Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 18995
(A) )
)(B)
sammlung des Europarates
Anlagen
dient so der Vollzugserleichterung.
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
* für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
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Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Brinkmann
(Hildesheim),
Bernhard
SPD 09.02.2012
Dreibus, Werner DIE LINKE 09.02.2012
Friedhoff, Paul K. FDP 09.02.2012
Glos, Michael CDU/CSU 09.02.2012
Günther (Plauen),
Joachim
FDP 09.02.2012
Hintze, Peter CDU/CSU 09.02.2012
Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 09.02.2012
Kekeritz, Uwe BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
09.02.2012
Kipping, Katja DIE LINKE 09.02.2012
Kramme, Anette SPD 09.02.2012
Kretschmer, Michael CDU/CSU 09.02.2012
Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
09.02.2012
Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
09.02.2012
Luksic, Oliver FDP 09.02.2012
Menzner, Dorothèe DIE LINKE 09.02.2012
Poß, Joachim SPD 09.02.2012
Remmers, Ingrid DIE LINKE 09.02.2012
Rupprecht
(Tuchenbach),
Marlene
SPD 09.02.2012*
Steinbach, Erika CDU/CSU 09.02.2012
Wolff (Wolmirstedt),
Waltraud
SPD 09.02.2012
Zapf, Uta SPD 09.02.2012
(C
(D
Anlagen zum Stenografischen Bericht
nlage 2
Berichterstattung
des Abgeordneten Peter Altmaier (CDU/CSU)
zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung
des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur
Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Ab-
fallrechts (Zusatztagesordnungspunkt 4)
Zur Beschlussempfehlung weise ich als Berichterstat-
r im Auftrag des Vermittlungsausschusses auf fol-
ende, dort gemeinsam erarbeitete Begründung zu Art. 1
17 Abs. 3 Satz 4, 5 und 6 -neu- KrWG) hin:
Zu Satz 4 (neu):
Die bisherige Prüfung der „gleichwertigen Leistung“
ird durch das Merkmal der „Leistungsfähigkeit“ er-
etzt. Die Sammel- und Verwertungsleistung des ge-
erblichen Sammlers muss „wesentlich leistungsfähi-
er“ sein als das bereits bereitgestellte oder konkret
eplante Angebot des öffentlich-rechtlichen Entsor-
ungsträgers. Für die Beurteilung der Wesentlichkeit ist
ntscheidend, dass für die in Satz 5 genannten Leis-
ngskriterien messbare und gewichtige Leistungsvor-
ile vorliegen. Eine nur unwesentliche Verbesserung
es Angebots bleibt damit außer Betracht. Die Darle-
ungs- und Beweislast für die höhere Leistungsfähigkeit
er gewerblichen Sammlung trägt wie bisher dessen Trä-
er.
Darüber hinaus wird die Anwendung der Prüfung der
eistungsfähigkeit beschränkt. Bezog sich die Gleich-
ertigkeitsprüfung bislang auf § 17 Abs. 3 Satz 2 und 3
rWG insgesamt, wird die Fallgruppe des § 17 Abs. 3
atz 3 Nummer 3 KrWG („diskriminierungsfreie und
ansparente Vergabe von Entsorgungsleistungen im
ettbewerb erheblich erschwert oder unterlaufen
ürde“) nunmehr freigestellt. Die von dem öffentlich-
chtlichen Entsorgungsträger durchgeführten Aus-
chreibungen sind damit auch dann besonders geschützt,
enn das Serviceangebot des gewerblichen Sammlers
esentlich leistungsfähiger ist. Die Regelung trägt ins-
esondere auch dem Schutz des vertraglich gebundenen
uftragnehmers Rechnung.
Zugleich ist dem europarechtlich geschützten Grund-
atz der Wettbewerbsfreiheit bereits durch die transpa-
nte und diskriminierungsfreie Ausschreibung Genüge
etan. Das mit der Prüfung der Leistungsfähigkeit ver-
lgte ökologische Ziel von hochwertigen Entsorgungs-
istungen bleibt weiterhin erreichbar, denn der aus-
chreibende öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger ist
emäß § 20 KrWG an die Vorgaben der Abfallhierarchie
ebunden.
Zu Satz 5 (neu):
Die neue Formulierung präzisiert die unterschiedli-
hen Betrachtungsweisen bei der Anwendung der Krite-
en im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit und
18996 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012
(A) )
)(B)
Die Kriterien der Qualität, der Effizienz, des Umfangs
und der Dauer der Leistungen orientieren sich allesamt
an den ökologischen Zielen der Kreislaufwirtschaft,
während die gemeinwohlorientierte Servicegerechtigkeit
aus Sicht aller privaten Haushalte im Gebiet des öffent-
lich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu beurteilen ist.
Wie bisher wird somit sichergestellt, dass es für den
Leistungsvergleich nicht allein auf die vom Sammler ge-
gebenenfalls gezielt angesteuerten ertragreichen Gebiete
ankommt.
Zu Satz 6 (neu):
Der neue Satz 6 stellt ausdrücklich klar, dass es für
die Prüfung der Leistungsfähigkeit allein auf einen Ver-
gleich der konkreten Sammel- und Verwertungsleistun-
gen ankommt und eventuelle Zusatzangebote des ge-
werblichen Sammlers zu seiner Sammlung, wie etwa
eine Müllsortierung in Großwohnanlagen oder eine
Stellplatzreinigung, nicht in die Vergleichsbetrachtung
einbezogen werden dürfen. Damit ist sichergestellt, dass
der gewerbliche Sammler sein Angebot nicht mit Zu-
satzleistungen aufwerten kann, die nicht in der Zweck-
bestimmung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes liegen.
Anlage 3
Neuabdruck der Antwort
des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf
die Frage der Abgeordneten Inge Höger (DIE
LINKE) (Drucksache 17/8537, Frage 68)
(157. Sitzung, Tagesordnungspunkt 2):
Während eines öffentlich geführten politischen Ge-
sprächs im Rahmen einer Gemeinschaftsveranstaltung
von Körber-Stiftung und Spiegel am 30. Januar 2012 in
Hamburg stellte der Chefredakteur des Spiegel-Maga-
zins Verteidigungsminister de Maizière wörtlich fol-
gende Frage:
„Sind wir eigentlich nach über zehn Jahren Krieg in
Afghanistan jetzt ein Land wie jedes andere, wenn es um
Krieg geht?“
Bundesminister Dr. de Maizière antwortete darauf:
„Noch nicht, aber wir sollten es sein.“
Diese Antwort auf die oben im genauen Wortlaut
zitierte Frage des Spiegel-Chefredakteurs steht nicht im
Widerspruch zu Art. 26 Grundgesetz.
Selbstverständlich versteht sich die Äußerung im
Rahmen der verfassungsrechtlichen Ermächtigungen
und der völkerrechtlichen Rahmenbedingungen, ein-
schließlich des Gewaltverbots.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu
dem Abkommen vom 18. Oktober 2011 zwi-
schen der Regierung der Bundesrepublik
Deutschland und der Europäischen Aufsichts-
behörde für das Versicherungswesen und die
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betriebliche Altersversorgung über den Sitz der
Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versi-
cherungswesen und die betriebliche Altersver-
sorgung (Tagesordnungspunkt 11)
Holger Krestel (FDP): Im vergangenen Jahr haben
ie drei durch das europäische Finanzaufsichtssystem
ingesetzten Behörden, wie im Jahr zuvor vom Europäi-
chen Parlament beschlossen, ihre Arbeit aufgenommen.
emeinsam mit unseren europäischen Partnern haben
ir so eine Aufsicht etabliert, welche nicht nur auf natio-
aler Ebene stattfindet, sondern durch die neuen Behör-
en auch auf europäischer Ebene harmonisiert und koor-
iniert wird. Hierdurch wird ein stabiler europäischer
inanzmarkt mit begrenzten Risiken und einheitlichen
egeln geschaffen, anstatt finanzwirtschaftlicher Klein-
taaterei, in der die linke Hand nicht weiß, was die rechte
t.
Passend zu der funktionierenden Zusammenarbeit
ind auch die Sitze der Behörden über die europäischen
inanzmetropolen verteilt. So befindet sich das Haupt-
uartier der Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde in
aris, während die Bankenaufsicht in London angesie-
elt wurde. Als weiteres bedeutendes Zentrum wurde
rankfurt am Main als Niederlassungsort für die Europäi-
che Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und
ie betriebliche Altersversorgung ausgewählt, die den
eisten unter der etwas weniger sperrigen englischen
urzform EIOPA bekannt ist. Seit 2004 war hier bereits
er Ausschuss für das europäische Versicherungswesen
EIOPS) ansässig und die Entscheidung, nun die Nach-
lgeorganisation EIOPA in Frankfurt anzusiedeln, na-
eliegend. Der Sitz befindet sich im Westhafen-Tower
m Mainufer in der Frankfurter City, wo die Arbeit be-
its am 10. Januar aufgenommen wurde. Von hier aus
erden Unternehmensführung, Rechnungsprüfung und
inanzkontrolle von Versicherern, Rückversicherern,
ersicherungsvermittlern sowie Einrichtungen betriebli-
her Altersvorsorge überprüft, kontrolliert und regle-
entiert.
Mit der gleichzeitigen Präsenz der Europäischen Zen-
albank und dem Europäischen Ausschuss für System-
siken in Frankfurt festigt die EIOPA damit auch den
uf der Stadt nicht nur als Zentrum internationaler Fi-
anzwirtschaft, sondern auch als Zentrum europäischer
inanzpolitik. Die Etablierung solcher Zentren und viele
hrende deutsche Köpfe in der europäischen Verwal-
ng sind für Deutschland als größtes Mitgliedsland und
eitragszahler selbstverständlich und notwendig, um
uch außerhalb der formalen Ebene unseren gestalteri-
chen Anspruch geltend machen zu können.
Zu guter Letzt stärkt die Ansässigkeit von EIOPA
uch den Finanzplatz Frankfurt in einem besonderen
aße. Es sollen attraktive Arbeitsbedingungen geschaf-
n werden, wie die Bereitstellung von Kinderbetreu-
ngsplätzen. Diese werden auch benötigt, wenn die Be-
gschaft von aktuell 30 Mitarbeitern bis 2014 laut Plan
uf 120 anwachsen soll.
Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes fordert von diesem
ause ein Gesetz für Verträge, welche die politischen
eziehungen des Bundes regeln. Ich bitte Sie daher, die-
em Entwurf zuzustimmen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 18997
(A) )
)(B)
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– Beschlussempfehlung und Bericht: Vor-
schlag für eine Verordnung des Europäi-
schen Parlaments und des Rates über
Bodenabfertigungsdienste auf Flughäfen der
Union und zur Aufhebung der Richtlinie
96/67/EG KOM(2011) 824 endg.; Ratsdok.
18008/11
– Beschlussempfehlung und Bericht: Vor-
schlag für eine Verordnung des Europäi-
schen Parlaments und des Rates über
Regeln und Verfahren für lärmbedingte Be-
triebsbeschränkungen auf Flughäfen der
Union im Rahmen eines ausgewogenen An-
satzes sowie zur Aufhebung der Richtlinie
2002/30/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates KOM(2011) 828 endg.; Rats-
dok. 18010/11
(Tagesordnungspunkt 13 a und c)
Peter Wichtel (CDU/CSU): Mit den vorliegenden
beiden Vorschlägen für Verordnungen des Europäischen
Parlaments und des Rates beraten wir heute Teile des so-
genannten Flughafenpaketes der Europäischen Kommis-
sion, das Anfang Dezember des vergangenen Jahres vor-
gestellt wurde. Das aus insgesamt drei Verordnungen zu
den Bodenverkehrsdiensten, zu Betriebsbeschränkun-
gen und zur Slot-Vergabe bestehende Maßnahmenpaket
soll laut EU-Verkehrskommissar Siim Kallas die Kapa-
zität und Qualität von Flughäfen erhöhen. Zum Bedau-
ern der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gibt es aber
schwerwiegende Bedenken im Hinblick auf die beiden
vorliegenden Dossiers, auf die ich gerne ausführlich ein-
gehen werde.
So soll zunächst mit der Neuregulierung der bisheri-
gen Bodenverkehrsrichtlinie 96/67/EG in Form einer
Verordnung die Bodenabfertigung auf Flughäfen noch
weiter liberalisiert werden. Dieser Eingriff ist nicht nur
unnötig, da ein funktionierender Markt existiert und ein
Anpassungsbedarf somit schlicht nicht vorhanden ist.
Eine Umsetzung der angedachten Regelungen wäre zu-
dem mit inakzeptablen Auswirkungen auf das in diesem
Bereich beschäftigte Personal verbunden. Schon heute
erwirtschaften die Flughäfen in dem margenschwachen
Geschäftsbereich keine Gewinne mehr; die im Jahr 1996
eingeleitete erste Liberalisierung hat bereits zu einer
Preissenkung von bis zu 25 Prozent geführt. Gering-
fügige und befristete Beschäftigungsverhältnisse sind als
Konsequenz seitdem weit verbreitet. Eine weitere Markt-
öffnung würde die Lohnkosten zwangsläufig noch wei-
ter absinken lassen, Lohndumping und Arbeitsplatzver-
lust würden drohen.
Auch die Sicherheit könnte unter einer unnötigen
Marktöffnung leiden – Preisdruck und sinkende Löhne
würden zwangsläufig zur Einstellung geringqualifizier-
ter Arbeitskräfte führen, was in einem sicherheitsrele-
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anten Bereich mit erheblichen Risiken verbunden wäre.
ir wollen das gegenwärtige hohe Niveau an Qualität,
ffizienz und Sicherheit bei der Bodenabfertigung an
eutschen Flughäfen aufrechterhalten und Qualitätsver-
st, Lohndumping und Sicherheitsprobleme ausschlie-
en. Die CDU/CSU-Bundestagfraktion lehnt den Ver-
rdnungsvorschlag der Kommission daher ab und hat
ies in einem gemeinsam mit den Fraktionen der FDP,
PD und Bündnis 90/Die Grünen formulierten Ent-
chließungsantrag deutlich zum Ausdruck gebracht. So-
eit es überhaupt einen Anpassungsbedarf bei der
odenabfertigung gibt, befürworten wir stattdessen eine
U-weite Umsetzung der bestehenden Richtlinie, die
och immer nicht in allen Mitgliedstaaten erfolgt ist.
Auch der Verordnungsvorschlag zu lärmbedingten
etriebsbeschränkungen ist in der vorliegenden Form
um Bedauern der CDU/CSU-Fraktion nicht akzeptabel.
war ist die Anerkennung des Ruhebedürfnisses der
ürger in den Mitgliedstaaten der EU und die Zielset-
ung, Verbesserungen für die von Fluglärm betroffenen
enschen zu erreichen, durchaus begrüßenswert.
chließlich ist es auch unser Bestreben, Fluglärm und
ie damit verbundenen Betroffenheiten zu mindern. Un-
bhängig davon ist das in der Verordnung verankerte
ontroll- und Vetorecht der Kommission aber nicht
achgerecht und geht deutlich über das gemäß Subsidia-
tätsprinzip zulässige Maß an Kompetenz hinaus. Die
orgesehenen Ermächtigungen stellen einen weder ge-
chtfertigten noch hinnehmbaren Eingriff in die Befug-
isse der Mitgliedstaaten dar. Über Betriebsbeschrän-
ungen und Lärmschutz müssen auch weiterhin allein
ie Mitgliedstaaten anhand der jeweiligen örtlichen Ge-
ebenheiten und der lokalen Auswirkungen entscheiden.
ine Verlagerung der Handlungsspielräume von der na-
onalen und regionalen Ebene nach Brüssel lehnen wir
ntschieden ab.
Zudem schränkt der Verordnungsvorschlag das von
er Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, ICAO,
stgelegte Konzept des „ausgewogenen Ansatzes“ bei
er Bekämpfung von Fluglärm deutlich ein, indem mit
er Möglichkeit der operationellen Betriebsbeschrän-
ung nur eine einzelne Maßnahmenoption einseitig he-
usgestellt wird. Das Ziel einer einheitlichen Anwen-
ung des ausgewogenen Ansatzes wird aber nur durch
ine gleichwertige Würdigung aller vorgesehenen Ele-
ente erreicht, also auch der Berücksichtigung der Sen-
ung des Lärms an der Quelle, der Planung und Verwal-
ng der Flächennutzung sowie der betrieblichen
erfahren zur Lärmminderung. Der ausgewogene An-
atz der ICAO sieht die Möglichkeit einer Betriebsbe-
chränkung sogar lediglich als letztes Mittel vor. Vor
iesem Hintergrund ist auch dieser Verordnungsvor-
chlag der Kommission in der vorliegenden Form abzu-
hnen, was die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und
DP in einem diesbezüglich formulierten Entschlie-
ungsantrag auch verdeutlicht haben.
Abschließend betrachtet sehen wir die beiden vorlie-
enden Verordnungsvorschläge des EU-Flughafenpakets
beraus kritisch und haben dies in den bereits erwähnten
ntschließungsanträgen als jeweilige Stellungnahme ge-
18998 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012
(A) )
)(B)
genüber der Bundesregierung gemäß Art. 23 Abs. 3 des
Grundgesetzes auch deutlich gemacht. Wir haben die
Regierung dazu aufgefordert, die geplante Verordnung
zu Bodenverkehrsdiensten abzulehnen und auch im Hin-
blick auf die Verordnung zu lärmbedingten Betriebsbe-
schränkungen auf eine Rücknahme des Vorschlages hin-
zuwirken. Sollte hierfür auf europäischer Ebene keine
Mehrheit zustande kommen, appellieren wir, in beiden
Fällen auf maßgebliche Verbesserungen hinzuwirken.
Daniela Ludwig (CDU/CSU): Heute geht es um das
sogenannte Flughafenpaket. Wenn etwas einen solchen
Namen hat, dann ist es in der Regel ein Zusammen-
schluss von vielen Einzelteilen, die zu nennen viel zu
viel Zeit kosten würde und der daher diesen freundli-
chen, kurzen Namen erhalten hat. Aber thematisch hat es
das Flughafenpaket in sich.
Wir sprechen über insgesamt drei, heute aber nur
zwei Vorschläge für eine Verordnung des Europäischen
Parlaments und des Rates, die zusammengenommen
eine Verbesserung der Verhältnisse auf den Flughäfen
der Gemeinschaft ergeben sollen.
Wie Sie sich vorstellen können, oder wie Sie sicher-
lich aus den Debatten wissen, ist dies nicht ohne Diskus-
sionen an den nationalen Parlamenten vorbeigegangen.
Das ist ja oft der Fall, wenn die Kommission eine Ver-
ordnung oder eine Richtlinie erlässt, die es dann umzu-
setzen gilt.
Damit wir nicht überrascht werden von diesen Ideen
und dann nicht mehr mitreden können, müssen wir im-
mer gut aufpassen, was die Europäische Union plant und
von uns verlangt.
Nach vielen Diskussionen haben wir nun entspre-
chende Entschließungsanträge als Stellungnahmen ge-
genüber der Bundesregierung gemäß Art. 23 Abs. 3 GG
dazu vorliegen, über die wir abstimmen werden und die
nachdrückliche Verbesserungsvorschläge beinhalten.
Da wäre zum einen der Vorschlag, wie die Bodenab-
fertigungsdienste auf den Flughäfen der Union in Zu-
kunft besser und einheitlicher geregelt werden können,
was zur gleichzeitigen Aufhebung der Richtlinie 96/67/
EG führt.
Zu diesem Punkt hat ja mein Kollege Wichtel schon
ausführlich Stellung genommen und die aus unserer
Sicht vorliegenden Knackpunkte und Haken beschrieben
und unsere Verbesserungsvorschläge dargelegt. Daher
möchte ich darauf jetzt nicht ausführlich eingehen.
Hervorzuheben ist jedoch, dass die Bundesregierung,
Luftverkehrsverbände, Gewerkschaften und die Ver-
kehrspolitiker der Koalition sowie der SPD und der Grü-
nen erhebliche Einwände gegen den vorgelegten Verord-
nungsvorschlag haben und daher ein gemeinsamer
Entschließungsantrag erarbeitet wurde.
Wir fordern, dass es entweder keinen Verordnungs-
vorschlag zu den Bodenabfertigungsdiensten geben soll
oder, sollte keine Mehrheit (EU-Rat und -Parlament) für
die Ablehnung zustande kommen, die Bundesregierung
das Mandat erhält, in den weiteren Verhandlungen auf
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uropäischer Ebene auf maßgebliche Verbesserungen
es Verordnungsvorschlages hinzuwirken. Denn wir fin-
en, dass die Erhöhung der Zahl von Drittanbietern nicht
ls qualitätsverbessernd angesehen werden kann. In
eutschland gibt es bereits einen funktionierenden Wett-
ewerb, der unseren hohen Anforderungen an Qualitäts-
nd Sicherheitsstandards gerecht wird. Sollten noch
ehr Anbieter auf diesen Markt drängen, sehen wir
iese Standards in Gefahr.
Auch die Regelungen zur Untervergabe von Dienst-
istungen sowie die Trennung von Bodenverkehrsdiens-
n und zentralen Infrastrukturunternehmen lehnen wir
b. Die Flughafenbetreiber sind eigenständige Dienst-
ister, und derartige Eingriffe in das unternehmerische
andeln sind von uns unerwünscht.
Der zweite Vorschlag, den die Kommission formuliert
at, befasst sich mit einer Revision der Richtlinie über
lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen in
uropa“ und deren Überführung in eine Verordnung.
Gleich vorab: Wir sind erneut nicht damit einverstan-
en, dass es diesbezüglich zu einer Verordnung kommt.
h werde auch gleich darlegen, warum wir von der
DU/CSU-Bundestagsfraktion und das Bundesver-
ehrsministerium dagegen sind.
