sieht außerdem vor, dass den Flug- afenbetreibern verboten wird, selber Bodenabferti- ungsdienste anzubieten. Damit würde die Verordnung rheblich in die unternehmerischen Belange der Flugha- nbetreiber eingreifen. Wir befürchten eine Ungleichbe- andlung, Diskriminierung der Flughafenbetreiber als ienstleister. Derzeit sind es gerade die Flughafenbetrei- er, die mit stabilen Beschäftigungsverhältnissen den lughafenstandorten und der Region nutzen. Ich begrüße es sehr, dass wir als Ergebnis unserer usschussberatungen einstimmig den Entschließungsan- ag der Regierungskoalition und der Oppositionsfraktio- en SPD und Bündnis 90/Die Grünen gemäß Art. 23 bs. 3 des Grundgesetzes beschlossen haben, und werbe uch hier im Parlament um ein deutliches Signal: Mit iesem Entschließungsantrag lehnen wir Parlamentarier ie Verordnung zu den Bodenabfertigungsdiensten auf lughäfen ab und fordern die Bundesregierung auf, bei en zukünftigen Verhandlungen auf europäischer Ebene itstreiter für unsere Positionen zu suchen. Nur für den all, dass keine Mehrheit für eine Ablehnung des Ver- rdnungsvorschlags zustande kommt, fordern wir die undesregierung auf, mit allen Kräften wenigstens maß- ebliche Verbesserungen durchzusetzen. Der zweite Verordnungsentwurf regelt die Zuweisung on Zeitnischen auf Flughäfen, die sogenannte Slot-Ver- abe. Ziel dieses Entwurfs ist es, die vorhandenen Kapa- itäten an Flughäfen besser zu nutzen, um den Wettbe- erb zu fördern. So sollen Flughäfen zum Beispiel in ukunft Reservierungsgebühren erheben dürfen, und die nforderungen an die erneute Zuweisung von Zeitni- chen – die sogenannten Großvaterrechte – sollen ange- oben werden. Es soll sich dadurch für große Fluggesell- chaften nicht mehr lohnen, die ohnehin häufig knappen eitnischen einfach zu reservieren, nur damit ein etwai- er Konkurrent nicht zu bestimmten Zeiten fliegen kann. ür Fluggesellschaften können fehlende oder zeitlich un- ttraktive Slots eine hohe Markteintrittsbarriere darstel- n. 19000 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 (A) ) )(B) Wir als SPD-Bundestagsfraktion nehmen diesen Ver- ordnungsentwurf zur Kenntnis, geben allerdings zu be- denken: Eine gewollte Slot-Verdichtung führt zu mehr Flugbewegungen und das bedeutet mehr Lärm. Damit sind wir beim nächsten Verordnungsentwurf. Der dritte Vorschlag der EU für eine Verordnung über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbe- schränkungen auf Flughäfen hat mit Abstand am meisten Wirbel verursacht. Interessant ist, dass alle Fraktionen in den Ausschuss- beratungen einhellig der Meinung waren: Dieser Verord- nungsentwurf der EU geht eindeutig zu weit. Er greift massiv in die Rechte der Mitgliedstaaten ein, und zwar über das gemäß dem Subsidiaritätsprinzip zulässige Maß hinaus – eine Einschätzung übrigens, die der Bundesrat teilt und auf die er daher fristgerecht hingewiesen hat. Das erklärte Ziel der EU, mit dieser Verordnung die Zahl der von den Auswirkungen von Fluglärm betroffe- nen Menschen in den Mitgliedstaaten zu begrenzen oder zu reduzieren, begrüßen wir. Wir sind jedoch der Mei- nung, dass dieses Ziel mit dieser Verordnung eben nicht erreicht wird. Mit diesem Entwurf stellt die EU alle Betriebsbe- schränkungen für Nachtflüge, die die Mitgliedstaaten nach teilweise aufwendigen Abwägungsverfahren fest- gelegt haben, unter Vorbehalt. Sie erhält ein umfangrei- ches Kontroll- und Vetorecht bei der Bewertung von lärmbedingten Betriebsbeschränkungen. Wir als SPD-Bundestagsfraktion wollen nicht, dass wir durch EU-übergreifende Rahmenbedingungen und verschärfte Kriterien nicht mehr in der Lage sind, anhand der jeweiligen örtlichen Besonderheiten von Flughafen zu Flughafen über Lärmschutz und Betriebs- beschränkungen zu entscheiden. In unserem Entschlie- ßungsantrag haben wir deutlich gemacht, dass wir einen „ausgewogenen Ansatz“ zur Lärmbekämpfung befür- worten. Wir lehnen ausdrücklich eine einseitige Ausrich- tung der Verordnung auf das Kriterium der Kosteneffi- zienz ab. Beim Lärmschutz zählt die wirksamste Maßnahme, nicht die kosteneffizienteste. Stattdessen fordern wir, dass eine ausgewogene Ab- wägung zwischen den Belangen der Anwohnerinnen und Anwohner und der ökonomischen Wettbewerbsfähig- keit bei der Bewertung der Betriebsbeschränkungen er- folgen soll. Grundsätzlich soll geprüft werden, auf wel- che Art und Weise die Interessen der Bevölkerung bei Wahrung der Wirtschaftlichkeit besonders in der Nacht eine größere Bedeutung erhalten können. Außerdem se- hen wir, dass dem kontinuierlichen Fortschritt der Trieb- werks- und Flugwerkstechnik sowie den Methoden zur Kartierung von Lärmkonturen Rechnung zu tragen ist. Abschließend betrachtet ist uns nicht klar – und da sind wir uns mit den Kollegen der anderen Fraktionen ei- nig –, warum die Kommission den Weg einer Verord- nung gegangen ist und, wenn überhaupt, die bestehende Richtlinie 2002/30/EG nicht überarbeitet hat. Wir werben daher dafür, unserem SPD-Entschlie- ßungsantrag nach Art. 23 Abs. 3 Grundgesetz zu folgen, in s s fü k w g w H d s k d w fr s s re E F d s s g li v s s k e d N k re a n b s d k n d z te lo s a s ti (C (D dem wir die Bundesregierung auffordern, auf europäi- cher Ebene auf eine Rücknahme des Verordnungsvor- chlages hinzuwirken. Sollte EU-weit keine Mehrheit r eine Ablehnung des Verordnungsvorschlags zustande ommen, fordern wir die Bundesregierung auf, in den eiteren Verhandlungen auf maßgebliche Verbesserun- en des Vorschlags hinzuwirken. Die Befugnisse der Kommission müssen auf ein not- endiges Maß beschränkt werden und unsere nationalen andlungsspielräume gewahrt werden. Die Kommission arf unsere Nachtflugverbote nicht kassieren. Wirt- chaftlichkeit geht nicht vor Gesundheit. Wirtschaftlich- eit und Gesundheit müssen ausgewogen austariert wer- en. In diesem Zusammenhang finde ich es schade, dass ir uns im Bundestag, anders als der Bundesrat, nicht istgerecht auf eine Subsidiaritätsrüge einigen konnten, ondern jetzt nur inhaltlich auf unsere Bedenken hinwei- en. In diesem Sinne hoffe ich auf die Unterstützung unse- s Antrags. Patrick Döring (FDP): Vor gut zwei Monaten hat U-Verkehrskommissar Siim Kallas das sogenannte lughafenpaket vorgestellt, ein Maßnahmenpaket, mit em insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit der europäi- chen Flughäfen gesteigert werden soll. Im Einzelnen oll hierzu erstens die Zuweisung der Slots effizienter estaltet, zweitens der Markt für Bodenverkehrsdienste beralisiert und sollen drittens Verbesserungen für die on Fluglärm betroffenen Bürger erreicht werden – An- ätze, die ich grundsätzlich sehr begrüße. Doch wie bei so manchem, was aus Brüssel kommt, teckt auch hier der Teufel im Detail. Lassen Sie mich urz auf die wichtigsten Punkte der drei Verordnungs- ntwürfe eingehen. Der erste Punkte betrifft die Slot-Verordnung. Mit em Vorschlag der Europäischen Kommission soll die utzung der knappen Start- und Landekapazitäten an oordinierten Flughäfen, sprich an Flughäfen, die an ih- r Kapazitätsgrenze arbeiten, verbessert werden. Denn uch wenn das gegenwärtige Verfahren der Slot-Koordi- ierung, das im Wesentlichen auf administrativen Verga- ekriterien beruht, seit Jahren eingespielt ist und in sich chlüssig klingt, so weist es aus ökonomischer Sicht och erhebliche Ineffizienzen auf. Im Ergebnis kann die nappe Infrastruktur an koordinierten Flughäfen also icht so effizient wie möglich genutzt werden. Daher begrüßen wir als FDP-Bundestagsfraktion aus- rücklich die Zulassung des Slot-Handels, der die Effi- ienz deutlich steigern wird. Ob die anderen angestreb- n Maßnahmen wie etwa die Verschärfung der „use it or se it“-Regel geeignete Instrumente sind, um eine bes- ere Kapazitätsauslastung zu erreichen, bleibt kritisch bzuwägen. Die geplante Evaluierung der Verordnung cheint daher der richtige Ansatz zu sein. Der zweite Punkt, der von der FDP-Bundestagsfrak- on stets wachsam und kritisch begleitet wird, ist die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19001 (A) ) )(B) Frage der Liberalisierug der Bodenverkehrsdienste. Hier freut es mich ganz besonders, dass es der Koalition ge- lungen ist, im Verkehrsausschuss des Deutschen Bun- destages zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen gemeinsa- men Entschließungsantrag vorzulegen. Wir alle sind uns einig, dass sich die Qualität, Sicherheit und Effizienz der Bodenabfertigung an deutschen Flughäfen bereits heute auf einem hohen Niveau befinden. Die von der Kommis- sion angestrebte Erhöhung der Zahl von Drittanbietern würde unserer Ansicht nach aber weniger der Qualitäts- verbesserung dienen als vielmehr die vorhandenen Stan- dards gefährden. Denn ein hohes Maß an Sicherheit und Qualität kann im Bereich der Bodenabfertigungsdienste nur dann erreicht werden, wenn es zu keiner dramati- schen Absenkung des Lohnniveaus und der sozialen Ab- sicherung des beschäftigten Personals kommt. Ebenso kritisch, sehen wir die im Verordnungsent- wurf vorgeschlagenen Regelungen zur Untervergabe von Dienstleistungen und die rechtliche Trennung von Bodenverkehrsdiensten und zentraler Infrastrukturein- richtungen. Nicht allein, dass der Verordnungsentwurf an dieser Stelle massiv in die unternehmerischen Be- lange der Flughafenbetreiber eingreift. Derzeit sind es doch gerade die Flughafenbetreiber, die den Aufbau und Erhalt stabiler Beschäftigungsverhältnisse in den Flug- hafenregionen gewährleisten. Der dritte und letzte Punkt betrifft das Subsidaritäts- prinzip. Auch wenn wir die Zielsetzung der Kommis- sion, Verbesserungen für die von Fluglärm betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, ausdrücklich un- terstützen, so schießt die Kommission an dieser Stelle mit ihrem Verordnungsentwurf doch weit über das Ziel hinaus. Denn durch das Setzen EU-übergreifender Rah- menbedingungen und verschärfter Kriterien wird den einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit genommen, eigenständig über Lärmschutzmaßnahmen und Betriebs- beschränkungen zu entscheiden. Auf lokale Gegebenhei- ten könnte dann kaum noch Rücksicht genommen wer- den. Ein ausgewogener Ansatz zur Bekämpfung von Fluglärm sieht anders aus. Zusammenfassend begrüßt die FDP-Bundestagsfrak- tion die Zielsetzung der Europäischen Kommission, die Wettbewerbsfähigkeit und die Effizienz der europäi- schen Flughäfen zu verbessern. Die einzelnen Maßnah- men des Flughafenpakets sollten jedoch noch einmal kri- tisch dahin gehend überprüft werden, ob sie die angestrebten Ziele auch wirklich erreichen. Herbert Behrens (DIE LINKE): Runter mit den Kosten, runter mit den Standards bei den Arbeitsbe- dinungen – das ist die Devise der Europäischen Kom- mission. Europa wird auf Wettbewerb getrimmt. Dass es dabei um Menschen geht, wird gar nicht mehr wahrge- nommen. Sie tauchen nur noch als Kostenfaktor auf, der um jeden Preis klein gehalten werden muss. Die EU-Kommission will eine Verordnung durchset- zen, mit der das Bodenpersonal mehr Konkurrenz bekommen soll. Große Flughäfen sollen jetzt ein zusätz- liches drittes Abfertigungsunternehmen zulassen. Das b d u e o g d S te L re s U S A s a K O te P g ß z A A g n g d F w c g s Z s k b ti ü R M a F w in d lä p B w a (C (D etrifft die Menschen, die auf Flughäfen dafür sorgen, ass Passagiere, Gepäck, Tankwagen, Gangways, Busse nd Flugzeuge zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Die Betroffenen und ihre Gewerkschaften befürchten inen weiteren Lohn- und Sozialabbau. Die letzten Ver- rdnungen der EU-Kommission hatten die Arbeitsbedin- ungen bereits verschlechtert. Die großen Betriebe in er Branche, Aviation Handling Services, AHS, oder wissport, beschäftigen bis zu 80 Prozent ihrer Mitarbei- r in prekären Arbeitsverhältnissen, wie zum Beispiel eiharbeit, Befristung usw. Wir sagen: Schluss damit! Schluss mit noch mehr De- gulierung und Liberalisierung des Marktes! Zwar nicht o deutlich fordern das selbst die Flughafenbetreiber. nd es fordert die Regierungskoalition zusammen mit PD und Bündnis 90/Die Grünen in einem gemeinsamen ntrag. Unsere Argumente zu dieser Verordnung sind ehr ähnlich. Warum die Fraktion Die Linke nicht mit uf dem gemeinsamen Antrag stehen soll, weiß der uckuck. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der pposition, gibt es etwa eine Ansage des Innenminis- rs, keine gemeinsame Sache mit von ihm überwachten olitikerinnen und Politikern zu machen? Und Sie fol- en dem willig? Egal. Wir unterstützen den Entschlie- ungsantrag, auch wenn er weitergehen könnte. Die ein- ige Lösung wäre eine Revision der Richtlinie unter dem spekt: Deregulierung stoppen und Standards für die usbildung und die Qualität der Dienstleistungen festle- en. Ebenfalls zum Flughafenpaket gehört die Verord- ung, mit der Betriebsbeschränkungen europaweit ange- lichen werden sollen. Da geht es um Flugverbote und as Verbot von zu lauten Flugzeugtypen. Die lautesten lugzeuge aus dem Verkehr zu ziehen, ist richtig; das erden auch die Anwohner an Flughäfen so sehen. Die Flughäfen werden dazu verpflichtet, umfangrei- he Angaben zum Lärmschutz zu machen. Das hört sich ut an. Laut Art. 2 Abs. 7 aber bedeutet eine Betriebsbe- chränkung „eine Lärmminderungsmaßnahme, die den ugang oder die Kapazität eines Flughafens ein- chränkt“ und weiter „sowie partielle Betriebsbeschrän- ungen, die den Betrieb ziviler Luftfahrtzeuge in estimmten Zeiträumen einschränken“. Das ist ein rich- ger Hammer. Partielle Betriebsbeschränkungen heißt bersetzt Nachtflugverbote. Die Kommission will das echt haben, Nachtflugverbote auszusetzen, wenn ein itgliedsland das verlangt, aber sie kann auch von sich us handeln. Begründet wird das damit, dass die europäischen lughäfen in der Zukunft Kapazitätsprobleme haben erden. Der Flugverkehr soll weiter wachsen, besonders der Luftfracht. Wir haben gerade in den letzten Wochen gesehen, ass die Bürgerinnen und Bürger unter Flugrouten nicht nger bereit sind, Fluglärm geduldig zu ertragen. Sie rotestieren und prozessieren. Am neuen Flughafen in erlin-Brandenburg, BER, und in Frankfurt/Main, FRA, urde nicht von den Behörden ein Nachtflugverbot be- ntragt, sondern nachträglich durch Gerichte angeordnet. 19002 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 (A) ) )(B) Nur durch Prozesse waren die Menschen in der Lage, ihre Schutzinteressen zumindest teilweise durchzuset- zen. Soll die Kommission nun das Recht haben, diese an- geordneten Regelungen aufheben zu dürfen? Wir sagen Nein. Das geht zu weit. Kein Genehmigungsvorbehalt für die Kommission! Wir hatten einen Antrag vorgelegt, mit dem wir eine sogenannte Subsidiaritätsrüge verlangten. Das wäre ein deutliches Signal dafür gewesen, dass Rechte der Bürge- rinnen und Bürger nicht beschnitten werden dürfen. Das wäre auch ein Signal dafür gewesen, dass die Einigung Europas die Interessen der Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht Kosteneffizienz, Kapazitätsengpässe auf Flughäfen und den freien Wettbewerb. Leider wollten sich weder die Mitglieder der Regierungskoalition noch die Oppositionsfraktionen unserem Antrag anschließen. Jetzt liegt uns der Entschließungsantrag der Regie- rungskoalition vor, der weit hinter dem zurückbleibt, was notwendig ist. Dennoch wollen auch CDU/CSU und FDP den Vorschlag einer Verordnung in dieser Form nicht. Sie fordern jetzt auch, „die Befugnisse auf das not- wendige Maß zu beschränken und die Handlungsspiel- räume auf nationaler und regionaler Ebene zu erhalten“. Das hätten wir mit unserem Antrag deutlicher haben können. Die Linke fordert, die vorgesehene Kontrollbefugnis der Kommission ersatzlos zu streichen. Wir fordern, ent- weder im Vorschlag für eine Verordnung oder an anderer Stelle im europäischen Recht verbindliche, EU-weit gül- tige Grenzwerte zum Schutz der Menschen vor Flug- und Verkehrslärm zu verankern. Die Umgebungslärm- richtlinie wäre dafür richtig. Nur so können wir die Poli- tik der Kommission bürgerfreundlicher machen. Die Menschen wollen mitbestimmen und nicht bevormundet werden. Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Europäische Kommission hat am 1. Dezember 2011 ein umfangreiches Maßnahmenpaket für die großen Flughä- fen der Europäischen Union mit über 50 000 Flugbewe- gungen im Jahr vorgestellt. Dessen Hauptziel ist es, die Effizienz der europäischen Flughäfen zu erhöhen, da die EU-Kommission dort mit Engpässen rechnet. Das soge- nannte Flughafenpaket umfasst ein zusammenfassendes Strategiepapier und drei konkrete Verordnungsvorschläge. Davon debattieren wir heute über den Vorschlag zu den Bodenabfertigungsdiensten und zur Regelung von lärmbedingten Betriebsbeschränkungen. Bei ersterem Vorschlag herrscht große Einigkeit zwischen allen Frak- tionen, dass eine weitere Liberalisierung des Sektors der Bodenverkehrsdienste zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht, deren Bezahlung schon heute schlecht ist. Auch wir Grünen haben uns daher einem in- terfraktionellen Antrag dazu angeschlossen. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, die Umsetzung dieser Verordnung in Brüssel abzulehnen. s a s re M h d m V n s v s s fa w A u te a w tr a A ru o Ü v s n k n fü b v F ru o d a le h Ih a s g te w s s te (C (D Ebenfalls stark diskutiert wird der Verordnungsvor- chlag zu den lärmbedingten Betriebsbeschränkungen, uf den ich mich in meiner Rede konzentrieren möchte. Während in Frankfurt im Wochentakt Tausende Men- chen gegen Fluglärm demonstrieren und auch an ande- n Flughafenstandorten wie beispielsweise in Berlin, ünchen und Leipzig der Widerstand gegen die gesund- eitsgefährdenden Belästigungen durch Fluglärm beson- ers in der Nacht wächst, plant die Europäische Kom- ission mit ihrem Verordnungsentwurf gerade erhebliche erschlechterungen beim Schutz vor Fluglärm. Das leh- en wir ab. Wir fordern die Bundesregierung mit Nachdruck auf, ich in Brüssel dafür einzusetzen, dass der Verordnungs- orschlag grundlegend überarbeitet wird. Andernfalls ollte die Bundesregierung den Vorschlag der Europäi- chen Kommission im ordentlichen Gesetzgebungsver- hren ablehnen. Die für die Europäische Kommission vorgesehenen eitreichenden Kontrollbefugnisse und die Befugnis zur ussetzung von Betriebsbeschränkungen müssen aus nserer Sicht gestrichen werden. Denn es ist zu befürch- n, dass damit Nachtflugbeschränkungen und -verbote us Kapazitäts- und Wettbewerbsgründen ausgesetzt erden könnten und zeitliche Beschränkungen des Be- iebs kaum noch durchsetzbar wären. Der Entwurf der Kommission orientiert sich einseitig n den wirtschaftlichen Belangen, insbesondere an der usweitung der Flughafenkapazitäten. Die Verbesse- ng des Lärmschutzes spielt hingegen nur eine unterge- rdnete Rolle. Statt die Chance zu nutzen und bei der berarbeitung der bisher gültigen Richtlinie den Einsatz on Betriebsbeschränkungen als wirksamstes Mittel zu tärken, sollen diese nach Ansicht der EU-Kommission ur als letztes Mittel der Wahl zum Einsatz kommen önnen. Schon die gültige Betriebsbeschränkungsrichtli- ie hat aber an vielen Flughäfen wenig positive Wirkung r Lärmminderung entfaltet, wie aus dem Sachstands- ericht der EU-Kommission vom 28. Februar 2008 her- orging. Nach Auffassung der Bundesvereinigung gegen luglärm war die Wirkung sogar eher negativ. Umso unverständlicher ist es daher, warum die Regie- ngskoalition in ihrem Antrag zwar ebenfalls den Ver- rdnungsentwurf ablehnt, sich dann aber dafür einsetzt, ass faktisch alles beim Alten bleibt. Oder wie, liebe Ko- litionäre, soll man es verstehen, dass sie keinen grund- genden Bedarf für die Überarbeitung der Richtlinie se- en? Das ist für uns nicht akzeptabel, deshalb lehnen wir ren Antrag ab. Wir erwarten, dass sowohl die Bundesregierung als uch die Regierungskoalition klar Farbe bekennen und ich auf die Seite der betroffenen Bürgerinnen und Bür- er stellen. Nach dem Willen der EU-Kommission sollen die kos- neffizientesten Maßnahmen Vorrang erhalten, nicht die irksamsten. Lärmschutz darf aber nicht betriebswirt- chaftlich betrachtet werden, sondern muss volkswirt- chaftlich bewertet werden. Bei der Abwägung der un- rschiedlichen Belange muss der Gesundheit der durch Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19003 (A) ) )(B) Fluglärm betroffenen Bürgerinnen und Bürger, insbeson- dere in der Nacht, künftig eine höhere Bedeutung beige- messen werden als den wirtschaftlichen und verkehrli- chen Belangen. Zudem muss klargestellt werden, dass es keinen Rückschritt zu bisherigen nationalen Schutzni- veaus geben darf und bereits erlassene Betriebsbeschrän- kungen bestehen bleiben können. Wir brauchen europäische Schutzziele, die vorgeben, ab wann Fluglärm als schädlich zu werten ist und ent- sprechenden Handlungsbedarf auslöst. Das sind aus un- serer Sicht insbesondere europaweit gültige Grenzwerte für die Lärmpegel an Flughäfen. Die Bemessungsgren- zen für den Ausschluss lauter Flugzeuge sollten nach un- serer Auffassung eher verschärft, statt aufgeweicht wer- den. Denn selbst nach dem aktuellen Entwurf würde nur ein Minimum der Luftfahrzeugflotte davon erfasst wer- den. So berücksichtigt die Neuregelung beispielsweise immer noch nicht die häufig eingesetzten lauten Flug- zeuge B 747-400 und MD 11. Der Verordnungsentwurf bringt daher keine Verbesserung. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Pakistan – Für eine aktive Einbindungsdiplomatie, Stärkung der demokratischen Kräfte und eine verlässliche Entwicklungszusammenarbeit (Tagesordnungs- punkt 16) Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Bevor ich auf Einzelheiten des hier zu beratenden Antrags eingehe, möchte ich doch hervorheben, dass Sie für Ihren Antrag generell nicht berücksichtigt haben, dass es sich bei Pakistan um einen sehr schwierigen Partner mit einem sehr ausgeprägten Sicherheits- und Souveränitätsbedürf- nis handelt. „Einbindungsdiplomatie“ findet deshalb – ob wir es wollen oder nicht – bei verschiedenen wichtigen Themen an sich ihre Begrenzungen. Ihr Antrag gibt letztlich aber keine Antwort darauf, wie man mit einem Partner umgeht, der sich zumindest partiell schlichtweg einer Einbindung verweigert. Insofern bearbeiten Sie zwar ein wichtiges Thema, entwickeln aber keine ausreichenden Lösungsansätze. Da ich Anfang Februar 2012 von einer Dienstreise aus Pakistan zurückgekommen bin, werde ich im Folgenden einige diesbezügliche Anregungen vortragen. Zu den Einzelheiten Ihres Antrags: Teil 1: „Für eine aktive Einbindungspolitik“. Sie be- schreiben den komplexen strategischen Kontext, in dem sich Pakistan befindet. Nicht nur seine schwierige Ver- quickung mit dem „Zwilling“ Afghanistan wird genannt, sondern ganz zu Recht auch die langjährige Feindschaft zu Indien. Diese Determinanten, neben der komplexen Beziehung zu den USA, sind handlungsleitend für die pakistanische Außen- und Sicherheitspolitik, die durch tiefes Misstrauen gegenüber den übrigen Akteuren in der Region getragen wird. Die einzige, aber maßgebliche Ausnahme ist China. w le d m n e z D d A s a n ti n h s H N K z p s fr K k s d d N G s e E fe Ih Ih g h a V s v d a k W ti d s Im R A A w (C (D China, USA, Afghanistan und Indien – auch Russland äre zu nennen –, allein die Aufzählung dieser regiona- n Akteure unterstreicht die geostrategische Bedeutung es Atomstaates Pakistan. Deshalb werden Sie aber im- er an der sicherheitspolitischen Perzeption der pakista- ischen Eliten ansetzen müssen, wenn Sie langfristig ine fundamentale Verbesserung der durch Sie aufge- eigten Probleme erreichen wollen. Diese entscheidende imension blenden Sie in Ihrem Antrag jedoch aus – eshalb springen Sie mit dem im Antrag beschriebenen nsatz einer „Einbindungsdiplomatie“ deutlich zu kurz. Teil 2: „Pakistans demokratische Kräfte und Zivilge- ellschaft stärken“. Wie eingangs angedeutet, habe ich uf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung mit mei- em Kollegen Ernst-Reinhard Beck, verteidigungspoli- scher Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, vom 29. Ja- uar bis zum 1. Februar 2012 Pakistan bereist. Wir atten dort ein hochrangiges Besuchsprogramm, in des- en Rahmen wir unter anderem die Außenministerin ina Rabbani Khar, den Senatspräsidenten – Oberhaus – aek und den stellvertretenden Parlamentsprecher undi treffen konnten. Daneben traf unsere Delegation, u der auch der Kollege Michael Gahler aus dem Euro- äischen Parlament gehörte, mit den Führungen ver- chiedener Parteien wie der PML-Q, der JUI-F, dem üheren Premierminister des pakistanischen Teils aschmirs, der deutschen Freundschaftsgruppe im pa- istanischen Parlament und Vertretern der pakistani- chen Armee zusammen. Sie sehen: Unsere Fraktion bemüht sich unter Einbin- ung der europäischen Ebene intensiv um die Einbin- ung der zivilen und militärischen Gesprächspartner. ur dieses hat vor dem Hintergrund der politischen egebenheiten in Islamabad wirklich Sinn – ein Be- chränkung auf zivile Gesprächspartner bedeutete auch ine automatische Beschränkung der zu erreichenden rgebnisse eines verstärkten politischen Dialogs. Inso- rn sind wir in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion rem Antrag voraus – das heißt aber auch: Wir teilen re grundsätzlichen Anliegen. Die pakistanische Seite gab uns durch die hochran- ige Wahrnehmung zu verstehen, wie sehr ihr an weiter- in guten Beziehungen zu Deutschland gelegen ist – uch vor dem Hintergrund des kürzlichen Peschawar- orfalls. Wir konnten keine Eintrübung feststellen. Be- onderes Interesse in Pakistan besteht an einer Intensi- ierung der Beziehungen zwischen den Parlamenten bei- er Länder. Das ist eine Anregung, die wir gerne ufnehmen wollen. Durch eine solche Intensivierung würden wir das pa- istanische Parlament aufwerten und es weiter stärken. ir werden vonseiten der CDU/CSU-Bundestagsfrak- on dazu einen Vorschlag einbringen, um ganz konkret ie bilaterale Zusammenarbeit von Parlamentsausschüs- en zwischen Pakistan und Deutschland zu intensivieren: Hinblick auf Pakistan, Afghanistan und die gesamte egion bieten sich hierzu besonders drei Ausschüsse an: uswärtiger Ausschuss, Verteidigungsausschuss und der usschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- icklung. Eine solche Kooperation könnte parteiüber- 19004 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 (A) ) )(B) greifende bilaterale Treffen in Deutschland und Pakistan beinhalten. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie dieses Ansinnen konstruktiv aufnehmen würden. Aber auch die Gründung einer deutsch-pakistani- schen Freundschaftsgruppe im Deutschen Bundestag sollte verstärkt in den Blick genommen werden. So hat auch der pakistanische Premierminister in seinen bilate- ralen Gesprächen am 1. Dezember 2009 mit Bundestags- präsident Professor Dr. Norbert Lammert und dem Vor- sitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Herrn Ruprecht Polenz, für eine deutsch-pakistanische Parlamentarier- gruppe im Deutschen Bundestag geworben. Derzeit gibt es nur fünf Parlamentariergruppen im Deutschen Bun- destag, die den Dialog mit der islamischen Welt unter- stützen. Eine Aufwertung des Dialogs mit islamischen Demokratien ist im deutschen wie europäischen Inte- resse und könnte effektiv wie zeitnah durch ein verstärk- tes Engagement auf parlamentarischer Ebene manifes- tiert werden. Schließlich möchte ich diesen Rahmen nutzen, um auch einmal für die hervorragende Arbeit der politischen Stiftungen im Ausland zu danken, die wir alle, wie ich denke, auf unseren Reisen erleben dürfen. Diese Arbeit findet häufig unter schwierigen Bedingungen statt, sei es in Pakistan, Ägypten oder vielen anderen Ländern dieser Welt – umso wichtiger, dass sie uns Politikern Türöffner und Begleiter sind und auf diese Weise den politischen Dialog ermöglichen. Teil 3: „Entwicklungszusammenarbeit mit Pakistan intensivieren und verbessern“. Zu den fachlichen Schwerpunkten der Entwicklungszusammenarbeit ver- weise ich im Rahmen dieser Debatte auf die Ausführun- gen meiner zuständigen Kollegin Sibylle Pfeiffer. Zum Finanziellen muss ich allerdings feststellen, dass Sie mit falschen Zahlen argumentieren. Die Zusagen der bilateralen deutsch-pakistanischen Entwicklungszusam- menarbeit erfolgen bekanntermaßen für einen Zeitraum von zwei Jahren. Die von Ihnen genannte Zahl von 15,7 Millionen Euro stellt nur eine Zwischenzusage zu- sätzlicher Mittel außerhalb dieses Rhythmus dar. Bei den letzten Regierungsverhandlungen für die Jahre 2011/ 2012 wurde eine Summe von 90 Millionen Euro zuge- sagt; auf dieses Jahr entfallen damit rechnerisch 45 Mil- lionen Euro, also allein in diesem Jahr die dreifache Summe des von Ihnen genannten Beitrags. Im Übrigen sind die Zusagen seit dem Ende des Militärregimes unter Musharraf bereits signifikant erhöht worden – von 44 Millionen in 2005/06 bis auf jetzt 90 Millionen in 2011/2012. Seitdem die CDU regiert, ist also genau das getan worden, was Sie nun erst fordern! Insgesamt resümiere ich, dass Pakistan – wie Sie ja auch feststellen – nicht ausschließlich durch die „afgha- nische Brille“ betrachtet werden darf. Sie verweisen völ- lig zu Recht auf die enorme geostrategische Bedeutung dieses Landes in seiner Region, die auf vielfältige Weise noch keine regionale Stabilität entwickelt hat. Auch sind die gewählten Ansätze wie die Stärkung demokratischer Kräfte und der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit richtig – aber leider nicht vollständig und qualitativ nicht ausreichend durchdacht. Deswegen stimmt die CDU/ C z ti D la 5 z ru u z e D ru d K D d c u 9 le g ra A m te E d lu fr s k re ü F d g m g B h g A s s s d E ru g fü n S a (C (D SU-Bundestagsfraktion dem vorliegenden Antrag nicht u und lädt Sie zur Unterstützung der geschilderten Ini- ativen ein. Sybille Pfeiffer (CDU/CSU): Pakistan ist für eutschland ein entwicklungspolitisches Kooperations- nd der ersten Stunde. Im letzten Jahr haben wir den 0. Jahrestag der deutsch-pakistanischen Entwicklungs- usammenarbeit begangen. Das sechstgrößte Land der Erde hat ein Bevölke- ngswachstum von 2,4 Prozent. Damit hat es eine große nd junge Bevölkerung und auch unglaublich viel Poten- ial. Dennoch ist die Gesellschaft zweigeteilt: Auf der inen Seite gibt es eine kleine Elite mit hoher Bildung. er steht auf der anderen Seite das Gros der Bevölke- ng gegenüber, das in bitterster Armut lebt. 50 Prozent er Erwachsenen sind immer noch Analphabeten. Die indersterblichkeit liegt deutlich über dem asiatischen urchschnitt. Darüber hinaus wurde Pakistan gerade in er jüngsten Vergangenheit immer wieder von schreckli- hen Naturkatastrophen heimgesucht. Wir alle erinnern ns noch an das verheerende Erdbeben von 2005, das 0 000 Menschenleben forderte, oder an die Flut vom tzten Jahr. Daher ist Pakistan nicht nur unter geostrate- ischen Gesichtspunkten wichtig, sondern auch und ge- de für die Entwicklungspolitik. Dazu hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen ntrag vorgelegt, der das Ziel verfolgt, Diplomatie, De- okratisierung und Entwicklungszusammenarbeit zu in- grieren. Dadurch soll es ein Mehr an Sicherheit und ntwicklung in dieser Region geben. Ich muss sagen, ass der Antrag einige wichtige und richtige entwick- ngspolitische Forderungen enthält, die auch die Unions- aktion teilt: beispielsweise die Stärkung der Zivilge- ellschaft, den Aufbau und die Konsolidierung demo- ratischer Strukturen oder die Förderung von Menschen- chten. Dennoch muss man sich an einigen Stellen nicht nur ber die Wortwahl, sondern auch über die politischen orderungen wundern. So bezeichnen die Antragsteller ie entwicklungspolitischen Aktivitäten der Bundesre- ierung als „halbherzig und inkonsistent“. Pakistan üsse als bedeutsamer und eigenständiger Akteur „ernst enommen“ werden. Als ob wir das nicht tun würden! ei den Regierungsverhandlungen im Mai letzten Jahres at Deutschland für den Zeitraum 2011/2012 Neuzusa- en in Höhe von 90 Millionen Euro gemacht. Die im ntrag zitierten 15,7 Millionen für 2012 sind damit chlichtweg falsch. Die Zusage der 90 Millionen Euro tellt im Übrigen eine Verdoppelung der Finanzmittel eit Beginn der unionsgeführten Regierungszeit 2005 ar. Damals betrugen die Zusagen lediglich 44 Millionen uro. Hinzu kommen die Mittel, die die Bundesregie- ng über den UNHCR und das Welternährungspro- ramm den pakistanischen Binnenvertriebenen zur Ver- gung stellt. Also davon zu reden, dass wir Pakistan icht ernst nehmen würden, ist schlichtweg absurd. Davon unabhängig konzentriert sich der Antrag aus icht der CDU/CSU-Fraktion auch zu stark und einseitig uf das Engagement Deutschlands als Geber und zu we- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19005 (A) ) )(B) nig auf die Beiträge und Verpflichtungen des pakistani- schen Partners. Nirgendwo lese ich etwas davon, dass Pakistan bei der Bewältigung wichtiger struktureller De- fizite seine Hausaufgaben nicht macht, sei es im Bereich der Steuerreform, der Entwicklungsorientierung oder des Energiesektors. Abschließend möchte ich noch kurz auf zwei Einzel- forderungen eingehen. Sie kritisieren das deutsche Enga- gement im Bildungssektor vor dem Hintergrund der Tat- sache, dass Großbritannien seine Mittel in diesem Sektor gerade verdreifacht hat. Wenn ich das unter dem Stich- wort Geberharmonisierung werte, kann ich das theore- tisch nachvollziehen – nur, es ist nicht auf dem aktuells- ten Stand. Die Bundesregierung arbeitet seit 2009 an einer Anpassung des Portfolios. Daher wurde mit Pakis- tan im Rahmen der Regierungsverhandlungen 2011/ 2012 vereinbart, dass Deutschland sein Engagement im Bereich der Grundbildung bis spätestens 2015 an andere Geber übergibt. Der Übergangszeitraum soll die Konso- lidierung der bisher erreichten Ziele und die Übergabe an einen geeigneten anderen Entwicklungspartner si- cherstellen. Ähnliches gilt für die Berufsausbildung: Hier ist ab 2013 eine Entscheidung über die Fortführung auf der Basis der bisher erreichten Erfolge vorgesehen. Auch andere Kritikpunkte wie ein unzureichendes Engagement im Bereich Energie oder dezentraler Gover- nancestrukturen laufen ins Leere, weil wir an diesen Themen sehr wohl arbeiten. Gestatten Sie mir abschließend noch eine kurze An- merkung mit Blick auf die bilateralen parlamentarischen Beziehungen, die ebenfalls wichtig sind, wenn wir über Governance und die Stärkung demokratischer Strukturen sprechen. Sie erwähnen in Ihrem Antrag den Women’s Parliamentary Caucus, WPC, der ohne Frage gute Arbeit leistet. Doch so wichtig die Zusammenarbeit mit dem WPC ist, so falsch wäre es, die parlamentarischen Kon- takte auf ihn zu reduzieren, wie es in Ihrem Antrag an- klingt. Im Februar 2013 sind Parlamentswahlen ange- setzt. Daher wäre es aus meiner Sicht richtiger, eine umfassende Stärkung der parlamentarischen Ausschuss- kon-takte zwischen Deutschland und Pakistan anzuge- hen. Gerade die drei Politikfelder Außen, Entwicklung und Verteidigung bieten sich an. Wir könnten dabei auf die bereits bestehenden und guten Kontakte der Pakista- nisch-Deutschen Parlamentarischen Freundschaftsgruppe zurückgreifen, die sich 2009 formiert hat. Das wäre für unsere beiden Länder, aber auch die Entwicklung und Stabilität der ganzen Region wesentlich wichtiger. Johannes Pflug (SPD): „Pakistan ist das gefähr- lichste Land der Welt“ – obwohl dieser Satz zu einem Allgemeinplatz geworden ist, wird er so leider nicht we- niger richtig. Innenpolitisch steht das politische System Pakistans unter enormem Stress, wie die jüngsten Kon- flikte zwischen Militärführung und Regierung oder auch zwischen Justiz und Regierung zeigen. Die Wirtschafts- lage bleibt angespannt, und so fehlt vor allem vielen jun- gen Pakistanis eine Perspektive für ihre Zukunft. Dass so eine Situation einen guten Nährboden für Terrorismus und religiösen Extremismus bietet, kann n c c le g d m h n p a d E w a ti b v n s d n lu E g s m ta k ru s k E G D la D b n g Q s b g s a a S le g e e (C (D icht überraschen. Diese bedrohen nicht nur die staatli- he Stabilität des Landes, sondern könnten auch die Si- herheit der pakistanischen Nuklearwaffen infrage stel- n. Außenpolitisch sieht Pakistan sich in einem schwieri- en Umfeld: Mit Indien schwelt der Streit um Kaschmir, ie Beziehungen zum Iran sind spannungsgeladen, und it Afghanistan bestehen Konflikte um die Grenzzie- ung und wegen der Einmischung Pakistans in die in- erafghanischen Verhältnisse. Einzig zu China bestehen artnerschaftliche Beziehungen, die sich aber bestenfalls ls „Schönwetterfreundschaft“ bezeichnen lassen. Zweifellos ist Pakistan zentral für Stabilität und Frie- en in Zentral- und Südasien und damit auch für den insatz in Afghanistan. Das Deutsche Institut für Ent- icklungspolitik bezeichnet Pakistan daher mit Recht ls „Ankerland“, das eine politisch herausragende Posi- on in seiner Region einnimmt und für Deutschland von esonderer Bedeutung ist. Deshalb war es richtig und wichtig, dass die Kollegen on den Grünen das Thema Pakistan auf die Tagesord- ung gesetzt haben. Denn in der Tat ist es leider so, dass ich die Bedeutung des Landes nicht ausreichend in der eutschen Pakistan-Politik widerspiegelt. Ich mache das un nicht nur daran fest, dass die deutsche Entwick- ngshilfe für Pakistan mit seinen über 170 Millionen inwohnern im Vergleich zu Afghanistan deutlich gerin- er ausfällt. Hier sehe ich durchaus Bedarf zur Nachbes- erung, allerdings darf man es sich auch nicht zu einfach achen. Ein pauschales Rufen nach „Mehr“ könnte in Pakis- n, ebenso wie in Afghanistan, auch negative Auswir- ungen haben, zum Beispiel eine Verstärkung der Kor- ption. Eine Erhöhung der Entwicklungshilfe muss omit sorgfältig geprüft und an sinnvolle Projekte ge- oppelt werden. Deutschland wird, selbst bei massiver Erhöhung der ntwicklungshilfe für Pakistan, immer ein relativ kleiner eber bleiben. Daher gilt durchaus, was der Kollege r. Stinner vor einigen Tagen festgestellt hat: Deutsch- nd darf seinen Einfluss in Pakistan nicht überschätzen. as dürfte spätestens klar sein, nachdem es im Dezem- er nicht gelungen ist, Pakistan doch noch zur Teil- ahme an der Bonner Afghanistan-Konferenz zu bewe- en. Deutschland wird deshalb in erster Linie über die ualität der Entwicklungsarbeit Reformen im Land an- toßen können. Deshalb ist es auch sinnvoll, sich wie isher auf eine begrenzte Anzahl von Kooperationspro- rammen zu beschränken. Vor dem Hintergrund des Ein- atzes in Afghanistan ist es außerdem angebracht, sich uch regional zu beschränken und diese Programme vor llem in Khyber Pakhtunkhwa, Belutschistan und den tammesgebieten durchzuführen. Für viel gravierender als die bescheidenen finanziel- n Mittel halte ich aber das Fehlen einer ressortüber- reifenden, kohärenten Gesamtstrategie für Pakistan. Es xistieren zwar Initiativen der einzelnen Ministerien, twa im Bereich der Armutsbekämpfung durch das BMZ 19006 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 (A) ) )(B) oder Ausbildungskooperationen mit den pakistanischen Streitkräften. Sie sind aber nicht mit den Aktivitäten der anderen Ministerien verknüpft und erst recht nicht an ei- ner kohärenten Strategie ausgerichtet, die deutsche Inte- ressen und Kapazitäten verbindet. Vor einer Ausweitung der deutschen Kooperation mit Pakistan muss daher eine umfassende Zielbestimmung stehen und – in Zusammenarbeit mit unseren Partnern – die Entwicklung einer Strategie, die diesen Namen ver- dient. Diese muss dann auch durch eine stärkere Abstim- mung zwischen den einzelnen Ministerien sowie durch ein gemeinsames Berichts- und Evaluationssystem er- gänzt werden. Eine solche Aufwertung Pakistans in der deutschen Außenpolitik setzt natürlich auch Interesse an einer um- fassenderen Kooperation in Pakistan selbst voraus, das sich gegenwärtig noch nicht abzeichnet. Deshalb ist es in der Tat wichtig, die zivile pakistanische Regierung als Ansprechpartner zu stärken, wie die Kollegen von den Grünen in ihrem Antrag fordern. Im Gegensatz zu ihnen hielte ich es aber für falsch, wenn dies auf Kosten unserer jahrzehntelangen Kontakte mit dem pakistanischen Militär ginge. Sie fordern in ih- rem Antrag, die Kontakte zum pakistanischen Militär auf „das Übliche“ zu beschränken. Nun spielt aber das Militär in Pakistan gerade nicht die übliche Rolle. Es do- miniert die Außen- und Sicherheitspolitik und wichtige Zweige der pakistanischen Wirtschaft. Es ist zweifellos richtig, die zivile Regierung gegen- über den Sicherheitskräften zu stärken. Aber es wäre un- klug, das Militär dabei vor den Kopf zu stoßen. Denn ei- nes ist klar: Zahlreiche der weitreichenden und dringend nötigen Reformen sind in Pakistan nur mit, nicht aber gegen den Militärapparat durchzusetzen. Zusätzlich wer- den in den nächsten Jahren vermehrt Offiziere in Füh- rungspositionen in Pakistan gelangen, die während der Regierungszeit Zia ul-Haqs islamistisch sozialisiert wur- den. Deshalb muss es besonders in unserem Interesse lie- gen, die Kontakte mit dem pakistanischen Militär noch zu intensivieren, um seine traditionelle prowestliche Ausrichtung zu stärken. Ich bin dabei auch der Auffas- sung, dass insbesondere unsere Bundeswehr, unsere Par- lamentsarmee, mit dem Leitbild vom Staatsbürger in Uniform und ihrem Grundsatz der Inneren Führung eine Vorbildfunktion für die Streitkräfte Pakistans einnehmen kann und sollte. Pakistan ist eine gewaltige Herausforderung für den Westen mit großem Gefahrenpotenzial, der sich auch Deutschland nicht verschließen kann. Daher fordern wir die Bundesregierung auf, ein strategisches Konzept zu entwickeln, ausreichende Finanzmittel bereitzustellen und die Kontakte mit der pakistanischen Zivilgesell- schaft und den relevanten Kräften im Land zu intensivie- ren. Dr. Bijan Djir-Sarai (FDP): Einigen Einschätzungen in diesem Antrag kann ich nur zustimmen. Pakistan ge- hört auf die politische Agenda. Die regionale Bedeutung d s ß z L P tr u d s m P E d s b a L m g d m g A w s le s b a P v e s g D b le H K je fo N fä O N in in k d c (C (D es Landes dürfen wir hier in Deutschland nicht unter- chätzen. Zu Recht erkennen wir daher Pakistan als äu- erst wichtig für die Entwicklung der gesamten süd- und entralasiatischen Region. Aber – und das ist genauso wichtig – wir müssen das and auch mit der Sicht auf den Prozess „Afghanistan- olitik“ betrachten. Diesen Aspekt dürfen auch die An- agsteller nicht verkennen. Pakistan verfolgt in dieser Frage eine ambivalente nd inkohärente Politik. Wir können davon ausgehen, ass Pakistan genau weiß, dass es seine sicherheitspoliti- chen Interessen in Afghanistan weiter durchsetzen uss, schon allein aufgrund der geografischen Lage. akistan wird sich nicht auf die Nachhaltigkeit unseres ngagements im Nachbarland verlassen. Pakistan habe – sagt die pakistanische Regierung – in ieser Region ein großes Gewicht. So müssten pragmati- che und realistische Lösungen für die regionalen Pro- leme gefunden werden. Es wird aber auch betont, dass lle in den Kampf gegen diese Gefahr einbezogenen änder eine gemeinsame Handlungsgrundlage haben üssten. Die Weltgemeinschaft müsse in Afghanistan emeinsam handeln, wobei aber die Afghanen selbst bei er innerafghanischen Regelung die Hauptrolle spielen üssen. Alle Nachbarländer in der Region und die Welt- emeinschaft sollten sie dabei entschlossen unterstützen. Das Misstrauen in den Beziehungen Pakistans und fghanistans lässt sich nicht Hals über Kopf verbessern, obei – das haben die Antragsteller richtig erkannt – chon eine deutliche Verbesserung erkennbar ist, vor al- m durch die intensive Besuchsdiplomatie und Fort- chritte bei den Handelsbeziehungen. Der Antrag führt richtigerweise auf, dass die Pro- leme in Pakistan äußerst komplex sind. Er verkennt ber leider völlig, dass Pakistan ein sehr schwieriger artner ist, und zwar vor allem, weil das Land geprägt ist on einem großen Sicherheitsbedürfnis und einem benso großen Souveranitätsbedürfnis. Pakistan hat sich chon seit jeher einer Einbindungsdiplomatie gut entzo- en. Selbst die aktuelle Regierung handhabt dies so. iese für Pakistan elementaren Grundsätze müssen wir eachten. In der Vergangenheit sind sie oft genug ver- tzt worden, mit der Folge, dass der diplomatische andlungsspielraum weiter eingeschränkt wird. Die pakistanische Außenministerin Hina Rabbani har hat erst vor kurzem in Russland klargemacht, dass gliche gegenseitigen Beziehungen bestimmten Regeln lgen müssten. So ist klar, dass sich die Beziehungen zwischen der ATO und Pakistan verschlechterten – durch Zwischen- lle an der afghanischen Grenze, durch die Tötung sama Bin Ladens auf pakistanischem Staatsgebiet. Die ATO und Pakistan seien zwar Verbündete und Partner Afghanistan. Sie wollten gemeinsam den Terrorismus der Region ausrotten. Unterstützung könne es aber aum geben, wenn NATO-Staaten eine Politik betreiben, ie den Interessen Pakistans zuwiderliefen und die Si- herheit seiner Einwohner bedrohe. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19007 (A) ) )(B) Der Antrag spricht völlig zu Recht an, dass die Euro- päische Kommission und viele EU-Mitgliedstaaten in Bezug auf Pakistan eine wenig nachhaltige und wenig strategische Außenpolitik verfolgen. Großbritannien jedoch – im Antrag genannt –, aber auch Deutschland haben allerdings erkannt, dass in Pa- kistan ein Konzept der strategischen Geduld zur Anwen- dung kommen muss. Wir müssen Pakistan unterstützen, bei der Stabilisierung im Land und bei der Bewältigung seiner Zukunftsfragen. Das ist der Bundesregierung be- wusst. Das müssen wir nicht erst einfordern. Ich stimme der Aussage völlig zu, dass ein Engage- ment für Menschenrechte und vor allem die Durchset- zung von Frauenrechten für Pakistan bedeutend sind. Und ja, Pakistan hat in den städtischen Regionen durch- aus eine aktive und teilweise progressive Zivil- und Me- diengesellschaft. Aber über eins müssen wir uns im Klaren sein: Dieses Engagement ist äußerst eingeschränkt. Pakistan ist ein gefährliches Terrain für zivilgesellschaftliche Akteure, nicht zuletzt wegen der im Antrag aufgeführten innen- politischen und gesellschaftlichen Interessen, Konflikte und Defizite. So schränken Selbstzensur, Einschüchte- rung und physische Gewalt erheblich ein. Wir erwarten daher keine kurzfristigen Durchbrüche und gesellschaft- lichen Umwälzungen. Wie bereits erwähnt, strategische Geduld ist nötig – in weitaus mehr Feldern, als in diesem Antrag aufgeführt. Nicht förderlich ist auch, dass das staatliche Gewaltmonopol nicht sichergestellt ist, ge- nauso wie die damit verbundenen Schutzaufträge. Zu- dem sehen wir noch großes Verbesserungspotenzial bei der pakistanischen Justiz. Leider sind in dem hier vorliegenden Antrag nicht alle Zahlen gänzlich richtig. Die Antragsteller versu- chen, die deutsche Entwicklungszusammenarbeit deut- lich in eine unzureichende Ecke zu stellen. Gesagt wird: 15,7 Millionen Euro für 2012 reichen nicht aus. – Aber bei 15,7 Millionen Euro ist auch noch nicht Schluss. Diese Zahl stellt eine Zwischenzusage zusätzlicher – ich betone: zusätzlicher – Mittel dar, außerhalb des zweijäh- rigen Planungszeitraumes. Rechnerisch entfallen nach den Zusagen der Regierungsverhandlungen für die Jahre 2011/2012 allein auf dieses Jahr circa 45 Millionen Euro. Und diese Zusagen von deutscher Seite sind seit dem Ende des Militärregimes von Musharraf bereits deutlich erhöht worden. Für die Jahre 2005 und 2006 waren es noch 44 Millionen Euro. Der Verweis der Antragsteller auf die britische Regierung ist natürlich richtig. Sie hat die Mittel erhöht. Aber der Vergleich mit der deutschen Seite – das sehen Sie ja hier – hinkt ganz gewaltig. Im Bereich Bildung steht Deutschland in Kontakt mit der britischen Entwicklungszusammenarbeit, gerade weil wir die britischen Anstrengungen auf diesem Gebiet se- hen. Wir wollen bereits erzielte Erfolge langfristig si- chern. Das funktioniert sehr gut durch Spezialisierung. Effektiv soll auf der Basis des bisher Erreichten ab 2015 aufgebaut werden. Deshalb wird Deutschland bis dahin sein Engagement im Bereich der Grundbildung an an- d Z d e d h tu U is h 2 u d U tu d m te h d s w w o z ti te D ti s d e P s s n z M a n s h te T a d ru m (C (D ere Geber übergeben. Dieser vergleichsweise lange eitraum ist dafür notwendig. Die bisher erreichten Ziele müssen konsolidiert wer- en. Die Übergabe muss in Verantwortung an einen ge- igneten Entwicklungspartner erfolgen. Zu Recht erkennt der vorliegende Antrag klar, dass ie pakistanische Regierung ihre ambitionierten Ziele insichtlich des Aufbaus dezentraler Governance-Struk- ren voraussichtlich nicht umsetzen kann, dass weitere nterstützung im Bereich Energie dringend notwendig t. Aber auch hier sei gesagt: Der Antrag greift nur die albe Realität auf. Die Bundesregierung hat bereits seit 009 Maßnahmen der dezentralen Regierungsführung nd ländlichen Elektrifizierung im Nordwesten des Lan- es zugesagt. Diese befinden sich bereits teilweise in der msetzung. Die Bundesregierung sieht also eindeutig die Bedeu- ng dieser Ansätze. Das brauchen wir ihr also nicht von ieser Stelle aus ins Stammbuch zu schreiben. Wir neh- en Pakistan als bedeutsamen und eigenständigen Ak- ur ernst, auch wenn wir den vorliegenden Antrag nicht ier verabschieden. Denn zu stark wird in dem Text auf as Engagement Deutschlands als Geber fokussiert. Wir ollten aber nicht außer Acht lassen, dass Pakistan keine esentlichen Fortschritte erzielt hat – nicht bei der Be- ältigung struktureller Mängel bei der Entwicklungs- rientierung und der Steuerreform, nicht bei der finan- iellen Nachhaltigkeit des Energiesektors. Es sind Beiträge unseres pakistanischen Partners nö- g. Ich glaube nicht, dass wir allein durch höhere ex- rne Geldsummen diese Defizite ausgleichen können. eutschland macht Angebote und setzt langfristig posi- ve Anreize. Jan van Aken (DIE LINKE): Wenn man sich an- ieht, wie in Deutschland über Pakistan geredet wird, ann fällt vor allem eines auf: Das Land wird immer in inem Atemzug mit Afghanistan und mit Terror genannt. akistan, das ist aus deutscher Sicht anscheinend nur ein icherheitspolitischer Störfaktor. Das ist ein großes Problem – vor allem für die Men- chen in Pakistan. Denn dieser Tunnelblick führt zu ei- er Politik, die auf Aufrüstung, auf Drohnen, auf ge- ielte Tötungen setzt und nur mehr Gewalt erzeugt. enschenrechte, Demokratie und Entwicklung bleiben uf der Strecke. Das Militär hat in Pakistan längst die Kontrolle über- ommen. Und die USA helfen dabei leider kräftig mit, ie pumpen jährlich bis zu 2 Milliarden Dollar Militär- ilfe in das Land. Sie setzen Drohnen zum gezielten Tö- n vermeintlicher Terroristen ein und nehmen dabei den od von Zivilistinnen und Zivilisten in Kauf. Dass dies lles mit Duldung der pakistanischen Regierung stattfin- et, macht es nicht richtiger. Und dass die Bundesregie- ng dazu schweigt, ist unverantwortlich. Pakistan mit seinen 187 Millionen Einwohnern ist assiv unterentwickelt. Auf der Liste des Human 19008 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 (A) ) )(B) Development Index rangiert Pakistan gerade mal auf Platz 145 von 187 aufgeführten Staaten – über 20 Pro- zent der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze, gerade einmal die Hälfte kann lesen und schreiben. Dass die Lage für die Menschen in Pakistan so kata- strophal ist liegt auch daran, dass das Land über 20 Pro- zent des Haushaltes für das Militär ausgibt, Millionen fließen in immer neue Waffen. Für Bildung, Gesundheit und Entwicklung fehlt dieses Geld. Es ist an der Zeit, dass der Westen, dass die Bundes- regierung endlich die Menschen ins Zentrum der Bezie- hungen zu Pakistan stellt. Sie muss aufhören, Sicher- heitsinteressen vor Menschenrechte und Entwicklung zu stellen. Sie muss endlich verstehen, dass Pakistan nicht nur ein konfliktreiches Grenzgebiet zu Afghanistan ist. Sie muss mit einer Politik gegenüber Pakistan beginnen, die einer demokratischen Entwicklung des Landes und der Zivilbevölkerung zugutekommt. Eine – vermeintliche – Stabilität darf nicht länger über Demokratie und Menschenrechte gestellt werden. Wenn jemand sagt, dass das Militär in Pakistan ge- braucht wird, um zu verhindern, dass die pakistanischen Atombomben in die Hände von Islamisten geraten, dann kann ich Ihnen nur sagen: Eine Atombombe in den Hän- den des pakistanischen Geheimdienstes ISI macht ge- nauso Angst und Bange. Und wie schnell es mit der „Stabilität“ von autoritären Regimen vorbei sein kann, haben Ägypten und Tunesien Ihnen doch gerade vorge- führt. Die Bundesregierung muss jetzt endlich den Kurs wechseln. Dazu gehört auch, dass die gezielten Tötun- gen, auch in Pakistan, endlich aufhören. Dafür kann die Bundesregierung sich bei den Amerikanern einsetzen, und vor allem muss sie jede Unterstützung dafür einstel- len. Und sicherheitspolitisch muss man doch die ganze Region im Blick haben, allem voran den Kaschmir-Kon- flikt. Im letzten Sommer haben Pakistan und Indien den Dialog wieder aufgenommen und sich zu einem „Ende der Ideologie des militärischen Konflikts“ bekannt. Die- sen Prozess zu unterstützen, wäre eine sinnvolle Auf- gabe deutscher Außenpolitik – verbunden mit Verhand- lungen über echte Abrüstungsschritte auf beiden Seiten. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren sollte, auch nicht nach Pakistan. Im Jahre 2010 hat Deutschland Rüstungs- exporte für 97 Millionen Euro nach Pakistan genehmigt. Und wissen Sie, wie viel Indien genehmigt wurde? Auch 97 Millionen Euro. Da rüsten Sie zwei Staaten gegenein- ander auf. Das muss ein Ende haben! Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie nä- hert man sich am besten diesem Land Pakistan, das so zerrissen ist wie kaum ein anderes? Die vielen Gesichter Pakistans lösen Ängste aus; denn sie sind so bunt und vielfältig wie auch extrem, uns unverständlich wie faszi- nierend und erschreckenderweise immer wieder von Ge- walt durchzogen. s b F te d z s s g in s s ti ta k E A v ra P P ta k p z k P w ta le G R D w P d A n m s Z h G la li In h s s (C (D Das Land entlang dem Indus ist Atomstaat und mit einem Nachbarn Indien in herzlicher Abneigung ver- unden. Pakistan ist Nährboden für einen islamischen undamentalismus, der auch die eigene Bevölkerung rrorisiert. Pakistan ist Schauplatz und Ausgangspunkt es internationalen Terrorismus, insbesondere mit Bezug um Krieg in Afghanistan. Aber Pakistan verfügt auch über eine aktive Zivilge- ellschaft mit einer aufgeklärten und kritischen politi- chen Kultur, die sich mutig den Krisen entge- enstemmt. Gleichzeitig ist das Land vom Klimawandel besonders krasser Weise bedroht. Die letzte Flutkata- trophe im Jahr 2010 hat ungeheures Leid über die Men- chen im Land gebracht. Fakt ist: Pakistan stand viel zu lange abseits der poli- schen Agenda. Mit dem Antrag, den wir Grüne heute in den Bundes- g einbringen, wollen wir eine Debatte über den kon- reten Umgang mit diesem komplexen Land anstoßen. infache Lösungen gibt es nicht. Pakistan macht es uns immer wieder schwer. Die usweisung der BND-Mitarbeiter und die Entführungen on Entwicklungshelfern zeigen die komplizierten He- usforderungen, denen wir gegenüberstehen. Drei Ziele könnten die Eckpfeiler einer konstruktiven akistan-Politik Deutschlands und Europas sein: erstens akistan aktiv diplomatisch einbinden, zweitens Pakis- ns demokratische Kräfte und die Zivilgesellschaft stär- en, drittens mit Pakistan eine intensive Entwicklungs- artnerschaft auf Augenhöhe etablieren. Zu Punkt eins. Nur wenn wir Pakistan Verantwortung ugestehen, können wir sie auch einfordern. Uns allen ist lar, dass eine politische Lösung in Afghanistan ohne akistan nicht zu erreichen ist. Obwohl oder gerade weil ir gleichzeitig wissen, welch zweifelhafte Rolle pakis- nische Kräfte in und mit Bezug auf Afghanistan spie- n, müssen wir dafür Sorge tragen, dass Pakistan an den esprächen und Verhandlungen um den Frieden in der egion beteiligt ist. Wir Europäer und insbesondere wir eutsche sollten eine Brückenfunktion einnehmen, enn es darum geht, das zerrüttete Verhältnis zwischen akistan und den USA wieder auf eine vertrauenswür- ige Basis zu stellen. Aber wir brauchen Pakistan nicht nur mit Blick auf fghanistan. Um das fragile Land mit seinen 180 Millio- en Einwohnern langfristig zu Stabilität zu verhelfen, üssen wir – dies betrifft Punkt zwei – die demokrati- chen Kräfte in Regierung und Parlament ebenso wie die ivilgesellschaft stärken. Was heißt das konkret? Das eißt zum Beispiel, wenn wir als Parlamentarierinnen esprächspartner in Pakistan suchen oder nach Deutsch- nd einladen, schwerpunktmäßig und zuvorderst Zivi- sten zu treffen und eben nicht dem Reflex zu verfallen: Pakistan herrschen faktisch das Militär und der Ge- eimdienst, und deshalb muss man mit diesen Gruppen prechen. Das reicht nicht. Pakistanische Parlamentarierinnen beispielsweise, die ich im Women’s Parliamentary Caucus zusammenge- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19009 (A) ) )(B) funden haben, brauchen unsere Unterstützung, damit sie Legitimität für ihre parlamentarische Arbeit bekommen. Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten, Journalis- tinnen und Journalisten, Künstlerinnen und Künstler – und viele einfache Frauen und Männer leiden darunter, dass das Militär eine überwältigende Rolle spielt und mit seinen Privilegien die Gesellschaft aussaugt. Wir müssen deshalb an der Seite der Demokratinnen und Demokra- ten stehen. Zu Punkt drei. Schließlich brauchen wir eine differen- zierte Entwicklungspartnerschaft. Die Folgen der Flut- katastrophe sind noch lange nicht überwunden. Im letz- ten Jahr grassierte eine Dengue-Epidemie. Die krassen Einkommensunterschiede und feudalen Gesellschaftsstrukturen sind Entwicklungshemmnisse. Terror- und Gewalttraumata sowie mangelnde Bil- dung belasten die Menschen über Generationen. Ich konnte mich auf meiner jüngsten Reise erneut davon überzeugen, wie aufnahmebereit und eigenverantwort- lich Projekte beispielsweise im Swattal von Frauen und Männern umgesetzt werden. Hier müssen wir sehr viel mehr europäisch abgestimmt Angebote machen und als Freunde und Partnerinnen derjenigen agieren, die ein besseres Pakistan wollen. Wenn wir in Deutschland zum Ziel haben, dass in die- ser Region Frieden und Stabilität einziehen können, dann braucht Pakistan Unterstützung, gerade auch im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Wir sollten und wir können dazu beitragen, Pakistan in die Pflicht zu nehmen und international einzubinden. Ich bin gespannt auf die Debatte. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Die soziale Dimen- sion von Bologna stärken (Tagesordnungs- punkt 17) Tankred Schipanski (CDU/CSU): Am 20. Oktober 2011, pünktlich zum Start dieses Wintersemesters, dis- kutierten wir in diesem Hohen Haus den Antrag der SPD mit dem Titel „Hochschulpakt Plus“. In der Debatte ha- ben wir dann festgestellt, dass es durch mannigfache Maßnahmen von Bund und Ländern gelungen ist, einen sehr guten Start des Wintersemesters, gerade unter dem Blickwinkel von doppelten Abiturjahrgängen und dem Aussetzen der Wehrpflicht, zu gestalten. Die SPD konnte mit ihrem schwarzmalerischen Antrag keinen Pessimismus in der Bildungsrepublik Deutschland ver- breiten, die Realität sprach eine andere Sprache. Am Ende meiner damaligen Rede wies ich auf die wirklichen Problemfelder hin: Es fehlen keine Studien- plätze, sondern eine gute Infrastruktur. Zu Recht verwies ich auf die Städte München und Jena, mit zwei SPD-OB an der Spitze, die bis zum heutigen Tage die Probleme nicht in den Griff bekommen. Die Koordination zwi- schen Städten und Studentenwerken, die Kommune als B ra g v d s H d p B n d A a D F s P S n L o F F g w a H A li a li d w ih § m n g te B L z d v v im a d w m 2 (C (D ildungspartner vor Ort zu begreifen – das sind die He- usforderungen, die es zu lösen gilt, und nicht einfach, ießkannenartig Bundesgelder über die Hochschulen zu erteilen! Dies waren unter anderem die Erkenntnisse er letzten Debatte. Leider hat dies bei der SPD nicht so gefruchtet, wie ich dies die Betroffenen und wir gewünscht hätten. eute debattieren wir erneut einen Antrag, wieder will ie SPD einen Pakt, heute ist es ein „Hochschulsozial- akt“. Wieder nimmt die SPD eine Gießkanne, füllt sie mit undesgeld, welches nicht vorhanden ist, und schüttet es icht über den Hochschulen aus, sondern über den Stu- entenwerken. Diese sollen das Geld verwenden für den usbau von Mensen, Kindergärten, Wohnheimen usw. – lles schöne Dinge, nur, wir können es nicht finanzieren. ie Genossen der SPD müssen sich in der diesjährigen aschingssaison mit Jupp Schmitz fragen lassen: Wer oll das bezahlen, wer hat das bestellt, wer hat so viel inkepinke, wer hat so viel Geld? Liebe Genossen der PD, merken Sie sich auch für alle weiteren Anträge ei- en Grundsatz: Der Bund ist nicht die Sparkasse der änder. Zu Ihrem Evergreen bezüglich der Stärkung der Ko- perationskultur in unserem Land kann gerade auf dem eld des Hochschulbaus und der sozialen Infrastruktur olgendes festgehalten werden: Die Gemeinschaftsauf- abe Hochschulbau ist mit der Föderalismusreform I be- usst abgeschafft worden; die Länder erhalten jedoch ls Ausgleich substanzielle Kompensationsleistungen in öhe von rund 700 Millionen Euro jährlich (vergleiche rt. 143 c GG). Zudem erhalten die Länder rund 300 Mil- onen Euro jährlich für die dauerhafte Gemeinschafts- ufgabe „Forschungsbauten an Hochschulen einschließ- ch Großgeräten“ (Art. 91 b Abs. 1 Nr. 3 GG). Ein weiterer Evergreen Ihres Forderungskatalogs ist as Thema BAföG. So haben Sie auch bei diesem Antrag ieder mit Copy and Paste gearbeitet. Liebe Genossen der SPD, die Bundesregierung hat in rem dem Bundestag vorliegenden 19. Bericht nach 35 BAföG bereits angekündigt, dass sie „das Gespräch it den Ländern aufnehmen“ werde, „um gemeinsam ei- en Vorschlag zu erarbeiten für ausbildungspolitisch an- emessene und haushaltspolitisch verantwortbare wei- re Anpassungen und inhaltliche Fortentwicklung des aföG“. Der erste Schritt ist hierbei jedoch, dass sich die änder klar zu ihrer Mitverantwortung und dem Finan- ierungsschlüssel „65 Prozent Bund – 35 Prozent Län- er“ bekennen. Ferner muss abgewogen werden, ob In- estitionen in Wohnheime nicht die bessere Verwendung on nur ein Mal vorhandenen Mitteln sind und nicht die mer weitere Erhöhung von BAföG-Sätzen. Die nächste Forderung Ihres Antrags ist rhetorisch uch wenig originell, und inhaltlich verkennen Sie wie- erum die Rechtslage: ein Hochschulsozialpakt – ich er- ähnte dieses Marketinginstrument bereits am Anfang einer Rede. Der Bund engagiert sich mit dem Hochschulpakt 020 und dem Qualitätspakt Lehre bereits in außerge- 19010 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 (A) ) )(B) wöhnlichem Maße für ein ausreichendes und qualitativ hochwertiges Studienangebot. Mit dem Hochschulpakt stellt der Bund den Ländern in den Jahren 2011 bis 2015 insgesamt rund 4,7 bis 4,9 Milliarden Euro für die Auf- nahme zusätzlicher Studienanfänger zur Verfügung. Mit dem Qualitätspakt Lehre, für den der Bund bis 2020 knapp 2 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, werden an 186 Hochschulen aus allen Ländern Projekte zur Verbes- serung der Studienbedingungen und der Qualität der Lehre gefördert. Viele dieser Projekte nehmen gezielt die Beratung und Betreuung der Studierenden, insbeson- dere in der Studieneingangsphase, in den Blick – so bei- spielsweise an meiner Heimatuniversität, der TU Ilme- nau. Angesichts der aktuellen Herausforderungen des deutschen Hochschulsystems leistet der Bund im Rah- men seiner verfassungsrechtlichen Möglichkeiten mit diesem beispiellosen Engagement einen wichtigen Bei- trag für ein ausreichendes und qualitativ hochwertiges Studium in Deutschland. Der Bund will und kann aber nicht die Länder aus ihrer primären Verantwortung für die Hochschulen und die Studierenden entlassen. Die Länder sind gefordert, kontinuierlich ihre Beiträge zur Verbesserung von Studium und Lehre zu erbringen und gemäß ihrer aus der Verfassung sich ergebenden Zustän- digkeit auch die Voraussetzungen für eine angemessene soziale Infrastruktur zu schaffen. Lassen Sie uns dabei speziell auf die Wohnheimpro- blematik schauen. Hierbei geht es insbesondere um die Forderung nach einem Bund-Länder-Programm für min- destens 25 000 zusätzliche Plätze im Studentenwohn- heimbau. Hierfür wären nach Berechnungen des DSW Fördermittel in Höhe von 376 Millionen Euro erforder- lich. Seit der Föderalismusreform sind die Hochschul- bauförderung sowie die Förderung des sozialen Woh- nungsbaus in die ausschließliche Zuständigkeit der Län- der übergegangen. Als Kompensationsmittel für die Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau und Neubau von Hochschulen“ werden den Ländern auch in diesem Jahr wie in den Jahren 2009 und 2010 insgesamt Mittel in Höhe von 695 300 000 Euro, Titel 882 60 – 139, zur Verfügung gestellt. Eine Förderung im Rahmen des Hochschulpakts ist rechtlich unzulässig. Die Rechts- grundlage für den Hochschulpakt deckt nur die Finanzie- rung von Vorhaben der Wissenschaft. Der Wohnheimbau ist kein Vorhaben im Sinne Art. 91 b GG. Die Länder nehmen ihre Verantwortung bezüglich der anteiligen finanziellen Förderung von studentischem Wohnraumneubau und -ausbau unterschiedlich wahr. Die Bereitschaft der Länder Bayern, Baden-Württem- berg und Thüringen im Bereich Förderung des studenti- schen Wohnraumneubaus und -ausbaus ist ausdrücklich zu begrüßen, weil mit dem weiteren Ausbau der Wohn- heimplätze die notwendige Infrastruktur studentischen Wohnens angesichts der aktuell steigenden Studienan- fängerzahlen auch in den nächsten Jahren eine sehr wichtige Maßnahme darstellt, um das Studieren vor Ort insbesondere an Studienstandorten mit angespanntem Wohnungsmarkt zu ermöglichen. Dem Beispiel sollten a s g S w ru n h n B M F re n ri s M m g M B M h tr v 2 d s w d w B d li d v b g fü w te g te B s W d e (C (D lle folgen, wobei auch hier zu erwähnen ist, dass bei- pielsweise der SPD-Kultusminister Matschie in Thürin- en beim jüngsten Hochschulpakt Kürzungen bei den tudentenwerken vorgenommen hat. Lassen Sie mich zum Schluss auf einen dreisten Vor- urf in Ihrem Antrag reagieren. Wenn man den Forde- ngspunkt 6 Ihres Antrags liest, dann hört sich dies ach einem echten „Hagemann“ an. Nur durch Wieder- olung erhöht man den Wahrheitsgehalt dieses Vorwurfs icht! Mit einem Mittelabfluss von 99,4 Prozent hat das MBF auch im Jahr 2011 die zur Verfügung stehenden ittel sehr effizient und zielgerichtet für Bildung und orschung eingesetzt. Zum Vergleich: In den sieben Jah- n 2005 bis 2011 ist im gesamten BMBF-Haushalt we- iger Geld stehen geblieben als in der 15. Legislaturpe- ode allein für das rot-grüne Prestigeprojekt „Ganztags- chulprogramm“. Es ist zudem unzutreffend, dass mit Ausgaberesten ittel überjährig „angespart“ werden. Ausgabereste üssen bei Inanspruchnahme im jeweiligen Einzelplan egenfinanziert werden und stellen daher kein adäquates ittel dar: Sie gehen zulasten anderer Maßnahmen in ildung und Forschung. Insofern sollte Ihr Kollege Hagemann das nächste al besser recherchieren, bevor er wieder falsche Be- auptungen aufstellt! Axel Knoerig (CDU/CSU): Die SPD hat einen An- ag vorgelegt – mit dem Titel „Die soziale Dimension on Bologna stärken“. Darin fordert sie den Bau von 5 000 neuen Wohnheimplätzen für Studenten. Auf iese Weise soll die „soziale Infrastruktur“ der Hoch- chulen an die gestiegenen Studentenzahlen angepasst erden. Dieser Vorschlag ist – auf den ersten Blick betrachtet – urchaus nachvollziehbar: So gibt es, was die Studenten- ohnheime betrifft, derzeit deutlich weniger Plätze als ewerber. Die insgesamt 180 000 Wohnheimplätze bun- esweit reichen nicht mehr aus. Selbst die 9 000 zusätz- chen Plätze, die sich 2011 im Bau befanden, können iese Lücke nicht füllen. Ursache dafür ist die sehr hohe Studienanfängerquote on 55 Prozent im laufenden Wintersemester. Denn ins- esondere bei Erstsemestern ist diese Art der Unterbrin- ung sehr beliebt. Insgesamt 625 Millionen Euro fordert die SPD nun r den Bau weiterer 25 000 Wohnheimplätze. Finanziert erden sollen diese durch ein neues Modell mit dem Ti- l „Hochschulsozialpakt Bund und Länder“. Dieser so- enannte Hochschulsozialpakt wird allerdings nicht wei- r konkretisiert, was die finanziellen Leistungen von und und Ländern angeht. Warum, müssen wir uns fragen. Weil genau hier An- pruch und Wirklichkeit komplett auseinanderdriften. ie ernst ist dieser Antrag überhaupt zu nehmen? Er ist em Ausschuss vorenthalten und somit der Fachdebatte ntzogen worden. Aufseiten der Länderbank sieht man Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19011 (A) ) )(B) auch keinen Vertreter sitzen, der diesen Antrag zumin- dest symbolisch unterstützen würde. Fakt ist stattdessen: Dieser Antrag ist nur ein weiterer Beweis für die völlige Fehleinschätzung der SPD, was die Bundeskompetenz in der Bildungsfinanzierung be- trifft. Ähnlich fatale Vorschläge haben wir ja kürzlich schon mit dem SPD-Vorschlag zum Bildungsföderalis- mus gehört. Stellen wir also zunächst einmal klar: Die Hauptver- antwortung für den Bau von Studentenwohnheimen tra- gen die Länder und nicht der Bund. Doch völlig im Wi- derspruch zu diesem Grundsatz soll hier – nun wieder einmal – der Bund als Zahlmeister einspringen, damit sich die Länder aus ihrer Verantwortung stehlen können. Gerade die SPD-regierten Bundesländer haben nämlich Millionen verloren – dadurch, dass sie die Studienge- bühren gestrichen haben. Und jetzt sollen diese Verluste über eine Mogelpackung mit der Bezeichnung „Hoch- schulsozialpakt“ umfinanziert werden. Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Allein Nord- rhein-Westfalen verliert jährlich rund 280 Millionen Euro bis 2013. Essenzielle Mittel, die bisher für Dienst- leistungen im Studium bereitgestellt wurden, sind ein- fach ohne jeglichen Ausgleich gestrichen worden. Und gerade jetzt, bei steigenden Studentenzahlen, wollen sich die Länder auch noch aus der Finanzierung der Studen- tenwerke zurückziehen?! Ich nenne dazu nur eine Zahl: Die Länderzuschüsse zur Gesamtfinanzierung der Studentenwerke sind seit Anfang der 90er-Jahre von 24 auf 10 Prozent gesunken. Das geht so nicht! Union und FDP werden nicht zulas- sen, dass der Bund hier für andere die Zeche zahlen muss. Dass es selbstverständlich auch anders geht, möchte ich kurz am Beispiel meines heimischen Bundeslandes Niedersachsen erläutern: Dieses unionsgeführte Land hat die Finanzierungsleistungen für die Studentenwerke erheblich gesteigert. So werden 2012 insgesamt 14,5 Millionen Euro an die fünf niedersächsischen Stu- dentenwerke gezahlt. Dazu kommt noch eine Pauschale von 3 Millionen Euro für den Ausbau studentischer In- frastruktur, das heißt Beratung, Information und Service- leistungen. Anlass hierfür ist zum einen der doppelte Abiturjahrgang, zum anderen das Aussetzen der Wehr- pflicht. – Das ist verantwortungsvolle unionsgeführte Bildungspolitik. Kommen wir zu einer weiteren Ungereimtheit des SPD-Antrages: Der Bau von Studentenwohnheimen ist überhaupt keine Bildungsaufgabe. Stattdessen ist er Teil der Sozialfürsorge des Landes und der Daseinsvorsorge der Kommunen. Das ist eine verfassungsrechtliche Pflicht der Länder und Kommunen. Ich frage Sie daher, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion: Wo ist der Bezug zur sozialen Dimension des Bologna-Prozesses? Hier jedenfalls gibt es keinen. Die neue Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau“, nach Art. 91 b Abs. 1 Nr. 3 GG, schreibt nur noch eine Beteiligung des Bundes für Forschungsbauten an Hoch- s h s n p a z a z u G ru D b – – – – – – b m g in d ih e d d lo B w m g a in b h (C (D chulen vor. Wohnheime gehören nicht dazu. Was uns ier heute zur Abstimmung vorgelegt wird, ist somit chlichtweg verfassungswidrig. Im Gegensatz zu diesen völlig aus der Luft gegriffe- en Vorschlägen haben Union und FDP ihren bildungs- olitischen Pflichtenkatalog längst erfüllt: Die Bildungs- usgaben des Bundes lagen im vergangenen Jahr bei bis u 7 Milliarden Euro, also damit so hoch wie in keiner nderen Legislaturperiode bisher. In dem Antrag ist außerdem zu lesen, dass die „so- iale Infrastruktur … in den Hochschulpakten bislang nberücksichtigt“ sei. Dazu kann man nur sagen: Das egenteil ist tatsächlich der Fall. Unsere Bundesregie- ng hat bereits flankierende Programme zur sozialen imension des Bologna-Prozesses auf den Weg ge- racht: Mit dem Hochschulpakt 2020 haben Bund und Län- der neue Studienmöglichkeiten eingerichtet. In der ersten Programmphase 2007 bis 2010 hat der Bund insgesamt 565 Millionen Euro bereitgestellt. Im Zeitraum 2011 bis 2015 stellt er weitere rund 4,7 bis 4,9 Milliarden Euro zur Verfügung. Mit der größten BAföG-Erhöhung seit Einführung dieses Gesetzes ist die soziale Lage der Studierenden deutlich verbessert worden. Der Bund ist mit 2 Milliarden Euro bis 2020 am Qua- litätspakt Lehre beteiligt, um das Lehrangebot sowie die Betreuung und Beratung an den Universitäten zu verbessern. Das Deutschlandstipendium und die Erhöhung des Büchergeldes sind weitere Maßnahmen zur Verbesse- rung der sozialen Lage der Studierenden. Das sind die Leistungen von Union und FDP in der ildungspolitischen Verantwortung des Bundes. Ihren Antrag lehnen wir deshalb ab. Denn dieser acht deutlich, dass die Antragsteller von der SPD die rundlegenden Ordnungsprinzipien der Bildungspolitik unserem Land nicht kennen. Sie wollen die Versäumnisse und Fehlentscheidungen er Wissenschaftspolitik in den Bundesländern, in denen re Partei, die SPD, verantwortlich ist, auf die Bundes- bene abwälzen. Wir sagen dazu eindeutig Nein. Ulla Burchardt (SPD): Letzte Woche hat das Bun- eskabinett den aktuellen Bologna-Bericht verabschie- et und die Entwicklungen seit der Bologna-Reform ge- bt. Natürlich ist es erfreulich, dass die Akzeptanz der achelor-Abschlüsse wächst, die Studierdauer kürzer ird, die Auslandsmobilität steigt. Aber Bologna ist ehr als das Vereinheitlichen des Hochschulraums – es ehört auch die soziale Dimension dazu. Bund und Länder tragen hierfür gemeinsam Ver- ntwortung, indem sie zusätzliches Geld für Bildungs- vestitionen sowie für individuelle Bildungsförderung ereitstellen, um Chancengleichheit im Bildungsbereich erzustellen und soziale Hürden des Studiums zu sen- 19012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 (A) ) )(B) ken. Zusammen mit Hochschulen müssen Bund und Länder Lehrpläne studierbar ausgestalten und Prüfungs- belastungen für Studierende handhabbar machen. Die Bildungsproteste 2010 mahnten hierbei entschlossenes Handeln an. Die soziale Dimension umfasst zusätzlich auch die so- ziale Infrastruktur der Hochschulen; das heißt, es geht ne- ben der Frage der Studienfinanzierung um bezahlbaren Wohnraum, ausreichende Kapazitäten der Hochschulgas- tronomie, genügend Beratungs- und Kinderbetreuungs- angebote und behindertengerechte Hochschulen. Die Studentenwerke in Deutschland leisten hierfür mit ihren über 16 000 Mitarbeitern hervorragende Ar- beit. Sie bieten umfangreiche Beratung und Hilfe für Studierende. Aber die Studentenwerke stoßen nun bei über 500 000 Studienanfängern auch an die Grenzen des Machbaren. Ihre Leistungsfähigkeit muss dringend aus- gebaut werden. Bereits 2007 haben CDU/CSU und SPD in einer Ent- schließung des Bundestags die Erwartung an die Länder formuliert, „die Leistungsfähigkeit der Studentenwerke zu erhöhen und auch die sozialen Voraussetzungen für eine deutlich höhere Zahl von Studienanfängern, zum Beispiel im Bereich der Wohnraumversorgung, rechtzei- tig zu schaffen“. Fakt ist, dass der Länderanteil an den Gesamteinnah- men der Studentenwerke seit Anfang der 1990er-Jahre von circa 24 Prozent auf nur noch circa 10 Prozent abge- sunken ist und die Studierenden mittlerweile mit circa 14 Prozent mehr zum Etat der Studentenwerke beisteu- ern als die Länder. Einige Länder, wie zum Beispiel Nord- rhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, haben dies er- kannt und ändern dies. Und Hamburg macht Schritt für Schritt die Kürzungen der Vorgängerregierung rückgän- gig. Aber neben den Ländern trägt auch der Bund Verant- wortung. Es reicht nicht, sich nur finanziell am Ausbau der Studienplatzkapazitäten zu beteiligen, sondern es sind seinerseits auch Investitionen in die soziale Infra- struktur nötig. Es ist unstrittig: Der Studierendenansturm ist erfreu- lich. Er deckt den Bedarf an Hochqualifizierten und beugt dem drohenden Fachkräftemangel vor. Doch er stellt auch eine Herausforderung dar: Schon jetzt steigt nach aktuellen Erhebungen der Bedarf unter anderem an bezahlbarem Wohnraum, Service- und Beratungsange- boten sowie Kinderbetreuung. Wenn aktuell die Wohnheimplätze der Studenten- werke für weniger als 10 Prozent der Studierenden reichen, besteht akuter Handlungsbedarf. Und die Nach- frage nach Wohnheimplätzen ist massiv: Beim Studen- tenwerk Frankfurt gab es zum Wintersemester 2011/12 rund 1 400 Bewerbungen auf einen Wohnheimplatz, ein Anstieg um 40 Prozent zum Vorjahr. Vielerorts führt der Mangel an Wohnheimplätzen zu skurrilen Lösungen: Statt eines Wohnheimplatzes wird in Hochschulfoyers gezeltet, in Achtbettzimmern in Hostels oder in notdürf- tig hergerichteten Kellerräumen übernachtet. Laut fzs g a te tu d d d W s ra li d V u u z d d d d d d d b ro re d ru te d B li W d g L tu tä S b S s u c m w n d s (C (D ab es zwar im Jahr 2010 150 000 mehr Studierende, ber nur 800 neue Wohnheimplätze. Auch die Hochschulgastronomie platzt aus allen Näh- n. 85 Prozent der Studierenden nutzen deren Einrich- ngen. Zu Stoßzeiten finden aber viele Studierende in en Mensen keinen Platz. Mit dem Studierendenansturm wächst auch der Be- arf an Beratung. Besonders die jüngeren Studierenden, ie infolge kürzerer Schulzeit und dem Aussetzen der ehrpflicht an die Hochschulen drängen, brauchen die- es Angebot. 22 Prozent der Erstsemester benötigen Be- tung zur Studienfinanzierung. Zudem explodiert förm- ch der psychologische Beratungsbedarf: Seit 2007 ist ie Zahl der psychologischen Beratungen infolge von ersagensängsten und des Gefühls der Überforderung m ein Viertel gestiegen. Bei sozialer Infrastruktur geht es nicht zuletzt auch m Vereinbarkeit von Studium und Elternschaft. 5 Pro- ent der Studierenden sind Eltern. Für diese Studieren- en ist es wichtig, Kinderbetreuungsangebote vorzufin- en, die campusnah liegen und Öffnungszeiten haben, ie ihnen ein Studium ermöglichen. Da über die Hälfte er Kinder von Studierenden unter vier Jahren sind, wer- en zudem auch Kinderbetreuungsplätze für Kleinstkin- er gebraucht. Die aktuell circa 7 300 Kitaplätze der Stu- entenwerke reichen hierfür nicht aus. Und auch im Bereich „Studieren mit Behinderung“ leibt noch einiges zu tun, wenn es zum Beispiel um llstuhlgerechte Räumlichkeiten und behindertenge- chte Sanitäranlagen etc. geht. Zügiges und entschiedenes Handeln ist geboten, doch ie soziale Dimension von Bologna hat die Bundesregie- ng noch immer nicht verstanden. Im jüngst vorgeleg- n Bericht gibt es noch nicht einmal eine Benennung er Probleme, schon gar keine Lösungsvorschläge. Wir brauchen einen Hochschulsozialpakt zwischen und und Ländern. Die SPD-Bundestagsfraktion formu- ert mit ihrem Antrag konkrete Vorschläge: Ein Kernbestandteil dieses Pakts ist der Ausbau der ohnheimplätze. 25 000 zusätzliche Wohnheimplätze, eren Finanzierung der Bund hälftig mitträgt, sind zwin- end erforderlich. Ein zweiter Baustein beinhaltet einen Apell an die änder, gemeinsam mit den Studentenwerken, Bera- ngsangebote den Bedarfen anzupassen und die Kapazi- ten der Hochschulgastronomie zu steigern. Länder und tudentenwerke sollen zudem gemeinsam darauf hinar- eiten, Menschen mit Behinderung und Eltern ein tudium zu ermöglichen. Konkret müssen hierzu Hoch- chulen behindertengerecht gestaltet und Kinderbetreu- ngsangebote ausgebaut werden. Dies alles geht natürlich nicht zum Nulltarif. Zusätzli- he Investitionen sind nötig. Es bedarf hierfür einer ge- einsamen Kraftanstrengung. Hierzu gehört beispiels- eise auch, dass die Bundesregierung prüft, ob ichtabgerufene Gelder für diese sinnvollen und notwen- igen Investitionen in soziale Infrastruktur verwendbar ind. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19013 (A) ) )(B) Der Studierendenansturm an den Hochschulen ist da. Der Ausbau der sozialen Infrastruktur ist alternativlos. Die Zeit drängt. Lassen Sie uns gemeinsam, Bund und Länder, diese Herausforderung entschlossen angehen – jetzt! Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Mit dem jetzt vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion setzen die So- zialdemokraten eine bemerkenswerte Strategie fort, die sie in letzter Zeit in zahlreichen Anträgen gehäuft zum Ausdruck bringt. Sie ist deshalb bemerkenswert, weil die Antragsteller zunehmend die Realität im deutschen Wis- senschaftssystem auf den Kopf zu stellen versuchen, in- dem sie die tatsächlichen Bedingungen – sei es nun rechtlicher oder tatsächlicher Natur – vollkommen wirk- lichkeitsfern darstellen. Sie zeichnen wiederholt ein Bild von der Situation der Studierenden in unserem Land, das ich so beim besten Willen nicht nachvollziehen kann. Sie fordern nicht zum ersten Mal, dass durch die stei- genden Studierendenzahlen der Bund in der Verantwor- tung sei – neben dem Hochschulpakt zum Ausbau der Studienplatzkapazitäten – auch „für einen parallelen be- darfsgerechten Ausbau der sozialen Infrastruktur zu sor- gen“. Immerhin merken Sie zwar nur beiläufig, aber dennoch richtigerweise an, dass der Bund dies gemein- sam mit den Ländern tun müsse. Aber wie erst gestern die grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer aus Baden-Württemberg versuchen auch Sie, den Eindruck zu erwecken, der Bund würde nichts oder nicht ausrei- chend viel tun, um auf die erfreulicherweise steigenden Studierendenzahlen zu reagieren. Fakt ist jedoch: Der Bund unterstützt die Länder sehr großzügig bei ihrer grundgesetzlich verankerten Auf- gabe, die Finanzierung der Hochschulen sicherzustellen. Für die ersten beiden Auswahlrunden der Exzellenzini- tiative zum Beispiel hat der Bund bis heute bereits 1,9 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Für die Fort- setzung des Hochschulpakts für zusätzliche Studien- plätze stellt der Bund in der zweiten Phase in den Jahren 2011 bis 2015 rund 5 Milliarden Euro zur Verfügung, und für den Qualitätspakt Lehre bis zum Jahr 2020 noch einmal zusätzliche 2 Milliarden Euro. Zudem hat der Bund deutlich gemacht, dass er sich auch nicht vor einer eventuell erforderlichen Nachsteuerung drücken wird, sollten die Studienanfängerzahlen noch weiter ansteigen. Doch was machen eigentlich die Länder? In Baden- Württemberg zum Beispiel – um die Äußerung von Ministerin Bauer in der „Zeit“ vom heutigen Tage unter der Überschrift „Uns fehlen Milliarden“ aufzugreifen, die vom Bund fordert, er solle sich nicht aus der Verant- wortung stehlen – wurde ein großes rot-grünes Wahlver- sprechen eingelöst: Die Studiengebühren werden zum Sommersemester 2012 abgeschafft. Damit erhalten die Hochschulen im Land künftig nicht mehr jährlich 163 Millionen Euro aus Studiengebühren. Die Einnah- meausfälle sollen stattdessen aus allgemeinen Haushalts- mitteln kompensiert werden. Wie lange das seitens der Landesregierung tatsächlich durchgehalten wird, sei ein- mal dahingestellt. Baden-Württemberg ist zudem das Land mit den meisten örtlichen Zulassungsbeschränkun- g tä V w h g te n z d in d d d A g S tu s s s u tu s g z in a U s te b e d K tu s B d ti d G a V q ru c z a d -F re B in d w B w (C (D en, hält also ganz offensichtlich unzureichende Kapazi- ten vor und ruft nach mehr Geld vom Bund. Aus der erantwortung stiehlt sich also nur eine: die baden- ürttembergische Wissenschaftsministerin. Ähnlich ver- ielten sich die sozialdemokratischen Landesregierun- en in Hamburg und Nordrhein-Westfalen, was vermu- n lässt, dass dieses System Methode haben soll, ganz ach dem Motto: Bundesgeld soll Löcher stopfen, die uvor durch populistische Maßnahmen verursacht wur- en. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Doch zurück zur sozialen Situation der Studierenden unserem Land. Der jüngste BAföG-Bericht und auch er Bologna-Bericht, an welchem ja – das dürfte beson- ers die Sozialdemokraten freuen – unter anderem auch ie Gewerkschaften und der Studierendenverband fzs als utoren mitgewirkt haben, bescheinigen der Bundesre- ierung gute Arbeit. Die Unterstützungsleistungen für tudierende sind stärker gestiegen als die Lebenshal- ngskosten, und die Zahl der BAföG-Bezieher befindet ich auf einem Allzeithoch. Gleichzeitig entscheiden ich immer mehr junge Menschen für ein Studium. Sie elbst haben ja auf die steigenden Zahlen hingewiesen, nd ich habe da sogar das versteckte Lob aus Ihrer Rich- ng vernommen, dass die Rahmenbedingungen an- cheinend ja so schlecht nicht sind, wenn die Studiernei- ung seit Jahren zunimmt. Deutsche Studierende stellen udem laut OECD die größte Gruppe der europäisch und ternational mobilen Studierenden. Anscheinend sind uch hier die Rahmenbedingungen eher gut als schlecht. nsere Hochschulabsolventen haben auch nach der Um- tellung der Studiengangstruktur auf Bachelor und Mas- r bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt wenig Pro- leme. Bewerber mit Bachelorabschluss werden gerne ingestellt; das belegen zahlreiche Untersuchungen. Zu Ihren einzelnen Forderungen aus dem vorliegen- en Antrag bleibt Folgendes zu sagen: Sie wollen das ooperationsverbot streichen, um die soziale Infrastruk- r an den Hochschulen durch Bund und Länder gemein- am zu sichern und weiterzuentwickeln. In der FDP- undestagsfraktion haben Sie einen von Beginn der Fö- eralismusreform an vehementen Kritiker des Koopera- onsverbotes. Dass Sie endlich begriffen haben, dass das er falsche Weg in der Bildungspolitik war, ehrt Sie. leichwohl lässt Ihre nunmehr an jeder möglichen oder uch unmöglichen Stelle aufgemachte Forderung den erdacht aufkommen, Ihnen geht es weniger darum, ualitative Verbesserungen in der Hochschulfinanzie- ng zu erreichen, als vielmehr darum, den Bund als Lü- kenbüßer und Sparschwein der SPD-regierten Länder u missbrauchen, die nicht in der Lage oder willens sind, usreichend eigene Anstrengungen zu unternehmen und ie Prioritäten richtig zu setzen. Auch Ihre Forderung, die BAföG-Bedarfssätze und reibeträge zu erhöhen, ist zwar durchsichtig und in Ih- r bereits beschriebenen Methode konsequent, aber aus undessicht eben abzulehnen. Die Bundesregierung hat ihrem aktuellen BAföG-Bericht bereits angekündigt, ass sie mit den Ländern ins Gespräch darüber kommen ird, um gemeinsam Vorschläge zu erarbeiten, wie das AföG weiterzuentwickeln ist. Diese Gespräche bitten ir abzuwarten. Dabei ist aber darauf zu achten, dass es 19014 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 (A) ) )(B) einen Finanzierungsschlüssel zwischen Bund und Län- dern gibt, der auch für die Anhebung von Freibeträgen und Bedarfssätzen gilt. Mit Ihrer Forderung nach einem Hochschulsozialpakt wiederum entlarven Sie sich vollends selbst. Ich habe Ih- nen bereits dargelegt, welch beispielgebendes Engage- ment seitens des Bundes im Bereich der Finanzierung des deutschen Hochschulsystems zu konstatieren ist. Dennoch kann und darf der Bund nicht die Länder aus ihrer Verantwortung für den Hochschulbereich vollends entlassen. Die Länder – und hier schaue ich ganz beson- ders auf die von SPD, Linken und Grünen regierten Län- der – haben ihren Beitrag zu leisten. Gerade was die soziale Infrastruktur anbelangt, sind sie durch das Grundgesetz hierzu verpflichtet. Dann erwarten Sie vom Bund, dass er dafür Sorge trägt, das Angebot an bezahlbaren, campusnahen und barrierefreien Wohnheimplätzen weiter auszubauen und ein Bund-Länder-Programm für 25 000 zusätzliche Plätze aufzulegen. Das ist keine Aufgabe des Bundes und wird es auch aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion nicht werden, da die Förderung des sozialen Wohnungs- baus ausschließliche Aufgabe der Länder ist. Wir begrü- ßen, dass einige Länder – wie Bayern – hier ihrer Verant- wortung bereits nachkommen, und erwarten aber auch, dass diesem Beispiel auch die anderen folgen. Schließlich sind auch Ihre Forderungen hinsichtlich der Studentenwerke abzulehnen, da die Länder eindeutig hierfür zuständig sind und dies auch bleiben sollen. Dort, wo der Bund unterstützen kann – hier sei die Kofinanzie- rung der Informations- und Beratungsstelle beim Deutschen Studentenwerk als zentrales bundesweites Kompetenzzentrum erwähnt –, tut er dies bereits seit 30 Jahren. Zuletzt muss ich in aller Schärfe Ihre zum wiederhol- ten Male – und ich unterstelle auch wider besseres Wis- sen – geäußerten Vorwürfe hinsichtlich des angeblich unzureichenden Mittelabflusses aus dem Geschäftsbe- reich des BMBF zurückweisen. Bei einem Mittelabfluss von durchschnittlich 99,4 Prozent kann von „anhaltender ineffizienter Mittelverwendung“ doch beim besten Wil- len keine Rede sein! In diesem Zusammenhang ist Ihre Forderung zu sehen, anfallende Ausgabereste anzuspa- ren und für andere Projekte zu verwenden. Da dies haus- haltsrechtlich gesehen einfach nur Unsinn ist, zeigt dies einmal mehr, wie wenig Sie von Finanzen verstehen. Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Natürlich ist es Aufgabe der Opposition, sich mit dem Erreichten nicht zufriedenzugeben und weitere Anstrengungen der Re- gierung zu fordern. Wenn nun jedoch der Bund schon dazu aufgefordert wird, sich mit den gastronomischen Gegebenheiten vor Ort auseinanderzusetzen, dann zeigt dies, wie schwer es der SPD-Fraktion offenbar fällt, potenzielle Probleme auszumachen bzw. zu konstruie- ren. Die Sozialdemokraten sind in diesem Zusammen- hang sogar dazu bereit, zu suggerieren, dass Hochschu- len, Studentenwerk und Länder nicht selber in der Lage wären, ein gewisses Maß an Eigenverantwortung an den Tag zu legen, um einige der echten Herausforderungen zu lösen. Die FDP-Bundestagsfraktion jedenfalls kann n n d s te s w E s E g fi tr z s e a A d e z F re s d d w g v v h V tu P d a R Z S s g m B te s n s n w w M L (C (D icht erkennen, an welcher Stelle diesem Antrag auch ur ansatzweise zuzustimmen sein könnte, und wird ihn aher ablehnen. Nicole Gohlke (DIE LINKE): Im Jahre 2012 jährt ich die Einführung der zweistufigen und modularisier- n Studiengänge zum 13. Mal. Sie war die größte Hoch- chulreform der Nachkriegsgeschichte. Versprochen urden die Vereinheitlichung der Bildungsabschlüsse in uropa, die Verbesserung der Qualität der Studiengänge owie eine erhöhte Mobilität der Studierenden in ganz uropa. Das alles klang sehr vielversprechend. So liest sich auch der kürzlich veröffentlichte Bolo- na-Bericht der Bundesregierung. Aber welche Situation nden wir heute konkret an den Hochschulen vor? Private Akkreditierungsagenturen sind damit beauf- agt, die neuen Studiengänge zu begutachten und zu ertifizieren. Diese Agenturen sind zwar von einem taatlich eingerichteten Akkreditierungsrat zugelassen, s gibt aber weder eine klare gesetzliche Grundlage noch ngemessene Einflussmöglichkeiten auf die Arbeit der genturen. Bis heute gibt es keine umfassenden Anfor- erungen an die Studierbarkeit der Studiengänge oder an inen demokratischen Ablauf des Akkreditierungspro- esses. Gravierende Qualitätsmängel und eine hohe rustration bei allen, die sich in den vergangenen 13 Jah- n für eine qualitative Studienreform eingesetzt haben, ind die Folge. Der Alltag der Studierenden – und wie hoch der Lei- ensdruck ist, haben die Bildungsproteste der Studieren- en der letzten Jahre gezeigt – ist von Verschulung, An- esenheitspflicht und ständigen Leistungsnachweisen eprägt. Den Studierenden wird per Studienordnung orgeschrieben, wann sie welches Studienmodul absol- ieren müssen; sie werden durch ständige Anwesen- eitskontrollen angehalten, ein riesiges Pensum an eranstaltungen zu besuchen, weil sie sonst ihren Leis- ngsnachweis nicht erhalten, und sie hetzen von einer rüfung zur nächsten. Die Studierenden selbst nennen as Bulimie-Lernen: Auswendig lernen, in der Prüfung uskotzen – und dann wieder vergessen. Das ist die ealität ihrer vielgepriesenen neuen Studiengänge. Dass die Studierbarkeit des Bachelors eine wirkliche umutung ist, belegen auch die Zahlen des aktuellen tudierendensurveys: 42 Prozent der Studierenden müs- en einen zu hohen Lernaufwand für Prüfungen aufbrin- en, und nur 16 Prozent sehen sich in der Lage ihre Se- esteraufgaben zeitlich gut zu erfüllen. 61 Prozent der achelorstudierenden fühlen sich durch die Arbeitsin- nsität in ihrem Studium überfordert. Diese Realität ollte die Bundesregierung endlich einmal zur Kenntnis ehmen, und sich nicht selbst beweihräuchern, dass chon 85 Prozent der Studiengänge umgestellt sind. Ein eues Etikett allein ist doch kein politischer Erfolg. Wenn Sie mal einen Blick hinter die Fassade wagen ürden, könnten sie sehen: Das Studium hat mit einer irklich guten wissenschaftlichen Ausbildung für die ehrheit der Studierenden oder einem selbstbestimmten ernen kaum noch etwas zu tun. Anwendungsorientie- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19015 (A) ) )(B) rung und Praxisorientierung sind doch längst der Auslie- ferung von Bildung an Konzerninteressen gewichen. Bildung und Wissenschaft sind aber mehr! Noch nicht einmal die Mobilität der Studierenden hat sich verbessert, auch wenn Sie uns das in Ihrem Bericht weismachen wollen. Laut einer Studie von DAAD und BMBF, die das DSW erst im Dezember 2011 zitiert hat, stagnieren die studienbezogenen Auslandsaufenthalte seit dem Jahr 2000. Aber das wundert einen ja auch nicht, wenn die Anerkennung von Studienleistungen, die an einer anderen Hochschule abgelegt wurden, nicht ein- mal innerhalb eines Bundeslandes vernünftig funktio- niert. Alle Versprechen für eine bessere Mobilität und eine bessere Qualität sind gebrochen worden. Das, was übrig- bleibt von Bologna, ist eine enorme Bildungskürzung; denn genau das bedeutet die neue Studienstruktur doch letztendlich: Die Masse der Studierenden soll mit kürze- ren Studienzeiten durch die Hochschulen geschleust werden, und nur einer kleinen Elite wird der Zugang zum weiterführenden und zum wissenschaftlichen Stu- dium ermöglicht. Und was bedeutet ein kürzeres Studium für die Hoch- schulabsolventinnen und absolventen? Für die, die eben nur den Bachelor machen dürfen? Sie werden dement- sprechend schlechter bezahlt. Ich zitiere den Bologna- Bericht des Kabinetts: Bei allen Studienrichtungen be- trägt die Einkommensdifferenz gegenüber den traditio- nellen Abschlüssen durchschnittlich 7,3 Prozent für Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen bzw. 20,3 Prozent für Absolventinnen und Absolventen der Universitäten. Sie haben es also geschafft, einen Zwei- Klassen-Arbeitsmarkt für Akademikerinnen und Akade- miker zu errichten. Das ist der eigentlich politische Skandal. So kann es nicht weitergehen, und da hilft uns leider auch der Antrag der SPD-Fraktion nicht wirklich weiter. Natürlich ist es richtig und wichtig, die soziale Dimen- sion bei Bologna zu verbessern; diesen Forderungen aus ihrem Antrag ist auch zuzustimmen, aber das kann doch nur ein Teilaspekt einer Veränderung sein. Und da auch Ihr Antrag keinerlei konkrete Zahlen nennt, sehe ich für eine echte Verbesserung der Bedingungen für die Studie- renden auch eher schwarz. Die Linke fordert eine grundlegende Reform und Neujustierung der Bologna-Reform. Wir möchten, dass an der Hochschule kritische Wissenschaft statt Employa- bility gelehrt wird und dass Studierende ihre Studien- inhalte selbst bestimmen können. Und: Wir brauchen endlich das Recht auf einen Masterzugang für alle Stu- dierenden, damit jeder den Abschluss machen kann, den er oder sie machen möchte. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die öf- fentliche Diskussion um die Bologna-Reform scheint in eine neue Phase eingetreten zu sein. Statt Kampansagen wie „Humboldt ist tot!“ oder „Operation gelungen, Pa- tient tot?“ ist die empirische Beobachtung in den Vorder- g s g g k z e g in w g s S b u n s b li b te h a q d s n Im d g A m a ru p w n b le P k c w B 1 a Z c W S k n (C (D rund getreten, wie das visionäre Ziel, einen europäi- chen Hochschulraum zu erreichen, umgesetzt wird. Nicht zuletzt die Studierendenproteste haben vor Au- en geführt, dass Bologna mehr ist, als auf alte Studien- änge das neue Etikett „Bachelor“ oder „Master“ zu leben. Aus dem eindimensionalen deutschen Umset- ungsansatz, vorrangig eine Umwandlung der Studi- nstrukturen vorzunehmen, wollen wir heraus und Bolo- na zu einer echten Qualitäts- und Mobilitätsreform nerhalb des europäischen Hochschulraums weiterent- ickeln. Wir wollen, dass alle Reformziele endlich an- epackt und möglichst schnell erreicht werden – insbe- ondere tatsächlich mehr und vereinfachte Mobilität der tudierenden, eine bessere Anerkennung andernorts er- rachter Studienleistungen, eine intensivere Betreuung nd Beratung der Studierenden sowie die soziale Öff- ung der Hochschulen. Zahlreiche Studien haben sich mit der deutschen Um- etzung und Erreichung der wesentlichen Reformziele eschäftigt. Die Bologna-Baustellen gehen daraus deut- ch hervor: Erstens. Die Studierbarkeit muss erhöht, die Arbeits- elastung gesenkt werden: Bachelorstudierende berich- n häufiger über ungünstige Studienbedingungen und ohe Leistungsanforderungen als Studierende in den lten Magister- und Diplomstudiengängen. Als Konse- uenz ist es notwendig, dass die Hochschulen ihre Stu- ienprogramme überarbeiten, den Workload herunter- chrauben und die Prüfungsdichte reduzieren. Zweitens. Die Auslandsmobilität im Bachelor ist kei- esfalls zufriedenstellend und muss verbessert werden: Jahr 2009 absolvierten nur 26 Prozent der BA-Stu- ierenden Auslandsaufenthalte, in den alten Studiengän- en waren es dagegen 32 Prozent. Um den Stand der uslandsmobilität deutscher Studierender zu halten, üssen die Bachelorstudierenden Auslandsaufenthalte uch realisieren können. Studienprogramme müssen da- m flexibilisiert und Zeitfenster geschaffen werden. Wichtig ist auch, dass sich die reale Anerkennungs- raxis von im Ausland erworbenen Studienleistungen eiter verbessert. Der im Jahr 2007 bestehende Wert von ur 41 Prozent war skandalös. Es ist gut, dass sich der Anteil der im Ausland erwor- enen und hierzulande vollständig anerkannten Studien- istungen deutlich verbessert hat. Hier ist aber weiterhin otenzial nach oben! Gleichartigkeit und Gleichwertig- eit dürfen nicht verwechselt werden. Studierende brau- hen eine Anerkennungsgarantie. Besonders große Baustellen und Defizite bestehen eiterhin bei der sozialen Dimension, die ausdrücklicher estandteil der Bologna-Reform-Kommuniqués ist. Von 00 Akademikerkindern studieren 71, von 100 Kindern us Nichtakademikerfamilien studieren nur 24. Dieser usammenhang von sozialer Herkunft und Bildungs- hancen ist in Deutschland besonders stark ausgeprägt. ir wollen mehr potenzielle Bildungsaufsteiger für ein tudium erreichen. Mehr Studierende aus Nichtakademi- er-, Arbeiter- und Migrantenhaushalten wollen wir ge- auso gewinnen wie Studierende aus einkommensärme- 19016 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 (A) ) )(B) ren Elternhäusern. Alle Herkunftsgruppen, denen die Finanzierbarkeit ihres Studiums Schwierigkeiten berei- tet, brauchen eine bessere Förderung und Studienfinan- zierung. Bundesbildungsministerin Schavan muss daher – als Konsequenz aus dem neusten BAföG-Bericht der Bun- desregierung – mit konkreten BAföG-Reformvorschlä- gen auf die Länder zugehen, anstatt taktische Spielchen anzuzetteln. Klugen Konzepten für eine bildungsgerech- tere Studienfinanzierung werden sich die rot-grün und grün-rot regierten Bundesländer nicht verschließen. Wer die soziale Schieflage beim Hochschulzugang verringern will, braucht mittelfristig eine ambitionierte Studienfi- nanzierungsreform mit dem Zwei-Säulen-Modell. Zusammen mit den Ländern müssen darüber hinaus gezielte Investitionen in die soziale Infrastruktur an den Hochschulen vereinbart werden. Dazu gehört der wei- tere Ausbau von Studienberatung, Wohnheimplätzen so- wie Kinderbetreuung und Betreuungsinfrastruktur. Der Bedarf daran wächst mit der Zunahme der Zahl der Stu- dienberechtigten und Studienanfänger. Da es Anzeichen für höhere Prognosezahlen gibt, werden wir an anderer Stelle über eine Aufstockung des Hochschulpaktes zu re- den haben, um dem Studierendenboom gerecht zu wer- den. Unsere oberste Leitlinie bei der Umsetzung der sozia- len Dimension ist, gemeinsam mit den Ländern eine um- fassende Öffnung der Hochschulen für bisher unterre- präsentierte Gruppen voranzutreiben und damit für mehr gesellschaftliche Vielfalt und Diversity auf dem Campus zu sorgen. Die Bundesregierung sollte sich diesen Herausforde- rungen ebenfalls stellen und mit eigenen Initiativen vor- angehen. Dann könnte sie auf unsere Unterstützung bauen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Keine Patentierung von konventio- nell gezüchteten landwirtschaftlichen Nutz- tieren und -pflanzen – Antrag: Keine Patente auf Leben (Tagesordnungspunkt 26 b und c) Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Wir beraten heute abschließend den fraktionsübergreifenden Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/ Die Grünen mit dem Titel „Keine Patentierung von kon- ventionell gezüchteten landwirtschaftlichen Nutztieren und -pflanzen“ sowie den Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Keine Patente auf Leben“. Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, bei dieser schwierigen Materie der Patentierbarkeit von Tieren und Pflanzen einen gemeinsamen Antrag vorzulegen. Über d E a g h Z s u ti fü S d d d d In ri h re u w la n k e p d s d P d k im b a p s v te G p m E d W a tu n n te s e (C (D as Thema der Patentierung von biotechnologischen rfindungen in der Landwirtschaft gibt es unter den ntragstellenden Fraktionen einen erfreulichen und weit- ehenden Konsens. Allen beteiligten Berichterstattern danke ich sehr erzlich für die gute, konstruktive und zielführende usammenarbeit. Das Ergebnis kann sich wahrlich ehen lassen. Im Kern geht es bei der Nutzung von Biotechnologie m zwei Aspekte: Zum einen um den Schutz des geis- gen Eigentums, zum anderen um die allgemeine Ver- gbarkeit der natürlichen genetischen Ressourcen. Wir bekennen uns mit dem Antrag ausdrücklich zum chutz des geistigen Eigentums durch Patente. Sie bil- en den rechtlichen Rahmen für Innovationen und Erfin- ungen, die für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit er deutschen Wirtschaft unerlässlich und von entschei- ender Bedeutung sind. Wir dürfen deshalb berechtigte teressen von Forschung und Wissenschaft nicht igno- eren. Es darf nicht dazu kommen, dass die Früchte erausragender deutscher Forschungsleistungen in ande- n Ländern geerntet werden. Dies kann aber nicht schrankenlos geschehen: In nserem Antrag stellen wir deshalb deutlich heraus, dass ir die Patentierung von konventionell gezüchteten ndwirtschaftlichen Nutztieren und Nutzpflanzen ableh- en. Technische Verfahren sollen patentierbar bleiben, onventionelle Züchtungsverfahren sowie die damit rzeugten Nutztiere und Nutzpflanzen dürfen nicht atentierbar sein. In Deutschland wird die Rechtslage inhaltlich durch ie Vorgaben der Biopatentrichtlinie, nach der Pflanzen- orten und Tierrassen nicht patentierbar sind, und durch as Patentgesetz bestimmt. Die Große Beschwerdekammer des Europäischen atentamts hat zudem in der wegweisenden Entschei- ung aus dem Dezember 2010 zum sogenannten Brok- oli- und Tomatenpatent nun auch mehr Rechtsklarheit Hinblick auf die Abgrenzung von „im Wesentlichen iologischen Verfahren“ geschaffen. Verfahren sind uch dann im Wesentlichen biologisch und somit nicht atentierbar, wenn bei ihnen technische Verfahrens- chritte zur Durchführung von Verfahren der Kreuzung on Pflanzen und nachfolgender Selektion der geeigne- n Pflanzen genutzt werden. In der Entscheidung der roßen Beschwerdekammer wurde ein zentraler Streit- unkt dahin gehend entschieden, dass technische Hilfs- ittel wie genetische Marker zwar an sich nach dem uropäischen Patentübereinkommen patentfähige Erfin- ungen darstellen können, ihre Verwendung in einem im esentlichen biologischen Züchtungsverfahren dieses ber nicht patentierbar macht. Konventionelle Züch- ngsverfahren sind also von einem Patentschutz ausge- ommen. Nicht klargestellt wurde allerdings, ob reine Erzeug- isansprüche auf Pflanzen mit spezifischen Eigenschaf- n trotz der Entscheidung zulässig sind. Hinsichtlich der ogenannten Product-by-Process-Patentansprüche gibt s bisher keine Rechtsklarheit. Problematisch sind diese Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19017 (A) ) )(B) Product-by-Process-Patentansprüche im Bereich der Tier- und Pfanzenzucht deshalb, weil sie geeignet sind, die Nichtpatentierbarkeit herkömmlicher Züchtungsver- fahren zu unterlaufen. Mit dem Antrag sprechen wir uns deshalb klar dafür aus, sicherzustellen, die Schutzwirkung von Product-by- Process-Patenten auf die Verwendung des im Patent an- gegebenen Verfahrens zu beschränken, und fordern die Bundesregierung auf, sich für eine entsprechende Klar- stellung der Biopatentrichtlinie und der weiteren ein- schlägigen Rechtsgrundlagen einzusetzen. Darüber hinaus fordern wir die Bundesregierung auf, zu prüfen, ob auch schon jetzt Änderungen im nationa- len Patentgesetz – soweit dies die europäischen Vorga- ben zulassen – möglich sind. Noch kurz eingehen möchte ich auf den Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Keine Patente auf Leben“. Der Antrag schießt weit über das Ziel hinaus. Beispielsweise würde mit einem generellen Verbot der Patentierung von Leben Forschung in Deutschland weit über Gebühr erschwert. Aus diesem Grund, aber auch aus weiteren Gründen ist der Antrag abzulehnen. Dr. Max Lehmer (CDU/CSU): Die politische Dis- kussion um die Patentierung von Nutztieren und Nutz- pflanzen wird in der Öffentlichkeit mit großer Aufmerk- samkeit verfolgt. Anfang nächster Woche wird das Europaparlament voraussichtlich über den Bericht zum Kommissionsvorschlag einer „Verordnung über die Um- setzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes“ abstim- men. Unser Bestreben bei der Schaffung des einheitlichen europäischen Patents ist es, darauf zu dringen, dass die in der Biopatentrichtlinie gegebenen Möglichkeiten für eine nationale Ausgestaltung, wie beispielsweise beim Züchterprivileg, erhalten bleiben und auch für das euro- päische Patent gelten werden. Daher begrüße ich es außerordentlich, dass wir heute abschließend unseren interfraktionellen Antrag beraten können, der im Kern auf ein Verbot der Patentierung von konventionell gezüchteten landwirtschaftlichen Nutztie- ren und Nutzpflanzen abzielt und der die Bundesregie- rung dabei bestärkt, auf europäischer Ebene die erforder- lichen Rechtsänderungen zu erreichen. Für die wissenschaftliche Forschung ist das Patent- recht ein hohes Gut und für den Wirtschaftsstandort Deutschland unerlässlich. Es gewährleistet, dass Innova- tionen der Öffentlichkeit zugänglich sind. Im Bereich der Biotechnologie müssen wir dabei stets zwei Ziele im Auge behalten: Neben dem bereits erwähnten Schutz des geistigen Eigentums durch das Patentrecht spielt die allgemeine Verfügbarkeit genetischer Ressourcen eine zentrale Rolle. Wir müssen die Vielfalt unserer genetischen Res- sourcen an landwirtschaftlichen Nutztieren und Nutz- pflanzen erhalten. Unseren Landwirten und Züchtern m g fa U lu ti v G d s le „ u V K n d w s c b k tu w re s re fü s fü v a d s g B s s im Z P S S b c d s S g s (C (D üssen sie auch weiterhin uneingeschränkt zur Verfü- ung stehen. Genetische Ressourcen sind für die biologische Viel- lt wesentlich und dürfen nicht nur durch wenige große nternehmen nutzbar sein. Vor diesem Hintergrund wird die aktuelle Entwick- ng bei Biopatenten seitens der Landwirte mit berech- gter Sorge betrachtet. Denn die Wirtschaftsbeteiligten ersuchen, teilweise rechtliche Grauzonen zu ihren unsten auszunutzen. Die Rechtsprechung, insbeson- ere durch die Große Beschwerdekammer des Europäi- chen Patentamts, hat hier zwar inzwischen eine grund- gende Entscheidung in unserem Sinne gefällt: Verfahren sind auch dann im Wesentlichen biologisch nd somit nicht patentierbar, wenn bei ihnen technische erfahrensschritte zur Durchführung von Verfahren der reuzung von Pflanzen und nachfolgender Selektion ge- utzt werden.“ Nicht abschließend geklärt ist jedoch, ob die durch iese Verfahren erzeugten Tiere oder Pflanzen patentiert erden können. Weitere rechtliche Spielräume ergeben ich aus der Nutzung von sogenannten Product-by-Pro- ess-Patentansprüchen. Daher sehen wir politischen Handlungsbedarf und ha- en im vorliegenden Antragstext unsere Forderungen lar dargelegt, nämlich dass es auf konventionelle Züch- ngsverfahren – mit diesen Verfahren gezüchtete land- irtschaftliche Nutztiere und Nutzpflanzen – sowie de- n Nachkommen und Produkte keine Patente geben oll. Dies soll für alle Arten von Patenten und sämtliche levanten Rechtsvorschriften Gültigkeit besitzen, ergo r nationale Patente, für Patente, die nach dem Europäi- chen Patentübereinkommen erteilt werden, und auch r die neuen europäischen Patente. Genau an dieser Stelle der Abgrenzung zwischen kon- entionellen und technischen Züchtungsverfahren wird us unserer Sicht eine ethische Grenze überschritten, die er Patentierung entgegensteht. Begleitend zu diesen Rechtsänderungen fordern wir ein taatliches Biopatent-Monitoring. Durch einen regelmäßi- en Bericht über die Auswirkungen des Patentrechts bei iopatenten und einen Dialog mit allen betroffenen ge- ellschaftlichen Gruppen können wir die Entwicklung orgfältig beobachten und bei Bedarf nachsteuern. Außerdem ist es uns ein wichtiges Anliegen, dass die Patentgesetz vorgesehenen Privilegien für Landwirte, üchter und die Forschung auch im neuen europäischen atentrecht gelten sollen. Abschließend möchte ich auf die wichtige Rolle des ortenschutzes zu sprechen kommen. Dieser dient dem chutz des geistigen Eigentums und hat sich dabei gut ewährt. Da es im Bereich der Tierzucht ein entspre- hendes Recht nicht gibt, muss es unser Ansinnen sein, ass wir hier gemeinsam mit den Tierzüchtern eine Lö- ung finden. Denn es geht auch in diesem Fall um das pannungsverhältnis zwischen dem Schutz geistigen Ei- entums und dem freien Zugang zu genetischen Res- ourcen. 19018 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 (A) ) )(B) Unser gemeinsamer Antrag ist ein richtiger und poli- tisch wichtiger Schritt zur Abklärung der genannten ge- gensätzlichen Ziele in einem für die Nutzungschancen der Biotechnologie bedeutsamen Bereich. Dr. Matthias Miersch (SPD): Ich freue mich, dass wir schon heute und damit schneller als gedacht unseren gemeinsamen Antrag zu Biopatenten im Plenum be- schließen. Wir geben damit der Bundesregierung einen klaren Auftrag. Wir Parlamentarier sind uns einig, dass Patente auf konventionell gezüchtete landwirtschaftliche Nutztiere und -pflanzen nicht erteilt werden dürfen und es einer dringenden Änderung des nationalen Patent- rechts und der Biopatentrichtlinie bedarf. Wie akut der Handlungsbedarf ist, zeigt das im Mai 2011 erteilte Melonenpatent. Hier wurde ein Patent auf eine konventionell gezüchtete Melone erteilt, die ur- sprünglich aus Indien stammt und eine natürliche Resis- tenz gegen ein pflanzenschädliches Virus aufweist. Am letzten Freitag hat Greenpeace zusammen mit der indi- schen alternativen Nobelpreisträgerin Vandana Shiva Einspruch gegen das Patent eingelegt. Trotz der Ent- scheidung der Großen Beschwerdekammer des Europäi- schen Patentamts zum Brokkolipatent, die Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen ausgeschlossen hat, werden immer noch Patente auf konventionell gezüch- tete Pflanzen erteilt. Im Fall des Melonenpatents würde also die Firma Monsanto, die der Patentinhaber ist, über wichtige genetische Ressourcen verfügen, die der Kon- zern anderen Züchtern vorenthalten kann. Ich nenne das eine moderne Form der Biopiraterie. Wenn wir diese Patente nicht unterbinden, befindet sich bald der größte Teil der genetischen Ressourcen in den Händen weniger Monopolisten. Dass es nun wieder die NGOs sind, die Einspruch gegen Patente einlegen, die eine Gefahr für die Züchter, den Verbraucher und auch die Nahrungsmittelsicherheit sind, finde ich verantwor- tungslos. Hier hätte die Bundesregierung ein deutliches Signal setzen können, indem sie Einspruch erhoben hätte. Es kann nicht sein, dass wir als Gesetzgeber, der durchaus Möglichkeiten hat, die entsprechenden Gesetze oder Richtlinien zu ändern, hier die Hände in den Schoß legen und die Verantwortung auf Dritte abschieben. Ich hoffe, unser Antrag wird nun die Tatenlosigkeit, die bis- her im Justizministerium geherrscht hat, beenden. Jetzt sollte uns das Ministerium einen Vorschlag zur Ände- rung der nationalen Patentgesetzgebung vorlegen und sich in Brüssel für eine Änderung der Biopatentrichtlinie starkmachen. In diesem Zusammenhang müssen wir auch weiter an der Frage der Prozesskostenbeihilfe und der Überprü- fung der Finanzierung des Europäischen Patentamtes dranbleiben. Diese zwei Punkte, die leider die Rechts- politiker der Koalition nicht mittragen wollten, behalten wir weiter auf der Agenda. Einspruchsverfahren gegen Patente sind sehr kostspielig, und wir müssen ein Modell erarbeiten, das Interessenvertretungen und auch kleine- ren Verbänden die Möglichkeit gibt, öffentliche Belange wirkungsvoll vor den Patentämtern zu vertreten. ru re m d n le s s c z s h w tr h te s w d n d k k E v G ta A d fa w h c T P tr ti w e te 2 d z s ti d fü g re s z (C (D Den zweiten Punkt, die Überprüfung der Finanzie- ng des Europäischen Patentamtes, hatte die SPD be- its in ihrem ersten Antrag – aus dem sich nun unser ge- einsamer Antrag entwickelt hat – gefordert. Ein Amt, as sich durch die Erteilung von Patenten finanziert, ist icht unabhängig. Die Neigung, ein Patent nicht zu ertei- n, wird auf dieser Basis besonders stark ausgeprägt ein. Hier muss schnellstmöglich reformiert werden. Wir ollten gemeinsam Initiativen und Vorschläge entwi- keln, denen wir dann vielleicht auch wieder gemeinsam ustimmen können. Diese beiden gerade angesprochenen Punkte finden ich auch im Antrag der Linksfraktion wieder, der uns ier auch zur Abstimmung vorliegt. Ich finde es nach ie vor bedauerlich, dass wir unseren gemeinsamen An- ag nicht auch im Namen der Linksfraktion eingebracht aben. Der eigene Antrag der Linksfraktion „Keine Pa- nte auf Leben“ greift Punkte auf, die in unserem ur- prünglichen Antrag der Agrarberichterstatter Konsens aren, er fordert aber auch pauschale weltweite Verbote, ie so nicht umsetzbar sein werden. Deshalb werden wir atürlich unserem gemeinsamen fraktionsübergreifen- en Antrag zustimmen und uns bei dem Antrag der Lin- en enthalten. Stephan Thomae (FDP): Beim Thema Biopatente lingeln in der Bevölkerung schnell die Alarmglocken. s ist eine Materie, die sehr emotional debattiert und von ielen sehr misstrauisch betrachtet wird. Aus diesem rund ist es gut und wichtig, dass der Deutsche Bundes- g sich des Themas annimmt. CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne haben hierzu einen ntrag vorgelegt. Ziel des Antrags ist es, klarzustellen, ass es keine Patente auf konventionelle Züchtungsver- hren, mit diesen gezüchtete Pflanzen und Nutztiere so- ie deren Nachkommen geben soll. Die Vergangenheit at gezeigt, dass von Unternehmen immer wieder Versu- he unternommen werden, Patente auf Pflanzen und iere zu bekommen. Zum Teil wurden entsprechende atente auch erteilt. Dies stellt jedoch eine große Beein- ächtigung für Forschung und Züchtung dar. Der frak- onsübergreifende Antrag soll gewährleisten, dass so- ohl die Forschungs- als auch die Züchtungsfreiheit rhalten bleiben. Die Große Beschwerdekammer des Europäischen Pa- ntamtes hat in ihrer Entscheidung vom 9. Dezember 010 in den Fällen Brokkoli und Tomate entschieden, ass eine Patentierung überwiegend konventionell ge- üchteter Tiere und Pflanzen unzulässig ist. Die Ent- cheidung deckt aber nicht alle denkbaren Fallkonstella- onen ab. Daher ist auch in Zukunft damit zu rechnen, ass Biopatente beantragt werden. Unser Antrag sieht daher vor, dass die Möglichkeiten r eine entsprechende Klarstellung im deutschen Recht eprüft werden sollen. Gleichzeitig wird die Bundes- gierung aufgefordert, sich auf EU-Ebene für eine ent- prechende Änderung der Biopatentrichtlinie einzuset- en. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19019 (A) ) )(B) An dieser Stelle möchte ich positiv hervorheben, dass wir hier einen überfraktionellen Antrag haben, der im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages einstimmig angenommen wurde. Es ist ein starkes Signal für den Antrag, dass er von allen Fraktionen im Deutschen Bun- destag getragen wird. Die Linken beklagen in ihrem Antrag, dass der An- trag auf Bundestagsdrucksache 17/8344 zunächst mit ih- nen erarbeitet wurde, dann aber ohne sie eingebracht wurde. Grundsätzlich halte ich es für erstrebenswert, möglichst breite Mehrheiten für ein Anliegen zu erzie- len. In diesem Fall wäre dies aber wohl schwierig ge- worden. Die Linke beantragt nämlich, dass Patente auf Pflanzen und Tiere selbst dann nicht zugelassen werden sollen, wenn es sich um gentechnische Verfahren han- delt. Hier liegt der entscheidende Unterschied. Der frak- tionsübergreifende Antrag beschränkt sich in seinen For- derungen auf überwiegend konventionelle Züchtungs- verfahren. Wir verteufeln nicht die Grüne Gentechnik, sondern sehen sie als Chance. Dass dabei gewisse Re- geln eingehalten werden müssen, steht außer Frage. Die Linke entwirft in ihrem Antrag das Schreckens- szenario, dass die Entwicklung der Patentierung auch vor dem Menschen nicht haltmachen könne. Dazu sei den Kollegen der Linken eines gesagt: Bereits jetzt sieht § 1 a Abs. 1 PatG vor, dass der menschliche Körper keine patentierbare Erfindung sein kann. Diese Sorge ist also unbegründet. Bei Licht betrachtet, liegen die hier vorliegenden An- träge nicht allzu weit auseinander. Mag es im Vorfeld für einige Beteiligte Gründe gegeben haben, einen Antrag aller Fraktionen zu verhindern, wäre es doch umso schö- ner, wenn der fraktionsübergreifende Antrag einstimmig angenommen würde. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Über einein- halb Jahre hat eine interfraktionelle Gruppe zum Thema Biopatente gearbeitet. Dabei waren Abgeordnete der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der Grünen und auch ich als Vertreterin der Linksfraktion. Uns einte ein Ziel: Wir wollten den ausufernden Patenterteilungen auf Pflanzen und Tiere einen wirksamen Riegel vorschieben. Das Ergebnis ist der Antrag auf der Bundestagsdrucksache 17/8344 „Keine Patentierung von konventionell gezüch- teten landwirtschaftlichen Nutztieren und -pflanzen“. Leider hat die Union in letzter Minute verhindert, dass der gemeinsame Antrag auch von allen fünf Frak- tionen als Autoren des Antrags gemeinsam eingereicht werden konnte. In der CDU/CSU-Fraktion gibt es einen Unvereinbarkeitsbeschluss, der verbietet, öffentlich er- kennbar mit den Abgeordneten der Linksfraktion zusam- menzuarbeiten. Das ist meiner Meinung nach des Hohen Hauses unwürdig. Aus direkten Gesprächen mit Kolle- ginnen und Kollegen der anderen Fraktionen weiß ich, dass sie diesen Umgang der CDU/CSU-Fraktion mit uns – und damit auch den Wählerinnen und Wählern der Linken – auch kritisch sehen. Selbst Unionspolitikern und -politikerinnen ist das peinlich. Also: Lassen Sie d d z m T c R e te L b B 1 w u o tu te G m a M w s D n ü E s fa w P c fi p s d R h e n s s m rü s – g g h p p (C (D och endlich diese Sandkastenspiele, oder machen Sie iese einfach nicht mehr mit! Trotz unserer Ausgrenzung werden wir dem Antrag ustimmen – obwohl er wirklich nur der kleinste ge- einsame Nenner ist und jede Menge Aspekte unter den isch gefallen sind. Der Linken ist ein eindeutiges Zei- hen des Bundestages wichtiger als die parteipolitische evanche. Damit sagen wir den anderen Mitgliedstaaten instimmig aus dem Bundestag: Wir wollen keine Pa- nte auf landwirtschaftliche Nutzpflanzen und Tiere. asst uns die rechtlichen Grundlagen dafür ändern! Um zu dokumentieren, wie weit unsere Kompromiss- ereitschaft ging, stellen wir heute auch einen eigenen iopatente-Antrag zur Sofortabstimmung. Im Antrag 7/8584 „Keine Patente auf Leben“ machen wir unsere eiter gehende Ablehnung von Biopatenten deutlich, nd zwar nicht nur bei landwirtschaftlichen Nutztieren der -pflanzen und nicht nur bei konventioneller Züch- ng, sondern bei allen Tieren, Pflanzen, Genen, Produk- n etc. und selbstverständlich auch bei der Agro- entechnik. Gerade die Gentech-Konzerne nutzen regel- äßig das Patentrecht, um ihre Gewinne zu sichern. Die Linke im Bundestag fordert die Bundesregierung uf, sich für ein weltweites Verbot der Patentierung von enschen, Pflanzen, Tieren und anderen Lebewesen so- ie deren Nachkommen, Produkte, Organe, Gene, Gen- equenzen einzusetzen. Um das zu erreichen, muss sich eutschland für entsprechende Änderungen internatio- aler Abkommen, zum Beispiel des Übereinkommens ber handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen igentum, TRIPS, und der EU-Patentgesetzgebung, ein- etzen. Selbstverständlich sind diese Änderungen eben- lls im deutschen Patentgesetz, PatG, vorzunehmen. Neben der Frage nach dem Biopatentverbot fordern ir eine unabhängige Finanzierung des Europäischen atentamts, EPA, und eine Prozesskostenhilfe, die si- hert, dass Betroffene unabhängig von ihrer eigenen nanziellen Situation Patentzulassungen rechtlich über- rüfen lassen können. Beide Forderungen waren ur- prünglich im interfraktionellen Antrag vorhanden, sind ann aber dem Rotstift der Rechtspolitikerinnen und echtspolitiker der Koalition zum Opfer gefallen. Wir alten aber daran fest. Nachdem im Deutschen Bundestag monatelang nach iner gemeinsamen Position gesucht wurde, stellt sich un die Frage: Wie weiter? Wir sollten den heutigen Be- chluss den Parlamenten der anderen Mitgliedstaaten owie dem Europäischen Parlament und der EU-Kom- ission als unsere einstimmige Positionierung zur Be- cksichtigung in der weiteren Debatte übergeben. Die- es klare Bekenntnis des Bundestages ist nur ein erster wenn auch wichtiger – Schritt, dem noch weitere fol- en müssen. Dabei wird sich auch die Linke weiter en- agieren: Gegen Biopatente! Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die eutige Verabschiedung des interfraktionellen Bio- atentantrags ist ein wichtiger Meilenstein in der Bio- atentthematik. Denn mit der Verabschiedung legen wir (A) (C) )(B) den Grundstein für ein endgültiges Verbot der Patentie- rung konventioneller Züchtungsverfahren, das auch den Umweg der sogenannten Product-by-Process-Patente zur Erlangung von Patentansprüchen auf Agrarprodukte und Lebensmittel einschließt. Auch das staatliche Moni- toring von Biopatenten ist wichtig und richtig, ebenso wie die Verpflichtung, mit den betroffenen gesellschaft- lichen Gruppen in den Dialog zu treten. Letzteres ist mir Denn mit Sorge betrachten wir im Hinblick auf den EU- Rechtsrahmen zu Biopatenten die Entwicklungen bei der Einführung der neuen Verordnung über die Schaffung eines „europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung“. Warum? Die neue Verordnung wird sich in ihrer Reich- weite sowohl auf die Biopatentrichtlinie als auch direkt auf das deutsche Patentgesetz auswirken – mit mög- licherweise fatalen Folgen. Zum gegenwärtigen Zeit- V als Baden-Württemberger natürlich besonders wichtig, wo die „Politik des Gehörtwerdens“ zentrales Anliegen der grün-roten Landesregierung ist. Als passionierter Volleyballer würde ich sagen: Das Parlament hat nach einer guten „Annahme“ sauber „ge- stellt“, jetzt muss die Bundesregierung „verwandeln“. Gerade auf der Ebene der nationalen Gesetzgebung, also im deutschen Patentgesetz, muss die Bundesregierung die notwendigen Korrekturen jetzt schnell umsetzen. Das dringend notwendige staatliche Monitoring der angemeldeten und erteilten Biopatente muss kommen. Und es muss institutionell dort angesiedelt werden, wo das erforderliche Wissen um die durch Biopatente mög- licherweise ausgelösten Probleme für die Praxis vorhan- den ist. Dies ist zweifelsohne im Geschäftsbereich des BMELV der Fall. Es ist aber auch absehbar, dass die Änderungen der EU-Biopatentrichtlinie, die wir in unserem Antrag eben- falls einfordern, mit langwierigen und schwierigen Ver- handlungen auf EU-Ebene verbunden sein werden. Die Fraktionen des Deutschen Bundestages sind sich heute einig, was den grundlegenden Forderungskatalog angeht. Daraus ergibt sich für die Bundesregierung die Pflicht, die interfraktionelle Initiative aufzugreifen und sich in der EU mit aller nötigen Ausdauer und Energie für die Interessen der deutschen Landwirte, Züchter und letzt- lich auch der Verbraucher einzusetzen. Es ist äußerst bedauerlich, dass die Koalitionsfraktio- nen in der Schlussphase der Verhandlungen die Fraktion Die Linke aus dem interfraktionellen Prozess ausge- schlossen haben. Wenn die Linksfraktion deshalb heute einen eigenen Antrag vorlegt, ist das verständlich. Wir bedauern aber, dass es dazu kommen musste. Wir teilen viele der darin angesprochenen Punkte, wie beispiels- weise die notwendige Reform der Finanzierung des Europäischen Patentamts, das sich bislang vorwiegend über die Gebühren für erteilte Patente finanziert. Auch die Erweiterung des Patentierungsverbotes auf gentech- nisch veränderte Organismen, GVO, tragen wir selbst- verständlich mit. Im Interesse der interfraktionellen Ini- tiative haben wir uns dennoch entschlossen, uns zum Antrag der Linksfraktion zu enthalten. Unser interfraktioneller Antrag heute zielt wie schon erwähnt in weiten Teilen auf die EU-Rechtssetzung. p te a A rä le lu b A g n K d B fä M d w k d h h v ih D e w e n L d s im e g u N d m Offsetdrucker ertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln (D unkt sind dabei die im deutschen Patentrecht veranker- n Regelungen zum Züchter- und Landwirteprivileg in kuter Gefahr. Die Bundesregierung engagiert sich nach eigener ussage für eine Klausel, mit der die deutschen Frei- ume für Landwirte und Züchter gesichert werden sol- n. Das ist gut so, reicht aber noch nicht. Die Verhand- ngen sind schließlich noch nicht abgeschlossen, und es esteht aus unserer Sicht das Risiko, dass diese – laut uskunft der Bundesregierung im Entwurf des Rats vor- esehene – „Unberührbarkeitsklausel“ am Ende doch och einem Kompromiss zum Opfer fallen könnte. Die onsequenzen wären verheerend: Alle Bestimmungen es deutschen Patentgesetzes, die über den Rahmen der iopatentrichtlinie hinausgehen, wären automatisch hin- llig. Landwirte und Züchter, die mit patentgeschütztem aterial arbeiten wollen, wären dann der Zustimmung es jeweiligen Patentinhabers unterworfen, außerdem ären Patentlizenzgebühren abzuführen. Selbst wenn es gelingen sollte, die Unberührbarkeits- lausel für Deutschland zu sichern, dürfen wir auch bei iesem Thema nicht nur an uns selber denken – es wäre öchst bedauerlich und langfristig vermutlich auch kaum altbar, wenn nur in Deutschland Landwirte und Züchter on patentrechtlichen Einschränkungen befreit wären, re Kollegen in den anderen EU-Staaten jedoch nicht. eshalb bevorzugen wir die auch vom Deutschen Bau- rnverband geforderte direkte Verankerung des Land- irte- und Züchterprivilegs im EU-Verordnungstext. Angesichts der schwerwiegenden Konsequenzen, die ine Verabschiedung der Gemeinschaftspatentverord- ung ohne die notwendigen Freiräume für die deutsche and- und Lebensmittelwirtschaft hätte, muss die Bun- esregierung in dieser Frage rasch, aktiv und entschlos- en agieren. Die Verschiebung der abschließenden Abstimmung Europaparlament vom 14. Februar auf März und ventuell sogar Juni ist für die Bundesregierung eine roße Chance und auch Verpflichtung, in intensiven und mfassenden Verhandlungen mit den europäischen achbarn hier die erforderlichen Fortschritte im Sinne es heutigen Antrags zu erreichen. Daran werden wir Sie essen! 19020 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 ei, Bessemerstraße 83–91, 1 , Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 158. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3 Landwirtschaftliche Sozialversicherung TOP 4 und ZP 2 Industriepolitik für den Standort Deutschland TOP 25 und ZP 3 Überweisungen im vereinfachtenVerfahren TOP 26 Abschließende Beratungen ohne Aussprache ZP 4, 5 Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses ZP 6 Aktuelle Stunde zum EU-Fiskalpakt TOP 5 Internationale Gesundheitsvorschriften TOP 6 Rechtsschutz im Wahlrecht ZP 7 Deutsche politische Stiftungen in Ägypten TOP 8 Strafbarkeit der Genitalverstümmelung TOP 7 Forschung für die zivile Sicherheit TOP 10, ZP 8 Arbeitslosenversicherung TOP 9 Kinder- und Jugendtourismus TOP 12 Staatsangehörigkeitsrecht TOP 11 Europäische Versicherungs-Aufsichtsbehörde TOP 14 Aufhebung von Berufsverboten TOP 13 EU-Verordnungen zum Betrieb von Flughäfen TOP 16 Pakistan TOP 15 Umsatzsteuergesetz TOP 26 b, c Patentrecht TOP 17 Soziale Dimension der Bologna-Reform TOP 18 Unterstützung von ehemaligen Kindersoldaten TOP 19 Brustimplantate-Skandal Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715800000

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor
Eintritt in die Tagesordnung müssen wir zwei Wahlen
durchführen.

