Protokoll:
17149

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 149

  • date_rangeDatum: 15. Dezember 2011

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:43 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/149Inhaltsverzeichnis a) Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister des Auswärtigen: Ei- genverantwortung und Partnerschaft – Eine neue Perspektive für Afghanistan b) Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Interna- tionalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolu- tion 1386 (2001) und folgender Resolu- tionen, zuletzt Resolution 2011 (2011) vom 12. Oktober 2011 des Sicherheitsra- tes der Vereinten Nationen (Drucksache 17/8166) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Johannes Pflug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17761 D 17774 C 17775 A 17776 C 17777 A 17778 A 17779 A 17780 B 17780 D 17781 A Deutscher B Stenografisch 149. Sitz Berlin, Donnerstag, den I n h a l Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Erich Fritz und Susanne Kastner . . . Wahl der Abgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin und Dr. Gesine Lötzsch in den Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wie- deraufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 15 und 28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: D D W D D D H D 17759 A 17759 B 17759 B 17759 B 17761 D Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17762 A undestag er Bericht ung 15. Dezember 2011 t : r. h. c. Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . r. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . r. Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . r. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Thomas de Maizière, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Thomas de Maizière, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17765 D 17766 D 17768 A 17769 B 17770 C 17772 A 17773 C 17774 B Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . 17782 B 17783 B II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Tagesordnungspunkt 4: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordne- ten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Rente erst ab 67 – Risiken für Jung und Alt (Drucksachen 17/5106, 17/7966) . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen- Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 33: a) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs (Drucksache 17/1221) . . . . . . . . . . . . . . . . b c d e f) in Z a b 17784 C 17784 C 17785 C 17786 B 17788 B 17788 C 17789 A 17791 B 17791 B 17793 A 17794 C 17796 A 17798 A 17800 A 17800 C 17801 A 17801 D 17802 C 17804 A 17804 B 17805 C 17806 D 17807 B 17808 D 17809 C 17810 C 17816 C 17810 D ) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sozialen Fortschritt und regio- nale Integration in Lateinamerika un- terstützen (Drucksache 17/3214) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Teilprivatisierung bei der Hochschulzulassung (Drucksache 17/7642) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Beate Müller-Gemmeke, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Prekäre Situation von Lehrbeauftragten an Mu- sikhochschulen sowie Hochschulen für Musik und Theater beenden – Rahmen- bedingungen zur Einrichtung einer Ar- beitsgruppe schaffen (Drucksache 17/7825) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbraucherrecht auf ein kostenloses Girokonto für alle gesetz- lich verankern (Drucksache 17/8141) . . . . . . . . . . . . . . . Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56 a der Geschäftsordnung: Tech- nikfolgenabschätzung (TA) – Innova- tionsreport – Zukunftspotenziale und Strategien nichtforschungsintensiver In- dustrien in Deutschland – Auswirkun- gen auf Wettbewerbsfähigkeit und Be- schäftigung (Drucksache 17/4983) . . . . . . . . . . . . . . . Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 3: ) Antrag der Abgeordneten Rolf Hempelmann, Dirk Becker, Hubertus Heil (Peine), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die europäische Energieeffizienz- richtlinie wirkungsvoll ausgestalten (Drucksache 17/8159) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Rita Schwarzelühr- Sutter, René Röspel, Willi Brase, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Chancen der Nanotechnologie nutzen 17810 D 17811 A 17811 A 17811 A 17811 B 17811 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 III und Risiken für Verbraucher reduzie- ren (Drucksache 17/8158) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier, Willi Brase, Petra Crone, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Antibiotika-Einsatz in der Tier- haltung senken und eine wirksame Re- duktionsstrategie umsetzen (Drucksache 17/8157) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Högl, Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Men- schenhandels korrekt ratifizieren – Deutsches Recht wirksam anpassen (Drucksache 17/8156) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Fraktion der SPD: Recht auf Eheschließung auch gleichgeschlechtli- chen Paaren ermöglichen (Drucksache 17/8155) . . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Dr. Gerhard Schick, Lisa Paus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Für die Einfüh- rung eines transparenten und unabhän- gigen Staateninsolvenzverfahrens (Drucksache 17/8162) . . . . . . . . . . . . . . . . g) Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Ekin Deligöz, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rechtssi- cherheit für verwaiste Werke herstellen und den Ausbau der Deutschen Digita- len Bibliothek auf ein solides Funda- ment stellen (Drucksache 17/8164) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 34: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu dem Antrag der Abgeord- neten Stephan Kühn, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zukunftsfähige Alternativen zur Nordverlängerung der Bundesauto- bahn 14 (Magdeburg–Schwerin) entwi- ckeln (Drucksachen 17/4199, 17/5033) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Dr. Harald Terpe, Thilo Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- c d in Z a b 17811 C 17811 C 17811 D 17811 D 17812 A 17812 A 17812 D NIS 90/DIE GRÜNEN: Kein Verbot von Koka-Blättern – Für die völkerrechtli- che Anerkennung als schützenswerte Kultur der indigenen Völker im Anden- Raum (Drucksachen 17/6120, 17/7291) . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Joachim Pfeiffer, Dr. Michael Fuchs, Kai Wegner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Martin Lindner (Berlin), Claudia Bögel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Weniger Bürokratie und Belastungen für den Mittelstand – Den Erfolgskurs fort- setzen – zu dem Antrag der Abgeordneten Andrea Wicklein, Garrelt Duin, Hubertus Heil (Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Stagnation beim Bürokratieabbau überwinden – Neue Schwerpunktsetzung für den Mittelstand umsetzen (Drucksachen 17/7636, 17/7610, 17/8167) ) – m) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 354, 355, 356, 357, 358, 359, 360, 361, 362 und 363 zu Petitionen (Drucksachen 17/7969, 17/7970, 17/7971, 17/7972, 17/7973, 17/7974, 17/7975, 17/7976, 17/7977, 17/7978) . . . . . . . . . . . Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 4: ) Antrag der Abgeordneten Heinz Paula, Willi Brase, Petra Crone, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Ver- bot der Haltung wildlebender Tierarten im Zirkus (Drucksache 17/8160) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting- Uhl, Hans-Josef Fell, Ingrid Nestle, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Erneuer- bare Energien und Energieeffizienz als Alternative zum polnischen Atompro- gramm fördern und fordern (Drucksache 17/8163) . . . . . . . . . . . . . . . 17813 A 17813 B 17813 C 17814 C 17814 D IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 c) Beratung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses: Übersicht 6 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfas- sungsgericht (Drucksache 17/8165) . . . . . . . . . . . . . . . . d) – m) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 364, 365, 366, 367, 368, 369, 370, 371, 372 und 373 zu Petitionen (Drucksachen 17/8168, 17/8169, 17/8170, 17/8171, 17/8172, 17/8173, 17/8174, 17/8175, 17/8176, 17/8177) . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung der Beschlussempfehlung des Aus- schusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschusses) zu dem Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinder- schutzgesetz – BKiSchG) (Drucksachen 17/6256, 17/7522, 17/7523, 17/7932, 17/7967, 17/8130) . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde auf Verlangen aller Fraktio- nen: Demokratiebewegung in Russland . . . Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . Franz Thönnes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Link (Heilbronn) (FDP) . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erich G. Fritz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D M T Z d G a K (D C S A J In D D N T B te B re s A re L K g D in (D M D D D K A U S M 17814 D 17815 A 17816 A 17818 B 17818 B 17819 D 17821 A 17822 B 17823 C 17824 D 17825 D 17826 D 17827 D 17828 D 17830 A 17831 B 17832 B 17833 C r. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . anfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 5: weite und dritte Beratung des von der Bun- esregierung eingebrachten Entwurfs eines esetzes zur Förderung der Mediation und nderer Verfahren der außergerichtlichen onfliktbeilegung rucksachen 17/5335, 17/5496, 17/8058) . . hristian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . onja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ndrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) . . . . . . . ens Petermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . grid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . r. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . orbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 6: eratung der Großen Anfrage der Abgeordne- n Marianne Schieder (Schwandorf), Ulla urchardt, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weite- r Abgeordneter und der Fraktion der SPD owie der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, gnes Alpers, Matthias W. Birkwald, weite- r Abgeordneter und der Fraktion DIE INKE sowie der Abgeordneten Krista Sager, erstin Andreae, Birgitt Bender, weiterer Ab- eordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN: Geschlechtergerechtigkeit Wissenschaft und Forschung rucksachen 17/5541, 17/7756) . . . . . . . . . . arianne Schieder (Schwandorf) (SPD) . . . . r. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . r. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . rista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . lla Burchardt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . onika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17835 C 17836 D 17837 D 17838 A 17839 B 17840 C 17841 D 17843 A 17844 C 17846 A 17847 C 17848 D 17849 A 17850 B 17851 C 17852 D 17853 D 17854 D 17855 D 17857 C 17858 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 V Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum besseren Schutz der Verbraucherin- nen und Verbraucher vor Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr (Drucksache 17/7745) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) . . . . Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Fritz Kuhn, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Das Bildungs- und Teilhabepaket – Leistungen für Kinder und Jugendliche unbürokratisch, zielgenau und bedarfsge- recht erbringen (Drucksache 17/8149) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Brehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Brehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Angelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Unterstützung der Fachkräftegewinnung im Bund und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 17/7142, 17/8178) . . . . . . . – A M D F D N E T A E te K s Z (D T a b S D S U J 17859 A 17859 B 17860 B 17861 A 17862 C 17863 C 17864 B 17865 B 17866 B 17866 C 17867 C 17868 D 17868 D 17869 A 17870 A 17871 D 17872 D 17874 B 17875 A Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksachen 17/8185, 17/8178) . . . . . . . rmin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . r. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . rank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . r. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . amentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . rgebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 10: ntrag der Abgeordneten Dr. Karl Lauterbach, lke Ferner, Bärbel Bas, weiterer Abgeordne- r und der Fraktion der SPD: Folgen von assenschließungen – Versicherte und Be- chäftigte schützen, Wettbewerb stärken, usatzbeiträge abschaffen rucksache 17/6485) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 9: ) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Menschenwürde ist nicht verhandelbar – Bedingungen in griechischen Flücht- lingslagern sofort verbessern (Drucksache 17/7979) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Annette Groth, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Menschenrechtliche Situation für Flücht- linge in Griechenland verbessern – Für eine solidarische Flüchtlingspolitik der EU (Drucksache 17/8139) . . . . . . . . . . . . . . . tephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . aniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . erkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . osef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17875 B 17875 C 17877 D 17878 B 17879 B 17880 C 17881 C 17882 C 17883 C 17884 A 17885 C 17887 B 17887 D 17887 D 17888 A 17889 D 17890 C 17891 C 17892 D VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Bei der Vergabe von Exportkreditgarantien auch menschenrechtliche Aspekte prüfen (Drucksachen 17/7810, 17/7988) . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Begleitgesetzgebung zum Vertrag von Lissabon konsequent anwenden – Mitwir- kungsrechte des Bundestages in Angele- genheiten der Europäischen Union weiter stärken (Drucksache 17/8137) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Andrej Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Demokratie stärken – Parlamentarische Rechte in EU-Angelegenheiten ausbauen (Drucksache 17/8138) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Wolfgang Gehrcke, Paul Schäfer (Köln), Wolfgang Nešković, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wi- derruf der gemäß § 8 des Parlamentsbetei- ligungsgesetzes erteilten Zustimmungen zu den Anträgen der Bundesregierung vom 28. Januar 2011 und 23. März 2011 – Bun- deswehr aus Afghanistan abziehen (Drucksachen 17/7547, 17/8027) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Kultur und Medien – – (D W U R D A C T E K w N e g ü s w s (D T Z d G n P 2 (D 17893 C 17894 C 17895 D 17896 A 17896 B 17896 D zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Christoph Poland, Dorothee Bär, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Ab- geordneten Reiner Deutschmann, Patrick Kurth (Kyffhäuser), Sebastian Blumenthal, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ratifizierung der UNESCO- Konvention zum immateriellen Kultur- erbe vorantreiben zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Schmidt (Aachen), Siegmund Ehrmann, Martin Dörmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Agnes Krumwiede, Claudia Roth (Augsburg), Ekin Deligöz, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ratifizierung des UNESCO-Übereinkommens zur Bewah- rung des immateriellen Kulturerbes vor- bereiten und unverzüglich umsetzen rucksachen 17/6314, 17/6301, 17/8121) . . olfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . lla Schmidt (Aachen) (SPD) . . . . . . . . . . . . einer Deutschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . r. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . gnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hristoph Poland (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 16: rste Beratung des von den Abgeordneten rista Sager, Wolfgang Wieland, Kai Gehring, eiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- IS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs ines Gesetzes zur Streichung des Doktor- rades aus dem Passgesetz, dem Gesetz ber Personalausweise und den elektroni- chen Identitätsnachweis, der Personalaus- eisverordnung sowie dem Aufenthaltsge- etz und der Aufenthaltsverordnung rucksache 17/8128) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 17: weite und dritte Beratung des von der Bun- esregierung eingebrachten Entwurfs eines esetzes zur Durchführung der Verord- ung (EU) Nr. 211/2011 des Europäischen arlaments und des Rates vom 16. Februar 011 über die Bürgerinitiative rucksachen 17/7575, 17/8029) . . . . . . . . . . 17897 A 17897 B 17898 C 17899 D 17900 D 17901 C 17902 C 17903 D 17904 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 VII Ingo Wellenreuther (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Jimmy Schulz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. Fe- bruar 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Repu- blik über den Güterstand der Wahl-Zuge- winngemeinschaft (Drucksachen 17/5126, 17/8059) . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Petra Crone, Sönke Rix, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Freiwilligendienste aller Generationen ver- stetigen – Engagement ohne Altersgrenzen stärken (Drucksache 17/7980) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Grübel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Vier- zehnten Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes (Drucksache 17/8098) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Herbert Behrens, P D K P H S T A J g b b (D M H J T U B T B s tr M A A v v (D F O S D D 17904 B 17906 C 17907 A 17907 D 17908 C 17909 C 17909 C 17911 B 17911 C 17912 B 17912 C 17913 C 17913 D 17915 A 17916 A 17917 B Thomas Nord, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Luftverkehrsgesetzes (Drucksache 17/8129) . . . . . . . . . . . . . . . eter Wichtel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . aniela Ludwig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . irsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . atrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . erbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . tephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 21: ntrag der Abgeordneten Bärbel Bas, ohannes Pflug, Michael Groß, weiterer Ab- eordneter und der Fraktion der SPD: Duis- urger Hafen muss in öffentlicher Hand leiben rucksache 17/8140) . . . . . . . . . . . . . . . . . . atthias Lietz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . ans-Werner Kammer (CDU/CSU) . . . . . . . . ohannes Pflug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . orsten Staffeldt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . lla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . ettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 22: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Arbeit und Soziales zu dem An- ag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, atthias W. Birkwald, Diana Golze, weiterer bgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: ufbewahrungsfrist der Lohnunterlagen on DDR-Betrieben bis 31. Dezember 2016 erlängern rucksachen 17/7486, 17/8045) . . . . . . . . . . rank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . ttmar Schreiner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . ebastian Blumenthal (FDP) . . . . . . . . . . . . . r. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . r. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . 17917 B 17917 C 17918 C 17919 B 17920 A 17920 C 17921 B 17922 A 17922 A 17922 D 17924 A 17924 D 17925 B 17926 A 17926 D 17926 D 17927 D 17928 B 17928 D 17929 D VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dorothea Steiner, Jerzy Montag, Ingrid Hönlinger, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt- Rechtsbehelfsgesetz) (Drucksache 17/7888) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Judith Skudelny (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Stüber (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Antrag der Abgeordneten Katrin Werner, Annette Groth, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Menschenrechte und Demokratie in den Staaten des Südkaukasus fördern (Drucksache 17/7645) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Ullrich Meßmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Qua- lität der Integrationskurse verbessern (Drucksachen 17/7639, 17/8179) . . . . . . . . . . Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . Serkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . T A D w L d (D A G D A H T A C o G Z a (D A E D D H N A L A M (1 C E k A D 17930 C 17930 C 17931 A 17931 D 17932 D 17933 C 17934 B 17934 C 17935 B 17936 A 17937 B 17938 C 17939 C 17939 D 17941 B 17942 A 17943 B 17945 A agesordnungspunkt 26: ntrag der Abgeordneten Alexander Süßmair, r. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, eiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE INKE: Rettung einheimischer Rebsorten urch Erhaltungsanbau rucksache 17/7845) . . . . . . . . . . . . . . . . . . lois Gerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . ustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . lexander Süßmair (DIE LINKE) . . . . . . . . . arald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 27: ntrag der Abgeordneten Harald Ebner, ornelia Behm, Bärbel Höhn, weiterer Abge- rdneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN: Vorsorgeprinzip anwenden – ulassung des Pestizidwirkstoffs Glyphosat ussetzen und Neubewertung vornehmen rucksache 17/7982) . . . . . . . . . . . . . . . . . . lois Gerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . lvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . r. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . r. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . arald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 ündliche Frage 8 48. Sitzung, Drucksache 17/8101) aren Marks (SPD) inbringung eines Gesetzentwurfs zur ünstlichen Befruchtung ntwort r. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17946 A 17946 A 17947 A 17947 C 17948 B 17948 D 17950 B 17950 B 17951 B 17951 D 17953 A 17954 C 17955 D 17957 A 17957 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 IX Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Maria Klein-Schmeink, Uwe Kekeritz, Monika Lazar, Agnes Krumwiede, Agnes Brugger, Dorothea Steiner, Sylvia Kotting-Uhl und Thilo Hoppe (alle BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zu den Abstimmun- gen über die Entschließungsanträge der Frak- tionen der SPD (Drucksache 17/8150) und DIE LINKE (Drucksache 17/8151) zu der Großen Anfrage „Rente erst ab 67 – Risiken für Jung und Alt“ (Tagesordnungspunkt 4) . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen und Gudrun Kopp (alle FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Förde- rung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung (Tages- ordnungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Folgen von Kassenschließun- gen – Versicherte und Beschäftigte schützen, Wettbewerb stärken, Zusatzbeiträge abschaf- fen (Tagesordnungspunkt 10) Erwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Bas (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Bei der Vergabe von Exportkreditga- rantien auch menschenrechtliche Aspekte prüfen (Tagesordnungspunkt 12) Erich G. Fritz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) . . . . . . . . Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A Z d tr M le s J A D D A M A Z B A m m v B g S F L D S T A Z d d G h n T G M N K 17957 D 17959 A 17959 C 17961 A 17962 C 17963 B 17964 A 17964 C 17966 D 17968 A 17968 B 17968 D nlage 7 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Begleitgesetzgebung zum Ver- ag von Lissabon konsequent anwenden – itwirkungsrechte des Bundestages in Ange- genheiten der Europäischen Union weiter tärken (Zusatztagesordnungspunkt 7 und 8) ürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . lois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . ndrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . anuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 8 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung: eschlussempfehlung und Bericht zu dem ntrag: Widerruf der gemäß § 8 des Parla- entsbeteiligungsgesetzes erteilten Zustim- ungen zu den Anträgen der Bundesregierung om 28. Januar 2011 und 23. März 2011 – undeswehr aus Afghanistan abziehen (Ta- esordnungspunkt 14) ibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . lorian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . ars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . tefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . om Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 9 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes zur Streichung es Doktorgrads aus dem Passgesetz, dem esetz über Personalausweise, dem Aufent- altsgesetz und den dazugehörigen Verord- ungen (Tagesordnungspunkt 16) ankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . abriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . anuel Höferlin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . icole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . rista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17969 C 17970 C 17972 B 17974 B 17975 B 17976 D 17977 D 17979 A 17979 D 17980 B 17981 A 17981 D 17982 C 17983 C 17984 A 17984 D 17985 C X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Freiwilligendienste aller Genera- tionen verstetigen – Engagement ohne Alters- grenzen stärken (Tagesordnungspunkt 19) Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Florian Bernschneider (FDP) . . . . . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17986 B 17987 D 17988 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17759 (A) ) )(B) 149. Sitz Berlin, Donnerstag, den Beginn: 9.0
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17957 (A) ) )(B) Anlagen Jung und Alt“ (Tagesordnungspunkt 4)Waltraud Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten A d F z F M e lo b F re ü te K – – – – k U d in g B k tu A Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Aigner, Ilse CDU/CSU 15.12.2011 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 15.12.2011 Dörflinger, Thomas CDU/CSU 15.12.2011 Fischer (Karlsruhe- Land), Axel E. CDU/CSU 15.12.2011 Freitag, Dagmar SPD 15.12.2011 Friedhoff, Paul K. FDP 15.12.2011 Hempelmann, Rolf SPD 15.12.2011 Herlitzius, Bettina BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15.12.2011 Höferlin, Manuel FDP 15.12.2011 Höger, Inge DIE LINKE 15.12.2011 Knoerig, Axel CDU/CSU 15.12.2011 Kolbe, Manfred CDU/CSU 15.12.2011 Dr. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 15.12.2011 Dr. Lauterbach, Karl SPD 15.12.2011 Lay, Caren DIE LINKE 15.12.2011 Lindner, Christian FDP 15.12.2011 Mücke, Jan FDP 15.12.2011 Müller-Sönksen, Burkhardt FDP 15.12.2011 Nešković, Wolfgang DIE LINKE 15.12.2011 Poß, Joachim SPD 15.12.2011 Schlecht, Michael DIE LINKE 15.12.2011 Dr. Schwanholz, Martin SPD 15.12.2011 Spahn, Jens CDU/CSU 15.12.2011 Süßmair, Alexander DIE LINKE 15.12.2011 Werner, Katrin DIE LINKE 15.12.2011 Wolff (Wolmirstedt), SPD 15.12.2011 (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht nlage 2 Antwort es Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die rage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (148. Sit- ung, Drucksache 17/8101, Frage 8): Wann legt die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur Unterstützung der Maßnahmen für eine künstliche Befruchtung vor, damit die im Haushalt 2012 vorgesehenen 7 Millionen Euro freigegeben werden, und wel- che Personen sollen anspruchsberechtigt sein? Das Bundesministerium für Familie, Senioren, rauen und Jugend prüft derzeit intensiv verschiedene odelle zur Ausgestaltung einer Förderrichtlinie, die ine bessere finanzielle Unterstützung ungewollt kinder- ser Paare durch Bund und Länder beinhalten wird. Da- ei orientieren wir uns am Anspruchskreis des § 27 a des ünften Buches Sozialgesetzbuch. Die Länder haben be- its jetzt die Möglichkeit, Regelungen zu treffen, die ber die dort beschriebene Personengruppe hinausgehen. Wichtig ist uns dabei, dass die bessere finanzielle Un- rstützung in ein effektives Gesamtkonzept zum Thema inderwunsch eingebettet wird. Dazu zählt eine bessere Aufklärung über Ursachen und Folgen der ungewollten Kinderlosigkeit, und dazu zählt die Frage der Verbesserung der psychoso- zialen Beratung, dazu zählt aber auch, dass wir die geltenden Adop- tionsregelungen überprüfen, und uns verstärkt Maßnahmen zur besseren Verein- barkeit von Familiengründung und Studium bzw. Fa- miliengründung und Ausbildung zuwenden wollen. Unser Ziel ist es, das Thema ungewollte Kinderlosig- eit zu enttabuisieren und betroffenen Paaren wirksame nterstützungsangebote an die Hand zu geben. Zudem kann die Unterstützung kinderloser Paare mit em Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen der gesetzlichen Krankenversicherung, GKV-Versor- ungsstrukturgesetz, verbessert werden, das der Deutsche undestag am 1. Dezember 2011 beschlossen hat. Danach ann die Krankenkasse in ihrer Satzung zusätzliche Leis- ngen im Bereich der künstlichen Befruchtung vorsehen. nlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Maria Klein-Schmeink, Uwe Kekeritz, Monika Lazar, Agnes Krumwiede, Agnes Brugger, Dorothea Steiner, Sylvia Kotting-Uhl und Thilo Hoppe (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu den Abstimmungen über die Entschließungsanträge der Fraktionen der SPD (Drucksache 17/8150) und Die Linke (Drucksache 17/8151) zu der Gro- ßen Anfrage „Rente erst ab 67 – Risiken für 17958 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 (A) ) )(B) Die Rente mit 67 allein wird den vielfältigen Anfor- derungen an eine sozialverträgliche Alterssicherung nicht gerecht, sondern bedeutet unter den jetzigen Be- dingungen für viele eine Rentenkürzung durch die Hin- tertür. Insofern teilen wir die in den Entschließungs- anträgen ausgeführten Einschätzungen und sprechen uns gegen eine vorbehaltlose Umsetzung der Rente mit 67 ab 2012 aus. Darüber hinaus kommen wir aber zu anderen Schlussfolgerungen und Forderungen. Die ersatzlose Rücknahme der Rente mit 67 ist für uns kein gangbarer Weg, und die Koppelung der Einführung an die Beschäf- tigungsquote von Älteren reicht nicht aus. Deshalb wer- den wir den beiden Entschließungsanträgen nicht zu- stimmen, uns aber enthalten. Nach der jüngsten Bevölkerungsvorausberechnung wird die durchschnittliche Lebenserwartung bis zum Jahr 2030 um weitere drei Jahre steigen. Die steigende Lebenserwartung und die sinkende Geburtenrate werden dazu führen, dass sich das Verhältnis der Alten zu den Jungen in den nächsten Jahrzehnten stark erhöht. Das stellt die Gesellschaft und die Rentenversicherung vor große Herausforderungen. Es braucht daher Reformen, die dafür sorgen, dass unser Alterssicherungssystem auch unter den sich verändernden Bedingungen nachhal- tig funktioniert. Längeres Arbeiten muss die Verschie- denheit der Lebens- und Erwerbsbiografien berücksich- tigen und ebenso die unterschiedlichen Belastungen in der Arbeitswelt. Eine Rentenreform muss sicherstellen, dass bei der Rente die Verschiedenheit der Lebens- und Erwerbsbiografien besser als bisher berücksichtigt wer- den, denn es macht einen Unterschied, ob jemand lange Zeit am Bau, in der Altenpflege oder Universitätslehre tätig war und ob jemand mit 15 Jahren oder erst mit 30 Jahren in das Berufsleben eingestiegen ist. Dem Wandel der Erwerbsarbeit mit prekären und aty- pischen Beschäftigungsverhältnissen muss ebenso Rech- nung getragen werden, damit niemand im Alter ein Leben in Armut fürchten muss. Eine Reform des Alters- sicherungssystems muss auch den speziellen Bedarfen von Frauen gerecht werden. Gleichzeitig muss darauf geachtet werden, dass keine Generation einseitig belastet wird, nicht die heutigen und zukünftigen Beitragszahler und Beitragszahlerinnen, nicht die aktuellen und zukünf- tigen Rentenbezieher und Rentenbezieherinnen. Die vorliegenden Daten weisen darauf hin, dass die Anhebung der Regelaltersgrenze für einen nennenswer- ten Anteil von älteren Arbeitnehmern und Arbeitnehme- rinnen bereits ab 2012 ein erhöhtes Risiko für Einkom- menseinbußen und Altersrenten mit Rentenabschlägen mit sich bringt. Dies wiegt umso schwerer, als dass we- sentliche gesetzliche Regelungen, die einen Rentenein- tritt ermöglichen, der dem individuellen Leistungsver- mögen und den jeweiligen Arbeitsmarktgegebenheiten gerecht wird, von der damaligen großen Koalition nicht geschaffen bzw. sogar verschlechtert wurden. Die Ein- führung der Rente mit 67 ohne flankierende Reformen und Maßnahmen wird damit für Teile der Gesellschaft zur Rentenkürzung. Die diesbezüglichen Sorgen und Ängste der Menschen sind berechtigt. v s s B s c lä m R li li d k fr v u e L rü u e m d R ru n jä v s A w fü e B fi s c d m ra d d A m m ru P e z s p B tr te p (C (D Die Anhebung der Regelaltersgrenze ist deshalb nur ertretbar, wenn durch fließende Übergänge in den Ruhe- tand die unterschiedlichen Erwerbsbiografien berück- ichtigt und gleichzeitig flankierende Maßnahmen in den ereichen des Arbeitsschutzes, der betrieblichen Ge- undheitsförderung sowie in den arbeits- und sozialversi- herungsrechtlichen Regelungen ergriffen werden, um ngere Beschäftigungen zu ermöglichen und damit Ar- ut im Alter zu vermeiden. Wir brauchen ein ganzes Bündel an Maßnahmen und eformen, um den Menschen und deren Erwerbsmög- chkeiten gerecht werden zu können. Wir wollen Mög- chkeiten schaffen, dass diejenigen, die gute Arbeitsbe- ingungen haben und gesund sind, auch länger arbeiten önnen. Den anderen müssen aber Wege offen stehen, üher in Rente zu gehen. Die Arbeitsbelastung ist indi- iduell und auch entlang der verschiedenen Branchen nd Berufsgruppen sehr unterschiedlich. Deshalb muss ine solidarische Rentenversicherung die individuelle eistungsfähigkeit und gesundheitliche Belastbarkeit be- cksichtigen. Das Erreichen einer abschlagsfreien Rente kann nicht nterschiedslos für alle ausgestaltet werden. Im Rahmen ines Gesamtkonzepts kann die Einführung der Rente it 67 einen Baustein für einen Teil der Gesellschaft arstellen. Wir setzen uns aber auch dafür ein, dass die egelaltersgrenze für die abschlagsfreie Erwerbsminde- ngsrente wieder herabgesetzt wird. Aber auch wer icht als erwerbsgemindert anerkannt ist, soll als lang- hrige Beitragszahlerin und langjähriger Beitragszahler orzeitig in Rente gehen können. In Zukunft sollen Be- chäftigte nach 45 Versicherungsjahren unabhängig vom lter eine Rente ohne Abschläge beziehen können. Wir ollen auch die Möglichkeiten der Teilrente insbesondere r Geringverdienende verbessern und eine Garantierente inführen, die für langjährige Beitragszahlerinnen und eitragszahler und bei unterbrochenen Erwerbsbiogra- en eine Rente oberhalb der Grundsicherung sicher- tellt. Auch die Weiterentwicklung zu einer Bürgerversi- herung ist eine wichtige Stellgröße für die Finanzierung er Rentenversicherung in der Zukunft. Darüber hinaus ist es notwendig, dass die Menschen öglichst ausreichende eigene Ansprüche aufbauen. Ge- de atypische Beschäftigte, Frauen und Soloselbststän- ige leiden nicht nur unter ihren unsicheren Jobs, son- ern auch unter ihrer lückenhaften Absicherung. Soziale bsicherung darf nicht mehr nur ein Privileg des „Nor- alarbeitsverhältnisses“ sein. Der Niedriglohnsektor uss verringert werden, insbesondere durch die Einfüh- ng eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns. rekäre und atypische Beschäftigungsverhältnisse sind inzudämmen. Vor allem gilt es, Arbeit, Arbeitsinhalte und Arbeits- eiten alters- und alternsgerecht zu gestalten und insbe- ondere psychische Belastungen und Stress am Arbeits- latz beim Arbeitsschutz zu verankern, damit ältere eschäftigte die Chance erhalten, länger zu arbeiten. Be- iebliche Gesundheitsförderung, ein langfristig angeleg- s Personalmanagement und eine passgenaue Arbeits- latzgestaltung sind dafür wichtige Eckpunkte. Um die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17959 (A) ) )(B) Beschäftigten länger in den Arbeitsprozess einbinden zu können, müssen die Unternehmen die Arbeit für ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der geänderten Leistungsfähigkeit anpassen. Eine Gesellschaft, die die Herausforderung der Alterung bewältigen muss und die von der Bevölkerung eine längere Lebensarbeitszeit als in den letzten zwanzig Jahren erwartet, darf den erhöh- ten Verschleiß von Beschäftigten nicht weiterhin in Kauf nehmen. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen und Gudrun Kopp (alle FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Ver- fahren der außergerichtlichen Konfliktbeile- gung (Tagesordnungspunkt 5) Mit der heutigen Verabschiedung des „Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der au- ßergerichtlichen Konfliktbeilegung“ wird die gerichtli- che Mediation abgeschafft. Dies fördert nicht die Media- tion, sondern wird sie im Ergebnis schwächen. Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses weicht leider erheblich von dem im ersten Entwurf fest- gehaltenen Ziel – dem Nebeneinander von außergericht- licher und gerichtsinterner Mediation – ab. Aus unserer Sicht sind beide in gleichem Maße zur Streitbeilegung geeignet und notwendig. Dennoch wird nunmehr allein die außergerichtliche, vornehmlich durch Anwälte erfol- gende Mediation geregelt und die gerichtsinterne Media- tion abgeschafft. Die gerichtsinterne Mediation ist in vielen Bundes- ländern seit vielen Jahren fester Bestandteil einer moder- nen und bürgernahen Justiz geworden. Sie führt auch ge- rade in umfangreichen und komplizierten Verfahren zu raschen und nachhaltigen Lösungen. Insbesondere die von einem Richtermediator geleitete Mediation ist in den letzten Jahren ein Erfolgsmodell ge- wesen. Nachweislich wird von den Parteien die fachli- che Qualifikation, die Unabhängigkeit und vor allem Unparteilichkeit der Richter als Mediatoren besonders geschätzt. Gerichtsinterne und außergerichtliche Media- tion sind einander ergänzende Konfliktlösungsverfahren. Dies wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nicht nur von Richtern und Parteien selbst, sondern gerade auch von den in die Verfahren eingebundenen Rechtsan- wälten bestätigt. Auch die Justizministerkonferenz hat sich am 9. November 2011 ausdrücklich für eine gesetz- liche Verankerung der gerichtlichen Mediation bei Bei- behalt der Methodenvielfalt ausgesprochen. Im Laufe der Jahre haben sich viele Richter – teils auf eigene Kosten – fortgebildet, um im Sinne der Parteien eine optimale Mediation anbieten zu können. Mit dem jetzt zu beschließenden Gesetz wird diese Expertise nutzlos, da es eine gerichtsinterne Mediation nicht mehr geben wird. Das an ihrer Stelle normierte Gü- te D h b is in d fi ri A tr d in v ru L u u ti F ru b d li h ih fü M N re A D R li g k V e g s G a s e s (C (D richtermodell kann die Abschaffung nicht auffangen. ie bereits jetzt nach § 278 ZPO vorgesehene Gütever- andlung erweist sich in den allermeisten Fällen als loße Durchgangsstation zur streitigen Verhandlung. Sie t nicht im Ansatz mit einer Mediation zu vergleichen, der der Richter gerade nicht als Streitentscheider, son- ern als Moderator tätig wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Bundesländer einen Weg nden, die heutige Entscheidung zugunsten der Bürge- nnen und Bürger zu korrigieren. nlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Folgen von Kassen- schließungen – Versicherte und Beschäftigte schützen, Wettbewerb stärken, Zusatzbeiträge abschaffen (Tagesordnungspunkt 10) Erwin Rüddel (CDU/CSU): Beim vorliegenden An- ag der SPD-Fraktion haben wir es wieder einmal mit em Versuch zu tun, unser Gesundheitswesen ohne Not s Gerede zu bringen und die Menschen im Land zu erunsichern. Das ist ja leider auch das Markenzeichen der Erklä- ngen und Interviews, mit denen der Kollege auterbach uns sozusagen im Wochenrhythmus beglückt nd damit die gesetzlich Krankenversicherten in Angst nd Schrecken versetzt. Wie sieht die Wirklichkeit aus? Mit ihren Reformen hat die bürgerlich-liberale Koali- on unser Gesundheitssystem dauerhaft auf ein solides undament gestellt und für eine nachhaltige Finanzie- ng gesorgt. Wir haben ein zu erwartendes Defizit von is zu 11 Milliarden Euro in einen Überschuss verwan- elt! Der Gesundheitsfonds verfügt heute über eine mil- ardenschwere Reserve. Die Krankenkassen werden da- er in absehbarer Zukunft keinerlei Zusatzbeiträge von ren Versicherten verlangen müssen, und das gilt auch r Zeiten einer etwaigen konjunkturellen Eintrübung. it dem GKV-Finanzierungsgesetz und dem Gesetz zur euordnung des Arzneimittelmarktes haben wir er- icht, dass keine höheren Eigenleistungen und keine bstriche vom Leistungskatalog erforderlich wurden. as unterscheidet gerade unsere Reformen von früheren eformen im Gesundheitswesen! Wir haben die unabhängige Patientenberatung gesetz- ch verankert. Wir sorgen mit dem Infektionsschutz- esetz für eine durchgreifende Verbesserung der Kran- enhaushygiene. Und wir haben soeben mit dem ersorgungsstrukturgesetz die Grundlagen für eine dau- rhaft gute, wohnortnahe und flächendeckende Versor- ung der Menschen mit medizinischen Leistungen ge- chaffen. Aufgrund der soliden finanziellen Basis der KV und der damit gegebenen Planungssicherheit für lle Beteiligten haben wir überhaupt den Gestaltungs- pielraum für dieses Versorgungsgesetz gewonnen, das ndlich die Bedürfnisse der Patienten in den Mittelpunkt tellt und nicht nur Kostendämpfung. 17960 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 (A) ) )(B) Mit unserem Versorgungsgesetz werden im Übrigen die Versicherten im Fall von Kasseninsolvenzen und Kassenschließungen gezielt geschützt. Hierzu gehören die Wahrung des Versicherungsschutzes beim Wechsel der Versicherung, die Leistungsgewährung sowie – als Sanktion bei grober Pflichtverletzung – die Möglichkeit der Amtsenthebung von Vorstandsmitgliedern. Damit wird etwaigen künftigen Versuchen, ältere und kranke Versicherte auf skandalöse Weise abzuwimmeln, konse- quent ein Riegel vorgeschoben. Deshalb wird es sich künftig jede Kasse dreimal über- legen, ob sie sich ihren eindeutigen gesetzlichen Ver- pflichtungen entziehen will. Wer dagegen verstößt, wird zur Räson gebracht. Denn die gesetzlich Versicherten brauchen Vertrauen und haben einen Anspruch auf Si- cherheit. Unsere erfolgreiche Gesundheitspolitik werden wir im kommenden Jahr mit einem Patientenrechtegesetz abrunden, das die Patientinnen und Patienten weiter stär- ken und sie in das Zentrum unseres Gesundheitswesens stellen wird, also auf den Platz, der ihnen zusteht. Zugleich werden wir die Patientenrechte übersichtlich und verständlich zusammenfassen, und zwar so – das füge ich ausdrücklich hinzu –, dass das notwendige Ver- trauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nicht zer- stört wird. Die Menschen in Deutschland wissen, dass sie sich auf ein Gesundheitswesen verlassen können, das zu Recht als eines der besten der Welt gilt und das im Krankheitsfall allen Bürgerinnen und Bürgern unabhän- gig von Einkommen, Alter, Geschlecht, Herkunft oder Vorerkrankung die medizinische Behandlung zusichert, die notwendig ist. Gestatten Sie mir jetzt einige Bemerkungen zu mei- nen Vorrednern. Im Januar forderte Kollege Lauterbach mit Blick auf den absehbaren Überschuss im Gesund- heitsfonds eine sofortige Senkung der Kassenbeiträge. Es sei ein „Skandal“ und eine Verschwendung von Bei- tragsmitteln, dass die Kassen eingeladen würden, „nicht zu sparen“. Erfahrungsgemäß werde „das Geld im Nu verschwunden“ sein, wenn man jetzt nicht sofort die Beiträge senke. Seltsamerweise sagte er dann aber An- fang September zum gleichen Thema im Südwestrund- funk, er halte es für falsch, die Beiträge zu senken. Man müsse stattdessen an die Zusatzbeiträge heran. Apropos Zusatzbeiträge: Das Kölner Institut für Gesundheitsöko- nomie prophezeite Anfang März, bereits Ende dieses Jahres werde der Zusatzbeitrag im Schnitt bei 9 Euro, im kommenden Jahr bei 21 Euro pro Monat liegen. Für 2013 gehe man von 33 Euro aus. Aber Kollege Lauterbach hat das noch getoppt: „Zusatzbeitrag wird auf bis zu 70 Euro steigen“, hieß es Mitte Mai in den Medien. „Ich gehe davon aus, dass der Zusatzbeitrag in den nächsten fünf Jahren auf 50 bis 70 Euro pro Monat steigen wird“, so wörtlich in einem Interview. Fakt ist: Der Zusatzbeitrag liegt bei 0 Euro. Bereits im Februar hat unter anderem die Süddeutsche Zeitung berichtet, die SPD wolle Ärzte empfindlich be- strafen, die Privatpatienten bevorzugt behandelten. In ei- n b d m b K s fi v s H S v A T d a S w ru n g a g d e s d p d J d g k A M b d li z B le d n d ru n h u B s d g B s s fi s (C (D em entsprechenden Gesetzentwurf würden dafür Geld- ußen von bis zu 25 000 Euro für Mediziner vorgesehen, ie Kassenpatienten zu lange auf einen Behandlungster- in warten ließen. Auch ein Entzug der Zulassung von is zu zwei Jahren sei geplant. Quelle dieser Meldung: ollege Lauterbach. Er wird dann weiter mit dem Vor- chlag zitiert, den Kassen das Recht einzuräumen, durch ngierte Testanrufe in den Praxen zu überprüfen, ob Pri- atpatienten schneller an einen Termin kämen. Auf die- en Gesetzentwurf warten wir allerdings bis heute. Anfang September erklärte Kollege Lauterbach in der annoverschen Allgemeinen Zeitung, es sei falsch, mit trafen gegen zu lange Wartezeiten für Kassenpatienten orzugehen. Wörtlich: „Niemand wird dem jeweiligen rzt nachweisen können, dass er tatsächlich noch einen ermin frei gehabt hätte.