Aber wir unterstützen natürlich das Ziel, dass der Ver-
ehrslärm und die Belastung der Bevölkerung stetig re-
uziert werden. Das betrifft nicht nur Flugzeuglärm,
ondern jeglichen Verkehrslärm. Unsere Aktivitäten
iesbezüglich in den letzten Monaten und Jahren kann
an durchaus als erfolgreich und vielversprechend be-
eichnen.
Aber nun zum Inhalt des Vorschlags der Kommission
nd zu unserem Entschließungsantrag. Es ist geplant,
orrangig das Ziel zu verfolgen, dass es zu einer einheit-
chen Anwendung des sogenannten „ausgewogenen
nsatzes“ zur Verminderung von Lärmproblemen im
lughafenumland kommt. Das klingt gut und ist unter-
tützenswert.
Doch dies sollte nicht durch die Rechtsform einer
erordnung geschehen. Damit überschreitet die Kom-
ission aus meiner Sicht ihre Befugnisse und greift
irekt das Subsidiaritätsprinzip an. Sie hat durch das Set-
en EU-übergreifender Rahmenbedingungen mit ver-
chärften Kriterien zwar den richtigen Ansatz, aber in
er vorliegenden Form wird ja nicht nur eine Empfeh-
ng mit einer Richtlinie ausgegeben, sondern ausge-
chlossen, also regelrecht verboten, dass Mitgliedstaaten
ie erforderliche Berücksichtigung jeweils örtlicher Be-
nge und Gegebenheiten ihrer einzelnen Flughäfen vor-
ehmen und dies werten können. Damit meine ich je-
eils passgenaue Maßnahmen zum Lärmschutz, wie
um Beispiel Betriebseinschränkungen usw. Der „ausge-
ogene Ansatz“ muss, allein schon wegen seiner Kom-
lexität, weiterhin im Ermessen der Nationalstaaten ge-
gelt und erwogen werden können. Alles andere würde
ine zu starke Einschränkung bedeuten.
Es ist daher auch fraglich, ob überhaupt der Bedarf ei-
er Änderung oder einer Überarbeitung der bereits be-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 18999
(A) )
)(B)
stehenden Richtlinie besteht. Wenn dies aber geschieht,
dann muss, wie ich schon dargestellt habe, die indivi-
duelle Situation vor Ort weiterhin Berücksichtigung fin-
den, sodass es nicht durch starre Vorgaben zu Umset-
zungsproblemen oder gar Strafen kommt.
Zusammengefasst: Unser Entschließungsantrag for-
dert die Bundesregierung auf, die Befugnisse der Kom-
mission auf das notwendige Maß zu beschränken und die
Handlungsspielräume auf nationaler und regionaler
Ebene zu erhalten. Das grundsätzlich begrüßenswerte
Ziel der einheitlichen Anwendung des sogenannten
„ausgewogenen Ansatzes“ zur Verminderung von Lärm-
problemen im Flughafenumland bedarf einer gleichwer-
tigen Würdigung aller darin vorgesehenen Elemente und
nicht einer einseitigen Fokussierung auf Betriebsbe-
schränkungen. Und: In den Verhandlungen auf EU-
Ebene muss es zumindest zu Verbesserungen beim Ver-
ordnungsvorschlag der Kommission zu lärmbedingten
Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen kommen, wenn
keine komplette Rücknahme durch die Kommission er-
zielt werden kann.
Eines möchte ich noch sagen – und das sehen wir
doch irgendwie alle so –: Die EU macht es sich immer
öfter gerne leicht. Statt eine Richtlinie zu erlassen, geht
man scheinbar dazu über, Verordnungen zu schreiben,
um dann reihenweise die Mitgliedsländer zu verwarnen
und Strafen zu verhängen. Das geht so nicht. Das dürfen
wir so nicht ohne Weiteres zulassen.
Wir bitten Sie daher heute, weiter die Augen offen zu
halten und unseren Entschließungsanträgen zuzustim-
men. Den Antrag der Linken lehnen wir ab.
Kirsten Lühmann (SPD): Wir berichten heute aus
dem Verkehrsausschuss über das sogenannte Flughafen-
paket der EU-Kommission.
Das Flughafenpaket besteht aus drei Verordnungsent-
würfen. Die erste Verordnung regelt die Bodenabferti-
gungsdienste. Die zweite Verordnung behandelt die
Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen der Europäi-
schen Union. Die dritte Verordnung besteht aus Rege-
lungen zu lärmbedingten Betriebsbeschränkungen auf
Flughäfen.
Bevor wir zu den einzelnen Verordnungsentwürfen
kommen, kann man einen Punkt bereits vorwegnehmen:
Alle Fraktionen waren sich in den Ausschussberatungen
einig, dass es bei den Vorschlägen der EU zu Bodenab-
fertigungsdiensten und lärmbedingten Betriebsbeschrän-
kungen jeweils keiner Verordnung bedurft hätte. Die
bestehenden Richtlinien dazu haben die gewünschte
Wirkung erzielt bzw. könnten dies bei der Richtlinie zu
den Betriebsbeschränkungen mit geringfügigen Verän-
derungen erzielen.
Zu der ersten EU-Verordnung, der Verordnung zu den
Bodenabfertigungsdiensten auf Flughäfen. Der Vor-
schlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments
und des Rates über Bodenabfertigungsdienste auf Flug-
häfen der Union soll eine Richtlinie (96/97/EG) aus den
90er-Jahren zu diesem Thema ersetzen. Im Zuge dieser
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ichtlinie erfolgte bereits eine Marktöffnung, die unse-
r Meinung vollkommen ausreicht.
Tatsache ist: Die Bodenabfertigungsdienstleistungen
n den deutschen Verkehrsflughäfen haben ein im inter-
ationalen Vergleich hohes Qualitätsniveau. Außerdem
esteht durch die Marktöffnung bereits ein Wettbewerb,
er in den letzten Jahren zum Sinken der Preise für die
ienstleistungen geführt hat.
Eine Notwendigkeit für eine weitere, europäisch er-
wungene Öffnung des Marktes besteht nicht. Sie würde
icht für mehr Sicherheit und Qualität an Flughäfen
orgen. Wir befürchten vielmehr, dass eine weitere Libe-
lisierung, wie sie der Verordnungsentwurf vorsieht,
ohndumping und Arbeitsplatzverlust für die Flughafen-
eschäftigten bedeutet. So ist schon jetzt die Zahl der
nsicheren Arbeitsverhältnisse wie Zeit- und Leiharbeit
berproportional gestiegen. Selten sind sich alle Seiten
o einig: Flughafenbetreiber wie Arbeitnehmer sehen die
orhandenen Standards gefährdet. Wir befürchten mas-
ive Qualitätsminderungen für Passagiere.
Die Verordnung sieht außerdem vor, dass den Flug-
afenbetreibern verboten wird, selber Bodenabferti-
ungsdienste anzubieten. Damit würde die Verordnung
rheblich in die unternehmerischen Belange der Flugha-
nbetreiber eingreifen. Wir befürchten eine Ungleichbe-
andlung, Diskriminierung der Flughafenbetreiber als
ienstleister. Derzeit sind es gerade die Flughafenbetrei-
er, die mit stabilen Beschäftigungsverhältnissen den
lughafenstandorten und der Region nutzen.
Ich begrüße es sehr, dass wir als Ergebnis unserer
usschussberatungen einstimmig den Entschließungsan-
ag der Regierungskoalition und der Oppositionsfraktio-
en SPD und Bündnis 90/Die Grünen gemäß Art. 23
bs. 3 des Grundgesetzes beschlossen haben, und werbe
uch hier im Parlament um ein deutliches Signal: Mit
iesem Entschließungsantrag lehnen wir Parlamentarier
ie Verordnung zu den Bodenabfertigungsdiensten auf
lughäfen ab und fordern die Bundesregierung auf, bei
en zukünftigen Verhandlungen auf europäischer Ebene
itstreiter für unsere Positionen zu suchen. Nur für den
all, dass keine Mehrheit für eine Ablehnung des Ver-
rdnungsvorschlags zustande kommt, fordern wir die
undesregierung auf, mit allen Kräften wenigstens maß-
ebliche Verbesserungen durchzusetzen.
Der zweite Verordnungsentwurf regelt die Zuweisung
on Zeitnischen auf Flughäfen, die sogenannte Slot-Ver-
abe. Ziel dieses Entwurfs ist es, die vorhandenen Kapa-
itäten an Flughäfen besser zu nutzen, um den Wettbe-
erb zu fördern. So sollen Flughäfen zum Beispiel in
ukunft Reservierungsgebühren erheben dürfen, und die
nforderungen an die erneute Zuweisung von Zeitni-
chen – die sogenannten Großvaterrechte – sollen ange-
oben werden. Es soll sich dadurch für große Fluggesell-
chaften nicht mehr lohnen, die ohnehin häufig knappen
eitnischen einfach zu reservieren, nur damit ein etwai-
er Konkurrent nicht zu bestimmten Zeiten fliegen kann.
ür Fluggesellschaften können fehlende oder zeitlich un-
ttraktive Slots eine hohe Markteintrittsbarriere darstel-
n.
19000 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012
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)(B)
Wir als SPD-Bundestagsfraktion nehmen diesen Ver-
ordnungsentwurf zur Kenntnis, geben allerdings zu be-
denken: Eine gewollte Slot-Verdichtung führt zu mehr
Flugbewegungen und das bedeutet mehr Lärm.
Damit sind wir beim nächsten Verordnungsentwurf.
Der dritte Vorschlag der EU für eine Verordnung über
Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbe-
schränkungen auf Flughäfen hat mit Abstand am meisten
Wirbel verursacht.
Interessant ist, dass alle Fraktionen in den Ausschuss-
beratungen einhellig der Meinung waren: Dieser Verord-
nungsentwurf der EU geht eindeutig zu weit. Er greift
massiv in die Rechte der Mitgliedstaaten ein, und zwar
über das gemäß dem Subsidiaritätsprinzip zulässige Maß
hinaus – eine Einschätzung übrigens, die der Bundesrat
teilt und auf die er daher fristgerecht hingewiesen hat.
Das erklärte Ziel der EU, mit dieser Verordnung die
Zahl der von den Auswirkungen von Fluglärm betroffe-
nen Menschen in den Mitgliedstaaten zu begrenzen oder
zu reduzieren, begrüßen wir. Wir sind jedoch der Mei-
nung, dass dieses Ziel mit dieser Verordnung eben nicht
erreicht wird.
Mit diesem Entwurf stellt die EU alle Betriebsbe-
schränkungen für Nachtflüge, die die Mitgliedstaaten
nach teilweise aufwendigen Abwägungsverfahren fest-
gelegt haben, unter Vorbehalt. Sie erhält ein umfangrei-
ches Kontroll- und Vetorecht bei der Bewertung von
lärmbedingten Betriebsbeschränkungen.
Wir als SPD-Bundestagsfraktion wollen nicht, dass
wir durch EU-übergreifende Rahmenbedingungen und
verschärfte Kriterien nicht mehr in der Lage sind,
anhand der jeweiligen örtlichen Besonderheiten von
Flughafen zu Flughafen über Lärmschutz und Betriebs-
beschränkungen zu entscheiden. In unserem Entschlie-
ßungsantrag haben wir deutlich gemacht, dass wir einen
„ausgewogenen Ansatz“ zur Lärmbekämpfung befür-
worten. Wir lehnen ausdrücklich eine einseitige Ausrich-
tung der Verordnung auf das Kriterium der Kosteneffi-
zienz ab. Beim Lärmschutz zählt die wirksamste
Maßnahme, nicht die kosteneffizienteste.
Stattdessen fordern wir, dass eine ausgewogene Ab-
wägung zwischen den Belangen der Anwohnerinnen und
Anwohner und der ökonomischen Wettbewerbsfähig-
keit bei der Bewertung der Betriebsbeschränkungen er-
folgen soll. Grundsätzlich soll geprüft werden, auf wel-
che Art und Weise die Interessen der Bevölkerung bei
Wahrung der Wirtschaftlichkeit besonders in der Nacht
eine größere Bedeutung erhalten können. Außerdem se-
hen wir, dass dem kontinuierlichen Fortschritt der Trieb-
werks- und Flugwerkstechnik sowie den Methoden zur
Kartierung von Lärmkonturen Rechnung zu tragen ist.
Abschließend betrachtet ist uns nicht klar – und da
sind wir uns mit den Kollegen der anderen Fraktionen ei-
nig –, warum die Kommission den Weg einer Verord-
nung gegangen ist und, wenn überhaupt, die bestehende
Richtlinie 2002/30/EG nicht überarbeitet hat.
Wir werben daher dafür, unserem SPD-Entschlie-
ßungsantrag nach Art. 23 Abs. 3 Grundgesetz zu folgen,
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dem wir die Bundesregierung auffordern, auf europäi-
cher Ebene auf eine Rücknahme des Verordnungsvor-
chlages hinzuwirken. Sollte EU-weit keine Mehrheit
r eine Ablehnung des Verordnungsvorschlags zustande
ommen, fordern wir die Bundesregierung auf, in den
eiteren Verhandlungen auf maßgebliche Verbesserun-
en des Vorschlags hinzuwirken.
Die Befugnisse der Kommission müssen auf ein not-
endiges Maß beschränkt werden und unsere nationalen
andlungsspielräume gewahrt werden. Die Kommission
arf unsere Nachtflugverbote nicht kassieren. Wirt-
chaftlichkeit geht nicht vor Gesundheit. Wirtschaftlich-
eit und Gesundheit müssen ausgewogen austariert wer-
en.
In diesem Zusammenhang finde ich es schade, dass
ir uns im Bundestag, anders als der Bundesrat, nicht
istgerecht auf eine Subsidiaritätsrüge einigen konnten,
ondern jetzt nur inhaltlich auf unsere Bedenken hinwei-
en.
In diesem Sinne hoffe ich auf die Unterstützung unse-
s Antrags.
Patrick Döring (FDP): Vor gut zwei Monaten hat
U-Verkehrskommissar Siim Kallas das sogenannte
lughafenpaket vorgestellt, ein Maßnahmenpaket, mit
em insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit der europäi-
chen Flughäfen gesteigert werden soll. Im Einzelnen
oll hierzu erstens die Zuweisung der Slots effizienter
estaltet, zweitens der Markt für Bodenverkehrsdienste
beralisiert und sollen drittens Verbesserungen für die
on Fluglärm betroffenen Bürger erreicht werden – An-
ätze, die ich grundsätzlich sehr begrüße.
Doch wie bei so manchem, was aus Brüssel kommt,
teckt auch hier der Teufel im Detail. Lassen Sie mich
urz auf die wichtigsten Punkte der drei Verordnungs-
ntwürfe eingehen.
Der erste Punkte betrifft die Slot-Verordnung. Mit
em Vorschlag der Europäischen Kommission soll die
utzung der knappen Start- und Landekapazitäten an
oordinierten Flughäfen, sprich an Flughäfen, die an ih-
r Kapazitätsgrenze arbeiten, verbessert werden. Denn
uch wenn das gegenwärtige Verfahren der Slot-Koordi-
ierung, das im Wesentlichen auf administrativen Verga-
ekriterien beruht, seit Jahren eingespielt ist und in sich
chlüssig klingt, so weist es aus ökonomischer Sicht
och erhebliche Ineffizienzen auf. Im Ergebnis kann die
nappe Infrastruktur an koordinierten Flughäfen also
icht so effizient wie möglich genutzt werden.
Daher begrüßen wir als FDP-Bundestagsfraktion aus-
rücklich die Zulassung des Slot-Handels, der die Effi-
ienz deutlich steigern wird. Ob die anderen angestreb-
n Maßnahmen wie etwa die Verschärfung der „use it or
se it“-Regel geeignete Instrumente sind, um eine bes-
ere Kapazitätsauslastung zu erreichen, bleibt kritisch
bzuwägen. Die geplante Evaluierung der Verordnung
cheint daher der richtige Ansatz zu sein.
Der zweite Punkt, der von der FDP-Bundestagsfrak-
on stets wachsam und kritisch begleitet wird, ist die
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19001
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)(B)
Frage der Liberalisierug der Bodenverkehrsdienste. Hier
freut es mich ganz besonders, dass es der Koalition ge-
lungen ist, im Verkehrsausschuss des Deutschen Bun-
destages zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen
von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen gemeinsa-
men Entschließungsantrag vorzulegen. Wir alle sind uns
einig, dass sich die Qualität, Sicherheit und Effizienz der
Bodenabfertigung an deutschen Flughäfen bereits heute
auf einem hohen Niveau befinden. Die von der Kommis-
sion angestrebte Erhöhung der Zahl von Drittanbietern
würde unserer Ansicht nach aber weniger der Qualitäts-
verbesserung dienen als vielmehr die vorhandenen Stan-
dards gefährden. Denn ein hohes Maß an Sicherheit und
Qualität kann im Bereich der Bodenabfertigungsdienste
nur dann erreicht werden, wenn es zu keiner dramati-
schen Absenkung des Lohnniveaus und der sozialen Ab-
sicherung des beschäftigten Personals kommt.
Ebenso kritisch, sehen wir die im Verordnungsent-
wurf vorgeschlagenen Regelungen zur Untervergabe
von Dienstleistungen und die rechtliche Trennung von
Bodenverkehrsdiensten und zentraler Infrastrukturein-
richtungen. Nicht allein, dass der Verordnungsentwurf
an dieser Stelle massiv in die unternehmerischen Be-
lange der Flughafenbetreiber eingreift. Derzeit sind es
doch gerade die Flughafenbetreiber, die den Aufbau und
Erhalt stabiler Beschäftigungsverhältnisse in den Flug-
hafenregionen gewährleisten.
Der dritte und letzte Punkt betrifft das Subsidaritäts-
prinzip. Auch wenn wir die Zielsetzung der Kommis-
sion, Verbesserungen für die von Fluglärm betroffenen
Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, ausdrücklich un-
terstützen, so schießt die Kommission an dieser Stelle
mit ihrem Verordnungsentwurf doch weit über das Ziel
hinaus. Denn durch das Setzen EU-übergreifender Rah-
menbedingungen und verschärfter Kriterien wird den
einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit genommen,
eigenständig über Lärmschutzmaßnahmen und Betriebs-
beschränkungen zu entscheiden. Auf lokale Gegebenhei-
ten könnte dann kaum noch Rücksicht genommen wer-
den. Ein ausgewogener Ansatz zur Bekämpfung von
Fluglärm sieht anders aus.
Zusammenfassend begrüßt die FDP-Bundestagsfrak-
tion die Zielsetzung der Europäischen Kommission, die
Wettbewerbsfähigkeit und die Effizienz der europäi-
schen Flughäfen zu verbessern. Die einzelnen Maßnah-
men des Flughafenpakets sollten jedoch noch einmal kri-
tisch dahin gehend überprüft werden, ob sie die
angestrebten Ziele auch wirklich erreichen.
Herbert Behrens (DIE LINKE): Runter mit den
Kosten, runter mit den Standards bei den Arbeitsbe-
dinungen – das ist die Devise der Europäischen Kom-
mission. Europa wird auf Wettbewerb getrimmt. Dass es
dabei um Menschen geht, wird gar nicht mehr wahrge-
nommen. Sie tauchen nur noch als Kostenfaktor auf, der
um jeden Preis klein gehalten werden muss.
Die EU-Kommission will eine Verordnung durchset-
zen, mit der das Bodenpersonal mehr Konkurrenz
bekommen soll. Große Flughäfen sollen jetzt ein zusätz-
liches drittes Abfertigungsunternehmen zulassen. Das
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etrifft die Menschen, die auf Flughäfen dafür sorgen,
ass Passagiere, Gepäck, Tankwagen, Gangways, Busse
nd Flugzeuge zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind.
Die Betroffenen und ihre Gewerkschaften befürchten
inen weiteren Lohn- und Sozialabbau. Die letzten Ver-
rdnungen der EU-Kommission hatten die Arbeitsbedin-
ungen bereits verschlechtert. Die großen Betriebe in
er Branche, Aviation Handling Services, AHS, oder
wissport, beschäftigen bis zu 80 Prozent ihrer Mitarbei-
r in prekären Arbeitsverhältnissen, wie zum Beispiel
eiharbeit, Befristung usw.
Wir sagen: Schluss damit! Schluss mit noch mehr De-
gulierung und Liberalisierung des Marktes! Zwar nicht
o deutlich fordern das selbst die Flughafenbetreiber.
nd es fordert die Regierungskoalition zusammen mit
PD und Bündnis 90/Die Grünen in einem gemeinsamen
ntrag. Unsere Argumente zu dieser Verordnung sind
ehr ähnlich. Warum die Fraktion Die Linke nicht mit
uf dem gemeinsamen Antrag stehen soll, weiß der
uckuck. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der
pposition, gibt es etwa eine Ansage des Innenminis-
rs, keine gemeinsame Sache mit von ihm überwachten
olitikerinnen und Politikern zu machen? Und Sie fol-
en dem willig? Egal. Wir unterstützen den Entschlie-
ungsantrag, auch wenn er weitergehen könnte. Die ein-
ige Lösung wäre eine Revision der Richtlinie unter dem
spekt: Deregulierung stoppen und Standards für die
usbildung und die Qualität der Dienstleistungen festle-
en.
Ebenfalls zum Flughafenpaket gehört die Verord-
ung, mit der Betriebsbeschränkungen europaweit ange-
lichen werden sollen. Da geht es um Flugverbote und
as Verbot von zu lauten Flugzeugtypen. Die lautesten
lugzeuge aus dem Verkehr zu ziehen, ist richtig; das
erden auch die Anwohner an Flughäfen so sehen.
Die Flughäfen werden dazu verpflichtet, umfangrei-
he Angaben zum Lärmschutz zu machen. Das hört sich
ut an. Laut Art. 2 Abs. 7 aber bedeutet eine Betriebsbe-
chränkung „eine Lärmminderungsmaßnahme, die den
ugang oder die Kapazität eines Flughafens ein-
chränkt“ und weiter „sowie partielle Betriebsbeschrän-
ungen, die den Betrieb ziviler Luftfahrtzeuge in
estimmten Zeiträumen einschränken“. Das ist ein rich-
ger Hammer. Partielle Betriebsbeschränkungen heißt
bersetzt Nachtflugverbote. Die Kommission will das
echt haben, Nachtflugverbote auszusetzen, wenn ein
itgliedsland das verlangt, aber sie kann auch von sich
us handeln.