Die Fraktion Die Linke schlägt vor, für die aus dem
Eisenbahninfrastrukturbeirat ausscheidende Kolle-
gin Sabine Leidig die Kollegin Ingrid Remmers als or-
dentliches Mitglied zu berufen. Sind Sie mit diesem Vor-
schlag einverstanden? – Das ist offensichtlich der Fall.
Dann ist die Kollegin hiermit gewählt.

Der Kollege Ulrich Lange hat sein Schriftführeramt
niedergelegt – unverständlicherweise.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Als neuen Schriftführer schlägt die Fraktion der CDU/
CSU den Kollegen Peter Aumer vor. – Das ist offen-
kundig auch nicht ernsthaft umstritten. Dann ist der Kol-
lege hiermit gewählt.

Interfraktionell ist vereinbart worden, den Tagesord-
nungspunkt 13 b abzusetzen und die Tagesordnung um
die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu er-

Z
weitern:

ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Energieeffizienz, Energieeinsparung, Erneuer-
bare-Energien-Gesetz – Haltung der Bundes-
regierung angesichts der unterschiedlichen
Positionen der beteiligten Bundesministerien

(siehe 157. Sitzung)


ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr.
Joachim Pfeiffer, Dr. Michael Fuchs, Kai Wegner,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Hermann
Otto Solms, Dr. Martin Lindner (Berlin), Claudia
Bögel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP

(C (D ung n 9. Februar 2012 0 Uhr Marktwirtschaftliche Industriepolitik für Deutschland – Integraler Bestandteil der Sozialen Marktwirtschaft – Drucksache 17/8585 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss P 3 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren Ergänzung zu TOP 25 a)

Entwurfs eines Gesetzes zur Besteuerung von

Sportwetten

– Drucksache 17/8494 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Anette
Kramme, Hubertus Heil (Peine), Gabriele Hiller-
Ohm, weiteren Abgeordneten und der Fraktion
der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zum Schutz von Hinweisgebern – Whistle-

(Hinweisgeberschutzgesetz – HinwGebSchG)


– Drucksache 17/8567 –





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz

ZP 4 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschus-

(Vermittlungsausschuss)

Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts

– Drucksachen 17/6052, 17/6645, 17/7505 (neu),
17/7931, 17/8568 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Peter Altmaier

ZP 5 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschus-

(Vermittlungsausschuss)

kommunikations-rechtlicher Regelungen

– Drucksachen 17/5707, 17/7521, 17/7930,
17/8569 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Jörg van Essen

ZP 6 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE
LINKE:

EU-Fiskalpakt – Auswirkung auf Demokratie
und Sozialstaat

ZP 7 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP

Verfahren gegen deutsche politische Stiftung
einstellen – Demokratisierungsprozess in
Ägypten fortsetzen

– Drucksache 17/8578 –

ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine
Zimmermann, Jutta Krellmann, Dr. Lukrezia
Jochimsen, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion DIE LINKE

Arbeitslosengeld statt Hartz IV – Zugang zur
Arbeitslosenversicherung erleichtern

– Drucksache 17/8586 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Kultur und Medien

Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, so-
weit erforderlich, abgewichen werden. Darüber hinaus
kommt es zu den in der Zusatzpunktliste dargestellten
weiteren Änderungen des Ablaufs.

Schließlich mache ich noch auf nachträgliche Aus-
schussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste
aufmerksam:

Der am 26. Januar 2012 (155. Sitzung) überwiesene
nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Aus-

s

(1 n s s w D N ta ih w te re s g w d A m b A P Im s w g (C (D chuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 6. Ausschuss)


Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur
Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes

– Drucksache 17/8364 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit

Der am 26. Januar 2012 (155. Sitzung) überwiesene
achfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Aus-
chuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
chutz (10. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen
erden:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neu-
ordnung des Energieverbrauchskennzeich-
nungsrechts

– Drucksache 17/8427 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Sind Sie auch damit einverstanden? – Das ist der Fall.
ann ist das so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kollege
orbert Barthle hat am 1. Februar seinen 60. Geburts-
g gefeiert. Im Namen des ganzen Hauses möchte ich
m dazu auch auf diesem Wege herzlich gratulieren.


(Beifall)


Heute hat im Übrigen ein Mann Geburtstag, der welt-
eit als eine der herausragenden Künstlerpersönlichkei-
n unserer Zeit gilt. Gerhard Richter, in Dresden gebo-
n, jetzt in Köln lebend, feiert heute, übrigens in Berlin,

einen 80. Geburtstag, zu dem ich ihm im Namen des
anzen Hauses herzlich gratulieren möchte.


(Beifall)


Wir verdanken ihm ein grandioses Lebenswerk, und
ir sind stolz, dass wir hier, im Reichstagsgebäude, in
er Eingangshalle West, eine seiner außergewöhnlichen
rbeiten haben: „Schwarz Rot Gold“, korrespondierend
it der Nationalflagge auf dem Platz der Republik.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Ehrentri-
üne hat die Präsidentin des Parlaments der Republik
lbanien, Frau Jozefina Topalli, mit ihrer Delegation
latz genommen.


(Beifall)


Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Deut-
chen Bundestages begrüße ich Sie sehr herzlich. Ich
ünsche Ihnen und allen Ihren Kolleginnen und Kolle-
en weiterhin viel Erfolg bei dem ebenso engagierten





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)

wie zweifellos mühsamen Weg der weiteren wirtschaftli-
chen und politischen Entwicklung Ihres Landes.

Nun rufe ich Tagesordnungspunkt 3 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Neuordnung der Organisation der land-

(LSVNeuordnungsgesetz – LSV-NOG)


– Drucksachen 17/7916, 17/8495 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)


– Drucksache 17/8616 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Proteste höre
ich nicht. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst der Kollegin Gitta Connemann für die CDU/
CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1715800100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau

Ministerin von der Leyen! Frau Ministerin Aigner! Ich
bin auf einem Hof in Ostfriesland aufgewachsen. Mein
Vater war Landwirt, wie es heute mein Bruder ist. Wir
sind in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung groß
geworden. Mein Vater engagierte sich dort ehrenamtlich.
Deshalb sind für mich die Begriffe, um die es heute geht,
wie LKK, LBG oder LAK Begriffe, die für mich und
meine Familie mit Schutz zu tun hatten. Bei Krankheit
half uns die HLKK, und nach dem schweren Unfall mei-
nes Vaters unterstützte uns die Berufsgenossenschaft.
Meine Mutter erhält heute eine Bäuerinnenrente. Die
landwirtschaftliche Sozialversicherung bedeutete und
bedeutet auch noch heute für uns Schutz und Sicherung.

Meine Familie steht stellvertretend für viele Land-
wirte, Gärtner, Waldbauern, Fischer, Imker und ihre Fa-
milien. Sie alle vertrauten und vertrauen nach wie vor
auf die landwirtschaftliche Sozialversicherung, auf ihr
eigenständiges System für den Fall der Not – Hilfe vom
Berufsstand für den Berufsstand –, und zwar seit 1888.

Aber wir müssen feststellen, dass dieses System in die
Jahre gekommen ist. Der rasante Strukturwandel im grü-
nen Bereich hält an. Kleinere Höfe sind heute kaum
mehr wettbewerbsfähig, und die anderen stehen in bru-
talster Konkurrenz. Discounter diktieren die Preise. Die
Verbraucher in unserem Land haben sich leider an Le-
bensmittel zum Schleuderpreis gewöhnt – mit entspre-
chenden Folgen für die Betriebe. Die Konsequenz: Die
Zahl unserer grünen Betriebe nimmt Jahr für Jahr stetig
ab, mit Ausnahme der Betriebe des Gartenbaus.

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(C (D Dies hat nicht nur Auswirkungen auf unsere Gesellchaft, auf unsere Kulturlandschaft, sondern gerade auch uf unsere berufsständische Sicherung. Auf einen aktien Landwirt kommen heute 2,5 Altenteiler. Der Bund uffert 70 Prozent der Ausgaben ab. Das machte im Jahr 011 circa 3,9 Milliarden Euro aus dem Agraretat aus, rau Ministerin Aigner – aus einem Etat, den Sie desalb zu Recht als soziale Leistung ansehen. Damit werden nicht nur Leistungen der Versicherten nanziert, sondern auch ein recht großer Verwaltungsaparat. In Deutschland gibt es zwei Bundesträger, nämch einen für den Gartenbau und einen für die neuen änder. Hinzu kommen sieben regionale Träger von chleswig-Holstein bis Bayern. Die Aufsicht liegt bei en jeweiligen Ländern. Der Bund zahlt zwar, bestellt ber nicht die Musik. Das schafft manchmal Probleme. Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesrechungshof schon lange, aus den neuen Trägern einen eineitlichen Bundesträger zu bilden. Der Bundesrechungshof verspricht sich davon mehr Effektivität, mehr irtschaftlichkeit und stärkere Einwirkungsmöglichkein des Bundes. Unterstützung bekam der Bundesrechungshof schon sehr frühzeitig vom Berufsstand; denn ohe Verwaltungskosten belasten das ohnehin magere udget der Versicherten. Bereits 2007 kam es im Rahmen der Großen Koalion zu einer Reform der landwirtschaftlichen Sozialvericherung, und zwar verbunden mit einem damals einaligen Vorgang. Die Versicherten selbst nahmen sich amals nämlich in die Pflicht: Sie schlugen vor, eigene nsprüche zu kürzen, um das System zu sichern. So ollten stabile Beiträge erreicht werden. Das war ein einaliger Vorgang, für den wir dem Berufsstand noch eute zu Dank verpflichtet sind. Das sage ich an dieser telle sehr deutlich. Wir haben dieses Ziel mit Maßnahmen unterstützt, nter anderem mit der Forderung, die Verwaltungskosn um 20 Prozent zu reduzieren. Danach hat sich unendch viel getan. Daran haben sehr viele mitgewirkt: die itarbeiterinnen und Mitarbeiter der landwirtschaftli hen Sozialversicherung, aber auch die ehrenamtlich Enagierten in der Selbstverwaltung, in der Landwirtschaft, Gartenbau und bei den Forsten. Für die Union sage h ihnen allen an dieser Stelle Danke. Aber einige Ziele sind nicht erreicht worden. Die Veraltungskosten blieben zu hoch, und mit Ausnahme des artenbaubereichs blieben auch die regionalen Beitragsnterschiede. Heute wird ein Mutterkuhbetrieb oder ein ferdehaltungsbetrieb je nach Region unterschiedlich ur Kasse gebeten, und das trotz gleichen Risikos. Das hrt in Deutschland zu durchaus schmerzhaften, spür aren Wettbewerbsverzerrungen. Das können wir daueraft nicht akzeptieren und nicht zulassen. Darauf reagierte übrigens einmal mehr die Landwirtchaft selbst. Ein Gutachten wurde in Auftrag gegeben it der Vorgabe: Zukünftig sollen identische Betriebe in Gitta Connemann )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





(A) )

Deutschland dieselben Beiträge zahlen. Herr Professor
Bahrs machte dazu Vorschläge, zuerst der landwirt-
schaftlichen Sozialversicherung und dann auch dem Ge-
setzgeber. Daran schloss sich eine Diskussion an – inner-
halb und außerhalb der Landwirtschaft, zwischen den
unterschiedlichen Sparten, zwischen den Ländern übri-
gens auch –, die an der einen oder anderen Stelle durch-
aus sehr schmerzhaft war. Es wurde leidenschaftlich dis-
kutiert. Das ist nachvollziehbar; denn alle Beteiligten
wussten und wissen um die Bedeutung dieses Systems.

Hoffnungen und Ängste wurden vorgetragen, Argu-
mente für und wider wurden ausgetauscht. Am Ende der
Diskussion innerhalb des Berufsstands gab es ein Ergeb-
nis, und dieses Ergebnis lautete: Für uns bedeutet ein
Bundesträger mehr Chance als Risiko. Weil wir eine
kluge Politik machen, hören wir auf die Betroffenen und
haben gesagt: Wir werden handeln, und zwar in diesem
Sinne. Die Bundesregierung hat den Auftrag angenom-
men. Sie stellte übrigens 150 Millionen Euro zusätzlich
bereit, um die Neugestaltung zu flankieren. Das ist ein
erheblicher Schritt. Dafür sage ich an dieser Stelle der
Bundesregierung und dem Haushaltsausschuss, Frau
Ministerin Aigner und Frau Ministerin von der Leyen
herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Bundesregierung legte den Gesetzentwurf vor,
über den wir heute abstimmen werden. Etwas, das uns
als Union ungeheuer wichtig ist, steht ganz am Anfang
dieses Gesetzentwurfs, nämlich dass die Eigenständig-
keit dieses Systems erhalten bleibt. Mich hat die Forde-
rung vonseiten der Linken gestern betroffen gemacht.
Sie haben gesagt: Wir brauchen kein eigenständiges Sys-
tem, führen wir doch das System in die gesetzliche Ren-
tenversicherung über. Das zeigte: Man hat sich mit dem
System nicht befasst, und man hat übrigens wohl auch
nicht mit dem Träger der gesetzlichen Rentenversiche-
rung gesprochen.


(Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Doch!)


Angesichts dessen sage ich an dieser Stelle ganz deut-
lich: Wir wollen dieses System. Deshalb sind solche For-
derungen mit uns nicht umzusetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Bundesregierung hat die Grundlage für einen ein-
zigen Träger in ganz Deutschland geschaffen. Er wird
zukünftig den Namen tragen: Sozialversicherung für
Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. Er umfasst die
bisherigen neun Träger. Die Aufgaben werden zukünftig
zweistufig auf Bundesebene und regionaler Ebene wahr-
genommen. So entsteht eine völlig neue Solidargemein-
schaft. Bis 2017 soll die neue Selbstverwaltung die
Möglichkeit haben, Maßstäbe für einheitliche Beiträge
in ganz Deutschland zu entwickeln, übrigens mit ent-
sprechenden Differenzierungen. Wir werden eine feste
Obergrenze für die Verwaltungskosten festlegen. Ich
sage für die Union: Dies ist ein kluger Gesetzentwurf.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Mit unseren Anträgen reagieren wir als Fraktionen er CDU/CSU und der FDP auf die Anhörung zu diesem esetzentwurf. Ich habe selten eine Anhörung erlebt, in er die Sachverständigen sich so einig in ihrer grundätzlichen Zustimmung waren. Es wurde gesagt: Dieser ntwurf trägt den Belangen der Landwirtschaft Rechung; denn der Bestand des Systems wird gewährleistet. llerdings wurde an einigen Punkten Nachbesserungsedarf angemahnt. Wir haben deshalb, liebe Marlene ortler, lieber Max Straubinger, lieber Edmund Geisen, eber Toni Schaaf, miteinander gerungen und am Geetzentwurf entsprechend gefeilt. Das war mit sehr viel rbeit verbunden. Mein Dank gilt deshalb nicht nur den itarbeitern der Ministerien, den Kollegen in den Aus chüssen für Arbeit und Soziales und für Ernährung, andwirtschaft und Verbraucherschutz, sondern auch en Berichterstattern der CDU, der CSU, der FDP und urchaus auch der SPD. Unser Ergebnis kann sich sehen ssen. Erstens. Dieses Ergebnis ist gut für den Gartenbau. eit 100 Jahren besteht die Gartenbauberufsgenossenchaft. Sie lebte schon früh, was jetzt mit diesem Gesetzntwurf bezweckt wird: Die Versicherten werden zentral etreut, und die starke fachliche Begleitung hat zu einer eispiellosen Präventionsarbeit in den Betrieben geführt. ie Zahl der Arbeitsunfälle wurde von Jahr zu Jahr verngert. Dadurch wurde übrigens nicht nur menschliches eid verhindert, sondern es wurden auch Kosten geenkt. Da die Gartenbaubetriebe mit landwirtschaftlihen Betrieben nicht immer vergleichbar sind, hatten iese Angst um ihr eigenes Profil. Wir haben diese ngste aufgegriffen und viele Forderungen aufgenomen. So bleibt die zentrale fachliche Betreuung erhalten. Mittelpunkt dieses Gesetzes steht nämlich die Fach unde – ein ganz wichtiges Kriterium – und nicht die rtsnähe. Wir stellen sicher, dass mehrere Beitragsmaßstäbe geildet werden können, nicht nur nach Gefahrenklassen, ondern auch nach dem Arbeitswert, der heute schon im artenbau verwendet wird. Die Haftpflichtversichengsanstalt der Gartenbau-BG kann zukünftig als eigen tändige berufsständische Einrichtung betrieben werden. arüber hinaus werden über 2017 hinaus Fachgremien eschaffen, übrigens mit eigenen Vorschlagsrechten. Sie ind also kräftig ausgestattet. Zweitens. Wir entsprechen nicht nur dem Anliegen es Gartenbaus, sondern auch dem der Waldbesitzer und amit letztlich dem der Landwirtschaft. Diese wünschn sich ein auf Dauer eingerichtetes Fachgremium, um igene Vorschläge zur Präventionsarbeit entwickeln zu önnen. Eine weitere Forderung der Waldbesitzer war die Eröhung der Zahl der Mitglieder des Errichtungsauschusses; auch diesem Anliegen tragen wir Rechnung. iese Forderung wurde vom Deutschen Bauernverband nd von fast allen Sachverständigen geteilt. Zukünftig ird der Errichtungsausschuss 27 Mitglieder umfassen. amit ist gewährleistet, dass jeder Träger mit drei Per Gitta Connemann )


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)





(A) )

sonen, die unterschiedlichen Gruppen angehören – den
Arbeitnehmern, den Arbeitgebern und welcher Gruppe
auch immer –, vertreten ist.

Drittens. Für uns als Union nahmen die Anliegen der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen ganz großen
Raum ein. Wir wollen die Reform nicht gegen die Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter, sondern mit ihnen machen.
Wir erkennen durchaus, welche Vorleistungen diese in
der Vergangenheit erbracht haben. Viele von ihnen
haben schon etliche Fusionen, Reformen und Organisa-
tionsänderungen hinter sich; sie haben sie übrigens stets
mitgetragen. Dass die Sozialversicherung ein Erfolgs-
modell ist, ist auch und gerade den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern zu verdanken. Deswegen sage ich auch an
ihre Adresse Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben, auch ohne Änderungsanträge, frühzeitig
dafür gesorgt, dass die Gemeinsame Personalvertretung
nicht nur zu den Sitzungen des Errichtungsausschusses
eingeladen, sondern auch informiert und beteiligt wird.
Denn es soll nicht über die Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter, sondern mit ihnen geredet werden. Dafür brau-
chen sie Informationen. Um die gerade in der Anfangs-
zeit erforderliche Kontinuität zu gewährleisten, haben
wir ihre Amtszeit bis Ende 2012 verlängert.

Auf unseren Antrag hin hat das Gesetz eine weitere
Zielvorgabe erhalten: Die Neuorganisation muss sozial-
verträglich erfolgen. Dieser Grundsatz ist bei der Auf-
stellung aller neuen Regelungen zu beachten. Damit
können wir gegebenenfalls Ängste nehmen. Auf Wunsch
der Personalvertretung verpflichten wir den neuen Trä-
ger, allen Mitarbeitern schriftlich zu bestätigen, dass die
bisherigen Ausbildungs- und Arbeitsverhältnisse fortge-
setzt werden, und zwar ohne jegliche Änderung.

Vorgesehen war auch eine zwangsweise Versetzung in
den einstweiligen Ruhestand. Dazu sage ich für die
Union sehr deutlich: Das halten wir für unzumutbar;
denn die Einschnitte für die Betroffenen sind erheblich.
Jemand, der im mittleren Dienst beschäftigt ist und zwei
Kinder hat, die in der Ausbildung sind, braucht das Ein-
kommen. Deshalb fordern wir in unseren gemeinsamen
Anträgen, dass Dienstordnungsangestellte, die nach Be-
soldungsordnung A besoldet werden, nur mit ihrer eige-
nen Zustimmung in den einstweiligen Ruhestand ver-
setzt werden können. Ich glaube, das ist weise und
sozialverträglich.

Es gibt natürlich auch Forderungen, die wir nicht
erfüllt haben. Dazu gehören beispielsweise Forderungen
der Länder, die das bisher bestehende System am liebs-
ten in toto festgeschrieben hätten. Ich sage an die
Adresse der Länder sehr deutlich: Damit hätten wir den
neuen Träger in einer Art und Weise gefesselt, dass er
von vornherein nicht in der Lage gewesen wäre, die
Ziele, die wir ihm vorgeben, zu erfüllen. Das wäre
vollkommen kontraproduktiv. Wir geben ihm ein Stück
Freiheit.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Bei der Hofabgabeklausel nehmen wir gewisse Ändengen vor; darauf werden meine Kollegen noch ein ehen. Ich muss allerdings sagen: Die Forderung der rünen nach Abschaffung bzw. ersatzloser Streichung ieser Klausel hat mich sehr erschrocken. Auch wenn es ielleicht keine nennenswerte Zahl von Petenten, die avon wirklich betroffen sind, gibt, ist dies eine Fordeng ins Blaue hinein. Denn keiner von uns weiß heute, ie sich eine solche Änderung zum Beispiel auf die Enticklung des Bodenmarktes auswirken würde. Boden ist chon heute ein knappes Gut. Unsere Bauern beklagen en Landfraß. Dem sollten wir keinen Vorschub leisten, ondern wir sollten lieber die Ergebnisse der Gutachten es Agrarministeriums abwarten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich sage an dieser Stelle: Wir sind heute sicherlich
icht das letzte Mal zusammengekommen, um über die
ndwirtschaftliche Sozialversicherung zu sprechen. Die
ndwirtschaftliche Sozialversicherung ist kein sta-
sches System; denn der Strukturwandel wird anhalten.
it diesem Gesetzentwurf gewährleisten wir nach der

eutigen Entscheidung den Bestand des Systems, das
ich seit 1888 bewährt hat. Wir machen es fit für die
ukunft und schaffen die gleichen Voraussetzungen für
lle Betriebe in Deutschland.

Enden möchte ich mit einem Satz des Sachverständi-
en Dr. Bahrs aus der Anhörung. Er wurde gefragt:
lauben Sie, dass wir mit diesem Gesetzentwurf die
rundlage für mehr Gerechtigkeit schaffen?


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715800200

Das muss jetzt aber etwas mehr gerafft erfolgen, Frau

ollegin.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1715800300

Glauben Sie mir, Herr Präsident.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715800400

Ich glaube es aufs Wort.


(Heiterkeit)



Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1715800500

Wunderbar. Glauben Sie mir, Herr Präsident, auch

enn Sie nicht bei der Anhörung waren. – Genau dieser
utachter sagte: Wir schaffen die Grundlage für mehr
erechtigkeit. – Deswegen bitte ich heute, dem Gesetz-

ntwurf und unseren Bemühungen um mehr Gerechtig-
eit zuzustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715800600

Wenn ich hinsichtlich der elenden Bewirtschaftung

er Redezeit nicht der Gerechtigkeit verpflichtet wäre,
äre auch für mich manches einfacher.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)






Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)

Nächster Redner ist der Kollege Wilhelm Priesmeier
für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Rede ID: ID1715800700

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte
Frau Connemann, wenn der Präsident Ihnen schon
glaubt, dann müsste ich Ihnen an sich ebenfalls glauben.
Das tue ich heute auch einmal.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ja! – Beifall des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/CSU])


Ich teile natürlich Ihre Einschätzung, dass wir uns
heute nicht das letzte Mal über die landwirtschaftliche
Sozialversicherung unterhalten. Den Optimismus, den
Sie hier bezüglich des Systems ausstrahlen, kann ich
allerdings nicht in Gänze und uneingeschränkt teilen.
Wir tragen die Last des Strukturwandels seit vielen Jahr-
zehnten auch über Steuermittel und über Mittel unseres
Haushaltes; das ist eine bewusste Entscheidung. Wer
dieses System kennt und sich damit und auch mit seiner
Entstehungsgeschichte beschäftigt hat, der weiß, dass
die Ausprägung dieses Systems, wie wir es heute ken-
nen, letztendlich auf eine Vereinbarung aus dem Jahre
1971 zwischen Willy Brandt, Herbert Wehner und dem
damaligen Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes
Heereman zurückgeht.


(Beifall bei der SPD – Christian Lange [Backnang] [SPD]: So ist das!)


Damals ist ein weiteres Standbein eingeführt worden,
das uns heute allen so wichtig ist, nämlich die landwirt-
schaftliche Krankenkasse. Manche wissen das vielleicht
aus eigener Anschauung, weil sie, wie ich, in landwirt-
schaftlichen Betrieben aufgewachsen sind, und sie wis-
sen auch, wie es damals war, wenn der Großvater krank
war. Die Großmutter ging dann, wie bei mir zu Hause,
an den Schrank und nahm nach jedem Besuch des Arztes
Geld heraus, um ihn bar zu bezahlen.

Damals waren 40 Prozent der Landwirte schlecht
oder gar nicht krankenversichert. Vor allen Dingen
konnten sich eine Krankenversicherung die kleinen und
mittleren Landwirte nicht leisten. Wir als Sozialdemo-
kraten haben damals auch diese soziale Frage aufgegrif-
fen und dieses Problem im Sinne der sozialen Gerechtig-
keit letztendlich auch gelöst. Darum bekennen wir uns
zu dem System der sozialen Sicherung auch im landwirt-
schaftlichen Bereich. Das ist für uns und unsere Agrar-
politik in den letzten Jahrzehnten essenziell gewesen.
Aus dem Grunde werden wir diesem Gesetzentwurf
unsere Zustimmung heute auch nicht versagen, obwohl
wir bis zu gewissen Graden natürlich auch Kritik an dem
gegenwärtigen Gesetzentwurf, der uns heute vorliegt,
anzumerken haben.

Klar ist, dass wir dieses soziale Sicherungssystem
nicht ohne Weiteres in andere Bereiche übertragen kön-
nen. Klar ist aber auch, dass wir ein effizientes und
schlankes System brauchen, im Sinne der Beitragszahler
und auch im Sinne der Steuerzahler. Aus dem Grunde ist

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(C (D s konsequent, das, was die Sozialdemokraten schon 995 anlässlich der damaligen Reform und auch später efordert haben, nämlich die Schaffung eines einheitchen Bundesträgers, heute umzusetzen, auch wenn die usgestaltung in einzelnen Bereichen nach meiner Ein chätzung noch einer gewissen Klarheit bedarf. Wir alle wollen, dass die Zahl der Beschäftigten bei en jetzigen Trägern im Zuge der Verschmelzung auf inen Träger erhalten bleibt. Nach meiner Einschätzung icht es hier nicht, wenn man die fragliche Formulieng in „fachlich umfänglich“ ändert, weil es vor allen ingen im Bereich der Landesbauernverbände in erhebchem Maße Auslagerungen von Dienstleistungen gibt. Ich zitiere aus dem Spiegel vom 22. November 1976: Nebenbei nimmt der BBV der Bayerische Bauernverband – aber bei einschlägigen Versicherungsberatungen in den BBV-Geschäftsstellen noch „Unkostenvergütungen“ von den berufsständischen Sozialversicherungsträgern ein: … 400 000 Mark. as war damals. Ich glaube, dieses Verfahren ist kritisch zu hinterfraen. Nicht alle Landesbauernverbände sind in dieser orm von den Sozialversicherungsträgern bezahlt woren. Entsprechend bezahlt worden sind Bayern, Badenürttemberg und Nordrhein-Westfalen. Aber ich kann icht erkennen, warum für die aufgrund der Mitgliedchaft zu erbringende Beratungsdienstleistung eines andesbauernverbandes oder eines Bauernverbandes in änze dann auch noch Geld für das Entgegennehmen nd das Weiterleiten der Anträge gezahlt wird. Von dieem Gedankengang muss man sich trennen. Wenn man sich anschaut, wie die Vertreterversammngen zusammengesetzt sind, dann erkennt man natürch, warum das so sein könnte. Ich spekuliere einmal: ie beiden großen Listen, über die in dem Fall die usammensetzung der Vertreterversammlung entscheiend mitbestimmt – zum einen über die der Landwirte nd zum anderen über die der Landwirte mit Beschäftign –, sind Landesbauernverbandslisten. Insofern hat das anze für mich etwas Überkommenes. Es geht hier arum, sich Klarheit zu verschaffen und für mehr Klareit zu sorgen. Das System der landwirtschaftlichen Sozialversicheng hat in hervorragender Weise den vorauszusehenden trukturwandel bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt bewälgt. Diese Erkenntnis hat es – das sieht man, wenn man ie Diskussionen der Anfangszeit in den Plenarprotokoln verfolgt – schon damals gegeben. Der Grund dafür, ass das System instabil ist, ist natürlich der Strukturandel, dem das System der Versicherung zum Beispiel it der Schaffung der Hofabgabeklausel begegnen ollte. Ich glaube, dass uns das System der Sozialversicheng, an dem wir heute so etwas Ähnliches wie eine otreparatur vornehmen und in das wir die Aufsicht ber den Gartenbau einfügen, damit es längerfristig exis Dr. Wilhelm Priesmeier )





(A) )

tieren kann, sorgenvoll beschäftigen wird; denn mehr als
50 Prozent der an sich versicherungspflichtigen Land-
wirte haben sich aus dem System befreien lassen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Genau! Richtig!)


Wir als Politiker haben die Voraussetzungen dafür ge-
schaffen, dass das System immer weiter entsolidarisiert
wird. Jetzt haben wir das in der Weise mitzutragen, dass
wir dem System immer mehr Mittel aus öffentlichen
Haushalten zuführen müssen, um die Altlasten, also die
Kosten für die Renten, zu finanzieren, da diese aus den
Versicherungsbeiträgen der Versicherungspflichtigen
nicht mehr finanziert werden können.

Auch die zukunftsfähigen Vollerwerbsbetriebe entfer-
nen sich von diesem System immer weiter; denn sie sind
letztendlich in der Lage – weil sie sich als Unternehmer
verstehen – eigenständig Vorsorge zu treffen. Insofern
steht bei diesen Betrieben der Solidargedanke relativ
weit hinten. Das zeigt eine weitere Gefahr dieses Sys-
tems auf: Ich habe berechtigte und ernsthafte Zweifel, ob
sich dieses System nach 2020, wenn sich die Zahl der
Vollerwerbsbetriebe wiederum halbiert haben wird, in
der Weise, wie wir das jetzt noch kennen, fortführen
lassen wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der mit dem System intendierte Strukturwandel zeigt
auch die Grenzen dieses Systems auf. Daher hat ein
wesentlicher Punkt, den Sie hier nicht angesprochen
haben, die sogenannte Hofabgabeklausel, an sich längst
ihre agrarstrukturelle Bedeutung verloren. Wir müssen
erkennen, dass wir eine ganze Reihe von kleinen und
mittleren Betrieben haben, deren Besitzer an sich her-
vorragend gewirtschaftet haben, aber relativ wenig
eigene Fläche haben. Diese Betriebsinhaber haben hin-
terher unter Umständen einen Anspruch auf 400, 480
oder knapp 500 Euro Rente aus der landwirtschaftlichen
Sozialversicherung, haben aber keine erheblichen Pacht-
einnahmen, wenn sie ihren Betrieb aufgeben und weiter-
verpachten. Insofern müssen sie ihren Betrieb eigentlich
unter anderen Voraussetzungen weiterführen. Das kön-
nen sie aber nicht, weil wir sie zwingen, ihren Hof abzu-
geben.

Dazu kommt, dass etwa 70 Prozent der befragten
186 000 Betriebe, die noch in Vollerwerb sind, keine
oder eine nicht geregelte Hofnachfolge haben. Das
macht deutlich, dass die Streichung der Hofabgabeklau-
sel und die Neufassung der Voraussetzungen für den
Bezug der Altersrente längst überfällig sind. Das hätte
längst geschehen müssen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In einer Gesellschaft, in der wir auch von Menschen,
die älter als 65 Jahre sind, erwarten, dass sie sich ein-
bringen und eventuell noch beruflich oder unternehme-
risch tätig sind, ist es ein Anachronismus, wenn man
jemanden zwingen will, seine berufliche Tätigkeit nur

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(C (D eshalb aufzugeben, um in den Genuss der Rente zu ommen. Ich sehe dahinter eher das Lobbyinteresse des eutschen Bauernverbandes, der auf dieser Klausel esteht, weil in diesem Verband diejenigen vertreten ind, die besonders schnell in den Genuss kommen woln, bestimmte Flächen pachten zu können. Diejenigen estimmen dort nämlich die Politik, die zukunftsfähige etriebe haben. Insofern sollten wir, glaube ich, etwas ehrlicher damit mgehen und diesen Lobbyinteressen nicht in der Form achkommen, wie wir es bislang getan haben. Es kann icht nach dem Motto „Bezahlen ja, aber Rente nein“ ehen. Ich glaube, wir sollten zu flexibleren Regelungen ommen. Wenn das heute nicht gelingt, dann sollten wir umindest demnächst noch einmal den Versuch unterehmen, die Klausel zu streichen, zumal schon seit den 0er-Jahren klar ist, dass 30 bis 40 Prozent aller Überabeverträge Scheinverträge sind. Ich war zehn Jahre ng auf der kommunalen Ebene Mitglied eines Grund tücksverkehrsausschusses und habe die Pachtverträge er Kunden meiner tierärztlichen Praxis gesehen und elesen, was unter welchen Voraussetzungen übergeben der verpachtet worden ist. Demnach ist die Zahl von 30 is 40 Prozent Scheinverträgen realistisch. Wir drängen die alten Landwirte in eine Situation der echtsunsicherheit, die nicht hinzunehmen ist, zumal uch die Scheinpächter im Regelfall zu 100 Prozent von er landwirtschaftlichen Rentenversicherung befreit sind der schon Zahler sind und insofern keine erheblichen eitragsausfälle zu befürchten sind. Seien wir ehrlich: eg mit der Hofabgabeklausel! Sie hat sich überlebt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715800800

Der Kollege Geisen hat nun das Wort für die FDP-

raktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Edmund Peter Geisen (FDP):
Rede ID: ID1715800900

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

amen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ie gut aufgestellten grünen Branchen wie Landwirt-

chaft, Forstwirtschaft und Gartenbau waren schon
mer der Erdungsanker für die ganze Gesellschaft. Die

igenständigkeit der grünen Berufe hat sich immer für
ie Allgemeinheit gelohnt und zur Erhaltung florieren-
er ländlicher Räume beigetragen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die stetigen Veränderungen und die demografischen
ntwicklungen zwingen natürlich auch hier die Politik
ur Anpassung. Ein Gesetz zur Neuordnung der land-
irtschaftlichen Sozialversicherung ist also dringend
eboten, will man die Eigenständigkeit und die Selbst-





Dr. Edmund Peter Geisen


(A) )


)(B)

verwaltung erhalten, die sich über fünf Jahrzehnte
bewährt haben.

Für die FDP lautete immer die klare Devise: „Das
Gute bewahren und zeitgemäße Anpassungen vorneh-
men“.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dazu gehören die wesentlichen Prämissen wie: Souverä-
nität wahren, Solidarität der grünen Berufe stärken und
gute Rahmenbedingungen für die Zukunft setzen.

Der vorliegende Gesetzentwurf zur Neuordnung der
landwirtschaftlichen Sozialversicherung mit den Ände-
rungsvorschlägen der christlich-liberalen Koalition wird
den genannten Ansprüchen gerecht. Besonders für den
Gartenbau, aber auch für die Forstwirtschaft und insbe-
sondere für die Junglandwirte haben wir mehr erreicht,
als je zu hoffen war: Ihre berechtigten Anliegen konnten
wir aufnehmen und angemessen in die neuen Strukturen
überführen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dafür haben wir uns als FDP-Fraktion besonders
stark gemacht, und darauf bin ich persönlich auch beson-
ders stolz. Ich freue mich aber auch darüber, dass wir den
Belangen des Personals mit den Forderungen der Ge-
werkschaften und Personalvertretungen gerecht gewor-
den sind.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


An dieser Stelle möchte ich den Kolleginnen und
Kollegen der Koalitionsfraktionen und den beiden betei-
ligten Ministerien einmal ganz herzlich für die vielen
konstruktiven Gespräche danken, die dazu beigetragen
haben, dass wir einen sehr breiten Konsens gefunden
haben – sogar auch mit einem großen Teil der Opposi-
tion. Danke den Beteiligten!


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das gilt natürlich auch besonders für meine Kollegen
aus dem Haushaltsausschuss, die diese Organisationsre-
form trotz strikter Sparvorgaben insgesamt mit 150 Mil-
lionen Euro begleiten bzw. flankieren werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser
Stelle ganz kurz die Entwicklung der Landwirtschaft
skizzieren. Verglichen mit 1960 ist die Zahl der Betriebe
um mehr als zwei Drittel gesunken. Während ein Land-
wirt damals 10 Menschen mit Nahrungsmitteln ver-
sorgte, so ernährt er 50 Jahre später über 127 Menschen.
Das ist eine Steigerung um mehr als das Zwölffache,
wobei die Qualität zunehmend höherwertig wird. Das ist
Ausdruck des tiefgreifenden Strukturwandels, den die
Landwirtschaft hinter sich hat. Diesen gilt es gesamt-
gesellschaftlich zu begleiten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Dem Strukturwandel in der Landwirtschaft will und uss die Bundesregierung Rechnung tragen. So über immt der Bund – ähnlich wie im Bergbau – inzwischen nd 70 Prozent der Kosten für die Alterssicherung der andwirte und rund 57 Prozent der gesamten LSV-Ausaben. Damit ist klar: Die LSV muss neu organisiert erden. Ein Festhalten an den kleinteiligen Organisaonsstrukturen der landwirtschaftlichen Sozialversicheng gefährdet auf längere Sicht die Eigenständigkeit es agrarsozialen Sicherungssystems. Deshalb bin ich ehr zufrieden, dass wir als christlich-liberale Koalition ndlich den einheitlichen Bundesträger auf den Weg ringen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich freue mich, dass wir nach jahrelangem Einsatz bei
er Hofabgaberegelung eine Menge an Erleichterungen
rreicht haben. So wird die Altersgrenze bei Abgabe
nter Ehepartnern aufgehoben, gewerbliche Tierhaltung
uf gewerblichen Rückhaltflächen weiter möglich sein
nd die Abgabe zwischen Gesellschaftern erleichtert.
ieser Erfolg war anfangs überhaupt nicht abzusehen.

Schon zu Oppositionszeiten habe ich für die FDP
npassungsbedarf angemeldet, mich aber immer für die
eibehaltung der Klausel ausgesprochen. Warum? Ich
abe in diesem Zusammenhang zunächst sehr viele
espräche mit Vertretern des Berufsstandes geführt. Mir
am und kommt es darauf an, gemeinsam mit den
etroffenen eine Lösung zu finden. Der Tenor war ein-
eutig: Die Pflicht zur Hofabgabe soll besonders im
teresse der jungen Generation beibehalten werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


as hilft jungen Landwirten, frühzeitig in Betriebe zu
vestieren und diese zu modernisieren. Eines möchte
h betonen: Es haben nicht immer diejenigen recht, die

m lautesten rufen. Wir sollten uns auch darüber im Kla-
n sein, dass eine komplette Abschaffung der Hofabga-

eklausel zwangsläufig das Ende der eigenständigen
lterssicherung der Landwirte bedeutet hätte. Das wol-
n wir nicht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, abschlie-
end noch ein Wort zum Gartenbau. Wir von der FDP-
raktion haben uns in den Gesprächen mit der Bundes-
gierung immer für die besonderen Belange des Garten-

aus eingesetzt; denn eines ist klar: Die Situation im
artenbau unterscheidet sich deutlich von der in der
and- und Forstwirtschaft. Sowohl die Mitglieder- als
uch die Kostenstruktur weisen jetzt schon in die rich-
ge Richtung. Reformen wurden konsequent angegan-
en, und im Gartenbau wird zudem eine vorbildliche
räventionsarbeit geleistet. Deswegen war es uns als
DP-Fraktion so wichtig, den Gartenbau angemessen an
er neuen Struktur zu beteiligen. Wir konnten vier zen-
ale Forderungen aus dem Bereich des Gartenbaus um-
etzen: die fachliche Trennung, die Beibehaltung einer
igenständigen fachlichen Betreuung am Standort der





Dr. Edmund Peter Geisen


(A) )


)(B)

jetzigen Hauptverwaltung in Kassel, die Möglichkeit
einer eigenständigen Beitragsbemessung sowie den
Erhalt eines dauerhaften Fachausschusses mit beratender
Funktion.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen, ich bin sicher, dass die christlich-
liberale Koalition im Gegensatz zu den früheren Refor-
men mit dem jetzigen Gesetz die landwirtschaftliche
Sozialversicherung auf ein solides, bezahlbares und
zukunftsfestes Fundament stellen wird.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715801000

Matthias Birkwald ist der nächste Redner für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715801100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! In der landwirtschaftlichen Sozialversiche-
rung gibt es Reformbedarf. Darin sind sich alle einig.
Uneinig sind wir uns darüber, ob dieser Reformbedarf
mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetz-
entwurf zur Neuorganisation der landwirtschaftlichen
Sozialversicherung auch tatsächlich befriedigt werden
kann. Die Linke sagt: Nein, das ist nicht der Fall.


(Beifall bei der LINKEN)


Frau Connemann, ich will gar nicht darum herum-
reden: Der vorgelegte Gesetzentwurf enthält einige rich-
tige Maßnahmen, Absichten und Regelungen. Es ist gut,
dass die Beitragszahlungen an die Berufsgenossenschaf-
ten vereinheitlicht werden; denn es ist nicht einzusehen,
warum die Menschen Beiträge in unterschiedlicher Höhe
zahlen müssen, nur weil sie in verschiedenen Regionen
Deutschlands leben und arbeiten. Deshalb begrüßt die
Linke, dass die Beiträge bis zum Jahr 2018 angeglichen
werden.

Im vergangenen Jahr hat die landwirtschaftliche
Sozialversicherung insgesamt 6,3 Milliarden Euro aus-
gegeben. Deutlich mehr als die Hälfte dieser Ausgaben,
nämlich knapp 60 Prozent oder 3,7 Milliarden Euro,
wurden vom Bund, also durch Steuergelder, finanziert.
Deshalb ist es durchaus richtig, eine zweistufige Organi-
sation mit einer Bundesebene für zentrale Aufgaben ein-
zuführen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP,
Sie haben auch einige personalrechtliche Verbesserun-
gen in diesen Gesetzentwurf eingefügt. Die sind vor
allem beamtenrechtlicher Art. Dagegen ist nichts zu
sagen, aber die wirklich wichtigen Kritikpunkte blenden
Sie leider aus. Sie wollen weder die paritätische Vertre-
tung der Arbeitnehmer im Gartenbau beibehalten, noch
wollen Sie die Forderungen der Landfrauen nach einer
Frauenquote berücksichtigen. Dazu sage ich: Die Linke
steht hier fest an der Seite der Landfrauen.

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(C (D (Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD)


elbstverständlich muss eine Frauenquote in den Selbst-
erwaltungsgremien des Bundesträgers und damit auch
uf den Wahllisten eingeführt werden. In diesem Punkt
timmen wir übrigens auch ausdrücklich dem Entschlie-
ungsantrag der Grünen zu.


(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang StrengmannKuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die Abschaffung der sogenannten Halbparität, wie sie
och in der Gartenbau-Berufsgenossenschaft besteht,
edeutet nichts anderes als eine Schwächung der Posi-
on der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Halb-
arität bedeutet, dass hier die Unternehmerseite und die
rbeitnehmerseite bisher auf Augenhöhe miteinander
erhandeln. Das hat im Gartenbau übrigens auch zu her-
orragenden Ergebnissen geführt. Am betrieblichen Un-
llschutz ist das deutlich zu erkennen. Die neue Drittel-

arität bedeutet nun nicht etwa, dass zu den
rbeitsmarktparteien ein neutraler Dritter hinzukäme.
itnichten! Die Dritten in der Runde sollen ebenfalls
nternehmerinnen und Unternehmer sein, nur eben wel-

he ohne Angestellte. Ich sage Ihnen: Diese Schwä-
hung der Interessenvertretung von Arbeitnehmerinnen
nd Arbeitnehmern ist inakzeptabel.


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregie-
ng will mit der vorliegenden Reform „eine dauerhafte
rhaltung des eigenständigen agrarsozialen Sicherungs-
ystems“ hinbekommen. Diesem Ziel hat bisher niemand
idersprochen. Ob dieses Ziel mit der Organisations-
form, wie sie der Gesetzentwurf der Bundesregierung

orsieht, erreicht werden kann, ist allerdings mehr als
aglich. Warum? In der landwirtschaftlichen Sozialver-

icherung gibt es immer mehr Leistungsempfängerinnen
nd -empfänger und immer weniger Beitragszahlerinnen
nd -zahler. Diesen unbestreitbaren Trend kann auch die
eute zur Diskussion stehende Reform der landwirt-
chaftlichen Sozialversicherung nicht wegzaubern.

Die Entwicklung ist in der Alterssicherung der Land-
irte zum Beispiel dramatisch zu nennen. Es gibt mehr

ls doppelt so viele Menschen, die eine Rente aus der
lterssicherung der Landwirte beziehen, als es Bauern
nd Bäuerinnen gibt, die Beiträge zahlen. Das wird ohne
assive Steuerzuschüsse auf die Dauer nicht zu stem-
en sein. Deshalb sagen wir, Frau Connemann: Wir
üssen uns mit aller Vorsicht und mit Rücksicht auf die

ewachsenen Strukturen zumindest einmal fragen, ob
nd, wenn ja, inwiefern ein eigenständiges Alterssiche-
ngssystem in der Landwirtschaft langfristig noch trag-
hig sein wird.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Das klang gestern etwas anders!)


it den jetzt auf dem Tisch liegenden Reformvorschlä-
en wird das Ziel einer zukunftsfähigen und dauerhaften
lterssicherung für die Landwirte, jedenfalls aus unserer
icht, nicht erreicht.


(Beifall bei der LINKEN)






Matthias W. Birkwald


(A) )


)(B)

In der aktuellen Reformdebatte über eine gute Alters-
vorsorge und die Vermeidung von Altersarmut fordern
zum Beispiel der Deutsche Gewerkschaftsbund, der
Sozialverband Deutschland, die Volkssolidarität und die
Linke, nach und nach alle Erwerbstätigen – in welcher
Art und Weise auch immer sie erwerbstätig sind – in ein
System der Alterssicherung einzubeziehen. Eine solche
Erwerbstätigenversicherung wäre zeitgemäßer, sie wäre
solidarischer, und sie wäre nachhaltiger.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich weiß ja: Diese Frage kann man nicht von heute auf
morgen entscheiden; das ist völlig klar. Aber es wäre
doch sinnvoll, wenn die Bundesregierung sie im „Regie-
rungsdialog Rente“ wenigstens einmal diskutieren
würde. Gründe dafür gibt es genug. Denn im Gegensatz
zur gesetzlichen Rentenversicherung ist die Alterssiche-
rung der Landwirte von vornherein nur als Zuschuss ge-
dacht gewesen. Die durchschnittliche Rente liegt heute
bei etwa 460 Euro; bei der Ehegattin sind es gerade ein-
mal 237 Euro. Das muss man sich einmal auf der Zunge
zergehen lassen.

Außerdem – das ist schon gesagt worden – lassen sich
knapp 50 Prozent der Landwirte von der Versicherungs-
pflicht befreien. Das heißt, die Hälfte der Landwirte
flieht quasi bereits aus dem eigenständigen Alterssiche-
rungssystem. Das scheint mir Grund genug zu sein, we-
nigstens einmal darüber nachzudenken, die Bauern und
Bäuerinnen in die gesetzliche Rentenversicherung einzu-
beziehen.


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Bemerkung
zum Schluss zur Hofabgabeklausel. Diese Klausel be-
ruht auf der Annahme, dass der bäuerliche Hof von Ge-
neration zu Generation weitergegeben und weiterbetrie-
ben wird. Das ist heute aber oft realitätsfremd. Die Linke
fordert deshalb – gemeinsam mit der SPD und den Grü-
nen –, dass die Landwirtinnen und Landwirte, auch ohne
ihren Hof abgeben zu müssen, eine Rente erhalten kön-
nen. Die Hofabgabeklausel ist eine Regelung von ges-
tern. Sie muss heute dringend abgeschafft werden.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Mit welchen Folgen?)


Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715801200

Der Kollege Friedrich Ostendorff ist der nächste Red-

ner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
Grünen begrüßen die Einführung eines Bundesträgers in
der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Gartenbau
und Forst. Trotzdem sehen wir erheblichen Änderungs-
bedarf, wie unserem Antrag zu entnehmen ist.

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(C (D Wir Grünen sind auch nicht dabei, wenn, wie einige einen, gesagt wird, die landwirtschaftliche Sozialversi herung sei keine heilige Kuh mehr und schlachtreif. ir werden jedenfalls nicht an den Grundfesten der so ialen Absicherung, die vor über 40 Jahren Willy Brandt nd Josef Ertl eingeführt haben, rütteln. Ich kann mich, ie auch einige andere hier, noch gut daran erinnern, ass viele Bäuerinnen und Bauern nach Jahrzehnten harr Arbeit ohne Gebiss, ohne Brille, ohne notwendige rztliche Versorgung und Hilfe leben mussten. Ein Arztesuch ging heftig an die Substanz der Betriebe. (Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Richtig! Ja, so war es!)


ach Einführung der LSV änderte sich das grundlegend.
a war die Zeit der Brotkrumenstipperei vorbei.

Wo im Gesetz muss kräftig nachjustiert werden?
und 70 Prozent des Agrarhaushalts des Bundes entfal-
n auf die landwirtschaftliche Sozialversicherung. Da-
it ist der Bund der Hauptfinanzier und trägt die Haupt-

erantwortung. Also bestimmt auch der Bund und nicht
er Deutsche Bauernverband die Richtung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


eshalb kann es nicht sein, dass von den Kassen ledig-
ch eine einzige gutachterliche Stellungnahme, nämlich
on Professor Dr. Bahrs, zur künftigen Beitragsgestal-
ng vorgelegt wurde. Um das Ganze ohne Scheuklap-

en beurteilen zu können, erwarten wir von der LSV,
ass weitere gutachterliche Stellungnahmen zur Bei-
agsgestaltung eingeholt werden, damit die Entschei-
ungsträger verschiedene Varianten vergleichen können.

Es ist doch schon erstaunlich, dass die Beiträge zur
ndwirtschaftlichen Unfallversicherung umso höher

usfallen sollen, je kleiner die landwirtschaftliche Nutz-
äche oder der Tierbestand ist. Das wird dann als Bei-
agsgerechtigkeit verkauft. Was ist die Konsequenz da-
us? Ich kann es Ihnen sagen: Die großen Agrarbetriebe
erden wachsen, und die kleinen Bauernhöfe werden
eichen, ganz im Sinne Ihrer Wachstums- und Export-

trategie.

Das Unfallrisiko wollen auch wir Grünen stärker ein-
eziehen. Aber erklären Sie uns in diesem Hause doch
inmal, wieso in einem Betrieb mit 40 Kühen mehr als
oppelt so hohe Unfallkosten pro Kuh anfallen sollen
ie in einem Betrieb mit 400 Kühen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen die selber nicht!)


as entbehrt einer gewissen Logik; darüber muss man
och einmal nachdenken.

Ein anderes Thema – es wurde schon angesprochen –
t die Eigenständigkeit des Gartenbaus. Sie hat sich be-
ährt und muss unbedingt erhalten bleiben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)






Friedrich Ostendorff


(A) )


)(B)

Für die Gärtner ist nämlich schon lange ein Bundesträger
zuständig. Ein Lob gilt auch der guten Präventionsarbeit
im Bereich des Gartenbaus, von der wir in der Landwirt-
schaft noch meilenweit entfernt sind. Deshalb müssen
wir dort die Fachbeiräte dauerhaft installieren.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Dann können Sie dem Gesetz ja zustimmen!)


Auch Sie haben das gemerkt und mussten entsprechend
handeln. Aber es muss deutlich festgeschrieben werden,
dass sie erhalten bleiben.

Auch im Forstbereich brauchen wir diese Fachbeiräte.
Wer Unfälle verhindert, hat immer einen Bonus verdient.
Das muss Anreiz sein, um die Kassen zu schonen.

Ein weiteres großes Ärgernis – auch das wurde schon
angesprochen – ist die Übertragung von Beratungsleis-
tungen an den Bauernverband. Was machen denn die
20 bis 25 Prozent der Bauern und Bäuerinnen, die nicht
im Bauernverband sind? Man könne ja Mitglied werden,
heißt es dann vom DBV.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Das ist wirklich Quatsch, Herr Ostendorff!)


Auch deshalb wollen wir, dass die Beratung ausschließ-
lich durch die Fachleute der LSV erfolgt. Hier sitzt die
Kompetenz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Ja, Frau Connemann, da müssen Sie noch nacharbei-
ten. Die deutsche Landwirtschaft ist nicht, wie von Ih-
nen, mit dem Deutschen Bauernverband gleichzusetzen,
sondern umfasst viel mehr.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist ein Unsinn!)


Auf unseren Feldern, meine Damen und Herren, ackert
nicht nur der Deutsche Bauernverband, sondern ackern
weiß Gott auch viele andere.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wer hat den Schwachsinn aufgeschrieben?)


Grüne setzen sich für möglichst demokratische Ent-
scheidungsstrukturen ein.


(Widerspruch bei der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jawohl!)


Die Landwirtschaft hat hier einen hohen Nachholbe-
darf – das darf festgestellt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es ist wichtig, dass die kleinen Wahllisten – Arbeitsge-
meinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Bundesverband
Deutscher Milchviehhalter, Nebenerwerbslandwirte,
Waldbesitzer, aber auch Gärtner – gleichberechtigt in-

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(C (D erhalb der Vertretungsorgane der LSV beteiligt werden. ir wollen für die kleinen Wahllisten eine Mindestver etung festgelegt sehen. Das wäre auch gut für den innen Frieden des Sozialversicherungssystems. Zur umstrittenen 55 Jahre alten Hofabgabeklausel: ie gehört nach unserer Meinung abgeschafft, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Alexander Süßmair [DIE LINKE])


ie es – und hier gilt es, ein besonderes Lob auszuspre-
hen – meine Kollegin Behm schon seit langem fordert.
ie passt nicht mehr zum Bild einer sich wandelnden
esellschaft, in der die Bäuerin immer öfter das Zepter

uf den Höfen schwingt. Sie von der Koalition haben
ber noch das antiquierte Leitbild der Frau als dienende,
ithelfende Familienangehörige des Bauern, des Unter-

ehmers.


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Wie ist das denn bei dir zu Hause? – Heiterkeit bei der CDU/CSU und bei der FDP)


as ist gestrig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja peinlich!)


uch deshalb setzen wir uns für eine stärkere Vertretung
er Frauen in den Gremien der LSV ein.

Übrigens – das sei hier berichtet – hat gestern der
RW-Landtag entschieden – bei Enthaltung der FDP
nd Einzelner aus der CDU –, den Antrag der Grünen
uf Abschaffung der Hofabgabeklausel anzunehmen.
as hat der NRW-Landtag gestern entschieden!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


amit hat NRW dem Wunsch von über 70 Prozent derje-
igen entsprochen, die sich bei der top agrar-Umfrage
r die Abschaffung aussprachen.

Zum Schluss will ich Ihnen sagen: Im Zuge der Ein-
hrung des Bundesträgers haben Sie uns – im Gegensatz

ur SPD – nicht beteiligt. Aber auch die Mitarbeiterinnen
nd Mitarbeiter der LSV sind bei der Umstrukturierung
nserer Meinung nach nicht angemessen beteiligt wor-
en. Auch ihre Rechte wurden bisher mit Füßen getre-
n.


(Widerspruch bei Abgeordneten der FDP – Marlene Mortler [CDU/CSU]: Oh, Oh! Das glaubt er selber!)


s ist gut, Kooperation anzumahnen, Herr Geisen – hö-
n Sie bitte zu! –, wie Sie es getan haben, aber dazu be-

arf es vor allem konkreter Schritte und nicht nur einer
nmahnung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Das war peinlich zum Schluss!)







(A) )


)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715801300

Das Wort erhält nun der Kollege Max Straubinger für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1715801400

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung den Ge-
setzentwurf zur Neuordnung der Organisation der land-
wirtschaftlichen Sozialversicherung. Wir sind uns über
die Fraktionen hinweg einig, dass es aufgrund des Struk-
turwandels in der Landwirtschaft einer Änderung bedarf,
um das eigenständige agrarsoziale Sicherungssystem in
die Zukunft zu führen.

Ich bin davon überzeugt, dass wir mit dem getroffe-
nen Kompromiss, der in vielen Wochen und Monaten
erarbeitet worden ist – ich danke in diesem Zusammen-
hang ausdrücklich unseren Berichterstatterinnen und Be-
richterstattern, Gitta Connemann und Marlene Mortler
auf unserer Seite sowie Herrn Dr. Geisen und Frau
Happach-Kasan; ich danke aber auch für die Unterstüt-
zung aus den Ministerien und danke den beiden Bundes-
ministerinnen Ursula von der Leyen bzw. Ilse Aigner für
die Zusammenarbeit –, einen guten Kompromiss gefun-
den haben und damit die Grundlagen für das Weiterbe-
stehen eines eigenständigen agrarsozialen Sicherungs-
systems hier in Deutschland legen.

Wir haben in diesem Hohen Haus schon mehrere Or-
ganisationsreformen beschlossen. Ich erinnere nur daran,
dass wir 1996 die Reduzierung der Versicherungsträger
von ehemals 25 bzw. 27 auf dann insgesamt 9 in die
Wege geleitet haben.

Sicherlich ist in dieser bewegten Zeit auch manches
im Leistungsrecht verändert worden. Die Frau Kollegin
Connemann hat auf einen Aspekt hingewiesen, dass
nämlich durch entsprechende Veränderungen bei der Un-
fallversicherung Beitragsstabilität für die Unternehmer
– wohlgemerkt: für die Unternehmer und nicht für die
Arbeitnehmer – erreicht werden soll. Hier ist zu berück-
sichtigen, dass sehr viele Landwirte die Landwirtschaft
als Nebenerwerb betreiben und daher in Bezug auf Al-
tersvorsorge, Pflegeversicherung und Krankenversiche-
rung zwar in anderen gesetzlichen Sicherungssystemen
sind, aber in der Unfallversicherung der LSV Mitglied
sind. Bei anstehenden Veränderungen der Organisations-
struktur der LSV muss diese somit meines Erachtens ein
eigenständiges System bleiben, weil nur in einem sol-
chen System die besonderen Belange des Berufsstandes
Berücksichtigung finden können und die Sozialverträg-
lichkeit für alle Bäuerinnen und Bauern weiterhin ge-
währleistet werden kann. Andere gesetzliche Siche-
rungssysteme können dies nicht leisten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir stehen deshalb dazu, dass dies so bleibt und dass
weiterhin vor allen Dingen bei der Präventionsarbeit im
Bereich der Unfallversicherung – das gilt für alle Spar-
ten: Landwirtschaft, Forst und Gartenbau – im Interesse
der betroffenen Mitglieder Fortschritte erzielt werden.
Denn ein tödlicher oder schwerer Unfall in der Land-

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(C (D irtschaft, Forstwirtschaft oder auch im Gartenbau führt u schweren seelischen oder körperlichen Verletzungen nd bringt gewaltiges Leid in die Unternehmerfamilien. in entscheidendes Ziel ist deshalb die Präventionsrbeit. Ich bin davon überzeugt, dass mit den geplanten nderungen weiterhin Fortschritte auf diesem Gebiet er ielt werden. Deswegen können wir diesem Gesetzenturf unsere Zustimmung geben. Ich danke, dass auch ie SPD-Fraktion trotz einiger Kritikpunkte letztendlich benfalls zustimmt. Ich möchte mich jetzt auf die Punkte konzentrieren, ie kritisiert werden. Kollege Ostendorff hat den Beiagsmaßstab kritisiert. Er hat davon gesprochen, dass in anderes Gutachten angeblich bessere Vorschläge insesondere für kleinere Betriebe enthält. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt keine Alternative!)


(Zurufe von der SPD)


ber ist es nicht so, Herr Kollege Ostendorff, dass jeder
etrieb ein Grundrisiko darstellt? Ein Grundrisiko muss

ich in der Beitragsbemessung entsprechend nieder-
chlagen. Das bedeutet nicht, dass wir kleine Betriebe
nd damit Teile des Berufsstandes benachteiligen. Letzt-
ndlich muss die Selbstverwaltung darüber in einer ei-
ens verfassten Satzung entscheiden. Grundsätzlich
tellt, wie gesagt, jeder Betrieb ein Grundrisiko dar.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber doch nicht doppelt so hoch! Das kann man doch nicht begründen!)


Daneben muss die Gestaltung der Arbeitsabläufe be-
cksichtigt werden. Hier stellt man eben fest: Es ist
ahrscheinlich, dass in größeren Betrieben, die profes-

ionalisierter sind und die einen höheren Maschinenein-
atz aufweisen, bessere Ertragsergebnisse erzielt werden
nd weniger Unfälle passieren.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt eben nicht! Das ist eine falsche Annahme!)


as ist das Ergebnis vieler Untersuchungen und spiegelt
uch unsere Erfahrungen wider.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kannst du nicht belegen!)


Vor diesem Hintergrund ist das Gutachten von Profes-
or Bahrs eine gute Grundlage für die zukünftige Erar-
eitung eines gemeinsamen Beitragsmaßstabes für ganz
eutschland. Damit können Wettbewerbsverzerrungen,
ie bereits Frau Connemann in ihren Ausführungen an-
esprochen hat, vermieden werden.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das erzähl mal deinen bayerischen Bauern! Da wirst du verhauen!)


s ist ebenfalls wichtig, dass in Bayern Betriebe mit
0 Kühen genau den gleichen Beitrag zur Unfallversi-
herung zahlen wie Betriebe in Schleswig-Holstein oder

Osten Deutschlands.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Max Straubinger


(A) )


)(B)

Ein Zweites. Es wurde von Ihnen, Herr Ostendorff,
aber auch von Herrn Priesmeier kritisiert, dass die Bera-
tung der Bäuerinnen und Bauern in sozialen Fragen von
den Landesbauernverbänden durchgeführt wird. Diese
Beratungsleistungen werden ortsnah erbracht. Ich kann
Ihnen die Situation in Niederbayern und in der Oberpfalz
darlegen. Ich habe zufälligerweise die Zahlen parat. Für
Niederbayern, die Oberpfalz und Schwaben gibt es einen
gemeinsamen Träger. Nach Ihren Vorstellungen dürfte es
nur zwei Beratungsstellen geben, nämlich eine in Lands-
hut und eine in Augsburg.


(Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Auf jeden Fall Augsburg!)


Weil der Bauernverband diese Beratung übernimmt, gibt
es in Niederbayern neun und in der Oberpfalz sieben
Beratungsstellen. Die Beratungen finden also wesentlich
ortsnäher statt. Gutachten – ich verweise auch auf den
Bundesrechnungshof – haben belegt, dass diese Bera-
tungsleistungen günstiger sind, als wenn sie zentral
durchgeführt würden. Die Beratung ist auch nicht von
der Mitgliedschaft im Deutschen Bauernverband, im
Bayrischen Bauernverband oder in einem nordrhein-
westfälischen Bauernverband abhängig, wie es Herr
Ostendorff dargestellt hat.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Genauso ist es!)


Jeder wird unbürokratisch beraten, wie er es benötigt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch!)


Das ist das Entscheidende. Sie insistieren immer in der
Öffentlichkeit, dass man dem Bauernverband beitreten
muss, um eine Beratungsleistung in Anspruch nehmen
zu können. Das ist in keiner Weise der Fall. Die Bera-
tungsleistung wird unabhängig davon erbracht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715801500

Herr Kollege Straubinger, darf der Kollege Priesmeier

eine Zwischenfrage stellen?


Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1715801600

Gerne; denn das verlängert meine Redezeit. – Herr

Dr. Priesmeier.


Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Rede ID: ID1715801700

Herr Kollege Straubinger, teilen Sie meine Einschät-

zung, dass die Beratungsleistung, die zum Beispiel das
Landvolk in Niedersachsen oder in Schleswig-Holstein
im Blick auf die landwirtschaftliche Sozialversicherung
erbringt, qualitativ hochwertig ist, verglichen mit den
Beratungen, die der Bayrische Bauernverband erbringt?
Erklären Sie mir einmal, warum in Niedersachsen kein
Geld seitens des Trägers an den Bauernverband fließt,
dies in Bayern aber sehr wohl der Fall ist. Das hat eine
lange Tradition. Mein Vorgänger aus meinem Wahlkreis,
Martin Schmidt-Gellersen – vielleicht ist er in diesem
Hause noch bekannt; er ist vor vielen Jahren, 1986, aus-

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(C (D eschieden –, hat einmal gesagt: Der Bayrische Bauernerband ist der Wurmfortsatz der CSU. – Es tut mir leid, diesem Zusammenhang sehe ich diese Interessenkolli ion. Herr Kollege Priesmeier, es mag immer unglückliche nd unqualifizierte Äußerungen Einzelner geben. Die ussage trifft nicht zu. Wir wünschen uns noch mehr uspruch. Die CSU ist eine Volkspartei (Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Die Zeiten sind aber vorbei!)

Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1715801800

nd bekommt großen Zuspruch, und zwar über alle
esellschaftlichen Grenzen hinweg, sicherlich auch von
en Bäuerinnen und Bauern, weil sie wissen, dass sie
ich auf uns verlassen können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die verlassen Sie! Das werden immer mehr!)


Wir stehen vor allen Dingen für das eigenständige
grarsoziale System. Vorhin hat der Kollege Birkwald
argestellt, dass das agrarsoziale System mit der heuti-
en Entscheidung nicht in die Zukunft zu führen sei. Ich
laube, der Kollege Birkwald hat noch nie etwas von der
efizithaftung des Bundes begriffen,


(Lachen bei der LINKEN – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Da wäre ich vorsichtig! Nicht mit Steinen schmeißen, wenn man im Glashaus sitzt!)


ie mit CDU/CSU und FDP gewährleistet ist. Mit den
inken in unserer Gesellschaft ist sie nicht zu gewähr-
isten und offensichtlich auch nicht mit der SPD.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


ber das ist eine andere Frage. Es geht darum, dass
eratungsleistungen nah beim Bürger, nah bei den Bäue-
nnen und Bauern und nah bei den Betroffenen erbracht
erden. Dies ist meines Erachtens eine gute Symbiose.
s wird, Herr Kollege Priesmeier, dem Bayrischen Bau-
rnverband nur die Beratung in sozialen Fragen vergütet,
icht mehr und nicht weniger, und das ist Leistung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Von allen Oppositionsfraktionen wird die Hofabgabe-
lausel kritisiert. Sie wird im Sinne der Betroffenen
odifiziert. Ich bin dem Kollegen Geisen für seine Aus-
hrungen ausdrücklich dankbar. Er hat sehr richtig dar-

estellt, dass es für die Fortführung eines Betriebes ent-
cheidend ist, dass in den Betrieben frühzeitig
eichenstellungen getroffen werden, damit im Betrieb

ntsprechende Investitionen getätigt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich sage auch ganz offen: Wer mit 65 Jahren nicht
eiß, wem er den Betrieb einmal übergeben soll oder
ill, der weiß es auch mit 70 oder 75 nicht, und der wird

s auch mit 80 Jahren nicht wissen. Plötzlich fällt dann





Max Straubinger


(A) )


)(B)

der Herrgott eine Entscheidung, und hinterher gibt es
einen Scherbenhaufen, den die möglichen Erben dann
aufzuräumen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wer weiß, was es bedeutet, einen landwirtschaftlichen
Betrieb in einer Erbengemeinschaft mit möglicherweise
10, 15 oder 20 Erben weiterführen zu müssen, der weiß
haargenau, dass der landwirtschaftliche Betrieb vor die
Hunde geht – das sage ich so platt – und letztendlich
garantiert zum Verkauf angeboten wird. Das mag im
Sinne der Linken sein, das mag in eurem Sinne sein –
hier möchte ich nichts unterstellen –,


(Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Das war schon eine Unterstellung!)


aber die CDU/CSU ist dafür, dass es eine Umstrukturie-
rung in der Landwirtschaft gibt und diese vor allem zeit-
gerecht erfolgt. Deshalb ist die Hofabgabeklausel auch
weiterhin ein wichtiger Bestandteil in der agrarsozialen
Gesetzgebung.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715801900

Das Wort erhält nun der Kollege Heinz Paula für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Heinz Paula (SPD):
Rede ID: ID1715802000

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Wir sind

uns einig: Die landwirtschaftliche Sozialversicherung
braucht Zukunft. Der von Ihnen zunächst vorgelegte
Gesetzentwurf hätte diesem Ziel nicht wesentlich
gedient. So war es gut, dass wir eine Anhörung gefordert
haben. Ich kann nur feststellen: Diese Anhörung war
sehr wertvoll. Es kamen wichtige Vorschläge, und Gott
sei Dank wurden einige von Ihnen übernommen.

Wir als Sozialdemokraten haben Gespräche mit allen
Betroffenen geführt, wobei wir hohe Sachkompetenz
angetroffen haben. Wichtige Vorschläge wurden einge-
bracht. An dieser Stelle darf ich mich besonders bei der
gemeinsamen Personalvertretung, bei Verdi, der IG BAU
und anderen Gruppierungen des Gartenbaus bedanken.
Hier konnten wichtige Punkte angesprochen werden.

Wir haben immer wieder festgestellt: Die Kompetenz
des Personals bei der LSV ist sehr hoch. Die Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter haben bewiesen, dass sie alle
Reformen, die zweifelsohne oft schmerzhaft waren, mit-
getragen haben. Deswegen ist es nur folgerichtig, dass
Sie Punkte unseres Änderungsantrags aufgegriffen
haben. Hierzu gehören unter anderem sozialverträgliche
Lösungen für die berechtigten Belange des Personals,
zum Beispiel keine Versetzungen in den vorzeitigen
Ruhestand ohne Zustimmung des Personals. Dies sollten
wir allerdings auch für die Besoldungsgruppe B gelten
lassen.

Herr Staatssekretär Fuchtel weist zu Recht darauf hin,
dass es von zentraler Bedeutung ist, einen offenen Um-

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(C (D ang mit allen Informationen in allen Phasen der Umtrukturierung zu gewährleisten. Dadurch können zum inen Verunsicherungen vermieden und zum anderen ine vertrauensvolle Zusammenarbeit ermöglicht weren. Allerdings frage ich mich, weshalb Sie dann nicht onsequent diesen Schritt mitgehen, sondern eine expliite Beteiligung der gemeinsamen Personalvertretung in er Errichtungsphase verweigern. Diese Haltung führt it Sicherheit nicht zum Ziel. Frau Connemann, hier erschenken Sie Chancen, mit denen Sie einen weiteren eweis für kluge Politik hätten liefern können. Wenn Sie das Personal loben – und zwar zu Recht, enn hier wird wirklich eine sehr gute Arbeit geleistet –, ann hätten wir allerdings auch erwartet, dass Sie das ersonal konsequent unterstützen. Ich wundere mich anchmal schon: Man verfügt über einen großen Sach erstand, und zur gleichen Zeit beauftragt man Dritte. ollege Priesmeier hat sehr deutlich darauf hingewie en. Unterstützen Sie bitte das Personal, indem Sie die ufgaben auch bei der LSV bestehen lassen. Es kommen enorme Herausforderungen auf die elbstverwaltung zu. Wir wissen: Es wird noch sehr viel etailarbeit geleistet werden müssen. Aufgabe der Polik ist es, allen Beteiligten ein Agieren auf gleicher ugenhöhe zu ermöglichen. Dies haben Sie, wie gesagt, icht geschafft. Ich finde es auch nicht hinnehmbar, dass ie zum Beispiel die Parität beim Gartenbau nicht mehr eiter aufrechterhalten. Lassen Sie mich kurz einen letzten Punkt ansprechen. ie haben sich geweigert, die Forderung von Frau cherb, der Präsidentin des Deutschen Landfrauenverandes, aufzugreifen, dass Frauen angemessen in den ührungsund Entscheidungsgremien vertreten sein üssen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


h hoffe, dass die Selbstverwaltung bei der Erarbeitung
ieses Gesetzentwurfes mehr Mut hat als Sie.

Sie wissen: Wir werden Ihrem Entwurf zustimmen,
eil wir Sozialdemokraten immer an der Seite der Ver-

icherten sowie der betroffenen Mitarbeiterinnen und
itarbeiter stehen und wir trotz aller Mängel und

chwierigkeiten an diesem System festhalten wollen.
ir sind uns allerdings auch darüber im Klaren: Der

pruch „Nach der Reform ist vor der Reform“ wird auch
ier gelten.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Genau!)


h glaube, wir können hier noch gemeinsam, zusammen
it den Betroffenen, weitere wichtige Schritte in die
ege leiten.

Ich bedanke mich.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715802100

Die Kollegin Happach-Kasan hat nun das Wort für die

DP-Fraktion.





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1715802200

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich war etwas überrascht, aber ich freue mich
darüber, dass der liberale Agrarminister Josef Ertl in die-
ser Debatte eine Würdigung erfahren hat. Dafür ein ganz
herzliches Dankeschön.


(Beifall bei der FDP – Anton Schaaf [SPD]: Das war auch ein Guter! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das waren noch andere Zeiten bei der FDP! Dahin sehnen Sie sich zurück, was? Die heutige Splitterpartei!)


– Er war ein Guter, so wie die Arbeitsgruppe „Ernäh-
rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz“ der FDP-
Fraktion ebenfalls eine gute ist. Wir fühlen uns mit ihm
solidarisch.

Die Reform der landwirtschaftlichen Sozialversiche-
rung, die Schaffung eines einheitlichen Bundesträgers,
ist ein wichtiges Reformvorhaben dieser Legislatur-
periode. Ich freue mich sehr, dass auch die Sozialdemo-
kraten diesem wichtigen Reformvorhaben zustimmen;
die Begründung der Grünen, es abzulehnen, hat mich
nicht überzeugt.


(Beifall bei der FDP)


In der parlamentarischen Beratung ist der Gesetzent-
wurf der Regierung entscheidend weiterentwickelt wor-
den. Ich will auch einmal sagen: Es ist ein Beispiel für
das Funktionieren unserer parlamentarischen Demokra-
tie, dass wir einen solchen Gesetzentwurf der Regierung
so weiterentwickelt haben, dass es ein richtig guter
Gesetzentwurf geworden ist.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Vorrednerinnen und Vorredner haben ausgeführt,
dass es insbesondere in den Bereichen des Gartenbaus
und der Waldbauern zu entscheidenden Verbesserungen
gekommen ist, dass ihre Interessen nun besser berück-
sichtigt werden. Ich glaube, dass das gut ist. Gerade der
Gartenbau als ein sehr zukunftsträchtiger Bereich der
grünen Berufe hat bei der Frage der Prävention, der Ver-
hinderung von Arbeitsunfällen durch eine entsprechende
Beitragsgestaltung und entsprechende Fortbildungsmaß-
nahmen, Enormes geleistet. Ich meine, er sollte für den
gesamten Bereich der Landwirtschaft Vorbild sein.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will daran erinnern – Kollege Straubinger hat da-
rauf hingewiesen –: Gerade die Landwirtschaft ist unfall-
trächtig.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt! Das hat auch Gründe!)


Mit 70 meldepflichtigen Arbeitsunfällen je 1 000 Voll-
arbeitskräfte ist die Zahl dreimal so hoch wie in der übri-

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(C (D en gewerblichen Wirtschaft. Mit zwölf tödlichen rbeitsunfällen je 100 000 Vollarbeitskräfte liegt die ahl sechsmal so hoch wie in der übrigen gewerblichen irtschaft, deutlich höher als im Baugewerbe. Ich laube, es gibt eine Menge zu tun, um die Zahl der Unlle und damit auch das Leid in den Familien zu min ern. Man muss sagen: Da geht es zum einen um die ortbildung und zum anderen um die Beitragsgestaltung; h glaube, das ist sehr wichtig. Wir müssen feststellen, ass in kleineren Betrieben vielfach ein höheres Unfallsiko als in größeren Betrieben besteht. Das drückt sich der Beitragsgestaltung aus. Das ist richtig, um Anreize u schaffen, damit auch in kleineren Betrieben weniger nfälle passieren. Wir sind uns bewusst, dass die Unfälle insbesondere Bereich der Tierhaltung passieren, bei den Deckbul n genauso wie bei den nicht enthornten Rindern. Desegen ist die Frage der Enthornung nicht nur eine Frage es Tierschutzes, sondern auch eine Frage des Arbeitschutzes. Darüber müssen wir alle uns im Klaren sein. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Wir sind der Auffassung, dass wir mit diesem
eformvorhaben einen wichtigen Schritt gemacht
aben, die landwirtschaftliche Sozialversicherung zu-
unftsfähig zu gestalten. Es wird nicht die letzte Reform
ein; das muss es auch nicht. Aber es ist für die jetzige
eit eine richtige Maßnahme, die im Bereich der Ver-
altung zu Minderausgaben führt und das gesamte Sys-
m so gestaltet, dass es von den Selbstverwaltungsorga-
en weiterentwickelt werden kann. Wir freuen uns auf
ie zukünftigen Beratungen zu diesem Thema.

Danke schön.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715802300

Alexander Süßmair ist der nächste Redner für die

raktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Alexander Süßmair (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715802400

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit

em Gesetzentwurf der Koalition zur Neuordnung der
rganisation der landwirtschaftlichen Sozialversiche-
ng, kurz: LSV, liegt ein neuer Versuch vor, das heute

och eigenständige soziale Sicherungssystem der Land-
irtschaft zu bewahren und langfristig zu sichern.

Mit dem Schritt zur Schaffung eines bundeseinheitli-
hen Trägers der LSV ist die Linke im Prinzip einver-
tanden. Die ambitionierten Ziele, bei der Verwaltung
osten einzusparen und ein einheitliches Beitragssys-
ms zu schaffen, sind schon mit der letzten Reform der
SV vor vier Jahren nicht erreicht worden. Das wurde in
er Anhörung zum Gesetzentwurf durch den Vertreter
es Bundesrechnungshofs noch einmal eindrucksvoll
argelegt. Ob sich das Ziel durch das LSV-Neuord-





Alexander Süßmair


(A) )


)(B)

nungsgesetz erreichen lässt, bezweifeln wir stark. Meh-
rere Vorredner haben diese Position der Linken geteilt.

Im Gegenteil: Die Reform kostet erst einmal zusätzli-
ches Geld, nämlich 175 Millionen Euro. Die mittelfristi-
gen Einsparungsmöglichkeiten durch Personalabbau sind
übersichtlich. Dr. Mehl vom Thünen-Institut hat dies in
der Anhörung sehr deutlich dargestellt. Der Anteil der
Personal- und Verwaltungskosten beträgt maximal 5 Pro-
zent der Beiträge der Versicherten. Würde man nun
50 Prozent der Kosten im Bereich Personal und Verwal-
tung einsparen, was völlig illusorisch ist, würde das ge-
rade einmal 2,5 Prozent an Beitragseinsparung bringen.
Dass Sie darüber hinaus in Art. 1 § 8 des Gesetzentwurfs
ausdrücklich die Arbeitsvergabe an Dritte, also das Aus-
lagern von Aufgaben, regeln, ist für uns völlig daneben.


(Beifall bei der LINKEN)


Dies geschieht nämlich alles zulasten der Arbeitsplätze
und somit zulasten der Beschäftigten bei der LSV, und
das lehnt die Linke ab.


(Beifall bei der LINKEN)


Trotzdem wird es allein aus Gründen der strukturellen
Entwicklung in der Landwirtschaft unvermeidbar sein,
einen Bundesträger zu errichten und eine Entwicklung
einzuleiten, die eine angepasste Struktur der Sozialversi-
cherung ermöglicht. Ob dies aber für eine langfristige
und ausreichende soziale Sicherung in der Renten- und
Krankenversicherung ausreicht, bleibt mehr als fraglich;
denn ohne die staatlichen Zuschüsse würde das System
schon lange nicht mehr tragfähig sein. Daher muss für
die Zukunft die Frage gestellt werden dürfen, ob die Ein-
bringung in ein größeres Solidarsystem nicht sinnvoller
ist. Die Ausführungen meines Kollegen Birkwald und
auch die Anmerkungen von Herrn Kollegen Priesmeier
von der SPD sind durchaus berechtigt und sollten auch
berücksichtigt werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Verbesserungsvorschläge gab es in der Anhörung und
in den darauffolgenden Verhandlungen genug, sie sind
aber von Ihnen unserer Meinung nach kaum berücksich-
tigt worden.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Wie bitte?)


So ist das Überleben der LSV durch die Einbindung des
Bereichs Gartenbau existenziell,


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Wir leben alle unter demselben Himmel, aber wir haben nicht alle denselben Horizont!)


aber die Berufsgenossenschaften mit ihren Besonderhei-
ten der bereits existierenden bundeseinheitlichen Orga-
nisation, des einheitlichen Beitragsmaßstabs, der paritä-
tischen Vertretung von Beschäftigten und Arbeitgebern
in den Gremien und der herausragenden Unfallpräven-
tion werden nun ohne Not an die Wand gedrückt; dabei
hätte man diese Struktur beibehalten können. Der von
Ihnen im Änderungsantrag vorgeschlagene Sonderaus-
schuss für den Gartenbau hat lediglich beratende Funk-
tion, er hat also auf die Entscheidungsfindung keinen

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(C (D influss. Das kritisieren wir von der Linken ausdrückch. Weitere aufgeworfene Probleme, die hier auch schon ngesprochen wurden, bleiben unberücksichtigt. So ist ie Hofabgabeklausel, die vorsieht, dass die Landwirte ren Betrieb aufgeben müssen, wenn sie ihre Rente aus ezahlt bekommen wollen, immer noch verankert. Sie aben zwar endlich die Diskriminierung der Ehefrauen bgeschafft, was wir begrüßen, aber man hätte die Hofbgabeklausel im Zuge der angestrebten Reform genell daraufhin überprüfen müssen, ob sie ihre Funktion berhaupt erfüllt und jungen Bäuerinnen und Bauern tatächlich eine Chance gibt. Herr Straubinger, eine Anerkung: In Österreich gibt es diese Abgabeklausel icht. Dort ist der Altersdurchschnitt deutlich niedriger ls in Deutschland. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau so ist das!)


(Beifall bei der LINKEN)


s gibt also andere Möglichkeiten, junge Menschen in
er Landwirtschaft zu fördern.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dasselbe gilt für die Verbesserungen bei der Personal-
ertretung, die von den Gewerkschaften und den Perso-
alräten vorgeschlagen wurden. Auch hiervon ist in Ih-
m Gesetzentwurf so gut wie nichts wiederzufinden.
uch das kritisiert die Linke.

Weil die Reform unserer Überzeugung nach eben
icht zu einem gerechteren und solidarischeren Beitrags-
ystem führen wird, lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715802500

Nächster Redner ist der Kollege Strengmann-Kuhn

r die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

undesregierung verfolgt mit dem Gesetzentwurf unter
nderem das Ziel, die Verwaltungskosten zu reduzieren.
as ist richtig und wichtig. Das hat der Kollege von der
inken gerade schon angemerkt.

Der Bundesrechnungshof – Sie kennen die Stellung-
ahme – hat berechnet, dass in der gesetzlichen Renten-
ersicherung jeder Mitarbeiter 350 Prozent mehr Versi-
herte betreut als in der Alterssicherung der Landwirte.
50 Prozent! Das zeigt, wie groß das Potenzial für effi-
ientere Strukturen in der Alterssicherung der Landwirte
sgesamt ist. Hier muss gehandelt werden. Mit diesem
esetzentwurf springen Sie allerdings viel zu kurz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)






Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn


(A) )


)(B)

Auch wir begrüßen, dass die Bundesregierung die
Hofabgabeklausel zumindest einschränken will. Aber
auch bei der Hofabgabe springt die Bundesregierung zu
kurz, und wer zu kurz springt, der verfehlt oft gänzlich
das Ziel. Die Hofabgabeklausel gehört abgeschafft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Familiäre Strukturen in den landwirtschaftlichen Be-
trieben sind heute anders als vor 50 Jahren. Die Zahl der
Kinder nimmt ab. Die Lebensentwürfe der Menschen
sind vielfältiger geworden. Immer mehr Kinder von
Landwirtinnen und Landwirten arbeiten gar nicht mehr
in der Landwirtschaft. Derzeit geben in Deutschland
zwei Drittel der Betriebsinhaber über 45 Jahren an, keine
gesicherte Hofnachfolge zu haben. Hofabgaben schei-
tern oft daran, dass sich keine Junglandwirtinnen und
Junglandwirte finden, die den Hof übernehmen wollen.
Mit der Hofabgabeklausel zwingen Sie Landwirtinnen
und Landwirte jedoch, sich zu entscheiden: entweder
weiterarbeiten und keine Rente beziehen oder eine Rente
beziehen und den Hof nicht mehr bewirtschaften. Das ist
überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Die Hofabgabeklausel
muss weg. Sie ist ungerecht, altersdiskriminierend und
hat sich überlebt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Mittlerweile sind knapp 50 Prozent der potenziell in
der Alterssicherung der Landwirte Versicherten von der
Versicherungspflicht befreit; das ist schon gesagt wor-
den. Die Hofabgabe läuft auch deswegen völlig ins
Leere. Dieser hohe Anteil kommt unter anderem daher,
dass immer mehr Landwirtinnen und Landwirte zusätz-
lich einer anderen versicherungspflichtigen Erwerbstä-
tigkeit nachgehen und sich von der Versicherungspflicht
befreien lassen können, und das schon ab einem Ein-
kommen, das über der Geringfügigkeitsgrenze liegt. Ins-
gesamt wird oft nicht ausreichend für das Alter vorge-
sorgt, sodass Altersarmut vorprogrammiert ist. Auch das
ist ein Punkt, Frau Ministerin von der Leyen, den Sie im
Regierungsdialog und bei der Bekämpfung von Altersar-
mut berücksichtigen sollten. Also: Auch den Landwirten
droht Altersarmut. Auch dieses Problem müssen wir an-
packen.

In der Alterssicherung der Landwirte gibt es heute bei
600 000 Rentnerinnen und Rentnern gerade einmal
250 000 Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, also
mehr als doppelt so viele Rentnerinnen und Rentner wie
Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. Hinzu kommt,
dass der demografische Wandel natürlich auch vor der
Landwirtschaft nicht haltmacht und den strukturellen
Wandel damit noch verstärkt. Es ist klar, dass die Alters-
sicherung für Landwirte nicht dauerhaft lebensfähig ist,
wenn wir nicht umfassend reformieren. Deshalb brau-
chen wir eine umfassende und vor allen Dingen auch
nachhaltige Perspektive für die Alterssicherung der
Landwirtschaft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Ich persönlich bin davon überzeugt, dass diese Perpektive nur die Integration der landwirtschaftlichen Alrssicherung in die gesetzliche Rentenversicherung sein ann. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf des Abg. Norbert Schindler [CDU/CSU])


as ist zugegebenenermaßen nicht einfach und eine
roße Herausforderung. Wir müssen uns meines Erach-
ns aber dieser Herausforderung stellen, um die Alters-

icherung von Landwirtinnen und Landwirten nachhaltig
icherzustellen, die jetzt am Tropf des Steuerzahlers
ängt. Wenn man die demografische und strukturelle
ntwicklung betrachtet, wird klar, dass wir nachhaltige
ösungen finden müssen. Mit diesem Gesetzentwurf
pringen Sie definitiv zu kurz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir Grünen möchten auch in der Landwirtschaft fle-
ible Übergänge in den Altersruhestand schaffen. Des-
egen fordern wir die Abschaffung der Hofabgabe. Wir
öchten eine gerechte und nachhaltige Finanzierung der
lterssicherung der Landwirte, und wir brauchen einen
esseren Schutz gegen Armut im Alter, auch und gerade
r Landwirtinnen und Landwirte.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715802600

Marlene Mortler ist die nächste Rednerin für die

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Marlene Mortler (CSU):
Rede ID: ID1715802700

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

n! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ganz of-
n: Ich bin glücklich und zufrieden, dass wir heute die-

es Gesetz zum Abschluss bringen. Es hat viele Nerven,
iel Zeit und viel Arbeit gekostet, aber es hat sich ge-
hnt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


eshalb mein herzliches Dankeschön an alle, die kon-
truktiv mitgearbeitet und mitgewirkt haben, an die Kol-
ginnen und Kollegen, an das Ministerium für Arbeit
nd Soziales, also an Sie, Frau von der Leyen, und an
ich sage einmal – unsere Ministerin Frau Ilse Aigner.

Die Errichtung des Bundesträgers, die wir heute be-
chließen, ist für mich ein Quantensprung. Warum? Den-
en wir nur einmal an die Diskussionen der vergangenen
ahre, aber auch der vergangenen Monate: Wie viele
weifel, wie viel Kritik und wie viel Widerstand gab es
den Ländern und bei den Trägern? Fast alle dachten,

ie wären am Ende die Verlierer. Unser Ziel war, dass es
m Ende unter den Bäuerinnen und Bauern, aber auch
nter den Beschäftigten möglichst viele Gewinner gibt.
h danke dafür, dass für diese Maßnahme von 2012 bis

014 zusätzlich 150 Millionen Euro zur Verfügung ge-
tellt werden. Das ist nicht selbstverständlich; denn ge-





Marlene Mortler


(A) )


)(B)

rade unter Rot-Grün wurden die Bundesmittel für die
landwirtschaftliche Unfallversicherung über Jahre hin-
weg gekürzt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Edmund Peter Geisen [FDP])


Unser Ziel, die Eigenständigkeit eines bewährten Sys-
tems zu erhalten, es zukunftsfest zu machen, dem Struk-
turwandel Rechnung zu tragen, eine moderne Organisa-
tionsstruktur aufzubauen, Kräfte und Kompetenzen zu
bündeln mit dem Ziel, mehr Gerechtigkeit und einen
bundeseinheitlichen Beitragssatz nach dem Motto „glei-
che Betriebe, gleiche Beiträge“ zu schaffen, ist erreicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ferner ist eine Sozialversicherung für alle erreicht.
Das ist vielen noch nicht bewusst. Wir haben nun eine
große Solidargemeinschaft für die Alterssicherung, für
die Unfall-, die Kranken- und die Pflegeversicherung ge-
schaffen – alles unter einem Dach. Es ist die Sozialversi-
cherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. Ich
kann nur an alle Beteiligten und Betroffenen appellieren:
Leben Sie diese Solidargemeinschaft!

Ich darf an dieser Stelle einen der Experten der Anhö-
rung, nämlich Herrn Mertz vom Zentralverband Garten-
bau, zitieren, der wörtlich gesagt hat: Unsere Heimat ist
die landwirtschaftliche Sozialversicherung. – Schöner
kann man es nicht sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben nach der Anhörung im Sinne dieser Soli-
dargemeinschaft nachgebessert. Ich nenne nur die Stich-
wörter Errichtungsausschuss, Teilnehmer und Erhöhung
der Zahl der Mitglieder. Die Regionalbeiräte werden in
dauerhafte Fachausschüsse überführt. Das heißt, die
ganze Kritik, die hier von der Opposition kam, ist obso-
let, weil wir im Grunde genommen vieles, vor allem das
Wichtige, aufgegriffen haben. Ein Beispiel ist die Ver-
mögenszuordnung. Unter den Trägern gab es eine riesige
Diskussion darüber, wie viel Geld der Bundesträger an
Mindestausstattung zu Beginn braucht. All diese Pro-
bleme haben wir gut gelöst.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Darüber hinaus war uns wichtig – dies hat die Kolle-
gin Connemann schon sehr intensiv ausgeführt –, dass
wir auch weiterhin motivierte Mitarbeiter brauchen. Wir
wussten durch all die Gespräche von ihren Sorgen und
Befürchtungen: Kann ich meinen Arbeitsplatz behalten?
Muss ich meinen Dienstort verlassen? Aber ich sage
auch: Es gibt neue Zukunftschancen und aus meiner
Sicht auch neue Weiterentwicklungsmöglichkeiten; denn
das hervorragende Fachwissen und das überdurch-
schnittliche Engagement werden bei den einzelnen Trä-
gern bundesweit dringend benötigt, und zwar nicht nur
in der arbeitsintensiven Aufbauphase.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir als Abgeordnete können uns natürlich besonders
gut in diese Situation hineinversetzen. Ich habe meinen

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(C (D rbeitsplatz in Berlin zwar freiwillig gewählt, aber mein ebensmittelpunkt ist in Mittelfranken – mein Bauernof und meine Familie sind dort –, (Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


odass ich ein Stück weit diese Sorge: „Was kommt auf
ich zu?“, gut nachvollziehen kann.

Der ausgehandelte Fusionstarifvertrag, auf den ich
ern noch einmal verweise, konnte mit Augenmaß – das
t nicht selbstverständlich –


(Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Nee, für Schwarz ist das nicht selbstverständlich!)


eschlossen werden. Er ist ganz wichtig und kann von
er Opposition aus meiner Sicht nicht kritisiert werden.
r wurde zwar kritisiert, aber es gibt keinen Grund dazu;
enn wir haben im Grunde genommen alle Bedenken
usgeräumt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


en Belangen der Tarifvertragsangestellten und der
O-Angestellten wurde Rechnung getragen; die A-Be-

oldung wurde berücksichtigt. Wenn jetzt bei der B-Be-
oldung auch noch das hohe Fachwissen der Mitarbeite-
nnen und Mitarbeiter berücksichtigt wird, dann kann
igentlich gar nichts mehr schiefgehen. Gerade hier gibt
s hochqualifizierte Führungskräfte, deren Fachwissen
us meiner Sicht nicht verloren gehen sollte, weil wir es
eiterhin dringend brauchen.

Zu den Linken. Gestern im Ausschuss hat es sich
och anders angehört:


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ja! Genau so ist es!)


icht zukunftsfest, nicht tragfähig, strukturelle Probleme
leiben, Eigenständigkeit ist nicht gegeben, anderswo
ingliedern – all das sind Stichworte aus der gestrigen
usschusssitzung. Ich halte das für ein fatales Signal an
ie Bäuerinnen und Bauern und an die Beschäftigten,
enn Sie schon jetzt ein Gesetz kritisieren, das noch
icht einmal beschlossen, geschweige denn in Kraft ge-
eten ist.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wann sollen wir es denn sonst kritisieren? Das ist der Sinn der Opposition, Frau Kollegin! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wir sind hier im Parlament! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Was wahr ist, muss wahr bleiben!)


Die Aussage der Linken, dass sie fest an der Seite der
andfrauen stehen, habe ich mir gemerkt.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ich bin auch Landfrau!)


h hoffe, Sie wissen, worauf Sie sich hier eingelassen
aben. Marlene Mortler und Gitta Connemann sind zum
eispiel Landfrauen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der LINKEN)






Marlene Mortler


(A) )


)(B)

Wenn wir in Zukunft weiterhin unseren Sachverstand
einbringen – ich bin nebenbei Bäuerin –, dann kann ei-
gentlich gar nichts schiefgehen. Es kann auch nichts
schiefgehen, wenn Sie eine Maßnahme, die unter der Re-
gierung Kohl mit Minister Theo Waigel 1995 beschlos-
sen worden ist, nämlich die sogenannte Defizithaftung in
der landwirtschaftlichen Alterskasse, auch weiterhin
mittragen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Bauern die
Folgen des Strukturwandels untereinander selbst finan-
ziell ausgeglichen. Seit 1995 wird der finanzielle Aus-
gleich der Folgen des Strukturwandels durch die Bun-
desregierung über die Defizithaftung abgesichert. Wir
stehen auch in Zukunft dahinter.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Das ist Unfug! – Gitta Connemann [CDU/CSU]: 1995! Nicht 1971! – Max Straubinger [CDU/ CSU]: Unter Theo Waigel eingeführt!)


Aufgabenübertragung an Dritte. Lieber Kollege
Ostendorff, heute bin ich etwas freundlicher zu dir, weil
wir einen tollen Gesetzentwurf verabschieden.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke schön! Mein Gott, was ist los? Was habe ich getan?)


Die Übertragung an Dritte ist nichts Neues; es gab sie
schon immer.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Die gab es nicht immer! Das ist falsch! Nur in Bayern gab es die immer! Hinter Bayern ist die Welt nicht zu Ende!)


Das ist auch in der allgemeinen Sozialversicherung mög-
lich. Ich wiederhole einfach noch einmal, was Kollege
Straubinger gesagt hat: LSV-Versicherte erhalten dieje-
nigen Leistungen, die im Leistungs- und Kostenver-
zeichnis stehen,


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das stimmt nicht!)


und zwar vollkommen unabhängig davon, ob sie Mit-
glied des Bauernverbandes sind oder nicht.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das bei uns in NordrheinWestfalen!)


Mehr noch: Der Bauernverband bei uns in Bayern nimmt
ihm übertragende Aufgaben für alle Versicherten zum
Nulltarif wahr. Das wollte ich zur Klarstellung sagen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Für alle! Nicht nur für Mitglieder! – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das für ein Quatsch?)


Mir ist es lieber, wenn jemand diese Aufgaben erfüllt,
den ich für seriös halte, und nicht jemand, der irgendwel-
chen Firlefanz macht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Friedrich Ostendorff [BÜND w p Ih s g d o s M ra u n d w tr v d a W C e M Ic tu e lö s (C (D NIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb waren die Mitarbeiter in der Sozialversicherung!)


Zur Hofabgabeverpflichtung. Ich verstehe nicht,
ieso Sie die Hofabgabeverpflichtung zu einem Riesen-
roblem hochgepusht haben, nur weil einige wenige in
ren Büros oder wo auch immer aufgetaucht sind und

ich beschwert haben. Diese Erfahrung habe auch ich
emacht. Aber: Wir müssen an das Große und Ganze
enken. Wir halten an dem Grundsatz „Keine Rente
hne Hofabgabe“ fest, weil wir auch an die jungen Men-
chen denken müssen.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen wir mal nach Österreich! Wie ist das denn in Österreich? In Österreich gibt es sie nicht!)


ein Sohn zu Hause wartet, ehrlich gesagt, schon da-
uf, dass der Vater den Hof endlich abgibt,


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist euer Problem! Das ist doch nicht Sache des Gesetzgebers!)


nd der Vater freut sich schon, dass er dann morgens
icht mehr als Erster aufstehen muss.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann regelt ihr das doch mal zu Hause! Oder soll der Gesetzgeber regeln, wie bei dir der Hof übergeben wird?)


Meine Damen und Herren, wer abgabewillig ist, kann
ie Hofabgabeverpflichtung schon heute erfüllen, weil
ir im Laufe der Jahre und Jahrzehnte ein breites Spek-
um an Abgabemöglichkeiten geschaffen haben. Die
erschiedenen Möglichkeiten müssen nur genutzt wer-
en.

Noch einmal: Wir müssen den Blick in diesem Fall
uf die Jugend richten.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb hat Österreich sie abgeschafft!)


ir müssen vor allem die Frage, die Kollegin
onnemann angedeutet hat, ernst nehmen: Was bedeutet
s, wenn man die Hofabgabeklausel gänzlich abschafft?
it dieser Frage müssen wir uns näher befassen.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fahren wir doch mal nach Österreich und gucken es uns dort an! Österreich ist doch nicht so weit weg von hier! Das können wir doch machen!)


h weise an dieser Stelle darauf hin: Wir haben die Si-
ation verbessert. Wir haben erreicht, dass in Zukunft

in Hof abgegeben bzw. die Zahlung einer Rente ausge-
st werden kann, egal wie alt bzw. jung – das ist ent-

cheidend – die Bäuerin ist.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es könnte doch auch ein Bauer sein!)







(A) )


)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715802800

Frau Kollegin.


Marlene Mortler (CSU):
Rede ID: ID1715802900

Das heißt, der Altersunterschied von zehn Jahren, der

bisher für Ehepaare galt, spielt in Zukunft keine Rolle
mehr. Entscheidend ist, dass die Bäuerin abgabewillig
ist. Wir haben dafür gesorgt, dass für den landwirtschaft-
lichen Betrieb keine Probleme entstehen. Damit haben
wir eine Verbesserung erzielt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715803000

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.


Marlene Mortler (CSU):
Rede ID: ID1715803100

Ja, ich weiß. Die Frauenquote, Herr Präsident.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715803200

Nein, nein. Redezeitquoten.


(Vereinzelt Heiterkeit und Beifall)



Marlene Mortler (CSU):
Rede ID: ID1715803300

Herr Präsident, ich bin gnädig. Die weibliche Sicht

der Dinge ist immer ein Gewinn. Da ein Bauernhof in
der Regel aus Mann und Frau besteht, kommt es hier
aber nicht auf die männliche oder die weibliche Sicht-
weise an,


(Zurufe von der SPD: Oh! Oh!)


sondern es geht um die Anliegen, die ein Betrieb als
Ganzer hat. Daran orientieren wir uns.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715803400

Nun erhält der Kollege Anton Schaaf das Wort für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD – Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Rück das mal gerade, Anton! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Los, Toni, jetzt sag mal etwas!)



Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1715803500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Mortler,
wenn es nach Ihnen gegangen wäre, wäre mit dem Ge-
setzentwurf der Bundesregierung Schluss gewesen. Sie
selber haben nämlich nach der Anhörung eine Presse-
erklärung herausgegeben, in der es hieß, dass in der An-
hörung kein Verbesserungsbedarf deutlich geworden sei.


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Kein großer! Kein substanzieller!)


Ich sage Ihnen ganz klar: Hätten Sie als Parlamentarier
nicht massiv an diesem Gesetzentwurf gearbeitet, wür-
den Sie heute keine Zustimmung der SPD-Bundestags-
fraktion bekommen.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Marlene Mortler [CDU/CSU]: Die Substanz war da! Es ging um Kleinigkeiten!)


ie hätten überhaupt keine Chance.

Ich hatte ganz klar den Eindruck, dass der Gesetzent-
urf, der aus dem Ministerium kam, eher vom Bauern-
erband geschrieben worden ist und nicht etwa im Inte-
sse der Gartenbauer war. All die Nachbesserungen, die
ir vorgenommen haben, schützen zum Beispiel den
artenbau davor, bei der Fusion völlig unterzugehen.
azu waren in Ihren Vorlagen keine Regelungen vorge-

ehen; das wissen Sie ganz genau.


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Es ist keine substanzielle Änderung geschehen!)


ie treten wirklich sehr einseitig für die Interessen des
auernverbandes ein, Frau Mortler. Das ist ganz deutlich
eworden.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Es gilt immer das alte Struck’sche Gesetz!)


Zur Drittbeauftragung. Ich sage Ihnen klipp und klar:
ein Eindruck von der Drittbeauftragung ist, dass sie

m Ende ein Versorgungssystem für verdiente Bauern-
nktionäre ist und deshalb erhalten werden soll.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Ach! Das ist ja nicht wahr!)


as ist das, was dahintersteckt. Damit sollte man ehrli-
her umgehen. Es geht um die Frage: Macht sie in ihrer
tzigen Form tatsächlich Sinn? Wir sagen: Nein, in die-

er Form macht sie überhaupt keinen Sinn.

Friedrich und Matthias, ihr sagt: Wir lehnen das ab. –
a, es gibt durchaus Möglichkeiten, zu begründen, wa-
m man diesen Gesetzentwurf ablehnt. Wir haben uns
r einen anderen Weg entschieden, weil dieser Gesetz-

ntwurf, nachdem er im parlamentarischen Verfahren
achgebessert worden ist, die richtige Richtung ein-
chlägt und zukünftig notwendige Veränderungen nicht
erhindert oder kaputtmacht, sondern es ermöglicht, die
inge weiterzuentwickeln. Deswegen haben wir uns

ntschlossen, ihm zuzustimmen. Es ist nämlich an der
eit, bei der Fortentwicklung der landwirtschaftlichen
ozialversicherung voranzukommen; das ist der Hinter-
rund. Ich möchte allerdings nicht, dass sich irgendein
itglied der Regierungskoalition daran gewöhnt, dass

ozialdemokraten den Gesetzentwürfen der Koalition
ustimmen.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ach, Toni, hab dich nicht so!)


ir machen das nur, wenn sie einigermaßen brauchbar
ind. Deswegen stimmen wir ihnen ja auch so selten zu.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)






Anton Schaaf


(A) )


)(B)

Zum Thema Hofabgabe. Wenn wir uns anschauen,
welche Riesengefahr gerade auch in der Landwirtschaft
besteht, dass die Menschen, die dort sehr viele Jahre ge-
arbeitet, geschuftet haben, am Ende ihres Lebens alters-
arm werden,


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja!)


dann werden wir konstatieren müssen, dass wir mit dem
System, das wir jetzt haben, einfach nicht vorankommen
und die Bäuerinnen und Bauern nicht vor Altersarmut
schützen werden.


(Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Genau so ist es! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Richtig!)


Das ist so ähnlich wie beim Thema Soloselbstständige
und Ähnlichem.


(Elke Ferner [SPD]: Genau!)


Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir
ein vereinheitlichtes System entwickeln können, das Al-
tersarmut definitiv verhindert, und zwar zu Konditionen,
die die Menschen auch tragen können.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir Sozialdemokraten haben eine Antwort darauf gege-
ben, nämlich mit dem Vorschlag einer Erwerbstätigenver-
sicherung. Im ersten Schritt könnte sich die Arbeitsminis-
terin zumindest überlegen, eine Versicherungspflicht für
alle Menschen einzuführen, die in irgendeiner Form er-
werbstätig sind,


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Die Landwirte sind ja versichert!)


damit man hier vorankommt und Altersarmut verhindert.


(Beifall des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD])


Durch eine Versicherungspflicht würde zum Beispiel
auch verhindert, dass sich Menschen von der Hofabgabe
befreien lassen und am Ende als Sozialfall Leistungen in
Anspruch nehmen müssen, weil sie keine ausreichenden
Alterseinkünfte haben. An dieser Stelle bewegen Sie
sich aber keinen Millimeter.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil der Deutsche Bauernverband das nicht will!)


Am Gesetzentwurf, der ins Parlament eingebracht
wurde, ist mir aufgefallen – hier bin ich sehr empfind-
lich –, dass unsere Bundesarbeitsministerin an dieser
Stelle offensichtlich überhaupt nicht aufgepasst und kein
Herzblut gezeigt hat. Die Bundesarbeitsministerin ist
eine Verfechterin der Rente mit 67. Sie hat sich klipp
und klar dazu bekannt. Das ist auch in Ordnung. Ich
habe damit nur wenige Schwierigkeiten.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Der Schaaf ist ein guter Mann!)


Sie stimmt aber einem Gesetzentwurf zu, in dem ein
Zwangsruhestand vorgesehen ist.

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(C (D (Max Straubinger [CDU/CSU]: Das stimmt ja nicht! – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So ist es!)


ie Ministerin handelt an dieser Stelle anders, als sie re-
et. Das ist bei dieser Ministerin aber sehr üblich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Gott sei Dank haben die Koalitionäre das auf Verlan-
en der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer korri-
iert. Wir haben auch unseren Anteil daran, dass man
ier weiter vorangekommen ist. Das ist aber typisch für
iese Ministerin.

Meine Damen und Herren, es gäbe wirklich viele
ründe, zu sagen: Wir machen da nicht mit. – Das ist
mer begründbar. Wir sehen aber eine Chance dafür,

as vernünftig weiterzuentwickeln. Wir sehen aber auch
ie Notwendigkeit, nach 2013 mit veränderten Mehrhei-
n tatsächlich noch einmal an die Dinge heranzugehen,
ie angesprochen worden sind, zum Beispiel auch an das
hema Parität.

An meine Freunde von der FDP, weil Sie, Herr
eisen, dieses System völlig zu Recht so gelobt haben:
ir reden hier über Solidarität, über Kollektivität und

ber Parität. Es ist kein Teufelszeug, wenn man sich kol-
ktiv absichert, wenn Menschen für Menschen einste-
en und nicht individualisieren und privatisieren. Wenn
ie aus der Debatte irgendetwas mitnehmen wollen,
ann nehmen Sie mit: Da, wo Menschen für Menschen
instehen, wo Solidarität, Parität und Kollektivität herr-
chen, sind die Systeme besser. Individualität führt letz-
n Endes zu Armut von Menschen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Gitta Connemann [CDU/ CSU]: Mensch, Toni!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715803600

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der

ollege Heinrich Kolb für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1715803700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am

nde dieser Debatte möchte ich zunächst einmal auf ei-
en Vorwurf seitens der Opposition eingehen, der hier
icht so im Raum stehen bleiben kann. Es geht um unser
rauenbild.


(Elke Ferner [SPD]: Gucken Sie einmal in Ihre Fraktion! – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist die FDP gerade richtig!)


Ich will darauf hinweisen, dass aus den Reihen der
oalition heute drei Rednerinnen das Wort ergriffen ha-
en – alle drei sind übrigens Landfrauen; auch Christel
appach-Kasan, die für meine Fraktion gesprochen
at – und dass auf der Seite der Bundesregierung zwei





Dr. Heinrich L. Kolb


(A) )


)(B)

Fachministerinnen dieses Vorhaben erarbeitet, begleitet
und vorangetrieben haben.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Für uns ist es vollkommen selbstverständlich, dass sich
Frauen in dieser Debatte zu Wort melden und ihren
wichtigen Beitrag leisten. Das wird auch dann der Fall
sein, wenn die Selbstverwaltung jetzt den weiteren Fort-
gang in die Hand nimmt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Max Straubinger [CDU/CSU]: Wie viele waren es bei der Opposition? – Elke Ferner [SPD]: Wie hoch ist der Frauenanteil in Ihrer Fraktion?)


Ich glaube, man kann feststellen, dass wir heute ein
sehr komplexes und anspruchsvolles Gesetzgebungsvor-
haben zu Ende bringen. Es ist schon deswegen abwei-
chend von der Norm, weil es fachgebietsübergreifend
bearbeitet wurde. Federführend ist die Sozialpolitik, aber
einen wichtigen Beitrag haben ganz naturgemäß auch
die Kollegen aus dem Fachausschuss für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz erbringen müs-
sen. Ich möchte mich bei allen Beteiligten dafür bedan-
ken, dass dieses gemeinsame Wirken so gut gelungen ist
und heute so erfolgreich abgeschlossen werden kann.
Besten Dank dafür.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es war aber auch deshalb sehr komplex, weil ein ein-
heitlicher Bundesträger in einem Bereich geschaffen
wird, der sich seit 1888 historisch ganz unterschiedlich
entwickelt hat, mit unterschiedlichen Interessen zwischen
Nord und Süd, zwischen Ost und West und zwischen den
einzelnen Fachbereichen, also zwischen der Viehzucht,
der Milchwirtschaft, dem Ackerbau, der Forstwirtschaft
und dem Gartenbau, welcher sich wiederum in den Er-
werbsgartenbau und den Landschaftsgartenbau aufteilt.
Die Stichworte zeigen Ihnen schon: Es war extrem
schwierig, das zusammenzuführen. Ich freue mich, dass
das am Ende erreicht werden konnte.

Das Struck’sche Gesetz ist mit diesem Gesetzge-
bungsvorhaben bekräftigt und unterstrichen worden. Der
Gesetzentwurf, den die Bundesregierung eingebracht
hatte, war nicht schlecht. Aber das, was wir abschlie-
ßend nach Anhörungen und Änderungsanträgen heute
vorlegen, ist gut, sogar ziemlich gut, so gut, dass auch
die SPD ihr Herz über die Hürde werfen konnte und die-
sem Gesetzentwurf heute zustimmt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben angesichts der Komplexität sehr viel Wert
darauf gelegt, dass alle Beteiligten in Anhörungen und
vielen Gesprächen einbezogen wurden. Wir haben ver-
sucht, den Sorgen und Bitten der Betroffenen so weit wie
möglich Rechnung zu tragen. Für uns, für die FDP, war

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(C (D esonders wichtig, den Beschäftigten im Gartenbau Geicht zu verleihen und zu helfen. Hier bestand anfangs er Beratungen die Sorge, berechtigt oder unberechtigt, ass sie gegenüber der Landwirtschaft und auch der orstwirtschaft möglicherweise nicht ausreichend Gehör nden könnten. Diese Befürchtung kann heute so nicht ehr aufrechterhalten werden. Ich glaube, dass wir den eschäftigten im Gartenbau an vielen Stellen ganz konret geholfen haben und sie deswegen mit dem heutigen rgebnis der Gesetzgebungsarbeit zufrieden sein könen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Drei Minuten Redezeit sind sehr kurz. Wir legen
eute eine weitere wichtige Etappe auf dem Weg der
odernisierung der landwirtschaftlichen Sozialversiche-
ng zurück. Das wird nicht die letzte Etappe sein. Aber

as, was wir heute hier beraten und beschließen, ist ein
utes Gesetz, dem Sie mit Freude Ihre Zustimmung ge-
en können. In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre
ufmerksamkeit und hoffe jetzt auf ein klares Votum für
ie Neuordnung der landwirtschaftlichen Sozialversi-
herung.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715803800

Wir stellen jetzt fest, wie klar das Votum wird. Wir

ommen zur Abstimmung über den von der Bundes-
gierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Neuordnung

er Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversi-
herung. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales emp-
ehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache
7/8616, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf
en Drucksachen 17/7916 und 17/8495 in der Aus-
chussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
em Gesetzentwurf in dieser Ausschussfassung zustim-
en wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dage-

en? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf
zweiter Beratung angenommen.

Ich rufe auf die

dritte Beratung

nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich von ihren Plätzen

u erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der
timme? – Dann ist mit den Stimmen der Koalition und
er SPD-Fraktion gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die
rünen und der Fraktion Die Linke der Gesetzentwurf

ngenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
er Drucksache 17/8619. Wer stimmt diesem Entschlie-
ungsantrag zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
ich? – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 sowie den Zusatz-
punkt 2 auf:

4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Garrelt
Duin, Hubertus Heil (Peine), Doris Barnett, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Impulse für den Standort Deutschland – Für
eine moderne Industriepolitik

– Drucksache 17/8572 –
Überweisungsvorschlag
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Joachim Pfeiffer, Dr. Michael Fuchs, Kai
Wegner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Martin Lindner (Berlin), Claudia Bögel, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Marktwirtschaftliche Industriepolitik für
Deutschland – Integraler Bestandteil der So-
zialen Marktwirtschaft

– Drucksache 17/8585 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

Für diese Aussprache sind nach einer interfraktionel-
len Vereinbarung 90 Minuten vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Also können wir so verfahren.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält der Kol-
lege Hubertus Heil für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her n! Deutschland verfügt über eine starke industrielle asis. Deutschland ist ein erfolgreicher Wirtschafts tandort, eine erfolgreiche Industriegesellschaft. Das ist ein Zufall. Ich kann mich sehr gut erinnern, wie das vor 5 Jahren am Ende der Regierungszeit Kohl Ende der 0er-Jahre war, als Wirtschaftsmagazine aus dem Innd Ausland die deutsche Volkswirtschaft quasi als kranken Mann Europas“ darstellten. Dass wir heute esser dastehen, ist kein Wunder und kein Zufall, sonern Ergebnis harter Arbeit wie auch schmerzhafter trukturreformen in der rot-grünen Zeit, die aber richtig aren, damit Deutschland vorankommen konnte. Dazu ekennen wir uns. Dass wir eine breite Wertschöpfungskette von der rundstoffindustrie über den industriellen Mittelstand is hin zu den kleinen Hightechschmieden haben, ist ein Zufall, sondern vor allen Dingen das Ergebnis von eißiger Hände Arbeit der Arbeitnehmerinnen und Areitnehmer, die sich eingesetzt haben, von klugen Unterehmern, die die richtigen Entscheidungen getroffen haen, von erfindungsreichen Ingenieuren, Forschern und echnikern in diesem Land. Darauf können wir stolz sein in Deutschland. Das ist rund zu Selbstbewusstsein, aber es ist mitnichten ein rund zu Selbstzufriedenheit oder gar zu Überheblicheit. Denn wir stehen in den nächsten Jahren vor erheblihen Herausforderungen. Deshalb ist es kein Grund das richtet sich an die Bundesregierung –, sich auf den rfolgen der Vorgängerregierungen auszuruhen und die ände tatenlos in den Schoß zu legen. Wir stehen vor erheblichen Herausforderungen. Sie erden anstrengend. Wir können sie meistern, aber dar müssen jetzt richtige Entscheidungen getroffen wer en. Was sind die Herausforderungen? Das ist erstens der eränderte Altersaufbau bzw. die demografische Enticklung in diesem Land. Immer mehr vertieft sich zur eit die Spaltung des Arbeitsmarktes. Auf der einen eite suchen immer mehr Unternehmen händeringend achkräfte. Auf der anderen Seite sind viel zu viele enschen in Deutschland abgehängt und ausgeschlos en. Während wir beispielsweise dafür sorgen müssen, dass ie Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Deutschland orankommt und die Frauenerwerbsquote in diesem and steigen kann, reichen Sie ein wirtschaftlich und geellschaftspolitisch unsinniges Betreuungsgeld aus: eine ernhalteprämie vom Arbeitsmarkt für Frauen. Das ist er falsche Weg. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ulla Lötzer [DIE LINKE])

Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1715803900

(Beifall bei der SPD)


Beim Thema Fachkräftesicherung fehlt Ministerin
on der Leyen schlicht und ergreifend ein Konzept. Au-
er Spesen nichts gewesen. Ein Showeffekt in Mese-
erg: Das war alles. Es gibt kein Konzept. Genau das





Hubertus Heil (Peine)



(A) )


)(B)

vermisst die Wirtschaft in Deutschland zu Recht. Ein
Konzept zur Fachkräftesicherung? Fehlanzeige bei die-
ser Bundesregierung.


(Beifall bei der SPD)


Die zweite große Herausforderung, vor der das Indus-
trieland Deutschland steht, ist der nach wie vor rasante
technische Wandel. Er bleibt nicht stehen. Darauf müs-
sen wir uns einstellen, sowohl bei Qualifizierung und
Bildung, Ausbildung und Weiterbildung als auch vor al-
len Dingen dadurch, dass wir in diesem Land eine For-
schungs- und Innovationspolitik betreiben, die die Chan-
cen des technischen Wandels für gute Arbeitsplätze in
einer stärker wissensbasierten Wirtschaft nutzt.

Wo ist denn Ihr Konzept zur steuerlichen Forschungs-
förderung, das Sie groß angekündigt haben, geblieben?
Was ist mit dem Anreiz, mehr private und öffentliche In-
vestitionen zu verbinden, um Innovationen in diesem
Land voranzubringen?

Nein, meine Damen und Herren, Sie setzen die fal-
schen Schwerpunkte. Wir müssen in Deutschland auf die
besten Produkte, Verfahren und Dienstleistungen setzen.
Das erreichen wir nur mit einer anderen Forschungs- und
Qualifizierungspolitik, aber nicht mit immer niedrigeren
Löhnen.


(Beifall bei der SPD)


Eine der größten Herausforderungen ist – das machen
Gespräche mit Unternehmern in Deutschland deutlich –
eine saubere, versorgungssichere und bezahlbare Ener-
gieversorgung. Wir haben gestern im Deutschen Bun-
destag leidenschaftlich darüber diskutiert.

Die Art und Weise, wie diese Bundesregierung, na-
mentlich die sich blockierenden Minister Röttgen und
Rösler,


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist er überhaupt?)


die Energiewende in diesem Land vor die Wand fährt, ist
das größte Standortrisiko für die wirtschaftliche Ent-
wicklung in Deutschland.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie mir nicht glauben, dann hören Sie zumin-
dest auf Herrn Keitel, den BDI-Präsidenten, der diese
Bundesregierung geradezu leidenschaftlich auffordert,
sich endlich der Umsetzung der Energiewende zuzuwen-
den. Wenn Sie mir nicht glauben, dann glauben Sie Ih-
rem Kommissar Oettinger, der auf die schöne Frage, was
er zurzeit zur deutschen Energiepolitik sagt, antwortet:
Welche Energiepolitik?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Weder beim Netzausbau noch bei der Integration er-
neuerbarer Energien und der Planungs- und Investitions-
sicherheit für die Modernisierung des Kraftwerksparks
und den Bau neuer Kraftwerke kommen wir voran, weil
Sie die Entwicklung verschlafen haben und Ihr Zick-
zackkurs die Versorgungssicherheit in Deutschland bei
der Energieversorgung gefährdet. Ein Industrieland wie

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(C (D eutschland braucht sichere, saubere und bezahlbare nergie. Auch da versagt diese Bundesregierung. Sie haen keinen Masterplan zur Umsetzung der Eneriewende. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ulla Lötzer [DIE LINKE] und Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Last, but not least: Neben der Demografie, neben dem
chnischen Wandel und neben den Themen Ener-
iewende und Ressourcenknappheit ist es vor allem die
ternationale Verflechtung unserer Volkswirtschaft, die
ir im Blick haben müssen; zum einen, weil aufstre-
ende Industriemächte in anderen Ländern die Konkur-
nz verschärfen werden und weil wir im internationalen
ettbewerb mit China, Brasilien, Indien und auch Russ-
nd mithalten müssen. Zum anderen müssen wir eines
Blick haben: Es gibt keinen Grund, sich zurückzuleh-

en, weil es Deutschland dauerhaft wirtschaftlich nicht
ut gehen kann, wenn es dem restlichen Europa schlecht
eht. 60 Prozent unserer Exporte gehen in die Europäi-
che Union, 40 Prozent gehen in die Euro-Zone. Deshalb
t es nicht richtig, zu glauben, dass wir die Krise im
uro-Raum lösen können, indem wir einfach nur Hilfs-
redite ausreichen und gleichzeitig harte fiskalische
uflagen machen.