“ Das macht uns nun ratlos. Es rängt sich nur eine Schlussfolgerung auf: Seriös ist das lles nicht. Und seriös ist leider auch das nicht, was die PD soeben auf ihrem Parteitag beschlossen hat. Die ievielte Variante Ihrer sogenannten Bürgerversiche- ng war das nun eigentlich? Welche Version folgt als ächstes? Das Problem ist offenkundig: Ihre Rechnung eht nicht auf. Deshalb ist auch die bislang letzte Vari- nte Ihres Konzepts nicht besser geworden als ihre Vor- ängerinnen. Sie zielen unverändert auf die Vernichtung es bewährten dualen Versicherungssystems. Sie haben twas gegen Wahlfreiheit und Selbstbestimmung im Ge- undheitswesen. Dabei wissen Sie ganz genau, dass urch die Privatpatienten die Versorgung der Kassen- atienten in hohem Maß quersubventioniert wird. Ohne iese Mittel könnten viele Praxen gar nicht existieren. a, ich weiß, Sie zaubern die fehlenden Milliarden aus em Hut und versprechen den Ärzten einen warmen Re- en durch eine neue Gebührenordnung. Und woher ommt das Geld? Sie sagen, es komme vor allem vom rbeitgeberbeitrag auf die Lohnsumme. Das ist eine aßnahme, die Arbeitsplätze vernichtet und die den Ab- au von Beschäftigung geradezu belohnt! Diese neue Gesundheitssteuer wird auch nicht da- urch besser, dass ausgerechnet die Arbeitgeber zusätz- ch belastet werden, die besonders viele hochqualifi- ierte Mitarbeiter beschäftigen. Eine groteske Idee mit lick auf den Hightechstandort Deutschland und die vie- n klugen Köpfe, die wir in Zukunft benötigen. Fährt er Zug einmal in die falsche Richtung, sind alle Statio- en falsch. Mit den Modellen der Opposition werden wir ie Probleme des demografischen Wandels und der Alte- ng der Gesellschaft ganz bestimmt nicht lösen. Sollen och mehr Betriebe und Arbeitsplätze ins Ausland ge- en? Wir müssen weg von der reinen Umlagefinanzierung nseres Gesundheitswesens. Wir müssen eine weitere elastung des Faktors Arbeit mit der Folge des Abbaus ozialversicherungspflichtiger Beschäftigung vermei- en. Unsere Politik ist auch gerechter, als den Sozialaus- leich fast ausschließlich auf dem Rücken der abhängig eschäftigten und ihrer Arbeitgeber stattfinden zu las- en. Denn die Zusatzbeiträge werden aus Steuermitteln ozial abgefedert, und das bedeutet: Durch die Steuer- nanzierung leistet jeder nach seiner Leistungsfähigkeit einen Beitrag, auch mit zusätzlichen Einkünften aus Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17961 (A) ) )(B) Unternehmensgewinnen und Kapitalerträgen und auch mit Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungs- grenze und mit den Einkünften von Privatversicherten. Auf diese Weise werden wir die Kostensteigerungen der Zukunft auffangen, wobei die Entkopplung von Arbeits- kosten und steigenden Gesundheitskosten zugleich Wachstum und Beschäftigung fördern wird. Das ist unser Weg, um in Zukunft der demografischen Herausforderung und den steigenden Kosten in einer al- ternden Gesellschaft zu begegnen. Sie sind fixiert auf das Modell der Einheitsversicherung. In Großbritannien können Sie besichtigen, was medizinischer Sozialismus im Gesundheitswesen angerichtet hat, nämlich schlechte Leistungen für alle und bessere Leistungen nur für die, die aus eigener Tasche zahlen können. Das nenne ich Zweiklassenmedizin, und die wollen wir in Deutschland nicht. Wir haben ein Gesundheitswesen, das im internatio- nalen Maßstab vorbildlich ist. Wir wollen es erhalten und zukunftsfest machen – und wir werden alles daran setzen, um zu verhindern, dass es durch eine lebens- fremde Ideologie ruiniert wird. Bärbel Bas (SPD): Uns allen sind die Schließung der City BKK und die Folgen für Versicherte und Be- schäftigte noch gut in Erinnerung. In der Folge dieser Schließung lieferten sich die gesetzlichen Krankenkas- sen im Juni einen skandalösen Wettbewerb darum, wie man Versicherte der City BKK von einem Eintritt in die eigene Kasse abhalten kann. Dieser Umgang der Krankenversicherungen mit den Versicherten der City BKK hat das Vertrauen in die Soli- darität innerhalb des Gesundheitssystems erschüttert, und deshalb konnten wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Aus diesem Grund hat die SPD-Fraktion den heute zu beratenden Antrag in den Bundestag eingebracht. Der Antrag mag zwar vom Juli 2011 sein, die Ursachen und Folgen der Kassenschließungen sind aus unserer Sicht aber noch lange nicht gelöst und vor allem aktuell, da zum Jahreswechsel erneut eine Kassenschließung bevor- steht. Ziel einer verantwortungsvollen Politik aber muss es sein, weder Versicherte noch Beschäftigte mit den Fol- gen der Kassenschließungen alleine zu lassen. Es sollte vielmehr Aufgabe dieser Regierung sein, Versicherte und Beschäftigte vor Kassenschließungen zu bewahren. Was aber machen die Bundesregierung und ihr Ge- sundheitsminister? Sie machen genau das Gegenteil. Sie behandeln Symptome statt Ursachen und sind nicht in der Lage, Versicherte vor Kassenschließungen und -in- solvenzen zu schützen. Dabei hatte der Bundesgesundheitsminister in den ersten Tagen seiner Amtszeit noch verkündet, die Regeln und Vorgaben für Kassenschließungen zu überprüfen. Sie versprachen den Versicherten Besserung und den klammen Kassen Abhilfe. b b n te g V V ä g le is s K w z w A n k d g b s G Z n S m H a d g b le n d B ru e u H w F s te (C (D Ein halbes Jahr und ein aufgeblasenes Gesetzge- ungsverfahren später hat sich an den Ursachen der Pro- leme nichts geändert. Zum 1. Januar 2012 wird die ächste Krankenkasse geschlossen. Gerüchte über wei- re Wackelkandidaten machen wöchentlich die Runde. Daran werden auch die im Versorgungsstrukturgesetz eänderten Paragrafen zur Leistungsgewährung beim ersicherungswechsel und einer Amtsenthebung von orstandsmitgliedern bei grober Pflichtverletzung nichts ndern. Dabei liegen die Ursachen klar auf der Hand. Es gibt nach wie vor Anreize, Versicherte nach ihren esundheitlichen Risiken zu beurteilen und auszuwäh- n. Und der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen t nicht auf Qualität und Wirtschaftlichkeit ausgerichtet, ondern auf die Vermeidung von Zusatzbeiträgen. Ihre opfpauschale treibt die Kassen in einen ruinösen Preis- ettbewerb. Ja, der Gesundheitsfonds hat derzeit hohe Einnahmen u verzeichnen. Was Sie aber immer vergessen, zu er- ähnen, ist, wie viel von dem Geld der Versicherten und rbeitgeber, die mit ihren Beiträgen für diese hohen Ein- ahmen sorgen, tatsächlich bei den Krankenkassen an- ommt. Offenbar muss ich Ihnen wirklich erklären, dass sich ie Zuweisungen an die Kassen nach dem Morbiditäts- eschehen und den durchschnittlichen Leistungsausga- en richten. Das ganze heißt Morbiditätsorientierter Ri- ikostrukturausgleich, kurz Morbi-RSA genannt. Das bedeutet ganz konkret, dass zwar mehr Geld im esundheitsfonds ist, aber damit nicht automatisch die uweisungen an die Kassen steigen. Das Geld kommt icht da an, wo es benötigt wird. Aber genau hier hätten ie handeln können. Sie hatten die Gelegenheit, den Verteilungsmechanis- us – also den sogenannten Morbi-RSA – zu ändern. ier hätte eine Anweisung an das Bundesversicherungs- mt ausgereicht. Jedes Jahr im Herbst wird dort die Verordnung über en RSA des Folgejahrs beschlossen. Vorschläge gab es enug. Sie sahen aber wieder einmal keinen Handlungs- edarf. Frei nach dem Motto: Augen zu und durch. Durch ihr Nichthandeln verschärfen Sie aber bei vie- n Krankenkassen den finanziellen Druck. Schlimmer noch, mit Ihrer Interpretation, es gebe kei- erlei Handlungsbedarf, stehen Sie weitgehend alleine a. So hat der von Ihnen einberufene Wissenschaftliche eirat bereits mehrfach die Praxis des Bundesversiche- ngsamtes kritisiert, dass unvollständige Versicherten- pisoden etwa bei Neumitgliedern, Kassenwechslern nd Verstorbenen unterschiedlich behandelt werden. ier sind Sie ausdrücklich zum Handeln aufgefordert orden, aber Sie tun nichts! Ja, ich weiß, das ist etwas für gesundheitspolitische einschmecker, aber hinter diesen scheinbar rein techni- chen Veränderungen stecken erhebliche finanzielle Ver- ilungswirkungen, die sehr wohl mit der Zielgenauig- 17962 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 (A) ) )(B) keit der Zuweisungen für die Kassen zu tun haben. Sie sollten sich deshalb der Tragweite ihres Nichtstuns be- wusst sein. Über den Risikostrukturausgleich werden Milliarden verteilt und auch umverteilt. Würden Sie es wirklich ernst meinen, den klammen Kassen zu helfen und Verun- sicherungen bei den Versicherten zu verhindern, dann gäbe es durchaus Handlungsbedarf beim Morbi-RSA. Sie handeln aber nicht, Herr Minister, und deshalb wird es zu weiteren Kassenschließungen kommen. Unter Ihrer Aufsicht, Herr Bahr, schließt das Bundesversiche- rungsamt am 1. Januar bereits die zweite Krankenkasse – und das, obwohl es den § 172 im SGB V gibt. Der ist überschrieben mit „Vermeidung der Schließung oder In- solvenz von Krankenkassen“. Hier werden die Auf- sichtsbehörden ausdrücklich dazu ermächtigt, zur Ver- meidung der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einer Kasse Vorschläge für eine Fusion zu machen und diese auch durchzusetzen. An dieser Stelle muss die Frage erlaubt sein, ob das Bundesversicherungsamt Fusionen der City BKK oder der BKK für Heilberufe mit anderen Krankenkassen wirklich ernsthaft in Betracht gezogen hat. Hat das Bundesgesundheitsministerium gegenüber dem Bundesversicherungsamt überhaupt darauf hinge- wiesen, dass nicht nur der Grundsatz „Schließung vor Fusion“, sondern insbesondere „Fusion vor Schließung“ steht? Kassenschließungen scheinen in Ihren Augen das kleinere Übel zu sein und Priorität zu haben. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass die Ver- sicherten oder die Beschäftigten der Krankenkassen das auch so sehen. Werfen wir einmal einen Blick auf die Situation der Beschäftigten. Ihnen scheint auch hier nicht bewusst zu sein, dass die konkreten Auswirkungen einer Schließung auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter je nach Be- schäftigungsgruppe sowie je nach Kassenart sehr unter- schiedlich sind. Die erste Kassenschließung der City BKK hat die Re- gelungslücken hier deutlich aufgezeigt. Für einen Teil der Beschäftigten gibt es weder einen gesetzlichen oder tariflichen Kündigungsschutz noch Sonderkündigungs- schutzrechte, zum Beispiel bei Schwangeren, oder gar Sozialpläne, während es diese Regelungen für andere Kassenarten jedoch gibt. Auch hier handeln Sie nicht. Sie übernehmen keine Verantwortung für die Beschäftigen. Sie tun nichts, um die unterschiedliche Behandlung der Angestellten bei Kassenschließungen zu lösen. Für die Beschäftigten müssen bei Schließungen die gleichen Regeln gelten. Gesetzliche oder tarifliche Kün- digungsschutzregelungen dürfen nicht durch das SGB V außer Kraft gesetzt werden. Deshalb sind die zentralen Forderungen unseres An- trages auch heute noch aktuell. Die Zusatzbeiträge sind abzuschaffen und durch eine paritätische Finanzierung z a g tu G te s h S a ti W ü d g z b g G a s k G s n B g S te K u n ru w b v R s h k K e a te s ru m a p v D Ih fü Ä (C (D u ersetzen. Der Morbiditätsorientierte Risikostruktur- usgleich ist weiterzuentwickeln und zielgenauer auszu- estalten. Lücken im Versicherungsschutz oder im Leis- ngsbezug sind zu schließen. Die arbeitsrechtliche leichbehandlung der Beschäftigten ist zu gewährleis- n. Das Verhalten dieser Bundesregierung bei Kassen- chließungen passt nahtlos ins Gesamtbild ihrer Gesund- eitspolitik. Dort, wo Sie entscheiden könnten, ducken ie sich weg, wiegeln ab oder verschieben die Probleme uf das Jahr 2013, dem Jahr, in dem Ihr gesundheitspoli- scher Blindflug endlich durch die Wählerinnen und ähler ein Ende finden wird. Heinz Lanfermann (FDP): Wir diskutieren heute ber einen Antrag der SPD mit dem Datum 6. Juli 2011, er in den meisten Punkten völlig überholt ist. Was auf- rund der Erfahrungen bei der Schließung der City-BKK u regeln war, stand zu diesem Zeitpunkt – 6. Juli – ereits im Referentenentwurf des Versorgungsstruktur- esetzes und ist in der letzten Sitzungswoche hier als esetz verabschiedet worden. Was den Risikostrukturausgleich angeht, kommen sie uch zu spät. Wir haben uns an die Empfehlungen der achverständigen Experten gehalten und werden jetzt eine Änderungen vornehmen. Es gibt also keinen rund, warum wir heute hier noch einmal darüber reden ollten. Viel interessanter und aktueller, liebe Kollegin- en und Kollegen von der SPD, ist doch Ihre sogenannte ürgerversicherung, die Sie auf Ihrem Parteitag vor eini- en Tagen beschlossen haben. Zwar haben Sie, nachdem ie uns fast zehn Jahre lang angekündigt haben, es müss- n auch Zins- und Mieteinnahmen mit Beiträgen zur rankenversicherung belegt werden, endlich von diesem ngerechten und bürokratischen Unsinn Abstand ge- ommen, aber nach wie vor gilt: Die Bürgerversiche- ng der SPD ist und bleibt ein Abzockemodell. Sie ollen die Beitragsbemessungsgrenze beim Arbeitge- erbeitrag aufheben. Ein solcher Lohnsummenbeitrag ernichtet Arbeitsplätze, und zwar die meisten beim ückgrat der deutschen Wirtschaft, nämlich den mittel- tändischen Betrieben mit vielen Facharbeitern und ochqualifiziertem Personal. Sie wollen das in Deutschland bewährte duale Kran- enversicherungssystem aufgeben. Sie führen einen reuzzug gegen 9 Millionen privat versicherte Bürger, inen Kreuzzug vor allem gegen Selbstständige und Be- mte. Sie wollen es diesen Menschen in Zukunft verbie- n, sich privat zu versichern, und wollen sie alle in ihre ogenannte Bürgerversicherung zwingen. Neuversiche- ngen wären nur noch in dieser Einheitsversicherung öglich. Die Private Krankenversicherung soll faktisch bgeschafft werden. Dadurch steigen die Versicherungs- rämien für Bestandskunden in den PKV-Tarifen. Für iele Versicherte, gerade für Beamte des mittleren ienstes, wären solche Prämienerhöhungen untragbar. Geradezu wie ein Täuschungsmanöver wirkt dann re Forderung nach der Angleichung der Arzthonorare r Kassen- und Privatpatienten. Damit wollen Sie die rzteschaft umschmeicheln, allerdings ohne genau zu Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17963 (A) ) )(B) definieren, wie Sie das denn genau regeln wollen. Nur Herr Lauterbach ist da in seiner Äußerung etwas offener und suggeriert eine Anhebung der GKV-Honorare auf PKV-Niveau Sie wissen genau, dass das illusorisch ist. Die dafür benannten Mehrkosten von 3 Milliarden Euro sind viel zu niedrig angesetzt. Tatsächlich wäre es ein Vielfaches davon im zweistelligen Milliardenbereich. Das Ergebnis wären natürlich erhebliche Beitragserhö- hungen für alle Versicherten. Die Bürgerversicherung ist eben unausgegoren und unterfinanziert. Zur Gegenfinanzierung Ihrer Ideen macht die SPD keine Angaben. Am Ende stehen Kosten- explosionen und damit letztlich erhebliche Einschrän- kungen in der Gesundheitsversorgung aller Bürger. Für die größte Verwirrung hat die SPD aber bei den Apothekern gesorgt. Die Vertreter der Sozialdemokratie treten auf Apothekertagen freundlich auf und bekunden ihre Unterstützung für die inhabergeführte Apotheke. Wenige Wochen später beschließen sie auf ihrem Partei- tag das Gegenteil; indem sie sich für neue Strukturen auf den Vertriebswegen aussprechen. Das konnte jeder wirk- lich nur als Plädoyer für die Zulassung von Apotheken- ketten verstehen. Als sich das dann herumgesprochen hat, brach auf der Spielerbank der sozialdemokratischen Gesundheitsmannschaft das reine Chaos aus. Nun wollte es keiner gewesen sind. Frau Reimann sagte gegenüber der Presse: „Wir sind gegen Apothekerketten“. Der be- kennende Kettenfreund Lauterbach ließ über sein Büro mitteilen, dass er damit nichts zu tun habe. Und die Kol- legin Volkmer hatte zwar wohl die Brisanz gesehen, schaffte es aber aus Formgründen nicht, auf dem Partei- tag noch einen Änderungsantrag einzubringen. Alles in allem war das ein trauriges Bild. Und so verwundert es denn auch nicht, dass die SPD-Fraktion es nicht ge- schafft hat oder wohl auch gar nicht schaffen wollte, statt des überholten Antrags vom 6. Juli heute am 15. Dezem- ber einen aktuellen Antrag vorzulegen. Harald Weinberg (DIE LINKE): Die SPD will, dass Krankenversicherte und Beschäftigte nicht unter Pleiten von Krankenkassen leiden sollen. Auch die Koalition will das mit ihrem letzten Gesetz erreichen. Deswegen fordern beide Regeln für den Fall, dass eine Kasse plei- tegeht. So weit, so gut. Nur, bis vor wenigen Jahren gab es dieses Problem gar nicht. Die SPD hat gemeinsam mit der Union dieses Problem der Kasseninsolvenzen mit den Reformen von 2007 und 2010 erst geschaffen. Nur deshalb mussten und müssen sich die Versicherten bei City BKK und BKK für Heilberufe eine neue Krankenkasse suchen. Und es gab diese unschönen Szenen mit Schlangen vor den Geschäftsstellen und abgewiesenen Versicherten. Für die SPD – genau wie für die schwarz-gelbe Seite hier im Haus – sind Krankenkassen in erster Linie nor- male Unternehmen, die pleitegehen sollen, wenn die Bi- lanzen nicht stimmen, egal ob die Ursache tatsächlich schlechtes Management und Verschwendung ist oder ob schlichtweg viele alte und kranke oder schwangere Ver- sicherte in einer Kasse die Bilanz in die roten Zahlen drücken. p d g k z s u g F b li s d s K w E K p v u G D d g n g te ru m g e d F h e b k s s ra d is te g d d b n g d (C (D Unser Ansatz ist ein anderer: Die Kassen sollen nicht leitegehen können, sondern im Zweifel fusionieren, enn die Linke sieht – in großer Übereinstimmung übri- ens mit dem Bundesverfassungsgericht – in Kranken- assen einen Teil des Sozialstaats. So war das auch jahr- ehntelang geregelt, und diese Regelung war gut. Wir ind gegen den ruinösen Wettbewerb, den Ulla Schmidt nd die Herren Rösler und Bahr den Kassen aufgezwun- en haben. Dieser Wettbewerb dreht sich derzeit nur um eine rage: Wie kann eine Kasse um alles in der Welt Zusatz- eiträge vermeiden? Die Kasse hat dazu nur eine Mög- chkeit: Sie streicht erst alle freiwilligen Leistungen zu- ammen und bewilligt dann möglichst wenig Anträge er Versicherten. Und wenn das nicht klappt, wird dann die Kasse ge- chlossen, und die Versicherten müssen sich eine neue asse suchen; die Beschäftigten landen auf der Straße. Dieser Wettbewerb ist ein Leistungsvermeidungs- ettbewerb. Er schadet den Patientinnen und Patienten. r schadet übrigens auch den Beschäftigten bei den rankenkassen. Denn hier werden ohne Not Arbeits- lätze gefährdet, die zuvor sicher waren, Arbeitsplätze on Menschen, die keinerlei Schuld an der Kassenpleite nd die erst recht keine Schuld an den marktradikalen esetzen der Bundesregierung haben. Natürlich gibt es auch Misswirtschaft in den Kassen. as muss Folgen haben für die, die die Verantwortung afür tragen. Aber genau das verhindert die Bundesre- ierung an anderer Stelle. So listet der Bundesrech- ungshof alljährlich Fälle von Verschwendung auf. Hier eht es um überhöhte Mietverträge und Vorstandsgehäl- r. Der Bundesrechnungshof fordert die Bundesregie- ng auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der ihm er- öglicht, diese Verschwendungen zu unterbinden. Aber enau das lehnt die Bundesregierung ab, wie sie mir in iner Antwort auf eine schriftliche Frage bestätigte. Und as ist skandalös! Auch die neuesten Vorschläge zur Praxisgebühr in orm eines Eintrittsgeldes in die Arztpraxis reihen sich ier ein. Da wird überlegt, wie man mit der Praxisgebühr ine sogenannte Steuerungswirkung erzielen kann. Eine lumige Umschreibung. Im Klartext bedeutet das: Die ranken Versicherten sollen sich dreimal überlegen, ob ie sich den Arztbesuch leisten können. Denn nur wenn ie nicht zum Arzt gehen, weil die Praxisgebühr sie da- n hindert, obwohl sie gerne würden oder müssten, ann hat die Praxisgebühr eine Steuerungswirkung. Das t soziale Selektion! Das ist eine Ausgrenzung der ärms- n Versicherten, obwohl genug Geld da ist. Die Praxis- ebühr gehört ersatzlos gestrichen! Mit dem derzeitigen Überschuss von rund 6 Milliar- en Euro und den Finanzreserven von rund 16 Milliar- en Euro könnte man die Einnahmeausfälle ohne Pro- leme über Jahre finanzieren. Und wenn Sie, liebe Bundesregierung, dieses Geld icht anrühren und die Abschaffung der Praxisgebühr egenfinanzieren wollen, warum erhöhen Sie dann nicht ie Beitragsbemessungsgrenze? Das würde Einnahmen 17964 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 (A) ) )(B) bringen und wäre gerecht! Dann würden Gutverdiener, wie zum Beispiel wir Parlamentarier, ein wenig mehr Solidarität leisten müssen. Das würde uns nicht wehtun, aber der Lidl-Verkäuferin und dem Leiharbeiter die Pra- xisgebühr ersparen. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer Realsatire mag, dem sei ein nachträglicher Blick in das im letzten Jahr verabschiedete GKV-Finanzierungsge- setz empfohlen. In dem hieß es damals wörtlich: „Der einkommensunabhängige Zusatzbeitrag wirkt als trans- parentes Preissignal. Er verleiht den gesetzlichen Kran- kenkassen Spielräume, um gute Verträge zu gestalten und regionalen Besonderheiten gerecht werden zu kön- nen.“ Daran, dass diese Koalition ihre selbstgesteckten Ziele nicht erreicht, haben wir uns ja fast schon gewöhnt. Aber dass sie genau das Gegenteil von dem bewirkt, was sie angeblich erreichen will, ist doch bemerkenswert. Von mehr Transparenz durch den Zusatzbeitrag kann keine Rede sein. Denn dieser sagt über die Qualität und die Wirtschaftlichkeit einer Krankenkasse nichts aus. Ob sie ihn erheben muss, ist vor allem von der Zufälligkeit des Wohnorts ihrer Versicherten abhängig. Wenn diese mehrheitlich in überversorgten und damit besonders teu- ren Regionen leben, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Kasse eine zusätzliche Kopfprämie verlangen muss. Damit vergrault sie aber ausgerechnet ihre gesun- den und mobilen Mitglieder. Dann setzt eine Abwärts- spirale ein – und wohin die führt, haben wir in diesem Jahr am Beispiel der Pleite der City BKK gesehen. Solche Wettbewerbsverzerrungen ließen sich verhin- dern, wenn die Bundesregierung gewillt wäre, etwas ge- gen Überversorgung zu unternehmen. Doch das ist sie nicht. Stattdessen hat sie das Vorhaben, zur Steuerung des ärztlichen Niederlassungsverhaltens Honorarzuschläge in unter- und Honorarabschläge in überversorgten Regio- nen einzuführen, wieder gestrichen. Die gewaltigen Ver- sorgungsungleichgewichte in Deutschland werden von ihr stillschweigend akzeptiert. Dazu passt auch, dass der Bundesgesundheitsminister das Expertengutachten, das diesen Zusammenhang beleuchtet, erst nach Monaten und nach massivem öffentlichem Druck herausgerückt hat. Die Krankenkassen reagieren auf ihre Weise rational auf dieses Politikversagen. Sie sparen, um bloß keine Zusatzbeiträge nehmen zu müssen. So ist aus dem leb- haften Beitragswettbewerb zwischen den Kassen ein Wettbewerb um die Nichterhebung von Zusatzbeiträgen geworden. Damit findet in der gesetzlichen Krankenver- sicherung faktisch kein Preiswettbewerb mehr statt. Doch dabei bleibt es nicht. Denn mit der Eindämmung des Preiswettbewerbs wird der Qualitätswettbewerb zwi- schen den Kassen gleich mit abgeräumt. Da alle Kassen ihren Haushalt auf Kante nähen müssen, herrscht das Spardiktat. Viele Verträge zur Integrierten Versorgung wurden gekündigt. Vor allem aber fehlt es an den Anreizen, in solche neuen Versorgungsformen zu investieren, die sich finan- ziell erst nach einer Anlaufphase rechnen. Das ist aber bei Investitionen in die Prävention oder auch beim Auf- b d g ra k R a s v F d b K u S u re A z in g D w p m g jä h ru s R u n a a b D h in a w b F k D d u fü n (C (D au großer regionaler Gesundheitsverbünde fast immer er Fall. Wenn Kassen im Wettbewerb scheitern und deshalb eschlossen werden, ist das nicht per se ein Problem, vo- usgesetzt, ihre Versicherten erhalten problemlos Kran- enversicherungsschutz in einer anderen Kasse und die echte der Beschäftigten werden beachtet, vorausgesetzt ber auch, dass das Schicksal einer Kasse nur von der Ge- undheitseffizienz abhängig ist, die sie bietet – und nicht om Alter, Geschlecht oder Wohnort ihrer Versicherten. ür solch einen auf die Qualität und Wirtschaftlichkeit er Gesundheitsversorgung ausgerichteten Wettbewerb raucht es unter anderem die Beitragssatzautonomie der assen, einen leistungsfähigen Risikostrukturausgleich nd die faire Beteiligung aller an der Finanzierung des ystems. Zur Schaffung einer solchen leistungsfähigen nd solidarischen Wettbewerbsordnung ist diese Bundes- gierung offensichtlich weder bereit noch in der Lage. nlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Beschlussempfehlung und Be- richt zu dem Antrag: Bei der Vergabe von Ex- portkreditgarantien auch menschenrechtliche Aspekte prüfen (Tagesordnungspunkt 12) Erich G. Fritz (CDU/CSU): Mit diesem Antrag set- en wir eine lange Debatte fort, in deren Folge das Prüf- strumentarium für Exportkreditgarantien immer aus- efeilter und treffsicherer gemacht worden ist. Große ebatten über aus unterschiedlichen Aspekten frag- ürdige Vorhaben, für deren Belieferung deutsche Ex- orteure Garantien beantragt haben, haben auch die Auf- erksamkeit von Bundestag und Öffentlichkeit eschärft. Über einzelne Maßnahmen sind sogar mehr- hrige Diskussionen geführt worden, sodass sich eine ochentwickelte Form von Expertise bei Nichtregie- ngsorganisationen entwickelt hat, die sowohl die Ge- chwindigkeit der öffentlichen Debatte wie auch den echtfertigungszwang auf die Garantiegewährer erhöht nd damit die Transparenz verbessert hat. In Deutschland wird seit Jahren bei den vom Wert her icht herausragenden Garantiewünschen ein Screening ngewendet, das sich außerordentlich bewährt hat und uch im Ablauf so gestaltet ist, dass es nicht zu einem ürokratischen Monstrum geworden ist. Es war eutschland, das seit den 90er-Jahren daran gearbeitet at, dass die Bedingungen für Exportkreditgarantien nerhalb der Gemeinschaft der Industrieländer OECD llmählich angeglichen wurden. Zunächst ging es um ettbewerbsfördernde statt wettbewerbsstörender Ge- ührensysteme – also um die Frage eines Level Playing ield für deutsche Unternehmen im Vergleich zu Kon- urrenten zum Beispiel in Frankreich und den USA. ann kamen immer mehr Ansprüche dazu, die sich aus en Anforderungen an eine nachhaltige Entwicklung nd der besonderen Verantwortung der Industrieländer r eine zukunftsfähige Entwicklung der Welt, die Scho- ung von Ressourcen und die Wahrung menschlicher Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17965 (A) ) )(B) Würde ergab. So hat nicht nur die Bundesrepublik heute ein Instrumentarium, das im Interministeriellen Aus- schuss bei Entscheidungen ein Einvernehmen von BMWi, BMF, AA und BMZ erfordert, sodass die in dem SPD-Antrag geforderten Aspekte regelmäßig im IMA Entscheidungsgrundlage sind. Im Jahre 2003 haben sich dann die Mitgliedstaaten der OECD erstmals auf Common Approaches geeinigt. Das war ein erster wichtiger Schritt. Schon 2007, das ist für eine solche internationale Organisation sehr bemer- kenswert, wurden sie bereits ein erstes Mal weiter entwi- ckelt, und seit 2009 werden sie bereits wieder neu über- arbeitet, und die Bundesregierung hat sich daran konstruktiv beteiligt und ist an einem Abschluss interes- siert. Ich nehme an, dass die Kollegen der SPD-Fraktion, die diesen Antrag eingebracht haben, mit den gleichen NGO-Vertretern gesprochen haben, die auch mir ihre Vorstellungen vorgetragen haben. Dabei wurde auch der Vorwurf erhoben, dass die Bundesregierung sowohl bei den Verhandlungen wie auch in der damals beabsichtig- ten Stellungnahme Anfang Dezember 2011 eine Weiter- entwicklung blockieren wolle. Dem bin ich mit Freuden nachgegangen und habe sowohl bei der OECD anläss- lich der Sitzung des Wirtschaftsausschusses der Parla- mentarischen Versammlung des Europarates in Paris wie bei Gesprächen mit Vertretern der Bundesregierung er- fahren, dass das Gegenteil der Fall ist. Zwar gibt es in den Verhandlungen wie immer auch Konfliktfelder, weil naturgemäß die Interessen der Mitgliedstaaten unter- schiedlich sind. Das Ziel sind aber eine Verbesserung der Standards und ein zügiger Abschluss der Verhandlungen. Da können wir ganz optimistisch sein. Ich nehme an, dass bei den zwischenzeitlich in Paris mehrfach stattge- fundenen Konsultationen der Nichtregierungsorganisa- tionen sich auch bei deren Vertretern das Bild gewandelt hat. Ich erwarte nicht, dass nun plötzliches Lob für die Bundesregierung in dieser Sache durch die NGOs und die Opposition verbreitet wird, aber es könnte schon eine kleine Anerkennung der Bemühungen der Regierung ge- ben. Es ist natürlich eine übliche, der Fraktionsstrategie geschuldete Unterstellung, bisher würde in deutschen Entscheidungen für Garantien Menschenrechte als Krite- rium nicht einbezogen. Die Verfahren sind aber wie im praktischen Leben immer davon geprägt, dass eine Viel- zahl unterschiedlicher Interessen, Werte und Gesichts- punkte berücksichtigt und abgewogen werden müssen. Keine Bundesregierung wird vor diesem Dilemma gefeit sein. Wir sollten als Bundestag nicht so tun, als ob wir, sollten wir entscheiden müssen, nicht in der gleichen Lage wären. Die Regierung kann diese Abwägungen viel rationaler treffen als es im Parlament in der öffentli- chen, Gesichtspunkten der Konkurrenz ausgesetzten De- batten getan werden könnte. Es ist deshalb nicht unsin- nig, auch hier genau die Trennungslinie zwischen Legislative und Exekutive zu berücksichtigen und zu wahren und die Einzelentscheidungen über Hermesde- ckungen wie im Bundeshaushaltsgesetz vorgesehen der Regierung zuzuordnen. Nach meinen Erfahrungen kann ich Ihnen von insge- samt sechs Bundeskabinetten sagen, dass die deutsche B ß n m le e e g c le p w le a re d tu d S e u d d w p P e B b d D w a b w tr e d A d M n je s d re re d h b d d d s d se fa re (C (D undesregierung Menschenrechten im Rahmen der Au- enwirtschaftsförderung große Beachtung schenkt. Aber iemand hat bisher die große Matrix erfunden, die allge- eingültig, unzweifelhaft und unabhängig von nationa- n, europäischen und vielen anderen Gesichtspunkten in Menschenrechtskriterium als Ausschlusskriterium ingebaut hätte. Ich bin der Meinung, und ich nehme an enauso alle anderen Kollegen hier, dass die Vollstre- kung der Todesstrafe eine massive Menschenrechtsver- tzung ist, trotzdem habe ich auch von den Oppositions- arteien noch nicht den Antrag gesehen, generell die irtschaftliche Zusammenarbeit mit Staaten einzustel- n, in denen es noch die Todesstrafe gibt. Es muss also uch bei Ihnen noch weitere, offensichtlich relativie- nde Aspekte in der Abwägung geben. Dann sollte man er Ehrlichkeit halber aber auch in Anträgen nicht so n, als sei es anders machbar. Menschenrechtliche Aspekte finden bereits heute bei er Übernahme von Exportkreditgarantien durch OECD- taaten besondere Berücksichtigung. Ich finde es auch inen gewaltigen Fortschritt, dass gerade die Diskussion nter den OECD-Mitgliedstaaten dazu geführt hat, dass er Austausch und die Kooperation zwischen den Behör- en und den Exportkreditversicherern sehr intensiv ge- orden ist. Die Bundesregierung setzt sich für eine ex- lizite Erwähnung von Menschenrechten sowohl in der räambel als auch in den Zielen des Common Approach in. Der aktuelle Textentwurf sieht unter anderem einen ezug zu den ILO-Kernarbeitsnormen vor. Wer die De- atten der 80er- und 90er-Jahre noch in Erinnerung hat, er kann nur erstaunt feststellen, wie weit die in eutschland und in Europa geführten Debatten mittler- eile den Rahmen ausgeweitet haben. Das sollten wir lle gemeinsam begrüßen und die Bundesregierung da- ei unterstützen, auf diese Weise nachhaltige Wettbe- erbsbedingungen weltweit durchzusetzen. Ein typisches Beispiel dafür, wie intensiv die Kon- ollfunktion solcher Regeln funktioniert, ist die Aus- inandersetzung um Lieferungen für den Ilisu-Stau- amm in der Türkei, wo sowohl menschenrechtliche spekte, Fragen der Umsiedlung und Entschädigung, es kulturellen Erbes und des Umgangs mit nationalen inderheiten eine große Rolle spielten. Die dann begon- enen Verhandlungen haben die Standards für das Pro- kt immer weiter angehoben, auch wenn sie nicht zu un- erer Zufriedenheit abgeschlossen werden konnten. Als ann klar war, dass die erwarteten Standards nicht zu er- ichen waren, haben sich die Kreditversicherer Öster- ichs, der Schweiz und Deutschlands gemeinsam aus en Projekten zurückgezogen. Wenn wir unter dem Stichwort „Nachhaltigkeit“ eute auch von ILO-Normen und Menschenrechten ne- en den Umweltaspekten und der wirtschaftlichen Be- eutung von Handelsgeschäften reden und eine Stan- arddiskussion führen, so muss es immer eine sein, in er der Bundestag durch Debatten und allgemeine Ge- etze Ansprüche erhebt und dann die Bundesregierung iese Gesetze durchführen und in Verwaltungshandeln um- tzen muss. Dabei wird gewährleistet, dass bei einzel- llbezogenen Risikoprüfungen relevante Menschen- chtsauswirkungen in Betracht gezogen werden. 17966 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 (A) ) )(B) Durchgeführt wird die Risikoprüfung zunächst durch die Nachhaltigkeitsabteilung des beauftragten Mandatarkon- sortiums Euler Hermes/PWC. Die konkrete Deckungs- entscheidung wird im Interministeriellen Ausschuss, IMA, im Einvernehmen von BMWi, BMF, AA und BMZ getroffen. Im Rahmen der Überarbeitung der OECD-Umweltleitlinien setzt sich die Bundesregierung für eine stärkere Bedeutung der Menschenrechte ein. Die im Interministeriellen Ausschuss für Exportkreditgaran- tien vertretenen Ressorts BMWi, BMZ, AA und BMF haben eine ausgewogene deutsche Verhandlungsposition zur Überarbeitung der Common Approaches entwickelt. Diese wird den menschenrechtspolitischen Zielen der Bundesregierung, den gestiegenen internationalen Ver- pflichtungen als auch den Informations- und Einfluss- möglichkeiten der Exporteure und Banken gerecht. Die Forderungen aus dem Antrag der SPD-Fraktion wurden hierbei bereits weitestgehend berücksichtigt. Die Fraktion müsste auch hier der Regierung eigentlich Dank sagen. Die Bundesregierung setzt sich für eine stärkere An- wendung der IFC-Performance-Standards ein. Die von den IFC-Performance-Standards umfassten Regelungen, Arbeits- und Sozialbedingungen, setzen allerdings vo- raus, dass der Exporteur wesentlichen Einfluss auf das Projekt im Ausland hat. Dies ist bei Projektfinanzierun- gen und vergleichbaren Transaktionen der Fall. Daher soll in diesem Bereich eine Anwendung befürwortet werden, für das übliche hermesgedeckte Geschäft, bei denen der Einfluss der Exporteure begrenzt ist, das aber weder praktikabel noch sinnvoll ist. Im Bereich der Hermesdeckungen gibt es bereits eine sehr weitgehende Information an den Deutschen Bun- destag, die den Ansprüchen auf Geschäftsgeheimnisse gerecht wird und trotzdem jederzeit bei großen Projekten eine Nachfrage und die nötige Kontrolle möglich macht. Der Haushaltsausschuss wird darüber regelmäßig unter- richtet, und somit kann jeder Kollege sich, wenn er es denn will, ein Bild machen, die Fraktionen insgesamt ohnehin. Was nun die wirtschaftliche Handhabbarkeit von Re- geln angeht, so sollte man folgende Punkte mindestens mit bedenken: Ich gebe hier den von mir völlig geteilten Standpunkt der Bundesregierung wieder. Es ist zu be- rücksichtigen, dass bei der Übernahme von Export- kreditgarantien Vertragspartner der Bundesrepublik Deutschland deutsche Exporteure bzw. die das Export- geschäft finanzierenden Kreditinstitute sind und nicht das ausländische Unternehmen. Die Informations- und Einflussmöglichkeiten des Exporteurs auf das Projekt und den ausländischen Besteller sind häufig – etwa auf- grund eines oft kleinen Lieferanteils am Gesamtprojekt – nur sehr gering. Bei Exportgeschäften beliefern Expor- teure einen ausländischen Besteller mit einem Export- gut, sind aber nachfolgend nicht in den Betrieb des Be- stellers eingebunden. Insofern ist eine handhabbare und auch für die Exporteure darstellbare menschenrechtliche Prüfung der Exportgeschäfte wichtig. Des Weiteren be- reitet es der Bundesregierung zunehmend Sorge, dass die wichtigsten Schwellenländer bisher nicht an die in- te v re N u p a d u s a K n n fl u le g T n M n O w D B u W d c w a D n F k d A s u re n z s E m S s p u in n k (C (D rnationalen Regelungen der OECD für die Übernahme on Exportkreditgarantien gebunden sind. Die Bundes- gierung misst den Bemühungen zur Einbindung der icht-OECD-Staaten in die Disziplin für die staatlich nterstützen Exportkredite größte Bedeutung bei. Ich kann im Rahmen dieser Debatte nicht auf alle As- ekte des SPD-Antrages eingehen, möchte nur, weil es usdrücklich angesprochen ist, erwähnen, dass die Bun- esregierung auch dem Gesichtspunkt der Abstimmung nterschiedlicher internationaler Regelwerke eine be- ondere Aufmerksamkeit widmet. Es macht keinen Sinn, n vielen Stellen Regeln zu entwickeln, immer mehr onventionen und Vereinbarungen zu treffen, wenn sie achher in der Praxis keine Wirkung entfalten, weil sie icht kompatibel sind oder sogar zu ständigen Zielkon- ikten führen, klare Entscheidungen also eher behindern nd erschweren als transparenter zu machen und zu er- ichtern. Deshalb hat die Bundesregierung bei den Verhandlun- en in der OECD natürlich darauf geachtet, dass der extentwurf Bezug auf die Guiding Principles on Busi- ess and Human Rights des UN-Sonderbeauftragten für enschenrechte und transnationale Unternehmen immt, also die Ruggie-Position unterstützt. Sie sehen also, dass der Antrag mehr in die Abteilung ppositionskampf gehört als in die Klasse Weiterent- icklung guten Regierens in Deutschland und global. ie Bundesregierung und die Koalitionsmehrheit im undestag muss zur Weiterentwicklung von Standards nter Berücksichtigung der Bedürfnisse der deutschen irtschaft und der Arbeitsplätze nicht ermuntert wer- en. Wie achten allerdings auf gleiche Wettbewerbs- hancen und legen deshalb größten Wert darauf, dass, ie das der Generaldirektor der OECD, Angel Guerra, ktiv unterstützt, auch die neuen großen Wettbewerber eutschlands auf den Weltmärkten nachvollziehen und icht auf Dauer Wertedumping die Preise bestimmt. Weil wir sicher sind, dass das Anliegen der SPD- raktion bei der Bundesregierung in guten Händen ist, önnen wir den Antrag der SPD-Fraktion wie vom fe- erführenden Ausschuss vorgeschlagen ablehnen. Christoph Strässer (SPD): Unser derzeitiger ußenminister hat es vor längerer Zeit angesprochen, es teht im 9. Menschenrechtsbericht der Bundesregierung, nd man kann es in dem Strategiepapier „Menschen- chte in der deutschen Entwicklungspolitik“ des BMZ achlesen. Der Einsatz für Menschenrechte ist – ich itiere Herrn Dr. Westerwelle – „eine wichtige Quer- chnittsaufgabe, die sich durch alle Politikfelder zieht“. s gebe, so seine weiteren Ausführungen, heute keine enschenrechtsfreien Politikbereiche mehr. Und in dem trategiepapier des BMZ heißt es dazu konkret: „Men- chenrechte sind Leitprinzip deutscher Entwicklungs- olitik. Sie sind Maßgeblich für die Ziele, Programme nd Vorgehensweise der deutschen Entwicklungspolitik der Zusammenarbeit mit Partnerländern und auf inter- ationaler Ebene.“ Diesen Ansatz, dass es grundsätzlich eine deutsche Politik im Innen- sowie im Außenbereich Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17967 (A) ) )(B) geben darf, die den Menschenrechtsstandards widerspre- chen, möchten wir ausdrücklich unterstützen. Da sich die Einhaltung der Menschenrechte laut Herrn Westerwelle auf alle Politikbereiche bezieht, betrifft das natürlich auch unsere Außenwirtschaftsför- derung. Dabei dient die deutsche Außenwirtschaftsför- derung natürlich auch der Förderung der einheimischen Wirtschaft und der Sicherung von Arbeitsplätzen. Des- halb ist es auch nicht verwunderlich, dass für die meisten Menschen in diesem ökonomischen Zusammenhang die Menschenrechte kaum oder gar nicht wichtig sind. Diese Einstellung ist – ich verweise erneut auf die oben zitier- ten Dokumente der Bundesregierung – eine Fehlein- schätzung, die im Ernstfall zu gravierenden Verstößen gegen elementare Grund- und Menschenrechte führen kann. Denn Staaten nehmen faktisch gerade durch die Förderung von Exporten und die Absicherung von Aus- landsinvestitionen direkten und indirekten Einfluss auf die Achtung, die Gewährleistung und den Schutz von Menschenrechten in anderen Ländern. Dies trifft sowohl im positiven Sinne zu, etwa durch die Förderung von Entwicklung durch Direktinvestitionen deutscher Unter- nehmen. Ebenso können aber Projekte negative soziale oder ökologische Konsequenzen im Zielland haben. Kommt es im Zuge derartiger Projekte zu Verstößen gegen die Menschenrechte, so muss die Unterstützung durch die Außenwirtschaftsförderung als Beihilfe des deutschen Staates zu solchen Menschenrechtsverletzun- gen gewertet werden. Insofern betont auch der Sonder- beauftragte des Generalsekretärs der Vereinten Natio- nen, VN, für Wirtschaft und Menschenrechte, John Ruggie, die Bedeutung von Exportkreditagenturen für die Wahrung der Menschenrechte. Er fordert die Regie- rungen auf, sicherzustellen, dass sie auch bei der Ver- gabe von Exportkrediten ihre menschenrechtlichen Ver- pflichtungen achten – und er hat Recht damit. Die Bundesregierung entscheidet hierbei Jährlich über eine Vergabe von Exportgarantien von bis zu 25 Milliarden Euro. Diese Gewährleistung darf auf kei- nen Fall, auch nicht indirekt, zur Begünstigung von Menschenrechtsverletzungen führen. Wollen wir unse- ren selbst gesetzten Zielen in der Außenpolitik gerecht werden, die ja nach allen Verlautbarungen wertegebun- den sein soll, so müssen wir uns deshalb zum Ersten an die gegebenen Menschenrechtstandards auch und gerade bei der Vergabe von Exportgarantien halten und zum Zweiten daran arbeiten, diese Standards so weiterzuent- wickeln, dass sie auch tatsächlich nicht dazu beitragen, gegen die Würde der Menschen in den jeweiligen Län- dern zu verstoßen. In diesem Sinne kritisieren zivil- gesellschaftliche Organisationen sowie Menschenrechts- expertinnen und – experten seit längerem, dass in der staatlichen Außenwirtschaftsförderung, namentlich bei der Vergabe von Hermesbürgschaften, Investitionsgaran- tien und ungebundenen Finanzkrediten, keine umfas- sende Prüfung der Auswirkungen der geförderten oder gesicherten Projekte auf die Menschenrechtssituation in den Zielländern stattfindet. Dazu können menschen- rechtliche Risikoanalysen dienen, die sicherstellen, dass Projekte von Unternehmen keine negativen Auswirkun- gen auf die Menschenrechtssituation haben. n s tu e e A m U N S d d d m re fe le s u u w M D re p s s tu re u B re z W ra s d s lä s W fe M s fe d s H b z In K n n E K u (C (D In diesem Jahr hat die dritte Überprüfung der soge- annten Common Approaches der OECD begonnen und teht wohl kurz vor dem Abschluss. Nach der Erarbei- ng der der neuen Richtlinien der OECD, in denen zum rsten Mal der Schutz der Menschenrechte mit einem igenen Kapitel prominent vertreten ist, und der nnahme des sogenannten Ruggie-Berichts über die enschenrechtliche Verantwortung multinational tätiger nternehmen im Menschenrechtsrat der Vereinten ationen handelt es sich hierbei um die dritte große äule der Implementierung menschenrechtlicher Stan- ards im Bereich der internationalen Ökonomie. Wir for- ern deshalb gerade jetzt, da die Common Approaches er OECD einer dritten Revision unterzogen werden, enschenrechtliche Prüfkriterien mit in sie zu integrie- n. Denn bisher sind in diesen Richtlinien, die als Emp- hlungen der OECD für Exportkreditgeschäfte dienen, diglich Umwelt- und Sozialaspekte enthalten. Diese ind ebenfalls von fundamentaler Bedeutung. Aber um nserem Anliegen, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte nd Demokratie in der Welt stärken zu wollen, gerecht erden zu können, sollten wir diese an das mächtigste ittel binden, das es gibt, nämlich die Geldgeschäfte. enn nur so betreibt man eine effektive, menschen- chtsorientierte und vor allem glaubwürdige Außen- olitik im Interesse aller Beteiligten, auch unserer deut- chen Unternehmen. Gerade mit unseren Bürgschaften und Kreditgarantien ind wir in der Lage, direkt und indirekt auf die Ach- ng, den Schutz und die Gewährleistung der Menschen- chte im Zielland einzuwirken. Und das sollte wirklich nsere Aufgabe sein. Zum Ersten, weil sich auch die undesregierung dazu verpflichtet hat, die Menschen- chte als Querschnittsaufgabe in allen Politikbereichen u verankern. Und zum Zweiten und umso wichtiger: er behauptet, demokratische Standards weltweit vo- ntreiben und demokratische Bestrebungen der Men- chen in anderen Ländern unterstützen zu wollen, muss as zumindest auch in seinem Geschäftsgebaren bewei- en und vormachen. Alles andere ist unglaubwürdig und uft einer demokratischen, rechtstaatlichen, den Men- chenrechten entsprechenden Politik zuwider. Denn die irtschaft kann eben nicht die Voraussetzungen schaf- n, die sie zum Wirtschaften braucht. Das wusste bereits ontesquieu, der deshalb schon im 18. Jahrhundert in einem wegweisendem Werk Vom Geist der Gesetze sthielt: „Die Freiheit des Handels ist nicht etwa eine en Kaufleuten eingeräumte Erlaubnis, zu machen, was ie wollen. Das würde vielmehr die Knechtschaft des andels bedeuten. Was den Handelsmann behindert, ehindert deshalb noch nicht den Handel.