Begründet wird das damit, dass die europäischen
lughäfen in der Zukunft Kapazitätsprobleme haben
erden. Der Flugverkehr soll weiter wachsen, besonders
der Luftfracht.
Wir haben gerade in den letzten Wochen gesehen,
ass die Bürgerinnen und Bürger unter Flugrouten nicht
nger bereit sind, Fluglärm geduldig zu ertragen. Sie
rotestieren und prozessieren. Am neuen Flughafen in
erlin-Brandenburg, BER, und in Frankfurt/Main, FRA,
urde nicht von den Behörden ein Nachtflugverbot be-
ntragt, sondern nachträglich durch Gerichte angeordnet.
19002 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012
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Nur durch Prozesse waren die Menschen in der Lage,
ihre Schutzinteressen zumindest teilweise durchzuset-
zen.
Soll die Kommission nun das Recht haben, diese an-
geordneten Regelungen aufheben zu dürfen? Wir sagen
Nein. Das geht zu weit. Kein Genehmigungsvorbehalt
für die Kommission!
Wir hatten einen Antrag vorgelegt, mit dem wir eine
sogenannte Subsidiaritätsrüge verlangten. Das wäre ein
deutliches Signal dafür gewesen, dass Rechte der Bürge-
rinnen und Bürger nicht beschnitten werden dürfen. Das
wäre auch ein Signal dafür gewesen, dass die Einigung
Europas die Interessen der Menschen in den Mittelpunkt
stellt und nicht Kosteneffizienz, Kapazitätsengpässe auf
Flughäfen und den freien Wettbewerb. Leider wollten
sich weder die Mitglieder der Regierungskoalition noch
die Oppositionsfraktionen unserem Antrag anschließen.
Jetzt liegt uns der Entschließungsantrag der Regie-
rungskoalition vor, der weit hinter dem zurückbleibt,
was notwendig ist. Dennoch wollen auch CDU/CSU und
FDP den Vorschlag einer Verordnung in dieser Form
nicht. Sie fordern jetzt auch, „die Befugnisse auf das not-
wendige Maß zu beschränken und die Handlungsspiel-
räume auf nationaler und regionaler Ebene zu erhalten“.
Das hätten wir mit unserem Antrag deutlicher haben
können.
Die Linke fordert, die vorgesehene Kontrollbefugnis
der Kommission ersatzlos zu streichen. Wir fordern, ent-
weder im Vorschlag für eine Verordnung oder an anderer
Stelle im europäischen Recht verbindliche, EU-weit gül-
tige Grenzwerte zum Schutz der Menschen vor Flug-
und Verkehrslärm zu verankern. Die Umgebungslärm-
richtlinie wäre dafür richtig. Nur so können wir die Poli-
tik der Kommission bürgerfreundlicher machen. Die
Menschen wollen mitbestimmen und nicht bevormundet
werden.
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
Europäische Kommission hat am 1. Dezember 2011 ein
umfangreiches Maßnahmenpaket für die großen Flughä-
fen der Europäischen Union mit über 50 000 Flugbewe-
gungen im Jahr vorgestellt. Dessen Hauptziel ist es, die
Effizienz der europäischen Flughäfen zu erhöhen, da die
EU-Kommission dort mit Engpässen rechnet. Das soge-
nannte Flughafenpaket umfasst ein zusammenfassendes
Strategiepapier und drei konkrete Verordnungsvorschläge.
Davon debattieren wir heute über den Vorschlag zu
den Bodenabfertigungsdiensten und zur Regelung von
lärmbedingten Betriebsbeschränkungen. Bei ersterem
Vorschlag herrscht große Einigkeit zwischen allen Frak-
tionen, dass eine weitere Liberalisierung des Sektors der
Bodenverkehrsdienste zulasten der Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer geht, deren Bezahlung schon heute
schlecht ist. Auch wir Grünen haben uns daher einem in-
terfraktionellen Antrag dazu angeschlossen. Darin wird
die Bundesregierung aufgefordert, die Umsetzung dieser
Verordnung in Brüssel abzulehnen.
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Ebenfalls stark diskutiert wird der Verordnungsvor-
chlag zu den lärmbedingten Betriebsbeschränkungen,
uf den ich mich in meiner Rede konzentrieren möchte.
Während in Frankfurt im Wochentakt Tausende Men-
chen gegen Fluglärm demonstrieren und auch an ande-
n Flughafenstandorten wie beispielsweise in Berlin,
ünchen und Leipzig der Widerstand gegen die gesund-
eitsgefährdenden Belästigungen durch Fluglärm beson-
ers in der Nacht wächst, plant die Europäische Kom-
ission mit ihrem Verordnungsentwurf gerade erhebliche
erschlechterungen beim Schutz vor Fluglärm. Das leh-
en wir ab.
Wir fordern die Bundesregierung mit Nachdruck auf,
ich in Brüssel dafür einzusetzen, dass der Verordnungs-
orschlag grundlegend überarbeitet wird. Andernfalls
ollte die Bundesregierung den Vorschlag der Europäi-
chen Kommission im ordentlichen Gesetzgebungsver-
hren ablehnen.
Die für die Europäische Kommission vorgesehenen
eitreichenden Kontrollbefugnisse und die Befugnis zur
ussetzung von Betriebsbeschränkungen müssen aus
nserer Sicht gestrichen werden. Denn es ist zu befürch-
n, dass damit Nachtflugbeschränkungen und -verbote
us Kapazitäts- und Wettbewerbsgründen ausgesetzt
erden könnten und zeitliche Beschränkungen des Be-
iebs kaum noch durchsetzbar wären.
Der Entwurf der Kommission orientiert sich einseitig
n den wirtschaftlichen Belangen, insbesondere an der
usweitung der Flughafenkapazitäten. Die Verbesse-
ng des Lärmschutzes spielt hingegen nur eine unterge-
rdnete Rolle. Statt die Chance zu nutzen und bei der
berarbeitung der bisher gültigen Richtlinie den Einsatz
on Betriebsbeschränkungen als wirksamstes Mittel zu
tärken, sollen diese nach Ansicht der EU-Kommission
ur als letztes Mittel der Wahl zum Einsatz kommen
önnen. Schon die gültige Betriebsbeschränkungsrichtli-
ie hat aber an vielen Flughäfen wenig positive Wirkung
r Lärmminderung entfaltet, wie aus dem Sachstands-
ericht der EU-Kommission vom 28. Februar 2008 her-
orging. Nach Auffassung der Bundesvereinigung gegen
luglärm war die Wirkung sogar eher negativ.
Umso unverständlicher ist es daher, warum die Regie-
ngskoalition in ihrem Antrag zwar ebenfalls den Ver-
rdnungsentwurf ablehnt, sich dann aber dafür einsetzt,
ass faktisch alles beim Alten bleibt. Oder wie, liebe Ko-
litionäre, soll man es verstehen, dass sie keinen grund-
genden Bedarf für die Überarbeitung der Richtlinie se-
en? Das ist für uns nicht akzeptabel, deshalb lehnen wir
ren Antrag ab.
Wir erwarten, dass sowohl die Bundesregierung als
uch die Regierungskoalition klar Farbe bekennen und
ich auf die Seite der betroffenen Bürgerinnen und Bür-
er stellen.
Nach dem Willen der EU-Kommission sollen die kos-
neffizientesten Maßnahmen Vorrang erhalten, nicht die
irksamsten. Lärmschutz darf aber nicht betriebswirt-
chaftlich betrachtet werden, sondern muss volkswirt-
chaftlich bewertet werden. Bei der Abwägung der un-
rschiedlichen Belange muss der Gesundheit der durch
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Fluglärm betroffenen Bürgerinnen und Bürger, insbeson-
dere in der Nacht, künftig eine höhere Bedeutung beige-
messen werden als den wirtschaftlichen und verkehrli-
chen Belangen. Zudem muss klargestellt werden, dass es
keinen Rückschritt zu bisherigen nationalen Schutzni-
veaus geben darf und bereits erlassene Betriebsbeschrän-
kungen bestehen bleiben können.
Wir brauchen europäische Schutzziele, die vorgeben,
ab wann Fluglärm als schädlich zu werten ist und ent-
sprechenden Handlungsbedarf auslöst. Das sind aus un-
serer Sicht insbesondere europaweit gültige Grenzwerte
für die Lärmpegel an Flughäfen. Die Bemessungsgren-
zen für den Ausschluss lauter Flugzeuge sollten nach un-
serer Auffassung eher verschärft, statt aufgeweicht wer-
den. Denn selbst nach dem aktuellen Entwurf würde nur
ein Minimum der Luftfahrzeugflotte davon erfasst wer-
den. So berücksichtigt die Neuregelung beispielsweise
immer noch nicht die häufig eingesetzten lauten Flug-
zeuge B 747-400 und MD 11. Der Verordnungsentwurf
bringt daher keine Verbesserung.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Pakistan – Für eine
aktive Einbindungsdiplomatie, Stärkung der
demokratischen Kräfte und eine verlässliche
Entwicklungszusammenarbeit (Tagesordnungs-
punkt 16)
Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Bevor ich auf
Einzelheiten des hier zu beratenden Antrags eingehe,
möchte ich doch hervorheben, dass Sie für Ihren Antrag
generell nicht berücksichtigt haben, dass es sich bei
Pakistan um einen sehr schwierigen Partner mit einem
sehr ausgeprägten Sicherheits- und Souveränitätsbedürf-
nis handelt. „Einbindungsdiplomatie“ findet deshalb – ob
wir es wollen oder nicht – bei verschiedenen wichtigen
Themen an sich ihre Begrenzungen. Ihr Antrag gibt
letztlich aber keine Antwort darauf, wie man mit einem
Partner umgeht, der sich zumindest partiell schlichtweg
einer Einbindung verweigert.
Insofern bearbeiten Sie zwar ein wichtiges Thema,
entwickeln aber keine ausreichenden Lösungsansätze.
Da ich Anfang Februar 2012 von einer Dienstreise aus
Pakistan zurückgekommen bin, werde ich im Folgenden
einige diesbezügliche Anregungen vortragen.
Zu den Einzelheiten Ihres Antrags:
Teil 1: „Für eine aktive Einbindungspolitik“. Sie be-
schreiben den komplexen strategischen Kontext, in dem
sich Pakistan befindet. Nicht nur seine schwierige Ver-
quickung mit dem „Zwilling“ Afghanistan wird genannt,
sondern ganz zu Recht auch die langjährige Feindschaft
zu Indien. Diese Determinanten, neben der komplexen
Beziehung zu den USA, sind handlungsleitend für die
pakistanische Außen- und Sicherheitspolitik, die durch
tiefes Misstrauen gegenüber den übrigen Akteuren in der
Region getragen wird. Die einzige, aber maßgebliche
Ausnahme ist China.
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China, USA, Afghanistan und Indien – auch Russland
äre zu nennen –, allein die Aufzählung dieser regiona-
n Akteure unterstreicht die geostrategische Bedeutung
es Atomstaates Pakistan. Deshalb werden Sie aber im-
er an der sicherheitspolitischen Perzeption der pakista-
ischen Eliten ansetzen müssen, wenn Sie langfristig
ine fundamentale Verbesserung der durch Sie aufge-
eigten Probleme erreichen wollen. Diese entscheidende
imension blenden Sie in Ihrem Antrag jedoch aus –
eshalb springen Sie mit dem im Antrag beschriebenen
nsatz einer „Einbindungsdiplomatie“ deutlich zu kurz.
Teil 2: „Pakistans demokratische Kräfte und Zivilge-
ellschaft stärken“. Wie eingangs angedeutet, habe ich
uf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung mit mei-
em Kollegen Ernst-Reinhard Beck, verteidigungspoli-
scher Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, vom 29. Ja-
uar bis zum 1. Februar 2012 Pakistan bereist. Wir
atten dort ein hochrangiges Besuchsprogramm, in des-
en Rahmen wir unter anderem die Außenministerin
ina Rabbani Khar, den Senatspräsidenten – Oberhaus –
aek und den stellvertretenden Parlamentsprecher
undi treffen konnten. Daneben traf unsere Delegation,
u der auch der Kollege Michael Gahler aus dem Euro-
äischen Parlament gehörte, mit den Führungen ver-
chiedener Parteien wie der PML-Q, der JUI-F, dem
üheren Premierminister des pakistanischen Teils
aschmirs, der deutschen Freundschaftsgruppe im pa-
istanischen Parlament und Vertretern der pakistani-
chen Armee zusammen.
Sie sehen: Unsere Fraktion bemüht sich unter Einbin-
ung der europäischen Ebene intensiv um die Einbin-
ung der zivilen und militärischen Gesprächspartner.
ur dieses hat vor dem Hintergrund der politischen
egebenheiten in Islamabad wirklich Sinn – ein Be-
chränkung auf zivile Gesprächspartner bedeutete auch
ine automatische Beschränkung der zu erreichenden
rgebnisse eines verstärkten politischen Dialogs. Inso-
rn sind wir in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
rem Antrag voraus – das heißt aber auch: Wir teilen
re grundsätzlichen Anliegen.
Die pakistanische Seite gab uns durch die hochran-
ige Wahrnehmung zu verstehen, wie sehr ihr an weiter-
in guten Beziehungen zu Deutschland gelegen ist –
uch vor dem Hintergrund des kürzlichen Peschawar-
orfalls. Wir konnten keine Eintrübung feststellen. Be-
onderes Interesse in Pakistan besteht an einer Intensi-
ierung der Beziehungen zwischen den Parlamenten bei-
er Länder. Das ist eine Anregung, die wir gerne
ufnehmen wollen.
Durch eine solche Intensivierung würden wir das pa-
istanische Parlament aufwerten und es weiter stärken.
ir werden vonseiten der CDU/CSU-Bundestagsfrak-
on dazu einen Vorschlag einbringen, um ganz konkret
ie bilaterale Zusammenarbeit von Parlamentsausschüs-
en zwischen Pakistan und Deutschland zu intensivieren:
Hinblick auf Pakistan, Afghanistan und die gesamte
egion bieten sich hierzu besonders drei Ausschüsse an:
uswärtiger Ausschuss, Verteidigungsausschuss und der
usschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
icklung. Eine solche Kooperation könnte parteiüber-
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greifende bilaterale Treffen in Deutschland und Pakistan
beinhalten. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie dieses
Ansinnen konstruktiv aufnehmen würden.
Aber auch die Gründung einer deutsch-pakistani-
schen Freundschaftsgruppe im Deutschen Bundestag
sollte verstärkt in den Blick genommen werden. So hat
auch der pakistanische Premierminister in seinen bilate-
ralen Gesprächen am 1. Dezember 2009 mit Bundestags-
präsident Professor Dr. Norbert Lammert und dem Vor-
sitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Herrn Ruprecht
Polenz, für eine deutsch-pakistanische Parlamentarier-
gruppe im Deutschen Bundestag geworben. Derzeit gibt
es nur fünf Parlamentariergruppen im Deutschen Bun-
destag, die den Dialog mit der islamischen Welt unter-
stützen. Eine Aufwertung des Dialogs mit islamischen
Demokratien ist im deutschen wie europäischen Inte-
resse und könnte effektiv wie zeitnah durch ein verstärk-
tes Engagement auf parlamentarischer Ebene manifes-
tiert werden.
Schließlich möchte ich diesen Rahmen nutzen, um
auch einmal für die hervorragende Arbeit der politischen
Stiftungen im Ausland zu danken, die wir alle, wie ich
denke, auf unseren Reisen erleben dürfen. Diese Arbeit
findet häufig unter schwierigen Bedingungen statt, sei es
in Pakistan, Ägypten oder vielen anderen Ländern dieser
Welt – umso wichtiger, dass sie uns Politikern Türöffner
und Begleiter sind und auf diese Weise den politischen
Dialog ermöglichen.
Teil 3: „Entwicklungszusammenarbeit mit Pakistan
intensivieren und verbessern“. Zu den fachlichen
Schwerpunkten der Entwicklungszusammenarbeit ver-
weise ich im Rahmen dieser Debatte auf die Ausführun-
gen meiner zuständigen Kollegin Sibylle Pfeiffer.
Zum Finanziellen muss ich allerdings feststellen, dass
Sie mit falschen Zahlen argumentieren. Die Zusagen der
bilateralen deutsch-pakistanischen Entwicklungszusam-
menarbeit erfolgen bekanntermaßen für einen Zeitraum
von zwei Jahren. Die von Ihnen genannte Zahl von
15,7 Millionen Euro stellt nur eine Zwischenzusage zu-
sätzlicher Mittel außerhalb dieses Rhythmus dar. Bei den
letzten Regierungsverhandlungen für die Jahre 2011/
2012 wurde eine Summe von 90 Millionen Euro zuge-
sagt; auf dieses Jahr entfallen damit rechnerisch 45 Mil-
lionen Euro, also allein in diesem Jahr die dreifache
Summe des von Ihnen genannten Beitrags. Im Übrigen
sind die Zusagen seit dem Ende des Militärregimes unter
Musharraf bereits signifikant erhöht worden – von
44 Millionen in 2005/06 bis auf jetzt 90 Millionen in
2011/2012. Seitdem die CDU regiert, ist also genau das
getan worden, was Sie nun erst fordern!
Insgesamt resümiere ich, dass Pakistan – wie Sie ja
auch feststellen – nicht ausschließlich durch die „afgha-
nische Brille“ betrachtet werden darf. Sie verweisen völ-
lig zu Recht auf die enorme geostrategische Bedeutung
dieses Landes in seiner Region, die auf vielfältige Weise
noch keine regionale Stabilität entwickelt hat. Auch sind
die gewählten Ansätze wie die Stärkung demokratischer
Kräfte und der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit
richtig – aber leider nicht vollständig und qualitativ nicht
ausreichend durchdacht. Deswegen stimmt die CDU/
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SU-Bundestagsfraktion dem vorliegenden Antrag nicht
u und lädt Sie zur Unterstützung der geschilderten Ini-
ativen ein.
Sybille Pfeiffer (CDU/CSU): Pakistan ist für
eutschland ein entwicklungspolitisches Kooperations-
nd der ersten Stunde. Im letzten Jahr haben wir den
0. Jahrestag der deutsch-pakistanischen Entwicklungs-
usammenarbeit begangen.
Das sechstgrößte Land der Erde hat ein Bevölke-
ngswachstum von 2,4 Prozent. Damit hat es eine große
nd junge Bevölkerung und auch unglaublich viel Poten-
ial. Dennoch ist die Gesellschaft zweigeteilt: Auf der
inen Seite gibt es eine kleine Elite mit hoher Bildung.
er steht auf der anderen Seite das Gros der Bevölke-
ng gegenüber, das in bitterster Armut lebt. 50 Prozent
er Erwachsenen sind immer noch Analphabeten. Die
indersterblichkeit liegt deutlich über dem asiatischen
urchschnitt. Darüber hinaus wurde Pakistan gerade in
er jüngsten Vergangenheit immer wieder von schreckli-
hen Naturkatastrophen heimgesucht. Wir alle erinnern
ns noch an das verheerende Erdbeben von 2005, das
0 000 Menschenleben forderte, oder an die Flut vom
tzten Jahr. Daher ist Pakistan nicht nur unter geostrate-
ischen Gesichtspunkten wichtig, sondern auch und ge-
de für die Entwicklungspolitik.
Dazu hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen
ntrag vorgelegt, der das Ziel verfolgt, Diplomatie, De-
okratisierung und Entwicklungszusammenarbeit zu in-
grieren. Dadurch soll es ein Mehr an Sicherheit und
ntwicklung in dieser Region geben. Ich muss sagen,
ass der Antrag einige wichtige und richtige entwick-
ngspolitische Forderungen enthält, die auch die Unions-
aktion teilt: beispielsweise die Stärkung der Zivilge-
ellschaft, den Aufbau und die Konsolidierung demo-
ratischer Strukturen oder die Förderung von Menschen-
chten.
Dennoch muss man sich an einigen Stellen nicht nur
ber die Wortwahl, sondern auch über die politischen
orderungen wundern. So bezeichnen die Antragsteller
ie entwicklungspolitischen Aktivitäten der Bundesre-
ierung als „halbherzig und inkonsistent“. Pakistan
üsse als bedeutsamer und eigenständiger Akteur „ernst
enommen“ werden. Als ob wir das nicht tun würden!
ei den Regierungsverhandlungen im Mai letzten Jahres
at Deutschland für den Zeitraum 2011/2012 Neuzusa-
en in Höhe von 90 Millionen Euro gemacht. Die im
ntrag zitierten 15,7 Millionen für 2012 sind damit
chlichtweg falsch. Die Zusage der 90 Millionen Euro
tellt im Übrigen eine Verdoppelung der Finanzmittel
eit Beginn der unionsgeführten Regierungszeit 2005
ar. Damals betrugen die Zusagen lediglich 44 Millionen
uro. Hinzu kommen die Mittel, die die Bundesregie-
ng über den UNHCR und das Welternährungspro-
ramm den pakistanischen Binnenvertriebenen zur Ver-
gung stellt. Also davon zu reden, dass wir Pakistan
icht ernst nehmen würden, ist schlichtweg absurd.
Davon unabhängig konzentriert sich der Antrag aus
icht der CDU/CSU-Fraktion auch zu stark und einseitig
uf das Engagement Deutschlands als Geber und zu we-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19005
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nig auf die Beiträge und Verpflichtungen des pakistani-
schen Partners. Nirgendwo lese ich etwas davon, dass
Pakistan bei der Bewältigung wichtiger struktureller De-
fizite seine Hausaufgaben nicht macht, sei es im Bereich
der Steuerreform, der Entwicklungsorientierung oder des
Energiesektors.