Wir brauchen nicht nur in Deutschland, sondern in
anz Europa eine Stärkung der industriellen Basis unse-
s Kontinents. Wir brauchen eine Stärkung der realen
ertschöpfung und nicht der Finanzwirtschaft. Dafür

raucht man Geld, das ist keine Frage. Da wir auch in
eutschland die Schulden nicht weiter nach oben treiben
ürfen und auch hier Haushaltskonsolidierung betreiben
üssen, sage ich Ihnen: Wir brauchen das Aufkommen

us einer Finanztransaktionsteuer, um ein solches euro-
äisches Aufbauprogramm auch in den nächsten Jahren
chultern zu können.


(Beifall bei der SPD)


Wir alle erinnern uns an den Satz von Bill Clinton:
It’s the economy, stupid!“ Man muss diesen Satz heute
bwandeln. Im Zuge der Finanzkrise muss man sagen:
It’s the real economy, stupid!“ Es ist die Realwirtschaft,
lso die reale Wertschöpfung, die ein Land erfolgreich
acht. Das ist die gute deutsche Erfahrung.

Zu den 5 Millionen Arbeitslosen sage ich Ihnen: Sie
ind das Ergebnis der Politik von Helmut Kohl und wur-
en uns damals von Schwarz-Gelb hinterlassen. Wir ha-
en den Reformstau aufgelöst.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


ie erschaffen in Deutschland gerade einen neuen Re-
rmstau. Ich sage Ihnen: Ab 2013 wird es für uns viel
rbeit geben, damit Deutschland ein erfolgreiches In-
ustrieland bleibt und wir im produzierenden Gewerbe
nd im Mittelstand durch industriebezogene Dienstleis-
ngen und auch durch soziale Dienstleistungen Wert-

chöpfung haben. Hier sind jetzt die Weichen zu stellen.






(A) )


)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715804000

Herr Kollege.


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1715804100

Deshalb braucht Deutschland Impulse für ein indus-

triepolitisches Konzept. Dieses Konzept, das wir heute
vorlegen, fehlt Ihnen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715804200

Joachim Pfeiffer ist der nächste Redner für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1715804300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! In der Tat steht Deutschland, was das Wirtschafts-
wachstum anbelangt, im Moment ganz gut da.


(Thomas Oppermann [SPD]: Aber nicht wegen euch!)


Wir hatten seit der Wiedervereinigung zweimal in Folge
das höchste Wachstum, aber auch im Bereich der Ex-
porte steht Deutschland sehr gut da. Im letzten Jahr
wurde die 1-Billion-Grenze, also die 1 000-Milliarden-
Grenze, überschritten, und auch im Bereich des Arbeits-
marktes stehen wir sehr ordentlich da. Dass wir so gut
dastehen, ist im Wesentlichen der Industrie und unseren
industriellen Wertschöpfungen zu verdanken, an die wir
alle gern unsere Sonntagsreden adressieren.

Anders als in anderen Ländern liegt der Anteil des
verarbeitenden Gewerbes an der Gesamtleistung in
Deutschland bei rund 20 Prozent. Dieser Anteil ist fast
doppelt so hoch wie beispielsweise in den USA, in
Großbritannien oder auch in Frankreich. Der Anteil ist
sogar höher als beispielsweise in Japan. Dies ist auch der
Ausweis einer Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Wirtschaft und der deutschen Industrie, die in den ver-
gangenen Jahren in der Tat gemeinsam von den Unter-
nehmen und den Arbeitnehmern, aber auch von den un-
terschiedlichen Regierungen in diesem Land erarbeitet
wurde.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb ist es richtig, dass gerade im Bereich des Ar-
beitsmarktes mit der Agenda 2010 wesentliche Impulse
gesetzt werden konnten, sodass die Belange des Arbeits-
marktes und die Interessen des Industriestandortes ent-
sprechend berücksichtigt werden konnten und ein Ar-
beitsplatzaufbau stattfinden konnte. Deshalb finde ich es
schade, dass die Letzten, die hier im Hause die Agenda
2010 von Rot-Grün verteidigen, von der heutigen Regie-
rung sind.


(Christian Lindner [FDP]: Wohl wahr!)


Das Ergebnis ist, dass wir heute Arbeitsplätze auf-
bauen können. Im vergangenen Jahr gab es 131 000

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(C (D ehr Erwerbstätige im verarbeitenden Gewerbe. Hinzu ommen noch mehrere Hunderttausend bei den unterehmensnahen Dienstleistungen, die im Wesentlichen it der Industrie zusammenhängen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


as ist die Realität, und das ist das Ergebnis guter Poli-
k von verschiedenen Regierungen in den letzten zehn
ahren.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Auch der SPD! – Gegenruf des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Danke schön! Habe ich doch gesagt!)


Aber ihr distanziert euch davon und wollt nichts mehr
avon wissen. All die Dinge, die dazu geführt haben,
ass wir heute sehr gut dastehen, wollt ihr wieder rück-
ängig machen. Wir wollen beispielsweise den flexiblen
rbeitsmarkt beibehalten.

Aber bei aller Freude über die gute Situation sollten
ir jetzt natürlich nicht innehalten und uns ausruhen;


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das tut ihr aber!)


as machen wir mit Sicherheit nicht.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das tut ihr aber!)


etzt gilt es, den Weg konsequent weiterzugehen


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Energiewende!)


nd an den Stellen zu arbeiten, die für den Industrie-
tandort von entscheidender Bedeutung sind. Ich möchte
ern einige Punkte anführen:

Zuvörderst ist die Infrastruktur zu nennen. Wir brau-
hen in Deutschland und auch in Europa eine herausra-
ende Infrastruktur. Das gilt sowohl für weiche als auch
r harte Faktoren. Wir brauchen Bildung und Ausbil-

ung, Fachkräfte, Forschung und Entwicklung, aber
uch Technologieoffenheit.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was tun Sie denn dafür?)


ir brauchen die harte Infrastruktur: Straßen, Schienen,
lughäfen, Wasserstraßen, aber auch Strom- und Gaslei-
ngen genauso wie funktionierende Messestandorte

der auch Kultureinrichtungen wie Galerien und anderes
ehr.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Telekommunikation!)


Es gibt aber auch Felder, bei denen Anlass zur Sorge
esteht, gerade bei dieser Infrastruktur. Ich freue mich
ber den Satz im Antrag der SPD-Fraktion, nach dem es
inen neuen gesellschaftlichen Konsens beim Ausbau
er Infrastruktur braucht. Lösungsmöglichkeiten werden

Antrag allerdings leider nicht offeriert, sondern es
ird nur das Problem angesprochen. Dieses Problem ha-
en wir gemeinsam. Dieses müssen wir lösen.





Dr. Joachim Pfeiffer


(A) )


)(B)

Die Lösung kann sicher nicht darin bestehen, dass wir
zu den vorhandenen Infrastrukturprozessen weitere Pro-
zesse hinzufügen und dann alles noch länger dauert.
Deshalb ist eine gemeinsame Anstrengung zur Bewälti-
gung der großen Herausforderungen im Energiebereich,
beim Netzausbau beispielsweise, gefordert.

Ein ganz großes Thema für mich – deshalb will ich
das an den Anfang stellen – ist die Technikfeindlichkeit,
die ich in Deutschland an der einen oder anderen Stelle
feststelle;


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Vor allem beim Internet in der CDU!)


ich gehe nachher noch auf die Themen Energie und Roh-
stoffe ein. Deutschland ist das Land der Dichter und
Denker, der Tüftler und Erfinder. Ich gewinne aber zu-
nehmend den Eindruck, dass wir darüber hinaus auch
das Land der Nörgler und Neinsager sind. Das ist anders
als in anderen Ländern. Wer heute nach China oder auch
in viele aufstrebende Schwellenländer schaut, stellt fest,
dass es dort noch eine geradezu offene Begeisterung für
die Chancen gibt, die in der Technik liegen, während bei
uns immer erst die – vermeintliche – Gefahr gesehen
wird, die in einer Technik steckt.

Ich bin der Meinung: Wir werden als Industriestand-
ort lange nicht reüssieren können, wenn wir hier in Tech-
nikfeindlichkeit verfallen. Wir brauchen Technologie-
offenheit und eine neue Technologiefreundlichkeit in
unserem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Deshalb machen Sie CCS kaputt!)


Das beginnt selbstverständlich in der Schule, bei der
Ausbildung und auch bei der Erziehung. Dort müssen
wir diese Dinge vermitteln. Das heißt für mich für unser
politisches Handeln aber auch, dass wir Technologien,
die am Anfang ihrer Entwicklung stehen, von denen wir
nicht wissen, ob sie letztlich erfolgreich sein werden,
nicht schon am Anfang bekämpfen und ihre Entwick-
lung hemmen dürfen, sodass sie gar nicht erst reifen
können.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sagen Sie das dem McAllister in Niedersachsen!)


Die CCS-Technologie ist ein Beispiel dafür, die aktuelle
Diskussion über das Thema Fracking im Energiebereich
– Fracking wird zur Ausbeutung von Erdgas in unkon-
ventionellen Lagerstätten seit Jahrzehnten erfolgreich
angewandt – ist ein anderes.

Aber das größte Fanal für mich ist der Wegzug der
Grünen Gentechnologie von BASF,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wer regiert denn hier in Deutschland? Bei Rot-Grün war die noch da!)


wobei die nicht einmal ein großes Aufheben davon ma-
chen und dies etwa dem Standort zuschreiben, sondern
schlicht feststellen, dass 80 bis 90 Prozent der Menschen
in diesem Land, parteiübergreifend, bei der Gentechno-
logie eher Gefahren und Probleme als Chancen sehen.

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(C (D (Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Zu Recht!)


as führt dazu, dass solche Technologien nicht mehr in
uropa angewandt werden, sondern in anderen Teilen
er Welt.

Das ist wie in den 80er-Jahren, als es um die Herstel-
ng des synthetischen Insulins ging: Die Fabrik war fer-
g, aber dann hat der heutige Weltstaatsmann Fischer als
mweltminister den Betrieb dieser Fabrik verhindert,
eil das des Teufels war.


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Dann tun Sie doch was, statt zu lamentieren! Das ist ja furchtbar!)


eute sind über 99 Prozent des Insulins, das weltweit
erbraucht wird, synthetisch. Aber die Herstellung findet
icht in Deutschland statt;


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja, machen Sie doch was! Jammern Sie nicht rum!)


s gibt keine Wertschöpfung in diesem Bereich.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


eshalb muss es parteiübergreifend unser Ziel sein, hier
r Technologiefreundlichkeit und Technologieoffenheit

u sorgen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Neben der Infrastruktur und der Technologiefreund-
chkeit gibt es zwei Dinge, die mich besonders umtrei-
en: die Energie- und die Rohstoffpolitik. In den vergan-
enen Jahren waren häufig die Arbeitskosten, auch die
esteuerung, von entscheidender Bedeutung bei der
ahl des Standortes und sind es teilweise auch heute

och. Wir haben im Bereich der Forschung und Ent-
icklung sehr viel erreicht. Diese Regierung gibt für
orschung und Entwicklung so viel aus wie keine zuvor.
ir stehen kurz davor, das Ziel, 10 Prozent des Brutto-
landsprodukts in Bildung und Forschung zu investie-
n, zu erreichen. Durch das ZIM-Programm und andere
rogramme für den Mittelstand haben wir es geschafft,
echnologie in der Breite voranzubringen. Das wird uns
uch attestiert. Wenn man aber die Rahmenbedingungen
r Forschung und Industrie insgesamt betrachtet, stellt
an fest, dass es noch ein Feld gibt, auf dem wir gegen-

ber vielen anderen Ländern Nachholbedarf haben: bei
er steuerlichen Forschungsförderung.


(Garrelt Duin [SPD]: Wer regiert hier eigentlich? – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja, wann kommt die denn?)


ieser Mangel ist bei Forschungseinrichtungen ein zen-
ales Thema und führt dazu, dass sie nicht nach
eutschland kommen.


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Wo bleiben die konkreten Vorschläge, Herr Pfeiffer?)


eshalb muss Ziel dieser Regierung sein – und ist es
uch –, in dieser Legislaturperiode den Einstieg in die
teuerliche Forschungsförderung zu schaffen.





Dr. Joachim Pfeiffer


(A) )


)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Pfeiffer im Walde!)


Bei der Energie- und Rohstoffpolitik ist zu berück-
sichtigen, dass die Energiekosten heute ein zentraler
Standortfaktor sind.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist eine Oppositionsrede hier! – Edelgard Bulmahn [SPD]: Nur lamentieren!)


Der Energiekostenanteil am Bruttoproduktionswert ist in
der Industrie von 1990 bis 2008 von 2,3 auf 3,4 Prozent,
also um rund 50 Prozent, gestiegen. Die Effizienzge-
winne werden durch die Kostensteigerungen weitgehend
neutralisiert. Die Preise für Industrierohstoffe sind heute
für 76 Prozent der Unternehmen und 93 Prozent der In-
dustrieunternehmen in Deutschland das größte Problem.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Und was macht die Regierung? – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Einen guten Eindruck!)


Auch hierzu ein paar Zahlen: Während in Deutsch-
land 1990 für 88 Millionen Tonnen Rohöl, die importiert
wurden, umgerechnet gerade einmal 12 Milliarden Euro
gezahlt wurden, waren es 2011 für 90 Millionen Tonnen
53 Milliarden Euro.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Die Regierung jammert über den Standort Deutschland!)


Ähnlich verhält es sich beim Gas und beim Strom. Die
Industriestrompreise sind in Deutschland gegenüber
Frankreich deutlich höher: Rund 9 Cent sind es in
Deutschland, während es 5 Cent in Frankreich sind.

Das sind also zentrale Handlungsfelder. Diese Regie-
rung hat bei der Verbesserung der Rohstoffeffizienz und
der Erhöhung der Recyclingquote wesentliche Schritte
getan. Auch mit Blick auf die Nutzung von heimischen
Rohstoffen sind wir gut unterwegs. Aber wir brauchen
auch Rohstoffimporte. Deshalb begrüßen wir ausdrück-
lich als längst überfälligen Schritt die Rohstoffallianz,
die jetzt von der deutschen Industrie gestartet worden ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es ist zuvörderst die Aufgabe der Industrie, für ihre Roh-
stoffversorgung zu sorgen. Ich begrüße es ausdrücklich,
dass jetzt namhafte Unternehmen mit nennenswerten
Beträgen bereit sind, das Know-how, das wir in diesem
Bereich hatten – vor 20 Jahren Degussa und Metallge-
sellschaft, um nur einige Beispiele zu nennen – und das,
auch durch unternehmerische Fehlentscheidungen, ver-
loren gegangen ist, wieder aufzubauen. Das wird ein lan-
ger, schwieriger Weg; es geht nicht von heute auf mor-
gen. Wir werden das begleiten. Wir sehen diese Initiative
als den Nukleus für die europäische Entwicklung an.
Denn die europäische Ebene ist die richtige Betriebs-
größe, um dauerhaft zu agieren.

Ähnlich verhält es sich im Energiebereich. Dort gilt
es, für die Industrie wettbewerbsfähige Bedingungen zu
erhalten. Das müssen wir beim Umbau der Energiever-
sorgung intelligent miteinander verbinden. Wir tun das
beispielsweise durch den aktuellen Entwurf einer Ver-

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(C (D rdnung zu abschaltbaren Lasten. Wenn nämlich in Zein des Spitzenverbrauchs nicht genug Energie erzeugt erden kann bzw. es sehr lange dauert, bis genug er eugt werden kann und deshalb enorme Investitionen in illiardenhöhe erfolgen müssen, dann kann man versu hen, dieses Problem durch Abschaltung zu lösen und icht allein auf Erzeugung oder Speicherung zu setzen. anche industrielle Großverbraucher sind in der Lage, nerhalb kürzester Zeit für Sekunden, Minuten oder tunden vom Netz zu gehen. Auch Kühlhäuser – das ist in Angebot, das über die Industrie hinausgeht – können ntsprechend abschalten. So kann diesen Spitzen begeget und die Versorgungssicherheit und Qualität der tromversorgung sichergestellt werden. Auf all diesen Wegen sind wir unterwegs. Wir wollen ns nicht auf dem Stand, auf dem wir heute stehen, aushen – nämlich an der Spitze –, sondern stellen die Wei hen so, dass wir auch dort bleiben. Denn wer nicht imer besser wird, der hört auf, gut zu sein. Diese egierung wird diesen Weg mit Technologieoffenheit, echnologiefreundlichkeit und konsequenter Politik für ine sichere und preiswerte Rohstoffund Energieverorgung weitergehen. Lassen Sie uns in diesem Sinne gemeinsam für den dustriestandort arbeiten. Auch die Opposition ist auf erufen, mitzumachen. Das ist nicht nur Aufgabe der egierung und kann nicht nur Aufgabe der Regierung ein, sondern das ist eine der zentralen gesamtgesellchaftlichen Aufgaben, vor denen wir stehen. Vielen Dank. Vielen Dank, Kollege Dr. Pfeiffer. Jetzt spricht für die Fraktion Die Linke unsere Kollein Frau Ulla Lötzer. Bitte schön, Frau Kollegin Ulla ötzer. Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist der Tat an der Zeit, hier endlich eine Debatte über die ukunft der Industriepolitik in Deutschland zu führen. ie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehen sich em Druck zunehmender Weltmarktkonkurrenz ausgeetzt; sie sehen sich durch Ihre Politik, Herr Pfeiffer, ber auch demütigenden Arbeitsbedingungen, Niedglöhnen und einem Armutssektor ausgesetzt. Und, ja, err Heil, Finanzmarktakteure haben großen Schaden uch in der Industrie angerichtet, mit Spekulationen, ber auch mit ihrem maßlosen Druck auf Maximalrendin in der Industrie. Wenn ein Unternehmen beispielseise die Gebäudesanierung seiner Fabrik verweigert, eil sie sich erst in vier Jahren statt in einem Jahr rechet, ist das ein typisches Beispiel dafür. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung lobale Umweltveränderungen hat kürzlich in einem utachten festgestellt, das kohlenstoffbasierte Wirt Ulla Lötzer )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715804400

(Beifall bei der LINKEN)

Ursula Lötzer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715804500




(A) )

schaftsmodell gefährde das Klimasystem und die Exis-
tenzgrundlagen. Er fordert einen neuen Gesellschaftsver-
trag, eine große Transformation zur sozialökologischen
Gesellschaft.

Dies alles erfordert eine aktive und zukunftsorien-
tierte Industriepolitik. In der Industriepolitik der Bun-
desregierung, Herr Pfeiffer, merkt man davon allerdings
nichts. Sie blockieren den Wandel und versuchen auch
noch, das hier heute zur Feierstunde für die Blockade zu
erklären.


(Beifall bei der LINKEN)


Nehmen wir die Energiewende: Die EU-Kommission
erkennt, dass das Ziel, den Energieverbrauch um ein
Fünftel zu senken, verfehlt wird, und schlägt verbindli-
che Ziele vor. Sie laufen dagegen Sturm.

CDU/CSU, FDP, aber auch die SPD fordern, dass die
energieintensiven Industrieunternehmen noch weiter
entlastet werden. Durch Ausnahmen bei der Ökosteuer,
dem EEG, der KWK-Umlage, dem Emissionshandel und
den Netzentgelten entgehen dem Staat alleine in diesem
Jahr 9 Milliarden Euro. Die Ausnahmeliste der soge-
nannten verlagerungsgefährdeten Branchen beim Emis-
sionshandel umfasst 169 Branchen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715804600

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Hubertus Heil?


Ursula Lötzer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715804700

Aber gerne, wenn Sie die Uhr anhalten.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715804800

Ja. – Bitte schön, Kollege Hubertus Heil.


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1715804900

Liebe Frau Lötzer, ich bitte Sie, zur Kenntnis zu neh-

men, dass wir die Unternehmen, um die es geht, nicht
deshalb bevorteilen wollen, weil wir nett zu ihnen sein
wollen, sondern weil sie im internationalen Wettbewerb
stehen.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus meiner Heimat und
frage Sie, was Sie den Beschäftigen der Salzgitter AG
und der Peiner Träger sagen. In meiner Heimatstadt gibt
es ein Elektrostahlwerk, das im internationalen Wettbe-
werb steht. Wenn das bei der Ökosteuer voll einbezogen
wird, dann nützt das dem Weltklima überhaupt nichts,
weil das zu Standortverlagerungen führt. Wir von Rot-
Grün haben die Ökosteuer eingeführt, aber mit Augen-
maß, indem wir gesagt haben: Den Industrien, die in in-
ternationaler Konkurrenz stehen, wollen wir das Ge-
schäft nicht erschweren. Sie haben das Problem, dass
70 Prozent ihrer Kosten Rohstoff- und Energiekosten
sind und nur 30 Prozent Personalkosten. Ein solches Un-
ternehmen stärker zu belasten, beinhaltet die Gefahr, Ar-
beitsplätze zu verlieren.

Was sagen Sie eigentlich der IG Metall, die sich in
Peine, Salzgitter und anderswo mit dem Problem herum-
schlagen muss, dass Arbeitsplätze verloren gehen? Ich

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(C (D nde es ein bisschen billig, dass Sie andeuten, wir würen der Großindustrie das Geld hinterwerfen. Das ist ine plumpe antikapitalistische Rhetorik. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der LINKEN: Oh!)


as hat nichts mit wirtschaftlichem Sachverstand zu tun.


(Beifall bei der SPD)



Ursula Lötzer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715805000

Lieber Kollege Heil, wie plump die antikapitalistische

hetorik ist, können wir gerne überprüfen. Uns geht es
icht um Rhetorik. Den Arbeitsplätzen und auch der
mwelt ist nicht damit gedient, wenn es zu einer Verla-
erung kommt. Aber die Ausnahmen – 169 Branchen
eim Emissionshandel – haben inzwischen ein beunruhi-
endes Ausmaß angenommen. Es wird noch nicht ein-
al geprüft, ob bei den betreffenden Branchen die
efahr besteht, dass Arbeitsplätze verlagert werden.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Doch, es wird geprüft!)


Nein, es gibt keine klaren Kriterien dafür. – In-
wischen konkurrieren die europäischen Regierungen
arum, wer der energieintensiven Industrie die niedrigs-
n Preise bietet.

Wir sind nicht für die völlige Abschaffung von Aus-
ahmen. Aber wir sind dafür, dass die Kriterien über-
rüft werden, dass Maßnahmen zur Energieeffizienz
erücksichtigt werden und dass es eine europäische Har-
onisierung gibt. Auf diese Weise kann man die Anzahl

er Ausnahmen sinnvoll begrenzen und sozusagen einen
bschmelzungsprozess einleiten. Wir kritisieren, dass
as nicht gemacht wird; wir sind aber nicht plump für
ie Abschaffung von Ausnahmen.


(Beifall bei der LINKEN)


Mit dem, was gemacht wird, wird der Klimafonds
usgetrocknet. Die dringend benötigten Mittel für die
ebäudesanierung sollen um eine halbe Milliarde Euro
ekürzt werden. Die Verbraucherinnen und Verbraucher
aben diese Kürzung über die Energiepreise zum Teil zu
agen. Die Ausnahmetatbestände gehören daher auf den
rüfstand.

Kommen wir zur Solarindustrie. 130 000 Arbeits-
lätze hängen daran. Viele Unternehmen sind in der
rise. Die Bundesregierung gefährdet die Nachfrage
urch Ankündigungen weiterer Kürzungen im EEG-
ereich. Stattdessen sollten Sie sich überlegen, das
000-Dächer-Programm auf öffentliche Gebäude auszu-
eiten. Warum reden Sie hier ständig von Innovationen,
rdern aber nicht intensiver die organische Photovoltaik

der die Einbindung der Zell- und Modulproduktion in
peichertechnologien? Warum gibt es nicht schon längst
en von der IG Metall vorgeschlagenen Branchendialog
nter Einbeziehung von Gewerkschaften und Umwelt-
erbänden? Das wäre zukunftsfähige Industriepolitik.


(Beifall bei der LINKEN)






Ulla Lötzer


(A) )


)(B)

Kommen wir zur Rohstoffpolitik. Eine absolute Sen-
kung des Verbrauchs ist notwendig. Auch hier werden
alle gesetzten Ziele zur Umstellung auf ressourcenscho-
nende Produktionsverfahren nicht erreicht. Im Rahmen
des MaRess-Projektes wurde vom Wuppertal-Institut
berechnet, dass die Schaffung von 700 000 Arbeitsplät-
zen möglich würde, wenn bis 2030 20 Prozent der Ma-
terialkosten durch Effizienzmaßnahmen eingespart wür-
den. Die Realisierung erfordert allerdings auch hier klare
politische Rahmenbedingungen, verbindliche Effizienz-
ziele, eine schärfere Ökodesign-Richtlinie, klare Recy-
clingquoten, Forschung und Innovationsförderung für
Substitution. Stattdessen führen Sie eine Verteilungsaus-
einandersetzung, die von Herrn Pfeiffer soeben noch
gelobt wurde.

Ernst Ulrich von Weizsäcker hat Montag in der
Enquete-Kommission die Allianz für Rohstoffsicherung
zu Recht als Rückfall ins 19. Jahrhundert bezeichnet.
Gestern haben Sie mit dem kasachischen Diktator ein
Abkommen zur Rohstoffsicherung geschlossen. Im
Dezember wurden dort Ölarbeiter, die für höhere Löhne
demonstriert haben, erschossen. Sieht so Ihre zukunfts-
fähige Rohstoffpolitik aus? Sie kämpfen in Brüssel sogar
gegen eine Transparenzrichtlinie, mit der Rechenschaft
über soziale und ökologische Produktionsbedingungen
und über Geldflüsse abgelegt werden soll. Rohstoffpoli-
tik ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. Sie muss an
soziale, menschenrechtliche und ökologische Bedingun-
gen geknüpft werden. Es braucht faire Abkommen, die
den Rohstoffländern das Recht auf ihre Rohstoffe zuge-
stehen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ein Strukturwandel ist ohne gute Arbeit nicht zu
machen. Ich freue mich ja, dass die SPD das in ihrem
Antrag auch so sieht. Allerdings verstehe ich dann Ihr
eben abgegebenes Bekenntnis zu Hartz IV nicht. Dass
gute Arbeit wichtig ist, gilt gerade auch für die
Zukunftsbranchen. Was tut aber die Regierung, um
beispielsweise das Projekt der IG Metall „Saubere Ener-
gie – gute Arbeit“ zu unterstützen? Was tun Sie, um
Sozialstandards international durchzusetzen? Nichts.
Besser statt billiger wäre eine Devise für eine lebens-
fähige Zukunftsindustrie, Herr Pfeiffer. Wirtschafts-
demokratie und Mitbestimmung müssen neu belebt wer-
den. Das setzt eine Regulation der Finanzmärkte
voraus, aber auch eine Ausweitung von Wirtschafts-
demokratie, eine Stärkung der Mitbestimmung im Be-
trieb, die Einrichtung von Branchendialogen und einen
branchenübergreifenden Dialog zur sozialökologi-
schen Transformation unter Einbeziehung von Gewerk-
schaften, Arbeitgeberverbänden, aber auch Umweltver-
bänden und anderen gesellschaftlichen Akteuren sowie
eine Ausweitung direkter Bürgerinnen- und Bürgerbetei-
ligung. Statt Bekenntnisse zum freien Markt braucht es
endlich wieder den gestaltenden Staat und eine Erneue-
rung von Demokratie.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Vielen Dank, Frau Kollegin Ulla Lötzer. – Nächster edner in unserer Debatte ist für die Fraktion der FDP nser Kollege Dr. Martin Lindner. Bitte schön, Kollege r. Lindner. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715805100


Dr. Martin Lindner (FDP):
Rede ID: ID1715805200

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren!

eutschland steht wirtschaftspolitisch exzellent da. Über
Prozent Wachstum, eine Arbeitslosenquote von etwas
ber 7 Prozent, ein durchschnittlicher Lohnzuwachs von
Prozent in den letzten Jahren sowie Exporte in Höhe
on 1 Billion Euro sind ein exzellenter Ausweis für die
eistungsfähigkeit dieses Landes.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich sage an dieser Stelle ausdrücklich: Der Erfolg hat
iele Väter. Es gibt den Erfolg der rot-grünen Bundes-
gierung bei der Arbeitsmarktreform. Das ist unstreitig.
uch die schwarz-rote Vorgängerregierung hat bei der
ewältigung der Finanzmarktkrise ihren Beitrag dazu
eleistet. Das gilt auch für das eine oder andere Kon-
nkturprogramm und das Kurzarbeitergeld. Das unter-

cheidet uns.


(Thomas Oppermann [SPD]: Jetzt fehlt nur noch euer Beitrag!)


Ich habe die Großzügigkeit, auch das zu erwähnen: Sie
ind in dieser Frage so kleinkariert, dass man Sie mit
loßem Auge gar nicht mehr erkennen kann, Herr Kol-
ge.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber sie sind über 2 Prozent!)


Schwarz-Gelb hat mit den steuerpolitischen Entlas-
ngen für Familien, mit Forschungs- und Entwicklungs-
itteln in Höhe von über 12 Milliarden Euro bei gleich-

eitiger Haushaltskonsolidierung, mit Ordnungspolitik
nd mit der Finanzmarktregulierung – angefangen bei
pel und anderen – ein klares Profil gezeigt. Die Wirt-

chaftsminister dieser Bundesregierung, auch die meiner
artei, sind gestanden, während Sie sich populistisch
eggeduckt haben. In der Frage der Euro-Stabilität ist
iese Bundesregierung der Stabilitätsanker in Europa.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ll dies hat einen klaren Beitrag dazu geleistet, dass wir
a stehen, wo wir stehen.

Sie haben völlig recht: Es gibt überhaupt keinen
nlass, sich darauf auszuruhen. Deswegen haben wir
nen den über achtseitigen Antrag heute vorgelegt, in

em wir aufzeigen, was wir zukünftig noch vorhaben,
m den Standort Deutschland und vor allen Dingen auch
ie Arbeitsplätze der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
er in der Industrie in Deutschland zu sichern.





Dr. Martin Lindner (Berlin)



(A) )


)(B)

Herr Heil, auch Sie haben einen Antrag vorgelegt. Ich
sage Ihnen etwas zur Genese dieses Antrages. Sie haben
nach zwei Jahren in der Opposition gemerkt, dass man
mit reinem Antiatom- und Antiinfrastrukturpopulismus
möglicherweise die Leute neben sich im Saal und mit
Hartz-IV- und Mindestlohnpopulismus die Leute auf der
linken Seite stärkt. Aber Sie profitieren nicht davon. Sie
haben auf einmal Ihr altes industriepolitisches Herz ent-
deckt und versuchen, frischen Lack über den alten Rost
zu streichen. Dies ist Ihr Antrag.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das kann mir ein politischer Sektenführer aus Berlin nicht erzählen!)


Ich erläutere Ihnen das an drei Stellen. Arbeitsmarkt-
politik: Herr Heil, auch Sie haben sich gerade darauf
bezogen. Was machen Sie seit zwei Jahren? Eine Über-
schrift in der Bild-Zeitung vom 15. März 2010 lautet:
SPD plant Hartz-IV-Revolution. Abschaffung und Än-
derung der Hartz-IV-Gesetze, wegducken bei der Rente
mit 67, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und Befris-
tung von Leiharbeitsverhältnissen: Überall kehren Sie
von dem Erfolgsrezept ab, das Sie damals zu verantwor-
ten hatten, dessen Lordsiegelbewahrer für Deutschland
und für den Arbeitsmarkt wir aber mittlerweile sind.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Die Koalition steht. Sie ducken sich weg.

Technologie, Gentechnologie: Lesen Sie einmal Ih-
ren Parteitagsbeschluss vom 4. Dezember 2011, Be-
schluss Nr. 24. Das ist ein Katalog von Risiken. Chan-
cen: Fehlanzeige. Grüne Gentechnologie, CCS-
Technologie, Fracking sind mit der SPD nicht zu ma-
chen. Überall sind Sie weg; wenn es um die Wurst geht,
werden Sie zum Vegetarier.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sind Sie in Niedersachsen in der Regierung, oder nicht? Da können Sie etwas tun im Bundesrat!)


Infrastruktur: Schauen Sie sich einmal Stuttgart 21 an.
Ich lese Ihnen einmal die HNA-Nachrichten vom
15. Oktober 2011 vor, um zu zeigen, aus welchem Holz
Sie geschnitzt sind:

SPD: „Die Luft ist raus bei Stuttgart 21.“

Die baden-württembergische SPD wird sich aus
dem Wahlkampf vor der Volksabstimmung zu Stutt-
gart 21 heraushalten.

Heraushalten ist Ihre Devise!


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Man könnte fast den Eindruck gewinnen, wir wären an der Regierung! Das wäre toll!)


Wegducken ist Ihre Devise! Nichtstehen ist Ihre Devise!
Wenn man nachliest, was Sie unter neuem gesellschaft-
lichem Konsens bei Infrastrukturmaßnahmen verstehen
– während wir die Netze ausbauen –, dann bekommt
man einen klaren Blick dafür, was mit der SPD los ist.
Sie kriechen vielleicht wieder unter die Rockschöße
Ihres Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg, aber

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(C (D in Partner für Infrastruktur ist Ihre Partei ganz bestimmt icht. Ich komme zum Thema Rohstoffe und Exporte: aum hat gestern die Bundesregierung dieses hervorraende Abkommen mit Kasachstan unterschrieben, geht as Geheule aus der Opposition schon wieder los. (Ulla Lötzer [DIE LINKE]: Es geht um den Schutz von Menschenrechten!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Frau Lötzer, wenn wir Rohstoffpartnerschaften auf
ebiete beschränken, wo die freiheitlich-demokratische
rundordnung gilt, dann werden wir nichts ausbuddeln
önnen, dann werden wir leer ausgehen. Handel und
ternationale Exporte sind auch für diese Länder wich-
g, damit sie sich entwickeln können. Wer jedoch diese
änder vom Handel ausgrenzt, der schützt Feudalismus
nd alte Strukturen. Auch in diesem Sinne steht diese
undesregierung. Sie stehen nicht.


(Beifall bei der FDP)


Weitere Beispiele sind Angra 3 oder die Hermesbürg-
chaften. Auch hier ist die SPD dagegen. Am besten
ann man Ihr Verhalten am Beispiel der Rüstungs-
xporte deutlich machen. Der außenpolitische Sprecher,
err Mützenich, kritisierte beispielsweise im letzten

ahr die Bemühungen der Bundesregierung, beim Export
on Eurofightern nach Indien zu helfen. Oder Frau
ieczorek-Zeul: Statt 126 Kampfflugzeuge zu kaufen,

ollte die indische Politik auf die Bekämpfung von
rmut setzen. Nachdem das Geschäft nicht zustande
am, hindert das Ihre verteidigungspolitische Sprecherin
astner nicht daran, zu sagen: Die Franzosen haben uns
orgemacht, was möglich ist, wenn die Regierung aktive
dustriepolitik betreibt. Das ist die SPD: Flipflop –

wei Sozis, drei Meinungen.


(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)


as ist nicht seriös.

Was Sie versuchen, ist doch ganz einfach zu beschrei-
en.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist die FDP! 1,8 Prozent in Berlin!)


ie versuchen eine Aufspaltung: Finanzmärkte gleich
öse und Realwirtschaft gleich gut. Das ist Ihre Wahl-
ampfstrategie. Das war im Handelsblatt von heute noch
inmal deutlich nachzulesen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie glauben auch alles, was in der Zeitung steht!)


Na ja, ich muss Ihnen ja nur zuhören. Da wird von
bzockerbanden, Kasinobanken und Ähnlichem gere-
et. Sie fallen alleine in der Diktion schon vor Godes-
erg, Herr Heil. Das ist völlig unseriös.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie sind ein Sektenführer!)


in Industrieland wie Deutschland braucht eine starke
inanzwirtschaft.





Dr. Martin Lindner (Berlin)



(A) )


)(B)


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wer bestreitet denn das?)


– Das bestreiten Sie natürlich. Sie versuchen, einen
künstlichen Gegensatz aufzubauen. Das haben Sie ja
gerade in Ihrer Rede gemacht.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Zuhören! Ohren putzen!)


Wie ernst Ihnen das ist, das konnte man heute wieder
in der Zeitung nachlesen. Da gibt es Ihren ehemaligen
Bundeskanzler. In der Zeitung steht:

Die Londoner City feiert Gerhard Schröder

Während die SPD einen Wahlkampf gegen die Ban-
ken plant, tingelt Gerhard Schröder durch die Lon-
doner City. Der Ex-Kanzler und frühere SPD-Chef
erntet in der Finanzgemeinde großen Applaus.


(Ulrich Kelber [SPD]: Weiterlesen! Weiterlesen! – Zurufe von der FDP und der CDU/ CSU)


Seine ehemaligen Jünger, die hier versammelt sind – da-
mals Generalsekretär, Büroleiter oder Kanzleramtsminis-
ter, Pop-Beauftragter der SPD, erster Schlafanzugauf-
bügler des Bundeskanzlers usw. usw. –,


(Heiterkeit bei der FDP)


pflegen den Populismus, und Gerhard Schröder lässt
sich in der Londoner City mit einer goldenen Sänfte
durch die Gegend tragen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Karneval!)


Ich zitiere weiter aus dem Handelsblatt:

Am Kopf der Tafel, vor einer beleuchteten Pracht-
vitrine mit wuchtigen Silbertellern und Pokalen,
sprach Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder gestern
Abend vor … 150 handverlesenen, festlich geklei-
deten Gästen aus der Finanzbranche, …


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind ja nur neidisch!)


und lässt sich dafür feiern, dass Sie damals die Leerver-
käufe erlaubt haben. Das ist der Unterschied. Das ist
alles nicht seriös, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Sie sind kein ernsthafter Partner für die Bürger und
Unternehmen in der Industrie- und Wirtschaftspolitik.


(Thomas Oppermann [SPD]: Und Sie sind ein Ausbund an seriöser Politik!)


Sie müssen erst einmal Ihren eigenen Laden sortieren.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie müssen erst mal ins Parlament kommen!)


– Ach, wissen Sie, Herr Heil, Sie waren einmal ein seriö-
ser Partner. 1969, als wir gemeinsam regierten, da hatte
Ihre Partei 45 Prozent und unsere 5 Prozent. Jetzt
schauen Sie einmal, wie Sie sich in den letzten 40 Jahren
entwickelt haben. Das hat eine Ursache. Sie sind eine
Populistenpartei geworden, sonst gar nichts. Sie bleiben

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(C (D der Opposition, das ist sicher. Wir bleiben ein verlässcher Partner in der Wirtschaftspolitik, in der Industrieolitik, für die Bürgerinnen und Bürger und für dieses and. Herzlichen Dank. Nächste Rednerin in unserer Aussprache ist für die raktion Bündnis 90/Die Grünen unsere Kollegin erstin Andreae. Bitte schön, Frau Kollegin Kerstin ndreae. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, eutschland ist ein erfolgreiches Industrieland. Und ja, ir wollen, dass das so bleibt. Die Industrie ist Partner ei der ökologischen Erneuerung. Wir brauchen eine Ereuerung; der Klimawandel und die begrenzten Kapaziten zwingen uns dazu. Ökologie ist das Kernthema der konomie. Deswegen unterscheiden wir Grüne nicht wischen Ökoindustrien und anderen Industrien, sonern sagen: Jeder Industriezweig und jede industrielle ranche muss grün werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Holger Krestel [FDP] – Edelgard Bulmahn [SPD]: Grün anstreichen reicht aber nicht aus!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715805300
Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715805400

Ich komme noch zur SPD.

Ich möchte über die Aufgabe und die Chance der In-
ustrie reden. Was ist das Leitbild einer Industriepolitik
nd der Industrienation Deutschland? Ich sage: Es ist die
ufgabe, aber auch die Chance der deutschen Industrie,
ösungen für die Probleme der Welt zu liefern. Fast je-
er zweite Euro wird im Export verdient. Das zwingt
uch dazu, Verantwortung zu übernehmen und sich um
lobale Probleme zu kümmern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Was sind die Probleme? Die ökologischen Probleme
ind die größten. Der Energiehunger weltweit wächst gi-
antisch. Rohstoffe werden immer knapper und dadurch
urer. Es ist doch die deutsche Wirtschaft, die die Anla-
en für die effizienteste Kreislaufwirtschaft entwickeln
uss. Sie muss Verfahren entwickeln, um Seltene Erden

us den Handys zu holen. Sie muss Antworten finden,
ie wir den Lebensstandard sichern können, ohne Raub-
au zu betreiben.

Die Unternehmen wissen es längst: Die ökologische
odernisierung birgt enorme Wettbewerbschancen.

vonik-Chef Klaus Engel preist die Bedeutung einer
achhaltigen Produktion für die Wettbewerbsfähigkeit
er Chemie. Die Autokonzerne stellen sich neu auf: Wer
as Auto neu erfindet, wird die Nase vorn haben. Das
etrifft nicht nur den Motor und die Bauweise, sondern
or allem das Nutzungskonzept und die Einbettung des
utomobils in einen integrierten Verkehrsverbund mit
ahn und öffentlichem Nahverkehr.





Kerstin Andreae


(A) )


)(B)

Liebe SPD,


(Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP: Oh! – Rainer Brüderle [FDP]: Jetzt kommt eine Liebeserklärung!)


wir haben einen grünen Ministerpräsidenten in Baden-
Württemberg, der den einfachen und richtigen Satz ge-
sagt hat: „Weniger Autos sind natürlich besser als mehr.“


(Rainer Brüderle [FDP]: Das sieht die IG Metall anders! – Thomas Oppermann [SPD]: Das muss man aber wieder ein bisschen relativieren! Das kann man so nicht ganz stehen lassen! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist aber ein großer Irrtum von dem Ministerpräsidenten!)


Das ist ein einfacher und richtiger Satz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ging ein Erzittern durch Baden-Württemberg. Und
was macht die SPD? Die SPD antwortet mit der grandio-
sen Formulierung: „Wir haben Benzin im Blut.“


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja lebensgefährlich!)


Haben Sie Ideen in den Köpfen statt Benzin im Blut!


(Rainer Brüderle [FDP]: Da gibt’s eine Ehekrise, Oppermann!)


Wir brauchen neue Mobilitätskonzepte. Natürlich brau-
chen wir eine Antwort auf die Frage, wie sich die Auto-
mobilindustrie aufstellt; aber das geht doch nicht mit
„höher, schneller, weiter, mehr“, sondern mit „besser, ef-
fizienter und schlauer“.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Lötzer [DIE LINKE])


Moderne Industriepolitik – das ist für uns ökologische
Industriepolitik – entscheidet sich an drei Dingen: an der
Energiewende – ökologische Industriepolitik ist mehr als
Solarzellen und Windräder – und an Bildung und Inno-
vation als Zukunftsressourcen der Industrie. Was ist
denn das Kapital, das wir haben? Wissen und Rohstoffe.
Rohstoffe sind begrenzt; sie müssen auch noch für die
reichen, die nach uns kommen. Aber Wissen ist unbe-
grenzt und unbegrenzt vermehrbar. Das ist unsere Kern-
ressource, auf die wir achten müssen.

Zur Energiewende. Die größte Sorge der Unternehmen
gilt der Verfügbarkeit und dem Preis von Energie und
Rohstoffen. Diese Sorge nehmen wir ernst; aber unsere
Antwort ist nicht, mehr und mehr Unternehmen von der
EEG-Umlage zu befreien, so wie Sie es gemacht haben;
aus 600 Unternehmen wurden 6 000. Herr Riesenhuber,
unsere Antwort ist auch nicht, Menschenrechte hinter die
Rohstoffsicherung zu stellen. Menschenrechte sind unab-
dingbar notwendig; wir müssen sie immer wieder vorne
anstellen. Deswegen war der Beitrag von Herrn Lindner
an der Stelle wirklich fahrlässig.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Ulla Lötzer [DIE LINKE])


Deutschland ist an einer Stelle Top Runner: beim
tomausstieg. Jetzt müssen wir aber auch Top Runner
ei der Energiewende werden. Wer sagt: „Dann geht das
icht aus“, hat wohl nicht begriffen, was in den letzten
ochen passiert ist: Wir haben in der Größenordnung

er Produktion von drei bis vier Atomkraftwerken Strom
ach Frankreich exportiert; denn das Licht bei uns in
eutschland ging nicht aus. Vielmehr hatte Frankreich

in Problem mit der Versorgungssicherung. Und warum?
eil sie so verschwenderisch mit Energie umgehen: Sie

eizen mit Strom, und das bei unzureichender Wärme-
olierung. In Frankreich kostet die Kilowattstunde an
er Strombörse 34 Cent; das ist dreimal mehr als bei uns.
as lernen wir daraus für die Lösungen, die wir formu-

eren müssen? Energieeffizienz ist der Knackpunkt,
enn es um die Versorgungssicherheit geht, und sichert

udem geringe Energiekosten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Hier dürfen Sie das Pedal ruhig einmal durchdrücken.
orgen Sie doch für Energieeffizienz! Was machen Sie?
Ihrem Antrag loben Sie zwar den Energieeffizienz-
nds, aber leider sind im Jahr 2011 nur knapp 10 Prozent

er Mittel abgerufen worden, weil die Förderrichtlinien
icht funktionieren. Sie haben die Mittel für Klimaschutz
nd Energieeffizienz halbiert. Rösler blockiert eine Ener-
ieeinsparverpflichtung von jährlich 1,5 Prozent. Auch

Bereich KfW-Förderprogramm, Städtebauförderung
nd Gebäudesanierung gibt es ein Hü und Hott.


(Florian Toncar [FDP]: Ja, das ist der Bundesrat!)


Unser Wachstumsfanatiker Wirtschaftsminister
ösler


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der würde schon gerne wachsen! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wo ist er denn?)


ill die wichtigste Wachstumsbranche in Deutschland
eschädigen. Das ist nicht zu verstehen; denn die Branche
er erneuerbaren Energien ist nicht nur eine mittelstän-
isch geprägte Industrie. Wir reden nicht nur über ein
aar Solarbetriebe, sondern wir reden über 400 000 Ar-
eitsplätze und ein enormes Entwicklungspotenzial.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


er Angriff Röslers auf das EEG ist leicht durchschau-
ar. Die erneuerbaren Energien werden immer erfolgrei-
her


(Holger Krestel [FDP]: Nur mit Steuergeldern erfolgreich! Sie können nicht aus sich selbst heraus existieren!)


nd stellen natürlich eine Bedrohung für die klassischen
nergieversorger dar. Was macht der Wirtschaftsminis-
r? Er stellt sich vor das Oligopol, anstatt Wettbewerb

u fördern. Das ist völlig durchschaubar.





Kerstin Andreae


(A) )


)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich denke, das ist ein Liberaler, ein Marktwirtschaftler!)


Klar ist: Eine Überförderung ist schädlich. Klar ist
auch – das sagt im Übrigen auch die Solarbranche –:


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Die Solarbranche! Das sind die Lohndrücker! Die senken den Leuten den Lohn!)


Die Vergütungssätze im Bereich Photovoltaik können
und müssen weiter abgebaut werden. Die Branche der
erneuerbaren Energien, also auch die Solarbranche, ist
die erfolgreichste Industriebranche des letzten Jahr-
zehnts:


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja, in China! Aber nicht bei uns!)


mit einer rasanten Entwicklung im Bereich unserer Ener-
gieversorgung, mit einem unvergleichlichen Zuwachs an
Jobs und sehr innovativen Entwicklungen.


(Holger Krestel [FDP]: Nur mit Steuergeldern! Jeder Deutsche muss dafür zahlen!)


Wundert Sie es angesichts dieser Tatsache wirklich, dass
China als Wettbewerber auf den Markt kommt und mit-
spielt?


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein! – Florian Toncar [FDP]: Überhaupt nicht! – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Sie wollen doch, dass man mehr Sanktionen macht!)


Wundert Sie es, dass ein großer Player in einen Bereich
einsteigt, wo Geld zu verdienen ist, wo hohe Renditen
erzielt werden können? Doch wohl nicht! Wir erwarten
von einem Wirtschaftsminister allerdings, dass er sich
vor die deutsche Solarwirtschaft stellt und sie verteidigt.
Wenn er das nicht kann, dann soll es die Kanzlerin tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zur SPD. Ich habe eine Äußerung Ihres Vorsitzenden
Steinmeier gelesen, die für mich deutlich machte, dass er
einen erstaunlich verkürzten Blick auf die Green Eco-
nomy hat. Er sprach vom Zusammenbasteln von Photo-
voltaikzellen, die überwiegend aus China kommen. Im
Zusammenhang mit der Windkraft sprach er von einem
Dynamo auf einem Mast. Abgesehen davon, dass ein
Atomkraftwerk auch nur eine große Dampfmaschine mit
einer extrem gefährlichen Wärmequelle ist, offenbart
dies ein großes Missverständnis. Photovoltaik – das ist
eine mittelständische Maschinenbaufabrik, die Anlagen
baut, das ist der Hersteller der Solarmodule, der Wech-
selrichter bis hin zur Handwerksfirma, die die Module
aufs Dach baut. Windkraft – das ist der Stahlproduzent,
die Baufirma und der Industriekletterer. Wir müssen im-
mer die ganze Wertschöpfungskette in den Blick neh-
men. Das ist vernünftige Industriepolitik.

Liebe SPD, unter dem damaligen Umweltminister
Sigmar Gabriel hattet ihr das Programm „Ökologische
Industriepolitik“. Davon lese ich jetzt nichts mehr. Ich

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(C (D rdere euch auf: Bekennt euch klar zur ökologischen Inustriepolitik! (Rainer Brüderle [FDP]: Bekennt euch zu Hartz IV!)


altet Kurs beim nachhaltigen Umbau der Industriege-
ellschaft! Nicht wackeln, nicht zaudern, sondern Kurs
alten! Das ist unsere Bitte an euch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rainer Brüderle [FDP]: Etwas zu Hartz IV bitte!)


Wir brauchen eine innovative Wirtschaft. Wir haben
it Freude gelesen, dass die Koalition in ihrem Ent-

chließungsantrag die steuerliche Forschungsförderung
och in dieser Wahlperiode umsetzen will.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist es! Ja! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Da sind wir aber mal gespannt!)


ies hören wir im halbjährlichen Rhythmus. Liefern Sie
ndlich! Wir machen mit. Setzen Sie die steuerliche For-
chungsförderung um! Das ist unser Instrument, um
novationen und Ideen voranzutreiben.

Für uns Grüne ist klar: Ökologie muss ins Zentrum
er Ökonomie. Die Industrie ist Partner, wenn es darum
eht, anderes anders zu produzieren. Aber auch für die
dustrie gilt: Es geht nicht um „höher, schneller, wei-
r“, sondern es geht um „besser, klüger und effizienter“.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715805500

Vielen Dank, Frau Kollegin Kerstin Andreae. –

ächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU un-
er Kollege Dr. Georg Nüßlein. Bitte schön, Kollege
r. Nüßlein.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Jetzt wird wieder der Oettinger beschimpft, wie gestern! – Gegenruf des Abg. Rainer Brüderle [FDP]: Zuhören!)



Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1715805600

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Liebe

rau Kollegin Andreae, wir hatten vor kurzem Gelegen-
eit, ein Streitgespräch über das Thema Wirtschaftsent-
icklung, Wirtschaftswachstum zu führen und die unter-

chiedlichen Ansätze darzulegen, das in der Welt
bgedruckt wurde. Damals haben Sie versucht, mir
laubhaft zu machen, dass die Grünen sich vom Ver-
ichtsumweltschutz abgewandt hätten und jetzt auch auf
em Pfad der Tugend, auf dem Pfad der Hochtechnolo-
ie angekommen seien, dass sie die ökologischen Pro-
leme jetzt auch mithilfe der Technik lösen wollten.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen wir schon seit 20 Jahren!)


Heute bin ich ein bisschen enttäuscht. Ich bin ent-
uscht, dass Sie den baden-württembergischen Minis-





Dr. Georg Nüßlein


(A) )


)(B)

terpräsidenten zitiert haben. Er ist immerhin Minister-
präsident in einem Autoland, hat aber einen unglaublich
dummen Satz gesagt:

Weniger Autos sind … besser als mehr.

Das ist doch genau dieser Verzichtsansatz, von dem ich
gesprochen habe.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist ein Zitat von DaimlerBenz!)


Ich hätte mir gewünscht, dass Sie an dieser Stelle einmal
würdigen, was sich in der Automobilbranche getan hat,
wie der Kraftstoffverbrauch unserer Autos gesenkt
wurde, welche Hochtechnologien in diesem Bereich ent-
wickelt wurden.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Das hätte man an dieser Stelle einmal loben müssen. Das
wäre sinnvoll und richtig gewesen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Stattdessen haben Sie, wie üblich, einen ökologischen
Tunnelblick. Sie teilen die Industrie in eine gute, weil
ökologische Industrie, und eine böse, weil angeblich
nicht ökologische Industrie. Das bedauere ich sehr.

Nun zu dem, was Sie zu der Branche der erneuerbaren
Energien gesagt haben. Ja, es ist richtig: Diese Branche
wächst, und wir freuen uns darüber. Aber sie treibt unser
industrielles Wachstum und unsere Industrie insgesamt
nicht voran. Ganz vorne steht die Kraftwagen- und
Kraftwagenteilebranche; ganz vorne stehen auch der
Maschinenbau und die chemische Industrie. Das muss
man der Richtigkeit halber hier einmal anführen. Die
Welt ist nicht so klein und nicht so einfach, wie die Grü-
nen sie gerne hätten.

Wenn man über Industriepolitik diskutiert, muss man
meiner Ansicht erst einmal sagen, was man sich darunter
vorstellt. Ich glaube, dass die linke Seite dieses Hauses
ein ganz anderes Verständnis davon hat als die rechte
Seite.


(Ulla Lötzer [DIE LINKE]: Gott sei Dank!)


Frau Lötzer, wir wollen keinen Deutschland-Plan, der
nicht aufgeht, keine staatliche Intervention, Dirigismus
und Subventionen mit daraus resultierenden Fehlalloka-
tionen, sondern wir wollen gute und gesunde Rahmenbe-
dingungen wie die, die die Kolleginnen und Kollegen
aus unseren Reihen heute vorgestellt und andiskutiert
haben.

All die Dinge, über die wir heute im Zusammenhang
mit der Industriepolitik diskutieren – das wird irgend-
wann einmal auch Sie einholen –,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Man kann nur liefern, wenn man etwas auf Lager hat!)


stehen natürlich unter haushalterischen Restriktionen,
und das ist gut so; denn Keynes funktioniert nur zur
Hälfte, nämlich wenn es darum geht, in der Not staatli-
cherseits Geld auszugeben, aber Keynes funktioniert

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(C (D icht, wenn es um das Sparen in der Zeit geht. Unter dieem Gesichtspunkt halte ich es für zentral, dass wir die chuldenbremse ins Grundgesetz eingefügt und auch für ie Ausnahmetatbestände die richtigen Formulierungen efunden haben. Ich bin der Überzeugung, dass dies ein eispiel für andere europäische Staaten sein muss. Diese Schuldenkrise ist nicht zu lösen, indem man die robleme mit einem Berg Geld zudeckt. Vielmehr muss an in den Schuldenstaaten zu Haushaltsdisziplin und ettbewerbsfähigkeit zurückkehren. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Da waren Sie ja sehr erfolgreich!)


Ich sage Ihnen ganz offen: Wer, wie etliche von ganz
nks, den Außenhandelsüberschuss Deutschlands ver-
ufelt, geht das Thema von der falschen Seite an. Es
eht doch nicht darum, unsere Wettbewerbsfähigkeit ab-
usenken, sondern es muss darum gehen, dass die ande-
n Staaten, die sich in einer schwierigen Situation be-
nden, ihre Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangen. Ich
eine, wir sollten stolz darauf sein, dass die Exporte
eutschlands im letzten Jahr den Wert von 1 Billion
uro überschritten haben. Darauf sollte man doch stolz
ein!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Brüderle [FDP] – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Nicht jeder kann Exportweltmeister werden!)


Wir haben diese Wettbewerbsfähigkeit wieder er-
icht.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: VoodooÖkonomie!)


as verdanken wir gut ausgebildeten Arbeitnehmerin-
en und Arbeitnehmern, aber insbesondere einer innova-
onsorientierten Partnerschaft zwischen Industrie und
ittelstand. Ich sage das ganz bewusst, weil man diese

erzahnung, die wichtig ist, nicht aus den Augen lassen
ollte. Wenn man also über Industriepolitik redet, redet
an auch über den Mittelstand; denn diese beiden hän-

en zusammen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben etliches über Energieversorgung und Ener-
iepolitik gehört. Mich haben die Schuldzuweisungen
estört, weil sie zu einfach waren. Wenn man, wie die
PD, immerhin elf Jahre lang mitregiert hat und für sich
Anspruch nimmt, schon sehr viel früher eine Ener-

iewende eingeleitet zu haben, dann kann man sich
eute nicht hinstellen und sagen: Wir haben in elf Jahren
der Infrastruktur nichts bewegt. Aber euch halten wir

or, dass ihr das letzte Jahr an der Stelle nichts zuwege
ebracht habt.


(Rolf Hempelmann [SPD]: Ihr habt es doch blockiert!)


a stimmen doch die zeitlichen Horizonte nicht. Das
asst nicht zusammen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sagen Sie noch einen Satz zu Oettinger! – Rolf Hempelmann Dr. Georg Nüßlein )





(A) )

[SPD]: Eure Laufzeitverlängerung hat das blo-
ckiert!)

Die Energiewende und der Emissionshandel dürfen
nach meiner festen Überzeugung nicht zu einer Deindus-
trialisierung in diesem Land führen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Die Gefahr ist bei dieser Regierung da! Das stimmt!)


Das ist die oberste Priorität bei all dem, was wir jetzt
tun. Deshalb ist die Austarierung der Kosten, die hier
immer wieder gegeißelt wird, eine sehr richtige Maß-
nahme. Wir haben einen Fokus auf die Industriebran-
chen, die im internationalen Wettbewerb stehen.

Ich wehre mich dagegen – das wird ja vorgebracht –,
dass man die Verlagerungsgefahr in den Vordergrund
stellt, nach dem Motto: Die Unternehmen, die in
Deutschland sind und nicht wegkönnen, müssen das dul-
den und erleiden, und auf die anderen Unternehmen, die
ein Verlagerungspotenzial haben, müssen wir aufpassen.
Das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist,
dass wir auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unterneh-
men aufpassen. Ich meine, das sollten wir gemeinsam
tun.

Ich halte es für relativ unfair und populistisch, wenn
dagegen Stellung bezogen wird, dass wir die Eingriffe,
die Rot-Grün seinerzeit beispielsweise bei der Härtefall-
regelung im EEG vorgenommen hat, entsprechend aus-
bauen. In dem Maße, wie sich die Lasten aus dem Aus-
bau der erneuerbaren Energien nach oben entwickelt
haben, werden wir das ausbauen müssen und haben das
auch schon getan.

Richtig ist, dass wir die Energieversorgung in diesem
Land komplett neu denken müssen. Die Geschäftsmo-
delle der Versorger werden sich ändern. Sie werden in
Zukunft Ersatzkapazitäten liefern müssen. Sie werden
für Verteilung und Ausgleich zuständig. Das ist eine an-
dere Welt, in die wir erst schrittweise eintreten müssen.
Dazu braucht man Geld, aber insbesondere auch Zeit. Da
bitte ich schon ein bisschen um Gnade für all diejenigen,
die das umsetzen müssen – nicht so sehr für die Regie-
rung, sondern für diejenigen, die dem letztlich nachkom-
men müssen.

Aber das klingt mir fast schon ein bisschen zu demü-
tig; denn wenn ich mir anschaue, dass in Ihrer Zeit die
Kapazitäten im Bereich der Erneuerbaren auf Teufel
komm raus und mit jedem verfügbaren Cent und Euro
aufgebaut wurden, dann muss ich sagen, dass das nichts
mit Versorgung zu tun hat. Eine Versorgung aufzubauen,
ist die eigentliche Herausforderung, auch und insbeson-
dere für unsere Industrie.

Ich möchte in diesem Zusammenhang sehr deutlich
unterstreichen – Sie haben ja vorhin angemahnt, ich
solle etwas zu Oettinger sagen –, dass Deutschland in
der Energiepolitik einen Sonderweg geht und dass dieser
Sonderweg natürlich Anstrengungen erfordert, die es
gleichzeitig nur noch eingeschränkt möglich machen,
zusätzliche Auflagen der Europäischen Union zu erfül-
len. Wenn ich höre, was auf der europäischen Ebene al-
les in der Pipeline ist, dann wird mir schon ein bisschen

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(C (D ulmig. So wird zum Beispiel darüber diskutiert, die nergiesteuer für Diesel in Deutschland von 0,47 Euro ro Liter auf rund 0,75 Euro pro Liter anzuheben, weil ie Besteuerung zukünftig nicht mehr am Volumen, sonern am Energiegehalt festgemacht werden soll. Das ind Ideen, die wir aus unserer Sicht in Deutschland icht mittragen können; das können wir so nicht verantorten. Ich unterstreiche ferner, dass der Emissionshandel, enn er denn jetzt funktioniert, nicht sofort wieder inage gestellt werden darf, weil es zu wenige Einnahmen ibt. Weil im Energieund Klimafonds die Gelder knapp erden, wird sofort darüber diskutiert, ob wir nicht an er Schraube drehen und die CO2-Zertifikate teurer mahen sollten. Ich halte das für den falschen Weg. Wir als taat müssen lernen, mit dem Geld, das vorhanden ist, mzugehen. Die Europäische Kommission, aber auch die Bundesgierung befassen sich mit dem Thema REACH. Ich in in großer Sorge, was die bürokratische Umsetzung ieser Thematik angeht. Ich appelliere an die zuständien Behörden, mit Fingerspitzengefühl an das Thema eranzugehen. Die Chemiebranche – das habe ich einleind gesagt – ist eine wichtige Branche in Deutschland. eshalb brauchen wir Fingerspitzengefühl bei der Um etzung der Verordnung und einen Review auf der euroäischen Ebene, also einen sinnvollen und gezielten mgang mit den Erfahrungen, die man an der Stelle acht, sodass wir zu Verbesserungen kommen, die in ustriepolitisch vertretbar sind. Ich möchte abschließend unterstreichen, dass wir icht gewillt sind, jedem Drängen aus der Industrie achzugeben. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


h meine diesen permanenten Ruf nach mehr Zuwande-
ng. Da sind Sie, Herr Kollege Trittin, sehr viel offener

ls wir.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ach so! Bleibt bloß draußen, ihr Schlauköpfe der Welt!)


ir sagen: Wir müssen erst einmal die Arbeitskräfte, die
ir im Lande haben, entsprechend einsetzen. Bei den
rauen und bei den Älteren gibt es viel Potenzial. Auch
ei den Migranten, die schon hier sind, gibt es eine
enge Potenzial, das man erst einmal ausschöpfen
uss, bevor man schon wieder nach billigen zusätzli-

hen Kräften aus dem Ausland ruft. Das halte ich für
ringend geboten. Ich rate in dieser Frage zu Klugheit
nd zu Zurückhaltung.

Wir sollten aber ein bisschen weniger zurückhaltend
ein, wenn es darum geht, stolz auf unsere Erfolge zu
ein. Wir sollten weniger zurückhaltend sein, wenn es
arum geht, stolz auf das Gütesiegel „Made in Ger-
any“ zu sein, das unsere Industrie in die Welt hinaus-
ägt. Während wir zurückhaltend mit unserem Stolz
ind, sind andere ambitioniert, wenn es darum geht,
Made in Germany“-Produkte zu bekommen. Das finde





Dr. Georg Nüßlein


(A) )


)(B)

ich bedauerlich. Ich würde mich freuen, wenn wir im
Fortgang der Debatte noch einiges dazu hören.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715805700

Vielen Dank, Kollege Dr. Nüßlein. – Nächste Redne-

rin in unserer Debatte ist für die Fraktion der Sozialde-
mokraten unsere Kollegin Edelgard Bulmahn. Bitte
schön, Frau Kollegin Bulmahn.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1715805800

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Kolleginnen und Kollegen! Herr Nüßlein, ich bin stolz
auf das, was hier erreicht worden ist, auf das, was wir
geschafft haben. Ich bin auch zutiefst davon überzeugt,
dass wir keine der großen Herausforderungen, vor denen
wir weltweit stehen – die Versorgung einer rasant zuneh-
menden Weltbevölkerung, die Verknappung lebenswich-
tiger Ressourcen, die wir überall erleben, der zuneh-
mende weltweite Wettbewerb und die Überwindung der
Armut –, ohne eine starke Industrie bewältigen können.


(Beifall bei der SPD)


Deshalb ist das, was hier gesagt worden ist, richtig:
Deutschland ist ein Industrieland. Deutschland braucht
auch in Zukunft eine starke Industrie als Basis einer wis-
sensintensiven und wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft.
Das hat sich im Übrigen gerade in der jüngsten Vergan-
genheit wieder gezeigt. Deutschland hat die Finanzkrise
im Vergleich zu anderen europäischen Ländern deutlich
besser überstanden, weil wir über eine breite industrielle
Wertschöpfungskette von der Grundstoffindustrie bis zur
hochkomplexen Hightechindustrie verfügen. Wenn man
sich anschaut, dass fast jeder dritte Arbeitsplatz in
Deutschland an der Entwicklung industrieller Wert-
schöpfung hängt, ist, glaube ich, jedem klar, wie wichtig
die Industrie für uns ist. Allein das ist Grund genug, sich
der Aufgabe zu stellen, den Industriestandort Deutsch-
land durch eine integrierte Industriepolitik zu stärken.

Diese Aufgabe ist umso wichtiger, als unsere Indus-
trie in vielen Bereichen vor der Herausforderung steht,
wie man mit deutlich weniger Energie und Ressourcen
einen auskömmlichen Wohlstand für möglichst viele
Menschen sicherstellen und dies mit einer umfangrei-
chen Teilhabe und einem Mehr an Lebensqualität ver-
knüpfen kann. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist
nachhaltig. Das ist mehr als „grün“. Es geht also um
nachhaltiges Wirtschaften. Das muss unsere Zielsetzung
sein.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ulla Lötzer [DIE LINKE])


In der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand,
Lebensqualität“ diskutieren wir zurzeit darüber, wie eine
Entkoppelung von Wachstum und Ressourcenverbrauch
erreicht werden kann, und zwar nicht nur bei einzelnen
Verfahren und Produkten. Ernst Ulrich von Weizsäcker
sagt: Eine Verfünffachung der Ressourcenproduktivität

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(C (D t möglich. – Möglich wird dies nur durch grundlegende novationen; denn sie sind die Eintrittskarte in die ärkte von morgen. Die Frage ist: Kann das gelingen? h bin davon überzeugt: Es kann gelingen. Ich will einige Beispiel nennen. In Deutschland onnte die Chemiebranche ihre Produktion in der Zeit on 1990 bis 2009 um 42 Prozent steigern. Gleichzeitig duzierte sie ihren Energieeinsatz um 33 Prozent und ie Treibhausgasemissionen um 48 Prozent. Ein anderes eispiel sind LEDs, die nicht nur viel weniger Energie ls herkömmliche Leuchtquellen verbrauchen, sondern uch erheblich umweltfreundlicher als Energiesparlamen sind. Ein drittes Beispiel: die regenerativen Enerien. Wer von Ihnen hätte vor 15 Jahren gedacht, dass ir heute 17 Prozent unseres Stromverbrauchs mit regeerativen Energien decken können? Das ist doch ein Erlg. Das zeigt, was man mit einer konsequenten Innova onspolitik, wie wir sie betrieben haben, tatsächlich rreichen kann. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die deutsche Industrie – das unterscheidet sie von der
dustrie anderer Länder – bietet aufgrund ihrer Bran-

henstruktur hervorragende Ansätze für eine Effizienz-
volution, sowohl bei der Energie als auch beim
ohstoffverbrauch. Sei es die Chemiebranche, der Ma-

chinenbau, der Anlagenbau, die Bauindustrie, die Auto-
obilindustrie oder sogar die Gesundheitswirtschaft, all

iese Industrien verfügen über hervorragende Chancen.
ie Verfügbarkeit von Rohstoffen würde im Übrigen im-
ens gesteigert werden, würden wir tatsächlich überall
ohstoffkreisläufe etablieren.

Bei der Wiederverwertung von Kupfer, Aluminium
nd Roheisen haben wir in den vergangenen 10, 12 Jah-
n erhebliche Fortschritte erzielt; das ist keine Frage,

nd das wissen Sie alle. Wenn ich mir aber vor Augen
alte, dass wir zum Beispiel bei den seltenen Metallen
ine Recyclingquote von unter 1 Prozent haben, dann
uss ich feststellen: Hier haben wir noch eine Menge zu
n, und hier haben wir noch viele Möglichkeiten. Die-

es Problem wird nicht durch eine politische Willenser-
lärung gelöst. Vielmehr müssen wir insgesamt – von
er Forschung und Entwicklung über die Anwendung
is hin zur Organisation von Kreisläufen – zu einem bes-
eren Ergebnis kommen.

Der Nutzen liegt auf der Hand: Verringerung der Um-
eltschäden, Verringerung der Importabhängigkeit, Ver-
ngerung des Energiebedarfs, Senkung der Treibhaus-
asemissionen, Schonung der natürlichen Ressourcen.
as wäre der Nutzen, wenn es uns gelingt, überall Roh-

toffkreisläufe zu etablieren. Ganz ausdrücklich sage ich
nen, liebe Kollegen: Natürlich brauchen wir auch Roh-

toffpartnerschaften; das ist für mich keine Frage, ich
alte sie für wichtig. Man muss aber überlegen, mit wem
an sie abschließt.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wie wäre es denn mit Österreich und den Niederlanden?)






Edelgard Bulmahn


(A) )


)(B)

Im Kern geht es eigentlich um mehr. Gerade die deut-
sche Industrie kann auch mehr. Bei der Entwicklung von
Rohstoffkreisläufen an der Spitze zu sein, bedeutet, ge-
genüber anderen einen immensen wirtschaftlichen Vor-
teil zu haben.


(Beifall bei der SPD)


Die Fragen, die ich mir stelle, liebe Kolleginnen und
Kollegen, lauten: Wo ist der Masterplan der Bundes-
regierung zur Verfünffachung der Ressourceneffizienz?
Wo sind Ihre konkreten Vorschläge? Erfolgreich ist
Innovationspolitik nicht dann, wenn man nur ein für alle
sichtbares Großprojekt auf den Weg bringt. Sie ist dann
erfolgreich, wenn es gelingt, den technischen Fortschritt
in Bereichen, die querschnittartig wirken, zu stimulieren
und Forschung und Unternehmen eng miteinander zu
vernetzen.


(Beifall bei der SPD)


Wer weiß denn schon, wie wichtig zum Beispiel Mi-
krotechnologie, Mikroelektronik und Optoelektronik in
allen möglichen Bereichen für die Ressourceneffizienz
sind? Hier müssen wir weitermachen. Wer sich den VDI-
Bericht angeschaut hat, weiß, dass wir hier inzwischen
Probleme haben. Es gibt Lücken. „Schlüsseltechnolo-
gien“ ist das entscheidende Wort. Ich bin davon über-
zeugt, dass die deutsche Industrie sehr stark ist, keine
Frage. Wir müssen aber dafür Sorge tragen, dass sie auch
in den neuen Technologiefeldern zu den Marktführern
gehört.

Kurz gesagt: Innovationspolitik ist eine Querschnitts-
aufgabe. Sie reicht von der direkten Forschungsförde-
rung über die Gestaltung innovationsfreundlicher
Rahmenbedingungen im gesamten Bereich der Gesetz-
gebung, der Normierung und der Standardsetzung bis
zur gezielten Nutzung des Beschaffungspotenzials der
öffentlichen Hand. Nicht zuletzt spielen kulturelle Fak-
toren eine Rolle.

Herr Pfeiffer, da frage ich mich natürlich: Warum la-
mentieren Sie hier nur darüber? Das hilft doch keinem.
Lamentieren hilft nie; man muss etwas tun.


(Beifall bei der SPD)


Ich frage mich: Wo sind Ihre Forschungsprogramme?
Wo sind Ihre Initiativen, um Technologieoffenheit zu
stützen? Ich habe damals die Wissenschaftsjahre ins Le-
ben gerufen. Ich finde, das war und ist eine gute Initia-
tive, um die Technologieoffenheit zu stützen.


(Beifall bei der SPD)


Wo ist Ihr Masterplan zur Erreichung der Klimaschutz-
ziele? Wo sind die Meilensteine, Zwischenziele und
Wege beschrieben? Wo ist die Offensive zur Bewälti-
gung des Fachkräftemangels und zur Überwindung der
Spaltung des Arbeitsmarktes?


(Beifall bei der SPD)


Wir wissen doch: Die Unternehmen leben von dem Kön-
nen und dem Engagement ihrer Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter. Deshalb sind gut qualifizierte und auch mo-
tivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schlüssel


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(C (D r die Zukunftsfähigkeit der Industrie und dafür, dass ir wettbewerbsfähig bleiben. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ulla Lötzer [DIE LINKE])


Die Zahl der Studierenden ist in der letzten Dekade
estiegen. Das ist gut; hier haben wir in den letzten 12,
3 Jahren viel erreicht.

Aber viel zu viele Jugendliche bleiben noch immer
hancenlos, weil sie keine oder eine zu schlechte Ausbil-
ung haben. Man darf hier nicht einfach nur zuschauen.
ir wollen eine Ausbildungsplatzgarantie. Was wollen

ie? Wie wollen Sie das Problem lösen? Und: Was tun
ie eigentlich dafür, dass ältere Arbeitnehmer bis zum
5. oder 67. Lebensjahr beschäftigungsfähig bleiben?


(Thomas Oppermann [SPD]: Gar nichts machen die!)


h muss leider feststellen: Die Fort- und Weiterbildung
ind die vernachlässigten Kinder dieser Bundesregie-
ng. Aber ohne sie geht es nicht.


(Beifall bei der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715805900

Frau Kollegin, Sie haben bitte die Zeit im Auge.


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1715806000

Kurz gesagt: Wo sind Ihre Leitideen? Wo sind Ihre

orschläge, damit die Industrie so gestärkt wird, dass sie
ie Herausforderungen bestehen kann? Niedrige Preise
ind jedenfalls nicht die Lösung; das wissen wir. Eine
oderne Industriepolitik unterstützt den Wandel zu einer

achhaltigen Wirtschaft und bereitet damit die Stärken
on morgen vor.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715806100

Vielen Dank, Frau Kollegin Bulmahn. – Nächster

edner für die Fraktion der FDP ist unser Kollege
hristian Lindner. Bitte schön, Kollege Christian
indner.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Christian Lindner (FDP):
Rede ID: ID1715806200

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Zum

nde dieser Debatte


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nein, noch nicht!)


ill ich drei Bemerkungen machen. Bei meiner ersten
emerkung geht es um die Gemeinsamkeiten, die ich
eute hier bei den Vorrednern aller Fraktionen festge-
tellt habe. Wir sind uns einig über die Bedeutung von
novation, Forschung und Technologie für den Indus-
iestandort Deutschland. Diese Koalition investiert ja
is 2013 12 Milliarden Euro mehr in den Bereich Bil-





Christian Lindner


(A) )


)(B)

dung und Forschung. Wir müssen aber nicht nur über die
Höhe, die Quantität von Forschungsgeldern sprechen,


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Genau! Das ist der Punkt!)


sondern auch über die Qualität und die Methoden, wie
das Geld eingesetzt wird, um zu Innovationen zu kom-
men.


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Genau!)


Ich habe festgestellt, dass es quer durch alle Fraktio-
nen Offenheit für eine steuerliche Forschungsförderung
gibt, und das aus gutem Grund. Die Antrags- und Auf-
tragsforschung, die wir fördern, ist teilweise bürokra-
tisch und deshalb für mittelständische Unternehmen
nicht durchführbar.


(Beifall des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD])


Zum Teil gibt es auch gewisse Schablonen für Inhalte.
Im Bereich der Technologie ist in Deutschland in den
70er-Jahren viel zu viel für die Kernenergie aufgewendet
worden und zu wenig für die Datenverarbeitung. In den
80er- und 90er-Jahren gab es dann den Wechsel hin zur
Datenverarbeitung. Dabei ging es aber fast nur um Hard-
ware und viel zu wenig um Software. Unternehmen vor
Ort, die aus der Praxis kommen und einen Anwendungs-
bezug haben, könnten dies besser lösen. Lassen Sie uns
deshalb in dieser Legislaturperiode vielleicht auch ge-
meinsam die Initiative für eine steuerliche Forschungs-
förderung ergreifen.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD])


– Hubertus Heil, wenn Sie hier applaudieren, dann müs-
sen Sie das im Bundesrat aber auch passieren lassen.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das ist wie bei der Gebäudesanierung! – Garrelt Duin [SPD]: Ach, daran scheitert es? – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Macht doch erst einmal einen Gesetzentwurf! Schäuble hat das doch abgelehnt!)


– Herr Heil, wir sind uns doch in der Sache einig. Lassen
Sie uns hier jetzt nicht darüber streiten, sondern an einer
konkreten Initiative arbeiten.

In meiner zweiten Bemerkung geht es um Trennen-
des. Es gibt ja immer Punkte, bei denen man einer Mei-
nung ist, und andere, bei denen es unterschiedliche Auf-
fassungen gibt. Ich habe gerade einen genannt, bei dem
wir einer Meinung sind, aber es gibt eben auch Trennen-
des. Spannend war für mich, dass die größte Trennungs-
linie in der heutigen Debatte nicht zwischen CDU/CSU
und FDP einerseits und SPD andererseits verlief; den
größten Konflikt gab es vielmehr zwischen SPD und
Grünen, zwischen Ihnen beiden.


(Beifall bei der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nein, zwischen Röttgen und Rösler ist die größte Trennung!)


Es war doch bemerkenswert, wie Sie hier argumentiert
haben. Ihr Antrag enthält viel Kluges zum Thema Stand-

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(C (D rtpolitik und zum Thema Infrastruktur. Die Tonalität, in er Sie das dargestellt haben, finde ich respektabel. Da ieht man, dass es unter Ihnen offenbar noch einige im eutschen Bundestag gibt, die vorher nicht Lehrer wan, sondern in der IG Metall organisiert waren. Sie ken en noch die betriebliche Praxis. Aber wie sieht das zum Beispiel bei der Regierungseteiligung in Nordrhein-Westfalen aus? In Datteln steht as modernste, klimaverträglichste Kohlekraftwerk, desen Zulassung wegen der Grünen blockiert wird. Oder ehmen Sie die CO-Pipeline von Bayer, die für den tandortausbau dringend benötigt wird. Wir als Fraktion aben uns das von der Currenta als Betreibergesellschaft nlängst erklären lassen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Reden Sie doch mal über Niedersachsen! Schleswig-Holstein!)


eer Steinbrück hat vor der Landtagswahl energisch für
en Bau der CO-Pipeline geworben. Jetzt schweigt er
nd mit ihm der ganze SPD-Teil der Landesregierung in
ordrhein-Westfalen. Manch einer von Ihnen in Nord-
ein-Westfalen denkt doch längst wieder wie Johannes
au – seien Sie doch ehrlich –: Lieber ein Haus im Grü-
en als einen Grünen im Haus.


(Heiterkeit bei der FDP)


ie sind sich nämlich nicht klar darüber, welche politi-
chen Prioritäten Sie mit Ihrem sozialökologischen Pro-
kt miteinander auf den Weg bringen wollen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine dritte Bemerkung bezieht sich auf Trennendes
wischen der Koalition und der versammelten Opposi-
on. Das betrifft die Rolle der Finanzmärkte. Selbstver-
tändlich hat es da Exzesse gegeben. Selbstverständlich
uss hier reguliert werden. Aber wir müssen doch aner-

ennen, dass wir leistungsfähige Finanzmärkte brau-
hen.


(Zuruf von der LINKEN: Nein!)


uch in Ihrem Papier wird doch über Risikokapital ge-
chrieben und die Gründer, die wir brauchen. Was ist
enn Risikokapital anderes als eine Spekulation auf eine
ee? Dafür brauchen wir die Mentalität, leistungsfähige
apitalmärkte in Deutschland zu ermöglichen, wenn sie
eordnet sind.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Auf Ideen schon, aber nicht als Zockerei!)


Entschuldigung, Herr Heil. Bei Ihnen ist das doch an-
ers. Welche Vorschläge machen Sie in der Praxis? Ich
enne fast keine Vorschläge, die tatsächlich umsetzbar
ären. Wenn ich darüber hinaus höre, dass Sigmar
abriel sagt, man wolle Wahlkampf gegen die Finanz-
ärkte machen – Wahlkampf gegen die Finanzmärkte! –,

ann ist das wie der Perserkönig Xerxes, der die Meere
uspeitschen lassen wollte. Wir müssen keinen Wahl-
ampf gegen die Finanzmärkte machen, sondern wir
üssen die Finanzmärkte regulieren. Finanzmärkte sind

ein Gegner, sondern eine Aufgabe. Deshalb geht es jetzt





Christian Lindner


(A) )


)(B)

darum, zu handeln und zu gestalten statt zu lamentieren.
Das ist der Auftrag, den wir annehmen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Thomas Oppermann [SPD]: Regulieren Sie erst einmal die Finanzmärkte! – Ulla Lötzer [DIE LINKE]: Wo sind Ihre Vorschläge zur Regulierung?)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715806300

Vielen Dank, Kollege Christian Lindner. – Jetzt für

die Fraktion Die Linke unser Kollege Roland Claus.
Bitte schön, Kollege Roland Claus.


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715806400

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

ren! Die SPD-Fraktion schlägt vor, eine bessere Indus-
triepolitik auf den Weg zu bringen. Das ist gut und rich-
tig. Sie besinnt sich dabei auf sozialdemokratische
Tugend und Traditionen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Danke!)


Um nicht in Verdacht zu geraten, kombiniert sie das mit
dem Begriff „moderne Industriepolitik“. Die Abteilung
„Überschriften“ bei den Sozialdemokraten hat schon im-
mer gut geliefert.

Die SPD entlarvt die industriepolitischen Fehler der
Bundesregierung. Auch da hat sie recht und alle Hände
voll zu tun;


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Stimmt!)


denn von diesem Ministerium wird nicht geliefert. Man
hat eher den Eindruck, dass Bundesminister Rösler seit
Amtsantritt in einem permanenten Lieferstreik steht.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Stimmt! Er hat ja nichts auf Lager!)


Im Antrag klagt die SPD über die fehlende Regulie-
rung der Finanzmärkte. Die SPD muss sich hier natür-
lich fragen lassen: Wer hat Schattenbanken und Heu-
schrecken überhaupt erst zugelassen? Mehr noch:
Warum erscheint die berechtigte Kritik an den Finanz-
märkten nicht auch im Forderungsteil, mit konkreten
Vorschlägen unterlegt?


(Beifall bei der LINKEN)


Wir sagen Ihnen dazu: Eine vernünftige Industriepolitik
wird überhaupt erst wieder möglich sein, wenn die Über-
macht der Finanzmärkte gegenüber der Realwirtschaft
überwunden ist.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir erleben das gerade mit dem Rückzug von Hedge-
fonds aus der Solarbranche und anderem mehr.

Die SPD will gute Arbeit, muss sich aber fragen las-
sen: Wer hat schlechte Arbeit, also Niedriglohn und Zeit-
arbeit, massiv eingeführt? Ich weiß, dass ihr die Agenda

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(C (D 010 jetzt nicht mehr in den Mund nehmen dürft, aber uch das gehört zur Geschichte. Ein wenig mehr Erinnengskultur – von Demut will ich gar nicht reden – hätte em Antrag gutgetan. Aber nun zur Hauptschwäche des Antrags aus meiner icht: Er enthält kein einziges Wort zum Osten und zu der eiterhin anzutreffenden wirtschaftspolitischen und inustriepolitischen Zweiteilung der Republik. Es ist nämch ebenso schick wie falsch, zu behaupten, dass die st-West-Spaltung in Sachen Wirtschaftspolitik von gesrn sei. Das zeigen schon die Größenordnungen. Die 00 größten ostdeutschen Unternehmen zusammengechnet erreichen nicht einmal die Hälfte der Leistungs raft von Daimler. Wir haben es also mit einer Spaltung u tun. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Da wäre Erinnerungskultur auch gut!)


ir haben im Osten eine doppelt so hohe Quote an Nie-
riglohn- und Leiharbeit wie im Westen.


(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Zu DDRZeiten!)


zwischen haben die Unternehmen die Fehler erkannt,
ber sie kommen aus den Verträgen nicht heraus und
ind durch ihre eigenen Zukunftserwartungen gewisser-
aßen geknebelt. Der Anteil an Forschung und Ent-
icklung ist im Osten verschwindend gering.

Aber es gibt auch sehr viele positive Erfahrungen, die
iel zu wenig genutzt werden. Ich denke an die Einfüh-
ng der erneuerbaren Energien. Auch bieten die Kon-

epte der Chemieparks im Osten deutliche Vorteile ge-
enüber den traditionellen Standorten. Ein anderes
eispiel sind die Netzwerke der Ernährungswirtschaft,
ie in Kooperation mit einer modernen Landwirtschaft
ntstanden sind. Es gibt auch, so behaupte ich, einen Er-
hrungsvorsprung im Osten beim sozialökologischen
mbau und bei der Entwicklung einer neuen Unterneh-
enskultur.

Ich will Ihnen abschließend sagen, meine Damen und
erren – Sie sind schließlich immer scharf auf unser Pro-
ramm –: Die Linke steht für eine Wirtschafts- und Indus-
iepolitik, die Mittelstand und Existenzgründern Chan-
en eröffnet, statt sie zu verbauen, und Arbeit schafft, von
er die Beschäftigten sorgenfrei leben können. Die Linke
ill eine Wirtschafts- und Industriepolitik, die zu mehr
irtschaftlicher Stabilität und sozialer Gerechtigkeit glei-

hermaßen beiträgt. Das geht zusammen. Das gehört
icht länger gegeneinander definiert.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715806500

Vielen Dank, Kollege Claus. – Nächster Redner für

ie Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege Andreas
ämmel. Bitte schön, Kollege Andreas Lämmel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )


)(B)


Andreas G. Lämmel (CDU):
Rede ID: ID1715806600

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsi-

dent! Wir verhandeln heute zwei Anträge zur Industrie-
politik: den etwas dünnen Antrag der SPD-Fraktion


(Lachen bei der SPD)


und den wesentlich besser durchdachten Antrag der Ko-
alition.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sind Sie Lehrer oder Parlamentarier?)


Es zeigen sich auch gewisse Unterschiede im Verständ-
nis des Begriffs Industriepolitik. Industriepolitik ist für
die linke Seite des Hauses eher ein Instrument, mit dem
der Staat die Wirtschaft reguliert und mit ständig neuen
Eingriffen versucht, staatliche Ziele umzusetzen.


(Edelgard Bulmahn [SPD]: So ein Quatsch, Herr Lämmel! Jetzt greifen Sie doch nicht wieder in die Mottenkiste! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Popanz! – Ingo Egloff [SPD]: Das Gegenteil zu Ihrer These!)


Was die Linke angeht, Herr Claus, die Sie als Unter-
stützer des Mittelstandes bezeichnet haben, haben wir
schon in der letzten Debatte klargestellt, welche Unter-
stützung Sie dem Mittelstand 40 Jahre in Ostdeutschland
gegeben haben.


(Ulla Lötzer [DIE LINKE]: Fällt Ihnen nach 20 Jahren nicht mal was Neues ein? – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: So viel zum Thema Erinnerungskultur!)


Die Ursachen, die Sie heute beklagen, und die Zahlen,
die Sie genannt haben, sind nicht falsch; aber man muss
auch immer nach Ursache und Wirkung fragen. Die Ur-
sache liegt darin, dass Sie mit Ihrer „erfolgreichen“ Mit-
telstandspolitik in Ostdeutschland, nämlich mit Enteig-
nung und Vertreibung, die Wirkung erzielt haben, mit
der wir noch heute zu tun haben: ein geteiltes Deutsch-
land im Bereich der Wirtschaftskraft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Alexander Süßmair [DIE LINKE]: So ein Schwachsinn!)


Wir verstehen die Industriepolitik im Rahmen der so-
zialen Marktwirtschaft, das heißt nach den Prinzipien
von Ludwig Erhard. Wir sind froh, dass wir jetzt auch in
Ostdeutschland diese Prinzipien durchsetzen können.
Denn es hat sich deutlich gezeigt, dass in den letzten
20 Jahren Wirtschaftsaufbau in Ostdeutschland die gro-
ßen Erfolge im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft er-
zielt worden sind. Herr Claus, keines Ihrer alten kommu-
nistischen und sozialistischen Freundesländer hat einen
solchen wirtschaftlichen Aufschwung erleben können
wie der östliche Teil Deutschlands.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP])


Die Anträge enthalten aber auch Punkte, die durchaus
gleich sind. Dabei geht es um die Qualifikation, also die
Aneignung von Fähigkeiten, von Fachkräften. Dieses

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(C (D hema bewegt sicherlich alle in Gesamtdeutschland. In stdeutschland ist die Situation aber aus verschiedenen ründen dramatischer. Das heißt, dass wir noch stärker m qualifizierte Facharbeiter kämpfen müssen. Wir haben heute schon einiges zum Thema Technoloiepolitik gehört. Frau Bulmahn, Sie sind intensiv auf ieses Thema eingegangen. Ich denke aber, im Bereich er Technologiepolitik fehlen noch einige Gesichtsunkte, die sich im Untergrund abspielen und die man ier zumindest benennen müsste. (Edelgard Bulmahn [SPD]: In zehn Minuten hätte ich das gemacht!)


Die Technologie- und Forschungspolitik muss von
er Forschung bis hin zur Produktion betrachtet werden.
as viele Geld, das in vielen Jahren eingesetzt wurde,

tellt keinen Wert an sich dar. Das ist zunächst einmal
eld, um damit Forschung betreiben zu können. Die
rage ist aber, was am Ende an Wertschöpfung heraus-
ommt, wie unser Altkanzler Helmut Kohl sagte. Hier
ibt es einige Entwicklungen, die uns durchaus bedenk-
ch stimmen sollten und aufgrund derer man eigentlich
ofort beginnen muss, zu überlegen, wie man gegensteu-
rn kann. Ich möchte dies kurz am Thema Schlüsseltech-
ologien darstellen; denn nicht nur einige Banken in
eutschland sind systemrelevant, die Schlüsseltechnolo-
ien sind ein ebenso systemrelevantes Thema. Vor allen
ingen werden die Schlüsseltechnologien die Grund-
gen für die wirtschaftlichen Erfolge in der Zukunft
gen.

Dazu hat es eine interessante Untersuchung gegeben.
ie EU-Kommission hat eine sogenannte High Level
roup eingesetzt, in der Vertreter der Wirtschaft, der For-

chung und der Verwaltung zusammensaßen. Dort hat
an sich Gedanken darüber gemacht, welche Schlüssel-
chnologien es sind, die Europa braucht, um die wirt-

chaftliche Zukunft gestalten zu können. Daraus entstand
er Begriff „Key Enabling Technologies“, die sogenann-
n KETs. Zu diesen KETs mit systemischer Relevanz,
ie man so schön sagt, gehören die Nanotechnologie, die
ikro- und Nanoelektronik, die Biotechnologie, die Pho-
nik, die Materialforschung und fortgeschrittene Ferti-

ungstechnologien und Fertigungssysteme.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist richtig!)


Die Analyse zeigt aber auch bedeutende Schwächen
Europa auf. Auf der einen Seite wird enorm viel Geld
die Forschung gesteckt. Das machen wir auch. Die
oalition hat die Forschungsmittel deutlich aufgestockt.
ie Forschungsgesellschaften sind sehr gut ausgestattet;
as ist keine Frage. Die Situation der Forschung in
eutschland hat sich nach dem Regierungswechsel 2005

norm verbessert. Auf der anderen Seite entstehen aus
er Exzellenzforschung aber zu wenig Produkte für den
arkt. Vor allen Dingen entstehen daraus zu wenig Pro-

ukte, die letztlich auch in Europa oder in Deutschland
ergestellt werden.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das stimmt auch!)


an kann es auch so formulieren: Aus dem großen Wis-
en darüber, was produziert wird, entsteht eine zu





Andreas G. Lämmel


(A) )


)(B)

geringe Wertschöpfung. Ich glaube, das ist das Haupt-
problem für die Zukunft unseres Standortes Deutsch-
land. In diesem Zusammenhang gibt es den berühmten
Begriff „Valley of Death“, Tal des Todes. Das heißt, man
schreitet, von der Forschung kommend, durch das tro-
ckene Tal und verliert dabei die guten Ideen, aus denen
Produkte werden könnten.

Frau Bulmahn, Sie haben vorhin in einem anderen
Zusammenhang auf die LEDs verwiesen. Da ging es um
die Energieeffizienz. Die LEDs wurden in Deutschland
von Osram, Zeiss und Fraunhofer-Instituten erfunden
und sind ein hervorragendes Beispiel.


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Sicher!)


Ihre Wertschöpfung ist hier gleich null. Die Wertschöp-
fung geschieht zu 100 Prozent in Asien.


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Nein, das stimmt nicht! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Waren Sie schon mal in Jena?)


– Das sind Kleinstkapazitäten. Die richtige Wertschöp-
fung findet in Asien statt. Fast alle LEDs der Welt wer-
den in Asien produziert.


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Deshalb müssen die Rahmenbedingungen stimmen!)


Sie alle werden wahrscheinlich einen MP3-Player in
Ihrer Tasche haben. Dieser ist eine deutsche Erfindung
des Fraunhofer-Instituts. Der Anteil der Produktion in
Deutschland? – Null. Ich glaube, das ist ein ganz großes
Problem.

Anhand der Mikroelektronik möchte ich Ihnen deut-
lich machen, was sich in den letzten Jahren ereignet hat.
Im Zusammenhang mit der Mikroelektronik denkt man
nur an einzelne kleine Chips, die überall eingebaut sind.
Die Mikroelektronik ist aber eine Querschnittsbranche.
Kein modernes Auto könnte ohne Mikroelektronik fah-
ren. Der deutsche Maschinenbau kann ohne die Mikro-
elektronik nicht existieren. Auch die Medizintechnik, die
Windkraftanlagen und Smart Grids basieren auf Mikro-
elektronik.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Absolut richtig! – Ulla Lötzer [DIE LINKE]: Und was wollen Sie uns damit sagen?)


In diesem Bereich droht ein Kompetenzverlust.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Dann tun Sie doch was! – Edelgard Bulmahn [SPD]: Dann tun Sie doch was dagegen! Da waren wir mal sehr gut!)


In Deutschland arbeiten 800 000 Menschen in diesem
Bereich. Ich will noch eine Zahl nennen, die vielleicht
zum Denken anregt und die die Bedeutung klarmacht:
50 Prozent der Wertschöpfung der deutschen Export-
wirtschaft beruhen auf der Mikroelektronik.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja!)


Was hat sich in den letzten 20 Jahren ergeben?


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Und was tun Sie jetzt, Herr Lämmel?)


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(C (D 990 wurden 40 Prozent des Umsatzes der Mikroelekonik in Japan gemacht, 30 Prozent in den USA, 20 Proent in Europa und 10 Prozent im asiatisch-pazifischen aum. Zehn Jahre später, im Jahr 2000, hatten Europa nd Japan noch jeweils 20 Prozent, die USA noch 0 Prozent; Asien hatte aber schon 30 Prozent des Marks errungen, davon China 5 Prozentpunkte. 2010 entfien auf Japan und die USA jeweils 15 Prozent des Weltarktes, Europa hatte noch einen Anteil von 12 Prozent, nd über 50 Prozent der gesamten Wertschöpfung im ereich der Mikroelektronik fanden in Asien und im azifischen Raum statt, davon die Hälfte in China. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was tun Sie jetzt?)


Genau, jetzt kommt die ganz große Frage: Was tun wir
tzt?

Das Papier der High Level Group liegt jetzt in Brüs-
el. Man muss natürlich darüber nachdenken, wie man
iese Schlüsseltechnologien in Europa hält.


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Was tun Sie jetzt? – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wer regiert denn hier?)


Immer mit der Ruhe! Regen Sie sich ab, Frau
ulmahn!


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ich finde das aufregend!)


ie hatten viele Jahre Zeit, das alles anzuschieben; aber
s musste erst unter unserer Regierung in Gang gebracht
erden; das müssen wir doch einmal sehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP])


Also, wir müssen diesen Bericht auswerten. Das ist
ei anderen Technologien nicht anders.


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Das wird aber langsam Zeit! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Dann machen Sie eine Arbeitsgruppe!)


ei moderner Industriepolitik darf man nicht bloß an der
berfläche bleiben, Herr Heil, wie Sie das in der ersten
eihe gemacht haben, sondern man muss etwas tiefer in
ie Probleme einsteigen,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: In die Probleme einsteigen, das können Sie gut!)


m daraus dann die richtigen Schlüsse ziehen zu können.
in großer Schluss, den wir als Koalition daraus gezo-
en haben, war, dass wir die Mittel für Forschung und
echnologie im industrienahen Bereich deutlich erhöht
aben.

Ich will noch auf eines hinweisen, Herr Heil, was mir
Ihrem Antrag aufgefallen ist. Darin steht der schlaue
atz: Wir müssen wieder mehr gesellschaftliche Akzep-
nz für Infrastruktur erzeugen.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP], an die SPD gewandt: Ja, ja! Und dann duckt ihr euch weg!)






Andreas G. Lämmel


(A) )


)(B)

Das ist ein bisschen lachhaft. Bei allen großen Infra-
strukturprojekten der letzten Jahre in Ostdeutschland


(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Gegen alles!)


standen die Grünen, die SPD und die Linke vereint auf
der Straße


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nein, die SPD nicht! Quatsch mit Soße! – Edelgard Bulmahn [SPD]: So ein Quatsch!)


und haben gegen jedes Infrastrukturprojekt gekämpft.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nehmen Sie das zurück!)


Solche Halbwahrheiten, die Sie verbreiten, führen dazu,
dass die Politik keine Akzeptanz findet.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Platzeck stellt sich hin und ist mutig! Da können Sie doch nicht behaupten, dass wir uns dagegenstellen, beim Flughafen zum Beispiel!)


– Ja, toll, das ist aber auch das Einzige, wo er sich hin-
stellt.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nein, nein!)


Ich habe Ihnen ja gesagt: Bei allen Projekten, die ich
kenne, stehen Sie vereint auf der Straße.


(Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715806700

Kollege Andreas Lämmel, gestatten Sie – –


Andreas G. Lämmel (CDU):
Rede ID: ID1715806800

Ich habe nur noch wenige Sekunden Redezeit. Des-

wegen nur noch einen Nachsatz.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das geht nicht auf die Redezeit, Herr Lämmel!)


Das Zweite, was mir aufgefallen ist, Herr Heil: Bei
der Aufzählung der Technologien im Bereich der Gen-
technologie haben Sie die Grüne Gentechnologie weg-
gelassen. Warum? Weil durch Ihre frühere Politik die
Grüne Gentechnologie Deutschland mittlerweile verlas-
sen hat! Wenn wir das so weiterbetreiben, dann ruinieren
wir die Grundlagen, die wir brauchen, um auch in den
nächsten Jahren erfolgreiche Industriepolitik machen zu
können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715806900

Vielen Dank, Kollege Andreas Lämmel. – Letzter

Redner in unserer Debatte ist für die Fraktion der Sozial-
demokraten unser Kollege Garrelt Duin. Bitte schön,
Kollege Garrelt Duin.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Ich habe mich gestern, als ich zu einer Verantaltung eingeladen war, gefragt, warum ich dort eigentch eingeladen war. (Lachen des Abg. Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/ CSU])

Garrelt Duin (SPD):
Rede ID: ID1715807000

as war eine Veranstaltung des Wirtschaftsrats Deutsch-
nd. Nun wissen wir alle, dass der Wirtschaftsrat
eutschland keine sozialdemokratische Vorfeldorganisa-
on ist, sondern, lieber Herr Pfeiffer, lieber Herr
üßlein, lieber Herr Lämmel, die Sie hier heute für die
DU/CSU geredet haben, bei Ihnen zu verorten ist. Es
ar in der Abteilung „Wachstum und Innovation“ – so
eißt die – wohl das erste Mal, dass jemand aus einer an-
eren Partei vortragen durfte, und zwar zu dem Thema,
as wir hier heute Morgen besprechen: Industriepolitik
t Wachstumspolitik. Was können wir für den Standort
eutschland tun? – Nach Ihren Redebeiträgen, Herr
feiffer, Herr Nüßlein, Herr Lämmel, ist mir klar, warum
ie auf uns zurückgreifen: Weil das, was Sie hier heute
eboten haben, zeigt, dass Ihnen schlichtweg der Geist
nd die Kompetenz für dieses zentrale wirtschaftspoli-
sche Feld fehlen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)


as hat die Debatte heute Morgen deutlich gemacht.

Herr Dr. Lindner – damit wir wissen, wer von den
eiden Lindners von der FDP gemeint ist – hat auf einen
rtikel im Handelsblatt aus dieser Woche Bezug ge-
ommen;


(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Hat er gut gemacht!)


h komme zum Schluss noch einmal darauf. Aber wenn
ie dieses Blatt nicht nur am Dienstag, sondern auch am
ontag gelesen hätten,


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Ich lese es jeden Tag!)


ann hätten Sie festgestellt, dass führende Wirtschafts-
ute in Deutschland zu einem Ergebnis gekommen sind,
ämlich dass wirtschaftspolitische Kompetenz innerhalb
er FDP nicht mehr vorhanden ist und dass die FDP bei
iesem Thema nicht gebraucht wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Ulla Lötzer [DIE LINKE])


as war das Ergebnis der Befragung deutscher Füh-
ngskräfte.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Da kannten die unseren Antrag noch nicht!)


Zu Ihrem Antrag komme ich noch.

In dieser Debatte ist deutlich geworden, dass einige
och wieder den Konflikt zwischen alter und neuer
dustrie schüren wollen. Es wird zwar zunächst gesagt,





Garrelt Duin


(A) )



(B)

dass man das nicht tun dürfe, aber am Ende geschieht es
dann doch. Die gestrige Debatte über Energiepolitik
spiegelt sich heute wider: Die eine Seite will tatenlos
zusehen, wie Unternehmen der energieintensiven Indus-
trie dieses Land verlassen, und die andere Seite möchte
das Kind mit dem Bade ausschütten und das EEG
kaputtmachen. Beides ist der falsche Weg. Stattdessen
müssen wir dafür sorgen, dass sowohl eine kleine, krea-
tive Ingenieurbude – so will ich das einmal nennen –, in
der sich 10, 15 Leute Gedanken über Energieeffizienz,
über neue Formen der Rohstoffeffizienz machen, als
auch eine Zinkhütte, die nicht stattdessen in Kanada
investieren soll, in Deutschland beheimatet sein können.
Wir müssen beiden die Möglichkeit geben, hier tätig zu
sein, und dürfen sie nicht gegeneinander ausspielen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Man kann nicht sagen, alles solle grün werden. Nein, es
wird durchaus bestimmte Grenzen geben.

Ich möchte ausdrücklich auf den Antrag der Koalition
zurückkommen. In Punkt 20 steht, man müsse Vorkehrun-
gen treffen, um ein sogenanntes Carbon Leakage zu ver-
meiden. Wir waren uns in der letzten Legislaturperiode ei-
nig – und bis ich diesen Antrag gelesen habe, dachte ich,
es sei bis heute so –, dass wir im Rahmen des Emissions-
handels alles dafür tun wollen, dass es eine hundertpro-
zentige Kompensation der dadurch für die Industrie ent-
stehenden Kosten gibt. Das war unsere gemeinsame
Stellungnahme, tausendfach nachzulesen. Heute lese ich
in Ihrem Antrag in Punkt 20, dass es notwendig sei, sich
„im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmit-
tel für die Kompensation … einzusetzen“. Das ist eine
Abkehr von der bisherigen industriepolitischen Linie, die
auch Sie vertreten haben.


(Beifall bei der SPD)


Plötzlich wollen Sie Industriepolitik nach Haushaltslage
machen. Das wird den Interessen dieses Standortes nicht
gerecht.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Der Haushalt spielt eine gewisse Rolle! Das muss man sagen!)


Dasselbe gilt, Herr Dr. Lindner, bei dem inzwischen
mehrfach angesprochenen Thema der steuerlichen For-
schungsförderung. Es ist schön, wenn Sie das hier ein-
fordern. Aber wer regiert eigentlich? Es ist nun einmal
– auch wenn man das beklagen kann – seit über zwei
Jahren Schwarz-Gelb. Im Koalitionsvertrag steht, dass
Sie die steuerliche Forschungsförderung einführen wol-
len. Aber bis heute ist nichts passiert.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wir haben ja noch sechs bis zehn Jahre! – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Edelgard Bulmahn [SPD]: Da muss er selber lachen!)


Das ist das Problem: dass die Leute darauf warten, aber
nichts kommt.

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(C (D Wir reden ja nicht nur hier im Plenum über das hema, sondern es gibt viele verschiedene Veranstaltunen dazu. Bei solchen Veranstaltungen sagt eine ganze eihe von Abgeordneten der Koalition bis hin zu Vertrern der Bundesregierung den Zuhörerinnen und Zuhörn offen, dass es dazu aufgrund der Ausgaben in fal chen Bereichen in dieser Legislaturperiode nicht mehr ommen wird. Da sage ich Ihnen, was vorhin schon eine ollegin erwähnt hat: Es ist doch Irrsinn, Mittel für etreuungsgeld und andere Maßnahmen aus dem Fensr zu werfen und dieses für den Standort Deutschland so entrale Projekt der steuerlichen Forschungsförderung inten runterfallen zu lassen. Das ist nicht akzeptabel. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will noch etwas zu dem Thema Infrastruktur
agen. Sie haben – anders als wir, die wir in einem sehr
ngen Prozess zu einer industriepolitischen Positionie-
ng gekommen sind – aus der Not heraus in den letzten

agen einen Antrag zusammengestrickt.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Copy and paste!)


abei kann es natürlich passieren, dass man ein Thema,
ber das man sonst sehr viel spricht, völlig vergisst. Das
hema Infrastrukturausbau und Akzeptanz kommt in Ih-
m Antrag nicht vor.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das ist ein Spiegelstrich bei uns!)


Lieber Herr Lindner, die Akzeptanz in der Bevölke-
ng


(Zuruf von der CDU/CSU: Die haben Sie kaputtgemacht!)


r die Errichtung von Produktionsstätten oder für den
usbau der klassischen Infrastruktur durch Netze, Stra-
en, Wasserstraßen und


(Zuruf von der CDU/CSU: Bahnhöfe!)


lughäfen erreicht man nicht dadurch, dass man Bürger-
itiativen, die berechtigte Sorgen vertreten, beschimpft.
adurch werden Sie Akzeptanz in Deutschland für not-
endige Maßnahmen nicht erzielen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


an muss die Bevölkerung vielmehr einbinden. Wir als
PD-Fraktion führen parallel zu diesem Thema einen
reit angelegten Prozess durch, der dafür sorgen wird,
ass wir in Deutschland einen Infrastrukturkonsens er-
ielen werden.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Aber nicht, indem man hinterherläuft! Sie laufen hinterher!)


en müssen Sie mit der Industrie und mit den staatli-
hen Stellen erzielen, die für den Bau der Infrastruktur
erantwortlich sind. Aber Sie müssen auch die Bürgerin-
en und Bürger einbeziehen. Sie können nicht diejeni-
en, die auf die Straße gehen, vor der Tür lassen. Wenn
)





Garrelt Duin


(A) )


)(B)

Sie das so machen, werden Sie in Deutschland keine Ak-
zeptanz erzielen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Nun zur Rede von Herrn Claus von der Fraktion Die
Linke. Er hat behauptet, dass im SPD-Antrag sozusagen
der Osten nicht vorkomme. Wir haben 20 Jahre nach der
Vollendung der deutschen Einheit ein anderes Verständ-
nis von diesem Land, als Sie es leider immer noch ha-
ben. Es gibt in Ostdeutschland wie in Westdeutschland
sehr erfolgreiche, innovative, effizient agierende Regio-
nen, in denen sich vorbildliche Cluster gebildet haben.
Diese gibt es im Osten und im Westen. Es gibt Regionen,
die aufgrund des demografischen Wandels und der in-
dustriellen Struktur in großen Schwierigkeiten sind.
Diese gibt es im Osten und im Westen. Deswegen ist
Ihre Schwarz-Weiß-Malerei längst überholt. Kommen
Sie endlich im Jahr 2012 an, und führen Sie nicht Debat-
ten, die längst überholt sind!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir Sozialdemokraten – das zeigt auch jede Debatte
außerhalb dieses Hauses – sind, weil wir eine Vorreiter-
rolle übernommen haben, zurzeit die Einzigen, die ein
wirklich integriertes Konzept anbieten können,


(Widerspruch des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP])


das Lösungen für die Themen gute Arbeit, Fachkräfte,
Technologiefreundlichkeit und Akzeptanz für Infrastruk-
tur beinhaltet. Sie werden sich sehr bemühen müssen,
wenn Sie bei diesen Themen wieder punkten wollen.
Wir sind dort vorne und werden es auch bleiben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Da war der Wunsch Vater des Gedankens!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715807100

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Ende

unserer Aussprache. Ich schließe die Debatte.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
Drucksachen 17/8572 und 17/8585 an die in der Tages-
ordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind
Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 a bis g sowie
den Zusatzpunkt 3 a und b auf:

25 a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Volker
Beck (Köln), Tom Koenigs, Uwe Kekeritz,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zum Fakultativprotokoll zum
Internationalen Pakt über wirtschaftliche, so-
ziale und kulturelle Rechte

– Drucksache 17/8452 –

(C (D Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für Arbeit und Soziales Auswärtiger Ausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung b)

Beck (Köln), Tom Koenigs, Uwe Kekeritz, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt unter-
zeichnen und ratifizieren

– Drucksache 17/8461 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)

Ausschuss für Arbeit und Soziales
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten René
Röspel, Karin Roth (Esslingen), Dr. Ernst Dieter
Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der SPD

Millennium-Entwicklungsziele ernst nehmen –
Infektionserkrankungen wirksam durch eine
nationale und europäische Förderung von
Product Development Partnerships bekämp-
fen

– Drucksache 17/8183 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Thomas Gebhart, Marie-Luise Dött, Peter
Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Horst Meierhofer,
Michael Kauch, Angelika Brunkhorst, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Deutsches Ressourceneffizienzprogramm –
Ein Baustein für nachhaltiges Wirtschaften

– Drucksache 17/8575 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss





Vizepräsident Eduard Oswald


(A) )


)(B)

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Bettina
Herlitzius, Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Keine Privatisierung des Duisburger Hafens
– Drucksache 17/8583 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss

f) Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss)

gemäß § 56 a GO-BT

Technikfolgenabschätzung (TA)

Forschung zur Lösung des Welternährungs-
problems – Ansatzpunkte, Strategien, Umset-
zung
– Drucksache 17/6026 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

g) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung

Bericht der Bundesregierung über die Maß-
nahmen der Kreditwirtschaft zur Umstellung
bestehender Einzugsermächtigungen auf das
SEPA-Lastschriftmandat
– Drucksache 17/8072 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 3 a)Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Besteuerung von
Sportwetten
– Drucksache 17/8494 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Anette
Kramme, Hubertus Heil (Peine), Gabriele Hiller-
Ohm, weiteren Abgeordneten und der Fraktion
der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zum Schutz von Hinweisgebern – Whistle-

(Hinweisgeberschutzgesetz – HinwGebSchG)

– Drucksache 17/8567 –

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(C (D Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales Innenausschuss Sportausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachn Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an ie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu berweisen. Die Vorlagen auf Drucksachen 17/8452 und 7/8461 – das ist der Tagesordnungspunkt 25 a und b – llen federführend beim Ausschuss für Menschenrechte nd Humanitäre Hilfe, die Vorlage auf Drucksache 17/8072 das ist der Tagesordnungspunkt 25 g – soll federfühnd beim Finanzausschuss beraten werden. Sind Sie dait einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die berweisungen so beschlossen. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 26 a sowie 6 d bis l. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu orlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 a auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Verordnung der Bundesregierung Verordnung zur Änderung der immissionsschutzrechtlichen Verordnungen zur Begrenzung der Kohlenwasserstoffemissionen bei der Betankung von Kraftfahrzeugen und zur Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen beim Umfüllen und Lagern von Ottokraftstoffen – Drucksachen 17/8321, 17/8406 Nr. 2.1, 17/8480 – Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Michael Paul Ute Vogt Michael Kauch Ralph Lenkert Dorothea Steiner Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehng auf Drucksache 17/8480, der Verordnung auf rucksache 17/8321 zuzustimmen. Wer stimmt für diese eschlussempfehlung? – Das sind alle Fraktionen dieses auses. Vorsichtshalber die Gegenprobe! – Keine Gegen timmen. Enthaltungen? – Auch keine Enthaltungen. – ie Beschlussempfehlung ist angenommen. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petionsausschusses. Tagesordnungspunkt 26 d: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 381 zu Petitionen – Drucksache 17/8469 – Vizepräsident Eduard Oswald )





(A) )

Wer stimmt dafür? – Das sind alle Fraktionen des
Hauses. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Enthaltun-
gen? – Auch niemand. Somit ist die Sammelübersicht
381 einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 26 e:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 382 zu Petitionen
– Drucksache 17/8470 –

Wer stimmt dafür? – Das sind alle Fraktionen. Wer
stimmt dagegen? – Niemand. Enthaltungen? – Auch nie-
mand. Somit ist die Sammelübersicht 382 einstimmig
angenommen.

Tagesordnungspunkt 26 f:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 383 zu Petitionen
– Drucksache 17/8471 –

Wer stimmt dafür? – Das sind die Koalitionsfraktio-
nen und die Fraktion der Sozialdemokraten. Wer stimmt
dagegen? – Die Linksfraktion. Enthaltungen? – Die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Sammelübersicht
383 ist somit angenommen.

Tagesordnungspunkt 26 g:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 384 zu Petitionen

– Drucksache 17/8472 –

Wer stimmt dafür? – Das sind alle Fraktionen des
Hauses. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Enthaltun-
gen? – Auch niemand. Infolgedessen ist die Sammel-
übersicht 384 einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 26 h:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 385 zu Petitionen

– Drucksache 17/8473 –

Wer stimmt dafür? – Koalitionsfraktionen sowie die
Fraktion der Sozialdemokraten und die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die Links-
fraktion. Enthaltungen? – Keine. Sammelübersicht 385
ist mit dem von mir festgestellten Ergebnis angenom-
men.

Tagesordnungspunkt 26 i:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 386 zu Petitionen

– Drucksache 17/8474 –

Wer stimmt dafür? – Die Koalitionsfraktionen und die
Fraktion der Sozialdemokraten. Wer stimmt dagegen? –

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(C (D raktion Bündnis 90/Die Grünen und Linksfraktion. nthaltungen? – Keine. Somit ist die Sammelübersicht 86 angenommen. Tagesordnungspunkt 26 j: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 387 zu Petitionen – Drucksache 17/8475 – Wer stimmt dafür? – Die Koalitionsfraktionen und inksfraktion. Wer stimmt dagegen? – Sozialdemokran und Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Nieand. Die Sammelübersicht 387 ist somit angenommen. Tagesordnungspunkt 26 k: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 388 zu Petitionen – Drucksache 17/8476 – Wer stimmt dafür? – Koalitionsfraktionen und Frakon Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – raktion der Sozialdemokraten und Linksfraktion. Entaltungen? – Niemand. Die Sammelübersicht 388 ist soit angenommen. Tagesordnungspunkt 26 l: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 389 zu Petitionen – Drucksache 17/8477 – Wer stimmt dafür? – Die Koalitionsfraktionen. Wer timmt dagegen? – Die drei Oppositionsfraktionen, also ozialdemokraten, Bündnis 90/Die Grünen und Linke. nthaltungen? – Keine. Somit ist die Sammelübersicht 89 angenommen. Wir kommen zu Beschlussempfehlungen des Vermittngsausschusses. Zusatzpunkt 4: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss)

Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts

– Drucksachen 17/6052, 17/6645, 17/7505 (neu),
17/7931, 17/8568 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Peter Altmaier

Die Erklärung des Kollegen Peter Altmaier nehmen
ir, wie zwischen den Fraktionen besprochen, zu Proto-
oll.1)

Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für die
eschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf
rucksache 17/8568? – Das sind die Koalitionsfraktio-

Anlage 2





Vizepräsident Eduard Oswald


(A) )


)(B)

nen, die Fraktion der Sozialdemokraten und die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen. Gegenprobe! – Die Linksfrak-
tion. Enthaltungen? – Keine. Somit ist die Beschluss-
empfehlung angenommen.

Zusatzpunkt 5:

Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschus-

(Vermittlungsausschuss)

kommunikationsrechtlicher Regelungen

– Drucksachen 17/5707, 17/7521, 17/7930,
17/8569 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Jörg van Essen

Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsaus-
schuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäfts-
ordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundestag
über die Änderung gemeinsam abzustimmen ist. Wer
stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungs-
ausschusses auf Drucksache 17/8569? – Die Koalitions-
fraktionen, die Fraktion der Sozialdemokraten und die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gegenprobe! – Frak-
tion Die Linke. Enthaltungen? – Keine. Somit ist die Be-
schlussempfehlung angenommen.

Ich rufe nun den Zusatzpunkt 6 auf:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE

EU-Fiskalpakt – Auswirkung auf Demokratie
und Sozialstaat

Erster Redner in der Aktuellen Stunde ist unser Kol-
lege Dr. Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke.
Bitte schön, Kollege Dr. Dietmar Bartsch.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715807200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben

eine Aktuelle Stunde beantragt, weil wir in dieser Woche
viele Bilder gesehen haben: Es gibt einen Generalstreik
in Belgien. Die Gewerkschaften in Griechenland haben
zum Generalstreik aufgerufen; Zehntausende sind ge-
folgt. Polizei und Wasserwerfer wurden eingesetzt. In
Griechenland werden deutsche Fahnen verbrannt. Wann
hat es das eigentlich zum letzten Mal gegeben? Das alles
ist das Ergebnis Ihrer Politik. Das alles ist das Ergebnis
der Diktatur der Finanzmärkte in Europa.


(Beifall bei der LINKEN)


Das sagt doch alles: Wenn die Meldungen des Tages lau-
ten, dass die Märkte auf Entwicklungen nervös reagie-
ren, dann sind auch die Bundesregierung und die Koali-
tionsfraktionen nervös, sie agieren und tun etwas. Wenn
aber Zehntausende Menschen auf die Straße gehen wie
in Griechenland, wenn Menschen in die Verzweiflung
getrieben werden, dann passiert vonseiten der Bundes-
regierung gar nichts. Diese Politik ist so nicht zu akzep-
tieren.

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(C (D Die Troika hat heute Nacht versucht, weitere Sparaßnahmen durchzusetzen. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Warum denn wohl?)


ieder betrifft es Rentnerinnen und Rentner. Die Min-
estlöhne werden gesenkt. Das 13. und 14. Monatsgehalt
ird gestrichen. Es werden aber niemals die Millionäre
Griechenland in die Verantwortung eingebunden.


(Beifall bei der LINKEN)


eshalb klar und eindeutig: Die Linke ist solidarisch mit
en Streikenden in Griechenland. Die Linke ist solida-
sch, wenn sich Menschen gegen Ungerechtigkeiten
nd unsoziale Politik wehren.


(Beifall bei der LINKEN)


Ihr eingeschlagener Weg hat dazu geführt, dass Eu-
pa gespalten ist. Deutschland ist in Griechenland auf

er Beliebtheitsskala von Platz eins auf den letzten Platz
urückgefallen. Ihr Weg verschärft die Krise immer
ehr. Der Abwärtsstrudel dreht sich schon jetzt in einem

igantischen Tempo. Ihr Kurs produziert bittere Armut,
oziales Elend und soziale Unruhe. Im Dezember 2011
aren in Griechenland über 900 000 Menschen arbeits-
s, aber nur 274 000 Menschen haben Arbeitslosengeld

rhalten. Die Arbeitslosenquote lag bei 18 Prozent. Bei
en 15-Jährigen bis 24-Jährigen lag sie bei 46 Prozent.
laubt denn wirklich jemand in diesem Hause, dass an-
esichts dieser Entwicklung jemals auch nur 1 Cent von
riechenland zurückgezahlt werden kann? – Natürlich
aben die griechischen Regierungen große Fehler ge-
acht. Die Korruption in Griechenland ist völlig inak-

eptabel. Die Steuergesetzgebung muss geändert wer-
en. Der Steuervollzug muss verbessert werden. Das
lles ist aber auch ein Ergebnis Ihres Kaputtsparens. Das
uss beendet werden.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)


Deutschland hatten wir eine Situation, in der ein
arshallplan geholfen hat. Frau Merkel könnte in die
eschichte eingehen, wenn sie einen Merkel-Plan für
vestitionen, Wachstum und Beschäftigung in Grie-

henland aufstellen würde.


(Beifall bei der LINKEN)


as wäre wirklich eine Initiative, der wir zustimmen
önnten und die wir als Linke gerne unterstützen wür-
en.

Im Übrigen bleibt bei dieser Entwicklung auch die
emokratie auf der Strecke. Niemand glaubt, dass wir

uch nur einen Hauch von Sympathie für Herrn
erlusconi haben. Trotzdem ist es ein Unding, wenn je-
and wie Herr Monti faktisch durch Brüssel eingesetzt
ird. Das ist doch so nicht zu akzeptieren. Dieser Mann
at sich nie einer Wahl gestellt.


(Beifall bei der LINKEN)


ann reden Sie auch noch von einem Sparkommissar,
er eingesetzt werden soll. Stellen Sie sich einmal vor,
ie Linke würde sagen: Wir haben einen wunderbaren
inanzminister in Brandenburg, der 2011 einen ausgegli-





Dr. Dietmar Bartsch


(A) )


)
chen Haushalt geschafft hat; jetzt soll er Sparkommissar
in Bremen werden. – Das würde einen Aufschrei geben.
Nichts anderes allerdings schlagen Sie vor.

Es ist kein Zufall, dass Frau Merkel von einer markt-
konformen Demokratie spricht; das ist entlarvend. Wir
als Linke wollen einen demokratiekonformen Markt.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir fordern klar und eindeutig: Die Finanzmärkte müs-
sen reguliert werden. Es muss eine europäische Bank für
öffentliche Anleihen errichtet werden, und endlich müs-
sen die Vermögenden in Europa, auch in Griechenland,
zur Kasse gebeten werden. Das ist die richtige Alterna-
tive.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie einmal was zum Fiskalpakt!)


Ihre Maßnahmen und auch der Fiskalpakt haben doch
nur folgendes Ziel: Sie wollen, dass Herr Sarkozy im
April noch einmal gewählt wird.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, dass er nicht wiedergewählt wird!)


– Oder dass er nicht wiedergewählt wird. Das kann man
noch nicht so genau erkennen. Ich glaube aber, dass Ers-
teres der Fall ist.

Es ist doch ganz klar: Ihr Kurs führt zu Demokratie-
verdrossenheit und spaltet Europa weiter. Unsere Posi-
tion ist und bleibt klar: Wir wollen ein friedliches, sozia-
les und demokratisches Europa.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN – Joachim Spatz [FDP]: Und wer zahlt die Rechnung?)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715807300

Vielen Dank, Kollege Dr. Bartsch. – Nächster Redner

in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der
CDU/CSU unser Kollege Norbert Barthle. Bitte schön,
Kollege Norbert Barthle.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1715807400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Herr Kollege Bartsch, da Sie einen Merkel-
Plan fordern, darf ich Ihnen sagen: Im Grunde genom-
men gibt es bereits einen Merkel-Plan. Dieser Plan trägt
die Überschrift: Vertrag über Stabilität, Koordinierung
und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion.
Nichts anderes ist der Fiskalpakt, der unter wesentlicher
Beteiligung unserer Bundeskanzlerin zustande gekom-
men ist und der zu einem großen Teil die Handschrift der
Bundeskanzlerin und des Bundesfinanzministers trägt.
Das ist gut für Europa und unsere gemeinsame Wäh-
rung. Das ist vor allem gut für die Länder in Europa, die
die größten Schwierigkeiten haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Man muss Ihnen geradezu dankbar sein, dass Sie iese Aktuelle Stunde beantragt haben; denn sie gibt uns ndlich wieder einmal Gelegenheit, uns zu vergewissern, orum es in der Auseinandersetzung eigentlich geht. inke Parteien und Sozialisten gibt es ja nicht nur hier in eutschland; diese politische Fehlorientierung gibt es ider in ganz Europa. orum geht es also bei der Auseinandersetzung? Es eht letztendlich um die Frage: Wie bekämpft man die taatsschuldenkrise? Von Ihrer Seite kommt immer nur er Vorschlag, noch mehr Geld Griechenland (Zurufe von der LINKEN: Das stimmt überhaupt nicht! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die haben immer gegen die Griechenland-Hilfe gestimmt!)


(Zurufe von der LINKEN)


(Lachen bei der LINKEN)


nd anderen überschuldeten Ländern zu geben, um dort
onsumanreize zu setzen und über mehr Konsum wie-
er zu einem höheren Wachstum zu kommen. Das ist der
lassische Ansatz von Keynes; den hat Herr Lafontaine
chon immer vertreten.

Wir haben eine andere Auffassung. Man muss an die
urzel des Übels heran. Man muss die Überschuldung

ekämpfen, also Staatshaushalte konsolidieren und
achstumskräfte stärken. Beides muss zusammen erfol-

en. Das haben Sie nicht im Blick. Wir jedoch verfolgen
iese Strategie.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


er Fiskalpakt, Fiscal Compact Treaty, ist genau der rich-
ge Weg und – das erlaube ich mir hinzuzufügen – ein
iesenerfolg, ein Meilenstein in der Entwicklung Euro-
as; denn dass 25 von 27 Staaten diesen Pakt unterschrei-
en und sich zu ihm bekennen würden, hätte ich nie er-
artet. Das ist ein klares Bekenntnis Europas hin zu mehr
tabilität, Koordinierung, Kontrolle und Transparenz.
enau das braucht man, wenn man eine gemeinsame
ährung hat. Wenn eigenständige Nationalstaaten eine

emeinsame Währung haben, dann bedarf es des Be-
enntnisses aller, die verabredeten Regeln einzuhalten;
enn nur so kann die Währung stabil bleiben. Ein Euro ist
uf der ganzen Welt gleich viel wert, egal ob er aus
eutschland, Frankreich oder Griechenland kommt. Um
ies aufrechtzuerhalten, brauchen wir diesen Pakt. Das ist
in Schritt in die richtige Richtung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Leider haben das in Griechenland offenbar noch nicht
lle erkannt, wie die geplatzten Verhandlungen zeigen. In
er heutigen Ausgabe der FAZ macht der griechische
irtschaftsminister Chrysochoidis klipp und klar die eu-
päische Subventionspolitik der vergangenen Jahrzehnte
r den wirtschaftlichen Niedergang Griechenlands ver-

ntwortlich. Der Minister sagt:

Während wir mit der einen Hand das Geld der EU
nahmen, haben wir es nicht mit der anderen Hand

(B)






Norbert Barthle


(A) )


)(B)

in neue und wettbewerbsfähige Technologien in-
vestiert. Alles ging in den Konsum.

Recht hat der Mann!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Genau darum geht es in der Auseinandersetzung. Wir
müssen dafür sorgen, dass die Wettbewerbsfähigkeit in
allen Ländern der Euro-Zone gestärkt wird, und zwar
nicht durch fremdes Geld von außen.

Herr Bartsch, Sie müssen den deutschen Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmern erklären, weshalb sie bis
67 arbeiten sollen,


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wir wollen das gar nicht! Das haben Sie entschieden!)


während Ihre Freunde in Griechenland sieben Jahre frü-
her in Rente gehen können. Sie müssen erklären, wes-
halb deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit
ihren Steuergeldern einen völlig überbordenden, aufge-
blähten Staatsapparat in Griechenland finanzieren sollen.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wer hat das denn gefordert?)


Genau hier besteht ein Widerspruch; das sagen Sie näm-
lich nicht. Das müssten Sie aber offen aussprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen,
der für mich einen Riesenerfolg im Zusammenhang mit
dem Fiskalpakt darstellt: die Schuldenbremse. Alle
25 Länder verpflichten sich, eine Schuldenregel in ihr
nationales Recht zu übernehmen. Das wäre vor einigen
Monaten noch undenkbar gewesen. Dieser Vertrag war
innerhalb von zwei Monaten unterschriftsreif.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieser Pakt ist ein Meilenstein, ein Meisterstück unserer
Bundeskanzlerin


(Lachen bei der LINKEN)


und aller anderen, die an seinem Zustandekommen be-
teiligt waren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Zu diesem Ergebnis kommt man, wenn man bedenkt,
wie lang die Arbeit auf europäischer Ebene normaler-
weise dauert.

Ich will einen dritten Punkt hervorheben: die Ver-
knüpfung des Fiskalpaktes mit dem ESM. Das war eine
wichtige deutsche Verhandlungsposition, die durchge-
setzt werden konnte. Nur wer den Fiskalpakt unter-
schreibt, hat künftig die Möglichkeit, Hilfen über den
ESM zu beanspruchen. Das entfaltet eine starke Binde-
wirkung. Darauf und auf die anderen Verhandlungser-
gebnisse unserer Bundesregierung sind wir zu Recht
stolz.

Ich bedanke mich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Vielen Dank, Kollege Norbert Barthle. – Nächster edner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion er Sozialdemokraten unser Kollege Klaus Hagemann. itte schön, Kollege Klaus Hagemann. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her n! Lieber Kollege Barthle, ich möchte an Ihre Worte nknüpfen. Sie meinten eben sinngemäß, man brauche ie Sozialisten und die Sozialdemokraten nicht. Im Eupäischen Parlament, lieber Kollege Barthle, ist es gengen, fast einstimmig eine Resolution durchzusetzen, eil wir alle – auch meine Partei – uns darin wiederfinen, sowohl die Konservativen als auch die Sozialdemoraten, die Liberalen, die Grünen und die Linken. Darin eißt es beispielsweise: Sowohl Stabilität als auch nachaltiges Wachstum sind notwendig. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715807500

(Beifall bei der SPD)

Klaus Hagemann (SPD):
Rede ID: ID1715807600

echt haben die Europäer. Weiter heißt es, dass „Haus-
altsdisziplin zwar die Voraussetzung für ein tragfähiges
achstum ist, dass sie allein aber keinen wirtschaftli-

hen Aufschwung herbeiführen wird“. Recht haben die
uropäer; das können wir unterstützen.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


dieser Resolution steht auch, dass an beiden Fronten,
owohl beim Wachstum als auch bei der Haushaltsdiszi-
lin, gekämpft werden muss. Auch das kann man ge-
einsam tragen. Warum gelingt das nicht auch hier?