“ In genau in diesem Geiste bitten wir um Zustimmung u eigentlich selbstverständlichen Forderungen wie der tegration von Menschenrechtsstandards und der ILO- ernarbeitsnormen in die Common Approaches und ach mehr Corporate Social Responsibility für die inter- ationale Wirtschaft. Eine solche Strategie wird sich am nde des Tages nicht als ein betriebswirtschaftlicher ostenfaktor, sondern als positiver Standortfaktor für nsere Unternehmen erweisen. 17968 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 (A) ) )(B) Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Die SPD-Frak- tion fordert in ihrem Antrag, menschenrechtliche As- pekte stärker in den OECD-Umweltleitlinien, aber auch in der gelebten Praxis zu verankern. Menschenrechtliche Aspekte finden allerdings bereits heute bei der Über- nahme von Exportkreditgarantien durch OECD-Staaten Berücksichtigung. Dies erfolgt zum einen über die anzu- wendenden Prüfstandards, die die wesentlichen hier re- levanten Menschenrechte abdecken, zum Beispiel im Hinblick auf Umsiedlungen, Schutz des Kulturerbes, Schutz der indigenen Bevölkerung. Zum anderen wer- den schon bislang in einer einzelfallbezogenen Risiko- prüfung relevante Menschenrechtsauswirkungen in Be- tracht gezogen. Im Rahmen der Überarbeitung der OECD-Umweltleit- linien setzt sich die Bundesregierung für eine stärkere Bedeutung der Menschenrechte ein. Die im Interministeri- ellen Ausschuss für Exportkreditgarantien vertretenen Ressorts haben eine ausgewogene deutsche Verhandlungs- position zur Überarbeitung der Common Approaches ent- wickelt. Diese wird den menschenrechtspolitischen Zielen der Koalition, den gestiegenen internationalen Verpflich- tungen als auch den Informations- und Einflussmöglich- keiten der Exporteure und Banken gerecht. Die Forderungen aus dem Antrag der SPD-Fraktion werden hierbei bereits weitestgehend berücksichtigt. Ebenso hat sich die Beteiligung des Bundestages im bis- herigen Umfang bei Entscheidungen über die Außen- wirtschaftsförderung bewährt. Um das Instrument hand- habbar zu halten, wäre es praktisch kaum möglich, alle Anträge auf Hermesdeckungen dem Bundestag vorzule- gen. Es bedarf auch zukünftig einer klaren Trennung von Befugnissen der Exekutive und der Legislative. Dem Antrag der SPD-Fraktion kann daher meine Fraktion nicht zustimmen. Ulla Lötzer (DIE LINKE): Die universelle Geltung der Menschenrechte darf vor den Unternehmenstoren nicht Halt machen. Da ist es ein Skandal, wenn 75 Pro- zent aller Hermesdeckungen Geschäfte mit Menschen- rechtsverletzungen absichern. Ja, es ist unbedingt notwendig, die Einhaltung der Menschenrechte zur Be- dingung für Exportkreditgarantien zu machen. Ihre For- derungen, Kolleginnen und Kollegen der SPD, gehen da- bei aber leider nicht weit genug. Ob Empfehlungen der OECD oder die Richtlinienvorschläge von John Ruggie, alle kranken daran, dass sie keinen verbindlichen Cha- rakter haben. Ohne Verbindlichkeit und wirksame Sank- tionsmechanismen werden Erklärungen für die Einhal- tung der Menschenrechte zu bloßen Absichtserklärungen oder gar Feigenblättern für die Öffentlichkeit. Sie nehmen in ihrem Antrag Bezug auf die Perfor- mance Standards. Darin sind auch die ILO-Kernarbeits- normen enthalten. Leider hat die Bundesregierung die ILO-Konvention 169 zum Schutz der indigenen Völker immer noch nicht ratifiziert, weder unter Schwarz-Gelb noch unter Rot-Grün, übrigens ebenso wenig wie die Konvention zum Schutz der Wanderarbeiter. Das muss dringend geändert werden, wenn Menschenrechte ge- schützt werden sollen. Sie bleiben die Antwort schuldig, w c g li d Z s k z g fü g M fü tu a d b im c G s h z z e b R ß u n d b e fü 1 O b b G h v b in p w ru c W ti z ic ri V (C (D as passiert, wenn sie nach Gewährung der Kreditversi- herung doch gegen Menschenrechte verstoßen. Sofern geförderte Projekte Menschenrechtsverletzun- en nach sich ziehen, müssen die Betroffenen die Mög- chkeiten haben, dagegen auch zu klagen. Wer durch eutsche Unternehmen oder ihre Subunternehmen und ulieferer geschädigt wurde, muss Zugang zum Rechts- chutz in Deutschland bekommen, auch wenn er oder sie ein deutscher Staatsbürger ist. Menschenrechtsverlet- ungen müssen zu Schadensersatzverpflichtungen ge- enüber den Geschädigten und gegenüber dem Staat hren, der die Exportkreditgarantien gegeben hat und etäuscht wurde. All das fehlt leider in ihrem Antrag. Eine wichtige Sofortmaßnahme zum Schutz von enschenrechten wäre das Verbot von Hermeskrediten r Rüstungsgeschäfte. 2010 wurden allein sieben Rüs- ngsgeschäfte in Höhe von 32 Millionen Euro darüber bgesichert. Gestern war im Bundestag auf Einladung er Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Le- ensqualität“ Frau Professor Nussbaum aus Chicago hier Bundestag, um ihr Konzept der zentralen menschli- hen Fähigkeiten vorzustellen. Dieses Konzept ist rundlage vieler Arbeiten der UN zu Fragen der Men- chenrechte. Dazu gehören das Recht auf Leben, die Fä- igkeit, „ein menschliches Leben normaler Dauer bis um Ende zu leben; nicht frühzeitig zu sterben und nicht u sterben, bevor dieses Leben so eingeschränkt ist, dass s nicht mehr lebenswert ist“. Recht hat sie. Hermes- ürgschaften für Rüstungsexporte verletzen massiv das echt auf Leben Tausender von Menschen. Sie versto- en auch gegen das Recht auf Gesundheit oder Bildung nd viele andere mehr. Denn selbst wenn die Waffen icht zum Einsatz kommen, gehen sie oft in arme Län- er, denen dadurch das Geld für andere wichtige Ausga- en wie Gesundheit und Bildung fehlt. Deshalb muss ndlich Schluss sein mit staatlichen Exportbürgschaften r solche Geschäfte. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seit dem 4. November wird in Paris über die Neufassung der ECD-Common-Approaches verhandelt. Die Überar- eitung ist die Chance, einen stärkeren Menschenrechts- ezug in der Außenwirtschaftsförderung zu verankern. erade die Bundesregierung, die sich ja stets ihres ganz- eitlichen Menschenrechtsansatzes rühmt, könnte hier iel bewegen. Tut sie aber nicht. Denn was uns aus dem isherigen Überarbeitungsprozess zugetragen wird, geht die falsche Richtung: Die Bundesregierung tritt in uncto Menschenrechte als Bremserin auf. Das nehmen ir nicht hin. Wir wissen bislang nicht, wo genau die Bundesregie- ng den Änderungsbedarf bei den Common Approa- hes sieht bzw. wie sie den Menschenrechten zu mehr irksamkeit verhelfen will. In den aktuellen Konsulta- onsprozess waren wir Parlamentarierinnen nicht einbe- ogen. Damit hat die Bundesregierung – und hier richte h mich insbesondere an das Bundeswirtschaftsministe- um – an Glaubwürdigkeit verloren. Einen systematischen Menschenrechtsbezug bei der ergabe der deutschen Exportkreditgarantien gibt es bis- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17969 (A) ) )(B) her nicht. Es ist mehr als bedauernswert, dass Menschen- rechte in der Außenwirtschaftspolitik der meisten OECD-Staaten eine eher marginale Rolle spielen. Dabei sind wir doch durch die staatlichen Bürgschaften und Kreditgarantien in der Lage, direkt und indirekt auf die Achtung, den Schutz und die Gewährleistung der Men- schenrechte im Zielland einzuwirken. Für die Vergabe von Exportgarantien brauchen wir daher ein systemati- sches menschenrechtliches Screening der Situation im Zielland. Bereits im Juli 2010 fragten wir die Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage, Drucksache 17/2693, inwie- weit Menschenrechtsaspekte bei der Vergabe von Her- mesbürgschaften, Investitionsgarantien und ungebunde- nen Finanzkrediten geprüft werden. Auf unsere Frage nach den Prüfkriterien im Menschenrechtsbereich ant- wortete die Bundesregierung, dass diese durch die Refe- renzstandards der Weltbank Safeguard Policies bzw. die IFC Performance Standards abgedeckt seien. Das reicht aber nicht aus! Wir meinen, und da stimmen wir der For- derung des SPD-Antrages zu, dass die Prüfkriterien in den Common Approaches selbst verankert werden müs- sen. Im Juni dieses Jahres fragten wir die Bundesregierung erneut in einer Kleinen Anfrage, Drucksache 17/6374, ob vor unternehmerischen Tätigkeiten und Investitionen im Ausland nicht eine menschenrechtliche Risikoana- lyse sinnvoll wäre, insbesondere bei der Vergabe von Exportkrediten und Hermesbürgschaften. Die Antwort war genauso dürftig wie inhaltslos: „Bei der Übernahme von Exportkreditgarantien prüft die Bundesregierung die Umwelt- und sozialen Auswirkungen von Auslandspro- jekten auf der Grundlage der OECD-Common-Approa- ches.“ Das ist zwar richtig, bietet aber nur dann einen wirksamen menschenrechtlichen Schutz, wenn in den Common Approaches wirksame Menschenrechtskrite- rien verankert sind. Die Menschenrechtsorientierung der Bundesregie- rung ist zu dürftig, das reicht nicht aus. Referenz für die Leitsätze der deutschen Außenwirtschaftsförderung müssen die Menschenrechtskonventionen sein. Wir brauchen mehr menschenrechtliche Expertise in den Ex- portkreditagenturen. Wir brauchen ein geeignetes Instru- mentarium zur Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten. Sinnvoll wäre es, dabei auf das lang- jährige Fachwissen von Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International, Urgewald, Gegenströmung oder Germanwatch, die sich für eine stärkere soziale und menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen einsetzen, zurückzugreifen. Der Antrag der SPD ist gut und kommt zur rechten Zeit – gerade während wir hier über die Common Ap- proaches debattieren, wird in Paris darüber verhandelt. Wir werden dem Antrag daher zustimmen. In einem Punkt aber gehen wir noch weiter, als es die SPD mit ih- rem Antrag fordert: Wir fordern die Bundesregierung auf, ein Gesetz über die Vergabe von Hermesbürgschaf- ten vorzulegen, in dem menschenrechtliche Prüfkriterien verankert sind. Denn nur auf diese Weise können die Menschenrechtskriterien bei dieser Form der Exportkre- d U A L b d a v ti A b A im d e w m lu a w in li c s E k F s u D s B s v D s s e D H p L d te E (C (D itvergabe endlich überprüfbar und justiziabel werden. nd dafür wird es höchste Zeit. nlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Begleitgesetzgebung zum Vertrag von Lissabon konsequent anwen- den – Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union weiter stärken (Zusatztagesordnungspunkte 7 und 8) Jürgen Hardt (CDU/CSU): Vor zwei Jahren ist der issabon-Vertrag in Kraft getreten. Die Begleitgesetzge- ung zum Vertrag hat die Mitwirkungsrechte des Bun- estages und im Übrigen auch des Bundesrates deutlich usgeweitet. Der Evaluierungsbericht der Bundestags- erwaltung vom Juni 2011 zieht eine grundsätzlich posi- ve Bilanz der Umsetzung des Mitwirkungsrechts. Aus Sicht eines Mitgliedes des Ausschusses für die ngelegenheiten der Europäischen Union kann ich dies estätigen. Europapolitische Themen nehmen in den usschüssen des Deutschen Bundestages und auch hier Plenum breiteren Raum ein denn je zuvor. Wir wer- en jeweils auf Kanzler-, Minister- oder Staatssekretärs- bene über wichtige Entscheidungen unterrichtet, so- ohl vorher als auch nachher. Der Bundestag hat ehrfach in Entschließungen den Rahmen für Verhand- ngen der Bundesregierung vorgegeben. Und es ist uch nichts Irritierendes, dass die Opposition immer ieder einmal beklagt, nicht umfassend und rechtzeitig formiert worden zu sein. Es ist auch nicht verwunder- ch, dass es über die Einzelfälle durchaus unterschiedli- he Rechtsauffassungen geben kann. Es ist auch zuge- tanden, dass die Opposition mit dem einen oder anderen inwurf nicht völlig unrecht hat. Aber: Die Regierung ommt ihrer Pflicht nach. Der heute von den Fraktionen der CDU/CSU und der DP vorgelegte Entschließungsantrag wird in den Aus- chüssen Grundlage für die Diskussion über den Stand nd die Weiterentwicklung der Mitwirkungsrechte des eutschen Bundestages in der Europapolitik sein. Ange- ichts der jüngsten Entwicklungen und der notwendigen eteiligung des Parlaments bei der Umsetzung der Be- chlüsse des Gipfels vom vergangenen Freitag wird an erschiedenen Stellen eine Präzisierung sinnvoll sein. ie Koalitionsfraktionen laden die Fraktionen der Oppo- ition ein, an der Erarbeitung des endgültigen Beschlus- es mitzuwirken. Ideal wäre es aus unserer Sicht, wenn s für die Weiterentwicklung der Mitwirkungsrechte des eutschen Bundestages eine breite Mehrheit des Hohen auses gäbe. Tagtäglich erleben wir, dass Entscheidungen auf euro- äischer Ebene das Leben der Menschen in unserem ande direkt beeinflussen und bestimmen – heute mehr enn je. Zwei Dinge sind für die Bürger dabei essenziell: ers- ns, dass die Bundesregierung in den Verhandlungen und ntscheidungen auf europäischer Ebene stark genug und 17970 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 (A) ) )(B) frei ist, europäische und deutsche Interessen kraftvoll zu vertreten. Sie kann deshalb nicht mit detailverliebt for- mulierten Beschlüssen des Bundestages in Verhandlun- gen gehen. Sie muss Handlungsfreiheit und Verhand- lungsspielraum haben, damit sie im Sinne des deutschen Volkes und aller Europäer das Beste erreicht. Zweitens muss aber die demokratische Legitimation von Entscheidungen auf europäischer Ebene gewährleis- tet sein. Dort, wo die Kolleginnen und Kollegen im Eu- ropäischen Parlament aufgrund der Ausgestaltung der europäischen Verträge diese demokratische Kontroll- funktion nicht oder nicht alleine wahrnehmen, sind die nationalen Parlamente gefordert. Dies gilt für die Mit- wirkung der Bundesregierung bei der europäischen Ge- setzgebung im Rat, bei der Primärgesetzgebung und na- türlich, so finde ich, auch bei intergouvernementalen Vereinbarungen, an denen Deutschland beteiligt ist. Alle Überlegungen früherer Jahre und auch heute bewegen sich in diesem Spannungsfeld zwischen notwendiger Verhandlungsfreiheit einerseits und demokratischer Le- gitimierung andererseits. Der Präsident des Bundesver- fassungsgerichts, Professor Andreas Voßkuhle, hat es wie folgt formuliert: Es gehe darum, den Ausgleich zu finden zwischen der Mitwirkung des Parlaments und der Notwendigkeit, effektiv zu verhandeln. Der vorliegende Entschließungsantrag beinhaltet im Kern die Aussage, dass wir den Kreis der Anwendungs- felder von Art. 23 Grundgesetz – das ist der Artikel über die parlamentarische Mitwirkung in Angelegenheiten der EU – auch angewendet wissen wollen auf Fälle, in denen zwar formal kein Mitwirkungsrecht existiert, in denen aber die zu regelnden Angelegenheiten aufs Engste mit der Fortentwicklung der Europäischen Union verbunden sind, sodass also im politischen Sinne ein un- mittelbarer Zusammenhang zwischen der Institution Eu- ropäische Union und dem zu regelnden Gegenstand be- steht. Diese Frage wird gerade im Zusammenhang mit der vorgesehenen Gestaltung des Vertrages zur Fiskalunion eine besondere Bedeutung erlangen. Denn die Fiskal- union ist angelegt mit dem Ziel, eines Tages Bestandteil der regulären EU-Verträge zu werden. So hat es Bundes- kanzlerin Merkel ja gestern auch in ihrer Regierungser- klärung nochmals betont. Die Regierung sollte wissen, dass wir als Parlament den wirklich wegweisenden Be- schluss vom vergangenen Freitag als gewichtige Weiter- entwicklung – ja, ich sage: als Vertiefung – der Europäi- schen Union ansehen. Die Umsetzung der Beschlüsse sollte im Bundestag also entsprechend ebenso behandelt werden wie die eigentlichen EU-Angelegenheiten nach Art. 23 des Grundgesetzes. Wenn wir nun den Entschließungsantrag in den Aus- schüssen beraten, werden wir noch weitere Klarheit über den rechtlichen und politischen Charakter dieses nun zu schließenden Vertrages über die Fiskalunion bekommen. Es wird dann zu entscheiden sein, wie wir damit umge- hen und ob wir das Mitwirkungsgesetz vielleicht sogar ändern müssen. Für die CDU/CSU-Fraktion möchte ich hier Offenheit in der Diskussion signalisieren. In diesem S T A g s ü d d d w te Ü w d P s ri d E im u g fa re u d n s d c s c u F fü q ü D s b w 2 d B s W ä D o A d s ü B J k s (C (D inne lassen Sie uns gemeinsam an diesem wichtigen hema arbeiten. Alois Karl (CDU/CSU): Wenn wir uns heute auf ntrag unserer Koalitionsfraktionen mit der Begleit- esetzgebung zum Vertrag von Lissabon befassen, dann ind wir uns von vornherein alle in diesem hohen Haus ber manches einig: Einigkeit besteht gewiss darüber, ass wir mit den Begleitgesetzen zum Lissabon-Vertrag eutlich mehr Mitwirkungsrechte unseres Parlaments, es Deutschen Bundestages, erreicht haben. Einig sind ir uns gewiss auch darüber, dass wir mit dem Erreich- n nicht am Ende des Weges angelangt sind. Diese bereinstimmung ergibt sich hoffentlich nicht nur egen des bald einkehrenden vorweihnachtlichen Frie- ens, sondern gerade daraus, dass wir selbstbewusste arlamentarier sind. Wir wollen – und auch darüber timmen wir gewiss überein – dass wir als Parlamenta- er möglichst frühzeitig, möglichst umfassend, dazu auerhaft und fortlaufend über die Entwicklungen in uropa informiert werden. Unser Informationsrecht betrifft nicht nur Vorlagen Zusammenhang mit völkerrechtlichen Verträgen nter den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, es reift nicht nur beim Abschluss von Gesetzgebungsver- hren. Wir wollen auch, dass sich unsere Informations- chte auf informelle Treffen der Minister, der Staats- nd Regierungschefs erstrecken. Wir wissen genau, dass ie Verhandlungen über die Zukunft Europas sehr häufig icht in Gremien gefasst werden, die alle 27 Mitglied- taaten abdecken. Häufig geben Gremien den Ausschlag, ie weniger als diese 27 Staaten umfassen. Konkret spre- he ich zum Beispiel die Euro-Gruppe an. Die hier zu- ammengefassten 17 Staaten fassen tagtäglich weitrei- hende Beschlüsse. Diese wirken für lange Zeiträume nd greifen tief in unsere Wirtschaftspolitik, unsere inanz- und Steuerpolitik ein. Aus diesem Grund ist es r uns unabdingbar, dass wir in unserem Antrag konse- uenterweise fordern, dass diesbezüglich das Gesetz ber die Zusammenarbeit von Bundesregierung und eutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäi- chen Union, EUZBBG, auch dann Anwendung findet, ei intergovernmentaler Zusammenarbeit oder dann, enn Politikbereiche befasst sind, denen nicht alle 7 EU-Mitgliedstaaten angehören. Ich spreche explizit en § 5 Abs. 4 EUZBBG an. Dieser verlangt von der undesregierung lediglich, dass die zuständigen Aus- chüsse des Bundestages mündlich informiert werden. ir sind der Auffassung, dass sich gerade hier etwas ndern muss, dass gerade hier Korrekturbedarf besteht. ie im § 5 EUZBBG genannten Dokumente, Berichte der Mitteilungen müssten auch auf die Euro-Gruppe nwendung finden. Dies vorausgeschickt, erkennen wir aber durchaus, ass die jetzige Evaluierung der Begleitgesetze zum Lis- abon-Vertrag, neben dem EUZBBG auch das Gesetz ber die Integrationsverantwortung von Bundestag und undesrat – IntVG, dass dieser Evaluationsbericht vom uni diesen Jahres zu durchaus positiven Ergebnissen ommt. Für den Teil des Integrationsverantwortungsge- etzes ist das problemlos, „die Vorgaben in allen Anwen- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17971 (A) ) )(B) dungsfällen seien erfüllt worden“ schreibt der Bericht. Die Beurteilung des EUZBBG ist zwar nicht ganz so euphorisch, nicht ausschließlich positiv. Dennoch stellt sich auch gerade hier die Frage nach der optimistischen oder pessimistischen Sicht der Dinge. Ist das Glas nun halb voll oder ist das Glas halb leer? Wenn Sie bedenken, dass der Evaluationsbericht der die Jahre 2009 bis 2011, also 2 Jahre umfasst, dass er 29 298 EU-Dokumente unter die Lupe genommen hat, dann ist es nicht ungewöhnlich, dass sich vereinzelte Kritikpunkte ergeben. Für einen akribischen Bericht- erstatter über fast 30 000 Dokumente ist es doch gar nicht anders möglich, als dass er nicht auch den einen oder anderen Ansatzpunkt für Kritik findet. Ein Revisor wäre ja geradezu fehl am Platz, wenn er bei 30 000 Prü- fungen nicht auch die eine oder andere Beanstandung fände. Der betreffende Revisor würde da ja gerade sei- nen eigenen Arbeitsplatz selbst wegrationalisieren. Das kann man von einem Beamten nicht erwarten. Wichtig ist aber, dass wir das Große und Ganze nicht aus den Augen verlieren. Wichtig ist doch, dass wir die Mainpoints erkennen. Wichtig ist, dass wir die Kunst der Unterscheidung immer noch haben und zwar zwischen dem, was „wichtig und dem, was peripher ist“. Wichtig für mich ist, dass neben dem Integrationsverantwor- tungsgesetz auch die Unterrichtung über die gemein- same Außen- und Sicherheitspolitik, die Unterrichtung über die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungs- politik sich bewährt haben. Im Evaluationsbericht wird dies alles durchaus positiv bewertet. Gerade dies finde ich außerordentlich bemerkenswert. Selbst bei großer Eilbedürftigkeit, so drückt es der Evaluationsbericht aus, wurden Unterrichtungspflichten in vollem Umfang gewahrt. Ich nenne nur ein einziges Beispiel. Der Antrag Irlands auf finanzielle Unterstützung aus dem Europäi- schen Rettungsschirm, ESFS, musste ohne lange Vorbe- reitung im Euro-Raum beraten werden. Ich selbst bin Mitglied auch im Haushaltsausschuss – und ich kann Ihnen sagen, dies war eine dramatisch knappe Kiste. Trotzdem waren wir völlig ausreichend informiert. Peinlich wirkt in diesem Zusammenhang geradezu der jetzige Antrag der Linken. Der spricht davon, dass die Rechte des Bundestages gerade beim Thema Irland „systematisch umgangen worden seien“. Im Fall Irland, so führen die Linken aus, sei wegen der „angeblichen Eilbedürftigkeit“ keine ausreichende Zeit für sorgfältige parlamentarische Befassung gewesen. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Ihr Antrag ist diesbezüglich an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten. Sie haben als Linke und als einzige Fraktion im Bundestag der Hilfeleistung für Irland von vornherein und auch grundsätzlich wider- sprochen. Auf Eilbedürftigkeit oder sonstig vorgescho- bene Gründe ist es Ihnen damals nie angekommen. Tat- sache ist, dass sie unseren europäischen Partnern von vornherein nicht helfen wollten. Sie wollten den Iren in ihrer Notlage gerade nicht zur Hilfe kommen. Heute so zu tun, als wäre nicht ausreichend Zeit zur Beratung gewesen, das ist ja an Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten. Wer sich so verhält, der sollte hier ganz ruhig sein und den Mund halten! Für die Regierungsfraktionen kann ich feststellen, dass gerade an diesem Beispiel sich g ri g u s d g d s ti fr G z m w e re n B b F W n h s d B a V z fr re P li b n G is G d n d g le s d m A E s z D le „ z E a d (C (D ezeigt hat, dass das Zusammenspiel zwischen Unter- chtungsplichten der Bundesregierung und den Beteili- ungsrechten des Parlamentes sehr klug austariert sind nd sich sehr gut bewährt haben. Durch die Begleitge- etze sind die Rechte der legislativen Gewalt, des Bun- estages, und die der exekutiven Gewalt, der Bundesre- ierung, außerordentlich fein und klug ausgewogen. Mit en genannten Begleitgesetzen hat sich der Bundestag tarke Waffen in die Hand gegeben. Gerade die frühzei- ge Unterrichtung des Parlamentes, die Möglichkeit, ühzeitig Stellungnahmen abzugeben und sie zur rundlage für die Verhandlungen der Bundesregierung u machen, auch die Pflicht zur Einlegung eines Parla- entsvorbehaltes, all dies repräsentiert das Selbstbe- usstsein des Parlaments. Diese Begleitgesetze sind ine deutliche Fortentwicklung hin zu mehr Parlaments- chten, hin zu mehr Beteiligung, hin zu mehr Einfluss- ahme und damit hin zu mehr Demokratie. Diese egleitgesetze haben sich bewährt. Der Evaluations- ericht hat das bestätigt. Auch dies ist ein Grund zur reude. Das war nicht immer so im deutschen Parlament. enn Sie bei Konrad Adenauer in dessen Memoiren achlesen, dann schreibt er: „Die Bundesregierung ver- andelt mit bestem Wissen und Gewissen mit ausländi- chen Staaten … Die Bundesregierung legt das Ergebnis em Parlament vor, das Parlament kann die gefassten eschlüsse und Vereinbarungen akzeptieren oder sie blehnen. Im Ablehnungsfall genießt die Regierung das ertrauen des Parlaments nicht mehr, sie hat daraufhin urückzutreten.“ Wie haben sich die Dinge doch positiv verändert: Die ühzeitige Parlamentsbeteiligung, die Informations- chte, die Möglichkeiten der Stellungnahme oder der arlamentsvorbehalt, all dies hat die verfassungsrecht- che Entwicklung dramatisch geändert – und zwar ver- essert. Wir wissen allerdings, dass die Parlamentsbeteiligung icht statisch, nicht festgeschrieben ist. Außer den zehn eboten ist nichts dauerhaft! Die Parlamentsbeteiligung t ein sich entwickelnder Prozess. Dieser Prozess ist im ange und längst nicht abgeschlossen. Panta rhei! Auch ie heutig geltenden gesetzlichen Bestimmungen sind icht abschließend, sie sind nicht statisch. Wenn es um ie Anwendung des Art. 23 Abs. 2 des Grundgesetzes eht, nämlich darum, dass „der Bundestag in den Ange- genheiten der Europäischen Union mitwirkt“, dann ind wir uns einig darüber, dass zu den Angelegenheiten er Europäischen Union natürlich auch das intergovern- entale Handeln der Mitgliedstaaten gehört. Auch § 3 bs. 1 des EUZBBG, der sich mit den „Vorhaben der uropäischen Union“ befasst, ist in sich nicht abge- chlossen. Er ist für Erweiterungen zugänglich. Die Auf- ählungen dort haben nur deklaratorischen Charakter. ies ergibt sich schon daraus, dass der Gesetzestext diglich 14 einzelne Beispiele explizit aufzählt, was Vorhaben der Europäischen Union“ sind. Auch über die Beteiligungsrechte hinsichtlich der Sit- ungen der Euro-Gruppe – sie sind im § 5 Abs. 4 des UZBBG ausgeführt – besteht Einigkeit darüber, dass uch diese Unterrichtungen nicht bloß mündlich, son- ern wie bei allen anderen schriftlich zu erfolgen haben. 17972 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 (A) ) )(B) Dies steht auch problemlos im Einklang mit der jetzigen Verfassungsrechtsprechung. Gerade in den letzten Ent- scheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vom 30. Juni 2009 und vom 7. September 2011 lässt sich dies problemlos ableiten. Das Bundesverfassungsgericht hat darin die Rolle des Parlamentes deutlich gestärkt. Bei den Entscheidungen wird festgehalten, dass die Entfal- tung der demokratischen Willensbildung wesentliche Gestaltungsräume bei fortschreitender Integration zu erhalten sind. Das Gericht stellt klar, dass der parlamen- tarische Einfluss sehr groß sein muss gerade dann, wenn es um die Art und Weise der Verwendung von Bundes- finanzmittel für die europäische Solidarität geht. Der Bundestag – so führt das Gericht aus – ist „nicht nur über die Grundentscheidung zu beteiligen, sondern ist fortlaufend und dauerhaft zu beteiligen“. Der Bundestag und seine Gremien sind gerade über Vorlagen und Beschlüsse auch in der Euro-Gruppe zu informieren. Als Annex möchte ich hier einfügen, dass Differenzen über die Beteiligung des Bundestages hier in diesen parla- mentarischen Gremien ausgetragen werden sollen. Poli- tische Entscheidungen sollten noch immer hier gefällt werden, nicht in Karlsruhe, nicht beim Bundesverfas- sungsgericht. Ich kritisiere die augenblicklichen Anträge der Grü- nen in einem Organstreitverfahren beim Bundesverfas- sungsgericht. Ich halte das für falsch. Das Parlament muss selbstbewusster auftreten. Das Verfassungsgericht ist nicht Obergesetzgeber. Abschließend kann festgehalten werden, dass die Beteiligungsrechte durch die Begleitgesetze zum Lissa- bon-Vertrag außerordentlich gestärkt worden sind. Der Evaluationsbericht kommt zu insgesamt außerordentlich positiven Einschätzungen. Natürlich ist „nichts so gut …, als dass es nicht auch noch verbessert werden könnte“. Hierzu gehören unstreitig unsere heutigen Anträge. Sie führen auf eine Ausdehnung der Beteiligungsrechte des Parlaments hin – und das ist gut so. Ich füge noch hinzu, dass die Unterrichtungen auch in deutscher Sprache er- folgen müssen, dass die Vorlagen bei uns auch nicht nur rechtzeitig, sondern auch auf gut Deutsch ankommen müssen. In diesem Hause ist möglicherweise der Satz „In Europa wird wieder deutsch gesprochen“ von man- chem missverstanden worden. Er wird nicht von jedem akzeptiert. Wir sind uns aber doch einig darüber, dass wir uns bei unseren Beratungen mit den englischen Fas- sungen aus Brüssel oder sonst woher nicht zufriedenge- ben können. Auch das widerspricht unserem Selbstbe- wusstsein als Parlament, wir sind eben der Deutsche Bundestag. Dr. Eva Högl (SPD): Zunächst möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, dass ich von dem Vorgehen der Ko- alitionsfraktion schwer enttäuscht bin und es mir völlig unverständlich ist, wie dieses wichtige Thema in der letzten Sitzungswoche zu diesem Zeitpunkt überra- schend auf die Tagesordnung gesetzt worden ist. Damit wird eine Chance vertan, dieses wichtige Thema zur Kernzeit zu debattieren. Außerdem wurde die Chance vertan, gemeinsam fraktions- und parteiübergreifend ein s d ru c A E V s d T W g n s K ro li w d s c B U s ti d a s n V g d m b E n d s g B g la tu B v c p d d W n d a d D d (C (D tarkes Signal für die Beteiligung des Deutschen Bun- estages zu senden. Im Juni wurde vereinbart, gemeinsam über Verbesse- ngen des EUZBBG und seiner Anwendung zu spre- hen und Vorschläge zu erarbeiten. Die Lektüre Ihres ntrages zeigt, dass wir uns sicher auf die wesentlichen lemente einer Überarbeitung des EUZBBG und eine erbesserung der Anwendung des Gesetzes hätten ver- tändigen können. Es ist mir unbegreiflich, warum Ihnen er Wille und die Souveränität fehlen, dieses wichtige hema mit allen Fraktionen zu beraten und zu regeln. ir haben mehrfach das Angebot gemacht, das ohne Be- ründung und trotz mehrfacher Nachfrage auf Ableh- ung stieß. Hier wurde nicht nur eine Chance vertan, ondern das ist auch ein ganz, ganz schlechter Stil. Die Beteiligung des Deutschen Bundestages ist ein ernthema bei der Debatte über die Entwicklung der Eu- päischen Union. Dies gilt für die Diskussionen anläss- ch der aktuellen Krise und auch generell für die An- endung des Europarechts, die Gestaltung Europas und ie Weiterentwicklung der Europäischen Union. Es be- tehen gute und in ihrem Regelungsumfang auch ausrei- hende Grundlagen für die Beteiligung des Deutschen undestages an den Angelegenheiten der Europäischen nion. Art. 12 des Vertrags über die Europäische Union tärkt seinem Wortlaut nach unmissverständlich die na- onalen Parlamente und weist ihnen bei der Gestaltung es Europarechts eine herausragende Rolle zu. Die sich us dieser Rolle ergebenen Aufgaben wollen und müs- en wir im Deutschen Bundestag nicht nur sehr ernst ehmen, sondern auch umfassend wahrnehmen. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ertrag von Lissabon und nach der Überarbeitung der esetzlichen Grundlagen für die Beteiligung des Bun- estages haben wir hervorragende und im Übrigen ge- einsam erarbeitete Grundlagen für die Zusammenar- eit zwischen Bundesregierung und Bundestag in der uropapolitik. Durch die veränderte Rechtslage wurden eue Maßstäbe im Hinblick auf die Mitwirkungsrechte es Bundestages in den Angelegenheiten der Europäi- chen Union gesetzt. Das Integrationsverantwortungs- esetz und das Gesetz über die Zusammenarbeit von undesregierung und Deutschem Bundestag in Angele- enheiten der Europäischen Union bilden die Grund- gen für das ausgewogenes Verhältnis von Gestal- ngsspielraum der Bundesregierung einerseits und den eteiligungsrechten des Bundestages andererseits. Der am 17. Juni 2011 von der Bundestagsverwaltung orgelegte Evaluierungsbericht zeigt deutlich, an wel- hen Stellen die Bundesregierung ihren Beteiligungs- flichten nachgekommen ist und wo Verbesserungsbe- arf besteht. Der Bericht kommt zum Schluss, dass sich ie Gesetze gut zwei Jahre nach ihrem Inkrafttreten im esentlichen bewährt haben und konstatiert rechtstech- ischen Verbesserungsbedarf nur an wenigen Stellen, em jedoch durch die Anpassung einiger Formulierung bgeholfen werden kann. Deutlicher Verbesserungsbe- arf besteht jedoch bei der Anwendung dieser Gesetze. er Bundesregierung fehlt es bis heute an dem entschei- enden politischen Willen, den Bundestag frühestmög- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17973 (A) ) )(B) lich und fortlaufend zu informieren, so wie es das Gesetz vorschreibt. Immer wieder sehen sich Parlamentarier und Parlamentarierinnen in der Pflicht, die Bundesregie- rung an die Einhaltung ihrer Unterrichtungsgrundsätze zu erinnern. Der Bundesregierung mangelt es an Eigen- initiative und vor allem an der notwendigen Einsicht, dass die Beteiligung des Parlaments nicht nur demokra- tiefördernd, sondern auch impulsgebend für die Europa- politik ist. Die beim Bundesverfassungsgericht anhängi- gen Organklagen sind der beste Beweis für die unzureichende Beteiligung des Bundestages in der Pra- xis. Fest steht, dass eine ordnungsgemäße und rechtzei- tige Beteiligung des Bundestages im Vorfeld den Gang nach Karlsruhe entbehrlich gemacht hätte. Es ist zu er- warten, dass es mal wieder das Bundesverfassungsge- richt sein wird, das Frau Merkel an die besondere Be- deutung des Parlaments in unserer demokratischen Grundordnung erinnern muss. Aus konkretem Anlass möchte ich auf einen weite- ren Punkt aufmerksam machen, der für uns Parlamenta- rier und Parlamentarierinnen besonders wichtig ist und der auch Gegenstand des vorliegenden Antrags der Ko- alitionsfraktion geworden ist. Das ist die Einbeziehung intergouvernementalen Handelns in die Informations- und Beteiligungspflicht der Bundesregierung. Mit Be- dauern stellen wir fest, dass bei den Vereinbarungen der Europäischen Räte sowohl die nationalen Parlamente als auch das Europäische Parlament zunehmend in den Hin- tergrund gedrängt werden. Es entspricht weder unseren Vorstellungen von demokratischer Legitimation noch den verbindlichen Vorgaben des Vertrags von Lissabon, dass wir uns auf dem Weg zu einem Europa der Regie- rungen befinden. Dies ist eine gezielte und bewusste Ab- kehr vom Gemeinschaftsrecht. Die Folge ist, dass die europäischen Institutionen bewusst geschwächt und die gemeinschaftlichen Verfahren außer Kraft gesetzt wer- den, eine Tendenz, die wir mit aller Deutlichkeit ableh- nen. Der letzte Europäische Rat am 9. Dezember stellt dies sehr anschaulich unter Beweis. Im Gegensatz zu den Vereinbarungen vor 20 Jahren in Maastricht, als Groß- britannien bei der Sozialpolitik keine weitergehenden Vereinbarungen mittragen wollte, konnte damals immer- hin über ein Protokoll und ein Abkommen zur Sozial- politik gewährleistet werden, dass die weitergehenden Vereinbarungen der anderen Mitgliedstaaten im Rahmen des Gemeinschaftsrechts formuliert wurden. Auf dem Gipfel des Europäischen Rates vor wenigen Tagen wurde dieser Erfolg für die Integration in die Europäi- sche Union nicht erzielt und es scheint, als habe die Bun- desregierung dieses Ziel mit zu wenig Nachdruck ver- folgt. Es soll nicht in Abrede gestellt werden, dass intergou- vernementales Handeln nicht auch ein Fortschritt für die Europäische Union sein kann. Die Erfolge intergouver- nementalen Handelns sind historisch durch die Einfüh- rung des Euro und des Schengen-Abkommens belegt worden. Allerdings brauchen wir eine dringende Klar- stellung, dass intergouvernementales Handeln, das als Weiterentwicklung der Europäischen Union dient, als Angelegenheit der Europäischen Union im Sinne von A g re g B re te d ri E m fu V o d d E s D g s V s b g m In d w m g m w D d K U d s d U e M R re W U h d w s e e d e v B o (C (D rt. 23 Grundgesetz zu klassifizieren ist. Daher ist drin- end eine Klarstellung erforderlich, die der Bundes- gierung keinen Interpretationsspielraum lässt. Inter- ouvernementales Handeln rechtfertigt nicht, dass die undesregierung die parlamentarischen Beteiligungs- chte außer Kraft setzt oder mutwillig ignoriert. Ich möchte noch einmal an die im Vorfeld des jüngs- n Gipfels stattgefundene Debatte über die Vertragsän- erungen erinnern. Die Parlamentarier und Parlamenta- erinnen des Ausschusses für die Angelegenheiten der uropäischen Union haben die Erklärung von Bundes- inister Westerwelle als unfassbare Provokation emp- nden, dass das Papier des Auswärtigen Amts zu den ertragsänderungen schon in Brüssel diskutiert wurde, hne dass zuvor eine förmliche Zuleitung des Papiers an ie Abgeordneten stattgefunden hat. Eine Brüskierung es Parlaments! Diese Fallbeispiele zeigen, dass wir im UZBBG unmissverständlich klarstellen müssen, dass olche Vorschläge, Papiere und Überlegungen dem eutschen Bundestag frühzeitig und ordnungsgemäß zu- eleitet werden und er darüber offiziell in Kenntnis ge- etzt wird. Als unmittelbar demokratisch gewählte olksvertreter und Volksvertreterinnen sind wir es leid, tändig um einen gesetzesgemäßen Informationsfluss itten zu müssen und notfalls durch die Hilfe der Kolle- en und Kolleginnen anderer Parlamente an die Doku- ente zu gelangen. Von besonderer Wichtigkeit für uns alle sind auch die formationen über die Beratungen der Euro-Gruppe, ie ebenfalls in dem vorliegenden Antrag thematisiert erden. Auch diese mündliche Unterrichtungspflicht uss durch Zuleitung der relevanten Beratungsunterla- en und Dokumente erweitert werden. Darüber hinaus öchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf einen weiteren ichtigen Punkt lenken: die Umsetzung von Richtlinien. a sich die Bundesregierung der Einsicht verweigert, ass auch eine fehlerhafte bzw. von der Europäischen ommission kritisierte Umsetzung von Richtlinien eine nterrichtungspflicht des Bundestages durch die Bun- esregierung auslöst, brauchen wir hier eine Klar- tellung. Es ist nicht länger hinnehmbar, dass die Bun- esregierung sich auf den Standpunkt stellt, eine nterrichtungspflicht bestehe nur bei Nichtumsetzung iner Richtlinie, nicht aber bei fehlerhafter Umsetzung. einer Ansicht nach geht es hier nicht um eine fehlende ichtlinienumsetzung, sondern um das Fehlen eines kla- n politischen Willens, den Bundestag einzubeziehen. enn es an dem politischen Willen, eine fehlerhafte msetzung als eine teilweise Nichtumsetzung anzuse- en, mangelt, dann ändern wir eben die Formulierung es § 4 Nr. 4 EUZBBG. Für den Bundestag ist es not- endig, bei Vertragsverletzungsverfahren das Mahn- chreiben der Europäischen Kommission zu erhalten. Ausdrücklich loben möchte ich, dass in Ihrem Antrag ine förmliche Zuleitung in englischer Sprachfassung nthalten ist. Auch sind wir damit einverstanden, dass es ie Einflussnahme und die Beratungen des Bundestages rleichtern würde, wenn wir möglichst frühzeitig rele- ante Unterlagen bekommen und schon einmal einen lick in die englischen Fassungen werfen könnten – hne dass dies ein Verzicht auf die deutsche Fassung be- 17974 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 (A) ) )(B) deutet. Genauso wie Sie sehe ich außerdem Verbesse- rungsbedarf bei den Berichten der Bundesregierung, der umfassenden Bewertung insbesondere im Hinblick auf die Prüfung der Subsidiarität und der Verhältnismäßig- keit, die für uns als Bundestag von besonderer Bedeu- tung sind, sowie bei der Frühwarnung, den Drahtberich- ten, der Einbeziehung unserer Stellungnahmen in die Verhandlungen sowie bei dem Verlauf und dem Ab- schluss der Verhandlungen im Rat. Alles in allem ist erheblicher Handlungsbedarf bei der Verbesserung der Information und Beteiligung des Bun- destages durch die Bundesregierung gegeben. Wir for- dern eine Beachtung der Rechte des Bundestages und ich appelliere an die Bundesregierung, dies nicht als lästige Pflicht zu sehen, sondern als große Chance zu verstehen, mit der umfassenden und rechtzeitigen Beteiligung des Bundestages die Europapolitik auf eine breite Basis zu stellen und das Parlament zu stärken. Die lobenden Worte, die der hier vorliegende Antrag für die „reibungs- lose Praxis der Unterrichtung“ der Bundesregierung fin- det, entsprechen nicht der Realität. Wir müssen uns als Parlament ernst nehmen. Die vornehmste Aufgabe des Parlaments ist die Kontrolle der Regierung, und der Zu- gang zu Informationen ist die erste und wichtigste Vo- raussetzung für die Ausübung dieser Kontrolle. Die Tat- sache, dass unser Bundestagspräsident das immer wieder anmahnen muss, sollte auch der Bundesregierung zu denken geben. Leider ist heute die Chance vertan wor- den, ein starkes Signal für mehr und bessere Beteiligung des Bundestages zu senden. Ich betone noch einmal, dass ich mich gefreut hätte – und dass es den Bundestag ausgezeichnet hätte –, wenn wir dies zu einer anderen Zeit und auf Grundlage gemeinsamer Vorstellungen dis- kutiert hätten. Das hätte uns gestärkt, und das wäre unse- rer Rolle und unseren Aufgaben gerecht geworden. Dr. Stefan Ruppert (FDP): Die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in eu- ropäischen Angelegenheiten ist eine immer wichtiger werdende Frage. Die Antwort auf diese Frage lautet grundsätzlich, dass das Gleichgewicht zwischen Exeku- tive und Legislative in der europäischen Politik gewahrt werden muss. Dies gilt vor allem in einer Zeit, in der sich die Europäische Union selbst stark wandelt. Die ge- wohnte Tendenz der verstärkten Integration und Supra- nationalisierung wird zunehmend aufgebrochen. Zwi- schenstaatliche Vereinbarungen – das haben nicht nur der Rettungsschirm, sondern auch die jüngsten Gipfelbe- schlüsse gezeigt – gewinnen immer stärker an Bedeu- tung. Aufgrund dieser Entwicklung ist es wichtig, dass wir die Begleitgesetze, die die Zusammenarbeit von Exekutive und Legislative in EU-Fragen regeln, konti- nuierlich evaluieren und anpassen. Denn eines ist klar: Der notwendige Spielraum für die Bundesregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union darf nicht so groß werden, dass das Parlament in seinen grundsätzli- chen Mitwirkungs- und Kontrollrechten beschnitten wird. Dies würde dem Demokratieprinzip widerspre- chen. Der eigentliche Anknüpfungspunkt für die heutige Debatte ist der sogenannte Monitoringbericht der Bun- d S a fu B B ta V b E re W s e d E lo e p ti E te P s b ru u d n d re b G B e d c w p D c E Z V ta d E re c in d d li g A z s fr w (C (D estagsverwaltung, der dem Bundestag seit dem ommer vorliegt. An dieser Stelle möchte ich den Ver- ntwortlichen meinen Dank aussprechen für die sehr ndierte und umfangreiche Zusammenstellung in dem ericht. Zusammen mit dem EU-Ausschuss leistet die undestagsverwaltung auch im parlamentarischen All- g in der Beschaffung, Priorisierung, Bewertung und erteilung der Dokumente mit EU-Bezug sehr gute Ar- eit. Der Monitoringbericht kommt zu dem wesentlichen rgebnis, dass die Zusammenarbeit zwischen Bundes- gierung und Parlament in europäischen Fragen im esentlichen gut funktioniert. Im Bereich des IntVG ind die Vorgaben in allen bisherigen Anwendungsfällen rfüllt worden. Eine Novellierung des Gesetzes muss eswegen nicht erfolgen. Im Anwendungsbereich des UZBBG hat sich ebenfalls eine weitgehend reibungs- se Praxis der förmlichen Zuleitung und Unterrichtung tabliert. Allerdings weichen einige Punkte von diesem ositiven Befund ab. Diese Problemfälle hat die Koali- on im vorliegenden Antrag thematisiert. Die Frage ist nun, wie man mit diesen Fällen im UZBBG weiter verfährt. Hier muss man einerseits un- rscheiden zwischen den gesetzlichen Vorgaben, die das arlament gegenüber der Bundesregierung in einem Ent- chließungsantrag noch einmal klarstellen sollte. Das ha- en wir im vorliegenden Antrag auch schon getan. Da- nter fallen beispielsweise Punkte wie die teils sehr nterschiedliche inhaltliche Qualität und Ergiebigkeit er Berichtsbögen der Bundesregierung oder auch die icht immer zufriedenstellende Unterrichtung des Bun- estages über den Erfolg seiner Stellungnahmen. Ande- rseits gibt es auch solche Regelungen im EUZBBG, ei denen bestehende Unklarheiten in der Auslegung des esetzes einfach zu groß sind. Zu nennen ist hier zum eispiel die Auslegung des § 5 Abs. 4 EUZBBG, in der s um die Berichte aus der Euro-Gruppe geht. Die Bun- esregierung muss dem Bundestag auch die entspre- henden Dokumente aus den Sitzungen der Euro-Gruppe eiterleiten, da sich die mündliche Unterrichtungs- flicht nur auf Informationen über die Sitzung bezieht. aneben müssen wir auch auf die neuen zwischenstaatli- hen Vereinbarungen auf EU-Ebene reagieren und das UZBBG entsprechend anpassen. Wichtig ist in diesem usammenhang beispielsweise eine Erweiterung des orhabenkatalogs nach § 3 Abs. 1 EUZBBG. Dieser Ka- log ist zwar grundsätzlich nicht abschließend. Aller- ings sollten hier im Sinne von Rechtsklarheit einige ntwicklungen gerade im intergouvernementalen Be- ich stärker berücksichtigt werden. In der Summe spre- hen wir Liberalen uns deshalb dafür aus, das EUZBBG einigen wenigen Punkten zu ändern. Wir laden auch ie Oppositionsfraktionen zum gemeinsamen Dialog in ieser Frage ein. Abschließend noch ein paar Bemerkungen zum vor- egenden Antrag der Fraktion Die Linke. Ich sehe es rundsätzlich positiv, dass sich wichtige Punkte unseres ntrags auch in ihrem Vorschlag widerspiegeln. Das eigt mir, dass in den weiteren Beratungen in den Aus- chüssen die Grundlage für einen gemeinsamen inter- aktionellen Antrag besteht. Ein Zustandekommen ürde ich sehr begrüßen, da die Mitwirkungs- und Kon- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17975 (A) ) )(B) trollrechte des Parlaments als Querschnittsaufgabe alle Fraktionen gleichermaßen betreffen. Zwei kritische An- merkungen zum Antrag der Fraktion Die Linke möchte ich dennoch machen. Erstens deute ich die Formulierun- gen in ihrem Antrag so, als müsste die Bundesregierung vor jeglichem Handeln auf europäischer Ebene verbind- lich und vollständig durch den Bundestag festgelegt wer- den. Eine solche Herangehensweise scheint in der Praxis schwer umsetzbar. Ein gewisser Verhandlungsspielraum muss für die Bundesregierung in Angelegenheiten der EU bestehen bleiben. Sonst wären Verhandlungen zwi- schen den Mitgliedstaaten wohl nur sehr schwer erfolg- reich abzuschließen. Wichtig ist jedoch, dass der Bun- destag umfassend und frühestmöglich über neue Entwicklungen auf europäischer Ebene informiert wird. Nur so kann er mit einer Stellungnahme die grundle- gende Richtung des Handelns der Bundesregierung fest- legen. Zweitens erwähnen Sie in Ihrem Antrag, dass direkt- demokratische Elemente wichtig zur Behebung des De- mokratiedefizits der EU sind. Dem stimme ich grund- sätzlich zu. Wir sind mit der Einigung auf die europäische Bürgerinitiative in dieser Frage auch schon einen Schritt weitergekommen. Ich glaube dennoch, dass es gerade die nationalen Parlamente sind, die einen wichtigen Beitrag zur Legitimität des europäischen Inte- grationsprozesses leisten können und leisten müssen. Ich begrüße es ausdrücklich, dass wir mit der heuti- gen Debatte einen Prozess anstoßen können, an dessen Ende die Mitwirkungs- und Kontrollrechte des Bundes- tages in europäischen Angelegenheiten noch weiter ge- stärkt werden. Ich freue mich ebenso auf den weiteren Dialog mit allen Fraktionen in dieser Frage. Andrej Hunko (DIE LINKE): Wir diskutieren heute über die Mitwirkungsrechte des Bundestages in EU-An- gelegenheiten, konkret über die Begleitgesetzgebung zum Vertrag von Lissabon. Und da muss man daran erin- nern, dass die in diesen Begleitgesetzen verankerten Mitwirkungsrechte erst nach Klagen vor dem Bundes- verfassungsgericht, an der wir als Linksfraktion einen großen Anteil hatten, ermöglicht wurden. Wir reden also über die Frage der Demokratie in Eu- ropa, und da sieht es gegenwärtig alles andere als gut aus: Darf ich daran erinnern, welcher Aufschrei quer durch die EU-Eliten ging, als ein griechischer Minister- präsident auf die Idee kam, seine Bevölkerung über eine weitreichende Entscheidung per Referendum abstimmen zu lassen? Papandreou wurde umgehend zum Rapport bestellt und musste wenige Tage später zurücktreten. Jetzt ist ein Banker Regierungschef, und Rechtspopulis- ten sitzen in der Regierung. Ich kann hier nur Jürgen Habermas zustimmen, der den Vorgang wie folgt beschreibt: „Die Hauptdarsteller auf der Bühne der EU- und Euro-Krise, die seit 2008 an den Drähten der Finanzindustrie zappeln, plustern sich empört gegen einen Mitspieler auf, der es wagt, den Schleier über dem Marionettencharakter ihrer Muskel- spiele zu lüften.