Abschließend möchte ich noch kurz auf zwei Einzel-
forderungen eingehen. Sie kritisieren das deutsche Enga-
gement im Bildungssektor vor dem Hintergrund der Tat-
sache, dass Großbritannien seine Mittel in diesem Sektor
gerade verdreifacht hat. Wenn ich das unter dem Stich-
wort Geberharmonisierung werte, kann ich das theore-
tisch nachvollziehen – nur, es ist nicht auf dem aktuells-
ten Stand. Die Bundesregierung arbeitet seit 2009 an
einer Anpassung des Portfolios. Daher wurde mit Pakis-
tan im Rahmen der Regierungsverhandlungen 2011/
2012 vereinbart, dass Deutschland sein Engagement im
Bereich der Grundbildung bis spätestens 2015 an andere
Geber übergibt. Der Übergangszeitraum soll die Konso-
lidierung der bisher erreichten Ziele und die Übergabe
an einen geeigneten anderen Entwicklungspartner si-
cherstellen. Ähnliches gilt für die Berufsausbildung:
Hier ist ab 2013 eine Entscheidung über die Fortführung
auf der Basis der bisher erreichten Erfolge vorgesehen.
Auch andere Kritikpunkte wie ein unzureichendes
Engagement im Bereich Energie oder dezentraler Gover-
nancestrukturen laufen ins Leere, weil wir an diesen
Themen sehr wohl arbeiten.
Gestatten Sie mir abschließend noch eine kurze An-
merkung mit Blick auf die bilateralen parlamentarischen
Beziehungen, die ebenfalls wichtig sind, wenn wir über
Governance und die Stärkung demokratischer Strukturen
sprechen. Sie erwähnen in Ihrem Antrag den Women’s
Parliamentary Caucus, WPC, der ohne Frage gute Arbeit
leistet. Doch so wichtig die Zusammenarbeit mit dem
WPC ist, so falsch wäre es, die parlamentarischen Kon-
takte auf ihn zu reduzieren, wie es in Ihrem Antrag an-
klingt. Im Februar 2013 sind Parlamentswahlen ange-
setzt. Daher wäre es aus meiner Sicht richtiger, eine
umfassende Stärkung der parlamentarischen Ausschuss-
kon-takte zwischen Deutschland und Pakistan anzuge-
hen. Gerade die drei Politikfelder Außen, Entwicklung
und Verteidigung bieten sich an. Wir könnten dabei auf
die bereits bestehenden und guten Kontakte der Pakista-
nisch-Deutschen Parlamentarischen Freundschaftsgruppe
zurückgreifen, die sich 2009 formiert hat. Das wäre für
unsere beiden Länder, aber auch die Entwicklung und
Stabilität der ganzen Region wesentlich wichtiger.
Johannes Pflug (SPD): „Pakistan ist das gefähr-
lichste Land der Welt“ – obwohl dieser Satz zu einem
Allgemeinplatz geworden ist, wird er so leider nicht we-
niger richtig. Innenpolitisch steht das politische System
Pakistans unter enormem Stress, wie die jüngsten Kon-
flikte zwischen Militärführung und Regierung oder auch
zwischen Justiz und Regierung zeigen. Die Wirtschafts-
lage bleibt angespannt, und so fehlt vor allem vielen jun-
gen Pakistanis eine Perspektive für ihre Zukunft.
Dass so eine Situation einen guten Nährboden für
Terrorismus und religiösen Extremismus bietet, kann
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icht überraschen. Diese bedrohen nicht nur die staatli-
he Stabilität des Landes, sondern könnten auch die Si-
herheit der pakistanischen Nuklearwaffen infrage stel-
n.
Außenpolitisch sieht Pakistan sich in einem schwieri-
en Umfeld: Mit Indien schwelt der Streit um Kaschmir,
ie Beziehungen zum Iran sind spannungsgeladen, und
it Afghanistan bestehen Konflikte um die Grenzzie-
ung und wegen der Einmischung Pakistans in die in-
erafghanischen Verhältnisse. Einzig zu China bestehen
artnerschaftliche Beziehungen, die sich aber bestenfalls
ls „Schönwetterfreundschaft“ bezeichnen lassen.
Zweifellos ist Pakistan zentral für Stabilität und Frie-
en in Zentral- und Südasien und damit auch für den
insatz in Afghanistan. Das Deutsche Institut für Ent-
icklungspolitik bezeichnet Pakistan daher mit Recht
ls „Ankerland“, das eine politisch herausragende Posi-
on in seiner Region einnimmt und für Deutschland von
esonderer Bedeutung ist.
Deshalb war es richtig und wichtig, dass die Kollegen
on den Grünen das Thema Pakistan auf die Tagesord-
ung gesetzt haben. Denn in der Tat ist es leider so, dass
ich die Bedeutung des Landes nicht ausreichend in der
eutschen Pakistan-Politik widerspiegelt. Ich mache das
un nicht nur daran fest, dass die deutsche Entwick-
ngshilfe für Pakistan mit seinen über 170 Millionen
inwohnern im Vergleich zu Afghanistan deutlich gerin-
er ausfällt. Hier sehe ich durchaus Bedarf zur Nachbes-
erung, allerdings darf man es sich auch nicht zu einfach
achen.
Ein pauschales Rufen nach „Mehr“ könnte in Pakis-
n, ebenso wie in Afghanistan, auch negative Auswir-
ungen haben, zum Beispiel eine Verstärkung der Kor-
ption. Eine Erhöhung der Entwicklungshilfe muss
omit sorgfältig geprüft und an sinnvolle Projekte ge-
oppelt werden.
Deutschland wird, selbst bei massiver Erhöhung der
ntwicklungshilfe für Pakistan, immer ein relativ kleiner
eber bleiben. Daher gilt durchaus, was der Kollege
r. Stinner vor einigen Tagen festgestellt hat: Deutsch-
nd darf seinen Einfluss in Pakistan nicht überschätzen.
as dürfte spätestens klar sein, nachdem es im Dezem-
er nicht gelungen ist, Pakistan doch noch zur Teil-
ahme an der Bonner Afghanistan-Konferenz zu bewe-
en.
Deutschland wird deshalb in erster Linie über die
ualität der Entwicklungsarbeit Reformen im Land an-
toßen können. Deshalb ist es auch sinnvoll, sich wie
isher auf eine begrenzte Anzahl von Kooperationspro-
rammen zu beschränken. Vor dem Hintergrund des Ein-
atzes in Afghanistan ist es außerdem angebracht, sich
uch regional zu beschränken und diese Programme vor
llem in Khyber Pakhtunkhwa, Belutschistan und den
tammesgebieten durchzuführen.
Für viel gravierender als die bescheidenen finanziel-
n Mittel halte ich aber das Fehlen einer ressortüber-
reifenden, kohärenten Gesamtstrategie für Pakistan. Es
xistieren zwar Initiativen der einzelnen Ministerien,
twa im Bereich der Armutsbekämpfung durch das BMZ
19006 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012
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oder Ausbildungskooperationen mit den pakistanischen
Streitkräften. Sie sind aber nicht mit den Aktivitäten der
anderen Ministerien verknüpft und erst recht nicht an ei-
ner kohärenten Strategie ausgerichtet, die deutsche Inte-
ressen und Kapazitäten verbindet.
Vor einer Ausweitung der deutschen Kooperation mit
Pakistan muss daher eine umfassende Zielbestimmung
stehen und – in Zusammenarbeit mit unseren Partnern –
die Entwicklung einer Strategie, die diesen Namen ver-
dient. Diese muss dann auch durch eine stärkere Abstim-
mung zwischen den einzelnen Ministerien sowie durch
ein gemeinsames Berichts- und Evaluationssystem er-
gänzt werden.
Eine solche Aufwertung Pakistans in der deutschen
Außenpolitik setzt natürlich auch Interesse an einer um-
fassenderen Kooperation in Pakistan selbst voraus, das
sich gegenwärtig noch nicht abzeichnet. Deshalb ist es in
der Tat wichtig, die zivile pakistanische Regierung als
Ansprechpartner zu stärken, wie die Kollegen von den
Grünen in ihrem Antrag fordern.
Im Gegensatz zu ihnen hielte ich es aber für falsch,
wenn dies auf Kosten unserer jahrzehntelangen Kontakte
mit dem pakistanischen Militär ginge. Sie fordern in ih-
rem Antrag, die Kontakte zum pakistanischen Militär
auf „das Übliche“ zu beschränken. Nun spielt aber das
Militär in Pakistan gerade nicht die übliche Rolle. Es do-
miniert die Außen- und Sicherheitspolitik und wichtige
Zweige der pakistanischen Wirtschaft.
Es ist zweifellos richtig, die zivile Regierung gegen-
über den Sicherheitskräften zu stärken. Aber es wäre un-
klug, das Militär dabei vor den Kopf zu stoßen. Denn ei-
nes ist klar: Zahlreiche der weitreichenden und dringend
nötigen Reformen sind in Pakistan nur mit, nicht aber
gegen den Militärapparat durchzusetzen. Zusätzlich wer-
den in den nächsten Jahren vermehrt Offiziere in Füh-
rungspositionen in Pakistan gelangen, die während der
Regierungszeit Zia ul-Haqs islamistisch sozialisiert wur-
den.
Deshalb muss es besonders in unserem Interesse lie-
gen, die Kontakte mit dem pakistanischen Militär noch
zu intensivieren, um seine traditionelle prowestliche
Ausrichtung zu stärken. Ich bin dabei auch der Auffas-
sung, dass insbesondere unsere Bundeswehr, unsere Par-
lamentsarmee, mit dem Leitbild vom Staatsbürger in
Uniform und ihrem Grundsatz der Inneren Führung eine
Vorbildfunktion für die Streitkräfte Pakistans einnehmen
kann und sollte.
Pakistan ist eine gewaltige Herausforderung für den
Westen mit großem Gefahrenpotenzial, der sich auch
Deutschland nicht verschließen kann. Daher fordern wir
die Bundesregierung auf, ein strategisches Konzept zu
entwickeln, ausreichende Finanzmittel bereitzustellen
und die Kontakte mit der pakistanischen Zivilgesell-
schaft und den relevanten Kräften im Land zu intensivie-
ren.
Dr. Bijan Djir-Sarai (FDP): Einigen Einschätzungen
in diesem Antrag kann ich nur zustimmen. Pakistan ge-
hört auf die politische Agenda. Die regionale Bedeutung
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es Landes dürfen wir hier in Deutschland nicht unter-
chätzen. Zu Recht erkennen wir daher Pakistan als äu-
erst wichtig für die Entwicklung der gesamten süd- und
entralasiatischen Region.
Aber – und das ist genauso wichtig – wir müssen das
and auch mit der Sicht auf den Prozess „Afghanistan-
olitik“ betrachten. Diesen Aspekt dürfen auch die An-
agsteller nicht verkennen.
Pakistan verfolgt in dieser Frage eine ambivalente
nd inkohärente Politik. Wir können davon ausgehen,
ass Pakistan genau weiß, dass es seine sicherheitspoliti-
chen Interessen in Afghanistan weiter durchsetzen
uss, schon allein aufgrund der geografischen Lage.
akistan wird sich nicht auf die Nachhaltigkeit unseres
ngagements im Nachbarland verlassen.
Pakistan habe – sagt die pakistanische Regierung – in
ieser Region ein großes Gewicht. So müssten pragmati-
che und realistische Lösungen für die regionalen Pro-
leme gefunden werden. Es wird aber auch betont, dass
lle in den Kampf gegen diese Gefahr einbezogenen
änder eine gemeinsame Handlungsgrundlage haben
üssten. Die Weltgemeinschaft müsse in Afghanistan
emeinsam handeln, wobei aber die Afghanen selbst bei
er innerafghanischen Regelung die Hauptrolle spielen
üssen. Alle Nachbarländer in der Region und die Welt-
emeinschaft sollten sie dabei entschlossen unterstützen.
Das Misstrauen in den Beziehungen Pakistans und
fghanistans lässt sich nicht Hals über Kopf verbessern,
obei – das haben die Antragsteller richtig erkannt –
chon eine deutliche Verbesserung erkennbar ist, vor al-
m durch die intensive Besuchsdiplomatie und Fort-
chritte bei den Handelsbeziehungen.
Der Antrag führt richtigerweise auf, dass die Pro-
leme in Pakistan äußerst komplex sind. Er verkennt
ber leider völlig, dass Pakistan ein sehr schwieriger
artner ist, und zwar vor allem, weil das Land geprägt ist
on einem großen Sicherheitsbedürfnis und einem
benso großen Souveranitätsbedürfnis. Pakistan hat sich
chon seit jeher einer Einbindungsdiplomatie gut entzo-
en. Selbst die aktuelle Regierung handhabt dies so.
iese für Pakistan elementaren Grundsätze müssen wir
eachten. In der Vergangenheit sind sie oft genug ver-
tzt worden, mit der Folge, dass der diplomatische
andlungsspielraum weiter eingeschränkt wird.
Die pakistanische Außenministerin Hina Rabbani
har hat erst vor kurzem in Russland klargemacht, dass
gliche gegenseitigen Beziehungen bestimmten Regeln
lgen müssten.
So ist klar, dass sich die Beziehungen zwischen der
ATO und Pakistan verschlechterten – durch Zwischen-
lle an der afghanischen Grenze, durch die Tötung
sama Bin Ladens auf pakistanischem Staatsgebiet. Die
ATO und Pakistan seien zwar Verbündete und Partner
Afghanistan. Sie wollten gemeinsam den Terrorismus
der Region ausrotten. Unterstützung könne es aber
aum geben, wenn NATO-Staaten eine Politik betreiben,
ie den Interessen Pakistans zuwiderliefen und die Si-
herheit seiner Einwohner bedrohe.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19007
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Der Antrag spricht völlig zu Recht an, dass die Euro-
päische Kommission und viele EU-Mitgliedstaaten in
Bezug auf Pakistan eine wenig nachhaltige und wenig
strategische Außenpolitik verfolgen.
Großbritannien jedoch – im Antrag genannt –, aber
auch Deutschland haben allerdings erkannt, dass in Pa-
kistan ein Konzept der strategischen Geduld zur Anwen-
dung kommen muss. Wir müssen Pakistan unterstützen,
bei der Stabilisierung im Land und bei der Bewältigung
seiner Zukunftsfragen. Das ist der Bundesregierung be-
wusst. Das müssen wir nicht erst einfordern.
Ich stimme der Aussage völlig zu, dass ein Engage-
ment für Menschenrechte und vor allem die Durchset-
zung von Frauenrechten für Pakistan bedeutend sind.
Und ja, Pakistan hat in den städtischen Regionen durch-
aus eine aktive und teilweise progressive Zivil- und Me-
diengesellschaft.
Aber über eins müssen wir uns im Klaren sein: Dieses
Engagement ist äußerst eingeschränkt. Pakistan ist ein
gefährliches Terrain für zivilgesellschaftliche Akteure,
nicht zuletzt wegen der im Antrag aufgeführten innen-
politischen und gesellschaftlichen Interessen, Konflikte
und Defizite. So schränken Selbstzensur, Einschüchte-
rung und physische Gewalt erheblich ein. Wir erwarten
daher keine kurzfristigen Durchbrüche und gesellschaft-
lichen Umwälzungen. Wie bereits erwähnt, strategische
Geduld ist nötig – in weitaus mehr Feldern, als in diesem
Antrag aufgeführt. Nicht förderlich ist auch, dass das
staatliche Gewaltmonopol nicht sichergestellt ist, ge-
nauso wie die damit verbundenen Schutzaufträge. Zu-
dem sehen wir noch großes Verbesserungspotenzial bei
der pakistanischen Justiz.
Leider sind in dem hier vorliegenden Antrag nicht
alle Zahlen gänzlich richtig. Die Antragsteller versu-
chen, die deutsche Entwicklungszusammenarbeit deut-
lich in eine unzureichende Ecke zu stellen. Gesagt wird:
15,7 Millionen Euro für 2012 reichen nicht aus. – Aber
bei 15,7 Millionen Euro ist auch noch nicht Schluss.
Diese Zahl stellt eine Zwischenzusage zusätzlicher – ich
betone: zusätzlicher – Mittel dar, außerhalb des zweijäh-
rigen Planungszeitraumes. Rechnerisch entfallen nach
den Zusagen der Regierungsverhandlungen für die Jahre
2011/2012 allein auf dieses Jahr circa 45 Millionen
Euro.
Und diese Zusagen von deutscher Seite sind seit dem
Ende des Militärregimes von Musharraf bereits deutlich
erhöht worden. Für die Jahre 2005 und 2006 waren es
noch 44 Millionen Euro. Der Verweis der Antragsteller
auf die britische Regierung ist natürlich richtig. Sie hat
die Mittel erhöht. Aber der Vergleich mit der deutschen
Seite – das sehen Sie ja hier – hinkt ganz gewaltig. Im
Bereich Bildung steht Deutschland in Kontakt mit der
britischen Entwicklungszusammenarbeit, gerade weil
wir die britischen Anstrengungen auf diesem Gebiet se-
hen. Wir wollen bereits erzielte Erfolge langfristig si-
chern. Das funktioniert sehr gut durch Spezialisierung.
Effektiv soll auf der Basis des bisher Erreichten ab 2015
aufgebaut werden. Deshalb wird Deutschland bis dahin
sein Engagement im Bereich der Grundbildung an an-
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ere Geber übergeben. Dieser vergleichsweise lange
eitraum ist dafür notwendig.
Die bisher erreichten Ziele müssen konsolidiert wer-
en. Die Übergabe muss in Verantwortung an einen ge-
igneten Entwicklungspartner erfolgen.
Zu Recht erkennt der vorliegende Antrag klar, dass
ie pakistanische Regierung ihre ambitionierten Ziele
insichtlich des Aufbaus dezentraler Governance-Struk-
ren voraussichtlich nicht umsetzen kann, dass weitere
nterstützung im Bereich Energie dringend notwendig
t.
Aber auch hier sei gesagt: Der Antrag greift nur die
albe Realität auf. Die Bundesregierung hat bereits seit
009 Maßnahmen der dezentralen Regierungsführung
nd ländlichen Elektrifizierung im Nordwesten des Lan-
es zugesagt. Diese befinden sich bereits teilweise in der
msetzung.
Die Bundesregierung sieht also eindeutig die Bedeu-
ng dieser Ansätze. Das brauchen wir ihr also nicht von
ieser Stelle aus ins Stammbuch zu schreiben. Wir neh-
en Pakistan als bedeutsamen und eigenständigen Ak-
ur ernst, auch wenn wir den vorliegenden Antrag nicht
ier verabschieden. Denn zu stark wird in dem Text auf
as Engagement Deutschlands als Geber fokussiert. Wir
ollten aber nicht außer Acht lassen, dass Pakistan keine
esentlichen Fortschritte erzielt hat – nicht bei der Be-
ältigung struktureller Mängel bei der Entwicklungs-
rientierung und der Steuerreform, nicht bei der finan-
iellen Nachhaltigkeit des Energiesektors.
Es sind Beiträge unseres pakistanischen Partners nö-
g. Ich glaube nicht, dass wir allein durch höhere ex-
rne Geldsummen diese Defizite ausgleichen können.
eutschland macht Angebote und setzt langfristig posi-
ve Anreize.
Jan van Aken (DIE LINKE): Wenn man sich an-
ieht, wie in Deutschland über Pakistan geredet wird,
ann fällt vor allem eines auf: Das Land wird immer in
inem Atemzug mit Afghanistan und mit Terror genannt.
akistan, das ist aus deutscher Sicht anscheinend nur ein
icherheitspolitischer Störfaktor.
Das ist ein großes Problem – vor allem für die Men-
chen in Pakistan. Denn dieser Tunnelblick führt zu ei-
er Politik, die auf Aufrüstung, auf Drohnen, auf ge-
ielte Tötungen setzt und nur mehr Gewalt erzeugt.
enschenrechte, Demokratie und Entwicklung bleiben
uf der Strecke.
Das Militär hat in Pakistan längst die Kontrolle über-
ommen. Und die USA helfen dabei leider kräftig mit,
ie pumpen jährlich bis zu 2 Milliarden Dollar Militär-
ilfe in das Land. Sie setzen Drohnen zum gezielten Tö-
n vermeintlicher Terroristen ein und nehmen dabei den
od von Zivilistinnen und Zivilisten in Kauf. Dass dies
lles mit Duldung der pakistanischen Regierung stattfin-
et, macht es nicht richtiger. Und dass die Bundesregie-
ng dazu schweigt, ist unverantwortlich.
Pakistan mit seinen 187 Millionen Einwohnern ist
assiv unterentwickelt. Auf der Liste des Human
19008 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012
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Development Index rangiert Pakistan gerade mal auf
Platz 145 von 187 aufgeführten Staaten – über 20 Pro-
zent der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze,
gerade einmal die Hälfte kann lesen und schreiben.
Dass die Lage für die Menschen in Pakistan so kata-
strophal ist liegt auch daran, dass das Land über 20 Pro-
zent des Haushaltes für das Militär ausgibt, Millionen
fließen in immer neue Waffen. Für Bildung, Gesundheit
und Entwicklung fehlt dieses Geld.
Es ist an der Zeit, dass der Westen, dass die Bundes-
regierung endlich die Menschen ins Zentrum der Bezie-
hungen zu Pakistan stellt. Sie muss aufhören, Sicher-
heitsinteressen vor Menschenrechte und Entwicklung zu
stellen. Sie muss endlich verstehen, dass Pakistan nicht
nur ein konfliktreiches Grenzgebiet zu Afghanistan ist.
Sie muss mit einer Politik gegenüber Pakistan beginnen,
die einer demokratischen Entwicklung des Landes und
der Zivilbevölkerung zugutekommt.
Eine – vermeintliche – Stabilität darf nicht länger
über Demokratie und Menschenrechte gestellt werden.