Meine Damen und Herren, bisher sind viele Trippel-
chritte gemacht worden. Eine Lösung wurde uns über
st zwei Jahre hinweg angekündigt. Aber hat die Medi-

in bisher so geholfen, wie es von der rechten Seite des
auses erwartet worden ist? Diese Frage muss man zu-
indest stellen dürfen. Wir haben das Sixpack, das Eu-
päische Semester und den Twopack, die EFSF und den
SM. Nebenbei bemerkt: Es war eine Forderung der So-
ialdemokraten, den ESM vorzuziehen, lieber Kollege
arthle. Jetzt kommt der Fiskalpakt. Dazu sagt das Euro-
äische Parlament, dass man ihn eigentlich nicht
raucht. Das sagen auch Ihre Parteifreunde, meine Da-
en und Herren von der Koalition. Es ist interessant,
as Sie dazu sagen. Hier zeigt sich sehr stark das Prinzip
offnung, aber kein Realitätssinn. Woher wissen Sie,
ass der Fiskalpakt in seiner jetzigen Form von allen
arlamenten ratifiziert wird? Das ist doch sehr fraglich.
ie Gespräche mit den irischen Kollegen im Haushalts-

usschuss – Kollege Barthle, Sie waren dabei – lassen
icht unbedingt vermuten, dass die Iren dem Pakt in ei-
em Referendum einfach zustimmen werden. Hier ist
ieles also noch fraglich. In den letzten Jahren ist viel
ertrauen zerstört worden. Es besteht die Gefahr – auch
urch dummes Gerede verursacht –, dass wir es hier mit
iner sich selbst erfüllenden Prophezeiung zu tun haben.
enn man, wie es einige fordern, Griechenland aus der





Klaus Hagemann


(A) )


)(B)

Euro-Zone hinausschmeißt, dann besteht die große Ge-
fahr, dass es zu einem Dominoeffekt kommt, der sich ne-
gativ auswirkt.

Nun ein paar Stichworte zu Griechenland. Ist das
Kürzen von Mindestlöhnen, Renten, Stundenlöhnen usw.
wirklich die Lösung? Bietet man den Menschen damit
wirklich eine Perspektive? Gibt man ihnen die Möglich-
keit, Licht am Ende des Tunnels zu sehen? Werden die
Menschen da überhaupt mitgenommen? Es besteht doch
die Gefahr, dass wir die Menschen in dieser Situation
nicht mitnehmen. Viel politisches Porzellan ist zerschla-
gen worden. Eventuell gibt es auch eine Rezession in
Südeuropa. Gestern konnte man im Fernsehen eine Um-
frage in Griechenland verfolgen. Da sagte ein Grieche:
Gibt es überhaupt noch Licht am Ende des Tunnels? –
Das ist doch bezeichnend: Er sah nicht einmal einen Sil-
berstreif am Horizont. Wir müssen die Würde der Men-
schen und den Stolz der Nationen achten und dürfen
nicht von der Einsetzung eines Sparkommissars reden
oder Sätze wie „Jetzt wird in Europa deutsch gespro-
chen“ sagen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es stellt sich die berechtigte Frage: Werden Menschen,
die so etwas erleben, noch für die Demokratie eintreten?
Ist es für solche Menschen noch erstrebenswert, für die
europäische Idee einzutreten? Angesichts dessen, was
wir da erleben, muss ich sagen: Das ist nicht mein Eu-
ropa.

Inzwischen spricht die Regierung – sie spricht; sie
handelt noch nicht – von den Bereichen Wachstum und
Beschäftigung, die ebenfalls in die Überlegungen einbe-
zogen werden müssten. Ich frage Sie: Wo bleiben die
Pläne? Wo bleiben die Konzepte des Wirtschaftsminis-
ters? Wo bleiben die Konzepte der Sozialministerin?
Wie geht es mit dem Wachstum weiter? Dazu liegt nichts
vor. Vorhin fiel das Stichwort „Marshallplan“. Das ist si-
cherlich ein griffiges politisches Bild, aber man sollte
die Realität nicht außer vor lassen. Standard & Poor’s
hat den Euro-Rettungsschirm herabgestuft, gerade weil
das Wachstum nicht in die Überlegungen einbezogen
worden ist.

Die am Anfang angesprochene Resolution wurde
vom Europäischen Parlament fast einstimmig beschlos-
sen. Es sind weitere Vorschläge gemacht worden: Schul-
dentilgungsfonds, Finanztransaktionsteuer. Ich frage die
Regierung: Wie weit sind Sie? Wann kommen die Vorla-
gen? Wie wollen Sie die Haushaltsdisziplin gewährleis-
ten? Was ist mit dem Fahrplan für Stabilitätsanleihen?


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Elf Jahre Wirtschaftsministerium SPD!)


Herr Michelbach, sogar der Begriff „Euro-Bonds“
kommt in dieser gemeinsam getragenen Resolution vor.
Wann werden die Vorlagen eingebracht? Wann können
wir darüber sprechen?


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ist die SPD wieder für Euro-Bonds?)


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(C (D Zum Schluss möchte ich Herrn Monti, den neuen itaenischen Ministerpräsidenten, zitieren. Er hat gesagt, ass nicht noch mehr politische Energie „für besonders riginelle Ideen der Haushaltsstabilisierung“ verschwenet werden sollte. Besser wäre es, sich auf eine Wachsmspolitik zu konzentrieren; denn Wachstum ist das ichtigste Element einer dauerhaften Haushaltsstabilit. – Lassen Sie uns das – genauso wie auf europäischer bene – gemeinsam anpacken. Wir müssen für eine geeinsame Linie sorgen. Danke schön. Vielen Dank, Kollege Klaus Hagemann. – Jetzt für ie Fraktion der FDP unser Kollege Joachim Spatz. Bitte chön, Kollege Joachim Spatz. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der anze Kontinent steht vor einem Paradigmenwechsel. Moment befindet sich Europa in der größten inneren mgestaltung seit dem Fall der Mauer, eigentlich sogar eit Ende des Krieges. Wir verabschieden uns vom süßen ift der Verschuldung. Das tut weh, dem einen mehr, em anderen weniger. Trotzdem ist die Entgiftung unusweichlich. Alle mussten lernen, dass wir von Dritten bhängig sind, nämlich von denen, die das Geld geben, nd dass wir mit überbordenden Staatsschulden die pielräume der Zukunft einengen. Das muss jeder wisen, der heute zu diesem Thema spricht. Herr Kollege Bartsch, einen gesellschaftlichen Konens herbeizuführen, bei dem sich die Beteiligten einig ind, aber Dritte die Rechnung zahlen, ist leicht. o kann man auch in Griechenland Konsens erzielen. Da ie die Gefährdung von Demokratie und Zusammenhalt rwähnten: Wäre es nicht an der Zeit, dass Sie das auch Bezug auf die Zielländer ansprechen? Denn auch die eistungsbereitschaft und die Leistungsfähigkeit unserer rbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen nicht überrdert werden. Das leistet einen Beitrag zum Zusamenhalt. Von SPD und Grünen hören wir nur die immer gleihen alten Rezepte: entweder Aufnahme neuer Schulden das heißt auf Neuhochdeutsch Euro-Bonds – oder Auftockung der Mittel für die Rettungsschirme. Diejenigen, ie während der rot-grünen Regierungszeit den größten chluck bei der Neuverschuldung genommen haben, die n der alten Droge genippt haben, gerieren sich heute als herapeuten. Das ist unglaubwürdig. Wir müssen unseren Kurs fortsetzen. Er beinhaltet rei Komponenten: Solidarität durch den ESM, Solidität urch den Fiskalpakt und Wachstum zum Beispiel durch Joachim Spatz )


(Beifall bei der SPD)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715807700

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Joachim Spatz (FDP):
Rede ID: ID1715807800

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)





(A) )

den Euro-Plus-Pakt oder den erleichterten Zugang zu
nicht ausgeschöpften Strukturfördermitteln. Sie können
doch nicht so tun, als ob die Debatte noch nicht begon-
nen habe! Natürlich fördert die Bundesregierung die
Wachstumskomponenten auf europäischer Ebene. Das
ist doch schon längst der Fall. Es geht um den Dreiklang
von Solidarität, Solidität, die wir einfordern müssen, und
Wachstum, das wir fördern wollen.

Die Schuldenbremse ist natürlich ein Eckstein dieser
Politik. Wir müssen die Umsetzung in nationales Recht
verlangen; denn Willenserklärungen reichen nicht aus.
Wir sollten dabei allerdings nicht beckmesserisch sein
und immer nur auf die Verfassung rekurrieren. Andere
Länder haben genauso hohe Hürden in andersgesetz-
lichen Bereichen; auch das sollten wir ernst nehmen.
Das klare Bekenntnis zum Kurs und zum Prozess der
Entwöhnung von der Verschuldung ist wichtig.

Wir haben – auch das war nicht zu erwarten – die
automatisierte bzw. quasi automatisierte Klage vor dem
Europäischen Gerichtshof durchsetzen können. Das ist
nicht leicht gewesen. Leider war es nicht möglich, alle
Euro-Länder und EU-Mitgliedstaaten für diese Rechts-
weiterentwicklung zu gewinnen. Trotzdem wird es jetzt
eine Klagemöglichkeit geben. Eine hervorragende Ver-
handlungsposition der Bundesregierung konnte hier um-
gesetzt werden. Das, was wir zusatzgesetzlich geregelt
haben, soll – das bleibt das Ziel – so bald wie möglich in
den europäischen Rechtsrahmen übergeleitet werden,
damit es im Gesamtverbund Europas Sinn macht.

Alle sind aufgefordert, an diesem gemeinsamen euro-
päischen Projekt mitzuarbeiten und Europa, das mit
anderen großen Weltregionen in Konkurrenz steht, wett-
bewerbsfähiger zu machen. Das geht nicht, indem man
die Starken immer weiter schwächt, sondern nur, indem
man den Schwachen hilft, ihren Teil zur Verbesserung
der Konkurrenzfähigkeit beizutragen. Mit alten Rezep-
ten funktioniert das garantiert nicht, sondern nur mit
Solidität und Solidarität.

Danke schön.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715807900

Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Priska Hinz das

Wort.

Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Kollege Bartsch, Ihre scheinradikale Rede hat mich doch
etwas verblüfft, muss ich sagen.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wieso „scheinradikal“? Die war radikal!)


Wenn es nach den Linken gegangen wäre, die hier im-
mer gegen die Hilfszusagen für Griechenland gestimmt
haben, wäre Griechenland schon vor anderthalb Jahren
pleite gewesen,


(Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Unkontrollierter Bankrott!)


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(C (D it all den schrecklichen Folgen für die Bevölkerung, ie Sie hier an die Wand werfen wollten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


h habe hier keinen einzigen konkreten Vorschlag ge-
ört, wie man die Situation verbessern könnte.

Aufgrund des Themas der Aktuellen Stunde, die Sie
ngemeldet haben, will ich mich jetzt aber mit dem Weg
er Bundesregierung beschäftigen. Ich finde es erstaun-
ch, dass die Koalition den Fiskalpakt so wahnsinnig
berhöht. Ich finde: Da sollte man einmal die Luft he-
uslassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die Bundeskanzlerin ist im Dezember angetreten, die
uropäischen Verträge zu ändern. Davon musste sie
bstand nehmen. Aber sie hat dann noch nicht einmal
ehr den Versuch gemacht, gemeinsam mit der EU-
ommission das Sekundärrecht zu verändern.


(Joachim Spatz [FDP]: Das ging mit den Briten nicht! Das müssen auch Sie zur Kenntnis nehmen!)


eshalb ist eine gemeinsame Resolution aller EP-Abge-
rdneten zustande gekommen, die ein Interesse daran
aben, dass es keine Doppelstruktur gibt und man die
U-Institutionen und die -Parlamentarier nicht schlicht
nd einfach ignoriert, wie die Bundeskanzlerin es so
erne tut.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Joachim Spatz [FDP]: Hätten wir nichts machen sollen?)


Manches in dem Fiskalpakt hat gar keine rechtliche
indungswirkung. Vieles ist schon in den Verordnungen
eregelt, die die EU-Kommission vorgeschlagen hat.
as bleibt, ist eine politische Vereinbarung über die Ein-
hrung der Schuldenbremsen, die noch nicht einmal in

en Verfassungen verankert werden müssen. Auch
avon musste sich die Bundeskanzlerin verabschieden.
eblieben ist eine politische Vereinbarung.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Die aber in EURecht übertragen werden soll! Das steht im Vertrag!)


Wir haben nichts gegen die Schuldenbremsen. Wir
alten eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung für not-
endig, weil die mangelnde Haushaltsdisziplin eine
rsache der Schuldenkrise ist; das ist richtig. Über an-
ere Probleme reden die Bundesregierung und die Koali-
on aber gar nicht, zum Beispiel über die wirtschaft-
chen Ungleichgewichte in Europa und die Frage, wie
an diesem Problem beikommen könnte. Hier fehlt es

n Vorschlägen von Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)






Priska Hinz (Herborn)



(A) )


)(B)

Wenn man die Haushaltsdisziplin ernst nimmt, dann
muss man auch ein zweites Standbein einsetzen, nämlich
den Altschuldentilgungsfonds. Das ist ein Vorschlag der
Wirtschaftsweisen der Bundesregierung. Darüber wurde
im Parlament bislang noch nicht diskutiert, weil sich die
Koalition immer strikt weigerte, dieses Thema anzuge-
hen.


(Otto Fricke [FDP]: Ihr wollt ja nicht einmal eine Aktuelle Stunde dazu haben!)


Wir sind der Meinung, dass man den Altschuldentil-
gungsfonds den Schuldenregeln hinzufügen sollte, weil
das auf Dauer die Schuldenstandsquote in denjenigen
Ländern senkt, die hohe Schulden haben.


(Otto Fricke [FDP]: Dann macht doch eine Aktuelle Stunde dazu!)


Eine gemeinsame Haftung für einen Teil der Schulden
macht eine erträgliche Refinanzierung möglich. Das be-
deutet eine Gesundung der europäischen Staaten und die
Stabilisierung der Euro-Währung. Das ist der Weg, den
wir brauchen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Bundesregierung antwortet auf meine Fragen im-
mer: Das mit dem Altschuldentilgungsfonds kann
Deutschland nicht allein machen; den können wir nicht
allein einführen. – Den Ehrgeiz, den Bundeskanzlerin
Merkel sonst immer an den Tag legt, sollte sie auch ein-
mal bei der Einführung eines Altschuldentilgungsfonds
zeigen, anstatt solche dummen Vorschläge wie das Ein-
setzen von Sparkommissaren für notleidende Länder in
den Raum zu stellen. Dann wären wir nämlich schon
weiter.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Norbert Barthle [CDU/ CSU]: So dumm finden wir das gar nicht!)


Zur Bewältigung der aktuellen Krise hilft der Fiskal-
pakt gar nicht. Er kann nur mittel- und langfristig
gemeinsam mit dem Altschuldentilgungsfonds wirken.
Für die aktuelle Krisenbewältigung bräuchten wir viel-
mehr eine Banklizenz für den aktuellen Rettungsschirm,
was die Bundesregierung bislang aber ablehnt.

Die Aufstockung des ESM will sie derzeit noch nicht
mitmachen. Das ist bis zum März verschoben worden.
Es wäre aber eine Beruhigung für die Finanzmärkte,
wenn klar ist: Wir garantieren für die Länder, die es
nötig haben.


(Joachim Spatz [FDP]: Das ist genau das, was ich gesagt habe! Weiter!)


Wir wissen, dass die Aufstockung kommt. Aber meinen
die Bundeskanzlerin und die Koalition nicht, dass man
der Bevölkerung einmal reinen Wein einschenken sollte?

Das führt mich zu Griechenland. Hier wäre es not-
wendig, deutlich zu sagen: Von Griechenland sind An-
strengungen notwendig. Darüber hinaus werden wir
Griechenland mindestens ein Jahrzehnt lang Unterstüt-
zung leisten müssen, und zwar nicht nur technische und

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(C (D dministrative, sondern auch finanzielle. Das wird uns war etwas kosten, aber das sollte es uns wert sein. (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Welche Steuer sollen wir denn erhöhen?)


iese Ehrlichkeit müsste in dieser Debatte einmal
ezeigt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich komme zum Schluss. Das Wachstumsprogramm,
as beim letzten Sondergipfel beschlossen worden ist, ist
as Papier nicht wert, auf dem es steht. Auch hier wären
arte Fakten bezüglich Investitionen notwendig, nicht
ur warme Worte.

Herzlichen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715808000

Für die Bundesregierung hat Staatsminister Michael

ink das Wort.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Guter Mann!)



Michael Link (FDP):
Rede ID: ID1715808100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ie Bundesregierung hat in den letzten 18 Monaten, also
den Monaten seit dem Ausbruch der Staatsschulden-

rise in Europa, weitreichende Schritte zur Stärkung der
aushaltssolidarität unternommen. Dabei ist im Laufe
es letzten Jahres klar geworden: Wir müssen für den
uro-Raum ein deutliches, markantes Zeichen setzen,
amit künftig das Primat verantwortlicher Haushalts-
olitik verbindlich verankert wird. Die Stabilitätsunion
uss tatsächlich zustande kommen. Das ist der Hinter-

rund des Fiskalvertrages.

Wer vor wenigen Monaten gesagt hätte, dass wir
nde Januar einen fertig ausgehandelten völkerrecht-
chen Vertrag haben, mit dem wir konkrete, verbind-
che, einklagbare und sanktionsbewehrte Ziele im Hin-
lick auf Haushaltskonsolidierung festlegen, wäre nicht
rnst genommen worden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Frau Kollegin Hinz, Sie haben von Schuldenbremsen
hne Verfassungsrang gesprochen. Dazu kann ich nur
agen: Wir können in diesem Punkt natürlich nicht
dem einzelnen Staat im Detail vorschreiben, wie er die
orgaben umsetzt. Aber: Europa hat auch etwas damit
u tun, dass wir verbindliche Ziele festschreiben. Wir
eginnen mit einem verbindlich definierten politischen
iel und definieren dies dann immer präziser. Deshalb
ollen wir, dass der Fiskalpakt so bald wie möglich – wir
aben uns ein Enddatum mit maximal fünf Jahren
esetzt – in ordentliche Verträge überführt wird. Die
undesregierung will die Gemeinschaftsmethode in der
U stärken.





Staatsminister Michael Link


(A) )


)(B)


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben nach der Festlegung der Grundzüge für
den Fiskalpakt am 9. Dezember 2011 die Verhandlungen
zum zwischenstaatlichen Vertrag am 30. Januar 2012
erfolgreich geführt. Der Fiskalpakt ist ein wichtiger
Schritt hin zu einer wirklichen Fiskalunion. Mit ihm
haben wir erreicht, dass in der Euro-Zone und perspekti-
visch in der ganzen EU das Modell der deutschen Schul-
denbremse auf Verfassungs- oder vergleichbarem Rang
verankert wird. Das ist ein großer Erfolg für die Ver-
handlungsführung der Bundeskanzlerin, des Bundes-
finanzministers und des Außenministers.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Ach, haben wir einen Außenminister?)


Wenn ich das sage, meine ich damit nicht nur einen Er-
folg für Deutschland, sondern insbesondere einen Erfolg
für die gesamte Europäische Union. Ich wiederhole: Wer
hätte noch vor kurzer Zeit gedacht, dass wir das in die-
sem kurzen Zeitrahmen schaffen?

Wir haben trotzdem noch einen langen Weg vor uns,
die internationalen Märkte davon zu überzeugen, aus
dem gesamten Euro-Raum einen Raum der Stabilität und
der Solidität zu machen. Der Fiskalpakt ist ein erster
fundamentaler Schritt, der jetzt von niemandem klein-
geredet werden sollte. Der Fiskalpakt und der ESM-Ver-
trag verhalten sich komplementär zueinander. Im ESM-
Vertrag werden die Möglichkeiten und Voraussetzungen
für europäische Solidarität geregelt. Mit dem Fiskalver-
trag legen wir die komplementäre Seite vor, also die
Aspekte der Haushaltsdisziplin, der Solidität. Solidarität
und Solidität bilden die klare Linie der Bundesregierung
zur Bewältigung dieser Staatsschuldenkrise.

Damit bin ich beim eigentlichen Thema dieser Aktu-
ellen Stunde: Auswirkungen auf Demokratie und Sozial-
staat.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Das ist ja toll! Das eigentliche Thema wird angesprochen!)


– Man muss ja wohl auch einmal den Gesamtzusammen-
hang herstellen.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das ist sehr gut! Wir helfen da gerne!)


– Exakt. – Sie behaupten, dass der Fiskalvertrag negative
Auswirkungen auf die Demokratie hat. Dem vermag ich
beim besten Willen nicht zu folgen.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Ach so!)


Vielmehr wird der Fiskalvertrag von allen Staaten im
parlamentarischen Verfahren ratifiziert. Bei der wirt-
schaftlichen Koordinierung ist ausdrücklich eine Rolle
für die nationalen Parlamente und das EP vorgesehen.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sparkommissar!)


Genau das nimmt der Bundestag heute ernst.

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(C (D Negative Auswirkungen auf den Sozialstaat befürcht die Bundesregierung ebenfalls nicht. Ganz im Gegenil: Die Regeln der Haushaltskonsolidierung stellen icher, dass der Sozialstaat erhalten bleiben kann. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Was passiert denn gerade in Griechenland?)


s geht nicht um Ausgabenkürzungen nach dem Rasen-
äherprinzip, sondern um eine langfristig angelegte Sta-

ilitätskultur.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Haushaltsdisziplin und die Konsolidierung der öffent-
chen Haushalte stellen nur die eine Seite der Medaille
ar. Gleichzeitig setzt eine nachhaltige Überwindung der
chuldenkrise voraus, dass die Volkswirtschaften in
uropa auf den Wachstumspfad zurückkehren. Gefragt
t also eine Agenda für mehr Wachstum und Beschäfti-
ung. Genau eine solche hat die Frau Bundeskanzlerin
uf dem letzten Europäischen Rat vereinbart. Die
genda muss natürlich noch mit Leben gefüllt werden;


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Ach so!)


as ist völlig klar. Man muss es noch konkretisieren.
enau daran arbeitet die Bundesregierung gerade aktiv
it den verschiedensten Ressorts. Nur das Zusammen-

piel von Haushaltsdisziplin und Wachstum kann uns
us der Krise führen.

An dieser Stelle will ich ausdrücklich auf die Rede
es Kollegen Kampeter verweisen. Unsere Reden wer-
en sich in diesem Punkt ergänzen. Deshalb will ich jetzt
ichts speziell zum Klagerecht sagen. Hierzu wird übri-
ens noch einiges kommen. Es ist geplant, bei der Unter-
eichnung am 1. und 2. März 2012 eine Vereinbarung zu
effen, wie das Klagerecht durchbuchstabiert wird. Hier
ind wir noch nicht am Ende der Reise.

Lassen Sie mich jetzt noch eine Reihe von Punkten
us integrationspolitischer Sicht ansprechen, die insbe-
ondere für das Auswärtige Amt sehr wichtig sind. Der
iskalvertrag ist bis zu seinem Enddatum, also in spätes-
ns fünf Jahren, in die europäischen Verträge zu über-
hren. Deshalb müssen wir im Zusammenhang mit dem

iskalvertrag immer überlegen, wie wir ihn in die Ver-
äge integrieren können. Es wäre für uns natürlich
lan A gewesen, ihn bereits jetzt in Form von Vertrags-
nderungen einzuführen, weil – ich wiederhole es – wir
ie Gemeinschaftsmethode stärken wollen. Auch wenn
as Vorgehen jetzt sozusagen nur ein Plan B ist, bleibt
nsere bevorzugte Option, die Regelungen des Fiskal-
ertrags so bald wie möglich in die Verträge zu integrie-
n. Deshalb müssen wir Großbritannien und andere, die
tzt noch nicht dabei sind, davon überzeugen, bei den
eiteren Schritten mitzumachen, damit wir spätestens in
nf Jahren zu einer Vertragsänderung kommen.

Einige meiner Vorredner haben gesagt, der Fiskalver-
ag als eigenständiger völkerrechtlicher Vertrag könne
u einer Spaltung der EU führen. Bei dieser Behauptung
in ich wirklich ratlos.

Natürlich kann man sagen: Wenn noch nicht alle da-
ei sind, ist die EU gespalten. – Aber betrachten wir das





Staatsminister Michael Link


(A) )


)(B)

bitte auch einmal von der anderen Seite. Aus meiner
Sicht überwinden wir gerade durch den Fiskalpakt die
Spaltung, die es gibt, wenn es um die Frage geht, wie un-
terschiedliche Länder in der EU haushaltspolitisch nach-
haltiges Wirtschaften definieren. Wir überwinden die
Spaltung in der Frage, wie wir Nachhaltigkeit in der
Haushaltspolitik definieren. Der Fiskalpakt bringt uns
voran, wenn es darum geht, hier ein gemeinsames Ver-
ständnis zu entwickeln. Darin sehe ich einen großen Er-
folg der Verhandlungsführung der Bundesregierung.

Die EU-Institutionen spielen trotzdem eine zentrale
Rolle. Der Vertrag ist nicht auf die Euro-Staaten be-
schränkt. Alle Nicht-Euro-Staaten außer Großbritannien
und der Tschechischen Republik werden den Vertrag un-
terzeichnen. Nicht zu vergessen: Es ist ein ganz zentrales
Element, dass seine Bestimmungen überführt werden
und parlamentarisch begleitet werden können. Hier ha-
ben wir, glaube ich, einen ganz wichtigen Punkt, den der
Bundestag fraktionsübergreifend geäußert hat, aufneh-
men können.

Die Bundesregierung hat sich sehr dafür eingesetzt,
dass es im Hinblick auf die Art und Weise, wie die Parla-
mente beteiligt werden, gelungen ist – und zwar trotz an-
derer Absichten, die es in den Verhandlungen gab –, eine
entsprechende Formulierung zu finden. Es war ein aus-
drücklicher Wunsch des Europaausschusses dieses Hau-
ses, dass die Art und Weise der parlamentarischen Be-
gleitung von den Parlamenten selbst festgelegt wird. Es
geht die Bundesregierung aus unserer Sicht nichts an,
wie die Parlamente diesen Prozess effizient begleiten.
Wir sind bereit, dem Bundestag in jeder Weise entgegen-
zukommen. Der erste Schritt unseres Entgegenkommens
war, zu sagen: Das sollen die Parlamente bilateral klä-
ren.

Wir haben – damit will ich schließen – ein besonderes
Augenmerk auf die enge Einbindung der Nicht-Euro-
Staaten gelegt. Lassen Sie mich hinzufügen: Ich bevor-
zuge das Wort „Noch-nicht-Euro-Staaten“; denn wir
sollten immer im Blick haben, dass wir wollen, dass die
Euro-Zone auch weiterhin wächst. Starke Volkswirt-
schaften wie Polen – zu denken ist auch an andere Staa-
ten, die noch nicht in der Euro-Zone sind – sollten wir
weiterhin aktiv in die Euro-Zone einladen. Deshalb ha-
ben wir den Pakt so ausgestaltet, dass die Noch-nicht-
Euro-Staaten eng eingebunden waren und im Rahmen
künftiger Euro-Gipfel an der konkreten Arbeit beteiligt
bleiben.

Mein letzter Punkt. Der Fiskalvertrag ist mit den
EU-Verträgen – auch das ist angesprochen worden –
vollumfänglich kompatibel. Die juristischen Dienste des
Rates und der Kommission haben den Text mit der Lupe
geprüft. Er enthält keine Elemente, die mit den EU-Ver-
trägen nicht vereinbar wären.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Man traue keinem Gutachten, das man nicht selbst in Auftrag gegeben hat! – Manfred Zöllmer [SPD]: Da gibt es auch andere Meinungen!)


Wie geht es weiter? Die Unterzeichnung des Fiskal-
vertrages soll am Rande des ER am 1./2. März dieses Jah-

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(C (D s stattfinden. Wir müssen alle drei Bereiche, die ansteen, in engem Zusammenhang sehen: die Ratifizierung es Fiskalvertrages, die Ratifizierung des ESM-Vertrages nd die Ratifizierung der Änderung des Art. 136 des Verages über die Arbeitsweise der Europäischen Union. ie Bundesregierung wird versuchen, das Inkrafttreten es ESM-Vertrages, wie auf europäischer Ebene vereinart, möglichst auf Juli 2012 vorzuziehen. Die Bundesreierung bittet deshalb den Bundestag, dies mit Blick auf en Ratifizierungskalender zu berücksichtigen. Dann önnen wir davon ausgehen, dass wir das Inkrafttreten es Fiskalvertrages zum 1. Januar 2013 mit der Unterstütung des Bundestages realisieren werden. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Der Kollege Bartholomäus Kalb hat jetzt das Wort für ie CDU/CSU-Fraktion. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ollegen! Ich habe mich lange gefragt, warum die Linke ine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt hat. enn eigentlich ging ich davon aus, dass wir uns einig ind, dass wir in Europa dringend einen „Vertrag über tabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtchaftsund Währungsunion“, wie es offiziell heißt, rauchen. Ich habe diesen Titel bewusst vorgetragen, eil die Bevölkerung sonst Schwierigkeiten hat, nachzuollziehen, was unter einem Fiskalpakt, wie wir ihn kurz ennen, zu verstehen ist. Nach der Rede von Herrn artsch war mir klar, worum es Ihnen geht: Sie wollen ehr Sozialismus, mehr Planwirtschaft, mehr Staat (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Nein! Das stimmt nicht! Mehr Sozialismus, das stimmt!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715808200

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1715808300

nd weniger Eigenverantwortung. Anders war Ihr Rede-
eitrag nicht zu verstehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Außerdem haben Sie sich über das gute Verhältnis der
rau Bundeskanzlerin zum französischen Präsidenten
arkozy mokiert. Sie wissen genauso gut wie ich: Alle
undeskanzler der Bundesrepublik Deutschland haben

ich um ein gutes Verhältnis zu Frankreich und damit na-
rlich auch zum jeweiligen französischen Präsidenten

emüht.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Aber noch nie in Wahlkämpfe eingegriffen!)


as taten sie aus gutem Grund: weil sie sich bewusst
aren, dass Deutschland und Frankreich eine besondere
erantwortung für Europa tragen. Dass sich daraus, dass
an sich der Verantwortung verschreibt, auch gute per-

önliche Beziehungen entwickeln, liegt in der Natur der
ache.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben nur Sie!)






Bartholomäus Kalb


(A) )


)(B)

Ich sage einmal: Es ist für Europa und die Welt wahr-
scheinlich besser, wenn Merkel und Sarkozy ein gutes
Verhältnis miteinander haben, als wenn Gesine Lötzsch
und Klaus Ernst mit Fidel Castro ein gutes Verhältnis ha-
ben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Also, es wäre schon ein Fortschritt, wenn Gesine Lötzsch und Klaus Ernst ein gutes Verhältnis hätten!)


Es ist vorhin von anderen Rednern leider kritisiert
worden, dass von Deutschland zu wenig Solidarität ge-
übt werde. Ich darf daran erinnern, dass wir uns sehr an-
gestrengt haben, um das Rettungspaket I für Griechen-
land auf den Weg zu bringen, dass wir mit der EFSF,
dem ersten Rettungsschirm, und dem zweiten Rettungs-
schirm viel Verantwortung übernommen haben und dass
wir jetzt dabei sind, den Europäischen Stabilitätsmecha-
nismus unter Dach und Fach zu bringen. Deutschland
übernimmt bei den einzelnen Programmen jeweils den
Löwenanteil in der Größenordnung von 27 bis 30 Pro-
zent.

Wir brauchen uns hier also nicht den Vorwurf gefallen
zu lassen und sollten ihn in diesem Hause schon gar
nicht selber erheben, dass wir zu wenig Solidarität üben.
Sie gaukeln den Menschen in Griechenland und anderen
Ländern vor, es könne eine Konsolidierung der Finanzen
und eine Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähig-
keit ohne Anstrengungen, Mühe und Verzicht geben.
Wenn wir ein bisschen zurückschauen – ich nehme an,
Kollege Rehberg wird darauf eingehen –, dann sehen
wir: Die Konsolidierungsschritte, die auch wir in
Deutschland in den letzten eineinhalb Jahrzehnten unter-
nehmen mussten, waren nicht ganz einfach, waren nicht
ohne Folgen für die Menschen, waren mit Verzicht für
die Menschen verbunden und haben uns viel Mühe und
Kraft gekostet.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Rot-Grün!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie der
Name dieses Vertrages schon sagt, geht es auch darum,
für die Stabilität der Währung zu sorgen, das heißt, die
Rückführung der Verschuldung in Europa zu organisie-
ren und zu realisieren und dadurch wirtschaftliche Ent-
wicklungsmöglichkeiten zu entfalten und in einer sich
rasch wandelnden Welt die Stärkung der Wettbewerbsfä-
higkeit Europas insgesamt zu gewährleisten; darauf
kommt es an. Es ist also notwendig, dass wir die Ver-
schuldung zurückführen. Hier hat Deutschland ein gutes
Beispiel gegeben.

Es ist ein großartiger Erfolg der Bundesregierung,
dass sie 25 der 27 Mitgliedstaaten von der Einführung
einer Schuldenbremse, wie sie bei uns schon jetzt im
Grundgesetz steht, überzeugen konnte, sodass sie diese
Schritte, Mechanismen und Maßnahmen für richtig hal-
ten. Anders wird es auch nicht gehen. Das ist zunächst
im Hinblick auf die Stabilität der Währung besonders
wichtig. Die Menschen erwarten von uns zuvörderst,
dass wir alles für die Stabilität der Währung tun.

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(C (D Darüber hinaus haben wir es in ganz Europa und nicht ur in Deutschland mit einer dramatischen demografichen Veränderung zu tun, die alle Länder Europas vor ie Riesenherausforderung stellt, dafür zu sorgen, dass icht immer mehr Lasten in die Zukunft verschoben und amit auf wenige Schultern verteilt werden. Bei diesem Vertrag, dem Fiskalpakt, und den Mechaismen, die ich vorhin genannt habe – die Rettungschirme usw. –, geht es vordergründig um die Stabilität er Währung, um die Finanzmarktstabilität usw. Es geht ber auch um mehr: Es geht um Europa insgesamt, dam, wie es sich politisch, wirtschaftlich und kulturell ntwickelt hat und wie es sich als Wertegemeinschaft mpfindet. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715808400

Für die SPD hat der Kollege Michael Roth das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1715808500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

er sich aus den Klauen der Finanzmärkte befreien
öchte


(Otto Fricke [FDP]: Der macht keine Schulden!)


da haben Sie völlig recht, Herr Fricke –, der muss nicht
ur die Märkte regulieren, sondern der muss sich auch
us der immer schneller angetriebenen Schuldenspirale
efreien.


(Joachim Spatz [FDP]: Sehr gut!)

Insofern haben wir als Sozialdemokratinnen und So-

ialdemokraten den Weg mit beschritten, auf der natio-
alen Ebene eine Schuldenbremse einzuführen. Genauso
aben wir immer für eine ausgewogene Haushaltskonso-
dierung gestritten – selbstverständlich! Aber wenn hier
er Eindruck erweckt wird, als sei staatliche Verschul-
ung per se von Übel, sollte doch zumindest einmal in
ie allerjüngste deutsche Geschichte geschaut werden.

Es waren doch CDU/CSU und SPD, die am Abgrund
er globalen Finanz- und Wirtschaftskrise gesagt haben:
ir versuchen, mit erheblichen öffentlichen Investitio-

en die Auseinandersetzung im Kampf um Arbeitsplätze
u gewinnen. – Wir haben es geschafft. Wir stehen gut da,
ben auch – das ist der Preis dieser Lösung gewesen –,
eil wir uns in erheblichem Maße neu verschuldet haben;

o viel Ehrlichkeit gehört auch in diese Debatte. Lassen
ie doch diese oberlehrerhafte Attitüde in Richtung Grie-
henland und anderer notleidender Staaten.


(Beifall bei der SPD)

Wir als SPD-Fraktion haben ganz bescheidene Fragen

nd Maßstäbe hinsichtlich des Fiskalpaktes:
Erstens. Trägt der Fiskalpakt zur Lösung der derzeiti-

en Probleme bei?

(Dr. Rainer Stinner [FDP]: Ja!)






Michael Roth (Heringen)



(A) )


)(B)

Zweitens. Hält er, was er verspricht?


(Dr. Rainer Stinner [FDP]: Ja!)


Drittens. Rechtfertigt er die Spaltung der Europäi-
schen Union?


(Joachim Spatz [FDP]: Die findet ja gar nicht statt!)


Dieser Fiskalpakt zementiert das Merkel’sche Modell
von Europa: ein Europa der Regierungen, ein Europa der
Hinterzimmerdiplomatie.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ein Quatsch! – Joachim Spatz [FDP]: Hätten wir nichts machen sollen?)


Hier wird die Demokratie nicht gestärkt. Hier wird die
Demokratie geschwächt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Es gab noch nie so viel Parlamentsbeteiligung wie in diesen Tagen!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir zahlen für diese
Politik einen hohen Preis. Man muss einmal schauen,
wie die Kommentare aus unseren Nachbarländern klin-
gen. Ich empfehle einmal, die Beiträge


(Joachim Spatz [FDP]: Aus Frankreich! Das ist schon klar!)


des luxemburgischen Ministerpräsidenten oder auch des
luxemburgischen Außenministers zu lesen. Wir haben
uns mit dieser Politik von den kleineren Mitgliedstaaten
entfremdet. Deutschland hat sich immer auch als Sach-
walter der Interessen der kleineren Mitgliedstaaten ver-
standen. Wir haben mit dieser Tradition gebrochen. Das
muss diese Regierung mitverantworten.


(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])


Wir haben im gleichen Maß die Gemeinschaftsinstitu-
tionen geschwächt.


(Joachim Spatz [FDP]: Quatsch!)


Beispiel Klagerecht: Nicht die Kommission soll klagen,
sondern ein Mitgliedstaat oder mehrere Mitgliedstaaten
sollen gegen andere Mitgliedstaaten klagen.


(Otto Fricke [FDP]: Wer wollte das?)


Glauben Sie allen Ernstes, dass das jemals passieren
wird? Bundestagspräsident Lammert hat schon in der
vergangenen Woche eingefordert, die Sanktionen müss-
ten automatisch erfolgen, sonst sehe er keine parlamen-
tarische Mehrheit im Deutschen Bundestag für den Fis-
kalpakt.

Ich will nur einmal daran erinnern: Wer hat denn da-
mals, als die Europäische Kommission und das Europäi-
sche Parlament automatische Sanktionen vorgeschlagen
haben


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Genau! Das waren Schröder und Eichel!)



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(C (D das war im vergangenen Jahr –, diesen Vorschlag bei inem Spaziergang in Deauville geopfert? Das waren och Frau Merkel und Herr Sarkozy. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke [FDP]: Nein, Sie meinen Schröder und Eichel!)


ll das, was Sie sich jetzt an die Brust heften, hätte man
chon längst im Gemeinschaftsrecht ohne die Spaltung
er Europäischen Union in Länder, die sich am Fiskal-
akt beteiligen, und in Länder, die sich am Fiskalpakt
ben nicht beteiligen, haben können.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das waren doch Schröder und Eichel!)


arum sind Sie diesen gemeinschaftlichen, diesen soli-
arischen Weg nicht weitergegangen? Die jetzigen Ver-
inbarungen rechtfertigen aus meiner Sicht nicht diese
assive Auseinandersetzung und diesen starken Legiti-
ationsbruch.
Meine Fraktion spricht sich selbstverständlich für ei-

en Fiskalpakt aus, aber für einen echten Fiskalpakt,

(Otto Fricke [FDP]: Mit Automatismen?)


r einen Fiskalpakt, der den Kampf gegen das Steu-
rdumping in der Europäischen Union endlich aufnimmt.
s kann nicht angehen, dass Länder in der Europäischen
nion eine beschämend niedrige Unternehmensbesteue-
ng haben und wir die Solidaritätslasten zu tragen haben.


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Gilt das auch für die Lebensarbeitszeit?)


Selbstverständlich sind wir für einen Fiskalpakt, mit
em man genauso wie für Haushaltskonsolidierung auch
r Investitionen in die Energiewende streitet,


(Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Wo kommt das Geld her?)


r Investitionen in den Kampf gegen die Jugendarbeits-
sigkeit und für Investitionen in Innovationen. Ein biss-

hen mehr Respekt und ein bisschen mehr Anerkennung
egenüber den griechischen Verantwortlichen hätte ich
ir auch aus Ihren Reihen gewünscht. Stellen Sie sich nur

inen kurzen Moment vor, wir müssten das, was derzeit in
riechenland beraten und diskutiert wird, hier im Deut-

chen Bundestag beschließen: massive Absenkung der
indestlöhne – die wir leider noch gar nicht haben –,


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Da sieht man, dass Sie falsch liegen!)


assive Absenkung der Renten und der Altersvorsorge-
istungen, massive Kürzungen im Sozialbereich, massi-
en Personalabbau im öffentlichen Dienst. Ich will nicht
agen, dass all das nicht notwendig wäre,


(Otto Fricke [FDP]: Aha!)


ber meine Fraktion würde sich ein bisschen mehr
espekt und Anerkennung statt Ihrer permanenten arro-
anten, oberlehrerhaften Attitüde wünschen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )


)(B)


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715808600

Otto Fricke hat jetzt das Wort für die Fraktion der

FDP.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Otto Fricke (FDP):
Rede ID: ID1715808700

Geschätzte Frau Vizepräsidentin! Meine sehr geehr-

ten Damen und Herren! Kollege Roth, arrogant ist doch
im Zweifel immer der, der anderen oberlehrerhaft Arro-
ganz vorwirft.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Da sind Sie ja Experte!)


Deswegen schlage ich vor: Lassen wir das sein. Ich un-
terstelle Ihnen keine Arroganz; denn ich glaube nicht,
dass das ein Mittel der politischen Auseinandersetzung
ist.

Ich will jetzt etwas zu Griechenland sagen, und zwar
in Richtung der griechischen Bürger und der griechi-
schen Politiker. Diese Zeit ist für alle Beteiligten ver-
dammt schwer und hart. Das wissen wir Politiker in al-
len Fraktionen hier genau, und das achten wir auch.


(Beifall des Abg. Dr. Michael Meister [CDU/ CSU])


Das hindert uns aber nicht daran, dafür zu streiten, die
richtigen Lösungen für unser Land und für Griechenland
zu finden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Manfred Zöllmer [SPD]: Ja! Die richtigen Lösungen!)


Weder Sie noch wir haben die absolute Sicherheit und
Gewissheit, geschweige denn die Weisheit, die Frage,
was richtig oder falsch ist, korrekt zu beantworten. Denn
manches, was auf den ersten Blick richtig, schön und
wählbar erscheint, erweist sich auf den zweiten Blick als
falsch.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Genau damit hat Frau Merkel große Erfahrungen gemacht!)


Zu dem Thema der Aktuellen Stunde, das ich gut ge-
wählt finde, will ich auf einen Punkt hinweisen: die Aus-
wirkungen auf Demokratie und Sozialstaat.


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Kein Cent für Griechenland!)


Warum haben wir diese Zustände in Griechenland? Wie
konnte eine Demokratie in diese Situation kommen? Da-
mit kommen wir an den Punkt, bei dem ich jeden Bürger
um Aufmerksamkeit gegenüber der Politik und uns allen
bitte. Es ist leider für zu viele in der Politik und für viel
zu viele in der griechischen Politik der einfache Weg ge-
wesen, auf Mehrausgaben zu setzen.


(Zuruf von der LINKEN: Weniger Einnahmen!)


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(C (D ir alle wissen, dass es einfacher ist, dem Bürger zu saen: „Das bekommst du; dafür sorge ich“, und das dafür ötige Geld irgendwoher zu holen, (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Einfach, niedrig und gerecht! Genau!)


ls zu sagen: „Nein, ich mache das nicht“, weil ich nicht
ereit bin, dafür in die Verschuldung zu gehen. Die grie-
hischen Regierungen, egal von welcher Seite, sind in
ie Verschuldung gegangen.

Wir können darüber streiten, an welcher Stelle man
ei der Sanierung mit Einsparungen ansetzt. Das ist die
olitische Diskussion, die wir immer wieder führen. Wir
ürfen aber nicht verkennen, dass der Fehler darin lag,
ass es der Politik in Griechenland wie in vielen anderen
ändern Europas und vielleicht auch in Deutschland zu
infach gemacht worden ist, Schulden zu machen und
ie Probleme irgendeiner nachfolgenden Generation vor
ie Haustür zu kehren. Der Fiskalpakt bewirkt, dass so
twas nicht mehr passiert. Das halte ich auf Dauer für
eit besser für eine Demokratie, als die Dinge laufen zu
ssen, auf die Inflation zu setzen und sich nachher zu
undern, dass die Mittelschicht komplett wegbröckelt
nd das Vertrauen in die Demokratie verloren geht. Des-
egen halte ich mit meiner Fraktion und der Koalition
iesen schwierigen Weg für den einzig gangbaren Weg.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zum Thema Sozialstaat: Wir werden in der Politik nie
u einer Einigung darüber kommen, welche Mittel und
eistungen für einen Sozialstaat die richtigen sind. Das
t auch gut so, weil es einen Wettbewerb um die besten
een gibt. Dabei gilt aber: Auch der Sozialstaat muss

rwirtschaftet werden. Er muss durch Leistungen der
tarken erbracht werden. Und deshalb gibt es in einem
ozialstaat Grenzen der Leistungsfähigkeit.

Wenn man will, dass der Sozialstaat existiert, dann
ommt man zu der Frage: Ist es richtig, heute Zusatzren-
n und morgen ein 13. oder 14. Gehalt und soziale Leis-
ngen zu versprechen


(Manfred Zöllmer [SPD]: Oder Steuersenkungen!)


nd das Ganze, wie es in Griechenland der Fall war, auf
ump zu machen und erst im Nachhinein die Auseinan-
ersetzung zu führen und dann bei denen anzusetzen, die
uf den Sozialstaat gehofft und vertraut haben?


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Dann kürzt man mal lieber den Mindestlohn um 20 Prozent!)


Da kommt der Mindestlohn! Wir merken doch – das
ann ich zumindest für die FDP sagen –, dass die Argu-
entation zum Mindestlohn, die wir immer wieder vor-

ebracht haben, vollkommen richtig ist. Ist der Mindest-
hn zu hoch, sieht der Arbeitsmarkt so aus wie in
riechenland. Ist er zu niedrig, dann hat er keinen Ef-
kt.





Otto Fricke


(A) )


)(B)


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD und der LINKEN)


– Ich weiß, dass Sie jetzt aufschreien. Aber beobachten
Sie, was in Griechenland passiert.


(Zurufe von der SPD)


Es zeigt sich doch, dass bei einem Mindestlohn in dieser
Höhe keiner in Griechenland investieren wird, weil sich
jeder sagen wird: Angesichts dieses Mindestlohns und
der Leistungen, die erbracht werden, kann ich auch wei-
terhin in einem hochproduktiven Land wie Deutschland
produzieren. Deswegen funktioniert dieser Ansatz nicht.
Dabei geht es nicht um die Frage, dass jemand, der
40 Stunden arbeitet, von dieser Arbeit leben können
muss.

Ein weiterer Aspekt zum Punkt Sozialstaat: Was für
eine Aufgabe hat ein Sozialstaat als Teil einer sozialen
Marktwirtschaft in einem modernen Europa? – Er hat die
Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Bürger darauf ver-
trauen können, dass das Versprechen von heute auch
morgen eingehalten wird, dass also gesagt wird: Lieber
dauerhaft 1 Prozent weniger als kurzfristig 10 Prozent
mehr und nachfolgend Inflation.

Von daher halten wir den Fiskalpakt auch mit all den
Argumenten, die die Vorredner der Koalition schon ge-
nannt haben, für dringend notwendig. Wir halten ihn für
essenziell. Notwendige Voraussetzung ist ein Umdenken
beim Umgang mit der Verschuldung; denn nur dann,
wenn Politik daran gehindert wird, mehr Geld auszuge-
ben, als sie bekommen kann, wird sie auf Dauer Ver-
trauen in die Demokratie und den Sozialstaat schaffen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715808800

Das Wort für die Bundesregierung erhält nun der Par-

lamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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Steffen Kampeter (CDU):
Rede ID: ID1715808900


Danke, Frau Präsidentin. – Meine sehr verehrten Da-
men und Herren! Hohes Haus! Europa war und ist eine
Riesenchance für Deutschland. Unser Land hat diese
Chance in der Vergangenheit redlich genutzt und sollte
sie in der Zukunft auch weiter nutzen.

Ich glaube, es stimmt: Wir gelten als diejenige Na-
tion, die in dem europäischen Einigungsprozess politisch
und ökonomisch auf der Gewinnerseite steht. Die deut-
sche Wiedervereinigung wäre zum Beispiel ohne den
vorhergegangenen europäischen Integrationsprozess nie-
mals möglich gewesen, und wirtschaftlich ist die Export-
nation Deutschland wie wenige andere Länder darauf
angewiesen, dass es einen gemeinsamen Binnenmarkt
gibt. Wir Deutsche sollten für eine europäische Erfolgs-
geschichte dankbar sein, die uns politisch und wirt-
schaftlich vorangetrieben hat. Wir sollten als Erste daran

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(C (D itwirken, diesen europäischen Integrationsprozess irtschaftlich und politisch zu vertiefen, und zwar nicht ur, weil wir weiter davon profitieren wollen, sondern eil wir mehr Nationen einladen wollen, an dieser euroäischen Erfolgsgeschichte mitzuwirken, ihr beizuwohen und sie zu teilen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Als wir in den 90er-Jahren für Teile dieses Europas
ine gemeinsame europäische Währung entwickelt ha-
en, waren wir der festen Überzeugung, dass es zweier
inge bedarf: erstens einer unabhängigen Zentralbank
nd zweitens einer stabilen Finanzpolitik in allen Euro-
onen-Ländern. Die eine Säule heißt EZB, die andere ist
er Stabilitäts- und Wachstumspakt. Beide Säulen haben
ut gewirkt. Das wird deutlich, wenn man sich ansieht,
elche Konvergenz von den 90er-Jahren bis zur Mitte
ieses Jahrzehnts – bis 2008 – erreicht wurde.

Als wir Deutsche 2003/2004 allerdings in Schwierig-
eiten geraten sind, haben wir nicht unser Verhalten,
ondern die Regeln geändert. Wir haben dem Stabilitäts-
nd Wachstumspakt gemeinsam mit anderen Ländern
ie Stabilitätsvorgabe entzogen. Stabilität in Europa war
ichts mehr wert, und mit der ersten Finanzkrise wurde
ies offenkundig. Wenn ich heute höre, dass die Vertre-
r von Rot und Grün, die damals die Verantwortung da-
r getragen haben, dass die Stabilität in Europa nicht
ehr so viel wert war wie zu Zeiten Theo Waigels,


(Widerspruch bei der SPD)


ihren Redebeiträgen sagen, dass die Wiederherstel-
ng von Stabilität nicht so wichtig sei, dann kann ich
ir das nicht anders erklären, als dass sie offensichtlich
r schlechtes politisches Gewissen für das Versagen der

amaligen Bundesregierung bei der Novellierung des
tabilitätspaktes umtreibt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


h finde es für den Bundesfinanzminister und diese
undesregierung richtig, notwendig und wichtig, dass
ie Stabilitätsversprechen wieder strikt eingehalten wer-
en. Deshalb ist dieser Fiskalpakt notwendiger denn je.
r ist ein erster wichtiger Schritt. Er ist ein weiterer
chritt hin zur politischen Union, die wir anstreben und
r notwendig erachten.

Wenn hier gespottet wird, dass ein solcher völker-
chtlicher Vertrag innerhalb von zwei Monaten zusam-
engestellt worden sei, dann entgegne ich: Das ist Inte-

ration in Hochgeschwindigkeit. Diese war allerdings
uch notwendig. Europa hat sich somit als handlungsbe-
it, als handlungswillig und als handlungsfähig gezeigt.
as ist ein gutes Signal an die Bürgerinnen und Bürger
Deutschland und in Europa.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der Kollege Bartsch hat hier eher für Neues Deutsch-
nd und junge Welt als zur Sache geredet. Deshalb will
h noch einmal deutlich machen, worum es in dem Fis-
alpakt geht. Er hat dies gelegentlich unterschlagen.





Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter


(A) )


)(B)

Erstens. Ehrgeizige Vorgaben für Fiskaldisziplin und
nationale Schuldenbremsen für alle Teilnehmerstaaten
des Fiskalpaktes und nicht nur im deutschen Grundge-
setz.

Zweitens. Die Einhaltung der Regeln kann nun erst-
mals durch den Europäischen Gerichtshof überprüft wer-
den, und Verstöße können mit Sanktionen belegt werden.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Klappt nicht!)


Das ist ein wichtiger Schritt. Der Kollege Link hat ge-
sagt: Daran müssen wir noch weiter arbeiten. – Aber hier
gilt schon einmal: mehr Stabilität für Europa.

Drittens. Schuldenbremsen sind nicht durch ein einfa-
ches Gesetz zu verankern, das man sozusagen mit einem
Fingerschnipp wieder aufheben kann – deswegen appel-
liere ich auch an alle Länder in Europa, darüber hinaus-
zugehen –, sondern sie brauchen eine besondere rechtli-
che Qualität, beispielsweise einen Verfassungsrang.

Viertens. Der Fiskalpakt und der Rettungsschirm wer-
den miteinander verzahnt, also keine Solidarität ohne
Solidität. Solidarität setzt auch auf Eigenverantwortung.
Es kann keiner in Europa ohne Einhaltung von Fiskaldis-
ziplin darauf setzen, dass andere ihn heraushauen. In die-
sem Sinne ist die Verzahnung von Fiskalpakt und euro-
päischem Rettungsschirm wichtig.


(Beifall des Abg. Dr. Michael Meister [CDU/ CSU])


Dass automatische Sanktionen nun kodifiziert sind, ist
ein weiterer wichtiger Erfolg.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Fis-
kalpakt ist ein gutes Stück Europa. Wir sollten das auch
laut und deutlich sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


In manchen Redebeiträgen hier im Haus ist deutlich
geworden, dass wir klar festhalten sollten: Heute, 2012,
ist auch ein Schlusspunkt für schuldenfinanziertes
Wachstum gesetzt. Wir haben einen so hohen Schulden-
stand erreicht, dass das Denken der 70er- und 80er-Jahre
des letzten Jahrhunderts nicht mehr zieht. Wer heute
glaubt, mit mehr Verschuldung mehr Wachstum zu er-
zeugen, der irrt.


(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat auch keiner behauptet!)


Mit mehr Verschuldung erzeugt man weniger Vertrauen,
und durch weniger Vertrauen erzeugt man lediglich mehr
Probleme. Auch das ist das Credo dieses Fiskalpakts, der
von ganz Europa mitgetragen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Manfred Zöllmer [SPD]: Weshalb wollen Sie dann mehr Schulden?)


Ich habe gerade gehört, wie der Kollege Roth für die
sozialdemokratische Bundestagsfraktion erklärt hat:
Schulden sind gut; wir haben in Deutschland welche ge-
macht, und deswegen muss auch Griechenland mehr
Schulden machen.

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(C (D (Michael Roth [Heringen] [SPD]: Das habe ich überhaupt nicht gesagt!)


as zeigt, dass der Kollege Roth die letzten 20, 30 Jahre
er europapolitischen und der ökonomischen Entwick-
ng schlichtweg verschlafen hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frank Steffel! – Manfred Zöllmer [SPD]: Sie haben nicht zugehört!)


achstum durch Schulden, das ist altes Denken; das
ägt nicht im 21. Jahrhundert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Manfred Zöllmer [SPD]: An Ihrer Stelle würde ich die Backen nicht so aufblasen!)


Lassen Sie mich ein Wort zu Griechenland sagen. Es
t festzuhalten – das ist in dieser Debatte verschiedent-
ch angesprochen worden –: Der Fortschritt auf griechi-
cher Seite in den letzten Wochen war unzureichend.
riechenland muss handeln. Europa wartet auf griechi-

che Entscheidungen. Für heute Abend hat der Vorsit-
ende der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, die Fi-
anzminister zu einem neuerlichen Treffen eingeladen,
m die Erkenntnisse, die die Troika gewonnen hat, und
en Stand bei der Beteiligung des privaten Sektors zu
ewerten. Gegebenenfalls wird es im Kreise der Finanz-
inister auch zu Beschlüssen kommen. Klar ist aller-

ings, es sind von griechischer Seite noch nicht alle Fra-
en beantwortet:

Erstens. Wie will man die offenkundig vorhandene
inanzierungslücke im laufenden Haushaltsjahr in Grie-
henland schließen?

Zweitens. Was sagt die griechische Seite zu dem
hema des vorbeugenden Handelns? Auf Ankündigun-
en kann man keine solide Politik aufbauen. Politik be-
arf eines konkreten Handelns.

Drittens. Wie stellen sich die griechischen Parteien,
ie den griechischen Premierminister gewählt und ge-
tützt haben, zu diesen Verabredungen? Werden die Ver-
bredungen auch von einer breiten politischen Mehrheit
etragen?

Ohne die Antworten aus Griechenland kann Europa
icht handeln. Europa ist handlungswillig, wenn Grie-
henland handelt und verbindliche Zusagen macht. Das
t die klare Botschaft, die auch von dieser Debatte aus-
ehen sollte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das griechische Beispiel zeigt aber auch: Verantwor-
ng für nationale Haushalte haben vor allen Dingen die
ationalstaaten selbst. Verantwortung muss von allen
eiten wahrgenommen werden, auch von der griechi-
chen Seite. Das entspricht den griechischen Interessen;
enn nur wenn die Haushalte solide sind, wird Griechen-
nd auch politisch, sozial und wirtschaftlich auf Dauer

olide sein. Das entspricht auch den Erwartungen in
eutschland. Aber vor allen Dingen entspricht das den
teressen Europas an einer dauerhaften Stabilität nicht

ur in Griechenland, sondern in allen Haushalten in der





Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter


(A) )


)(B)

Euro-Zone und weit darüber hinaus. Deswegen ist dieser
Fiskalpakt richtig, dringend und zwingend notwendig
für mehr Stabilität in Europa. Mehr politische Union be-
deutet mehr politisch-wirtschaftliche Stabilität für unser
Vaterland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Lassen Sie mich abschließend auf einen Punkt hin-
weisen, der auch in dieser Debatte eine Rolle gespielt
hat, nämlich die parlamentarische Begleitung dieses In-
tegrationsprozesses. Ich möchte mich beim Deutschen
Bundestag ausdrücklich für die sehr intensiven Beratun-
gen in den letzten ein, zwei Jahren zu diesem Themenbe-
reich bedanken, neben dem Plenum insbesondere im
Haushaltsausschuss und im Europaausschuss. Ich gehöre
dem Hohen Haus seit etwas mehr als 20 Jahren an. Seit
der Wiedervereinigung ist diese Zusammenarbeit und
Abstimmung zwischen Legislative und Exekutive, die
bei einigen zentralen europapolitischen Entscheidun-
gen, die in dieser Zeit zu treffen waren, immer wieder
nötig wurde, nicht nur beispielhaft, sondern intensiv und
gegenseitig bereichernd.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Das gilt für die Beratungen zum Sixpack, zum ESM, zur
EFSF, zu dieser Griechenland-Entscheidung und zu die-
sem Fiskalpakt.

Zu den Aussagen von Rednern der Opposition, hier
sei eine Form der Entparlamentarisierung oder der
demokratischen Entäußerung diskutiert worden, kann
ich nur sagen: Das ist schlichtweg Unsinn. In diesen
Gremien sind doch Vertreter aller Fraktionen. Ich weise
darauf hin, dass ein Vertreter der Opposition – er ist lei-
der nicht mehr da – gestern im Haushaltsausschuss
gesagt hat, die Beteiligung des Parlaments an diesen
Prozessen sei im Vergleich zu Parlamenten anderer euro-
päischer Länder, die er beobachtet habe, vorbildlich und
beispielgebend.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Es ging um das Europäische Parlament! Das spielt doch gar keine Rolle mehr!)


Wenn selbst die Opposition im Haushaltsausschuss
damit zufrieden ist, wie wir diese Prozesse demokratisch
begleiten, dann kann die Bundesregierung nicht mehr
machen. In diesem Sinne werden wir weiter darum rin-
gen.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sehen uns erst einmal vor dem Verfassungsgericht, Herr Kampeter!)


Wir werden Sie aufrichtig und umfassend informieren –


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715809000

Herr Kollege.

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Steffen Kampeter (CDU):
Rede ID: ID1715809100


– und setzen für Europa und die Zukunft Europas mit
mehr finanzieller Stabilität auch auf Ihre Unterstützung.

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(C (D Herzlichen Dank. Das Wort hat der Kollege Alexander Ulrich für die raktion Die Linke. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! err Kampeter, es ist sehr interessant, dass Sie definien wollen, wozu wir bei der Aktuellen Stunde, die wir eantragt haben, reden dürfen. Das müssen Sie schon der raktion überlassen, die die Aktuelle Stunde beantragt at. Auch Herr Kalb von der CDU/CSU hat sich gewunert, dass der Fiskalpakt überhaupt Thema ist. (Zuruf von der CDU/CSU: Beim Thema bleiben!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715809200

(Beifall bei der LINKEN)

Alexander Ulrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715809300

Ich möchte darauf aufmerksam machen: Wir reden
ier von einem historischen Vertrag. Seit zwei Monaten
ibt es darüber Hunderte von Gesprächen europaweit
nd in Hinterzimmern, aber am Parlament und an der
ffentlichkeit geht das Thema vorbei. Durch die Aktu-

lle Stunde, die die Linksfraktion beantragt hat, wird das
hema Fiskalpakt endlich auch einmal im Plenum des
undestages behandelt. Eigentlich bedürfte es einer
egierungserklärung, damit auch das Parlament und die
ffentlichkeit erfahren, was Sie hier vorhaben.


(Beifall bei der LINKEN – Joachim Spatz [FDP]: Es gab schon eine Regierungserklärung im Dezember!)


Frau Hinz, ich weiß nicht, ob es eine Steigerungsform
on „pleite“ gibt.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Linkspartei!)


ie haben uns kritisiert, weil wir dem Griechenland-
aket nicht zugestimmt haben. Haben Sie zur Kenntnis
enommen, dass seit dem ersten Griechenland-Hilfs-
aket die Verschuldung in Griechenland zugenommen
at?


(Joachim Spatz [FDP]: Na klar!)


Wir als Linke haben gesagt: Mit dieser Politik treibt
an die griechische Wirtschaft in die Rezession. Das
ird zu massivem Sozialabbau führen, und am Ende
ird es den Griechen schlechter gehen.


(Otto Fricke [FDP]: Sie haben nur nicht gesagt, wer das bezahlen soll!)


enau diesen Zustand finden wir heute vor. Das zeigen
ie Bilder aus Griechenland. Das heißt, die Linke, die
inzige Fraktion, die vor diesem Weg gewarnt hat, hat
as Paket im Bundestag zu Recht abgelehnt.


(Beifall bei der LINKEN – Joachim Spatz [FDP]: Sagen Sie doch mal, wer das bezahlen soll! – Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was hätten Sie gemacht?)






Alexander Ulrich


(A) )


)(B)

Wir sind auch deshalb dankbar für die Aktuelle
Stunde, weil die FDP erneut gezeigt hat, welches neo-
liberale und menschenverachtende Bild sie eigentlich
verfolgt.


(Widerspruch bei der FDP – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Bingo!)


Wenn hier gesagt wird, der Mindestlohn sei ein riesiges
Problem, dann weise ich Sie noch einmal darauf hin: Der
Mindestlohn soll jetzt in Griechenland von 750 Euro auf
580 Euro gekürzt werden; das entspricht einem Stunden-
lohn von 3,60 Euro bei vergleichbaren Lebensverhältnis-
sen. Das zeigt, wohin Sie die Völker Europas führen
wollen: in Armut und Sozialabbau.


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Waren Sie eigentlich einmal dort? Das ist absurd!)


Es war gut, dass Sie dies heute noch einmal kundgetan
haben. Sicher in diesem Zusammenhang ist: Die FDP ist
mit ihren 3 Prozent noch zu gut bewertet.


(Beifall bei der LINKEN)


Der Fiskalpakt ist das Diktat der Finanzmärkte in Ver-
tragsform.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Blödsinn!)


Wenn Sie, Herr Barthle, sagen, es sei fast schon his-
torisch, was die Kanzlerin gemacht habe, und das mit
einem Glorienschein versehen, dann sage ich Ihnen:
Das, was die Kanzlerin mit Sarkozy verhandelt oder
erpresst hat


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: „Erpresst“ hat? Straftat!)


im Sinne der Ackermänner dieser Welt, ist der Sargnagel
für ein europäisches Sozialmodell und die Demokratie in
Europa. Wir werden die europäischen Völker tief in die
Krise führen, noch tiefer als heute.


(Beifall bei der LINKEN – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bevölkerungen!)


Dann heißt es immer, wir hätten eine Staatsschulden-
krise. Ich habe hier ein Schaubild von der Europäischen
Zentralbank. Bitte nehmen Sie das einfach einmal zur
Kenntnis.


(Otto Fricke [FDP]: Sie müssen das umdrehen!)


Wir hatten bis zur Lehman-Brothers-Pleite keine Staats-
schuldenkrise. Erst zu diesem Zeitpunkt ist die Staats-
schuld größer geworden, weil wir die Banken gerettet
haben. Wir haben also keine Staatsschuldenkrise, son-
dern eine Krise durch die Rettung von Banken, und das
soll jetzt durch Sozialabbau ausgeglichen werden.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Können Sie das beziffern, wie die Banken unsere Staatsverschuldung erhöht haben?)


Es gibt zwei Möglichkeiten, um die Schulden in den
Griff zu bekommen: Die eine Möglichkeit ist, die Ein-
nahmeseite zu erhöhen, die andere Möglichkeit ist – das

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(C (D achen Sie – Sozialabbau. Wir sind offensichtlich die inzige Fraktion im Bundestag, die sagt: Man muss die innahmeseite erhöhen und darf Europa nicht mit ozialabbau in die Rezession treiben. (Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU: Also Steuern rauf in Griechenland? – Sie reden von Dingen, von denen Sie keine Ahnung haben!)


eshalb sagen wir klipp und klar: Wir als Linke werden
iesen Fiskalvertrag hier ablehnen.


(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn das Leben so einfach wäre, wie sich die Linke das vorstellt!)


Herr Roth, Sie haben hier wiederholt, dass der Fiskal-
ertrag keine Lösung bietet. Wir sind gespannt, wie sich
ie SPD im Bundestag verhalten wird. Denn eines ist klar:
enn etwas schlecht ist, dann kann man nicht – auch

icht aus staatspolitischer Verantwortung – zustimmen.
enn es gibt keine staatspolitische Verantwortung, die
rdert, eine falsche Politik zu unterstützen. Sie haben

ei den Griechenland-Paketen und bei den Schutzschir-
en immer zugestimmt. Aber die SPD muss ihren Wor-
n im Plenum endlich auch einmal Taten folgen lassen.
enn Sie das für richtig halten, was Sie hier sagen – ich

age: Es war richtig –, müssen Sie den Fiskalvertrag
blehnen.


(Beifall bei der LINKEN – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie mit der neoliberalen SPD paktieren?)


Für die Linke ist relativ klar: Die Einnahmeseite muss
rhöht werden. Deshalb:


(Zuruf von der CDU/CSU: Steuern rauf!)


nsere Schuldenbremse heißt nicht Sozialabbau, unsere
chuldenbremse heißt Millionärssteuer.


(Zuruf von der FDP: Ja, für die Griechen! Griechische Millionäre! Onassis! – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das löst leider nicht alle Probleme dieser Welt!)


Im Fiskalvertrag findet sich auch kein Ton darüber,
ie eigentlich die Finanzmärkte, die uns in diese Krise
ineingetrieben haben, beteiligt werden sollen. Kein
ort von einer Finanztransaktionsteuer! Kein Wort von

iner Beteiligung der Banken! Kein Wort von höheren
pitzensteuersätzen! Nein, was man hört, ist: Die Staa-
n sollen mit Sozialabbau ihre Haushalte in den Griff
ekommen.

Es bleibt dabei: Das wird der europäischen Idee mas-
iv schaden. Sarkozy und Merkel haben sich zu Erfül-
ngsgehilfen von Ackermann gemacht. Das wird die

uropäische Idee nachhaltig beschädigen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Langsam wird es langweilig!)







(A) )


)(B)


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715809400

Für die CDU/CSU-Fraktion ergreift jetzt der Kollege

Eckhardt Rehberg das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eckhardt Rehberg (CDU):
Rede ID: ID1715809500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abge-

ordnete! Dieser Fiskalpakt ist aus meiner Sicht zweifach
historisch, und zwar weil er


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schon gescheitert ist!)


erstens Fehler der letzten 20 Jahre in der europäischen
Politik korrigiert und zweitens, Kollege Roth, auf Nach-
haltigkeit setzt. Dieser Fiskalpakt setzt auf Nachhaltig-
keit, auf Verantwortung gegenüber den nachfolgenden
Generationen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich habe den Diskussionsprozess in der Großen
Koalition zum Thema Schuldenbremse noch gut in Erin-
nerung: Es war schon für uns ein schwieriger Weg, zu
einem Ziel zu kommen. Es war aber auch ein notwen-

Steffen Kampeter (CDU):
Rede ID: ID1715809600

Es muss Schluss sein mit dem schuldenfinanzierten
Wachstum. – Dass der Fiskalpakt nun innerhalb von
zwei Monaten durchgebracht wurde und 25 europäische
Staaten ihm zugestimmt haben, ist gerade für die süd-
europäischen bzw. südosteuropäischen Länder nicht nur
ein politischer Paradigmenwechsel, sondern auch ein
kultureller Paradigmenwechsel bezüglich der Fragen:
Wie stehe ich zu Schulden, wie stehe ich zur Geldpoli-
tik? Deswegen sollte man diesen Fiskalpakt mit all sei-
nen Mechanismen nicht kleinreden; denn er ist ein wich-
tiges Instrument, damit wir in Europa Stabilität
bekommen.

Meine Damen und Herren von den Linken, Solidarität
kann keine Einbahnstraße sein. Glauben Sie denn, dass
sich, wenn wir Ihren Vorschlägen gefolgt wären, an
irgendeiner Stelle irgendetwas in Griechenland bewegt
hätte? Kollege Bartsch, gelegentlich sollten Sie sich ein-
mal einen Bericht aus dem Oktober 1989 vornehmen,
den sogenannten Schürer-Bericht über die Verhältnisse
in der ehemaligen DDR. Unter anderem haben da Ein-
nahmen und Ausgaben überhaupt nicht mehr zueinan-
dergepasst. Ich kann nicht 1 Euro einnehmen und 2 Euro
ausgeben. Das führt zur Krise des Sozialstaats und zur
Krise der Demokratie.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Jetzt wird gefordert, das Wachstum in Griechenland
besonders zu fördern, mit einem Marschallplan, einem
Merkel-Plan. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn
meine Informationen stimmen, stehen Griechenland in
der Förderperiode der Europäischen Union von 2006 bis
2013 20 Milliarden Euro zur Verfügung.


(Zuruf von der FDP: So ist es!)


Davon sind gerade einmal 5 Milliarden Euro abgerufen.
Diese Förderperiode dauert noch zwei Jahre. Griechen-
land muss im Gegensatz zu anderen europäischen Län-

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(C (D ern lediglich 5 Prozent kofinanzieren. Das heißt, für riechenland liegen für Forschung, Entwicklung, Infra truktur, gewerbliche Wirtschaft 15 Milliarden Euro bei er Europäischen Union bereit. Es gibt nur ein Problem. Nein, es geht dabei nicht um die Kofinanzierung; enn dafür kann das Geld verwendet werden, das wir riechenland im Rahmen der Kredittranchen auszahlen. – as Problem ist, dass die staatliche Administration in riechenland einfach nicht in der Lage ist, konkrete nträge zu stellen. (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)


(Zuruf von der SPD: Die Kofinanzierung!)


(Zuruf von der SPD: Natürlich!)


Ich muss sagen: Hier geht es nicht um unsere Verant-
ortung, sondern um die Verantwortung der Griechen.
ie müssen selber für Wachstum und Beschäftigung sor-
en. Die Europäische Union setzt nur die Rahmenbedin-
ungen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sie, meine Damen und Herren von der linken Seite,
rdern uns auf, einen größeren Beitrag zu leisten. Wir

ind bereits das größte Nettozahlerland in der Europäi-
chen Union. Deutschland leistet auch an dieser Stelle
einen Beitrag, hilft Griechenland und zeigt damit seine
olidarität.

Deutschland war vor zehn Jahren die lahme Ente in
uropa. Kollege Roth, Sie verabschieden sich sehr
chnell und sehr gerne von der erfolgreichen Politik, die
ie damals, als Sie in der Regierungsverantwortung
tanden, gemacht haben. Ich meine die Agenda 2010.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Dazu habe ich doch wirklich nichts gesagt!)


ie Arbeitsmarktreform war der erste Baustein, um
achstum und Beschäftigung zu generieren. Auch von

em zweiten Baustein verabschieden Sie sich, nämlich
on den Steuersenkungen.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Mehr Geld für Bildung!)


Wir haben die Einnahmeseite durch Wachstum deut-
ch gestärkt. Man muss nicht Steuern erhöhen, um die
innahmeseite zu stärken. Man muss vielmehr Wachs-
m generieren. Dann wird die Einnahmeseite gestärkt.
as ist uns in den letzten Jahren erfolgreich gelungen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Noch etwas anderes kommt hinzu: Die Große Koali-
on und danach die christlich-liberale Koalition haben
it den Konjunkturpaketen I und II eine steuerliche Ent-
stung der Bürgerinnen und Bürger, was die volle Jah-
swirkung betrifft, von insgesamt 30 Milliarden Euro

orgenommen. Die Steuermehreinnahmen und die Ent-
stung der Bürger haben dazu geführt, dass wir heute in
uropa so dastehen, wie wir dastehen. Ich glaube, die
pposition sollte schon einmal deutlich machen, dass
ie erfolgreiche Politik, die wir in Deutschland in den





Eckhardt Rehberg


(A) )


)(B)

letzten Jahrzehnten gemeinsam getragen haben, vorbild-
lich für Europa sein kann.

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715809700

Der Kollege Manfred Zöllmer spricht jetzt für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Manfred Zöllmer (SPD):
Rede ID: ID1715809800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Kollege Rehberg, ganz herzlichen Dank für Ihr
geradezu euphorisches Lob für die sozialdemokratische
Politik der Vergangenheit.


(Beifall bei der SPD – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Ja, der Vergangenheit!)


– Wir sind im Moment nicht an der Regierung. Das wird
sich aber 2013 ändern. Da können Sie ganz sicher sein.


(Joachim Spatz [FDP]: Na ja!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Vertrag über
Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirt-
schafts- und Währungsunion wird fälschlicherweise Fis-
kalpakt genannt. Eigentlich ist es kein Fiskalpakt; es ist
ein Haushaltspakt. Aus unserer Sicht wäre es aber nicht
schlecht gewesen, sich auch einmal mit der fiskalischen
Seite zu beschäftigen und etwa einen Pakt gegen Steu-
erdumping zu vereinbaren oder eine vernünftige Verein-
barung im Zusammenhang mit der Finanztransaktion-
steuer vorzulegen.


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Gegen zu kurze Wochenarbeitszeiten!)


Vielleicht wäre es dann möglich gewesen, mehr soziale
Ausgewogenheit bei der Bekämpfung der gegenwärtigen
Krise zu schaffen.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Vielleicht! Eventuell!)


Die aktuelle Krise in Europa ist – das ist, so glaube
ich, Fakt – nur zum Teil eine Staatsschuldenkrise. Es ist
natürlich richtig, dass das von Banken und Finanzmärk-
ten immer suggeriert wird. Sie wollen sich aus der Ver-
antwortung stehlen; denn die aktuellen Schulden sind
überwiegend das Erbe der Finanzmarktkrise.


(Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Was? Griechenland hat seine Schulden wegen der Finanzmarktkrise? – Joachim Spatz [FDP]: So ein Quatsch!)


– Ja, das ist so. Schauen Sie sich die Beispiele an. Die
Statistik, die hier vorgestellt wurde, war doch nicht
falsch; sie war richtig. – Es hat aber eine Ausnahme
gegeben, auf die man hinweisen muss. Diese Ausnahme
ist Griechenland. Der Schuldenbrand in Griechenland
war in der Tat bereits da, im Übrigen – das muss man in
aller Deutlichkeit sagen – unter einer konservativen
Regierung.

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(C (D (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Diese Rechnung braucht man Europa nicht vorzulegen!)


a hat die Finanzmarktkrise nur als Brandbeschleuniger
ewirkt.

Wir müssen mit Blick auf Europa insgesamt feststel-
n: Es gibt einen haushaltspolitischen Schlendrian, der
ekämpft werden muss. Die Frage ist nur: Wie erreichen
ir wieder solide Haushalte? Mit dem Fiskalpakt setzen
ie ausschließlich auf Einsparungen und wundern sich
ann über die konjunkturellen und sozialen Auswirkun-
en einer reinen Austeritätspolitik.

Wohlgemerkt, wir Sozialdemokraten sehen die Not-
endigkeit von Solidität in den Staatshaushalten. Doch
olidität ohne Solidarität, ohne Wachstum und soziale
usgewogenheit, verschärft die Krise, statt sie zu über-
inden.


(Beifall bei der SPD – Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Solidarität ohne Solidität führt auch ins Elend!)


Der Vertrag will in Zukunft eine solidere Haushalts-
hrung der Euro-Staaten sichern. Dies ist grundsätzlich

u begrüßen. Der Vertrag, so ist die Planung, wird frü-
estens am 1. Januar 2013 in Kraft treten, wenn er ratifi-
iert worden ist. Was folgt daraus? Dieser Fiskalpakt löst
ein aktuelles Problem. Er weist nur in die Zukunft. In
er Gegenwart wirkt die jetzige Regierung ratlos. Sie
berlässt das Krisenmanagement der EZB in der Hoff-
ung, sie werde tun, was in Deutschland von der Bun-
esregierung radikal abgelehnt wird, nämlich Schulden
urch den Ankauf von Staatsanleihen zu vergemein-
chaften. Das hat sie in der Vergangenheit auch getan.


(Otto Fricke [FDP]: Was ist Ihr Vorschlag?)


Wir erinnern uns noch sehr genau an den Eiertanz
ber eine Beteiligung des Privatsektors am Schulden-
chnitt: Ja, auf jeden Fall, so Frau Merkel; jetzt, so Frau
erkel, nein, auf gar keinen Fall.


(Otto Fricke [FDP]: Hallo! Sie scheinen die letzten drei Tage im Schnee steckengeblieben zu sein!)


Dann werden viele abenteuerliche Vorschläge produ-
iert, häufig auf Stammtischniveau. Ich erinnere hier an
ie Forderung nach einem Sparkommissar für Griechen-
nd. So wenig Sensibilität gab es selten.


(Beifall bei der SPD)


elten wurde so viel europäisches Porzellan in kurzer
eit zerschlagen. Da kann man nur sagen: Avanti Dilet-
nti.

Was sind die ökonomischen Konsequenzen? Wenn
in Land von der Droge Verschuldung herunterkommen
uss, wird es heftige Entzugserscheinungen geben. Das
t, glaube ich, völlig klar. Aber am Beispiel Griechen-
nd wird deutlich: Mit Ihrer Politik vergrößern Sie diese
ntzugserscheinungen. Sie sind größer, als sie eigentlich
ein müssten; denn der von Ihnen propagierte Weg aus
en Schulden ist falsch. Eine reine Sparorgie führt öko-





Manfred Zöllmer


(A) )


)(B)

nomisch in eine Rezession, mit extremen sozialen und
ökonomischen Verwerfungen und Folgen.


(Zuruf von der FDP: Sie geben neues Doping!)


Genau das ist im Fall Griechenlands in die Erwägun-
gen einzubeziehen. Die Versprechungen, sich nun end-
lich auch um Wachstum zu kümmern, sind mit dem
Fiskalpakt nicht eingelöst worden. Aber die soziale Si-
tuation in diesem Land ist dramatisch: höchste Arbeits-
losigkeit, fast völlige Perspektivlosigkeit der Jugend. So
etwas kommt in der Politik der Bundesregierung nicht
vor.


(Bettina Hagedorn [SPD]: So ist es!)


Es gibt immerhin eine Erklärung der Staats- und Re-
gierungschef zu Wachstum und Beschäftigung. Das ist
sicherlich grundsätzlich positiv. Negativ ist es, dass die-
ses Papier einen Preis für seine Ansammlung von Allge-
meinplätzen verdient hätte. Viel Prosa, nichts Konkretes.
Versuchen Sie einmal, mit Prosa Wachstum anzuschie-
ben.


(Beifall bei der SPD)


Solange es nicht gelingt, die notwendige Haushaltskon-
solidierung mit intelligenter Wachstumsförderung zu
verbinden, wird diese Krise nicht überwunden werden.


(Beifall bei der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715809900

Der letzte Redner in der Aktuellen Stunde ist der Kol-

lege Jürgen Hardt für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Jürgen Hardt (CDU):
Rede ID: ID1715810000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Niemand auf der Welt kann an der Tatsache vorbeige-
hen, dass die verfügbaren Mittel die materiellen Mög-
lichkeiten bestimmen. Als ich vorgestern erfahren habe,
dass ausgerechnet die Linke die Aktuelle Stunde bean-
tragt hat, fühlte ich mich an den Januar vor 22 Jahren er-
innert.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Ausgerechnet? Was heißt das?)


Damals ist ein Mann namens Hans Modrow, der einige
Monate Ministerpräsident der sozialistischen DDR war,
nach Westdeutschland gereist. Statt dass er dort aus der
Erkenntnis der schwierigen Situation in der DDR den
Schluss zieht, dass die Marktwirtschaft eingeführt wer-
den muss, hat er als Erstes einen riesigen Milliardenkre-
dit beantragt. Herr Modrow ist im Übrigen heute Ehren-
ratsvorsitzender der Partei Die Linke.


(Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das stimmt doch nicht!)


– Dann müssen Sie Herrn Modrow sagen, dass er seinen
Lebenslauf im Internet ändern muss.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Fragen Sie bei Ihren Altvorderen nach, was da wirklich war!)


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(C (D Auch im Deutschen Bundestag kommt man an der egel, dass die verfügbaren Mittel die materiellen Mögchkeiten bestimmen, nicht vorbei. Wenn Ebbe in der taatskasse ist und der Bankrott der öffentlichen Hand roht, dann ist das in erster Linie und ganz besonders für ie Menschen problematisch, die auf staatliche Mittel ngewiesen sind: die Rentner, die Sozialhilfeempfänger, ie Auszubildenden. Deswegen ist eine Politik solider taatsfinanzen eben auch eine vorsorgliche, weil nachaltige Sozialpolitik. Was wir in Griechenland erleben, t leider genau das Gegenteil. Nach Jahrzehnten des unbedachten Schuldenmachens t es schon ein epochaler Fortschritt, dass wir nun, nachem wir in Deutschland diesen Schritt bereits vor einien Jahren unternommen haben, die Schuldenbremse in 5 der 27 EU-Mitgliedstaaten gesetzlich verankern. Frau inz hat vorhin für die Grünen reklamiert, das sei nur ine halbe Sache; denn die Schuldenbremse habe mögliherweise in dem einen oder anderen Land noch nicht inmal Verfassungsrang. Frau Hinz, ich bin im Mai 2009 mit einem Trömmelhen durch Solingen gezogen und habe mich um ein undestagsmandat beworben. Zu jener Zeit waren Sie chon hier. Meines Wissens haben die Grünen damals egen die Aufnahme der Schuldenbremse in das Grundesetz gestimmt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil wir eine bessere wollten!)


Wir haben mit der Schuldenbremse in der Bundes-
publik Deutschland gute Erfahrungen gemacht.


(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind nicht gegen die Schuldenbremse!)


ie Haushaltspolitik der Bundesregierung ist in diesem
unkt wirklich beachtlich; so ist die Neuverschuldung
eutlich auf 17 Milliarden Euro reduziert worden. Ich
ersönlich möchte es noch erleben, dass wir wieder ein-
al ausgeglichene Bundeshaushalte vorlegen.

Der letzte ausgeglichene Bundeshaushalt war der von
969 unter Finanzminister Franz Josef Strauß. Danach
ekam die Politik des leichten Geldes Aufschwung, weil
an glaubte, man könne durch zusätzliche Verschul-

ung, durch das Gelddrucken der Zentralbank die Wirt-
chaft und den Konsum ankurbeln und sich damit aus
er Wirtschaftskrise bewegen.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Das ist doch Blödsinn, was Sie da erzählen!)


Helmut Schmidt hat gesagt: 5 Prozent Inflation sind
ir lieber als 5 Prozent Arbeitslosigkeit. – 1982 hatte
eutschland 5 Prozent Inflation, 7 Prozent Arbeitslosig-
eit und ein Wirtschaftswachstum von minus 1 Prozent,
lso einen Rückgang des Wirtschaftswachstums. Das ist
er ökonomische Supergau. Insofern war es richtig, dass
ann eine andere Regierung an die Macht kam.

Was die linke Seite des Hauses als Medizin für die
berschuldeten Euro-Staaten vorschlägt, ist in Wirklich-





Jürgen Hardt


(A) )


)(B)

keit Gift für die Staatsfinanzen und für die Menschen. Es
betäubt die Menschen und vernebelt den Blick auf das
eigentliche Problem, nämlich die fehlende Wettbewerbs-
fähigkeit. Diese ist nur zu erreichen, wenn die Produkti-
vität steigt. Wenn die Lebensarbeitszeiten kürzer, der öf-
fentliche Sektor größer und die Löhne höher sind als in
der übrigen Euro-Welt, dann muss sich diese Situation
eben ändern. Daran führt leider kein Weg vorbei.

In den 30er-Jahren, in Zeiten der keynesianischen
Politik, hieß es: Lasst uns doch einfach ein bisschen In-
flation machen, dann brauchen wir die Löhne nicht zu
kürzen, und die Leute haben trotzdem weniger Geld.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Das ist Vulgärkeynesianismus!)


Keynes hat das als „Geldillusion“ bezeichnet. Ich sage:
Geldillusion ist ein anderes Wort für Betrug an den Men-
schen. Die kleinen Leute laufen nämlich mit ihren Ein-
kommen den steigenden Preisen hinterher und müssen
erleben, dass ihre Spareinlagen entwertet werden.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das müssen Sie mal nachlesen!)


Diesen Betrug können wir nicht mitmachen. Deswegen
gibt es zur Konsolidierung der Haushalte aller EU-Staa-
ten keine Alternative.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte ganz deutlich anmerken: Wenn es denn
gelingen sollte, wieder auf den Pfad solider Haushalte
zurückzukehren – auch in Staaten wie Griechenland,
Portugal usw. –, dann ist es Aufgabe und Pflicht der star-
ken Nationen in der Europäische Union, entweder über
EU-Mittel oder durch entsprechende Programme den
wirtschaftlichen Aufbau und die Schaffung von Wettbe-
werbsfähigkeit in diesen Staaten konkret zu unterstützen.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Na also!)


Vorhin hat Kollege Rehberg angemerkt: Solange die
griechische Regierung nicht einmal bereit und in der
Lage ist, die zur Verfügung stehenden EU-Mittel auszu-
schöpfen, die für Wachstum und Beschäftigung einge-
setzt werden können, haben wir noch einen weiten Weg
vor uns.

Mit dem Fiskalpakt unternehmen wir jetzt den ent-
scheidenden Schritt zur Konsolidierung der Haushalte in
der Europäischen Union. Anschließend sollten wir uns
ganz konkret der Frage zuwenden, wie wir die Europäi-
sche Union zu einer Region des Wachstums und der
Beschäftigung für die Zukunft machen. Ich glaube, auf
dieser Basis werden wir letztendlich eine große Überein-
stimmung hier im Hause finden.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715810100

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.


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(C (D Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften rung weiterer Gesetze – Drucksache 17/7576 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit – Drucksache 17/8615 – Berichterstattung: Abgeordnete Maria Klein-Schmeink Nach einer Verabredung zwischen den Fraktionen ist r die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – azu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann ist es o beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Für die Bundesregierung ebe ich das Wort dem Bundesminister Daniel Bahr. Vielen Dank, Frau Präsidentin, auch dafür, dass Sie r Ruhe gesorgt haben. – Liebe Kolleginnen und Kolleen! Die Welt wächst weiter zusammen. Die Menschen ind immer mobiler geworden. Innerhalb kürzester Zeit gen sie weite Strecken zurück. Handelsgüter werden chnell und in großer Menge zwischen den Kontinenten usgetauscht. Auch der internationale Reiseverkehr ist us unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Das ist ine erfreuliche Entwicklung, weil wir zwischen den erschiedenen Kulturen Erfahrungen austauschen und eit entfernte Länder besser kennenlernen können. Es ist aber eine naheliegende Folge, dass sich auch rankheitserreger, bekannte und neu auftretende, immer scher über Grenzen hinweg ausbreiten können. So sor en unter anderem mehr als 2 Milliarden Flugreisen pro ahr dafür, dass Epidemien nicht mehr auf eine Region eschränkt bleiben, sondern schlimmstenfalls zu Panemien werden und die Weltbevölkerung bedrohen. Gloale Gefahren erfordern deshalb eben auch globale Antorten. Die seit Juni 2007 in ihrem Anwendungsbereich eutlich erweiterten Internationalen Gesundheitsvorchriften zum Schutz der öffentlichen Gesundheit vor er grenzüberschreitenden Ausbreitung von Krankheiten ind eine solche Antwort unserer Volksgemeinschaft. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Volksgemeinschaft?)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1715810200

Völkergemeinschaft. – Mit dem vorliegenden Gesetz-
ntwurf zum IGV-Durchführungsgesetz schließen wir
ns dieser Antwort an und unterstreichen ihre Bedeu-
ng.

Erstens geschieht das durch ein neues Stammgesetz
it Vorschriften über die Durchführung der Internatio-

alen Gesundheitsvorschriften. Damit kommen wir, wie
93 andere Vertragsstaaten auch, der Verpflichtung nach,
is Juni 2012 unsere Surveillancesysteme und bestimmte





Bundesminister Daniel Bahr


(A) )


)(B)

Flughäfen und Häfen in Deutschland für gesundheitliche
Notlagen zu rüsten. Insgesamt werden bei uns fünf Hä-
fen und fünf Flughäfen diesem Standard entsprechen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nehmen wir
eine klare und faire Zuordnung der Kosten vor: Die Kos-
ten werden sachlich differenziert der Wirtschaft sowie
dem öffentlichen Gesundheitsdienst zugewiesen, je nach
Verantwortungsbereich. Es gelingt uns damit, im Hin-
blick auf die globalen Herausforderungen – drohende
Pandemien und Krankheitserreger, die vor Länder- und
Kontinentalgrenzen nicht haltmachen – besser gerüstet
zu sein. Das ist eine gute Nachricht für die Menschen in
Deutschland, aber auch für die Menschen, die über die
Kontinente hinweg viel reisen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Zweitens ändern wir mit diesem Gesetzentwurf das
Infektionsschutzgesetz und reagieren damit auf die Er-
fahrungen aus der letztjährigen Ehec-Epidemie in Nord-
deutschland. Sie können sich erinnern, dass wir bei der
Ehec-Epidemie im Mai letzten Jahres in Norddeutsch-
land – in Hamburg, teilweise in Schleswig-Holstein –
bei der Versorgung im Gesundheitssystem an unsere Ka-
pazitätsgrenzen gestoßen sind. An dieser Stelle möchte
ich deshalb noch einmal ganz besonders denjenigen dan-
ken, die im Rahmen unseres Gesundheitssystems in den
Krankenhäusern, den Pflegeeinrichtungen, der niederge-
lassenen Ärzteschaft und vielen anderen Bereichen dazu
beigetragen haben, dass die Menschen, die von Ehec be-
droht waren, gut versorgt werden konnten. Die medizini-
sche Versorgung war seinerzeit in Deutschland trotz der
besonderen Herausforderung wirklich exzellent. Dafür
können wir den Menschen danken, die in dieser schwe-
ren Zeit täglich ihr Engagement bewiesen und unter
Stress ihre Aufgaben bewältigt haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will an der Stelle, auch wenn es zunächst nichts
mit dem IGV-Durchführungsgesetz zu tun hat, dem Bun-
destag sagen: Wir, die Bundesregierung, verfolgen mit
großem Interesse, wie die Kosten, die seinerzeit bei den-
jenigen entstanden sind, die besonders belastet waren
– insbesondere Krankenhäuser in Norddeutschland –,
nun bewältigt werden. Wir freuen uns, dass die Gesprä-
che hier gut geführt werden, damit die Krankenhäuser,
die nicht aufs Geld geschaut haben, sondern darauf, die
beste Versorgung für die Patienten zu gewährleisten,
jetzt nicht die Dummen sind. So viel zu der Erfahrung,
die wir vor nicht einmal einem Jahr mit der Ehec-Epide-
mie gesammelt haben.

Wir haben aber auch Erfahrungen gesammelt, die ver-
deutlichen, was in Deutschland besser werden kann. Die
Konsequenzen daraus ziehen wir heute mit dem IGV-
Durchführungsgesetz. Im Mittelpunkt steht eine Be-
schleunigung des Meldewesens. Eine Erfahrung aus der
Ehec-Epidemie war, dass wir viel zu spät in der Lage
waren, die Situation beurteilen zu können. Häufig kamen
erst viel zu spät hier in Berlin im Robert-Koch-Institut

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(C (D nd im Bundesgesundheitsministerium die Zahlen über ie Neuinfektionen an. Deswegen sorgen wir dafür, dass Meldungen von rztinnen und Ärzten künftig innerhalb von 24 Stunden eim Gesundheitsamt vorliegen müssen. Fristen für die bermittlung vom Gesundheitsamt über die Landessteln an das Robert-Koch-Institut werden von derzeit 6 Tagen auf höchstens 4 Tage verkürzt. Darüber hinaus oll das Meldewesen auf eine durchgehende informatinstechnologische Basis gestellt werden. Damit können ir es weiter beschleunigen, aber auch rationalisieren. ir haben neue Formen der Informationstechnologie. ie sollten wir für die Verbesserung des Meldeverfahns nutzen. Informationen über Zahlen von Erkrankungen werden urch die vorgesehene Regelung künftig schneller vergbar sein. Damit haben wir das Versprechen, das wir ls Bundesregierung im Rahmen der Ehec-Epidemie geeben haben, umgesetzt. Wir haben schnell gehandelt. as Meldeverfahren wird jetzt an die modernen Komunikationsmöglichkeiten angepasst. Wir wissen zwar, ass wir Epidemien nie ganz verhindern können, aber ir können dazu beitragen, mit Epidemien besser umzuehen, sie zu bewältigen, schneller informiert zu sein, m schnell zu agieren und etwas dagegen zu tun. Wir haen die Konsequenzen aus der Epidemie gezogen. Die eldeverfahren werden deutlich verbessert, damit es ns schneller gelingt, die Lage zu beurteilen. Dazu ist ieses Gesetz da. Ich danke für die Aufmerksamkeit. Die Kollegin Bärbel Bas hat das Wort für die SPD raktion. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der inister hat eben die Ehec-Krise angesprochen. Auch h möchte einige Worte dazu sagen. Wir müssen uns or allen Dingen an das anfängliche Nebeneinander und uch Gegeneinander von kommunalen, Landesund undesbehörden erinnern. Das behördliche Manageent wurde nicht nur von den inländischen Beobachtern ehr kritisch kommentiert, auch unsere Nachbarn und andelspartner waren über die widersprüchlichen Melungen und die Verzehrwarnung alles andere als erfreut. Es ist müßig, sich darüber zu streiten, was gewesen äre, wenn die eine oder andere Warnung früher oder ar nicht ausgesprochen worden wäre. Die Gesundheitsehörden standen damals in der Tat unter einem ungeeuren Druck. Sie mussten nicht nur die Behandlung der hec-Opfer sicherstellen und schnellstmöglich die Ursahen der Infektion identifizieren; sie mussten darüber hiaus einer verängstigten und auch zunehmend kritischen ffentlichkeit das Geschehen erklären. Vor diesem Hinrgrund können wir eigentlich froh sein, dass die Ausirkungen des Ehec-Erregers eingedämmt und die Ver Bärbel Bas )


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715810300

(Beifall bei der SPD)

Bärbel Bas (SPD):
Rede ID: ID1715810400




(A) )

sorgung der Erkrankten gewährleistet wurden. Aber uns
allen war auch sofort klar, dass wir uns ein solch unkoor-
diniertes und auch ineffizientes Krisenmanagement nicht
noch einmal leisten können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Der Gesundheitsausschuss hat einhellig begrüßt, dass
die Bundesregierung die Geschehnisse rund um Ehec
sorgfältig aufarbeiten wollte. Ich persönlich war der
Auffassung, dass das Krisenmanagement und die ihm
zugrunde liegenden Strukturen umfassend durchleuchtet
und hinterfragt gehören. Vor diesem Hintergrund haben
wir die Berichte der Behörden aus dem letzten Jahr sehr
aufmerksam gelesen. Wir haben sehr gespannt darauf
gewartet, welche Schlussfolgerungen Sie daraus ziehen.
Schließlich hat sich der Gesundheitsausschuss damals
zum Höhepunkt der Ehec-Krise mit einer Novelle zum
Infektionsschutzgesetz befasst. Wir waren damals also
mitten im Thema und hätten viel mehr erreichen können
als das, was heute auf dem Tisch liegt.

Unseres Erachtens werden Ihre jetzigen Vorschläge
unseren Erwartungen, den Erwartungen der Experten
und auch den Erwartungen der Bevölkerung nicht ge-
recht. Die Änderungen, die Sie vornehmen, sind sicher-
lich nicht falsch, aber sie reichen aus unserer Sicht abso-
lut nicht aus. Ich frage Sie ernsthaft: Meinen Sie, dass
eine Verkürzung der Meldefristen, die eigentlich selbst-
verständlich sein sollte, und eine Erprobungsklausel aus-
reichen, um die während der Ehec-Krise begangenen
Fehler nicht zu wiederholen?

Mir stellt sich grundsätzlich die Frage, ob die vorlie-
genden Änderungen in Art. 3 und 4 des Gesetzentwurfs
die einzige Folgerung aus den Geschehnissen rund um
Ehec sein werden; denn eine hinreichende Aufarbeitung
der Arbeit und der Aufgaben der einzelnen staatlichen
Stellen liegt aus unserer Sicht überhaupt nicht vor. Es
gibt zwar einen Abschlussbericht des Robert-Koch-Insti-
tuts; eine selbstkritische Bewertung der anfänglichen
Warnung vor dem Verzehr von Gurken und Tomaten aus
Spanien ist im Bericht aber nicht enthalten. Der Bericht
lässt vieles offen und setzt sich nicht wirklich kritisch
mit dem Thema auseinander. Der Absatz von Gemüse
brach von einem Tag auf den anderen ein. Gemüsebau-
ern und Händler in Deutschland und Südeuropa blieben
auf ihren Ernten sitzen. Dabei erwiesen sich die Verzehr-
warnungen relativ schnell als unzutreffend. Die ökono-
mischen Auswirkungen waren jedoch schon eingetreten,
und die Verbraucher waren verunsichert.

In der Summe hat dies zu einer in ihrer Deutlichkeit
kaum zu übertreffenden Kritik der EU-Kommission an
dem seinerzeitigen Krisenmanagement geführt. Es muss
einen wirklich beschämen, wenn das Ausbruchsmanage-
ment – ich zitiere – als unzureichend vorbereitet und die
Reaktion als inadäquat bezeichnet wird. Hierauf haben
wir von der Bundesregierung damals keine Reaktion ge-
hört. Wenn die Kritik also so stehen bleibt, dann kann
man davon ausgehen, dass Sie die Organisation und die
Strukturen des deutschen Gesundheitsschutzes und der
Lebensmittelsicherheit ebenfalls als ineffizient betrach-
ten.

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(C (D (Otto Fricke [FDP]: Das ist aber ein Rückschluss!)


Uns liegt bisher nur dieser eine Gesetzentwurf vor.
on weiter gehenden Vorschlägen, Denkansätzen oder
ersuchsballons aus dem Gesundheitsministerium haben
ir bisher nichts gehört.


(Otto Fricke [FDP]: Haben Sie denn einen?)


Das sage ich Ihnen gleich. – Aus dem Gesundheitsmi-
isterium kommt nichts. Wichtige Themen werden von
nen nicht angepackt, siehe Pflege und Prävention.

Die Bürgerinnen und Bürger müssen besser geschützt
erden. Alle Behörden auf allen staatlichen Ebenen müs-

en endlich beginnen, zusammenzuarbeiten. Sie müssen
oderne Kommunikationsstrukturen entwickeln. Wenn

ich herausstellt, dass einige Behörden dazu nicht in der
age sind, dann muss man sie dazu ertüchtigen, oder die
ufgabe muss ihnen entzogen werden. Der Schutz der
evölkerung lässt keinen Raum für Kompetenzstreit oder
und-Länder-Streitigkeiten; auch das sage ich hier ganz
eutlich.


(Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Müder Applaus von vier SPD-Abgeordneten! Meine Herren!)


Ich würde mir zum Beispiel wünschen, Sie äußerten
ich in diesem Zusammenhang auch einmal zu einer Ver-
etzung der Gesundheits- und Veterinärämter. Das sind
war kommunale Einrichtungen, Ehec zeigte aber, dass
iese Einrichtungen alleine – ich will es vorsichtig aus-
rücken – den Herausforderungen nicht gewachsen wa-
n.

Gerne würden wir wissen, wie eine Zusammenarbeit
er zahlreichen staatlichen Stellen, die über die Verwen-
ung moderner Kommunikationsmitttel hinausgeht,
nktionieren soll. Sie haben sich nur zu einer Erpro-

ungsklausel durchgerungen. Wir erwarten aber von Ih-
en, dass Sie die Kooperation der Behörden und die
eldewege mithilfe webbasierter Formulare moderni-

ieren, damit alles schneller geht als bisher.

Wir wüssten auch gerne, was Sie von einer Lebens-
ittelüberwachung auch auf Bundesebene halten. Diese

at Ihnen der Bundesrechnungshof immerhin empfoh-
n. Zu Recht weisen die Rechnungsprüfer darauf hin,
ass Lebensmittelkonzerne mit weltweiten Lieferketten
ei uns durch Kreisveterinäre überwacht werden. Das
sst sich vielleicht historisch begründen, gut finden soll-
n wir das in der jetzigen Situation aber nicht, und es
asst, glaube ich, auch nicht mehr in die heutige Zeit.


(Beifall bei der SPD)


Bleiben wir bei Ehec: Wir würden gerne wissen, was
ie dazu sagen, dass der vom RKI als Auslöser der Epi-
emie identifizierte sogenannte Bockshornkleesamen in
iner Gärtnerei zu Sprossen weiterverarbeitet worden ist
nd so in Umlauf gebracht wurde. Gartenbaubetriebe
nterliegen in der Regel nicht der Lebensmittelaufsicht.
a die Sprossen roh gegessen werden – sie können bes-
nfalls abgewaschen werden –, stellen sie durchaus ein
ohes Risiko zur Übertragung potenzieller Keime dar.





Bärbel Bas


(A) )


)(B)

Sie müssten eigentlich wie ein Lebensmittel produziert
und gehandhabt werden. Sprossenzucht in herkömmli-
chen Gärtnereien wäre damit eigentlich ausgeschlossen.

Über diese Vorschläge haben wir gemeinsam mit Ih-
nen im Gesundheitsausschuss diskutiert. Sie waren auch
Gegenstand der fachlichen und wissenschaftlichen De-
batte über die Ursachen von Ehec. Kommentiert oder
aufgegriffen haben Sie diese Vorschläge bisher nicht.

Sie haben gerade gesagt, dass Sie das Infektions-
schutzgesetz mit diesem Gesetz wieder aufgeschnürt ha-
ben. Die Internationalen Gesundheitsvorschriften hätten
Sie auch auf dem Wege einer Durchführungsverordnung
umsetzen können. Dazu hätten Sie das Gesetz nicht auf-
schnüren müssen. Wir sind enttäuscht, dass Sie, wenn
Sie das Infektionsschutzgesetz schon nach einem Jahr
erneut anfassen, die Vorschläge, die schon im Juni des
letzten Jahres auf dem Tisch lagen, nicht aufgegriffen
haben.

Weil vorhin gefragt wurde, was unsere Vorschläge
zum Infektionsschutz seien, will ich sie deutlich benen-
nen. Dabei geht es insbesondere um bundeseinheitliche
Hygienemindeststandards, die wir zu definieren haben
und die wir verbindlich für alle einführen sollten. Das gilt
für die Ausbildung von Hygienefachpersonal, die von der
Bundesregierung angepackt werden müsste. Wir brau-
chen insbesondere verpflichtende Eingangsscreenings
von Risikopatienten und eine Ausweitung der MRSA-
Meldepflicht. Ohne eine ambulante Weiterbehandlung
von MRE-Keimträgern nach der Krankenhausentlassung
sind alle vorherigen Maßnahmen völlig unsinnig und ver-
ursachen unnötiges Leid für die Patienten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])


Wir brauchen deshalb eine qualitätsorientierte Vergütung
in Krankenhäusern und eine wirksame Sanktionierung
bei Hygienemängeln. Wir müssen endlich dafür sorgen,
dass Ärztinnen und Ärzte Antibiotika effizienter einset-
zen.

Wenn Sie wirklich etwas bewegen wollen, Herr Minis-
ter, dann schaffen Sie mehr Transparenz und eine wirk-
same Qualitätssicherung bei der Lebensmittelsicherheit
und im Hygienebereich.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715810500

Die Kollegin Karin Maag hat jetzt das Wort für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Karin Maag (CDU):
Rede ID: ID1715810600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kolle-

gen! Liebe Frau Bas, die Lebensmittelsicherheit ist heute
nicht unser Thema,


(Bärbel Bas [SPD]: Schade!)


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(C (D ielmehr wollten wir uns über den Schutz vor einer renzüberschreitenden Ausbreitung bedrohlicher Infekonsund anderer Krankheiten unterhalten. Darum geht s heute. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Auf das Problem hat sie ja hingewiesen!)


Es geht – das haben wir von Ihnen gehört; auch der
inister hat darauf hingewiesen – um die Erfahrungen

us der Ehec-Krise und der Schweinegrippe. Richtig ist,
ass das RKI schneller an Informationen kommen muss.
s geht auch um bessere informationstechnische Melde-
ege. Darüber hinaus geht es um weitere kleinere Ände-
ngen, nämlich dass neben der Verbesserung der Erfas-

ung der HIV-Neuinfektionen die Statistiken besser
eführt werden müssen, damit sie aussagekräftiger sind.
s geht um bundesweite Arzt- und Labormeldepflichten
r die impfpräventiven Krankheiten. Das Thema Präven-

on werden wir in diesem Jahr mit der Präventionsstrate-
ie noch einmal aufgreifen, Frau Bas. Schließlich geht es
m die flexiblere Verteilung von Arzneimitteln und Impf-
toffen im Krisenfall.

Mit einem internationalen Meldesystem zwischen den
94 Staaten der WHO soll eine grenzüberschreitende
usbreitung von Krankheiten verhindert werden. Es
eht um ein einheitliches Verfahren zum Umgang mit
en gefährlichen Krankheiten, und zwar dort, wo man
m ehesten Kontaktmöglichkeiten hat. Die Flughäfen
on Berlin, Frankfurt, Hamburg, München und Düssel-
orf sowie die Seehäfen von Bremen, Bremerhaven,
amburg, Kiel, Rostock und Wilhelmshaven werden
azu mit den Kernkapazitäten für den Gesundheitsschutz
usgestattet. Der internationale Verkehr von und nach
eutschland ist damit auch in Krisensituationen sicher-
estellt. Wir tun alles dafür, dass auch die wirtschaftli-
hen Auswirkungen von solchen Krisen begrenzt wer-
en.

Da das für Sie in der SPD offensichtlich so wichtig
t, Frau Bas, komme ich jetzt zur Ehec-Krise. In der Tat

ind Übermittlungszeiten von bis zu 16 Tagen heute we-
er erforderlich noch notwendig. Genau deshalb haben
ir sie geändert. Die Meldungen der Ärzte, vor allem
er Krankenhäuser – daher kommen die Meldungen in
er Regel –, aber auch der Leiter von sonstigen Einrich-
ngen bei Krankheitsverdacht, Krankheit oder Tod ge-

en jetzt innerhalb von 24 Stunden an das Gesundheits-
mt. Die Gesundheitsämter ihrerseits übermitteln die
aten sowie eigene Untersuchungen und Nachweise zu
rankheitserregern, zum Infektionsweg oder zum Zeit-
um der Infektion spätestens am folgenden Tag an die
andesbehörde. Dem RKI soll jede Information inner-
alb von 3 Tagen vorliegen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir ermöglichen zusätzlich die Erprobung besserer
lektronischer Meldewege, nicht zuletzt deshalb, um den
formationsfluss vom Patienten zum Arzt und dann

um Gesundheitsamt besser in den Griff zu bekommen.

Jetzt möchte ich eine Lanze für das RKI brechen. Es
t bisher nicht untätig gewesen. Aber die Versuche, sol-





Karin Maag


(A) )


)(B)

che elektronischen Schnittstellen zu schaffen, waren we-
gen der großen Vielfalt der untereinander nicht kompa-
tiblen Computerprogramme in den Praxen und Laboren
kein Erfolg. Die meisten Gesundheitsämter benutzen an-
dere Programme; für sie ist das Meldewesen nach dem
Infektionsschutzgesetz ein kleiner Ausschnitt ihres Auf-
gabenbereichs. Bei dem Expertengespräch, das der Ge-
setzgebung vorausging, ist eines klar geworden – das ist
mir wichtig –: Das Bashing von Ministern, Behördenlei-
tern und Wissenschaftlern während dieser Krise und die
Stereotypen, mit denen den beiden zuständigen Minis-
tern ein angeblich verfehltes Krisenmanagement vorge-
worfen wurde, hat die Menschen zusätzlich zu der Krise
noch mehr verunsichert und nichts zur Lösung beigetra-
gen. Es war vor allen Dingen auch ungerechtfertigt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Frau Bas, ganz im Gegenteil: Dem RKI wurde vom
European Centre of Disease Prevention and Control be-
stätigt, dass alle notwendigen Maßnahmen ergriffen wur-
den. Die EU-Kommission, auf die Sie sich beziehen, hat
nicht mehr Sachverstand in diesem Bereich als Sie und
ich.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich bitte insofern auf diejenigen zu hören, die den not-
wendigen wissenschaftlichen Sachverstand haben und
das RKI in dieser Beziehung ausdrücklich gelobt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE])


Ich will noch eines sagen: Es hat sich herausgestellt,
dass die Zusammenarbeit bei den unterschiedlichen Auf-
gaben auch über die Landesgrenzen hinweg durchaus
gut und vertrauensvoll war. Absprachen zwischen den
Behörden fanden statt. Die Übermittlung geschah relativ
schnell. Natürlich ist trotzdem eine dauerhafte Regelung,
so, wie eben beschrieben, notwendig. Aber die Behörden
haben die Aufgaben im Rahmen ihrer Möglichkeiten
durchaus überobligationsmäßig gut erledigt.

Das Instrumentarium, mit dem die Zusammenarbeit
geregelt wird, ist übrigens vorhanden. In den Ministerien
können ressortübergreifende Krisenstäbe eingerichtet
werden. Das Gesetz über den Zivilschutz und die Kata-
strophenhilfe regelt gegebenenfalls die Koordinierung
zwischen Bund und Ländern. Das RKI hat bei der Anhö-
rung in erfreulicher Deutlichkeit mit den Meinungen
verschiedener selbsternannter Experten aufgeräumt. Der
Verzehr von Sprossen wurde von Anfang an abgefragt.
Aber Sie müssen bedenken, dass Sprossen die Garnie-
rung sonstiger Speisen oder Bestandteil eines Salats
sind. Die Menschen haben sich schlicht nicht daran erin-
nert, dass sie Sprossen gegessen haben. Das muss man
einmal sagen. Es ist müßig, darüber zu diskutieren, wel-
che Fehler gemacht wurden.

Richtig ist – das wurde zu Recht bemängelt –, dass
entsprechend dem Stand des Wissens in Bezug auf die
Ehec-Erreger nach Speisen gefragt wurde, die in den
vier Tagen vor Krankheitsausbruch verzehrt wurden. Die
Ehec-Erreger, die den Ausbruch verursachten, haben
eine Inkubationszeit von 14 Tagen. Das hat man leider

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(C (D rst im Zuge der Ermittlungen festgestellt. Danach urde aber richtig gehandelt. Zum Thema Sprossen – Sie haben es vorher erwähnt –: ie Beschäftigten in den Gemüseanbaubetrieben werden ünftig präventiv alle zwei Jahre über Tätigkeitsund eschäftigungsverbote belehrt. Auch dies wird jetzt im esetz neu geregelt. Der Kreis der Lebensmittel, die ein ranker oder Krankheitsverdächtiger nicht herstellen, ehandeln oder in den Verkehr bringen darf, wird auf prossen, Keimlinge und Samen erweitert. Es ist übriens tatsächlich wissenschaftlich unterlegt, dass die Saen Quelle der Infektionen waren. Diese Bockshorn leesprossen und die entsprechenden Samen gab es in sgesamt drei Clustern. Damit ist ein wissenschaftlicher achweis durchaus möglich. Ich komme zum Schluss. Der Ausbruch dieser gefährchen Krankheiten ist schicksalhaft und lässt sich nicht erhindern. Die Versorgung in den Krankenhäusern hat wir haben es von Minister Bahr gehört – dank der aufpferungsvollen Arbeit von ärztlichem und pflegerichem Personal funktioniert. Jetzt kommt die Conclusio. Wir haben unsere Hausufgaben gemacht und vor allen Dingen die Informaonswege gestrafft. Die Informationstechnologie – das t ganz wichtig – wird angepasst. Wir haben das Instruentarium zur Durchführung der internationalen Ge undheitsvorschriften geschaffen. Ich gehe davon aus, ass das Parlament damit das ihm Mögliche zur Schaensminimierung im Hinblick auf künftige Fälle getan at. Danke schön. Das Wort hat Kathrin Vogler für die Fraktion Die inke. Danke, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und ollegen! Verehrter Herr Minister, heute erleben wir etas ganz Erstaunliches: Die schwarz-gelbe Bundesreierung legt einen Gesetzentwurf vor, der ausnahmseise so wenig Unsinn enthält, dass nicht einmal die pposition dagegenstimmen wird. (Jens Ackermann [FDP]: Was? Wir machen nie Unsinn! – Otto Fricke [FDP]: Ja! Ist doch okay!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715810700

(Beifall bei der LINKEN)

Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715810800

Worum geht es? Es geht um wichtige Themen. Wir
ind uns alle einig: Wenn jemand, der eine schwere
rankheit hat, per Schiff oder Flugzeug nach Deutsch-
nd einreist, dann soll das Nötige getan werden, damit

ich die Krankheit möglichst nicht ausbreitet. Zu diesem
weck werden mit diesem Gesetz zum Beispiel die
elde- und Informationswege verkürzt und die Pflichten

er Piloten und Kapitäne neu geregelt, und es wird defi-
iert, was im Sinne des Gesetzes ein Gesundheitsamt ist.
eider hat es die Bundesregierung aber unter anderem





Kathrin Vogler


(A) )


)(B)

versäumt, klare Regelungen im Hinblick auf die Gefah-
ren von Atomtransporten auf See zu treffen. Deshalb
wird sich die Linke bei der Abstimmung über diesen Ge-
setzentwurf enthalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP,
Sie haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der keine of-
fensichtlichen Schnitzer enthält. Aber: Reicht Ihnen das
eigentlich? Können Sie darauf schon stolz sein, Frau
Maag? Dieses Gesetz ist sicher wichtig. Aber andere
Fragen, die noch wichtiger wären, lässt diese Bundesre-
gierung einfach links liegen. Genau das werfen manche
Journalisten dieser Regierung vor, wenn sie zum Bei-
spiel schreiben, Schwarz-Gelb mache Politik unterhalb
der Wahrnehmungsschwelle.


(Otto Fricke [FDP]: Interessant! Woher wissen diese Journalisten das denn dann überhaupt?)


Das bedeutet, dass Ihre Politik so substanzlos ist, dass
die Menschen sie kaum spüren.


(Beifall bei der LINKEN – Jens Spahn [CDU/ CSU]: Ist heute schon Karneval?)


Über den Gesundheitsminister schrieb der Spiegel,
sogar er wirke stets ein bisschen wie sein eigener Staats-
sekretär; das konnten wir gerade wieder beobachten.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Und wie wirken Sie?)


Weiter heißt es – ich zitiere –:

Für seine Großbaustellen, die Stärkung der Patien-
tenrechte und die Pflegereform, hat er zwar Details
vorgelegt.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Können Sie auch mal etwas zum Gesetz sagen?)


Die Lobbygruppen sind im Gesundheitsbereich je-
doch so hartnäckig, dass von hehren Plänen am
Ende kaum etwas übrig bleibt.


(Kathrin Senger-Schäfer [DIE LINKE]: So ist es!)


Das Schicksal droht auch Bahr.

Zitat Ende aus dem Spiegel vom 27. Dezember letzten
Jahres.


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Nicht den Spiegel sollten Sie zitieren! Sie müssen doch die taz lesen!)


Man fragt sich: Warum debattieren wir hier im Ple-
num des Deutschen Bundestages einen Gesetzentwurf,
der unter uns Gesundheitspolitikern eigentlich ziemlich
unstrittig ist? Ich will es Ihnen sagen: Die schwarz-gelbe
Koalition hat inzwischen sehr viel Prügel eingesteckt.
Sie ist mit ihrer Kraft und ihren Ideen am Ende, zerrie-
ben zwischen Parteienstreit und Lobbyinteressen.


(Widerspruch bei der FDP)


Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen Sie
ganz dringend eine Kuschelrunde.

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(C (D (Beifall bei der LINKEN – Otto Fricke [FDP]: Wenn ich mir die andere Seite des Hauses ansehe, muss ich sagen: Nein danke!)


ber nicht mit uns!


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ist wirklich schon Karneval?)


ie müssen sich an dieser Stelle die Frage gefallen lassen
es wäre ganz gut, wenn Sie einmal zuhören würden –,


(Lars Lindemann [FDP]: Ach! Sie machen doch keinen konkreten Vorschlag in der Sache! Alles nur Blabla!)


b dieses Gesetz wirklich alles ist, was Ihr Gesundheits-
inisterium zustande bringt.

Auch auf Ihren Schreibtischen liegen, genau wie auf
einem, sicher viele Briefe von Bürgerinnen und Bür-

ern, die ganz konkrete Sorgen haben. Sie fragen sich:
as tut diese Bundesregierung für mich?


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Genau das steht in dem Gesetz!)


a fragt sich zum Beispiel eine 50-Jährige, wie sie die
flege ihrer Eltern und die Ausbildung ihrer Kinder
leichzeitig finanzieren soll, wenn das Pflegegeld doch
orne und hinten nicht reicht und sie selbst wegen der
flege ihrer Eltern nur noch halbtags arbeiten kann. Ich
rinnere Sie daran: Anfang letzten Jahres hat der dama-
ge Gesundheitsminister Rösler das Jahr der Pflege aus-
erufen.


(Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Sie sollten mal die Tagesordnung lesen! Wissen Sie überhaupt, worum es gerade geht?)


is heute ist bei den 2,5 Millionen Pflegebedürftigen
nd ihren Familien nichts davon angekommen – gar
ichts, kein einziger Cent.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Können Sie mal zur Tagesordnung reden?)


as lassen wir Ihnen nicht durchgehen.


(Beifall bei der LINKEN)


Außerdem haben Sie verkündet, 2011 werde das Jahr
er Patientenrechte. In jedem Monat des vergangenen
ahres haben wir und die anderen Oppositionsfraktionen
ie gefragt, wann wir endlich mit einem Gesetzentwurf
ur Stärkung der Patientenrechte rechnen können. Was
aben Sie bisher geliefert?


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Na? Was denn? Jetzt bin ich gespannt!)


ast nichts,


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ach! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wie bitte?)


denfalls nichts, was diesen Namen auch nur ansatz-
eise verdient. Der Vorentwurf aus Ihrem Haus, Herr
ahr, ist leider so schwach, dass er kaum der Rede wert
t.





Kathrin Vogler


(A) )


)(B)


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ja! Wenn man ihn nicht versteht, ist das so! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Durch-
führung der Internationalen Gesundheitsvorschriften, über
den wir diskutieren, ist sicher notwendig.


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Oh! Tatsächlich? – Jens Spahn [CDU/CSU]: Sehr gut! Es geht doch!)


Aber ich frage Sie ganz ernsthaft: Wäre es nicht mindes-
tens ebenso notwendig, dass diese Bundesregierung end-
lich mit der Pflegereform und einem Patientenrechtege-
setz in die Hufe kommt, dass Sie also endlich auch in
diesem Bereich Ihre Hausaufgaben machen? Darauf
warten doch viele Menschen ganz dringend.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Liebe Frau Maag, wir warten schon sehr gespannt auf
Ihr Timing in Sachen Präventionsstrategie. Daran wer-
den wir Sie auch erinnern.


(Karin Maag [CDU/CSU]: Nicht notwendig!)


Obwohl wir von Ihnen eigentlich nicht viel erwarten:
Wenn Sie dabei echte Verbesserungen für die Menschen
auf den Weg bringen, dann haben Sie uns auf Ihrer Seite.
Spürbar müssen sie aber sein. Für Politik unterhalb der
Wahrnehmungsschwelle steht die Linke nicht zur Verfü-
gung.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715810900

Der Kollege Harald Terpe spricht jetzt für Bünd-

nis 90/Die Grünen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Jetzt aber einmal ein bisschen was Sachliches! Wenn er will, dann kann er! – Otto Fricke [FDP]: Er ist ein sehr sachlicher Mensch!)



Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715811000

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Es ist die Aufgabe einer Regierung, vereinbarte
internationale Vorschriften in deutsches Recht umzuset-
zen, zumal dann, wenn dies längst überfällig ist.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Ja, genau!)


In diesem Sinne ist der Entwurf eines Gesetzes zur
Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschrif-
ten wenig spektakulär. Spektakulärer finde ich es da
schon, sich vorzustellen, wie der Gesundheitszustand
von Tausenden Passagieren auf Kreuzfahrtschiffen über-
prüft werden soll, möglicherweise sogar ohne ärztliche
Expertise.

Wir haben ja bekanntermaßen einige international be-
kannte Kreuzfahrtschiffhäfen. Das führt mich dazu, an
die Verantwortung des Bundes, aber auch der Länder da-
für zu appellieren, dass es sich beim Katastrophenschutz
an solchen internationalen Drehscheiben natürlich nicht

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(C (D ur um den herkömmlichen Katastrophenschutz handeln arf, den man ja sonst regional definieren kann. Die Inrnationalen Gesundheitsvorschriften sind vielmehr gedezu die Antwort auf eine mögliche Pandemie oder pidemie aufgrund von Infektionen. Deshalb sind hier atürlich besondere Finanzierungsgrundlagen notwenig, die man – darauf möchte ich schon jetzt hinweisen – mer wieder einmal evaluieren muss; denn es sollen ja esondere Fazilitäten in den entsprechenden Hafenstädn bzw. auch an den Flughäfen vorgehalten werden. Gut und im fachlichen Zusammenhang auch nahelieend ist, dass in diesem Artikelgesetz auch aktuelle rfahrungen mit bestimmten Infektionserkrankungen ufgegriffen werden. Wir haben hier ja schon an verchiedenen Stellen von der Ehec-Infektion gehört. Desegen sind die substanziellen Änderungen im Infektions chutzgesetz auch zu begrüßen. Das betrifft besonders die erkürzung der Meldefristen, was ja auch genannt woren ist. Ich finde, es ist berechtigt, hier anzumerken, dass es icht darum gehen kann, jetzt noch zu fragen, ob wir lektronische Medien bei der Informationsübermittlung enutzen, sondern es geht darum, wie und vor allen Dinen wie schnell wir sie benutzen. h denke deshalb, dass die Verbesserung der Übermittng mit solchen elektronischen Mitteln möglichst zeit ah etabliert werden muss. Eine Erprobung zu ermöglihen, ist sicher nicht verkehrt. Aber geht es nicht auch in bisschen engagierter? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Internationale Gesundheitsvorschriften sind ein ge-
ignetes Instrument zum Beispiel für international abge-
timmte Infektionsprävention. Sie erfordern aber auch
ine nationale Einflussnahme und eine permanente Eva-
ation. Deshalb möchte ich am Schluss noch einen kon-

truktiven und kritischen Diskussionsprozess darüber
nregen, wie wir zukünftig mit der internationalen Pan-
emiedefinition und -empfehlung umgehen, die bei-
pielsweise im Fall der Schweinegrippe zu teils hysteri-
chen Reaktionen geführt hat – nicht ohne vermeidbare
nanzielle Folgen, beispielsweise für die Bundesländer.

Wie steht es also mit der kritischen Aufarbeitung des
mgangs mit der Vogel- und der Schweinegrippe? Sind
ir schon so weit? So etwas muss man im Zusammen-
ang mit Infektionsschutzgesetzen natürlich auch immer
ieder diskutieren: Haben wir die nationalen Pandemie-
läne entsprechend flexibilisiert und sind von den star-
n Warnstufen der WHO abgegangen? Da haben wir

ine besondere Verantwortung: Wenn wir der Meinung
ind, dass die Pandemiestufen der WHO auch den
chweregrad einer Erkrankung berücksichtigen müssen,
ann müssen wir den Diskussionsprozess international
nregen.


(Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])






Dr. Harald Terpe


(A) )


)(B)

Ich denke, wir haben, was die Pandemie betrifft, noch
eine Menge über Pandemievorsorge zu diskutieren und
darüber, ob die Patientinnen und Patienten bei uns im
Lande entsprechend gesundheitsgeschützt sind. In einer
Passage des Arzneimittelgesetzes wird darauf abgeho-
ben, dass man in besonderen Fällen Arzneimittel ver-
wenden kann, für die noch keine Zulassung vorliegt.


(Jens Ackermann [FDP]: Im Ausnahmefall!)


Ich glaube, dass wir hiermit sehr sensibel umgehen müs-
sen. Das darf kein Einfallstor für eine geringere Kon-
trolle der entsprechend anzuwendenden Impfstoffe und
Arzneimittel sein.

Wir können aus dieser Debatte mitnehmen, dass wir
in Pandemie- und Epidemiefällen einen erheblichen Dis-
kussions- und Entscheidungsprozess vor uns haben.

In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihre Aufmerk-
samkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715811100

Jens Ackermann hat jetzt das Wort für die FDP-Frak-

tion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Jens Ackermann (FDP):
Rede ID: ID1715811200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen
wir die Internationalen Gesundheitsvorschriften aus dem
Jahre 2005 umsetzen. Krankheitserreger machen nicht
an Grenzen halt. Es ist wichtig, an Flughäfen und Häfen
wachsam und vorbereitet zu sein. An fünf Flughäfen,
Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München,
sowie an den großen Häfen Bremen, Hamburg, Kiel,
Rostock und Wilhelmshaven müssen Kapazitäten für
den Ernstfall eingerichtet werden. Bis zum 15. Juni die-
ses Jahres läuft hierfür die Frist.

Die früheren Durchführungsverordnungen sind zu
den Internationalen Gesundheitsvorschriften aus dem
Jahre 1969 erlassen worden. Seit dieser Zeit hat sich im
Luft- und Schiffsverkehr viel geändert. Früher: Trans-
port von Stückgut, Lagerung in Speichern. Heute: Mas-
sengüter und Container, just in time, so schnell wie mög-
lich zum Verbraucher. Auch die Liegezeit der Schiffe
beträgt nur noch einen Bruchteil dessen von 1969. Das
Tempo hat sich erhöht, und große Entfernungen können
schnell überwunden werden. Das bedeutet: Auch wir
müssen schneller werden, was das Erkennen von Ge-
sundheitsgefahren anbetrifft.

Im Gesetzgebungsprozess haben wir auf aktuelle Ge-
fahren reagiert. Wir haben Schlüsse aus der Ehec-Epide-
mie gezogen. Die Kommunikation zwischen den Kon-
trollbehörden auf Länderebene sowie dem Robert-Koch-
Institut auf Bundesebene muss besser werden. Melde-
fristen haben wir verkürzt, Daten, die gemeldet werden
müssen, konkretisiert, damit das Robert-Koch-Institut
zukünftig schneller und gezielter reagieren kann.

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(C (D Frau Kollegin Bas, die Kakofonie von selbsternannn Experten kam meistens von der Länderebene; Guren, Sprossen, Joghurt, alles Mögliche wurde gemutaßt. en Bundesminister trifft hier überhaupt keine Schuld. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Nach der Änderung des Infektionsschutzgesetzes im
tzten Jahr ist dies ein weiterer Schritt zu mehr Gesund-
eitsschutz für unsere Bevölkerung. Unsere Koalition
nd unser Minister packen die Probleme im Infektions-
chutz an, die vorherige Koalitionen jahrelang ignoriert
aben.


(Beifall bei der FDP)


ie Wünsche und die Hinweise der Bundesländer in
3 Änderungsanträgen haben wir aufgenommen. Weite-
n Änderungsbedarf gibt es nicht. Das haben uns auch

ie Experten im Ausschuss bestätigt.

Die Opposition sieht das natürlich anders. Die Linke
at gestern im Ausschuss bemängelt: Auf nukleare Be-
rohung wird nicht angemessen eingegangen. Das ist
lsch. In § 4 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzentwurfs geht es

xplizit um radionukleare Gefahren. Das Umweltminis-
rium entscheidet, welche Informationen an die Weltge-

undheitsorganisation gemeldet werden.

Die Kollegen von den Grünen wie heute wieder Herr
erpe haben kritisiert, dass im Pandemiefall auch Arz-
eimittel zur Anwendung kommen können, die in
eutschland nicht zugelassen sind. Erstens sind die Arz-
eimittel in ihrem Herkunftsland rechtmäßig in den Ver-
ehr gebracht worden. Zweitens gilt: Wenn im Pande-
iefall viele Menschen sterben und es irgendwo auf der
elt ein Gegenmittel gibt, dann wäre es unmenschlich,

ies nicht einzusetzen.

Ich glaube, es sind Scheinargumente, damit Sie sich
eute enthalten können. Wir werden dem Gesetzentwurf
uf jeden Fall zustimmen, weil er den Menschen hilft.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715811300

Erwin Rüddel hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-

raktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Erwin Rüddel (CDU):
Rede ID: ID1715811400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

nd Herren! Frau Vogler, Sie haben die Gesundheitspoli-
k der Regierung kritisiert. Ich kann nur sagen: Die Re-
ierung macht gute Arbeit. Die Koalition ist gerade in
er Gesundheitspolitik sehr erfolgreich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ir haben viel gemacht,





Erwin Rüddel


(A) )


)(B)


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Unterhalb der Wahrnehmungsstufe!)


zum Beispiel das GKV-Finanzierungsgesetz und das
AMNOG. Wir haben mit dem Infektionsschutzgesetz
und dem Versorgungsstrukturgesetz Zeichen gesetzt, und
wir haben viel vor mit der Pflegeversicherung und dem
Patientenrechtegesetz.