“ Der „zynische Sinn dieses griechischen Dramas“ enthülle „weniger Demokratie ist besser für die M s a M e h B ru b re d w ro li ru a p A P li s b re d fü in a M K e k e e K w b li E „ ti h m s d g li F (C (D ärkte“. Und das griechische Drama geht ja weiter: Nun oll auch noch der vereinbarte Termin von Neuwahlen m 19. Februar 2012 verschoben werden, weil dies „die ärkte beunruhigen könne“. Und auch die jüngsten Gipfelergebnisse der Bildung iner „Fiskalunion“ sind unter dem Demokratieaspekt öchst fragwürdig, und man wird sehen, ob sie vor dem undesverfassungsgericht oder den demokratischen Er- ngenschaften anderer EU-Mitgliedsländer Bestand ha- en werden. Unter diesen Bedingungen sind die Beteiligungs- chte des Bundestages eben auch eine Errungenschaft, ie den Interessen der Finanzindustrie nicht geopfert erden darf. Der Bundestag ist jedoch bis heute nicht fähig, die eu- päische Politik der Regierung zu kontrollieren. Das egt aber weniger an dem Begleitgesetz oder der Regie- ng, sondern am fehlenden politischen Willen der Ko- lition, aber auch der SPD und Grünen. Ihnen fehlt der olitische Wille, diese Rechte wirklich umfänglich in nspruch zu nehmen. Nicht die Regierung hält sich ein arlament, sondern das Parlament bestimmt und kontrol- ert die Regierung. Und mit diesem Antrag bezeugt die Koalition, dass ie nicht auf die Einhaltung der Rechte des Bundestages esteht. Es grenzt ja schon an Realsatire, dass Sie in Ih- m Antrag von einer „weiteren Stärkung“ der Rechte es Parlaments schreiben. Man sollte sich das vor Augen hren: Wir erleben die massivste Entdemokratisierung der Geschichte der Europäischen Union, und den Ko- litionsfraktionen fällt nicht mehr ein, als die völlige issachtung der Rechte des Parlaments schönzureden. Die Europapolitik der Bundeskanzlerin in der EU- rise hat den Bundestag geradezu vorgeführt: Mit dem großen Druck der Krise drückt Frau Merkel rst die angebliche Griechenlandhilfe, die in Wirklich- eit eine Bankenhilfe ist, durch – und präsentiert sie als inmalige Ausnahme. Dann wird eine Finanzstabilisierungsfazilität, EFSF, ingerichtet, die aber ganz bestimmt nur eine temporäre onstruktion für die Euro-Krise darstellen solle. Und ieder folgt die Parlamentsmehrheit brav. Dann wird mit dem ESM eine ständige Institution ne- en der EU geschaffen. Diesen Vorgang hat der ehema- ge belgische Premierminister und heutige Liberale im uropäischen Parlament, Guy Verhofstadt, zutreffend als Merkels Putsch gegen die EU“ bezeichnet. Da diese vom Bundestag so nicht geforderte Institu- on nicht Teil der EU ist, kann die Bundesregierung be- aupten und bis jetzt darauf bestehen, dass die Parla- entsrechte nach dem Begleitgesetz nicht anwendbar eien. Denn diese Begleitgesetze beschränken sich auf ie EU – das gilt auch für die zukünftigen Entscheidun- en. Ich gebe Ihnen dafür auch ein einfaches Beispiel, ebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, CSU und DP: Gemäß Ihrem Antrag vom Februar fordert der 17976 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 (A) ) )(B) Bundestag die Bundesregierung auf, dass der ESM alle Maßnahmen nur einstimmig auslösen darf. Letztes Wo- chenende hat die Bundeskanzlerin nun das Gegenteil durchgesetzt. Hatte sie dazu ein politisches Mandat des Bundestages, oder hat sie ihn vorher über die Gründe in- formiert, weshalb sie von seiner Forderung abgewichen ist? Oder wenigstens im Nachhinein? Nein, das hat sie nicht – und sie sieht sich dazu auch nicht verpflichtet! Dieses Parlament begleitet tatsächlich die angebliche Euro-Rettung – der Ort der politischen Willensbildung liegt allerdings im Kanzleramt hinter verschlossenen Tü- ren. Der Wille der Bundeskanzlerin wird in diesem Haus erst nach der Verhandlung mit den anderen Regierungen und nach der Verkündung in der Presse nachvollzogen. So hatte die Bundesregierung dem EU-Ausschuss vor dem entsprechenden Gipfel auch jede Information zum Euro-Plus-Pakt verweigert. Das Problem wird insbesondere bei der jetzt geplan- ten, sogenannten „Fiskalunion“ deutlich, die wiederum außerhalb der Verträge eingerichtet werden soll. Dabei wird nicht nur der Deutsche Bundestag, sondern auch das Europäische Parlament entmachtet, während die Exekutiven – demokratisch nicht legitimiert und kontrol- liert – die Arbeits-, Sozial- und Haushaltspolitik steuern wollen. Doch was uns als gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik verkauft werden soll, ist im Wesentlichen eine Sanktionsunion – gerichtet gegen die Verlierer des Euro. Die Bundesregierung gibt vor, mit ihrer Krisenpolitik zur Rettung des Euro beizutragen. Tatsächlich scheint ihr Hauptinteresse aber darin zu liegen, die deutsche Do- minanz in Europa weiter auszubauen. Was wir erleben, ist eine Übertragung der Schuldenbremse, der unsozia- len Agenda 2010, der ganzen deutschen Austeritätslogik auf ganz Europa. Geopfert wird dabei das, was an De- mokratie noch übrig geblieben ist. Die Fiskalunion soll die politische und wirtschaftliche Architektur Europas verändern – für die Lösung der Euro-Krise tut sie absolut nichts. So sind nur zwei Tage nach dem letzten und angeblich erfolgreichen Gipfel die Zinsen für Italiens Anleihen auf ein Rekordhoch gestie- gen. Das Problem dieser deutschen Transformation der EU ist nicht die Gefahr einer Transferunion, wie sie manche im Bundestag befürchten. Das Problem ist die Transition der parlamentarischen Demokratien in eine autoritäre Eurokratie, die nicht nur die parlamentarische Haus- haltssouveränität aufhebt, sondern auch unsere Verfas- sungsidentität als Demokratie und Sozialstaat bedroht! Dies verstößt so ziemlich gegen alle Prinzipien, die das Bundesverfassungsgericht in seiner jahrelangen Rechtsentwicklung formuliert hat. Das widerspricht üb- rigens auch dem jüngsten CDU-Parteitagsbeschluss zu Europa, der unter anderem verkündet: „Jede Übertra- gung von zusätzlichen Kompetenzen an die Europäische Union muss deshalb mit einem Mehr an Handlungsfä- h e s d N d Ü E u s ti Ih in E s a s d fü g z s n W w w w d v d B A V fr d in h in li fü w M m s ri v T w g (C (D igkeit, demokratischer Legitimation und Transparenz inhergehen.“ Wenn dieser Antrag angenommen wird, ist das eine ymbolische Kapitulation des Deutschen Bundestags vor er Exekutive. Ich fordere daher alle Kolleginnen und Kollegen auf: ehmen Sie Ihre Arbeit als Abgeordnete und Vertretung er Bevölkerung und der legislativen Gewalt ernst. bernehmen Sie Verantwortung für eine demokratische uropäische Union, für die Rechte dieses Parlaments nd nicht zuletzt für die Identität unserer Verfassung, die owohl die Demokratie als auch den Sozialstaat garan- ert! Abschließend möchte ich noch einen Gedanken mit nen teilen, der vielleicht auch andere Parlamentarier teressieren könnte. Die absolute Konzentration der xekutiven im ESM wie auch in der neuen Fiskalunion chließt die Parlamente von wichtigen Entscheidungen us, genau wie von den Entscheidungen im Europäi- chen Rat. Vielleicht sollten wir daher die Bundesregierung für ie bevorstehende „Wahl“ auffordern, einen Kandidaten r den Präsidenten des Europäischen Rates vorzuschla- en, der die Rolle der Parlamente stärkt. Wie wäre es um Beispiel mit dem nächsten Präsidenten des Europäi- chen Parlaments? Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, eine mei- er letzten Reden hier im Bundestag hatte ich mit den orten abgeschlossen: Europa wird sozial sein, oder es ird nicht sein. Heute sage ich zum Abschluss: Europa ird demokratisch sein, oder es wird nicht sein. Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Et- as verwundert war ich doch, dass die Koalition dann och heute diesen Antrag vorlegt. Aber um es gleich orweg zu sagen: Ich freue mich, dass es in den Reihen er Koalition in der Frage der Mitwirkungsrechte des undestages offenbar einen Paradigmenwechsel gibt. uch wenn es bei Ihnen lange gedauert hat und sie im erfahren verpasst haben, von Anfang an einen inter- aktionellen Weg zu suchen. Der Bundestag muss sich entscheiden: Gestehen wir er Bundesregierung die Möglichkeit zu, das Parlament Angelegenheiten der Europäischen Union zu umge- en? Oder pochen wir auf unser Recht, ohne Ausnahme allen Angelegenheiten der Europäischen Union betei- gt zu werden? Die Koalition scheint sich offenbar jetzt r die zweite Möglichkeit zu entscheiden. Das begrüßen ir. Wir haben nicht erst seit dieser Krise für stärkere itwirkungsrechte des Bundestages gekämpft. Es freut ich, dass sie mit ihrem Antrag dieses Anliegen unter- tützen wollen. Warum aber heute und warum so spät? Der Monito- ngbericht liegt ja schon eine Weile vor. Warum nicht or ein paar Wochen, als ihr Antrag schon einmal auf der agesordnung stand und wieder abgesetzt wurde? Das ar vor der mündlichen Verhandlung unserer Klage ge- en die Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsge- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17977 (A) ) )(B) richt. Wollten Sie Ihrer Regierung nicht in den Rücken fallen? Und warum warten Sie jetzt nicht auf das Urteil des Gerichts? Ist das vorauseilender Gehorsam? Verlas- sen Sie jetzt das sinkende Schiff der falschen Rechtsauf- fassung der Bundesregierung? Sei es drum: Wichtig und richtig ist, dass Sie unsere Auffassung in diesen Fragen teilen. Meine zweite Frage: Warum ein Antrag? Warum kein Gesetzentwurf? Die im Antrag genannten Beispiele zei- gen doch ganz klar: Die Bundesregierung versucht das EUZBBG in Fragen des Euro und der Euro-Rettung in ihrem Sinne auszulegen. Sie versucht, den Bundestag auch dort außen vor zu lassen, wo der aktuelle Gesetzes- text entsprechende Interpretationsspielräume lässt oder sie bewusst mit Fehlinterpretationen arbeitet. Appelle sind gut, reichen aber nicht aus. Was wir brauchen ist ein Änderungsgesetz. Wir müssen das EUZBBG an einigen Stellen klarstellen und an anderen Stellen ändern und er- gänzen. Wir sind gerne bereit, in der Frage der Mitwir- kungsrechte des Bundestages mitzuarbeiten und eine ge- meinsame Lösung zu finden. Die Bereitschaft, das EUZBBG zu ändern, muss aber die Grundlage dieser Zusammenarbeit sein. Wir wollen also nicht nur „be- stehende Unklarheiten in der Auslegung des Gesetzes beseitigen“, sondern für Klarheit im Gesetz selbst sor- gen. Das muss deutlich in Ihren Antrag rein. Kollege Ruppert, der diesen Antrag für die FDP mitgeschrieben hat, wird heute in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung deutlicher: Ein Novellierung des EUZBBG sei nötig. Schreiben Sie es nicht in der FAZ, schreiben Sie es in Ih- ren Antrag. Ich möchte aber auch zu den inhaltlichen Fragen und zum Monitoringbericht selbst ein paar Dinge sagen. Der Monitoringbericht liegt uns seit April vor. Die Koali- tionsfraktionen müssen sich schon die Frage gefallen lassen, warum sie erst jetzt auf diesen Bericht reagieren und den Prozess im EU-Ausschuss immer wieder blo- ckiert haben. Der Bericht stellt fest, dass zwei Jahre nach Inkrafttreten des EUZBB und des IntVG beide Gesetze gut und angemessen sind, aber in Punkten klargestellt und an neue Entwicklungen angepasst werden müssen. Diese Einschätzung teilen wir. Umso kritischer sehen wir aber, dass der Bundesregierung noch immer der poli- tische Wille fehlt, den Bundestag eigeninitiativ, frühest- möglich, fortlaufend und umfassend zu unterrichten. Das gilt insbesondere für die Einbindung dieses Hauses bei Angelegenheiten der Europäischen Union, die auf inter- gouvernementaler Ebene geregelt werden. Ein Beispiel ist der Europäische Stabilisierungsme- chanismus ESM. Die Bundesregierung ist hier der Mei- nung, dass der ESM nicht unter das EUZBBG fällt. Die hanebüchene Begründung: Der Euro-Rettungsschirm sei keine Angelegenheit der Europäischen Union, da es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag handele. Zu dieser Frage habe ich schon viel gesagt, und das Bundesverfas- sungsgericht wird in Kürze dazu Stellung beziehen. Nur zwei Punkte: Erstens. Die Liste der Vorhaben im EUZBBG ist nicht abschließend. Sie ist bewusst offen für neue Entwicklungen. Entscheidend ist – und das müssen wir klarstellen –, ob es sich um eine Angelegen- heit der Europäischen Union handelt oder nicht. Wenn ja a ri P s re n d B n d la s o m s E L In ru m a d E a B a ru d is d o d V Z w u w A n W b u d (C (D , dann muss die Bundesregierung umgehend eigeniniti- tiv, frühestmöglich, fortlaufend und umfassend unter- chten und dürfen nicht – wie in der Vergangenheit – die arlamentsrechte mit Füßen treten. Zweitens. Eine Angelegenheit der EU entscheidet ich nicht an der Frage, ob es sich um Gemeinschafts- cht, eine intergouvernementale Vereinbarung oder ei- en völkerrechtlichen Vertrag handelt. Der Maßstab ist as Grundgesetz. Erklären Sie den Bürgerinnen und ürgern mal, warum es sich beim Euro-Rettungsschirm icht um eine Angelegenheit der EU handeln sollte? Für en ESM schaffen wir gerade eine gesetzliche Grund- ge in den europäischen Verträgen, in seinen Verfahren pielen EU-Organe wie die Europäische Kommission der die Europäische Zentralbank eine Schlüsselrolle, it dem ESM wollen wir Stabilität in der Euro-Zone chaffen. Wenn es hier nicht um eine Angelegenheit der uropäische Union handelt, wo dann? Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt eingehen: aut § 10 des EUZBBG soll die Bundesregierung vor itiativen zur Aufnahme von Verhandlungen zur Ände- ngen der vertraglichen Grundlage der EU Einverneh- en mit dem Bundestag herstellen. Das ist beim ESM, lso bei der Ergänzung des Art. 136 des Vertrages über ie Arbeitsweise der Europäischen Union, nicht passiert. invernehmen wurde erst hergestellt, als ein konkreter, bgestimmter Vorschlag auf dem Tisch lag. Das hat mit eteiligung des Bundestages wenig zu tun. Wir wollen m Anfang des Prozesses unsere Vorstellung der Regie- ng mit auf den Weg geben und nicht erst am Ende vor er Wahl stehen: Friss oder stirb. Zum Neuen fiskalpolitischen Pakt von letzter Woche t bereits alles gesagt. Klar ist: Vertragsänderungen sind amit nicht vom Tisch. Sie stehen weiter auf der Tages- rdnung. Für Vertragsänderungen brauchen wir ein emokratisches, transparentes und bürgerfreundliches erfahren, wir brauchen einen europäischen Konvent. usammen mit den Grünen im Europaparlament werden ir im Februar einen solchen Dialog mit Vertreterinnen nd Vertretern der Zivilgesellschaft proben und zeigen, ie richtige Mitwirkung und Beteiligung geht. nlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Beschlussempfehlung und Be- richt zu dem Antrag: Widerruf der gemäß § 8 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes erteilten Zu- stimmungen zu den Anträgen der Bundesregie- rung vom 28. Januar 2011 und 23. März 2011 – Bundeswehr aus Afghanistan abziehen (Tages- ordnungspunkt 14) Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Ich weiß nicht, ob ei- ige von Ihnen die Politiksatire „Der Krieg des Charlie ilson“ mit Tom Hanks in der Hauptrolle gesehen ha- en, in dem es um den Krieg zwischen Mudschaheddin nd Russen in den 80er-Jahren in Afghanistan geht. In em Film – der auf einer wahren Geschichte beruht – ge- 17978 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 (A) ) )(B) lingt es dem texanischen Kongressabgeordneten Charlie Wilson, das Budget für Operationen in Afghanistan von 5 Millionen US-Dollar auf schließlich 500 Millionen US-Dollar zu verhundertfachen. Nach der Niederlage der Russen versucht Wilson, 1 Million für den Aufbau in Afghanistan bewilligt zu bekommen. Das Geld wird ihm vom Kongress jedoch verweigert. Die Begründung: Nie- mand interessiere sich für Schulen in dem fernen Land. Das Film endet mit einem Zitat von Charlie Wilson: „These things happened. They were glorious and they changed the world … and then we messed up the end game.“ Frei übersetzt: „Solche Dinge passieren. Sie wa- ren großartig und haben die Welt verändert. Und dann haben wir am Ende, als es darauf ankam, versagt.“ Nun könnte man sagen: Hollywood ist eine Sache, die Realität in Afghanistan eine ganz andere. Warum erzähle ich das also? Zwar glaube ich nicht, dass die internatio- nale Staatengemeinschaft so blauäugig ist, diesen Fehler zu wiederholen, das „Endspiel“ also komplett in den Sand zu setzen. Auf der Bonn-II-Konferenz vor zehn Ta- gen haben sich die Geber zu einem weiteren zivilen Engagement im Rahmen der Transformationsdekade von 2015 bis 2024 bekannt, Verpflichtungen, die in den kommenden zwei Jahren konkretisiert werden müssen. Dieses Zeichen war aus meiner Sicht absolut notwendig, denn die Menschen in Afghanistan haben Sorge, dass die Taliban den Truppenabzug 2014 abwarten, um erneut nach der Macht zu greifen. Dennoch treibt mich die Sorge um, dass der eine oder andere die Meinung vertreten könnte, dass 2014 der Hauptteil der Arbeit getan sei und der Rest der Arbeit nunmehr von einigen Gutmenschen aus der NGO-Com- munity übernommen werden kann. Dies wäre ein großer Fehler! Wir dürfen uns nichts vormachen: 2014 markiert den Beginn des vielleicht sogar noch mühsameren Ab- schnitts unseres Afghanistan-Engagements: Friedenssi- cherung und nachhaltiger Wiederaufbau werden mehr denn je im Vordergrund stehen, um eine tragfähige wirt- schaftliche Entwicklung zu erreichen. Denn erst eine ei- genständige wirtschaftliche Entwicklung wird der afgha- nischen Regierung die Anerkennung in der Bevölkerung schaffen, ohne die politische Stabilität unmöglich sein wird. Wie also fällt die Zwischenbilanz aus? Wir neigen in Deutschland gerne dazu, Schwarz-Weiß-Bilder zu zeich- nen. Das ist gerade bei einem so schwierigen Thema wie Afghanistan äußerst problematisch. Wenn wir uns die Si- cherheitslage und das Erreichte im zivilen Bereich an- schauen, so ist das Glas durchaus halb voll! Und darüber sprechen wir zu wenig. Auf der Habenseite steht der Ausbau der Bildungseinrichtungen für beide Geschlech- ter und alle Altersgruppen. Dies stellt eine absolut not- wendige Investition in die Zukunft Afghanistans dar. Während der Herrschaft der Taliban von 1996 bis 2001 wurde Frauen jede Bildung vorenthalten, Schulbildung konnte nur im Geheimen stattfinden. Zehn Jahre später stellen Mädchen heute rund ein Drittel der insgesamt 8 Millionen Schülerinnen und Schüler. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Erfolg. S d c e is Z V z k c 4 re e w K s d z s s R a L e u la k d ö s g re V e A k u n s n m s w le m u n k s a F m n w s d W G (C (D Gleiches gilt für die medizinische Grundversorgung: ie ist – trotz aller Mängel – erstmals für ein Großteil er Bevölkerung zugänglich. Sogar im Bereich der Si- herheit gibt es Fortschritte: Auch wenn es immer noch inige Regionen gibt, in denen die Sicherheitslage fragil t, so gingen die sogenannten sicherheitsrelevanten wischenfälle im Zeitraum Juni bis Oktober 2011 im ergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 20 Prozent urück. Dieser Rückgang ist insofern besonders bemer- enswert, da die internationalen und afghanischen Si- herheitskräfte mit einer Stärke von insgesamt rund 40 000 Mann einen Höchststand erreichten. Sie operie- n weiter in der Fläche, und rein statistisch wäre daher ine Zunahme von gewaltsamen Zwischenfällen zu er- arten gewesen. Die über die Jahre zu beobachtende orrelation zwischen Truppenaufwuchs und einem An- tieg der Zwischenfälle ist damit durchbrochen. Auch as sollten die Antragsteller von der Fraktion Die Linke ur Kenntnis nehmen – denn im ihrem Antrag behaupten ie das Gegenteil. Auch die rege und engagierte afghanische Zivilgesell- chaft macht mir Mut. Zwei ihrer Vertreter haben im ahmen der jüngsten Bonn-Konferenz eine Vision der fghanischen Zivilgesellschaft für die Zukunft ihres andes präsentiert. Dabei standen vor allem der Aufbau iner Infrastruktur für Transport, Energie, Trinkwasser nd Bewässerung im Fokus, um dadurch eine Basis für ngfristige Einkommens- und Beschäftigungsmöglich- eiten in Landwirtschaft, Handel und Bewirtschaftung er bisher weitgehend ungenutzten Bodenschätze zu er- ffnen. Denn Afghanistan muss es schaffen, in der chwierigen Phase der Transition Wertschöpfung im ei- enen Land und dadurch Steueraufkommen zu generie- n. Die Gehaltskosten der Sicherheitskräfte, Lehrer und erwaltungsmitarbeiter übersteigen zurzeit die Steuer- innahmen Afghanistans um ein Vielfaches. Daher muss fghanistan vor allem seine bedeutenden Rohstoffe zu- ünftig besser nutzen. Dies bietet erhebliches Potenzial nd soll Afghanistan langfristig unabhängiger von inter- ationalen Geberzuwendungen machen. Die afghani- chen Rohstoffvorkommen werden bisher aber kaum ge- utzt, weil Investoren vor der Bedrohungslage und angelnden Rechtssicherheit in Afghanistan zurück- chrecken. Auch das gehört zu den Wahrheiten, wenn ir über Afghanistan diskutieren und sollte von den Kol- ginnen und Kollegen der Linken zur Kenntnis genom- en werden. Denn: Die erheblichen wirtschaftlichen nd sozialen Fortschritte in Afghanistan seit 2001 sind ur durch internationale Unterstützung und Sicherheits- räfte möglich geworden. In diesem Zusammenhang müssen wir aber auch un- er Engagement und der internationalen Gemeinschaft uf den Prüfstand stellen. Die Experten sind sich in einer rage einig: Die internationale Hilfe für Afghanistan uss unter dem Stichwort „aid effectiveness“ besser ge- utzt werden, um die befürchteten wirtschaftlichen Aus- irkungen der Transition abzufedern. Besonders wirk- am wäre eine Steigerung der lokalen Wertschöpfung er internationalen Transfers. Nach Schätzungen der eltbank kommen weniger als 20 Prozent der von den ebern direkt umgesetzten Unterstützung im Sicher- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17979 (A) ) )(B) heitsbereich der afghanischen Volkswirtschaft zugute. Daher müssen wir unsere Unterstützung zielgerichteter einsetzen und die Entwicklung, dass die Ausgaben schneller als die Einnahmen wachsen, durchbrechen. In dieser entscheidenden Phase den unverzüglichen Abzug der Bundeswehr zu fordern, ist nicht nur naiv, sondern vor allem verantwortungslos, da dadurch alles bisher Erreichte infrage gestellt wird. Die Übergabe der Verantwortung für die eigene Sicherheit kann nur dann erfolgen, wenn die afghanischen Sicherheitskräfte in der Lage sind, ein sicheres Umfeld für die Menschen dieses Landes zu gewährleisten. So weit sind sie aber noch nicht. Daher würde ein sofortiger Abzug Menschenleben gefährden und nicht retten, wie der Antrag zynisch sug- geriert. Wenn es im Antrag heißt, dass jeder weitere Tag Krieg in Afghanistan Menschenleben und Gesundheit kostet, dann zeigt das ziemlich deutlich die krude Sicht- weise der Linken auf die Realität, nämlich dass eben je- ner Einsatz auch vielen Menschen das Leben gerettet hat. Und wenn die Vertreter der Linken den NGO-Ver- tretern beim zivilgesellschaftlichen Forum, das der Bon- ner Afghanistan-Konferenz vorgeschaltet war, zugehört hätten, dann wüssten sie, dass deren größte Sorge ist, was kommt, wenn 2014 die internationalen Truppen aus Afghanistan abziehen. Insofern bin ich fast schon er- leichtert, dass alle Fraktionen im Bundestag außer den Linken diese zynische und realitätsferne Sichtweise auf Afghanistan ablehnen und gegen den Antrag stimmen. Florian Hahn (CDU/CSU): Der Antrag der Links- partei zeigt nicht nur, wie verbohrt die Genossinnen und Genossen ihren parteipolitischen Zielsetzungen nachja- gen, sondern gleichzeitig offenbart er auch den in ihren Reihen eingetretenen Verlust von Realitätssinn und ein mangelndes, vielleicht sogar nicht einmal mehr vorhan- denes Verantwortungsbewusstsein für unser Land. Keine Sekunde denken Sie offenbar an die Folgen ihres Han- delns, wenn Sie so einen Antrag stellen. Es ist allgemein bekannt, dass die Abgeordneten der Linkspartei den Ab- zug aus Afghanistan wie ein Mantra vor sich hertragen. Dies ist nicht neu. Dass Ihre Fraktion dabei aber jede langfristige Folgenbetrachtung außen vor lässt, ist abso- lut fahrlässig. Ihr Handeln schadet einem Land, seinen Menschen und den internationalen Verbündeten. Die Be- gründung Ihres Antrags ist keine Sachverhaltsdarstel- lung, sondern eine Aneinanderreihung von Textbaustei- nen aus Ihrem Parteiprogramm. Ihr Antrag wird damit in keiner Weise der realen Situation in Afghanistan gerecht. Ich war seit 2009 zweimal selbst vor Ort, um mir ein Bild von der Lage machen zu können. Ich treffe meine Entscheidungen nämlich gerne nach Faktenlage, nicht nach parteipolitischem Wunschdenken. Ich habe gese- hen, dass wir in Afghanistan in den letzten zehn Jahren viele wichtige Erfolge erzielen konnten. Auf diesen Er- folg können wir in der internationalen Gemeinschaft stolz sein. Und ich gebe natürlich dazu, dass vieles noch im Argen liegt. Aber genau deswegen dürfen wir jetzt nicht überstürzt aus Afghanistan abziehen. All unsere Erfolge, all unsere Investitionen, als unsere Bemühun- gen wären verloren und das Land dem Untergang, sprich der Machtübernahme der Taliban, ausgeliefert. L F M u d v g b S g a s g G re ru d K k s R tä p s m B a w u fä L g S d S s w a tu n m tu e J s k ta m d s d d u s v n (C (D Was würde denn passieren, wenn wir dem Antrag der inkspartei stattgeben? Wir würden die bisher erreichten ortschritte preisgeben, wir würden Elend, Hunger, achtmissbrauch und Willkür wieder die Türe öffnen nd den Wunsch nach Frieden und Freiheit vor Ort mit en Füßen treten. Deutschland ist seiner Verantwortung orbildlich gerecht geworden, nicht zuletzt bei der Af- hanistankonferenz am 5. Dezember 2011. Wir stehen is 2014 mit unseren Truppen der Demokratisierung zur eite, weil wir an ein chancen- und zukunftsreiches Af- hanistan für kommende Generationen glauben. Doch uch darüber hinaus lassen wir das Land nicht im Stich, ondern wir haben unsere langfristige Unterstützung zu- esagt. Deutschland ist vor dem Hintergrund seiner eschichte, aber auch mit dem gelebten Anspruch, Vor- iter für Frieden und Stabilität zu sein, bei der Bevölke- ng hoch anerkannt. Die Arbeit unserer Soldatinnen und Soldaten wird ort ebenso dankbar angenommen wie die der zivilen räfte. Die Menschen wissen, dass sie auf uns zählen önnen und dass Deutschland zu seiner Verantwortung teht. Das alles blendet die Linke aus, wenn sie auf dem ücken von Frieden und Freiheit Politik gegen Humani- t und Chancengleichheit macht, nur weil es ihr innen- olitisch zur Besänftigung der eigenen Klientel geboten cheint. Gerade jetzt vor Weihnachten darf die Politik nicht it Ängsten spielen. Wir dürfen bei der afghanischen evölkerung keinen Zweifel aufkommen lassen, dass sie uf uns und unsere Truppen zählen kann. Parallel dürfen ir bei den Familien und Freunden unserer Soldatinnen nd Soldaten nicht den Eindruck erwecken, diese ge- hrliche Mission wäre gar überflüssig. Der Antrag der inkspartei streut all denen Sand in die Augen, die in roßer Sorge um ihre Männer und Frauen, Brüder und chwestern oder Kinder im Einsatz sind. Die Linkspartei iskreditiert damit die großen Leistungen, die unsere oldatinnen und Soldaten vor Ort erbringen und auf die ie stolz sein können. Wir im Hohen Haus wollen und erden das weiter anerkennen. Wir werden mit den uns nvertrauten Menschen und ihren Sorgen verantwor- ngsvoll umgehen und klarmachen, dass wir hinter ih- en stehen. Diesen Anspruch der Koalition verbinde ich it dem Dank an alle, die in Afghanistan ihren Dienst n, und wünsche ihnen und ihren Familien alles Gute, in frohes Weihnachtsfest und Gottes Segen für das neue ahr. Lars Klingbeil (SPD): Lassen Sie mich ein paar per- önliche Worte sagen, bevor ich auf den Antrag der Lin- en eingehe. In der letzten Woche war ich in Afghanis- n. Ich habe dort die Soldatinnen und Soldaten aus einem Wahlkreis besucht. Was die Frauen und Männer ort jeden Tag leisten, verdient unseren höchsten Re- pekt. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Es ist ie Aufgabe von uns Abgeordneten, dafür zu sorgen, ass unsere Bevölkerung versteht, was die Soldatinnen nd Soldaten in Afghanistan machen. Bei meinem Be- uch war ich beeindruckt von der hohen Motivation und on der Selbstverständlichkeit, mit der unsere Soldatin- en und Soldaten dort ihren Dienst leisten. Diesem gro- 17980 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 (A) ) )(B) ßen persönlichen Einsatz gebührt unsere vollste Aner- kennung. Der Antrag der Linken ist populistisch. Wir können die Bundeswehr nicht von heute auf morgen aus Afgha- nistan abziehen. Wir haben der afghanischen Bevölke- rung unser Wort gegeben, und wir haben Verpflichtun- gen gegenüber unseren internationalen Partnern. Aber was viel wichtiger ist und was der Fortschrittsbericht Afghanistan bestätigt, ist, dass der Trend der Verschlech- terung der Sicherheitslage in Afghanistan durchbrochen ist. Von einer stabilen Lage kann sicherlich trotzdem noch nicht die Rede sein, aber die Entwicklung des letz- ten Jahres gibt Hoffnung. Zusammen mit unseren Partnern haben wir uns das Ziel gesetzt, dass von Afghanistan nie wieder eine Ge- fahr für die Welt ausgehen darf. Die Afghanen müssen wieder selbst entscheiden können, wie sie ihre Gesell- schaft und ihren Staat gestalten wollen. Wenn wir heute die Truppen abziehen würden, bestünde die realistische Gefahr, dass die Taliban das Land wieder übernehmen. Dies würde zum einen für die afghanische Bevölkerung eine Rückkehr in mittelalterliche Verhältnisse bedeuten; zum anderen würde der internationale Terrorismus wie- der einen sicheren Ausgangspunkt finden. Es ist unser Ziel, zusammen mit unseren Partnern den Militäreinsatz im Jahr 2014 zu beenden. Mit dieser Pla- nung signalisieren wir dem afghanischen Volk: Wir las- sen euch nicht allein! Aber wir werden auch nicht für immer hier sein. Es ist also an der Zeit, dass ihr Verant- wortung übernehmt. Dies funktioniert bisher recht gut. Schrittweise haben die afghanischen Sicherheitskräfte in einem Drittel des Landes die Sicherheitsverantwortung übernommen. Nun gilt es diese Entwicklung zu stabilisieren und nachhaltig, zusammen mit dem afghanischen Volk und unseren Part- nern, zu gestalten. Auch wenn wir nun langsam beginnen, den Abzug zu planen, dürfen wir eins nie vergessen: Priorität muss im- mer die Ausrüstung und die Ausbildung unserer Solda- tinnen und Soldaten haben. Daher möchte ich hier auch noch einmal auf die Hubschraubersituation im Norden Afghanistans eingehen. Bisher standen uns unsere ame- rikanischen Freunde hilfreich zur Seite, wenn es um den Transport oder die Evakuierung durch Hubschrauber ging. Der Abzug eines Teils der amerikanischen Truppe stellt diese Unterstützung aber nun infrage. Das Verteidi- gungsministerium muss daher nun dringend alle nötigen Schritte unternehmen, damit im Notfall die Evakuierung unser Soldatinnen und Soldaten gewährleistet ist. Dr. Bijan Djir-Sarai (FDP): Zum zweiten Mal an diesem Tag diskutieren wir über Afghanistan, über die Zukunft des Landes und über die vorgeschlagenen Handlungsmöglichkeiten. In dem vorliegenden Antrag der Linken wird vorgeschlagen, Soldatinnen und Solda- ten sofort aus Afghanistan abzuziehen. Das würde be- deuten: Wenn wir heute diesem Antrag zustimmen, zie- hen morgen deutsche Soldaten aus Afghanistan ab. Schon morgen würden wir alles stehen und liegen las- s d Ih v n d n S D s v K a z L v g U c n w S v ic P n le k B V s li re d u v te e d w e D B d (C (D en, die Menschen in Afghanistan einfach vom einen auf en anderen Tag im Stich lassen. Das kann doch nicht r Ernst sein, meine lieben Kollegen und Kolleginnen on der Linken. Wollen Sie wirklich die Erfolge der letzten Jahre zu- ichtemachen? Wollen Sie, dass Chaos ausbricht wegen ieser Kurzschlusshandlung? Uns allen hier im Haus ist doch klar, dass es in kei- em Fall um einen direkten Abzug aller Soldatinnen und oldaten gehen darf. Das ist keine ernsthafte Option. enn ein sofortiger Abzug wäre sehr unklug. Von allen Seiten wurde mir bestätigt, dass ein kopflo- er Abzug unserer Soldaten unsere bisherigen Erfolge ernichten würde und für viele Menschen vor Ort eine atastrophe wäre. Auch wenn es immer wieder Rückschläge gibt – und uch in Zukunft geben wird –, trägt die aktuelle Strategie u einer tatsächlichen Verbesserung der Situation im and bei. Wir sehen: Insgesamt hat sich seit 2001 etwas Positi- es in Afghanistan getan. Daher stehen wir jetzt vor der uten Aussicht auf den Abzug der militärischen Hilfe. ngeduld zahlt sich jedoch nicht aus. Zum ersten Mal nach zehn Jahren Einsatz lässt die Si- herheitslage einen schrittweisen Abzug der internatio- alen Truppen zu. Damit beginnen wir direkt 2012 und erden diese Entwicklung bis 2014 fortsetzen. Deutschland steht jetzt und auch in Zukunft an der eite der afghanischen Bevölkerung. Vergangenes Wochenende nahm ich in Bonn am Zi- ilgesellschaftlichen Forum Afghanistan teil. So konnte h zwei Tage vor der Außenministerkonferenz auf dem etersberg mit Vertreterinnen und Vertretern der afgha- ischen Zivilgesellschaft diskutieren. Zum großen Teil idenschaftlich stellten sie mir ihre Vorschläge zur Zu- unft Afghanistans vor. In einem intensiven landesweiten Abstimmungs- und eratungsprozess hatten vorher zahlreiche NGO und ertreter der Zivilgesellschaft eigene politische Vor- chläge erarbeitet. Ich bin dankbar dafür, dass es mög- ch war, dass sie diese Empfehlungen in Bonn präsentie- n konnten. In diesem Bereich steht uns noch viel Arbeit bevor, ie wir mit den Afghanen zusammen angehen müssen nd werden. Wir müssen weiter erklären, wie wir die Zi- ilgesellschaft von morgen in Afghanistan konkret un- rstützen können! Allein auf dem Gebiet der Frauenrechte gibt es bereits norme Erfolge, die mit einem Schlag vernichtet wür- en, wenn wir unsere Truppen sofort sämtlich abziehen ürden. Darüber müssen wir uns Gedanken machen. Das ist nur ein Beispiel von vielen. In Afghanistan ntwickelt sich gerade eine kraftvolle Zivilgesellschaft. ies wurde mir auch auf der Afghanistan-Konferenz in onn bestätigt. Jetzt muss Afghanistan selbst aktiv wer- en. Zusagen der internationalen Gemeinschaft müssen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17981 (A) ) )(B) daher mit verstärkten Forderungen nach Bekämpfung von Drogenhandel und Korruption sowie nach Stärkung der Menschenrechte verbunden werden. Ich möchte noch einmal versichern, dass sich Deutschland auch nach dem Abzug der militärischen Hilfe weiter am zivilen Wiederaufbau Afghanistans be- teiligen wird. Bei den Entscheidungen über die Zukunft des deut- schen militärischen Engagements in Afghanistan geht es nicht um Tage, sondern es geht um wichtige Weichen- stellungen für die Zukunft. Entscheidend ist die Frage, wie das Afghanistan von morgen aussehen kann. Statt hier mit wüsten Abzugsplänen um uns zu wer- fen, sollten wir daher lieber erklären, wie wir die Zivil- gesellschaft von morgen in Afghanistan konkret unter- stützen können. Die Zivilgesellschaft ist die Zukunft Afghanistans. Stefan Liebich (DIE LINKE): Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. So kontrovers unsere Debatten zu Auslandseinsätzen auch sind – der intensive öffentliche Diskurs über den Einsatz der Bundeswehr in diesem Par- lament ist eine demokratische Errungenschaft. Übrigens ist dies auch eine Errungenschaft, die es unter kompli- zierteren Bedingungen des Agierens in Bündnissen oder im Rahmen der Gemeinsamen Außenpolitik der Euro- päischen Union zu erhalten gilt, selbst wenn andere Län- der diese Tradition des Parlamentsvorbehalts nicht ken- nen. Der Bundestag hat sich hierfür 2005 ein Instrument geschaffen: das Gesetz über die parlamentarische Betei- ligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffne- ter Streitkräfte im Ausland. Das Parlamentsbeteiligungs- gesetz enthält einen § 8. Dort heißt es: „Der Bundestag kann die Zustimmung zu einem Einsatz bewaffneter Streitkräfte widerrufen.“ Das Rückholrecht des Parla- mentes ist ein politisch schwerwiegendes und zentrales Recht des Parlaments und begrenzt die Handlungsmög- lichkeit der Regierung. Wenn sich die Regierung in einer Sackgasse befindet, dann kann das Parlament für eine Umkehr sorgen. Darum geht es uns heute. Unsere Fraktion möchte dieses parlamentarische Recht nun erstmalig in An- spruch nehmen, um einen Beitrag zum Frieden zu leisten und um unsere Soldatinnen und Soldaten nach einem viel zu langen Einsatz wieder nach Hause zu holen. Heute morgen wurde schon mit Blick auf das lau- fende und von der Regierung zur Verlängerung vorge- schlagene Mandat für den Afghanistan-Einsatz inhaltlich argumentiert. Außenminister Westerwelle sagte, die Fortsetzung des Krieges sei nötig für die Kinder in Af- ghanistan, aber auch für unsere eigene Sicherheit hier in Deutschland. Wir bestreiten das. Die Strategie der US- Armee der Bekämpfung von Aufständen verbunden mit gezielten Tötungen führt nicht zu mehr Sicherheit oder zu besseren Voraussetzungen für die Übergabe in Ver- antwortung. Im Gegenteil! m s v u K a u n w w w u v d g ta k d D w d a A D d li re m a d d tu h d E J F ri d e h le s in g T re (C (D Die andauernde Präsenz ausländischer Truppen ist ehr und mehr Teil des Problems und weniger die Lö- ung. Darauf verweisen auch Teile der afghanischen Zi- ilgesellschaft. Auf die Verletzungen von humanitärem nd Kriegsvölkerrecht wurde schon verwiesen. Der Afghanistan-Krieg ist der längste deutsche riegseinsatz. Er hat sich von seinem Ursprung, der Re- ktion auf die Terroranschläge von 9/11, längst gelöst, nd die immer wieder vorgegebenen Ziele lassen sich icht mehr erreichen. Wir wissen auch, dass durch den Abzug der Bundes- ehr allein kein friedliches Afghanistan entsteht. Aber ir sind uns sicher: Ohne ihn endet der Krieg nie. Natürlich muss so ein Abzug geordnet und verant- ortungsbewusst erfolgen, aber er darf auch nicht mit nerfüllbaren Kriterien bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag erschoben werden. Genau das steht nach den Anträgen er Bundesregierung zu befürchten. Wenn Verteidi- ungsminister de Maizière in der Debatte heute Vormit- g betont, dass der Abzug nur in dem Maße erfolgen ann, wie die Soldaten nicht gefährdet werden, halte ich em entgegen, dass die Soldatinnen und Soldaten in eutschland am sichersten wären. Natürlich muss das zivile Engagement in Afghanistan eitergehen und sogar verstärkt werden. Aber die Bun- eswehr sollte dabei keine Rolle mehr spielen. Einige ndere Staaten sind schon gegangen, andere planen den bzug. Dem kann auch Deutschland Rechnung tragen. ie Bundeswehrtruppen sollten in diesem Prozess nicht ie letzten sein. Unser Rückholantrag ist daher die fried- che Alternative zur Mandatsverlängerung der Bundes- gierung. Der BundeswehrVerband und der von Herrn Robbe oderierte Runde Tisch haben uns zu Weihnachtsgrüßen n die Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan eingela- en. Viele von ihnen stellen sich gerade in diesen Tagen ie Sinnfrage über das, was sie dort in unserem Auftrag n. Mein Wunsch wäre daher: Feiert Weihnachten da- eim! Dem soll unser Rückholantrag dienen. Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch ieses Jahr werde ich der Beteiligung Deutschlands am insatz in Afghanistan zustimmen, auch wenn, wie jedes ahr, ich damit anders abstimme als die Mehrheit meiner raktion. Denn der Einsatz in Afghanistan war 2001 chtig, und er ist heute richtig, und zwar aus vier Grün- en: 1. Wer eine multilaterale Außenpolitik will, kann sich inem Einsatz mit UN- und NATO-Mandat nicht entzie- en. Deutschland ist ein aktives und verantwortungsvol- s Mitglied der VN, der NATO und der EU und darf ich nicht isolieren. 2. Kein Land darf Hinterland und sicherer Hafen für ternationale Terroristen sein. Insofern und nur insofern eht es in Afghanistan auch um unsere Sicherheit. 3. Die Afghanen waren Opfer eines unerträglichen errorregimes und haben um unsere Hilfe nach 30 Jah- n Krieg und Bürgerkrieg gebeten. Gerade die Zivilge- 17982 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 (A) ) )(B) sellschaft, die Menschenrechtsverteidiger, Frauenrecht- lerinnen und freien Journalisten haben uns erst vor zehn Tagen in Bonn wieder gebeten: Lasst uns nicht noch ein- mal – wie 1989 – allein. 4. Afghanistan liegt in der Nachbarschaft von unruhi- gen, hochgerüsteten Staaten. Diese Nachbarschaft ver- trägt keinen Failed State Afghanistan. Es ist eine Illusion zu glauben, dass diese vier Ziele erreicht werden könnten, ganz ohne sich militärisch zu engagieren. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind noch lange auf finanzielle Unterstützung und Ausbil- dung angewiesen. Ich hätte mir das Augenmerk, das alle Welt seit einem Jahr auf die Polizeiausbildung richtet, schon vor zehn Jahren gewünscht. Das hätte viele Mili- täreinsätze später erübrigt. Heute haben wir allerdings einen Punkt erreicht, an dem die Kampfeinsätze ausländischer Soldaten Afgha- nistan nicht mehr viel sicherer machen können. Die Af- ghanen vertrauen ihren eigenen Sicherheitskräften in- zwischen deutlich mehr. Sie wollen und können die Geschicke ihres Landes selbst in die Hand nehmen. Des- wegen war es gut, das Abzugsdatum 2014 durch die Bonner Konferenz zu bestätigen. Die Konferenz hat aber auch gezeigt, dass die afghanische Zivilgesellschaft ge- rade in der letzten Zeit stärker und selbstbewusster ge- worden ist. Die zivilgesellschaftlichen Vertreter hatten zwei klare Botschaften an die Außenminister, Staatschefs und auch an uns. Die eine ist die wiederholte Bitte um dauerhafte, zuverlässige Unterstützung und Integration in die inter- nationale Staatengemeinschaft. Die zweite Botschaft war: Fördert Institutionen, nicht Personen. An diesen beiden Botschaften der afghanischen Zivil- gesellschaft sollte sich unsere Afghanistan-Politik orien- tieren. Wir wollen ein sicheres, demokratisches und zivi- les Afghanistan, in dem die Menschenrechte aller gewahrt werden. Dieses Ziel erreichen wir nur dann, wenn die Afghaninnen und Afghanen ihrem Staat ver- trauen können und sich für ihr Land und ihr Gemeinwe- sen einsetzen. In den nächsten zehn Jahren sollte deutsche Hilfe des- wegen darauf zielen, die Institutionen der afghanischen Zivilgesellschaft zu stärken. Soldaten, Bauten und Beton helfen dabei nicht so viel wie ein verstärkter Ausbau von Bildungsangeboten. Denn Bildung stärkt das Zivile in einem Land und eröffnet politische, soziale und wirt- schaftliche Perspektiven. Know-how-Transfer, Ausbil- dung und Bildungszusammenarbeit sind nicht nur das, was die Afghaninnen und Afghanen von uns erwarten, sondern auch das, was Deutschland am besten kann. Die Menschen in Afghanistan wollen Frieden, Men- schenrechte und die Verantwortung für ihr Land über- nehmen. Die internationale Gemeinschaft hat sich mehr- fach verpflichtet, sie dabei zu unterstützen. Noch für ein paar Jahre bis 2014 gehört zu dieser Unterstützung auch der Einsatz der Bundeswehr. Es gibt viele Gründe, Tak- tik und Strategie des Einsatzes zu kritisieren, aber es gibt keinen Grund, das grundsätzliche Mandat für diesen Einsatz abzulehnen. A k E re k S d g S tr g m k S ru Id z s c d fü d d fü a s T p li is s o z s g k s m a li c w m m Q m ta b N z (C (D nlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Streichung des Doktorgrads aus dem Passge- setz, dem Gesetz über Personalausweise, dem Aufenthaltsgesetz und den dazugehörigen Ver- ordnungen (Tagesordnungspunkt 16) Tankred Schipanski (CDU/CSU): Man könnte den- en, Karneval steht vor der Tür und nicht Weihnachten. inen solchen Gesetzentwurf im Zeitalter der Bildungs- publik Deutschland in dieses Hohe Haus einzubringen, ann man selbst mit Humor nicht nachvollziehen. Die treichung des Doktortitels aus dem Personalausweis ist as Ziel des hier eingebrachten Gesetzentwurfs. Hinter- rund sind, und das machen die Interviews aus dem ommer dieses Jahres von der Ideengeberin dieses An- ags, Kollegin Sager, deutlich, die Plagiatsvorwürfe ge- enüber unserem ehemaligen Verteidigungsminister. Sie öchten prominente Einzelfälle in der öffentlichen Dis- ussion halten und wir müssen uns daher mit derartigen chaufensteranträgen befassen. Dass Sie in dieser Debatte auch noch auf eine Anhö- ng im Wissenschaftsausschuss verweisen, um Ihre een zu untermauern, ist mehr als fragwürdig. Eine ein- ige Sachverständige hat dort nebenbei angemerkt, dass ie sich vorstellen könnte, dass auch die gesellschaftli- he Reputation des Doktortitels in der besonderen Form er Eintragung in den Personalausweis oder Pass Anreiz r Personen sein könnte, den akademischen Abschluss es Doktors zu erwerben. Diese Einzelmeinung, die we- er bewiesen, evaluiert noch fundiert ist, als Aufhänger r einen Gesetzentwurf zu nehmen, ist einfach nur benteuerlich. In Ihrem Antrag unterstellen Sie unseren Wissen- chaftlerinnen und Wissenschaftlern, den Doktorgrad als itel vorrangig zur Steigerung der gesellschaftlichen Re- utation zu nutzen und nicht als Nachweis wissenschaft- cher Qualifikation. Der akademische Grad des Doktors t eben wesentlich mehr als der „normale“ wissen- chaftliche Abschluss eines Bachelor, Master, Magisters der Diploms. Er ist eben gerade nicht der berufsqualifi- ierende Abschluss, sondern eine wissenschaftliche Zu- atzqualifikation, welche ausschließlich durch eine ei- enständige wissenschaftliche Arbeit erreicht werden ann. Dies unterscheidet ihn maßgeblich von den Ab- chlüssen wie Bachelor oder Master, die sich immer pri- är aus Prüfungsleistungen zusammensetzen. Auch der kademische Titel eines Professors ist nicht ausschließ- ch durch eine eigene wissenschaftliche Arbeit zu errei- hen, sondern bedarf immer einer Berufung. Von daher ird der akademische Grad eines Doktors traditionsge- äß besonders behandelt. Die sehr gute deutsche akade- ische Ausbildung ist und bleibt Garant für die hohe ualität des Doktorgrades. Diese Ausbildung zu opti- ieren, ist Aufgabe der Politik. Die CDU/CSU-Bundes- gsfraktion macht dies unter anderem durch die Ein- ringung eines Antrags zum wissenschaftlichen achwuchs oder auch mit der Anhörung im Ausschuss um Thema Qualität wissenschaftlichen Arbeitens. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17983 (A) ) )(B) Der Gesetzentwurf der Grünen schadet nicht nur der hohen Reputation unserer akademischen Abschlüsse, sondern er beschädigt auch die Ehre unserer Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler. Für uns Wissen- schaftler ist das Streben nach Wissen Anreiz und nicht die Steigerung gesellschaftlicher Reputation. Die hohe gesellschaftliche Reputation des Doktortitels ist faktisch Nebenwirkung der hohen wissenschaftlichen Reputation unserer Abschlüsse. In Deutschland steht der Doktortitel eben nicht nur für wissenschaftliche Qualifikation, son- dern auch für eine ausgezeichnete Allgemeinbildung. Dies zeigt die richtige Verankerung unserer Wissen- schaftler in der Gesellschaft. Der akademische Doktorgrad ist ob der hohen Quali- tätsanforderung eben nicht nur akademisches Merkmal, sondern auch ehrenvolle Kennzeichnung einer Person. Eine Doktorprüfung ist immer verbunden mit einem Ri- gorosum oder Disputation. Hierbei muss der Doktorand eben auch fachfremde Kenntnis darlegen. Das ist auch Grund für die hohe Reputation dieses Titels. Die überwältigende Mehrheit der Doktoranden in Deutschland promoviert aus akademischen Gründen und nicht aus Statuserwägungen. Eine große Gruppe wird durch den Gesetzentwurf für die Verfehlungen Einzelner in Haftung genommen. Aber auch die kleine Gruppe der Doktoranden, die angeblich lediglich aus Statusgründen promoviert, wird sich von einer Streichung des Doktor- grades aus dem Personalausweis und dem Reisepass nicht von der Promotion abbringen lassen. Die Strei- chung des Doktorgrades greift somit viel zu kurz, um zu einem Mentalitätswandel in dieser kleinen Gruppe bei- zutragen, und versucht, der überwältigenden Mehrheit der Doktoranden, die aus wissenschaftlichen oder beruf- lichen Erwägungen heraus promovieren, das Recht zu nehmen, ihren Titel so wie bisher freiwillig eintragen zu lassen und sich für ihre jahrelange Mühe zu belohnen. Die im Zuge der Plagiatsfälle zutagegetretenen Pro- bleme bei der Qualitätssicherung der Promotion werden durch die vorgeschlagene Gesetzesänderung nicht ein- mal ansatzweise gelöst. Vielmehr wird die junge Gene- ration von Doktoranden bewusst schlechter gestellt. Es ist ein Zeichen von Aktionismus und ein reiner Schau- fensterantrag und verdient damit abgelehnt zu werden. Vielmehr sind – wie in der Begründung des Gesetz- entwurfs (auf Seite 8) richtigerweise bemerkt wird – tief- greifendere Veränderungen im Wissenschaftsbereich notwendig. Seit den Plagiatsfällen haben die Wissen- schaftsorganisationen und die Politik sehr viel zur Qualitätssicherung der Promotion unternommen, insbe- sondere: Positionspapier des Wissenschaftsrats vom 11. November 2011, in Rekordzeit vorgelegt, zu den Kerninhalten verweise ich auf dieses Papier, die Anhö- rung im Ausschuss für BuF zur Qualität wissenschaftli- cher Arbeiten vom 29. November 2011, zu den Ergeb- nissen verweise ich auf die Protokolle, wobei ausdrücklich die hier vorgeschlagene Maßnahme nicht benannt wird, weitere Maßnahmen des BMBF und der Allianz der Wissenschaftsorganisationen wie den Om- budsmann der DFG. Den geplanten Antrag der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion zur Verbesserung der Karriere- p b H m c a d k V w g n s D m e G s b d d m z R g a w c h E m w d (B h u tr le in re d n ri n d d d g s „ h s w h (C (D erspektiven der Nachwuchswissenschaftler habe ich ereits erwähnt. Es ist aber nicht zu vergessen, dass die auptzuständigkeit für die Qualitätssicherung der Pro- otion bei den Hochschulen liegt. Lassen Sie mich am Ende der Rede auf Österreich bli- ken. Hier kann man nicht nur den Doktorgrad in ein mtliches Dokument eintragen lassen, sondern auch aka- emische Titel wie Magister oder Dipl.-Ing. Keiner äme hier auf die Idee, diese Titel zu diskreditieren. ielmehr sind unsere Landsleute in Österreich stolz auf eiterführende Bildung. Wir sollten auch stolz auf die ute Reputation unserer akademischen Grade sein und icht der Phrase der Grünen folgen, die uns eine gesell- chaftliche Überhöhung der Doktorgrades unterstellen. ies ist unredlich, unrichtig und beschädigt die akade- ische Kultur in der Bildungsrepublik Deutschland. Gabriele Fograscher (SPD): Wir beraten heute in rster Lesung einen Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die rünen, der zum Ziel hat, den Doktorgrad aus allen Per- onaldokumenten zu streichen. Wir halten dieses Vorha- en für richtig; denn nach der Rechtsprechung des Bun- esgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts ist er Doktortitel ein akademischer Grad und kein Na- enszusatz oder Namensbestandteil. Er ist auch der ein- ige akademische Titel, der in den Personalausweis oder eisepass eingetragen werden kann. Diese Regelung ibt es sonst nur in Österreich und Tschechien. In allen nderen Ländern der Welt ist diese Regelung unüblich. Das Anliegen, den Doktortitel aus dem Personalaus- eis, dem Reisepass und anderen Dokumenten zu strei- hen, ist nicht neu. In der vergangenen Legislaturperiode atte die Große Koalition im Zusammenhang mit der inführung biometrischer Daten in Pass und Reisedoku- ente eine entsprechende Regelung in einem Gesetzent- urf mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Än- erung des Passgesetzes und weiterer Vorschriften“ undestagsdrucksache 16/4138) eingebracht. Darin ieß es: „Zum anderen sind die Pass-, Personalausweis- nd Meldebehörden dadurch zu entlasten, dass die Ein- agung eines Doktorgrades sowie Ordens- und Künst- rnamens in den Pass und in den Personalausweis sowie die jeweiligen Register, einschließlich des Melde- gisters, abgeschafft werden.“ Diese Regelung ist auf Wunsch des Bundesrates aus em Gesetzentwurf herausgenommen worden. Im In- enausschuss des Bundesrates hatten Bayern und Thü- ngen beantragt, den Doktortitel weiterhin in die Perso- aldokumente eintragen zu lassen. Dieser Antrag ist mit er Mehrheit der Länder abgelehnt worden. Im Plenum es Bundesrates haben sich die Länder dann allerdings och für die Beibehaltung der Eintragung des Doktor- rades in die Personaldokumente ausgesprochen. Die- em Anliegen ist der Deutsche Bundestag gefolgt. Aus Rücksicht auf die deutschsprachige Kulturtradition“, so eißt es in der Beschlussempfehlung des Innenausschus- es des Bundestages (Bundestagsdrucksache 16/5445), urde entschieden, die jahrzehntelange Praxis beizube- alten. 17984 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 (A) ) )(B) Von jahrzehntelanger Tradition kann aber nicht die Rede sein; denn es ist erst seit 1988 möglich, den Dok- tortitel als einzigen akademischen Grad in die Doku- mente eintragen zu lassen. Wäre der damalige Innen- minister Schäuble und die CDU/CSU bei ihrer Haltung, die im Gesetzentwurf formuliert wurde, geblieben, müssten wir heute nicht erneut über dieses Thema disku- tieren. Für die Behörden bedeutet die derzeitige Regelung ei- nen hohen bürokratischen Aufwand, vor allem bei der Anerkennung ausländischer Promotionen. Die Eintragung widerspricht auch internationalen Ge- pflogenheiten. Derartige Eintragungen sind weder Stan- dard für maschinenlesbare Reisedokumente noch ent- spricht es den Vorgaben für eine einheitliche Gestaltung der Pässe innerhalb der Europäischen Union. Der Doktortitel führt auch zu Verwirrungen im Reise- verkehr und bei Grenzkontrollen. Oftmals werden die Buchstaben „DR“ für die Anfangsbuchstaben des Fami- liennamens gehalten. Das alles sind gute Argumente für die Streichung des Doktortitels aus dem Pass. Wir als SPD-Bundestagsfrak- tion werden dem Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zustimmen. Manuel Höferlin (FDP): Der Antrag der Grünen greift eine Frage auf, die bereits vor vier Jahren disku- tiert wurde, nämlich die, ob ein Doktorgrad in ein Aus- weisdokument gehören sollte – eine Frage, die durchaus kritische Würdigung verdient. Doch halte ich die Gründe, mit denen die Grünen hier versuchen, ihrem Antrag Gewicht zu verleihen, für falsch. So schreiben Sie von einer Verknüpfung des Doktor- grades mit dem Nachnamen, obwohl dieser nicht Be- standteil des Namens sei. So weit, so gut. Auch mir sind die einschlägigen Gerichtsurteile dazu bekannt. Doktor- titel und Name haben nichts miteinander zu tun. Doch gerade in diesem Licht erscheint mir Ihre Pro- blematisierung, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, völlig widersinnig. Wieso soll der Doktorgrad das Risiko der Verwechselungsgefahr oder einer falschen Identifizierung erhöhen? Der Doktorgrad als zusätzliche Information in offiziellen Dokumenten reduziert doch ge- nau dieses Risiko. Ihre Aussage ist widersprüchlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen. Und dann schreiben Sie als Erläuterung zu dieser Behauptung – ich zitiere –: „Die Praxis der Eintragung […] sorgt für Verwirrung, wenn zum Beispiel die Buchstaben ,Dr.‘ für die Anfangsbuchstaben des Familiennamens gehalten werden“. Das ist grober Unfug, den Sie da zusammen- schreiben. Oder können Sie diese Hypothese etwa mit Beispielen unterlegen? Ich habe den Eindruck, Sie ver- suchen hier einen Sachverhalt zu konstruieren. Das Ganze wirkt für mich wie der Witz mit dem Kollegen „Übertrag“. Aber damit ist leider noch nicht das Ende Ihrer Aus- führungen erreicht. So problematisieren Sie in Ihrem Antrag, dass der Doktorgrad angeblich in jüngster Ver- g s d ih b d S B d s P to li n h S ß w d s S a re E k s ru u re g s m m e n h s u a a ja R A z H g G g s A le b z v n s (C (D angenheit immer wieder „nicht als Nachweis wissen- chaftlicher Qualifikation“ erlangt wird, sondern von en Inhabern des akademischen Grades genutzt wird, re gesellschaftliche Reputation zu verbessern. Was itte hat diese These mit dem Personenstandsrecht und en damit verbundenen Verfahrensfragen zu tun? Wenn ie eine gesellschaftliche Debatte über die Rolle und die edeutung akademischer Abschlüsse führen wollen, ann sollten Sie diese Debatte mit und in der Gesell- chaft führen und nicht durch irgendwelche Fragen zum assgesetz. Dass Sie – wenn Sie schon die Verwendung von Dok- rtiteln im gesellschaftlichen Kontext austreten – natür- ch das Wort „Plagiat“ einbringen, überrascht dann auch icht mehr, und dass das Thema „Plagiate“ fast eine albe Seite Ihres Antrages in Anspruch nimmt, entlarvt ie. Die Frage, was mit Leuten passiert, die unrechtmä- ig einen akademischen Titel führen oder diesen rechts- idrig erwerben, ist im Strafgesetzbuch geregelt. Mit em Personenstandsrecht hat dies nichts zu tun. Überlas- en Sie die Verfolgung von Urkundenfälschern und chummlern der Justiz. Glauben Sie ernsthaft, dass die Leute, auf die Sie hier nspielen, ihren Personalausweis vorlegen, wenn Sie ih- n Titel zu Markte tragen? Nein, das kann nicht Ihr rnst sein. Hier geht es um die Frage, ob Persönlich- eitsrechte gewahrt bleiben, ob Informationen nützlich ind zur Feststellung der Identität einer Person, und da- m, wie wir Verfahren gestalten, die möglichst effizient nd unbürokratisch sind. Sehr geehrte Damen und Her- n, den Antrag der Grünen lehne ich ab. Der Doktor- rad ist eine zusätzliche Information, die bei der Fest- tellung der Identität einer Person hilfreich ist – nicht ehr und nicht weniger. Ihn ohne Not aus Ausweisdoku- enten zu tilgen, halte ich aus diesem Grund für falsch – rst recht, wenn die Begründung so aussieht, wie bei Ih- en. Sie wären gut beraten, diesen Antrag zurückzuzie- en. Nicole Gohlke (DIE LINKE): So wie die Klimafor- cher die verschiedenen Schichten des arktischen Eises ntersuchen und darin die Zusammensetzung der Luft us verschiedenen Zeitaltern analysieren, so lassen sich uch im deutschen Wissenschaftssystem Spuren seiner hrhundertealten Geschichte finden. Trotz vielfältiger eformbemühungen hat das Beharrungsvermögen der kademia doch erstaunliche Reliquien aus grauer Vor- eit konserviert. Dazu gehört etwa die Verbeamtung von ochschullehrerinnen und -lehrern, denen Verfassungs- erichte trotz ihres ständig schrumpfenden Anteils am esamtsystem nach wie vor zuschreiben, alleinige Trä- er der Wissenschaftsfreiheit zu sein. Auch das Organi- ationsprinzip „Lehrstuhl“ samt abhängiger Schar von ssistentinnen und Assistenten, die auf befristeten Stel- n bis in ihre 50er-Lebensjahre hinein als „Nachwuchs“ ezeichnet werden, kann nicht als zeitgemäß gelten. Und ur historischen Überlieferung gehört auch der Status on Privatdozenten und -dozentinnen, die schon lange icht mehr von Hörergeldern leben, oder die „Vorle- ung“ als Lehrveranstaltungsform. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17985 (A) ) )(B) Heute befassen wir uns hier mit einem weiteren Re- likt: der Eintragungsfähigkeit des Doktorgrades in ge- kürzter Form in die Personaldokumente. Der Doktor ist – anders als landläufig angenommen – kein Namensbe- standteil. Niemand hat ein Recht darauf, mit diesem Qualifikationsgrad angeredet zu werden, genau so wenig wie Magistras und Magister oder Diplomierte, wie staat- lich geprüfte Fachkräfte und Meister. Auch Professorin- nen und Professoren haben dieses Recht nicht, denn da- bei handelt es sich um eine Amtsbezeichnung. Akademische Grade und Amtsbezeichnungen sind ei- gentlich nur für das jeweilige Berufsumfeld von Inte- resse. Auch für die Eintragung in Personaldokumente sind akademische Grade nicht vorgesehen – bis auf die Ausnahme des Doktors. Aber auch dabei werden nicht alle gleich behandelt. Im Ausland erworbene Grade, etwa der PhD, sind in der Regel nicht eintragungsfähig. Sucht man nach Erklärungen für das hartnäckige Überleben dieses Ausnahmeprivilegs, wird man schnell fündig. Der „Dr.“ ist ein Reputationsheber. Er wertet seine Trägerin, seinen Träger gesellschaftlich auf. Das schlägt sich in Karrierechancen, im Ansehen und nicht zuletzt im Gehalt nieder. Eine viel zitierte Studie der Personalberatung Kienbaum sieht ein Plus für Promo- vierte von mindestens 8 000 Euro gegenüber Menschen mit einem Universitätsabschluss. Es ist vor diesem Hintergrund unverständlich, warum sich konservative Bundesländer 2007 gegen die vom da- maligen Innenminister Schäuble vorgeschlagene Ab- schaffung der zusätzlichen rechtlichen Privilegien für Promovierte gewehrt haben und mit diesem Widerstand auch noch erfolgreich waren. Denn eine Promotion – die Medizin sei hier außen vor – beweist im Idealfall vor al- lem, dass der oder die Betreffende sich im akademischen Umfeld bewährt hat. Dazu gehört, eigenständig eine komplexe Fragestellung zu bearbeiten, die Ergebnisse darzustellen und sich idealerweise auch in der Lehre be- tätigt zu haben. Eine Promotion ist die Voraussetzung für die Berufungsfähigkeit auf eine Professur und damit der höchste akademische Grad. Über Qualitäten in anderen Berufsfeldern außerhalb der Wissenschaft ist damit jedoch nichts gesagt. Über so- ziale Kompetenzen erst recht nichts. Wir erleben sogar den Effekt, dass in Zeiten schwacher Arbeitsmärkte für Hochschulabsolventinnen und -absolventen die Zahlen von Promovierenden ansteigen und das Verfassen einer Dissertation als Überbrückungsmaßnahme und zur eige- nen Weiterbildung genutzt wird. Es gibt keinen sachli- chen Grund, diesen auf den akademischen Raum zuge- schnittenen Qualifikationsgrad gegenüber anderen außerakademischen Qualifizierungsgraden rechtlich zu bevorzugen. Denn die Schattenseiten der Titelhuberei auf die Qualität der zugrunde liegenden Arbeiten – Titel- kauf, Plagiate, Ghostwriting – sind nicht zu übersehen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Fast alle Dis- sertationen vermehren unser Wissen und bereichern die Debatte. Das Niveau heutiger Promotionsschriften ist im Schnitt sehr hoch. Jede wissenschaftliche Leistung ist von der Gesellschaft zu würdigen, erst recht, wenn sie unter häufig widrigen Arbeitsbedingungen zustande ge- k z D n s fe s b ta s m g s u v fö D tä n g h te D g tr s v w g T N k n z d E g s fl e G s g h tr B s k a g g a d p u g n (C (D ommen ist. Und der Stolz auf seinen eigenen Beitrag um Wissensbestand sei jedem Promovierten gegönnt. enn diese Leistung ist kein Selbstzweck. Sie dient ei- er Wissenschaft, die im Dialog mit der Gesellschaft teht. Dazu gehört auch der Wechsel aus anderen Berufs- ldern an die Hochschule und wieder zurück. Wir wis- en, dass nicht alle Promovierenden in der Wissenschaft leiben wollen und können. Aber gerade dieser Aus- usch gebietet den gegenseitigen Respekt für unter- chiedlichste Qualifikationswege und eine Begegnung it außerakademisch Qualifizierten auf Augenhöhe. Die Streichung der Eintragungsfähigkeit des Doktor- rades in Pässen und Ausweisen ist überfällig. Uns allen ollte jedoch auch bewusst sein, dass dies nur ein kleiner nd eher unbedeutender Schritt ist, um die Promotion on ihrer für die wissenschaftliche Qualität nicht immer rderlichen Eigenschaft als Statussymbol zu befreien. ie Öffnung hierarchischer und geschlossener universi- rer Strukturen gehört dabei zu den schwierigeren, aber otwendigen Aufgaben, um die Promotion auf ihre ei- entliche Aufgabe zu fokussieren: der transparente und ochqualitative Nachweis wissenschaftlicher Kompe- nz. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In eutschland ist es möglich, den akademischen Doktor- rad auf Wunsch in den Pass oder Personalausweis ein- agen zu lassen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf chlagen wir vor, sich nun endlich von dieser Praxis zu erabschieden. Sie ist nämlich eine überflüssige, auf- endige und überholte Konvention, die nur zu unnöti- en Missverständnissen führt. Der Doktor ist weder ein itel noch ein Namensbestandteil. Er ist schlicht der achweis einer besonderen wissenschaftlichen Qualifi- ation. In einem Personaldokument hat der Doktor ge- auso wenig zu suchen wie andere Qualifikationsbe- eichnungen, sei es der Professor, Master oder Meister, ie schließlich auch nicht eingetragen werden. Mit der intragungspraxis steht Deutschland international weit- ehend isoliert da – wenn man mal von Österreich ab- ieht, wo man offenkundig auch gerne an längst über- üssigen Konventionen festhält. Mit der Identifizierung iner Person hat der Doktorgrad nichts zu tun. Beim renzübertritt kann der Doktor aber zu Missverständnis- en führen, weil er manchmal für einen Teil des Namens ehalten wird. Darauf hat das Bundesinnenministerium schon 2007 ingewiesen, bei dem Vorstoß zur Abschaffung der Ein- agungspraxis. Es ist bedauerlich, dass der damalige undesinnenminister Wolfgang Schäuble sich mit die- em Beitrag zum Bürokratieabbau nicht durchsetzen onnte. Denn es handelt sich in der Tat um einen Mehr- ufwand für die zuständigen Behörden, auf den man sehr ut verzichten könnte. Noch aufwendiger und schwieri- er wird die Sache dadurch, dass die Gleichwertigkeit usländischer Abschlüsse mit dem deutschen Doktor von en Kultus- und Wissenschaftsministerien nicht mehr ge- rüft wird. Nun müssen sich also Behörden, die für Pässe nd Personalpapiere zuständig sind, damit herumschla- en, wenn jemand einen ausländischen Abschluss in ei- em deutschen Personaldokument als Doktor eingetragen 17986 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 (A) ) )(B) haben möchte. Hier kann die Regierungskoalition also mal zeigen, wie ernst es ihr mit dem Bürokratieabbau ist. Im Zusammenhang mit der Diskussion über eine Reihe prominenter Plagiatsfälle gab und gibt es auch aus der Wissenschaft verstärkt die Forderung, den akademi- schen Doktorgrad von unangemessenen gesellschaftli- chen Überhöhungen zu befreien und ihn auf seinen Kerngehalt zurückzuführen, nämlich den Nachweis zur Befähigung, einen eigenständigen originären Beitrag zum Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis leis- ten zu können. Als wissenschaftspolitische Sprecherin hat es mich erleichtert und erfreut, dass der Wissenschaftsbereich sich erfolgreich gegen alle Versuche zur Wehr gesetzt hat, wissenschaftliches Fehlverhalten zu bagatellisieren und als Kavaliersdelikt abzutun. Dabei geht es auch da- rum, den hervorragenden Ruf deutscher Promotionen zu verteidigen. Es gibt eine ganze Reihe von Vorschlägen und Ansätzen, wie die Qualitätssicherung im Bereich wissenschaftlichen Arbeitens verbessert werden kann. Im zuständigen Ausschuss haben wir uns damit gründ- lich unter anderem in einem Fachgespräch befasst. Es ist allerdings deutlich geworden, dass es in Deutschland of- fenkundig Anreize und Versuchungen gibt, den Doktor- grad nicht als Nachweis wissenschaftlicher Qualifikation zu erlangen, sondern zur Steigerung der persönlichen ge- sellschaftlichen Reputation. Im Fachgespräch zur „Qualität wissenschaftlicher Ar- beiten“ sprach Professor Hornbostel vom Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung von ei- nem „bürgerlichen Adelstitel“, und die Expertin Profes- sor Debora Weber-Wulff von der Hochschule für Tech- nik und Wissenschaft forderte, die Verwendung von wissenschaftlichen Graden im zivilen Lebens ganz abzu- schaffen. Der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, Pro- fessor Karl Ulrich Mayer, wies auf einem Symposium der DFG darauf hin, dass es abgeschafft gehöre, dass der Doktor wie ein Bestandteil des bürgerlichen Namens be- handelt wird. Die Eintragung des Doktors in die Personaldoku- mente leistet dem Missverständnis Vorschub, dass es sich dabei um eine Art ehrenvolle Kennzeichnung der Person handelt statt um einen Qualifikationsnachweis. Auch dies ist ein Grund, die Eintragungspraxis zu been- den. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Freiwilligendienste aller Generationen verstetigen – Engagement ohne Altersgrenzen stärken (Tagesordnungs- punkt 19) Norbert Geis (CDU/CSU): Wir gehen davon aus, dass im Jahre 2050 in Deutschland jeder dritte Mensch über 60 Jahre alt sein wird. Dieser Wandel in der Bevöl- kerungsstruktur stellt unsere Gesellschaft vor zahlreiche Herausforderungen. Ohne intakte Familien und eine a ru g b k n d s n s re Ü s u h k A a H b S H d h G g W u z b d s R s s d g d d w s li n F d w d d u tu w m u (C (D ktive Bürgergesellschaft werden wir diese Herausforde- ngen nicht bewältigen können. Vor diesem Hinter- rund stimme ich mit einigen der Ausführungen zum ürgerschaftlichen Engagement im Antrag der SPD voll- ommen überein. Zweifellos gibt es viele rüstige Rentner, die längst icht am Ende ihres aktiven Lebens stehen. Nachdem er Druck des Berufes von ihnen abgefallen ist, haben ie die Zeit, das zu tun, was sie sich schon immer vorge- ommen hatten. Richtig ist auch, dass unsere Gesell- chaft auf die Erfahrung und die Kompetenz dieser älte- n Generation nicht verzichten kann. Deshalb sind alle berlegungen zu begrüßen, die Anreize für ältere Men- chen schaffen, sich für das Gemeinwesen zu engagieren nd einzusetzen. Es gibt aber auch die andere Seite des Alters. Es gibt eute viele alte Menschen, die verlassen sind, für die eine Familie sorgt, die keine Freunde haben, die ohne nschluss sind. Tagaus, tagein leben diese Einzelgänger llein und ausgegrenzt in ihrer Wohnung in irgendeinem ochhaus. Johannes Paul II. zählte dieses Problem ereits zur Jahrtausendwende in seinem Apostolischen chreiben „Novo Millenio Ineunte“ zu den drängenden erausforderungen für die Industriegesellschaften, in enen die Zahl der Singles ständig wächst. Natürlich elfen die karitativen Organisationen und die kirchlichen emeinden mit ihren Seniorentreffs. Auch die Mehr- enerationenhäuser erfüllen eine wichtige Funktion. ichtig ist aber auch eine kreative Kommunalpolitik, m diese Menschen aus ihrem Schneckenhaus heraus- uholen und sie für einen Dienst am Gemeinwesen zu egeistern. Die Bundesregierung hat die Herausforderungen es demografischen Wandels längst erkannt und ent- prechende Maßnahmen ergriffen. Dazu zählt die ente mit 67, die Förderung der Mehrgenerationenhäu- er und die Aussetzung der Wehrpflicht. Es ist ein Verdienst dieser Bundesregierung, die chwierige Aufgabe der Aussetzung der Wehrpflicht und es Zivildienstes zügig und ohne größere Probleme elöst zu haben. Für diese erfolgreiche Arbeit gebührt er Bundesministerin und den Verantwortlichen im Bun- esfamilienministerium Dank und Anerkennung! Mit der Einführung des Bundesfreiwilligendienstes urde ein neues Kapitel bei der Förderung von bürger- chaftlichem Engagement aufgeschlagen. Mit 350 Mil- onen Euro stellt der Bund heute so viel Geld wie noch ie zuvor für bürgerschaftliches Engagement bereit. Die ördermittel für die bereits vorhandenen Freiwilligen- ienste FSJ und FÖJ wurden verdoppelt. Hinzu kommen eitere Förderprogramme wie das Folgeprogramm für ie Mehrgenerationenhäuser. Der Bundesfreiwilligen- ienst steht allen Menschen egal welchen Geschlechts nd welchen Alters offen und kann in viel mehr Einrich- ngen absolviert werden, als das im Zivildienst möglich ar. Innerhalb des gesamten bürgerschaftlichen Engage- ents muss es eine klare Trennung zwischen Ehrenamt nd Freiwilligendienst geben. Das klassische Ehrenamt Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17987 (A) ) )(B) wird nicht erst seit gestern millionenfach und unentgelt- lich ausgeübt. Die im Antrag geforderten „niederschwel- ligen Angebote“ gibt es schon längst. Gerade ältere Menschen bevorzugen oft Formen des Engagements, bei denen sie keine vertraglichen Verpflichtungen eingehen müssen. Jede Bundesfreiwilligendienststelle wird monatlich mit bis zu 550 Euro gefördert. In Sonderfällen sogar mit 600 Euro. Über ihre jeweiligen Trägereinrichtungen bekommen die Bundesfreiwilligen ein monatliches Taschengeld von bis zu 330 Euro. Zudem sind sie sozial- versichert und bis zum Alter von 25 Jahren kindergeld- berechtigt. Der Dienst muss in Vollzeit, also mit 40 Stun- den pro Woche, absolviert werden. Ab 27 Jahren können die Freiwilligen auch in Teilzeit mit mindestens 20 Wo- chenstunden arbeiten. Diese Schwelle zwischen Ehrenamt und Freiwilligen- dienst hat sich in der Praxis bewährt. Eine Vermischung der unterschiedlichen Formen bürgerschaftlichen Engage- ments könnte negative Effekte auf das in Deutschland millionenfach ausgeübte klassische Ehrenamt haben, indem unerfüllbare Ansprüche geweckt werden. Der FDaG bewegt sich zwischen dem Ehrenamt und den anderen Freiwilligendiensten. Mit einer Mindestzahl von acht bis zwölf Wochenstunden müssen die Freiwilli- gen in diesem Dienstformat deutlich weniger arbeiten. Deshalb erhalten die Freiwilligen kein Taschengeld, haben allerdings einen Anspruch auf eine Haftpflicht- und Unfallversicherung über den Träger, eine fachliche Begleitung und kostenlose Qualifizierung. Die mittlerweile knapp 7 000 Freiwilligen und 1 200 Einsatzstellen des FDaG zeigen, dass mit diesem Modellprogramm eine erfolgreiche Entwicklung in Gang gesetzt werden konnte. Zu einer Dauerförderung ohne entsprechende gesetzliche Grundlage ist der Bund jedoch nicht berechtigt. Das FDaG-Programm läuft nun planmäßig zum 31. Dezember 2011 aus. Damit komme ich an den Punkt, an dem ich mit dem Antrag der SPD nicht mehr übereinstimme. Der Antrag kritisiert „ungeregelte Rahmenbedingungen“ beim Bun- desfreiwilligendienst, die große Unsicherheit verursa- chen würden. Auch könnten die Erwartungen an den Bundesfreiwilligendienst nicht erfüllt werden. Das ist falsch. Die SPD geht in ihrem Antrag von einem völlig veral- teten Sachstand aus. Die Regelungen beim Bundesfrei- willigendienst sind längst klar. Sonst gäbe es heute nicht über 25 000 unterschriebene Verträge. Täglich kommen Hunderte neuer Verträge hinzu. Wir können davon aus- gehen, dass wir sogar früher als geplant die Zielmarke von 35 000 Bundesfreiwilligen erreichen werden. Hinzu kommen die vorhandenen 35 000 Freiwilligen im FSJ und FÖJ. Diesen bald 70 000 Freiwilligen sind wir zu großem Dank verpflichtet. Ebenso gilt unser Dank den Millionen Menschen, die sich außerhalb der staatlich geförderten Freiwilligendienste selbstständig ehrenamtlich engagie- ren. Es wäre vermessen, anzunehmen, dass der Antrieb für bürgerschaftliches Engagement die staatliche Förde- ru d ih ru ri d re d d s w n w R d s a ti d c g D A d d u 4 F d w c w g in e d A m F a S d g w S k d w A fe g S (C (D ng ist. Vielmehr ist das Verantwortungsbewusstsein er Bürgerinnen und Bürger für die Gesellschaft und re Mitmenschen das ausschlaggebende Element. Beim Bundesfreiwilligendienst hat die Bundesregie- ng auf dieses Verantwortungsbewusstsein der Bürge- nnen und Bürger vertraut und recht behalten. Die SPD fordert in ihrem Antrag, man solle den Bun- esfreiwilligendienst nur noch Menschen unter 27 Jah- n anbieten. Ältere sollten sich nur noch im Rahmen es FDaG engagieren dürfen. Dieser Vorschlag geht an en Bedürfnissen der Freiwilligen und der Trägerorgani- ationen vorbei. Von den insgesamt 25 000 Bundesfrei- illigen sind heute, also gerade einmal sechs Monate ach der Einführung des Bundesfreiwilligendienstes, eit über 5 000 älter als 27 Jahre. Das zeigt, dass die egelungen des Bundesfreiwilligendienstes sehr wohl ie unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten der Men- chen abdecken. Ganz bewusst wurde beim Bundesfreiwilligendienst uf eine möglichst unbürokratische und wenig zentralis- sche Ausgestaltung geachtet. Anstatt den Trägern und en Freiwilligen vorzuschreiben, ab welchem Alter wel- her Dienst zu absolvieren ist, steht der Bundesfreiwilli- endienst allen Menschen offen, egal wie alt sie sind. er starke Zulauf bestätigt, dass dieses weitgefasste ngebot richtig ist. Der FDaG kann aufgrund des geringeren Zeitaufwan- es eine sinnvolle Ergänzung zum Bundesfreiwilligen- ienst darstellen. Die Verankerung des FDaG im SGB VII nd im Kindergeldrecht bleibt daher erhalten. Die 50 Mehrgenerationenhäuser, die nun im Rahmen des olgeprogramms für weitere drei Jahre vom Bund geför- ert werden, bieten gute Anknüpfungspunkte, um Frei- illigendienstlern ebenso wie Ehrenamtlichen entspre- hende Angebote machen zu können. Schon heute eisen rund 20 Prozent der FDaG-Stellen Verknüpfun- en zu Mehrgenerationenhäusern auf. Mit dem Bundesfreiwilligendienst, FSJ, FÖJ, den ternationalen Freiwilligendiensten und dem FDaG gibt s heute eine Vielzahl von staatlich geförderten Formen es bürgerschaftlichen Engagements. Durch die massive ufstockung der Bundesförderung wurden diese Engage- entformen stark aufgewertet. Was man nun auf keinen all tun sollte, ist, die einzelnen Dienste gegeneinander uszuspielen. Genau das passiert aber in dem Antrag der PD. Der FDaG wird gegen den Bundesfreiwilligen- ienst ausgespielt. Stattdessen sollte vor dem Hinter- rund der angespannten Haushaltslage genau geprüft erden, in welcher Form der FDaG in das weitreichende ystem der Bundesförderung integriert werden kann. So ann der Bundesfreiwilligendienst sinnvoll ergänzt wer- en, und die Freiwilligen können selbst entscheiden, elches Dienstformat zu ihnen passt. Florian Bernschneider (FDP): Der vorliegende ntrag der SPD-Fraktion beschreibt zwar recht zutref- nd die Herausforderungen einer Gesellschaft des lan- en Lebens – er zieht aber wie so oft die falschen chlussfolgerungen für die Freiwilligendienste. Es ist 17988 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 (A) ) )(B) zwar richtig, die „Zeit der gewonnenen Jahre“ sowohl für die lebensälteren Menschen als auch für unsere Ge- sellschaft nutzbar zu machen. Falsch ist aber, jede er- denkliche Form von bürgerschaftlichem Engagement in ein eigenes Dienstformat zu stecken. Der FDaG war ein Anlauf, Menschen unterschiedli- chen Lebensalters im Engagement zusammenzubringen. Entstanden sind der FDaG und das Vorläuferprogramm GüF zu einer Zeit, in der generationenübergreifende Engagementkonzepte noch in den Kinderschuhen steck- ten. Der demografische Wandel war damals gerade erst im Begriff, sich seinen Weg in das Bewusstsein von Politik und Gesellschaft zu bahnen. Heute aber haben wir diese Konzepte: Die Mehrgenerationenhäuser sind zu einer zentralen Anlaufstelle für intergenerationale Engagement- und Hilfeangebote geworden. Der neue Bundesfreiwilligendienst eröffnet Menschen jeden Al- ters die Möglichkeit zu einem Freiwilligendienst – egal ob 18 oder 78. Darum ist es nur folgerichtig, den FDaG in diesen deutlich breiter angelegten Strukturen aufge- hen zu lassen. Denn bei allen positiven Ansätzen, die der FDaG verfolgt hat, bleibt doch eines klar – und Sie ha- ben es in Ihrem Antrag ja selbst formuliert –: Die Zivil- gesellschaft hat es auch in mittlerweile x Projektjahren nicht geschafft, den FDaG der breiten Bevölkerung be- kannt zu machen. Der BFD dagegen ist heute schon in aller Munde, und das gerade einmal fünf Monate nach dem Start. Wenn Sie für den mangelnden Bekanntheits- grad des FDaG aber die Projektförderung verantwortlich machen, darf ich Sie auf Folgendes hinweisen: Wenn ich mich nicht täusche, haben Sie in der großen Koalition den FDaG doch selbst beschlossen. Zu dieser Zeit wäre Ihre große Chance gewesen, endlich nachhaltig in Ihre vielbeschworenen „ermöglichenden Infrastrukturen“ zu investieren. Dazu hätte zum Beispiel gehört, das Koope- rationsverbot in diesem Bereich anzugehen und den Kommunen zu ermöglichen, das heißt, sie in die finan- zielle Lage zu versetzen, dauerhafte Infrastrukturen zu schaffen. Stattdessen haben Sie nur erneut ein Projekt geschaffen, von dem Sie schon damals genau wussten, dass es aufgrund der eingeschränkten Förderkompetenz des Bundes nur zeitlich befristet sein konnte. Also wer- fen Sie uns keine Projektruinen vor, Sie haben sie selbst geschaffen. Sie feiern den FDaG in Ihrem Antrag weiterhin als niedrigschwelliges und passgenaues Angebot und for- dern die Verstetigung der Förderung. Damit fördern Sie aber genau jene Doppelstrukturen, die Sie bei der Ein- führung des Bundesfreiwilligendienstes durchaus zu- recht kritisiert haben – aus diesem Grund haben wir uns ja auch dazu entschlossen, den BFD für Erwachsene je- den Alters zu öffnen und kein zweites „Bundes-FSJ“ zu schaffen. Sie aber wollen scheinbar genau das, wenn Sie in Ihrem Antrag fordern, das Freiwilligendienstangebot für Erwachsene über 27 Jahre aus dem Bundesfreiwilli- gendienst abzuschaffen. Hier zeigt sich mal wieder die Doppelzüngigkeit Ihrer Argumentation. Dabei hat sich gerade der BFD für über 27-Jährige mit einer Unter- grenze von 20 Wochenstunden voll und ganz bewährt. Eine weitere Absenkung der Stundengrenze ist hier völ- lig unsinnig. Ab einer gewissen Stundenzahl muss man s n W e re d m v E s D m w E d g M D c z tu te re 4 d fo s le n u d D G B F w – z J te in li n g n w s fr v d k s h w (C (D ich ganz einfach fragen, ob ein Engagement in Form ei- es geregelten Dienstes noch sinnvoll ist. Auch die ohlfahrtsverbände sagen uns immer wieder, dass wir ine klare Grenze zwischen Freiwilligendienst und Eh- namt brauchen. Denn eine unnötige Formalisierung es Ehrenamtes in Form von Diensten zerstört am Ende ehr Engagement als sie schafft. Sie dagegen, meine sehr geehrten Damen und Herren on der SPD, scheinen das Heil des bürgerschaftlichen ngagements in immer spezielleren Dienstformaten zu uchen. Und es ist ja auch schön, wenn 44 Prozent der ienstleistenden im FDaG zum ersten Mal ein Engage- ent leisten. Aber es darf doch die Frage erlaubt sein, as zuerst da war: der Dienst oder die Bereitschaft zum ngagement? Und ich gehe jede Wette mit Ihnen ein: In er übergroßen Mehrzahl ist es die Bereitschaft zum En- agement. Am Anfang der Geschichte steht immer der ensch, der für sich beschließt, sich zu engagieren. iese Bereitschaft ist unabdingbar – für bürgerschaftli- hes Engagement braucht es Herzlichkeit und die Über- eugung, das Richtige für sich und die Mitmenschen zu n. Erst danach stellt sich die Frage nach dem geeigne- n Rahmen. Und das heißt im Klartext: Wenn die Be- itschaft zum Engagement da ist, dann hätten sich die 4 Prozent auch ohne den FDaG engagiert, so einfach ist as. Wir müssen den Bürgern die Möglichkeit zu einem rmalisierten Engagement dort geben, wo es angemes- en ist, aber gleichzeitig genügend Raum für non-forma- s Engagement belassen. Das ist das liberale Verständ- is der Bürgergesellschaft, das sich im Übrigen auch in nserem Freiwilligendienstkonzept widerspiegelt und as wir auch in Zukunft weiterverfolgen werden. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): as Ende des Programms der Freiwilligendienste aller enerationen ist symptomatisch für eine Politik der undesregierung, die wenig Zukunftsweisendes für die örderung bürgerschaftlich engagierter Menschen vor- eisen kann. Trotz des großen Erfolgs des Programms die Zahl der erstmalig Engagierten liegt bei 44 Pro- ent; mehr als 7 000 Freiwillige haben während der drei ahre einen Freiwilligendienst aller Generationen geleis- t – ist die Bundesregierung nicht bereit, das Programm angemessener Form fortzuführen. Der Bundesfreiwil- gendienst und die Mehrgenerationenhäuser sind doch icht dazu geeignet, die Besonderheiten des Freiwilli- endienstes aller Generationen fortzuführen. Ich will Ih- en gerne kurz erläutern, warum. Die überwiegende Mehrheit der Menschen im Frei- illigendienst aller Generationen engagiert sich zwi- chen 8 und 16 Stunden. Eine Fortführung im Bundes- eiwilligendienst, der mindestens 20 Wochenstunden erlangt, ist unrealistisch und entspricht nicht den Be- ürfnissen derer, die sich engagieren. Ebenso wenig ann man davon ausgehen, dass Mehrgenerationenhäu- er ein zusätzliches Angebot bereitstellen können; sie aben häufig andere Schwerpunkte und sind räumlich oanders angesiedelt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17989 (A) (C) (D)(B) Gerade die zeitliche und örtliche Flexibilität, die Möglichkeit der Qualifizierung, die besondere Betreu- ungsleistung und direkte Ansprache machen den Frei- willigendienst aller Generationen attraktiv. Besonders engagementfernere Menschen und Ältere fühlten sich vom Freiwilligendienst aller Generationen angespro- chen. 64 Prozent der Freiwilligen sind älter als 50 Jahre. Mehrgenerationenhäuser dagegen sind häufig aus- schließlich in ihrem Stadtteil präsent und können weni- ger aktive Ansprache und individuelle Begleitung leis- ten; und an einen Bundesfreiwilligendienst ist der Einzelne noch stärker gebunden. Der Freiwilligendienst aller Generationen war ein Programm, das endlich weniger homogen war, sondern heterogen auch Nischen zulässt und besetzt hat. Im An- schluss an bereits bestehende lokale Projekte konnten viele Organisationen das Programm für sich nutzen. Mo- bile Teams leisteten direkte Beratung vor Ort, die sehr wirkungsvoll war. Dadurch hatte das Programm beson- dere Multiplikatorwirkung, und es entwickelte sich En- gagementbewusstsein und -kultur, so die zahlreichen Rückmeldungen aus der Praxis. Wenn der Freiwilligendienst aller Generationen endet bzw. der Bundesfreiwilligendienst durch sehr starre Pro- gramme fortgeführt werden soll, dann können weder zi- vilgesellschaftliche Organisationen noch engagementbe- reite Menschen davon wirklich profitieren. Mir ist unverständlich, wie die Bundesregierung an- gesichts des Programmendes den Erfolg des Freiwilli- gendienstes aller Generationen feiert, wie vergangene Woche in Erfurt. Mir ist ebenso unverständlich, warum die Bundesregierung in öffentlichkeitswirksamen Kon- gressen und Konferenzen über Altersbilder sich bemüht zeigt, ältere Menschen zu integrieren und zu aktivieren und gleichzeitig Chancen, Ältere erfolgreich an Engage- ment heranzuführen, nicht ergreift. Wir finden den Antrag der SPD absolut unterstützens- wert! Wir finden es richtig, eine passgenauere Unterstüt- zung für ältere bürgerschaftlich engagierte Menschen zu fordern und das Trägerprinzip vor die staatliche Organi- sation von Freiwilligendiensten zu stellen. Wir schließen uns der Forderung nach der Vorlage ei- nes Freiwilligendienstestatusgesetzes ausdrücklich an. Die vielen verschiedenen Freiwilligendienste und -pro- gramme brauchen eine gemeinsame Basis. Seit die Bun- desregierung 2009 in ihrem Koalitionsvertrag ein Frei- willigendienstestatusgesetz angekündigt hat, warten wir auf dessen Vorlage. Aber auch hier wurde wie in vielen anderen Politikfeldern nicht geliefert. 149. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3 Regierungserklärung zur Perspektive für Afghanistan TOP 4 Rente ab 67 TOP 33, ZP 3 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 34, ZP 4 Abschließende Beratungen ohne Aussprache ZP 5 Vermittlungsausschuss Bundeskinderschutzgesetz ZP 6 Aktuelle Stunde zur Demokratiebewegung inRussland TOP 5 Außergerichtliche Konfliktbewältigung TOP 6 Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft TOP 7 Verbraucherschutz im Internet TOP 8 Bürokratie im Bildungs- und Teilhabepaket TOP 11 Fachkräftegewinnung im Bund TOP 10 Folgen von Kassenschließungen TOP 9 Bedingungen in griechischen Flüchtlingslagern TOP 12 Menschenrechtliche Aspekte bei Exportgarantien ZP 7 u. 8 Mitwirkungsrechte in EU-Angelegenheiten TOP 14 Bundeswehr aus Afghanistan abziehen TOP 13 UNESCO-Übereinkommen zum Kulturerbe TOP 16 Streichung des Doktorgrads aus Ausweisen TOP 17 EU-Verordnung zur Bürgerinitiative TOP 18 Vertragsgesetz zurWahl-Zugewinngemeinschaft TOP 19 Freiwilligendienste ohne Altersgrenzen TOP 20 Luftverkehrsgesetz TOP 21 Duisburger Hafen TOP 22 Aufbewahrungsfrist von DDR-Lohnunterlagen TOP 23 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz TOP 24 Südkaukasus TOP 25 Qualität von Integrationskursen TOP 26 Rettung einheimischer Rebsorten TOP 27 Pestizidwirkstoff Glyphosat Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714900000