Wenn jemand sagt, dass das Militär in Pakistan ge-
braucht wird, um zu verhindern, dass die pakistanischen
Atombomben in die Hände von Islamisten geraten, dann
kann ich Ihnen nur sagen: Eine Atombombe in den Hän-
den des pakistanischen Geheimdienstes ISI macht ge-
nauso Angst und Bange. Und wie schnell es mit der
„Stabilität“ von autoritären Regimen vorbei sein kann,
haben Ägypten und Tunesien Ihnen doch gerade vorge-
führt.
Die Bundesregierung muss jetzt endlich den Kurs
wechseln. Dazu gehört auch, dass die gezielten Tötun-
gen, auch in Pakistan, endlich aufhören. Dafür kann die
Bundesregierung sich bei den Amerikanern einsetzen,
und vor allem muss sie jede Unterstützung dafür einstel-
len.
Und sicherheitspolitisch muss man doch die ganze
Region im Blick haben, allem voran den Kaschmir-Kon-
flikt. Im letzten Sommer haben Pakistan und Indien den
Dialog wieder aufgenommen und sich zu einem „Ende
der Ideologie des militärischen Konflikts“ bekannt. Die-
sen Prozess zu unterstützen, wäre eine sinnvolle Auf-
gabe deutscher Außenpolitik – verbunden mit Verhand-
lungen über echte Abrüstungsschritte auf beiden Seiten.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland
keine Waffen mehr exportieren sollte, auch nicht nach
Pakistan. Im Jahre 2010 hat Deutschland Rüstungs-
exporte für 97 Millionen Euro nach Pakistan genehmigt.
Und wissen Sie, wie viel Indien genehmigt wurde? Auch
97 Millionen Euro. Da rüsten Sie zwei Staaten gegenein-
ander auf. Das muss ein Ende haben!
Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie nä-
hert man sich am besten diesem Land Pakistan, das so
zerrissen ist wie kaum ein anderes? Die vielen Gesichter
Pakistans lösen Ängste aus; denn sie sind so bunt und
vielfältig wie auch extrem, uns unverständlich wie faszi-
nierend und erschreckenderweise immer wieder von Ge-
walt durchzogen.
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Das Land entlang dem Indus ist Atomstaat und mit
einem Nachbarn Indien in herzlicher Abneigung ver-
unden. Pakistan ist Nährboden für einen islamischen
undamentalismus, der auch die eigene Bevölkerung
rrorisiert. Pakistan ist Schauplatz und Ausgangspunkt
es internationalen Terrorismus, insbesondere mit Bezug
um Krieg in Afghanistan.
Aber Pakistan verfügt auch über eine aktive Zivilge-
ellschaft mit einer aufgeklärten und kritischen politi-
chen Kultur, die sich mutig den Krisen entge-
enstemmt. Gleichzeitig ist das Land vom Klimawandel
besonders krasser Weise bedroht. Die letzte Flutkata-
trophe im Jahr 2010 hat ungeheures Leid über die Men-
chen im Land gebracht.
Fakt ist: Pakistan stand viel zu lange abseits der poli-
schen Agenda.
Mit dem Antrag, den wir Grüne heute in den Bundes-
g einbringen, wollen wir eine Debatte über den kon-
reten Umgang mit diesem komplexen Land anstoßen.
infache Lösungen gibt es nicht.
Pakistan macht es uns immer wieder schwer. Die
usweisung der BND-Mitarbeiter und die Entführungen
on Entwicklungshelfern zeigen die komplizierten He-
usforderungen, denen wir gegenüberstehen.
Drei Ziele könnten die Eckpfeiler einer konstruktiven
akistan-Politik Deutschlands und Europas sein: erstens
akistan aktiv diplomatisch einbinden, zweitens Pakis-
ns demokratische Kräfte und die Zivilgesellschaft stär-
en, drittens mit Pakistan eine intensive Entwicklungs-
artnerschaft auf Augenhöhe etablieren.
Zu Punkt eins. Nur wenn wir Pakistan Verantwortung
ugestehen, können wir sie auch einfordern. Uns allen ist
lar, dass eine politische Lösung in Afghanistan ohne
akistan nicht zu erreichen ist. Obwohl oder gerade weil
ir gleichzeitig wissen, welch zweifelhafte Rolle pakis-
nische Kräfte in und mit Bezug auf Afghanistan spie-
n, müssen wir dafür Sorge tragen, dass Pakistan an den
esprächen und Verhandlungen um den Frieden in der
egion beteiligt ist. Wir Europäer und insbesondere wir
eutsche sollten eine Brückenfunktion einnehmen,
enn es darum geht, das zerrüttete Verhältnis zwischen
akistan und den USA wieder auf eine vertrauenswür-
ige Basis zu stellen.
Aber wir brauchen Pakistan nicht nur mit Blick auf
fghanistan. Um das fragile Land mit seinen 180 Millio-
en Einwohnern langfristig zu Stabilität zu verhelfen,
üssen wir – dies betrifft Punkt zwei – die demokrati-
chen Kräfte in Regierung und Parlament ebenso wie die
ivilgesellschaft stärken. Was heißt das konkret? Das
eißt zum Beispiel, wenn wir als Parlamentarierinnen
esprächspartner in Pakistan suchen oder nach Deutsch-
nd einladen, schwerpunktmäßig und zuvorderst Zivi-
sten zu treffen und eben nicht dem Reflex zu verfallen:
Pakistan herrschen faktisch das Militär und der Ge-
eimdienst, und deshalb muss man mit diesen Gruppen
prechen. Das reicht nicht.
Pakistanische Parlamentarierinnen beispielsweise, die
ich im Women’s Parliamentary Caucus zusammenge-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19009
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funden haben, brauchen unsere Unterstützung, damit sie
Legitimität für ihre parlamentarische Arbeit bekommen.
Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten, Journalis-
tinnen und Journalisten, Künstlerinnen und Künstler –
und viele einfache Frauen und Männer leiden darunter,
dass das Militär eine überwältigende Rolle spielt und mit
seinen Privilegien die Gesellschaft aussaugt. Wir müssen
deshalb an der Seite der Demokratinnen und Demokra-
ten stehen.
Zu Punkt drei. Schließlich brauchen wir eine differen-
zierte Entwicklungspartnerschaft. Die Folgen der Flut-
katastrophe sind noch lange nicht überwunden. Im letz-
ten Jahr grassierte eine Dengue-Epidemie.
Die krassen Einkommensunterschiede und feudalen
Gesellschaftsstrukturen sind Entwicklungshemmnisse.
Terror- und Gewalttraumata sowie mangelnde Bil-
dung belasten die Menschen über Generationen. Ich
konnte mich auf meiner jüngsten Reise erneut davon
überzeugen, wie aufnahmebereit und eigenverantwort-
lich Projekte beispielsweise im Swattal von Frauen und
Männern umgesetzt werden. Hier müssen wir sehr viel
mehr europäisch abgestimmt Angebote machen und als
Freunde und Partnerinnen derjenigen agieren, die ein
besseres Pakistan wollen.
Wenn wir in Deutschland zum Ziel haben, dass in die-
ser Region Frieden und Stabilität einziehen können,
dann braucht Pakistan Unterstützung, gerade auch im
Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Wir sollten
und wir können dazu beitragen, Pakistan in die Pflicht zu
nehmen und international einzubinden. Ich bin gespannt
auf die Debatte.
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Die soziale Dimen-
sion von Bologna stärken (Tagesordnungs-
punkt 17)
Tankred Schipanski (CDU/CSU): Am 20. Oktober
2011, pünktlich zum Start dieses Wintersemesters, dis-
kutierten wir in diesem Hohen Haus den Antrag der SPD
mit dem Titel „Hochschulpakt Plus“. In der Debatte ha-
ben wir dann festgestellt, dass es durch mannigfache
Maßnahmen von Bund und Ländern gelungen ist, einen
sehr guten Start des Wintersemesters, gerade unter dem
Blickwinkel von doppelten Abiturjahrgängen und dem
Aussetzen der Wehrpflicht, zu gestalten. Die SPD
konnte mit ihrem schwarzmalerischen Antrag keinen
Pessimismus in der Bildungsrepublik Deutschland ver-
breiten, die Realität sprach eine andere Sprache.
Am Ende meiner damaligen Rede wies ich auf die
wirklichen Problemfelder hin: Es fehlen keine Studien-
plätze, sondern eine gute Infrastruktur. Zu Recht verwies
ich auf die Städte München und Jena, mit zwei SPD-OB
an der Spitze, die bis zum heutigen Tage die Probleme
nicht in den Griff bekommen. Die Koordination zwi-
schen Städten und Studentenwerken, die Kommune als
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ildungspartner vor Ort zu begreifen – das sind die He-
usforderungen, die es zu lösen gilt, und nicht einfach,
ießkannenartig Bundesgelder über die Hochschulen zu
erteilen! Dies waren unter anderem die Erkenntnisse
er letzten Debatte.
Leider hat dies bei der SPD nicht so gefruchtet, wie
ich dies die Betroffenen und wir gewünscht hätten.
eute debattieren wir erneut einen Antrag, wieder will
ie SPD einen Pakt, heute ist es ein „Hochschulsozial-
akt“.
Wieder nimmt die SPD eine Gießkanne, füllt sie mit
undesgeld, welches nicht vorhanden ist, und schüttet es
icht über den Hochschulen aus, sondern über den Stu-
entenwerken. Diese sollen das Geld verwenden für den
usbau von Mensen, Kindergärten, Wohnheimen usw. –
lles schöne Dinge, nur, wir können es nicht finanzieren.
ie Genossen der SPD müssen sich in der diesjährigen
aschingssaison mit Jupp Schmitz fragen lassen: Wer
oll das bezahlen, wer hat das bestellt, wer hat so viel
inkepinke, wer hat so viel Geld? Liebe Genossen der
PD, merken Sie sich auch für alle weiteren Anträge ei-
en Grundsatz: Der Bund ist nicht die Sparkasse der
änder.
Zu Ihrem Evergreen bezüglich der Stärkung der Ko-
perationskultur in unserem Land kann gerade auf dem
eld des Hochschulbaus und der sozialen Infrastruktur
olgendes festgehalten werden: Die Gemeinschaftsauf-
abe Hochschulbau ist mit der Föderalismusreform I be-
usst abgeschafft worden; die Länder erhalten jedoch
ls Ausgleich substanzielle Kompensationsleistungen in
öhe von rund 700 Millionen Euro jährlich (vergleiche
rt. 143 c GG). Zudem erhalten die Länder rund 300 Mil-
onen Euro jährlich für die dauerhafte Gemeinschafts-
ufgabe „Forschungsbauten an Hochschulen einschließ-
ch Großgeräten“ (Art. 91 b Abs. 1 Nr. 3 GG).
Ein weiterer Evergreen Ihres Forderungskatalogs ist
as Thema BAföG. So haben Sie auch bei diesem Antrag
ieder mit Copy and Paste gearbeitet.
Liebe Genossen der SPD, die Bundesregierung hat in
rem dem Bundestag vorliegenden 19. Bericht nach
35 BAföG bereits angekündigt, dass sie „das Gespräch
it den Ländern aufnehmen“ werde, „um gemeinsam ei-
en Vorschlag zu erarbeiten für ausbildungspolitisch an-
emessene und haushaltspolitisch verantwortbare wei-
re Anpassungen und inhaltliche Fortentwicklung des
aföG“. Der erste Schritt ist hierbei jedoch, dass sich die
änder klar zu ihrer Mitverantwortung und dem Finan-
ierungsschlüssel „65 Prozent Bund – 35 Prozent Län-
er“ bekennen. Ferner muss abgewogen werden, ob In-
estitionen in Wohnheime nicht die bessere Verwendung
on nur ein Mal vorhandenen Mitteln sind und nicht die
mer weitere Erhöhung von BAföG-Sätzen.
Die nächste Forderung Ihres Antrags ist rhetorisch
uch wenig originell, und inhaltlich verkennen Sie wie-
erum die Rechtslage: ein Hochschulsozialpakt – ich er-
ähnte dieses Marketinginstrument bereits am Anfang
einer Rede.
Der Bund engagiert sich mit dem Hochschulpakt
020 und dem Qualitätspakt Lehre bereits in außerge-
19010 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012
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wöhnlichem Maße für ein ausreichendes und qualitativ
hochwertiges Studienangebot. Mit dem Hochschulpakt
stellt der Bund den Ländern in den Jahren 2011 bis 2015
insgesamt rund 4,7 bis 4,9 Milliarden Euro für die Auf-
nahme zusätzlicher Studienanfänger zur Verfügung. Mit
dem Qualitätspakt Lehre, für den der Bund bis 2020
knapp 2 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, werden an
186 Hochschulen aus allen Ländern Projekte zur Verbes-
serung der Studienbedingungen und der Qualität der
Lehre gefördert. Viele dieser Projekte nehmen gezielt
die Beratung und Betreuung der Studierenden, insbeson-
dere in der Studieneingangsphase, in den Blick – so bei-
spielsweise an meiner Heimatuniversität, der TU Ilme-
nau.
Angesichts der aktuellen Herausforderungen des
deutschen Hochschulsystems leistet der Bund im Rah-
men seiner verfassungsrechtlichen Möglichkeiten mit
diesem beispiellosen Engagement einen wichtigen Bei-
trag für ein ausreichendes und qualitativ hochwertiges
Studium in Deutschland. Der Bund will und kann aber
nicht die Länder aus ihrer primären Verantwortung für
die Hochschulen und die Studierenden entlassen. Die
Länder sind gefordert, kontinuierlich ihre Beiträge zur
Verbesserung von Studium und Lehre zu erbringen und
gemäß ihrer aus der Verfassung sich ergebenden Zustän-
digkeit auch die Voraussetzungen für eine angemessene
soziale Infrastruktur zu schaffen.
Lassen Sie uns dabei speziell auf die Wohnheimpro-
blematik schauen. Hierbei geht es insbesondere um die
Forderung nach einem Bund-Länder-Programm für min-
destens 25 000 zusätzliche Plätze im Studentenwohn-
heimbau. Hierfür wären nach Berechnungen des DSW
Fördermittel in Höhe von 376 Millionen Euro erforder-
lich.
Seit der Föderalismusreform sind die Hochschul-
bauförderung sowie die Förderung des sozialen Woh-
nungsbaus in die ausschließliche Zuständigkeit der Län-
der übergegangen. Als Kompensationsmittel für die
Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau und
Neubau von Hochschulen“ werden den Ländern auch in
diesem Jahr wie in den Jahren 2009 und 2010 insgesamt
Mittel in Höhe von 695 300 000 Euro, Titel 882 60 – 139,
zur Verfügung gestellt. Eine Förderung im Rahmen des
Hochschulpakts ist rechtlich unzulässig. Die Rechts-
grundlage für den Hochschulpakt deckt nur die Finanzie-
rung von Vorhaben der Wissenschaft. Der Wohnheimbau
ist kein Vorhaben im Sinne Art. 91 b GG.
Die Länder nehmen ihre Verantwortung bezüglich der
anteiligen finanziellen Förderung von studentischem
Wohnraumneubau und -ausbau unterschiedlich wahr.
Die Bereitschaft der Länder Bayern, Baden-Württem-
berg und Thüringen im Bereich Förderung des studenti-
schen Wohnraumneubaus und -ausbaus ist ausdrücklich
zu begrüßen, weil mit dem weiteren Ausbau der Wohn-
heimplätze die notwendige Infrastruktur studentischen
Wohnens angesichts der aktuell steigenden Studienan-
fängerzahlen auch in den nächsten Jahren eine sehr
wichtige Maßnahme darstellt, um das Studieren vor Ort
insbesondere an Studienstandorten mit angespanntem
Wohnungsmarkt zu ermöglichen. Dem Beispiel sollten
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lle folgen, wobei auch hier zu erwähnen ist, dass bei-
pielsweise der SPD-Kultusminister Matschie in Thürin-
en beim jüngsten Hochschulpakt Kürzungen bei den
tudentenwerken vorgenommen hat.
Lassen Sie mich zum Schluss auf einen dreisten Vor-
urf in Ihrem Antrag reagieren. Wenn man den Forde-
ngspunkt 6 Ihres Antrags liest, dann hört sich dies
ach einem echten „Hagemann“ an. Nur durch Wieder-
olung erhöht man den Wahrheitsgehalt dieses Vorwurfs
icht!
Mit einem Mittelabfluss von 99,4 Prozent hat das
MBF auch im Jahr 2011 die zur Verfügung stehenden
ittel sehr effizient und zielgerichtet für Bildung und
orschung eingesetzt. Zum Vergleich: In den sieben Jah-
n 2005 bis 2011 ist im gesamten BMBF-Haushalt we-
iger Geld stehen geblieben als in der 15. Legislaturpe-
ode allein für das rot-grüne Prestigeprojekt „Ganztags-
chulprogramm“.
Es ist zudem unzutreffend, dass mit Ausgaberesten
ittel überjährig „angespart“ werden. Ausgabereste
üssen bei Inanspruchnahme im jeweiligen Einzelplan
egenfinanziert werden und stellen daher kein adäquates
ittel dar: Sie gehen zulasten anderer Maßnahmen in
ildung und Forschung.
Insofern sollte Ihr Kollege Hagemann das nächste
al besser recherchieren, bevor er wieder falsche Be-
auptungen aufstellt!
Axel Knoerig (CDU/CSU): Die SPD hat einen An-
ag vorgelegt – mit dem Titel „Die soziale Dimension
on Bologna stärken“. Darin fordert sie den Bau von
5 000 neuen Wohnheimplätzen für Studenten. Auf
iese Weise soll die „soziale Infrastruktur“ der Hoch-
chulen an die gestiegenen Studentenzahlen angepasst
erden.
Dieser Vorschlag ist – auf den ersten Blick betrachtet –
urchaus nachvollziehbar: So gibt es, was die Studenten-
ohnheime betrifft, derzeit deutlich weniger Plätze als
ewerber. Die insgesamt 180 000 Wohnheimplätze bun-
esweit reichen nicht mehr aus. Selbst die 9 000 zusätz-
chen Plätze, die sich 2011 im Bau befanden, können
iese Lücke nicht füllen.
Ursache dafür ist die sehr hohe Studienanfängerquote
on 55 Prozent im laufenden Wintersemester. Denn ins-
esondere bei Erstsemestern ist diese Art der Unterbrin-
ung sehr beliebt.
Insgesamt 625 Millionen Euro fordert die SPD nun
r den Bau weiterer 25 000 Wohnheimplätze. Finanziert
erden sollen diese durch ein neues Modell mit dem Ti-
l „Hochschulsozialpakt Bund und Länder“. Dieser so-
enannte Hochschulsozialpakt wird allerdings nicht wei-
r konkretisiert, was die finanziellen Leistungen von
und und Ländern angeht.
Warum, müssen wir uns fragen. Weil genau hier An-
pruch und Wirklichkeit komplett auseinanderdriften.
ie ernst ist dieser Antrag überhaupt zu nehmen? Er ist
em Ausschuss vorenthalten und somit der Fachdebatte
ntzogen worden. Aufseiten der Länderbank sieht man
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19011
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auch keinen Vertreter sitzen, der diesen Antrag zumin-
dest symbolisch unterstützen würde.
Fakt ist stattdessen: Dieser Antrag ist nur ein weiterer
Beweis für die völlige Fehleinschätzung der SPD, was
die Bundeskompetenz in der Bildungsfinanzierung be-
trifft. Ähnlich fatale Vorschläge haben wir ja kürzlich
schon mit dem SPD-Vorschlag zum Bildungsföderalis-
mus gehört.
Stellen wir also zunächst einmal klar: Die Hauptver-
antwortung für den Bau von Studentenwohnheimen tra-
gen die Länder und nicht der Bund. Doch völlig im Wi-
derspruch zu diesem Grundsatz soll hier – nun wieder
einmal – der Bund als Zahlmeister einspringen, damit
sich die Länder aus ihrer Verantwortung stehlen können.
Gerade die SPD-regierten Bundesländer haben nämlich
Millionen verloren – dadurch, dass sie die Studienge-
bühren gestrichen haben. Und jetzt sollen diese Verluste
über eine Mogelpackung mit der Bezeichnung „Hoch-
schulsozialpakt“ umfinanziert werden.
Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Allein Nord-
rhein-Westfalen verliert jährlich rund 280 Millionen
Euro bis 2013. Essenzielle Mittel, die bisher für Dienst-
leistungen im Studium bereitgestellt wurden, sind ein-
fach ohne jeglichen Ausgleich gestrichen worden. Und
gerade jetzt, bei steigenden Studentenzahlen, wollen sich
die Länder auch noch aus der Finanzierung der Studen-
tenwerke zurückziehen?!
Ich nenne dazu nur eine Zahl: Die Länderzuschüsse
zur Gesamtfinanzierung der Studentenwerke sind seit
Anfang der 90er-Jahre von 24 auf 10 Prozent gesunken.
Das geht so nicht! Union und FDP werden nicht zulas-
sen, dass der Bund hier für andere die Zeche zahlen
muss.
Dass es selbstverständlich auch anders geht, möchte
ich kurz am Beispiel meines heimischen Bundeslandes
Niedersachsen erläutern: Dieses unionsgeführte Land
hat die Finanzierungsleistungen für die Studentenwerke
erheblich gesteigert. So werden 2012 insgesamt
14,5 Millionen Euro an die fünf niedersächsischen Stu-
dentenwerke gezahlt. Dazu kommt noch eine Pauschale
von 3 Millionen Euro für den Ausbau studentischer In-
frastruktur, das heißt Beratung, Information und Service-
leistungen. Anlass hierfür ist zum einen der doppelte
Abiturjahrgang, zum anderen das Aussetzen der Wehr-
pflicht. – Das ist verantwortungsvolle unionsgeführte
Bildungspolitik.
Kommen wir zu einer weiteren Ungereimtheit des
SPD-Antrages: Der Bau von Studentenwohnheimen ist
überhaupt keine Bildungsaufgabe. Stattdessen ist er Teil
der Sozialfürsorge des Landes und der Daseinsvorsorge
der Kommunen. Das ist eine verfassungsrechtliche
Pflicht der Länder und Kommunen.