(Hilde Mattheis [SPD]: Nicht immer ist jede Behauptung ein besserer Beweis!)


Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Wir werden
uns heute mit dem vorliegenden Gesetzentwurf befas-
sen, der nationale Regelungen zur Umsetzung der Inter-
nationalen Gesundheitsvorschriften beinhaltet. Wir le-
gen die fünf Häfen und fünf Flughäfen fest, an denen die
von der IGV geforderten Kapazitäten für den Gesund-
heitsschutz vorhanden sein müssen, um im internationa-
len Handels- und Reiseverkehr auftretende Gesundheits-
gefahren besser abwehren zu können. Wir lösen deshalb
drei veraltete Rechtsverordnungen ab und nehmen Än-
derungen am Infektionsschutzgesetz sowie am Arznei-
mittelgesetz vor.

Eine zentrale Komponente der IGV ist die Schaffung
eines umfassenden internationalen Meldesystems zwi-
schen den Vertragsstaaten und der WHO. Mit seiner
Hilfe sollen außergewöhnliche Ereignisse, die zu einer
gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite
führen können, so früh wie möglich erkannt werden.
Folgerichtig sieht der Gesetzentwurf deshalb vor, dass
zum Schutz vor einer grenzüberschreitenden Ausbrei-
tung von bedrohlichen Krankheiten in ausgewählten
Flughäfen und Seehäfen besondere Maßnahmen getrof-
fen werden, um Gesundheitsgefährdungen durch den in-
ternationalen Handels- und Reiseverkehr abzuwenden.
Dazu verkürzen wir vor allem die Meldewege.

Nicht zuletzt auch unter dem Eindruck der Erfahrun-
gen mit der Ehec-Epidemie im vergangenen Jahr sorgen
wir dafür, dass das Robert-Koch-Institut künftig schnel-
ler informiert wird und Diagnosen von meldepflichtigen
Erkrankungen in Zukunft innerhalb von 24 Stunden beim
Gesundheitsamt vorliegen müssen. Darüber hinaus stel-
len wir im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes mit
Blick auf das Meldewesen die Weichen für eine moderne
Informationstechnik.

Das alles dient dem besseren Schutz der Bevölkerung.
Unabhängig davon führen Bund und Länder entspre-
chend dem Auftrag der Konferenz der Gesundheits- und
Verbraucherschutzminister noch eine Ehec-Evaluation
durch. Aus heutiger Sicht wird sich daraus aber keine
weitere Änderung im Infektionsschutzgesetz ergeben.
Mit dem Infektionsschutzgesetz haben wir bereits vor ei-
nem knappen Jahr überzeugende Standards für den Pati-
entenschutz gesetzt.

Noch eine letzte Anmerkung zu Ehec: Die bundesweit
rund 2 500 Beschäftigten in Gemüseanbaubetrieben, die
Sprossen und Keimlinge zum Rohverzehr produzieren,
müssen künftig alle zwei Jahre über Tätigkeits- und Be-
schäftigungsverbote belehrt werden. Die sonstigen Än-
derungen im Infektionsschutzgesetz und im Arzneimit-
telgesetz gelten vor allem der Intensivierung der Röteln-

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(C (D berwachung, der besseren Zusammenarbeit zwischen en Gesundheitsämtern und den für die Lebensmittelberwachung zuständigen Behörden sowie der Neufasung des § 79 Arzneimittelgesetz für den Fall einer Panemie. Wir haben uns sehr sorgfältig mit den Vorschlägen es Bundesrates befasst und diese dort berücksichtigt nd übernommen, wo es in der Sache sinnvoll und angeracht war. Die Forderung des Bundesrates, der Bund olle die Kosten für das Vorhalten der Kapazitäten für en Gesundheitsschutz an Häfen und Flughäfen tragen, ar allerdings schon aus verfassungsrechtlichen Grünen abzulehnen. Für die öffentliche Gesundheit sind die änder zuständig. Das Gesetz sieht eine sachgerechte und ausgewogene ostenverteilung zwischen den betroffenen Ländern und en Betreibern der Flughäfen und Häfen vor. Zudem erden den Ländern im Einzelfall keine Vorgaben für ie Umsetzung gemacht, solange sie die völkerrechtlihen Voraussetzungen einhalten. Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zu einigen rundrechtsrelevanten Beschränkungen in den Durchhrungsvorschriften dieses Gesetzes. Sie sind zulässig, eil sie durch das öffentliche Interesse an einem effektien Gesundheitsschutz gerechtfertigt sind. Das Gemeinohl muss den Vorrang vor dem Interesse von individu llen Reisenden, von Flugund Schiffskapitänen oder er Betreiber von Flugund Seehäfen haben. Gleiches ilt für Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstestimmung durch die Ermittlung und Speicherung peronenbezogener Daten durch Bundesund Landesbehören. Auch diese Eingriffe sind gerechtfertigt, wenn sie nerlässlich für die Verhütung und Bekämpfung von Gehren für die öffentliche Gesundheit sind. Die Umsetzung der Internationalen Gesundheitsvorchriften in nationales Recht ist ein notwendiger Beitrag um Gesundheitsschutz auf weltweiter Ebene. Funkonsfähige Meldewege sowie die Vernetzung von geundheitsrelevanten Informationen spielen international ine immer bedeutendere Rolle. Das gilt erst recht im inblick auf neue Krankheitserreger, auf die rasante lobalisierung des Handels und die zunehmende Mobität der Menschen in allen Regionen der Erde. Indem wir die Internationalen Gesundheitsvorschrifn an die aktuellen Erfordernisse anpassen, verbessern ir den Schutz vor der grenzüberschreitenden Ausbreing von Infektionen und Gesundheitsgefahren. Das ist icht zuletzt auch ein wichtiger Beitrag für die Sichereit unserer Bevölkerung und zum Patientenschutz auf ationaler Ebene. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bunesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Durchhrung der Internationalen Gesundheitsvorschriften und ur Änderung weiterer Gesetze. Der Ausschuss für Geundheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715811500




(A) )

Drucksache 17/8615, den Gesetzentwurf der Bundesre-
gierung auf Drucksache 17/7576 in der Ausschussfas-
sung anzunehmen. Diejenigen, die dem Gesetzentwurf
in seiner Ausschussfassung zustimmen wollen, bitte ich,
das mit dem Handzeichen deutlich zu machen. – Gegen-
stimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzent-
wurf in zweiter Beratung angenommen bei Zustimmung
durch die Koalitionsfraktionen. Die Oppositionsfraktio-
nen haben sich enthalten. Gegenstimmen gab es nicht.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Diejenigen stehen bitte auf, die
zustimmen wollen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung mit dem glei-
chen Stimmenverhältnis wie vorher angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erste Beratung des von den Abgeordneten Halina
Wawzyniak, Jan Korte, Ulla Jelpke, weiteren Ab-
geordneten und der Fraktion DIE LINKE einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung
des Rechtsschutzes im Wahlrecht durch Ein-
führung der Sonneborn-Regelung

– Drucksache 17/7848 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Rechtsausschuss

Hierzu ist es verabredet, eine halbe Stunde zu debat-
tieren. – Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch,
dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Halina Wawzyniak für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715811600

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Am 17. Juli 2009 entschied der Bundeswahlaus-
schuss, die Partei „Die Partei“ mit dem Vorsitzenden
Martin Sonneborn nicht zur Wahl zum 17. Deutschen
Bundestag zuzulassen. Der Bundeswahlausschuss ver-
sagte ihr die Anerkennung als Partei. Nicht als Partei an-
erkannt zu sein, bedeutet bei uns, dass man nicht an der
Wahl teilnehmen kann. Gegen diese Entscheidung gibt
es kein Rechtsmittel. Somit konnten Martin Sonneborn
und „Die Partei“ nicht zur Bundestagswahl antreten.

Was daraus folgt, ist: Wie wir sehen, ist Rechtsschutz
erst nach der Wahl, aber nicht vor der Wahl möglich. Mit
dem heute vorliegenden Gesetzentwurf will die Linke
diesen unhaltbaren Zustand beenden und den Rechts-
schutz im Wahlrecht stärken.


(Beifall bei der LINKEN)


Unser konkreter Vorschlag sieht vor, dass eine Partei,
soweit sie vom Bundeswahlausschuss nicht als Partei zu-
gelassen wird, zum Bundesverfassungsgericht gehen
kann und dass für den Fall, dass ein Kreiswahlvorschlag
oder Landeslisten nicht zugelassen werden, der Gang zu
den Verwaltungsgerichten eröffnet wird. Vor dem Hin-

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(C (D rgrund des von uns angeführten Falls haben wir diese egelung „Sonneborn-Regelung“ genannt. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Schlimm genug!)


Um auf den konkreten Fall zurückzukommen, könnte
an sagen: Shit happens!


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Kein parlamentsangemessener Ausdruck!)


as interessiert uns die Möglichkeit, Martin Sonneborn
u wählen? Oder: Für Spaß in der Politik stehen wir
icht zur Verfügung. – Aber die OSZE entsandte Be-
bachter zur Wahl zum 17. Deutschen Bundestag. Diese
erfassten einen Bericht, in dem unter anderem empfoh-
n wird – ich zitiere –:

zumindest einige grundlegende Entscheidungen,
wie die Anerkennung von Vereinigungen als Par-
teien oder die Kontrolle von ablehnenden Entschei-
dungen zu Kreiswahlvorschlägen und Landeslisten,
einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle vor der
Wahl zuzuführen.

Die Linke hat sich bei dem vorgelegten Gesetzent-
urf von folgenden Gedanken leiten lassen:

Die Parteien haben in Art. 21 Grundgesetz einen be-
onderen Schutz erhalten. Mit diesem Schutz ist es ein-
ch nicht vereinbar, dass ein rein exekutives Organ, zu-

ammengesetzt durch die Konkurrenten, nämlich die im
undestag schon vertretenen Parteien, über die Partei-
igenschaft entscheidet – diese Eigenschaft ist Voraus-
etzung, um an der Wahl teilzunehmen – und dass es
ann keinen Rechtsschutz gibt. Wir finden, das ist mit
em Gedanken der Demokratie und mit dem besonderen
chutz von Parteien nicht vereinbar.


(Beifall bei der LINKEN)


Der Parteienrechtler Martin Morlok


(Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Das ist der Spezialist!)


at in der Zeit vom 31. Juli 2009 erklärt, dass er dies für
inen verfassungswidrigen Zustand hält, und in diesem
all stimme ich ihm zu.


(Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Der hat oft genug verloren!)


Eine zusätzliche Schwierigkeit bei der Frage der Zu-
ssung einer Partei ist im Übrigen der Spielraum, den
2 Abs. 1 Parteiengesetz für die Definition von „Partei“
sst. Da geht es um das Gesamtbild der tatsächlichen
erhältnisse – Umfang und Festigkeit der Organisa-
on –, die Zahl der Mitglieder, das Hervortreten in der
ffentlichkeit und – Achtung! – die Gewähr für die
rnsthaftigkeit der Zielsetzung. Spätestens das letzte
riterium dürfte dem Grundsatz der Normenklarheit wi-
ersprechen und ist willkürlich. Wer bitte entscheidet
ber Ernsthaftigkeit und Unernsthaftigkeit? Warum sol-
n die Wählerinnen und Wähler nicht das letzte Wort
aben? Ehrlich gesagt: Bei so manchem Beitrag von
itgliedern dieses Hauses wartet man am Ende auf ein

Helau!“ oder „Alaaf!“, und man weiß gar nicht, ob man
chen oder heulen soll.





Halina Wawzyniak


(A) )


)(B)


(Beifall bei der LINKEN – Otto Fricke [FDP]: Das ist Selbstkritik!)


Deshalb muss man sicherlich auch an das Parteiengesetz
heran.

Sicherlich gibt es im Hinblick auf den Rechtsschutz
noch viel mehr zu klären. Denkbar wäre beispielsweise
eine Debatte über die Zusammensetzung der Wahlaus-
schüsse. Doch da uns bei unserem letzten Gesetzentwurf
zum Wahlrecht Überfrachtung vorgeworfen worden ist,
haben wir den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf bewusst
schmal gehalten,


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr schmal, Frau Kollegin! – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Interessante Begründung!)


um wenigstens das Notwendigste vor der nächsten Bun-
destagswahl sicherzustellen. Deshalb können Sie dies-
mal doch auch zustimmen.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715811700

Werte Kollegin, ich bin ja froh, dass Sie bei Ihrer iro-

nischen Bemerkung über das Niveau der Debatten keine
Namen genannt haben, aber dann wäre es wahrschein-
lich etwas witziger geworden.


(Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Sie hat das selbstkritisch gesehen!)


Das Wort hat nun Kollege Günter Krings für die
CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1715811800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! In der Tat, wir diskutieren ein bedeutendes, ein
wichtiges Thema. Es geht ausweislich auch der Über-
schrift Ihres Gesetzentwurfs um die Stärkung des
Rechtsschutzes im Wahlrecht. Allerdings, Frau Kollegin,
ist das eine derbe Untertreibung. Sie untertreiben näm-
lich deshalb, weil es im Wahlrecht zurzeit überhaupt kei-
nen Rechtsschutz im Sinne von subjektivem Rechts-
schutz gibt. Da, wo nichts ist, kann auch nichts gestärkt
werden. Insofern geht es um die Einführung eines sub-
jektiven Rechtsschutzes.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Herr
Voßkuhle, hat das in einer Besprechung letztens sehr
prägnant, aber auch etwas sarkastisch so zusammenge-
fasst: Das System sei deshalb derzeit konsistent, weil es
vor der Wahl keinen Rechtsschutz gebe und danach auch
nicht. – Meine Damen und Herren, wir sind uns daher ei-
nig, dass es an der Stelle Handlungsbedarf gibt. Es ist
durchaus zu würdigen, dass die Fraktion der Linken sich
dieses Themas annimmt. Wir erleben die Linken heute in
einer ganz neuen Rolle. Normalerweise kennen wir sie,
wie sie mit dem Kopf gegen die Wand rennen; heute ren-
nen sie offene Türen ein. Denn die CDU/CSU-Fraktion,
die FDP-Fraktion, die SPD-Fraktion und die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen des Deutschen Bundestages be-

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(C (D nden sich seit etwa einem Jahr in intensiven Gesprähen über die Möglichkeit, einen Wahlrechtsschutz einuführen. Unsere Überlegungen sind auch schon relativ eit gediehen. Es gibt sehr fruchtbare, sehr konstruktive espräche. Ich will ausdrücklich die Anwesenden erähnen: den Kollegen Montag, den Kollegen Wiefelspütz; err Ruppert ist heute leider verhindert. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Wenn Sie mich dazugeladen hätten, wäre es noch konstruktiver geworden!)


iese guten Gespräche werden unter allen Parteien die-
es Hauses, die an konstruktiver Zusammenarbeit inte-
ssiert sind, auch weiterhin gut gedeihen.

Wir sind in dem Willen vereint, diese Rechtsschutzlü-
ke zu schließen, die in einem Staat besteht, der eigent-
ch sonst kaum Rechtsschutzlücken aufweist. Darauf
ind wir stolz. Wir haben einen umfassenden Rechtswe-
estaat. Wenn Sie noch einmal die Debatte vom 30. Juni
tzten Jahres nachlesen, sehen Sie, dass alle Fraktionen
es Bundestages sich darauf bezogen haben.

Das Wahlrecht ist das vornehmste Bürgerrecht. Der
ürger hat daher nicht nur Anspruch darauf, dass es ihm
er Gesetz eingeräumt wird, sondern auch darauf, dass
r es durchsetzen kann, wenn es ihm im Einzelfall vor-
nthalten wird. Allerdings warne ich an dieser Stelle da-
or, unser bisheriges Wahlrecht einschließlich des Wahl-
erfahrensrechts schlechtzureden. Auch ohne subjek-
ven Rechtsschutz gab es in über 60 Jahren Bundesrepu-
lik eigentlich keinen ernsthaften Zweifel an der Integri-
t unseres Wahlrechts.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Na ja!)


s gibt gewissenhaft arbeitende Beamte und ehrenamtli-
he Wahlhelfer, die gute Arbeit leisten, gerade die Eh-
namtler. Auch der Wahlprüfungsausschuss des Deut-

chen Bundestages leistet gute Arbeit. Außerdem gibt es
ine Reihe wohlabgewogener Urteile des Bundesverfas-
ungsgerichts in Wahlprüfungssachen.

Meine Damen und Herren, jedenfalls seit 1990 finden
uf deutschem Boden nur noch freie und faire Wahlen
tatt. Darüber wachen übrigens auch die mündigen Bür-
er unseres Staates, die Manipulationen und Unregelmä-
igkeiten gar nicht durchgehen lassen würden. Es ist
uch kein Zufall, dass einer der wesentlichen Momente,
ie den Anfang vom Ende des Nichtrechtsstaates DDR
inläuteten, die gefälschten Kommunalwahlen 1989 wa-
n. Diese waren mit Auslöser für die friedliche Revolu-
on, die wir erlebt haben. Das zeigt, dass die Menschen
diesem Lande Wahlen ernst nehmen. Ein wenig ist es

ielleicht auch Ausdruck einer gewissen Bußarbeit der
inken aufgrund ihrer Vergangenheit als DDR-Staats-
artei, dass sie gerade das Thema Wahlrechtsschutz auf-
reifen. Dagegen ist im Grunde auch nichts einzuwen-
en; denn nicht nur im Himmel herrscht bekanntlich
ehr Freude über einen, der Buße tut, als über 99 Ge-
chte.


(Zuruf von der FDP: Sehr wahr! – Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Das habe ich schon immer als ungerecht empfunden! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wo haben Sie das her?)






Dr. Günter Krings


(A) )


)(B)

Meine Damen und Herren, die Linke – das ist das
Traurige an diesem Vorschlag – präsentiert heute leider
ein sehr dürftiges Machwerk. Man kann nicht sagen:
Weil uns schon einmal vorgeworfen worden ist, wir hät-
ten etwas überfrachtet, machen wir jetzt ganz wenig. –
Ihr Gesetzentwurf ist das beste Beispiel dafür, dass wir
als Koalitionsfraktionen richtig gehandelt haben, als wir
im letzten Jahr nicht versucht haben, dieses Thema in die
Wahlrechtsreform zu packen. Denn es ist eine an-
spruchsvolle und komplexe Aufgabe, nach über 60 Jah-
ren den Wahlrechtsschutz zu verankern. Ich muss Ihnen
leider sagen: Sie haben diese Aufgabe nicht erfüllt; denn
Sie haben wichtige Themen an vielen Stellen entweder
nur angetippt oder komplett ignoriert. Ich will das ganz
kurz an sieben Punkten verdeutlichen; meine Redezeit
lässt das erfreulicherweise zu.

Erstens. Fristen werden bei Ihnen unverantwortlich
knapp gesetzt. Ich nenne als Beispiel die Fristen für die
Entscheidung über die Nichtzulassung von Kandidaten-
vorschlägen oder Landeslisten. Der gesamte Rechts-
schutz soll zwischen dem 44. und dem 32. Tag vor der
Wahl ablaufen. „Gesamter Rechtsschutz“ heißt bei Ih-
nen: vor der Wahl Verwaltungsgerichtsbarkeit, Beru-
fungsinstanz, vielleicht noch Bundesverwaltungsgericht,
und dann gibt es wahrscheinlich – das werden Sie nicht
ernsthaft ausschließen wollen – auch noch die Möglich-
keit, das Ganze vor das Bundesverfassungsgericht zu
bringen, wohlgemerkt alles innerhalb von zwölf Tagen,
einschließlich aller Schriftsätze, mündlichen Verhand-
lungen usw. Das ist einfach unrealistisch. Im Ergebnis
würde das nicht zu einem echten Rechtsschutz führen,
sondern zu Chaos. Es würde den Wahltag und den gan-
zen Wahlvorgang gefährden, auch hinsichtlich seiner
Akzeptanz.

Zweitens ignoriert Ihr Vorschlag vollkommen die
Konstellation einer vorgezogenen Bundestagswahl, die
ja gelegentlich vorkommt. Dafür gibt es nach Art. 39
Abs. 1 Satz 4 GG ganz konkrete Fristen: 60 Tage haben
wir dafür Zeit. Außerdem gibt es noch viel engere Fris-
ten. Sie sagen nichts dazu, wie Sie mit diesem Problem
umgehen wollen. Hier wird vollends deutlich: Das, was
Sie vorschlagen, ist nicht praxisgerecht.

Dritter Punkt: Da der Rechtsschutz nur vor der Wahl
gewährt wird, auch noch aufgeteilt zwischen Verwal-
tungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit, muss es zwangs-
läufig zu divergierenden Entscheidungen kommen. Das
schafft besondere Problemstellungen.

Vierter Punkt: Sie haben – zwar in Ihrer Rede, aber
nicht in Ihrem Gesetzentwurf – nicht die Frage der Zu-
sammensetzung der Wahlausschüsse angesprochen. Ich
glaube, man könnte mit einigen kleineren Änderungen
einiges entschärfen, zum Beispiel indem man auch im
Bundeswahlausschuss und in den Landeswahlausschüs-
sen auf richterliche Kompetenz zurückgreifen würde.
Das werden wir noch im Einzelnen durchdenken und zü-
gig vorschlagen.

Der fünfte Punkt: Es ist wirklich unglaublich, mit
welcher Nonchalance Sie über die verfassungsrechtli-
chen Probleme hinweggehen. Es reicht nicht aus, in dem
Gesetzentwurf gegen die Rechtsprechung des Bundes-

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(C (D erfassungsgerichts zu polemisieren, sondern Sie müsen sich doch zumindest auch damit auseinandersetzen, b das Ganze eine Verfassungsänderung voraussetzt der nicht. Vielleicht kann man sogar zu dem Ergebnis ommen, sie sei nicht notwendig – was ich sehr anweifle –; aber in der Begründung des Gesetzentwurfes ar nichts dazu zu sagen, ist handwerklich wirklich nicht ehr akzeptabel. Sechstens. Es gibt weitere handwerkliche Mängel nur colorandi causa –: Ganz treuherzig wird in Ihrem ntwurf § 29 des Bundeswahlgesetzes geändert – eine ristenregelung. Sie haben offenbar übersehen, dass dieer § 29 im letzten Jahr aus dem Bundeswahlgesetz getrichen worden ist. (Heiterkeit bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: So viel zur Kompetenz!)


gendwo schade, vielleicht kann man das künftig etwas
ründlicher machen.


(Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Ich würde dazu auch gerne eine Zwischenfrage zulas-
en.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715811900

Sehr gut, Sie haben es entdeckt. – Bitte schön, Kolle-

in Wawzyniak.


Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715812000

Herr Kollege Krings, wir haben den Gesetzentwurf

ingebracht, als die Änderung des Bundeswahlgesetzes
och nicht veröffentlicht war, und uns deshalb an dieser
telle auf das noch geltende Gesetz bezogen. Wenn Sie
ich das Einreichungsdatum unseres Gesetzentwurfes
nschauen und schauen, wann das neue Wahlrecht in
raft getreten ist, würden Sie mir dann zustimmen, dass
nser Gesetzentwurf vor Inkrafttreten der neuen gesetz-
chen Regelung eingereicht worden ist?


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da lagen drei Tage dazwischen!)



Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1715812100

Ich weiß ja nicht, wie die Zeitplanung in Ihrer Frak-

on normalerweise ist. Aber es war ja absehbar, dass das
esetz sehr bald veröffentlicht werden würde. Man hätte
ielleicht noch drei Tage warten können. Man sollte
och einen Vorschlag machen, der auf dem basiert, was
um Zeitpunkt der Debatte gültig ist. Da haben Sie, je-
enfalls meines Erachtens, ein schlechtes Zeitmanage-
ent bewiesen.

Wenn Sie von meinen vielen Kritikpunkten einen hal-
en relativieren wollen, dann gestehe ich Ihnen das
erne zu. Ich glaube, es bleiben noch so viele Mängel
brig, dass wir nicht weiter ernsthaft über die Qualität
res Entwurfes reden müssen. Sie hätten an der Stelle ja

umindest noch eine Änderung anbringen können. Aber
ielleicht haben Sie auch nicht damit gerechnet, dass
as, was wir beschließen, wirklich ins Bundesgesetzblatt
ommt. Verfassungsgemäß passiert das aber normaler-





Dr. Günter Krings


(A) )


)(B)

weise so bei Gesetzen. Gehen Sie davon aus, dass, wenn
der Bundestag ein Gesetz beschließt und der Bundesrat
jedenfalls keinen Einspruch erhebt, es dann nachher
auch im Bundesgesetzblatt so veröffentlicht wird. So
steht es jedenfalls im Grundgesetz für die Bundesrepu-
blik Deutschland.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der LINKEN)


Meine Damen und Herren, ein weiterer handwerkli-
cher Mangel: § 48 a des Bundesverfassungsgerichtsge-
setzes – wohlgemerkt: das haben wir zwischenzeitlich
nicht geändert – soll bei Ihnen heißen – ich zitiere wört-
lich –: Bei einer begründeten Beschwerde ist „die Verei-
nigung für den Wahltag als politische Partei anzuerken-
nen“. Was heißt das denn jetzt? Für den Wahltag? Da
dürfte es ja ein bisschen zu spät sein, um irgendwelche
Wahlvorschläge einzureichen. Dann müsste sie schon für
den gesamten Wahlvorgang als politische Partei aner-
kannt werden – für den Wahltag ist es, glaube ich, etwas
zu spät. Auch das hätte man sicherlich sehr viel klarer
und vor allem richtiger formulieren können.

Siebtens. Der schlimmste Mangel Ihres Gesetzent-
wurfs ist aber ein ganz anderer. Am schlimmsten ist,
dass dieser Gesetzentwurf den Wahlrechtsschutz aus-
schließlich zugunsten der Parteien und Kandidaten aus
der Perspektive der Parteien angeht. Die Interessen der
Wähler kommen bei Ihnen überhaupt nicht vor. Das
Wahlrecht ist aber, jedenfalls aus meiner Sicht, in erster
Linie das Recht des Bürgers, des Wählers und in zweiter
Linie meinetwegen das Recht der Parteien. So herum
muss das behandelt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dass eine Partei mit dem Denken und vielleicht auch
der Geschichte der Linken das vielleicht umgekehrt
sieht, dass sie die Partei stärker in den Mittelpunkt stellt
als den Menschen, das mag ja alles sein;


(Zuruf von der LINKEN)


das ist auch ihr gutes Recht. Das ist aber kein guter Rat-
geber bei der Einführung eines subjektiven Rechtsschut-
zes in Wahlsachen.

Wir wollen dagegen ein Rechtsschutzkonzept, das im
Wege der einzig praktikablen Rechtskontrolle, nämlich
der nachträglichen Rechtskontrolle,


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Dann legen Sie es doch vor! Sie kommen ja zu nichts!)


einen wirksamen Schutz für den Wahlbürger und nicht
nur für die Parteien bietet, meine Damen und Herren.

Meine Damen und Herren, wir – und das sage ich aus-
drücklich; ich glaube, das darf ich – von Union, SPD,
FDP und Grünen wollen daher in den nächsten Wochen
– so jedenfalls unsere feste Absicht – einen ausgewoge-
nen, praktikablen und verfassungskonformen Entwurf
vorlegen und eben keinen Schnellschuss, wie wir ihn
heute hier zu behandeln haben.

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(C (D Ich muss schon sagen: Beim zweiten Lesen Ihres ntrags habe ich hinsichtlich der Ernsthaftigkeit Ihres nliegens Zweifel bekommen. Dass Sie mit diesem hema nicht ernsthaft umgehen, wird noch durch die inleitende Bemerkung in Ihrer Rede über die sogeannte Sonneborn-Regelung unterstrichen und hat sich ozusagen bis in die Überschrift Ihres Gesetzentwurfs urchgefressen, in der es heißt: „… durch Einführung er Sonneborn-Regelung“. Ich gebe gerne zu, dass ich mit diesem Namen zuächst nichts anfangen konnte. an muss der deutschen Öffentlichkeit sagen, dass es ich bei Herrn Sonneborn um den Gründer einer Vereiniung, vorgeblich einer Partei mit dem Namen „Die Pari“, handelt. Indem Sie ihn sozusagen zum Kernanlieen Ihres Gesetzentwurfs einschließlich der Überschrift achen, erweist die Linke meines Erachtens einer Klaaukveranstaltung eine unverdiente Ehre. Denn dieser ogenannten Partei geht es offenbar nicht um einen rnsthaften Beitrag zu unserer Demokratie, sondern um as Lächerlichmachen unserer Demokratie. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Lächerlich machen die Demokratie andere!)


(Zuruf von der LINKEN: Das glaube ich!)


Während in anderen Teilen der Welt auch in diesen
tunden Menschen ihr Leben für Demokratie und
echtsstaatlichkeit einsetzen, soll hier unsere Demokra-
e und ihr Herzstück, der Wahlvorgang, dem Zynismus
reisgegeben werden. Das ist ein Schlag ins Gesicht all
erjenigen, die sich 1989/90 im östlichen Teil Deutsch-
nds


(Zuruf von der LINKEN: Oh!)


egen Ihre Vorgängerpartei


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Was heißt „Vorgängerpartei“?)


gegen die identische Partei – mutig für freie Wahlen
ingesetzt haben. Denn eine der zentralen Aussagen der
ogenannten Partei von Herrn Sonneborn ist die Ableh-
ung der Wiedervereinigung unter dem Slogan „Mauer-
au war schlau“.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das passt doch!)


ür diese Partei ergreifen Sie Partei.

Ich will mich hier nicht zur Richtigkeit der Entschei-
ung des Bundeswahlausschusses über diese Partei äu-
ern. Ich weiß auch nicht, ob Sie mit der Hofierung der
onneborn-Partei auf Befindlichkeiten in Ihrer eigenen
artei Rücksicht nehmen. Es gibt bei Ihnen offenbar
och viele, die das ähnlich sehen, die den Mauerbau
uch ganz gut finden und die die Wiedervereinigung
icht so toll fanden.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ich hätte vorhin doch Namen nennen sollen!)


Das Problem ist doch, dass Sie dem gemeinsamen
nliegen, einen Rechtsschutz einzuführen, einen Bären-





Dr. Günter Krings


(A) )


)(B)

dienst erweisen. Sie befrachten Ihren Gesetzentwurf mit
einer ganz unnötigen Überschrift und unnötigen Punk-
ten, die uns von dem hoffentlich gemeinsamen Anliegen
abbringen, einen Rechtsschutz in Wahlsachen einzufüh-
ren. Das ist das eigentlich Unnötige und Schädliche an
Ihrem Gesetzentwurf und seiner Überschrift.

Wir brauchen vielmehr praxisnahe Vorschläge, die
auch dem Wähler einen Rechtsschutz geben und nicht
nur den Parteien. Dieser Rechtsschutz darf eben nicht
dazu führen, dass der Wahltermin als solcher auf einmal
gefährdet wird oder dass wegen nach hinten verschobe-
ner Fristen zum Beispiel Briefwähler nicht mehr an der
Wahl teilnehmen können. Genau das wäre wahrschein-
lich das Ergebnis Ihrer Vorschläge; vielleicht wollen Sie
das sogar. Einen soliden Vorschlag werden die vorhin
genannten Fraktionen in Kürze vorstellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Rechts-
schutz bei der Bundestagswahl ist uns allen wichtig.
Noch wichtiger ist in einer Demokratie aber, dass Wah-
len überhaupt stattfinden und in einem geordneten Ver-
fahren ablaufen können. Genau vor dieser Aufgabe ver-
sagt der Gesetzentwurf der Linken.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715812200

Das Wort hat nun Dieter Wiefelspütz für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1715812300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir führen heute erneut eine Auseinanderset-
zung über Wahlrechtsfragen. Eine Auseinandersetzung,
in der es um das Thema Negatives Stimmgewicht ging,
liegt schon hinter uns. Darüber wird letztlich vom Bun-
desverfassungsgericht entschieden.

Herr Krings, damals war aber schon klar, dass es über
andere Themen, gleichwohl sie regelungsbedürftig sind,
diesen politischen Streit nicht gibt. Wir haben uns sehr
schnell auf Bereiche verständigt, in denen wir streiten
wollen und müssen, und auf Bereiche, in denen wir zu
konstruktiven Gesprächen zusammenfinden sollten. Das
haben wir frühzeitig vereinbart, und es ist in der Tat so
umgesetzt worden.

Es gibt nun diese Gesprächsrunde zwischen der Ko-
alition sowie den Bündnisgrünen und der SPD. Diese
Gespräche sind ausgesprochen aussichtsreich, vernünf-
tig, solide, kollegial und sehr sachorientiert. Wir lernen
dazu; wir lernen voneinander. Ich lerne sogar von Ihnen,
Herr Krings. Das will doch etwas heißen.


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Gleichfalls!)


Ich will ausdrücklich loben, dass uns das gelingt. Das
macht deutlich, dass man bei politisch wichtigen Fragen

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(C (D nseres Verfassungsstaates vorankommen kann, wenn an es klug anstellt. Ich bin ganz sicher, dass wir in dieser – wenn Sie so ollen – Arbeitsgruppe in wenigen Wochen liefern weren. Das wird nicht überragend spektakulär sein, aber es ird in wichtigen Fragen des Wahlrechts, des Wahlchtsschutzes, bei denen es Defizite gibt, eine Weiter ntwicklung unseres Verfassungsstaates sein. Diese Gepräche haben sogar den Vorteil gehabt, dass wir einen eg gefunden haben, um mit dem Bundesverfassungs ericht sehr vernünftig ins Gespräch zu kommen, was icht immer gelungen ist. Hier haben wir eine Form des ustausches gefunden, die beiden Seiten eine große ilfe sein kann, ohne zu verpflichten. Die jetzigen Gespräche – das will ich durchaus sagen, err Krings – haben vielleicht doch einen kleinen Manel: Die Linkspartei ist nicht dabei. Ich habe keinen rund – das sage ich zum wiederholten Male –, zu die en Menschen besonders nett zu sein. Es wäre aber auch vor dem Hintergrund Ihrer Rede, die wir gerade ehört haben – vielleicht ein Beitrag zur Entspannung ewesen, wenn man sie dabei gehabt hätte, um die Arguente miteinander auszutauschen. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Unter uns sprechen wir viel kritischer von denen!)


ir – Sie, Herr Krings, andere und auch ich – hätten
chon die Seriosität dieser Veranstaltung sichergestellt.
rau Wawzyniak hätte die Möglichkeit haben müssen,
re Argumente einzubringen. Ich bin, so wie ich die
ollegin kenne, durchaus der Auffassung, dass wir an
erschiedensten Stellen Schnittmengen erarbeitet hätten.
h finde, Herr Krings, Sie verkrampfen zu sehr. Der
alte Krieg ist zu Ende, das habe ich jedenfalls gelernt.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Aber bleibt eine historische Tatsache!)


Ich habe neulich einen wunderbaren Film gesehen,
en ich Ihnen nur empfehlen kann: Dame König As
pion. Es ist die Verfilmung eines Buches meines Lieb-
ngsschriftstellers John le Carré. Es ist wunderbares
lassisches englisches Kino, aber der 60er-, 70er-Jahre.
ie, Herr Krings – andere auf der anderen Seite auch –,
aben immer noch den Ton der Vergangenheit, immer
och diese Kämpfe, das Sich-ineinander-Verhakeln, statt
u gucken, wie wir unseren wunderbaren Verfassungs-
taat Deutschland, der weltweit seinesgleichen kaum fin-
et, weiterentwickeln. Ich bin immer wieder erstaunt,
enn wir von außen, zum Beispiel von der OSZE, kriti-

iert werden. Unseren Verfassungsstaat wollen wir doch
ernünftig weiterentwickeln. Die Linkspartei ist letztlich
it eingeladen, im Bereich des Verfassungsstaates Defi-

ite abzustellen, die wir gemeinsam feststellen.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das war doch die charmante Wahrheit!)


Wir müssen – Herr Krings, hier sind wir einer Mei-
ung, ich denke, auch überall im Hause – feststellen,
ass wir unterirdische Lücken haben im Bereich des





Dr. Dieter Wiefelspütz


(A) )


)(B)

Wahlrechtsschutzes, insbesondere bei der Zulassung von
Parteien. Es ist eines Staates mit der Qualität, die wir ha-
ben, unwürdig, dass wir bei der Statusfrage der Zulas-
sung einer Partei zu einer Wahl ein solches Verfahren
ohne Rechtsschutz haben. Das werden wir jetzt gemein-
sam vernünftig lösen. Ich erwarte von der Linkspartei,
dass sie dem, was wir vorlegen werden, zustimmen wird;
denn das ist sehr vernünftig. Es wird ein Beschwerdever-
fahren beim Bundesverfassungsgericht geben. Dagegen
werden Sie nichts einzuwenden haben. Das sollten wir
klug und vernünftig machen. Wir werden demnächst
noch einige andere Dinge abschließend besprechen.

Ich glaube, dass ein Teil der Verkrampfungen, die in
der Debatte eine Rolle gespielt haben, zu vermeiden ge-
wesen wäre, wenn wir alle miteinander diskutiert hätten.
Vielleicht kann man in den kommenden Monaten oder
Jahren lernen, dass alle dazugehören, wenn es um ele-
mentare Fragen geht wie Wahlrecht und Wahlrechts-
schutz. Dort sollten wir bemüht sein, einen möglichst
breiten Konsens zu finden. Ich habe auch an dieser Stelle
die Hoffnung nicht aufgegeben, dass das noch möglich
sein wird.

Herr Krings hat eine Reihe von Dingen angesprochen,
die, wenn man sie vertieft erörtert, sich sehr schnell,
Frau Wawzyniak, als unpraktikabel herausstellen. Ich
sage das mit allem Respekt. Wir haben Landeswahlleiter
zu uns eingeladen. Das war eine sehr verdienstvolle Sa-
che. Von diesen haben wir sehr viel gelernt. Angesichts
der Pingeligkeit, die uns Deutschen eigen ist, eine Wahl
in Deutschland zu organisieren, ist ein Kunstwerk. Wenn
man in dieses Netz eingreift, muss man sich die Folgen
sehr sorgfältig überlegen. Ich glaube, dass wir das aus ei-
gener Sicht schlecht beurteilen können. Hierzu muss
man die Fachleute aus den Ländern heranziehen. Das ha-
ben wir getan und von diesen Menschen eine Menge ge-
lernt.

Ich bedauere, dass Sie nicht die Gelegenheit hatten,
das auch zu lernen, räume aber ein, dass Sie die Chance
haben sollten, das in den kommenden Wochen und Mo-
naten noch hinzuzulernen. Ich hoffe sehr, Herr Krings,
dass in dieser wichtigen Frage zum Schluss alle Fraktio-
nen hinter dem stehen werden, was wir in wenigen Wo-
chen in diesem Hause zur Verabschiedung vorlegen wer-
den.

Herzlichen Dank fürs Zuhören.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715812400

Das Wort hat nun Manuel Höferlin für die FDP-Frak-

tion.


(Beifall bei der FDP)



Manuel Höferlin (FDP):
Rede ID: ID1715812500

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

ren! Der subjektive Wahlrechtsschutz muss eingeführt
oder verbessert werden. Daran besteht kein Zweifel. Das
haben wir bisher von allen Seiten gehört. Es freut mich,
dass das Thema heute zu einer etwas prominenteren Ta-
geszeit diskutiert wird. Ob es jedoch so klug war, liebe

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(C (D ollegen von den Linken, zu einem so komplexen hema nur eine abgespeckte Version vorzulegen, das age ich zu bezweifeln. Zur Bundestagswahl 2009 schickte die OSZE erstals Wahlbeobachter nach Deutschland. Das ist eigentch kein spektakulärer Vorgang. Im Abschlussbericht urde jedoch festgestellt, dass ein gerichtlicher Rechts chutz vor der Wahl durchaus notwendig wäre. In dieem Zusammenhang gab es unter anderem den Fall der atirepartei „Die Partei“, den Sie so prominent im Titel res Gesetzentwurfs zitieren. Man kann sich überlegen, as man von solchen Vereinigungen hält. as ist aber für die Diskussion hier unmaßgeblich; desalb gehört es eigentlich nicht in den Gesetzentwurf. Die Vorschläge, die Sie zur Verbesserung des Wahlchtsschutzes vorbringen, halten wir – das haben auch err Krings und Herr Wiefelspütz gesagt – grundsätzch für diskussionswürdig; darunter sind durchaus eiige richtige Ansätze. Es geht darum, vor den Wahlen um Beispiel in Form einer Klage Rechtsschutzmöglicheiten zu erhalten, so bei der Nichtzulassung von Parteiorschlägen oder von Listenvorschlägen. Wo diese Klagemöglichkeit dann verortet wird, das uss sorgfältig diskutiert werden. Das Bundesverfas ungsgericht hat in seiner Rechtsprechung wiederholt usgeführt, dass Art. 41 des Grundgesetzes als spezielle egelung für die Wahlprüfung dem Art. 19 Grundgesetz orangeht. Daher sollten wir bei weiteren Überlegungen ieses Verhältnis genau im Auge behalten. Des Weiteren wollen Sie eine Klagemöglichkeit geen die Ablehnung von Kreiswahlvorschlägen und Laneslisten eröffnen. Auch diese Punkte sind grundsätzlich iskussionswürdig. Allerdings stellt sich uns die Frage, b man tatsächlich immer den Klageweg eröffnen muss; enn die bereits etablierten Möglichkeiten einer Bechwerde gegen die Entscheidung eines Wahlleiters, der inzelne Kandidaten nicht zulassen will, sollten an dieer Stelle ebenfalls berücksichtigt werden. Es gibt einige ituationen, bei denen man mittels einer Beschwerde orgehen kann. Insofern kann man auch über Verbesserungen nachenken, die im Bereich unterhalb der Klageschwelle anesiedelt sind. Beispielsweise wäre – Herr Krings hat es benfalls gesagt – eine Veränderung der Zusammensetung der Kreis-, Landesund Bundeswahlausschüsse enkbar. In den letzten beiden Fällen könnte man einen der mehrere Richter an den Sitzungen teilnehmen lasen. Für die Kreiswahlausschüsse könnten Personen mit efähigung zum Richteramt in Frage kommen. Diese ragen werden die Fraktionen in den nächsten Wochen ertiefen und – dessen bin ich mir sicher – hierzu auch ügig Lösungsvorschläge vorbereiten. Von diesen grundsätzlich richtigen Gedanken abgeseen, gibt es in Ihrem Gesetzentwurf aber auch einige roblematische Stellen. Ich will nicht alle Punkte, die err Krings bereits genannt hat, noch einmal erwähnen, Manuel Höferlin )


(Jan Korte [DIE LINKE]: Wie die FDP!)





(A) )

aber einige, die ich für wirklich problematisch halte,
doch noch einmal ansprechen.

Die Frist, die Sie in Ihrem Entwurf dem Bundesver-
fassungsgericht bei der Entscheidung über die Nichtzu-
lassung einer Partei setzen wollen, ist sicherlich zu kurz.
Elf Tage wollen Sie dem Bundesverfassungsgericht für
die Entscheidung auf dem Gerichtsweg geben. Das wird
mit Sicherheit nicht ausreichen. Ich denke, dass wir hier
deutlich mehr Zeit benötigen; allein schon für das reine
Verfahren, aber natürlich auch für eine substanzielle Prü-
fung.

Sie dürfen diese Fristen vor allem deshalb nicht so
kurz setzen, weil Sie dadurch den Wahlrechtsschutz ins-
gesamt aufweichen. Der Fristenplan insgesamt muss ge-
nau unter die Lupe genommen werden. Die Fristen sind
derzeit sehr eng gestaffelt und aufeinander abgestimmt.
Innerhalb der vorhandenen Fristen gibt es eigentlich fast
keinen Spielraum für eine mögliche Klage. Die Erweite-
rung des Fristenplans würde dem Bundesverfassungsge-
richt letztlich mehr Zeit geben, eine Entscheidung zu
treffen.

Beispielsweise könnte die Frist für die Anzeige einer
Wahlbeteiligung um mindestens eine Woche vorgezogen
werden. Derzeit ist der 90. Tag vor der Wahl vorgesehen.
Ich halte es für denkbar, dass diese Frist vorgezogen
wird. Dann würde der enge Zeitplan vor der Wahl ent-
zerrt werden.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Können wir drüber reden!)


Die Verlängerung der Fristen ist auch dann wichtig,
wenn man die Fälle der Kreiswahlvertreter und der Lan-
deslisten wirklich noch vor der Wahl überprüfen lassen
möchte.

Es geht nicht nur um ein Thema – Herr Krings hat das
weiter ausgeführt –, sondern um mehrere Themen. Das
Thema der vorgezogenen Neuwahlen muss zumindest
behandelt werden; dazu haben Sie in Ihrem Gesetzent-
wurf gar nichts. Sie wissen: Das Bundesministerium des
Innern ist gemäß § 52 Abs. 3 Bundeswahlgesetz ermäch-
tigt, die Fristen bei einer vorgezogenen Neuwahl eigen-
ständig abzukürzen. Was muss man da machen? Was soll
man da tun? Sollen da für Wahlklageverfahren die glei-
chen Fristen gelten oder kürzere? Muss man die 60-Tage-
Frist ändern? Ihr Entwurf liefert leider überhaupt keine
Antworten darauf.

Noch einmal: Die Grundausrichtung Ihres Gesetzent-
wurfs ist richtig; das ist unstreitig. Alle anderen Fraktio-
nen bereiten schon einen entsprechenden Entwurf vor.
Insofern werden die christlich-liberale Koalition und die
Oppositionsfraktionen in den nächsten Wochen sicher-
lich einen Entwurf zur Verbesserung des Wahlrechts-
schutzes vorlegen. Es ist in unser aller Interesse, weil es
in der Demokratie enorm wichtig ist, dass die Bürger, die
Beteiligten in einer Demokratie, einen Rechtsschutz
haben und ihre Interessen ausreichend berücksichtigt
werden. Spätestens seit dem Bericht der OSZE von 2009
haben wir hier Nachholbedarf. Wir sind dabei; es wird in
den nächsten Wochen sicherlich etwas geben. Ich freue

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(C (D ich auf die Zusammenarbeit mit den anderen Frakonen. Herzlichen Dank. Das Wort hat nun Jerzy Montag für die Fraktion ündnis 90/Die Grünen. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! iebe Kollegin Wawzyniak, ich finde es völlig in Ordung und richtig, dass Sie sich mit der Reform des echtsschutzes im Wahlrecht beschäftigen und einen esetzentwurf vorlegen. Was ich Ihnen übel nehme, ist, ass Sie Ihr Unterfangen zu einer Titanic-Werbeverantaltung machen. s wäre nicht nötig gewesen, aber Sie haben Ihre Vorge vorsätzlich als „Entwurf eines Gesetzes zur Stärung des Rechtsschutzes im Wahlrecht durch Einfühng der Sonneborn-Regelung“ bezeichnet. Eine solche itulierung eines Gesetzentwurfs habe ich in diesem ohen Hause noch nie erlebt. enn man weiß, dass Herr Sonneborn die Federführung ei der Titanic hat und auch die Titanic-Werbepartei egründet hat, ist es völlig klar, dass Ihr Gesetzentwurf tsächlich eine Titanic-Werbeveranstaltung ist. Das ist uch ganz okay und lustig, vielleicht auch gar nicht so taatszersetzend, wie der Kollege Krings meint; aber nangemessen für die Behandlung der Reform des ahlrechts ist es schon. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715812600
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715812700

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Der zweite Punkt, den ich Ihnen übel nehme, ist, dass
ie in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs so tun, als
b die OSZE die Wahlen zum Deutschen Bundestag
009 hätte beobachten müssen, weil die Titanic-Werbe-
artei nicht zur Wahl zugelassen worden ist. Das ent-
pricht eindeutig nicht der Wahrheit.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das behaupten wir auch nicht!)


ie Bundesrepublik Deutschland hat die OSZE eingela-
en, damit nicht der Eindruck entsteht, es würden immer
ur die Wahlen in Russland und anderswo überwacht.
ein, auch Wahlen in demokratischen Staaten sollen von
er OSZE beobachtet werden. Tatsächlich hat die OSZE
dem Bericht, der mir hier vorliegt, völlig zu Recht das
ahlsystem der Bundesrepublik Deutschland gelobt und
diglich an einem einzigen Punkt zu bedenken gegeben,
ass man vielleicht über eine Verbesserung nachdenken
ollte. Das ist auch richtig; das tun wir gemeinsam. Wir
ollen den Rechtsschutz tatsächlich auch bei der Bun-
estagswahl verbessern. Die Bemerkungen in der
egründung zu Ihrem Gesetzentwurf, in Deutschland





Jerzy Montag


(A) )


)(B)

würden Parteien nicht zugelassen, internationale Organi-
sationen müssten eingreifen, um von außen für Demo-
kratie in Deutschland zu sorgen, haben einen Unterton,
den ich für völlig unangemessen halte. Das sollten Sie
lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, Tatsache ist allerdings
auch, dass der frühere Bundesinnenminister de Maizière
im Januar 2010 der OSZE geschrieben hat, dass die Bun-
desregierung diese Anregung aufnehmen und einen Vor-
schlag machen wird. Aber die Bundesregierung hat
nichts getan.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts Neues! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wahlrecht ist Sache des Parlaments!)


Wahr ist auch, dass der erste Ausschuss im Juni 2011 mit
Zustimmung aller Fraktionen beschlossen hat, die Bun-
desregierung aufzufordern, etwas in dieser Sache zu
unternehmen. Geschehen ist nichts. Wahrscheinlich hat
die Bundesregierung das alles aus lauter Hochachtung
vor dem Hohen Haus unterlassen.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Was denn sonst? – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Genau! Wir unterstützen die Bundesregierung!)


Deswegen ist es richtig, dass wir die Sache jetzt selbst in
die Hand nehmen und die Reform mit eigenen Kräften,
eigenen Gedanken und mit einem eigenen Gesetzent-
wurf voranbringen.

Herr Kollege Krings hat zu den Kritikpunkten, die es
am vorliegenden Gesetzentwurf gibt, alles Notwendige
gesagt. Ich will hinzufügen: Sie können nicht die Frist
von 90 Tagen beibehalten und in diesen 90 Tagen für
Tausende von Wahlkreisbewerbern und für Hunderte
von Landeslisten einen vierstufigen Rechtsschutz ein-
führen. Das würde zu einer Chaotisierung der Bundes-
tagswahl führen. So können Reformen nicht durchge-
führt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich finde es schade, meine Herren von der Koalition,
dass Frau Wawzyniak für die Linke an unseren Gesprä-
chen nicht teilnehmen kann. Ich bitte Sie, sich das noch
einmal zu überlegen. Wir sind mit unseren Gedanken
noch nicht am Ende. Uns fällt kein Zacken aus der
Krone, auch Ihnen nicht, Herr Kollege Krings, wenn wir
Frau Kollegin Wawzyniak zu den nächsten Veranstaltun-
gen hinzubitten. Sie kann bei uns nur dazulernen.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jan Korte [DIE LINKE]: So staatstragend! Das hätte ich nie gedacht!)


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(C (D Ich beende die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzenturfs auf Drucksache 17/7848 an die in der Tagesordung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie amit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die berweisung so beschlossen. Ich rufe nun den Zusatzpunkt 7 auf: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU und FDP Verfahren gegen deutsche politische Stiftung einstellen – Demokratisierungsprozess in Ägypten fortsetzen – Drucksache 17/8578 – Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre dazu keien Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegen olfgang Gerhardt für die FDP-Fraktion das Wort. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle in iesem Hause kennen die Arbeit der deutschen polischen Stiftungen. Sie haben sich in verschiedenen Länern der Welt als segensreich erwiesen. Wir alle haben och den großen Erfolg des Transformationsprozesses in ortugal und Spanien nach dem Ende der Diktaturen im edächtnis. Wir müssen allerdings zur Kenntnis nehmen, dass wir eltweit beobachtet und misstrauisch beäugt werden – so t es nun einmal –: selbst von einem lupenreinen Demoraten in unserer europäischen Nachbarschaft, von manhen Demokratien, die zwar Wahlen kennen, aber keine usgebildeten Zivilgesellschaften haben und nationales teresse mit der Unterbindung von Kritik gleichsetzen. an beobachtet misstrauisch die Arbeit von Stiftungen ach dem Motto: Das sind westliche Systeme, das sind estliche Vorurteile, das sind westliche Werte, die wir ei uns nicht unbedingt brauchen. Ich will für alle Stiftungen vorab sagen: Wir vertreten osmopolitische Weltbürgerwerte, wir vertreten Menchenrechte, und wir vertreten in jeder Arbeit die Charta er Vereinten Nationen, die von allen Ländern, in denen ir arbeiten, unterzeichnet worden ist. Das ist kein westches Vorurteil. Es ist auch nicht so – wie manche in sien behaupten –, dass das erst dann den Menschen uteil werden kann, wenn man ein bestimmtes wirtchaftliches Niveau erreicht hat. Auch die, die das noch icht erreicht haben, brauchen eine Stimme. Deshalb rbeiten wir auf der gesicherten Basis der Menschenürde, der Menschenrechte und der wirtschaftlichen ntwicklung. Wir haben ein massives Interesse daran, dass Ägypten rfolg hat, aber wir erkennen auch, dass es mit einer evolution allein nicht getan ist. Dr. Wolfgang Gerhardt )

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715812800

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP):
Rede ID: ID1715812900

(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!)





(A) )

Die Entscheidung erfolgt hinterher, darüber, ob eine
durch Mehrheit an die Macht gekommene Struktur weiß,
dass Mehrheit nicht alles darf, dass sie Minderheiten-
rechte schützen muss, dass sie darauf achtet, dass sich
keine religiösen Konflikte entzünden, dass kein ethni-
scher Binnenzirkus im Land entsteht. Eine Zivilgesell-
schaft muss auch mit unangenehmen Sachverhalten kon-
frontiert werden. Das Recht des Schwächeren muss
gesehen werden, auch das Recht des Fremden. Manche
Gesellschaften bringen dazu überhaupt noch keine Kraft
auf. Deshalb ist der Kern der Vertrauenswürdigkeit, die
nach einer Revolution herausgebildet werden muss – da-
bei geht es um das eigene und das internationale Anse-
hen –, die Bereitschaft zur Transformation.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Das sagen wir auch in Richtung Kairo. Bei aller
Zurückhaltung möchten wir die Botschaft vermitteln,
dass wir angesichts des Vorgehens gegen die Konrad-
Adenauer-Stiftung nicht den Eindruck haben, dass
die dortige Militärherrschaft das begriffen hat. Zu ei-
ner Transformationspartnerschaft, die Außenminister
Westerwelle mehrmals betont hat – ich danke ihm hier
ausdrücklich für sein Engagement in dieser Angelegen-
heit –,


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


gehört, dass man entsprechend den internationalen
Gepflogenheiten miteinander umgeht. Der Eindruck ist
zweifellos – das ist niemandem verborgen geblieben –,
dass in Ägypten bestimmte bürokratische Hindernisse
oder eigene Unliebsamkeiten zum Vorwand genommen
werden, um ein Büro zu schließen. Mir hat sich bis heute
nicht erschlossen, was der eigentliche, was der wirkliche
Grund dafür war. Deshalb gilt unsere Solidarität der
Konrad-Adenauer-Stiftung für ihre Arbeit in Ägypten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich will das hier bewusst zum Ausdruck bringen, weil
wir mit unseren Stiftungen international zusammen-
arbeiten. Wir haben uns in keinem Land aufgedrängt.
Wir haben Kooperation gesucht, wenn Kooperation
gewünscht wurde. Auch die Kolleginnen und Kollegen
der Konrad-Adenauer-Stiftung haben niemandem Rat
aufgedrängt, wenn sie nicht um Rat gefragt worden sind.
Wir wollen, dass in Ägypten die zivilgesellschaftlichen
Voraussetzungen für einen Erfolg dieses Landes
geschaffen werden. Ich glaube, dass wir aus Europa
heraus mit unseren deutschen politischen Stiftungen
dazu einen vernünftigen Weg vorgeschlagen haben.

Es ist nun einmal so, dass das massive Interesse der
deutschen Politik im Kern darin besteht, dass sich in die-
sen Ländern wirkliche Zivilgesellschaften entwickeln.
Wir verstehen unter Demokratie nicht allein, dass in
gewissen Abständen Wahlen stattfinden und ansonsten
keine gesellschaftliche Kraft dazu entwickelt wird, nach
einer Verfassung zu leben, in einer Verfasstheit zu leben
und internationale Beziehungen zu pflegen. Diese
Gesellschaften können, wenn sie möchten, von uns eine
ganz uneigennützige, an Menschenrechten und interna-
tionalen Gepflogenheiten orientierte Zusammenarbeit
bekommen.

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(C (D Für die Stiftung, die ich die Ehre habe zu vertreten, age ich: Unser Signal an Kairo ist, dass die Machthaber ort die Konrad-Adenauer-Stiftung alsbald wieder arbein lassen sollten. Das ist kein konspiratives Tun. Die rbeit dieser Stiftung widerspricht ebenso wenig wie die rbeit meiner Stiftung dem nationalen Interesse Ägypns, im Gegenteil: Sie liegt im wohlverstandenen Intesse des Ansehens dieses Landes in der internationalen emeinschaft. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715813000

Das Wort hat nun Hans-Ulrich Klose für die SPD-

raktion.


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1715813100

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

n! Die politischen Stiftungen stehen den im Bundestag
ertretenen Parteien nahe, sind aber nicht von ihnen
bhängig. Die Stiftungen gehören zur politisch-zivil-
esellschaftlichen Szene der Bundesrepublik Deutsch-
nd, national und international.

Charakteristisch für die deutschen Stiftungen ist der
espekt füreinander und die Kooperationsbereitschaft
ntereinander, nicht nur bei der Vertretung gemeinsamer
teressen – zum Beispiel gegenüber Bundestag und
undesregierung –, sondern auch bei der praktisch-poli-
schen Arbeit hier im eigenen Land und in vielen Län-
ern auf allen Kontinenten. Vor allem die Entwicklungs-
nd Außenpolitiker kennen und schätzen diese Arbeit,
ei der es immer um Demokratieförderung, um den Auf-
au demokratischer Strukturen sowie um konkrete Hilfe
nd die Organisation von Zivilgesellschaften geht.

Die Arbeit ist oft schwierig, bisweilen sogar gefähr-
ch. Immer mal wieder werden Stiftungen in verschie-
enen Ländern angefeindet, wird ihnen vorgeworfen,
ich in die inneren Angelegenheiten ihrer Gastländer
inzumischen oder sogar Terroristen zu unterstützen.
er türkische Ministerpräsident hat sich zum Beispiel
ngst so geäußert. Im Visier hatte er, wenn ich mich
cht erinnere, die Heinrich-Böll-Stiftung, die er ver-

ächtigte, die PKK zu unterstützen, was ich für einen ab-
urden Vorwurf halte.

In Ägypten sind jetzt mehrere Nichtregierungsorgani-
ationen betroffen – ägyptische und andere, Amerikaner
or allem und eben auch die Konrad-Adenauer-Stiftung,
enauer: der Leiter der dortigen Vertretung, Andreas
acobs, und seine Stellvertreterin, Christina Baade. Was
enau ihnen vorgeworfen wird, ist nicht klar – illegale
inanztransaktionen, was auch immer das konkret be-
eutet. Noch gibt es keine Anklageschrift, nichts, worauf
an sich argumentativ einstellen, wozu man Stellung

ehmen könnte. Das macht die Sache schwierig, weil
icht klar ist, welche Absichten die ägyptische Justiz
zw. die dortigen Behörden verfolgen.

Die ägyptische Ministerin für Planung und internatio-
ale Zusammenarbeit, von der man sagt, sie sei die trei-





Hans-Ulrich Klose


(A) )


)(B)

bende Kraft hinter dem Verfahren, will, dass die interna-
tionalen Nichtregierungsorganisationen das ihnen zur
Verfügung stehende Geld in einen Topf einzahlen, über
dessen Verwendung dann die ägyptischen Behörden ver-
fügen, konkret also die Ministerin. Die ägyptische Öf-
fentlichkeit, sagt sie, wolle, dass die Einmischung in die
inneren Angelegenheiten des Landes endlich aufhört.
Sie bekommt dafür viel Beifall, was den Verdacht nährt,
dass das Verfahren in erster Linie politisch motiviert ist,
politischen Zwecken dient.

Ein Beobachter, der sich in Ägypten besser auskennt
als ich, vermutet, dass das ägyptische Militär, das gegen-
wärtig in der Kritik steht und um seine Macht im Land
fürchten muss, die ganze Aktion nicht nur beobachtet,
sondern gezielt nutzt, um innenpolitisch zu punkten. Es
profiliere sich bei der für anti-westliche Kritik sehr emp-
fänglichen Gesellschaft als Hüterin von nationalen Inte-
ressen und Souveränität. Das ganze Verfahren solle von
den zahlreichen innenpolitischen Problemen ablenken,
indem es ausländische Sündenböcke liefert. Dass die
Mehrzahl der betroffenen ausländischen Stiftungsvertre-
ter Amerikaner sind, passt genau in dieses Schema.

Ob es aber so ist oder ob es sich, wie eine deutsche Zei-
tung schrieb, um die Obsession der schon erwähnten
Ministerin für Planung und internationale Zusammenar-
beit handelt – ich weiß es nicht. Ich halte es aber aus guter
Kenntnis der Stiftungsarbeit für nahezu ausgeschlossen,
dass die Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung ihnen
anvertrautes Geld – nebenbei bemerkt: öffentliches Geld,
über das der Bundestag beschließt – aus politischen Grün-
den zweckentfremden könnten. Ich bin zutiefst davon
überzeugt, dass die beiden angeklagten Vertreter der
Konrad-Adenauer-Stiftung wie auch die Vertreter der an-
deren in Ägypten tätigen Stiftungen – das sind, wenn ich
mich recht erinnere, die Friedrich-Ebert-Stiftung, die
Friedrich-Naumann-Stiftung und die Hanns-Seidel-Stif-
tung; die Heinrich-Böll-Stiftung und die Rosa-Luxemburg-
Stiftung sind noch dabei, sich dort für einen Standort zu
entscheiden – engagiert und pflichtbewusst arbeiten, um
den Transformationsprozess in Ägypten erfolgreich – will
sagen: demokratisch – zu entwickeln. Diese Arbeit ist gut
und wichtig für uns und verdient unsere Unterstützung,
aber auch die der ägyptischen Behörden.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es berührt mich zutiefst, wenn sich die erwähnte
Ministerin in der ägyptischen Presse wie folgt äußert
– ich zitiere –: „Ägypten wird wieder auf die Beine kom-
men, all denjenigen zum Trotz, die unser Land hassen
oder gegen uns sind.“ Dazu möchte ich hier in aller Ruhe
und Klarheit sagen: Nach meiner Wahrnehmung haben
die Menschen in Deutschland die Veränderungen in der
arabischen Welt, vor allem die in Ägypten, mit großer
Anteilnahme und Sympathie verfolgt und verfolgen sie
weiter.

Arabischer Frühling – allein die Wortwahl zeigt, wel-
che Hoffnungen sich mit dieser Entwicklung verbanden
und verbinden. Ägypten war nicht der Anfang, der An-
fang lag in Tunesien. In Ägypten aber, dem volkreichsten
arabischen Land, wird sich entscheiden, ob der Transfor-

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(C (D ationsprozess gelingt. Zu diesem Gelingen wollen wir eitragen, auch und nicht zuletzt durch die Arbeit der in gypten tätigen politischen Stiftungen. Die Stiftungen ind erfahren und gutwillig. Ihre über viele Jahre geleiste und unbeanstandete Arbeit ist Teil unseres Angebotes r eine weitere und weiterhin erfolgreiche Zusammenar eit. Wir würden es, denke ich, alle zutiefst bedauern, enn diese Zusammenarbeit eingeschränkt oder sogar eendet werden müsste. Die Parteien des Deutschen Bundestages – verschieen nach Grundüberzeugung, Programm und Politikstil – nterstützen diese Arbeit. Dass wir es nicht, Einigkeit ach außen demonstrierend, in einem gemeinsamen Anag tun, ist aus meiner Sicht bedauerlich, weil es hier nd heute nicht um deutsche Innenpolitik, sondern um ußenpolitik geht. Nach außen ist man stärker, wenn an gemeinsam agiert. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Bundesregierung – genauer: dem Herrn Bundes-
ußenminister – danke ich für den Einsatz zugunsten der
eiden betroffenen Mitarbeiter der Stiftung. Dass dieser
insatz bisher ohne Erfolg geblieben ist, sollte uns nicht
ntmutigen. Die Machthaber in Ägypten müssen wissen,
ass die Angelegenheit für uns keine Lappalie ist. Wir
ind ein verlässlicher Partner, der etwas anzubieten hat,
er helfen will und kann. Ich kann mir nicht vorstellen,
ass die ägyptische Seite das nicht weiß.

Zum Schluss drei Anmerkungen.

Erstens. Da es in der konkreten Konfliktsituation auch
m Gesichtswahrung und Vorführaspekte geht, rate ich
on großen demonstrativen Gesten ab. Sie verhärten die
ositionen bei einer ohnehin komplizierten Konfliktlö-
ung und wirken deshalb eher kontraproduktiv, fürchte
h.

Zweitens. Wir sollten das weitere Vorgehen mit den
egierungen und auch den Parlamenten anderer betrof-
ner Länder besprechen und koordinieren. Vor allem die
merikaner sind ein noch viel wichtigerer Partner für
gypten, auch für das ägyptische Militär.

Drittens. Den politischen und zivilgesellschaftlichen
ialog mit den Ländern des arabischen Frühlings sollten
ir auf keinen Fall einschränken, sondern fortsetzen und

usweiten. Die Menschen in diesen Ländern sind unsere
nmittelbaren Nachbarn. Diese Nachbarschaft pfleglich
u gestalten, ist für Europa von großer, geradezu existen-
ieller Bedeutung. Darauf wollte ich in dieser Debatte
usdrücklich bittend und mahnend hinweisen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715813200

Das Wort hat nun Volker Kauder für die CDU/CSU-

raktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Reiner Deutschmann [FDP])







(A) )



(B)


Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1715813300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir alle haben mit großer Hoffnung den Auf-
bruch in Nordafrika erlebt, ausgehend von Tunesien und
dann in Ägypten. Ich war zweimal in Ägypten und habe
dort mit Menschen gesprochen, die große Hoffnungen in
diese Bewegung gesetzt haben. Vor allem junge Men-
schen haben damit auch berufliche Perspektiven verbun-
den; sie wollten endlich etwas aus ihrem Leben machen.

Wir haben immer gesagt: Grundsätzlich unterstützen
wir diese Bewegung und diese Idee, ohne uns aber in die
konkreten innenpolitischen Diskussionen einzuschalten. –
In der Phase, in der der Wahlkampf stattgefunden hat, ha-
ben wir unsere Besuche in Ägypten praktisch auf null ge-
fahren, um nicht den Eindruck zu erwecken, als wollten
wir von außen in die Entscheidung eingreifen. In Gesprä-
chen in Ägypten haben wir natürlich darauf hingewiesen,
dass unabhängig davon, wer die Wahlen gewinnt, ein
Demokratisierungs- und Transformationsprozess stattfin-
den muss – das ist vom Kollegen Gerhardt schon gesagt
worden – und dass zu den Menschenrechten auch Min-
derheitenrechte gehören. Eines dieser Menschenrechte,
das auch für Minderheiten gelten muss, ist die freie Aus-
übung der Religion. Die Religionsfreiheit ist ein existen-
zielles Menschenrecht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Es ist völlig richtig und klar, dass sich die Konrad-
Adenauer-Stiftung bei ihrer Arbeit in Ägypten an das ge-
halten hat, was Ägypten selber unterschrieben hat, in-
dem das Land die Allgemeine Erklärung der Menschen-
rechte der UNO unterzeichnet hat. Über das zu sprechen,
was ein Land selber ratifiziert hat – auch die neue Regie-
rung hat ihre Unterschrift nicht zurückgezogen –, kann
kein Unrecht sein. Deswegen verstehen wir nicht, dass
mit der Konrad-Adenauer-Stiftung so umgegangen wird.

Im Dezember letzten Jahres wurden die Büros besetzt,
es wurden Unterlagen und Computer weggenommen und
bis zum heutigen Tag nicht zurückgegeben. Jetzt werden
die beiden Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in
Kairo angeklagt. Es wird der Vorwurf erhoben, sie arbei-
teten dort illegal. Aber: Die stellvertretende Leiterin des
Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo hat jedes
Jahr bei den Behörden eine Arbeitserlaubnis beantragt
und sie bekommen. Der Leiter des Büros, Herr Jacobs,
hat bei den Behörden jedes Jahr einen Aufenthaltsantrag
gestellt, verbunden mit dem Hinweis, dass er für die
Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo arbeitet. Dieser An-
trag wurde ihm jedes Jahr genehmigt. Es gab nie irgendei-
nen Sachverhalt, den die Behörden in Kairo nicht gekannt
hätten.

Wenn der Vorwurf erhoben wird, es sei keine ord-
nungsgemäße Registrierung durchgeführt worden, dann
muss das jetzt nachgeholt werden. Aber das hätte auch
gesagt werden können. Man hätte sagen können:
Freunde, nach unserem Recht seid ihr nicht ordentlich
registriert. Das wird nun gemacht. – Aber bis zum heuti-
gen Tage – Herr Klose hat darauf hingewiesen – wurde
uns kein konkreter Vorwurf genannt.

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(C (D Wir haben heute mit dem Vorsitzenden der Konraddenauer-Stiftung, Hans-Gert Pöttering, der gerade in gypten war, telefoniert. Er hat uns gesagt: Bei den Ge prächen, die er gestern mit Regierungsvertretern und er besagten Ministerin geführt hat, wurde ihm kein onkreter Vorwurf genannt. Es hieß, Finanztransaktioen seien nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, nd vielleicht sei Geld von außen über eine amerikaniche Bank nach Ägypten geflossen. Aber es handelt sich abei ausschließlich und nachweisbar um Geld, das vom eutschen Steuerzahler für die Arbeit der Konraddenauer-Stiftung zur Verfügung gestellt wurde. Desegen kann ich der ägyptischen Regierung nur sagen: eld, das vom deutschen Steuerzahler ganz ordnungsgeäß Stiftungen zufließt, dürfen Sie nicht als illegal be eichnen. Das können und werden wir auf gar keinen all akzeptieren. Wir haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass ir natürlich keine Eskalation der Situation wollen, sonern darauf setzen, dass sich die ägyptischen Behörden n das, was man als das Minimum eines rechtsstaatlihen Verfahrens bezeichnet, halten: dass sie uns endlich agen, wie ihr konkreter Vorwurf lautet, dass sie mit den eiden Mitarbeitern bei Verhören anständig umgehen, ass sie nach sachlichen Kriterien vorgehen und dass wir ndlich erfahren, was der wahre Grund für das Vorgehen t, damit wir substanziell darauf eingehen können. Ich kann nur sagen: Alle Stiftungen, die ich erlebe, enn ich im Ausland unterwegs bin – gerade auch sol he in schwierigen Ländern, wie Sie gesagt haben, Herr lose –, wissen ganz genau, dass sie sich an die Vor chriften des jeweiligen Gastlands halten müssen. Es hat keinem einzigen Fall auch nur eine Beanstandung egeben, die wirklich Hand und Fuß gehabt hätte. So ist s jetzt auch in Ägypten. Deswegen erwarten wir von er Regierung, dass der Vorgang schnell abgeschlossen ird und man die beiden Mitarbeiter wieder arbeiten sst. Ich erwarte, dass das, was sich hier als Eindruck ufdrängt, nämlich dass Einschüchterung stattfindet, icht zum Maßstab ägyptischer Politik gemacht wird. Ägypten weiß ganz genau – das ist in der Berliner Erlärung vom August 2011 auch so formuliert worden –, ass der Transformationsprozess nur dann erfolgreich ein wird, wenn es eine intensive Zusammenarbeit mit uropa gibt und wirtschaftliche Entwicklung stattfinden ann, und das wollen wir auch; darauf möchte ich hier inweisen. Wir wollen den Erfolg der Bewegung in gypten. ir wollen, dass die Menschen eine Perspektive haben. as unterstützen wir, und das wollen die Regierung und ie Mehrheit in Ägypten auch. Eines muss aber klar ein: Wir können nur zusammenarbeiten und zur wirtchaftlichen Entwicklung beitragen, wenn die univeralen Menschenrechte eingehalten werden. )


(Beifall im ganzen Hause)


(Beifall im ganzen Hause)


(Beifall bei der CDU/CSU)






Volker Kauder


(A) )


)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP])


Wir können die Zusammenarbeit nicht nach dem Motto
beginnen: Wir arbeiten jetzt zusammen, und über Men-
schenrechte und rechtsstaatliche Verfahren reden wir zu
einem späteren Zeitpunkt. – Man muss Ägypten sagen:
Wir haben ein Interesse daran, dass wir wirtschaftlich
zusammenarbeiten, so wie ihr ein Interesse daran habt;
aber dafür müssen Mindeststandards eingehalten wer-
den.

Herr Bundesaußenminister, an dieser Stelle möchte
ich mich herzlich bei Ihnen bedanken. Sie waren in
Ägypten, haben mit den dortigen Behördenvertretern
gesprochen, die Konrad-Adenauer-Stiftung besucht und
in einer, wie ich finde, klugen, zurückhaltenden, aber
doch klaren Art gesagt, was gemacht werden muss. Dass
Sie heute bei dieser Debatte anwesend sind, zeigt, dass
Ihnen das ein wichtiges Anliegen ist. Herzlichen Dank!
Sie haben unserem Anliegen sehr geholfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich weiß – das sage ich überall –, dass Ihnen die Einhal-
tung von Menschenrechten, und zwar nicht nur ganz
pauschal und global, und auch die Unterstützung
bedrängter Christen und die Einhaltung der Religions-
freiheit wichtige Anliegen sind. Für diese wertorientierte
Außenpolitik sage ich Ihnen herzlichen Dank.

Ich ermahne Ägypten. Wir wollen mit euch zusam-
menarbeiten, aber denkt daran: Die internationalen Ver-
einbarungen, die ihr unterschrieben habt, müssen auch
umgesetzt werden. Hier geht es um die Einhaltung der
Menschenrechte, die wir 1948 in der Charta der Verein-
ten Nationen gemeinsam mit vielen Ländern vereinbart
haben. Ich hoffe, dass sich die ägyptische Regierung
dazu durchringt, die Vorwürfe zu konkretisieren. Die
Konrad-Adenauer-Stiftung wieder arbeiten zu lassen,
das hilft dem Land, den Menschen und dem Ansehen des
Landes Ägypten in der Welt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Hans-Ulrich Klose [SPD])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715813400

Das Wort hat nun Niema Movassat für die Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Niema Movassat (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715813500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Jahr

ist es her, dass Hunderttausende Menschen in Ägypten
auf die Straßen strömten. Sie forderten soziale Gerech-
tigkeit, Demokratie, Menschenrechte und ein Ende der
jahrzehntelangen Unterdrückung durch das Mubarak-
Regime. Ihr Aufstand war von Erfolg gekrönt. Am
11. Februar 2011 musste Diktator Mubarak weichen.
Dass die Ägypter dies erreicht haben, verdient höchsten
Respekt;


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D enn den Weg zum Sturz des Diktators bezahlten viele gypter mit ihrem Leben. Das Regime ging mit brutalsr Gewalt gegen die Demonstranten vor, auch mit Wafn aus Deutschland. Gerade deswegen verdient der Mut er Demonstranten, die tagelang friedlich protestierten nd sich gegen den Gewaltapparat Mubaraks stellten, nser aller Anerkennung. Gründe für den Aufstand gab und gibt es viele: ersns, die massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten, die elbst Grundnahrungsmittel wie Brot unerschwinglich uer machten; zweitens, die hohe Jugendarbeitslosigkeit die Hälfte der Bevölkerung, 40 Millionen Menschen, ist nter 25 Jahre alt, und ein Drittel davon ist arbeitslos –; rittens, die massive Korruption – jahrzehntelang hatte ich die Mubarak-Clique hemmungslos an Staatsgeldern ereichert –; viertens, der Wunsch nach Freiheit, nach reilassung politischer Gefangener, nach demokratichen Wahlen. Die Forderungen der Demonstranten sind is heute nicht umgesetzt. Deswegen muss die deutsche olitik den Umbruch in Ägypten weiterhin solidarisch nterstützen. abei gilt es zunächst, das Vertrauen der Ägypter zuckzugewinnen, Vertrauen, das durch die jahrzehntenge Zusammenarbeit mit dem Mubarak-Regime zer tört worden ist. Die Stiftungen sind für die Vertrauensbildung wichtig; azu komme ich gleich. Beim Thema verlorenes Verauen kommt mir allerdings als Erstes in den Sinn, dass ie, Herr Westerwelle, sich bis zum Schluss nicht zu eier Rücktrittsforderung gegenüber Mubarak durchringen onnten. Schlimmer noch: Sie begrüßten Mubaraks Anündigung am 1. Februar 2011, Sicherheit und Ordnung iederherzustellen. Mit anderen Worten: Sie begrüßten ie Ankündigung, die Proteste mit Gewalt niederzuchlagen. Das war ein Tiefpunkt deutscher Außenpolitik. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das glaubt doch keiner!)


(Beifall bei der LINKEN)


Vertrauen wurde jedoch schon viel früher verspielt,
ämlich durch die Unterstützung der ägyptischen Dikta-
r. So wurde Ägypten in das Wirtschaftsabkommen
uro-Mediterrane Partnerschaft aufgenommen. Dort
ibt es zwar eine Klausel, dass die Mitgliedsländer die
rundsätze von Demokratie und Menschenrechten be-

chten müssen, aber das interessierte anscheinend nie-
anden. Schließlich lieferte die Europäische Union jähr-
ch für über 12 Milliarden Euro Handelsgüter nach
gypten. Ich sage Ihnen: Wer eigene Wirtschaftsinteres-

en, wie hier geschehen, über die Grundsätze von Demo-
ratie und Menschenrechten stellt, der kann nirgendwo
laubwürdig Menschenrechte einfordern,


(Zuruf von der FDP: Unsinn!)


rst recht nicht, wenn es sich bei den Handelsgütern, die
an den Diktatoren liefert, um Rüstungsgüter handelt.
llein 2009 gingen deutsche Waffen für 77,5 Millionen
uro an Ägypten, unter anderem Maschinenpistolen,
on denen man nicht weiß, ob sie gegen die Demon-
tranten eingesetzt wurden, oder Wasserwerfer der deut-





Niema Movassat


(A) )


)(B)

schen Firma MAN. Auf Fotos kann man sehen, wie sie
gegen Protestierende eingesetzt wurden. Doch aus den
Fehlern lernt man anscheinend nicht. Noch immer bildet
die Bundeswehr ägyptische Soldaten auf Steuerzahler-
kosten in Deutschland aus. Um Vertrauen zu schaffen,
müssen die Rüstungsexporte beendet und die militäri-
sche und polizeiliche Ausbildungs- und Ausstattungs-
hilfe eingestellt werden.

Vertrauen schaffen kann die deutsche Außenpolitik,
können aber auch politische Stiftungen. Wir als Linke
haben daher die Initiative der Bundesregierung zur Un-
terstützung des Demokratisierungsprozesses durch die
politischen Stiftungen begrüßt. In diesem Sinne werden
wir auch dem heute vorliegenden Antrag der Koalition
zustimmen. In diesem Antrag wird das Vorgehen der
ägyptischen Übergangsregierung gegen die Mitarbeiter
der Konrad-Adenauer-Stiftung verurteilt. In der Tat ist
das, was dort passiert, völlig inakzeptabel. Wir als Linke
erklären uns solidarisch mit den betroffenen Mitarbei-
tern der Konrad-Adenauer-Stiftung, auch im Sinne der
Rosa-Luxemburg-Stiftung, die ebenfalls in der Region
tätig ist, und im Sinne der solidarischen und guten
Zusammenarbeit der politischen Stiftungen weltweit.

Allerdings ist eine Sache schon merkwürdig. Selbst in
diesem Fall, bei einer Solidaritätsbekundung mit den
Mitarbeitern ihrer eigenen Stiftung, weigern Sie von der
CDU/CSU sich, ihren Antrag gemeinsam mit der Links-
fraktion einzubringen. Wir begrüßen es, dass SPD und
Grüne deswegen auf eine Miteinbringung des Antrags
verzichtet haben. Ich sage Ihnen, liebe CDU/CSU-Kolle-
gen: Das Solidaritätszeichen wäre bei einem interfraktio-
nellen Antrag viel stärker. Denken Sie einfach einmal
darüber nach!

Für die Linksfraktion ist die freie Betätigung der
deutschen politischen Stiftungen in Ägypten und
anderswo von großer Bedeutung. Sie muss unbedingt
gewahrt bleiben. Angesichts der Serie von Gesetzen, die
die Unabhängigkeit von Nichtregierungsorganisationen
beschneiden, ob nun in der Türkei, in Israel oder in
Algerien, ist es wichtig, diese Debatte zu führen. Worauf
wir aber beim weiteren Vorgehen achtgeben sollten, ist,
die Situation zu entschärfen und nicht weiter anzuhei-
zen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Ägypter haben einen ersten Schritt dazu getan. Am
Dienstag kam der Menschenrechtsausschuss des ägyp-
tischen Parlaments zusammen. Er hat sich kritisch mit
dem Vorgehen gegen die ägyptischen und internationa-
len Nichtregierungsorganisationen auseinandergesetzt.
Ich finde, diese Bemühungen verdienen Anerkennung.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir sollten eines nicht vergessen: Diese Maßnahmen
der Übergangsregierung richten sich nicht in erster Linie
gegen die ausländischen, sondern gegen die ägyptischen
Nichtregierungsorganisationen. Deren Arbeit soll ver-
hindert werden. Wir alle wissen, dass die Propaganda
des Militärrats, die Menschenrechtsgruppen in Ägypten
würden eine ausländische Agenda umsetzen, nur vorge-

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(C (D choben ist, um die Menschenrechtsarbeit zu torpedien. Daher muss das Ziel des deutschen Vorgehens auf den Fall sein, ägyptische Menschenrechtsaktivisten icht zu gefährden. Wasser auf die Mühlen der Kampane gegen Nichtregierungsorganisationen goss aber eine ussage des US-Außenministeriums. Demnach seien urch die USA seit Beginn der Revolution 160 Millioen Dollar zur Unterstützung der Demokratie ohne Konolle durch ägyptische Behörden im Land verteilt woren. Auch deswegen können wir nur positiv auf die Lage Ägypten einwirken, indem wir beschwichtigende öne anschlagen, statt die Ägypter abzustrafen. Ein harches Vorgehen könnte dazu führen, dass die Zustimung der Bevölkerung zur Militärregierung steigt. Das äre weder im Sinne der Demokratie noch im Sinne der enschen, die gegen die jetzt herrschende Militärdiktar kämpfen. Ja, die Menschen kämpfen weiter. Denn noch immer ibt es politische Gefangene. Soziale Gerechtigkeit ist rn. Die Ausübung von Meinungsund Versammlungseiheit ist ein Risiko. Wann eine demokratisch gewählte egierung an die Macht kommen wird, steht in den Steren. Das alles zeigt, dass die Revolution noch nicht zu nde ist. Sie wird weitergehen. Deswegen müssen wir it der Demokratiebewegung in Ägypten weiter solidasch sein. Das ist unsere Aufgabe, auch und gerade als arlament. Danke für die Aufmerksamkeit. Ich erteile das Wort Kerstin Müller. Bitte schön, liebe ollegin. Kerstin Müller EN)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715813600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Ägyp-

n wurden am 29. Dezember letzten Jahres die Räume
er Konrad-Adenauer-Stiftung durchsucht und zahlrei-
he Gegenstände beschlagnahmt. Offensichtlich unge-
hrt von politischem Druck, sei es durch die deutsche

der durch die amerikanische Regierung, soll jetzt auch
egen den Leiter des Stiftungsbüros der KAS und eine
itarbeiterin sowie gegen weitere 42 Mitarbeiterinnen

nd Mitarbeiter vorwiegend amerikanischer Stiftungen
nklage erhoben werden. Das ist ein völlig unakzeptab-
r Vorgang.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


eshalb ist es wichtig, dass der Deutsche Bundestag
eute dieses Vorgehen der ägyptischen Justiz und Regie-
ng verurteilt. Meine Fraktion wird daher dem Antrag

er Koalition zustimmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)






Kerstin Müller (Köln)



(A) )


)(B)

Eines möchte ich Ihnen allerdings nicht ersparen,
liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition. Herr
Kauder, dass Sie selbst bei dieser schwierigen Lage vor
Ort nicht davon lassen können, dieses Thema innenpoli-
tisch zu instrumentalisieren, und dass Sie die Linken
nicht auf den Antrag nehmen wollten – deshalb haben
wir davon Abstand genommen, ihn mit einzubringen –,
finde ich angesichts der Lage und angesichts dessen, um
was es dabei geht, völlig unangemessen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Ich war gerade mit unserem Fraktionsvorsitzenden
Jürgen Trittin in Kairo. Wir haben uns auch mit der Lage
der Stiftungen intensiv befasst und sind mit Vertretern
aller Stiftungen zusammengekommen. Ich kann Ihnen
versichern: Alle Stiftungen, von der Hanns-Seidel-Stif-
tung bis zur Rosa-Luxemburg-Stiftung, sind absolut soli-
darisch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
KAS. Klar ist: Es geht politisch um einen Angriff der
ägyptischen Behörden gegen alle deutschen politischen
Stiftungen. Deshalb ist es richtig, dass alle solidarisch
sind, und falsch, dass wir nicht gemeinsam einen inter-
fraktionellen Antrag verfasst haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Zum Antrag selber. Es fehlen zwei entscheidende
Punkte, die wir heute auf jeden Fall erwähnen müssen.
Erstens wird in dem Antrag mit keinem Wort erwähnt,
dass nicht nur 2 deutsche, sondern insgesamt 44 Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter internationaler NGOs
angeklagt sind: nicht nur 19 Amerikaner, sondern auch
Serben, Palästinenser, 1 Jordanier und vor allem
16 Ägypter. Ich glaube, für sie wird es am allerschwie-
rigsten werden.

Aus juristischer Sicht werden ihnen illegale Finanz-
transaktionen nach dem Strafgesetzbuch vorgeworfen,
aber politisch – darüber muss man heute ebenfalls reden
– ist der verantwortlichen Ministerin als Vertreterin des
alten Regimes vor allem die Art der Tätigkeiten all die-
ser NGOs ein Dorn im Auge. Demokratieförderung, ef-
fektive Wahlbeobachtung und Stärkung von Frauen- und
Minderheitenrechten waren schon früher nicht gern ge-
sehen. Hier schrillen offensichtlich in den alten Zirkeln
der Macht immer noch die Alarmglocken. Ich glaube,
politisch geht es letztlich darum. Hier müssen wir als
Deutscher Bundestag klar und deutlich sagen: Wir wol-
len Ägypten auf seinem Weg zur Demokratie unterstüt-
zen. Daher gilt unsere Solidarität all denen, die sich für
Demokratie einsetzen und jetzt im Visier der ägypti-
schen Behörden stehen.


(Beifall im ganzen Hause)


Zweitens will ich darauf hinweisen, dass sich das Vor-
gehen nicht nur gegen internationale NGOs richtet, son-
dern vor allen Dingen gegen die ägyptischen NGOs, die
sich jetzt registrieren lassen sollen und deren Vertreter
Anklagen zu befürchten haben. Betroffen sind vor allem
diejenigen Organisationen, die sich für Bürger- und
Menschenrechte einsetzen. Hier müssen wir deutlich
machen: Wir werden an der Seite der Demokratiebewe-

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(C (D ung stehen. Wir werden dieser Politik von Vertretern es alten Regimes und des Militärrates entschieden entegentreten. Gleichzeitig hoffen wir natürlich, dass die euen Akteure im Parlament und in der Zivilgesellschaft chritt für Schritt damit Schluss machen. Denn das, was ier passiert – dies habe ich von der Reise mitgenomen –, ist nicht zuletzt Ausdruck einer ausgesprochen haotischen, aber auch dynamischen Umbruchssituation Ägypten. Es gibt Rückschläge. Trotz dieser Rückschläge, die rotest, Streit und auch Druck erfordern, gibt es aber anz klar positive Entwicklungen. Die Durchführung der arlamentswahlen war eine solche positive Entwickng. Es gibt jetzt eine legitime Institution. Es wurde chon erwähnt: Als Obleute haben wir Herrn Anwar l-Sadat schon getroffen, Vorsitzender der Reformund ntwicklungspartei. Er hat als Unabhängiger einen Diktsitz bekommen. Er hat ihn sich erkämpft und wurde orsitzender des Menschenrechtsausschusses. Als ersten agesordnungspunkt in seiner ersten Sitzung hat er das orgehen der Behörden zum Thema gemacht und alle erantwortlichen Minister, aber auch Vertreter der NGOs ingeladen. Das ägyptische Parlament wird jetzt erstals in seiner Geschichte diese Rechtslage und das Vor ehen der Behörden diskutieren. Warten wir ab, was am nde dabei herauskommt. Das ist ein ermutigender chritt und auch ein Zeichen von Demokratie. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das zeigt, dass die Dinge im Fluss sind. Ich glaube,
ie ägyptische Gesellschaft hat nach Jahrzehnten der
tagnation mit Mut, mit Beharrungsvermögen und mit
nglaublich großem zivilen Engagement Veränderungen
ewirkt und eine Dynamik geschaffen, die im letzten
ahr noch niemand für möglich gehalten hätte. Man
uss klar sagen: Nicht nur der oberste Militärrat und die
lamistischen Kräfte bestimmen die Entwicklung, son-
ern es gibt eine starke Zivilgesellschaft. Nach Aussa-
en aller, mit denen wir gesprochen haben, hat diese sich
ls dritter politischer Machtfaktor etabliert.

Zum Schluss möchte ich Heinrich Böll zitieren. Er hat
esagt:

Einmischung ist die einzige Möglichkeit, realistisch
zu bleiben.

as ist ein Leitmotiv der Arbeit der Heinrich-Böll-Stif-
ng, die in Kairo gerade dabei ist, ein Büro aufzubauen.
Ägypten stellt man sich unter der Arbeit der NGOs
ahrscheinlich Leute mit Geldkoffern vor, die dubiose
räfte finanzieren und der ägyptischen Gesellschaft ih-
n Willen aufzwingen wollen. Das ist natürlich nicht die
rt von Einmischung, von der Heinrich Böll sprach. Sie

lle haben es hier deutlich gemacht: Das ist nicht die Art,
der die deutschen Stiftungen arbeiten. Die Arbeit ist

eprägt von gegenseitigem Lernen und Verständnis, von
ebatte und Diskussion, von Offenheit und Austausch.
lle Stiftungen wollen zusammen mit den Partnern die
irtschaftlichen und sozialen Lebensumstände der Men-





Kerstin Müller (Köln)



(A) )


)(B)

schen verbessern, wozu auch die Menschen- und Bürger-
rechte gehören.

Es muss alles dafür getan werden, auf der Grundlage
der neuen legitimen demokratischen Institutionen, die in
Ägypten gerade geschaffen werden, gesetzliche Voraus-
setzungen für eine freie und transparente Tätigkeit von
ägyptischen und internationalen NGOs und Stiftungen
zu schaffen. Ich hoffe sehr, dass es den Verantwortlichen
gelingt, eine Lösung zu finden, die es den deutschen
Stiftungen ermöglicht, diese schwierige Transforma-
tionsphase in Ägypten zu „überstehen“. Ich hoffe, dass
wir nicht in die Situation kommen, abziehen zu müssen,
bevor sich die Verhältnisse wieder zum Besseren verän-
dern. In drei Monaten kann man es mit ganz anderen Ak-
teuren zu tun haben. Ich hoffe, dass uns das gelingt und
wir die ägyptische Gesellschaft weiter auf ihrem Weg
zur Demokratie unterstützen können.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715813700

Nun hat Kollege Wolfgang Götzer für die CDU/CSU-

Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Wolfgang Götzer (CSU):
Rede ID: ID1715813800

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich denke, wir alle sind über das Vorgehen Ägyptens ge-
genüber politischen Stiftungen bestürzt. Bereits die
Durchsuchung der Räume der Konrad-Adenauer-Stif-
tung und die Beschlagnahme von Dokumenten im letz-
ten Dezember waren völlig inakzeptabel und ein massi-
ver Verstoß gegen grundlegende Rechtsstaatsprinzipien.

Anlass zu noch größerer Sorge bereitet allerdings das
aktuelle Vorgehen der ägyptischen Behörden gegenüber
den Mitarbeitern der Konrad-Adenauer-Stiftung. Stun-
denlange Verhöre auf ägyptischen Polizeistationen sowie
die nunmehr erhobenen Anklagen wegen angeblich ver-
botener Aktivitäten und illegaler Annahme von Geldern
aus dem Ausland sind untragbar, und sie sind ein diplo-
matischer Affront, dies umso mehr, als Bundesaußen-
minister Westerwelle bei seinem Besuch in Kairo kürz-
lich die Arbeit der politischen Stiftungen ausdrücklich
gewürdigt hat, wofür auch ich Ihnen, Herr Minister, ganz
herzlich danken möchte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Anschuldigungen gegenüber den Mitarbeitern der
Konrad-Adenauer-Stiftung, zu denen es bis heute keine
offiziellen Dokumente gibt, sind haltlos, politisch moti-
viert und widersprechen dem Geist der Berliner Erklä-
rung vom August 2011, die eine noch engere Koopera-
tion zwischen Deutschland und Ägypten zur Förderung
von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit postuliert. Die-
ses Vorgehen wirft auch sehr kritische Fragen nach dem
Stand des Transformationsprozesses in Ägypten auf und
lässt diesen in keinem guten Licht erscheinen.

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(C (D Eine solche Behinderung der Stiftungsarbeit, solche inschüchterungen und solche Repressalien gegenüber itarbeitern einer Stiftung können wir nicht dulden. Wir rdern mit diesem Antrag daher die Bundesregierung uf, sich mit allem Nachdruck dafür einzusetzen, dass as Verfahren gegen die Mitarbeiter der Konraddenauer-Stiftung umgehend eingestellt wird und die eutschen politischen Stiftungen ihrer Arbeit ohne Einchränkungen ungehindert nachgehen können. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dieses Vorgehen der ägyptischen Behörden ist umso
nverständlicher, als Deutschland im Rahmen der Trans-
rmationspartnerschaft mit Ägypten eine tragende Rolle

ei der Unterstützung der ägyptischen Reformen zu-
ommt. Schwerpunkte der Transformationspartnerschaft
it Ägypten werden 2012 und 2013 insbesondere die
tabilisierung des Demokratisierungsprozesses, die Stär-
ung der Zivilgesellschaft, die Förderung von Men-
chenrechten und Rechtsstaatlichkeit sowie die Unter-
tützung guter Regierungsführung sein. Hierbei spielen
ie politischen Stiftungen eine wichtige Rolle.

Auch wenn im Augenblick vor allem die Konrad-
denauer-Stiftung im Visier der ägyptischen Regierung

u sein scheint, muss uns klar sein, dass es hier um die
olitischen Stiftungen und ihre Arbeit insgesamt geht.
eshalb ist ein breiter Konsens der demokratischen Par-
ien in dieser Frage wichtig, und er ist auch festzustel-
n.

Die deutschen Stiftungen treten in Ägypten für die
erte ein, die die derzeitigen Umwälzungsprozesse im

rabischen Raum ausgelöst haben: Achtung der Men-
chenwürde, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit
nd Wahrung der Menschenrechte. In ihrer täglichen Ar-
eit leisten die politischen Stiftungen einen unschätzba-
n Beitrag zur Förderung dieser Werte, für die die
gypter auch heute noch, ein Jahr nach Beginn der

gyptischen Revolution, auf die Straße gehen und kämp-
n, wofür sie leider auch wieder um ihr Leben fürchten
üssen.

So fördert insbesondere die Konrad-Adenauer-Stif-
ng seit über 30 Jahren die zivilgesellschaftliche Ent-
icklung in Ägypten. Durch die Repressalien des Mili-
rrats ist dies im Augenblick nicht mehr möglich. Wie
err Jacobs, der Leiter des Kairoer Büros der Konrad-
denauer-Stiftung, im jüngsten Länderbericht der Stif-
ng vom 25. Januar schreibt – ich zitiere –:

Repressalien, Willkür und Einschüchterungen von
Opposition, Zivilgesellschaft und unabhängigen
Medien sind an der Tagesordnung.

erade jetzt wäre es daher dringend geboten, oppositio-
elle Kräfte, Vertreter der Zivilgesellschaft und der
eien Medien durch die Arbeit der politischen Stiftun-
en in der Ausfüllung ihrer tragenden Rolle für den
ransformationsprozess zu unterstützen.

Deutschland fördert den ägyptischen Transforma-
onsprozess übrigens auch finanziell in erheblichem





Dr. Wolfgang Götzer


(A) )


)(B)

Maße. Diese Förderung sollten wir künftig stärker an die
Einhaltung von Bedingungen,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


zum Beispiel die freie Betätigung der deutschen politi-
schen Stiftungen, knüpfen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich
abschließend die Hoffnung äußern, dass die über viele
Jahre gewachsene gute Zusammenarbeit zwischen der
Konrad-Adenauer-Stiftung und Ägypten durch diese
Vorfälle nicht nachhaltig beschädigt wird und die Konrad-
Adenauer-Stiftung ihre Arbeit in vollem Umfang unge-
hindert wieder aufnehmen kann – im Interesse des De-
mokratisierungsprozesses in Ägypten.

Ich bedanke mich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715813900

Das Wort hat nun Marina Schuster für die FDP-Frak-

tion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Marina Schuster (FDP):
Rede ID: ID1715814000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Viele Parlamentarier aus unseren Nachbarländern benei-
den uns um die deutschen politischen Stiftungen. Zu
Recht, denn die deutschen politischen Stiftungen leisten
eine ganz besondere Arbeit: in den Umbruchsprozessen,
aber auch grundsätzlich in der Außen- und Entwick-
lungszusammenarbeit. Sie arbeiten unabhängig und
transparent, und sie setzen sich in unterschiedlichen Pro-
jekten für die Wahrung der Menschenrechte, für die För-
derung von Demokratie und für die Zivilgesellschaft ein.
Sie haben sich in vielen Ländern einen sehr guten Ruf
erworben. Sie sind verlässliche und vertrauensvolle Part-
ner.

Das gilt gerade für Ägypten, wo die deutschen Stif-
tungen einen sehr wichtigen Beitrag leisten. Umso un-
verständlicher ist es, dass die ägyptische Seite die Arbeit
der Konrad-Adenauer-Stiftung derart behindert. Für
mich sind die Anschuldigungen und die Anklageerhe-
bung absolut nicht nachvollziehbar. Die KAS ist seit
1979 in Ägypten tätig, also seit über 30 Jahren. Ich
hoffe, dass sich die Situation schnell aufklären wird; ich
jedenfalls kann die Beweggründe nicht nachvollziehen.

Ich danke der Bundesregierung, dass sie sehr schnell
auf die Vorwürfe gegenüber der Konrad-Adenauer-Stif-
tung reagiert hat. Ich danke besonders Außenminister
Westerwelle, dass er das Thema persönlich bei den Ge-
sprächen in Ägypten angesprochen hat. Zudem wurde
der ägyptische Botschafter in Berlin, Herr Ramzy, einbe-
stellt, und der persönliche Beauftragte des Außenminis-
ters wurde zu Gesprächen nach Kairo entsandt.

Wir alle haben ein großes Interesse daran, dass der
Demokratisierungsprozess in Ägypten für die Menschen

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(C (D ort Früchte trägt. Wir wissen, dass Ägypten in der Reion eine Schlüsselrolle hat. Deswegen begleiten wir en Prozess aktiv. Wir haben mit der Arbeitsgruppe „Außenpolitik“ der DP-Bundestagsfraktion im letzten Jahr Kairo besucht nd Gespräche mit Parteimitgliedern, Bloggern und Veretern der Tahrir-Bewegung geführt. Unsere Gesprächsartner haben uns sehr selbstbewusst klargemacht, dass s ihr Prozess ist, ihre Revolution, von ihnen gestaltet. h sage ganz klar: Unsere Aufgabe ist und war es, An ebote zu unterbreiten. Aber natürlich sind die Prioritän und Bedürfnisse vor Ort für eine Kooperation ent cheidend. So ist auch die Berliner Erklärung zustande ekommen, aus dem gemeinsamen Interesse, gemeiname Projekte umzusetzen, für den Kulturdialog, für ehr Rechtsstaatlichkeit und für den Aufbau demokrati cher Institutionen. Das Vorgehen gegen die KAS erfüllt mich mit großer orge; denn es wirft kein gutes Licht auf den Transforationsstand im Land. Anklage wird schließlich nicht ur gegen die Konrad-Adenauer-Stiftung erhoben Kerstin Müller hat es erwähnt –, sondern auch gegen 6 ägyptische und amerikanische Organisationen. Insorn macht sich eine Atmosphäre der Unsicherheit breit. as ist ein Rückschlag für die ägyptische Transformaon hin zu einer offenen und freien Gesellschaft. Für uns gilt es nun, diese Phase des Umbruchs weiter ktiv zu gestalten. Ich bin froh, dass heute im Plenum inigkeit darüber besteht, an dem Transformationsproess festzuhalten, nicht lockerzulassen und ein klares eichen für die Unterstützung der Arbeit der politischen tiftungen zu setzen. Der Wandel in Ägypten wird von ns mit viel Engagement unterstützt, auch in finanzieller insicht. Unser Ziel ist, dass wir Partner bleiben und mit diesem Appell an die ägyptische Seite schließe h – Partner sein dürfen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715814100

Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich Kol-

gen Andreas Schockenhoff für die CDU/CSU-Fraktion
as Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1715814200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

ill mich am Schluss dieser Debatte bei allen Vorred-
ern und allen Fraktionen des Hauses ganz herzlich be-
anken. Frau Schuster, Sie haben gesagt: Wir werden
on Partnern in aller Welt um unsere politischen Stiftun-
en beneidet. – Ich will ergänzen: Die aktuelle Diskus-
ion zeigt über den konkreten Fall Ägypten hinaus, dass
ie politischen Stiftungen für die Bundesrepublik
eutschland ein wichtiges Instrument der Außenpolitik

ind. Wir haben neben den Auslandsvertretungen des
uswärtigen Amtes und den Außenhandelskammern an-
ere wichtige Instrumente der Außenpolitik. Dazu gehö-





Dr. Andreas Schockenhoff


(A) )


)(B)

ren die Goethe-Institute, die auswärtige Kulturarbeit der
deutschen Schulen und Hochschulen, viele Nichtregie-
rungsorganisationen und in ganz besonderer Weise die
politischen Stiftungen. Sie sind der Bundesregierung ge-
genüber nicht weisungsgebunden, aber handeln in dem
Auftrag, den wir ihnen als Deutscher Bundestag im Inte-
resse der Bundesrepublik Deutschland und im Sinne un-
serer gemeinsamen Werteordnung erteilen. Deswegen
finde ich es richtig – ich bin Ihnen dafür dankbar, Herr
Klose, dass Sie das gesagt haben –, dass wir nicht mit
übertriebenem Getöse reagieren. Ich finde es aber auch
gut, dass wir es geschafft haben, in dieser Woche im
Deutschen Bundestag – und damit öffentlich – umge-
hend mit einer gemeinsamen Entschließung zu antwor-
ten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf der Abg. Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Ja, Frau Müller, es liegt ein gemeinsamer Antrag der
Koalitionsfraktionen vor. Ich bedanke mich ausdrücklich
dafür, dass die Oppositionsfraktionen ihm zustimmen.
Für uns als CDU/CSU-Fraktion ist es einfach eine
Grundsatzentscheidung, dass wir mit einer Fraktion des
Hauses keine parlamentarische Zusammenarbeit pfle-
gen. Das wird aber nicht an dem großen Konsens in der
Sache rütteln, den wir heute Nachmittag an den Tag ge-
legt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich will daran erinnern, dass die Arbeit unserer politi-
schen Stiftungen von Werten und vom Einsatz für die
Menschenwürde, für die Freiheit, für die Demokratie
und für die Rechtsstaatlichkeit geprägt ist. Das sind die
Grundwerte, für die die Menschen auf dem Tahrir-Platz
demonstriert haben, für die sie auf die Straße gegangen
sind. Wir erleben das nicht nur in Ägypten. Wir haben
schon andere Transformationsprozesse erlebt: früher in
Lateinamerika, in den letzten beiden Jahrzehnten in Mit-
tel- und Osteuropa. Wir erleben es jetzt in Afghanistan,
in arabischen Staaten und in Afrika. Wir sprechen im
Zusammenhang mit Konflikten auf dieser Welt oft von
einer vernetzten Außenpolitik. Auch die politischen Stif-
tungen sind ein wertvolles Mittel der Softpower, ein
wertvolles Mittel, um Transformationsprozesse im Sinne
der Werte, für die wir stehen, mitzugestalten. Wir enga-
gieren uns stets in Absprache mit der ägyptischen Seite.
Das ist bereits gesagt worden; das brauche ich nicht zu
wiederholen. Nur so viel: Die freie und ungehinderte Ar-
beit der Stiftungen ist insgesamt unerlässlich.

Lassen Sie mich noch kurz zwei Bemerkungen ma-
chen. Nach den demokratischen Wahlen im Dezember
und im Januar ist es nun an der Zeit – auch darüber haben
wir großen Konsens erzielt –, dass der Ausnahmezustand
aufgehoben wird, die Militärgerichtsbarkeit beendet
wird, die staatliche Gewalt gegen friedliche Demonstran-
ten aufhört und der Schutz von Minderheiten gewährleis-
tet wird. Wir nehmen Hinweise sehr ernst – das wurde
heute von allen Seiten angesprochen –, wonach be-
stimmte Kräfte des Militärs und des alten Regimes durch
das Schüren von Spannungen – auch auf dem Rücken von

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(C (D inderheiten – Instabilität erzeugen wollen, um den polischen Reformprozess in eine falsche Richtung zu lenen. Die Militärherrschaft muss ein Ende haben, und eine ivile Regierung in Ägypten muss die Kontrolle überehmen. Die alten Kräfte des Mubarak-Regimes müssen btreten. Dazu gehört auch – darauf wurde richtigereise hingewiesen –, dass die tiefen Strukturen des Staas entflochten werden. Das Militär hat keine wirtschaftchen Aufgaben. Die wirtschaftlichen Interessen des ilitärs müssen zurückgestellt werden, damit ein neues gypten aufgebaut werden kann. Wir alle setzen uns intensiv für den Schutz von Minerheiten in Ägypten ein. Eine neue ägyptische Führung uss ein klares Bekenntnis zur Religionsund Mei ungsfreiheit ablegen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


nsere Erwartung an die verfassungsgebende Versamm-
ng ist, dass diese Grundrechte in der Verfassung und
Alltag garantiert werden.

Ich will die heutige Debatte nicht ohne ein Wort zu
yrien beenden. Auch heute geht das Morden in Homs
eiter. Dies bereitet uns große Sorgen. Das Assad-Re-
ime mordet das syrische Volk. Es ist nicht hinnehmbar,
ass Russland und China eine politische Umsetzung des
ahrplans der Arabischen Liga, der das Ziel hat, das Tö-
n zu stoppen, nicht zulassen. Außenminister Lawrows
esuch in Damaskus hat das Morden durch das Regime
denfalls nicht beendet. Man fragt sich verwundert,
elchen Einfluss Moskau in Syrien eigentlich hat. Wie
ill Russland das Blutvergießen beenden, da es doch im
icherheitsrat ein Veto eingelegt hat und bilaterale Kon-
kte offenbar nicht ausreichen? Außenminister Lawrow
at auf der Münchner Sicherheitskonferenz am letzten
amstag betont, wir hätten in Syrien letztlich gleiche
iele und mehr gemeinsame als gegensätzliche Interes-
en. Deswegen appelliere ich nach wie vor an Russland,
ich den Bemühungen im Sicherheitsrat nicht weiter zu
idersetzen und nicht tatenlos zuzuschauen, wie in Sy-
en der Mord am eigenen Volk fortgesetzt wird.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Außenminister Westerwelle, es ist richtig, dass
ie die Einrichtung einer Kontaktgruppe der „Freunde
ines demokratischen Syriens“ fördern. Wir sollten sie
utzen, um die syrische Opposition zusammenzuführen.

Ein letztes Wort. Ich hoffe, dass auch in Syrien mög-
chst schnell eine Situation entsteht, in der die deut-
chen politischen Stiftungen ihre segensreiche Arbeit
inbringen können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







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Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715814300

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache
17/8578 mit dem Titel „Verfahren gegen deutsche politi-
sche Stiftung einstellen – Demokratisierungsprozess in
Ägypten fortsetzen“. Wer stimmt für diesen Antrag? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist
einstimmig angenommen.


(Beifall im ganzen Hause)


Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Beratung des von den Abgeordneten
Monika Lazar, Jerzy Montag, Katja Dörner, wei-
teren Abgeordneten und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs
eines … Gesetzes zur Änderung des Strafge-
setzbuchs – Strafbarkeit der Genitalverstüm-
melung

– Drucksache 17/4759 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
dazu keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin
Monika Lazar das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen.


Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715814400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Weibliche Genitalverstümmelung ist eine der schwersten
Menschenrechtsverletzungen und muss auf der ganzen
Welt durch Aufklärung und Verfolgung der Täterinnen
und Täter bekämpft werden. Weder Religion noch Kul-
tur schreiben Genitalverstümmelung vor. Es gibt keinen
Rechtfertigungsgrund für diese Praxis, mit der die
Grundrechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit und
selbstbestimmte Sexualität eingegrenzt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Genitalverstümmelung beschränkt sich nicht auf weit
entfernte Regionen, sondern ist durch Flucht und Migra-
tion auch bei uns in der EU angekommen.

In Deutschland werden viele Frauenärztinnen und
-ärzte mit den Folgen des Rituals konfrontiert. Eine Stich-
probe von UNICEF zeigt, dass bereits 43 Prozent eine be-
schnittene Frau in ihrer Praxis hatten. Nach Schätzung
der Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes sind
allein in Deutschland mindestens 20 000 Frauen und
Mädchen von Genitalverstümmelung betroffen sowie
weitere 5 000 davon bedroht. Minister Niebel spricht in
einer aktuellen Pressemitteilung sogar von 30 000 Frauen
und Mädchen. Diese erlittenen Verletzungen sind niemals
revidierbar. Zu den lebenslangen Schmerzen und körper-

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(C (D chen Einschränkungen kommen seelische Qualen sowie er Verlust sexuellen Erlebens hinzu. Wir Grüne legen heute einen Gesetzentwurf vor, der orsieht, die Genitalverstümmelung ausdrücklich als Fall chwerer Körperverletzung in das Strafgesetzbuch aufunehmen und eine Möglichkeit der Bestrafung zu eröffen, wenn das Mädchen dazu ins Ausland gebracht weren soll. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


iel der Gesetzesänderung ist, rechtliche Schutzlücken
u schließen. Wir brauchen Rechtsklarheit für die Opfer,
r die Täterinnen und Täter, aber auch für das medizini-

che und pädagogische Personal, für Justiz, Polizei und
ie in der Sozialarbeit Tätigen.

Alternativ wird über den Gesetzentwurf des Bundesra-
s diskutiert. Dieser sieht vor, einen eigenen Straftatbe-

tand der Genitalverstümmelung einzuführen. Minister
iebel ist laut Pressemitteilung ebenfalls dafür. Diesen
esetzentwurf lehnen wir jedoch aus inhaltlichen und

ystematischen Gründen ab. Der Formulierungsvor-
chlag beschreibt die Breite der möglichen Tatbehandlun-
en nur unzureichend. Mit der Beschränkung auf äußere
enitalien werden nicht alle Formen der Genitalverstüm-
elung vollständig erfasst. Der Begriff der Frau lässt
weifel bestehen, ob auch Mädchen vor dem Straftatbe-
tand geschützt sind. Die Betroffenen sind aber mehrheit-
ch Mädchen im Alter von vier bis zwölf Jahren.

Ein eigenständiger Straftatbestand der Genitalver-
tümmelung wäre nur eine symbolische Gesetzgebung,
ie nicht in die Systematik der Körperverletzungsdelikte
ineinpassen würde, die nach Tatschwere sachgerecht
ifferenzieren. Er würde für die meisten Fälle eine gerin-
ere Strafe vorsehen als die von uns vorgeschlagene Er-
änzung des § 226 des Strafgesetzbuchs. Der von uns
orgelegte Gesetzentwurf hat ebenso wie die überfrak-
onelle Gesetzesinitiative von 2009, die damals auch
irk Niebel als Abgeordneter unterstützt hat, zum Ziel,
ass regelmäßig eine Mindeststrafandrohung von drei
ahren Freiheitsstrafe nach § 226 Abs. 2 des Strafgesetz-
uchs erhoben wird, weil die schwere Folge absichtlich
der wissentlich herbeigeführt wurde. Es ist in straf-
chtspolitischer Hinsicht kein Grund ersichtlich, warum

ie Genitalverstümmelung weniger strafwürdig sein soll
ls andere Fälle schwerer Körperverletzung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Im Bundestag wird schon viel zu lange ohne Ergebnis
iskutiert. Es ist an der Zeit, eine gemeinsame Lösung zu
nden. Vor einem Jahr haben wir darüber im Rechtsaus-
chuss diskutiert. Es wurde von allen Fraktionen Bereit-
chaft signalisiert, an einer Lösung zu arbeiten. Auch
o
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1715814500
Wir wollen etwas tun. Minister Niebel erklärte in

einer Pressemitteilung vom 3. Februar dieses Jahres,
ass er sich engagieren möchte. Bis heute liegt aller-
ings noch nichts vor. Es ist also an der Zeit, gemeinsam
n die Lösung des Problems heranzugehen. Wir sind in





Monika Lazar


(A) )


)(B)

der Pflicht, ein klares Signal zu setzen, dass diese Men-
schenrechtsverletzung in Deutschland keinen Platz hat.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nehmen Sie unseren Gesetzentwurf als Anregung.
Vielleicht kommen wir im Laufe der Beratungen zu ei-
ner gemeinsamen Lösung. Die Frauen und Mädchen
sind auf uns angewiesen und hoffen darauf, dass wir ak-
tiv werden.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715814600

Das Wort hat nun Ute Granold für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ute Granold (CDU):
Rede ID: ID1715814700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Heute debattieren wir über ein wichtiges Thema. Hier
gebe ich Ihnen recht, Frau Kollegin. Wir haben uns in
diesem Hause schon mehrere Male mit dem Thema Ge-
nitalverstümmelung befasst. Wir tun das auch weiterhin.
Es muss aber mit Bedacht eine gute Regelung gefunden
werden. Genitalverstümmelung ist eine schwere Men-
schenrechtsverletzung, eine schwere Verletzung von
Grundrechten. Dem muss nachgegangen werden. Das
steht außer Frage. Weltweit sind 150 Millionen Mädchen
und Frauen betroffen. Die Zahl steigt. Jedes Jahr kom-
men etwa 3 Millionen Mädchen und Frauen hinzu. Jede
Einzelne ist ein Fall zu viel.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Gerade im afrikanischem, im asiatischen und auch im ara-
bischen Bereich ist die Genitalverstümmelung sehr weit
verbreitet. In Deutschland leben – Sie haben es angespro-
chen; ich habe eine Zahl von UNICEF – 18 000 Frauen
und Mädchen, die betroffen sind. Eine Gefährdungslage
besteht für etwa 5 000 Frauen und Mädchen.

Lassen Sie mich die Debatte, die wir bisher geführt
haben, chronologisch darstellen. Im Jahr 2007 gab es
eine umfassende Anhörung im Familienausschuss; ich
selbst war dabei. Die Sachverständigen kamen zum Er-
gebnis, dass eine Gesetzesverschärfung kontraproduktiv
sein könnte. Bei einer Mindeststrafe von drei Jahren
– ich komme gleich noch einmal darauf zurück – wäre in
der Regel eine Ausweisung der Täter – Mütter, Eltern,
Verwandte – angezeigt. Das lässt die Opfer davon Ab-
stand nehmen, Strafanzeige zu erstatten, sodass die
Straftaten ungeahndet bleiben.

Wir haben dann 2008 in der Großen Koalition einen
20-Punkte-Plan auf den Weg gebracht, der schließlich
verabschiedet wurde. Darin ging es im Wesentlichen um
Prävention und auch darum, Ärzte, die mit Genitalver-
stümmelungen zu tun haben, für dieses Tabuthema zu
sensibilisieren.

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(C (D Ein weiterer Punkt war die Verlängerung der Verjähngsvorschriften. Unserer Meinung nach darf die zehnhrige Frist zur Verjährung solcher Straftaten erst dann eginnen, wenn das Opfer 18 Jahre alt ist. So besteht tzt die Möglichkeit, noch im Erwachsenenalter An eige zu erstatten. Das ist eine ganz wesentliche Vorchrift, die hoffentlich dazu führt, Abstand von dieser rozedur zu nehmen. Der Gesetzentwurf der Grünen ist sicherlich diskusionswürdig. Frau Kollegin Lazar, Sie haben den Enturf des Bundesrates erwähnt. Dieser Entwurf steht eute nicht zur Diskussion. Dennoch kann man über ihn prechen. Wir sind gerne bereit, über das Thema, mit em wir uns bereits in den Jahren 2007 und 2008 befasst aben, noch einmal zu debattieren. Sie haben den Tatbestand der Genitalverstümmelung nter die schwere Körperverletzung subsumiert. Das ann man so sehen. Eine gefährliche Körperverletzung t es allemal, weil die Genitalverstümmelung in der Reel mit einem Skalpell oder einem scharfen Messer vorenommen wird. Das erfüllt den Tatbestand der gefährlihen Körperverletzung, bewehrt mit einem Strafrahmen on bis zu zehn Jahren. Dieser gilt auch für die schwere örperverletzung. Hier gibt es aber ein Problem; das haen damals auch die Sachverständigen so gesehen. Wenn ir die Genitalverstümmelung als schwere Körperverlet ung unter Strafe stellen und die Tat zudem absichtlich zw. wissentlich begangen wird, würde die Mindesttrafe bei drei Jahren liegen. Das indiziert in der Regel ie Ausweisung der Täter. Das wollen die betroffenen pfer aber nicht. Deswegen haben wir damals davon bstand genommen. Es gibt aber auch andere Möglicheiten. Zum Beispiel kann man, wie es der Bundesrat orschlägt, einen eigenen Straftatbestand schaffen, einen 226 a StGB mit der besonderen Überschrift „Genital erstümmelung“. Darüber könnte man in den Auschussberatungen nachdenken. Sie werden sich in diesem Zusammenhang bestimmt aran erinnern, dass damals die Zwangsverheiratung zuächst als besonders schwerer Fall der Nötigung unter 240 Abs. 5 StGB gefasst wurde. Vor nicht allzu langer eit wurde dann ein eigener Straftatbestand für die wangsverheiratung geschaffen. Damit will man das Sinal für bestimmte Bevölkerungsgruppen setzen: Hier in eutschland dulden wir Zwangsverheiratung nicht. – as ist ein Weg, den wir auch bei der Genitalverstümelung beschreiten könnten. Für uns ist die Tatsache sehr wichtig, dass viele Genilverstümmelungen in der Ferienzeit vorgenommen erden. Die Mädchen werden ins Ausland, zum Beispiel ach Afrika, verbracht, um dort die Beschneidungen zw. die Genitalverstümmelungen vornehmen zu lassen. nschließend kommen die Kinder zurück. Deshalb saen wir – das soll in den Katalog des § 5 StGB aufgeommen werden –: Wenn der Täter Deutscher ist oder as Opfer zum Zwecke der Genitalverstümmelung ins usland verbracht wird, der gewöhnliche Aufenthalt ber in Deutschland ist, soll das unter Strafe gestellt weren. Es ist uns sehr wichtig, dass dieser „Tourismus“ ins Ute Granold )





(A) )

Ausland, wo diese schweren Menschenrechtsverletzun-
gen begangen werden, aufhört.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir sind uns in der Koalition einig, uns dieses The-
mas weiterhin anzunehmen. Es gibt eine Kontinuität in
der Befassung. Diese schweren Menschenrechtsverlet-
zungen, diese massiven Grundrechtsverletzungen wollen
wir verhindern. Wir wollen sie nicht dulden. Das Thema
steht bei uns ganz oben auf der Agenda. Wir hoffen, dass
wir in den Beratungen in den Fachausschüssen, das heißt
im Rechts- und im Familienausschuss, zu einer Lösung
kommen, die den Opfern hilft. Die Gesetzesänderung
darf aber nicht kontraproduktiv sein. Vielmehr muss sie
den Eltern und anderen Verwandten, die das vollziehen,
klar aufzeigen, dass wir ein solches Vorgehen nicht dul-
den. Ich denke, dass wir zu einer guten Lösung kommen
können. Wir werden sicherlich die guten Vorschläge, die
aus dem Bundesrat kommen, ebenso wie die der Koali-
tion, die derzeit in der Beratung sind, aufgreifen und sie
zugunsten der Menschen umsetzen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715814800

Das Wort hat nun Sonja Steffen für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Sonja Steffen (SPD):
Rede ID: ID1715814900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube,
bei uns allen besteht kein Zweifel: Genitalverstümme-
lung ist eine gravierende Verletzung der Kinder- und
Frauenrechte. Schätzungen zufolge sind weltweit zwi-
schen 100 Millionen und 140 Millionen davon betroffen,
die meisten von ihnen in Afrika. Aber auch in Deutsch-
land leben – Frau Lazar hat schon darauf hingewiesen –
etwa 20 000 Betroffene. Ob es nun 18 000 oder 30 000
sind, sei dahingestellt; denn jeder Fall von Genitalver-
stümmelung bei Mädchen oder Frauen ist einer zu viel.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])


Die Eingriffe – das ist bekannt – finden meistens un-
ter unhygienischen Bedingungen statt, vielfach außer-
halb von Krankenhäusern, mit nicht sterilisierten Werk-
zeugen und unter widrigen Bedingungen. Die Folgen des
Eingriffs sind verheerend: Blutverlust, Infektionen, In-
kontinenz, Organschädigungen, Verlust des Sexualemp-
findens, erhöhte Müttersterblichkeit und Totgeburten.
Aufgrund dieser weitreichenden Folgen für Leib, Leben
und Würde der betroffenen Mädchen und Frauen steht
die Genitalverstümmelung seit längerem weltweit in der
Kritik zahlreicher Menschen- und Frauenrechtsorganisa-
tionen wie der Vereinten Nationen, von UNICEF, WHO
und Amnesty International. Alle wenden sich gegen
diese Praxis und stufen sie als schwere Menschenrechts-
verletzung ein. Nach dem Strafrecht vieler Staaten ist die

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(C (D enitalverstümmelung inzwischen ein speziell ausgeiesener Straftatbestand. Selbst in Ländern, in denen die enitalverstümmelung traditionell verbreitet ist, zum eispiel in Ägypten, Togo oder Burkina Faso, ist sie ge etzlich verboten. Im bundesdeutschen Recht wird die Genitalbeschneiung im Strafrecht, im Sorgerecht und im Ausländercht behandelt. Im Ausländerrecht ist sie im Moment nter dem Aspekt der geschlechtsspezifischen und nichttaatlichen Verfolgung subsumiert. Das heißt im Klarxt: Eine drohende Beschneidung im Heimatland ist ein bschiebungshindernis. Im Bereich des Sorgerechts hat in Grundsatzurteil des BGH im Jahr 2005 für klare chtliche Verhältnisse gesorgt: Eltern können ihr Sorgecht verlieren, wenn sie ihre Töchter zur Beschneidung ihr jeweiliges Heimatland schicken wollen. Einen ei enen Straftatbestand gibt es bisher im deutschen Strafesetzbuch nicht. Nach unserem geltenden Recht erfüllt ie Verstümmelung weiblicher Genitalien den Straftatestand der gefährlichen Körperverletzung. Ob eine trafbarkeit als schwere Körperverletzung gegeben ist, t noch nicht abschließend geklärt. Bislang ist es übrigens in Deutschland zu keiner einigen Verurteilung oder zu einem Strafverfahren gekomen, obwohl das Problem, wie bereits dargestellt wurde, uch in Deutschland existent ist. Ich denke, es ist kein rund, von einem speziellen Straftatbestand allein desalb abzusehen, weil es keine Strafverfahren gibt. Zur larstellung hat deshalb die Fraktion Bündnis 90/Die rünen aktuell einen Gesetzentwurf in den Bundestag ingebracht, der vorsieht, die Genitalverstümmelung als igenen Straftatbestand in den Katalog der schweren örperverletzungen aufzunehmen. Damit erfüllt die Geitalverstümmelung den Straftatbestand eines Verbrehens mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn ahren Freiheitsstrafe. Frau Granold, die Gefahr einer bschiebung darf hier kein Grund sein, sich gegen den esetzentwurf der Grünen zu entscheiden, sondern ollte eher ein Grund sein, sich dafür zu entscheiden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Des Weiteren zielt der Gesetzentwurf darauf ab, das
eutsche Strafrecht auch auf Genitalverstümmelungen
ei vorübergehenden Aufenthalten im Ausland anzu-
enden. Wir alle wissen, dass Mädchen bei Aufenthal-
n im Ausland, im Heimatland, einem deutlich höheren
isiko der Verstümmelung ausgesetzt sind. Deshalb be-
rüßt unsere Fraktion den Gesetzentwurf der Grünen.
ir werden uns für eine öffentliche Anhörung zu diesem

hema einsetzen, um die möglichen gesetzlichen Maß-
ahmen in diesem Bereich intensiv zu prüfen. Vielleicht
elingt es uns allen gemeinsam – darauf kann man hof-
n –, ein weiteres Zeichen zur Bekämpfung dieser

chweren Diskriminierung von Mädchen und Frauen zu
etzen.

Zu prüfen wäre übrigens noch, ob wir eine Melde-
flicht für Ärzte bei Gefährdungen oder offensichtlich
urchgeführten Genitalbeschneidungen einführen soll-
n. Frau Lazar, wenn die Zahl der Frauenärzte, die





Sonja Steffen


(A) )


)(B)

eine Verstümmelung festgestellt haben, tatsächlich bei
43 Prozent liegt – Sie haben darauf hingewiesen –, dann
muss man über eine Meldepflicht nachdenken. Klar ist
aber auch, dass wir nicht nur rechtliche Sanktionen be-
nötigen, sondern im Kampf gegen diese menschenver-
achtende Praxis unbedingt für weitere Verbesserungen
bei der Integration und der Teilhabe an unserem gesell-
schaftlichen Leben sorgen müssen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715815000

Das Wort hat nun Marina Schuster für die FDP-Frak-

tion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Marina Schuster (FDP):
Rede ID: ID1715815100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

schwarz-gelbe Koalition hat der Menschenrechtspolitik
in ihrem Koalitionsvertrag ein eigenes Kapitel gewid-
met. Wir haben dort unter anderem verankert, dass wir
uns gegen jede Form unmenschlicher Behandlung wen-
den. Deshalb sage ich ganz klar: Praktiken wie die Geni-
talverstümmelung müssen geächtet und weltweit verbo-
ten werden. Denn die weibliche Genitalverstümmelung
stellt eine der schwerwiegendsten Verletzungen der
Menschenrechte von Mädchen und Frauen dar.

Waris Dirie, die ehemalige UNO-Sonderbotschafterin
gegen weibliche Genitalverstümmelung, schreibt in ih-
rem Buch Wüstenblume:

Es gibt keine Worte, die den Schmerz beschreiben
können. Es ist, als ob dir jemand ein Stück Fleisch
aus dem Oberschenkel reißt oder dir den Arm ab-
schneidet, nur daß es sich dabei um die empfind-
lichsten Teile deines Körpers handelt. … Der
Schmerz … war so furchtbar, daß ich nur noch ster-
ben wollte.

Meine Vorrednerinnen in dieser Debatte haben es be-
reits angesprochen: Die WHO spricht von bis zu
140 Millionen betroffener Mädchen und Frauen welt-
weit. Pro Jahr sind circa 3 Millionen Mädchen und
Frauen gefährdet. Die Folgen der weiblichen Genitalver-
stümmelung sind unbeschreiblich: psychisches und kör-
perliches Leid, aber auch eine erhöhte Sterblichkeitsrate
bei der Geburt. Wir müssen uns alle fragen, wie wir ge-
meinsam politisch wirksame Abhilfe schaffen können,
um das Leid der Betroffenen zu lindern, aber vor allem
neues Leid gar nicht erst entstehen zu lassen.

Neben den strafrechtlichen Debatten geht es natürlich
darum, welche zusätzlichen Angebote nötig sind. Frau
Lazar, Sie haben erwähnt, dass uns gerade im Bereich
Entwicklungskooperation eine wichtige Aufgabe zu-
kommt. Das BMZ fördert zahlreiche Aufklärungs- und
Bildungsprojekte zum Beispiel in Burkina Faso, im Be-
nin, in Guinea und in Mali, die sich dieses Themas anneh-
men. Es wurde ein pädagogischer Leitfaden entwickelt,

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(C (D er das Thema der weiblichen Genitalverstümmelung im ahmen der schulischen Erziehung behandelt. Es wurden ogenannte Generationendialoge durchgeführt, um unterchiedliche Altersgruppen über dieses Thema aufzuklän. Das Ergebnis zeigt, dass eine deutliche Mehrheit dernigen, die an einem solchen Programm teilgenommen aben, ihren Töchtern eine solche Prozedur nicht mehr ntun würden. Insofern gehört zu dieser Debatte, die wir u Recht führen, auch die Debatte darüber, was wir geeinsam in den jeweiligen Staaten erreichen können. Die Debatte zeigt, dass wir in Deutschland die natioale gesetzliche Regelung im Blick behalten müssen; enn weibliche Genitalverstümmelung kommt eben icht nur in einigen afrikanischen Ländern vor, sondern uch in Deutschland. Laut Terre des Femmes sind in eutschland circa 20 000 Mädchen und Frauen betrofn, 4 000 Mädchen und Frauen mit Migrationshinter rund sind gefährdet. Es gibt wenig offizielles Zahlenaterial. Das liegt natürlich an dem Problem als solches. Die weibliche Genitalverstümmelung ist seit 1995 als enschenrechtsverletzung international gebrandmarkt. ie ist in Deutschland strafbar und wird – wir haben es ben gehört – entweder als gefährliche oder als schwere örperverletzung eingestuft. Angesichts der strafrechtli hen Regelung müssen wir uns die Frage stellen, was ir tun können, um die bestehenden Unklarheiten in der raxis zu beseitigen. Ein Problem ist – das haben alle orrednerinnen angesprochen – die sogenannte Ferieneschneidung. Das heißt, Mädchen werden in ihre Heiatländer verbracht und dort verstümmelt. Dadurch er ibt sich folgendes Problem: Das deutsche Strafrecht gilt rundsätzlich nur für im Inland begangene Straftaten. ier lebende Mädchen müssen dennoch vor dem Risiko eschützt werden, im Ausland Opfer einer Genitalvertümmelung zu werden. Wenn die Beschneidung beipielsweise von einer afrikanischen Beschneiderin im eimatdorf der Familie durchgeführt wird, dann haben ir das Problem, dass diese Tat nach deutschem Strafcht derzeit nicht geahndet werden kann. Deswegen ist s so wichtig, dass wir uns dieses Themas ganz besoners annehmen. Damit komme ich zu den Verjährungsfristen. Wir alle issen, dass es nicht einfach ist, einen solchen Tatbe tand zur Anklage zu bringen. Es gibt bisher keinen einigen Fall; meine Vorrednerin hat das erwähnt. Ich bin er Meinung, dass die Verjährungsfrist bis zur Vollenung des 18. Lebensjahres ruhen muss; denn sonst kann an das nicht zur Anklage bringen. Außerdem ist es ichtig, dass wir die Berechtigung des Opfers zur Neenklage beachten. Ich kann hier und heute keine abschließende rechtlihe Bewertung vornehmen. Aber ich kann aus menchenrechtspolitischer Sicht sagen: Ich bin gerne bereit, emeinsam mit den Rechtspolitikern nach einer Lösung u suchen. Wir müssen überlegen, was wir darüber hiaus tun können, um auf eine Sensibilisierung von Mädhen und Frauen für ihre Rechte hinzuwirken und die beits bestehenden Angebote sozialpädagogischer oder igrationsspezifischer Art zu verbessern. Eines müssen ir im Hinterkopf behalten: Die Genitalverstümmelung Marina Schuster )





(A) )

ist in vielen afrikanischen Ländern zwar längst strafbar
und verboten, aber leider wird sie vielerorts noch durch-
geführt. Der Straftatbestand ist das eine. Das andere ist,
was wir zusätzlich auf internationaler Ebene tun können,
um die Folgewirkungen zu mindern.