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich
dem Kollegen Erich Fritz und der Kollegin Susanne
Kastner zu ihren 65. Geburtstagen gratulieren, die sie in
den vergangenen Tagen gefeiert haben, und dazu auch
auf diesem Wege noch einmal alle guten Wünsche des
Hauses übermitteln.


(Beifall)


Wir müssen noch eine Wahl durchführen. Für die
Amtszeit des Verwaltungsrates der Kreditanstalt für
Wiederaufbau schlägt die FDP-Fraktion vor, den Kolle-
gen Dr. h. c. Jürgen Koppelin zu berufen, und die Frak-
tion Die Linke benennt in ihrem Vorschlag die Kollegin
Dr. Gesine Lötzsch. Stimmen Sie diesen beiden Vor-
schlägen zu? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann sind
die Kollegen in den Verwaltungsrat der Kreditanstalt für
Wiederaufbau gewählt.

Schließlich ist interfraktionell vereinbart worden, die

Z
Tagesordnungspunkte 15 und 28 abzusetzen und die Ta-
gesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten
Punkte zu erweitern:

ZP 1 Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundeskanzlerin

zu den Ergebnissen des Europäischen Rates
am 8./9. Dezember 2011 in Brüssel

ZP 2 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE
LINKE:

Angekündigte, aber bisher nicht angegangene
steuerpolitische Vorhaben der Bundesregie-
rung


(ZP 1 und 2 siehe 148. Sitzung)


(C (D ung 15. Dezember 2011 1 Uhr P 3 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren Ergänzung zu TOP 33 a)

Hempelmann, Dirk Becker, Hubertus Heil

(Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktion

der SPD
Die europäische Energieeffizienzrichtlinie wir-
kungsvoll ausgestalten
– Drucksache 17/8159 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Rita
Schwarzelühr-Sutter, René Röspel, Willi Brase,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Chancen der Nanotechnologien nutzen und
Risiken für Verbraucher reduzieren
– Drucksache 17/8158 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und

Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Wilhelm Priesmeier, Willi Brase, Petra
Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD
Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung senken
und eine wirksame Reduktionsstrategie um-
setzen
– Drucksache 17/8157 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Gesundheit

17760 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Eva
Högl, Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Petra
Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD
Übereinkommen des Europarats zur Bekämp-
fung des Menschenhandels korrekt ratifizie-
ren – Deutsches Recht wirksam anpassen
– Drucksache 17/8156 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

e) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Recht auf Eheschließung auch gleichge-
schlechtlichen Paaren ermöglichen
– Drucksache 17/8155 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Thilo
Hoppe, Dr. Gerhard Schick, Lisa Paus, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Für die Einführung eines transparenten und
unabhängigen Staateninsolvenzverfahrens
– Drucksache 17/8162 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Agnes
Krumwiede, Ekin Deligöz, Katja Dörner, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Rechtssicherheit für verwaiste Werke herstel-
len und den Ausbau der Deutschen Digitalen
Bibliothek auf ein solides Fundament stellen
– Drucksache 17/8164 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 4 Weitere abschließende Beratungen ohne Aus-
sprache
Ergänzung zu TOP 34

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heinz
Paula, Willi Brase, Petra Crone, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der SPD
Verbot der Haltung wildlebender Tierarten im
Zirkus
– Drucksache 17/8160 –

(C (D b)

Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Ingrid Nestle, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Erneuerbare Energien und Effizienz als Alter-
native zum polnischen Atomprogramm för-
dern und fordern

– Drucksache 17/8163 –

c) Beratung der Beschlussempfehlung des Rechts-
ausschusses (6. Ausschuss)


Übersicht 6
über die dem Deutschen Bundestag zugeleite-
ten Streitsachen vor dem Bundesverfassungs-
gericht

– Drucksache 17/8165 –

d) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 364 zu Petitionen

– Drucksache 17/8168 –

e) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 365 zu Petitionen

– Drucksache 17/8169 –

f) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 366 zu Petitionen

– Drucksache 17/8170 –

g) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 367 zu Petitionen

– Drucksache 17/8171 –

h) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 368 zu Petitionen

– Drucksache 17/8172 –

i) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 369 zu Petitionen

– Drucksache 17/8173 –

j) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 370 zu Petitionen

– Drucksache 17/8174 –

k) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 371 zu Petitionen

– Drucksache 17/8175 –

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17761

Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)

l) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 372 zu Petitionen

– Drucksache 17/8176 –

m) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 373 zu Petitionen

– Drucksache 17/8177 –

ZP 5 Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-

(Vermittlungsausschuss)

kung eines aktiven Schutzes von Kindern und

(Bundeskinderschutzgesetz – BKiSchG)


– Drucksachen 17/6256, 17/7522, 17/7523,
17/7932, 17/7967, 17/8130 –

Berichterstatter:
Abgeordneter Jörg van Essen

ZP 6 Aktuelle Stunde

Demokratiebewegung in Russland

ZP 7 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP

Begleitgesetzgebung zum Vertrag von Lissa-
bon konsequent anwenden – Mitwirkungs-
rechte des Bundestages in Angelegenheiten der
Europäischen Union weiter stärken

– Drucksache 17/8137 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Andrej
Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Demokratie stärken – Parlamentarische
Rechte in EU-Angelegenheiten ausbauen

– Drucksache 17/8138 –

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(4 D (C (D Überweisungsvorschlag: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Sportausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Verteidigungsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss P 9 Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu den Ergebnissen des Klimagipfels in Durban Darüber hinaus kommt es zu den in der Zusatzpunktste dargestellten weiteren Änderungen im Ablauf. Schließlich mache ich noch auf eine nachträgliche usschussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste ufmerksam: Der am 24. November 2011 überwiesene nachfolende Antrag soll zusätzlich dem Innenausschuss . Ausschuss)


Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja
Dörner, Volker Beck (Köln), Ekin Deligöz, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Kinderrechte stärken

– Drucksache 17/7187 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

Sind Sie mit diesen Änderungen einverstanden? –
as ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 3 a und b auf:

a) Abgabe einer Regierungserklärung durch den
Bundesminister des Auswärtigen

Eigenverantwortung und Partnerschaft – Eine
neue Perspektive für Afghanistan

b) Beratung des Antrags der Bundesregierung

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
scher Streitkräfte an dem Einsatz der Interna-
tionalen Sicherheitsunterstützungstruppe in

(International Security Assis 17762 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Präsident Dr. Norbert Lammert )


(A) )

tance Force, ISAF) unter Führung der NATO
auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und
folgender Resolutionen, zuletzt Resolution
2011 (2011) vom 12. Oktober 2011 des Sicher-
heitsrates der Vereinten Nationen

– Drucksache 17/8166 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-
rung 90 Minuten vorgesehen. – Auch dazu höre ich kei-
nen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.

Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido
Westerwelle.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
wärtigen:

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren Kolleginnen und Kollegen! Vor zehn Tagen in Bonn
haben Afghanistan und die internationale Gemeinschaft
eine neue Partnerschaft besiegelt, eine Partnerschaft, die
einem souveränen Afghanistan über das Jahr 2014 hi-
naus eine Perspektive gibt. Der Einstieg in die Übergabe
der Verantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte
hat begonnen – trotz aller Versuche, diesen Prozess
durch schreckliche Anschläge aus der Bahn zu werfen.
Die Ansätze für einen Versöhnungsprozess in Afghanis-
tan entwickeln sich, auch wenn die Ermordung von
Professor Rabbani ein schmerzhafter Rückschlag war.

Von der Korruption über die Menschenrechte bis zur
Sicherheitslage: Nichts ist einfach in Afghanistan, und
doch steht Afghanistan heute besser da als vor einem
Jahr und erst recht besser als vor zehn Jahren. Dazu ha-
ben die Bundeswehr, die Polizei, die Wiederaufbauhelfer
und auch die deutschen Diplomaten einen Beitrag geleis-
tet, für den wir danken.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir danken also gemeinsam unseren Landsleuten in
Uniform und ohne Uniform für ihren Einsatz. Wir ver-
neigen uns vor den Soldaten, die den Einsatz mit ihrem
Leben bezahlt haben. Auch unschuldige afghanische
Kinder, Frauen und Männer haben ihr Leben verloren.
Wenn wir an die Zukunft Afghanistans in Sicherheit und
Frieden denken, dann trauern wir um alle Opfer.

2011 markiert einen Wendepunkt in der internationa-
len Afghanistan-Politik. Der strategische Konsens von

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(C (D onn in der internationalen Gemeinschaft wird Baustein r Baustein umgesetzt. Erstens. Es wird keine militärische, sondern nur eine olitische Lösung geben. Deshalb unterstützen wir den rozess von Versöhnung und Reintegration, auch wenn er Weg noch lang und schwierig sein wird. Die afghaniche Regierung hat ernsthaft begonnen, an einem Frieensund Versöhnungsprozess zu arbeiten. Dieses Ziel at die traditionelle Loya Jirga Mitte November 2011 in abul bekräftigt. Davon konnte ich mir bei meinem letzn Besuch selbst ein Bild machen. Zweitens. Im Juli hat der Transitionsprozess begonen. Vor zwei Wochen hat Präsident Karzai die zweite ranche der Übergabe bekannt gegeben. Die afghanichen Behörden übernehmen schrittweise die Sichereitsverantwortung. Im Februar werden sie die Verantortung für fast die Hälfte der afghanischen evölkerung haben. Dass die afghanischen Sicherheitsräfte dieses jetzt bei allen Mängeln leisten können, ist uch das Ergebnis unserer Ausbildungsarbeit, die Anng 2010 nach der Londoner Afghanistan-Konferenz rheblich intensiviert worden ist. er Einstieg in die Transition – ich wähle das Wort „Eintieg“ bewusst – ist ein Erfolg trotz schwerster Anchläge. Drittens. Für eine stabile Entwicklung Afghanistans t die Mitwirkung aller Nachbarstaaten erforderlich. m 2. November hat sich in Istanbul die afghanische egierung mit allen Nachbarn und anderen wichtigen kteuren auf einen Prozess verständigt, der langfristig ie ganze Region wirtschaftlich und politisch enger zuammenführen soll. Im September haben wir dazu in ew York das Konzept der sogenannten Neuen Seiden traße bei der Generalversammlung der Vereinten Natioen vorgestellt. Dieser Prozess gründet auf gemeinsaen Prinzipien für Sicherheit und Stabilität in der egion und auf einem ehrgeizigen Katalog von vertraunsbildenden Maßnahmen zur Förderung der regionalen usammenarbeit. Das ist ein echtes Novum in der Reion. Auch wenn Pakistan sich nach der Tötung von ehr als 24 Soldaten nicht in der Lage sah, an der Bon er Konferenz teilzunehmen, war auch die pakistanische egierung an diesen Vereinbarungen, die ich eben geannt habe, konstruktiv beteiligt. Pakistan wurde auch urch meine Reise nach Islamabad wenige Tage vor der onner Konferenz in die Vorbereitung einbezogen. Ich ann Ihnen berichten: Die pakistanische Außenministen hat mir nach der Konferenz versichert, dass Pakistan en politischen Prozess in Afghanistan auch weiterhin nterstützen wird. Wir unsererseits sagen allen Nacharländern: Eine stabile, friedliche und demokratische ntwicklung Afghanistans liegt nicht nur im Interesse fghanistans und der Weltgemeinschaft, sie liegt ausrücklich auch im Interesse der Nachbarregion, und war aller Nachbarstaaten. Wir appellieren an alle Nacharstaaten, diesen Prozess auch zu unterstützen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17763 Bundesminister Dr. Guido Westerwelle )


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(A) )

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie
bei Abgeordneten der SPD und des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Viertens. Wir werden eine stabile Entwicklung nur
schaffen, wenn wir Afghanistan auch nach 2014 weiter
unterstützen. Mit der Internationalen Afghanistan-Kon-
ferenz in Bonn haben wir die Partnerschaft zwischen Af-
ghanistan und der internationalen Gemeinschaft erneu-
ert. Wir haben eine verlässliche Grundlage für eine
sogenannte Transformationsdekade von 2015 bis 2024
geschaffen. Das ist die neue Perspektive für die Zeit
nach dem Abzug der internationalen Kampftruppen. Ich
will auch hier vor dem Deutschen Bundestag wiederho-
len, was die Bundeskanzlerin und was ich selbst bei der
Eröffnung der Afghanistan-Konferenz in Bonn gesagt
habe: Wir lassen die Menschen in Afghanistan nicht im
Stich, auch nicht nach 2014. Wir werden kein Vakuum
hinterlassen, in dem dann wieder neuer Terror gedeihen
kann. Wir tun das, was wir tun, für Afghanistan, für das
Land, aber wir tun es auch unverändert für uns und für
unsere eigene Sicherheit, und wir werden die früheren
Fehler in der Geschichte nicht wiederholen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dieses Ergebnis ist die Frucht mühevoller Arbeit von
vielen in den letzten zwei Jahren. Wir machen uns keine
Illusionen: Die Afghanistan-Konferenz war eine Konfe-
renz des Möglichen. Die Bundesregierung verfolgt eine
Politik des Machbaren in Afghanistan. Wir haben uns
realistische Ziele gesetzt, haben uns realistische Mittel
und einen realistischen Zeitplan gegeben. Wir haben dies
mit Afghanistan und der internationalen Gemeinschaft
vereinbart und setzen es mit unseren Partnern konse-
quent um. Nie hatten wir einen größeren internationalen
Konsens als heute; auch das haben wir in Bonn ein-
drucksvoll gesehen.

Im Vorfeld hat die Bonner Konferenz übrigens auch
geholfen, innenpolitische Blockaden in Afghanistan zu
überwinden, etwa die Parlamentskrise oder die Aus-
einandersetzung um die Kabul Bank.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her-
ren, die neue Partnerschaft mit Afghanistan ist keine
Einbahnstraße. Sie beruht auf festen gegenseitigen Ver-
pflichtungen zwischen der internationalen Gemeinschaft
und Afghanistan. Die afghanische Regierung hat sich zu
Verbesserungen bei der Regierungsführung, bei der Be-
kämpfung der Korruption und beim Aufbau des Justiz-
sektors verpflichtet. Die Rolle der Verfassung und der
Menschenrechte als Fundament der afghanischen Ge-
sellschaft soll gestärkt werden.

Auf der anderen Seite hat sich die internationale Ge-
meinschaft in bemerkenswert starker Form zu einem
langfristigen Engagement in Afghanistan über 2014 hi-
naus verpflichtet. Diese zivilen und entwicklungspoliti-
schen Zusagen werden im kommenden Juli in Tokio
konkretisiert. Ich sage dem Deutschen Bundestag als
dem Haushaltsgesetzgeber in aller Offenheit: Es wird
noch länger finanzielle Belastungen geben. Entwicklung
und Sicherheit bedingen sich gegenseitig. Die Wirtschaft
in Afghanistan muss auf die Beine kommen. Unsere

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(C (D ilfe beim Aufbau eines wettbewerbsfähigen Privatsekrs wird noch über Jahre gefordert sein. Besonders der Rohstoffsektor hat großes Potenzial nd kann Afghanistan langfristig unabhängiger von inrnationalen Geldzuwendungen machen. Die afghani chen Rohstoffvorkommen werden bisher kaum genutzt, eil Investoren vor der Bedrohungslage und mangelnder echtssicherheit in Afghanistan zurückschrecken. Auch ier haben wir auf dem Weg nach Bonn mit der vorausehenden Brüsseler Wirtschaftskonferenz Fortschritte rreichen können. Angesichts dessen ist es auch wichtig, ass wir unsere Afghanistan-Politik umfassend und veretzt betreiben. Erlauben Sie mir, dass ich mich bei den ollegen dreier Häuser, beim Bundesinnenminister – ich enke dabei an den Aufbau der Polizei –, beim Bundesinister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und vor aln Dingen beim Bundesverteidigungsminister, für die emeinsame, gute und koordinierte Arbeit bedanke. Afghanistan wird auch nach 2014 kein normales Parterland der Entwicklungszusammenarbeit sein. Darauf at Entwicklungsminister Dirk Niebel immer wieder ingewiesen. Der Entwicklungszusammenarbeit mit Afhanistan kommt auf Grundlage der besonderen Verantortung, die wir in den letzten zehn Jahren übernommen aben, ein besonderer Status zu. Diese neue Art der Parterschaft manifestiert sich in der in Bonn beschlossenen, ereits erwähnten Transformationsdekade. Die Europäiche Union hat bereits Verhandlungen für ein Partnerchaftsund Kooperationsabkommen mit Afghanistan ufgenommen. Daneben wird die Bundesregierung im ommenden Jahr auch ein bilaterales Partnerschaftsabommen mit Afghanistan verhandeln, das unsere Zuammenarbeit auf eine feste Grundlage stellt. So ist es nmittelbar nach der Afghanistan-Konferenz zwischen taatspräsident Karzai und Bundeskanzlerin Angela erkel vereinbart worden. Teil des strategischen Konsenses von Bonn ist, dass ie internationale Gemeinschaft nun gemeinsam hinter er Notwendigkeit eines politischen Prozesses und von riedensgesprächen auch mit den Taliban steht. Mittlereile sind sich alle einig, dass es keine militärische, sonern nur eine politische Lösung geben kann. Diese polische Lösung braucht aber auch klare Maßstäbe. In onn hat sich die internationale Gemeinschaft deshalb uf sieben Prinzipien geeinigt. Dazu gehört eine eindeug afghanische Führungsrolle; niemand anders kann ine Lösung erzwingen. Außerdem muss der Prozess die gitimen Interessen aller Afghanen widerspiegeln und nen die Chance geben, sich in ihrem Staat politisch iederzufinden. Dauerhaften Frieden wird es in Afghanistan nur geen, wenn alle afghanischen Bevölkerungsgruppen sich Friedensprozess und in seinem Ergebnis wiederfinen können. Deshalb war es beeindruckend, dass zum rsten Mal in so großer Zahl auch die Vertreter der Zivilesellschaft im Vorfeld der Bonner Konferenz einbezoen wurden und an ihr teilgenommen haben. Darunter aren übrigens auch sehr viele Frauen; sie machten inen erheblichen Anteil aus. Ich sage das ausdrücklich, 17764 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Bundesminister Dr. Guido Westerwelle )


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(A) )

weil es vor allen Dingen viele Frauen sind, die zu Recht
Sorge haben, dass nach 2014 ihre Rechte und ihre Mög-
lichkeiten wieder vergessen werden könnten. Unsere
Solidarität und unsere klare Ansage, dass wir für die fun-
damentalen Menschenrechte, aber eben auch für die
Frauenrechte unverändert eintreten und uns dafür einset-
zen, ist in meinen Augen wichtig, wenn der Übergabe-
prozess in Afghanistan gelingen soll.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Gleichzeitig formulieren diese Prinzipien klare An-
forderungen an das Ergebnis, also an die Friedenslösung
selbst. Die Souveränität, die Stabilität und die Einheit
Afghanistans müssen gesichert sein. Gewaltverzicht,
Bruch mit dem internationalen Terrorismus und Aner-
kennung der Verfassung mit ihren fundamentalen Men-
schenrechten und – ich sage das abermals – vor allem
auch den Frauenrechten sind notwendige Bestandteile
einer Friedenslösung. Und: Eine politische Lösung in
Afghanistan muss auch von der Region akzeptiert und
unterstützt werden.

Eine Friedenslösung, die diesen Prinzipien entspricht,
wird die volle Unterstützung der internationalen Gemein-
schaft finden. Wir lassen uns dabei von dem klaren Ziel
leiten, dass von Afghanistan nicht noch einmal Gefahr
für die Welt ausgehen darf. Aus dem Krisenherd Afgha-
nistan soll ein souveräner und verantwortlicher Staat
werden, ein Staat, der als gleichberechtigtes Mitglied der
Völkergemeinschaft zu Frieden und Stabilität in der
Region beiträgt. Kabul darf nie wieder die Hauptstadt
der Terroristen in der Welt werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der zweite Fortschrittsbericht der Bundesregierung
zu Afghanistan, meine sehr geehrten Damen und Herren,
zeichnet ein ungeschminktes Bild der Fortschritte und
der Schwierigkeiten in Afghanistan. Wir brauchen eine
ehrliche Lagebeurteilung, ohne etwas schönzureden,
aber auch ohne die Fortschritte zu übersehen.

Ein Drittel der etwa 8 Millionen Schülerinnen und
Schüler sind Mädchen. Über 80 Prozent der afghani-
schen Bevölkerung haben Zugang zu Gesundheitsleis-
tungen. Straßen wurden gebaut, die Infrastruktur verbes-
sert, vor allen Dingen auch die Versorgung mit Wasser.

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben mit 305 000
Mann ihre Sollstärke fast erreicht. Der Schwerpunkt
liegt jetzt auf der weiteren Qualifizierung von Polizei
und Armee. Diese Aufgabe wird auch nach dem Abzug
der internationalen Kampftruppen 2014 fortbestehen.
Der Trend einer sich von Jahr zu Jahr verschlechternden
Sicherheitslage konnte vorerst – ich betone: vorerst –
gestoppt werden. Trotz schrecklicher Anschläge hat sich
die Lage 2011 insgesamt konsolidiert. Aber auch das
gehört zum Bild dazu.

Die Menschenrechtslage in Afghanistan verbessert
sich, allerdings nur langsam. Die universellen Men-
schenrechte sind in der afghanischen Verfassung veran-

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(C (D ert, aber bei weitem noch nicht vollständig in der Praxis erwirklicht. Im Hinblick auf Regierungsführung und emokratie bleibt in Afghanistan noch viel zu tun. Dazu ehören auch Wahlreformen, zu deren Unterstützung wir europäischen Rahmen bereitstehen. Korruption bleibt ein großes Hindernis für gute Reierungsführung in Afghanistan. Der Skandal um die abul Bank ist dabei nur die Spitze des Eisberges. Auch ie Drogenwirtschaft trägt zur Korruption bei. In Bonn at die afghanische Regierung eine wirtschaftliche Tranitionsstrategie vorgestellt, mit der sie klare Verbessengen schaffen möchte. Die Umsetzung der nationalen ntwicklungsstrategie macht bescheidene Fortschritte; llerdings bemessen sich die Zeitlinien der Entwickngszusammenarbeit eher in Jahrzehnten als in Jahren. uch das zu erwähnen, gehört zu einer realistischen agebeschreibung. Unser deutsches Engagement hat sich auf sorgfältig it der afghanischen Regierung abgestimmte Pro ramme und Projekte verlagert, die nachhaltige Enticklung ermöglichen. Diese Bundesregierung hat den ittelansatz für den Wiederaufbau und die Entwicklung uf 430 Millionen Euro jährlich fast verdoppelt. eutschland ist damit das drittgrößte Geberland in fghanistan. Mit den Ergebnissen aus Bonn beginnt nun eine neue hase unseres Einsatzes in Afghanistan. Gemeinsam mit er afghanischen Regierung haben wir uns auf einen verntwortlichen Abbau aller internationalen Kampftruppen Afghanistan verständigt. Das deutsche militärische ngagement hat in diesem Jahr seinen Scheitelpunkt rreicht. Mit dem Mandat, das wir heute einbringen, wird der ternational vereinbarte Abzug der Kampftruppen aus fghanistan auch von unserer deutschen Seite aus ver ntwortungsvoll eingeleitet. Damit wird die in den letzn zwei Jahren erarbeitete Abzugsperspektive real. Die trategie der Übergabe der Sicherheitsverantwortung ird umgesetzt. Klar ist, dass die langfristige Stabilisieng Afghanistans noch ein schwerer Weg wird, bei dem ir auch weiter mit Rückschlägen rechnen müssen. Wenn der Deutsche Bundestag dem Antrag der Bunesregierung folgt, dann werden ab dem 1. Februar 2012 och bis zu 4 900 Soldatinnen und Soldaten der Bundesehr im Einsatz sein. Die deutsche Beteiligung an den ATO-AWACS war bislang gesondert mandatiert. Sie ird fortgesetzt; die Dienstposten werden in die neue ersonalobergrenze integriert. Die flexible Reserve entllt. Darüber hinaus ist es das Ziel der Bundesregierung, as deutsche Kontingent im Rahmen des fortschreitenen Übergabeprozesses bis zum Ende des Mandatszeitumes auf bis zu 4 400 Soldatinnen und Soldaten zu duzieren, soweit die Lage dies erlaubt und ohne die icherheit des eingesetzten Personals oder die Nachhalgkeit des Übergabeprozesses zu gefährden. Diese Einchränkung müssen wir auch in diesem Jahr weiter achen. Alles andere wäre irreal. Niemand kann alles orhersagen. Deswegen hat dieses Mandat dieselbe Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17765 Bundesminister Dr. Guido Westerwelle Konditionierung, die auch letztes Jahr in das Mandat aufgenommen worden ist. Machen wir uns nichts vor: Die Sicherheitslage in Afghanistan ist weiter schwierig. Die Bedrohung ist nach wie vor real. Die grausamen Anschläge in den letzten Monaten haben dies gezeigt. Allerdings sehen wir, dass die afghanischen Sicherheitskräfte zunehmend in der Lage sind, sich selbst dieser Herausforderungen anzunehmen. Das ist der Kern unseres Auftrages: die Befähigung der afghanischen Sicherheitskräfte voranzubringen. Dabei spielt der Aufwuchs dieser Kräfte eine wichtige Rolle. Entscheidend jedoch ist die Verbesserung der Fähigkeiten, also der Qualität der afghanischen Soldatinnen und Soldaten, der Polizistinnen und Polizisten. Das ist eine gewaltige Aufgabe. Sie wird uns noch fordern, auch wenn die internationalen Kampftruppen nach 2014 abgezogen sind. Meine Damen und Herren, ich sage deshalb: Unser Einsatz hat von seiner Bedeutung nichts eingebüßt. Es ging und es geht darum, eine tödliche Gefahr für unsere Gesellschaften zu bannen. Afghanistan darf nicht wieder zum Rückzugsraum für Terroristen werden. Diesem Ziel hat sich die gesamte internationale Gemeinschaft verpflichtet. 50 Staaten beteiligen sich an ISAF. Auch Deutschland stellt sich weiterhin dieser Verantwortung. Wir haben manches erreicht, aber dennoch sind wir vor Rückschlägen nicht gefeit. Ich bitte Sie deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete: Stärken Sie den am Einsatz beteiligten Soldatinnen und Soldaten den Rücken, indem Sie den Antrag der Bundesregierung mit breiter Mehrheit unterstützen! Ich möchte an dieser Stelle neben den Angehörigen der Bundeswehr auch unseren Polizeiausbildern und unseren Aufbauhelfern, unseren Diplomaten, aber vor allen Dingen ihren Familien meinen Dank und meinen tiefen Respekt bekunden. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(A) )


(B)


Sie alle setzen ihren Ehrgeiz, ihre Gesundheit, ja ihr
Leben ein im Interesse unseres Landes.

Ich möchte mit einer persönlichen Betrachtung
schließen. Ich bin schon sehr oft in Afghanistan gewesen
und habe das Land besucht, lange bevor ich Mitglied der
Bundesregierung geworden bin. Wenn wir bei uns über
Afghanistan reden und über Afghanistan berichtet wird,
dann sehen wir schreckliche Bilder: Wir sehen
Anschläge. Wir trauern um Getötete. Wir sehen Bilder,
die wirklich schrecklich sind. Wir wissen um die Miss-
stände. Wir alle teilen die Sorgen und hoffen doch
darauf, dass uns eine gute, friedliche und stabile Ent-
wicklung in Afghanistan gelingt. Aber nicht nur die Bil-
der der Gewalt und des Terrors sind es, mit denen wir
uns befassen sollten.

Ich habe im Juli in Kabul ein Kinder- und Jugendzen-
trum besucht. Die Kinder dort spielen wie die Kinder
überall auf der Welt. In den Augen dieser Kinder – Mäd-
chen und Jungs – habe ich Hoffnung gesehen. Ich
glaube, wir schulden es diesen Kindern, dass sich ihre

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(C (D offnungen auch erfüllen. Für mich sind auch und vor llem diese Gesichter der Kinder das neue Gesicht fghanistans – und nicht nur die schrecklichen Bilder on Tod und Terror. Diese Kinder – die nächste Generaon – können nichts dafür, dass sie unter solchen Umtänden groß werden. Auch sie haben nur ein Leben mit enselben Hoffnungen. Die Mädchen blickten, als man ereinkam, schüchtern zu Boden. Die Jungs wollten den usländischen Besuchern zeigen, was sie mit ihren acht, eun, zehn, elf Jahren alles können. Meine Damen und Herren, ich glaube, es täte uns gut, ass wir, wenn wir über Afghanistan reden, ab und zu uch das Bild dieser Kinder bei unseren nüchternen eratungen mit im Kopf behalten. Was wir in Afghanisn tun, tun wir für die Kinder, wir tun es natürlich auch r unsere eigene Sicherheit. Nichts ist einfach in Afghanistan, und vieles ist noch icht so, wie es sein soll. Ich fürchte, vieles wird auch chwierig bleiben. Aber am Ende dieses Jahres, nach der onner Konferenz, bin ich überzeugt: Wir sind mit unsem Einsatz und mit der neuen Partnerschaft auf dem chtigen Weg. Wir eröffnen Afghanistan die Chance auf ine friedliche und freie Zukunft – im Interesse der Menchen dort und im Interesse der Sicherheit hier. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Anhaltender Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714900100

Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem

ollegen Dr. Gernot Erler für die SPD-Fraktion das
ort.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1714900200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

PD hat im Jahr 2010 zwei große internationale Afgha-
istan-Konferenzen organisiert, mit Hunderten von Teil-
ehmern und mit konkreten Ergebnissen. Seitdem for-
ern wir einen Strategiewechsel vor Ort, der sich mit
lgenden Stichworten beschreiben lässt: Nur eine politi-

che Lösung, das bedeutet: ein innerafghanischer Ver-
öhnungs- und Reintegrationsprozess, kann den Konflikt
sen. Die Sicherheitsverantwortung muss schrittweise

n die Afghanen übergeben werden, was nur geht, wenn
ich die internationale Gemeinschaft auf die Ausbildung
on Polizisten und Soldaten konzentriert. Im Zuge des
bergabeprozesses, der bis 2014 abzuschließen ist, sol-
n bis Ende 2011 erste Reduktionen des Bundeswehr-
ontingents in Afghanistan eingeleitet sein.

Wo stehen wir heute? Es gibt die ersten Schritte des
bergangsprozesses, der Transition genannt wird. Seine
msetzung scheint vorerst erfolgreich zu sein. Jeden-
lls sorgen heute in den Provinzen Bamiyan, Pandsch-

chir und Kabul sowie in den Städten Herat, Lashkar
ah, Mehtar Lam und Masar-i-Scharif afghanische Si-

herheitskräfte für Ordnung und behaupten sich gegen
um Teil wütende Angriffe der Aufständischen.
)

17766 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Dr. h. c. Gernot Erler


(A) )


)(B)

In der Bundesregierung – das wissen wir – gab es er-
hebliche interne Auseinandersetzungen über das weitere
Vorgehen. Das, Herr Minister, haben Sie hier, vielleicht
wegen der heraufkommenden Weihnachtszeit, etwas an-
ders dargestellt. Am Ende hat die Bundesregierung aber
ein Mandat vorgelegt, das unseren Forderungen weitge-
hend entspricht: Schon zu Beginn des neuen Mandats im
Januar 2012 soll die bisherige Obergrenze von 5 350
Kräften auf 4 900 herabgesetzt werden, bis zum nächs-
ten Mandat weiter auf 4 400; Sie, Herr Minister, haben
das eben bestätigt.

Die uns vorgelegten Zahlen belegen, dass der Prozess
der Absenkung der Obergrenze bereits jetzt, zum Ende
des Jahres 2011, praktisch vollzogen wird. Noch am
23. November betrug die Anzahl der vor Ort eingesetz-
ten Kräfte 5 324; das war ziemlich haarscharf an der bis-
her geltenden Obergrenze. Das ist übrigens ein Beweis
dafür, dass die Reserve von 350 Kräften zuletzt fast voll-
ständig genutzt wurde. Doch schon am 7. Dezember wa-
ren nur noch 4 991 Bundeswehrkräfte vor Ort, womit die
neue, abgesenkte Mandatsobergrenze schon fast erreicht
ist. Die Truppenreduzierung ist also schon in vollem
Gange, noch im Jahr 2011. Das Funktionieren der Tran-
sition macht dies möglich, und das neue Mandat trägt
dieser Entwicklung mit den neuen Obergrenzen Rech-
nung.

Die endgültige Entscheidung fällt zwar erst im Ja-
nuar; aber angesichts der von mir beschriebenen Ent-
wicklung wird die SPD-Bundestagsfraktion diesem
Mandat zustimmen können. Das heißt nicht, dass wir
jetzt einem naiven Optimismus verfallen. Viele Sorgen
bleiben, manche haben sich verstärkt. Ich will hier nur
drei wichtige auf die Transition bezogene Sorgen skiz-
zieren:

Erstens. Die Transition kann an der mangelnden Aus-
bildung und an den lückenhaften Fähigkeiten der afgha-
nischen Sicherheitskräfte scheitern. Wir hören gerne,
dass schon im Oktober dieses Jahres 305 600 afghani-
sche Soldaten und Polizisten zur Verfügung standen und
somit das Sollziel bis Oktober nächsten Jahres erreicht
werden kann. Aber wir verfügen nur über vage Daten,
was die Qualität und die Schwundquote und damit die
Nachhaltigkeit der Einsatzfähigkeit dieser Kräfte angeht.

Man sollte keinen Tag vergessen, dass der eigentliche
Härtetest noch bevorsteht; denn vorerst unterliegen
– was auch Sinn macht – die eher ruhigen Gebiete der
Übergabe, dieser Transition. Erst am 27. November hat
Präsident Karzai die zweite Tranche für die Transition
verkündet. Nicht unerwartet benennt er dort erneut Pro-
vinzen und Städte, die eher unter einem schwachen
Druck der Aufständischen stehen. Aus dem deutschen
Regionalkommando Nord gehören dazu die kompletten
Provinzen Balkh, Takhar und Samangan sowie Teile der
Provinzen Sar-i-Pol und Badakhshan.

Diese Art des Transitionsprozesses bringt mich zu ei-
ner zweiten Sorge: Welche Kräfte zu Lande und in der
Luft werden die afghanischen Streitkräfte brauchen, um
bis 2014 die Sicherheitsverantwortung in den jetzt noch
umkämpften Gebieten zu übernehmen, und wie können

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(C (D ie notwendigen Fähigkeiten aufgebaut werden, solche ebiete unter nachhaltige Kontrolle zu bringen? Für ein erschlafenes Dorf reicht vielleicht ein verschlafener olizist, der auch einmal vergessen kann, seinen Dienst nzutreten. Aber wie sieht das im Herzen der Provinz elmand aus, wenn starke afghanische Kräfte schon geunden sind, um in der Fläche der ersten Übergabetranhe Stellung zu halten? Natürlich hängt der Erfolg nicht allein vom Ausbilungsstand und den Qualitäten der afghanischen Polizisn und Soldaten ab. Im neuen Fortschrittsbericht Afhanistan vom Dezember 2011 findet sich dazu ein ichtiger Satz, den ich zitieren möchte: Die Fortschritte im Aufbau von Polizei und Armee müssen auch durch Verbesserungen der Regierungsführung sowie durch Fortführung der positiven wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung untermauert werden … as ist eine zurückhaltende Ausdrucksweise. Ich formuere es als unsere dritte Sorge in diesem Zusammenhang nders: Wie lange soll es eigentlich noch dauern, bis Präident Karzai und seine Leute verstehen, dass ohne eine essere Regierungsführung, ohne Erfolge im Zurückrängen von Korruption und Alltagskriminalität, die imer mehr zur Gewalterfahrung der Bevölkerung vor Ort eiträgt, und ohne eine Nulltoleranzpolitik gegen das etzwerk von Drogenanbau und Drogenhandel ein Reieren in Afghanistan ohne die Unterstützung von fremen Kampftruppen völlig unmöglich ist? Wir zeigen Respekt für die Arbeit, die im zweiten ortschrittsbericht Afghanistan dargestellt wird, und wir rbeiten mit dem Sonderbeauftragten, Herrn Botschafter teiner, gut zusammen. Ich glaube aber, die im Fortchrittsbericht mehrfach beschworene positive Trendende, die auch Minister Westerwelle eben beschworen at, wird erst dann eintreten, wenn es überzeugende Antorten auf diese drei Fragen gibt. Daran müssen wir in ukunft gemeinsam verstärkt arbeiten. Wir sind dazu beit. Vielen Dank. Der Kollege Andreas Schockenhoff ist der nächste edner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der SPD)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714900300


Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1714900400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

fghanistan-Einsatz ist im Wandel. Nach zehn Jahren
erden wir erstmals die Zahl der Soldatinnen und Solda-
n, die dort einen tapferen Einsatz leisten, reduzieren.
nen wie den vielen zivilen Helfern gilt auch von unse-
r Seite für ihren gefährlichen Einsatz unser Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17767

Dr. Andreas Schockenhoff


(A) )


)(B)

Die CDU/CSU-Fraktion ist davon überzeugt, dass jetzt
der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um die Zahl unserer
Einsatzkräfte in Afghanistan zu reduzieren; denn der Stra-
tegiewechsel, der Anfang 2010 von der internationalen
Gemeinschaft für ganz Afghanistan und von der Regie-
rungskoalition für den deutschen Verantwortungsbereich
im Norden des Landes durchgesetzt wurde, verzeichnet
Erfolge.

Die Übergabe der Sicherheitsverantwortung in afgha-
nische Hände hat bereits im Sommer 2011 begonnen.
Trotzdem hat sich die Sicherheitslage verbessert, auch
wenn wir ohne Zweifel noch nicht an unserem Ziel, dort,
wo wir einmal stehen wollen, angelangt sind. Nach einer
stetigen Verschlechterung seit 2006 ging die Zahl der
Anschläge und Gefechte im Jahr 2011 erstmals insge-
samt zurück. Auch dies ermöglicht die Umsetzung des
Konzepts der Übergabe in Verantwortung an afghani-
sche Sicherheitskräfte. In wenigen Monaten wird bereits
mehr als die Hälfte Afghanistans von heimischen Sicher-
heitskräften kontrolliert werden. Davon sind auch Pro-
vinzen und Distrikte im deutschen Verantwortungsbe-
reich im Norden betroffen. Das führt Schritt für Schritt
zu einer Reduzierung unserer Kräfte.

Deutschland arbeitet mit seinen Ausbildungspro-
grammen mit Nachdruck daran, dass afghanische Kräfte
so schnell wie möglich selbst für Sicherheit in ihrem
Land sorgen können. Der Aufbau der afghanischen Ar-
mee- und Polizeikräfte verläuft nach Plan und wird nun
sogar über das ursprünglich gesetzte Ziel hinaus intensi-
viert werden.

Ferner hat die Zahl der Überläufer zugenommen.
Landesweit soll die Zahl der Überläufer bei fast 3 000
liegen. Ob sich diese nachhaltig von den regierungs-
feindlichen Truppen abgewendet haben, bleibt abzuwar-
ten.

Insgesamt verdeutlicht der Beginn der Reduzierung
unserer Kräfte eine Gewichtsverschiebung innerhalb der
internationalen Afghanistan-Politik von der militäri-
schen Komponente zum politischen Prozess. Das spie-
gelte sich auch bei der Bonner Afghanistan-Konferenz
vergangene Woche wider; der Außenminister hat davon
berichtet.

Was muss bis 2014 geschehen, damit wir unser mili-
tärisches Engagement in der bisherigen Form beenden
können? Hier sage ich für meine Fraktion unmissver-
ständlich: Verantwortbare Übergabe hat Vorrang vor der
Verwirklichung ehrgeiziger Zeitpläne.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Entscheidend ist, dass die Ausweitung der afghanischen
Sicherheitsverantwortung in den kommenden Monaten
erfolgreich ist. Erst dann ist eine weitere Rückführung
der deutschen Einsatzkräfte möglich und verantwortbar.

Um unser Ziel einer vollständigen Übergabe der Si-
cherheitsverantwortung bis 2014 erreichen zu können,
bleiben insbesondere fünf Dinge notwendig:

Erstens. Die Fähigkeiten der afghanischen Sicher-
heitskräfte müssen weiter verstärkt werden; daran wird
mit Nachdruck gearbeitet. Dazu gehören auch die Fra-

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(C (D en einer gesicherten Bezahlung der afghanischen räfte und einer adäquaten Ausbildung. Es nützt nichts, enn die afghanischen Kräfte gut ausgebildet sind, dann ber zu den Warlords überlaufen, weil sie mehr bezahn. Zweitens. Die afghanische Seite muss mit uns an eiem Strang ziehen und ihre bei der Kabuler Konferenz ingegangenen und jetzt in Bonn bekräftigten Verpflichngen einhalten, etwa zur guten Regierungsführung, zur orruptionsbekämpfung und hinsichtlich des Aufbaus iner unabhängigen Justiz. Drittens. Der politische Prozess ist von größter Beeutung. Fragen von Versöhnung und Machtverteilung üssen unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen und thnischen Gruppen gelöst werden. Dabei können wir elfen, aber letztlich können nur die Afghanen selbst ier Einigung erzielen. Viertens. Ein regionaler Lösungsansatz muss weiter it aller Kraft verfolgt werden. Pakistan hat zwar die fghanistan-Konferenz in Bonn boykottiert, aber nicht, eil es den politischen Prozess ablehnt. Deshalb ist es chtig – wir unterstützen das mit Nachdruck –, dass wir it Islamabad weiter intensiv im Gespräch bleiben. Schließlich fünftens. Die Menschen in Afghanistan ürfen 2014 nicht im Stich gelassen werden. Wir müssen nser Engagement beim Wiederaufbau und bei der Siherheit in unserem eigenen Interesse fortsetzen. Wie wird unser Engagement nach 2014 aussehen? 014 wird unser Einsatz in Afghanistan in der bisherigen orm beendet sein. Wir werden bis dahin schrittweise nser militärisches Engagement zurückfahren; aber uner Engagement und unsere Verantwortung für Afghaistan sind und bleiben langfristig. Der Schwerpunkt ird sich in Richtung zivile Zusammenarbeit verlagern. uch nach 2014 wird es darum gehen, die afghanischen icherheitskräfte weiter auszubilden und sie weiterhin u unterstützen, auch wenn der ISAF-Einsatz beendet t. Zur Bewältigung dieser Ausbildungsaufgaben wird ie Bundeswehr in einem deutlich reduzierten Umfang uch nach 2014 vor Ort präsent bleiben. Lassen Sie mich abschließend Folgendes sagen: Wir aben Anfang 2010 mit unseren internationalen Partnern inen Strategiewechsel eingeleitet, der nun die Trendende bringt. Jetzt gilt es, die realistischen Chancen für ine verantwortbare Übergabe der Sicherheitsverantworng in afghanische Hände und damit die Voraussetzun en für einen weitgehenden Abzug der deutschen Streiträfte weiter zu verbessern. Wir haben immer größten Wert auf eine breite Untertützung des Einsatzes im Deutschen Bundestag gelegt. as tun wir auch weiterhin. Gerade weil wir jetzt die alistische Chance eines weitgehenden Abzugs unserer treitkräfte haben, sollten wir dies mit der gemeinsamen erantwortung für den Erfolg der Mission tun und uns icht von ehrgeizigen Zeitplänen treiben lassen. Dafür itte ich das ganze Haus, insbesondere die Kolleginnen nd Kollegen von SPD und Grünen, um Unterstützung. Herzlichen Dank. 17768 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(A) )


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714900500

Das Wort erhält nun der Kollege Wolfgang Gehrcke

für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714900600

Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-

legen! Ich will sofort über eine Grunddifferenz reden.
Man muss sich nicht an Nebensächlichkeiten aufhalten,
sondern man muss Grunddifferenzen benennen können.