Ich frage Sie daher, meine Damen und Herren von der
SPD-Fraktion: Wo ist der Bezug zur sozialen Dimension
des Bologna-Prozesses? Hier jedenfalls gibt es keinen.
Die neue Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau“,
nach Art. 91 b Abs. 1 Nr. 3 GG, schreibt nur noch eine
Beteiligung des Bundes für Forschungsbauten an Hoch-
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chulen vor. Wohnheime gehören nicht dazu. Was uns
ier heute zur Abstimmung vorgelegt wird, ist somit
chlichtweg verfassungswidrig.
Im Gegensatz zu diesen völlig aus der Luft gegriffe-
en Vorschlägen haben Union und FDP ihren bildungs-
olitischen Pflichtenkatalog längst erfüllt: Die Bildungs-
usgaben des Bundes lagen im vergangenen Jahr bei bis
u 7 Milliarden Euro, also damit so hoch wie in keiner
nderen Legislaturperiode bisher.
In dem Antrag ist außerdem zu lesen, dass die „so-
iale Infrastruktur … in den Hochschulpakten bislang
nberücksichtigt“ sei. Dazu kann man nur sagen: Das
egenteil ist tatsächlich der Fall. Unsere Bundesregie-
ng hat bereits flankierende Programme zur sozialen
imension des Bologna-Prozesses auf den Weg ge-
racht:
Mit dem Hochschulpakt 2020 haben Bund und Län-
der neue Studienmöglichkeiten eingerichtet.
In der ersten Programmphase 2007 bis 2010 hat der
Bund insgesamt 565 Millionen Euro bereitgestellt.
Im Zeitraum 2011 bis 2015 stellt er weitere rund
4,7 bis 4,9 Milliarden Euro zur Verfügung.
Mit der größten BAföG-Erhöhung seit Einführung
dieses Gesetzes ist die soziale Lage der Studierenden
deutlich verbessert worden.
Der Bund ist mit 2 Milliarden Euro bis 2020 am Qua-
litätspakt Lehre beteiligt, um das Lehrangebot sowie
die Betreuung und Beratung an den Universitäten zu
verbessern.
Das Deutschlandstipendium und die Erhöhung des
Büchergeldes sind weitere Maßnahmen zur Verbesse-
rung der sozialen Lage der Studierenden.
Das sind die Leistungen von Union und FDP in der
ildungspolitischen Verantwortung des Bundes.
Ihren Antrag lehnen wir deshalb ab. Denn dieser
acht deutlich, dass die Antragsteller von der SPD die
rundlegenden Ordnungsprinzipien der Bildungspolitik
unserem Land nicht kennen.
Sie wollen die Versäumnisse und Fehlentscheidungen
er Wissenschaftspolitik in den Bundesländern, in denen
re Partei, die SPD, verantwortlich ist, auf die Bundes-
bene abwälzen. Wir sagen dazu eindeutig Nein.
Ulla Burchardt (SPD): Letzte Woche hat das Bun-
eskabinett den aktuellen Bologna-Bericht verabschie-
et und die Entwicklungen seit der Bologna-Reform ge-
bt. Natürlich ist es erfreulich, dass die Akzeptanz der
achelor-Abschlüsse wächst, die Studierdauer kürzer
ird, die Auslandsmobilität steigt. Aber Bologna ist
ehr als das Vereinheitlichen des Hochschulraums – es
ehört auch die soziale Dimension dazu.
Bund und Länder tragen hierfür gemeinsam Ver-
ntwortung, indem sie zusätzliches Geld für Bildungs-
vestitionen sowie für individuelle Bildungsförderung
ereitstellen, um Chancengleichheit im Bildungsbereich
erzustellen und soziale Hürden des Studiums zu sen-
19012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012
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ken. Zusammen mit Hochschulen müssen Bund und
Länder Lehrpläne studierbar ausgestalten und Prüfungs-
belastungen für Studierende handhabbar machen. Die
Bildungsproteste 2010 mahnten hierbei entschlossenes
Handeln an.
Die soziale Dimension umfasst zusätzlich auch die so-
ziale Infrastruktur der Hochschulen; das heißt, es geht ne-
ben der Frage der Studienfinanzierung um bezahlbaren
Wohnraum, ausreichende Kapazitäten der Hochschulgas-
tronomie, genügend Beratungs- und Kinderbetreuungs-
angebote und behindertengerechte Hochschulen.
Die Studentenwerke in Deutschland leisten hierfür
mit ihren über 16 000 Mitarbeitern hervorragende Ar-
beit. Sie bieten umfangreiche Beratung und Hilfe für
Studierende. Aber die Studentenwerke stoßen nun bei
über 500 000 Studienanfängern auch an die Grenzen des
Machbaren. Ihre Leistungsfähigkeit muss dringend aus-
gebaut werden.
Bereits 2007 haben CDU/CSU und SPD in einer Ent-
schließung des Bundestags die Erwartung an die Länder
formuliert, „die Leistungsfähigkeit der Studentenwerke
zu erhöhen und auch die sozialen Voraussetzungen für
eine deutlich höhere Zahl von Studienanfängern, zum
Beispiel im Bereich der Wohnraumversorgung, rechtzei-
tig zu schaffen“.
Fakt ist, dass der Länderanteil an den Gesamteinnah-
men der Studentenwerke seit Anfang der 1990er-Jahre
von circa 24 Prozent auf nur noch circa 10 Prozent abge-
sunken ist und die Studierenden mittlerweile mit circa
14 Prozent mehr zum Etat der Studentenwerke beisteu-
ern als die Länder. Einige Länder, wie zum Beispiel Nord-
rhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, haben dies er-
kannt und ändern dies. Und Hamburg macht Schritt für
Schritt die Kürzungen der Vorgängerregierung rückgän-
gig.
Aber neben den Ländern trägt auch der Bund Verant-
wortung. Es reicht nicht, sich nur finanziell am Ausbau
der Studienplatzkapazitäten zu beteiligen, sondern es
sind seinerseits auch Investitionen in die soziale Infra-
struktur nötig.
Es ist unstrittig: Der Studierendenansturm ist erfreu-
lich. Er deckt den Bedarf an Hochqualifizierten und
beugt dem drohenden Fachkräftemangel vor. Doch er
stellt auch eine Herausforderung dar: Schon jetzt steigt
nach aktuellen Erhebungen der Bedarf unter anderem an
bezahlbarem Wohnraum, Service- und Beratungsange-
boten sowie Kinderbetreuung.
Wenn aktuell die Wohnheimplätze der Studenten-
werke für weniger als 10 Prozent der Studierenden
reichen, besteht akuter Handlungsbedarf. Und die Nach-
frage nach Wohnheimplätzen ist massiv: Beim Studen-
tenwerk Frankfurt gab es zum Wintersemester 2011/12
rund 1 400 Bewerbungen auf einen Wohnheimplatz, ein
Anstieg um 40 Prozent zum Vorjahr. Vielerorts führt der
Mangel an Wohnheimplätzen zu skurrilen Lösungen:
Statt eines Wohnheimplatzes wird in Hochschulfoyers
gezeltet, in Achtbettzimmern in Hostels oder in notdürf-
tig hergerichteten Kellerräumen übernachtet. Laut fzs
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ab es zwar im Jahr 2010 150 000 mehr Studierende,
ber nur 800 neue Wohnheimplätze.
Auch die Hochschulgastronomie platzt aus allen Näh-
n. 85 Prozent der Studierenden nutzen deren Einrich-
ngen. Zu Stoßzeiten finden aber viele Studierende in
en Mensen keinen Platz.
Mit dem Studierendenansturm wächst auch der Be-
arf an Beratung. Besonders die jüngeren Studierenden,
ie infolge kürzerer Schulzeit und dem Aussetzen der
ehrpflicht an die Hochschulen drängen, brauchen die-
es Angebot. 22 Prozent der Erstsemester benötigen Be-
tung zur Studienfinanzierung. Zudem explodiert förm-
ch der psychologische Beratungsbedarf: Seit 2007 ist
ie Zahl der psychologischen Beratungen infolge von
ersagensängsten und des Gefühls der Überforderung
m ein Viertel gestiegen.
Bei sozialer Infrastruktur geht es nicht zuletzt auch
m Vereinbarkeit von Studium und Elternschaft. 5 Pro-
ent der Studierenden sind Eltern. Für diese Studieren-
en ist es wichtig, Kinderbetreuungsangebote vorzufin-
en, die campusnah liegen und Öffnungszeiten haben,
ie ihnen ein Studium ermöglichen. Da über die Hälfte
er Kinder von Studierenden unter vier Jahren sind, wer-
en zudem auch Kinderbetreuungsplätze für Kleinstkin-
er gebraucht. Die aktuell circa 7 300 Kitaplätze der Stu-
entenwerke reichen hierfür nicht aus.
Und auch im Bereich „Studieren mit Behinderung“
leibt noch einiges zu tun, wenn es zum Beispiel um
llstuhlgerechte Räumlichkeiten und behindertenge-
chte Sanitäranlagen etc. geht.
Zügiges und entschiedenes Handeln ist geboten, doch
ie soziale Dimension von Bologna hat die Bundesregie-
ng noch immer nicht verstanden. Im jüngst vorgeleg-
n Bericht gibt es noch nicht einmal eine Benennung
er Probleme, schon gar keine Lösungsvorschläge.
Wir brauchen einen Hochschulsozialpakt zwischen
und und Ländern. Die SPD-Bundestagsfraktion formu-
ert mit ihrem Antrag konkrete Vorschläge:
Ein Kernbestandteil dieses Pakts ist der Ausbau der
ohnheimplätze. 25 000 zusätzliche Wohnheimplätze,
eren Finanzierung der Bund hälftig mitträgt, sind zwin-
end erforderlich.
Ein zweiter Baustein beinhaltet einen Apell an die
änder, gemeinsam mit den Studentenwerken, Bera-
ngsangebote den Bedarfen anzupassen und die Kapazi-
ten der Hochschulgastronomie zu steigern. Länder und
tudentenwerke sollen zudem gemeinsam darauf hinar-
eiten, Menschen mit Behinderung und Eltern ein
tudium zu ermöglichen. Konkret müssen hierzu Hoch-
chulen behindertengerecht gestaltet und Kinderbetreu-
ngsangebote ausgebaut werden.
Dies alles geht natürlich nicht zum Nulltarif. Zusätzli-
he Investitionen sind nötig. Es bedarf hierfür einer ge-
einsamen Kraftanstrengung. Hierzu gehört beispiels-
eise auch, dass die Bundesregierung prüft, ob
ichtabgerufene Gelder für diese sinnvollen und notwen-
igen Investitionen in soziale Infrastruktur verwendbar
ind.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19013
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Der Studierendenansturm an den Hochschulen ist da.
Der Ausbau der sozialen Infrastruktur ist alternativlos.
Die Zeit drängt. Lassen Sie uns gemeinsam, Bund und
Länder, diese Herausforderung entschlossen angehen –
jetzt!
Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Mit dem jetzt
vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion setzen die So-
zialdemokraten eine bemerkenswerte Strategie fort, die
sie in letzter Zeit in zahlreichen Anträgen gehäuft zum
Ausdruck bringt. Sie ist deshalb bemerkenswert, weil die
Antragsteller zunehmend die Realität im deutschen Wis-
senschaftssystem auf den Kopf zu stellen versuchen, in-
dem sie die tatsächlichen Bedingungen – sei es nun
rechtlicher oder tatsächlicher Natur – vollkommen wirk-
lichkeitsfern darstellen. Sie zeichnen wiederholt ein Bild
von der Situation der Studierenden in unserem Land, das
ich so beim besten Willen nicht nachvollziehen kann.
Sie fordern nicht zum ersten Mal, dass durch die stei-
genden Studierendenzahlen der Bund in der Verantwor-
tung sei – neben dem Hochschulpakt zum Ausbau der
Studienplatzkapazitäten – auch „für einen parallelen be-
darfsgerechten Ausbau der sozialen Infrastruktur zu sor-
gen“. Immerhin merken Sie zwar nur beiläufig, aber
dennoch richtigerweise an, dass der Bund dies gemein-
sam mit den Ländern tun müsse. Aber wie erst gestern
die grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer aus
Baden-Württemberg versuchen auch Sie, den Eindruck
zu erwecken, der Bund würde nichts oder nicht ausrei-
chend viel tun, um auf die erfreulicherweise steigenden
Studierendenzahlen zu reagieren.
Fakt ist jedoch: Der Bund unterstützt die Länder sehr
großzügig bei ihrer grundgesetzlich verankerten Auf-
gabe, die Finanzierung der Hochschulen sicherzustellen.
Für die ersten beiden Auswahlrunden der Exzellenzini-
tiative zum Beispiel hat der Bund bis heute bereits
1,9 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Für die Fort-
setzung des Hochschulpakts für zusätzliche Studien-
plätze stellt der Bund in der zweiten Phase in den Jahren
2011 bis 2015 rund 5 Milliarden Euro zur Verfügung,
und für den Qualitätspakt Lehre bis zum Jahr 2020 noch
einmal zusätzliche 2 Milliarden Euro. Zudem hat der
Bund deutlich gemacht, dass er sich auch nicht vor einer
eventuell erforderlichen Nachsteuerung drücken wird,
sollten die Studienanfängerzahlen noch weiter ansteigen.
Doch was machen eigentlich die Länder? In Baden-
Württemberg zum Beispiel – um die Äußerung von
Ministerin Bauer in der „Zeit“ vom heutigen Tage unter
der Überschrift „Uns fehlen Milliarden“ aufzugreifen,
die vom Bund fordert, er solle sich nicht aus der Verant-
wortung stehlen – wurde ein großes rot-grünes Wahlver-
sprechen eingelöst: Die Studiengebühren werden zum
Sommersemester 2012 abgeschafft. Damit erhalten die
Hochschulen im Land künftig nicht mehr jährlich
163 Millionen Euro aus Studiengebühren. Die Einnah-
meausfälle sollen stattdessen aus allgemeinen Haushalts-
mitteln kompensiert werden. Wie lange das seitens der
Landesregierung tatsächlich durchgehalten wird, sei ein-
mal dahingestellt. Baden-Württemberg ist zudem das
Land mit den meisten örtlichen Zulassungsbeschränkun-
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en, hält also ganz offensichtlich unzureichende Kapazi-
ten vor und ruft nach mehr Geld vom Bund. Aus der
erantwortung stiehlt sich also nur eine: die baden-
ürttembergische Wissenschaftsministerin. Ähnlich ver-
ielten sich die sozialdemokratischen Landesregierun-
en in Hamburg und Nordrhein-Westfalen, was vermu-
n lässt, dass dieses System Methode haben soll, ganz
ach dem Motto: Bundesgeld soll Löcher stopfen, die
uvor durch populistische Maßnahmen verursacht wur-
en. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Doch zurück zur sozialen Situation der Studierenden
unserem Land. Der jüngste BAföG-Bericht und auch
er Bologna-Bericht, an welchem ja – das dürfte beson-
ers die Sozialdemokraten freuen – unter anderem auch
ie Gewerkschaften und der Studierendenverband fzs als
utoren mitgewirkt haben, bescheinigen der Bundesre-
ierung gute Arbeit. Die Unterstützungsleistungen für
tudierende sind stärker gestiegen als die Lebenshal-
ngskosten, und die Zahl der BAföG-Bezieher befindet
ich auf einem Allzeithoch. Gleichzeitig entscheiden
ich immer mehr junge Menschen für ein Studium. Sie
elbst haben ja auf die steigenden Zahlen hingewiesen,
nd ich habe da sogar das versteckte Lob aus Ihrer Rich-
ng vernommen, dass die Rahmenbedingungen an-
cheinend ja so schlecht nicht sind, wenn die Studiernei-
ung seit Jahren zunimmt. Deutsche Studierende stellen
udem laut OECD die größte Gruppe der europäisch und
ternational mobilen Studierenden. Anscheinend sind
uch hier die Rahmenbedingungen eher gut als schlecht.
nsere Hochschulabsolventen haben auch nach der Um-
tellung der Studiengangstruktur auf Bachelor und Mas-
r bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt wenig Pro-
leme. Bewerber mit Bachelorabschluss werden gerne
ingestellt; das belegen zahlreiche Untersuchungen.
Zu Ihren einzelnen Forderungen aus dem vorliegen-
en Antrag bleibt Folgendes zu sagen: Sie wollen das
ooperationsverbot streichen, um die soziale Infrastruk-
r an den Hochschulen durch Bund und Länder gemein-
am zu sichern und weiterzuentwickeln. In der FDP-
undestagsfraktion haben Sie einen von Beginn der Fö-
eralismusreform an vehementen Kritiker des Koopera-
onsverbotes. Dass Sie endlich begriffen haben, dass das
er falsche Weg in der Bildungspolitik war, ehrt Sie.
leichwohl lässt Ihre nunmehr an jeder möglichen oder
uch unmöglichen Stelle aufgemachte Forderung den
erdacht aufkommen, Ihnen geht es weniger darum,
ualitative Verbesserungen in der Hochschulfinanzie-
ng zu erreichen, als vielmehr darum, den Bund als Lü-
kenbüßer und Sparschwein der SPD-regierten Länder
u missbrauchen, die nicht in der Lage oder willens sind,
usreichend eigene Anstrengungen zu unternehmen und
ie Prioritäten richtig zu setzen.
Auch Ihre Forderung, die BAföG-Bedarfssätze und
reibeträge zu erhöhen, ist zwar durchsichtig und in Ih-
r bereits beschriebenen Methode konsequent, aber aus
undessicht eben abzulehnen. Die Bundesregierung hat
ihrem aktuellen BAföG-Bericht bereits angekündigt,
ass sie mit den Ländern ins Gespräch darüber kommen
ird, um gemeinsam Vorschläge zu erarbeiten, wie das
AföG weiterzuentwickeln ist. Diese Gespräche bitten
ir abzuwarten. Dabei ist aber darauf zu achten, dass es
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einen Finanzierungsschlüssel zwischen Bund und Län-
dern gibt, der auch für die Anhebung von Freibeträgen
und Bedarfssätzen gilt.
Mit Ihrer Forderung nach einem Hochschulsozialpakt
wiederum entlarven Sie sich vollends selbst. Ich habe Ih-
nen bereits dargelegt, welch beispielgebendes Engage-
ment seitens des Bundes im Bereich der Finanzierung
des deutschen Hochschulsystems zu konstatieren ist.
Dennoch kann und darf der Bund nicht die Länder aus
ihrer Verantwortung für den Hochschulbereich vollends
entlassen. Die Länder – und hier schaue ich ganz beson-
ders auf die von SPD, Linken und Grünen regierten Län-
der – haben ihren Beitrag zu leisten. Gerade was die
soziale Infrastruktur anbelangt, sind sie durch das
Grundgesetz hierzu verpflichtet.
Dann erwarten Sie vom Bund, dass er dafür Sorge
trägt, das Angebot an bezahlbaren, campusnahen und
barrierefreien Wohnheimplätzen weiter auszubauen und
ein Bund-Länder-Programm für 25 000 zusätzliche
Plätze aufzulegen. Das ist keine Aufgabe des Bundes
und wird es auch aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion
nicht werden, da die Förderung des sozialen Wohnungs-
baus ausschließliche Aufgabe der Länder ist. Wir begrü-
ßen, dass einige Länder – wie Bayern – hier ihrer Verant-
wortung bereits nachkommen, und erwarten aber auch,
dass diesem Beispiel auch die anderen folgen.
Schließlich sind auch Ihre Forderungen hinsichtlich
der Studentenwerke abzulehnen, da die Länder eindeutig
hierfür zuständig sind und dies auch bleiben sollen. Dort,
wo der Bund unterstützen kann – hier sei die Kofinanzie-
rung der Informations- und Beratungsstelle beim
Deutschen Studentenwerk als zentrales bundesweites
Kompetenzzentrum erwähnt –, tut er dies bereits seit
30 Jahren.
Zuletzt muss ich in aller Schärfe Ihre zum wiederhol-
ten Male – und ich unterstelle auch wider besseres Wis-
sen – geäußerten Vorwürfe hinsichtlich des angeblich
unzureichenden Mittelabflusses aus dem Geschäftsbe-
reich des BMBF zurückweisen. Bei einem Mittelabfluss
von durchschnittlich 99,4 Prozent kann von „anhaltender
ineffizienter Mittelverwendung“ doch beim besten Wil-
len keine Rede sein! In diesem Zusammenhang ist Ihre
Forderung zu sehen, anfallende Ausgabereste anzuspa-
ren und für andere Projekte zu verwenden. Da dies haus-
haltsrechtlich gesehen einfach nur Unsinn ist, zeigt dies
einmal mehr, wie wenig Sie von Finanzen verstehen.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Natürlich ist es
Aufgabe der Opposition, sich mit dem Erreichten nicht
zufriedenzugeben und weitere Anstrengungen der Re-
gierung zu fordern. Wenn nun jedoch der Bund schon
dazu aufgefordert wird, sich mit den gastronomischen
Gegebenheiten vor Ort auseinanderzusetzen, dann zeigt
dies, wie schwer es der SPD-Fraktion offenbar fällt,
potenzielle Probleme auszumachen bzw. zu konstruie-
ren. Die Sozialdemokraten sind in diesem Zusammen-
hang sogar dazu bereit, zu suggerieren, dass Hochschu-
len, Studentenwerk und Länder nicht selber in der Lage
wären, ein gewisses Maß an Eigenverantwortung an den
Tag zu legen, um einige der echten Herausforderungen
zu lösen. Die FDP-Bundestagsfraktion jedenfalls kann
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icht erkennen, an welcher Stelle diesem Antrag auch
ur ansatzweise zuzustimmen sein könnte, und wird ihn
aher ablehnen.
Nicole Gohlke (DIE LINKE): Im Jahre 2012 jährt
ich die Einführung der zweistufigen und modularisier-
n Studiengänge zum 13. Mal. Sie war die größte Hoch-
chulreform der Nachkriegsgeschichte. Versprochen
urden die Vereinheitlichung der Bildungsabschlüsse in
uropa, die Verbesserung der Qualität der Studiengänge
owie eine erhöhte Mobilität der Studierenden in ganz
uropa. Das alles klang sehr vielversprechend.