Es ist offensichtlich, dass es Beratungsbedarf gibt. Ich
freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Denn wir
dürfen Genitalverstümmelungen nicht tolerieren, und
wir, alle Fraktionen in diesem Haus, müssen ein klares
Signal senden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715815200

Das Wort hat die Kollegin Yvonne Ploetz für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Yvonne Ploetz (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715815300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir alle

hier sind uns einig: Genitalverstümmelung ist eine
schwere Menschenrechtsverletzung. So scheint der vor-
liegende Gesetzentwurf der Grünen völlig verständlich
zu sein. Ich denke aber, man muss sich die Situation sehr
genau ansehen.

Schon heute ist Genitalverstümmelung strafbar: als
Körperverletzung. Wenn sie als schwere Körperverlet-
zung strafbar wäre, würde das bedeuten, dass das Straf-
maß bei über drei Jahren läge. Das hätte nach unserem
deutschen Aufenthaltsrecht zur Folge, dass die Familie
– die Eltern spielen bei der Beschneidung meistens eine
tragende Rolle – ausgewiesen würde. Entweder träfe
dies die Eltern allein oder – das wäre der Regelfall – die
Eltern zusammen mit den Kindern. Vielleicht wäre dies
nach der Beschneidung der älteren Schwester der Fall,
vielleicht in einer Zeit, in der man die jüngere Schwester
noch beschützen könnte und müsste. Sie würde aber aus-
gewiesen – in die Heimat, also an genau den Ort, an dem
Genitalverstümmelungen an der Tagesordnung sind.
Dass Ihr Gesetzentwurf zu diesem Ergebnis führen kann,
ist aus unserer Sicht absurd.


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb bitten wir Sie, den Gesetzentwurf so zu ändern,
dass nach § 56 des Aufenthaltsgesetzes eine Abschie-
bung ausgeschlossen ist.


(Beifall bei der LINKEN)


Außerdem wäre es aus unserer Sicht angemessener,
die Genitalverstümmelung als Straftat gegen die sexuelle
Selbstbestimmung einzuordnen. Dahinter steht die
Frage: Was soll mit Genitalverstümmelungen erreicht
werden? Frauen sollen auf Dauer ihrer sexuellen Selbst-
bestimmung und eines Teils ihrer Persönlichkeit beraubt
werden. Lassen Sie uns das doch ganz ehrlich beim
Namen nennen.

Lassen Sie uns aber auch transparent machen, welche
Strukturen hinter Genitalverstümmelungen stehen. Häu-
fig ist es der Versuch, über die Kontrolle der weiblichen

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(C (D exualität auch die Kontrolle über die Frauen zu erreihen und patriarchalische Gesellschaftsstrukturen aufchtzuerhalten. Uns aber muss es um die Selbstbestimung der Frau gehen und um ihr Recht auf Gesundheit. Zur Wahrheit gehört, dass Beschneidung nicht nur ein roblem ferner Länder ist, sondern auch in Europa stattndet. Wir müssen uns fragen: Warum ist das der Fall? elche Aufklärungsund Präventionsarbeit muss geleist werden, um diese Frauen zu erreichen? Ich glaube, es t nötig, dass unsere Regierung eine Studie in Auftrag ibt, die sich ganz dezidiert damit beschäftigt, welche intergründe Genitalverstümmelungen haben, welche eweggründe es gibt und welche Ausmaße sie hat. Dann ann man Initiativen zielgenau ausrichten. Das würde vielleicht auch zu einer Ausweitung des ngagements unseres Entwicklungsministeriums führen. ie haben von 1999 bis heute, also innerhalb von 13 Jahn, 14 Millionen Euro in zehn Ländern investiert. Ich laube, da ist noch ein bisschen Luft nach oben. ielleicht können Sie sich noch daran erinnern, dass 009 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet urde, um sich gemeinsam gegen Genitalverstümmengen bei Frauen zu wehren. Aus dieser Arbeitsgruppe at sich das Ministerium nach nur einem Jahr zurückgeogen. Aus meiner Sicht ist das der Kinderrechtskonvenon, der Frauenrechtskonvention und der Menschenchtscharta absolut unwürdig. Ich denke, in der gesamten Debatte wurde deutlich, ass die Antwort auf Genitalverstümmelung komplexer ein muss als eine strafrechtliche Komponente, die mit em Gesetzentwurf der Grünen gefordert wird. Trotzem sind wir froh darüber, dass die Debatte noch einmal eginnt. Lassen Sie uns das Thema im Ausschuss einch gemeinsam intensiv bearbeiten, damit den Mädchen nd den Frauen von politischer Seite die Hand gereicht ird, und zwar ohne die Betroffenen der Gefahr der Ab chiebung auszusetzen. Danke schön. Der Kollege Thomas Silberhorn hat für die Unions aktion das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Petra Pau (DIE LINKE.):
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Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1715815500

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Auf den ersten Blick mag man Genitalverstüm-
elung als ein Randthema betrachten. Sicherlich ist das

in Phänomen, mit dem unsere Gesellschaft, unsere
echtsordnung erst im Laufe der Zeit aufgrund von
igration konfrontiert worden ist. Es geht schlicht um

ie Frage, ob wir als Staat in der Lage sind, die körper-





Thomas Silberhorn


(A) )


)(B)

liche Unversehrtheit aller, die in unserem Land leben,
ausreichend zu gewährleisten. Deswegen ist es kein
Randthema, sondern es gehört in die Mitte unserer
Gesellschaft. Dazu soll diese Debatte heute beitragen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Bei aller Ernsthaftigkeit, die diese Debatte erfordert,
kann ich mir allerdings den Hinweis nicht verkneifen,
dass das – jedenfalls für uns in der Union – kein reines
Frauenthema ist, zumal ich heute offenbar der einzige
männliche Redner bin, dem Redezeit eingeräumt worden
ist. Aber auch das zeigt: Wir müssen dieses Thema mit
hoher Priorität auf unsere Tagesordnung setzen. Im
Rechtsausschuss haben wir es schon aufgegriffen.

Wir haben erst im letzten Jahr die Zwangsheirat mit
einem eigenen Straftatbestand unter Strafe gestellt. Ob
man Ähnliches mit der Genitalverstümmelung tun kann,
haben wir im Rechtsausschuss bereits ausführlich bera-
ten. Wir sind uns jedenfalls in einem einig, nämlich dass
Genitalverstümmelung bei Mädchen, bei Frauen nicht
nur eine gravierende Körperverletzung darstellt – oft un-
ter hygienisch katastrophalen Bedingungen –, die bis
zum Tod führen kann, sondern dass Genitalverstümme-
lung in der Regel auch schwerste und langfristige psy-
chische Schäden für die betroffenen Frauen zur Folge
hat.

Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass der-
artige Praktiken bereits heute unter Strafe stehen, zumin-
dest als Körperverletzung, im Regelfall sogar als gefähr-
liche Körperverletzung und je nach den Umständen des
Einzelfalls oft auch als eine strafbare Misshandlung von
Schutzbefohlenen. Allerdings werden die strafverschär-
fenden Qualifikationsmerkmale einer schweren Körper-
verletzung, die ein Verbrechen darstellt, in den meisten
Fällen nicht verwirklicht. Beispielsweise wird der Ver-
lust der Fortpflanzungsfähigkeit bei den gängigen Prak-
tiken meist wohl nicht erreicht. Deswegen kann man
schon die Frage stellen, ob die Strafandrohung ausreicht.

Bei der gefährlichen Körperverletzung, die im Regel-
fall erfüllt ist, haben wir mit einer Höchststrafe von zehn
Jahren zwar eine relativ hohe Strafandrohung, aber der
Strafrahmen beginnt bereits bei sechs Monaten, sodass
das Delikt lediglich ein Vergehen im strafrechtlichen
Sinne darstellt. Hier teile ich im Grundsatz die Bedenken
der Antragsteller und des Bundesrates. Die mögliche
Strafandrohung trägt dem massiven Unrechtsgehalt einer
Genitalverstümmelung wohl nicht ausreichend Rech-
nung.


(Beifall bei der SPD)


Deswegen stehe ich persönlich einer Neuregelung
durchaus aufgeschlossen gegenüber. Wir werden das in
unserer Fraktion und in der Koalition ergebnisoffen
beraten.

Über die beiden Ansätze, die sich herausgebildet
haben – ob man einen eigenen Straftatbestand schafft
oder ob man ein Qualifikationsmerkmal bei schwerer
Körperverletzung hinzufügt –, lässt sich, was Strafrecht-
ler offenbar gerne tun, trefflich streiten, insbesondere

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(C (D arüber, wie das mit der Systematik des Strafgesetzuches im Allgemeinen und mit der Systematik der Körerverletzungsdelikte im Besonderen ist. Entscheidend t aber etwas anderes: Bei der Formulierung müsste in dem Fall genau darauf geachtet werden, dass der nwendungsbereich einerseits klar definiert ist und ndererseits ausreichend weit genug gefasst wird, um ämtliche Tathandlungen abzudecken. Eine explizite Strafandrohung, die hier zur Diskusion gestellt wird, wäre jedenfalls ein klares Signal, das en Unrechtsgehalt der Genitalverstümmelung untertreichen würde und in der Bevölkerung und in den beoffenen Kreisen zu mehr Bewusstsein für das Problem eitragen könnte. Gerade weil oft junge Mädchen betrofn sind, die sich der Genitalverstümmelung schlichtweg icht entziehen können, müssen wir dafür eintreten, dass er Staat hier ein besonders hohes Schutzniveau gewähristen muss. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass ine Strafbarkeit nicht an Verjährungsfristen scheitern arf. Wir haben das Ruhen der Verjährung bis zur Vollndung des 18. Lebensjahres des Opfers durch das . Opferrechtsreformgesetz bereits weitgehend verwirkcht. Wenn man einen eigenen Straftatbestand der Genilverstümmelung schaffen wollte, müsste man diese erjährungsregelung entsprechend erweitern. Was ein höheres Schutzniveau angeht, ist schon auf as Phänomen der Auslandstaten hingewiesen worden. der Tat: Auch hier sehe ich eine Lücke. Die Genital erstümmelung muss auch dann mit Strafe bedroht sein, enn die Tat im Ausland begangen wird, wenn sie von eutschen im Ausland begangen wird oder wenn sie an pfern begangen wird, die zur Tatzeit ihren Wohnsitz der ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland aben. Wir müssen davon ausgehen, dass sich die Täter vielch durch Verlagerung ihres Aufenthaltsortes ins Ausnd der deutschen Jurisdiktion entziehen. Dieser Aspekt acht deutlich, dass wir das Phänomen der Genitalver tümmelung bislang strafrechtlich wohl nicht hinreihend erfassen. Im Übrigen würde eine Strafbarkeit der atbegehung im Ausland dafür sprechen, einen eigenen atbestand der Genitalverstümmelung zu schaffen, auf en dann verwiesen werden könnte. Auch bei Inlandstaten sollten wir bedenken, dass die enitalverstümmelung in der Regel im Verborgenen tattfindet. Die Justiz erhält in der Regel gar nicht oder ur sehr spät davon Kenntnis. Daran würde eine Aufahme ins Strafgesetzbuch natürlich nichts ändern. Ich will nur auf Frankreich verweisen, wo die weibche Genitalverstümmelung bereits seit Jahrzehnten trafbar ist. Die Zahlen dort sind ernüchternd: In beinahe 0 Jahren fanden gerade einmal 36 Prozesse statt, also twas mehr als ein Verfahren pro Jahr. Das macht deutch, dass die Frage, ob eine Änderung des Strafrechts ier ein wirkungsvolles Mittel sein kann, berechtigt ist; ber um den Betroffenen wirklich zu helfen, um Frauen nd Mädchen wirklich zu schützen, braucht es weit mehr ls eine Strafandrohung im Strafgesetzbuch. Thomas Silberhorn )





(A) )

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715815600

Das Wort hat die Kollegin Karin Roth für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1715815700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich finde, dass dies heute eine ermutigende, eine erfreu-
liche und vor allen Dingen eine konstruktive Debatte ist.
Wir reden ja nicht das erste Mal über Genitalverstümme-
lung. Wir reden auch nicht das erste Mal darüber, wie
schwerwiegend und wie menschenrechtsverletzend
Genitalverstümmlung für Mädchen und Frauen ist. Wir
reden nicht das erste Mal darüber, dass 20 000 bis 30 000
betroffene Frauen in Deutschland leben. Wir reden heute
darüber, dass 5 000 Mädchen, die hier leben, gefährdet
sind. Je größer die Zahl ist – 140 Millionen weltweit –,
umso deutlicher wird, dass wir dieses Thema nicht in
den Griff bekommen.

Sie, Herr Silberhorn, haben gerade sehr gut beschrie-
ben, wie schwierig es ist, hier im Inland die Möglichkei-
ten zu nutzen, um zu verhindern, dass zumindest die
Mädchen, die in unserem Land leben, von diesem Tat-
bestand betroffen sind. Wir sagen, dass bis zu 30 000 be-
troffene Frauen hier leben und 5 000 der hier lebenden
Mädchen gefährdet sind. Das sind große Zahlen. Des-
halb müssen hier in unserem Land wichtige und richtige
Maßnahmen ergriffen werden.

Wenn Genitalverstümmelung eine schwere Men-
schenrechtsverletzung ist, dann kann es als eine schwere
Körperverletzung angesehen werden. Warum nicht? Die
Frage ist: Warum trauen wir uns nicht, nach vorne zu
gehen und hier im Land zu zeigen, dass wir das nicht
akzeptieren? Im Übrigen besteht die Gefahr, dass Geni-
talverstümmelung in unserem Land und nicht nur im
Ausland ausgeführt wird. Wir müssen beides sehen und
für beides eine Regelung finden. Ich stimme Ihnen zu,
Herr Silberhorn: Das ist schwierig.

In unserem Land gibt es noch keine einzige Anzeige.
Da muss man sich doch fragen, warum es keine gibt. Ich
hatte schon vor zwei Jahren eine Diskussion mit dem
Präsidenten der Ärztekammer. Ich weiß, dass es soge-
nannte Leitlinien für Ärzte, zum Beispiel Frauenärzte
und Kinderärzte, gibt, diesen Tatbestand zu melden. Es
passiert aber nicht. Deshalb ist die Anregung meiner
Kollegin Sonja Steffen, eine Meldepflicht einzuführen,
nicht falsch.


(Beifall bei der SPD)


Wir moralisieren von diesem Podium aus, und in
Wahrheit wissen wir, dass wir in dieser Sache ein stump-
fes Schwert haben. Also müssen wir aus meiner Sicht
hier Änderungen einbringen. Der Gesetzentwurf der
Grünen bildet eine gute Basis. Auch der Bundesrat hat

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(C (D chon einiges zu diesem Thema vorgelegt. Ich habe den indruck, dass wir hier zusammen etwas auf den Weg ringen können, das allen, den jungen Mädchen hier, ber auch denen in den Entwicklungsländern, hilft. Jetzt zu den Entwicklungsländern. Es gibt gute Prokte, die zeigen, dass man das Verhalten der Eltern und emeinden ändern kann, die das alles mit der Begrünung, es handele sich um Rituale, legitimieren. Es ist icht zu legitimieren, dass Mädchen letztlich in ihrem timsten Bereich so verletzt werden. Das ist auch nicht it dem Hinweis auf Stammesrituale oder kulturelle entität zu legitimieren. Deshalb brauchen wir Aufkläng. Ich bin sehr froh, dass der Europarat vor kurzem – Frau chuster, Sie waren bei der Sitzung dabei – die „Konention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt egen Frauen und häuslicher Gewalt“ verabschiedet hat. § 38 dieser Konvention werden alle Länder aufgefor ert, die Genitalverstümmelung zu bekämpfen. Die Eupäische Kommission wird dazu demnächst eine Initia ve auf den Weg bringen und uns darüber informieren, as wir alles gemeinsam tun können. Wir in diesem Parlament sollten versuchen, alles zu n, was wir tun können. Gleichzeitig brauchen wir in er Entwicklungspolitik mehr Projekte. Es kann nicht ein, dass im Rahmen der Entwicklungspolitik nur Millionen Euro pro Jahr für diesen Bereich zur Verfü ung stehen. Auch dort müssen wir andere Prioritäten etzen, gar keine Frage. Wir unterstützen entsprechende itiativen, wenn es darum geht, für Projekte zur sexueln Reproduktion und zur sexuellen Selbstbestimmung on Frauen mehr Mittel zur Verfügung zu stellen; das ist ie Position der SPD. Wenn sich die Koalition dem anchließen kann, freue ich mich auf die nächsten Hausaltsberatungen. Es wäre gut, wenn wir dann eine geeinsame Vorlage verabschieden könnten. In diesem Sinne hoffe ich, dass das, was hier gesagt ird, so ernst gemeint ist, dass wir demnächst einen Ge etzentwurf verabschieden können. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurs auf Drucksache 17/4759 an die in der Tagesordnung ufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit inverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweiung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 a und b auf: a)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715815800
Hahn, Albert Rupprecht (Weiden), Michael
Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten
Dr. Martin Neumann (Lausitz), Patrick Meinhardt,





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) )


)(B)

Dr. Peter Röhlinger, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP

Forschung für die zivile Sicherheit
– Drucksache 17/8573 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Rahmenprogramm der Bundesregierung

(2012 bis 2017)

– Drucksache 17/8500 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Rechtsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parla-
mentarische Staatssekretär Thomas Rachel.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


T
Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1715815900


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Wilhelm von Humboldt hat über Si-
cherheit gesagt – Zitat –:

Ohne Sicherheit vermag der Mensch weder seine
Kräfte auszubilden noch die Früchte derselben zu
genießen; denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit.

Diese Aussage ist nach wie vor gültig.

Die Risiken für die zivile Sicherheit in unserer Ge-
sellschaft betreffen immer mehr Bereiche in unserem
Alltag. Sie reichen von der Gefahr terroristischer An-
schläge – denken wir nur an die verhinderten Koffer-
bombenattentate auf den Bahnverkehr – über katastro-
phale Ereignisse bei Großveranstaltungen, wie zum
Beispiel bei der Love-Parade in Duisburg, bis zur Anfäl-
ligkeit von IT-Strukturen in der Wirtschaft. Es gilt, für
diese Risiken Vorsorge zu treffen. Dabei ist Sicherheit
natürlich niemals Selbstzweck, sondern die Basis eines
freien Lebens in einer demokratischen Gesellschaft, wie
wir sie haben.

Die Verantwortung für die zivile Sicherheit zählt als
Element der Daseinsvorsorge zu den Kernaufgaben des
Staates. Sie lässt sich allerdings nicht allein politisch
oder verwaltungstechnisch erfüllen, sondern wir müssen
sie gemeinsam angehen: in Wissenschaft, Wirtschaft und
Gesellschaft. Im Mittelpunkt steht die Frage: Welche Si-
cherheitskultur passt eigentlich zu einer freien und offe-

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(C (D en Gesellschaft wie der der Bundesrepublik Deutschnd? Hier bietet das Programm „Forschung für die ivile Sicherheit“ genau den passenden Rahmen. Wir verfolgen einen ganzheitlichen, integrierten Anatz, der die gesamte Innovationskette einbezieht, von er Forschung bis hin zur Anwendung. Wir beziehen die kteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Staat mit ein nd versuchen, gemeinsame Lösungen für konkrete Berohungsszenarien zu entwickeln. Mit dem neuen Siherheitsforschungsprogramm wollen wir die Sicherheit rhöhen. Es sind Lösungen vorgesehen, die praktisch msetzbar und vor allem ethisch zu verantworten sind nd die von den Menschen akzeptiert werden. Lassen Sie mich einige Eckdaten nennen. Seit 2007 aben wir mit 250 Millionen Euro über 120 Verbundprokte im Bereich der zivilen Sicherheit gefördert. Rund 0 Millionen Euro – das sind rund 20 Prozent der Geamtfördersumme – wurden für gesellschaftswissenchaftliche Forschung genutzt. Juristen, Soziologen und sychologen bearbeiteten von Beginn der Projekte an usammen mit Technikern und Naturwissenschaftlern thische, datenschutzrechtliche und andere gesellschaftche Fragestellungen. Wir wollen mit dem Sicherheitsforschungsprogramm uch die Chancen der zivilen Sicherheit als Wettbeerbsfaktor nutzen. Im Jahr 2010 hat der Markt für For chung für die zivile Sicherheit und entsprechende ienstleistungen in Deutschland ein Volumen von 0 Milliarden Euro gehabt. Wir erwarten in den nächsten ehn Jahren eine Steigerung auf 30 Milliarden Euro. Inofern ist es gut, dass rund 43 Prozent unserer Projektartner beim nationalen Sicherheitsforschungsprogramm nternehmen sind. Von diesen sind übrigens über 0 Prozent kleine und mittelständische Betriebe. Das eigt, dass das Programm des BMBF gerade vom Mitteltand sehr gut angenommen wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wie die erforschten Sicherheitslösungen konkret aus-
ehen, will ich an zwei Beispielen erläutern:

Wir haben die Love-Parade in Duisburg noch in Erin-
erung. Die Menschen fragen sich: Wie kann die Sicher-
eit der Besucher von Großveranstaltungen, etwa bei
ußballspielen oder Musikkonzerten, gewährleistet wer-
en? Dafür hat das Projekt „Hermes“ seit 2008 unter
eitung des Supercomputing Centre am Forschungszen-
um Jülich ein IT-System für eine Evakuierung entwi-
kelt. Der neue digitale Evakuierungsassistent erstellt
ine Prognose darüber, an welchen Stellen eines Veran-
taltungsortes es in den darauffolgenden 15 Minuten zu
inem gefährlichen Gedränge kommen kann. Das Ganze
assiert in einer Echtzeitsimulation auf Grundlage der
onkreten, aktuellen Personenzahlen und der vorhande-
en Rettungswege. So können die Rettungskräfte und
ie Polizei in gefährlichen Situationen steuernd eingrei-
n.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Parl. Staatssekretär Thomas Rachel


(A) )


)(B)

In einem weiteren Projekt mit der Kurzbezeichnung
ORGAMIR entwickeln wir ein System, das in U-Bahn-
Tunneln mithilfe von Sensoren gefährliche Stoffe entde-
cken soll und beispielsweise Rauchschwaden oder gif-
tige Gase erkennen kann. Auch dies passiert in Echtzeit
und ermöglicht so die Warnung der Passagiere und der
Menschen, die unterwegs sind. Außerdem ermöglicht es
den Rettungskräften und der Polizei, einzugreifen.

Mit dem neuen Rahmenprogramm werden wir zusätz-
liche, neue Schwerpunkte setzen. Wir werden die gesell-
schaftlichen Aspekte der zivilen Sicherheit stärken,
wozu auch der Umgang mit Risiken, das Sicherheits-
empfinden der Menschen und die Katastrophenkommu-
nikation gehören.

Beim neuen Schwerpunkt „Urbane Sicherheit“ geht
es um den Schutz vor Kriminalität, aber auch um die Si-
cherheit in öffentlichen Einrichtungen – ich denke hier
zum Beispiel an Schulen; wir haben die schrecklichen
Amokläufe in Schulen noch vor Augen –, um die Sicher-
heit im öffentlichen Personenverkehr und um die Versor-
gung der Bevölkerung im Katastrophenfall.

Der Schwerpunkt „Schutz und Rettung der Men-
schen“ fokussiert zum Beispiel auf die Versorgung pfle-
gebedürftiger Menschen im Krisenfall und die Rolle der
neuen Medien als Alarmsystem.

Beim Schwerpunkt „Schutz vor Gefahrstoffen, Epide-
mien und Pandemien“ geht es schließlich um die Erken-
nung, Bekämpfung und Eindämmung gefährlicher
Krankheitserreger.

Wir haben mit Ihrer Unterstützung im Parlament vor-
gesehen, in diesem und den folgenden Jahren jeweils
55 Millionen Euro für das neue Programm auszugeben.
Wir werden die internationale Kooperation mit Frank-
reich, mit Israel und mit den USA weiter ausbauen. Mit
diesem Sicherheitsforschungsprogramm haben wir es
geschafft, in Deutschland eine breit aufgestellte For-
schungslandschaft zu etablieren und wichtige Impulse
für die Aus- und Weiterbildungsaktivitäten im Hand-
werk, in den Ausbildungseinrichtungen und in den
Hochschulen auf den Weg zu bringen. Ich erinnere an
die berufsbegleitenden Bachelor- und Masterstudien-
gänge in diesem Bereich. Wir planen, mit dem For-
schungsforum Öffentliche Sicherheit einen Studienfüh-
rer herauszubringen, der genauer informiert.

Meine Damen und Herren, freie und offene Gesell-
schaften sind vielleicht besonders verletzlich. Aber ihre
Stärkung, die Stärkung der freien und offenen Gesell-
schaften, auch mithilfe der zivilen Sicherheitsforschung,
ist wahrlich eine lohnende Aufgabe; denn es geht um un-
sere Sicherheit und um unsere Freiheit.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715816000

Das Wort hat der Kollege René Röspel für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Es gibt hier vielleicht noch einige, die sich daran rinnern, wie wir vor gut sechs Jahren in der Großen Kolition durchaus heftig gestritten haben, als es darum ing, das erste Sicherheitsforschungsprogramm auf den eg zu bringen. Wir, die SPD, haben Kritik geübt und ie auch aufrechterhalten, weil für uns das erste Sichereitsforschungsprogramm zu technikzentriert bzw. techikorientiert war, weil ihm ein zu enger Sicherheitsberiff zugrunde lag, weil dieses Programm zu sehr auf errorismusbekämpfung abgehoben hat und weil die ernfrage – Was bedroht die Gesellschaft? – eigentlich icht berührt worden ist. Danke. Ich will ausdrücklich betonen, dass wir schon feststeln, dass in dem zweiten Sicherheitsforschungsproramm, auch wenn viele der Projekte noch nicht abgechlossen sind – wir hätten uns gewünscht, dass man irklich einmal Erfahrungen sammelt, um zu sehen, elche Neuerungen angestrebt werden –, einige unserer ritikpunkte von damals aufgenommen wurden und ass versucht wurde, den Sicherheitsbegriff zu verbreirn und einen gesellschaftlichen Schwerpunkt zu set en. Wir finden das Wort „Terrorismus“ nicht mehr so äufig, wie es noch im ersten Sicherheitsforschungsproramm der Fall war, und sind darüber recht froh. Aber es bleibt eine Reihe von Kritikpunkten. Einer ieser Punkte ist, dass der Sicherheitsbegriff, über den ir reden, immer noch unklar und schwammig ist. icherheit ist nicht Sicherheit. Es wird einfacher, wenn an in das Angelsächsische eintaucht. Die englischspra higen Länder unterscheiden zwischen „safety“ einereits und „security“ andererseits. Wir übersetzen beides it „Sicherheit“. Wenn man zum Beispiel ein Auto konstruiert, mit em man sich sicher durch den Verkehr bewegt, dann ürde das unter dem Gesichtspunkt „safety“ so ausseen, dass man eine sichere Fahrgastzelle konstruiert, ass man gute Bremsen, einen Airbag und ein ABS einaut, sodass also feststeht: Mit diesem Auto fährt man icher durch den Straßenverkehr. Das steckt hinter safety“. Wenn man ein Auto unter dem Gesichtspunkt „secuty“ baut, dann wird man schussfeste Scheiben einauen, schussfeste Reifen nutzen und das Auto panzern. it diesem Auto fährt man ebenfalls „sicher“ durch den traßenverkehr, zum Beispiel in Afghanistan. Aber dainter steht ein anderer Sicherheitsbegriff. Im Englichen wird das deutlicher als bei uns unterschieden. Es ist wichtig, zu unterscheiden, welche Art von Siherheit man wirklich haben will. Einer der Schwachunkte des Sicherheitsforschungsprogrammes ist, dass an in den einzelnen Bereichen nicht erkennen kann: m welche Form von Sicherheitsforschung geht es tat ächlich? Geht es wieder um eine technologische Frage? René Röspel )

René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1715816100

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall des Abg. Willi Brase [SPD])





(A) )

Handelt es sich um den Versuch, mit technischen Mitteln
auf Sicherheitsprobleme zu reagieren oder nicht?

Ein weiterer Punkt, den wir in diesem Programm
wirklich vermissen, ist, dass nach wie vor nicht darüber
gesprochen wird und auch nicht erforscht werden soll,
welche Bedrohungsszenarien vorliegen, was die Gesell-
schaft wirklich bedroht. Ich habe letzte Woche eine
schriftliche Frage an die Bundesregierung gerichtet, so-
zusagen als Vorbereitung auf diese Debatte. Ich wollte
damit die Möglichkeit schaffen, dass die Bundesregie-
rung das Ganze doch noch klärt. Meine Frage war:

Welche wissenschaftlich fundierten Bedrohungs-
szenarien liegen dem neuen … Sicherheitsfor-
schungsprogramm zugrunde?

Die Antwort ist: Ja, es – Zitat –

… liegen Bedrohungsszenarien zugrunde, die unter
anderem den Schutz der Bevölkerung und der kriti-
schen Infrastrukturen vor Bedrohungen durch Ter-
rorismus, Sabotage, organisierte Kriminalität, Pira-
terie, aber auch vor den Folgen von Naturkata-
strophen und Großunfällen betreffen.

All das ist mit Experten aus Forschung und Industrie
sowie mit privaten und staatlichen Endnutzern diskutiert
worden.

Das allerdings ist nicht gemeint bei der Überlegung,
welche Bedrohungen und Gefahren diese Gesellschaft
wirklich betreffen könnten. Es ist völlig klar: Wenn Sie
mit dem THW und den freiwilligen Feuerwehren – die
wir alle schätzen – eine Großschadensereignisanalyse
machen und fragen, was sie im Katastrophenfall an Be-
dürfnissen und Anforderungen an die Politik haben,
dann werden sie zum Beispiel sagen: Wir brauchen eine
gute Beleuchtungseinheit. Wir brauchen diese und jene
technische Einrichtung. – Aber genau darum geht es
nicht.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Können wir jetzt klatschen?)


– Bitte schön, gerne. –


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)


Das ist nur Großschadensereignisdiskussion.

Was wir wissen wollen und müssen, ist: Worin beste-
hen die Bedrohungen für diese Gesellschaft? Ich will ein
paar Beispiele nennen, um das etwas deutlicher zu ma-
chen. Vor zehn Jahren gab es in den Medien Diskussio-
nen darüber, dass der Milzbranderreger, Anthrax, ver-
schickt worden ist. Das wurde als große Bedrohung für
die Gesellschaft dargestellt. Wenn man sich damit etwas
näher befasst hat, hat man gesehen: Das kann überhaupt
keine terroristische Bedrohung werden, weil die Mittel
der Verteilung für Terroristen nicht gegeben sind, dass
also keine Bedrohung für die Gesellschaft besteht. Aber
wir und die Öffentlichkeit haben so reagiert, als wäre es
eine Bedrohung.

Umgekehrt geht es auch. Einige Kollegen erinnern
sich vielleicht daran, dass uns vor zwei oder drei Jahren
ein Forscher bei einem Forschungsfrühstück sagte: Jedes

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(C (D ahr sterben in Deutschland 10 000 Menschen, weil sie icht grippeschutzgeimpft sind. Diese Zahl ist wahrcheinlich zu hoch. Die Frage ist auch: Ist eine Bedroung wie Grippetod durch Schutzimpfungen abwendar? Dieser Punkt ist nicht in dem Bereich „Pandemie“ rfasst, weil es dabei um terroristische Akte geht. Die rage ist: Kann man diese Bedrohung für die Gesellchaft reduzieren, und, wenn ja, wie? Das wäre die däquate Antwort auf ein Bedrohungsszenario gewesen. Ein letztes Beispiel: Vielleicht sind wir uns alle in der inschätzung einig, dass wir vor kurzer Zeit einen ngriff auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordung erlebt haben, nämlich als bekannt wurde, dass die eonazis der Zwickauer Terrorzelle in Deutschland zehn orde begangen haben. Dass wir einen zunehmenden echtsextremismus beklagen müssen, ist aus meiner icht auch eine Bedrohung für unsere Gesellschaft, llerdings glücklicherweise mit einer kleinen Zahl von pfern. Die Frage ist also auch, ob Bedrohung auch von uantitativen Aspekten abhängt, also davon, wie viele pfer es gibt, ob 3, 5 oder 1 000. All das wäre zu klären. Es gibt übrigens schon entsprechende Maßnahmen diesem Bereich. Am Samstag war ich beim Neuhrsempfang der Evangelischen Schülerinnenund chülerarbeit in Westfalen, die seit Jahren Antirassisusaktionen sowie interreligiösen und interkulturellen ugendaustausch durchführen. Ihr Ansatz ist es, der Berohung durch Rechtsextremismus präventiv zu begegen, klagen aber zugleich seit Jahren über Geldmangel nd mangelnde Mittelausstattung. Hier für Abhilfe zu orgen, darin hat sich diese Bundesregierung leider icht hervorgetan. Wir haben das Problem, dass diese Punkte nicht eklärt sind. Das sind Schwachstellen im Sicherheitsforchungsprogramm. Lassen Sie mich meine letzte Redeminute nutzen und um Ende noch zwei Punkte vortragen. In Ihrem Antrag t davon die Rede, dass Sie eine ausgewogene Balance on Sicherheit und Freiheit hinbekommen wollen. (Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Sehr richtig!)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)


bgesehen davon, dass der Begriff „ausgewogene
alance“ Quatsch ist – entweder gibt es eine Balance
der nicht –, sagen wir ausdrücklich: Uns ist es wichtig,
ass wir in einer freiheitlichen Gesellschaft leben. Das
teht an allererster Stelle.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


o das nicht möglich ist und wo es Ansätze gibt, dass
an das durch Sicherheit auszugleichen versucht, muss
an das intensiv diskutieren. Es wird aber keine Balance

wischen Sicherheit und Freiheit geben.

Zu den Schwerpunkten Ihres Sicherheitsforschungs-
rogramms gehört schließlich, dass Deutschland seine





René Röspel


(A) )


)(B)

wirtschaftlichen Chancen im Bereich der zivilen Sicher-
heitsforschung nutzt. Hier präsentieren Sie Ihr Ziel,
Deutschland zum führenden Anbieter von Sicherheits-
technologie in anderen Ländern zu machen. Das wirt-
schaftliche Ziel steht bei Ihnen also ganz vorne. Das
haben Sie gerade in Ihrer Rede noch einmal heraus-
gestellt, Herr Staatssekretär. Das ist nicht unsere Vorstel-
lung von Sicherheitsforschung. Wir wollen, dass die
Bevölkerung in dieser Gesellschaft sicher und frei lebt.
Dazu bräuchte man ein anderes Sicherheitsforschungs-
programm.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715816200

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Professor

Dr. Martin Neumann das Wort.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Martin Neumann (FDP):
Rede ID: ID1715816300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Lieber Kollege Röspel, ich möchte auf das
antworten, was Sie in Ihrem Beitrag dargestellt haben.


(Iris Gleicke [SPD]: Das ist auch Sinn einer Debatte!)


Ich habe mich in Vorbereitung auf die heutige Debatte
noch einmal damit befasst, was in der Vergangenheit
gemacht wurde. Sie sprachen von dem, was in der Gro-
ßen Koalition – ich will auch die Jahreszahl nennen,
nämlich 2008 – erreicht wurde.

Erstens müsste es eigentlich von Ihnen und auch von
den anderen Oppositionsfraktionen, anders, als Sie es
dargestellt haben, eine große Zustimmung zu dem
geben, was von der Bundesregierung vorgelegt wurde.
Das Rahmenprogramm „Forschung für die zivile Sicher-
heit“ entspricht nämlich genau den Vorstellungen, Leit-
fragen und Zielsetzungen, die 2008 – Sie waren damals
im Gegensatz zu mir dabei – von den Innenpolitikern
von CDU/CSU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen
gemeinsam im Grünbuch Risiken und Herausforderun-
gen für die öffentliche Sicherheit in Deutschland des
Zukunftsforums Öffentliche Sicherheit dargelegt wur-
den. Genau das, was darin enthalten ist, hat man jetzt in
dieses Programm aufgenommen.


(René Röspel [SPD]: Ich dachte, ich hätte es in Teilen auch gelobt!)


Wenn Sie nun daran Kritik üben, dann sollten Sie sich
mit Ihren Innenpolitikern darüber verständigen und uns
und der Öffentlichkeit sagen, wo Ihre Fraktion in dieser
Frage steht. Das sollte man tun, wenn man wirklich eine
sachliche Debatte über das Thema führen möchte.

Zweiter Punkt. Sie haben die fehlende Evaluation bei
den Projekten der ersten Programmphase angesprochen.
Wir haben das in der letzten Sitzungswoche in der Aktu-
ellen Stunde angesprochen. Ich verweise in dem Zusam-
menhang auf den Begleitantrag der Koalitionsfraktio-
nen. Wir fordern eindeutig diese Evaluation mit dem

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(C (D uslaufen der ersten Förderphase der Projekte. Das ist anz wichtig, weil die Erkenntnisse dann vorhanden ind. Ich bitte, dies anzuerkennen und die Ergebnisse bzuwarten. Ein weiterer Punkt: Das Sicherheitsumfeld des einzelen Menschen und der Gesellschaft – Kollege Röspel, ie haben es gerade angesprochen – hat sich im verganenen Jahrzehnt erheblich verändert. Das ist eine Festtellung. Es ist völlig klar, dass man an dieser Stelle anetzen muss. Wir kommen nicht umhin, festzustellen, ass sich die Risiken und Bedrohungslagen für eine ffene Gesellschaft in sehr unterschiedlicher Weise ewandelt haben. Wenn man sich beispielsweise die Folen von Katastrophen, unvorhergesehenen Kettenreakonen, gezielten Anschlägen, Pandemien oder extremen aturereignissen anschaut, dann wird deutlich: Der chutz der Wirtschaft, der Infrastruktur und der Bürger tellt unser Krisenmanagement vor neue Herausfordengen. Sie haben das angesprochen und Beispiele enannt. Wir haben an dieser Stelle die Aufgabe, den esellschaftlichen Fortschritt und die vielen Innovatioen, die unsere Gesellschaft durchdringen und uns in ine gewisse technische Abhängigkeit geführt haben, eiter zu untersuchen. Diese neuartigen Gefahrenpoten iale führen dazu, dass die bisherige Sicherheitsarchitekr den neuen Herausforderungen und den gewandelten efahren nicht gerecht wird. Diese systemische Diskrepanz wurde in dem TABericht „Gefährdung und Verletzbarkeit moderner esellschaften – am Beispiel eines großräumigen und ngandauernden Ausfalls der Stromversorgung“, über en wir vor kurzem diskutiert haben, an einem konkren Beispiel verdeutlicht. Die Analyse des TAB zeigte ns, dass sich die Folgen von Katastrophen nicht nur auf ie Kommunikation, den Transport, den Verkehr usw. uswirken, sondern darüber hinausgehen und auf das risenmanagement und auf die Schutzmaßnahmen elbst ausstrahlen. Das ist die Botschaft. Hier muss man nsetzen. Wir stehen also vor der Herausforderung, das Risikoanagement und vor allen Dingen die Krisenbewälti ung neu zu konzipieren. Dieser wichtigen und großen ufgabe ist die Vorgängerregierung damals in der Groen Koalition mit dem nationalen Forschungsprogramm r zivile Sicherheit nachgekommen. Im Rahmen meiner echerchen habe ich festgestellt, dass von meiner Frakon damals eine Vielzahl an Punkten kritisiert wurde, ie – Sie haben es angesprochen – die Abwägung zwichen Sicherheit und Persönlichkeitsrechten betrafen. h möchte nur die Forschung zu Musterund Körper cannern erwähnen. Wir wissen, dass sich die fortschreitende technologiche Entwicklung zum Schutz der Freiheit umdrehen ssen kann und ebenso ein Gefahrenpotenzial für die ersönlichkeitsrechte und das Eigentum birgt. Sie sprahen von Balance. Ich sage, das ist eine Frage der Ausewogenheit. Deshalb haben wir – anders als Sie das ier dargestellt haben – dem neuen Programm eine deutche Handschrift gegeben. Wir haben genau diese Dr. Martin Neumann )


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)





(A) )

Abwägung zwischen persönlicher Freiheit und Sicher-
heit, auf die es mir ankommt, neu austariert. Das vorge-
legte Rahmenprogramm folgt daher, wie es im Übrigen
auch der Wissenschaftliche Programmausschuss zum
nationalen Sicherheitsforschungsprogramm in seinem
Bericht empfiehlt, dem Grundsatz, die Balance zwischen
Freiheit und Sicherheit neu zu wahren. Wie sollten
Sicherheitsmaßnahmen von den Bürgern akzeptiert wer-
den, wenn die grundrechtlichen Freiheiten der Bürgerin-
nen und Bürger nicht gewahrt werden?

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang
stellt sich für uns eine entscheidende Frage: Sind wir
bereit, ein gewisses Restrisiko zu tragen und gewisse
Unsicherheiten hinzunehmen? Wir haben in der voran-
gegangenen Programmphase erste Erfahrungen gesam-
melt und greifen nun eine ganz wichtige Erfahrung wie-
der auf, nämlich den gesellschaftlichen Aspekt: Was
nützt die Forschung für zivile Sicherheit, wenn die
Ergebnisse nicht ausreichend überführt werden und wir
die Transformation nicht schaffen? Daher haben wir da-
rauf zu achten, dass die Vielzahl von staatlichen und
nichtstaatlichen Akteuren in die Projekte einbezogen
und Sicherheitskompetenzen in der Gesellschaft aufge-
baut werden. Das erfordert, verstärkt die Wirtschaft und
die Unternehmen in das Programm einzubeziehen und
den Innovationstransfer zu verstärken und zu gestalten.
Das sind wichtige Herausforderungen, denen wir uns
stellen sollten.

Ich bedanke mich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715816400

Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass man noch

Redezeit übrig hat, wenn ein Minus vor der Zeitangabe
steht. Das gilt nicht nur für Sie, Herr Neumann, sondern
auch für andere vor Ihnen.


(Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] – Heiterkeit des Abg. René Röspel [SPD])


Das Wort hat die Kollegin Dr. Petra Sitte für die Frak-
tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715816500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich

werde versuchen, das tapfer zu ignorieren.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit der Abg. Iris Gleicke [SPD])


Das Programm „Forschung für die zivile Sicherheit“
von 2007 bekommt jetzt eine Neuauflage; das ist schon
erwähnt worden. Diese nennt sich nunmehr allerdings
„Rahmenprogramm“ und verliert leider wie alle Rah-
menprogramme, die die Bundesregierung bisher aufge-
legt hat, an Konkretheit.

Allerdings sollen jetzt die gesellschaftlichen Dimen-
sionen von Sicherheitsforschung von Anfang an mit

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(C (D ntersucht werden. Das findet die Linke richtig; wir aben das hier auch schon mehrfach gefordert. Immerin gibt es im Spannungsfeld von Sicherheit und Freieitsrechten, von Sicherheit und Kontrolle viele offene ragen. Die Erfahrungen zeigen nämlich, dass bisher och jede neue Technologie, Herr Neumann, auch neue robleme aufgeworfen hat. (Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Richtig!)


Niemand sollte jedoch ignorieren, dass für unsere
esellschaft Konflikte und Unsicherheiten typisch sind,
nsicherheiten, die oftmals überhaupt nicht technologi-

cher Natur sind; man denke nur an soziale Unsicherhei-
n. Viele Menschen verunsichert und sorgt, dass sie ihr
eben immer weniger selbstbestimmt planen und gestal-
n können – ganz zu schweigen natürlich von akuten
risensituationen, Katastrophen und natürlichen Gefah-
nlagen.

Die ständigen Diskussionen über klamme öffentliche
assen stärken nun auch nicht gerade das Sicherheits-

mpfinden der Menschen, und diesen Umstand machen
ich nun Technologielobbyisten zunutze. Es scheint
och nur logisch, dass Risiken wenigstens durch neue
echnologien minimiert werden sollen, wenn man schon
icht in der Lage zu sein scheint, den Einsatz von Mit-
ln und Personal für die Arbeit von Sicherheits-, Ret-
ngs- und Katastrophenschutzbehörden zu steigern.
us diesem politisch verursachten Dilemma wiederum

ieht ein ganzer Industriezweig, nämlich die Sicherheits-
dustrie, ausgesprochen satten Nutzen.

Viele Technologien waren und sind nur breit einsetz-
ar, wenn freiheitliche Normen und Grundrechte einge-
chränkt werden. Ich erinnere an solche Dinge wie die
eitergabe von Flug- und Bankdaten, an biometrische
erkmale in Personaldokumenten, an die europaweite

peicherung von Arbeitnehmerinnen- und Arbeitneh-
erdaten, an den Datenstriptease, den Empfänger von
ozialleistungen hinlegen müssen, an den Nacktscanner,
er sich nicht bewährt hat und in anderen Ländern längst
ieder abgeschafft wird, jüngst auch an den Staatstro-
ner, Herr Neumann,


(Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Genau!)


owie an die Pläne zur Vorratsdatenspeicherung.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke hat diese Entwicklung und das technolo-
iezentrierte Herangehen der Bundesregierung hier im-
er wieder kritisiert. Viel zu viele Menschen misstrauen

iesen neuen Technologien, weil sie sie nicht verstehen,
eil sie sie nicht kontrollieren können und weil sie sie
eder anwenden können noch anwenden wollen; auch
as muss man in Rechnung stellen. Letztlich werden
amit wieder neue Unsicherheiten und neue Risiken pro-
uziert, und wir brauchen uns dann nicht über die vielen
ontroversen gesellschaftlichen Debatten zu wundern.

Alles in allem ergeben sich daraus also gute Gründe,
eriös zu forschen. Dazu gehört natürlich, frühzeitig
inen gesellschaftlichen Dialog über Sinn, Nutzen und





Dr. Petra Sitte


(A) )


)(B)

Anwendungszweck von neuen Sicherheitstechnologien
zu organisieren. Aber für das vorliegende Rahmenpro-
gramm galt das offensichtlich nicht; denn darauf darf die
gesellschaftliche Öffentlichkeit jetzt nur noch reagieren.
Das nenne ich einen Fehlstart. Das ist keine vertrauens-
bildende Maßnahme.


(Beifall bei der LINKEN)


Vertrauen, meine Damen und Herren, ist aber gerade in
diesem Bereich enorm wichtig; es ist die Grundlage.

Ich darf hier auch einmal daran erinnern, dass so man-
cher ehemalige Politiker, der vormals Sicherheitstechno-
logien hier massiv vorangetrieben hat, später Plätze in
Aufsichtsräten oder Beraterverträge in der Sicherheits-
industrie bekommen hat.

Nun, Herr Rachel, setzen Sie auch noch auf soge-
nannte Sicherheitspartnerschaften. Und als hätte man
nichts gelernt, wird die Verlagerung hoheitlicher Aufga-
ben des Staates an Private in grundrechtlich höchst sen-
siblen Bereichen längst vorbereitet. Herr Rachel, Sie ha-
ben gesagt, dass es sich hier um eine Kernaufgabe des
Staates handelt. Aber das stimmt einfach nicht; denn Ihr
praktisches Handeln sagt etwas anderes. Zudem ist eine
Folge dieser Situation, dass Sie der Industrie nicht nur
das Geld für Forschung und Entwicklung, sondern an-
schließend an sie auch noch Aufträge vergeben. Damit
finanzieren Sie deren Geschäftsmodell. Das halten wir
für höchst problematisch. Das ist nicht staatliche Auf-
gabe.


(Beifall bei der LINKEN)


Für uns gehört die Aufklärung über solche Zusam-
menhänge und über Alternativen zu einem breiten ge-
sellschaftlichen Dialog. Schließlich darf der Einsatz von
Sicherheitstechnologien nicht dazu führen, dass sich die
Bundesregierung am Ende aus ihrer Verantwortung
stiehlt.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715816600

Das Wort hat die Kollegin Krista Sager für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.


Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715816700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vieles

von dem, was wir 2007 in der ersten Phase des Sicher-
heitsforschungsprogramms kritisch angemahnt haben,
will die Bundesregierung in der 2012 beginnenden zwei-
ten Phase erkennbar stärker berücksichtigen.


(Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Sehr richtig!)


Dazu zählen wir die stärkere Integration von sozialwis-
senschaftlichen Fragestellungen und von rechtlichen
Fragestellungen, von soziokulturellen und psychologi-
schen Aspekten, Fragen der Akzeptanz im realen Verhal-
ten der Menschen sowie die Alltagstauglichkeit von Lö-
sungen. Dazu gehört aber auch die frühzeitige und
ständige Einbeziehung von Praktikern und Nutzern. Das

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(C (D aben wir 2007 gefordert, und das will die Bundesregieng jetzt offensichtlich umsetzen. Ich sage ganz ehrlich: enn Lerneffekte eintreten, dann begrüßen wir das urchaus. Dagegen haben wir nichts einzuwenden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Peter Röhlinger [FDP])


Wie soll das nun umgesetzt werden? Eines ist klar:
enn man tatsächlich mehr Interdisziplinarität und

ransdisziplinarität in der Forschung will, dann muss
an dafür deutliche Anreize und klare Förderkriterien

chaffen. Da besteht nach wie vor Entwicklungsbedarf,
nd zwar nicht nur in der Sicherheitsforschung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie wollen eine Balance zwischen Freiheit und Si-
herheit. Wenn man das will, dann muss man aber sehr
ufpassen, dass diese hehren Vorsätze nicht zwischen
orschung und Anwendung verloren gehen, gerade
ann, wenn man gleichzeitig ökonomische Interessen
erfolgt.

Dass es in Zukunft einen größeren internationalen
arkt für Produkte und Dienstleistungen aus dem Be-
ich der zivilen Sicherheit geben wird, ist klar und wird

on niemandem bestritten. Dass auch deutsche Unter-
ehmen hier als Anbieter tätig werden wollen, ist an sich
in vernünftiges Ziel.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


un wissen wir aber natürlich, dass ein ökonomisches
alkül in Bezug auf ein bestimmtes technologisches Si-

herheitsprodukt nicht immer mit ethischen Bewertun-
en, Persönlichkeitsrechten, Datenschutz, den Erfahrun-
en und Interessen von Nutzern und Praktikern oder
inem effektiven Mitteleinsatz kompatibel und nicht von
ornherein an den Hauptsicherheitsbedürfnissen der Be-
ölkerung orientiert ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In dem Zusammenhang muss ich, Herr Rachel, an das
hema Körperscanner erinnern. Die Förderung der Ent-
icklung eines Körperscanners für Flughäfen war 2007

in ganz zentrales Vorzeigeprojekt des Forschungsminis-
riums. Sie haben es in Ihren Presseerklärungen damals

ls Leuchtturmprojekt herausgestellt. In der Anwendung
ei den Pilotprojekten an deutschen Flughäfen war der
acktscanner, wie er dann genannt wurde, allerdings ein
taler Flop, und zwar nicht nur, weil persönlichkeits-
chtliche und datenschutzrechtliche Fragen nicht genü-

end berücksichtigt wurden. Vielmehr haben auch die
utzer gesagt, dass er nicht vernünftig in ein Gesamtsi-

herheitskonzept eingebunden ist. Vor allen Dingen be-
eutete er gegenüber der bisher praktizierten Lösung
ine totale Entgleisung im Nutzen-Kosten-Verhältnis.
as ist ein typischer Fall, in dem die hehren Vorsätze,
ie man für die Forschung formuliert hatte, in der Praxis
achher offensichtlich überhaupt keine Rolle mehr ge-
pielt haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)






Krista Sager


(A) )


)(B)

Das heißt, wir brauchen eine Begleitforschung, Eva-
luation und Transparenz, um nachvollziehen zu können,
ob diese schönen Vorsätze nachher auch wirklich umge-
setzt werden und es zu einer Balance kommt. Wir brau-
chen auch Transparenz, um feststellen zu können, ob die
Mittel tatsächlich eingesetzt werden, um die Hauptpro-
bleme zu lösen. Da hat der Kollege Röspel total recht.
Wir sind hier in einem Bereich extrem heterogener Fra-
gestellungen:


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – René Röspel [SPD]: Das stimmt!)


Es geht um öffentliche Infrastruktur, um Alltagskrimina-
lität, um Sicherheit im Internet, um Naturkatastrophen,
um Piraterie. Wir haben aber überhaupt keinen Über-
blick darüber, ob die Mittel so eingesetzt werden, dass
sie tatsächlich zur Behebung der Hauptprobleme dienen;
und wir wissen auch nicht, was Sie vorhaben.

Und – da hat auch die Kollegin Sitte etwas Richtiges
angesprochen – wir brauchen auch Transparenz bei der
Frage, welche Aufgabe im Bereich der Sicherheitsfor-
schung der Steuerzahler und die öffentliche Hand haben
und was dabei eigentlich die ureigenste Aufgabe von
Unternehmen ist. Auch da weiß man nicht, wohin die
Reise geht; da brauchen wir mehr Klarheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


In einem Punkt, Herr Rachel – ich finde es gut, dass
Sie unsere Diskussion da aufgenommen haben –, haben
Sie allerdings unsere volle Unterstützung, wenn Sie das
tatsächlich umsetzen. Ein wirklich effektives Mittel, um
Erkenntnisse aus der Forschung in die Gesellschaft dif-
fundieren zu lassen, ist die Integration in Lehre, Studium
und Ausbildung. Wenn wir es schaffen, Erkenntnisse der
Sicherheitsforschung in Studiengänge an Fachhochschu-
len, in die berufliche Weiterbildung, in die Ausbildung
zu integrieren,


(Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Genau das werden wir machen!)


dann wäre das wirklich ein gutes Mittel, um diese Er-
kenntnisse in die gesellschaftliche Praxis zu überführen.
Da hätten Sie unsere Unterstützung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Unsere Unterstützung haben Sie nicht, wenn Sie
hauptsächlich in Lösungen investieren, die zu teuer sind,
die keine Akzeptanz finden und die am Ende niemand
haben will; denn dann haben wir nicht mehr Sicherheit,
sondern mehr Verunsicherung. Das wollen wir natürlich
vermeiden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715816800

Das Wort hat der Kollege Florian Hahn für die

Unionsfraktion.

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(C (D Sehr geehrte Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen nd Kollegen! Eine der wichtigsten Aufgaben unseres taates ist es, die Sicherheit und die Freiheit seiner Bürerinnen und Bürger zu schützen. ies erfordert einen ständigen Anpassungsprozess; denn ie Anforderungen an Sicherheitsbehörden ändern und andeln sich immer wieder. Die Bedrohung unserer freiheitlichen Gesellschaft urch Katastrophen, Umwälzungsprozesse der Globaliierung, durch Fortschritte in Informationsund Komunikationstechnologien, auch durch den Klimawandel at große Auswirkungen auf die Gewährleistung von ziiler Sicherheit durch den Staat. Neue Sicherheitslösunen müssen daher den Schutz der Bevölkerung und der ritischen Infrastrukturen leisten. Die Sicherheitsrisiken haben sich in den letzten Jahren rastisch verändert. Versorgungsnetze können beispielseise schon durch kleine Störungen ausfallen. Daher erden an vielen Stellen auch künftig Sicherheitsvorkehngen nötig sein, um den Menschen zu ermöglichen, ein eies Leben in einer offenen Gesellschaft zu führen. Diese Sicherheitsvorkehrungen werden durch Techologien unterstützt, die sie einfacher, schneller und wirungsvoller machen. Das zunehmende Wachsen von allungszentren, die wachsende Vernetzung unterschiedcher Lebensbereiche und die dichten Infrastrukturnetze aben eine neue Qualität der Verletzlichkeit zur Folge. roßveranstaltungen – das hat die Katastrophe in Duisurg vor zwei Jahren gezeigt – werden zur sicherheitschnischen Herausforderung. Die Forschung kann einiges tun, um Katastrophen zu erhindern bzw. solche besser zu managen. Mit dem euen Rahmenprogramm zur Sicherheitsforschung mit em Schwerpunkt „Sicherheit als Basis eines freien ebens“ verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die Siherheit der Bürgerinnen und Bürger sowie den Schutz ritischer Infrastrukturen zu erhöhen und dabei eine verntwortungsvolle Balance zwischen Sicherheit und Freieit zu halten. Das neue Rahmenprogramm der Bundesregierung chließt an das erste nationale Sicherheitsforschungsproramm an. Die enge Verzahnung mit den europäischen icherheitsforschungsprogrammen und den entsprechenen Politikbereichen untermauert die starke Rolle Deutschnds in diesem Bereich. Aufbauend auf den Erfolgen des ersten Programms nd vor dem Hintergrund neuer globaler Herausfordengen wird die Forschungsförderung auf folgende chwerpunkte ausgerichtet: gesellschaftliche Aspekte er zivilen Sicherheit, urbane Sicherheit, Sicherheit von frastrukturen und Wirtschaft, Schutz und Rettung von Florian Hahn )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Florian Hahn (CSU):
Rede ID: ID1715816900

(René Röspel [SPD]: Die Freiheit, genau!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





(A) )

Menschen, Schutz vor Gefahrenstoffen, Epidemien und
Pandemien sowie IT-Sicherheitsforschung.

Als neuer innovativer und wichtiger Punkt für das
neue Rahmenprogramm wurde die IT-Sicherheitsfor-
schung hinzugenommen. Ziel ist es, die Nutzer von Infor-
mationstechnologie vor Betrug, Missbrauch, Sabotage
und Ausspähung zu schützen. Denn vom Vertrauen in die
Sicherheit dieser Systeme hängen inzwischen weite Be-
reiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens
ab.

Mit unserem Programm unterstützen wir vor allem
auch die mittelständische Wirtschaft, einerseits weil sie
es ist, die an der Entwicklung maßgeblich beteiligt ist,
andererseits weil sie von den Ergebnissen profitiert.
Technologische Kompetenzen sollen künftig besser vor
natürlichen Risiken und Wirtschaftskriminalität schüt-
zen.

Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Herr Röspel,
wirtschaftlicher Erfolg gerade des Mittelstandes nutzt
den Menschen.


(René Röspel [SPD]: Hat keiner gesagt, dass das schadet!)


Ich warne davor, diesen Begriff so negativ zu besetzen,
wie es in dieser Debatte getan wurde.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Von wem?)


Denn wirtschaftlicher Erfolg sorgt für Arbeitsplätze und
für Wohlstand in unserer Gesellschaft.


(René Röspel [SPD]: Wenn das der Schwerpunkt ist, dann schreiben Sie das doch in das Programm!)


Wir müssen auch vorsichtig sein, wenn wir neue
Technologien nur mit Problemen und Herausforderun-
gen verknüpfen. Natürlich müssen wir auch darauf
schauen. Aber die Bürgerinnen und Bürger dieses Lan-
des profitieren von diesen Technologien. Das ist unser
Rohstoff, mit dem wir unseren Erfolg sichern können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Bisher konnte nicht viel Kritik von Ihnen geäußert
werden, weil das Programm wirklich gut ist. Aber immer
wieder wurde das Beispiel Nacktscanner genannt. In die-
sem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass
es die Ministerin war, die die Nacktscanner kritisiert hat
und die eine Alternativforschung auf dem Gebiet der so-
genannten Terahertztechnologie angestoßen hat.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Auch die Europäische Union fördert in ihrem 7. For-
schungsrahmenprogramm erstmals die zivile Sicher-
heitsforschung. Dafür sind jährlich 200 Millionen Euro
vorgesehen. Die Bundesregierung hat erstmals 2007 das
Programm „Forschung für die zivile Sicherheit“ verab-
schiedet, um uns vor Gefahren wie Terrorismus, Krimi-
nalität und Naturkatastrophen besser schützen zu kön-
nen. Derartige Gefahren sind in den letzten Jahren leider

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(C (D icht weniger geworden. Deshalb brauchen wir mehr enn je die Fortsetzung dieser Forschung. Mit unserem Antrag möchten wir die Fortschreibung es Rahmenprogramms der Bundesregierung zur Sichereitsforschung unterstützen. Maßgeblich für den Erfolg ind aus unserer Sicht: der Ausbau des deutschen Enagements im Bereich der europäischen und internatioalen Sicherheitsforschung, also das Vernetzen, das weire Bemühen um die Beteiligung kleinerer und mittlerer nternehmen sowie die Sicherstellung, dass auch wähnd der Laufzeit des Programms aktuelle sicherheitsrele ante Themenfelder schnell durch Forschungsaktivitäten dressiert werden können. Darüber hinaus sind Interdisiplinarität, Begleitforschung zu kritischen Fragen, Transarenz und Öffentlichkeit in meinen Augen Voraussetung für den Programmerfolg. Die neuen Technologien können helfen, die aufkomenden sicherheitspolitischen Herausforderungen zu meisrn. Wir brauchen deshalb Sicherheitslösungen, die die ürger schützen, sie aber in ihrer persönlichen Entfaltung ich nenne beispielsweise das Nutzen des Internets oder en Besuch von Großveranstaltungen – nicht behindert. er vorliegende Antrag zur Fortführung der zivilen Si herheitsforschung steht hiermit im Einklang. Daher bitte h Sie um Ihre Zustimmung. Danke schön. Das Wort hat der Kollege Dr. Ernst Dieter Rossmann r die SPD-Fraktion. Herr Hahn und Herr Neumann, wir in der Opposition ind so souverän, nicht alles schlecht zu finden. Wir euen uns auf Diskussionen und neue Entwicklungen. ir erkennen wie Frau Sager auch an, dass in diesem rogramm gegenüber dem vorherigen Programm Punkte eu aufgenommen worden sind und es Verbesserungen egeben hat. Wir wissen uns in der Hoffnung, dass in iesem Programm steht, dass man bis 2017 weiterlernen ill. Weil Sie sehr auf Interdisziplinarität abstellen, äußern ir zunächst die Bitte, dass der Kreis der einbezogenen inisterien noch erweitert wird. Bis jetzt – das kann an nachlesen – gehören die Bereiche Wirtschaft, Ver ehr, Bau und Gesundheit dazu. Gehören nicht aber, enn man die geisteswissenschaftliche und die sozioloische Betrachtung hinzunimmt und wenn eine Erweiteng auf die urbane Sicherheit erfolgen soll, auch das ozialministerium sowie das Ministerium für Familie, enioren, Frauen und Jugend dazu? Wenn wir Sicherheit nicht nur als persönliches Gut, ie es auch die Freiheit ist, sondern auch als öffentliches ut begreifen, dann zwingt uns das, auch in der Politik ehr konkret zu werden. Ich will dazu eine Debatte der tzten Sitzungswoche aufnehmen. Hier hatten wir einen Dr. Ernst Dieter Rossmann )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715817000

(Beifall bei der SPD)

Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1715817100




(A) )

Disput in Bezug auf das Programm „Soziale Stadt“. Man
kann schlecht die Mittel für das Programm „Soziale
Stadt“ kürzen und sich gleichzeitig für eine größere ur-
bane Sicherheit aussprechen. Das ist für die Praxis wich-
tig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])


Im Übrigen: Ich möchte es einmal plakativ ausdrü-
cken, Herr Rachel. Sie betonen, dass die 50 Millionen
Euro als Begleitforschung für Geistes-, Sozial- und an-
deren Wissenschaften gedacht seien. Ich sage dazu: Das
darf nicht Begleitforschung sein, sondern das muss
Kernforschung sein. Wir wünschen uns, dass bei der
Fortschreibung dieses Programms solche Aspekte kon-
kreter formuliert werden.

Ich möchte darüber hinaus zwei Anmerkungen ma-
chen. Als Schleswig-Holsteiner erinnere ich mich an
Lars Clausen. Das war der erste deutsche Katastrophen-
forscher, der uns schon in den 80er-Jahren gesagt hat,
dass wir in Bezug auf den Katastrophenschutz daran
denken müssen, dass „Schutzlaien“ ausgebildet werden.
Lars Clausen dachte nicht an Hightech, sondern ganz be-
wusst an „Lowtech“, an die Kompetenz der Menschen.
Vielleicht können Sie die Verknüpfung von Hightech,
Lowtech und Kompetenz in ein zukünftiges ziviles Si-
cherheitsforschungsprogramm aufnehmen. Sie haben die
Resilienz, ein neues Fremdwort für Widerstandsfähig-
keit, betont. Das steht in engem Zusammenhang mit
Hightech und Lowtech.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die zweite Bemerkung knüpft an den Antrag an, den
die Koalitionsfraktionen eingereicht und den wir mit In-
teresse gelesen haben. In diesem Antrag setzen Sie sich
im Zusammenhang mit INDECT kritisch mit dem zivi-
len Sicherheitsforschungsprogramm der EU auseinan-
der. Wir erkennen ausdrücklich an, dass der Staatssekre-
tär im Innenausschuss gesagt hat, dass die deutschen
Verwaltungen bis hin zum BKA es abgelehnt haben,
dass das BKA am europäischen Programm – hier ging es
um Personenerkennung, Bewachung und Verhaltenser-
schließung – teilnimmt, weil die Überwachungskompo-
nente zu umfassend war. Wir finden es bemerkenswert,
dass sowohl die Fraktionen dieses Bundestages als auch
die Bundesregierung diesen Gedanken in Bezug auf Eu-
ropa formuliert haben. Wir möchten aber von Ihnen
gerne wissen – vielleicht kann das gleich Herr Murmann
erläutern –, was Sie damit meinen, wenn Sie sich einer-
seits in Ihrem Erschließungsantrag positiv hinter diese
Haltung des BKA stellen, andererseits aber sagen:

Diesen Forschungsbereich

– es geht um den Bereich der Personenerkennung, der
Verhaltensbeobachtung und Bewachung

gilt es daher systematisch und möglichst früh be-
gleitend zu technologischen Entwicklungen zu stär-
ken.

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(C (D Und ich will diese Schraube gerne noch weiter dreen. Vorhin hatten wir eine Debatte zu Ägypten. Welche aßstäbe halten wir in Bezug auf für Demokratie streinde Bevölkerungen ein, wenn es technologisch perkte Überwachungssysteme gibt? Haben wir am Ende as Exportinteresse des Mittelstandes im Auge? Haben ir die gleichen Maßstäbe, die wir bei Rüstungsgütern nd bei Dual-Use-Gütern haben, die man zur Folter einetzen könnte, auch bei den Gütern, die die zivile Sichereit betreffen? Wir möchten, dass das auch von Ihnen reektiert wird. Vielleicht kann die Regierung darauf inwirken, dass auch im nächsten europäischen Forchungsprogramm gutes Regieren eine Rolle spielt. Wir üssen auch politisch und letztlich demokratisch-institionell begreifen, was es heißt, zivile Sicherheit mit emokratie und mit Freiheit zu verknüpfen. Weil ich mit Lars Claussen angefangen habe, muss h mit Ferdinand Tönnies, seinem Inspirator, enden. erdinand Tönnies sagte seinerzeit: Verstand ohne Wiln ist ziellos. Wille ohne Verstand ist zerstörerisch. – h glaube, in der zivilen Sicherheitsforschung müssen ir dazu kommen, zuerst Verstand, Wille und Werte zu eachten und erst dann Technik, Hightech wie Lowtech, nzuwenden. Danke schön. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715817200

Das Wort hat der Kollege Dr. Philipp Murmann für

ie Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Philipp Murmann (CDU):
Rede ID: ID1715817300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

h glaube, wir haben deutlich gemacht, dass es sich hier
uch um eine Wertediskussion handelt, die die Grund-
ge für dieses Sicherheitsforschungsprogramm ist. Ein

icheres Deutschland und ein sicheres Europa – das ha-
en wir immer wieder betont – sind die Grundlage für
ie Lebensplanung der Bürger in unserem Land und in
uropa. Thomas Rachel hat es mit einem schönen Zitat
ingeleitet: Sicherheit ist die Grundlage für Freiheit. –
abei geht es längst nicht mehr nur um militärische Si-

herheit; die Zahl der zivilen Felder ist beeindruckend.
err Röspel, da geht es aus meiner Sicht nicht nur um
errorismusbekämpfung,


(René Röspel [SPD]: Ich habe das weiter gefasst!)


ondern auch der Safety-Gedanke kommt in einigen Be-
ichen durchaus vor. Frau Sitte, das wird in dem Pro-

ramm auch ziemlich konkret. Dabei geht es um eine
ielzahl von Bereichen: kritische Infrastrukturen, Siche-
ng unserer Transporte, Sicherung der Informations-

trukturen, Sicherung der Bürger vor Infektionen, Si-
herheit der Bürger bei Massenveranstaltungen, Sicher-
eit von Einsatzkräften – auch hier gibt es wieder einen
afety-Aspekt –,





Dr. Philipp Murmann


(A) )


)(B)


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das sind Überschriften! Da steht kein einziges Projekt drin! Geld schon mal gar nicht!)


Sicherung unserer Lebensmittel, Sicherung der Um-
welt vor Gefahrenstoffen.

Das Ziel unserer Politik ist es, eine gleichermaßen
freie wie sichere Gesellschaft zu gewährleisten. Das ist
unsere vornehmste Aufgabe. Deswegen ist es aus meiner
Sicht wichtig und finde ich es großartig, dass es ein sol-
ches Forschungsprogramm gibt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Lassen Sie mich noch einmal einige Aspekte aufgrei-
fen, die bereits angesprochen wurden. Die Berücksichti-
gung von vorrangig mittelständischen Unternehmen in
diesem Bereich liegt mir natürlich besonders am Herzen.
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass rund ein Vier-
tel der Projektpartner kleine und mittlere Unternehmen
sind. Das Programm ist eine große Chance für den Aus-
tausch zwischen der Forschung und den KMU.


(René Röspel [SPD]: Krauss-Maffei!)


– Nein, auch viele KMU; ich komme gleich zu einem
Beispiel. – Es handelt sich um eine wachsende Branche,
in der Deutschland in vielen Bereichen führend ist. Der
Zugang zu neuesten Forschungsergebnissen kommt so
auch den KMU zugute. Wir wollen auch das Miteinan-
der von kleinen und großen Unternehmen fördern. Diese
Produkte haben gute Exportchancen. Die Produkte kom-
men nicht nur aus dem Rüstungsbereich, sondern auch
aus vielen nützlichen Bereichen, auf die ich gleich noch
zu sprechen komme. Diese Chancen wollen wir weiter
nutzen.

Ein Beispiel: Die Firma bbe Moldaenke ist ein kleines
Familienunternehmen aus meinem Wahlkreis. Es wurde
vor mehr als 20 Jahren gegründet, übrigens aus einem
Forschungsprojekt heraus, und es ist somit auch ein
schönes Beispiel für Unternehmensgründungen aus der
Forschung heraus. Der Inhaber hat das Unternehmen
über viele Jahre nachhaltig aufgebaut. Mittlerweile hat
er 22 Mitarbeiter und ist an drei Verbundprojekten betei-
ligt.

In einem der Projekte geht es im Wesentlichen darum,
wie man krankheitserregende Bakterien in Trinkwasser
schneller und effizienter aufspüren kann, also ein Pro-
jekt, das mit Terrorismus überhaupt nichts zu tun hat.
Siemens hatte übrigens auch einmal ein solches Projekt
gestartet, hat es dann aber eingestellt. Das zeigt das wie-
derkehrende Phänomen, dass manche Großunternehmen
bestimmte Projekte starten, sie dann aber einstellen, wo-
raufhin kleine innovative Unternehmen das Projekt auf-
greifen und daraus eine echte Erfolgsgeschichte machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich finde, das ist gut so. Darum ist die Beteiligung dieser
Unternehmen so wichtig.

Zweiter Aspekt: europäische und internationale Ver-
netzung der Forschungsaktivitäten. Die Sicherheitsfor-
schung ist ein Eckpfeiler im 7. Europäischen Forschungs-
rahmenprogramm. Es gibt eine enge Zusammenarbeit
mit den europäischen Partnern. Ich möchte aber ganz be-

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(C (D onders die Zusammenarbeit außerhalb von Europa herorheben. Aus meiner Sicht ist beispielsweise die vielfältige Zuammenarbeit mit unseren Freunden in Israel von Beeutung. Wie schwierig und diffizil die Sicherheitslage ort ist, wissen wir alle. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ein sehr heikles Beispiel!)


rael ist aber auch ein Land mit herausragender For-
chung und mit vielen jungen, innovativen Unterneh-
en. 2008 beispielsweise betrug der Anteil der Investi-
onen in Forschung und Entwicklung am Bruttoinlands-
rodukt fast 5 Prozent. Das liegt noch weit über dem,
as wir uns als Ziel gesetzt haben. Wir können auch in
er gesellschaftlichen Debatte viel gewinnen, wenn wir
ns mit den Israelis im Rahmen dieser Projekte austau-
chen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Lassen Sie mich noch kurz zwei weitere Aspekte nen-
en, zunächst die disziplinübergreifende Zusammenar-
eit. Das ist aus meiner Sicht ein ganz wichtiger neuer
spekt. Wir wissen, dass heute gerade die Forschung in
renzbereichen zu bahnbrechenden Neuerungen führt.
dem Zusammenhang ist es wichtig, dass immerhin

chon 20 Prozent der Gesamtfördersumme – ich glaube,
err Röspel und auch Herr Rossmann haben es vorhin

chon erwähnt – in die Begleitforschung investiert wer-
en. Sie hatten von 80 Prozent gesprochen.


(René Röspel [SPD]: Die haben wir eingefordert!)


h glaube, es ist wichtig, dass man diesen Aspekt über-
aupt berücksichtigt hat. Insofern glaube ich auch, dass
och weitere neue Aspekte zum Tragen kommen.

Die Einbindung von Endnutzern wurde ebenfalls an-
esprochen. Es ist wichtig, dass nicht nur die For-
chungsergebnisse selbst erzeugt werden, sondern dass
araus auch neue Anwendungen entstehen, die uns wei-
rbringen.

Ich komme zum Schluss und möchte sagen, dass ich
ie zivile Sicherheitsforschung für eines der spannends-
n Forschungsfelder unserer modernen Gesellschaft
alte. Es kann nicht immer nur um ein Mehr an Sicher-
eit gehen. Dieser wichtige Punkt bedarf sicherlich der
iskussion. Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit, aber
enn es zu viel Sicherheit gibt – das erleben wir manch-
al auch hier bei den Sicherheitsvorkehrungen im Deut-

chen Bundestag –, kommt es gelegentlich zu Beklem-
ungen. Man muss immer wieder das richtige Maß
nden und sich an die Erfordernisse anpassen. Deswe-
en ist es sinnvoll, solch ein Forschungsprogramm zu
aben. Wir unterstützen dieses Forschungsprogramm
nd sorgen dafür, dass es im Haushalt ordentlich veran-
ert wird. Hier sehen wir uns auf einem guten Weg. Des-
egen bringen wir diesen Antrag ein und hoffen auf Ihre
nterstützung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )


)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715817400

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 17/8573 und 17/8500 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 10 a und 10 b so-
wie den Zusatzpunkt 8 auf:

10 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Angelika Krüger-Leißner, Anette Kramme,
Siegmund Ehrmann, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der SPD

Die Schutzfunktion der Arbeitslosenversiche-
rung stärken – Rahmenfrist verlängern – Re-
gelung für kurz befristet Beschäftigte weiter-
entwickeln

– Drucksache 17/8574 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Brigitte
Pothmer, Fritz Kuhn, Agnes Krumwiede, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Flexibel Beschäftigte in der Arbeitslosenversi-
cherung besser absichern

– Drucksache 17/8579 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine
Zimmermann, Jutta Krellmann, Dr. Lukrezia
Jochimsen, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion DIE LINKE

Arbeitslosengeld statt Hartz IV – Zugang zur
Arbeitslosenversicherung erleichtern

– Drucksache 17/8586 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Kultur und Medien

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Angelika Krüger-Leißner für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Angelika Krüger-Leißner (SPD):
Rede ID: ID1715817500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die Nachricht, dass rund ein Viertel der Men-

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(C (D chen, die nach Beschäftigung arbeitslos werden, kein rbeitslosengeld bekommt, hat mich tief erschüttert. as belegen aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Areit; die Presse hat ausführlich darüber berichtet. Die etroffenen fallen direkt in die Grundsicherung, obwohl ie regelmäßig Beiträge an die Arbeitslosenversicherung ezahlt haben. Das bedeutet: Für 25 Prozent der Bechäftigten hat die Arbeitslosenversicherung ihre Schutznktion verloren, und die Tendenz ist steigend. Für mich stößt das Gesetz an die Grenzen der Verfasungsmäßigkeit, und ich wage nicht, vorherzusagen, wie ine entsprechende Verfassungsklage ausginge; denn ein iertel der Beschäftigten leistet Beiträge, um sich für en Fall der Arbeitslosigkeit abzusichern, aber wenn ieser Fall eintritt, schauen die Menschen in die Röhre. h meine, das entzieht dieser Versicherung die Legitiationsgrundlage; ich persönlich halte das für einen so ialpolitischen Skandal. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


as können wir nicht hinnehmen; wir müssen handeln.

Die SPD-Fraktion hat verschiedene Arbeitsmarkt-
xperten konsultiert, um eine Lösung zu finden. Unser
ntrag ist das Ergebnis dieser Bemühungen. Wir wollen
ie Rückkehr zur Rahmenfrist von drei Jahren. Das
ürde auch nach Einschätzungen der BA einem großen
eil der Betroffenen helfen; wir könnten sie wieder in
ie solidarische Versicherung hereinholen. Das würde
ie Arbeitslosenversicherung stärken, letztendlich auch
nseren Sozialstaat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will es gar nicht
erschweigen: Wir selbst haben 2003 in Regierungsver-
ntwortung die Rahmenfrist von drei auf zwei Jahre ver-
ürzt. Aber was damals, 2003, richtig war, muss nicht
uch heute noch angemessen sein. Der Arbeitsmarkt hat
ich in den vergangenen Jahren geradezu dramatisch
erändert: Jedes zweite neue Arbeitsverhältnis ist befris-
t. Die Kurzbefristungen nehmen weiter zu: Leiharbeit,
aisonbeschäftigung, Teilzeitbeschäftigung und Prakti-
antentätigkeiten haben stark zugenommen. Projektge-
undene Beschäftigung ist im Kreativ- und Kulturbe-
ich vorrangig.

Ja, die Welt hat sich verändert, und darauf müssen wir
agieren. Dabei sind wir lernfähig und halten nicht
eologisch an dem fest, was einmal richtig war. Noch

in Hinweis, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
oalition: Damals haben Sie gegen die Verkürzung der
ahmenfrist gestimmt. Vielleicht erinnern Sie sich noch;
ie können es nachlesen. Heute haben Sie nicht nur die
öglichkeit, den alten Zustand wiederherzustellen, son-

ern auch noch allen Grund dazu. Die Experten werden
nen das vor Augen führen, wenn wir in wenigen Wo-

hen die Anhörung zu den vorliegenden Anträgen durch-
hren. Wenn Sie den Anträgen nicht zustimmen wollen,

rwarten wir Ihre Vorschläge, wie Sie auf die Erosion
er Schutzfunktion der Arbeitslosenversicherung reagie-
n wollen.





Angelika Krüger-Leißner


(A) )


)(B)

Die Analyse des Arbeitsmarktes zeigt uns auch, dass
mit der dreijährigen Rahmenfrist nicht allen geholfen ist.
Es bleibt ein Kernbereich der kurz befristet Beschäftig-
ten, die weiterhin auf eine Sonderlösung angewiesen
sind. Dazu gehören viele Beschäftigte im Bereich der
Kultur- und Kreativwirtschaft, vor allem bei Film, Fern-
sehen und Theater.

In einer Stunde wird die Berlinale eröffnet. Natürlich
stehen vor allem die Stars im Mittelpunkt. Aber wir dür-
fen nicht vergessen, dass sie nur ein Teil der Filmbran-
che sind. Zur ganzen Wirklichkeit gehören auch diejeni-
gen, die hinter der Kamera stehen. Erst mithilfe dieser
Filmschaffenden werden all die Filme möglich, die wir
in den nächsten Tagen zu sehen bekommen.

Die Berufswirklichkeit und die soziale Absicherung
der Filmschaffenden sehen alles andere als rosig aus.
Projektgebundene Arbeit mit regelmäßigen Unterbre-
chungen zwischen den Arbeitsverhältnissen, niedrige
Gagen und lange Drehtage sind bei vielen die Regel. Für
diese kurzfristig Beschäftigten aller Branchen haben wir
2009 eine auf sechs Monate verkürzte Anwartschaft ge-
schaffen. Aber das ist an Voraussetzungen gebunden, die
von den meisten nicht erfüllt werden können, sodass bis-
her kaum jemand von der Sonderregelung profitiert hat.

Nach zweieinhalb Jahren Erfahrung wissen wir: Die-
ses Gesetz läuft ins Leere, und es verfehlt sein Ziel. Be-
legt wird das durch zwei Monitoringberichte an den
Haushaltsausschuss. Danach haben aufgrund dieser Re-
gelung innerhalb eines Jahres sage und schreibe 242
kurz befristet Beschäftigte Arbeitslosengeld bezogen,
fast die Hälfte kommt aus dem Kulturbereich. Wissen-
schaftliche Studien, in Auftrag gegeben von Verdi und
dem Schauspielerverband, zeigen auf, dass trotz der ver-
kürzten Anwartschaft gerade einmal 5,5 Prozent der be-
fragten Filmschaffenden Arbeitslosengeld I beziehen
konnten, lediglich 4,6 Prozent der Schauspieler profitier-
ten davon.

Es gibt überhaupt keinen Zweifel: Das Gesetz von
2009 ist wirkungslos. Ablesen können wir das an den ge-
ringen Kosten, die es bisher verursacht hat. Wir erinnern
uns: Veranschlagt waren 50 Millionen Euro jährlich, de
facto hat es die BA im vergangenen Jahr noch nicht ein-
mal 1 Million Euro gekostet. Darum ist unser Vorschlag:
Fortschreibung der auf sechs Monate verkürzten An-
wartschaft für alle kurzfristig Beschäftigten unter Weg-
fall aller Hürden. Sowohl die Begrenzung der Beschäfti-
gungsdauer – derzeit sechs Wochen – als auch die
Einkommensgrenzen gehen an der Berufswirklichkeit
der Menschen, die eigentlich davon profitieren sollen,
vorbei.

Mit unserem Vorschlag wollen wir uns aber nicht auf
ein ungewisses Abenteuer einlassen. Deshalb befristen
wir das Gesetz auf drei Jahre und begleiten es durch eine
wissenschaftliche Evaluation. Dadurch erhalten wir lau-
fend Erkenntnisse über die Auswirkung, übrigens auch
in finanzieller Hinsicht, und wir können entsprechend
nachsteuern.

Wir wissen, dass die Sonderregelung für alle kurz be-
fristet Beschäftigten in wenigen Monaten ausläuft, ge-
nau am 1. August. Es muss also gehandelt werden. Was
fällt der Koalition dazu ein? Sie will im Wesentlichen al-

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(C (D s beim Alten lassen. Eine kleine Änderung will sie alrdings vornehmen. Die zu berücksichtigende Beschäfgungsdauer soll von sechs auf zehn Wochen erhöht erden. Das ist lächerlich. Sämtliche Stellungnahmen on Verbänden und Gewerkschaften, die seit langem auf em Tisch liegen, belegen, dass bei der Verlängerung der rist auf zehn Wochen kaum mehr Menschen in den Geuss von Arbeitslosengeld I kommen würden. Die Ignonz, die Sie gegenüber den Betroffenen an den Tag le en, hat mich sehr überrascht. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])


h kann an die Koalition nur appellieren, ihre Pläne
och einmal zu überdenken. Die Anhörung in wenigen
ochen wird Gelegenheit dazu geben.

Noch ein Wort zum Antrag der Grünen. Ich freue
ich über diesen Antrag. Ihr Vorschlag geht total in die
chtige Richtung. Rechnerisch kommen wir zum glei-
hen Ergebnis. Es ist egal, ob sechs Monate Beschäfti-
ung in drei Jahren oder vier Monate Beschäftigung in
wei Jahren nötig sind, um Arbeitslosengeld I zu erhal-
n. Das wird auch von den Verbänden so gesehen. Ich
laube, das ist eine gute Basis. Um das umzusetzen, wer-
en wir bestimmt zusammenkommen.

Auch den Antrag der Fraktion der Linken, der mich
eute erreicht hat, kann ich nur begrüßen. Wir stimmen
vielen Punkten überein.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715817600

Frau Kollegin Krüger-Leißner, können Sie die weitere

eratung dieser Anträge jetzt tatsächlich in die Aus-
chüsse verlegen? Ihre Redezeit ist überschritten.


Angelika Krüger-Leißner (SPD):
Rede ID: ID1715817700

Ich möchte der Koalitionsfraktion noch etwas ans

erz legen: Nehmen Sie die Veränderung der Arbeits-
elt zur Kenntnis. Überdenken Sie Ihren Vorschlag noch

inmal, und passen Sie ihn der Lebens- und Arbeitswirk-
chkeit der Menschen, die kurzfristig beschäftigt sind,
n!

Danke.


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715817800

Das Wort hat der Kollege Dr. Carsten Linnemann für

ie Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Carsten Linnemann (CDU):
Rede ID: ID1715817900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ir debattieren heute über drei Anträge, Frau Krüger-

eißner. Auch die Linken haben einen Antrag gestellt.
s geht um das Thema Arbeitslosenversicherung. Der
orwurf lautet, dass die Schutzfunktion in der Arbeitslo-
enversicherung nicht ausgeprägt genug ist.


(Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Genau so ist es!)






Dr. Carsten Linnemann


(A) )


)(B)

Frau Krüger-Leißner, gestatten Sie mir, bevor ich auf
den Antrag der Grünen und der Linken eingehe, eine
grundsätzliche Bemerkung. Es ist schon ein bisschen
grotesk; denn dies ist der zweite Aufschlag, den Sie in
diesem Jahr machen, um Ihre Arbeitsmarktreformen zu-
rückzudrehen. Auch im Tennis gibt es zwei Aufschläge.
Der erste wird nicht auf Sicherheit gespielt, sondern mit
vollem Risiko, der zweite aber auf Sicherheit. Sie spie-
len meiner Meinung nach beide mit vollem Risiko


(Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Ich nicht! Ich bin nicht der Meinung!)


und setzen damit die arbeitsmarktpolitischen Erfolge
dieses Landes aufs Spiel.


(Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Nein!)


Anfang Januar war es die Rente mit 67, die Sie in-
frage gestellt haben.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Leider nicht!)


Wir haben groteskerweise Herrn Müntefering in Schutz
genommen und an dem festgehalten, was wir gemacht
haben. Mit dem zweiten Aufschlag wollen Sie heute eine
weitere wichtige Arbeitsmarktreform zurückdrehen.


(Katja Mast [SPD]: Setzen Sie sich doch einmal inhaltlich mit dem Antrag auseinander!)


Noch grotesker wird es, wenn man sich die erfolgreiche
Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ansieht. Dieser Er-
folg wird insbesondere im internationalen Vergleich
deutlich; denn Sie müssen lange suchen, um Vergleichs-
zahlen anderer Länder zu finden, die auf eine zumindest
ansatzweise so erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik wie die
unsrige hindeuten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das ist übrigens Ausdruck von Verantwortung: Wir
haben damals, bei den Hartz-Reformen, konstruktiv mit-
gemacht. 2005, als Angela Merkel Bundeskanzlerin
wurde, haben wir diese Arbeitsmarktpolitik zusammen
mit der FDP konsequent und sehr erfolgreich fortge-
führt. Das ist meiner Meinung nach Ausdruck von Ver-
antwortung, und die Zahlen sprechen Bände.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Katja Mast [SPD]: Sie machen Kahlschlag bei der Arbeitsmarktpolitik!)


– Nein. Wir können gerne auf die konkreten Vorschläge
eingehen. Das war nicht einfach. Das ist eine kompli-
zierte Materie, gerade wenn es um die Finanzierung
geht.


(Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Aber wir haben es einfach gemacht!)


– Sie haben es einfach gemacht.


(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP], an die Abg. Angelika Krüger-Leißner [SPD] gewandt: Sie haben es sich einfach gemacht! Das ist sicher richtig!)


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(C (D rau Krüger-Leißner, jetzt hören Sie doch erst einmal zu. ie haben es gemacht, über Finanzierung lese ich in Ihm Antrag aber überhaupt nichts. Von den Linken höre h auch nichts zur Finanzierung. Frau Pothmer, ich eue mich auf Ihren Beitrag. (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Ich aber nicht!)


ie können mir ja einmal sagen, wie Sie das finanzieren
ollen. Das müssen die Beitragszahler übernehmen.
ach seriösen Schätzungen kostet Ihr Vorschlag über

ine halbe Milliarde Euro.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 240 Millionen, Herr Linnemann!)


Darüber können wir gleich reden. – Der Vorschlag der
inken soll 0,7 Milliarden Euro kosten.

Jetzt einmal konkret zu Ihrem Vorschlag.


(Sabine Zimmermann [DIE LINKE]: Wie viel Hartz IV zahlen Sie denn dafür?)


Jetzt hören Sie doch erst einmal zu. Sie haben doch
leich das Wort. – Sie sagen – das ist der Kerngedanke
res Vorschlages –: Es ist nicht gut, dass viele Arbeit-

ehmer, die arbeitslos werden, zurück in Hartz IV rut-
chen. Das sind mehr geworden.


(Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Obwohl sie zahlen!)


Obwohl sie zahlen. Da haben Sie völlig recht. Im Zeit-
um von 2009 bis 2011 gab es eine Steigerung um

5 Prozent.


(Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Das muss man dazusagen!)


Ja, aber das ist nur die halbe Wahrheit. – Sie unterstel-
n, dass die Zahl derjenigen, die aus dem Hartz-IV-Sys-
m in den Arbeitsmarkt gewandert sind, gleichgeblie-
en ist. Das ist aber falsch. Ich habe Ihnen die Zahlen
inmal mitgebracht. Im letzten Jahr sind 920 000 Men-
chen aus dem Hartz-IV-System in den ersten Arbeits-
arkt gewandert. Im Jahr 2009 – das ist ein Vergleichs-
ert – waren das 730 000 Menschen. Das entspricht

iner Zunahme um 26 Prozent. Das steht im Gegensatz
u der vorhin genannten Zunahme um 15 Prozent. Es
andern also mehr Menschen aus dem Hartz-IV-System
den ersten Arbeitsmarkt als zurückgehen. Das heißt,
ie ziehen die falschen Schlüsse.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Sabine Zimmermann [DIE LINKE]: Und die Aufstocker?)


Sie müssen doch sehen, dass erstens die Chance für
angzeitarbeitslose, einen Arbeitsplatz im ersten Ar-
eitsmarkt zu bekommen, noch nie so groß war wie
eute. Sie ist nicht groß genug, aber die Zahlen sprechen
ände. Zweitens muss es jetzt unsere Aufgabe sein, uns
ie Frage zu stellen, wie diese Menschen im ersten Ar-
eitsmarkt bleiben und nicht wieder zurückkommen.
as ist doch die zentrale Frage.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Dr. Carsten Linnemann


(A) )


)(B)

Wir dürfen kein neues Sozialsystem schaffen oder Men-
schen alimentieren, sondern wir müssen versuchen, den
Menschen im ersten Arbeitsmarkt eine Perspektive zu
geben.


(Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Jetzt bin ich aber auf Ihre Vorschläge gespannt!)


Ich habe mich gestern lange mit Herrn Alt von der Bun-
desagentur für Arbeit unterhalten, der das bestätigt hat.
Das ist das Problem.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er sagt, man muss unbedingt eine neue Regelung schaffen!)


Ich freue mich auf Vorschläge, wie man die Men-
schen im ersten Arbeitsmarkt halten kann. Wir müssen
die Menschen intelligenter betreuen, intelligenter coa-
chen und sie auch dann, wenn sie einen Beruf oder auch
nur einen Job haben, noch weiter betreuen.


(Katja Mast [SPD]: Machen Sie doch einmal Vorschläge!)


Zum Schluss zu Ihrem konkreten Vorschlag mit der
Sechs-Wochen-Frist, Frau Krüger-Leißner: Es gibt eine
Studie, die besagt, dass 80 Prozent der Kulturschaffen-
den, Schauspieler und anderen Personen, die in diesen
besonderen Bereich fallen, Verträge haben, die auf zehn
Wochen befristet sind. Wir haben uns jetzt die Monito-
ringberichte angesehen und festgestellt, dass es Nach-
besserungsbedarf gibt. Deswegen haben wir diese Moni-
toringberichte gemacht. Diese Nachbesserungen werden
wir jetzt vornehmen. Karl Schiewerling und Johannes
Vogel haben mir das gerade bestätigt. Wir werden auf
diese Studie reagieren und die Sechs-Wochen-Befristung
auf zehn Wochen erhöhen. Ich denke, das klappt noch
vor dem Sommer.


(Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Diese Studie können Sie mir einmal im Ausschuss zeigen! Wir haben ganz andere Untersuchungen!)


– Frau Krüger-Leißner, das ist das Problem: Bei uns gilt
das Prinzip Zielgenauigkeit. Bei Ihnen gilt das Prinzip
Gießkanne.


(Katja Mast [SPD]: Schicken Sie sie einfach vorbei!)


Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715818000

Das Wort hat die Kollegin Sabine Zimmermann für

die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715818100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Vor einiger Zeit haben wir uns mit Beschäf-
tigten aus der Film- und Fernsehindustrie getroffen. Sie
alle berichteten mir von ein und demselben Problem: Sie
zahlen in die Arbeitslosenversicherung ein, erhalten
aber, wenn sie arbeitslos werden, kein Arbeitslosen-

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(C (D eld I, sondern fallen sofort in Hartz IV, und das ist unerecht. Meist sind ihre befristeten Beschäftigungen zu kurz, m die entsprechenden Versicherungszeiten zusammenubekommen. Das heißt, jedes Mal, wenn sie keinen Job aben, müssen sie ihre Finanzen offenlegen, werden zu innlosen Bewerbertrainings oder zur Arbeit in Callcenrn gezwungen. Das ist unzumutbar und geht völlig an er Berufsbiografie vorbei. Es geht hier nicht allein um eine Berufsgruppe. Es eht um ein allgemeines Problem, das wir in Deutschnd haben. Die Arbeitslosenversicherung hat nicht die chutzfunktion, die sie haben sollte. Nach Angaben der undesagentur für Arbeit rutscht inzwischen jeder vierte rwerbslose direkt in Hartz IV. Wir Linke machen in unerem Antrag ganz konkrete Vorschläge, wie der Zugang ur Arbeitslosenversicherung erleichtert werden kann. Wir sollten uns aber auch einmal fragen: Wie konnte s so weit kommen? Da müssen wir in das Jahr 2002 zuckgehen, als die damalige rot-grüne Bundesregierung it den Hartz-IV-Gesetzen die Weichen auf dem Ar eitsmarkt in eine völlig falsche Richtung gestellt hat. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, Frau Zimmermann, ja!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


Frau Pothmer, auch Sie waren dabei. – Seitdem sprie-
en nämlich prekäre Beschäftigungsverhältnisse und
urzfristige Beschäftigungen wie zum Beispiel Leihar-
eit und Minijobs wie Pilze aus dem Boden.

Auf der anderen Seite ist die Schutzfunktion der Ar-
eitslosenversicherung eingeschränkt worden; denn die
ahmenfrist, also der Zeitraum, in dem Beschäftigte An-

prüche auf das Arbeitslosengeld I erwerben können,
urde von drei auf zwei Jahre verkürzt. Das war Ihr Ver-
ienst, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und
om Bündnis 90/Die Grünen. Die Linke fordert eine
rundlegende Korrektur dieser Fehlentscheidungen.


(Beifall bei der LINKEN)


Völlig unzureichend sind in jedem Fall die heutigen
onderregelungen für kurzzeitig Beschäftigte. Eigent-
ch sollten kurzzeitig Beschäftigte bereits dann Arbeits-
sengeld erhalten, wenn sie sechs Monate in die Ar-

eitslosenversicherung eingezahlt haben, also nicht
wölf Monate, wie regulär vorgesehen.

Es gibt jedoch zwei Fußangeln, die eine Mehrzahl der
etroffenen ausschließen: zum einen die willkürliche
erdienstgrenze von derzeit monatlich etwa 2 600 Euro
rutto. Wenn jemand mehr verdient, dann hat er Pech
nd bekommt kein Arbeitslosengeld. Zum anderen ist im
esetz festgelegt, dass nur diejenigen Arbeitslosengeld

rhalten, deren Beschäftigungsverhältnisse mehrheitlich
weils nicht länger als sechs Wochen dauern. Hat je-
and sechs Wochen und einen Tag gearbeitet, hat er

uch Pech.





Sabine Zimmermann


(A) )


)(B)

Diese restriktiven Zugangsbedingungen führen zu
abstrusen Situationen; denn viele Beschäftigte sind
einerseits nicht lange genug beschäftigt, um regulär
Arbeitslosengeld zu erhalten, aber andererseits zu lange,
um die Sonderregelung zu nutzen. Beispiele dafür gibt
es genug: in der Leiharbeit, in der Gastronomie, auch in
der Wissenschaft, überall dort, wo Menschen in kurz-
zeitig befristeten Jobs arbeiten.

Unsere Forderungen als Linke sind klar. Wir wollen
erstens eine längere Rahmenfrist. Sie muss wieder drei
Jahre statt zwei Jahre betragen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir fordern zweitens, in der derzeitigen Sonderregelung
die restriktiven Zugangsbedingungen der Verdienst-
grenze und die Beschäftigungsdauer zu streichen; dies
fordert auch die SPD.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn Sie unsere Vorschläge umsetzen würden, wür-
den viele prekär Beschäftigte erstmals Zugang zum
Arbeitslosengeld I erhalten. Wir sagen zugleich: Es gilt
auch, die prekäre Beschäftigung zu bekämpfen. Wir
können uns nicht damit abfinden, dass Millionen Men-
schen nur noch befristet, und das oft für kurze Zeit,
beschäftigt werden. Wir brauchen gute und sichere
Arbeitsplätze.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715818200

Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Johannes Vogel

das Wort.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1715818300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In den Anträgen der Opposition werden verschiedene
Themen miteinander vermengt. Die Kollegin von der
SPD hat eben den Fakt beschrieben – Kollege
Linnemann hat es ein bisschen erläutert –, dass wir über
eine grundsätzlich sehr gute Nachricht reden. Auf dem
deutschen Arbeitsmarkt ist die Situation unendlich gut:
Beschäftigungsrekorde, Hunderttausende von Men-
schen bekommen eine neue Perspektive. Das führt natür-
lich auch dazu, dass Menschen, die langzeitarbeitslos
und im Hartz-IV-System sind, erfreulicherweise häufiger
den Einstieg in den Arbeitsmarkt schaffen. Ja, nicht alle
bleiben dann leider lange genug beschäftigt, um Ansprü-
che auf Arbeitslosengeld zu erwerben.

Wir sollten uns überlegen, wie wir diesen Menschen
eine Perspektive geben, dass sie nicht nur den Einstieg in
den Arbeitsmarkt schaffen, sondern auch im Arbeits-
markt bleiben und eine Aufstiegsperspektive haben. Das
ist richtig; darüber müssen wir gemeinsam nachdenken.
Dieses Problem löst man aber nicht im Rahmen der
Arbeitslosenversicherung, sondern zum Beispiel durch
Weiterbildung von beschäftigten Arbeitnehmern; denn

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(C (D Wahrheit spaltet ja in erster Linie fehlende Qualifikaon den Arbeitsmarkt. Genau dort haben wir mit den rbeitsmarktpolitischen Instrumenten angesetzt. Und enau da hätte ich mir dann eine Zustimmung von Ihnen ewünscht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der pposition; wenn Sie sagen, dass Sie da etwas machen ollen. Das war leider nicht der Fall. Stattdessen legen Sie ns hier Anträge zur Änderung der Arbeitslosenversiherung vor. Ich will kurz im Einzelnen darauf eingehen. uerst zu den Kolleginnen und Kollegen von der SPD. iebe Frau Kollegin Mast – Frau Kollegin Krügereißner musste leider schon weg –, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Hatte Besseres zu tun!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


ie machen hier in der Tat etwas Bemerkenswertes – Kol-
ge Linnemann hat eben gesagt, es sei das zweite Mal in
iesem Jahr; ich finde, gefühlt etwa das 223. Mal in die-
er Legislaturperiode –: Sie wollen etwas zurückdrehen,
as Sie im Rahmen der Agenda 2010 selber eingeführt
aben. So langsam mache ich mir Sorgen,


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Armer Herr Vogel! Von der Sorge niedergedrückt!)


b da nicht eine Art milder Schizophrenie vorliegt, weil
ie SPD in der Regierung immer grundlegend etwas
nderes denkt als die SPD in der Opposition. Besonders
laubwürdig ist das nicht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katja Mast [SPD]: Wenn sich die Realität weiterentwickelt, muss man dazulernen! Das können Sie anscheinend nicht!)


Sie wollen wieder einmal etwas zurücknehmen, das
ie im Rahmen der Agenda damals selbst eingeführt
aben, Sie wollen statt der zweijährigen Rahmenfrist
ieder die dreijährige Rahmenfrist.


(Katja Mast [SPD]: Was wollen Sie gegen prekäre Beschäftigung tun?)


ollegin Krüger-Leißner hat das eben interessant
egründet. Sie hat gesagt: Der Arbeitsmarkt hat sich
ewandelt.


(Katja Mast [SPD]: Ja!)


h frage mich ernsthaft: Was hat sich seit 2009 in dieser
insicht Wesentliches auf dem Arbeitsmarkt verändert?


(Katja Mast [SPD]: Prekarisierung von Arbeit! Befristete Beschäftigung!)


ie haben es damals selber eingeführt. Bis 2009 war das
rbeitsministerium SPD-geführt. Bis dahin sahen Sie
einen Handlungsbedarf. Schwupp, wenn Sie in der
pposition sind, muss man es natürlich wieder anders-
erum machen. Ein Argument dafür, was sich seit 2009
erändert hat – einmal abgesehen von der guten Lage auf
em Arbeitsmarkt –, habe ich eben nicht gehört. Ich bin





Johannes Vogel (Lüdenscheid)



(A) )


)(B)

gespannt, ob dazu im Laufe der weiteren Beratung Ihres
Antrags noch etwas kommt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Katja Mast [SPD])


Außerdem wollen Sie die Sonderregelung für kurz-
fristig Beschäftigte ändern. Diese muss es in der Tat
geben. Ja, es gibt Arbeitsverhältnisse, zum Beispiel für
Filmschaffende, die qua ihrer Natur kurzfristig sind. Das
ist richtig; das sehen auch wir. Für diese muss es ein
passgenaues Angebot in der Arbeitslosenversicherung
geben. Aber warum Sie die Verdienstgrenze abschaffen
wollen, ist mir, ehrlich gesagt, nicht ganz klar. Die Lin-
ken nennen die Verdienstgrenze sogar willkürlich. Es
handelt sich sozusagen um eine besondere Regelung
zugunsten einer Gruppe in der Versichertengemein-
schaft; dies zahlt die gesamte Solidargemeinschaft.
Warum man hier eine Verdienstgrenze einführen sollte,
hat der Parlamentarische Staatssekretär Klaus Brandner,
SPD, in der letzten Legislaturperiode in einem Brief aus-
geführt


(Pascal Kober [FDP]: Oh! Von der SPD war der? Aha!)


– ich will das kurz vorlesen –:

Die Sonderregelung greift nur zugunsten von Perso-
nen, die zuletzt ein Jahresentgelt erzielt haben, das
nicht über dem Durchschnitt aller Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer liegt. Damit vermeiden wir,
dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die …
ein überdurchschnittlich hohes Jahreseinkommen
erzielen, in ihren beschäftigungsfreien Zeiten zu-
sätzlich Arbeitslosengeld erhalten.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aha! Interessant!)


Dieses müsste durch die übrigen Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer, die zum Teil mit einem
geringen Jahreslohn auskommen müssen, sowie
durch deren Arbeitgeber finanziert werden.

In meinen Worten: Wer überdurchschnittlich viel ver-
dient, kann nicht auf besondere Solidarität bzw. eine
Sonderregelung zulasten der gesamten Solidargemein-
schaft hoffen. Das funktioniert nicht.


(Katja Mast [SPD]: Das werden wir in der Anhörung erfahren!)


Wer überdurchschnittlich viel verdient, erfährt also keine
besondere Behandlung durch die Solidargemeinschaft.
Dazu sollten Sie sich in meinen Augen weiterhin beken-
nen.


(Katja Mast [SPD]: Abwarten!)


In der letzten Legislaturperiode haben Sie das noch ver-
standen; Ihr eigener Staatssekretär hat das ausgeführt.
Jetzt sagen Sie, das sei nicht mehr nötig. Eine Begrün-
dung habe ich dafür nicht gehört, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der SPD.


(Katja Mast [SPD]: Abwarten! Wir werden ja eine Anhörung haben!)


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(C (D Jetzt will ich zum Antrag der Grünen kommen. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bravo! – Gegenruf des Abg. Pascal Kober [FDP]: Na ja! Ob der so „Bravo“ ist, weiß ich nicht!)


iebe Frau Kollegin Pothmer, man muss sagen: Sie las-
en wenigstens den populistischen Unsinn im Zusam-
enhang mit der Rahmenfrist. Sie greifen zu Recht

inen anderen Punkt auf und suchen eine Antwort auf
ie Frage: Was machen wir für diejenigen, die qua Natur
res Beschäftigungsverhältnisses


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immerhin: Sie haben es verstanden, Herr Vogel!)


ja, das habe ich verstanden – eine Sonderregelung
rauchen?


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann ich Ihnen erklären!)


Nur, eines verstehe ich nicht: Warum wollen Sie auch
leich eine Vermittlungspause einführen? Sie wollen,
ass die Menschen dann gar nicht mehr vermittelt wer-
en.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Falsch!)


adurch wollen Sie, wie Sie schreiben, neue Optionen
chaffen. Mir ist nicht ganz klar, was das bedeuten soll.
h wäre wirklich froh, wenn Sie das gleich erklären
ürden.

Normalerweise funktioniert Vermittlung so, dass sich
wei Beteiligte bemühen, den Zustand der Arbeitslosig-
eit zu beenden: der Betroffene selbst und die Bundes-
gentur für Arbeit. Wenn Sie die Bemühungen der Bun-
esagentur streichen, dann sind es nicht mehr zwei, die
ich bemühen, sondern dann ist es nur noch einer. Wie
adurch mehr Optionen und bessere Perspektiven auf
em Arbeitsmarkt geschaffen werden sollen, ist mir
icht einsichtig. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir
as gleich erklären würden, Frau Kollegin Pothmer.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Freiberufler! Selbstständige!)


Grundsätzlich muss ich sagen: Ja, es gibt, zum Bei-
piel in der Filmindustrie – heute Abend findet die Berli-
ale statt; es ist ja kein Zufall, dass wir heute über dieses
hema diskutieren, wenn ich das so sagen darf –, Men-
chen, für die qua Natur ihres Beschäftigungsverhältnis-
es eine Sonderregelung gilt. In diesem Bereich gibt es
ämlich viele Jobs, die befristet sind, und zwar deshalb,
eil auch die entsprechenden Projekte befristet sind.
iesen Menschen müssen wir ein Angebot machen.
ber: Rot-Grün hat das nie für nötig gehalten; das muss
an dann eben ehrlicherweise auch sagen. Erst die
roße Koalition hat hier eine Sonderregelung einge-
hrt; der Kollege Linnemann hat eben darauf hingewie-

en.

Es ist nicht so, liebe Kolleginnen und Kollegen von
en Grünen, als würden wir nicht wissen, dass diese





Johannes Vogel (Lüdenscheid)



(A) )


)(B)

Regelung im August dieses Jahres ausläuft. Nein, wir
haben in der Koalition schon vereinbart, diese Regelung
zu verlängern. Im Rahmen dieser Verlängerung wollen
wir die Situation zudem an einer entscheidenden Stelle
verbessern. Wir wollen die zugrunde liegende Beschäfti-
gungsdauer von sechs auf zehn Wochen erhöhen. Das ist
nämlich die entscheidende Stelle, an der es in der Ver-
gangenheit Probleme gab, weil die bestehende Regelung
nicht passgenau war. Die neue Regelung werden wir zu-
dem zunächst evaluieren, bevor wir an der Systematik
der Arbeitslosenversicherung etwas Grundlegendes
ändern.

Ich kann nur festhalten: Die Kolleginnen und Kolle-
gen von SPD und Linken betreiben wieder einmal nur
Selbstbeschäftigungstherapie im Zusammenhang mit der
Agenda 2010.


(Katja Mast [SPD]: Nein! Wir werden den Sachverständigen zuhören!)


Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,
beschäftigen sich zwar mit einem realen Problem, mit
einer realen Herausforderung auf dem Arbeitsmarkt. Wir
haben für dieses Problem aber schon eine bessere
Lösung gefunden. Deshalb glaube ich, dass es für Ihren
Antrag – ich denke insbesondere an den mir nicht ein-
sichtigen Unsinn im Zusammenhang mit der Vermitt-
lungspause – keine Notwendigkeit gibt. Auf die weitere
Diskussion im Ausschuss freue ich mich. Vor allem von
der SPD würde ich gerne weitere Begründungen hören.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715818400

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kol-

legin Brigitte Pothmer das Wort.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715818500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die

Arbeitslosenversicherung orientiert sich nach wie vor an
dem alten Bild des Normalarbeitsverhältnisses. Sie ist
dazu da, langjährig Beschäftigten ein Minimum an
Sicherheit zu geben. Ich würde sagen: Das tut sie. Aber,
Herr Linnemann: Bei allen Erfolgen in der Arbeits-
marktpolitik muss man zur Kenntnis nehmen, dass sich
die Situation auf dem Arbeitsmarkt grundlegend verän-
dert hat.

Die Hälfte aller neu begründeten Beschäftigungsver-
hältnisse ist inzwischen befristet. Die Leiharbeit hat
exorbitant zugenommen.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Besser als gar keine Arbeit!)


Projektarbeit und Kurzzeitmanagement sind Arbeitsver-
hältnisse, die nicht nur bei Kreativen, sondern auch bei
Nachwuchswissenschaftlern sowie bei Journalistinnen
und Journalisten vorkommen. Auch deren Arbeitsalltag
ist davon geprägt. Sie alle sind im Falle der Arbeitslosig-
keit ungeschützt. Im Jahr 2010 – hören Sie sich diese
Zahl einmal an – wurde der Antrag auf Arbeitslosen-
geld I bei 120 000 Menschen abgewiesen, weil sie die

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(C (D ahmenbedingungen nicht erfüllt haben. Daran sehen ie, über welche Dimension Sie reden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Zum Thema Zielgenauigkeit will ich Ihnen einmal
twas sagen: Ihre Regelung hat genau 242 Menschen
etroffen. Das ist Zielgenauigkeit à la FDP und CDU/
SU.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Frau Kollegin, wie war das denn zu Zeiten der Großen Koalition? Sie haben gar nichts geregelt! Warum hat Rot-Grün gar nichts geregelt? – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kümmerlich!)


Meine Damen und Herren, die Situation ist dadurch
ekennzeichnet, dass Leute in die Arbeitslosenversiche-
ng einzahlen, aber keinen Cent daraus bekommen,
eil die Bedingungen dazu führen, dass sie durch den
ost fallen. Hier besteht eine riesengroße Gerechtig-
eitslücke, und diese Situation müssen wir korrigieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Sabine Zimmermann [DIE LINKE])


Genau hier verweigern Sie sich. Weder schieben Sie
en ausufernden befristeten Beschäftigungsverhältnis-
en, der Leiharbeit etc. einen Riegel vor noch sorgen Sie
afür, dass die betroffenen Menschen im Falle der
rbeitslosigkeit wenigstens einigermaßen abgesichert

ind. Sie lassen die Leute wirklich im Regen stehen.

Die Erkenntnis, dass Ihre Sonderregelung unwirksam
t, haben Sie nicht etwa erst jetzt nach der Evaluierung
ewonnen. Ich hatte vor zwei Wochen wirklich ein
rlebnis der dritten Art.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Zuruf von der FDP: In Ihrer Fraktion?)


uf einer Podiumsdiskussion haben sich Filmschaffende
u Recht darüber beklagt, dass die Regelung, die Sie
ngeblich für sie getroffen haben, unwirksam ist. Auf
ieser Veranstaltung war auch Frau Connemann, die
eute leider nicht hier ist. Sie hat sich nicht im Gerings-
n erstaunt gezeigt. Sie hat nämlich ganz unumwunden

ugegeben, dass sie bereits bei der Schaffung der Rege-
ng fest davon überzeugt war, dass diese Regelung

nwirksam ist.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenigstens ehrlich!)


Meine Damen und Herren, das war ein Gesetz für die
alerie, und Sie sind im Begriff, ein zweites Gesetz für
ie Galerie zu machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


o schafft man Politikverdrossenheit. Ich fordere Sie
eswegen auf: Schaffen Sie eine praxistaugliche Rege-





Brigitte Pothmer


(A) )


)(B)

lung, mit der wirklich auch den 120 000 Menschen, die
derzeit durch den Rost fallen, ein Angebot gemacht
wird. Ihr Angebot, die Sechs-Wochen-Regelung auf
zehn Wochen auszuweiten, wird daran nichts Grundle-
gendes ändern.

Herr Vogel, Sie haben unseren Antrag schon zitiert.
Wir sagen, wir machen eine unbürokratische, einfache
und realitätstaugliche Regelung.

Für Sie komme ich jetzt noch einmal ganz kurz zur
Vermittlungspause. Sie haben hier ja schon einige der
von Kurzzeitbeschäftigungsverhältnissen Betroffenen
genannt. Was macht es für einen Sinn, wenn ein Film-
schaffender, der nach einem Engagement arbeitslos
wird, in ein Bewerbungstraining und ähnliche Maßnah-
men geschickt wird? Diese Zeit muss er in Absprache
mit der Agentur für Arbeit bzw. dem Jobcenter dazu nut-
zen, sich eine neue Perspektive zu schaffen und ein
neues Engagement zu besorgen. Hier kann man mit einer
Vermittlungspause erstens Geld sparen und zweitens die
Betroffenen darin unterstützen, sich selber ein neues
Angebot zu organisieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Die Vermittlungspause gilt für alle, Frau Kollegin, nicht nur für Filmschaffende!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715818600

Kollegin Pothmer, kommen Sie bitte zum Schluss.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715818700

Ich komme zum Schluss.

Verehrte Abgeordnete der Regierungsfraktionen, die
Sonderregelung läuft im Sommer aus. Die Vorschläge
der Opposition liegen auf dem Tisch. Die Einzigen, die
die Hausaufgaben nicht gemacht haben, sind Sie, und
das finde ich verantwortungslos.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715818800

Das Wort hat der Kollege Paul Lehrieder für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1715818900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Meine Vorrednerin hat ausgeführt, sie
habe ein Erlebnis der dritten Art gehabt.


(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Frag sie doch einmal, warum Rot-Grün gar nichts gemacht hat!)


Liebe Frau Pothmer, ich hatte gestern auch ein Erlebnis
der dritten Art. Ich habe meine Zeitung aufgeschlagen
und sah darin eine ernst schauende Brigitte Pothmer.
Daneben las ich einen Kommentar der B.Z.:

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(C (D Schlimm genug, dass sich viele Menschen von Job zu Job hangeln müssen. Noch schlimmer ist die Konsequenz, die SPD und Grüne ziehen: Statt dafür zu kämpfen, dass aus Kurzzeitwieder Dauerarbeitsplätze werden, zementieren sie mit einer Ausweitung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld genau jenen Zustand: Firmen wird es umso leichter fallen, Jobs zu befristen. Und um all das zu finanzieren, werden die Beiträge steigen. Die Diagnose ist richtig, die Medizin … falsch. Wir diskutieren heute Anträge der Grünen, der SPD nd der Linken zur Veränderung des Arbeitslosengeld-I-, ber auch des ALG-II-Bezuges. Das ist abermals, wie ie Vorredner bereits zum Teil ausgeführt haben, alter ein in neuen Schläuchen. Man kann es auch anders sa en: Das ist ein wunderschön geschnitztes trojanisches ferd. Es klingt gut, zu sagen: Jeder, der arbeitslos wird, oll möglichst bald einen Anspruch auf ALG I, also 0 Prozent seines letzten Einkommens haben. – Das lingt toll, aber Sie lassen in Ihren Anträgen vermissen, ie Sie das finanzieren wollen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Frau Kollegin Krüger-Leißner hat ausgeführt: Bei
urzfristiger Beschäftigung besteht kein Anspruch auf
LG I, auch wenn regelmäßig Beiträge gezahlt wurden.
un erklären Sie mir doch einmal, wie bei einer Be-

chäftigungszeit von vier Monaten regelmäßig Beiträge
ezahlt werden, die einen der Gemeinschaft gegenüber
u rechtfertigenden Anspruch auf ALG-I-Bezug begrün-
en können. Das funktioniert nicht.

Da in Ihrem Antrag nicht steht, wie Sie das finanzie-
n wollen – es lässt sich trefflich darüber streiten, ob
ir nun über 300 oder 500 Millionen Euro reden; das
erden wir in der Anhörung im Ausschuss sicherlich
ontrovers diskutieren müssen –, gibt es die Möglich-
eit, das Geld woanders einzusparen oder die Beiträge
u erhöhen. Das kann man tun. Von Beitragserhöhungen
teht in keinem der Anträge etwas. Das heißt, das Geld
ird irgendwo eingespart werden müssen. Wo kann man
as Geld einsparen? Bei den aktiven Arbeitsmarktmaß-
ahmen. Das heißt, es geht hier um den Haushalt der
undesagentur für Arbeit. Genau das wollen wir nicht.

Sie kommen zu dem Ergebnis: 50 Prozent der Gering-
ualifizierten beziehen ALG II. So steht das in dem An-
ag der SPD. Das heißt, 50 Prozent der Geringqualifi-
ierten erhielten einen Anspruch auf den Bezug von
LG I, wenn sie denn tatsächlich arbeitslos würden oder
Beruf blieben. Hier geht es um eine Veränderung am

rbeitsmarkt. Von allen Vorrednern der Opposition
urde hier eben ausgeführt: Es hat maßgebliche Verän-
erungen am Arbeitsmarkt gegeben. – Ja, das stimmt.
er Beschäftigungsboom ist auch bei den Langzeitar-
eitslosen angekommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)






Paul Lehrieder


(A) )


)(B)

Die Kehrseite der Medaille ist, dass jemand nach ein
paar Monaten in Arbeit als Langzeitarbeitsloser noch
nicht die Ansprüche hat wie derjenige, der nur kurz ar-
beitslos war und danach wieder in Lohn und Brot ver-
mittelt wurde. Genau das sind die 25 Prozent, von denen
Sie mit Krokodilstränen in den Augen in Ihrem Antrag
schreiben und sagen: Jawohl, 25 Prozent rutschen direkt
in den Wirkungskreis von SGB II. – Das sind aber größ-
tenteils Mitbürgerinnen und Mitbürger, die vorher lange
Jahre keine Beschäftigung gehabt haben. Das sollte man
den Leuten ehrlicherweise sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Jetzt komme ich zu meinen Freunden von der SPD.
Kollege Vogel und Kollege Linnemann haben darauf
hingewiesen: Sie machen abermals einen Kehrtschwenk
von Ihren an sich sehr vernünftigen Reformen. Das, was
Sie damals mit der Agenda 2010 von Schröder/Fischer
gemacht haben, war gar nicht so dumm. Aber wenn Sie
jetzt alles vergessen wollen, was Sie in der Vergangen-
heit auf den Weg gebracht haben, dann gibt das schon er-
heblichen Grund zur Sorge. Das, was alle Experten von
den überschuldeten Ländern in Südeuropa jetzt fordern,
arbeitsmarktpolitische und sozialpolitische Reformen
anzugehen, haben Sie mit den Grünen zum Glück zu-
sammen auf den Weg gebracht. Wir haben zugestimmt.
Aber jetzt wollen Sie all das wieder vergessen.

Die Erfolge, die es uns ermöglicht haben, die Krise so
gut zu überstehen, wie wir sie überstanden haben, wollen
Sie vergessen machen. Hier handelt es sich abermals um
einen Fall kollektiver Amnesie bei den Genossinnen und
Genossen von der SPD. So geht das natürlich nicht.


(Zurufe von der SPD: Oh! – Katja Mast [SPD]: Das machen wir in der Anhörung!)


Ich will aus dem Schreiben eines Staatssekretärs zitie-
r
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1715819000


Eine weitergehende Ausdehnung des Sechs-Wo-
chen-Zeitraums

– hier geht es um die Künstlerregelung –,

wie dies insbesondere die Verbände der Kultur-
schaffenden gefordert haben, ist sowohl aus arbeits-
marktpolitischen als auch aus finanziellen Gründen
nicht möglich gewesen. Arbeitsmarktpolitisch führt
eine Ausdehnung der als kurz befristet geltenden
Beschäftigungen zu Abgrenzungsschwierigkeiten
gegenüber Saisonarbeitnehmerinnen und Saisonar-
beitnehmern, die regelmäßig Beschäftigungen zwi-
schen sechs und acht Monaten ausüben.

Jetzt raten Sie einmal, wer das geschrieben hat. Das
war der bereits vorhin vom Kollegen Vogel zitierte
Staatssekretär Klaus Brandner. Der Mann hat recht.
Gleichwohl ist uns in enger Übereinstimmung mit unse-
rer Koalitionsspitze das Anliegen der Kulturschaffenden
ein großes Anliegen. Kollege Linnemann hat schon da-
rauf hingewiesen: Wir werden überprüfen, ob gerade im
Bereich der Kulturschaffenden die Beschäftigungszei-
ten von derzeit sechs Wochen ausgeweitet werden kön-
nen und zehn Wochen möglich sind, sodass wir soziale

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(C (D ärten abfedern können. Aber das Moratorium, das auch ie Grünen fordern, dass man sich nicht vermitteln lasen muss, wenn man arbeitslos wird, konterkariert Ihre isherige, an sich erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik, die ie seinerzeit noch unter der Schröder-Regierung auf en Weg gebracht haben. Wir werden dies nicht mitmahen. Wir werden die Anhörung konstruktiv begleiten. ber ich glaube – dafür muss ich kein Augur sein –, dass den Anträgen nicht so viel enthalten ist, dass wir ih en zustimmen können. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Kollege Lehrieder, meine ausdrückliche Anerken ung für die Einhaltung der Redezeit ohne irgendeine rmahnung! Ich bitte bei den folgenden Tagesordnungsunkten darum, uns das Geschäft hier vorne auch in dieer Weise zu erleichtern. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf en Drucksachen 17/8574, 17/8579 und 17/8586 an die der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge chlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der all. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Marlene Mortler, Ingbert Liebing, Dr. Michael Fuchs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Helga Daub, Horst Meierhofer, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Kinderund Jugendtourismus unterstützen und weiter fördern – Drucksache 17/8451 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre einen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich bitte jetzt die Kolleginnen und Kollegen, die nicht ei uns bleiben können, dafür zu sorgen, dass wir genüend Aufmerksamkeit für die Debatte haben. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollein Helga Daub für die FDP-Fraktion. Frau Präsidentin! Kollegen und Kolleginnen! Jeder eunte Arbeitsplatz in Deutschland hängt inzwischen om Tourismus ab – Tendenz steigend, hieß es jüngst im Helga Daub )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715819100

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Helga Daub (FDP):
Rede ID: ID1715819200




(A) )

Tourismusbericht. Damit wurde in einem Jahr ein Ein-
kommen von etwa 97 Milliarden Euro geschaffen. Die
Bedeutung des Tourismus für die deutsche Wirtschaft ist
gestiegen und wird noch weiter steigen.

Denken wir an Tourismus, so denken wir im Allge-
meinen an Erwachsene, die touristische Angebote unter-
schiedlicher Art wahrnehmen. Kinder und Jugendliche
hingegen werden als bedeutende Zielgruppe häufig un-
terschätzt. Jugendtourismus findet im Wesentlichen im
Dreiklang Klassenfahrten, Jugendaustausch und Jugend-
herbergen statt. Das sind zweifellos wichtige Pfeiler, die
jungen Menschen den Blick für Neues und anderes er-
weitern helfen. Die soziale Kompetenz wird gestärkt
oder auch erst richtig erlernt; denn der Anteil der Einzel-
kinder unter den Jugendlichen steigt.

Nie mehr im Leben ist der Mensch so lernfähig und
aufnahmebereit wie gerade in der Jugend. Genau des-
halb gilt es, den Bereich Kinder- und Jugendtourismus
mehr in den Fokus zu nehmen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Besonders engagiert hatten sich in diesem Bereich in
der Vergangenheit die Kirchen und Vereine. Sie errei-
chen aber heutzutage bei Weitem nicht mehr alle Schich-
ten der Bevölkerung. Übrigens, als Jugendlicher mit den
Eltern zu verreisen, ist völlig uncool. Noch uncooler sind
allerdings Einrichtungen und Angebote, die den Charme
einer vergangenen Zeit ausstrahlen. Dabei hat sich bei
den Jugendherbergen bereits viel getan. Auch mit den
vielen Hostels in den größeren Städten deutet sich eine
leichte Trendwende zugunsten der Jugendlichen an.

Um auch hier auf der Höhe der Zeit zu sein, hilft die
öffentliche Hand bei notwendigen Finanzierungen. Die
Deutsche Zentrale für Tourismus wird 2013 einen The-
menschwerpunkt „Junges Reiseland Deutschland“ set-
zen.

Eine interessante Initiative gibt es auch in Mecklen-
burg-Vorpommern mit McPom, einem speziellen Ange-
bot für Klassen- und Jugendreisen. Das könnte auch für
andere Bundesländer eine Anregung sein, Ähnliches zu
organisieren. Denn Action am Strand, Rangertouren im
Wald oder paddeln statt pauken kann man nicht nur in
Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch anderswo ma-
chen.

Es gibt noch sehr viel Potenzial. Wichtig dabei ist al-
lerdings – darauf sollten wir großen Wert legen – die
Möglichkeit der Teilhabe aller Jugendlichen, was natür-
lich auch die Barrierefreiheit einschließt. Das bedeutet
aber eine ganz besondere Verantwortung und stellt daher
beispielsweise an Unternehmen und Reiseleitungen hohe
Anforderungen. Sie tragen auch die Verantwortung für
Qualitätssicherung und Qualitätssteigerung. Ein einheit-
liches Qualitätssiegel ist dabei hilfreich und ein guter
Leitfaden für Eltern und Jugendliche. Eltern möchten
nämlich gern wissen, ob sie ihre Kinder in gute Hände
abgeben.

Das Bundesforum Kinder- und Jugendreisen hat des-
wegen für die Entwicklung eines Qualitätsmanagement-

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(C (D ystems gesorgt und unsere Anerkennung verdient. Die ositiven Rückmeldungen aus dem ganzen Land sprehen für sich. Mittlerweile sind nach Angaben des Foms über 400 Häuser in Deutschland daran beteiligt. inzu kommt noch eine Zertifizierung der Rahmenbeingungen für die Reisebegleiter. Diese ist absolut wichg, denn die Jugendlichen brauchen eine gute Begleing, die gleichzeitig Lernziele und Lerninhalte ermitteln kann. Wir wollen das Bundesforum Kinderund Jugendreien weiter in seiner Arbeit unterstützen. Wie überall im eben gilt aber: Das Bessere ist der Feind des Guten. m auf der Höhe der Zeit zu bleiben, gehört eine Interetplattform absolut dazu. Es gehört aber auch ein Interetzugang in den Einrichtungen für die Jugendlichen azu. Der Kinderund Jugendtourismus stellt andere Anforerungen als der Tourismus für Erwachsene. Darauf üssen wir uns zum Beispiel mit einer besseren Vernet ung der Vermittlung einstellen. Die Bundesregierung ird auch diesen touristischen Bereich weiter unterstüt en, und zwar finanziell, aber auch dort, wo es gilt, ausetretene Pfade zu verlassen und Neues zu wagen. Dort, o der notwendige Dialog mit den Verbänden intensiiert werden kann und muss, werden wir das auch tun. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kinder oder die ugendlichen, die lernen, über den Tellerrand hinauszuehen, sind ein Gewinn für die Zukunft. Ich danke Ihnen. Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Hiller-Ohm tzt das Wort. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe olleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, es t prima, dass wir heute über Kinderund Jugendtourisus diskutieren. Das ist eine wirklich wichtige Sache. mso mehr wundert es mich, dass Ihr Wirtschaftsminisr zu diesem Thema nichts vorgelegt hat. Er ist doch zu tändig für den Tourismus. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Staatssekretär auch nicht! – Gegenruf des Abg. Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Der Staatssekretär ist doch da!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715819300

(Beifall bei der SPD)

Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1715819400

r könnte die Sache gleich richtig anpacken und den
inder- und Jugendtourismus mit einer entsprechenden
orlage ein ordentliches Stück voranbringen.


(Beifall bei der SPD)


och von Ihrem Minister Rösler höre und sehe ich
ichts. Selbst bei diesem wichtigen Thema ist er heute
icht hier bei uns im Plenum.


(Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Er kann ja nicht an drei Stellen gleichzeitig sein!)






Gabriele Hiller-Ohm


(A) )


)(B)

Das ist für einen Wirtschaftsminister mehr als erstaun-
lich, denn der Tourismus ist mit rund 3 Millionen Be-
schäftigten und einer Wertschöpfung von fast 100 Mil-
liarden Euro eine der wichtigsten Boombranchen in
Deutschland.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfrak-
tionen, nun haben Sie Ihren Antrag vorgelegt, um den
Minister in Sachen Kinder- und Jugendtourismus auf
Trab zu bringen. Das ist an sich lobenswert.


(Helga Daub [FDP]: Die Pferde laufen schon!)


Ich kann mir jedoch beim besten Willen nicht vorstellen,
wie das mit Ihrem mehr als müden Papier gelingen soll.

Sie haben 13 Forderungen an die Regierung aufge-
schrieben. Nimmt man diese unter die Lupe, so wird sehr
schnell deutlich: Hier fehlt der Tiger im Tank.


(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Sie haben doch gar nichts aufgeschrieben!)


Ich habe gerade einmal drei „harte“ Aufträge an die Re-
gierung gefunden: Erstens. Sie soll eine Liste erstellen.
Zweitens. Sie soll den internationalen Jugendaustausch
weiter fördern. Drittens. Sie soll die Qualifizierung von
Mitarbeitern und Ehrenamtlern weiter fördern.

Dann kommt zehnmal „prüfen“, „anregen“, „hinwei-
sen“ und „sich einsetzen“. Das ist kein Antrag, sondern
ein echtes Armutszeugnis, was Sie hier abgeliefert ha-
ben. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat der Kin-
der- und Jugendtourismus wirklich nicht verdient.