Das, was der Außenminister für die Regierung hier
erklärt hat, bzw. das Mandat, das zur Entscheidung vor-
gelegt worden ist, enthält zwei Botschaften. Die erste
Botschaft ist: Die Bundeswehr bleibt in Afghanistan.
Die zweite Botschaft ist: Der Krieg wird fortgesetzt. Das
ist hier erklärt worden und Inhalt des Mandats. Ich füge
hinzu: Die militärische Strategie der Bundesregierung
und der NATO zielt sogar darauf ab, den Krieg zu ver-
schärfen, weil man noch immer glaubt, dass über eine
Verschärfung des Krieges die Lage in Afghanistan
gewendet werden könnte. Das ist die Richtung, die hier
vorgegeben worden ist. Diese Richtung, Herr Außen-
minister, führt weg von dem, was Sie als politisches Ziel
erklärt haben. Sie haben hier deutlich gesagt, der Krieg
sei militärisch nicht zu gewinnen. Früher haben Sie
immer „nicht nur“ gesagt; jetzt sagen Sie schon, er sei
militärisch nicht zu gewinnen. Es muss eine politische
Lösung geben. Wer einen solchen Kurs fährt, wird aber
keine politische Lösung erreichen; er wird sie verhin-
dern. Die Linke will eine politische Lösung.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Herabsetzung der Obergrenze der Zahl der einge-
setzten Soldaten hat nur ein Ziel gehabt: Sie wollten
SPD und Grüne einbinden, Ihrem Mandat wieder zuzu-
stimmen. Was die SPD angeht, ist das offensichtlich ge-
lungen. Die Meinung der Grünen werden wir noch mit
Interesse hören. Die Fraktion Die Linke sagt Ihnen ganz
deutlich: Wir werden dem Club, der Deutschland am
Hindukusch verteidigen will, nicht beitreten. Wir wer-
den diesem Mandat nicht zustimmen; das ist völlig klar.
Auf diese Grunddifferenz lege ich allergrößten Wert.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Außenminister, ich fand Ihre Regierungserklä-
rung ohne Mut und, ehrlich gesagt, auch ein bisschen
saft- und kraftlos – ohne Mut deshalb, weil es der
Anstand vor der Mehrheit unserer Bevölkerung verlangt
hätte, hier deutlich zu sagen, dass die bisherige Afgha-
nistan-Politik, auch der Bundesregierung, gescheitert ist.
Es wäre erforderlich gewesen, dass man deutlich sagt:
Es war falsch, eine solche Entscheidung zu treffen. Wir
wollen diese Entscheidung korrigieren.


(Beifall bei der LINKEN)


Aber zu all dem fehlt Ihnen persönlich und auch der
Bundesregierung der Mut. Wer im elften Jahr des Krie-
ges noch immer nicht die Fähigkeit hat, so etwas auszu-
sprechen, wird keine politische Wende herbeiführen.

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(C (D eutschland ist Teil des Krieges am Hindukusch. Wir ollen, dass das beendet wird. Sie haben hier ein persönliches Bild gebraucht, was h übrigens gut verstehen kann. Das geht mir schon sehr ahe. Auch ich gebrauche ein persönliches Bild: Ich enke an die 10 000, 30 000, bis zu 100 000 Menschen Afghanistan, die diesem Krieg zum Opfer gefallen ind. Ich denke an die 35 000 Menschen, die in Pakistan folge des Krieges umgekommen sind; die pakistani che Außenministerin hat diese Zahl genannt. Ich denke uch an die im Einsatz umgekommenen Soldatinnen und oldaten, auch Bundeswehrsoldaten. Die Angehörigen er Opfer blicken uns an und fragen uns: Warum? Auf iese Frage haben Sie hier keine Antwort gegeben. Die inder von Kunduz haben das Recht, eine Antwort auf ie Frage zu erhalten, warum sie umgebracht worden ind. Diese Antwort muss auch der Bundestag geben. Ich will Ihnen erklären, warum Sie keine politische ösung erreichen werden. Solange in Afghanistan der indruck entsteht, dass das Land besetzt ist – schauen ie sich einmal die Zahlen an –, so lange werden sich die enschen in Afghanistan wehren. Sie müssen doch umindest die Frage beantworten, warum eine Kriegsacht von 134 000 ausländischen Soldaten, 100 000 ogenannten privaten Sicherheitskräften und 305 000 ngehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte bislang icht in der Lage war, diesen Krieg militärisch zu gewinen. Darauf gibt es doch nur eine Antwort: Die Widertandskräfte sind so stark in der Bevölkerung verankert, ass sie bis heute starken militärischen Widerstand leisn können. Der Schlüssel, um diesen Krieg zu beenden nd eine politische Lösung zu finden, ist der Abzug der ruppen. Der Abzug der Bundeswehr ist der Schlüssel, m eine politische Lösung zu erreichen. Vor dieser chlussfolgerung drücken Sie sich. Man bekommt ja nichts dafür, dass man recht gehabt at; das möchte ich auch gar nicht reklamieren. Ich öchte Ihnen eine Äußerung von jemandem vortragen, essen Aussagen für Sie vielleicht etwas leichter zu kzeptieren sind als Aussagen von Politikern der Linken. orbatschow, der durchaus sehr unterschiedlich beurteilt ird, hat sich in einem Interview, das er zusammen mit einer Kollegin Sahra Wagenknecht der Bild-Zeitung egeben hat, zu diesem Thema geäußert. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! – Rainer Brüderle [FDP]: Aha! – Thomas Oppermann [SPD]: Darauf sind Sie stolz, nicht?)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


Ja, darauf bin ich stolz. Das ist, wie ich finde, eine in-
ressante Mischung.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn daran interessant?)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17769

Wolfgang Gehrcke


(A) )


)(B)

Ich zitiere Gorbatschow:

Aus meiner bitteren Erfahrung von damals kann ich
nur raten: Raus aus Afghanistan! Diesen Krieg
kann niemand gewinnen!

Wenn Sie uns nicht glauben, dann glauben Sie
Gorbatschow. Raus aus Afghanistan, das ist die Losung,
die jetzt politisch umgesetzt werden muss.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich will noch einen weiteren Punkt kurz ansprechen.
Ohne tatsächliche Selbstbestimmung wird sich nichts
ändern. Sie sprechen ja von einer Übergabe. Das heißt,
jetzt liegt die Macht, politische Entscheidungen zu tref-
fen, nicht in Afghanistan, nicht bei den Afghaninnen und
Afghanen. Das war auch auf der Konferenz in Bonn
nicht der Fall. Wenn Sie diese Selbstbestimmung nicht
wollen und nicht dafür eintreten – der Friede in Afgha-
nistan wird von den Afghaninnen und Afghanen ge-
schlossen werden müssen –, werden Sie nichts erreichen.

Wer Pakistan als eine Nebensächlichkeit abtut, der
weigert sich, einzusehen, dass der Krieg längst auf
Pakistan übergegriffen hat. Wo in der Welt darf man ein
anderes Land einfach so angreifen und bombardieren?
Ich sage Ihnen: Da ballt sich mehr zusammen, eine Ver-
schärfung des Krieges, eine neue Katastrophe.

Ich will eine politische Lösung. Deswegen können
wir dem Kurs der Bundesregierung nicht zustimmen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714900700

Nächster Redner ist der Kollege Bijan Djir-Sarai für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Bijan Djir-Sarai (FDP):
Rede ID: ID1714900800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist seit

fast zehn Jahren eine jährliche Tradition, dass wir hier
im Deutschen Bundestag über den Fortgang des Bundes-
wehreinsatzes in Afghanistan diskutieren. Doch dieses
Jahr ist die Diskussion anders; das muss man in dieser
Debatte deutlich betonen. Mit diesem Mandat ab 2012
beginnen wir mit der Reduzierung unseres Bundeswehr-
kontingents in Afghanistan. Es war ein langer und harter
Weg bis zur heutigen Debatte. Wenn wir heute diesen
Weg analysieren, so stellen wir fest: Es gibt in Afghanis-
tan Erfolge, aber auch Misserfolge. Das müssen wir ehr-
lich eingestehen.

2001 hat sich Deutschland unter zum Teil falschen
Vorstellungen vom Einsatz und von seinen Zielen mit
der Bundeswehr in diesen Einsatz begeben. Daher muss-
ten die Erwartungen im Laufe der Zeit genauso über-
dacht und angepasst werden wie die Einsatzstrategie
selbst. Auch wenn es immer wieder Rückschläge gibt
und auch in Zukunft geben wird, trägt die aktuelle Stra-
tegie zu einer tatsächlichen Verbesserung der Situation
im Land bei. Wir sehen: Insgesamt hat sich seit 2001
etwas Positives in Afghanistan getan. Daher stehen wir

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(C (D tzt vor der guten Aussicht auf den Abzug der militärichen Hilfe. Ungeduld, Herr Kollege Gehrcke, zahlt sich doch nicht aus. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das wird sich herausstellen!)


ngeduld wäre sogar gefährlich und würde die erreichte
ositive Entwicklung völlig kaputtmachen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ns allen hier im Haus ist doch klar, dass es nicht um
inen direkten Abzug aller Soldatinnen und Soldaten
eht. Es ist aber auch klar, dass aus Afghanistan keine
ochburg der Demokratie werden wird. Es geht darum,
iesen Übergangsprozess verantwortungsvoll und ordent-
ch abzuschließen; das ist die heutige Sachlage.

Wir verlängern diesen Einsatz um ein weiteres Jahr.
ber diese Verlängerung ist kein Weiter-so; denn gleich-

eitig wird die Zahl der eingesetzten Soldatinnen und
oldaten auf 4 900 reduziert. Zum ersten Mal nach zehn
ahren Einsatz lässt die Sicherheitslage einen schrittwei-
en Abzug der internationalen Truppen zu. Damit begin-
en wir direkt im Jahr 2012 und werden diese Entwick-
ng bis 2014 fortsetzen.

Deutschland wird sich auch nach dem Abzug der
ilitärischen Hilfe im Jahr 2014 weiter am zivilen Wie-

eraufbau Afghanistans beteiligen. Wir tragen dazu bei,
ass das Land nicht wieder eine Basis für internationalen
errorismus wird. Deutschland steht jetzt und auch in
ukunft an der Seite der afghanischen Bevölkerung,
eine Damen und Herren.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Eines ist klar: Es wird in Afghanistan keine militäri-
che Lösung geben. Afghanistan wird nur eine Zukunft
aben, wenn sich dort eine kraftvolle und funktionie-
nde Zivilgesellschaft entwickelt. In diesem Bereich

teht uns noch viel Arbeit bevor, die wir mit den Afgha-
en zusammen angehen müssen. Wir müssen weiter
rklären, wie wir die Zivilgesellschaft von morgen in
fghanistan konkret unterstützen können. Der innere
ussöhnungsprozess muss allerdings zuerst von den Af-
hanen selbst vorangetrieben werden; denn Frieden in
fghanistan kann nur zwischen den Parteien und Grup-
ierungen vor Ort geschlossen werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


in kopfloser Abzug unserer Soldaten würde allerdings
ie vielen mühsam erreichten Erfolge vernichten und
äre für viele Menschen vor Ort zum jetzigen Zeitpunkt

ine echte Katastrophe.

Wir müssen uns weiterhin mit den Problemfeldern
eschäftigen. Leider verbessert sich die Menschen-
chtslage in Afghanistan nur schleppend; das hat die
undesregierung auf der Bonner Konferenz bereits deut-
ch kommuniziert. Hieran muss Afghanistan arbeiten,
nd hier muss die afghanische Regierung mehr umset-
en. Gerade im Hinblick auf Demokratie und Regie-
ngsführung gibt es weiterhin viel Arbeit.

17770 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Dr. Bijan Djir-Sarai


(A) )


)(B)

Aber man muss auch über die Erfolge reden. Erstmals
seit Jahren hat sich die Sicherheitslage in Afghanistan
trotz einiger schmerzhafter Rückschläge wieder verbes-
sert. Der Strategiewechsel hin zur verstärkten Ausbil-
dung der afghanischen Soldaten und der Polizei ist
bereits jetzt ein Erfolg. Sehr positiv fallen weiterhin die
Bereiche Bildung und Medizin auf. Hier hat es die größ-
ten Fortschritte gegeben. Für den größten Teil der Men-
schen gibt es erstmals eine flächendeckende medizini-
sche Grundversorgung, und der flächendeckende
Ausbau der Bildungschancen für beide Geschlechter
macht ebenfalls weiter große Sprünge. Diese Erfolge
dürfen wir bei aller Kritik nicht vergessen und nicht
kleinreden lassen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich danke der Bundesregierung für einen sehr ehrli-
chen und guten Fortschrittsbericht. Es ist völlig richtig
und wichtig, dass wir uns anschauen, was wir mit unse-
rem Einsatz bisher erreicht haben. Dies ist auch Teil der
Fürsorgepflicht gegenüber den Soldatinnen und Soldaten
und notwendig, wenn über das Mandat zu entscheiden
ist. Diese Fürsorgepflicht gilt für uns alle in diesem
Haus, unabhängig vom parteipolitischen Hintergrund.
Daher ist es grundsätzlich richtig, den Einsatz sachlich
und nüchtern zu bewerten.

Um mehr als eine Bewertung der Vergangenheit ging
es letzte Woche in Bonn. Auf der Afghanistan-Konfe-
renz wurde beraten, wie die Unterstützung der interna-
tionalen Staatengemeinschaft nach 2014 aussehen kann.
Zehn Jahre nach der ersten Konferenz auf dem Peters-
berg ist Deutschland nicht nur Gastgeber gewesen, son-
dern Deutschland hat erkennbar auch eine Führungsrolle
eingenommen. Ich halte die Bonner Afghanistan-Konfe-
renz für einen großen Erfolg deutscher Außenpolitik,
und ich halte die Bonner Afghanistan-Konferenz für
einen großen Erfolg des deutschen Außenministers.

Darauf können wir alle in diesem Haus fraktionsüber-
greifend stolz sein.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Zusagen der internationalen Gemeinschaft müssen
allerdings mit verstärkten Forderungen nach Bekämp-
fung von Drogenhandel und Korruption sowie nach Stär-
kung der Menschenrechte verbunden werden. Der Erfolg
der Konferenz ruhte aber nicht zuletzt auf den Schultern
aller Teilnehmerländer. Die Nachbarstaaten Afghanis-
tans haben auf der Konferenz sehr gut mitgewirkt. So
haben China und Indien konstruktive Vorschläge in die
Diskussion eingebracht. Ohne die Unterstützung der
regionalen Nachbarn wird Afghanistan nach dem Abzug
der internationalen Kampftruppen nicht lange eine aus-
reichende Sicherheitslage halten können. Das ist die
Realität in der Region.

Wir halten mit dem Mandatstext, der hier diskutiert
wird, am Vorhaben des Truppenabzugs fest, und wir ver-
sichern: Deutschland wird sich auch nach dem Abzug
der militärischen Hilfe weiter am zivilen Wiederaufbau
Afghanistans beteiligen.

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(C (D Zum Abschluss finde ich es wichtig, dass wir mit reiter Mehrheit eine Botschaft an unsere deutschen Solatinnen und Soldaten vor Ort senden: Wir zollen Anerennung, Anerkennung für diese schwere Aufgabe, nerkennung für diesen guten Job, den sie dort täglich nter harten und gefährlichen Bedingungen leisten. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Situation in Afghanistan wird von der Politik und
er Bevölkerung in Deutschland wahrgenommen und
erät nicht in Vergessenheit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714900900

Nächster Redner ist der Kollege Frithjof Schmidt für

ie Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei

er Diskussion über den Weg zum Frieden für Afghanis-
n geht es heute um drei grundlegende Bereiche: Wie
ann eine politische Lösung erreicht werden? Wie kann
er zivile Aufbau langfristig sichergestellt werden? Wie
ird der Abzug der internationalen Kampftruppen bis
014 umgesetzt?

Die Rede des Kollegen Gehrcke von der Linken ver-
nlasst mich hier schon zu einer Bemerkung: Sie igno-
eren politisch, dass es um dieses dreifache „Wie“ für
en Frieden geht. Dass Sie zu dem „Wie“ hier praktisch
ichts sagen, sondern einfach nur wiederholen: „Sofort
us, und dann mal sehen, was passiert“, ist schon ein

emerkenswertes Stück an politischer Realitätsverwei-
erung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Da haben Sie nicht zugehört!)


Doch, doch.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Nein, nein!)


Es ist jetzt zwei Jahre her, dass Präsident Obama eine
ehrtwende in der Afghanistan-Politik eingeleitet hat.
r hat ausgesprochen, dass der Konflikt in Afghanistan
icht militärisch, sondern nur politisch gelöst werden
ann. Das war die Voraussetzung für den Strategiewech-
el der internationalen Gemeinschaft auf der Londoner
onferenz Anfang 2010. Das war richtig und wichtig. Es
t aber offenkundig: Diese politische Lösung ist nicht
infach zu erreichen, und sie wird vor allem einen unan-
enehmen politischen Preis haben.

Frieden schließt man mit Gegnern, das heißt in die-
em Fall, auch mit den reaktionärsten Teilen der afghani-
chen Gesellschaft. Dennoch bleibt dieser Weg richtig.
err Außenminister, ich möchte Ihnen in dieser Hinsicht

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17771

Dr. Frithjof Schmidt


(A) )


)(B)

ausdrücklich unsere Unterstützung anbieten. Wir haben
eine gemeinsame Verantwortung, den Bürgerinnen und
Bürgern zu erklären, warum dieser Weg beschritten wer-
den soll und muss und warum es trotz aller Rückschläge
und Schwierigkeiten richtig ist, den schrittweisen Abzug
der internationalen Kampftruppen mit Verhandlungen
mit den Aufständischen zu verbinden.

Wir unterstützen ebenso die Anstrengungen, das
zivile Engagement der internationalen Gemeinschaft bis
2024 und länger unvermindert sicherzustellen. Die Bon-
ner Afghanistan-Konferenz war hier sicherlich ein wich-
tiger Schritt in die notwendige Richtung. Das begrüßen
wir ausdrücklich, und wir hoffen, dass die vereinbarte
Geberkonferenz in Tokio im nächsten Juli dann auch zu
konkreten Vereinbarungen führt; denn auch das gehört
zur Wahrheit: Die fehlen bisher.

Es ist in diesem Zusammenhang auch richtig und not-
wendig, den politischen Druck auf die afghanische Seite,
auf die afghanische Regierung zu erhöhen. Hilfe kann es
nicht bedingungslos geben, und die afghanische Regie-
rung muss vor allem in den Bereichen Good Governance
und Korruptionsbekämpfung umsteuern. Das fordern
gerade auch die afghanische Zivilgesellschaft und die
afghanischen Nichtregierungsorganisationen immer wie-
der ein, und das hat die afghanische Zivilgesellschaft
auch in Bonn nachdrücklich vorgetragen.

Wenn die Bundesregierung in dieser Hinsicht Druck
macht, dann werden wir sie auch dabei unterstützen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren von der Koalition, trotz
dieser grundsätzlichen Übereinstimmungen, die wir
politisch wichtig finden, sind wir mit dem Mandat, das
Sie uns in diesen Tagen vorlegen, unzufrieden. Ich weiß,
das wird Sie jetzt nicht wirklich überraschen; denn wir
haben ja auch das jetzt auslaufende Mandat schon kriti-
siert.

In den letzten zwei Jahren haben die ISAF-Truppen
gemeinsam mit der afghanischen Armee eine großflä-
chige offensive Aufstandsbekämpfung betrieben. Das
Ziel, insbesondere der amerikanischen Militärführung,
war es offensichtlich, die Taliban binnen 18 Monaten
sozusagen an den Verhandlungstisch zu bomben. Das hat
ebenso offensichtlich nicht funktioniert. Die Bundesre-
gierung hat, insbesondere im Rahmen des sogenannten
Partnering, die Bundeswehr in diese offensive Auf-
standsbekämpfung verstrickt. Sie hat damit den Einsatz
der Bundeswehr im Norden Afghanistans vom ursprüng-
lichen Ansatz eines Stabilisierungseinsatzes weggeführt.
Wir finden, das war falsch, und das muss beendet wer-
den.

Diese offensive Aufstandsbekämpfung geht einher
mit einer hohen Zahl an zivilen Opfern. Nach einer Stu-
die des Afghanistan Analysts Network können 95 Pro-
zent der bei den sogenannten Capture-or-kill-Operatio-
nen Getöteten nicht direkt den Aufständischen
zugeordnet werden – 95 Prozent! Es kommt dabei auch
offensichtlich zu Verletzungen des humanitären Völker-
rechts. Damit wird das Vertrauen in die ISAF-Truppen

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(C (D ntergraben. So entsteht Nährboden, aus dem die Auftändischen neue Kämpfer rekrutieren können. Diese ffensive Aufstandsbekämpfung blockiert die Versuche u einer politischen Lösung viel mehr, als sie zu ermögchen. Sie muss so beendet werden. Dafür müsste sich die Bundesregierung einsetzen. ber das tun Sie bisher nicht erkennbar. Wenn Sie das chon nicht aus grundsätzlichen Erwägungen heraus tun, ann sollten Sie zumindest zur Kenntnis nehmen, dass ie Erfolgsbilanz dieses militärischen Vorgehens düster ussieht. Die Trendwende, von der Sie in Ihrem Fortchrittsbericht behaupten, dass es sie gibt, kann ich nicht rkennen – übrigens die Konrad-Adenauer-Stiftung auch icht. Die kommt in ihrem aktuellen Afghanistan-Länerbericht zu der Formulierung: Nach Angaben der Vereinten Nationen hat sich die Sicherheitslage in Afghanistan im Vergleich zum Vorjahr erheblich verschlechtert. Dabei hatten wir schon im letzten Jahr einen traurigen öchststand an zivilen Opfern. Nein, leider betreiben Sie mit dem Fortschrittsbericht n diesem Punkt Schönfärberei. Das hilft nicht weiter, nd das bestätigt noch einmal, wie richtig die gemeiname Forderung von uns und den Sozialdemokraten ach einer unabhängigen Evaluierung war. Es bleibt ein olitischer Fehler, dass Sie das verweigern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist auch ganz unverständlich, wenn die Bundesre-
ierung hier erneut die Perspektive einer fundierten
bzugsplanung bis 2014 verweigert. Die erste Ab-

ugsetappe, die Sie für dieses Mandat angekündigt ha-
en, ist – leider – im Wesentlichen eine Luftbuchung.
ast 1 000 Soldaten würden jetzt nach Hause kommen.
as haben Sie Ihre Pressesprecher vermelden lassen.

Wenn man sich die Zusammensetzung dieser Zahlen
enauer anguckt, dann wundert man sich; denn verbind-
ch übrig bleiben etwa 200, die real abgezogen werden.
ie lösen zum einen die flexible Reserve auf. Die wurde
doch zum größten Teil überhaupt nicht eingesetzt. Das
t eine Mogelpackung. Real bleiben von den 450 Solda-
n, die Sie in der ersten Tranche benennen, wenn man

s hochrechnet, 200 übrig.

Dann stellen Sie in Aussicht, dass im Jahr 2012 viel-
icht, wenn es die Umstände zulassen, weitere 500 Sol-
aten abziehen könnten. Da kann ich nur sagen: Klarheit
ieht anders aus.

Dann kommt noch Herr de Maizière in dieser Woche
nd erzählt, dass er meint, dass deutsche Kampftruppen
uch nach 2014 in Afghanistan sind. Sie stellen mal eben
ine zentrale Botschaft der internationalen Gemeinschaft
um Abzug 2014 infrage, bevor Sie damit überhaupt
ngefangen haben. So schafft man Unsicherheit bei Part-
ern, Soldaten und Bevölkerung, und das ist schlecht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


17772 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Dr. Frithjof Schmidt


(A) )


)(B)

Wir hatten hier im Bundestag immer einen breiten
Konsens, dass ein überstürzter und ungeordneter Abzug
der internationalen Kampftruppen falsch ist, weil er zum
Anheizen eines Bürgerkrieges führen könnte.

Es muss deswegen vermieden werden, dass Ende
2014 schlagartig mehr als 4 000 Soldatinnen und Solda-
ten der Bundeswehr den Norden Afghanistans verlassen.
Das hätte eine destabilisierende Wirkung, die vorherseh-
bar ist. Ein Abzug muss schrittweise durchgeführt wer-
den, und sein Ende muss klar definiert sein.

Deshalb ist die Kritik an der Planungsverweigerung
der Bundesregierung für uns eine zentrale und wichtige
Frage.

Vor diesem Hintergrund kann ich meiner Fraktion die
Zustimmung zu dem hier von der Bundesregierung vor-
gelegten Mandat nicht empfehlen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714901000

Das Wort erhält nun der Bundesminister der Verteidi-

gung, Thomas de Maizière.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Ver-
teidigung:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Bundesregierung hat gestern beschlossen, das deutsche
militärische Engagement in Afghanistan um ein weiteres
Jahr verlängern und bis zum 31. Januar 2013 fortführen
zu wollen. Heute bitte ich gemeinsam mit dem Kollegen
Westerwelle dafür um Ihre breite Zustimmung.

Wir wollen mit diesem Beschluss den eingeschlage-
nen Weg einer Übergabe in Verantwortung konsequent
fortsetzen. Verantwortung beschreibt dabei den Weg und
das Ziel.

Wir sind seit 2002 an ISAF beteiligt, wie alle wissen.
Wir tragen in Afghanistan als Führungsnation für die
Nordregion und als drittgrößter Truppensteller eine
besondere Verantwortung. Es gibt außer den Vereinigten
Staaten von Amerika und uns kein anderes großes Land,
das eine solche regionale Verantwortung trägt.

Die Mandatsobergrenze beträgt derzeit 5 350 Solda-
tinnen und Soldaten. Wir sehen erstmals eine Verringe-
rung der personellen Obergrenze vor.

Ich finde die Formulierung unseres Kollegen von der
FDP – wir machen weiter, aber das ist kein Weiter-so –
eine sehr präzise Beschreibung des Sachverhaltes.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Mit Beginn des neuen Mandatszeitraums, also im
Februar 2012, soll die personelle Obergrenze für das
gesamte deutsche Einsatzkontingent ISAF einschließlich
AWACS zunächst maximal 4 900 Soldaten betragen.

Herr Kollege Erler, Sie haben mit den Zahlen von
November/Dezember dieses Jahres argumentiert und

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(C (D esagt, das sei ja alles schon erreicht. Sie wissen es doch igentlich besser. Bei einem Kontingentwechsel – so teht es auch im Mandat – gibt es immer Schwankungen on mehreren Hundert. Das ist politischer Konsens; das t fachlich geboten; das steht im Mandat. So ist es auch ier gewesen. Daher ist an sich kein Anlass für Ihre emerkung gegeben. (Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Trotzdem ist die Reserve genutzt worden!)


Die Voraussetzungen für diese erste Reduzierung
nseres militärischen Beitrages sind in den letzten bei-
en Jahren geschaffen worden. Herr Schmidt, da haben
ir in der Tat einen Dissens. Wie sind sie geschaffen
orden? Auch durch Kampf. Die Amerikaner haben
3 000 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten nach
fghanistan geschickt, wir ein paar Hundert. In der Tat

ind in diesen zwei Jahren ganze Gebiete freigekämpft
orden. Das hatte einen großen Preis und einen hohen
lutzoll – auch bei zivilen Opfern. Das ist wahr. Es war
ber auch eine notwendige Voraussetzung für die schritt-
eisen Erfolge der Sicherheit, die wir jetzt haben. Das
ehört zur Wahrheit. Wir haben da einen Dissens. Ich
erkleistere den Dissens gar nicht. Das ist aber so.

Wir wollen deswegen jetzt die Möglichkeit nutzen,
chrittweise zurückzuführen. Die Sicherheitslage ist bes-
er geworden.

Was Sie von der Konrad-Adenauer-Stiftung zitiert
aben, kenne ich jetzt nicht. Ich werde der Sache einmal
achgehen.

Wenn Sie sich die Zahlen angucken, sehen Sie, dass
ir in diesem Jahr einen Rückgang der sicherheitsrele-
anten Zwischenfälle in ganz Afghanistan um 25 Pro-
ent und im Norden, in dem wir Verantwortung tragen,
on 50 Prozent hatten. Das ist nicht unser Verdienst.
ass der Unterschied so groß ist, liegt auch an den unter-

chiedlichen Gegebenheiten. Das ist allerdings ein wirk-
cher Fortschritt.

Ich füge aber auch hinzu, dass die Zahl der zivilen
pfer unter den Afghanen höher ist als im letzten Jahr.
as bedeutet, dass es auch eine Veränderung der
nschlagstaktik gibt. Ich muss deutlich sagen:
nschläge auf eigene Landsleute zu organisieren, wie
as hier der Fall ist, ist das Niederträchtigste, was Men-
chen sich ausdenken können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es gibt also Fortschritte. Sie sind labil. Deswegen ist
s völlig richtig, dass wir die gleiche Formulierung wie
ei der letzten Mandatsbeschreibung wählen und sagen:
ir nehmen den Abzug vor, wenn die Sicherheitslage es

rlaubt und unsere eigenen Soldaten nicht gefährdet wer-
en. – Es ist das Selbstverständlichste der Welt, dass
an eine Regelung des Wegfalls der Geschäftsgrund-
ge, um es einmal so auszudrücken, bereits formuliert.
as haben wir gesagt, das sagen wir, und das bleibt so.


(Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17773


(A) )


)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714901100

Herr Minister – –

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Ver-
teidigung:

Nein, ich möchte jetzt keine Zwischenfrage zulassen,
wenn Sie das meinten.

Nun zur Frage der Klarheit, Herr Schmidt. Es ist so:
Wir können keine Klarheit darüber haben, wie es weiter-
geht. Wir brauchen Flexibilität, gerade für das nächste
Jahr. Darum reden wir nicht herum. Warum ist das so?
Weil die Amerikaner ihre Pläne zum Abzug bis zum
30. September 2012 befristet haben. Unser Mandat wird
jetzt bis zum Januar 2013 gehen. Die Amerikaner sagen
uns erst im April, was sie nach dem 30. September ma-
chen werden. Deswegen können wir jetzt nicht genau
festlegen, was wir in der zweiten Jahreshälfte 2012 vor-
haben. Deswegen ist die Zahl von 500 Soldaten, um die
die Truppe reduziert wird, flexibel auf das Jahr zu vertei-
len. Es bleibt dabei: Wir sind gemeinsam nach Afghanis-
tan reingegangen, und wir gehen gemeinsam raus.
Nichts anderes wäre verantwortlich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Planungen darüber werden wir vorlegen, Herr
Schmidt. Aber sie folgen einem Prinzip, das ich folgen-
dermaßen beschreiben will: Wo wir sind, sind wir rich-
tig. Wir werden keine Ausdünnung an Einsatzstandorten
dergestalt machen, dass wir die Sicherheit unserer Sol-
daten gefährden. Das ist die konsequente Umsetzung ei-
nes Transitionsprozesses. Wenn Afghanistan die Verant-
wortung für die Sicherheit in Gebieten übertragen
bekommt, dann bitte schön. Das ist die Konsequenz die-
ses Prozesses. Diesen werden wir Schritt für Schritt voll-
ziehen.

Nun will ich noch ein Wort zu den Jahren danach oder
für den Weg bis 2014 sagen. Ich habe das gestern auch
schon im Verteidigungsausschuss gesagt. Einen Abzug
zu organisieren, ist so ungefähr das Komplizierteste, was
es militärisch gibt.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Dann geht doch nicht rein!)


Um es mit einem Bild zu verdeutlichen: Von einem
Baum herunterzuklettern, ist manchmal komplizierter,
als auf einen Baum hinaufzuklettern. Deswegen werden
wir im Laufe des nächsten Jahres darüber diskutieren
und die Pläne transparent vorlegen. Ein Abzug muss
klug organisiert werden. Dazu braucht man gegebenen-
falls andere Kräfte als die, die jetzt da sind. Das werden
wir besprechen.

Wir wissen auch nicht, ob möglicherweise der ganze
Norden wegen der Unsicherheit im Osten von Pakistan
das Abzugsgebiet für die Amerikaner, Franzosen, Briten
und alle anderen ist. Dann stellen sich die Fragen 2013
noch einmal anders. Ob sich die ganze Organisation des
Abzuges über den Norden vollziehen wird, können wir
jetzt noch gar nicht sagen, Herr Schmidt. Aber ich weise
darauf hin, dass ein Abzug andere Kräfte temporär bin-
det. Darüber werden wir in Ruhe zu reden haben.

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(C (D Das Mandat, das wir erarbeitet haben und das wir eute in erster Lesung diskutieren, ist militärisch verantortbar und politisch zustimmungsfähig. Wir haben uns, ie viele hier im Raum wissen, um eine Zustimmung er Opposition, insbesondere der großen Oppositionsaktion, bemüht. Ich bedanke mich, Herr Erler, für die ustimmung, die Sie heute vor dem Deutschen Bundesg signalisiert haben. Diese breite Zustimmung des Parlaments wäre neben em Dank, den wir alle ausgesprochen haben, das beste eichen des Respekts und der Anerkennung vor der eistung der Soldatinnen und Soldaten, der Polizisten, er zivilen Aufbauhelfer und der Diplomaten. Je breiter ie Zustimmung hier ist, desto besser für sie. Deswegen itte ich nach einer gründlichen Diskussion Anfang des ächsten Jahres um eine breite Zustimmung zu diesem eg. Herzlichen Dank. Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Ströbele as Wort. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714901200
Danke, Herr Präsident. – Der Herr Minister hat meine

rage leider nicht zugelassen. Ich habe mich gemeldet,
ls er davon gesprochen hat, dass die Angriffe auf die
ivilbevölkerung in Afghanistan durch Afghanen beson-
ers niederträchtig sind. Ich kann dem nur zustimmen.
ie sind heimtückisch und niederträchtig.


(Zuruf von der FDP: Sie wollten doch fragen!)


Aber was sind denn dann Angriffe von Killerdrohnen,
ie übers Land fliegen und nach einer Liste Menschen
ezielt töten, während sie zu Hause schlafen, während
ie zu Hause essen, während sie im Auto sitzen, während
ie auf dem Feld sind, und die auf diese Weise Tötungs-
sten abarbeiten?

Was sagt der Minister dazu, dass das nicht nur eine
bstrakte Möglichkeit ist, sondern in ganz Afghanistan
nd leider auch in Pakistan durch die US-Drohnen prak-
ziert wird? Was sagt er dazu, dass solche Drohnen ab
anuar 2012 im Verantwortungsbereich der Bundeswehr
Masar-i-Scharif stationiert werden, von da aus operie-
n und damit den Krieg in Afghanistan grundsätzlich

usätzlich eskalieren, statt zu deeskalieren und auf Frie-
en hinzuarbeiten?

Der Außenminister hat vorhin gesagt, dass er Ver-
andlungen für richtig hält und dass auf diesem Weg
rtgefahren werden muss. Ich sehe noch nicht, dass der
eg begangen worden ist. Aber sind nicht solche geziel-
n Tötungen geradezu kontraproduktiv, und verhindern

ie nicht die Verhandlungen? Wird dadurch nicht nur
euer Hass geschürt, und müssen die, die zu Verhandlun-
en bereit sind, wie es schon geschehen ist, nicht fürch-

17774 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Hans-Christian Ströbele


(A) )


)(B)

ten, dass sie anschließend durch solche Killerdrohnen
abgeschossen werden?

Ist das der richtige Weg? Wenn Sie es mit Verhand-
lungen ernst meinen, dann müssen Sie andere Wege ge-
hen. Sie müssen möglichst bald wenigstens in dem Be-
reich zu einem Waffenstillstand kommen, in dem die
Bundeswehr Verantwortung trägt. Sie müssen mit allen,
die dazu bereit sind, darüber Verhandlungen führen.

Ich war im September selber in Afghanistan und habe
Gespräche darüber geführt. Es gibt eine Bereitschaft
zu solchen Gesprächen und Vereinbarungen. Herr
Westerwelle und Herr de Maizière, Sie kennen die
Adressen; wenn nicht, können Sie sie von mir bekom-
men. Fahren Sie dort hin und reden Sie mit den Leuten!
Reden Sie vor allen Dingen mit den US-Amerikanern,
damit sie die gezielten Tötungen einstellen, die jegliche
Verhandlungen und jeglichen Friedensprozess verhin-
dern und unmöglich machen.

Abschließend komme ich zu der persönlichen Bemer-
kung von Herrn Westerwelle. Gestatten Sie mir auch
eine persönliche Bemerkung dazu.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714901300

Sie muss jetzt aber knapp ausfallen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ja, das geht noch schneller als beim Außenminister.

Ich war auch in Afghanistan und habe dort Zeichnun-
gen und Gemälde von kleinen Kindern gesehen, denen
man Buntstifte gegeben hat. Es waren wunderschöne
bunte Blätter. Wenn man genau hinguckte, hat man gese-
hen, was sie für Bilder im Kopf haben: zerstörte Ge-
bäude, angreifende Flugzeuge, Waffen, abgesprengte
und herumfliegende Arme und Beine. Das ist die Reali-
tät des grausamen Krieges in Afghanistan, von dem Sie
im Deutschen Bundestag leider überhaupt nicht reden.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist doch nicht richtig, was Sie sagen! Wovon haben wir denn die ganze Zeit geredet? – Gegenruf des Abg. Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Lass doch! Er weiß nicht, wovon er redet!)


Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Ver-
teidigung:

Herr Abgeordneter Ströbele, vielleicht hätte ich doch
Ihre Zwischenfrage zulassen sollen. Das bereue ich jetzt.
Aber gut.

Was die Frage der Drohnen angeht, haben Sie gestern
in der Fragestunde von Staatssekretär Schmidt eine über-
zeugende und abschließende Antwort bekommen. Das
will ich nicht wiederholen.

Aber ich möchte eines sagen: In der Tat ist eine mili-
tärische und kriegerische Auseinandersetzung bitter und
bluternst. Ich war vor zwei Wochen mit dem amerikani-
schen Botschafter in Ramstein und habe Soldaten gese-
hen, deren Beine zerfetzt waren. Natürlich hat eine mili-
tärische Auseinandersetzung gerade dann, wenn man

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(C (D ollateralschäden vermeiden will, etwas mit gezieltem orgehen zu tun. (Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Jetzt hören Sie zu. – Es ist gerade das Dilemma des
odernen Krieges, dass man gezielter vorgeht als früher
it Bombenteppichen, um zivile Schäden zu vermeiden.
as ist die Ambivalenz des Zielens. Das ist aber eine
useinandersetzung zwischen Gegnern.

Was ich besonders niederträchtig finde, ist, dass
andsleute, obwohl sie vielleicht die Gegner meinen,
us psychologischen oder sonstigen, niederträchtigen
ründen ihre eigenen Landsleute in die Luft jagen. Das
t ein gewaltiger Unterschied. Es wäre nett, wenn Sie
as zur Kenntnis nähmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
ärtigen:
Herr Kollege, da Sie auch mich in Ihrer Kurzinterven-

on angesprochen haben, möchte ich drei Bemerkungen
achen. Die erste ist: Ich glaube, dass die Bilder des
rieges gerade für die Kinder schreckliche Bilder sind.
as wir aber nicht verwechseln dürfen, sind Ursache

nd Wirkung. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Men-
chen in Afghanistan jahrzehntelang im Krieg leben, und
ir dürfen nicht vergessen, wie der Einsatz begonnen
at, nämlich mit den schlimmsten Terroranschlägen in
ew York und in Washington, die die Menschheit bisher
esehen hat, und mit den Anschlägen, die übrigens auch
ns in Europa getroffen haben, in London und Madrid,
ber auch in Casablanca. Wenn ich an die Sicherheit un-
erer eigenen Bürgerinnen und Bürger denke, dann muss
h feststellen: Wir haben nicht nur das Recht, sondern
ir haben auch die Pflicht, unsere eigene Sicherheit vor

olchem Terror zu verteidigen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das Zweite, was ich Ihnen sagen möchte, ist: Der
olitische Prozess wird – da gibt es keine Alternative –
ur ein Prozess sein, der in Afghanistan selbst geführt
ird. Es ist ein politischer Prozess, der uns deutlich
acht, dass man Frieden nicht zwischen Freunden

chließt, sondern dass man Frieden zwischen Gegnern
chließen muss. Das ist der entscheidende Unterschied.
ieser politische Prozess muss in Afghanistan stattfin-
en. Es muss ein afghanisch geführter politischer Pro-
ess sein.

Das Dritte, was ich Ihnen nach der Debatte sagen
öchte, ist: Ich finde, es ist bemerkenswert, wie mit der
eschichte des Afghanistan-Einsatzes in diesem Hause
mgegangen wird. Dieser Afghanistan-Einsatz ist hier

Hause beschlossen worden – ich sage das, weil Sie
ie schrecklichen Opfer beklagen –, und zwar vor zehn
ahren. Es gibt nur drei Möglichkeiten: Entweder wir
etzen den Einsatz unbestimmt immer weiter fort – das
ill doch wohl niemand –, oder wir beenden ihn sofort,


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17775

Bundesminister Dr. Guido Westerwelle


(A) )


)(B)

unüberlegt, und machen alles für einen sofortigen Ab-
zug, oder aber wir organisieren verantwortungsvoll die
Rückführung unserer Kräfte und die Übergabe der Ver-
antwortung in Verantwortung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich begrüße sehr, dass sich die eine Oppositionspartei
noch daran erinnert, wer diesen Einsatz seinerzeit dem
Deutschen Bundestag vorgeschlagen hat. Dass Sie als
Grüne nicht mehr bei der verantwortungsvollen Abwick-
lung dieses Einsatzes mitwirken wollen, hat innenpoliti-
sche Gründe, unter denen Sie leiden und die ich nicht in
Ordnung finde.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714901400

Nächster Redner ist der Kollege Rainer Arnold für die

SPD-Fraktion.


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1714901500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

ist nicht ganz einfach nach der Debatte in den letzten Mi-
nuten, eine Rede zum Einsatz in Afghanistan zu halten,
weil wir an die Grundlagen der ethischen Bedingungen
gekommen sind. Herr Ströbele, wenn wir mit den Bürge-
rinnen und Bürgern über Afghanistan diskutieren, dann
geschieht es oft, dass jemand eine halbe Stunde erzählt,
wie schlecht alles ist, es geschieht aber auch oft, dass je-
mand eine halbe Stunde erzählt, wie gut alles ist. Ich
muss Ihnen sagen: Beide haben recht.

Afghanistan ist ein sehr kompliziertes und differen-
ziert zu betrachtendes Land. Der Bericht der Bundesre-
gierung spiegelt das durchaus wider. Weil Sie die Ge-
schichte mit den Kindern angesprochen haben, sage ich
Ihnen, was ich mit einem Kind erlebt habe. Ich habe ein
13-jähriges Mädchen in der deutschen Schule getroffen.
Ich habe es gefragt, was man nun einmal so fragt: Was
willst du denn einmal werden? Das Mädchen sagte zu
mir: Staatsanwältin. – Warum? – Weil ich weiß, dass
Staatsanwälte in meinem Land am meisten fehlen. – Das
war ein 13-jähriges Mädchen. Auch das ist ein Teil der
afghanischen Wirklichkeit. Dieses Mädchen verlässt
sich darauf, dass die Staatengemeinschaft das einhält,
was vor zehn Jahren auf dem Petersberg zugesagt wurde,
nämlich Afghanistan beim Aufbau des Staates zu unter-
stützen.

Wir alle miteinander sollten Arroganz in der Diskus-
sion vermeiden. In manchen Talkshows treten Leute auf,
die Afghanistan für mittelalterlich erklären und behaup-
ten, die Lage sei nun einmal so, wie sie ist, und Afgha-
nistan sei gescheitert. Nein, wir müssen darauf ver-
trauen, dass die afghanische Gesellschaft zum Wandel
bereit und selbst in der Lage ist, die Geschicke ihres
Landes in die Hand zu nehmen. Ich sehe die Chance,
dass sie das tut.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D enn wir diese Chance nicht sähen, wäre es auch nicht erantwortbar, deutsche Soldaten dorthin zu schicken. Aber klar ist auch: Bei einer Mandatsverlängerung ach zehn Jahren darf es keine Routine geben. Es muss tets die Frage gestellt werden: Warum sind wir dort, wo tehen wir, und wie wird es weitergehen? Natürlich hat ich die Begründung, warum wir dort sind, verschoben. er internationale Terror bedroht uns nicht mehr aus fghanistan; er ist inzwischen leider in anderen Ländern ngekommen. Aber die regionale Stabilität hängt in ohem Maße von der Stabilität Afghanistans ab. Ich will ir nicht ausmalen, was passiert, wenn Afghanistan in inen Bürgerkrieg zurückfällt, zu einem gescheiterten taat wird, und welche Auswirkungen dies auf die zenalasiatischen Staaten, vor allen Dingen auf Pakistan, ätte. Das ist Grund genug dafür, dass die Bundeswehr nd Deutschland ihre Aufgaben dort weiterhin sorgfältig rfüllen und zu dem geplanten Ende bringen. Wo stehen wir in Afghanistan? Natürlich gibt es Fortchritte. Das Interessante ist: Möglicherweise trennen en Fortschritt und die ernste Situation im Sicherheitsbeich nur eine Bergkette; das ist die Wirklichkeit in fghanistan. Dies sollten wir den Menschen ehrlich childern. Angesichts dessen ist es richtig, dass heute uch der Verteidigungsminister gesprochen hat, obwohl er Außenminister eine Regierungserklärung abgegeben at. Schließlich entscheiden wir heute über den Einsatz ewaffneter Streitkräfte. An beide Minister gerichtet sage ich: Wir wissen ja, ass Sie sich in der Frage „Wie wird es in Afghanistan is zum Jahr 2014 und darüber hinaus weitergehen?“ icht immer einig waren. Ich kann Ihnen nur sagen: Das rgebnis zählt. Da bewegen Sie sich auf der Linie, die ie Sozialdemokraten gezeichnet haben. Deshalb ist es chlüssig, wenn Sozialdemokraten diesem Mandat weir zustimmen. Trotzdem müssen wir uns noch sehr tensiv darüber unterhalten: Wie machen wir weiter bis um Jahr 2014, und was machen wir danach? Ich habe in er Debatte manchmal ein bisschen Sorge, dass der Einruck entsteht: 2014 ist das Ziel. – Nein, das Ziel ist, bis um Jahr 2014 so weit zu kommen, dass die Afghanen it den dann verbliebenen Problemen – sie werden ja icht weg sein – selbst fertig werden, selbst umgehen önnen; das ist das Entscheidende. Dazu bedarf es icherheitskomponenten, dazu bedarf es weiterer vertärkter Anstrengungen im zivilen Bereich. Das, was in Bonn beschlossen wurde, ist ja schön; das t alles richtig. Aber im Kern wird es darum gehen – das t die Schlüsselfrage –, für eine nachhaltige Finanzieng der afghanischen Sicherheitsorganisationen zu sor en. Das wird auch Deutschland viel Geld kosten; das üssen wir den Menschen erklären. Wenn dies im ächsten Jahr nicht gelingt, dann werden die Afghanen rleben, dass die Sicherheitsorgane – wie schon einmal – avonlaufen und ihr Staat zerfällt. Deshalb muss das im ächsten Jahr erledigt werden. Ich bin durchaus froh, ass der Außenminister das auch gesagt hat. Zum Kernbereich der Bundeswehr. Herr Minister e Maizière, wir haben gestern im Verteidigungsauschuss darüber gesprochen. Ich glaube, es ist richtig, 17776 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Rainer Arnold )


(A) )

dass sich die Bundeswehr zunächst aus der Fläche zu-
rückzieht, etwa von manchen Außenposten in Faizabad.
Aber ich habe ein bisschen Sorge, dass es zu einer Ver-
stetigung unserer unterstützenden und logistischen Auf-
gaben kommt. Ich glaube, da müssen wir aufpassen und
ein Konzept entwickeln. Die Logistik in Masar-i-Scharif
ist angewachsen, weil der Umfang der Aufgaben größer
geworden ist. Jetzt muss aufgezeigt werden, welche
Zuständigkeiten und welche Aufgaben in den nächsten
zwei Jahren Stück für Stück abgegeben werden. Nur
wenn das vorgegeben wird, wird es möglich sein, die
Anzahl der Soldaten in Masar-i-Scharif – derzeit sind es
über 3 000 – zu verringern. An dieser Stelle müssen wir
aufpassen.