So liest sich auch der kürzlich veröffentlichte Bolo-
na-Bericht der Bundesregierung. Aber welche Situation
nden wir heute konkret an den Hochschulen vor?
Private Akkreditierungsagenturen sind damit beauf-
agt, die neuen Studiengänge zu begutachten und zu
ertifizieren. Diese Agenturen sind zwar von einem
taatlich eingerichteten Akkreditierungsrat zugelassen,
s gibt aber weder eine klare gesetzliche Grundlage noch
ngemessene Einflussmöglichkeiten auf die Arbeit der
genturen. Bis heute gibt es keine umfassenden Anfor-
erungen an die Studierbarkeit der Studiengänge oder an
inen demokratischen Ablauf des Akkreditierungspro-
esses. Gravierende Qualitätsmängel und eine hohe
rustration bei allen, die sich in den vergangenen 13 Jah-
n für eine qualitative Studienreform eingesetzt haben,
ind die Folge.
Der Alltag der Studierenden – und wie hoch der Lei-
ensdruck ist, haben die Bildungsproteste der Studieren-
en der letzten Jahre gezeigt – ist von Verschulung, An-
esenheitspflicht und ständigen Leistungsnachweisen
eprägt. Den Studierenden wird per Studienordnung
orgeschrieben, wann sie welches Studienmodul absol-
ieren müssen; sie werden durch ständige Anwesen-
eitskontrollen angehalten, ein riesiges Pensum an
eranstaltungen zu besuchen, weil sie sonst ihren Leis-
ngsnachweis nicht erhalten, und sie hetzen von einer
rüfung zur nächsten. Die Studierenden selbst nennen
as Bulimie-Lernen: Auswendig lernen, in der Prüfung
uskotzen – und dann wieder vergessen. Das ist die
ealität ihrer vielgepriesenen neuen Studiengänge.
Dass die Studierbarkeit des Bachelors eine wirkliche
umutung ist, belegen auch die Zahlen des aktuellen
tudierendensurveys: 42 Prozent der Studierenden müs-
en einen zu hohen Lernaufwand für Prüfungen aufbrin-
en, und nur 16 Prozent sehen sich in der Lage ihre Se-
esteraufgaben zeitlich gut zu erfüllen. 61 Prozent der
achelorstudierenden fühlen sich durch die Arbeitsin-
nsität in ihrem Studium überfordert. Diese Realität
ollte die Bundesregierung endlich einmal zur Kenntnis
ehmen, und sich nicht selbst beweihräuchern, dass
chon 85 Prozent der Studiengänge umgestellt sind. Ein
eues Etikett allein ist doch kein politischer Erfolg.
Wenn Sie mal einen Blick hinter die Fassade wagen
ürden, könnten sie sehen: Das Studium hat mit einer
irklich guten wissenschaftlichen Ausbildung für die
ehrheit der Studierenden oder einem selbstbestimmten
ernen kaum noch etwas zu tun. Anwendungsorientie-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19015
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rung und Praxisorientierung sind doch längst der Auslie-
ferung von Bildung an Konzerninteressen gewichen.
Bildung und Wissenschaft sind aber mehr!
Noch nicht einmal die Mobilität der Studierenden hat
sich verbessert, auch wenn Sie uns das in Ihrem Bericht
weismachen wollen. Laut einer Studie von DAAD und
BMBF, die das DSW erst im Dezember 2011 zitiert hat,
stagnieren die studienbezogenen Auslandsaufenthalte
seit dem Jahr 2000. Aber das wundert einen ja auch
nicht, wenn die Anerkennung von Studienleistungen, die
an einer anderen Hochschule abgelegt wurden, nicht ein-
mal innerhalb eines Bundeslandes vernünftig funktio-
niert.
Alle Versprechen für eine bessere Mobilität und eine
bessere Qualität sind gebrochen worden. Das, was übrig-
bleibt von Bologna, ist eine enorme Bildungskürzung;
denn genau das bedeutet die neue Studienstruktur doch
letztendlich: Die Masse der Studierenden soll mit kürze-
ren Studienzeiten durch die Hochschulen geschleust
werden, und nur einer kleinen Elite wird der Zugang
zum weiterführenden und zum wissenschaftlichen Stu-
dium ermöglicht.
Und was bedeutet ein kürzeres Studium für die Hoch-
schulabsolventinnen und absolventen? Für die, die eben
nur den Bachelor machen dürfen? Sie werden dement-
sprechend schlechter bezahlt. Ich zitiere den Bologna-
Bericht des Kabinetts: Bei allen Studienrichtungen be-
trägt die Einkommensdifferenz gegenüber den traditio-
nellen Abschlüssen durchschnittlich 7,3 Prozent für
Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen bzw.
20,3 Prozent für Absolventinnen und Absolventen der
Universitäten. Sie haben es also geschafft, einen Zwei-
Klassen-Arbeitsmarkt für Akademikerinnen und Akade-
miker zu errichten. Das ist der eigentlich politische
Skandal.
So kann es nicht weitergehen, und da hilft uns leider
auch der Antrag der SPD-Fraktion nicht wirklich weiter.
Natürlich ist es richtig und wichtig, die soziale Dimen-
sion bei Bologna zu verbessern; diesen Forderungen aus
ihrem Antrag ist auch zuzustimmen, aber das kann doch
nur ein Teilaspekt einer Veränderung sein. Und da auch
Ihr Antrag keinerlei konkrete Zahlen nennt, sehe ich für
eine echte Verbesserung der Bedingungen für die Studie-
renden auch eher schwarz.
Die Linke fordert eine grundlegende Reform und
Neujustierung der Bologna-Reform. Wir möchten, dass
an der Hochschule kritische Wissenschaft statt Employa-
bility gelehrt wird und dass Studierende ihre Studien-
inhalte selbst bestimmen können. Und: Wir brauchen
endlich das Recht auf einen Masterzugang für alle Stu-
dierenden, damit jeder den Abschluss machen kann, den
er oder sie machen möchte.
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die öf-
fentliche Diskussion um die Bologna-Reform scheint in
eine neue Phase eingetreten zu sein. Statt Kampansagen
wie „Humboldt ist tot!“ oder „Operation gelungen, Pa-
tient tot?“ ist die empirische Beobachtung in den Vorder-
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rund getreten, wie das visionäre Ziel, einen europäi-
chen Hochschulraum zu erreichen, umgesetzt wird.
Nicht zuletzt die Studierendenproteste haben vor Au-
en geführt, dass Bologna mehr ist, als auf alte Studien-
änge das neue Etikett „Bachelor“ oder „Master“ zu
leben. Aus dem eindimensionalen deutschen Umset-
ungsansatz, vorrangig eine Umwandlung der Studi-
nstrukturen vorzunehmen, wollen wir heraus und Bolo-
na zu einer echten Qualitäts- und Mobilitätsreform
nerhalb des europäischen Hochschulraums weiterent-
ickeln. Wir wollen, dass alle Reformziele endlich an-
epackt und möglichst schnell erreicht werden – insbe-
ondere tatsächlich mehr und vereinfachte Mobilität der
tudierenden, eine bessere Anerkennung andernorts er-
rachter Studienleistungen, eine intensivere Betreuung
nd Beratung der Studierenden sowie die soziale Öff-
ung der Hochschulen.
Zahlreiche Studien haben sich mit der deutschen Um-
etzung und Erreichung der wesentlichen Reformziele
eschäftigt. Die Bologna-Baustellen gehen daraus deut-
ch hervor:
Erstens. Die Studierbarkeit muss erhöht, die Arbeits-
elastung gesenkt werden: Bachelorstudierende berich-
n häufiger über ungünstige Studienbedingungen und
ohe Leistungsanforderungen als Studierende in den
lten Magister- und Diplomstudiengängen. Als Konse-
uenz ist es notwendig, dass die Hochschulen ihre Stu-
ienprogramme überarbeiten, den Workload herunter-
chrauben und die Prüfungsdichte reduzieren.
Zweitens. Die Auslandsmobilität im Bachelor ist kei-
esfalls zufriedenstellend und muss verbessert werden:
Jahr 2009 absolvierten nur 26 Prozent der BA-Stu-
ierenden Auslandsaufenthalte, in den alten Studiengän-
en waren es dagegen 32 Prozent. Um den Stand der
uslandsmobilität deutscher Studierender zu halten,
üssen die Bachelorstudierenden Auslandsaufenthalte
uch realisieren können. Studienprogramme müssen da-
m flexibilisiert und Zeitfenster geschaffen werden.
Wichtig ist auch, dass sich die reale Anerkennungs-
raxis von im Ausland erworbenen Studienleistungen
eiter verbessert. Der im Jahr 2007 bestehende Wert von
ur 41 Prozent war skandalös.
Es ist gut, dass sich der Anteil der im Ausland erwor-
enen und hierzulande vollständig anerkannten Studien-
istungen deutlich verbessert hat. Hier ist aber weiterhin
otenzial nach oben! Gleichartigkeit und Gleichwertig-
eit dürfen nicht verwechselt werden. Studierende brau-
hen eine Anerkennungsgarantie.
Besonders große Baustellen und Defizite bestehen
eiterhin bei der sozialen Dimension, die ausdrücklicher
estandteil der Bologna-Reform-Kommuniqués ist. Von
00 Akademikerkindern studieren 71, von 100 Kindern
us Nichtakademikerfamilien studieren nur 24. Dieser
usammenhang von sozialer Herkunft und Bildungs-
hancen ist in Deutschland besonders stark ausgeprägt.
ir wollen mehr potenzielle Bildungsaufsteiger für ein
tudium erreichen. Mehr Studierende aus Nichtakademi-
er-, Arbeiter- und Migrantenhaushalten wollen wir ge-
auso gewinnen wie Studierende aus einkommensärme-
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ren Elternhäusern. Alle Herkunftsgruppen, denen die
Finanzierbarkeit ihres Studiums Schwierigkeiten berei-
tet, brauchen eine bessere Förderung und Studienfinan-
zierung.
Bundesbildungsministerin Schavan muss daher – als
Konsequenz aus dem neusten BAföG-Bericht der Bun-
desregierung – mit konkreten BAföG-Reformvorschlä-
gen auf die Länder zugehen, anstatt taktische Spielchen
anzuzetteln. Klugen Konzepten für eine bildungsgerech-
tere Studienfinanzierung werden sich die rot-grün und
grün-rot regierten Bundesländer nicht verschließen. Wer
die soziale Schieflage beim Hochschulzugang verringern
will, braucht mittelfristig eine ambitionierte Studienfi-
nanzierungsreform mit dem Zwei-Säulen-Modell.
Zusammen mit den Ländern müssen darüber hinaus
gezielte Investitionen in die soziale Infrastruktur an den
Hochschulen vereinbart werden. Dazu gehört der wei-
tere Ausbau von Studienberatung, Wohnheimplätzen so-
wie Kinderbetreuung und Betreuungsinfrastruktur. Der
Bedarf daran wächst mit der Zunahme der Zahl der Stu-
dienberechtigten und Studienanfänger. Da es Anzeichen
für höhere Prognosezahlen gibt, werden wir an anderer
Stelle über eine Aufstockung des Hochschulpaktes zu re-
den haben, um dem Studierendenboom gerecht zu wer-
den.
Unsere oberste Leitlinie bei der Umsetzung der sozia-
len Dimension ist, gemeinsam mit den Ländern eine um-
fassende Öffnung der Hochschulen für bisher unterre-
präsentierte Gruppen voranzutreiben und damit für mehr
gesellschaftliche Vielfalt und Diversity auf dem Campus
zu sorgen.
Die Bundesregierung sollte sich diesen Herausforde-
rungen ebenfalls stellen und mit eigenen Initiativen vor-
angehen. Dann könnte sie auf unsere Unterstützung
bauen.
Anlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– Beschlussempfehlung und Bericht zu dem
Antrag: Keine Patentierung von konventio-
nell gezüchteten landwirtschaftlichen Nutz-
tieren und -pflanzen
– Antrag: Keine Patente auf Leben
(Tagesordnungspunkt 26 b und c)
Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Wir beraten
heute abschließend den fraktionsübergreifenden Antrag
der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/
Die Grünen mit dem Titel „Keine Patentierung von kon-
ventionell gezüchteten landwirtschaftlichen Nutztieren
und -pflanzen“ sowie den Antrag der Fraktion Die Linke
mit dem Titel „Keine Patente auf Leben“.
Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, bei dieser
schwierigen Materie der Patentierbarkeit von Tieren und
Pflanzen einen gemeinsamen Antrag vorzulegen. Über
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as Thema der Patentierung von biotechnologischen
rfindungen in der Landwirtschaft gibt es unter den
ntragstellenden Fraktionen einen erfreulichen und weit-
ehenden Konsens.
Allen beteiligten Berichterstattern danke ich sehr
erzlich für die gute, konstruktive und zielführende
usammenarbeit. Das Ergebnis kann sich wahrlich
ehen lassen.
Im Kern geht es bei der Nutzung von Biotechnologie
m zwei Aspekte: Zum einen um den Schutz des geis-
gen Eigentums, zum anderen um die allgemeine Ver-
gbarkeit der natürlichen genetischen Ressourcen.
Wir bekennen uns mit dem Antrag ausdrücklich zum
chutz des geistigen Eigentums durch Patente. Sie bil-
en den rechtlichen Rahmen für Innovationen und Erfin-
ungen, die für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit
er deutschen Wirtschaft unerlässlich und von entschei-
ender Bedeutung sind. Wir dürfen deshalb berechtigte
teressen von Forschung und Wissenschaft nicht igno-
eren. Es darf nicht dazu kommen, dass die Früchte
erausragender deutscher Forschungsleistungen in ande-
n Ländern geerntet werden.
Dies kann aber nicht schrankenlos geschehen: In
nserem Antrag stellen wir deshalb deutlich heraus, dass
ir die Patentierung von konventionell gezüchteten
ndwirtschaftlichen Nutztieren und Nutzpflanzen ableh-
en. Technische Verfahren sollen patentierbar bleiben,
onventionelle Züchtungsverfahren sowie die damit
rzeugten Nutztiere und Nutzpflanzen dürfen nicht
atentierbar sein.
In Deutschland wird die Rechtslage inhaltlich durch
ie Vorgaben der Biopatentrichtlinie, nach der Pflanzen-
orten und Tierrassen nicht patentierbar sind, und durch
as Patentgesetz bestimmt.
Die Große Beschwerdekammer des Europäischen
atentamts hat zudem in der wegweisenden Entschei-
ung aus dem Dezember 2010 zum sogenannten Brok-
oli- und Tomatenpatent nun auch mehr Rechtsklarheit
Hinblick auf die Abgrenzung von „im Wesentlichen
iologischen Verfahren“ geschaffen. Verfahren sind
uch dann im Wesentlichen biologisch und somit nicht
atentierbar, wenn bei ihnen technische Verfahrens-
chritte zur Durchführung von Verfahren der Kreuzung
on Pflanzen und nachfolgender Selektion der geeigne-
n Pflanzen genutzt werden. In der Entscheidung der
roßen Beschwerdekammer wurde ein zentraler Streit-
unkt dahin gehend entschieden, dass technische Hilfs-
ittel wie genetische Marker zwar an sich nach dem
uropäischen Patentübereinkommen patentfähige Erfin-
ungen darstellen können, ihre Verwendung in einem im
esentlichen biologischen Züchtungsverfahren dieses
ber nicht patentierbar macht. Konventionelle Züch-
ngsverfahren sind also von einem Patentschutz ausge-
ommen.
Nicht klargestellt wurde allerdings, ob reine Erzeug-
isansprüche auf Pflanzen mit spezifischen Eigenschaf-
n trotz der Entscheidung zulässig sind. Hinsichtlich der
ogenannten Product-by-Process-Patentansprüche gibt
s bisher keine Rechtsklarheit. Problematisch sind diese
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19017
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Product-by-Process-Patentansprüche im Bereich der
Tier- und Pfanzenzucht deshalb, weil sie geeignet sind,
die Nichtpatentierbarkeit herkömmlicher Züchtungsver-
fahren zu unterlaufen.
Mit dem Antrag sprechen wir uns deshalb klar dafür
aus, sicherzustellen, die Schutzwirkung von Product-by-
Process-Patenten auf die Verwendung des im Patent an-
gegebenen Verfahrens zu beschränken, und fordern die
Bundesregierung auf, sich für eine entsprechende Klar-
stellung der Biopatentrichtlinie und der weiteren ein-
schlägigen Rechtsgrundlagen einzusetzen.
Darüber hinaus fordern wir die Bundesregierung auf,
zu prüfen, ob auch schon jetzt Änderungen im nationa-
len Patentgesetz – soweit dies die europäischen Vorga-
ben zulassen – möglich sind.
Noch kurz eingehen möchte ich auf den Antrag der
Fraktion Die Linke mit dem Titel „Keine Patente auf
Leben“. Der Antrag schießt weit über das Ziel hinaus.
Beispielsweise würde mit einem generellen Verbot der
Patentierung von Leben Forschung in Deutschland weit
über Gebühr erschwert. Aus diesem Grund, aber auch
aus weiteren Gründen ist der Antrag abzulehnen.
Dr. Max Lehmer (CDU/CSU): Die politische Dis-
kussion um die Patentierung von Nutztieren und Nutz-
pflanzen wird in der Öffentlichkeit mit großer Aufmerk-
samkeit verfolgt. Anfang nächster Woche wird das
Europaparlament voraussichtlich über den Bericht zum
Kommissionsvorschlag einer „Verordnung über die Um-
setzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der
Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes“ abstim-
men.
Unser Bestreben bei der Schaffung des einheitlichen
europäischen Patents ist es, darauf zu dringen, dass die
in der Biopatentrichtlinie gegebenen Möglichkeiten für
eine nationale Ausgestaltung, wie beispielsweise beim
Züchterprivileg, erhalten bleiben und auch für das euro-
päische Patent gelten werden.
Daher begrüße ich es außerordentlich, dass wir heute
abschließend unseren interfraktionellen Antrag beraten
können, der im Kern auf ein Verbot der Patentierung von
konventionell gezüchteten landwirtschaftlichen Nutztie-
ren und Nutzpflanzen abzielt und der die Bundesregie-
rung dabei bestärkt, auf europäischer Ebene die erforder-
lichen Rechtsänderungen zu erreichen.
Für die wissenschaftliche Forschung ist das Patent-
recht ein hohes Gut und für den Wirtschaftsstandort
Deutschland unerlässlich. Es gewährleistet, dass Innova-
tionen der Öffentlichkeit zugänglich sind.
Im Bereich der Biotechnologie müssen wir dabei stets
zwei Ziele im Auge behalten:
Neben dem bereits erwähnten Schutz des geistigen
Eigentums durch das Patentrecht spielt die allgemeine
Verfügbarkeit genetischer Ressourcen eine zentrale
Rolle. Wir müssen die Vielfalt unserer genetischen Res-
sourcen an landwirtschaftlichen Nutztieren und Nutz-
pflanzen erhalten. Unseren Landwirten und Züchtern
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üssen sie auch weiterhin uneingeschränkt zur Verfü-
ung stehen.
Genetische Ressourcen sind für die biologische Viel-
lt wesentlich und dürfen nicht nur durch wenige große
nternehmen nutzbar sein.
Vor diesem Hintergrund wird die aktuelle Entwick-
ng bei Biopatenten seitens der Landwirte mit berech-
gter Sorge betrachtet. Denn die Wirtschaftsbeteiligten
ersuchen, teilweise rechtliche Grauzonen zu ihren
unsten auszunutzen. Die Rechtsprechung, insbeson-
ere durch die Große Beschwerdekammer des Europäi-
chen Patentamts, hat hier zwar inzwischen eine grund-
gende Entscheidung in unserem Sinne gefällt:
Verfahren sind auch dann im Wesentlichen biologisch
nd somit nicht patentierbar, wenn bei ihnen technische
erfahrensschritte zur Durchführung von Verfahren der
reuzung von Pflanzen und nachfolgender Selektion ge-
utzt werden.“
Nicht abschließend geklärt ist jedoch, ob die durch
iese Verfahren erzeugten Tiere oder Pflanzen patentiert
erden können. Weitere rechtliche Spielräume ergeben
ich aus der Nutzung von sogenannten Product-by-Pro-
ess-Patentansprüchen.
Daher sehen wir politischen Handlungsbedarf und ha-
en im vorliegenden Antragstext unsere Forderungen
lar dargelegt, nämlich dass es auf konventionelle Züch-
ngsverfahren – mit diesen Verfahren gezüchtete land-
irtschaftliche Nutztiere und Nutzpflanzen – sowie de-
n Nachkommen und Produkte keine Patente geben
oll. Dies soll für alle Arten von Patenten und sämtliche
levanten Rechtsvorschriften Gültigkeit besitzen, ergo
r nationale Patente, für Patente, die nach dem Europäi-
chen Patentübereinkommen erteilt werden, und auch
r die neuen europäischen Patente.
Genau an dieser Stelle der Abgrenzung zwischen kon-
entionellen und technischen Züchtungsverfahren wird
us unserer Sicht eine ethische Grenze überschritten, die
er Patentierung entgegensteht.
Begleitend zu diesen Rechtsänderungen fordern wir ein
taatliches Biopatent-Monitoring. Durch einen regelmäßi-
en Bericht über die Auswirkungen des Patentrechts bei
iopatenten und einen Dialog mit allen betroffenen ge-
ellschaftlichen Gruppen können wir die Entwicklung
orgfältig beobachten und bei Bedarf nachsteuern.
Außerdem ist es uns ein wichtiges Anliegen, dass die
Patentgesetz vorgesehenen Privilegien für Landwirte,
üchter und die Forschung auch im neuen europäischen
atentrecht gelten sollen.