(Beifall bei der SPD)


Er braucht einen tatkräftigen Minister und starke
Fraktionen, die Steine aus dem Weg räumen und es allen
Kindern und Jugendlichen ermöglichen, auch tatsächlich
zu reisen. Wir haben im Vermittlungsausschuss für diese
Kinder gekämpft und durchgesetzt, dass neben den
Hartz-IV-Kindern weitere 500 000 Kinder aus einkom-
mensschwachen Familien das Geld für Klassenfahrten
erstattet bekommen.


(Beifall bei der SPD)


Für den Kinder- und Jugendtourismus brauchen wir
natürlich auch gute, preiswerte Unterkünfte und hoch-
wertige Bildungsangebote. Wir haben in Deutschland
eine Vielzahl toller Einrichtungen wie die mehr als
400 Naturfreundehäuser und 530 Jugendherbergen.

Ich greife hier einmal die Jugendherbergen heraus.
Sie stehen seit mehr als 100 Jahren für preiswerten und
pädagogisch-programmorientierten Jugendurlaub. Fast
jeder Kollege und fast jede Kollegin dürfte eine solche
Einrichtung im Wahlkreis haben und wird sie zu schät-
zen wissen. In meinem Wahlkreis in Lübeck an der Ost-
see haben wir sogar zwei, und mit Glück kommt bald
eine dritte hinzu. Prima, dass wir diese Häuser haben!

Was machen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der
Regierungsfraktionen? Sie schlagen die so wichtige För-
derung für die Jugendherbergen kurz und klein.


(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


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(C (D ie haben beschlossen, dass die Jugendherbergen in dieem Jahr mit sage und schreibe 40 Prozent weniger Mitln auskommen müssen. Ich wiederhole: 40 Prozent eniger. (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das ist aber nicht in Ordnung, Herr Liebing!)


Sie werden sich hoffentlich erinnern: Die SPD-Frak-
on war es, die im Haushaltsausschuss Ende September
eantragt hat, die Summe wieder zu erhöhen.


(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Aber ohne Deckung, einfach nur auf Pump! – Stephan Thomae [FDP]: Das waren Ihre Sparvorschläge!)


ir wollten den Jugendherbergen Planungssicherheit
eben. Sie haben unser Anliegen nicht unterstützt und
ie Jugendherbergen eiskalt im Regen stehen lassen.


(Beifall bei der SPD – Stephan Thomae [FDP]: Sie hatten viele tolle Sparvorschläge! – Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Nun mal halblang!)


as ist fatal; denn für Investitionen müssen Bund, Län-
er und die Träger der Häuser gemeinsam aufkommen.
ällt die Bundesförderung weg, können die Einrichtun-
en dies in der Regel nicht auffangen, und dann brechen
uch die Mittel der Länder weg. Das ist das Aus für drin-
end erforderliche Investitionen, wie sie auch meine
ollegin Frau Daub eingefordert hat.


(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Malen Sie nicht den Untergang des Abendlandes an die Wand, Frau Hiller-Ohm!)


So, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU
nd FDP, sieht Ihr Engagement für den Kinder- und Ju-
endtourismus tatsächlich aus! Sie bringen nichts voran,
ein, schlimmer noch: Sie schwächen den Kinder- und
ugendtourismus und zerstören Vertrauen. Das können
ie auch mit Ihrem schlappen Antrag nicht wiedergut-
achen.

Ich fordere Sie auf: Setzen Sie sich dafür ein, dass das
ötige Geld vom Bund für den Kinder- und Jugendtou-
smus wieder bereitgestellt wird!


(Beifall bei der SPD)


reten Sie Ihrem Minister Rösler kräftig auf die Füße,
amit er endlich in die Gänge kommt!


(Beifall bei der SPD)


ir werden einen Antrag zur Absicherung der Förder-
ittel vorlegen. Sie haben dann noch einmal die Chance,
re Kürzungsorgie zurückzunehmen.

Warum ist Kinder- und Jugendtourismus so wichtig?

Erstens. Reisen bildet. Junge Menschen lernen so ihr
igenes Land kennen, bei internationalen Jugendbegeg-
ungen andere Länder und andere Kulturen.

Zweitens. Reisen verbindet und macht toleranter. Ge-
einsam auf Reisen zu gehen, schafft Verständnis für-





Gabriele Hiller-Ohm


(A) )


)(B)

einander und stärkt Toleranz gegenüber anderen Men-
schen und anderen Kulturen.


(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Das haben Sie jetzt aus unserem Antrag abgeschrieben, nicht?)


– Ich brauche nichts abzuschreiben; ich habe einen eige-
nen Kopf – im Gegensatz vielleicht zu Ihnen.

Drittens. Reisen stärkt die persönliche Entwicklung.
Kinder und Jugendliche erleben sich in einer neuen
Rolle, werden so selbstbewusster, und ihr soziales Ver-
halten wird gefördert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Rot-Grün hat es
2002 vorgemacht, wie man Kinder- und Jugendreisen
richtig fördert. Wir haben den Aktionsplan zum Kinder-
und Jugendtourismus in Deutschland ins Leben gerufen.
Wir haben zwei wichtige Grundlagenstudien finanziert.
Wir haben eine bundesweite Zertifizierung von Kinder-
und Jugendunterkünften für geprüfte Jugendreisequalität
in Gang gesetzt. Wir haben Geld für Fort- und Weiterbil-
dungsangebote, Informationsveranstaltungen und Publi-
kationen im Bereich Jugendbegegnungen und pädagogi-
sche Kinder- und Jugendreisen bereitgestellt.

Dies müssen wir fortsetzen. Packen Sie es an, liebe
Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktio-
nen, aber richtig und mit Power!


(Beifall bei der SPD)


Schon im kommenden Jahr stellt die Deutsche Zentrale
für Tourismus das junge Reiseland Deutschland in den
Mittelpunkt der Vermarktung. Tragen Sie dazu bei, dass
diese Aktion zum Erfolg wird – für den Deutschlandtou-
rismus und natürlich vor allem für die Kinder und Ju-
gendlichen.


(Beifall bei der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715819500

Vielen Dank, Frau Kollegin Gabriele Hiller-Ohm. –

Jetzt für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege
Ingbert Liebing. Bitte schön, Kollege Ingbert Liebing.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Ingbert Liebing (CDU):
Rede ID: ID1715819600

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Mit dem Antrag zum Kinder- und Jugendtourismus
rücken wir, die Koalitionsfraktionen, eine Branche in
den Fokus, die oftmals unterschätzt wird. Dabei ist sie
ein beachtliches Segment des Tourismus in unserem
Land. Kinder- und Jugendtourismus umfasst einen Jah-
resumsatz von etwa 12 Milliarden Euro. Kinder- und Ju-
gendreisen machen einen Anteil von 20 Prozent des In-
landstourismus aus. Allein Jugendherbergen verzeichnen
über 10 Millionen Übernachtungen und einen Umsatz
von insgesamt über 1 Milliarde Euro an Wertschöpfung,
wie gerade eine aktuelle Studie des Deutschen Jugend-
herbergswerkes ausdrücklich nachgewiesen hat.

Wer von uns erinnert sich nicht gern an Aufenthalte in
Jugendherbergen in seiner eigenen Jugendzeit, zum Bei-
spiel bei Klassenfahrten, vielleicht mit Lagerfeuer und

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(C (D itarrenmusik? Mir liegen die Jugendherbergen besoners am Herzen, und zwar nicht nur deshalb, weil mein ahlkreis der Wahlkreis mit den meisten, nämlich wölf, Jugendherbergen ist, sondern auch, weil sie von inem großen ehrenamtlichen Engagement geprägt sind, as über 1 000 ehrenamtliche Mitarbeiter erbringen. Aber der Blick auf den Kinderund Jugendtourismus hnt nicht nur wegen des wirtschaftlichen Aspektes, ondern es geht um mehr. Der Kinderund Jugendtourisus hat pädagogische und soziale Bedeutung: zum einen Inland, denn junge Menschen lernen auf diese Weise ie eigene Heimat kennen und lieben, und zum anderen Ausland, wo sie Kontakt mit anderen Nationen und ulturen bekommen. Jugendtouristische Einrichtungen tellen sich dieser Herausforderung zum Beispiel mit geielten Angeboten zur Förderung von gesunder Ernähng und Bewegung. Es gibt beispielsweise konsequent lkoholfreie Jugendherbergen, das heißt auch für erachsenes Begleitpersonal. Die inhaltliche Ausgestaltung ist eine permanente ufgabe, die darin besteht, mit attraktiven und sinnstifnden Freizeitaktivitäten, mit Bildungsund Erlebnis ngeboten immer auf der Höhe der Zeit zu sein. Dies ist ine Aufgabe, der sich die Einrichtungen stellen. Die Bundesregierung unterstützt diesen Bereich nach räften. Die Ausfälle in Ihrer Rede, Frau Hiller-Ohm, in iesem Zusammenhang verstehe ich überhaupt nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das waren doch keine Ausfälle! – Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Das war die nackte Wahrheit!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


h finde es bezeichnend, dass Sie rückwärtsgewandt
ieles kritisieren und auch unseren Antrag in Grund und
oden verdammen, aber in Ihrer Rede nicht einen einzi-
en konkreten Vorschlag machen, was Sie anders oder
esser machen wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Der kommt ja noch!)


ie haben gerade nichts anderes als Mäkelei abgeliefert,
rau Hiller-Ohm.

Die Bundesregierung unterstützt den Kinder- und Ju-
endtourismus in vielfältiger Form. Der Kinder- und Ju-
endplan des Bundes finanziert internationale Jugendrei-
en und den Austausch mit über 20 Millionen Euro
owie deutsch-französische und deutsch-polnische Ju-
endbegegnungen mit über 15 Millionen Euro und un-
rstützt das Deutsche Jugendherbergswerk, das die
eutsch-israelischen Jugendbegegnungen organisiert.
ußerdem unterstützen wir überregionale Jugendbegeg-
ungsstätten mit 5 Millionen Euro im Bundeshaushalt.


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Genau!)


ie DZT wird 2013 das Themenjahr „Junges Reiseland
eutschland“ weltweit vermarkten, und zwar mit Unter-

tützung aus dem Bundeshaushalt, in dem wir die Finan-





Ingbert Liebing


(A) )


)(B)

zierung der DZT auf über 27 Millionen Euro aufgestockt
haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, dies ist ein ausdrücklicher
Beweis dafür, dass die Bundesregierung dem Segment
des Jugendtourismus große Aufmerksamkeit widmet
und tatkräftige Unterstützung bietet.

Viele Organisationen engagieren sich gerade in die-
sem Bereich vor allem für Qualitätssicherung und -stei-
gerung. Ich nenne insbesondere das BundesForum
Kinder- und Jugendreisen mit dem Qualitätsmanage-
mentsystem QMJ, aber auch Klassifizierungsinitiativen
zum Beispiel des Landesjugendringes Schleswig-Hol-
stein.

Meine Damen und Herren, das Ende des Zivildienstes
hat auch im Bereich von Jugendbegegnungsstätten, Ju-
gendherbergen eine neue Herausforderung mit sich ge-
bracht. Allerdings war die Bedeutung des Zivildienstes
schon deutlich gesunken; viele Einrichtungen hatten ihn
gar nicht mehr genutzt. Umso positiver kommt dort jetzt
der neue Bundesfreiwilligendienst an; er schafft neue
Möglichkeiten gerade in Jugendeinrichtungen.


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Voller Erfolg!)


Auch in den Jugendherbergen sind die ersten Bufdis an-
gekommen. Dies entwickelt sich zu einem Erfolgsmo-
dell. Auch das haben wir als Koalition zusammen mit
der Bundesregierung auf den Weg gebracht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es geschieht also viel, aber es gibt auch noch einiges
zu tun, auch in der Zuständigkeit der Bundesländer. Ich
nenne zum Beispiel die Anregung, die wir in unseren
Antrag mit aufgenommen haben, die Anerkennung von
Auslandsschuljahren von Schülern stärker zu fördern,
insbesondere durch die Anerkennung dieser Zeit für die
eigene Schulzeit im Inland. Das ist durch die Verkürzung
der Gymnasialschulzeit auf acht Jahre, die richtig war,
schwieriger geworden, aber trotzdem sollte man die
Möglichkeiten der Anerkennung dieser Auslandsjahre
verbessern.

Ich nenne des Weiteren die Klassenfahrten. Hier ist es
sinnvoll, pädagogische Inhalte noch stärker in den Vor-
dergrund zu stellen.

Und ich nenne das Stichwort der Ausbildung von Ju-
gendreiseleitern, in der die Themen von Gewalt, auch se-
xueller Gewalt, verstärkt einbezogen werden müssen.
Wir erinnern uns an spektakuläre Schlagzeilen. Dies wa-
ren sicherlich spektakuläre Einzelfälle, aber auch jeder
Einzelfall ist ein Fall zu viel. Deswegen lohnt es sich, in
der Ausbildung von Jugendreiseleitern einen stärkeren
Fokus auf diese Themen zu richten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Kollegin Daub hat das Thema der Vermarktung ange-
sprochen – die Internetplattform „Jugendtourismus in
Deutschland“. Daran arbeitet die Branche seit langer
Zeit selber, aber der große Durchbruch wurde noch nicht

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(C (D rreicht. Wir regen an, diese seitens des Bundes durch ooperationen zu unterstützen. Meine Damen und Herren, Kinderund Jugendtourisus ist ein Thema mit Zukunft für den Tourismusstand rt Deutschland. Viele Familien machen dort Urlaub, wo ich die Eltern, als sie Kinder waren, wohlgefühlt haben, o sie in ihrer Kindheit glücklich waren. Ich erlebe das erade auf Sylt, wo ich zu Hause bin, sehr oft. Dort gibt s viele Jugendeinrichtungen, Schullandheime usw. iele kommen mit ihren eigenen Kindern wieder und eigen ihnen: Hier habe ich, als ich so alt war wie ihr, inmal Urlaub gemacht. – Die Förderung von Kindernd Jugendtourismus ist also auch nachhaltig, weil sie ber Jahrzehnte nachwirkt und so den Tourismusstandort eutschland stärkt. Der Kinderund Jugendtourismus ahlt sich über Jahrzehnte aus und verdient unsere Unrstützung. Über die Vorschläge in unserem Antrag intensiver zu iskutieren, lohnt, auch in der Ausschussberatung. Ich ürde mich allerdings freuen, wenn wir das mit etwas ehr Tiefgang machen könnten, als es eben in Ihrem eitrag der Fall war, Frau Hiller-Ohm. In diesem Sinne eue ich mich und hoffe auf eine breite Unterstützung r unsere Initiative in diesem Haus. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Kollege Ingbert Liebing. – Der nächste edner ist Kollege Dr. Ilja Seifert für die Fraktion Die inke. Bitte schön, Kollege Dr. Seifert. Herr Präsident! Meine lieben Damen und Herren! iebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich Ihren Antrag die Hände nahm, war ich richtig begeistert. (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Wir auch! – Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Das ist ja ein dickes Lob!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715819700

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715819800

ndlich, dachte ich, unterstützen uns die Koalitionsfrak-
onen bei der Förderung des Kinder- und Jugendtouris-
us. Klasse, dachte ich.


(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Nach der Überschrift war Schluss!)


Aber bedauerlicherweise – Kollegin Hiller-Ohm, Sie
aben recht – ging es dann mit dem Text los. Da kam nur
och der „Wirtschaftsfaktor“ Kinder- und Jugendtouris-
us vor. Herr Liebing, Sie haben hier vorhin gesagt, das
ichtigste sei der Umsatz von 12 Milliarden Euro.

Wir sind hier aber nicht die Außenstelle von TUI oder
eckermann. Wir sind der Deutsche Bundestag. Beim
inder- und Jugendtourismus müssen wir uns um etwas

nderes kümmern. Wir dürfen nicht nur den Wirtschafts-
ktor Kinder- und Jugendreisen sehen, sondern bei-

pielsweise auch den Bildungs-, den Erholungs-, den
esundheits- und den Weltanschauungsfaktor.





Dr. Ilja Seifert


(A) )


)(B)


(Beifall bei der LINKEN)


Das heißt, wir müssen uns um die Jugendherbergen
kümmern. Wir müssen uns um die KiEZe, also die Kin-
der- und Jugenderholungszentren kümmern. Das müsste
im Mittelpunkt eines Antrags stehen, der sich der Förde-
rung und Unterstützung des Kinder- und Jugendtouris-
mus widmet.

Immerhin haben Sie unter Punkt sieben Ihres Forde-
rungskatalogs gefordert, „die Qualifizierung von im
Kinder- und Jugendtourismus tätigen Mitarbeitern und
ehrenamtlichen Helfern weiter zu fördern“. Das ist posi-
tiv. Sie bekennen sich auch zum Ziel der Teilhabe aller
Bevölkerungskreise am Tourismus. Wunderbar! Aber
Sie verschweigen ganz diskret, dass 30 Prozent aller
Kinder und Jugendlichen in diesem Land überhaupt
nicht reisen können. Hier muss die Politik ansetzen und
nicht da, wo es sowieso läuft.


(Beifall bei der LINKEN)


Es gibt drei große Barrieren im Tourismus: die finan-
ziellen, die kulturellen und die baulichen Barrieren. Auf
meine Frage zu den finanziellen Barrieren antwortete
Staatssekretär Hintze vor Monaten, dass Reisen nicht re-
gelbedarfsrelevant sei. Also müssen die armen Leute
und die Hartz-IV-Kinder zu Hause bleiben und können
nicht reisen.

Dann erklärte mir Staatssekretär Heitzer, dem ich vor-
gestern viele Fragen gestellt habe, auf die Frage, welche
Erkenntnisse denn die Bundesregierung hinsichtlich des
Reisens von Kindern mit Migrationshintergrund habe
– hier sind wir bei den kulturellen Barrieren –, die Bun-
desregierung habe hierüber „weiterhin keine Erkenntnis“
und eine personengruppenspezifische Statistik gebe es
nicht. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
Koalition, wollen Sie weiterentwickeln?

Ich habe den Staatssekretär auch nach Erkenntnissen
über die Teilhabe von Kindern mit Behinderungen am
Tourismus gefragt. Die Antwort des Staatssekretärs war,
der Bundesregierung lägen „keine Erkenntnisse“ vor und
entsprechende Daten würden nicht erhoben. Und das
wollen Sie weiterentwickeln? Wie soll das gehen, wenn
Sie überhaupt nicht wissen, was Sie erreichen wollen?


(Beifall bei der LINKEN)


Ich empfehle Ihnen diesbezüglich einen Blick in die UN-
Behindertenrechtskonvention. Da sind insbesondere die
Art. 7, 24 und 30 zu nennen.

Die Linke schlägt Ihnen vor: Setzen Sie die Losung
„Reisen für alle“ um und denken Sie an die 30 Prozent
Kinder und Jugendliche, die dies bis jetzt nicht können.
Nicht nur der Markt, sondern auch – ich sage es noch
einmal – Bildung, Erholung, Gesundheit und Weltan-
schauung sind wichtig. Machen Sie aus Klassenfahrten
Bildungsaufträge! Machen Sie solche Fahrten zur Pflicht
an Schulen! Sorgen Sie mit uns gemeinsam für einen
Mix aus Objekt- und Subjektförderung, damit die armen
Leute reisen und die KiEZe überleben können!


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Schließlich: Machen Sie Barrierefreiheit in allen Beichen zum übergreifenden Prinzip unserer gemeinsaen Arbeit. Dann werden wir vorankommen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Kollege Dr. Seifert. – Nächster Redner unserer Debatte ist für die Fraktion Bündnis 90/Die rünen unser Kollege Markus Tressel. Bitte schön, Kolge Markus Tressel. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! uch ich freue mich außerordentlich, dass wir heute die ebatte über den Kinderund Jugendtourismus in die em Hause führen. Es ist eine ausgesprochen wichtige ebatte; denn – die Kollegin Hiller-Ohm hat es gesagt – eisen bildet und Reisen trägt zu einer positiven Persönchkeitsentwicklung bei. Wir haben im Jahr 2002 mit em Aktionsplan eine gute Grundlage gelegt. Die Debatte ist aber nicht nur wichtig, weil der Kinerund Jugendtourismus ein bedeutender Faktor der eutschen Reisebranche ist, sondern vor allem auch, eil die Debatte unter sozialen Aspekten geboten ist. eine Vorredner haben es bereits angesprochen. Ein lick auf die Zahlen zeigt uns ganz schnell, wo die Proleme immer noch liegen. Die Zahlen muss man sich an ieser Stelle noch einmal deutlich vor Augen führen: twa 2,2 Millionen Kinder in diesem Land können nicht m Kinderund Jugendtourismus teilnehmen. Während ie Urlaubsintensität der Deutschen ab 14 Jahren zuimmt, geht die Zahl der Urlaubsreisen mit Kindern bis u 13 Jahren seit 1996 kontinuierlich zurück. Es können iel weniger Kinder aus einkommensschwachen Famien am Kinderund Jugendtourismus teilnehmen. Das rößte Problem in diesem Bereich ist, dass das öffentlich eförderte Kinderund Jugendreisen, insbesondere im ontext der Kinderund Jugenderholung, seit den 90er ahren rückläufig ist. Staatliche Förderungen im Kindernd Jugendreisebereich sind um bis zu 30 Prozent geunken. Die Zahl der Kinderund Jugenderholungen hat ich in den Jahren 2000 bis 2004 um 23 Prozent reduiert. Das sind eklatante Zahlen, die man in diesem Zuammenhang in der Debatte nennen muss. Aufgrund dieser Kürzungen besteht nicht nur die Gehr, dass Kinderund Jugendreisen teurer werden. Es esteht auch die Gefahr, dass sich die soziale Schere eiter öffnet. Das hat gerade gestern die GfK-Studie um Tourismus noch einmal deutlich gemacht. Die soiale Schere öffnet sich. Wenn wir die Bedeutung – ich meine nicht nur die konomische – dieses Reisesegments wirklich ernst nehen, dann muss sich die öffentliche Hand wieder stärker ngagieren. Das fehlt in Ihrem Antrag komplett, liebe Markus Tressel )


(Beifall bei der LINKEN)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715819900
Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715820000

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )

Kolleginnen und Kollegen. Darauf hat die Kollegin
Hiller-Ohm hingewiesen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wenn wir es schafften, die Zahl der Kinder- und Ju-
genderholungen zu erhöhen, dann hätte es den schönen
Nebeneffekt, dass man auch die innerdeutsche Reiseakti-
vität von Jugendlichen steigern könnte. Es wäre also
nicht nur aus sozialen Aspekten sinnvoll, die eigene Re-
gion oder das europäische Umfeld in den Blick zu neh-
men, insbesondere bei Klassenfahrten. Wir wissen, hier
sind die Länder gefordert. Der eine oder andere hat aber
durchaus Einflussmöglichkeiten in den Ländern. Ich
glaube, das müssen wir auf die Agenda setzen. Ange-
bote, wie etwa die der National- und Naturparke, der Ju-
gendherbergen, der Schullandheime, müssen besser ver-
netzt und vermarktet werden. Hier braucht es eine
bessere Koordinierung der Länder und entsprechende
Angebote. Wir alle wissen, Mecklenburg-Vorpommern
geht mit einem sehr guten Beispiel voran.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition –
ich sage das jetzt freundlich, nachdem es in dieser De-
batte so viele unfreundliche Worte gegeben hat –, Sie
machen mit Ihrem Antrag einen Aufschlag. Der ist an
vielen Stellen


(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Gut!)


sehr unkonkret und mit sehr vielen Prüfaufträgen verse-
hen. Deswegen gibt es noch einiges zu tun.

Es gibt aber auch Punkte, wo wir nah beieinander
sind, etwa das Thema Qualifizierung von Jugendreiselei-
tern oder die Thematisierung von sexueller Gewalt in der
Ausbildung von Jugendreiseleitern. Das haben Sie, Herr
Kollege Liebing, auch angesprochen. Ich glaube, hier
gibt es auch die Möglichkeit, sich zu einigen.

Uns fehlen – das ist auch angesprochen worden –
klare Anforderungen an die Bundesregierung. An vielen
Stellen werden komplette Aspekte in Ihrem Antrag, wie
etwa das Thema nachhaltige Mobilität oder Gesund-
heitsprävention, vollkommen ausgeblendet. Wir brau-
chen keine Prüfaufträge, sondern es muss gehandelt wer-
den. Das ist die Devise.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage ganz deutlich – der Tourismusausschuss ist
für seine konsensuale Arbeit bekannt –: Ihr Antrag
braucht noch etwas Zuwendung und Konkretisierung
seitens der Opposition. Wie wir das letztlich im Verfah-
ren regeln, müssen wir sehen.


(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Machen Sie Vorschläge! Bisher liegen von Ihnen keine auf dem Tisch! Herzlich willkommen!)


– Lieber Herr Liebing, wir werden das diskutieren. Wir
haben viele Vorschläge.

Im Interesse der Sache wäre es mir am liebsten, wenn
wir zu einem fraktionsübergreifenden Antrag kämen.
Oder wir bringen einen eigenen Antrag ein. Wir haben

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(C (D iele Vorschläge. Die werden wir dem Ausschuss unterreiten, und dann können wir noch einmal diskutieren. In diesem Sinne, vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Ingbert Liebing [CDU/ CSU]: Herzlich willkommen!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715820100

Vielen Dank, Kollege Markus Tressel. – Letzter Red-

er in unserer Aussprache ist für die Fraktion der CDU/
SU unser Kollege Klaus Brähmig. Bitte schön, Kollege
laus Brähmig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Klaus Brähmig (CDU):
Rede ID: ID1715820200

Hochgeschätzter Herr Präsident Oswald! Liebe Kol-

ginnen und Kollegen! Die Art und Weise, wie, wohin
nd mit wem wir in Kindertagen und in unserer Jugend
erreisen, prägt für gewöhnlich unser gesamtes späteres
eiseverhalten. In großem Maße wird aber auch unsere
icht auf Fremdes und Eigenes durch diese ersten Erfah-
ngen bestimmt.

Gerade für uns Politiker muss es daher ein ganz be-
onderes Bestreben sein, den Kinder- und Jugendtouris-
us in Deutschland auf ein solides, verlässliches und

berprüfbares Fundament zu stellen. Dies beabsichtigt
er gemeinsame Antrag der Koalitionsfraktionen. Ich
arf von dieser Stelle aus ein herzliches Dankeschön un-
eren Kollegen Marlene Mortler und Jens Ackermann
tellvertretend für die beiden Koalitionsfraktionen, aber
uch für die gesamte Arbeitsgruppe aussprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meines Erachtens hat das starke Segment des Kinder-
nd Jugendtourismus neben Aspekten der Erholung, Be-
egung und Freude für die Kinder und Jugendlichen vor

llem ein gewichtiges soziokulturelles Bildungsmoment.
ies können wir bei aller Diskussion über Zuständigkei-
n und Standards nicht außer Acht lassen. Wir Touris-
uspolitiker dürfen nicht müde werden, immer wieder

u betonen: Reisen bildet, erweitert den eigenen Hori-
ont und schmiedet Freundschaftsbande über Grenzen,
eligionen und Herkunft hinweg.

Der Umstand, dass zwischen den großen National-
taaten Europas mehr als ein halbes Jahrhundert, ge-
auer gesagt 67 Jahre, durchgehend Frieden herrscht, ist
in bislang nie dagewesenes Phänomen in der Ge-
chichte unseres Kontinents, unseres geeinten Europas.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


In einer Atmosphäre von Frieden, Stabilität, Demo-
ratie, gegenseitigem Respekt und Toleranz kann man
urch diese Form des Tourismus noch weitere Vorurteile
bbauen und aufeinander zugehen. Es gilt, sich bereits
üh auf den Weg zu machen, neugierig und offen für un-
ekannte Kulturen, Lebensweisen und Ansichten zu
ein. So lernen wir die Vielfalt der Landschaften und Re-
ionen, der Völker sowie ihre Sprachen und Traditionen





Klaus Brähmig


(A) )


)(B)

als kostbaren Wert zu begreifen und erkennen Gemein-
samkeiten im Unterschied.

Der Nährboden von Vorurteilen und Ablehnung ist
Unkenntnis und fehlender Kontakt mit anderen Kultu-
ren. Wer auf Reisen durch persönliche Erfahrungen ge-
lernt hat, wie spannend und bereichernd das Miteinander
der Kulturen ist, wird gewiss keine Vorbehalte gegen-
über anderen Ländern, Kulturen und Religionen entwi-
ckeln. Daher sollen und müssen wir unsere Kinder und
die Jugend Europas auf Reisen schicken, damit sie sich
kennenlernen, gegenseitig achten und anfreunden.

Dieser Aspekt ist nach meiner festen Überzeugung
mehr denn je notwendig, damit wir nicht erleben müs-
sen, wie kürzlich im Fernsehen zu beobachten, dass un-
sere Fahnen in Nachbarstaaten verbrannt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Warum nicht zum Beispiel Klassenfahrten nach Grie-
chenland?

Eine Vielzahl von Initiativen und Akteuren leistet auf
dem Gebiet der Kinder- und Jugendreisen hierzulande
seit Jahrzehnten vorbildliche Arbeit. Die Jugendwerke
der Kirchen und Wohlfahrtsverbände erbringen durch
ihre Jugendreiseangebote für die Völkerverständigung,
für die Toleranz und Solidarität in unserer Gesellschaft
einen unschätzbar großen Dienst. So wird es aus meiner
festen Überzeugung zum Beispiel auch zum Luther-Ju-
biläum 2017 sein.

Ebenso sorgen die unzähligen Jugendherbergen, Na-
turschutzgruppen, Sportvereine, Geschichtswerkstätten
oder Ortsgruppen von freiwilliger Feuerwehr, THW etc.
in diesem Land überwiegend ehrenamtlich dafür, dass
unsere Kinder und Jugendlichen ein kollektives Gruppen-
erlebnis auch außerhalb der gewohnten Umgebung genie-
ßen können. Feriencamps, Auslandsaufenthalte, Sprach-
reisen und Klassenfahrten sind unerlässlich, um Werte
wie Gemeinschaft, Rücksichtnahme und Hilfsbereit-
schaft zu fördern. Unter anderem ist auch Urlaub auf dem
Bauernhof sehr beliebt. Er erfreut sich einer absolut gro-
ßen Nachfrage und hat in allen Preissegmenten für alle
Gruppen dieser Gesellschaft etwas im Angebot.

„In Vielfalt geeint“ lautet der Leitspruch unserer Eu-
ropäischen Gemeinschaft. Wir wollen mit unserem An-
trag dazu beitragen, dass sich sowohl Anbieter als auch
Teilnehmer von Kinder- und Jugendreisen der Unterstüt-
zung des Bundes und der Länder sicher sein können.
Durch qualitativ hochwertige Produkte soll diese Vielfalt
und Einheit auf Reisen für Kinder und Jugendliche noch
besser erfahrbar werden. Wie hat Alexander von
Humboldt so trefflich gesagt:

Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die
Weltanschauung der Leute, welche die Welt nicht
angeschaut haben.


(Zuruf von der FDP: Sehr wahr! – Beifall des Abg. Hans-Joachim Hacker [SPD])


– Danke schön, Herr Kollege Hacker. – Der Kinder- und
Jugendtourismus kann einen wesentlichen Beitrag dazu

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(C (D isten, selbstbewusste, tolerante und kritische sowie sodarische junge Menschen heranwachsen zu lassen. Unterstützen Sie daher bitte unseren Antrag zur Stärung des Kinderund Jugendtourismus, der eine wertolle Investition in die Zukunft und die Völkerverständiung ist. Wir als politisch Verantwortliche müssen ngemessene Rahmenbedingungen schaffen, die es den rganisatoren, Anbietern, Teilnehmern und Betreuern rleichtern, solche Erfahrungen für Kinder und Jugendlihe in der Gruppe auf Reisen erlebbar zu machen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abchluss ein Dankeschön an den Tourismusbeauftragten rnst Burgbacher aussprechen, der sich nun schon seit ber zwei Jahren außerordentlich engagiert mit den vielltigen Themen aus den Bereichen Mittelstand, Tourisus und Dienstleistungen beschäftigt. Weil ich schon eit vielen Jahren – man kann sagen: seit fast 20 Jahren – ngstens mit dir zusammenarbeite, will ich dir ganz beusst ein großes Dankeschön für deine Arbeit ausspre hen. Vielen Dank. Vielen Dank, Kollege Klaus Brähmig. – Wir sind am nde unserer Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf rucksache 17/8451 an die in der Tagesordnung aufgehrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sie sind damit ein erstanden? – Dann ist das so beschlossen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun den Taesordnungspunkt 12 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Rüdiger Veit, Gabriele Fograscher, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Staatsangehörigkeitsrecht modernisieren – Mehrfache bzw. doppelte Staatsbürgerschaft ermöglichen – Drucksache 17/7654 – Überweisungsvorschlag: Innenausschuss Rechtsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre einen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner unserer ebatte ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unser ollege Rüdiger Veit. Bitte schön, Kollege Veit. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Um gleich die Antwort auf eine mir eben auf em Weg hierher von der Kollegin Dağdelen gestellte rage zu geben: Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen on der SPD genauso wie vom Bündnis 90/Die Grünen Rüdiger Veit )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715820300

(Beifall bei der SPD)

Rüdiger Veit (SPD):
Rede ID: ID1715820400




(A) )

und von der Linkspartei, müssen zum vermehrten Male
diese Koalition oder das, was von ihr vielleicht noch
wahrnehmbar übrig ist, darauf hinweisen, dass es aller-
höchste Zeit ist, endlich das Staatsbürgerschaftsrecht
vernünftig zu reformieren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Wir wollen, dass die Hinnahme von Mehrstaatigkeit,
die sogenannte doppelte Staatsbürgerschaft, generell zu-
lässig ist. Wir wollen die Optionspflicht abschaffen und
die Voraussetzungen für die Einbürgerung nachhaltig er-
leichtern. Denn, meine sehr verehrten Damen und Her-
ren, für uns Sozialdemokraten ist die Einbürgerung nicht
etwa der ins Schaufenster gestellte, krönende Abschluss
der Integration, sondern ein ganz wichtiger Zwischen-
schritt auf dem Weg zur vollständigen Integration in un-
sere Gesellschaft, in unser Gemeinwesen. Das wollen
wir befördern. Wir wollen eben nicht nur auf Integra-
tionsgipfeln oder bei anderen Anlässen Reden schwin-
gen und Lippenbekenntnisse abgeben, sondern konkrete
Taten sehen – wenn es geht, eben auch von dieser Koali-
tion.

Sie haben leider unseren Gesetzentwurf am 10. No-
vember 2011 abgelehnt, mit dem wir die gleiche Inten-
tion verfolgt haben, und zwar in namentlicher Abstim-
mung mit sämtlichen Stimmen der Abgeordneten von
CDU/CSU und FDP; der Rest des Hauses hat freundli-
cherweise zugestimmt. Wir müssen Sie jetzt auffordern,
endlich einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzule-
gen. Ich sage auch deswegen „endlich“, weil spätestens
im nächsten Jahr die Frist für diejenigen, die dann 23
werden, abläuft, um sich in der Frage der Staatsbürger-
schaft – entweder die deutsche oder die ausländische
Staatsbürgerschaft – zu entscheiden. Spätestens dann
wird sich erweisen, dass wir mit dem Optionsmodell
eine Art Bürokratiemonster geschaffen haben; darauf
komme ich noch zurück.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, manchmal hat man
bei den Debatten um die Staatsbürgerschaft den Ein-
druck, dass das, was Rot-Grün dem Haus in den Jahren
1998 und 1999 präsentiert hat, etwas völlig Neues war.
Dabei würde ich gerne einmal daran erinnern, dass die
doppelte Staatsbürgerschaft bzw. die Hinnahme von
Mehrstaatigkeit – so lautet der Fachausdruck – keines-
wegs so furchtbar neu und revolutionär ist. Manchmal ist
ein geschichtlicher Rückblick ganz nützlich. Da habe ich
etwas gefunden, das ich Ihnen gerne einmal hier zum
Besten geben möchte. Ich zitiere aus einem Einbürge-
rungsantrag von Herrn Domenico Costa aus Furtwan-
gen, der in einem Brief an den Landeskommissär von
Konstanz Folgendes schreibt:

Großh. Herrn Landeskommissär bitte ich ergebenst,
von der Beibringung des Nachweises meiner Ent-
lassung aus dem italienischen Staatsverband Ab-
stand nehmen zu wollen, da ich neben der badi-
schen Staatsangehörigkeit auch die italienische
beibehalten will. Zur Begründung meiner Bitte füge
ich bei, dass mein 70 Jahre alter Vater in Asiago

(Italien) ein Bauerngut … besitzt und betreibt, wel-

ches evtl. n. A. meines Vaters durch Erbschaft mir

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(C (D zufallen würde. … Zudem ist meine Heimatgemeinde Asiago eine ziemlich reiche Gemeinde, sodaß die Angehörigen derselben immer noch in finanzieller Hinsicht gewisse Vorteile haben, welche ich auch nicht gerne preisgeben möchte. Dieser Antrag auf doppelte Staatsbürgerschaft liegt iemlich genau 99 Jahre zurück. Klar wird das mit dem igenen Interesse begründet, keineswegs werden übergerdnete Gesichtspunkte angeführt. Wir sollten uns 9 Jahre später nicht so furchtbar schwertun und einigeraßen flexibel mit dieser Situation umgehen, zumal bis um Beginn des 19. Jahrhunderts das sogenannte Geurtsortprinzip durchaus auch im deutschen Staatsangeörigkeitsrecht üblich war. Es war nur konsequent, dass ir 1998/1999 versucht haben, das alte, von 1913 stamende Gesetz zu verändern. Wir sind an der Mehrheit Bundesrat gescheitert, die sich durch die hessische andtagswahl verändert hatte. Dazu möchte ich ein paar orte sagen; das sei mir als Hesse, der das damals nicht uletzt im Straßenwahlkampf selbst miterlebt hat, erubt. Bevor die Doppelpasskampagne des damaligen hessichen Ministerpräsidenten Roland Koch losgetreten urde, wurde von der hessischen CDU eine Werbeagenr beauftragt, eine Kampagne zu entwerfen, durch die ich das Blatt zugunsten der CDU wenden könnte. Man at sich dann dieses emotionalisierende Thema ausgeucht. Übrigens hat die SPD damals nicht deswegen verren. Wir haben im Februar 1999 sogar noch 1,2 Pro ent dazugewonnen. Leider haben die Grünen aus erschiedenen Gründen erheblich verloren, und das onnten wir nicht mehr kompensieren. So ging dann uch die Mehrheit dahin. Ich will Ihnen sagen, warum die damalige Kampagne o unglaublich hinterhältig und doppelbödig war. Bis um Inkrafttreten des von uns initiierten Rechtes war es Deutschland fast ausnahmslos die Regel, dass jemand rkischer Herkunft, der zum Konsulat gegangen ist, um eine türkische Staatsbürgerschaft abzugeben, und der nschließend die deutsche erworben hat, auf ausdrücklihes Bitten des Konsulatsmitarbeiters hinterher noch inmal erschienen ist, um seine türkische Staatsbürgerchaft wieder zu beantragen. Ich habe im letzten Herbst zum ersten Mal einen enschen türkischer Abstammung getroffen, der vor em Jahr 2000 eingebürgert wurde und dann hinterher icht wieder die türkische Staatsbürgerschaft erworben at. Das war eine junge Frau, die erzählt hat, ihre Eltern ätten damals Angst gehabt, diesen Schritt zu tun. Das ar die einzige Person. Es war niemand anderer als elmut Kohl – der bekanntermaßen nicht der rot-grünen egierung, sondern der Regierung einer anderen Mehreit vorgestanden hat –, der anlässlich eines Staatsbesuhes seinen türkischen Amtskollegen darum gebeten hat, it dem offensiven Werben in den Konsulaten aufzuhön nach dem Motto: Wenn du einen deutschen Pass ast, dann kommst du wieder hierher, dann kriegst du uch den türkischen. – Deswegen spreche ich davon, ass es in besonderer Weise doppelbödig, hinterhältig nd auch verlogen war, dass mit dieser Kampagne sei Rüdiger Veit )





(A) )

nerzeit gegen die Hinnahme von Mehrstaatigkeit Stim-
mung gemacht wurde.

Wir wollen das generell ermöglichen, auch deswegen,
weil wir das integrationspolitische Ziel verfolgen, mög-
lichst viele der bei uns lebenden Bürgerinnen und Bürger
im Sinne eines einheitlichen Wahlvolkes zu Staatsbür-
gern zu machen. Wir wollen, dass sich die Betreffenden
stärker, besser und intensiver mit der deutschen Kultur
identifizieren. Das würde uns jedenfalls sehr freuen.
Dazu kann der Erwerb der Staatsbürgerschaft einen
wichtigen Beitrag leisten. Deswegen sollten wir den
Menschen keine Hindernisse in den Weg legen.

Bitte beachten Sie, dass die Zahl der Einbürgerungs-
anträge nach Inkrafttreten des neuen Rechts im Jahre
2000 zwar kurzzeitig auf ungefähr 180 000 pro Jahr
hochgeschnellt ist, mittlerweile aber wieder drastisch auf
rund 100 000 Anträge zurückgegangen ist, und das, ob-
wohl es Millionen von Menschen in Deutschland gibt,
die die Voraussetzungen für die Einbürgerung erfüllen
würden, worüber wir uns eigentlich freuen sollten.

Wir sollten nicht nur Sonntagsreden über Integration
halten. Wir sollten einen Beitrag dazu leisten. Dazu ge-
hört in erster Linie die Beseitigung von Hindernissen für
die Einbürgerung und die Abschaffung der Options-
pflicht, damit nicht jene jungen Menschen, die dem-
nächst, also 2013 – ich habe das Datum bereits genannt –,
23 Jahre alt werden, in einen Loyalitätskonflikt zwischen
ihrer Abstammung und dem Herkunftsland der Eltern
und der deutschen Kultur, in der sie aufgewachsen sind,
geraten. Vielmehr sollten wir uns freuen, dass sie einen
Beitrag zur Integration leisten, indem sie weiterhin deut-
sche Staatsbürger bleiben. Das ist unser Anliegen. Wir
werden nicht lockerlassen. Darauf können Sie sich ver-
lassen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715820500

Vielen Dank, Kollege Rüdiger Veit. – Nächster Red-

ner für die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege
Stephan Mayer. Bitte schön, Kollege Stephan Mayer.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1715820600

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegin-

nen! Sehr geehrte Kollegen! Zu dem heute zu debattie-
renden Antrag der SPD-Fraktion kann man nur sagen:
alter Wein in alten Schläuchen.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alter Wein ist ja nicht unbedingt schlecht!)


Meine sehr geehrten Kollegen von der SPD, es ist
nicht neu, dass Sie für die Abschaffung des Optionsmo-
dells sind, dass Sie für die generelle Zulassung der
Mehrstaatigkeit sind. Mich wundert nur, dass Sie in re-
gelmäßigen Abständen mit den gleichen Anträgen oder
Gesetzentwürfen kommen. Ich kann mir das – mit Ver-

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(C (D ub – nur so erklären, dass Sie, lieber Herr Kollege Veit, mer noch traumatisiert sind, weil Sie 1999 dem Kom romiss beim Staatsangehörigkeitsrecht zugestimmt haen. Sie kommen immer wieder mit alten Kamellen über ergangene Landtagswahlen. Ich glaube, dass es Zeit ist, ich mit den aktuellen Themen, insbesondere mit den roblemen der Integration, auseinanderzusetzen. Das ist innvoller, als hier immer wieder in steter Regelmäßigeit die gleichen Anträge zu stellen. Sie wollen mit Ihrem Antrag den mühsam geschlosseen gesellschaftspolitischen Kompromiss aus dem Jahr 999 aufkündigen. Herr Kollege Veit, in Ihrer Rede haen Sie den entscheidenden Unterschied zwischen Ihnen nd uns deutlich herausgestellt. Sie sagen: Die Ausreihung der deutschen Staatsangehörigkeit ist ein Zwichenschritt auf dem Weg zu einer Integration in die eutsche Gesellschaft. Ich sage Ihnen ganz offen: Die DU/CSU-Bundestagsfraktion ist dezidiert anderer Aufssung. Wir sind der Meinung: Die Ausreichung der eutschen Staatsangehörigkeit kann erst am Ende eines rfolgreichen Integrationsweges stehen. Dabei bleiben ir. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Auch wenn gewisse Fragen mittlerweile nicht mehr
kut sind – beispielsweise aufgrund der Aussetzung der
ehrpflicht in Deutschland –, bleiben eklatante rechtli-

he Schwierigkeiten für den Fall bestehen, dass man ge-
erell die Mehrstaatigkeit zulässt.


(Rüdiger Veit [SPD]: Nein!)


ann würden zunehmend sogenannte hinkende Rechts-
erhältnisse entstehen, zum Beispiel im Bereich des Erb-
nd Familienrechts, etwa wenn es um die Anerkennung
on Eheschließungen, um Scheidungen oder Namensän-
erungen geht.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch alles lösbar!)


Es kann natürlich sein, dass wir diese Fragen dann,
umindest wenn es nach dem Justizminister von Rhein-
nd-Pfalz geht, nach der Scharia regeln.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat er zurückgenommen!)


h sage Ihnen ganz offen: Wir von der CDU/CSU-Frak-
on werden Ihnen hierzu eine ganz klare Absage ertei-
n. Die Scharia hat auf deutschem Boden nichts verlo-
n.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch nicht um Strafgerichtsbarkeit!)


ir sind dezidiert der Auffassung, dass wir aufgrund un-
erer abendländisch-christlich-jüdischen Kultur eine ge-
achsene Rechtsordnung, eine gewachsene Rechtsstruk-
r haben, sodass überhaupt keine Notwendigkeit

esteht, auch nicht in Ausnahmefällen, Rechtsstreitig-





Stephan Mayer (Altötting)



(A) )


)
keiten nach dem islamischen Recht, nach der Scharia, zu
lösen.

Es gibt schon heute die Möglichkeit, Mehrstaatigkeit
zuzulassen. Es gibt die Härtefallregelung des § 12 des
Staatsangehörigkeitsgesetzes. Wenn die Aufgabe der
bisherigen Staatsangehörigkeit eine besondere Härte
darstellt, wenn das andere Land jemanden nicht aus der
Staatsangehörigkeit entlässt, wenn unzumutbare Bedin-
gungen erhoben werden oder erhebliche Nachteile dro-
hen, dann gibt es auch heute schon die Möglichkeit,
Mehrstaatigkeit zuzulassen. Es besteht deshalb aus mei-
ner Sicht überhaupt keine Notwendigkeit, die Mehrstaa-
tigkeit auf deutschem Boden generell einzuführen.

Die Einbürgerungsstatistik zeigt sehr eindrucksvoll,
dass sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund
durchaus bereit sind, sich für die deutsche Staatsangehö-
rigkeit zu entscheiden. Im Jahr 2010 zum Beispiel hatten
25 Prozent derjenigen, die die deutsche Staatsangehörig-
keit angenommen haben, einen türkischen Migrations-
hintergrund. Lieber Herr Kollege Veit, Sie haben gesagt,
dass es Millionen von Menschen auf deutschem Boden
gibt, die die formalen rechtlichen Voraussetzungen erfül-
len, um die deutsche Staatsangehörigkeit zu erhalten,
dass sie sie nur nicht beantragen. Dazu sage ich Ihnen
ganz offen: Vielleicht wissen sie ganz genau, warum sie
sie nicht beantragen. Sie wollen es eben nicht. Es gibt
doch überhaupt keine Notwendigkeit, jemandem die
deutsche Staatsangehörigkeit aufzudrängen. Ich glaube,
wir sind bisher gut damit gefahren, die Mehrstaatigkeit
nicht generell zuzulassen. In Ausnahmefällen ist dies
aber sehr wohl der Fall und möglich.

Ich sage Ihnen ganz offen, dass es auch unsere Auf-
gabe ist, Privilegierungen im Bereich des Staatsangehö-
rigkeitsrechts zu vermeiden. Ich meine zum Beispiel das
Wahlrecht. Gerade wir sind aufgerufen, für eine mög-
lichst gleiche Behandlung aller Bürgerinnen und Bürger
in Deutschland zu sorgen. Es ist unbestreitbar so, dass
Personen, die die doppelte Staatsangehörigkeit haben
bzw. über mehrere Staatsangehörigkeiten verfügen, in
einer gewissen Weise privilegiert werden.

Ich glaube, wir sind gut beraten, wenn wir zunächst
einmal die Erfahrungen abwarten, die wir mit dem Op-
tionsmodell machen werden. Ich spreche ungern – auch
das sage ich ganz offen – von Optionspflicht; denn an
sich ist das ja eine zusätzliche Möglichkeit, unter ver-
schiedenen Alternativen zu wählen.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso? Sie hatten vorher zwei und haben hinterher nur eine!)


Sie wissen ganz genau: Wenn man sich bis zum
23. Lebensjahr nicht entscheidet – man muss sich nicht
entscheiden –, dann entfällt automatisch die deutsche
Staatsangehörigkeit. Auch de jure besteht also keine Op-
tionspflicht, sondern es gibt eine Optionsmöglichkeit.

Wir haben ein Optionsmodell.


(Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur bei EU-Bürgern stimmt das, was Sie sagen!)


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(C (D rst seit 2008 gibt es Menschen in Deutschland, die iese Option überhaupt wahrnehmen können. Es werden tzt zwischen 3 800 und 6 700 Personen im Jahr sein. b dem Jahr 2018 wird es sich um ungefähr 40 000 Per onen im Jahr handeln, die sich entscheiden können, das eißt, die dann fünf Jahre lang Zeit haben, sich zu entcheiden. Bis dahin wird es umfangreiche Evaluierungen eben. Wir, die christlich-liberale Koalition, haben uns dauf verständigt, verschiedene Studien anfertigen zu las en. So werden unter anderem zwei Studien von der Forchungsgruppe des Bundesamtes für Migration und lüchtlinge durchgeführt. Sehr viel erwarte ich mir von er Überprüfung des Einbürgerungsrechts und des Verhrens aufgrund der Zahlen, die die Länder bis Ende es Jahres zu liefern haben. Ich glaube, wir sind gut beraten, diese Studien, die tzt auf verschiedenen Ebenen gemacht werden, erst inmal abzuwarten. Dann können wir uns im Wissen um iese Erfahrungen und Zahlen wieder mit dieser Themak beschäftigen. Aber bis dahin besteht überhaupt keine otwendigkeit zum Aktionismus und zu vorschnellen ntscheidungen. Deswegen ist dem Antrag der SPDraktion in aller Entschiedenheit die Absage zu erteilen. Vielen Dank, Kollege Stephan Mayer. – Nächste Red erin für die Fraktion Die Linke ist unsere Kollegin Frau evim Dağdelen. Bitte schön, Frau Kollegin. Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Da en und Herren! Auch ich habe mich gefragt, warum ie SPD diesen Antrag kurz nach der Beratung im Noember jetzt noch einmal eingebracht hat. Man kommt u dem Schluss: Nur der stete Tropfen höhlt den Stein. as Problem ist: Hier geht es nicht um einen Stein; das t anscheinend ein Fels, an dem man wirklich viele ahre knacken muss, damit man ein so unsinniges Gesetz ippen kann. enn anders kann ich mir diese ideologische Bornierteit der CDU/CSU und der FDP nicht erklären, vor allen ingen auch deshalb nicht, weil ich von der FDP erennbar auch andere Stimmen zur Kenntnis nehme. So at zum Beispiel die FDP im Niedersächsischen Landtag ine komplett andere Position und sagt in ihrem Papier ur Ausländerund Flüchtlingspolitik, dass die Situation Niedersachsen unerträglich sei. Sie sagt, der Umgang it türkischen Staatsangehörigen sei nicht hinnehmbar. nen werde in Niedersachsen die Mehrstaatigkeit vereigert, und auch die Optionspflicht sei unerträglich. eshalb müsse eine bundeseinheitliche Änderung vorgeommen werden. Ich wünsche mir, dass man diesen olleginnen und Kollegen und auch dem Doppelstaatler, em niedersächsischen Ministerpräsidenten McAllister Sevim Daðdelen )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715820700

(Beifall bei der LINKEN)

Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715820800

(Beifall bei der LINKEN)


(B)





(A) )


Sevim Dağdelen
von der CDU, entgegenkommt und sagt: Wir schaffen
diese blöde Optionsregelung ab.

Herr Mayer, Sie haben gesagt, in Ausnahmefällen
gibt es in Deutschland die Mehrstaatigkeit. Demgegen-
über muss ich Sie daran erinnern, dass die Mehrstaatig-
keit in Deutschland längst Realität und allgemeine
Praxis ist. Über 57 Prozent aller Eingebürgerten in
Deutschland sind Doppelstaatler. Das sind über 4,5 Mil-
lionen Menschen.


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Dann müssen wir doch gar nichts ändern!)


Das sind doch dann in Deutschland überhaupt keine
Ausnahmen, sondern das ist längst Praxis. Deshalb fragt
man sich: Was ist eigentlich Ihr Problem mit der Op-
tionspflicht und der generellen Hinnahme der Mehrstaa-
tigkeit? Dazu muss ich sagen: Offensichtlich geht es Ih-
nen um etwas anderes. In Ihrer Rede haben Sie die
Scharia erwähnt; ich wüsste nicht, welche Bundestags-
fraktion die Einführung der Scharia gefordert hat. Sie
versuchen hier, einen Popanz aufzubauen.


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Der Justizminister aus Rheinland-Pfalz hat das letzte Woche doch gefordert!)


– Hier im Bundestag in dieser Diskussion heute hat nie-
mand die Scharia gefordert, Herr Mayer.


(Zuruf des Abg. Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU])


Nehmen Sie das zur Kenntnis! Das ist die Realität. Ich
weiß nicht, wovon Sie nachts träumen.


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Ich träume von anderen Dingen!)


Dies hat hier jedenfalls nicht stattgefunden, Herr Mayer.

Was ist das Problem? Offensichtlich geht es Ihnen um
die Verhinderung der Einbürgerung von Türkinnen und
Türken in Deutschland. Anders sind die unterschiedli-
chen Quoten der einzelnen Bundesländer trotz bundes-
einheitlicher Rechtsgrundlagen nicht zu erklären.


(Beifall bei der LINKEN – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Eine boshafte Unterstellung!)


Die Quote der akzeptierten Mehrstaatigkeit bei Einbür-
gerungen beträgt bundesweit über 53 Prozent. Bei türki-
schen Staatsangehörigen liegt sie bei nur 28 Prozent.
Das heißt, Mehrstaatigkeit wird bei nichttürkischen
Staatsangehörigen in Deutschland mehr als doppelt so
häufig akzeptiert wie bei türkischen.

Kommen wir einmal zu Ihrem Bundesland, zu Bay-
ern. In Bayern wird die doppelte Staatsangehörigkeit ge-
rade einmal zu 3,7 Prozent anerkannt. Das waren im
Jahre 2010 ganze 78 Personen.


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Wir halten uns an Recht und Gesetz! – Gegenruf des Abg. Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die anderen nicht?)


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(C (D ie Doppelstaatlerquote nichttürkischer Staatsangehörier beträgt in Bayern 64,5 Prozent. Die gezielte Einbürerung zum Beispiel türkischer Staatsangehöriger wird xtrem erschwert. Diese ausgrenzende Praxis, die geielte Verweigerung der Einbürgerung vor allem türkicher Staatsangehöriger – dies geschieht besonders in ayern, aber auch zum Beispiel in Baden-Württemberg –, (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ändert sich da jetzt! Die haben eine türkischstämmige Ministerin!)


ägt zu dieser extremen Einbürgerungsquote bei. Ja, das
t so. Ich finde, das ist ein Skandal.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Diese Menschen haben einen Anspruch auf Einbürge-
ng. Es handelt sich um bundeseinheitliche Gesetze.
iese Menschen wollen deutsche Staatsangehörige und
icht irgendwelche Bayern werden. Es darf nicht anhand
gendwelcher bayerischen Maßstäbe entschieden wer-
en, ob ihnen die Staatsangehörigkeit gegeben wird.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Nun hören Sie aber mit Bayern auf! – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht ganz Bayern beschimpfen! Nur die Regierung! – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Diese Unverschämtheit! Immer wieder das Gleiche!)


sofern kann ich nur an Sie appellieren: Hören Sie in
iesem Land mit Ihrer Türkenfeindlichkeit auf! Hören
ie damit auf, trotz bundeseinheitlicher Rechtsgrundla-
en unterschiedliche Maßstäbe anzusetzen! Das ist über-
aupt nicht tragbar.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich meine, es ist auch nicht zeitgemäß, dass das
taatsangehörigkeitsgesetz so rigide ist. Es geht nicht
ur um die Optionspflicht. Das ist unsere Kritik an dem
ntrag der SPD: Sie glauben, durch die Abschaffung der
ptionspflicht wäre das Thema gegessen. – Wir haben

eit der Reform von 1999 eine Trendwende; die Zahlen
er Einbürgerungen sind in den letzten zehn Jahren ge-
unken, und sie werden nicht besser. So werden wir das
emokratiedefizit – dies hat auch das Bundesverfas-

ungsgericht konstatiert – bei der Problematik nicht be-
eitigen, dass Menschen, die dauerhaft in Deutschland
ben, ausgegrenzt werden, indem sie nicht an Wahlen
ilnehmen können. Dieses Problem werden wir nicht al-
in dadurch beheben, dass wir die Optionspflicht ab-

chaffen. Dazu müssen wir zum Beispiel die Vorausset-
ungen für Einbürgerungen ändern.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715820900

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.


Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715821000

Wir müssen zum Beispiel die Vorgabe bezüglich der

ufenthaltsdauer ändern. Fünf Jahre reichen. Warum
ollen es sechs oder sieben Jahre sein? Warum bleiben





Sevim Daðdelen


(A) )


)(B)


Sevim Dağdelen
wir nicht bei den einfachen Sprachkenntnissen als Vo-
raussetzung, wie es früher der Fall war? Vor allen Din-
gen: Warum verzichten wir nicht komplett auf die Ein-
bürgerungsgebühren oder senken sie insoweit, dass wir
nur einen symbolischen Betrag verlangen?


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715821100

Ich darf Sie wirklich bitten, auf die Redezeit zu ach-

ten.


Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715821200

Vielen Dank, Herr Präsident, für die Geduld und das

Verständnis.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715821300

Nächster Redner in unserer Debatte ist für die Frak-

tion der FDP unser Kollege Hartfrid Wolff.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Und täg-

lich grüßt die SPD. Wieder einmal fordern die Sozialde-
mokraten die Abschaffung des Optionsmodells. Klasse!
Das hat die SPD erst vor zehn Jahren selbst beschlossen.
Im vergangenen Herbst überraschte Rüdiger Veit die Na-
tion mit der angeblich neuen Forderung nach Hinnahme
von Mehrfachstaatsangehörigkeiten.


(Zuruf des Abg. Rüdiger Veit [SPD])


Wir haben Ende letzten Jahres einen SPD-Antrag
vom Februar 2010 beraten. Jetzt kommt erneut aufge-
gossener Tee, diesmal vom November letzten Jahres. Of-
fenbar sind unsere sozialdemokratischen Kollegen etwas
unterbeschäftigt. Wer immer wieder denselben Antrag
auf die Tagesordnung setzt, hat offenbar keinerlei neue
Ideen, Kollege Veit. Der Eindruck bleibt: Der Opposi-
tion fällt nichts mehr ein.


(Rüdiger Veit [SPD]: Ihr kommt aber auch nicht weiter! Wo bleibt die Evaluierung?)


Dass sich die SPD von den Ergebnissen ihrer eigenen
Regierungsarbeit abwendet, haben wir in den letzten bei-
den Jahren schon sehr oft erlebt, und es erstaunt nicht
wirklich.

Sachlich bleibt es dabei: Es macht einfach keinen
Sinn, ein Gesetz zu ändern, zu dessen Wirkung es prak-
tisch noch keine verwertbaren Daten gibt; auch das
wurde schon gesagt. Der Kollege Mayer hat recht: Es ist
sinnvoll, erst einmal Erfahrungen zu sammeln, wie sich
diese Regelung auswirkt, und danach die rechtlichen
Anpassungsmöglichkeiten zu prüfen. Alles anderes wäre
Aktionismus. Die Koalition hat vor, diese Prüfung bald
durchzuführen.

Wir Liberalen haben seinerzeit das Optionsmodell
vorgeschlagen, um den Weg hin zu einer Öffnung des
deutschen Staatsangehörigkeitsrechts in Richtung auf
das Jus Soli zu ermöglichen. Für in Deutschland aufge-

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(C (D achsene junge Menschen ist es nach Auffassung von ot-Rot-Grün aber unzumutbar, sich bei Volljährigkeit r die deutsche Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Die artei Die Linke tut sich mit der Wahlfreiheit, der Kometenz des Individuums, sich entscheiden zu dürfen, ja enerell schwer. (Widerspruch bei der LINKEN – Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Oje! – Gegenruf der Abg. Gisela Piltz [FDP]: Willkommen im Plenum!)


nders als die Kinder deutscher Eltern sollen die Betref-
nden durch eine Mehrfachstaatsangehörigkeit privile-

iert werden. Im SPD-Antrag heißt es ausdrücklich, es
olle fürderhin ein konsequentes Bekenntnis zur doppel-
n oder mehrfachen Staatsbürgerschaft geben.

Meine Damen und Herren, die SPD frohlockte einst
ber die Abschaffung des Abstammungsprinzips bei der
taatsangehörigkeit. Für Migranten will sie es jetzt bei-
ehalten. Das ist verkehrte Welt.


(Manuel Höferlin [FDP]: Ja!)


er die doppelte Staatsangehörigkeit fordert, stoppt die
odernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts. Galt

inken, Grünen und Sozialdemokraten das Abstam-
ungsrecht bei deutschen Aussiedlern jedenfalls noch

ls reaktionäres Rechtsprinzip, ist es im Hinblick auf die
oppelstaatsangehörigkeit, etwa für Araber, plötzlich
ieder erwünscht.

Es ist in der Tat absurd, in dem Land, in dem man ge-
oren ist und in dem man dauerhaft leben will, Auslän-
er zu sein. Allerdings: Niemand hier im Haus will Men-
chen, die sich für Deutschland entscheiden, die die
eutsche Sprache beherrschen und sich auf unsere
rundwerte verpflichten, daran hindern. Aber einen
erkunftsnationalismus zu beschwören, ist reaktionär.


(Lachen des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


ass sich die Oppositionsparteien dabei vor diesen Kar-
n spannen lassen, ist jedenfalls aus meiner Sicht ein
rmutszeugnis. Fortschrittlich dagegen wäre es, das Jus
oli tatsächlich weiterzuentwickeln.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht ihr aber auch nicht! – Rüdiger Veit [SPD]: Macht mal!)


Die Integration in die deutsche Gesellschaft kann nur
elingen, wenn man sich zu gleichen Rechten und
flichten wie die anderen Staatsbürger in die deutsche
esellschaft integriert. Rot-Rot-Grün tut so, als ob Mi-
ration allein eine geografische Standortveränderung
äre – und damit basta.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Dazu haben wir ja noch gar nichts gesagt!)


as ist Unfug. Jeder, der sich mit dem Thema Migration
useinandersetzt, weiß, dass Zuwanderung nicht einfach
ein neues Territorium erfolgt, sondern in ein Land mit

nderen Menschen, mit eigener Tradition, eigener Spra-





Hartfrid Wolff (Rems-Murr)



(A) )


)(B)

che und eigener Kultur; das weiß niemand besser als un-
sere bayerischen Freunde.


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Ein wahres Wort!)


Wer das verschweigt oder kleinreden will, zerstört die
Zukunftschancen von Migranten.

Eine Einbürgerungsregelung, die von weiten Teilen
der Bevölkerung abgelehnt wird, stärkt keinesfalls die
Akzeptanz von Migranten.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Es sind wahrscheinlich auch so viele Migranten in Ihrer Partei, weil Sie so viel Ahnung haben!)


Wer eine Zukunft anstrebt, in der nicht Hautfarbe oder
Abstammung, sondern allein der Wille und die freiwil-
lige Verpflichtung, dazuzugehören, für die Zugehörig-
keit zur deutschen Nation entscheidend sind, der muss
verhindern, dass Abstammungsfragen in Deutschland
wieder salonfähig werden, wie es durch das Instrument
der mehrfachen Staatsangehörigkeit im Prinzip ge-
schieht.

Meine Damen und Herren, die FDP wird weiterhin
die freie Entscheidung des Individuums und die Integra-
tionsleistungen jedes Einzelnen höher schätzen als die
Beschwörung von Herkunft und ethnischen Milieus. So
gestalten wir in der Koalition den überfälligen Neuan-
fang in der Integrationspolitik: auf dem Weg hin zu einer
neuen Kultur des Willkommens


(Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es lustig!)


und auf der Basis von Gleichberechtigung, gegenseitiger
staatsbürgerlicher Loyalität und fairem Miteinander.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Macht mal! Nicht nur ankündigen!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715821400

Vielen Dank, Kollege Hartfrid Wolff. – Nächster Red-

ner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist unser
Kollege Memet Kilic. Bitte schön, Herr Kollege.


Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715821500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich habe in dieser Debatte schon gemerkt,
dass ich einiges richtigstellen muss. Deutschland hat im
europäischen Vergleich eine der schlechtesten Einbürge-
rungsquoten. Fast jeder Neunte in unserer Bevölkerung
hat keinen deutschen Pass. Viele von ihnen wollen sich
einbürgern lassen, scheitern aber an den hohen Einbür-
gerungshürden. Stellen Sie sich vor, Sie wären einer von
ihnen: Welches Bild hätten Sie in dieser Debatte von Ih-
rer eigenen Partei?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Art. 2 Abs. 1 un-
seres Grundgesetzes heißt es:

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(C (D Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit … unserer zivilen Gesellschaft braucht das Individuum taatsbürgerschaftliche Rechte, um sich entfalten zu könen. Einwohner ohne deutsche Staatsbürgerschaft bleien deswegen oft Zaungast. Eine der besten Maßnahmen egen Rassismus ist die Stärkung der Rechte der poteniellen Opfer. Die Erleichterung der Einbürgerung ist die chtige Antwort auf die rassistische Mordserie der NSU. An dieser Stelle möchte ich den Antrag der SPD loen. Darin fordert die SPD größtenteils die inhaltliche msetzung unserer Gesetzentwürfe aus dem Jahr 2010. nsere Kernforderungen sind: erstens die Abschaffung es Optionszwangs. Es ist integrationspolitischer Uninn, in Deutschland geborene Jugendliche vor die wangswahl zwischen ihren zwei Staatsbürgerschaften u stellen. Zweitens. Einbürgerungsanträge von Rentnern dürfen icht wegen fehlender Lebensunterhaltssicherung abgehnt werden. Wenn Renten nach 30-jähriger Berufstägkeit unter dem Sozialhilfeniveau liegen, ist das kein dividuelles, sondern ein gesamtgesellschaftliches Pro lem. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Drittens fordern wir die uneingeschränkte Hinnahme
er Mehrstaatigkeit. In Deutschland lebt seit Jahrzehnten
ine Vielzahl von Menschen ohne Probleme mit zwei
taatsangehörigkeiten. So haben Millionen von Spätaus-
iedlern die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, ohne
ass sie ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben
ussten.


(Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Genau! – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Das waren doch keine Ausländer! Das ist doch eine ganz andere Personengruppe! Sie können doch die Spätaussiedler nicht mit Ausländern vergleichen!)


benso haben alle EU-Bürgerinnen und EU-Bürger das
echt auf Mehrstaatigkeit. 2010 erfolgten 53,1 Prozent
ller Einbürgerungen unter Hinnahme der Mehrstaatig-
eit. In vielen europäischen Staaten wird die Mehrstaa-
gkeit generell hingenommen. Probleme verursacht die
ehrstaatigkeit dort nicht. Lassen Sie uns diese integra-

onspolitische Katastrophe endlich gemeinsam beenden
nd die Mehrstaatigkeit uneingeschränkt hinnehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Im August 2008 habe ich mit der GAL in Heidelberg
ine Quizshow mit Fragen aus dem Einbürgerungstest
eranstaltet. Die überwiegende Mehrheit der Einheimi-
chen fand die Sprache des Testes zu kompliziert. Viele
atten Schwierigkeiten, den Kontext der Fragen zu ver-
tehen. Durch den hohen intellektuellen Anspruch der
ragen werden Menschen mit niedrigem Bildungsniveau





Memet Kilic


(A) )


)(B)

von der Einbürgerung ausgeschlossen. Der Test hat seine
abschreckende Wirkung besonders bei älteren Menschen
gezeigt. Daher muss der Test abgeschafft werden, liebe
Freundinnen und Freunde.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die SPD hat vor wenigen Jahren, in der Großen
Koalition, gegen jegliche Vereinfachungen bei der Ein-
bürgerung gestimmt. Nun hat sie in ihrer Zeit auf der
Oppositionsbank gleich zwei fast wortgleiche Anträge
eingebracht, mit denen sie die Einbürgerung vereinfa-
chen möchte. Die letzte Initiative der SPD haben wir un-
terstützt, diese werden wir auch unterstützen. Selbst
wenn die SPD in dieser Wahlperiode noch zehnmal den
gleichen Antrag einbringen wird, werden wir sie zehn-
mal unterstützen.


(Rüdiger Veit [SPD]: Das gilt umgekehrt genauso!)


Abschließend möchte ich der SPD einen Tipp mit auf
den Weg geben: Liebe SPD, wenn Sie es mit der Sache
ernst meinen, dann sollten Sie nicht mit einer Großen
Koalition liebäugeln; denn mit der Union – Sie haben es
gesehen – können Sie auf diesem Gebiet nur weitere
Verschärfungen durchführen, aber keine Vereinfachun-
gen. Lassen Sie es deshalb sein!


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Rüdiger Veit [SPD]: Das müssen Sie doch nicht mir sagen!)


Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715821600

Vielen Dank, Kollege Memet Kilic. – Letzter Redner

in unserer Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt
ist für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Ingo
Wellenreuther. Bitte schön, Herr Kollege Wellenreuther.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Ingo Wellenreuther (CDU):
Rede ID: ID1715821700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wieder einmal hat die SPD das Thema Staatsangehörig-
keitsrecht auf die Tagesordnung gesetzt. Sie wollen mit
Ihrem Antrag die Optionspflicht abschaffen und die
mehrfache bzw. doppelte Staatsbürgerschaft, Herr Veit,
ermöglichen. Bereits viermal haben wir in den letzten
zwei Jahren im Deutschen Bundestag über entspre-
chende Anträge der Opposition debattiert, zuletzt – es
wurde angesprochen – vor genau drei Monaten.

Jedes Mal haben die Regierungsfraktionen erklärt, am
Grundsatz, mehrfache Staatsangehörigkeiten prinzipiell
zu vermeiden, festzuhalten. Dieser Grundsatz ist völker-
rechtlich anerkannt und prägt das deutsche Staatsange-
hörigkeitsrecht. Sie kennen unsere überzeugenden Argu-
mente dazu.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir kennen die Argumente! Aber sie überzeugen uns nicht!)


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(C (D Sie wissen, dass wir Ihren Antrag heute ablehnen erden. Trotzdem stellen Sie ihn. Das ist natürlich Ihr utes Recht, aber es zeigt doch nur eines: Es geht Ihnen icht um Integration, sondern Sie schielen nur nach ählerstimmen. Sie wollen bei unseren Mitbürgern mit usländischem Pass punkten, um angesichts ihrer chlechten Umfragewerte wieder Boden gutzumachen. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch! Das haben wir auch bei guten Umfragewerten gefordert!)


as ist allerdings so plump und offensichtlich, dass Ih-
en das nichts nutzen wird. Sie haben in keiner Weise
ie Sache im Blick. Ihnen geht es allein um die Show.
eshalb leisten Sie, Herr Veit, mit Ihrem Antrag gerade
einen Beitrag, das Zusammenleben der Menschen in
nserer Gesellschaft zu fördern. Integrationspolitisch
ind Sie mit Ihrem Vorschlag auf dem Holzweg.

Rot-Grün hat noch immer nicht begriffen, dass es bei
er Integration ausländischer Mitbürger oder Menschen
it Migrationshintergrund nicht darum gehen kann, die

eutsche Staatsbürgerschaft gleichwohl mit der Gieß-
anne zu verteilen. Integration gelingt nicht mit der Aus-
ändigung eines deutschen Passes. Sie lösen damit kein
inziges Problem, das im Zusammenleben von Men-
chen verschiedener Herkunft und unterschiedlicher
ulturen entstehen kann. Integration ist vielmehr eine
ache des Kopfes und des Herzens; darauf habe ich
chon im November 2011 hingewiesen. Deshalb muss
ie Staatsbürgerschaft am Ende eines gelungenen Inte-
rationsprozesses stehen und nicht an dessen Anfang.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Vollkommen kontraproduktiv ist daher auch das, was
ie neue grün-rote Landesregierung in meinem Heimat-
nd Baden-Württemberg gerade vollzogen hat. Durch
nderungen bei der Ausführung des Staatsangehörig-
eitsrechts sollen künftig insbesondere mehr Fälle der
ehrstaatigkeit hingenommen und Abstriche beim Er-
rdernis der Deutschkenntnisse gemacht werden.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


as ist kein Beitrag, Integration zu fördern. Ganz im Ge-
enteil: Das baden-württembergische Integrationsminis-
rium wird hier seinem Namen nicht gerecht.

Richtig ist dagegen unser Ansatz. Wir wollen gut in-
grierte Ausländer, die Deutschland als ihre Heimat

mpfinden und sich einbürgern lassen, weil sie Deutsche
erden wollen, und nicht nur deshalb, weil sie unter Bei-
ehaltung ihrer Staatsbürgerschaft die Vorteile der deut-
chen Staatsbürgerschaft zusätzlich in Anspruch nehmen
ollen.

Integration ist im Wesentlichen ein innerer Prozess.
iesen hat der Staat zu fördern, insbesondere durch An-
ebote an Deutsch- und Integrationskursen. Dafür
immt der Staat zu Recht viel Geld in die Hand; denn es
t uns schon immer klar: Entscheidend für eine gelun-
ene Integration ist, dass die hier lebenden Ausländer
ie deutsche Sprache lernen und beherrschen. Das ist der
chlüssel für eine gute Bildung und Ausbildung und dies





Ingo Wellenreuther


(A) )


)(B)

wiederum für gesellschaftliche und berufliche Teilhabe.
Deshalb zielen die integrationspolitischen Bemühungen
der unionsgeführten Bundesregierung seit dem Jahr
2005 in genau diese Richtung. Damit haben wir schon
große Erfolge erzielt.

Wenn Integration gelingt, werben wir sehr dafür, dass
möglichst viele derer, die die Einbürgerungsvorausset-
zungen erfüllen, die deutsche Staatsbürgerschaft anneh-
men; denn dadurch wird die Zugehörigkeit zu unserem
Land und zur wechselseitigen Verantwortung seiner Bür-
ger am stärksten ausgedrückt. Vor diesem Hintergrund
freut es uns wirklich sehr, dass im Jahre 2010 die Zahl
der Einbürgerungen um 5,6 Prozent gestiegen ist und der
Anteil der Einbürgerungen mit fortbestehender ausländi-
scher Staatsangehörigkeit erfreulicherweise leicht zu-
rückgegangen ist. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die
Zahl der Einbürgerungen im letzten Jahr weiter gestie-
gen ist.

Auch zum zweiten Punkt, der von der Opposition ge-
planten Abschaffung der Optionspflicht, kennen Sie aus
den Debatten unsere klare Haltung. In der Koalitionsver-
einbarung ist vorgesehen, die Erfahrungen mit einer nen-
nenswerten Zahl der ersten Optionsfälle auszuwerten
und einen möglichen Verbesserungsbedarf zu prüfen.

Diese Prüfungen betreffen zum einen das Verwal-
tungsverfahren. Hier liegt der Schwerpunkt bei den Län-
dern, wobei das Bundesinnenministerium die Maßnah-
men koordiniert und die Ergebnisse zusammenfasst. Die
Länder waren gebeten worden, dazu entsprechende An-
gaben bis zum 31. Januar dieses Jahres zu übersenden.
Sie von der SPD können nicht einmal eine Woche still-
sitzen und stellen schon heute einen Showantrag in das
Schaufenster des Bundestages.

Die Evaluierung betrifft zum anderen die Evaluierung
der Maßnahme selbst. Hier werden erstens die von den
Ländern zum 31. Januar dieses Jahres zur Verfügung ge-
stellten Zahlen über das Entscheidungsverhalten der Op-
tionspflichtigen ausgewertet. Auch wenn diese Auswer-
tung gerade erst begonnen hat, zeichnet sich bisher die
Tendenz ab – Herr Veit, Sie wissen das wahrscheinlich –,
dass sich 95 Prozent der Optionspflichtigen, die sich bis-
her gemeldet haben, für die deutsche Staatsbürgerschaft
entschieden haben. Fast alle geben also ein ganz klares
Bekenntnis zu unserem Land ab. Ich halte das für ein
wunderbares, eindeutiges Zeichen dafür, dass sich Men-
schen anderer Herkunft in unserem Land wohlfühlen.
Zugleich ist es ein erfreuliches Zeichen dafür, dass wir in
Deutschland ganz überwiegend eine offene und tolerante
Gesellschaft haben. Ich finde, gerade in Zeiten, in denen
menschenverachtende Straftaten von Neonazis die
Schlagzeilen beherrschen, ist dies eine sehr wichtige
Nachricht.


(Beifall des Abg. Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU])


Bei der Evaluierung der Maßnahme selbst wird zwei-
tens die Wahrnehmung der Optionsregelung durch die
Betroffenen selbst untersucht. Uns ist es wichtig, wie die
optionspflichtigen jungen Menschen diese Pflicht zur

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(C (D ntscheidung empfinden. Deshalb sind die zwei bereits ngesprochenen umfassenden Studien der Forschungsruppe des BAMF in Auftrag, die derzeit durchgeführt erden. Die Untersuchung der Forschungsgruppe umsst darüber hinaus auch das Einbürgerungsverhalten llgemein und stellt deshalb eine wesentliche Grundlage r die Prüfung möglicher Hemmnisse im Einbürgengsrecht dar. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann wollen Sie denn die Schlussfolgerungen daraus ziehen?)


Noch nicht, Herr Winkler. Warten wir ab!

Die Ergebnisse dieser umfassenden Prüfungen und
issenschaftlichen Studien werden in der ersten Hälfte
ieses Jahres erwartet. Auch das ist schon mehrfach ge-
agt worden, und Sie von der SPD wissen das auch, Herr
eit. Deshalb gilt erneut: Sie sind mit Ihrem Antrag wie-
er einmal zu früh dran. Um die Sache geht es Ihnen
uch heute wenig. Sie wollen aus taktischen Gründen
it Ihrem Aktionismus für Ihre Fraktion Kapital schla-

en. Das ist zu durchschaubar, als dass jemand darauf
ereinfallen könnte. Ihren Antrag lehnen wir schon aus
iesem Grund ab, aber vor allem aufgrund der bereits
ehrfach genannten inhaltlichen Argumente.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715821800

Vielen Dank, Kollege Wellenreuther.

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 17/7654 an die in der Tagesordnung aufge-
hrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-

erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zu dem Abkommen vom
18. Oktober 2011 zwischen der Regierung der
Bundesrepublik Deutschland und der Euro-
päischen Aufsichtsbehörde für das Versiche-
rungswesen und die betriebliche Altersversor-
gung über den Sitz der Europäischen
Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen
und die betriebliche Altersversorgung

– Drucksache 17/8236 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-
schusses (7. Ausschuss)


– Drucksache 17/8506 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Ralph Brinkhaus
Manfred Zöllmer





Vizepräsident Eduard Oswald


(A) )


)(B)

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Sind Sie da-
mit einverstanden? – Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist der Par-
lamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der
Finanzen, Kollege Hartmut Koschyk. Bitte schön, Herr
Staatssekretär.

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Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1715821900


Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Eine der Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise war
die Schaffung neuer, stringenter Aufsichtsstrukturen für
das Finanzwesen in Europa. Wer die Verhandlungen
über den Sitz dieser Behörden miterlebt hat, der weiß,
dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass es der Bun-
desregierung gelungen ist, eine dieser drei Aufsichts-
behörden nach Deutschland zu holen. Es wurden
Aufsichtsbehörden für das Bankenwesen und das Wert-
papierwesen und eine für das Versicherungswesen und
die betriebliche Altersversorgung geschaffen. Nachdem
Frankfurt am Main schon Sitz der Europäischen Zentral-
bank geworden ist, war es ein großer Verhandlungs-
erfolg der Bundesregierung, die wichtige Aufsichtsbe-
hörde für das Versicherungswesen und die betriebliche
Altersversorgung, die das schöne europäische Kürzel
EIOPA hat, auch nach Frankfurt zu bekommen. Traditio-
nell – das wissen wir – spielt die Versicherungswirtschaft
für die deutsche Volkswirtschaft eine herausgehobene
Rolle. Mit dem Sitz von EIOPA in Frankfurt ist auch die
Bedeutung der Stadt Frankfurt als wichtiges europäi-
sches Finanzzentrum unterstrichen worden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mit dem heute im Bundestag zu verabschiedenden
Entwurf eines Vertragsgesetzes werden die rechtlichen
Grundlagen für das völkerrechtliche Inkrafttreten des
Abkommens zwischen der Bundesregierung und EIOPA
über deren Sitz in Frankfurt am Main geschaffen.
Gleichzeitig soll das Abkommen jetzt auch die Zustim-
mung der für die Bundesgesetzgebung zuständigen Kör-
perschaften erhalten.

Ich durfte gemeinsam mit dem damaligen Staats-
minister im Auswärtigen Amt, Dr. Werner Hoyer, und
Carlos Montalvo, dem Exekutivdirektor von EIOPA, am
18. Oktober 2011 im Auswärtigen Amt in Berlin das
Sitzabkommen unterzeichnen. Ich möchte mich bei Ih-
nen, Herr Staatsminister Link, und den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes für die gute
Federführung bei der Aushandlung des Sitzabkommens
und die gute Kooperation bedanken. Es war ein muster-
gültiges Zusammenwirken verschiedener Ressorts bei
der Abschlussverhandlung zu diesem Sitzabkommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


EIOPA ist Teil des europäischen Finanzaufsichtssys-
tems. Sie ist, wie bereits gesagt, eine von drei im Zuge
der europäischen Aufsichtsreform geschaffenen Auf-
sichtsbehörden. Sie hat ihre Tätigkeit bereits am 1. Ja-
nuar 2011 aufgenommen. Mit dem heute vom Bundestag
zu verabschiedenden Sitzabkommen kommen wir als

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(C (D undesrepublik Deutschland unseren Verpflichtungen ls Sitzstaat nach. Durch dieses Abkommen werden lare rechtliche Rahmenbedingungen für EIOPA gechaffen, um ein reibungsloses Funktionieren der Beörde und die unabhängige Wahrnehmung ihrer Aufgaen zu gewährleisten. Wir orientieren uns dabei am itzabkommen der Europäischen Zentralbank. Im Hinlick auf die haushälterische Situation ist eines wichtig: urch dieses Abkommen kommen keine zusätzlichen fianziellen Belastungen auf die Bundesrepublik Deutschnd zu. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Hervorragendes Signal!)


Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Sitz
iner solchen Behörde ist das eine. Der Geist, in dem
ine solche Behörde ihre Arbeit aufgenommen hat, ist
as andere. Dass EIOPA nicht nur eine Aufsichtsbehörde
t und dass sie für die Branche in Europa und auch in
eutschland nicht immer ein bequemer Partner sein
ird, merken wir bei der aktuellen Debatte über Sol-
ency II. Hier müssen wir im Hinblick auf die aktuellen
erhandlungen auf Brüsseler Ebene dafür Sorge tragen,
ass das bewährte System der betrieblichen Altersvor-
orge in Deutschland nicht unter die Räder kommt.

Welche wichtige Rolle EIOPA neben den Aufsichts-
ufgaben jetzt schon im Bereich der legislativen Rechts-
etzung auf europäischer Ebene spielt, merken wir. Ich
abe es mit dem Exekutivdirektor bei der Unterzeich-
ung des Sitzabkommens besprochen: Die Bundesrepu-
lik möchte einen offenen und zielführenden Dialog mit
ieser wichtigen Behörde mit Sitz in Deutschland. Ich
öchte auch den Deutschen Bundestag einladen, mit

ieser Behörde einen offenen Dialog zu führen. An die
nwesenden Kolleginnen und Kollegen des Finanzaus-
chusses des Bundestages gerichtet, sage ich: Vielleicht
önnte der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages
iese wichtige Behörde mit Sitz in Frankfurt einmal be-
uchen, um deutlich zu machen, dass der Deutsche Bun-
estag, vertreten durch seinen Finanzausschuss, an ei-
em lebendigen Dialog mit EIOPA interessiert ist.

Ich bitte um Zustimmung zu diesem Sitzabkommen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715822000

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Nächster Redner

unserer Aussprache ist für die Fraktion der Sozialde-
okraten unser Kollege Manfred Zöllmer. Bitte schön,
ollege Manfred Zöllmer.


(Beifall bei der SPD)



Manfred Zöllmer (SPD):
Rede ID: ID1715822100

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

amen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
s muss schon ein wenig erstaunen, dass wir heute in
iesem Hohen Haus über den Dienstsitz einer neuen Be-
örde debattieren sollen. Ich habe nichts dagegen, ein
aar Minuten über die neue europäische Versicherungs-





Manfred Zöllmer


(A) )


)(B)

aufsichtsbehörde mit Sitz in Frankfurt zu sprechen. Ei-
gentlich könnte ich mich hier hinstellen und sagen:
Frankfurt, Frankfurt, Frankfurt. Mehr steht in dem Ge-
setzentwurf nicht drin.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Haben wir gerade Oberbürgermeisterwahlen?)


Mir und meinen Kolleginnen und Kollegen in der Oppo-
sition drängt sich allmählich der Eindruck auf, wir sollen
jetzt eine halbe Stunde über Frankfurt am Main reden,
weil die Koalition in ihrer permanenten Zerstrittenheit
– besonders beim Thema Regulierung – kaum noch et-
was entscheidet und das Problem hat, Debattenzeit zu
füllen. Offensichtlich ist das in der Regierungskoalition
aber niemandem mehr peinlich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach Art. 59 Abs. 2
des Grundgesetzes bedürfen Verträge, welche die politi-
schen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Ge-
genstände der Bundesgesetzgebung beziehen, der Zu-
stimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die
Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der
Form eines Bundesgesetzes. Dies ist der verfassungs-
rechtliche Hintergrund. Deswegen müssen wir heute
über diesen Gesetzentwurf abstimmen.

Der faktische, der ökonomische Hintergrund ist natür-
lich ein anderer. Die Finanzkrise 2007/2008 hat uns allen
gezeigt, dass es erhebliche Defizite bei der Finanzauf-
sicht in Europa gab. Die Analyse belegte, dass es Män-
gel bei der Zusammenarbeit, der Koordinierung und der
Kohärenz zwischen den Mitgliedstaaten beim nationalen
Umgang mit den Praktiken der Finanzinstitute gab. Fi-
nanzmärkte und Banken agieren global; die Aufsicht war
national. Die daraus resultierenden Defizite wurden in
der Finanzmarktkrise offenkundig.


(Beifall bei der SPD)


Das Europäische Parlament hat daher eine Reform
der europäischen Finanzaufsicht auf den Weg gebracht,
die erstmals bisher ausschließlich nationale Befugnisse
auf die europäische Ebene verlagert. Wir begrüßen diese
Entwicklung ausdrücklich. Die Etablierung dieser Auf-
sichtsbehörden wird das Vertrauen fördern und das Ri-
siko einer Destabilisierung des globalen Finanzsystems
auch in Bezug auf das Versicherungswesen und die be-
triebliche Altersversorgung vermindern.

Ziel der europäischen Versicherungsaufsicht, der
EIOPA – das ist eine wirklich merkwürdige Abkürzung –,
ist die Wahrung der Stabilität und Effizienz des Finanz-
systems. Sie wird sich die Versicherungs- und Rückver-
sicherungsunternehmen, Finanzkonglomerate, Einrich-
tungen der betrieblichen Altersversorgung sowie die
Versicherungsvermittler genauer ansehen und entspre-
chend kontrollieren. Gleichzeitig übernimmt die EIOPA
Tätigkeiten im Bereich des Verbraucherschutzes, indem
sie etwa Verbrauchertrends analysiert und passende Aus-
bildungsstandards für die Wirtschaft entwickelt. Das be-
grüßen wir sehr.

Die Struktur der EIOPA ist insgesamt sinnvoll. Sie ist
durch gemeinsame Gremien mit den anderen europäi-
schen Aufsichtsbehörden verknüpft. Hier seien der Ge-

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(C (D einsame Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehören und der Beschwerdeausschuss der EIOPA genannt. Die laufende Aufsicht über die Unternehmen verleibt im Wesentlichen auf nationaler Ebene, in Deutschnd bei der BaFin. Dies bedeutet, dass beide Einrichtunen kollegial zusammenarbeiten müssen. Das braucht otwendigerweise etwas Zeit und den Willen zur kolleialen Zusammenarbeit. Das ist nicht immer so ganz einch, weil neue Institutionen entstehen, die dann Berei he bereits bestehender Organisationen übernehmen. Ich in mir aber sicher, dass dieser Wille zur kollegialen Zuammenarbeit bei der BaFin unter der Leitung ihrer euen Chefin, Frau König, vorhanden ist. Ich habe auch ehr begrüßt, dass Frau König in einem Interview deutch gemacht hat, dass man zwischen Banken und Versiherungen unterscheiden sollte und die Regeln, die für anken sinnvoll und notwendig sind, nicht einfach eins u eins auf Versicherungen übertragen sollte. Ich denke, as ist ein vernünftiger Ansatz. Die Aufsichtsbehörden in Europa werden für die notendige Harmonisierung und eine kohärentere Anwenung von Vorschriften auf Finanzinstitute und -märkte er Europäischen Union sorgen. Für die neuen EU-Beörden bedeutet dies im Vergleich zu ihren Vorgängerremien einen erheblichen Aufgabenzuwachs. Damit sind wir bei einem sehr aktuellen und wichtien Thema aus dem Bereich der betrieblichen Altersverorgung, einem Thema, das eben auch von Staatssekretär oschyk angesprochen wurde. Ich darf zu diesem hema einfach einmal aus der Presse dieser Tage zitien: Die EU-Kommission betrachtet unser Betriebsrentensystem künftig als Versicherung. Daher müssten für sie auch die in Solvency II festgelegten strengen Eigenkapitalvorschriften von bis zu 40 % gelten. eiter heißt es: Folge: Vielen deutschen Pensionskassen droht die Pleite. Andere müssen ihre Rentenzahlungen drastisch kürzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kann doch nicht ein, dass aus der Harmonisierungsnotwendigkeit ein armonisierungswahn und eine Zerstörung etablierter trukturen deutscher betrieblicher Altersversorgung erden. Das deutsche Drei-Säulen-Modell staatlicher, etrieblicher und privater Altersvorsorge empfiehlt sich urchaus auch für Europa. s hat sich bewährt, und es muss geschützt werden. Die nwendung von Solvency II muss mit Augenmaß ge chehen und sollte nicht dazu führen, dass die gut funkonierende betriebliche Altersversorgung hier in eutschland zerstört wird. Gleiches sollte in Europa gleich behandelt werden. afür braucht man gemeinsame Normen, Transparenz nd Kennzahlen zur Bewertung. Die betriebliche Altersersorgung ist aber mit vielen nationalen Besonderheiten Arbeits-, Sozialund Steuerrecht verbunden. Sie ist Manfred Zöllmer )


(Beifall bei der SPD)





(A) )

nicht mit großen Versicherungskonzernen zu verglei-
chen. Eine undifferenzierte europaweite Vereinheitli-
chung hilft hier nicht weiter. In einer Stellungnahme an
den Finanzausschuss hat das Bundesfinanzministerium
deutlich gemacht, dass es Verhandlungslinie der BaFin
sei, Solvency-II-Eigenkapitalvorschriften möglichst
nicht bei der betrieblichen Altersversorgung anzuwen-
den. Staatssekretär Koschyk hat diese Position eben dan-
kenswerterweise für die Bundesregierung bekräftigt. Wir
begrüßen dies ausdrücklich, fordern die Bundesregie-
rung aber auf, entsprechend tätig zu werden und dafür zu
sorgen, dass das auch umgesetzt wird.


(Beifall bei der SPD)


Wir wünschen der neuen europäischen Aufsichtsbe-
hörde einen guten Start und erfolgreiche Arbeit.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD – Holger Krestel [FDP]: So kann man acht Minuten über nichts reden!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715822200

Vielen Dank, Kollege Manfred Zöllmer. – Als Nächs-

ter steht auf meiner Rednerliste Kollege Holger Krestel,
der seine Rede zu Protokoll gibt.1)


(Holger Krestel [FDP]: Das hätten Sie auch tun sollen, Herr Zöllmer!)


Somit erteile ich für die Fraktion Die Linke unserem
Kollegen Harald Koch das Wort. Bitte schön, Kollege
Harald Koch.


(Beifall bei der LINKEN)



Harald Koch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715822300

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Wir reden heute über einen der drei Eckpfeiler im
Europäischen Finanzaufsichtssystem, nämlich über die
Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswe-
sen und die betriebliche Altersversorgung, kurz EIOPA.
Im Januar 2011 nahm diese Behörde ihre Arbeit auf, mit
Sitz in Frankfurt am Main. Die Europäische Bankauf-
sichtsbehörde, EBA, sitzt in London, die Europäische
Wertpapieraufsichtsbehörde, ESMA, in Paris. Ich be-
zweifle, dass diese örtliche Zersplitterung wirklich nötig
ist. Gewiss möchten verschiedene Staaten etwas vom
Aufsichtskuchen abhaben und sich damit brüsten. Doch
Egoismen sind hier fehl am Platze.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke fordert: Stellen Sie lieber Arbeitsfähigkeit,
gute Zusammenarbeit über kurze Wege sowie Effizienz
in den Mittelpunkt! Wir brauchen keinen Bonn/Berlin-
Streit für Europa.

Für die EIOPA werden nun gemäß Sitzabkommen zur
Gewährleistung der unabhängigen Wahrnehmung ihrer
Aufgaben rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen.
So gibt es zum Beispiel spezielle begünstigende Rege-
lungen für das beamtete Personal der Behörde. Art. 13

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B1) Anlage 4

(C (D es Abkommens stellt klar, dass die Gehälter, Löhne und nderen Bezüge des Behördenpersonals der EU-internen teuer unterliegen. Diese sind im Gegenzug von innertaatlichen Steuern befreit. Die Linke vertritt auch bezüglich des beamteten Beördenpersonals unzweifelhaft die Auffassung: Gute Areit muss auch gut bezahlt werden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


ennoch müssen wir ein wachsames Auge darauf haben,
ass die Behörde nicht zu einem Selbstbedienungsladen
ird. Seit Jahren sind die irrealen Gehaltsstrukturen auf
U-Ebene Gegenstand mannigfaltiger Kritik. Das Perso-
alstatut für EU-Beamte, das auch für das EIOPA-Perso-
al gelten soll, muss daher dringend überarbeitet wer-
en.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


eraltete Privilegien und Dutzende Zulagen sowie Son-
erregelungen gehören abgeschafft. Die dort arbeitenden
eamten sollen gut verdienen, und sie tun es ja auch.
ie krasse Differenz zum durchschnittlichen Einkom-
en einer hiesigen Angestellten kann man aber nieman-

em plausibel erklären. Es müssen endlich sozial ge-
chte Gehaltsstrukturen geschaffen werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Anstößig sind aber erst recht die ganz besonderen
teuerregelungen. EU-Beamte mit einem Grundgehalt
on 7 600 Euro zahlen gerade einmal rund 12 Prozent
teuern.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das ist sehr wenig!)


h denke, jeder sollte zumindest die Steuern zahlen, die
r auch in seinem Heimatland zahlt,


(Gisela Piltz [FDP]: Oder am besten noch mehr!)


der man sollte wenigstens auf deutlich höherem Niveau
inen gemeinsamen Steuersatz finden; Stichwort: „Har-
onisierung“. Für die Menschen draußen, die zu-

chauen, mutet das gerade in Zeiten der Euro-Krise mehr
ls paradox an: Zig Staaten werden Schuldenbremsen
ufgedrückt; Spardiktate zwingen unter anderem zum
päteren Renteneintritt und Verzicht auf Lohnerhöhun-
en. Auf der anderen Seite haben sich EU-Beamte ihr ei-
enes Steuerparadies geschaffen und wollen nicht davon
brücken. Eines ist klar: Die EU darf in dieser Hinsicht
icht länger Steueroase bleiben.


(Beifall bei der LINKEN)


Grundsätzlich darf man auf die weitere Arbeit der
IOPA gespannt sein. Genauso wie bei den anderen bei-
en Aufsichtsbehörden gab ihr die Kommission leider
eine politisch-ökonomischen Leitlinien mit auf den
eg. Auch muss man die Erkenntnisse und Maßnahmen

er EIOPA transparent machen. Ob das bei dem allge-
enwärtigen Lobbyismus gelingt, ist fraglich, ebenso ob
ie EIOPA in Krisenfällen tatsächlich über effektive
efugnisse verfügt.





Harald Koch


(A) )


)(B)

Alles in allem brauchen wir ein schlagkräftiges und
weitreichendes Aufsichtssystem auch auf EU-Ebene.
Grundpfeiler sind eingeschlagen. Um einen dauerhaft
sicheren Stand zu gewährleisten, sind aber noch einige
Konstruktionsfehler auszumerzen.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715822400

Vielen Dank, Kollege Harald Koch. – Der nächste

Redner ist jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
unser Kollege Dr. Gerhard Schick. Bitte schön, Kollege
Dr. Gerhard Schick.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das, was hier vorliegt, ist nicht wirklich strittig und kann
auch nicht mehr stark geändert werden. Wir haben die
Beratungen im Ausschuss deswegen auch sehr knapp
halten können. Das ist einfach ein Standardvertrag, wie
er üblich ist. Deswegen ist die Debatte hier auch nicht
von großen Differenzen bezüglich des Sachverhalts die-
ses Gesetzes geprägt. Aber es lohnt sich natürlich, ein-
mal einen Blick darauf zu werfen, was wir in Europa
eigentlich gerade machen. Man sieht, dass dort eine Auf-
sichtsstruktur entstanden ist, die in zwei Dimensionen
noch nicht zufriedenstellend ist. Die eine ist die Dimen-
sion der räumlichen Aufteilung. Es gibt eine Aufsichts-
behörde für Banken in London, eine Aufsichtsbehörde
für das Versicherungswesen in Frankfurt – mit dieser
befassen wir uns gerade – und die Aufsichtsbehörde für
Fonds in Paris. Das Zusammenwirken dieser verschiede-
nen Institutionen wird natürlich dadurch erschwert, dass
in drei verschiedenen Ländern und in drei verschiedenen
Sprachkulturen verhandelt werden muss. Auf diese Art
und Weise – darin besteht das Problem – kommen wir
nicht zu einer einheitlichen Finanzaufsicht und einer
intensiven Kooperation.

Die zweite Dimension ist, dass die Aufgabenteilung
mit den nationalen Behörden an vielen Stellen nicht so
klar definiert ist, dass sie einen Sinn ergibt. Es ergibt kei-
nen Sinn, eine kleine, rein regional tätige Bank oder Ver-
sicherung von europäischen Institutionen beaufsichtigen
zu lassen, während gleichzeitig Durchgriffsrechte der
europäischen Aufsichtsbehörden bei grenzüberschrei-
tend tätigen Banken und Versicherungen fehlen. Wir
müssen in Europa unbedingt zu einem besseren Auf-
sichtssystem kommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dabei bleibt es aber nicht. Auch inhaltlich gibt es
massive Probleme. Das Problem besteht nicht nur darin,
dass die Bankenaufsicht in London und die Versiche-
rungsaufsicht in Deutschland sitzt. Vielmehr gibt es bei
den beiden Regulierungsprojekten – Basel III für die
Banken und Solvency II für die Versicherungsunterneh-
men – keinen einheitlichen Regulierungsansatz. Wenn
man die Kapitalanforderungen für bestimmte Anlagen in
Solvency II und Basel III vergleicht, dann kommt man

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(C (D u höchst unterschiedlichen Ergebnissen. Für eine zehn ahre laufende Unternehmensanleihe, die mit BB bewert ist, wird in Basel III eine Kapitalunterlegung von 1,8 Prozent, von den Versicherern in Solvency II aber ine von 45 Prozent verlangt. Ein Portfolio mit gewerbchen Immobilienkrediten muss in Basel III mit 8 Proent, in Solvency II aber mit nur 5 Prozent Eigenkapital nterlegt werden. Dabei könnte es grundsätzlich sogar inn ergeben, Banken und Versicherer unterschiedlich u behandeln. Allerdings müssten sich die Kriterien ann danach ausrichten, welche Risiken von der jeweigen Branche am besten getragen werden können. So önnten Lebensversicherer aufgrund der langfristigen erpflichtungen wesentlich besser in der Lage sein, urzfristige Marktpreisschwankungen abzufedern und ngfristige Geschäfte einzugehen. So wären Versicherer icherlich als Investor für langjährige Anleihen und ktivitäten gut geeignet. Doch das Aufsichtsrecht setzt ier leider einen gegenteiligen Anreiz. Eine 30 Jahre ufende Infrastrukturanleihe muss in Basel III mit ,1 Prozent, in Solvency II aber mit 32,5 Prozent untergt werden. So ist ziemlich klar, dass die Versicherungsnternehmen gerade in diese Projekte nicht verstärkt einteigen werden. Damit entsteht insgesamt gesehen eine egulierung, bei der aufgrund des mangelnden Zusamenwirkens der Versicherungsund Bankenregulierung ine Verortung der Risiken an der richtigen Stelle des inanzsystems nicht gelingen wird. Wir haben die wichtige Aufgabe, die Vorgaben zur ersicherungsregulierung in deutsches Recht umzuseten und dabei zu schauen, an welcher Stelle eine Kohänz von Bankenund Versicherungsregulierung mögch ist. s darf nicht passieren, dass bei der inhaltlichen Reguerung das repliziert wird, was wir bei den behördlichen trukturen finden, nämlich dass die Bankenaufsicht in ondon und die Versicherungsaufsicht in Frankfurt umlich so weit voneinander entfernt sind wie die ogik der Bankenregulierung und die Logik der Versiherungsregulierung. An dieser Stelle sehe ich noch groen Handlungsbedarf. Danke schön. Vielen Dank, Kollege Dr. Gerhard Schick. – Letzter edner in unserer Aussprache ist unser Kollege Ralph rinkhaus für die Fraktion der CDU/CSU. Bitte schön, ollege Ralph Brinkhaus. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715822500


Ralph Brinkhaus (CDU):
Rede ID: ID1715822600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ob das,

as wir hier machen, peinlich ist, möchte ich bezwei-
ln. Zu einer Peinlichkeit komme ich später noch, liebe
olleginnen und Kollegen von der SPD. Obwohl das
esetz relativ einfach ist, ist es aus drei Gründen sinn-





Ralph Brinkhaus


(A) )


)(B)

voll, dass wir uns an dieser Stelle mit diesem Gesetz
beschäftigen.

Der erste Grund ist, dass dieses Gesetz mittlerweile
das zwölfte ist, das im Bereich der Bankenregulierung
von der Regierungskoalition auf den Weg gebracht wird.
Das alles geschah innerhalb der letzten 22 Monate.


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt aber nicht das große Gesetz! Bitte!)


Dies ist meines Erachtens deswegen bemerkenswert,
weil mit dem Prozess der Errichtung der EIOPA in
Frankfurt durchaus Arbeit verbunden war. Das sollte
man an dieser Stelle einmal würdigen. Ich glaube, diese
Debatte ist eine gute Gelegenheit dafür.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Der zweite Grund, warum es wichtig und gut ist, dass
wir diese Debatte führen, ist, dass es durchaus Sinn
macht, sich ein wenig mit den europäischen Aufsichts-
behörden zu beschäftigen. Eine große Erkenntnis aus der
Finanzkrise 2008 war, dass die Aufsicht europäisiert
werden muss. Wir haben dies zusammen mit unseren
europäischen Partnern innerhalb von zwei Jahren sehr
schnell umgesetzt. Wir haben einen European Systemic
Risk Board, also eine Risikoaufsicht, gegründet. Es ist
die EBA, die Bankenaufsicht, die ihren Sitz in London
hat, gegründet worden. Außerdem gibt es die ESMA, die
Wertpapieraufsicht in Paris. Daneben gibt es – das habe
ich bereits gesagt – die EIOPA, die Versicherungsauf-
sicht in Frankfurt. Diese Aufsichtsbehörden haben rela-
tiv schnell ihre Arbeit aufgenommen.

Man muss allerdings sagen, dass es an diesen Behör-
den auch Kritik gab und noch gibt. Dieser Kritik müssen
wir uns stellen; denn als Mitglieder des Deutschen Bun-
destages sind wir an der Durchführung der Aufgaben,
die diese Behörden haben, durchaus beteiligt. Der erste
Kritikpunkt ist, dass diese Aufsichtsbehörden viel zu
mächtig sind, dass sie viel zu viel dürfen, dass sie techni-
sche Standards setzen dürfen und dass sie im Zweifels-
fall sogar in das Geschäft der Mittelständler in Deutsch-
land, der Volksbanken und der Sparkassen, eingreifen
dürfen. Das ist so nicht gewollt. Wir wollen eine demo-
kratische Kontrolle und eine Proportionalität in der Auf-
sicht. Wir wollen außerdem, dass die Aufsichtsbehörden
das europäisch Notwendige regeln. Ein gutes Beispiel
hierfür ist die HRE. Wir wollen aber nicht, dass der Ein-
griff kleinteilig bei unseren Versicherungsvereinen auf
Gegenseitigkeit, bei den Sparkassen und bei den Volks-
banken erfolgt. Da sind wir als Parlamentarier gefordert.
Ich glaube, diese Debatte ist ein guter Anlass, diesen
Punkt heute einmal zu betonen.

Der zweite Kritikpunkt ist, dass die ersten Schritte,
die von diesen Aufsichtsbehörden gemacht worden sind
– insbesondere ist da die EBA mit dem Bankenstresstest
zu erwähnen –, nicht ganz ruckelfrei waren. Es gab eine
Menge Beschwerden, dass die Kommunikation nicht gut
war und dass Parameter geändert worden sind. Das ist
richtig. Diese Kritik nehmen wir sehr ernst. Wir sind als
Bundestag gefordert, aufzupassen, dass die Arbeit der

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(C (D ehörden richtig läuft. Ich möchte aber nichtsdestotrotz m Verständnis, was die Arbeit dieser Behörden angeht, erben. Denn wenn man sich einmal die Arbeit der EBA London anschaut – wir waren letzte Woche dort –, ann sieht man, dass es sich um Start-ups handelt, die rst seit anderthalb Jahren auf dem Markt sind und die rst noch ihr Personal und ihre Organisationsstruktur finen müssen. Parallel dazu müssen sie Aufsicht nach ohen Qualitätsstandards durchführen. Wir sollten dieen Prozess positiv, aber auch kritisch begleiten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Der dritte Punkt – da wende ich mich an die Kollegen
on der SPD; Herr Sieling, bleiben Sie ruhig sitzen; das
eht auch Sie an –, warum es gut und richtig ist, diese
inanzmarktdebatte zu führen, ist der Wahlkampfauftakt
er SPD für die Bundestagswahl 2013 nach dem Motto
Demokratie gegen Bankenmacht“ oder „Wer bin ich,
nd, wenn ja, wie viele?“. Es ist der SPD gelungen, eine
ebsite zu installieren und eine Kampagne zu starten,

ie vom Ansatz her eigentlich gar nicht so unintelligent
t. Denn Sie haben brillant analysiert, dass es sich nicht
hnt, gegen Angela Merkel Wahlkampf zu machen,
eil sie einfach zu stark und zu gut für Sie ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der SPD)


ie haben weiterhin brillant analysiert, dass eigentlich
lle sozialdemokratischen Themen quasi abgeräumt
ind. Wir haben das Thema Arbeit erledigt, wir haben
as Thema Gerechtigkeit erledigt, und wir sind dabei,
ndere Themen zu erledigen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der SPD und der LINKEN – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Die Gerechtigkeit habt ihr erledigt!)


ementsprechend versuchen Sie verzweifelt, noch ein
hema zu finden. Es ist vielleicht gar nicht schlecht,
ass Sie das Thema Finanzmarkt aufgreifen. An dieser
telle habe ich schon oft gesagt, dass hier noch einiges
u tun ist. Wenn man sich aber anschaut, in welcher
orm Sie sich inhaltlich damit auseinandersetzen, dann
uss man sagen, dass das mehr als peinlich ist. Es ist
re Sache, dass Sie auf Ihren Parteiwebseiten schlecht

emachte Trickfilmchen zeigen. Sie selber müssen wis-
en, ob es nicht unter Ihrer Würde ist, auf Flugblättern
as Parteilogo nicht abzubilden und sich so den NGOs
nzubiedern. Aber ich dachte, dass wir in der Politik
arüber hinweg sind, dumpfe Feindbilder aufzubauen.
it dem dumpfen Feindbild, das Sie aufbauen, diskredi-

eren Sie nicht nur die auf dem Finanzmarkt tätigen
enschen, die ohne Zweifel vieles falsch gemacht

aben, sondern auch Hunderttausende Menschen in
eutschland, die auf dem Finanzmarkt ihrer Arbeit ehr-
ch nachgehen. Das haben diese Menschen nicht ver-
ient. So viel zur Form.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Nicolette Kressl [SPD]: So viel zum Thema dumpf!)






Ralph Brinkhaus


(A) )


)(B)

Kommen wir zum Inhalt. Auf Ihren Flugblättern ver-
kürzen Sie die Lösungen auf vier Punkte. Sie schreiben,
man müsse den Finanzmarkt schärfer regulieren. Oh
Wunder! Darauf sind wir auch gekommen. Deswegen
liegt unser Gesetzentwurf vor. Ihre Schlussfolgerung ist
wahrlich keine intellektuelle Spitzenleistung. Weiter for-
dern Sie, dass Banken, denen geholfen wird, verstaat-
licht werden müssen. Leider sind die meisten Banken,
denen wir geholfen haben, staatliche Banken. Dann
sagen Sie: Wir müssen ein Trennbankensystem einfüh-
ren. – Sie erklären dabei nicht, was die deutschen Uni-
versalbanken mit der Krise zu tun hatten, wie ein Trenn-
bankensystem organisiert werden soll und wie es künftig
das Entstehen von Krisen verhindern soll. Zum Schluss
kommt wieder die alte Leier: Wir brauchen eine Speku-
lationsteuer. – Ich möchte nur darauf hinweisen: Kein
anderer Finanzminister hat sich so sehr für die Einfüh-
rung einer Finanztransaktionsteuer eingesetzt wie
Wolfgang Schäuble. Sie sagen den Menschen in diesem
Land: Diese Steuer löst alle Probleme. – Das ist schlicht-
weg falsch.

Wir gehen einen anderen Weg. Wir arbeiten konstruk-
tiv. Wir wollen die Mühen der Ebene bewältigen. Das
tun wir mit diesem Gesetz. Deswegen kann ich Sie nur
aufrufen, diese unselige Wahlkampfkampagne zu been-
den, konstruktiv mitzuarbeiten und sich der Union und
den Liberalen anzuschließen. Dann kommen wir auf den
Finanzmärkten auch voran.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715822700

Vielen Dank, Kollege Ralph Brinkhaus. – Kollege

Brinkhaus war der letzte Redner in dieser Aussprache.
Diese schließe ich nun.

Wir kommen zur

zweiten Beratung

und Schlussabstimmung über den von der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem
Abkommen mit der Europäischen Aufsichtsbehörde für
das Versicherungswesen und die betriebliche Altersver-
sorgung über den Sitz dieser Aufsichtsbehörde. Der
Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 17/8506, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Drucksache 17/8236 anzunehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe-
ben. – Das sind die Koalitionsfraktionen, Bündnis 90/
Die Grünen und die Sozialdemokraten. Wer stimmt
dagegen? – Niemand. Enthaltungen? – Die Fraktion Die
Linke. – Damit ist der Gesetzentwurf mit der von mir
festgestellten Mehrheit angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 14:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Jan
Korte, Wolfgang Gehrcke, Agnes Alpers, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

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(C (D Nach 40 Jahren – Berufsverbote aufheben und Opfer rehabilitieren – Drucksache 17/8376 – Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache ein halbe Stunde vorgesehen. Sind Sie damit inverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist dies so eschlossen. Erster Redner in unserer Debatte ist für die Fraktion ie Linke unser Kollege Wolfgang Gehrcke. Bitte chön, Kollege Wolfgang Gehrcke. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ibt sehr viele Menschen in diesem Land, die über 0 Jahre darauf gewartet haben, dass dieses Parlament von der Regierung hat man das kaum erwartet – den infachen Satz ausspricht: Entschuldigung, euch ist Uncht geschehen. h glaube, diese Menschen haben einen Anspruch dauf. Der Radikalenerlass hat viel Demokratie in unserem ande zerstört. Ich will Ihnen nur ein paar Zahlen in Ernerung rufen. 3,5 Millionen Menschen sind per Regel nfrage vom Verfassungsschutz überprüft worden. Wenn as kein Beleg für einen Spitzelstaat ist, dann weiß ich icht, was ein Spitzelstaat ist. (Holger Krestel [FDP]: Sie wissen ganz genau, was ein Spitzelstaat ist! Wenn das einer weiß, dann sind das Sie und Ihre Genossen!)


(Beifall bei der LINKEN)

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715822800

(Beifall bei der LINKEN)


1 000 Berufsverbotsverfahren haben stattgefunden.
256 Menschen ist die Einstellung in den öffentlichen
ienst verweigert worden. Es hat viele Entlassungen ge-
eben. Bringen wir nicht einmal die Courage auf, diesen
enschen zu sagen: „Wir haben euch geschadet; das
ar Unrecht, und das wollen wir korrigieren“?

Ich sage Ihnen: Ein Großer Ihrer Partei, Willy Brandt,
er den Radikalenerlass mit zu verantworten hat, hat öf-
ntlich festgestellt: Der Radikalenerlass war ein Fehler.


(Beifall bei der LINKEN)


arum können dieses Parlament und insbesondere Ihre
artei das nicht eingestehen? Ich halte ein solches Einge-
tändnis für unbedingt notwendig. Das ist eine Frage der
emokratie. Die Bundesregierung hat sich anders ent-

chieden. Die Erklärung der Bundesregierung ist relativ
impel: Alles war rechtens; nichts ist passiert. – Man ist
icht bereit, über das Unrecht zu reden, das einigen
enschen angetan worden ist.

Man darf den Zusammenhang zwischen der 68er-Be-
egung, die die Bundesrepublik zutiefst verändert hat,
nd dem sogenannten Radikalenerlass und den dann er-
lgten Berufsverboten nicht außer Acht lassen. Man
ollte den rebellischen Geist der 68er in diesem Lande

indämmen. Ich habe die Sorge, dass die jetzige Debatte





Wolfgang Gehrcke


(A) )


)(B)

über den Verfassungsschutz und all das, was in diesem
Zusammenhang hochgepusht wird, ein wenig mit der
derzeitigen sozialen Lage zu tun hat. Man ist unsicher,
weil man nicht weiß, welche politischen Bewegungen in
diesem Lande noch entstehen werden. Mich selber be-
trifft das nicht so sehr. Ich werde seit über 50 Jahren vom
Verfassungsschutz überwacht; daran hat sogar meine
Parlamentsmitgliedschaft nichts geändert. Ich möchte
aber nicht, dass sich der Ungeist der Berufsverbote in
Deutschland wieder verbreitet.


(Beifall bei der LINKEN)


Berufsverbote stehen im Widerspruch zum Grundgesetz.
Ich finde, dass man sehr engagiert für das Grundgesetz
kämpfen muss und kämpfen kann. Man war so klug, im
Grundgesetz keine bestimmte Wirtschaftsordnung fest-
zulegen. Das Grundgesetz ist offen und ermöglicht, pri-
vates Eigentum zum Zwecke des Gemeinwohls in öf-
fentliches Eigentum zu überführen.

Wolfgang Abendroth, ein großer Jurist, hat zwischen
Staatsräson und Verfassungstreue unterschieden; er war
immer für Verfassungstreue. Auch die Linke ist für Ver-
fassungstreue und dafür, dass das Grundgesetz eingehal-
ten wird.


(Steffen Bilger [CDU/CSU]: Es darf gelacht werden!)


Das ist unsere Botschaft.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte, dass endlich der Kalte Krieg beendet
wird. Zum Ende des Kalten Krieges gehört es, die Be-
rufsverbote aufzuheben und festzustellen, dass diese Un-
recht sind. Ich möchte, dass junge Menschen in unserem
Land wieder mit rebellischem Geist – dafür werden sie
selber sorgen – sowie mit der Bereitschaft zum Wider-
spruch und der Erkenntnis aufwachsen, dass man nicht
zu oft Ja sagen darf. Ich möchte, dass sie in dem Be-
wusstsein aufwachsen, dass Alternativen möglich und
nötig sind. Berufsverbote waren immer das Gegenteil;
sie waren stets Ausdruck einer Politik des Duckmäuser-
tums und des Abgewöhnens von Demokratie. Darüber
müssten wir inzwischen hinweg sein. Lassen Sie bitte
diesen vielen Menschen Gerechtigkeit widerfahren, in-
dem Sie ihnen sagen: Es war Unrecht, was euch gesche-
hen ist. Wir entschuldigen uns. Wir werden euch rehabi-
litieren. – Darauf haben diese Menschen einen
Anspruch, genauso wie die Demokratie in diesem Land;
das ist viel wichtiger.

Danke sehr.


(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Ingrid Hönlinger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715822900

Vielen Dank, Kollege Gehrcke. – Nächster Redner für

die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege Helmut
Brandt. Bitte schön, Kollege Helmut Brandt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten amen und Herren! Beim ersten flüchtigen Durchsehen er Tagesordnung dieser Woche habe ich gedacht: Mein ott! Die Linke wacht auf. Berufsverbote aufheben, Opr rehabilitieren – jetzt wird der Unrechtsstaat DDR ufgearbeitet. – Ich musste mich dann eines Besseren elehren lassen, als ich die Vorlage studierte. Das, was err Gehrcke hier eben zum Besten gab, hat meine Ein chätzung bestätigt. Was wollen die Linken mit ihrem Antrag erreichen? s geht um den sogenannten Radikalenerlass vom Jauar 1972. Die Linke beantragt unter Bezug auf diesen rlass, … alle erforderlichen Maßnahmen zur Rehabilitierung der Betroffenen einzuleiten, … dafür einzutreten, dass Verfassungsschutzakten, die auf dem Radikalenerlass beruhen, … den Betroffenen und der Wissenschaft zugänglich gemacht werden und dass gesetzliche Regelungen zur materiellen Entschädigung der Betroffenen geschaffen werden; … die mit der Bewilligung von Mitteln aus den Programmen gegen Rechtsextremismus verbundene Extremismusklausel ersatzlos zu streichen. (Beifall des Abg. Harald Koch [DIE LINKE] – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Genau!)

Helmut Brandt (CDU):
Rede ID: ID1715823000

Der Antrag wird mit Hinweis auf folgende Aspekte
egründet: Das seit 2006 geltende Allgemeine Gleichbe-
andlungsgesetz verbiete eine Diskriminierung wegen
olitischer Überzeugungen. Aus einer Verurteilung der
erufsverbotspraxis durch den Europäischen Gerichts-
of ergebe sich, dass der Radikalenerlass Unrecht gewe-
en sei. Dies sei nie – Herr Gehrcke hat das wiederholt –
ffentlich eingestanden worden. Es handle sich um Be-
fsverbote, die zu verurteilen seien. Dann folgt der Op-
rbegriff, der für mich entlarvend ist, zeigt er doch, was
ie eigentlich beabsichtigen.

Meine Damen und Herren Kollegen von der Linken,
ngesichts der erschütternden Mordserie der sogenann-
n Zwickauer Zelle und des Anstiegs der Zahl rechts-

xtremistischer Gewalttaten – im letzten Jahr hatten wir
llein 14 000 Straftaten zu verzeichnen, die von der
chten Szene zu verantworten sind – bin ich über Ihren
ntrag doch sehr überrascht.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Was soll das denn jetzt sein?)


ie Morde der Zwickauer Zelle zeigen doch gerade,
ass auch aus heutiger Sicht die Forderung nach einer
ehrhaften Demokratie aktueller denn je ist.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das ist doch absurd!)


in Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grund-
rdnung ist angesichts der immer noch währenden Ge-
hr des Links- und Rechtsextremismus nach wie vor er-
rderlich.





Helmut Brandt


(A) )


)(B)


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das ist absurd!)


– Das ist keineswegs absurd. Das ist unserem Grund-
rechtssystem immanent. Herr Gehrcke sprach hier von
Verfassungstreue; wir erwarten sie gerade von denen, die
für dieses Land arbeiten.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Es geht doch darum, dass in Westdeutschland Kommunisten keine Postboten werden durften!)


So heißt es im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
vom 22. Mai 1975:

Ist auf die Beamtenschaft kein Verlaß mehr, so sind
die Gesellschaft und ihr Staat in kritischen Situatio-
nen „verloren“ …

Offensichtlich wollen Sie genau dies erreichen. Der Eu-
ropäische Gerichtshof hat aus dem Grund, den ich zitiert
habe – anders als Sie es glauben machen wollen –, aus-
drücklich anerkannt:

Der demokratische Staat hat das Recht,

– er hat auch die Pflicht –

von seinen Beamten Verfassungstreue zu verlangen.

Die Verfassungstreue ist ein althergebrachter und zu be-
achtender Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne
des Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes. Den Beamten ob-
liegt hiernach eine besondere politische Treuepflicht ge-
genüber dem Staat und der Verfassung.


(Heidrun Dittrich [DIE LINKE]: Haben Sie eigentlich zugehört?)


– Hören Sie mir doch zu. Vielleicht können Sie dann
nachvollziehen, weshalb ich so radikal anderer Auffas-
sung bin als Sie.

Der als Radikalenerlass bezeichnete Extremistenbe-
schluss wurde durch die am 19. Mai 1976 beschlossenen
und am 17. Januar 1979 bekräftigten „Grundsätze für die
Prüfung der Verfassungstreue“ ersetzt, die bis heute fort-
gelten. Seither wird im Zusammenhang mit der Einstel-
lung in den öffentlichen Dienst beim Verfassungsschutz
keine Regelabfrage zur Verfassungstreue mehr vorge-
nommen. Nur wenn konkrete Ansatzpunkte für eine feh-
lende Verfassungstreue vorliegen, kann in Einzelfällen
eine Abfrage gemäß § 19 Abs. 1 des Bundesverfassungs-
schutzgesetzes erfolgen. Ich füge hinzu: Dann muss sie
auch erfolgen.

Die Gewähr, jederzeit für die demokratische Grund-
ordnung einzutreten, ist Teil der von der Verfassung ge-
forderten Eignungsvoraussetzungen für die Einstellung
in den öffentlichen Dienst; auch hier kann ich mich auf
das Bundesverfassungsgericht berufen. Diese Rechts-
lage bestand bereits zum Zeitpunkt des sogenannten Ex-
tremistenbeschlusses und gilt bis heute fort. Trotz der
grundsätzlichen Vermutung der Verfassungstreue zu-
gunsten der Bewerber für den öffentlichen Dienst ver-
pflichtet diese Rechtslage den Dienstherrn bei Vorliegen
von Anhaltspunkten zur Prüfung der Verfassungstreue.

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(C (D Beim Bundesamt für Verfassungsschutz wurden seit 980 keine entsprechenden Anfragen bei Bewerbern für en öffentlichen Dienst mehr vorgenommen. Es ist leichwohl weiterhin notwendig, in entsprechenden Fäln eine solche Überprüfung durchzuführen. Die Mitgliedschaft eines Beamten in einer Vereiniung, die Pläne zur Systemüberwindung hatte oder hat Herr Gehrcke, ich glaube, dass Sie einer solchen Partei umindest angehört haben – und deren Schriften zur ystemüberwindung aufriefen bzw. aufrufen, ist mit dem erhältnis eines Beamten zum Staat nicht vereinbar. ine wehrhafte Demokratie kann so ein Verhalten insbeondere denen gegenüber, die sich in einem besonderen reueverhältnis an den Staat gebunden fühlen, nicht akeptieren. Soweit ein Bewerber in der Vergangenheit nicht in en öffentlichen Dienst aufgenommen wurde, weil eine bfrage beim Verfassungsschutz begründete Zweifel an er Verfassungstreue ergaben, ist dies mit den Grundchten vereinbar und entschädigungslos hinzunehmen. h vermag darin keine unbillige Härte zu erkennen. iemand wird gezwungen, als Beamter in den öffentli hen Dienst einzutreten. Niemand wird gezwungen, Mitlied einer Vereinigung zu sein, die Pläne zu einer Sysmüberwindung hat oder deren Schriften zur Systemberwindung aufrufen. Aber beides geht nicht. Man uss sich schon überlegen, was man will. Eine Mitglied chaft in einer solchen Vereinigung signalisiert auch eine entifikation mit deren Zielsetzungen. Wenn die Ziel etzungen einer Vereinigung im Widerspruch zu unserer eiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen, dann t die Mitgliedschaft in dieser Vereinigung mit der Treueflicht eines Beamten zum Staat nicht vereinbar. Im Geenteil: Die Treuepflicht erfordert eine klare Distanz zu ruppen, die den Staat, seine Institutionen und die besteende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen oder iffamieren. Ich sage es noch einmal: Auch aus heutiger Sicht ist ie Forderung nach einer wehrhaften Demokratie akell. Ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen rundordnung ist angesichts der immer noch währenden efahr von Linkswie Rechtsextremismus nach wie vor rforderlich, und es liegt an der Person des Bewerbers r den öffentlichen Dienst, ob er die an ihn gestellten oraussetzungen erfüllen will oder nicht. Wir lehnen Ihren Antrag ab. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das habe ich mir fast gedacht!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715823100

Vielen Dank, Kollege Helmut Brandt. – Nächster

edner für die sozialdemokratische Fraktion ist unser
ollege Michael Hartmann. Bitte schön, Kollege
ichael Hartmann.


(Beifall bei der SPD)







(A) )


)(B)


Michael Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1715823200

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Den Antrag, mit dem wir uns zu dieser späten
Stunde befassen dürfen, hatte ich zunächst als einen ein-
gestuft, der eher folkloristischer Natur ist oder zeitge-
schichtlichen Aufarbeitungswünschen entspricht. Aber
ich befürchte fast, dass manches, was darin steht, doch
ernst gemeint ist. Wenn Sie wollen, dass Ihr Antrag ernst
genommen wird, sollte sich ein Redner wie Sie, Herr
Gehrcke, der 1961 in die KPD eingetreten ist, der Mitbe-
gründer der SDAJ und bis 1990 Mitglied der DKP war,


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ich bin ein Überzeugungstäter!)


von diesem Pult aus erst einmal für all das Unrecht, das
er direkt oder indirekt zu verantworten hat, entschuldi-
gen. Erst dann kann er Entschuldigungen von anderen
verlangen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das werden Sie nicht erleben! Da können Sie sicher sein!)


– Ich weiß, dass ich das bei Ihnen nicht erleben werde.
Aber Sie müssen das, was ich von diesem Pult aus sage,
ertragen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Wenn es uns Sozialdemokraten nicht möglich ist, et-
was unverkrampfter mit Ihrer Fraktion umzugehen, liegt
das auch an Personen wie Ihnen, die eine bestimmte Hal-
tung einnehmen, sehr geehrter Herr Gehrcke.

Eine weitere Bemerkung. Ich will ernsthaft auf das
Thema eingehen. 1972 gab es den sogenannten Radika-
lenerlass, der vom Bundeskanzler und von den Minister-
präsidenten gemeinsam verabschiedet wurde. Das war
– man wird sich erinnern, manche sogar sehr persönlich –
die Hoch-Zeit des RAF-Terrorismus, die Zeit, in der der
Kalte Krieg tobte. Man hat dabei ohne Zweifel das Kind
mit dem Bade ausgeschüttet. Man hat Menschen be-
obachtet, ausgeforscht und nicht für den öffentlichen
Dienst zugelassen. Aus heutiger Sicht ist es schwierig,
die diesem Vorgehen zugrunde liegende Haltung nach-
zuvollziehen. Deshalb war es richtig und konsequent,
dass der sogenannte Radikalenerlass nach einem Urteil
des Verfassungsgerichts seine Gültigkeit verloren hat.
Ohne Frage entsprach das alles nicht unseren heutigen
Maßstäben. Das ist keine Praxis, die wir uns in irgendei-
ner Weise wieder wünschen würden.

Allerdings ist auch klar – gestern wie heute –, dass
Beamtinnen und Beamte, dass Menschen, die in den
öffentlichen Dienst eintreten wollen, selbstverständlich
eine besondere Treuepflicht gegenüber diesem Staat und
gegenüber diesem Grundgesetz haben. Ich weiß nicht,
warum man sich auf einer Seite dieses Hauses so
schwertut, diese Aussage als eine richtige, notwendige
und unabdingbare anzuerkennen.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wer hat denn hier von Verfassungstreue gesprochen?)


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(C (D Es war Willy Brandt – wenigstens ihn haben Sie rwähnt –, der von einem großen Fehler gesprochen hat, nd es war Helmut Schmidt, der mit Recht gesagt hat, ass damals mit Kanonen auf Spatzen geschossen urde. (Richard Pitterle [DIE LINKE]: Warum haben Sie es dann danach nicht abgeschafft?)


as alles wurde ausgesprochen. Das alles war richtig.

Wissen Sie, Sie mögen sich in Ihrer Rolle als Ver-
lgte oder Verfemte gefallen: aber diese Rolle steht
nen wahrhaftig nicht so gut zu Gesicht. Kämpfen Sie

olitisch mit uns. Wir kämpfen politisch mit Ihnen. Aber
hren Sie nicht biografische Schlachten der Vergangen-

eit.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist für die Menschen, die betroffen waren, ganz aktuelle Gegenwart!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715823300

Das Wort hat der Kollege Dr. Stefan Ruppert von der

DP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Stefan Ruppert (FDP):
Rede ID: ID1715823400

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

n! Es spricht in gewisser Weise für sich, dass die Red-
er von SPD und CDU/CSU – ich nehme an, dass gilt
uch für die Rednerin der Grünen, die gleich spricht –
rem Antrag, dem der Linken, mit einer gewissen Skep-

is begegnen. Das liegt nicht daran, dass Sie die histo-
sche Situation der 70er-Jahre und die Situation, in der
s zum Radikalenerlass kam, gerne wiederhätten und
lles wiederholen möchten, sondern daran, dass aus
der Zeile Ihres Antrags parteipolitisches Kalkül

pricht.

Gerade wenn es darum geht, historisch brisante und in
em einen oder anderen Fall nicht ganz adäquate Vorge-
ensweisen aufzuarbeiten, wenn es darum geht, sich der
eschichte und der Situation, die in den 70er-Jahren
errschte, zu stellen, gegebenenfalls auch zuzugeben,
ass damals über das Ziel hinausgeschossen wurde, dann
erträgt sich das überhaupt nicht mit einem Antrag, der
usschließlich parteipolitischem Kalkül dient, was bei
rem Antrag der Fall ist. Damit leisten Sie keinen Bei-
ag zur Aufarbeitung der Geschichte. Der Gerechtigkeit
nd den zu Unrecht Betroffenen leisten Sie einen Bären-
ienst, wenn Sie so vorgehen.


(Beifall bei der FDP)


Ich glaube, alle Demokraten sind sich darüber einig,
ass man damals über das Ziel hinausgeschossen ist. Die
ußerung von Helmut Schmidt, dass man mit Kanonen

uf Spatzen geschossen hat, die Herr Hartmann genannt
at, aber auch die Äußerungen von führenden FDP-Poli-
kern oder auch von Willy Brandt, wurden vielfach
enannt. Aber auch heute gilt, dass ein Staat darauf ach-





Dr. Stefan Ruppert


(A) )


)(B)

ten muss, dass die Beamten, dass die Menschen, die für
diesen Staat arbeiten – das ist geltendes Beamtenrecht –,
fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen
Grundordnung stehen müssen. Dieser Kern ist bis heute
gültig, und er ist auch heute noch richtig. Bei dem einen
oder anderen von Ihnen hat man leider den Eindruck,
dass Sie auch an dieser Stelle nicht einer Meinung mit
uns sind.

Weil Herr Brandt und Herr Hartmann schon viel
Richtiges gesagt haben, will ich mich kurzfassen. Wenn
Sie ein Interesse daran hätten, diese Sache sauber aufzu-
arbeiten, wenn Sie wirklich ein Interesse daran hätten,
festzustellen, wo im Einzelnen übers Ziel hinausge-
schossen wurde, dann hätten Sie Ihren Antrag nicht mit
parteipolitischen Spitzen gespickt, dann hätten Sie keine
Nebenkriegsschauplätze aufgemacht, die nicht dazuge-
hören. Insofern ist der Antrag unsauber erarbeitet, und
darüber hinaus werden Sie dem eigentlichen Thema
damit auch nicht gerecht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Zitieren Sie doch einmal ein Beispiel!)


– Sie befassen sich beispielsweise mit der Extremismus-
klausel von heute, über die man sicherlich streiten kann.
Sie berühren also Themen, die mit dem eigentlichen
Gegenstand des Antrags gar nichts zu tun haben.

Insgesamt ist das eine Sache, die man sicherlich nur
aus der Geschichte heraus verstehen kann: RAF, Deut-
scher Herbst, viele Ereignisse, die damals Millionen von
Deutsche bedroht haben und bei denen der Staat sicher-
lich etwas über das Ziel hinausgeschossen ist. Ihr Antrag
ist zur Aufarbeitung dieser Geschichte schlicht kein Bei-
trag, sondern kontraproduktiv; insofern ist er abzuleh-
nen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1715823500

Als letzter Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt

erteile ich der Kollegin Ingrid Hönlinger von Bünd-
nis 90/Die Grünen das Wort.


Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715823600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am

28. Januar 1972 verabschiedete sich Bundeskanzler
Willy Brandt gemeinsam mit den Regierungschefs der
Bundesländer von seinem ursprünglichen Motto „Mehr
Demokratie wagen“. An diesem Tag wurde der
Beschluss zu den „Grundsätzen über die Mitgliedschaft
von Beamten in extremen Organisationen“ gefasst, auch
„Radikalenerlass“ genannt. Damit wurde die sogenannte
aktive Verfassungstreue zur Voraussetzung für die Ein-
stellung in den öffentlichen Dienst. Eine Mitgliedschaft
in einer verfassungsfeindlichen Organisation genügte
zur Begründung der Verfassungsfeindlichkeit.

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(C (D Für eine große Anzahl von Menschen hatte das chwerwiegende Folgen. Bereits die Vereinigung der Verlgten des Naziregimes, der Bund der Antifaschistinnen nd Antifaschisten, die Deutsche Friedensgesellschaft/ ereinigte Kriegsdienstgegner oder die Vereinigung Deokratischer Juristinnen und Juristen waren dem Staat zu dikal. Im Antrag der Linksfraktion ist dargelegt, dass er Radikalenerlass zu 11 000 offiziellen Berufsverbotserfahren, 2 200 Disziplinarverfahren, 1 256 Ablehnunen von Bewerbungen und 265 Entlassungen aus dem öfntlichen Dienst führte. Heute verbietet das seit 2006 geltende Allgemeine leichbehandlungsgesetz, das AGG, eine Diskriminieng aufgrund der politischen Überzeugung. Berufsver ote greifen unmittelbar und direkt in die Berufsfreiheit ach Art. 12 GG ein und unterliegen deshalb hohen verssungsrechtlichen Hürden. Berufsverbote können inen Verstoß gegen die Menschenrechte darstellen. (Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])


Die Lehrerin Dorothea Vogt wurde aufgrund ihrer
itgliedschaft in der DKP aus dem Staatsdienst entlas-

en und später wieder eingestellt. Im September 1995
ntschied der Europäische Gerichtshof für Menschen-
chte in Straßburg, dass dieses Vorgehen einen Verstoß

egen Art. 10 und 11 der Europäischen Menschenrechts-
onvention darstelle, also einen Verstoß gegen das Recht
uf Meinungsfreiheit und das Recht auf Versammlungs-
eiheit. Die Bundesrepublik wurde vom Straßburger
erichtshof zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt.

Allerdings bezog sich das Urteil nur auf bereits einge-
tellte Beamtinnen und Beamte und nicht auf Bewerbe-
nnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst. Es
äre deshalb ein anständiger Zug der Bundesregierung
nd des gesamten Bundestages, sich für das Unrecht, das
urch den Radikalenerlass an den betroffenen Bürgerin-
en und Bürgern begangen wurde, zu entschuldigen.


(Beifall bei der LINKEN)


Noch ein Rückblick in die Geschichte. 1976 wurde
er Radikalenerlass auf Bundesebene von SPD und FDP
ufgehoben; auf Landesebene erst sehr viel später. Willy
rand selbst nannte den Radikalenerlass später einen
ehler seiner Regierung. Dieser Sinneswandel hatte
icherlich mit der damaligen sozial-liberalen Regie-
ngskoalition zu tun.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Damals waren die Liberalen noch liberal! – Gegenruf des Abg. Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Herr Gehrcke, da redet doch der Blinde von der Farbe, oder?)


amals war die FDP eben noch eine rechtsstaatsliberale
artei.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


uf ähnliche Werte kann man in der heutigen christlich-
beralen Koalition leider nicht mehr hoffen. Wäre das
ämlich so, würde die unsinnige Extremismusklausel





Ingrid Hönlinger


(A) )


)(B)

der Familienministerin längst der Vergangenheit angehö-
ren – die Klausel, die staatliche Förderung für demokra-
tische Organisationen ausschließt, wenn diese nicht die
politische Haftung für ihre Partnerorganisationen über-
nehmen können oder wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: Das, was Sie da erzählen, ist ein völliger Unsinn!)


Als grüne Bundestagsfraktion begrüßen wir die Initia-
tive der Linksfraktion. Auch wir wollen, dass Maßnah-
men zur Rehabilitierung der Betroffenen eingeleitet und
dass die entsprechenden Unterlagen des Verfassungs-
schutzes über das Bundesarchiv für die Betroffenen und
für die Wissenschaft zugänglich gemacht werden.

Außerdem – das kann man nicht oft genug fordern –
muss endlich die unsägliche Extremismusklausel der
Familienministerin abgeschafft werden;


(Beifall bei der LINKEN)


denn diese Klausel stärkt nicht die Demokratie. Mit sol-
chen Maßnahmen schwächt man – und Frau – die Demo-
kratie.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Holger Krestel [FDP]: Ganz schlechte Rede! Da sieht man wieder mal die dunkelroten Wurzeln der Grünen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1715823700

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/8376 mit dem
Titel „Nach 40 Jahren – Berufsverbote aufheben und
Opfer rehabilitieren“. Wer stimmt für diesen Antrag? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist
abgelehnt bei Zustimmung der Fraktionen Die Linke und
Bündnis 90/Die Grünen und Ablehnung aller anderen
Fraktionen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 a und c auf:

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem

Vorschlag für eine Verordnung des Europäi-
schen Parlaments und des Rates über Boden-
abfertigungsdienste auf Flughäfen der Union
und zur Aufhebung der Richtlinie 96/67/EG
KOM(2011) 824 endg.; Ratsdok. 18008/11

– Drucksachen 17/8426 Nr. A.44, 17/8617 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Peter Wichtel

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem

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(C (D Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Union im Rahmen eines ausgewogenen Ansatzes sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2002/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates 2011)


– Drucksachen 17/8426 Nr. A.46, 17/8618 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Peter Wichtel

Zu dem zweiten Verordnungsvorschlag liegt ein Ent-
chließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
or.

Es ist vereinbart, die Reden zu Protokoll zu nehmen.
s handelt sich um die Beiträge von Peter Wichtel,
DU/CSU, und Daniela Ludwig, CDU/CSU, Kirsten
ühmann, SPD, Patrick Döring, FDP, Herbert Behrens,
ie Linke, Stephan Kühn, Bündnis 90/Die Grünen1).

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
chusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf
rucksache 17/8617. Der Ausschuss empfiehlt in seiner
eschlussempfehlung, in Kenntnis des Vorschlags für
ine Verordnung des Europäischen Parlaments und des
ates über Bodenabfertigungsdienste auf Flughäfen der
nion und zur Aufhebung der Richtlinie 96/67/EG eine
ntschließung gemäß Art. 23 Abs. 3 des Grundgesetzes
nzunehmen. Wer stimmt für diese Entschließung? – Ge-
enstimmen? – Enthaltungen? – Das ist einstimmig so
eschlossen.

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr,
au und Stadtentwicklung auf Drucksache 17/8618. Der
usschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung, in
enntnis des Vorschlags für eine Verordnung des Euro-
äischen Parlaments und des Rates über Regeln und Ver-
hren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf
lughäfen der Union im Rahmen eines ausgewogenen
nsatzes sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2002/30/
G des Europäischen Parlaments und des Rates eine
ntschließung gemäß Art. 23 Abs. 3 des Grundgesetzes
nzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
ng? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die
eschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen
er Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der SPD-Frak-
on und Gegenstimmen der Fraktionen Die Linke und
ündnis 90/Die Grünen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
rucksache 17/8620. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ungsantrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der
ntschließungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der
oalitionsfraktionen bei Enthaltung der SPD-Fraktion
nd Zustimmung der Fraktionen Die Linke und Bünd-
is 90/Die Grünen.

Anlage 5





Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) )


)(B)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Ute
Koczy, Dr. Frithjof Schmidt, Kerstin Müller

(Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Pakistan – Für eine aktive Einbindungsdiplo-
matie, Stärkung der demokratischen Kräfte
und eine verlässliche Entwicklungszusammen-
arbeit

– Drucksache 17/8492 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Hier sollen die Reden zu Protokoll genommen wer-
den. Es handelt sich um die Beiträge von Roderich
Kiesewetter, CDU/CSU, Sibylle Pfeiffer, CDU/CSU,
Johannes Pflug, SPD, Dr. Bijan Djir-Sarai, FDP,


(Beifall bei der FDP)


Jan van Aken, Die Linke, Ute Koczy, Bündnis 90/Die
Grünen.1)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/8492 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlos-
sen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des
Umsatzsteuergesetzes

– Drucksache 17/8320 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

Auch diese Reden gehen zu Protokoll: Manfred
Kolbe, CDU/CSU, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, SPD,
Dr. Daniel Volk, FDP,


(Beifall bei der FDP)


Richard Pitterle, Die Linke, Dr. Thomas Gambke, Bünd-
nis 90/Die Grünen.


Manfred Kolbe (CDU):
Rede ID: ID1715823800

Vor gerade einmal knapp vier Monaten hatten wir

hier an dieser Stelle das letzte Mal über eine Änderung
des Umsatzsteuergesetzes debattiert. Damals ging es um
die dauerhafte Einführung der Istbesteuerung für Unter-
nehmen mit einem Jahresumsatz bis 500 000 Euro. Die
war richtig, um kleine und mittelständische Unterneh-
men zu stützen, Bürokratie abzubauen und eine einfa-

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re1) Anlage 6

(C (D here Systematik einzuführen. Wir hatten die unterchiedlichen Regelungen in Ost und West sowie die mer nur zwei Jahre geltenden Regeln der Umsatzgröen abgeschafft und eine Systematik verankert, bei der tzt dauerhaft klar ersichtlich, einfach und auf Dauer esichert ist, wie und wann die Umsatzsteuer an den iskus zu entrichten ist. Dies war ein Schritt zu Einfacheit, Systematik und Ordnung. Zum aktuellen Gesetz. Heute debattieren wir wieder ber den Punkt für ein einfacheres und gerechtes System er Umsatzsteuer, nämlich die Frage, ob die Befördeung von Fahrgästen auf Schiffen nun ermäßigt oder oll besteuert werden soll und ob diese Art der Dienstistung einen menschlichen Grundbedarf darstellt bzw. em Gemeinwohl dienlich ist. So fordert es ja auch die PD seit langem für die Umsatzsteuer – allen voran PD-Ministerpräsident Beck, der ja die ermäßigte Umatzsteuer für die Hotellerie als „jämmerliches Stück lientelpolitik“ bezeichnet und ein Umsatzsteuersystem orgeschlagen hat, bei dem „wir den ermäßigten Mehrertsteuersatz nur für Grundnahrungsmittel und einige rundbedarfe“ erheben. Beginnen wir also nun mit der rüfung, ob auch die Personenbeförderung mit Schiffen, ährverkehr ausgenommen, einen Grundbedarf dartellt. Zum Regelungsinhalt. Lassen Sie mich noch einmal urz die Geschichte der Regelung über die Besteuerung er Umsätze in der Fahrgastschifffahrt Revue passieren: is Anfang der 1980er gab es keine Umsatzbesteuerung ei der Personenbeförderung mit Schiffen in der Bunesrepublik. Die 6. Umsatzsteuerrichtlinie der Europäichen Gemeinschaft von 1977 sollte dies ändern. Diese ah vor, dass die Beförderung von Personen mit Schiffen icht mehr grundsätzlich umsatzsteuerfrei sein darf, da iese Transportart nicht eine dem Gemeinwohl dienende ätigkeit war. So war die Bundesrepublik gezwungen, ie Umsatzsteuer bei der Personenschifffahrt einzufühn. Dies geschah allerdings schrittweise, damit sich die eedereien auf die Besteuerung wirtschaftlich einstellen onnten und damit auch entsprechende Regelungen in en anderen EG-Ländern beschlossen werden konnten, m wirtschaftliche Nachteile für deutsche Unternehmen Grenzen zu halten. Insbesondere bei der Ausflugsund Kabinenschiffhrt auf dem Rhein wäre folgendes Problem aufgetren: Bei den Flusskreuzfahrten, beispielsweise von Basel ach Amsterdam über den Rhein, liegt der Hauptteil der trecke auf deutschem Besteuerungsgebiet. Ein niederndischer Reeder hätte damals nach den Gesetzen sei es Landes nur Umsätze besteuern müssen, die in den iederlanden anfallen, da nach den dortigen Gesetzen in voller Vorsteuerabzug auf Umsatzsteuer im Ausland ewährt worden war. Aufgrund dessen, dass deutsche chiffe für den Großteil der Strecke keine Steuerrückrstattung erhalten hätten, wäre es hier zu großen Nachilen für die in der Bundesrepublik zugelassenen Fahrastschiffe gekommen. Aus diesem Grund wurde bis 1984 die Personenberderung mit Schiffen gar nicht besteuert. Aus den beits zuvor genannten Gründen sahen sich die Betreiber )


(A) )

von Ausflugs-, Tanzschiff- und Hafenrundfahrten sowie
die Kabinenschifffahrt nicht in der Lage, die ab 1984
geltende volle Umsatzsteuerbelastung sofort auf die Ver-
braucher umzulegen. So wurde zunächst eine fünfjäh-
rige Übergangszeit mit der Anwendung des ermäßigten
Umsatzsteuersatzes durch den Gesetzgeber geschaffen.
Diese Regelung wurde dann insgesamt siebenmal ver-
längert, zuletzt durch das Jahressteuergesetz 2008 bis
31. Dezember 2011.

Dies wurde getan, obwohl die Voraussetzungen mitt-
lerweile andere sind als Ende der 1970er-Jahre. Seit
dieser europäischen Harmonisierungsphase in den
1980er müssen europaweit bei der Personenbeförde-
rung die jeweiligen länderspezifischen Umsatzsteuern
gezahlt werden; also auch der niederländische Reeder
muss die volle deutsche Umsatzsteuer zahlen und kann
sie nicht mehr als Vorsteuer in den Niederlanden abzie-
hen. Wettbewerbsnachteile wurden dadurch abgebaut,
sodass dieses Argument für die Wiedereinführung des
ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf die Personenbeför-
derung mit Schiffen entfällt.

Wie der Bundesrechnungshof in seinem Bericht über
den ermäßigten Umsatzsteuersatz 2010 festgestellt hat,
wurde bereits 2005 der deutschen Binnenschifffahrt
durch das Bundesfinanzministerium mitgeteilt, dass die
ermäßigte Besteuerung alsbald auslaufen werde. Die
Harmonisierung war gut vorangeschritten, die Wettbe-
werbsnachteile waren weiter abgebaut und weiterhin
galten Hafen-, Ausflugs- und Flusskreuzfahrten nicht als
lebensnotwendig und Grundbedürfnis der Gesellschaft.
Zwar hat der Gesetzgeber 2008, wie bereits erwähnt,
noch einmal die Übergangsregelung verlängert, aber es
wurde deutlich gemacht, dass der Anpassungsprozess an
die volle Besteuerung demnächst abgeschlossen werden
wird, sodass die Schifffahrtsbranche ausreichend Zeit
hatte, entsprechend zu kalkulieren.

Weiterhin ermäßigt besteuert wird selbstverständlich
der Fährverkehr, der im Rahmen des dem Allgemein-
wohl dienenden öffentlichen Nahverkehrs agiert.

Zur politischen Zielsetzung. Da die christlich-libe-
rale Koalition das Ziel verfolgt, dass System der Um-
satzsteuer einfacher und systematischer zu gestalten,
war die endgültige Aufhebung dieser Ermäßigung nur
ein logischer Schritt. Wir wollen, dass die Umsätze aus
Güterhandel und Dienstleistung dem ermäßigten Um-
satzsteuersatz unterliegen, welche dem Gemeinwohl die-
nen und zuträglich sind. Wir arbeiten an der Reform die-
ser Steuer und nehmen jede aktuelle Änderung zum
Anlass, die Umsatzsteuer entsprechend auszurichten.

Dabei wollen und dürfen wir natürlich die weitere
Harmonisierung der Umsatzsteuer auf EU-Ebene nicht
aus den Augen verlieren, um Wettbewerbsnachteile für
unsere Unternehmen so gering wie möglich zu halten.
Wir wollen dabei europaweit definieren, was ein Grund-
bedarf ist und was nicht. Eine Stadtrundfahrt auf der
Spree oder ein Nachmittagsausflug auf der Elbe zählen
sicherlich nicht dazu.

Für den Bereich der Personenbeförderung bleibt des-
wegen hier noch einmal festzuhalten, dass von Basel bis

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Zu Protokoll ge

(C (D msterdam jeder Reeder den jeweils länderspezifischen teuersatz für seine Dienstleistung der Beförderung entichtet. Also zahlt der deutsche wie der niederländische nternehmer für seine Beförderungsleistung 19 Prozent der Bundesrepublik und später dann nach Grenzüberitt 6 Prozent im Königreich. Umsatzsteuererstattungen r Unternehmen innerhalb der EU gibt es nicht mehr. Auch unter gesellschaftlichen Aspekten ist es meines rachtens wichtig, dass wir Flusskreuzoder Hafenundfahrten nicht mehr mit dem gleichen Steuersatz begen wie Lebensmittel oder wirkliche Lebensgrundbearfe. Auch müssen wir davon abkommen, mit der msatzsteuer Wirtschaftspolitik zu betreiben. Aber wir sind hier im Bundestag noch am Anfang dieer Debatte. Mit der heutigen Überweisung dieser Geetzesvorlage in den Finanzausschouss werden wir uns och gründlicher mit der Thematik beschäftigen. Hier in ich mir sicher, dass bei diesem Bundesratsgesetzenturf von SPD-Ministerpräsident Beck seitens der SPDraktion sicherlich sehr gute fachliche Erfahrungen ommen werden, da die Sozialdemokraten über ihre Beiligungsgesellschaft DDVG auch SPD-Reiseservice etreiben und hier ja auch bereits umfängliche Erfahungen mit Flussreisen haben. Wir behandeln heute einen Gesetzentwurf des Bun esrates, der aus meinem Heimatland Rheinland-Pfalz tammt. Worum geht es in diesem Gesetzentwurf? Es geht um ie Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Berderung von Personen mit Schiffen. Der ermäßigte teuersatz konnte langjährig angewendet werden, weil ies aufgrund einer zeitlich befristeten, insgesamt sieenmal verlängerten Regelung ermöglicht wurde. Der Bundesrat wollte mit seinem Gesetzentwurf erichen, dass diese einzelne Regelung zu einer ermäßign Mehrwertsteuer nicht einzeln, sondern im Rahmen iner grundsätzlichen Überarbeitung der ermäßigten ehrwertsteuer behandelt wird. Der Bundesrat will icht die „Pfründe der SPD sichern“. Herr Wissing, ich ette, dass die Quote der Hotelbesitzer bei der FDP höer ist als die Quote der Schiffbesitzer bei der SPD. Nein, dem Bundesrat und damit allen Ländern, die em Gesetzentwurf zugestimmt haben, geht es darum, icht an einzelnen Symptomen herumzudoktern, sondern ie Krankheit zu behandeln. Komisch, das will doch die egierung auch. Jedenfalls sagt sie uns das jedes Mal, enn wir eine Anfrage zur Mehrwertsteuer stellen. Wir ören immer wieder: Das können wir nicht ohne die ommission zur Neuordnung des Mehrwertsteuersysms entscheiden. Und wenn wir fragen: Wann tagt die?, riegen wir zur Antwort: Wissen wir nicht. – So geht es un schon die ganze Legislaturperiode. Die Regierung will also nicht ein einzelnes Thema heausgreifen – mit Ausnahme der Hotelsteuer natürlich –, ondern systematisch handeln und alle Ermäßigungstatestände gemeinsam überprüfen. Das will der Bundesat auch. Manfred Kolbe gebene Reden )

Sabine Bätzing (SPD):
Rede ID: ID1715823900




(A) )

Wieso will dann der Bundesrat etwas tun und die Re-
gierung nicht? Recht hat der Bundesrat. Wenn man nicht
etwas einzeln herausgreifen will, dann kann man nicht
eine einzelne Regelung auslaufen lassen; denn damit
verändert man an dieser Stelle etwas und verstößt gegen
das Prinzip „keine Einzeländerung“.

Verstehen Sie mich richtig: Das ist keine Bewertung
der Frage, ob der einzelne Ermäßigungstatbestand gut
oder schlecht, richtig oder falsch ist. Es geht lediglich
darum, dass Sie, die Regierung und die Regierungsfrak-
tionen, uns bei jeder Anfrage zur Mehrwertsteuer mit
der Kommission und der Einheitlichkeit des Handelns
hinhalten und dann doch einzeln abändern. Sie werden
damit unglaubwürdig, ich korrigiere: noch unglaubwür-
diger.

Der Gesetzentwurf des Bundesrates machte also
durchaus Sinn aus dem Gedanken heraus, dass man
nicht Einzeltatbestände verändert. Dies tut er aber jetzt
nicht mehr; denn die Änderung ist bereits zum 1. Januar
2012 eingetreten, und eine Befolgung des Gesetzentwur-
fes des Bundesrates wäre eine erneute Änderung. Dies-
bezüglich könnten und sollten wir nun tatsächlich auf
die umfassende Neuregelung warten.

Bitte: Sie sind am Zug. Sehr lange Zeit haben Sie
nicht mehr.


Dr. Daniel Volk (FDP):
Rede ID: ID1715824000

Dem Vorschlag des Bundesrates, die Übergangsrege-

lung zur Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersat-
zes von 7 Prozent auf die Umsätze im Bereich der Perso-
nenbeförderung mit Schiffen auch bei Beförderungen
außerhalb einer Gemeinde und bei einer Beförderungs-
strecke von mehr als 50 Kilometern bis zum 31. Dezem-
ber 2013 zu verlängern, werden wir uns nicht anschlie-
ßen.

Es ist dabei sehr verwunderlich, dass der Bundesrat
im Jahr 2008 das Auslaufen der Übergangsregelung erst
unterstützt und nun zurückrudert und das Gegenteil for-
dert. Ebenfalls ist das Einbringen des Gesetzesvorschla-
ges kurz vor Jahresende zu kritisieren, da das Auslaufen
der Regelung seit Jahren bekannt war und eine nach-
trägliche Rückgängigmachung für den Verbraucher kei-
nerlei Nutzen hätte.

Für Personenbeförderungen mit Schiffen im geneh-
migten Linienverkehr und im Fährverkehr innerhalb ei-
ner Gemeinde oder bei Beförderungen von nicht mehr
als 50 Kilometern verbleibt es auch nach Auslaufen der
Übergangsregelung beim ermäßigten Steuersatz.

Der Gesetzentwurf des Bundesrates ist eine einseitige
Subvention zugunsten einer bestimmten Gruppe und wi-
derspricht unserem Anspruch, das Steuersystem einfa-
cher und gerechter zu machen.

Beim Auslaufen der Regelung hatte die Bundesregie-
rung nicht vor, eine Mehrwertsteuererhöhung für die
Binnenschifffahrt zu beschließen. Es wurde nur das um-
gesetzt, was in dem von der SPD initiierten Jahressteu-
ergesetz 2008 steht. Darin ist ein Auslaufen des ermä-
ßigten Mehrwertsteuersatzes für die Binnenschifffahrt


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Zu Protokoll ge

(C (D r das Ende des Jahres 2011 vorgesehen. Nachdem die usnahmeregelung nun schon seit 1984 besteht und sieenmal verlängert wurde, gibt es keinen Grund mehr, ieses ein weiteres Mal zu tun. Es ist erstaunlich, wie die PD-Finanzminister nun wieder eine Ausnahmeregel urchsetzen wollen. Die unberechtigte Kritik an dem Auslaufen der Subention ist daher an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten nd ein deutlicher Beleg dafür, dass das finanzpolitische onzept der SPD das Papier nicht wert ist, auf dem es edruckt wurde. Es geht der SPD wohl nur darum, ihre igenen Schiffe, wie die „MS Princess Daphne“, zu subentionieren, um jedes Jahr schöne Gewinne für die artei einzufahren. Es ist schon erstaunlich, dass, sobald ein ermäßigter msatzsteuersatz zur Disposition steht, die SPD für die eibehaltung der Subvention eintritt. Ein Subventionsbbau kann und wird mit der SPD niemals gelingen. Die DP hat einer achten Verlängerung dieser Mehrwertteuersubvention nicht zugestimmt und wird deshalb iesen Gesetzesvorschlag ablehnen. Es bleibt bei dem uch von der SPD beschlossenen Auslaufen 2011. Wenn der Bundesrat die Bürgerinnen und Bürger entsten will, dann täte er gut daran, dem Gesetz zum Ab au der kalten Progression zuzustimmen; denn dann ürde nicht nur die SPD-Parteikasse profitieren, sonern alle Menschen in diesem Land. Vom Bundesrat bekommen wir normalerweise eher elten einen Gesetzentwurf. Meist kommt er aus den Reien der Bundesregierung. Aber das, was uns der Bunesrat heute vorlegt, kann nur abgelehnt werden. Die Antragsteller fordern, dass die Beförderung von ersonen mit Schiffen auch im Jahr 2012 mit dem ermäigten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent besteuert wird, tatt mit dem vollen Satz von 19 Prozent. Was sie aber icht schreiben, ist, dass es hier um Kreuzfahrtschiffe nd Tagesausflugsschiffe für Touristen geht. Denn die ersonenbeförderung mit Schiffen im genehmigten inienverkehr oder im Fährverkehr innerhalb einer Geeinde bzw. von nicht mehr als 50 Kilometern bleibt eiterhin ermäßigt besteuert. Und warum fordern die Antragsteller eine Steuerrmäßigung für Kreuzfahrtschiffe und Tagesausflugschiffe für Touristen? Dafür geben sie zwei Begründunen: Erstens heißt es in der Gesetzesbegründung: „Ein eräßigter Steuersatz von 7 Prozent für die Fahrgast chifffahrt wurde erstmals im Jahr 1984 durch das teuerentlastungsgesetz eingeführt und ist seit dieser eit kontinuierlich verlängert worden.“ Ein klarer Fall on: Haben wir erst einmal ein Privileg, dann für immer. ber seit 1984 haben die Verbraucher zweimal erhöhte teuersätze zahlen müssen. Daher ist für die Betreiber on Tourismusschiffen eine Änderung zumutbar. Die zweite Begründung ist nicht viel besser. Da heißt s, dass im Zuge der geplanten Mehrwertsteuerreform Sabine Bätzing-Lichtenthäler gebene Reden )

Richard Pitterle (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715824100




(A) )

vom Bund eine Kommission eingesetzt worden sei, die
ein Gesamtkonzept zur Neufestsetzung aller Mehrwert-
steuersätze erarbeite und der nicht vorgegriffen werden
solle. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann warten
sie noch heute. Denn die besagte Kommission gibt es
nicht. Zwar wurde ihre Einsetzung im Koalitionsvertrag
in Aussicht gestellt und wurde sie vor ziemlich genau ei-
nem Jahr mehrmals angekündigt, aber bis heute hat sie
sich nicht konstituiert. Bundesfinanzminister Schäuble
selbst hat mehrmals verlauten lassen, dass er eine Re-
form der Mehrwertsteuer mittlerweile für aussichtslos
hält. Wer auf die Mehrwertsteuerreformkommission
wartet, kann bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten.

Statt die Personenbeförderung mit Kreuzfahrtschiffen
und Tagesausflugschiffen zu ermäßigen, fordern wir,
dass der öffentliche Personennah- und Personenfern-
verkehr für die Bürgerinnen und Bürger bezahlbar ist.
Die Steuerbefreiung des internationalen Flugverkehrs
soll abgeschafft werden und stattdessen der öffentliche
Personennahverkehr langfristig kostenlos werden. Auch
der öffentliche Schienenpersonenfernverkehr soll mit
dem ermäßigten Satz besteuert werden. Davon profitie-
ren viel mehr Bürgerinnen und Bürger als von einer
Steuerbefreiung für den internationalen Flugverkehr
oder einer Steuerermäßigung für die Beförderung von
Touristen auf Kreuzfahrtschiffen und Tagesausflugs-
schiffen. Die Verlängerung der Regelung eines ermäßig-
ten Mehrwertsteuersatzes für die Personenschifffahrt
um ein Jahr ist nichts anderes als die Verlängerung ei-
nes Privilegs für eine Branche, die erfolgreiche Lobby-
politik betrieben hat.

Die Linke hat den vorliegenden Gesetzentwurf im
Bundesrat abgelehnt, und wir werden ihn auch hier ab-
lehnen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zum wiederholten Male rufen wir das Thema „Um-
satzsteuergesetz“ hier im Deutschen Bundestag auf. Zu
Recht, sind doch die Einnahmen aus der Umsatzsteuer
– inklusive der Einfuhrumsatzsteuer – mit insgesamt
mehr als 180 Milliarden Euro neben der Einkommen-
steuer die wichtigste Einnahmequelle der öffentlichen
Hand zur Finanzierung ihrer Aufgaben. Umso wichtiger
ist es, mit dieser Steuer wirklich verantwortungsvoll um-
zugehen. Auf dem Papier hat die Regierungskoalition
dies auch anerkannt, heißt es doch im Koalitionsver-
trag: „Auch die Umsatzsteuer muss an die modernen
Anforderungen angepasst werden.“ Und weiter: „Es
gibt Handlungsbedarf bei den ermäßigten Mehrwert-
steuersätzen.“

Aber hat die Koalition auch geliefert? Zunächst hat
sie vollkommen unsystematisch und gegen die Intentio-
nen des eigenen Koalitionsvertrags einen weiteren er-
mäßigten Mehrwertsteuersatz eingeführt. Da musste
wohl zunächst eine Wahlkampfunterstützungsrechnung
beglichen werden. Als Betriebsunfall der Koalitions-
nacht, an deren Ende „Horst und Guido“ sich duzten,
fielen scheinbar noch mehr Hemmungen: Es wurden
nicht die ursprünglich ins Auge gefassten Gastwirte mit

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Zu Protokoll ge

(C (D em verminderten Mehrwertsteuersatz beglückt, sonern vollkommen unsinnigerweise das Übernachtungsewerbe. Das hat zwar der Hotelbranche zusätzlich eine nappe Milliarde in die Kassen gespült, hatte aber keien nennenswerten positiven wirtschaftspolitischen Efkt und führte darüber hinaus zu erheblichen Bürokraekosten für die Wirtschaft. Außerdem stieg das Defizit Staatshaushalt. Volkswirtschaftlich war diese Maß ahme ein Schuss in den Ofen: viel Rauch, großer Lärm, ber keine Wirkung. Nun hat die Mehrheit im Bundesrat beschlossen, die um Ende 2011 bereits ausgelaufene Regelung zum verinderten Mehrwertsteuersatz für Binnenschiffe wieder inzuführen. Das Argument der Länder dafür lautet, sie ollen keine singuläre Lösung, sondern Änderungen ollten nur im Zusammenhang mit einer generellen Umatzsteuerreform und insbesondere einer Abschaffung ieler Einzelregelungen vorgenommen werden. Es ist ichtig, dass das Auslaufen der Regelung für die Binnenchifffahrt mit dem Ende des verminderten Mehrwertteuersatzes für Übernachtungen, Schnittblumen, Pferde, kilifte, Außer-Haus-Umsätze in der Gastronomie – um ie wichtigsten branchenspezifischen Regelungen zu ennen – hätte zusammenfallen müssen. Zu solch einer egelung hat sich die schwarz-gelbe Koalition aber icht durchringen können. Viel schlimmer ist, dass sie noch nicht einmal begonen hat, über eine Reform der Umsatzsteuer nachzudenen. Die im Koalitionsvertrag zu diesem Thema vereinarte Arbeitsgruppe hat nicht ein einziges Mal getagt, nd die bemerkenswert klare Aussage aus dem Finanzinisterium zu Fragen nach der Mehrwertsteuerreform utet: „Weiß nicht“. Man lasse sich das noch mal auf er Zunge zergehen: Zur längst überfälligen Reform der ichtigsten Steuerart sagt das Finanzministerium: Weiß nicht“. Wenn man sich in der Koalition mit dem hema Umsatzsteuer befasst, dann nur deshalb, weil wie vorliegenden Fall die Länder es verlangen oder, wie ei der aktuell im Finanzausschuss diskutierten Aufheung des verminderten Mehrwertsteuersatzes für ferde, weil ein Gerichtsurteil des Europäischen Geichtshofes es erzwingt und ein Nichtreagieren des Geetzgebers unter Strafe stellt. Die Bundestagsfraktion der Grünen lehnt den Vorchlag des Bundesrates ab. Das Auslaufen der Sondergelung für Binnenschiffer ist zwar nur ein kleiner chritt, aber er geht in die richtige Richtung. Wir wollen en verminderten Mehrwertsteuersatz nur dort einseten, wo er eine soziale Wirkung hat. Da die Mehrwertteuer eine degressive Wirkung hat, das heißt, dass sie eringverdiener mehr belastet als Gutverdiener, muss iese Wirkung abgeschwächt werden. Das ist das esentliche Kriterium zur Begründung von Mehrwert teuerermäßigungen. Andere Begründungen, wie eine ezielte Unterstützung einer Branche oder einer Techologie, sind nicht nachvollziehbar. Denn es ist erwieen, dass eine Förderung mithilfe des verminderten ehrwertsteuersatzes immer eine Krücke ist, weil sie in ffektiv und nicht zielgerichtet ist und außerdem große itnahmeeffekte und ein erhebliches Missbrauchs otenzial hat. Richard Pitterle gebene Reden Dr. Thomas Gambke )








(A) )

Und damit es hier an dieser Stelle gesagt sei: Der
verminderte Mehrwertsteuersatz für Binnenschiffer wird
nach wie vor im öffentlichen Nahverkehr wirksam: Die
Hafenfähre in Hamburg und die Radlfähre am Rhein un-
terliegt nach wie vor dem verminderten Mehrwertsteu-
ersatz. Das macht auch Sinn; denn hier ist die soziale
Komponente der Regelung wie im gesamten öffentlichen
Personennahverkehr wirklich relevant.

Die Beispiele zeigen, dass der Reformbedarf im Um-
satzsteuerrecht nach wie vor hoch ist. Durch die Ab-
schaffung der ungerechtfertigten Branchensubventionen
bei der Mehrwertsteuer entstehen jährlich Einnah-
meausfälle von 3 bis 4 Milliarden Euro. Die Koalition
handelt verantwortungslos, wenn sie die längst überfäl-
lige Reform der Mehrwertsteuer nicht angeht. Diese Re-
form darf dann aber nicht im Sinne des Bundesrates Er-
mäßigungen konservieren, sondern muss sie endlich
abschaffen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1715824200

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-

wurfs auf Drucksache 17/8320 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie
damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist das so
beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 b und c auf:

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu
dem Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Keine Patentierung von konventionell ge-
züchteten landwirtschaftlichen Nutztieren und
-pflanzen

– Drucksachen 17/8344, 17/8614 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Stephan Harbarth
Dr. Matthias Miersch
Stephan Thomae
Halina Wawzyniak
Ingrid Hönlinger

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch,
Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE

Keine Patente auf Leben

– Drucksache 17/8584 –

Die Reden, die wir zu Protokoll nehmen, kommen
von Dr. Stephan Harbarth, CDU/CSU, und Dr. Max
Lehmer, CDU/CSU, Dr. Matthias Miersch, SPD,
Stephan Thomae, FDP,


(Beifall bei der FDP)


Dr. Kirsten Tackmann, Die Linke, und Harald Ebner,
Bündnis 90/Die Grünen.1)

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1) Anlage 8 2)

(C (D Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst Tagesordnungspunkt 26 b. Der Rechtsauschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf rucksache 17/8614, den Antrag der Fraktionen von DU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen auf rucksache 17/8344 anzunehmen. Wer stimmt für diese eschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltunen? – Das ist einstimmig so beschlossen. Tagesordnungspunkt 26 c. Abstimmung über den Anag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/8584. er stimmt für diesen Antrag? – Gegenstimmen? – Ent altungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalionsfraktionen bei Zustimmung der Fraktion Die Linke nd Enthaltung von SPD und Grünen abgelehnt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla Burchardt, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Willi Brase, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Die soziale Dimension von Bologna stärken – Drucksache 17/8580 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Haushaltsausschuss Die Reden, die wir zu Protokoll nehmen, kommen on Tankred Schipanski, CDU/CSU, Axel Knoerig, DU/CSU, Ulla Burchardt, SPD, Dr. Martin Neumann, DP, Nicole Gohlke, Die Linke, und Kai Gehring, Bündis 90/Die Grünen.2)


Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 17/8580 an die in der Tagesordnung aufge-
hrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-

erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlos-
en.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin
Werner, Diana Golze, Paul Schäfer (Köln), weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Militärische Verwendung von Minderjähri-
gen beenden – Ehemalige Kindersoldatinnen
und Kindersoldaten unterstützen
– Drucksache 17/8491 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)

Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

Die Reden, die wir zu Protokoll nehmen, kommen
on Ute Granold, CDU/CSU, Christoph Strässer, SPD,

Anlage 7





Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) )


)(B)

Karin Roth, SPD, Pascal Kober, FDP, Katrin Werner,
Die Linke, und Tom Koenigs, Bündnis 90/Die Grünen.


Ute Granold (CDU):
Rede ID: ID1715824300

Wir debattieren heute über den Antrag der Fraktion

Die Linke mit dem Titel „Militärische Verwendung von
Minderjährigen beenden – Ehemalige Kindersoldatin-
nen und Kindersoldaten unterstützen“.

Zu Beginn meiner Ausführungen will ich zunächst
noch einmal die Dimension des Themas verdeutlichen:
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden welt-
weit noch immer 250 000 Kinder als Soldaten miss-
braucht. Auf der jährlich von der UNO veröffentlichten
„Liste der Schande“ stehen aktuell 22 Länder, in denen
Minderjährige vom Staat oder von Rebellen rekrutiert
werden. Auch der jährliche Bericht des UN-Generalse-
kretärs gibt Auskunft über den Einsatz von Kindersolda-
ten. Besonders gravierend ist die Situation in Ländern
wie Burma, Kolumbien, Angola, Somalia, Uganda und
auch in Afghanistan, Irak oder Indien.

Entgegen den Behauptungen Ihres Antrages enga-
giert sich die Bundesregierung mit Nachdruck gegen
dieses bedrückende Unrecht. Kinder sind die schwächs-
ten Mitglieder in einer Gesellschaft. Wir alle verurteilen
den Missbrauch von Kindern als Kindersoldaten zu-
tiefst. Niemand kann ernsthaft wollen, dass Kinder in
Konflikten benutzt und zum Kämpfen gezwungen wer-
den. Sie brauchen unseren besonderen Schutz.

Der vorliegende Antrag zeigt einmal mehr, dass es Ih-
nen im Kern gar nicht um die Unterstützung von ehema-
ligen Kindersoldaten geht. Sie instrumentalisieren die
Schicksale der Opfer, um damit ihre ideologische Aus-
einandersetzung mit der Politik der Bundesregierung
fortzuführen.

In Ihrem Antrag sprechen Sie das Fakultativprotokoll
an. Das Fakultativprotokoll vom 12. Februar 2002 zum
Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend
die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten
ergänzt die Kinderrechtskonvention um den Schutz von
Kindern in bewaffneten Konflikten. Es setzt das Min-
destalter für die Teilnahme an Kampfhandlungen von
bisher 15 auf 18 Jahre herauf und verbietet die Zwangs-
rekrutierung von Jugendlichen unter 18 Jahren. Am
13. Dezember 2004 hat Deutschland dieses zweite Zu-
satzprotokoll ratifiziert und beim Generalsekretär der
Vereinten Nationen hinterlegt.

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie daran erin-
nern, dass sich der UN-Sicherheitsrat auf Initiative
Deutschlands unter Federführung von Außenminister
Westerwelle im Juli 2011 mit dem Schicksal von Kinder-
soldaten intensiv auseinandergesetzt hat. Einstimmig
wurde die Resolution 1998 zum Schutz von Kindern ver-
abschiedet. Dank des deutschen Engagements vor den
Vereinten Nationen sind Millionen Kinder in Konflikten
künftig besser geschützt. Bei Angriffen auf Schulen oder
Krankenhäuser sieht die Resolution vor, Sanktionen wie
Reiseverbote oder Kontosperrungen zu verhängen. Da-
mit wurde ein zentrales deutsches Anliegen, nämlich der

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(C (D essere Schutz von Kinderrechten – auch in Konflikten –, urchgesetzt. Lassen Sie mich an dieser Stelle einen Absatz aus Ihm Antrag zitieren, in dem Sie auf das Fakultativproto oll eingehen: „Trotz des deutschen Vorsitzes in der Areitsgruppe ,Kinder in bewaffneten Konflikten‘ der UN 011 wurden bislang keinerlei Anstrengungen unterommen, um jenseits von diplomatischen Bemühungen umindest im eigenen, nationalen Rahmen konkrete aßnahmen zur wirksamen Umsetzung der UN-Kon ention und des dazugehörigen Fakultativprotokolls urchzuführen. Während die Mehrheit der 141 Untereichnerstaaten den Empfehlungen nachgekommen ist nd auf die Rekrutierung von Minderjährigen für ihre gulären Streitkräfte verzichtet, hält die Bundesregie ung an dieser bedenklichen Praxis fest.“ Damit erwecken Sie den Anschein, als gehöre wangsrekrutierung von Kindersoldaten in Deutschland ur Tagesordnung. Nach Art. 3, Abs. 3 des Protokolls üssen Vertragsstaaten, die die Einziehung von Freiwilgen unter 18 Jahren zu ihren nationalen Streitkräften estatten, entsprechende Schutzmaßnahmen treffen. azu zählen: Erstens. Die Einziehung erfolgt tatsächlich freiwillig. Zweitens. Die Einziehung erfolgt mit der in Kenntnis er Sachlage abgegebenen Zustimmung der Eltern oder ines Vormunds. Drittens. Die Person wird über die mit dem Militärienst verbundenen Pflichten umfassend aufgeklärt. Viertens. Die Person muss vor Aufnahme in den staatchen Militärdienst einen verlässlichen Altersnachweis rbringen. Das Wehrrechtsänderungsgesetz aus dem Jahr 2011 röffnet deutschen Staatsbürgern, die das 17. Lebenshr vollendet und die Vollzeitschulpflicht erfüllt haben, ie Möglichkeit, freiwillig – ich betone: freiwillig – ehrdienst zu leisten. Minderjährige Soldaten unterlieen dabei einem besonderen Schutz. Sollte die Tätigkeit ls Soldaten oder Soldatinnen nicht ihren Vorstellungen ntsprechen, können sie während der sechsmonatigen robezeit jederzeit aus dem Wehrdienst entlassen weren. Des Weiteren ist der Gebrauch der Waffe für sie alin auf die Ausbildung beschränkt und unter eine be ondere Aufsicht gestellt. Ferner nehmen sie nicht an uslandsverwendungen und Einsätzen teil. Sie dürfen arüber hinaus eigenverantwortlich und außerhalb der ilitärischen Ausbildung keine Funktion ausüben, in deen sie zum Gebrauch der Waffe gezwungen sein könnn. Was Sie in Ihrer Ausführung ebenfalls ausblenden, ist ie Tatsache, dass Jugendliche bei der Bundeswehr im irekten Anschluss an ihre schulische Ausbildung häufig ine ganz normale Berufsausbildung absolvieren. Mit en rund 1 400 Ausbildungsplätzen, die die Bundeswehr hrlich bereitstellt, zählt sie zu den größten zivilen Ar eitgebern in Deutschland. Durchschnittlich befinden ich dort 5 000 Jugendliche in einer zivilen Ausbildung. ie Berufsausbildung bei der Bundeswehr unterliegt )


(A) )

dem Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung
sowie der jeweils gültigen Ausbildungsverordnung.

Ich will noch auf einen weiteren Punkt Ihres Antrages
eingehen. Darin wird behauptet, Deutschland verletze
mit seiner asylverfahrensrechtlichen Praxis grundle-
gende Vertragspflichten, indem es die besondere Schutz-
würdigkeit von ehemaligen Kindersoldaten und anderen
minderjährigen Flüchtlingen missachte.

Fakt ist, dass die Bundesregierung der Auffassung ist,
dass ehemalige Kindersoldaten besonders schutzwür-
dige Personen darstellen. Richtig ist aber auch – und
das belegen die Gutachten des Bundesamtes für Migra-
tion und Flüchtlinge –, dass bei Asylverfahren, die Kin-
dersoldaten betreffen, die häufigsten Ablehnungen aus
der fehlenden Glaubwürdigkeit der Betroffenen resultie-
ren. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass in vielen
dieser Fälle wegen einer drohenden Verschlechterung
des Gesundheitszustandes oder eines fehlenden Exis-
tenzminimums ein Abschiebungsverbot festgestellt wird.
Nach Einschätzung des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge liegen die praktisch relevanten Ablehnungs-
gründe meist dann vor, wenn keine konkret drohende
Gefahr vorliegt oder wenn mithilfe von Sprach- oder
Textanalysen festgestellt wird, dass eine Täuschung über
die Staatenangehörigkeit vorliegt.

Eine praktische Schwierigkeit im Umgang mit ehema-
ligen Kindersoldaten liegt darin, dass sie beim Eintref-
fen in Deutschland nicht als solche identifiziert werden
können, wenn sie entweder aus Scham wegen begange-
ner Taten oder Furcht vor Strafverfolgung nicht entspre-
chend vortragen oder wegen eines möglicherweise erlit-
tenen Traumas hierzu gar nicht fähig sind.

Die Identifizierung als ehemaliger Kindersoldat ist in
erster Linie Aufgabe des Clearingverfahrens, das im
Rahmen der Inobhutnahme durch das Jugendamt nach
der Einreise durchgeführt wird. Denn dort finden die
ersten diesbezüglichen Gespräche – etwa über Flucht-
gründe – statt. Im Clearingverfahren erfolgt eine Erhe-
bung des vollständigen sozialen Hintergrundes, die zeit-
lich auch abhängig von der aktuellen Situation und der
Fähigkeit des Jugendlichen ist, über das Erlebte offen zu
sprechen.

Die Zuständigkeit für das Clearingverfahren liegt bei
den Jugendämtern. Ein Asylverfahren schließt sich nicht
zwingend an. Beim Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge können nur Verhaltensauffälligkeiten oder
ein konkreter Sachvorgang während der Anhörung zum
Erkennen einer besonderen Schutzbedürftigkeit führen.
Bei positiver Bewertung und vorliegenden sonstigen An-
erkennungsvoraussetzungen erfolgt die Anerkennung
als Flüchtling. Es handelt sich um Einzelfallentschei-
dungen, die nicht verallgemeinert werden können.

In Ihrem Antrag kritisieren Sie darüber hinaus, die
Bundesregierung sei bislang ihrer Verantwortung, zur
Beendigung des Einsatzes von Kindern in bewaffneten
Konflikten beizutragen, nur unzureichend nachgekom-
men. Tatsache ist jedoch, dass die Bundesregierung die
Bestrebungen auf EU-Ebene unterstützt, unbegleiteten
Minderjährigen als besonders schutzbedürftige Gruppe

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Zu Protokoll ge

(C (D ie nötige besondere Aufmerksamkeit und spezielle Maßahmen zukommen zu lassen. Bei den gegenwärtigen erhandlungen über die Vorschläge der Kommission zum emeinsamen europäischen Asylrecht orientieren sich ie Verhandlungspositionen der Bundesregierung an der ationalen bzw. geltenden Rechtslage. Und diese zielen arauf ab, der Wahrung des Kindeswohls in allen Mitliedstaaten in angemessenem Umfang Rechnung zu agen. Lassen Sie mich abschließend noch etwas zur vierten entralen Forderung Ihres Antrages sagen. Darin forern Sie die Bundesregierung dazu auf, den Export von leinwaffen und leichten Waffen in Staaten und Koniktregionen zu untersagen, in denen Kindersoldaten tsächlich oder potenziell rekrutiert werden können. Sie rdern zu etwas auf, was längst getan wird: Maßgeblich r die Bewilligung von Rüstungsexporten sind die Polischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export on Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern. Daach wird der Beachtung der Menschenrechte im Betimmungsund Endverbleibsland besonderes Gewicht eigemessen. In diesem Rahmen ist gemäß dem Leitfaen zur Anwendung des Gemeinsamen Standpunkts unr anderem zu prüfen, ob im Endbestimmungsland ein indestalter für die Rekrutierung zum Wehrdienst fest elegt worden ist und ob gesetzliche Maßnahmen getrofn worden, mit denen die Rekrutierung von Kindern und eren Einsatz bei Feindseligkeiten untersagt und geahnet werden. Bestehen konkrete Anhaltspunkte, dass zur usfuhr vorgesehene Kleinwaffen oder leichte Waffen nter Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention der das Fakultativprotokoll gegen Kinder bzw. Minderhrige eingesetzt oder an Kindersoldaten ausgehändigt erden, wird die Ausfuhrgenehmigung versagt. Das eigt, dass der Schutz von Kindern bei rüstungsexportontrollpolitischen Entscheidungen bereits berücksichgt wird. Durch die Ex-ante-Prüfung wird von vornherin gesichert, dass Rüstungsgüter nicht an Empfänger eliefert werden, bei denen die Gefahr besteht, dass die üter umgeleitet werden. Wenn Zweifel am gesicherten ndverbleib beim Empfänger bestehen, werden Ausfuhrnträge abgelehnt. Wie Sie sehen, befassen sich die Koalitionsfraktionen nd die Bundesregierung bereits intensiv mit diesem hema und konnten dabei wesentliche Verbesserungen ewirken. Diesen Weg wollen wir auch in Zukunft konseuent weitergehen. Die Forderungen des vorliegenden ntrages sind dabei in der Sache nicht hilfreich. Der Missbrauch von Kindern und Jugendlichen für ilitärische Zwecke muss geächtet werden. Das Verbot er Vereinten Nationen, Kinder als Soldaten zu missrauchen, hat nur dann einen Wert, wenn es auch praksch durchgesetzt wird. Kinder sind wehrlos, sie sind mer Opfer. Deshalb muss es darum gehen, sie vor die em schlimmen Schicksal zu bewahren und ihnen und ihn Familien Perspektiven für eine lebenswerte Zukunft u eröffnen. Ute Granold gebene Reden )

Christoph Strässer (SPD):
Rede ID: ID1715824400




(A) )

Immer noch werden weltweit Kinder in Kriegsgebie-
ten als Soldaten eingesetzt und damit ihrer Kindheit, ih-
rer Lebensperspektive und ihrer Würde beraubt. Dabei
wird die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die als Sol-
daten rekrutiert werden, auf fast 300 000 geschätzt. Ge-
rade vor dem Hintergrund des internationalen Red
Hand Day, der jährlich am 12. Februar auf die schlim-
men Schicksale dieser unzähligen Kinder aufmerksam
macht und so ein Zeichen gegen den Einsatz von Kinder-
soldaten setzt, begrüßen wir die Initiative zu diesem An-
trag. Und vor allem begrüßen wir den intensiven Einsatz
des Deutschen Bündnisses Kindersoldaten, das aus elf
Nichtregierungsorganisationen besteht und eng mit wei-
teren internationalen Organisationen wie Child Soldiers
International zusammenarbeitet, um gegen den Miss-
brauch von Kindern als Soldaten zu kämpfen.

Umso erstaunlicher und nicht hinnehmbar ist es, dass
die Bundesregierung ihre freiwilligen Leistungen an das
Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF, im
letzten Jahr um fast 30 Prozent gekürzt hat. Nicht hin-
nehmbar ist dies unter anderem deshalb, weil UNICEF
sich unter anderem darum kümmert, Kindersoldaten
– Jungen wie Mädchen – aus Armeen und Rebellengrup-
pen zu befreien und wieder in ein normales Leben zu-
rückzuführen. Dies ist nicht einfach. Familiär entwurzelt
und häufig drogenabhängig mussten die Kinder für
skrupellose Armeen- und Milizenführer kämpfen und
auch morden. Viele sind durch das Erlebte schwer trau-
matisiert, manchmal weigern sich ihre Familien, sie
wieder bei sich aufzunehmen. Sie brauchen psychothe-
rapeutische Behandlung, Bildung und eine zivile berufli-
che Perspektive. Deshalb ist eine Kürzung der Unter-
stützung schlicht verantwortungslos.

Seit 2002 ist gemäß einem Zusatzprotokoll zur UN-
Kinderrechtskonvention der Missbrauch von Kindern
als Soldaten verboten. Über 100 Staaten haben es ratifi-
ziert. Trotzdem gibt es immer noch unzählige Kindersol-
daten weltweit, vor allem im Tschad, im Sudan, in
Uganda, im Kongo, im Jemen, in Kolumbien und in
Birma. Eine konsequente bilaterale und internationale
Politik gegen den Missbrauch von Kindern als Soldaten
könnte viel bewirken. Beispielsweise sollten Staaten, die
Kindersoldaten einsetzen, keine Militärhilfe mehr erhal-
ten.

Der Kampf gegen den Einsatz von Kindersoldaten
muss mit Initiativen zur Begrenzung des Handels mit
Kleinwaffen einhergehen. Mit diesen flexiblen und leicht
handhabbaren Kampfmitteln werden auch Kinder aus-
gerüstet, die oft nicht älter als acht Jahre sind. Auch be-
darf es eines Asylrechtes, welches den besonderen Um-
ständen, in denen diese Kinder waren, Rechnung trägt.
Denn es gilt, alles dafür zu tun, dass die von den einzel-
nen Staaten eingegangenen Selbstverpflichtungen im
Kampf gegen den Einsatz von Kindersoldaten umgesetzt
werden. Dies betrifft nicht nur Maßnahmen im Ausland,
sondern auch ihre Behandlung als Flüchtlinge in den je-
weiligen Aufnahmeländern. Und das betrifft auch uns.

Deshalb strebt die SPD-Fraktion mit ihrem Gesetz-
entwurf zur Verbesserung der Situation Minderjähriger
im Aufenthalts- und Asylverfahrensrecht auch eine Ver-

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(C (D esserung der Situation für asylsuchende ehemalige indersoldaten an. In diesem Gesetzentwurf fordern wir eswegen unter anderem, dass im Aufenthaltsund im sylverfahrensgesetz bei der Rechtsanwendung das ohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen ist, dass as Flughafenverfahren keine Anwendung auf unbegleite Minderjährige finden darf und dass stattdessen die inder im Alter bis zu 18 Jahren durch das Jugendamt in bhut zu nehmen sind, um so die Durchführung eines learingverfahrens zu gewährleisten. Dadurch entfällt uch der umstrittene Aufenthalt im Flughafentransit für iese Kinder. Wir wollen außerdem, dass bei der Geährleistung eines Clearingverfahrens die Zurückwei ung an der Grenze für unbegleitete Minderjährige auseschlossen ist. Grundsätzlich unterstützen wir insofern das Anliegen er Linken, dem Schicksal der Kindersoldaten weltweit ehr politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit u widmen, um auch konkrete politische Maßnahmen araus abzuleiten. Ob die Maßnahmen und Instrumente, ie im Antrag der Linken angesprochen und vorgeschlaen werden, tatsächlich effektiv und die richtigen sind, ollten wir ausführlich in den Ausschüssen diskutieren. In Art. 38 der UN-Kinderrechtskonvention, die 1989 on der UN-Generalversammlung angenommen wurde, teht: „Im Einklang mit ihren Verpflichtungen nach dem umanitären Völkerrecht, die Zivilbevölkerung in beaffneten Konflikten zu schützen, treffen die Vertrags taaten alle durchführbaren Maßnahmen, um sicherzutellen, dass von einem bewaffneten Konflikt betroffene inder geschützt und betreut werden.“ Heute – 23 Jahre später – haben rund 2 Millionen inder in den letzten zehn Jahren im Zuge gewaltsam usgetragener Konflikte ihr Leben verloren. Die Zahl er verletzten Kinder liegt noch um ein Vielfaches höher. Laut Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der ereinten Nationen sind von den weltweit 15,2 Millionen lüchtlingen, 27,1 Millionen Binnenvertriebenen und 83 000 Asylsuchenden mehr als 40 Prozent Kinder und ugendliche unter 18 Jahren. In Zahlen ausgedrückt: ber 17 Millionen Kinder und Jugendliche leben derzeit ls Flüchtlinge, Vertriebene oder Asylsuchende. Aber nicht nur das: Laut dem Kinderhilfswerk der ereinten Nationen, UNICEF, kämpfen etwa 250 000 inder in 22 Staaten als Soldatinnen und Soldaten in egierungsarmeen oder bewaffneten Gruppen. Der Einatz von Kindern im Krieg ist Kindesmissbrauch. Entweer werden sie zwangsrekrutiert, oder sie schließen sich en Truppen aufgrund von Armut und Perspektivlosigeit freiwillig an. Kindersoldatinnen leiden besonders, ie werden häufig Opfer sexueller Gewalt, viele müssen wangsehen mit Kämpfern eingehen. Und das, obwohl ein Zusatzprotokoll zur UN-Kinderchtskonvention festlegt, dass Kinder unter 18 Jahren icht unmittelbar an kriegerischen Auseinandersetzunen teilnehmen dürfen. Vor zehn Jahren, am 12. Februar 002, trat das Zusatzprotokoll über die Beteiligung von Christoph Strässer gebene Reden )

Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1715824500




(A) )

Kindern an bewaffneten Konflikten in Kraft, das inzwi-
schen über 140 Länder ratifiziert haben. In dem Proto-
koll verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten, keine
Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren zu rekrutie-
ren.

Das Zusatzprotokoll ist ein wichtiger Meilenstein im
Kampf gegen die Rekrutierung von Kindern. Dennoch
müssen wir uns weiter anstrengen, damit kein Kind mehr
Kindersoldat werden muss. Diese Kinder erleiden seeli-
sche Traumata und Demütigungen, müssen bedingungs-
los gehorchen und morden. Deshalb müssen wir weiter-
hin unser Augenmerk auf diese Kinder richten und
darauf, dass die Verpflichtungen im Kampf gegen den
Einsatz von Kindersoldaten eingehalten werden.

Inzwischen gibt es in der Strafverfolgung von mut-
maßlichen Tätern Erfolge. Der ehemalige Staatspräsi-
dent Liberias, Charles Taylor, und ehemalige Komman-
deure aus dem Kongo sind vor dem Internationalen
Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt, weil sie Kinder
rekrutiert haben sollen. Dennoch gehen viel zu viele Tä-
ter noch immer straffrei aus, wie es beispielsweise in
Myanmar oder Kolumbien geschieht. Auf diese Regie-
rungen muss die Staatengemeinschaft den Druck erhö-
hen, um endlich diese Verbrechen an Kindern zu bestra-
fen und zu stoppen.

Gerade Deutschland muss hier eine Vorreiterrolle
einnehmen, nicht zuletzt als derzeitiges Mitglied im UN-
Sicherheitsrat und Vorsitzender der UN-Arbeitsgruppe
„Kinder und bewaffnete Konflikte“. Bundesentwick-
lungsminister Niebel ist dieser Tage in Myanmar. Herr
Minister, zeigen Sie klare Kante, und machen Sie der Re-
gierung in Myanmar klar, dass die Täter zur Verantwor-
tung gezogen werden müssen und alle Kinder aus der
Armee entlassen werden müssen!

Wenn wir es wirklich ernst meinen im Kampf gegen
den Einsatz von Kindern im Krieg, dann muss die Ent-
wicklungszusammenarbeit einen größeren Beitrag dazu
leisten als bisher. Es müssen mehr Mittel bereitgestellt
werden für konkrete Reintegrationsprogramme von Kin-
dersoldatinnen und Kindersoldaten. Nur so erhalten
diese traumatisierten Kinder wirklich eine Chance, ein
geordnetes und hoffentlich friedliches Leben zu führen.
Besonders die Situation der Mädchen muss dabei beach-
tet werden. Viele wurden während der kriegerischen
Auseinandersetzungen vergewaltigt und werden deshalb
von der Gesellschaft stigmatisiert. Wir brauchen ge-
zielte Eingliederungsprogramme, die die Mädchen und
Jungen psychologisch betreuen.

Noch einmal: Der Einsatz von Kindern im Krieg ist
Kindesmissbrauch und ein Menschenrechtsverstoß.


Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1715824600

Kinder gehören zu den schwächsten Mitgliedern ei-

ner Gesellschaft und sind Hauptopfer von bewaffneten
Konflikten und Kriegen. Laut Angaben des Flüchtlings-
hilfswerks der Vereinten Nationen, UNHCR, haben
2 Millionen Kinder in den vergangenen zehn Jahren
durch gewaltsam ausgetragene Konflikte ihr Leben ver-

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(C (D ren. Die Zahl verletzter Kinder ist noch um ein Vielfahes höher. Eine besonders grausame Art von Gewalt gegen Kiner ist deren Einsatz als Soldaten, was in vielen Ländern och immer trauriger Alltag ist. Die Zahl der Kindersolaten wird derzeit auf weltweit 250 000 bis 300 000 gechätzt, wobei nicht nur nichtstaatliche Gruppierungen, ilizen und Bürgerkriegsparteien Kinder rekrutieren, ondern auch einige reguläre Armeen. Ein großer Teil ieser Länder befindet sich in Afrika, beispielsweise Suan, Somalia und Uganda. Druck, Ängste und Perspekvlosigkeit zwingen dort Kinder an die Waffe. Für die onfliktparteien ist dies eine zynische Rechnung – denn inder sind anspruchsloser und billiger als erwachsene oldaten, zudem sind sie leichter zu manipulieren. Diese enschenverachtende Praxis steht jedoch in eklatantem iderspruch zur Allgemeinen Menschenrechtserklärung er Vereinten Nationen und zum Zusatzprotokoll zur N-Kinderrechtskonvention. Die direkten Auswirkungen auf diese Kinder sind exessive Gewalterfahrungen, sexueller Missbrauch, lucht, Vertreibung und das Zerreißen von Familien. urück bleiben schwer traumatisierte, von Gewalt, Entehrungen und sozialer Isolation gezeichnete Kinder. iele sind durch die Folgen von Kriegen auf sich allein estellt. Oftmals ist Gewalt die einzige Methode, die sie ur Lösung von Konflikten erlernt haben. Sie leiden ein eben lang unter ihren Erlebnissen und unter dem, was ie anderen antun mussten, häufig sogar ihren engsten reunden und ihren eigenen Familienangehörigen. Hinzu kommen die indirekten Folgen von bewaffneten onflikten. Besonders hart trifft Kinder der Hunger, die hlende Schulbildung und Gesundheitsversorgung urch Zerstörung von Schulen und Krankenhäusern. enn damit werden sie auch ihrer Zukunftsperspektiven nseits des Soldatendaseins beraubt. Die Rückkehr in re Heimatorte ist für viele ehemalige Kindersoldaten nmöglich, weil sie dort nicht als Opfer, sondern als Tär angesehen werden. Diese Ablehnung treibt viele der inder erneut in die Arme von Soldaten oder bewaffnen Gruppen. Dabei ist die Wiedereingliederung ehemager Kindersoldaten von besonderer politischer Releanz; denn sie ist eine unabdingbare Voraussetzung für esamtgesellschaftliche Versöhnungsund Wiederaufauprozesse. Darum führt das Bundesministerium für wirtschaftlihe Zusammenarbeit und Entwicklung unter Dirk Niebel or Ort, also in den Ländern, wo der Einsatz von Kinersoldaten ein vordringliches Problem ist, zahlreiche aßnahmen durch. Kindersoldaten bilden dabei eine ei enständige Zielgruppe deutscher Entwicklungsprokte. Beispielsweise fördert das Ministerium in großem mfang Projekte zur Entwaffnung, Demobilisierung und eintegration von Kindersoldaten in der zentralafrikaischen Region der Großen Seen und in Sierra Leone. Jahr 2010 finanzierte das Ministerium insgesamt eun bilaterale und ein überregionales Vorhaben zur eintegration von Kindersoldaten in Afrika. Die Enticklungszusammenarbeit mit den betroffenen Partnerndern beinhaltet dabei gezielte Maßnahmen der Karin Roth gebene Reden )





(A) )

Schul- und Berufsausbildung sowie der Beschäftigungs-
förderung. Um diesen Kindern eine langfristige Per-
spektive zu eröffnen, müssen sie Zugang zur Grundbil-
dung und eine Qualifizierung für den Arbeitsmarkt
erhalten. In diesem Zusammenhang möchte ich auch
darauf hinweisen, dass Bundesminister Niebel den Bil-
dungsbereich zu einem Schwerpunkt deutscher entwick-
lungspolitischer Arbeit gemacht hat. Denn die Gewähr-
leistung einer Grundbildung für möglichst viele Kinder
bildet nicht nur eine Reintegrationschance, sondern
stellt auch zugleich die beste Prävention dar, indem sie
Kindern eine berufliche Alternative und den Ländern
eine langfristige positive Entwicklung ermöglicht.

Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung
nachdrücklich die Arbeit der UN-Sonderbeauftragten
für Kinder und bewaffnete Konflikte, Radhika
Coomaraswamy, und die Arbeit des Internationalen
Strafgerichtshofs in diesem Bereich. Im Juli 2011 hat der
UN-Sicherheitsrat außerdem eine unter deutscher
Federführung erarbeitete Resolution zum Schutz von
Kindern in Konflikten einstimmig verabschiedet. Unter
Leitung von Bundesaußenminister Guido Westerwelle
stimmte das höchste UN-Gremium für die Resolution, die
den Angriff auf Schulen und Krankenhäuser ächtet. Auch
die UN-Sonderbeauftragte Radhika Coomaraswamy hat
diesen Einsatz der deutschen Regierung ausdrücklich
gelobt.

Die Weltgemeinschaft muss sich verstärkt für Kinder
einsetzen, gegen deren Einsatz in Streitkräften oder be-
waffneten Gruppen vorgehen und ein besonderes Augen-
merk auf ihre Situation in Kriegs- und Konfliktgebieten
legen, wie es der vorliegende Antrag der Linken fordert.
Jedoch übersieht der Antrag geflissentlich das bereits
bestehende umfangreiche Engagement der Bundesregie-
rung in diesem Bereich, das ich Ihnen soeben dargelegt
habe. Somit scheint mir die Forderung Ihres Antrags,
liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, Demo-
bilisierungs- und Wiedereingliederungsprogramme für
Kindersoldaten als eigenen Schwerpunkt der deutschen
Entwicklungszusammenarbeit zu etablieren, überflüs-
sig; denn es würde für die Betroffenen nichts bewirken.
Angesichts dessen kann ich Ihrem Antrag daher leider
nicht zustimmen.


Katrin Werner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715824700

Kinder sind unsere Zukunft und bedürfen besonderen

Schutzes. Aus diesem Grund hat die Linke die
Rücknahme des deutschen Vorbehalts zur UN-Kinder-
rechtskonvention durch die Bundesregierung stets als
wichtigen Schritt begrüßt. Allerdings müssen aus der
Rücknahme des Vorbehalts auch entsprechende Konse-
quenzen gezogen werden. Dies erfordert insbesondere
Gesetzesanpassungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht, die
in weitaus stärkerem Maß dem Schutz des Kindeswohls
dienen müssten. Kinder, die schon in jungen Jahren un-
ter extrem widrigen oder sogar lebensgefährlichen Ver-
hältnissen aufwachsen mussten, bedürfen besonderer
Fürsorge.

Ich meine vor allem Kinder, die trotz ihres minderjäh-
rigen Alters Gefahren für Leib und Leben riskieren, um

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(C (D or bewaffneten Konflikten in ihrem Herkunftsland zu iehen. Dies betrifft neben anderen Fällen von sogeannten unbegleiteten Minderjährigen vor allem ehealige Kindersoldatinnen und Kindersoldaten. Gegenärtig werden in mindestens 22 Staaten insgesamt circa 50 000 Kinder als Soldatinnen und Soldaten eingesetzt. r Einsatz ist Ausdruck der Verrohung einer Gesell chaft, in der Krieg herrscht. Eine Gesellschaft, die icht davor zurückschreckt, Kinder für schlimmste Verrechen gegen andere zu missbrauchen, aber die Kinder ben auch dazu zwingt, sich selbst Verbrechen auszuseten. Kindersoldaten sind meist beides: traumatisierte Opr und brutale Gewalttäter. Im Krieg ist scheinbar alles rlaubt. Es ist aber die höchste Stufe der Entmenschlihung erreicht, wenn Kinder lernen müssen, zu töten, zu ltern und zu vergewaltigen. Auch bei unterstützenden ätigkeiten als Sanitäter, Nachrichtenbote oder Küchenilfe werden sie oft Zeugen schrecklichster Geschehisse, die sich tief in ihre Seelen einbrennen und die ihr esamtes Leben zeichnen. In der Demokratischen Republik Kongo und in Nepal urden Kinder von regierungsnahen wie von aufständi chen, bewaffneten Gruppierungen rekrutiert und für en Krieg gedrillt. Noch in der Schlussphase des Bürerkriegs in Sri Lanka meldeten sich, trotz der absehban Niederlage, Kinder sogar als Kriegsfreiwillige bei en tamilischen Rebellen, ebenso wie auch singhalesiche Paramilitärs Minderjährige als Kämpfer rekrutiern. Jedes Kind, das dem Krieg entkommt, darf sich zwar lücklich schätzen, wenigstens überlebt zu haben. Doch amit sind die Probleme keineswegs gelöst. In den meisn Bürgerkriegsländern und Krisenregionen mangelt es n geeigneten therapeutischen Behandlungsmöglichkein für die erlittenen Kriegstraumata und an einem famiären und gesellschaftlichen Umfeld, das ehemalige indersoldaten wieder aufnehmen und ihnen soziale nd berufliche Perspektiven im normalen zivilen Leben urückgeben würde. Doch selbst wenn es ihnen gelingt, zu fliehen, besteen häufig nur geringe Aussichten auf Besserung. Wer ach Deutschland flieht, wird als Fahnenflüchtiger ohne olitische Verfolgung eingestuft, der keinen besonderen chutz benötigt. Geflohene Kindersoldaten werden reelmäßig in nicht kindergerechte Asylverfahren gerängt und wie andere unbegleitete Minderjährige ereits mit Vollendung des 16. Lebensjahres als verfahnsmündig, also wie Erwachsene, behandelt. Sie wer en üblicherweise weder in Kinderund Jugendhilfeeinichtungen untergebracht noch durch ausgebildetes achpersonal angemessen betreut. In den Sammelunterünften herrschen oft katastrophale humanitäre und hyienische Zustände: Dächer sind undicht, Wände feucht nd schimmlig, und Duschanlagen und Toiletten sehen itunter noch aus, als stammten sie aus Kaisers Zeiten. Im Menschenrechtsausschuss erlebe ich oft, dass die egierungsfraktionen argumentieren, die Bundesregieung arbeite bereits an einer Lösung der Probleme und eshalb müssten sie unsere Anträge ablehnen. Interna Pascal Kober gebene Reden )





(A) )

tionale Experten und Institutionen sehen dies beim
Thema Kindersoldaten deutlich anders. Nicht nur der
vierjährig erscheinende „Weltbericht Kindersoldaten“

(„Global Report Child Soldiers“) bescheinigte Deutsch-

land 2008 erhebliche Defizite beim Umgang mit Kinder-
soldaten. Auch der UN-Ausschuss für die Rechte des
Kindes sah 2008 große Umsetzungsdefizite bei den
Staatenpflichten Deutschlands bezüglich der UN-Kin-
derrechtskonvention und dem dazugehörigen Fakulta-
tivprotokoll über die Beteiligung von Kindern an be-
waffneten Konflikten.

Neben den schon erwähnten Missständen bei Asyl-
und Aufenthaltsfragen, an denen sich bislang jedenfalls
nichts geändert hat, betrifft dies auch die Praxis der
Nachwuchsrekrutierung der Bundeswehr. Demnach ge-
hört Deutschland nicht nur zu den Ländern, in denen
Freiwillige unter 18 Jahren für den Militärdienst ange-
worben werden, sondern auch zu denjenigen Ländern, in
deren regulären Streitkräften tatsächlich auch Minder-
jährige den Dienst an der Waffe ausüben. Damit ist
Deutschland sogar selbst in der EU weitgehend isoliert;
denn dies ist nur noch in Großbritannien, Irland, den
Niederlanden, Luxemburg und Österreich erlaubt. Alle
anderen EU-Mitglieder haben diese Praxis längst been-
det.

Die Linke fordert die Bundesregierung auf: Beenden
Sie unverzüglich die Anwerbung und den Einsatz von
Minderjährigen in der Bundeswehr!

In Sonntagsreden wie am Red Hand Day singt die
Bundesregierung gern das Hohelied der Menschen-
rechte, während sie gleichzeitig durch ihr politisches
Handeln zu schwerwiegenden Menschenrechtsverlet-
zungen beiträgt. Die Bundesregierung weigert sich, die
2008 vom UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes an
Deutschland gerichtete Empfehlung umzusetzen, keine
Waffenexporte an Staaten zu genehmigen, die Kindersol-
daten für bewaffnete Konflikte rekrutieren und einset-
zen. Dies beweist eindeutig: Die Profitinteressen der
Rüstungsindustrie sind der Bundesregierung wichtiger
als die Rechte von Kindern! Das ist kein Wunder; denn
schließlich zieht die Rüstungslobby gegenüber den sie
unterstützenden Parteien gern die Spendierhosen an.

Hinzu kommt, dass die Bundesregierung im Bereich
der Entwicklungszusammenarbeit nur wenig Engage-
ment zeigt, die berufliche und zivile Rehabilitierung von
ehemaligen Kindersoldaten in den Herkunftsländern ak-
tiv zu unterstützen. Nach Berichten des Nachrichtenma-
gazins „Der Spiegel“ ist Bundesminister Dirk Niebel
wohl vor allem damit beschäftigt, das Entwicklungshil-
feministerium zu einem Arbeitsbeschaffungsministerium
für altgediente FDP-Funktionäre umzubauen. Mit die-
ser Amigopolitik disqualifiziert sich die FDP entwick-
lungs- und menschenrechtspolitisch.

Die Linke fordert die Bundesregierung auf: Beenden
Sie unverzüglich die militärische Zusammenarbeit mit
autoritären Regimen und sämtliche Waffenexporte in
alle Länder, in denen Kinder als Soldatinnen und Solda-
ten missbraucht werden! Gewähren Sie den in Deutsch-
land lebenden Kindersoldaten politisches Asyl, und
unterstützen Sie im Rahmen der Entwicklungszusam-

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(C (D enarbeit Rückkehrer in den Herkunftsländern mit emobilisierungsprogrammen und nachholenden Bilungsund Ausbildungsangeboten! Alle Kinder haben in Recht darauf, in Frieden aufwachsen zu dürfen. Kiner sind keine Soldaten! Am 12. Februar 2012 feiern wir zehnjähriges Jubi um des Zusatzprotokolls zur UN-Kinderrechtskonvenon gegen den Einsatz von Kindersoldaten. Das Protooll hat die Altersgrenze für eine Beteiligung in ewaffneten Konflikten von 15 auf 18 Jahre angehoben nd weltweit dazu beigetragen, dass der Missbrauch von indern als Soldaten geächtet wird. Dennoch werden ehr als 250 000 minderjährige Mädchen und Jungen in ber 20 Ländern weiterhin zum Kämpfen gezwungen, exuell missbraucht und gefoltert. In den letzten zehn ahren sind dabei mehr als 2 Millionen Kinder ums Leen gekommen. Allein in Myanmar gehören Schätzunen zufolge mehrere Zehntausend Kinder zur staatlichen rmee und Tausende zu bewaffneten Oppositionsgrupen. Ich erwarte von Bundesentwicklungsminister iebel, dass er sich bei seinem Besuch in Myanmar vom 2. bis 14. Februar 2012 gegenüber der Regierung dar ausspricht, alle Kinder aus der Armee zu entlassen nd ins zivile Leben zu reintegrieren. Verbesserte internationale Schutzmaßnahmen sind eiterhin dringend geboten. In diesem Zusammenhang ürdige ich das unermüdliche Engagement des deut chen Botschafters bei den Vereinten Nationen in New ork, Botschafter Wittig. Seit Januar 2011 hat er den orsitz der Sicherheitsrats-Arbeitsgruppe „Kinder und ewaffnete Konflikte“, Security Council Working Group n Children and Armed Conflict, inne. Die Arbeitsruppe listet staatliche und nichtstaatliche Konfliktparien, die Kinder töten, sexuell missbrauchen oder als oldaten rekrutieren. Dadurch sollen Täter erstens zur echenschaft gezogen werden können und zweitens unr Druck gesetzt werden, Schutzmaßnahmen für Kinder inzuführen. Wenn die Täter nicht mit den Vereinten Naonen kooperieren – etwa durch Aktionspläne zur Entaffnung, Demobilisierung und Reintegration von Kinersoldaten – kann ihre Listung zu Sanktionen führen. s ist dem beharrlichen Einsatz von Botschafter Wittig u verdanken, dass der Sicherheitsrat nun auch gezielte ngriffe auf Schulen und Krankenhäuser als Tatbetände für diese Listung aufgenommen hat. Im Juli 2011 urde eine von Deutschland erarbeitete Sicherheitsratssolution – 1998 amit hat Deutschland die internationalen Schutzme hanismen für Kinder und die Rolle der Vereinten Natioen insgesamt gestärkt. Ein solches Engagement wünche ich mir in allen Gremien und auf allen Ebenen der ereinten Nationen. Die Politik der Bundesregierung auf nationaler bene steht in Widerspruch zu ihrem Engagement auf N-Ebene. Hierzulande verletzt die Bundesregierung re Fürsorgepflicht gegenüber traumatisierten ehemagen Kindersoldaten. Das hat auch der für die Umsetung der UN-Kinderrechtskonvention und das Fakultavprotokoll zuständige UN-Ausschuss für die Rechte des Katrin Werner gebene Reden Tom Koenigs )

Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715824800







(A) )

Kindes in seinen Empfehlungen an Deutschland kriti-
siert. Nach dem Asylverfahrensgesetz werden geflohene
Kindersoldaten ab dem vollendeten 16. Lebensjahr als
verfahrensmündig angesehen und in nicht kinderge-
rechte Asylverfahren gedrängt. Ihr Zugang zur medizini-
schen Versorgung und zu Bildung ist eingeschränkt. Da
ehemalige Kindersoldaten nicht als politisch Verfolgte
angesehen werden, erhalten sie keine Asylberechtigung.
Oft droht geflohenen Kindersoldaten in Deutschland
Abschiebehaft. Diese Verhältnisse sind peinlich und wi-
dersprechen dem Geist der UN-Kinderrechtskonvention
und des Zusatzprotokolls.

Die gesetzlichen Vorgaben, insbesondere des Aufent-
halts- und Asylverfahrensgesetzes, müssen an die
UN-Kinderrechtskonvention angepasst werden. Auch
zwei Jahre nach Rücknahme des deutschen Vorbehalts
zur UN-Kinderrechtskonvention ist hier noch nichts ge-
schehen. Die Bundesjustizministerin hat am 5. Mai 2010
erklärt, es gebe „keine legislative Handlungsnotwendig-
keit und keine Verpflichtung, Gesetze zu ändern ... Un-
sere Situation entspricht vielmehr den Forderungen der
Konvention.“ (Plenarprotokoll vom 5. Mai 2010, 17/39)


Ich sehe das anders, und ich bin da nicht allein. Laut
Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention ist „bei allen
Maßnahmen, die Kinder betreffen, … das Wohl des Kin-
des vorrangig zu berücksichtigen“. In diesem Sinne sol-
len die Vertragsstaaten „in größtmöglichem Umfang …

(Art. 6 Abs. 2)

Höchstmaß an Gesundheit“ (Art. 24) sowie das Recht
auf Bildung anerkennen (Art. 28). Flüchtlingskinder sol-
len „angemessenen Schutz … bei der Wahrnehmung der
Rechte“ erhalten, zu denen sich die Vertragsstaaten ver-
pflichtet haben (Art. 22).

Deshalb fordere ich die Bundesregierung auf, die Re-
krutierung als Kindersoldat endlich als Asylgrund anzu-
erkennen, das Kindeswohl als vorrangiges Prinzip im
Asyl- und Aufenthaltsrecht zu verankern, die Verfahrens-
mündigkeit im Asylverfahren auf 18 Jahre heraufzuset-
zen, Minderjährige in kindergerechten Einrichtungen
unterzubringen und besonders zu betreuen, das Asylbe-
werberleistungs- und das Aufenthaltsgesetz zu ändern,
damit das Recht auf Schulbildung und Gesundheit für
alle in Deutschland lebenden Kinder gilt, und die Ab-
schiebungen von minderjährigen ehemaligen Kindersol-
daten zu unterlassen.

Außerdem erwarte ich von der Bundesregierung, dass
sie das 3. Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonven-
tion, das am 19. Dezember 2011 von der UN-General-
versammlung verabschiedet wurde und ein Individual-
beschwerdeverfahren vorsieht, rasch zeichnet und
ratifiziert. Damit sollte sie nicht so lange warten wie mit
dem Zusatzprotokoll zum Sozialpakt, dessen Ratifizie-
rung sie seit dem 24. September 2009 vor sich her-
schiebt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1715824900

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf

Drucksache 17/8491 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-

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(C (D erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlosen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald Weinberg, Kathrin Vogler, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Opfer des Brustimplantate-Skandals unterstützen – Keine Kostenbeteiligung bei medizinischer Notwendigkeit – Drucksache 17/8581 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit Auch hier werden die Reden zu Protokoll genomen. Es sind die Reden von Dietrich Monstadt, CDU/ SU, Dr. Marlies Volkmer, SPD, Mechthild Rawert, PD, Jens Ackermann, FDP, (Beifall bei der FDP – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Super, dass die zu Protokoll genommen ist!)


arald Weinberg, Die Linke, und Birgitt Bender, Bünd-
is 90/Die Grünen.


Dietrich Monstadt (CDU):
Rede ID: ID1715825000

Wir debattieren heute die Konsequenzen des Skandals

m die gefährlichen Brustimplantate des französischen
erstellers PIP. Dabei muss unser Augenmerk nicht nur
uf die Minderung des bereits eingetretenen Schadens
erichtet sein. Vielmehr gehört es zur Verantwortung des
esetzgebers, zu prüfen, ob sich aus dem Geschehen
erbesserungsansätze im Medizinprodukterecht ableiten
ssen, die ähnlichen Fällen in der Zukunft vorbeugen

der diese rascher entdecken lassen.

Bevor ich über Konsequenzen spreche, wollen wir die
ituation betrachten, wie sie sich nach heutigem Kennt-
isstand darstellt. In seiner ersten Sitzung im neuen Jahr
at sich der Gesundheitsausschuss des Bundestages ein-
ehend damit befasst. Dabei hat das Bundesgesund-
eitsministerium einen ausführlichen Bericht vorge-
tellt, der den bislang ermittelten Sachstand sowie die
aßnahmen und Empfehlungen der zuständigen Behör-

en des In- und Auslands enthält.

Medizinprodukte werden, je nach Zweckbestimmung
er Produkte und dem Gefährdungspotenzial für den
atienten, den vier Risikoklassen I, IIa, IIb oder III zu-
eordnet. Brustimplantate gehören wie etwa auch Herz-
lappen zur Klasse III, es handelt sich um sogenannte
ochrisikoprodukte, für die ein höchstmögliches Sicher-
eitsniveau erforderlich ist.

Kern des Geschehens ist ein bislang ungekanntes
aß an krimineller Energie aufseiten der Hersteller-

rma. Der Hersteller PIP hat mit erheblicher kriminel-
r Energie etwa 75 Prozent seiner Produktion mit einem
icht der CE-Zertifizierung des Originalproduktes ent-
prechenden Material vermarktet. Der Benannten Stelle
ÜV Rheinland wurden bei Audits die einwandfreien
5 Prozent der Produktion vorgeführt. Unbestritten ist,
ass der französische Hersteller sich vorsätzlich krimi-


(A) )


)(B)

nell verhalten und in Betrugsabsicht gegen Gesetze und
andere Vorschriften verstoßen hat.

Was bedeutet dieses kriminelle Handeln hinsichtlich
des Inverkehrbringens von Produkten der Klasse III?

Eine andere Regelung des Marktzugangs – etwa ein
behördliches Zulassungsverfahren anstelle des seit
25 Jahren praktizierten New Approach – hätte dieses
vorsätzliche kriminelle Verhalten nicht mit Sicherheit
verhindert. Denn auch einer Zulassungsbehörde hätte
der Hersteller eine gefälschte Dokumentation und eine
unbedenkliche Probe vorlegen können. Die Problematik
liegt daher nicht in den Voraussetzungen für das erstma-
lige Inverkehrbringen, sondern in der Kontrolle der lau-
fenden Produktion und der Überwachung der Anwen-
dung.

Der TÜV Rheinland als Benannte Stelle sowie deut-
sche und französische Behörden haben sich im Konfor-
mitätsbewertungsverfahren bzw. bei der Überwachung,
soweit ich es übersehen kann, korrekt verhalten.

Nach der Information durch die französische Behörde
hat das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte dem jeweiligen Informationsstand ent-
sprechend gehandelt. Die gegenwärtige Empfehlung des
BfArM lautet, Implantate des Herstellers PIP in jedem
Fall entfernen zu lassen.

Natürlich wird jetzt die Frage gestellt, ob man das
Gefährdungspotenzial der betroffenen Brustimplantate
nicht früher hätte erkennen können.

Die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung,
MPSV, verpflichtet unter anderem Händler, Ärzte und
Krankenhäuser, die „Medizinprodukte beruflich oder
gewerblich betreiben oder anwenden“, zur Meldung von
„Vorkommnissen“. Die Definition eines „Vorkommnis-
ses“ steht in § 2 Nr. 1 MPSV: „Vorkommnis“ ist „eine
Funktionsstörung, ein Ausfall oder eine Änderung der
Merkmale oder der Leistung oder eine Unsachgemäß-
heit der Kennzeichnung oder der Gebrauchsanweisung
eines Medizinprodukts, die unmittelbar oder mittelbar
zum Tod oder zu einer schwerwiegenden Verschlechte-
rung des Gesundheitszustands eines Patienten, eines
Anwenders oder einer anderen Person geführt hat, ge-
führt haben könnte oder führen könnte ...“

Die Ruptur eines Brustimplantats, das Auslaufen bzw.
Ausschwitzen des Silikongels und die gesundheitlichen
Folgen, die eine operative Entfernung erforderlich ma-
chen, genügen der Definition eines „Vorkommnisses“.
Sie müssen daher entsprechend den Regelungen der Me-
dizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung gemeldet wer-
den.

Dennoch wurden in Deutschland bis zum 22. Dezem-
ber 2011 nur insgesamt 19 Fälle von Rupturen gemeldet,
was bei geschätzten 10 000 Implantationen auf ein ho-
hes Meldedefizit hindeutet. Die Verringerung dieses
Meldedefizites dient mittelbar dem Schutz von Patienten
und gegebenenfalls Anwendern, da die Bundesoberbe-
hörde frühere und konkretere Produktwarnungen aus-
sprechen kann.

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Zu Protokoll ge

(C (D Daher ist zur effektiveren Durchsetzung der Meldeflichten die Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordung um eine Bußgeldvorschrift zu ergänzen, die sich an er entsprechenden Vorschrift der GCP-Verordnung rientieren sollte. Ein weiteres wichtiges Element ist die Überwachung urch die Landesbehörden, die eben nicht erst dann täg werden sollen, wenn bereits zahlreiche Menschen geundheitlich geschädigt worden sind. Von daher ist es ichtig und begrüßenswert, dass nach der neuen, im Deember vom Bundeskabinett verabschiedeten Medizinrodukte-Durchführungsvorschrift, MPGVwV, die zutändigen Behörden anlassunabhängig zu inspizieren aben. Dabei können beispielsweise bei Herstellern, andel und Gesundheitseinrichtungen Stichproben von edizinprodukten genommen werden. Auch sollten Benannte Stellen zu unangekündigten ertigungsstättenkontrollen mit Stichprobenziehungen owohl im Fertigungsprozess als auch bereits vermarkter Produkte verpflichtet werden. Damit dies für in der anzen EU verkehrsfähige Produkte Wirkung entfaltet, edarf es klarer Vorgaben im europäischen Recht. Darüber hinaus wäre es sinnvoll, im europäischen echt stichprobenartige Kontrollen direkt vor der Anendung bzw. der Implantation des Medizinproduktes orzuschreiben. Solche Kontrollen sind bei Arzneimitln seit 1968 vorgesehen. Apotheker sind verpflichtet, ertigarzneimittel stichprobenweise zu überprüfen und as Ergebnis ist in einem Prüfprotokoll festzuhalten. Nach geltendem europäischen Recht kann der Herteller eines Medizinproduktes der Klasse III zwischen wei Konformitätsbewertungsverfahren wählen. Einereits gibt es die Baumusterprüfung, wobei die Benannte telle die Produktdokumentation prüft und auch am Proukt selbst Prüfungen durchführt. Im Gegensatz dazu ird bei der Konformitätserklärung das Produkt von der enannten Stelle nur anhand des vom Hersteller eingeichten Dossiers bewertet. Zusätzlich erfolgt eine re elmäßige Überprüfung des Qualitätssicherungssystems es Herstellers durch die Benannte Stelle. Wichtig ist, ass bei der Konformitätserklärung das Produkt selbst on der Benannten Stelle nicht geprüft wird. Im Interesse er Sicherheit von Patienten und der Vertrauenswürdigeit europäischer Medizinprodukte sollte jedoch die aumusterprüfung für die Klasse III obligatorisch weren. Dafür ist die Änderung europäischen Rechts erforerlich. Schließlich erscheint es unerlässlich, dass nicht nur ie Benannten Stellen zur Meldung von Vorkommnissen n die zuständigen Behörden verpflichtet sind, sondern uch umgekehrt die Benannten Stellen von den Behören unterrichtet werden, falls eines der von ihnen beerteten Produkte auffällig wird. Der Vorschlag im Antrag der Linken verlangt die Abchaffung von § 52 Abs. 2 SGB V, der Kostenbeteiligung ei Folgeerkrankungen medizinisch nicht indizierter chönheitsoperationen. Dies ist eine alte Position der inken, die niemanden überraschen wird. Vor allem ber ist sie als einzige Konsequenz aus den durch den Dietrich Monstadt gebene Reden )





(A) )

PIP-Skandal bekanntgewordenen Problemen völlig un-
genügend. Denn schließlich kann der Lerneffekt nicht
nur darin bestehen, in Zukunft die Opfer von kriminel-
lem Handeln und teilweisen Insuffizienzen des Systems
zulasten der gesetzlichen Krankenkassen zu behandeln.
Es kommt doch vielmehr darauf an, solchem kriminellen
Handeln für die Zukunft durch zielgenaue Nachbesse-
rungen etwa bei Kontroll-, Informations- und Melde-
pflichten vorzubeugen.

Es bleibt deshalb dabei: Bei gesetzlich Krankenversi-
cherten übernimmt die Krankenkasse die Kosten der Ex-
plantation. Soweit die ursprüngliche Implantation aus
medizinischen Gründen erfolgt war, etwa nach einer
Brustkrebsbehandlung, gibt es keine Kostenbeteiligung
der Patientin.

Wenn jedoch die ursprüngliche Implantation nicht
aus medizinischen Gründen, sondern als Schönheitsope-
ration vorgenommen wurde, müssen die Kassen die Be-
troffenen in angemessener Höhe an den Kosten beteili-
gen. Für diese Kostenbeteiligung haben sich die
Krankenkassen auf eine Beteiligung von 50 Prozent bei
Einhaltung von Zumutbarkeitsobergrenzen verständigt,
die je nach Einkommen und Kinderzahl zwischen 1 und
7 Prozent des Jahreseinkommens liegen.

Im Übrigen trägt hinsichtlich von Schönheitsopera-
tionen die Begründung zu § 52 Abs. 2 SGB V im GKV-
Wettbewerbsstärkungsgesetz unverändert: „Da sich
Versicherte, die derartige Maßnahmen durchführen las-
sen, aus eigenem Entschluss gesundheitlichen Risiken
aussetzen, ist es nicht sachgerecht, diese Risiken durch
die Versichertengemeinschaft abzudecken. Hier ist von
den betroffenen Versicherten die Übernahme von Eigen-
verantwortung einzufordern.“

Ich habe einige Ansätze vorgestellt, die geeignet sind,
ähnlichen Fällen wie dem PIP-Skandal in der Zukunft so
weit wie möglich vorzubeugen. Wir werden in der christ-
lich-liberalen Koalition und in Zusammenarbeit mit un-
seren Partnern auf EU-Ebene die geeigneten Umset-
zungswege sorgfältig prüfen.


Dr. Marlies Volkmer (SPD):
Rede ID: ID1715825100

Wir sind uns hier alle einig, dass den durch den soge-

nannten Brustimplantateskandal geschädigten Frauen
schnell und unbürokratisch geholfen werden muss. Von
den fehlerhaften, aus Industriesilikon hergestellten Im-
plantaten geht eine direkte Gefahr für die Gesundheit
der Betroffenen aus. Anfang Januar 2012 hat das Bun-
desinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf-
grund der bestehenden Risiken empfohlen, alle betroffe-
nen Implantate zu entfernen.

Und die Risiken sind offensichtlich: Das vom Herstel-
ler verwendete billige Industriesilikon ist nicht nur be-
sonders reißanfällig; selbst ohne Risse können die Im-
plantate gesundheitsgefährdende Stoffe an den Körper
abgeben. Diese Stoffe verursachen schmerzhafte Ent-
zündungen und können auch in die Lymphknoten diffun-
dieren, so kann es zu gesundheitlichen Schäden außer-
halb der Brust kommen. Es gibt auch Hinweise darauf,

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Zu Protokoll ge

(C (D ass sich dadurch die Gefahr einer Krebserkrankung eröht. Das Entfernen oder Ersetzen der gefährlichen Imlantate ist hierbei die einzig sichere Lösung, da sich uch auf bildgebenden Verfahren Risse oder ausgetrene Stoffe nicht erkennen lassen. Wir als SPD-Fraktion sprechen uns in diesem besoneren Fall für die vollständige Übernahme der entsteenden Kosten durch die gesetzliche Krankenversicheung aus, das heißt also der Kosten, die bei der ntfernung der Implantate und einer möglicherweise otwendigen medizinischen Behandlung anfallen, auch enn ursprünglich eine Schönheitsoperation durchgehrt wurde. Einige Krankenkassen haben diese Verfahnsweise bereits zugesagt. Wir appellieren an die übri en, es im Interesse ihrer Versicherten ebenfalls zu tun. ier sind Frauen zu Opfern eines betrügerischen Unterehmens geworden, das ohne Rücksicht auf die Gesundeit von Menschen Profite machen wollte. Jahrelang urden die zuständigen Behörden und Kontrolleure beusst getäuscht. Keine der betroffenen Frauen hatte im orfeld dieses Eingriffs ahnen können, dass für sie durch riminelle Machenschaften derartige gesundheitliche isiken entstehen. Leider kann der französische Herstelr der Implantate nicht zur finanziellen Wiedergutma hung herangezogen werden, da er Insolvenz angemelet hat. Möglicherweise hätten unangekündigte schärfere ontrollen des Medizinprodukteherstellers die krimineln Machenschaften verhindern oder zumindest ein chränken können. Die Bundesregierung blieb bei dem ganzen Fall erchreckend untätig, das Bundesgesundheitsministerium ieht nach eigenen Aussagen keinen Handlungsbedarf. as steht in Kontinuität dazu, dass erst mehr als zwei ahre nach der letzten Novelle des Medizinproduktegeetzes, nämlich im Dezember letzten Jahres, die dazugeörigen allgemeinen Verwaltungsvorschriften durch das MG erlassen wurden. Diese Verwaltungsvorschriften geln unter anderem die Überwachung der Medizinpro ukte und die Inspektionen bei den Herstellern und würen unangemeldete Kontrollen ermöglichen. Sie sollen ach dem Willen des BMG erst 2013 in Kraft treten. Hier werden dringend notwendige Änderungen verchleppt. Die Konsequenzen haben jedoch alleine die urch fehlerhafte Medizinprodukte geschädigten Menchen zu tragen. Neben den Kontrollen ist im Bereich der Medizinproukte auch wesentlich mehr Transparenz nötig. Transarenz heißt, dass die Aufklärung der Patientinnen und atienten vor Eingriffen über mögliche Folgekosten und omplikationen verbessert werden muss. Wenn Medizinrodukte verwendet werden, ist auch über diese eine ufklärung geboten – ein wichtiger Punkt, den ich im eferentenentwurf zum Patientenrechtegesetz noch verisse. Transparenz heißt auch, dass klar sein muss, bei wem o welche Implantate eingesetzt wurden. Wir wissen ja icht einmal, wie viele Frauen sich jedes Jahr für einen Dietrich Monstadt gebene Reden )





(A) )

derartigen Eingriff unters Messer legen; die genannten
Zahlen schwanken zwischen 20 000 und 60 000. Weiter-
hin weiß niemand, was für Implantate jeweils verwendet
worden sind.

Das Medizinproduktegesetz sieht in der Sicherheits-
planverordnung vor, dass essenzielle Daten, wie Namen
der Patientinnen und Patienten, bei denen Medizinpro-
dukte implantiert wurden, 20 Jahre lang aufzubewahren
sind. Es soll sichergestellt werden, dass im Falle eines
Rückrufs aufgrund eines schadhaften Implantates die
Betroffenen identifiziert und benachrichtigt werden
müssen. Wir haben dafür auch ein Meldesystem. Doch
die gesamte Kette funktioniert offensichtlich überhaupt
nicht: Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-
produkte lagen nach letzten Informationen gerade mal
25 Meldungen über schadhafte Implantate vor. Das ist
natürlich viel zu wenig angesichts der schätzungsweise
7 500 in Deutschland Betroffenen.

Was im Bereich der Medizinprodukte zwingend ge-
braucht wird, ist ein Zentralregister, wie es die SPD
schon seit langer Zeit fordert – zuletzt im Rahmen eines
Patientenrechtegesetzes im letzten März –, und die Mel-
depflicht für schadhafte Medizinprodukte. Nur durch
diese Maßnahmen kann überhaupt eine Nachverfolgbar-
keit und eine zeitnahe Information der Patientinnen und
Patienten erreicht werden. Bei den Mängeln mit Endo-
prothesen im Knie- und im Hüftbereich haben wir gese-
hen, dass sich mögliche Nebenwirkungen oft erst im Ein-
satz zeigen und sich nicht durch Zulassungsverfahren
ausschließen lassen.

All dies findet sich im Antrag der Linke-Fraktion
nicht wieder. Die vorgebrachten Vorschläge leisten
nichts zur Lösung der angesprochenen Probleme.


Mechthild Rawert (SPD):
Rede ID: ID1715825200

Die Fraktion Die Linke reagiert mit ihrem Antrag

„Übernahme der Behandlungskosten infolge des Brust-
implantate-Skandals“ auf einen Skandal, der tagtäglich
größere Dimensionen annimmt. Es geht mittlerweile nur
noch vordergründig, quasi anlassbezogen, um die mit
minderwertigem Industriesilikon hergestellten Brustim-
plantate der französischen Firma PIP, Poly Implant
Prothèse, bzw. um die baugleichen Implantate der nie-
derländischen Firma Rofil Medical Nederland B.V. Seit
dem 31. Januar warnt das Bundesinstitut für Arzneimit-
tel und Medizinprodukte nun auch vor den titanbe-
schichteten Implantaten des Typs TiBREEZE der Nürn-
berger Firma GfE Medizintechnik GmbH. Ich bin
überzeugt, die Liste der Unternehmensnamen wird sich
noch erweitern.

Es geht um einen aus Profitgier mit viel krimineller
Energie verursachten Skandal, der bei Hunderttausen-
den Frauen zur Angst führt, ein erhöhtes Krebsrisiko zu
haben. Es geht aber auch um den Skandal, dass unsere
nationalen und europäischen Gesetze nicht ausreichen,
um die Sicherheit von Patientinnen zu gewährleisten. Es
geht um einen Skandal, der mit den unterschiedlichsten
Klagepunkten zu unsäglich vielen Gerichtsverfahren
– viele davon auch grenzüberschreitend – führen wird.
Die Juristen haben zu tun – doch was ist mit den betrof-

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Zu Protokoll ge

(C (D nen Frauen, was ist mit ihrem gesundheitlichen Risiko, as mit ihren Rechten auf Schadensersatzansprüche, as mit der Übernahme der auf sie zukommenden Kosn? Die Angst der Frauen ist losgelöst davon, ob es sich m eine medizinisch indizierte oder um eine ästhetische peration, Schönheitsoperation, handelt, ob diese in eutschland, in Europa oder beispielsweise Israel oder rasilien durchgeführt wurde. Sie alle müssen sich auf den Fall mit der Frage einer weiteren Operation, der bernahme der Kosten für die medizinische Behandlung Entfernung des Implantats, gegebenenfalls Erneueung eines Implantats – und den Kosten für das Produkt eschäftigen. Ausdrücklich bedanken möchte ich mich bei all den rztinnen und Ärzten, den Kliniken und Krankenkassen, ie sich frühzeitig mit den betroffenen Frauen in Verbinung gesetzt haben und ihnen von sich aus Unterstütung gaben – im Sinne einer guten medizinischen Berang und Betreuung. Mich empört, dass dies 2011 nur in inzelfällen geschehen ist. Der Presse war zu entnehmen, dass das Bundesminisrium nach der Empfehlung des Bundesinstituts für rzneimittel und Medizinprodukte, Billig-Brustimplante sicherheitshalber entfernen zu lassen, die Kassen in er Pflicht sieht. Diese Meinung gelte grundsätzlich soohl für aus medizinischen als auch aus ästhetischen ründen eingesetzte Implantate. Gesundheitsexpertinen von Verbraucherzentralen sind der Meinung, dass ie nach Schönheitsoperationen ansonsten gesetzlich stgelegte Eigenbeteiligung in diesem Ausnahmefall icht gerechtfertigt ist. Schließlich hätte keine der beoffenen Frauen mit der kriminellen Energie von PIP chnen können. Die durch den vorgelegten Antrag der Linksfraktion u führende Debatte begrüße ich. Ich finde aber die dait verbundenen Forderungen als zu kurz gesprungen. erne greife ich zu einem anderen Zeitpunkt die schon u Zeiten der Großen Koalition geführten Debatten zu chönheitsoperationen, Tattoos und Piercing etc. wieder uf. Als damalige Berichterstatterin bedauere ich es och heute, dass der erarbeitete Gesetzentwurf hierzu egen Ende der Legislaturperiode seitens der CDU/ SU-Fraktion dann doch abgelehnt wurde. Die SPDraktion hatte sowohl Maßnahmen zum Komplex „kriticher Umgang mit Schönheitsoperationen“ vorgesehen ls auch im Interesse von Patientinnen und Patienten, on Verbraucherinnen und Verbrauchern Lücken in den aftungsketten schließen wollen. Eines muss uns allen lar sein: Jede Operation, ob mit medizinischer Indikaon oder als Schönheitsoperation durchgeführt, birgt esundheitliche Risiken. Von den minderwertigen Brustimplantaten sind allein uropaweit Hunderttausende Frauen betroffen. Um für eutschland zu klären, wie viele Frauen Trägerinnen on schadhaften Brustimplantaten sind, läuft seit dem 0. Januar eine bundesweite Abfrage. Erste Ergebnisse ollen Ende Februar vorliegen. Ob „nur“ nach in eutschland erfolgten Operationen gefragt wird oder b die vielen Frauen, die die Operation im Ausland ha Dr. Marlies Volkmer gebene Reden )





(A) )

ben vornehmen lassen, auch erfasst werden sollen, ist
mir nicht bekannt.

Die Bundesregierung zeichnet sich nicht durch be-
sondere Schnelligkeit hinsichtlich Patientinneninforma-
tion und Patientinnensicherheit aus; das hat auch die
Antwort der Bundesregierung auf meine Ende Dezember
gestellte schriftliche Frage an die Bundesregierung ge-
zeigt. Schon mindestens seit März 2010 ist dem Bundes-
ministerium für Gesundheit, dem Bundesinstitut für Arz-
neimittel und Medizinprodukte und den zuständigen
Überwachungsbehörden der Länder bekannt, dass seit
Jahren fehlerhafte Implantate auf dem Markt gewesen
sind. Aber erst vor wenigen Wochen hat das Bundes-
institut für Arzneimittel und Medizinprodukte, eine
staatliche Aufsichtsbehörde, die Entfernung dieser
Brustimplantate empfohlen. Viele – auch die zuständi-
gen ärztlichen Fachgesellschaften – haben also von ei-
nem Risiko für die Frauen gewusst – am wenigsten aber
die Frauen selbst, die Trägerinnen dieser Brustimplan-
tate. Staatliche Stellen haben sich hinsichtlich der Auf-
klärung und des Informationsflusses unter Einbeziehung
der Patientinnen also ebenso wenig mit Ruhm bekleckert
wie viele Fachgesellschaften.

Nur mehr als zögerlich wird nun sowohl auf nationa-
ler als auch auf EU-Ebene über Verschärfungen gesetzli-
cher Vorgaben für die Zulassung von Medizinprodukten
als auch für die entsprechenden Sicherheitskontrollen
diskutiert. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert schon
seit langem eine bessere, vor der Zulassung von unab-
hängigen wissenschaftlichen Stellen vorzunehmende Ri-
siko-Nutzen-Bewertung von Medizinprodukten und ein
verpflichtendes Register unter anderem für Hochrisiko-
produkte.

Ich fordere die Bundesregierung, insbesondere den
Bundesminister für Gesundheit, Daniel Bahr, und die
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ilse Aigner,
auf, ihr vorgelegtes Patientenrechtegesetz zu überarbei-
ten, damit dieses tatsächlich zu einer Stärkung der medi-
zinischen, aber auch haftungsrechtlichen Rechte von
Patientinnen und Patienten führt, auf nationaler und
EU-Ebene durch gesetzliche Verschärfungen die Sicher-
heit von Medizinprodukten vor ihrer Zulassung zu erhö-
hen und durch schärfere Qualitäts- und Sicherheitskon-
trollen, unter anderem durch zusätzliche unangemeldete
Inspektionen, auch den Produktionsprozess besser zu
kontrollieren. Ich erinnere noch einmal: Die SPD-Bun-
destagsfraktion hat bereits im Jahr 2010 in ihrem Antrag
„Für ein modernes Patientenrechtegesetz“, Drucksache
17/907, gefordert, das Medizinproduktegesetz weiterzu-
entwickeln.

Ich hoffe im Interesse der Patientinnen und Patienten
sehr, dass die Bundesregierung den Skandal um die
Firma PIP zum Anlass nimmt, sich jetzt endlich in die-
sem Sinn zu engagieren und sowohl nationale als auch
europäische Regelungen für Zulassungsverfahren für
Medizinprodukte auf den Weg zu bringen.


Jens Ackermann (FDP):
Rede ID: ID1715825300

Es war doch nur eine Frage der Zeit, bis die Links-

partei versucht, auf populistische Art und Weise politi-

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(C (D ches Kapital aus dem Skandal um mangelhafte Brustplantate zu schlagen. Auch wenn die Antragsteller ier suggerieren, es ginge ihnen um die betroffenen rauen, handelt es sich um nichts anderes als ein böses piel mit ihren Ängsten und Sorgen. Zudem schüren Sie it Ihrem Antrag Hoffnungen, die Sie niemals erfüllen erden. Es handelt sich bei dem Skandal um die fehlerhaften rustimplantate schlichtweg um eine hochkriminelle andlung ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Träge innen der minderwertigen Brustimplantate. Diesbezügch ist die Aufarbeitung dieses Skandals zunächst eine rage des Strafrechts. Ich wünsche mir, dass die franzöischen Strafgerichte hier ein Zeichen setzen, das zuünftig andere davon abhält, aus reinem Gewinntrieb ie Gesundheit von Tausenden Menschen aufs Spiel zu etzen. Dieser Skandal muss uns veranlassen, zu überprüfen, as bei uns besser gemacht werden muss, um in Zukunft ie Wahrscheinlichkeit solch krimineller Handlungen zu erringern oder diese früher aufzudecken. Schnellchüsse aus der Hüfte, wie sie im Januar an der Tagesrdnung waren, helfen uns da nicht weiter. Bei der ufarbeitung des Skandals zählt Gründlichkeit vor chnelligkeit. Es muss jedoch überprüft werden, inwieeit in der Zulassung und Kontrolle von Medizinprodukn Verbesserungen notwendig sind. Mich überraschte, ass es keinerlei unangekündigte Kontrollen bei den erstellern gab. Hier sehe ich einen Ansatzpunkt zur zu ünftigen Vermeidung solcher Delikte. Wir dürfen doch nicht zulassen, dass durch eine Überbürokrati ierung der Zulassungsund Kontrollverfahren mediziische Innovationen nicht zügig zu den Patienten komen. Denn wir müssen uns vor Augen führen, dass der rimärzweck medizinischer Produkte – dazu gehören ben auch Brustimplantate – nicht die Verschönerung es Körpers ist, sondern das Lindern von menschlichem eid und Schmerzen. Zurück zum Antrag der Linkspartei. Der Grund, seierzeit mit dem § 52 Abs. 2 SGB V die Selbstverschulensregelung einzuführen, war der, mehr Eigenverantortung im System zu implementieren bzw. diese zu erdeutlichen. Der Passus, den Sie streichen wollen, ist igentlich logische Konsequenz aus § 1 Satz 2 SGB V, er verdeutlicht, dass die Versicherten für ihre Gesundeit mitverantwortlich sind. Zu dieser Mitverantwortung ehört auch, unnötige gesundheitliche Risiken zu vereiden. Durch Piercing, Tätowierungen oder nicht mediziisch indizierte Schönheitsoperationen, wie zum Beipiel Brustvergrößerungen, entstehen oft gravierende esundheitsstörungen, die erhebliche Kosten für die Sodargemeinschaft der Versicherten verursachen können. a sich Versicherte diesen gesundheitlichen Risiken aus igenem Entschluss aussetzen, ist es nicht gerecht, diese isiken durch die Solidargemeinschaft der Versicherten bzudecken. Die Krankenkassen haben sie daher an den ehandlungskosten angemessen zu beteiligen und Kranengeld gegebenenfalls ganz oder teilweise zu versagen der zurückzufordern. Die Einforderung von Eigenver Mechthild Rawert gebene Reden )





(A) )

antwortung der betroffenen Versicherten ist nicht nur
gerecht, sondern auch sozial.

Dementsprechend ist das Anliegen des vorliegenden
Antrags zutiefst unsozial. Mit Ihrem Antrag wollen Sie,
dass auch Geringverdiener, Rentner oder Arbeitslose,
denen wir weder Praxisgebühr noch andere Zuzahlun-
gen ersparen, mit ihren Beiträgen die Kosten für ver-
pfuschte ästhetische Eingriffe bei Menschen, die zum
Beispiel mit ihrem Einkommen an der Beitragsbemes-
sungsgrenze liegen, finanzieren. Überlegen Sie mal, wie
Sie das diesen Menschen erklären wollen.

Dass Ihnen diese Erklärung und die Legitimation für
einen solch unsozialen und unsolidarischen Antrag
schwerfällt, merkt man der dünnen Begründung an. Ihr
Verweis auf die privaten Krankenversicherungen zielt
ins Leere. Wenn wir jetzt beginnen, den Leistungskata-
log der gesetzlichen Krankenversicherung dem Leis-
tungsspektrum der privaten anzupassen, werden uns die
Kosten zukünftig um die Ohren fliegen. Sie vergessen
dabei auch, zu erwähnen, dass auch die Beihilfe die
Kosten des Ausbaus des Implantats im Regelfall nicht
übernimmt, wie der Bericht der Bundesregierung zu den
fehlerhaften Brustimplantaten ergab.

Zuweilen frage ich mich beim Lesen der Begründung,
ob ein Karnevalsscherz oder eine Büttenrede aus Verse-
hen den Weg in Ihre parlamentarischen Initiativen ge-
funden hat. Sie wollen doch nicht ernsthaft das medizini-
sche Risiko von nicht medizinisch indizierten Eingriffen
mit denen des Tragens hochhackiger Schuhe oder denen
des Fahrradfahrens oder Sporttreibens vergleichen? Bei
den beiden Letzteren steht einem überschaubaren Risiko
ein erheblicher gesundheitlicher Nutzen gegenüber. Das
ist bei Piercing, Tätowierungen und nicht notwendigen
Schönheitsoperationen nicht der Fall.

Sicherlich ist es bedauerlich für betroffene Frauen,
wenn sie neben der gesundheitlichen Schädigung oder
der Sorge davor auch noch einen finanziellen Schaden
durch das fehlerhafte Implantat haben. Wir reden hier
jedoch nicht über Summen, die die Betroffenen in die
Privatinsolvenz stürzen. Laut den Empfehlungen der
Verbände der Krankenkassen zur Beteiligung an den
Folgekosten medizinisch nicht indizierter Eingriffe sol-
len die Krankenkassen die finanzielle Situation ihrer
Mitglieder berücksichtigen. Je weniger die Betroffenen
an Einkommen zu Verfügung haben und je mehr Fami-
lienmitglieder von diesem Einkommen versorgt werden
müssen, desto mehr vermindert sich die Selbstbeteili-
gungsquote.

Was das konkret bedeutet, wird am folgenden Beispiel
deutlich: Eine Frau aus einer dreiköpfigen Familie mit
einem Jahreseinkommen von 30 000 Euro würde mit
nicht mehr als 900 Euro an den Folgekosten beteiligt.
Wäre sie alleinstehend mit diesem Einkommen, wären es
1 500 Euro. Das sind aus meiner Sicht Beträge, die in
Anbetracht des Jahreseinkommens durchaus tragbar
sind. Wer einen hohen vierstelligen Betrag für die Ver-
größerung der Brust aus rein ästhetischen Gründen auf-
wendet, kann auch einen erheblich geringeren Betrag
aufwenden, wenn sich aus diesem freiwilligen Eingriff
Komplikationen ergeben.

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Zu Protokoll ge

(C (D Der Antrag der Linken ist abzulehnen, da er weder ie richtigen Schlüsse aus dem Skandal um die fehleraften Brustimplantate zieht noch eine nachhaltige Hilleistung für die betroffenen Frauen anbietet. Nicht eld ist für die Betroffenen das Problem, sondern Ungeissheit über und Angst vor Folgeschäden. Hier sollten ntsprechende Angebote der Aufklärung und Beratung nsetzen, damit die betroffenen Frauen nicht allein im egen stehen gelassen werden. Insgesamt ist zu überlegen, inwieweit wir den Trend, en Menschen als modellierbaren Körper zu betrachten, indämmen können. Insbesondere die Medien stehen in er Pflicht, die Schönheitsideale, die sie verbreiten, zu interfragen. Manchmal frage ich mich auch, ob jeder rzt, der solche Eingriffe durchführt, seine Patientinnen mfassend über die Risiken berät und den Entschluss um Eingriff nicht zu selten hinterfragt. Letztendlich liegt es aber in der Verantwortung jedes inzelnen, inwieweit er sich bestimmten Schönheitsidean unterwirft und in welchem Maß er oder sie sich ge undheitlichen Risiken aussetzt. Zur Eigenverantworng gehört dann auch, diese Risiken mitzutragen und ie nicht in die Verantwortung der Solidargemeinschaft u legen. Stellen Sie sich vor, Sie spielen in einer Hobbymann chaft auf dem Bolzplatz Fußball und brechen sich das ein. Wer kommt dann für die Behandlungskosten auf? ie gesetzliche Krankenversicherung. Stellen Sie sich or, Sie fahren Auto, haben es eilig, beachten nicht die öchstgeschwindigkeit und verursachen einen Unfall. uch hier zahlt die gesetzliche Krankenversicherung elbstverständlich Ihre Behandlung, auch wenn Sie an em Unfall selbst schuld waren. Gleiches gilt für die Beandlungskosten von Übergewichtigen, Rauchern, Menchen, die sich ungünstig ernähren, Radfahrern und Morradfahrern, Kletterern, Menschen, die zu viel oder zu enig Sport machen oder nach Alkoholkonsum gestolert und hingefallen sind. Sie sehen selbst: Diese Liste önnte man noch sehr lange fortsetzen. Fast jeder geört zu einer Gruppe, die selbst eine Verantwortung für as eigene Leid trägt, und trotzdem zahlt die Kasse die echnung. Denn ein Grundprinzip der gesetzlichen Krankenvericherung ist, dass sie nicht nach dem Schuldigen für ine Verletzung oder Erkrankung fragt, sondern schlicht ach dem Bedarf. Es gibt aber mittlerweile drei Ausnahmen, bei denen ie Versicherten an den Kosten beteiligt werden: Erstens ei Folgeerkrankungen von Tätowierungen, also Entündungen oder Unverträglichkeiten. Man muss ja Täwierungen nicht gut finden, aber immerhin 25 Prozent er 16bis 29-Jährigen haben Tätowierungen. Zweitens ei Folgeerkrankungen von Piercings. Da sind es vor alm Minderjährige, die da an den Kosten beteiligt weren sollen, zumal nach einer 2008 veröffentlichten Stuie über die Hälfte der Gepiercten unter 18 Jahren sind. in Jugendparlament jedenfalls hätte einer solchen Disriminierung von Gepiercten sicher nicht zugestimmt. Jens Ackermann gebene Reden )

Harald Weinberg (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715825400




(A) )

Und der dritte Bereich, wo Versicherte für ihr Verhal-
ten an den Kosten beteiligt werden sollen, sind Schön-
heitsoperationen. Der PIP-Skandal war ja zu Recht
überall in den Medien zu finden. PIP, das war eine
Firma, die die Kontrollbehörden, die behandelnden Ärz-
tinnen und Ärzte sowie die Patientinnen betrogen hat.
Das war kriminell; das muss man ganz klar sagen.

Den betrogenen Frauen nützt diese Feststellung je-
doch wenig. Denn die Firma ist pleite, da ist nichts zu
holen. Sie haben diese Implantate – bestehend aus billi-
gem und gefährlichem Industriesilikon und einer man-
gelhaften Hülle – im Körper. Die zuständigen Behörden
empfehlen, die Implantate zu entfernen. Das kostet Tau-
sende Euro. Die übernimmt zwar die Krankenkasse. Sie
ist aber nach dem Selbstverschuldensparagrafen ge-
zwungen, die Patientinnen an den Kosten zu beteiligen;
denn sie sind ja selbst schuld, dass die Implantate über-
haupt eingesetzt wurden. Die Linke findet das falsch.

Niemand soll an den Kosten einer medizinisch not-
wendigen Behandlung beteiligt werden, schon gar nicht
Betrugsopfer. Der Fall PIP zeigt eindrücklich, wie ab-
surd diese Regelung ist. Deswegen fordern wir in dem
Antrag, der hier zur Debatte steht, dass diese Regelung
abgeschafft wird.

Eines gilt es dabei aber zu bedenken: Brustimplantate
beispielsweise haben, wie viele Implantate, eine be-
grenzte Haltbarkeit. Ist diese überschritten, zum Bei-
spiel zehn Jahre nach der Operation, spätestens aber
wenn das Implantat defekt ist, dann wird es medizinisch
notwendig, es zu tauschen und dann müsste im Zweifel
die gesetzliche Krankenversicherung die Entnahme oder
gar den Austausch zahlen. Wir wollen aber nicht, dass
die Implantatehersteller an einer einmal auf eigene Kos-
ten operierten Frau lebenslang auf Kosten der gesetzli-
chen Krankenversicherung neue Implantate einsetzen
können und damit Profit machen. Die gesetzliche Kran-
kenversicherung darf nicht zum Finanzier der Schön-
heits-OP-Industrie werden.

Deshalb fordern wir Regelungen, die dazu führen,
dass weder die Frau noch die gesetzliche Krankenversi-
cherung für Folgeoperationen aufkommen muss. Denk-
bar wäre da zum Beispiel, dass die Hersteller und die
Ärzteschaft eine lebenslange Garantie gewährleisten
müssen, die über eine Versicherung abgesichert ist. Es
gibt sogar schon einen Hersteller, der das anbietet, wie
wir im Ausschuss gehört haben. Das wäre ein Anreiz,
hochqualitative Produkte herzustellen, die lange halten.

Zurück zur Selbstverschuldensregelung: Aus unserer
Sicht widerspricht sie dem Gleichheitsgebot des Grund-
gesetzes und ist damit verfassungswidrig. Das will ich
begründen: Die Regelung sollte bei ihrer Einführung
2007 alle medizinisch nicht notwendigen Körperverän-
derungen, wie zum Beispiel Tätowierungen, Piercings
oder Schönheitsoperationen, umfassen. 2008 merkte die
Große Koalition, dass damit ja auch jeder Ohrring ge-
meint wäre und schlimmstenfalls auch jeder Überge-
wichtige und jede Raucherin. Still und heimlich änderte
man den Paragrafen. Nun waren es nur noch diese drei
Gruppen, die belastet werden sollten. Das aber ist juris-
tisch eine Ungleichbehandlung, die Art. 3 des Grundge-

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Zu Protokoll ge

(C (D etzes widerspricht. Denn ein Gesetz darf nicht gleiche achverhalte bevoroder benachteiligen. Das tut das esetz aber: Brandings, also das Einbrennen von Symolen oder Schriftzeichen auf der Haut, Subdermals, lso Metalle, die unter die Haut eingebracht werden, uttings, also bewusst herbeigeführte Schnittmuster, der auch Tongue Cutting, also das Aufspalten der unge, damit sie amphibisch anmutet, sind mit Piercings urchaus zu vergleichen oder sogar noch größere, spekkulärere und weniger gesellschaftlich übliche Techni en. Trotzdem zahlt hier die Kasse vollständig für Folgerkrankungen. Das widerspricht dem Gleichheitsgebot. Ebenso werden Kosten für die Behandlungen von ntzündungen aufgrund eines Ohrrings wohl übernomen, und er zählt im Sinne des Selbstverschuldenspararafen nicht als Piercing. Auch das widerspricht dem leichheitsgebot. Wenn jemand lieber einen Augenrauenring oder einen Ring in der Lippe mag, warum ollte der dann bei der Krankenversicherung gegenüber hrringträgern benachteiligt werden? Was man sich uch fragen kann: Gilt diese Ausnahme eigentlich für as ganze Ohr, also auch den Knorpel, oder aber nur für as Ohrläppchen? Und noch ein weiteres Problem spricht gegen den elbstverschuldensparagrafen. Damit die Kassen den atientinnen und Patienten überhaupt eine Rechnung räsentieren können, muss der Arzt den Kassen mittein, dass der Patient zum Beispiel ein Genitalpiercing at. Ich meine, das geht eindeutig zu weit und geht nieanden außer den Arzt etwas an. Das Recht auf inforationelle Selbstbestimmung wird hier verletzt. Selbst enn es möglich wäre, eine gleichheitskonforme Selbsterschuldensregelung zu schaffen, die die Linke generell blehnt, dann wäre immer noch die Verpflichtung des rztes zur Mitteilung an die Krankenkasse grundrechtsidrig. Wenn dieser Antrag von einer Mehrheit des Hauses bgelehnt wird, dann wäre zu wünschen, dass eine der ausenden Opfer des PIP-Skandals gegen diese Regengen bis vor das Bundesverfassungsgericht klagt. Die ussicht auf Erfolg ist überaus gegeben. Der Skandal um schadhafte Brustimplantate hat die ageszeitungen gefüllt, war Thema im Gesundheitsauschuss, die Bundesregierung hat – soweit es ihr möglich ar – auf die Fragen unserer Kleinen Anfrage geantortet. Wer das hört, könnte das Gefühl haben, dass nun lle Informationen auf dem Tisch liegen müssten. Aber as ist noch lange nicht so. Dies zeigt, dass uns die Theen Brustimplantate, Schönheitsoperationen, Selbstver chuldensprinzip und Medizinprodukte noch einige Zeit eschäftigen werden. Zum Themenkomplex Medizinprodukte werden wir rünen in Kürze einen Antrag in den Bundestag einringen. Bereits seit längerem habe ich auch gegenüber erstellern darauf hingewiesen, dass das CE-Kennzei hen bei hochspezialisierten und bei implantierbaren edizinprodukten nicht ausreicht. Wir fordern für im lantierbare Medizinprodukte aus Hochrisikoklassen Harald Weinberg gebene Reden Birgitt Bender )

Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715825500







(A) (C)


eine an die Arzneimittel angelehnte Zertifizierung und
Nutzenbewertung. Nachdem Minister Bahr in ersten
Presseäußerungen rundherum ablehnte, das europäi-
sche Medizinprodukterecht zu aktualisieren, lesen sich
die Antworten auf unsere Kleine Anfrage sehr viel diffe-
renzierter. Dort liest man: verbindlichere Regelungen
für „Benannte Stellen“, unangekündigte Kontrollen der
Produkte und bessere Rückverfolgbarkeit. Ein Medizin-
produkteregister und eine ausreichende Deckungsvor-
sorge in Schadensfällen werden nicht mehr rundweg ab-
gelehnt. Das reicht uns noch nicht aus, aber immerhin:
Der Minister befindet sich offenbar in einem Lernpro-
zess. Das begrüßen wir.

Der Antrag der Linken hat ein weiteres Fass des Ge-
samtthemas aufgemacht: die Selbstverschuldensrege-

Und schon sind wir mitten im dritten Themenkom-
plex: bei den Schönheitsoperationen. Dass hier dicke
Bretter gebohrt werden müssen, zeigen die Erfahrungen
aus der letzten Wahlperiode. Selbst Vorstöße aus der Ko-
alition kamen hier nicht voran.

Daher sollte dieser Skandal um Brustimplantate ge-
nutzt werden, hier zu Lösungen zu kommen. Anders als
die Linke mit dem vorgeschlagenen Fonds denken wir
eher an eine verpflichtende Produkthaftpflichtversiche-
rung oder eine damit vergleichbare Deckungsvorsorge,
wie es das Arzneimittelgesetz kennt. Die von der Linken
vorgeschlagenen verpflichtenden schönheitschirurgi-
schen Komplettpakete, die alle Folgebehandlungen um-
fassen, gehen in eine ähnliche Richtung wie die Debatte,
ob bei medizinisch nicht indizierten Schönheitsoperatio-
lung in § 52 Abs. 2 SGB V. Es war schon auffällig, wie
sich das Gesundheitsministerium und die Koalitions-
fraktionen darum gedrückt haben, der Öffentlichkeit
darzustellen, was dort geregelt ist. Wer damals für diese
Regelung kämpfte – und da sind auch die SPD und der
Kollege Lauterbach angesprochen –, darf sich nicht ver-
kriechen, wenn das eigene Gesetz nicht nur in Einzelfäl-
len, sondern plötzlich bei einer größeren Zahl von
Frauen greift.

Gleichzeitig sollte man es sich auch nicht ganz so ein-
fach machen wie die Linke in ihrem Antrag. Der Vor-
schlag der Linken bedeutet, dass rückwirkend alle Risi-
ken im Zusammenhang mit Schönheitsoperationen
– nicht nur im Zusammenhang mit den schadhaften
Brustimplantaten – auf die Solidargemeinschaft abge-
wälzt werden. Wollen wir wirklich, dass Frauen viel
Geld für solche Operationen ausgeben, „Schönheitsdok-
toren“, bei denen es bei einigen große Fragezeichen bei
der fachlichen Qualität gibt, gut verdienen, und bei al-
lem, was schiefgeht, die Solidargemeinschaft zahlen
soll? Dass auch der Linken hierbei nicht ganz wohl ist,
zeigt, dass die Bundesregierung hier oder in Europa ir-
gendwie regeln soll, dass weder Betroffene noch die ge-
setzlichen Kassen durch medizinisch notwendige Folge-
behandlungen von Schönheitsoperationen finanziell
belastet werden sollen. Dass die Linke hier nach Europa
schielt, wundert mich doch sehr. Da spielt die Musik bei
den Medizinprodukten, aber dazu finden sich keinerlei
Forderungen in ihrem Antrag. Es geht um das Leis-
tungsrecht bei Schönheitsoperationen, und da spielt die
Musik definitiv in Deutschland.

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en nicht ein ärztlicher Werk- und kein Dienstvertrag
bzuschließen ist. Damit würden, wie bei der protheti-
chen Versorgung durch Zahnärztinnen und -ärzte, dann
ntsprechende Gewährleistungsregelungen gelten. Und
in weiterer Hinweis: Wir müssen endlich dafür sorgen,
ass alle Ärztinnen und Ärzte ausreichende Haftpflicht-
ersicherungen für alle Tätigkeitsfelder abschließen.

Brustimplantate im Speziellen, Medizinprodukte im
llgemeinen, Schönheitsoperationen im Gesamten und
ie Frage der Selbstverschuldensregelung im Speziellen
erden den Gesundheitsausschuss mit Sicherheit noch
inige Zeit beschäftigen. Hoffen wir, dass dabei etwas
roduktives im Interesse aller Versicherten heraus-
ommt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1715825600

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf

rucksache 17/8581 an den Ausschuss für Gesundheit
orgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist
er Fall. Dann ist das so beschlossen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Freitag, den 10. Februar 2012, ein.
egen der Durchführung von Fraktionssitzungen be-

innt die Sitzung erst um 10.30 Uhr.

Die Sitzung ist geschlossen.