Abschließend möchte ich auf die wichtige Rolle des
ortenschutzes zu sprechen kommen. Dieser dient dem
chutz des geistigen Eigentums und hat sich dabei gut
ewährt. Da es im Bereich der Tierzucht ein entspre-
hendes Recht nicht gibt, muss es unser Ansinnen sein,
ass wir hier gemeinsam mit den Tierzüchtern eine Lö-
ung finden. Denn es geht auch in diesem Fall um das
pannungsverhältnis zwischen dem Schutz geistigen Ei-
entums und dem freien Zugang zu genetischen Res-
ourcen.
19018 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012
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Unser gemeinsamer Antrag ist ein richtiger und poli-
tisch wichtiger Schritt zur Abklärung der genannten ge-
gensätzlichen Ziele in einem für die Nutzungschancen
der Biotechnologie bedeutsamen Bereich.
Dr. Matthias Miersch (SPD): Ich freue mich, dass
wir schon heute und damit schneller als gedacht unseren
gemeinsamen Antrag zu Biopatenten im Plenum be-
schließen. Wir geben damit der Bundesregierung einen
klaren Auftrag. Wir Parlamentarier sind uns einig, dass
Patente auf konventionell gezüchtete landwirtschaftliche
Nutztiere und -pflanzen nicht erteilt werden dürfen und
es einer dringenden Änderung des nationalen Patent-
rechts und der Biopatentrichtlinie bedarf.
Wie akut der Handlungsbedarf ist, zeigt das im Mai
2011 erteilte Melonenpatent. Hier wurde ein Patent auf
eine konventionell gezüchtete Melone erteilt, die ur-
sprünglich aus Indien stammt und eine natürliche Resis-
tenz gegen ein pflanzenschädliches Virus aufweist. Am
letzten Freitag hat Greenpeace zusammen mit der indi-
schen alternativen Nobelpreisträgerin Vandana Shiva
Einspruch gegen das Patent eingelegt. Trotz der Ent-
scheidung der Großen Beschwerdekammer des Europäi-
schen Patentamts zum Brokkolipatent, die Patente auf
konventionell gezüchtete Pflanzen ausgeschlossen hat,
werden immer noch Patente auf konventionell gezüch-
tete Pflanzen erteilt. Im Fall des Melonenpatents würde
also die Firma Monsanto, die der Patentinhaber ist, über
wichtige genetische Ressourcen verfügen, die der Kon-
zern anderen Züchtern vorenthalten kann.
Ich nenne das eine moderne Form der Biopiraterie.
Wenn wir diese Patente nicht unterbinden, befindet sich
bald der größte Teil der genetischen Ressourcen in den
Händen weniger Monopolisten. Dass es nun wieder die
NGOs sind, die Einspruch gegen Patente einlegen, die
eine Gefahr für die Züchter, den Verbraucher und auch
die Nahrungsmittelsicherheit sind, finde ich verantwor-
tungslos. Hier hätte die Bundesregierung ein deutliches
Signal setzen können, indem sie Einspruch erhoben
hätte. Es kann nicht sein, dass wir als Gesetzgeber, der
durchaus Möglichkeiten hat, die entsprechenden Gesetze
oder Richtlinien zu ändern, hier die Hände in den Schoß
legen und die Verantwortung auf Dritte abschieben. Ich
hoffe, unser Antrag wird nun die Tatenlosigkeit, die bis-
her im Justizministerium geherrscht hat, beenden. Jetzt
sollte uns das Ministerium einen Vorschlag zur Ände-
rung der nationalen Patentgesetzgebung vorlegen und
sich in Brüssel für eine Änderung der Biopatentrichtlinie
starkmachen.
In diesem Zusammenhang müssen wir auch weiter an
der Frage der Prozesskostenbeihilfe und der Überprü-
fung der Finanzierung des Europäischen Patentamtes
dranbleiben. Diese zwei Punkte, die leider die Rechts-
politiker der Koalition nicht mittragen wollten, behalten
wir weiter auf der Agenda. Einspruchsverfahren gegen
Patente sind sehr kostspielig, und wir müssen ein Modell
erarbeiten, das Interessenvertretungen und auch kleine-
ren Verbänden die Möglichkeit gibt, öffentliche Belange
wirkungsvoll vor den Patentämtern zu vertreten.
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Den zweiten Punkt, die Überprüfung der Finanzie-
ng des Europäischen Patentamtes, hatte die SPD be-
its in ihrem ersten Antrag – aus dem sich nun unser ge-
einsamer Antrag entwickelt hat – gefordert. Ein Amt,
as sich durch die Erteilung von Patenten finanziert, ist
icht unabhängig. Die Neigung, ein Patent nicht zu ertei-
n, wird auf dieser Basis besonders stark ausgeprägt
ein. Hier muss schnellstmöglich reformiert werden. Wir
ollten gemeinsam Initiativen und Vorschläge entwi-
keln, denen wir dann vielleicht auch wieder gemeinsam
ustimmen können.
Diese beiden gerade angesprochenen Punkte finden
ich auch im Antrag der Linksfraktion wieder, der uns
ier auch zur Abstimmung vorliegt. Ich finde es nach
ie vor bedauerlich, dass wir unseren gemeinsamen An-
ag nicht auch im Namen der Linksfraktion eingebracht
aben. Der eigene Antrag der Linksfraktion „Keine Pa-
nte auf Leben“ greift Punkte auf, die in unserem ur-
prünglichen Antrag der Agrarberichterstatter Konsens
aren, er fordert aber auch pauschale weltweite Verbote,
ie so nicht umsetzbar sein werden. Deshalb werden wir
atürlich unserem gemeinsamen fraktionsübergreifen-
en Antrag zustimmen und uns bei dem Antrag der Lin-
en enthalten.
Stephan Thomae (FDP): Beim Thema Biopatente
lingeln in der Bevölkerung schnell die Alarmglocken.
s ist eine Materie, die sehr emotional debattiert und von
ielen sehr misstrauisch betrachtet wird. Aus diesem
rund ist es gut und wichtig, dass der Deutsche Bundes-
g sich des Themas annimmt.
CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne haben hierzu einen
ntrag vorgelegt. Ziel des Antrags ist es, klarzustellen,
ass es keine Patente auf konventionelle Züchtungsver-
hren, mit diesen gezüchtete Pflanzen und Nutztiere so-
ie deren Nachkommen geben soll. Die Vergangenheit
at gezeigt, dass von Unternehmen immer wieder Versu-
he unternommen werden, Patente auf Pflanzen und
iere zu bekommen. Zum Teil wurden entsprechende
atente auch erteilt. Dies stellt jedoch eine große Beein-
ächtigung für Forschung und Züchtung dar. Der frak-
onsübergreifende Antrag soll gewährleisten, dass so-
ohl die Forschungs- als auch die Züchtungsfreiheit
rhalten bleiben.
Die Große Beschwerdekammer des Europäischen Pa-
ntamtes hat in ihrer Entscheidung vom 9. Dezember
010 in den Fällen Brokkoli und Tomate entschieden,
ass eine Patentierung überwiegend konventionell ge-
üchteter Tiere und Pflanzen unzulässig ist. Die Ent-
cheidung deckt aber nicht alle denkbaren Fallkonstella-
onen ab. Daher ist auch in Zukunft damit zu rechnen,
ass Biopatente beantragt werden.
Unser Antrag sieht daher vor, dass die Möglichkeiten
r eine entsprechende Klarstellung im deutschen Recht
eprüft werden sollen. Gleichzeitig wird die Bundes-
gierung aufgefordert, sich auf EU-Ebene für eine ent-
prechende Änderung der Biopatentrichtlinie einzuset-
en.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012 19019
(A) )
)(B)
An dieser Stelle möchte ich positiv hervorheben, dass
wir hier einen überfraktionellen Antrag haben, der im
Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages einstimmig
angenommen wurde. Es ist ein starkes Signal für den
Antrag, dass er von allen Fraktionen im Deutschen Bun-
destag getragen wird.
Die Linken beklagen in ihrem Antrag, dass der An-
trag auf Bundestagsdrucksache 17/8344 zunächst mit ih-
nen erarbeitet wurde, dann aber ohne sie eingebracht
wurde. Grundsätzlich halte ich es für erstrebenswert,
möglichst breite Mehrheiten für ein Anliegen zu erzie-
len. In diesem Fall wäre dies aber wohl schwierig ge-
worden. Die Linke beantragt nämlich, dass Patente auf
Pflanzen und Tiere selbst dann nicht zugelassen werden
sollen, wenn es sich um gentechnische Verfahren han-
delt.
Hier liegt der entscheidende Unterschied. Der frak-
tionsübergreifende Antrag beschränkt sich in seinen For-
derungen auf überwiegend konventionelle Züchtungs-
verfahren. Wir verteufeln nicht die Grüne Gentechnik,
sondern sehen sie als Chance. Dass dabei gewisse Re-
geln eingehalten werden müssen, steht außer Frage.
Die Linke entwirft in ihrem Antrag das Schreckens-
szenario, dass die Entwicklung der Patentierung auch
vor dem Menschen nicht haltmachen könne. Dazu sei
den Kollegen der Linken eines gesagt: Bereits jetzt sieht
§ 1 a Abs. 1 PatG vor, dass der menschliche Körper
keine patentierbare Erfindung sein kann. Diese Sorge ist
also unbegründet.
Bei Licht betrachtet, liegen die hier vorliegenden An-
träge nicht allzu weit auseinander. Mag es im Vorfeld für
einige Beteiligte Gründe gegeben haben, einen Antrag
aller Fraktionen zu verhindern, wäre es doch umso schö-
ner, wenn der fraktionsübergreifende Antrag einstimmig
angenommen würde.
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Über einein-
halb Jahre hat eine interfraktionelle Gruppe zum Thema
Biopatente gearbeitet. Dabei waren Abgeordnete der
CDU/CSU, der SPD, der FDP, der Grünen und auch ich
als Vertreterin der Linksfraktion. Uns einte ein Ziel: Wir
wollten den ausufernden Patenterteilungen auf Pflanzen
und Tiere einen wirksamen Riegel vorschieben. Das
Ergebnis ist der Antrag auf der Bundestagsdrucksache
17/8344 „Keine Patentierung von konventionell gezüch-
teten landwirtschaftlichen Nutztieren und -pflanzen“.
Leider hat die Union in letzter Minute verhindert,
dass der gemeinsame Antrag auch von allen fünf Frak-
tionen als Autoren des Antrags gemeinsam eingereicht
werden konnte. In der CDU/CSU-Fraktion gibt es einen
Unvereinbarkeitsbeschluss, der verbietet, öffentlich er-
kennbar mit den Abgeordneten der Linksfraktion zusam-
menzuarbeiten. Das ist meiner Meinung nach des Hohen
Hauses unwürdig. Aus direkten Gesprächen mit Kolle-
ginnen und Kollegen der anderen Fraktionen weiß ich,
dass sie diesen Umgang der CDU/CSU-Fraktion mit uns
– und damit auch den Wählerinnen und Wählern der
Linken – auch kritisch sehen. Selbst Unionspolitikern
und -politikerinnen ist das peinlich. Also: Lassen Sie
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och endlich diese Sandkastenspiele, oder machen Sie
iese einfach nicht mehr mit!
Trotz unserer Ausgrenzung werden wir dem Antrag
ustimmen – obwohl er wirklich nur der kleinste ge-
einsame Nenner ist und jede Menge Aspekte unter den
isch gefallen sind. Der Linken ist ein eindeutiges Zei-
hen des Bundestages wichtiger als die parteipolitische
evanche. Damit sagen wir den anderen Mitgliedstaaten
instimmig aus dem Bundestag: Wir wollen keine Pa-
nte auf landwirtschaftliche Nutzpflanzen und Tiere.
asst uns die rechtlichen Grundlagen dafür ändern!
Um zu dokumentieren, wie weit unsere Kompromiss-
ereitschaft ging, stellen wir heute auch einen eigenen
iopatente-Antrag zur Sofortabstimmung. Im Antrag
7/8584 „Keine Patente auf Leben“ machen wir unsere
eiter gehende Ablehnung von Biopatenten deutlich,
nd zwar nicht nur bei landwirtschaftlichen Nutztieren
der -pflanzen und nicht nur bei konventioneller Züch-
ng, sondern bei allen Tieren, Pflanzen, Genen, Produk-
n etc. und selbstverständlich auch bei der Agro-
entechnik. Gerade die Gentech-Konzerne nutzen regel-
äßig das Patentrecht, um ihre Gewinne zu sichern.
Die Linke im Bundestag fordert die Bundesregierung
uf, sich für ein weltweites Verbot der Patentierung von
enschen, Pflanzen, Tieren und anderen Lebewesen so-
ie deren Nachkommen, Produkte, Organe, Gene, Gen-
equenzen einzusetzen. Um das zu erreichen, muss sich
eutschland für entsprechende Änderungen internatio-
aler Abkommen, zum Beispiel des Übereinkommens
ber handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen
igentum, TRIPS, und der EU-Patentgesetzgebung, ein-
etzen. Selbstverständlich sind diese Änderungen eben-
lls im deutschen Patentgesetz, PatG, vorzunehmen.
Neben der Frage nach dem Biopatentverbot fordern
ir eine unabhängige Finanzierung des Europäischen
atentamts, EPA, und eine Prozesskostenhilfe, die si-
hert, dass Betroffene unabhängig von ihrer eigenen
nanziellen Situation Patentzulassungen rechtlich über-
rüfen lassen können. Beide Forderungen waren ur-
prünglich im interfraktionellen Antrag vorhanden, sind
ann aber dem Rotstift der Rechtspolitikerinnen und
echtspolitiker der Koalition zum Opfer gefallen. Wir
alten aber daran fest.
Nachdem im Deutschen Bundestag monatelang nach
iner gemeinsamen Position gesucht wurde, stellt sich
un die Frage: Wie weiter? Wir sollten den heutigen Be-
chluss den Parlamenten der anderen Mitgliedstaaten
owie dem Europäischen Parlament und der EU-Kom-
ission als unsere einstimmige Positionierung zur Be-
cksichtigung in der weiteren Debatte übergeben. Die-
es klare Bekenntnis des Bundestages ist nur ein erster
wenn auch wichtiger – Schritt, dem noch weitere fol-
en müssen. Dabei wird sich auch die Linke weiter en-
agieren: Gegen Biopatente!
Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
eutige Verabschiedung des interfraktionellen Bio-
atentantrags ist ein wichtiger Meilenstein in der Bio-
atentthematik. Denn mit der Verabschiedung legen wir
(A) (C)
)(B)
den Grundstein für ein endgültiges Verbot der Patentie-
rung konventioneller Züchtungsverfahren, das auch den
Umweg der sogenannten Product-by-Process-Patente
zur Erlangung von Patentansprüchen auf Agrarprodukte
und Lebensmittel einschließt. Auch das staatliche Moni-
toring von Biopatenten ist wichtig und richtig, ebenso
wie die Verpflichtung, mit den betroffenen gesellschaft-
lichen Gruppen in den Dialog zu treten. Letzteres ist mir
Denn mit Sorge betrachten wir im Hinblick auf den EU-
Rechtsrahmen zu Biopatenten die Entwicklungen bei der
Einführung der neuen Verordnung über die Schaffung
eines „europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung“.
Warum? Die neue Verordnung wird sich in ihrer Reich-
weite sowohl auf die Biopatentrichtlinie als auch direkt
auf das deutsche Patentgesetz auswirken – mit mög-
licherweise fatalen Folgen. Zum gegenwärtigen Zeit-
V
als Baden-Württemberger natürlich besonders wichtig,
wo die „Politik des Gehörtwerdens“ zentrales Anliegen
der grün-roten Landesregierung ist.
Als passionierter Volleyballer würde ich sagen: Das
Parlament hat nach einer guten „Annahme“ sauber „ge-
stellt“, jetzt muss die Bundesregierung „verwandeln“.
Gerade auf der Ebene der nationalen Gesetzgebung, also
im deutschen Patentgesetz, muss die Bundesregierung
die notwendigen Korrekturen jetzt schnell umsetzen.
Das dringend notwendige staatliche Monitoring der
angemeldeten und erteilten Biopatente muss kommen.
Und es muss institutionell dort angesiedelt werden, wo
das erforderliche Wissen um die durch Biopatente mög-
licherweise ausgelösten Probleme für die Praxis vorhan-
den ist. Dies ist zweifelsohne im Geschäftsbereich des
BMELV der Fall.
Es ist aber auch absehbar, dass die Änderungen der
EU-Biopatentrichtlinie, die wir in unserem Antrag eben-
falls einfordern, mit langwierigen und schwierigen Ver-
handlungen auf EU-Ebene verbunden sein werden. Die
Fraktionen des Deutschen Bundestages sind sich heute
einig, was den grundlegenden Forderungskatalog angeht.
Daraus ergibt sich für die Bundesregierung die Pflicht,
die interfraktionelle Initiative aufzugreifen und sich in
der EU mit aller nötigen Ausdauer und Energie für die
Interessen der deutschen Landwirte, Züchter und letzt-
lich auch der Verbraucher einzusetzen.
Es ist äußerst bedauerlich, dass die Koalitionsfraktio-
nen in der Schlussphase der Verhandlungen die Fraktion
Die Linke aus dem interfraktionellen Prozess ausge-
schlossen haben. Wenn die Linksfraktion deshalb heute
einen eigenen Antrag vorlegt, ist das verständlich. Wir
bedauern aber, dass es dazu kommen musste. Wir teilen
viele der darin angesprochenen Punkte, wie beispiels-
weise die notwendige Reform der Finanzierung des
Europäischen Patentamts, das sich bislang vorwiegend
über die Gebühren für erteilte Patente finanziert. Auch
die Erweiterung des Patentierungsverbotes auf gentech-
nisch veränderte Organismen, GVO, tragen wir selbst-
verständlich mit. Im Interesse der interfraktionellen Ini-
tiative haben wir uns dennoch entschlossen, uns zum
Antrag der Linksfraktion zu enthalten.
Unser interfraktioneller Antrag heute zielt wie schon
erwähnt in weiten Teilen auf die EU-Rechtssetzung.
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Offsetdrucker
ertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln
(D
unkt sind dabei die im deutschen Patentrecht veranker-
n Regelungen zum Züchter- und Landwirteprivileg in
kuter Gefahr.
Die Bundesregierung engagiert sich nach eigener
ussage für eine Klausel, mit der die deutschen Frei-
ume für Landwirte und Züchter gesichert werden sol-
n. Das ist gut so, reicht aber noch nicht. Die Verhand-
ngen sind schließlich noch nicht abgeschlossen, und es
esteht aus unserer Sicht das Risiko, dass diese – laut
uskunft der Bundesregierung im Entwurf des Rats vor-
esehene – „Unberührbarkeitsklausel“ am Ende doch
och einem Kompromiss zum Opfer fallen könnte. Die
onsequenzen wären verheerend: Alle Bestimmungen
es deutschen Patentgesetzes, die über den Rahmen der
iopatentrichtlinie hinausgehen, wären automatisch hin-
llig. Landwirte und Züchter, die mit patentgeschütztem
aterial arbeiten wollen, wären dann der Zustimmung
es jeweiligen Patentinhabers unterworfen, außerdem
ären Patentlizenzgebühren abzuführen.
Selbst wenn es gelingen sollte, die Unberührbarkeits-
lausel für Deutschland zu sichern, dürfen wir auch bei
iesem Thema nicht nur an uns selber denken – es wäre
öchst bedauerlich und langfristig vermutlich auch kaum
altbar, wenn nur in Deutschland Landwirte und Züchter
on patentrechtlichen Einschränkungen befreit wären,
re Kollegen in den anderen EU-Staaten jedoch nicht.
eshalb bevorzugen wir die auch vom Deutschen Bau-
rnverband geforderte direkte Verankerung des Land-
irte- und Züchterprivilegs im EU-Verordnungstext.
Angesichts der schwerwiegenden Konsequenzen, die
ine Verabschiedung der Gemeinschaftspatentverord-
ung ohne die notwendigen Freiräume für die deutsche
and- und Lebensmittelwirtschaft hätte, muss die Bun-
esregierung in dieser Frage rasch, aktiv und entschlos-
en agieren.
Die Verschiebung der abschließenden Abstimmung
Europaparlament vom 14. Februar auf März und
ventuell sogar Juni ist für die Bundesregierung eine
roße Chance und auch Verpflichtung, in intensiven und
mfassenden Verhandlungen mit den europäischen
achbarn hier die erforderlichen Fortschritte im Sinne
es heutigen Antrags zu erreichen. Daran werden wir Sie
essen!
19020 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. Februar 2012
ei, Bessemerstraße 83–91, 1
, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
158. Sitzung
Inhaltsverzeichnis
TOP 3 Landwirtschaftliche Sozialversicherung
TOP 4 und ZP 2 Industriepolitik für den Standort Deutschland
TOP 25 und ZP 3 Überweisungen im vereinfachtenVerfahren
TOP 26 Abschließende Beratungen ohne Aussprache
ZP 4, 5 Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses
ZP 6 Aktuelle Stunde zum EU-Fiskalpakt
TOP 5 Internationale Gesundheitsvorschriften
TOP 6 Rechtsschutz im Wahlrecht
ZP 7 Deutsche politische Stiftungen in Ägypten
TOP 8 Strafbarkeit der Genitalverstümmelung
TOP 7 Forschung für die zivile Sicherheit
TOP 10, ZP 8 Arbeitslosenversicherung
TOP 9 Kinder- und Jugendtourismus
TOP 12 Staatsangehörigkeitsrecht
TOP 11 Europäische Versicherungs-Aufsichtsbehörde
TOP 14 Aufhebung von Berufsverboten
TOP 13 EU-Verordnungen zum Betrieb von Flughäfen
TOP 16 Pakistan
TOP 15 Umsatzsteuergesetz
TOP 26 b, c Patentrecht
TOP 17 Soziale Dimension der Bologna-Reform
TOP 18 Unterstützung von ehemaligen Kindersoldaten
TOP 19 Brustimplantate-Skandal
Anlagen