Ein weiterer Punkt ist die Debatte über Kampftrup-
pen. Solange 100 Soldaten in Afghanistan sind, werden
sie natürlich auch kämpfen können; deshalb ist der
Begriff „Kampftruppen“ nicht so glücklich. Worum geht
es im Kern? Es geht darum, dass deutsche Soldaten ab
dem Jahr 2014 nicht mehr in den Dörfern, auf den Stra-
ßen, in den Städten die Verantwortung für die Sicherheit
haben. Dies müssen die Afghanen selbst leisten. Es geht
auch darum, dass Ausbildungskonzepte anders aussehen
müssen als heute. Partnering draußen kann es nach den
neuen Konzepten nicht mehr geben. Folglich erwarten
wir auch hier eine Debatte und Vorschläge zur Umstel-
lung der Ausbildungskonzepte. Es kann keine Breiten-
ausbildung durch IDAF-Kräfte mehr geben, sondern es
muss hier eher um die Spitze, um „Train the Trainer“
gehen. Alles andere werden die Afghanen selbst leisten
können und selbst leisten müssen.

Kurz vor Weihnachten sind wir ja in einer besinnli-
chen Zeit, und wir wissen alle, dass in diesen Tagen bei
den Soldaten und ihren Familien nicht einfach Alltags-
routine herrscht. Die Gedanken an die Familie und an
Freunde oder die Gedanken an die Soldaten im Einsatz
prägen sicherlich diese Tage der Soldaten und ihrer
Familien ganz besonders.

Wir alle, die wir viel mit Soldaten reden, hören ja oft:
Wir haben die Sorge, dass die deutsche Gesellschaft
unser Engagement nicht richtig sieht, nicht richtig aner-
kennt. – Ich glaube, diese Einschätzung ist falsch. Die
deutsche Gesellschaft streitet politisch über die Fortset-
zung des Mandates und des Einsatzes. Das ist normal in
der Demokratie. Aber die Soldaten, die ihren Dienst tun,
erfahren nicht nur große Anerkennung, Respekt und
Dank vom Parlament, sondern – da bin ich mir sehr
sicher – auch die Bürgerinnen und Bürger in Deutsch-
land wissen, dass die Soldatinnen und Soldaten für uns
alle eine schwierige Aufgabe wahrnehmen und dass sie
ihnen Dank schuldig sind. Mein Rat an die Uniformträ-
ger lautet also: Seien Sie da selbstbewusst! Seien Sie da
gelassen! – Soldatinnen und Soldaten haben in den
Umfragen das gleiche hohe Ansehen wie die Polizisten,
und das ist auch gut so.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Das Wort erhält nun die Kollegin Elke Hoff für die DP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714901600


Elke Hoff (FDP):
Rede ID: ID1714901700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!

iebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Her-
n! Ich muss an dieser Stelle für die Qualität und den
halt dieser Debatte wirklich große Anerkennung aus-

prechen. Mein Dank gilt besonders, Kollege Arnold,
en Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass sie die
erantwortung, die sie damals zu Regierungszeiten für
nser Land übernommen haben, nun auch bis zum
chluss, bis zu einem hoffentlich baldigen Abzug der
ruppen und bis zu einem hoffentlich baldigen Waffen-
tillstand, wenn nicht sogar Frieden, für eine schwierige,
ebeutelte und gequälte Region mittragen werden. Dafür
uch von meiner Fraktion ein ganz herzliches Danke-
chön.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte an dieser Stelle auch ausdrücklich den
eiden Ministern, die hier heute die Inhalte des Manda-
s vorgetragen haben und vor allen Dingen auch die
erspektive aufgezeigt haben, für ihre realistische Ein-
chätzung danken. Sie haben keine Schönfärberei der
age betrieben. Sie haben auch auf die nach wie vor vor-
andenen Risiken in diesem sehr sensiblen Prozess auf-
erksam gemacht. Ich glaube, dass gerade das Engage-
ent der Bundesrepublik, als Honest Broker, als

hrlicher Vermittler, als ehrlicher Partner, in dieser
egion ein Mindestmaß an Stabilität herzustellen, ein
ußerordentliches Kompliment und ein großes Lob ver-
ient hat.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es ist auch sehr deutlich geworden, dass wir eine tiefe
oralische Verpflichtung gegenüber der afghanischen
evölkerung haben. Ein überstürzter Abzug der Sicher-
eitskräfte, Kollege Gehrcke, würde genau denen wieder
ie Bahn ebnen, die dazu beigetragen haben, dass sich
ieses Land und die Region heute in einer so desolaten
age befinden. Wir vergessen häufig, weil zehn Jahre ja
ine lange Zeit sind, den Grund für den Einsatz, nämlich
ass diese Region zum Opfer und zum Ziel von Kräften
eworden ist, die die internationale Staatengemeinschaft
n ihren sensibelsten Punkten herausfordern wollten und
ollen. Al-Qaida und die islamistische Bewegung füh-
n diese Versuche ja nach wie vor uneingeschränkt fort.

Kollege Ströbele, ich bin erstaunt, dass gerade Sie als
mand, der auch hin und wieder in der Fraktion quer-
enkt, in diese Falle hineintappen. Ich kann es nicht
achvollziehen. Sie wissen, dass in den letzten Jahren
ivile Opfer fast überwiegend durch Aktivitäten der
surgency verursacht wurden. Natürlich hat es auch

robleme gegeben. In diesem Hause gab es ja einen
ntersuchungsausschuss zu einem solchen Ereignis. Das
eißt, auch wir als Parlament gehen, wenn etwas in die-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17777

Elke Hoff


(A) )


)(B)

ser Richtung passiert, verantwortungsvoll damit um. Ich
kann von daher nicht nachvollziehen, dass Sie nicht
bereit sind, wenn Sie auf der einen Seite die NATO-
Truppen kritisieren, auf der anderen Seite auch auf das
Verhalten von Taliban, al-Qaida und anderen Gruppen
aufmerksam zu machen. Das gibt ein schiefes Bild, und
es ist für mich persönlich, lieber Herr Ströbele, ein
Schlag ins Gesicht unserer Streitkräfte.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714901800

Darf der Kollege Ströbele noch eine Zwischenbemer-

kung machen? – Bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Kollegin, Sie verweigern sich einfach der Reali-
tät, wie das die Minister auch schon gemacht haben.
Realität ist, dass bei den Counter-Insurgency-Maßnah-
men der Bundeswehr – vor allen Dingen aber der US-
Streitkräfte – im Norden, wo die Bundeswehr die Ver-
antwortung trägt – das hat der Kollege Schmidt vorhin
ausgeführt –, ein Großteil der getöteten Menschen nichts
mit den Taliban zu tun hat. Diese Menschen sind Denun-
zierte, es handelt sich um fehlgeleitete Bomben.

Genauso verhält es sich nach allen Statistiken bei den
Getöteten, die durch die Killerdrohnen ums Leben
gekommen sind. Das sind extralegale Hinrichtungen,
wobei ein Großteil der Getöteten – der Anteil wird auf
einen Wert zwischen 30 und 50 Prozent geschätzt –
Menschen sind, die auf die Listen geraten sind, ohne je
irgendetwas mit al-Qaida oder so zu tun gehabt zu
haben. Nehmen Sie das doch bitte einmal zur Kenntnis!

Das heißt, da werden – wenn Sie so wollen – Zivilis-
ten getötet, nur weil sie auf eine solche Liste geraten
sind. Das muss doch eine Partei, die für sich in Anspruch
nimmt, der Gerechtigkeit und den Freiheitsrechten ver-
bunden zu sein, auf die Palme treiben. Die muss doch
sagen: Das kann so nicht weitergehen. Es handelt sich
jedes Mal um Verstöße gegen das Völkerrecht. Extrale-
gale Hinrichtungen sind verboten, auch im Krieg.


Elke Hoff (FDP):
Rede ID: ID1714901900

Lieber Herr Ströbele, durch ständige Wiederholung

der gleichen Argumente wird die Gesamtbetrachtung der
Lage durch Sie nicht besser. Vielleicht können Sie an
dieser Stelle zur Kenntnis nehmen: Ja, natürlich hat es
das gegeben. Ich glaube, dass im Gegensatz zu Organi-
sationen wie den Taliban und al-Qaida die NATO zumin-
dest in der Lage war, sich für diese Vorgänge zu ent-
schuldigen


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das hilft den Betroffenen sehr viel!)


und für die Betroffenen Kompensation zu leisten.
Darüber hinaus hat man versucht, durch eine Änderung
der Einsatzregeln – die hat am Ende der Reise dazu
geführt, dass die Inkaufnahme eigener Verluste wesent-
lich höher geworden ist – diesem Ereignis Rechnung zu
tragen.

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(C (D Sie wissen genauso gut wie ich, dass es gerade in inem asymmetrischen Umfeld zu den perfiden Taktiken er Aufständischen gehört, die Zivilbevölkerung sozusaen zu einer Partei zu machen und zum Teil sogar eckung und Schutz in der Zivilbevölkerung zu suchen. enn das, wie es Minister de Maizière richtig gesagt at, nicht niederträchtig ist, dann weiß ich nicht, was es t. Dazu, lieber Herr Ströbele (Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


jetzt bin ich dran! –, höre ich von Ihnen nie auch nur
in einziges Wort.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


sofern ist für mich die Frage jetzt auch beantwortet.

Ich möchte an dieser Stelle noch auf einen anderen
unkt eingehen. Ich habe mich in der Vergangenheit,
uch in den letzten Wochen, zu einem Thema geäußert,
as mir sehr wichtig ist und das ich an dieser Stelle noch
inmal erwähnen möchte. Selbstverständlich schicken
ir nach wie vor unsere Soldatinnen und Soldaten in

inen gefährlichen Einsatz. Deswegen bin ich Ihnen,
err Minister de Maizière, für Ihre Klarstellung gestern
Verteidigungsausschuss dankbar, dass es zurzeit

rnsthafte Bemühungen mit der wehrtechnischen Indus-
ie und mit den Verbündeten gibt, sodass unsere Solda-
nnen und Soldaten auch dann über entsprechenden
chutz verfügen, wenn sie in eine schwierige Lage kom-
en.

Ich halte dies für gut und für richtig. Ich glaube, es ist
ine entscheidende Botschaft an unsere Soldatinnen und
oldaten, dass wir im Parlament alles dafür tun, dass sie
eil und gesund an Leib und Leben wieder zu ihrer
amilie und zu ihren Freunden zurückkommen können.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir wissen, dass uns ganz schwierige Monate – wenn
icht sogar Jahre – bevorstehen. Ich glaube, es ist gut,
ass inzwischen auch die Regionen, um die es letztend-
ch geht, begriffen haben, dass auch sie einen Beitrag
ur Stabilität und Sicherheit auf den Weg bringen müs-
en, wenn die westlichen Truppen abgezogen sein wer-
en.

Wir haben uns immer vorgestellt, einen Prozess zu
itiieren, der in Europa erfolgreich war; ich nenne nur
SZE und KSZE. Wenn es dann am Ende der Reise
azu kommen sollte, dass Institutionen in der Region
inen solchen Prozess beginnen, wäre ich sehr froh und
ufrieden. Ich hoffe, dass Staaten wie China, Russland
nd Indien sich ihrer Verantwortung bewusst sind, dass
ie sich aktiv an einem solchen politischen Prozess betei-
gen und dass auch die Bundesrepublik Deutschland
eiterhin wie bisher mit aller Kraft daran arbeitet, dass

in solcher politischer Prozess an dieser Stelle auf den
eg gebracht wird.

Lassen Sie mich zum Schluss meiner Ausführungen
n dieser Stelle ganz besonders auch allen Soldatinnen
nd Soldaten der NATO, der mit uns verbündeten
rmeen danken, die Leib und Leben für unsere Sicher-

17778 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Elke Hoff


(A) )


)(B)

heit einsetzen. Ich bedanke mich bei unseren Polizisten,
bei unseren für die Entwicklungszusammenarbeit
Zuständigen und bei den Diplomaten, die auch in
schwieriger Lage ihre schwierige Arbeit vollführen müs-
sen. Vor allen Dingen darf ich mich bei den Kolleginnen
und Kollegen bedanken, die dieses schwierige Mandat in
schwieriger Zeit unterstützen werden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714902000

Die Kollegin Christine Buchholz ist die nächste Red-

nerin für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Christine Buchholz (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714902100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter dem

Stichwort „Perspektiven in Afghanistan“ werden heute
die Ergebnisse der Bonner Afghanistan-Konferenz, der
sogenannte Fortschrittsbericht Afghanistan der Bundes-
regierung und das neue Mandat für den Bundeswehrein-
satz diskutiert. Wir sagen ganz klar: Herr Westerwelle,
Herr de Maizière, Sie haben den Menschen in Afghanis-
tan keine Perspektive zu bieten. Die Bonner Afghanis-
tan-Konferenz war eine reine Showveranstaltung. Es gab
keine konkreten Maßnahmen, die die Lebensbedingun-
gen der Menschen in Afghanistan verbessern. Ihre
Bilanz ist unehrlich.


(Beifall bei der LINKEN)


Das hat auch einen ganz konkreten Ausdruck in Bonn
gefunden: Regierungskritische Personen waren nicht
anwesend. Selbst die handverlesenen Vertreter der
afghanischen Zivilgesellschaft ziehen eine vernichtende
Bilanz. So sagt die Frauenrechtlerin Selay Ghaffar: Das
ist wie die ganzen Konferenzen zuvor, viele Verspre-
chungen werden gemacht, aber nichts geschieht. – Ich
wiederhole: Die Bonner Afghanistan-Konferenz war
eine Showveranstaltung.


(Beifall bei der LINKEN)


Aber noch schlimmer: Sie treten die Würde der Opfer
des Krieges mit Füßen.


(Dr. Bijan Djir-Sarai [FDP]: Jetzt reicht es aber!)


Herr Westerwelle, Sie haben gesagt, dass Sie in Kabul in
die Augen von Kindern geschaut und Hoffnung gesehen
haben. Ich glaube Ihnen das. Warum aber haben Sie es
noch nicht geschafft, in die Augen der Waisen des von
der Bundeswehr befehligten Kunduz-Massakers zu
schauen?


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Sehr richtig!)


Mir ist die Geschichte von Qureischa aus Kunduz
zugetragen worden. Qureischa ist Witwe, eine der
Frauen, die durch den Befehl der Bundeswehr am Kun-
duz-Fluss ihren Mann verloren hat. Sie ist 35 und hat
sechs Kinder im Alter von 4 bis 16 Jahren. Qureischa hat

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(C (D ein Einkommen und lebt beim Bruder ihres toten Manes in einem kleinen Raum in einer Lehmhütte. Sie ist so rm, dass sie sich noch nicht einmal eine Decke für jedes rer Kinder leisten kann. Drei Kinder schlafen unter iner Decke – und das, wo der harte Winter in Afghanisn bevorsteht. Ihr Schwager ist also ihre einzige Retng; aber auch er ist bitterarm. Morgens um 4 Uhr geht r los – 14 Kilometer zu Fuß –, um seine Arbeitskraft als agelöhner auf dem Markt anzubieten. Die Bundesregierung kümmert sich nicht um diese pfer des Krieges. Sie haben – wie alle Kunduz-Opfer – eine anständige Entschädigung erhalten, auch nicht die 000 Dollar, die einige der Opfer, willkürlich ausgeählt, bekamen. Qureischa und ihre Kinder haben nichts ekommen. Ich sage Ihnen: Es sind nicht nur die Kommandoakonen der NATO, die die Zivilbevölkerung gegen die esatzer aufbringen. Es ist diese Arroganz, mit der die egierung die Würde der Opfer immer mit Füßen tritt, (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Sehr richtig!)


ie die Bundeswehr und die NATO in Afghanistan zum
eind macht.


(Henning Otte [CDU/CSU]: Was ist denn in Kabul bei den Anschlägen passiert?)


ier haben Sie nichts gelernt. Und ich sage Ihnen:
enschlichkeit kann man nicht teilen.


(Beifall bei der LINKEN)


Der Krieg in Afghanistan war von Anfang an falsch,
nd weil Sie nicht weiterwissen, machen Sie weiter wie
isher. Der Abzug ist eine Mogelpackung und eine
üge; denn – Sie haben es selbst noch einmal betont,
err de Maizière – die Bundeswehr wird nur dann wirk-
ch abgezogen, wenn es die Sicherheitslage zulässt. Das
eißt, wenn sie es nicht zulässt, bleibt die Bundeswehr
ort. Auch das Mandat ist unverändert. Mit den
WACS-Flugzeugen, den Tornado RECCEs und den
pezialeinheiten wird – trotz Ihres Geredes vom Abzug –
eiter Krieg in Afghanistan geführt werden. Der Krieg
eht weiter, weitere drei Jahre, und dem werden wir
icht zustimmen.


(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/ CSU]: Sie haben keinen Durchblick!)


Der Truppenrückzug ist nicht die Lösung der Pro-
leme, aber er ist die notwendige Voraussetzung für eine
olitische Lösung. Deshalb: Truppen raus jetzt und nicht
rst 2014!


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714902200

Philipp Mißfelder ist der nächste Redner für die

DU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17779


(A) )


)(B)


Philipp Mißfelder (CDU):
Rede ID: ID1714902300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Zunächst einmal nur ganz kurz zu Ihnen, Frau
Buchholz: Sie haben gesagt, die Afghanistan-Konferenz
sei eine Showveranstaltung gewesen. Abgesehen davon,
dass es sich dabei um eine vollkommen unpolitische
Bemerkung von Ihnen handelt, möchte ich fragen: Wer
hat dort überhaupt eine Show veranstaltet? Das waren
doch Sie persönlich.


(Zuruf der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE])


Sie haben dort mit zwei weiteren Abgeordneten der
Linkspartei herumkrakeelt und den Konferenzfrieden
gestört. Ich finde, das ist einer internationalen Konferenz
nicht angemessen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Postpubertäres Gehabe!)


Wenn man von einer Showveranstaltung sprechen will,
dann Ihretwegen, Frau Buchholz, und wegen Ihrer bei-
den Kollegen, die dort aufgetreten sind. Dabei möchte
ich es dann aber auch belassen.

Wir reden hier über eine Entscheidung, die wir sehr
verantwortungsbewusst zu treffen haben. Nur ein paar
Flugstunden entfernt von hier erfüllen Soldatinnen und
Soldaten, Entwicklungshelfer, Diplomaten und andere,
die sich an unsere Seite stellen, für uns einen ganz wich-
tigen Auftrag. Meine Damen und Herren, Verantwortung
kann man nicht zu einem Politikum machen; Verantwor-
tung ist Realität. Deshalb bin ich sehr froh, dass der
größte Teil dieser Debatte fraktionsübergreifend von die-
ser Verantwortung geprägt war.

Die von uns vor zehn Jahren gemeinsam getroffene
Entscheidung, in den Afghanistan-Einsatz zu gehen, ist
niemandem leichtgefallen; niemand hat sie gar leichtfer-
tig getroffen – ganz im Gegenteil. Insofern ist es richtig,
dass wir uns hier alljährlich in großer Ernsthaftigkeit die
Frage stellen: Ist das, was wir in den vergangenen zwölf
Monaten getan haben, sinnvoll gewesen? Hat uns das im
Hinblick auf die Ziele, die wir uns gesetzt haben,
genutzt? Hat es zu einer Befriedung der Region, insbe-
sondere Afghanistans, beigetragen?

Natürlich gibt es – das ist von vielen Vorrednern
schon gesagt worden – Licht und Schatten. Natürlich
gibt es Fortschritte, aber auch erhebliche Rückschritte.
Es gehört für diese Regierung und die sie tragenden
Fraktionen zur Ehrlichkeit dazu, dass im Fortschritts-
bericht die Defizite deutlich angesprochen werden. Das
zeigt auch, dass wir uns diese Entscheidung keineswegs
leicht machen, meine Damen und Herren. Vielmehr plä-
dieren wir dafür, den Weg, den wir eingeschlagen haben,
die Übergabe in Verantwortung, fortzusetzen und dafür
zu sorgen, dass die Sicherheitskräfte in Afghanistan dau-
erhaft in der Lage sein werden, selbst die Sicherheit vor
Ort zu gewährleisten.

Das heißt gleichzeitig aber auch, dass wir gegebene
Versprechen nicht brechen werden. Herr Kollege Arnold,
ich bin Ihnen dankbar, dass Sie es vorhin auf die Inter-

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(C (D ention von Herrn Ströbele hin deutlich gesagt haben: enn man ein Versprechen gegeben hat und sich einem and gegenüber verpflichtet hat, wie wir es gegenüber en Menschen in Afghanistan getan haben – nicht gegenber den Politikern in Afghanistan, was sogar zu verachlässigen wäre, sondern gegenüber der Bevölkerung fghanistans –, dann muss man dieses Versprechen auch rfüllen; dann muss man trotz großer Widerstände in der igenen Bevölkerung – ich glaube, keiner von uns ekommt in seinem Wahlkreis großen Applaus dafür, ass wir das Afghanistan-Mandat wieder verlängern – (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das finde ich gut! Das finde ich toll! Zunder müssen Sie kriegen!)


u seinem Wort stehen. Wenn man einmal in ein Land
egangen ist, muss man später verantwortungsbewusst
us diesem Land hinausgehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


eshalb kann man keinen abrupten Abzug vornehmen,
o wie Sie von der Linkspartei es fordern.

Es ist klar, dass wir bei den Rückschlägen, die wir in
fghanistan erkennen müssen, mit schwindender Unter-

tützung und mehr Kritik aus der deutschen Bevölkerung
u rechnen haben.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja, genau!)


ir müssen uns bei jedem Militäreinsatz immer fragen:
aben wir die Ziele in dem Umfang erreicht, wie wir sie

rreichen wollten? Deshalb hat Minister Westerwelle zu
echt den wichtigsten Punkt der Debatte am heutigen
age angesprochen: Wir streben keine militärische
ösung der Probleme Afghanistans an. Wir geben uns
icht der Illusion hin, dass der Konflikt in der Region
sgesamt militärisch zu lösen sei, sondern streben eine

roße politische, integrative Lösung an. Dabei haben wir
den letzten zwei Jahren erhebliche Fortschritte

emacht. Zu dem Ergebnis komme ich, wenn ich mir
en Prozess der Befriedung und Aussöhnung in der
esamten Region vor Augen führe. Wir haben die Mög-
chkeit, auch Nachbarländer Afghanistans an unsere
eite zu bringen und dafür zu sorgen, dass sie ihrer eige-
en Verantwortung in ihrer Region gerecht werden und
ns damit ein Stück weit entlasten. Das werte ich ein-
eutig als Fortschritt.

Vor dem Hintergrund ist es auch richtig, dass wir alle
nsere Bemühungen im zivilen, im diplomatischen und

wirtschaftlichen Bereich verstärkt haben. Ich will
errn Botschafter Steiner und seinen Mitarbeiterinnen
nd Mitarbeitern aus dem Auswärtigen Amt ausdrück-
ch danken, dass sie tatsächlich viele bürokratische Hür-
en überwunden und Maßnahmen gebündelt haben;
enn das ist nicht gerade einfach. Obwohl wir hier die
inister in großer Eintracht erlebt haben, ist festzuhal-
n: Wir haben unsere eigenen Bürokratien, auch im
ündnis selbst. Das macht es nicht einfach, die Maßnah-
en so zu bündeln, wie es notwendig ist. Herr Botschaf-
r Steiner, deshalb ein herzlicher Dank für Ihr großarti-
es Engagement, durch das Sie in den letzten Jahren

17780 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Philipp Mißfelder


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)(B)

vieles auf den Weg gebracht haben, das ich ausdrücklich
unterstützen will.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Warum sind wir in Afghanistan? Warum sollen wir in
der Mandatszeit in Afghanistan bleiben und auch über
das Jahr 2014 hinaus, wenn auch in einem wesentlich
geringeren Umfang, Verantwortung übernehmen? Letzt-
endlich um unsere eigenen Interessen zu schützen! Das
sind in erster Linie Sicherheitsinteressen. Man kann sich
in Deutschland natürlich in Sicherheit wiegen und sagen:
Hier ist noch nie ein solcher Anschlag passiert. Der
11. September 2001 ist lange her. Seitdem sind auf der
ganzen Welt zwar weiterhin Anschläge verübt worden,
aber die wurden an anderen Orten geplant und nicht
unbedingt von Afghanistan aus koordiniert.

Auch hier möchte ich an die Regierungserklärung von
Guido Westerwelle anknüpfen. Wir dürfen nicht zulas-
sen, dass Afghanistan wieder das Planungshauptquartier
für terroristische Aktivitäten in der Welt wird. Deshalb
wäre ein Wegschauen unverantwortlich, und deshalb
müssen wir unsere Bemühungen über das Jahr 2014
hinaus aufrechterhalten, auch wenn es einen wesentlich
geringeren militärischen Anteil geben wird. Dafür müs-
sen wir wahrscheinlich mehr Anstrengungen beispiels-
weise bei der Entwicklungszusammenarbeit unterneh-
men. Da wird es mehr Bedarf geben, als das momentan
der Fall ist.

Eines ist klar: Wenn man seine Interessen einmal defi-
niert hat – dazu gehören unsere Sicherheitsinteressen –,
dann muss man sie auch seriös verteidigen. Dazu gehört
eben auch, dass man den Menschen reinen Wein ein-
schenkt. Das machen wir in dieser Debatte. Wir sagen:
Unser Ziel ist, die Truppen aus Afghanistan abzuziehen,
aber wir wollen uns nicht kopflos aus Afghanistan
zurückziehen, sondern wir wollen durch eine Übergabe
in Verantwortung dafür sorgen, dass die Sicherheits-
strukturen in Afghanistan selbsttragend werden, dass die
afghanischen Streitkräfte und die Polizeikräfte in der
Lage sind, sich selber und ihre Bevölkerung zu schützen.
Klar ist auch: Wir werden Afghanistan in dieser schwie-
rigen Aufbauphase, in der es sich befindet, nicht im
Stich lassen, sondern unserer Verantwortung gerecht
werden.

Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714902400

Für eine Kurzintervention erhält die Kollegin

Buchholz das Wort.


Christine Buchholz (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714902500

Herr Mißfelder, Sie haben eben mir und damit auch

meinen Kolleginnen Heike Hänsel und Kathrin Vogler
vorgeworfen, wir hätten den Konferenzfrieden der Bon-
ner Afghanistan-Konferenz gestört.

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(C (D (Jörg van Essen [FDP]: So ist es! – Weitere Zurufe von der FDP: So ist es! – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Da sind wir stolz drauf!)


Wir haben nach der Rede von Hillary Clinton ein Pla-
at hochgehalten, auf dem darauf hingewiesen wurde,
ass die Politik der NATO für die Bevölkerung mit Ter-
r gleichzusetzen ist. Wir haben in der Debatte hier über

ie gezielten Tötungen, die Night Raids, gesprochen.
ie 19 Kommandoaktionen, die die NATO im Schnitt

m Tag durchführt, sind für die Zivilbevölkerung in
fghanistan Terror. Wir haben gefordert, dass die Trup-
en nicht am Sankt-Nimmerleins-Tag, sondern jetzt
bgezogen werden sollten. Ich finde, es ist besser, den
ermeintlichen Frieden einer Konferenz zu stören, als
er Friedenspropaganda, wie sie von Ihnen hier im Bun-
estag vertreten wird, das Wort zu reden.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Auf der Afghanistan-Konferenz waren keine Vertreter
er afghanischen Opposition zugelassen. Wir haben in
inem persönlichen Schreiben noch versucht, regie-
ngskritische Vertreterinnen und Vertreter aus Afgha-

istan über Minister Westerwelle anzumelden. Das ist
icht gelungen, obwohl die Besucherränge leer waren.
as heißt, wir hatten keine oppositionellen Kräfte dort.
ir haben deren Position auf die Konferenz getragen.


(Joachim Spatz [FDP]: Was für eine Arroganz!)


ir haben uns dem offensichtlichen Anschein entgegen-
estellt, dass mit dieser Konferenz eine weitere Legiti-
ation für den Krieg gegeben wird.

Interessanterweise ist gerade die durch die Bombar-
ierung des Stützpunktes in Pakistan entstandene Situa-
on in den ersten Reden auf der Konferenz überhaupt
ein Thema gewesen. Sie ist ausgeblendet worden. Ich
laube daher, dass wir für unsere Partner in Afghanistan,
r demokratische und friedensorientierte Kräfte in Af-

hanistan, ein wichtiges Signal gesetzt und nicht den
ermeintlichen Frieden dieser Konferenz gestört haben.


(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Dann stimmt ja Ihr Weltbild wieder!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714902600

Zur Erwiderung Kollege Mißfelder.


Philipp Mißfelder (CDU):
Rede ID: ID1714902700

Nur ganz kurz dazu: Einerseits werfen Sie uns

riegspropaganda und Kriegstreiberei vor, und anderer-
eits werfen Sie uns Friedenspropaganda vor. Alles, was
ie sagen, Frau Buchholz, passt eigentlich nie zusam-
en.


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Sie verstehen es bloß nicht!)


Ich finde es wirklich eine Unverschämtheit, wenn Sie
ie NATO mit Terror gleichsetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17781

Philipp Mißfelder


(A) )


)(B)

Frau Buchholz, bitte beschäftigen Sie sich einfach ein-
mal mit der Historie dieses Einsatzes und mit dem
11. September 2001. Dann werden Sie sehen, wer die
Terroristen waren.

Frau Buchholz, ich habe mich sehr dafür eingesetzt,
dass Parlamentarier, auch aus Deutschland, an dieser
Konferenz teilnehmen dürfen. Die Bundesregierung hat
diesem Ansinnen unserer Fraktion entsprochen. Dafür
bin ich sehr dankbar. Wenn Sie an solchen Konferenzen
teilnehmen, dann beschädigen Sie bitte nicht das Anse-
hen von Abgeordneten und damit des gesamten Hauses.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ganz im Gegenteil!)


Wenn Sie schon hingehen dürfen, dann benehmen Sie
sich bitte so, wie sich ein Abgeordneter zu benehmen
hat.


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Das kann sie doch gar nicht!)


Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714902800

Der Kollege Johannes Pflug hat jetzt das Wort für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Johannes Pflug (SPD):
Rede ID: ID1714902900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich teile nicht die Beurteilung der Kollegin
Buchholz, auch nicht hinsichtlich der Abqualifizie-
rung der Konferenz als Show. Herr Außenminister
Westerwelle, ich denke aber, es ist nicht nur richtig, son-
dern auch wichtig, einmal zu fragen, wie erfolgreich die
Afghanistan-Konferenz in Bonn eigentlich gewesen ist.
Lassen Sie mich einmal versuchen, die Konferenz aus
der Sicht der Medien zu beurteilen.

Wie die Beurteilung der Medien aussieht, lässt sich
aufgrund der Tatsache erahnen, dass diese Konferenz be-
reits nach einem Tag wieder aus den Schlagzeilen ver-
schwunden war. Ich denke, das ist Grund genug, sich ein
paar der behaupteten Konferenzerfolge einmal im Ein-
zelnen anzuschauen. Dabei möchte ich vor allem auf
zwei Dinge eingehen, erstens auf die langfristige Ver-
pflichtung der internationalen Gemeinschaft gegenüber
Afghanistan und zweitens auf die Selbstverpflichtung
der afghanischen Regierung zur Durchführung von Re-
formen.

Wie steht es nun um das langfristige Engagement der
Welt in Afghanistan? In der Tat verpflichteten sich die
Konferenzteilnehmer zu einem langfristigen finanziellen
Engagement in Afghanistan. Ich weiß natürlich sehr ge-
nau, dass diese Konferenz nicht als Pledging-Konferenz
angelegt war. Dennoch werden diejenigen, die konkrete
Ergebnisse erhofft haben, auf die Geberkonferenz in To-
kio im nächsten Jahr verwiesen. Das ist wohl ein Glück
für die Bundesregierung; denn die Ergebnisse einer sol-
chen Geberkonferenz dürften so ernüchternd ausfallen,

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(C (D ass der schöne Schein von Bonn gestört worden wäre. Die Botschaft von Bonn ist: Wir lassen Afghanistan icht im Stich“, verkündet lautstark der aktuelle Fortchrittsbericht der Bundesregierung. Die Botschaft der SA klingt allerdings etwas anders: Wir lassen Afghaistan zwar nicht im Stich, aber die Zeiten unbegrenzter ilfen sind vorüber. Zwei Beispiele verdeutlichen das: Zum einen werden ie USA ihre Entwicklungshilfe für Afghanistan von ,5 Milliarden Dollar im Jahr 2010 auf 1 Milliarde Dolr im Jahr 2014 zusammenstreichen. Das entspricht eier Kürzung um fast 80 Prozent. Zum anderen gibt es nzeichen dafür, dass die Amerikaner von den mindesns 6 Milliarden Dollar, die jährlich für die Unterstüt ung der afghanischen Sicherheitskräfte aufgebracht erden müssen, noch höchstens 3 Milliarden Dollar bernehmen werden. 3 Milliarden Dollar entsprechen ämlich in etwa der US-Militärhilfe für Israel, und der merikanische Kongress hat angekündigt, keinem Staat ehr Unterstützung als Israel gewähren zu wollen. Wähnd sich die deutsche Entwicklungshilfe für Afghanisn in Millionen bemisst, drohen hier Milliardenbeträge u fehlen, auf die das Land dringend angewiesen ist. Der aktuelle Fortschrittsbericht der Bundesregierung tellt richtigerweise fest, dass der Finanzbedarf des afhanischen Staates zukünftig erheblich steigen wird. Mir t – das sage ich vor allem vor dem Hintergrund der geannten amerikanischen Kürzungspläne – durch die Erebnisse der Konferenz in Bonn keineswegs klar geworen, wie dieser Widerspruch aufgelöst werden kann und oll. Herr Außenminister, Sie verweisen hinsichtlich konreter Ergebnisse auf 2012, auf den NATO-Gipfel in hicago und auf die Konferenz in Tokio. Daran werden ie sich messen lassen müssen; denn wir erwarten für iese Konferenzen aus Ihrem Haus tragfähige Konzepte afür, wie der Finanzbedarf Afghanistans und vor allem einer Sicherheitskräfte nach 2014 sichergestellt werden oll. Als Erfolg von Bonn haben Sie auch die „festen gegeneitigen Verpflichtungen“ verbucht, die der Abschlussbecht der Konferenz enthält. In der Tat: Die afghanische egierung verpflichtet sich überraschend eindeutig zu Rermen. Selbstverpflichtungen gab es aber auch schon frü er. Selbst die Bundesregierung verweist in ihren Fortchrittsberichten seit 2010 bis heute darauf, dass seitens er afghanischen Regierung nur ein geringer Wille zur msetzung von Reformen erkennbar sei. Trotzdem wurde in Bonn darauf verzichtet, ernsthafte eformen zur Vorbedingung für eine weitere finanzielle nterstützung zu machen. Daher befürchten wir, dass ir auch zukünftig keine Meldungen über Korruptionsekämpfung oder Wahlrechtsreformen aus Afghanistan rhalten werden, sondern die Meldung, dass Präsident arzai möglicherweise eine verfassungswidrige dritte mtszeit anstrebt. Herr Außenminister, können Sie uns erklären, wie Sie icherstellen wollen, dass die afghanische Regierung sich n ihre Selbstverpflichtungen hält? Auch dafür erwarten 17782 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Johannes Pflug )


(A) )

wir von Ihnen geeignete Vorschläge für die Konferenz in
Tokio. Im Zweifelsfall muss die weitere Unterstützung
von ernsthaften Reformbemühungen der Afghanen ab-
hängig gemacht werden.

Finanzielle Hilfen allein werden die Dinge in Afgha-
nistan nicht zum Guten wenden. Und mehr Geld muss
nicht notwendigerweise immer besser für Afghanistan
sein. Im Gegenteil: Es kann sogar schaden, wenn da-
durch Korruption und Klientelnetzwerke gefördert wer-
den.

Trotzdem gibt es Dinge in Afghanistan, die zwingend
einer robusten Finanzierung bedürften. Aber diese Finan-
zierung ist nach wie vor nicht einmal ansatzweise er-
kennbar. An erster Stelle dürften dabei die teuren afgha-
nischen Sicherheitskräfte stehen, ohne die kein verant-
wortungsvoller Abzug unserer Bundeswehr und unserer
Verbündeten stattfinden kann. Aber auch zivile Hilfspro-
jekte werden noch lange auf Gelder der internationalen
Gemeinschaft angewiesen sein.

Die Frage, wie sich Afghanistan in Zukunft finanzie-
ren soll, ist zu wichtig, als dass man bloß von einer Kon-
ferenz auf die nächste verweisen könnte. Diese Frage be-
darf konkreter Planung und Absprachen mit unseren
internationalen Partnern. Bei beidem erwarten wir zu-
künftig deutlich bessere Ergebnisse von der Bundesre-
gierung als bisher.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714903000

Für die CDU/CSU hat der Kollege Dr. Wolfgang

Götzer das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Wolfgang Götzer (CSU):
Rede ID: ID1714903100

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Am 10. Oktober dieses Jahres hat der Sicherheitsrat
der Vereinten Nationen beschlossen, das ISAF-Mandat
bis zum 13. Oktober des nächsten Jahres zu verlängern.
Eine Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter Streitkräfte
– auch deutscher – ist nötig, um den Prozess der Über-
nahme von Sicherheitsverantwortung durch die Afgha-
nen nicht zu gefährden.

Erst vor wenigen Tagen hat die internationale Staaten-
gemeinschaft auf der Afghanistan-Konferenz in Bonn
ihr Engagement für Afghanistan über das Jahr 2014 hi-
naus bekräftigt. Die Aufgabe ist immens: Aus einem
Krisenherd soll ein souveräner Staat werden, der seinen
eigenen Beitrag zu Frieden und Sicherheit leisten kann.

Die Bonner Konferenz hat gezeigt: Die Bereitschaft,
Afghanistan zu unterstützen, ist auch nach zehn Jahren
ungebrochen. Mit dieser Konferenz haben wir die
Grundlage für ein langfristiges Engagement der interna-
tionalen Gemeinschaft für Afghanistan über 2014 hinaus
gelegt. Dieses langfristige Engagement erstreckt sich auf
die Bereiche gute Regierungsführung, Sicherheit, in-
nerafghanischer Friedensprozess, wirtschaftliche und so-
ziale Entwicklung sowie regionale Zusammenarbeit.

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(C (D Von der Bonner Konferenz geht somit ein eindeutiges ignal aus: Die internationale Staatengemeinschaft lässt fghanistan nicht im Stich. Wir werden Afghanistan uch nach der Übernahme der vollständigen Regierungserantwortung durch die Afghanen zur Seite stehen. ie einstimmige Annahme des Schlussdokuments durch lle 100 Delegationen stellt dies eindrucksvoll unter Beeis. Dabei war und ist allen Beteiligten klar, dass es nur das ist heute schon angesprochen worden – eine politiche Lösung geben kann. Diese Unterstützung für Afghanistan leisten wir – an muss es offensichtlich immer wieder ansprechen, uch heute – auch im Interesse unserer eigenen Sichereit; (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


enn der Terrorismus bedroht uns alle. Sicherheit war
in zentrales Thema der Bonner Konferenz. Die Über-
abe der Sicherheitsverantwortung in afghanische
ände hat im Sommer dieses Jahres begonnen und soll
emäß den Beschlüssen der Konferenzen in London und
abul im letzten Jahr bis Ende 2014 abgeschlossen sein.
as Engagement deutscher Streitkräfte soll im Rahmen
es ISAF-Mandats entsprechend dieser Zielvorgabe fort-
esetzt werden. Dabei wollen wir in einem ersten Schritt
u Beginn des Jahres 2012 die Mandatsobergrenze von
erzeit 5 350 auf 4 900 Soldatinnen und Soldaten sen-
en. Je nach Entwicklung der Sicherheitslage und dem
erlauf des Übergabeprozesses – das ist also noch offen –
ollen wir die tatsächliche Truppenstärke 2012 weiter
duzieren. 2014 soll der Einsatz in seiner bisherigen
orm – ich betone: in seiner bisherigen Form – beendet
ein.

Wir halten eine Reduzierung der Zahl der deutschen
insatzkräfte im Laufe des nächsten Jahres aus mehreren
ründen für möglich. Zum einen werden Provinzen und
istrikte im Norden Afghanistans, also im deutschen
erantwortungsbereich, in absehbarer Zeit in afghani-
che Verantwortung übergeben. Zum anderen hat sich,
ie auch der aktuelle Fortschrittsbericht der Bundesre-
ierung zur Lage in Afghanistan zweifelsfrei feststellt,
ie Sicherheitslage verbessert. Nach zehn Jahren Hilfe
ind trotz eines immens schwierigen, oft lebensgefährli-
hen Umfeldes heute Fortschritte unübersehbar, wenn-
leich es noch ein weiter Weg bis zum Frieden ist.

Auch der Aufbau der afghanischen Armee und Poli-
ei verläuft nach Plan, sodass bis Oktober nächsten Jah-
s über 350 000 afghanische Sicherheitskräfte bereit

ein werden, Sicherheitsverantwortung zu übernehmen.
ährend des Prozesses der schrittweisen Übergabe in

erantwortung gilt es, die Fähigkeiten der afghanischen
icherheitskräfte weiter zu stärken. Konkrete Pläne hier-
r sollen bereits auf dem NATO-Gipfel im Mai 2012

eschlossen werden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, eines der für uns
esentlichen Ergebnisse der Bonner Konferenz ist die
egenseitige Verpflichtung zwischen der internationalen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17783

Dr. Wolfgang Götzer


(A) )


)(B)

Staatengemeinschaft und Afghanistan. Um es ganz klar
zu sagen: Die internationale Gemeinschaft sichert Af-
ghanistan Hilfe über 2014 hinaus zu; zugleich aber neh-
men wir die Afghanen in die Pflicht. Wir werden darauf
drängen, dass Afghanistan die in Bonn bekräftigten Ver-
pflichtungen hinsichtlich guter Regierungsführung um-
setzt und einen politischen Prozess rechtsstaatlicher Teil-
habe in Gang setzt. Außerdem erwarten wir von
Afghanistan, dass ein landesweiter innerafghanischer
Aussöhnungsprozess auf der Basis der hierfür in Bonn
vereinbarten Prinzipien erfolgt. Ebenso werden wir von
der afghanischen Regierung echte Fortschritte im Kampf
gegen Korruption und Drogenanbau einfordern.

Wir müssen bereits jetzt den Blick über die Über-
gangsphase hinaus auf den sich anschließenden Trans-
formationsprozess richten, der bis zum Jahr 2024 ange-
setzt ist. Auch das war ein wichtiger Aspekt der Bonner
Konferenz. Der im Rahmen dieses Mandats eingeleitete
Truppenabzug bis 2014 ist – das möchte ich an dieser
Stelle ganz klar sagen – keineswegs das Ende des Enga-
gements der internationalen Streitkräfte.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wer hätte das gedacht!)


Im Gegenteil: Um die Zukunft Afghanistans zu sichern
und die Region langfristig zu stabilisieren, muss das
ISAF-Mandat auf die Bewältigung neuer Aufgaben, vor
allem im zivilen Bereich und bei der Ausbildung der Si-
cherheitskräfte, über 2014 hinaus ausgerichtet werden.
Dabei wird die Bundeswehr weiterhin vor Ort eine wich-
tige Rolle spielen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle abschließend einmal
mehr unseren Soldatinnen und Soldaten danken, die ih-
ren lebensgefährlichen Dienst in Afghanistan leisten.
Heute, wenige Tage vor Weihnachten, richte ich damit
verbunden einen Gruß an diejenigen, die dieses Fest weit
weg von ihren Familien feiern werden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714903200

Der Kollege Roderich Kiesewetter hat jetzt das Wort

für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1714903300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie
mich zum Abschluss dieser Debatte ein paar Gedanken
aufgreifen. Wir haben eine sehr sachliche Debatte ge-
führt. Ich glaube, wir haben der Bevölkerung auch sehr
viele Erklärungen geliefert, um klarzumachen, warum
wir in Afghanistan sind, warum wir dort noch eine Weile
bleiben müssen und warum Afghanistan unseren Einsatz
verdient.

Erstens haben wir deutlich gemacht: Verantwortung
geht vor Ehrgeiz. Es ist nicht unser Ehrgeiz, Afghanistan

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(C (D o schnell wie möglich zu verlassen, sondern es muss nser Ehrgeiz sein, Afghanistan in Verantwortung für as Land zu stabilisieren und in der Region für mehr Stailität und Verantwortung zu sorgen. Wenn die Botschaft utet: „Wir lassen Afghanistan nicht im Stich“, dann eißt das also genauso: Afghanistan muss stabiler und siherer werden. Zweitens hat sich Afghanistan verpflichtet – wir müsen auf die Einhaltung dieser Verpflichtung bestehen –, ich im Gegenzug intensiver um eine Stärkung seiner egierungsfähigkeit zu kümmern. Drittens – der Bundesverteidigungsminister hat den bzug und die Gestaltung der Abzugsplanung schon anesprochen –: Die regionale Dimension ist ganz entcheidend für die Stabilisierung und Sicherung des Erichten. Hier sind politische Lösungen gefragt. Obwohl akistan an der Konferenz in Bonn nicht teilgenommen at, ist deutlich geworden, dass wir die Region einbinen. Mit Blick auf die Abzugsplanung geht es auch dam, dass wir mit den nördlichen Nachbarn Afghanisns Einvernehmen über die Art und Weise des Abzugs nd über deren Verantwortung in der Region herstellen. as halte ich für besonders wichtig. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es sind, laube ich, vier Aspekte, die aus der Debatte herauszuestillieren sind. Erstens: die Stärkung und Ausbildung der afghanichen Sicherheitskräfte. Darüber ist hier viel gesprochen orden. Wichtig ist, dass wir Qualität erreichen – wir rauchen Qualitätssteigerungen und müssen vor allen ingen im Bereich der zivilen Verwaltung Fortschritte rzielen – und dass die Finanzierung bis zum NATOipfel in Chicago bzw. bis zur Geberkonferenz in Tokio eklärt wird. Zweitens: die Restrukturierung des deutschen Einatzkontingents. Hier ein ganz kurzer Blick auf das andat: Es beinhaltet flexible Kontingentwechselmögchkeiten, und es wurden sowohl die AWACS-Aufklängsflugzeuge als auch die Tornado-Aufklärungsflug euge mitberücksichtigt. Ich kann nur sagen: ompliment zu dieser Mandatsgestaltung! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


Für Sie vielleicht.

Drittens: die regionale Einbettung des Prozesses; ich
abe sie bereits angesprochen.

Lassen Sie mich viertens, weil es aufseiten der Linken
erade laut geworden ist, die Ausrichtung des zivilen
ngagements ansprechen. Wir als Parlament waren in
onn ordentlich vertreten. Wir haben uns gekümmert
nd viele Gespräche geführt. Wir haben die Chance ge-
utzt, mit 27 Vertreterinnen und Vertretern der Zivilge-
ellschaft zu sprechen. Was hat die Linke gemacht?


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Wir waren bei der Friedensbewegung!)


17784 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Roderich Kiesewetter


(A) )


)(B)

Sie hat Transparente ausgerollt. Als wir noch zwei Stun-
den drangehängt haben, um mit Botschafter Steiner und
den 27 Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesell-
schaft zu sprechen, sind Sie mit fliegenden Rockschößen
und eingerollten Transparenten zum Bonner Hauptbahn-
hof geeilt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/ CSU]: Ja! So sind sie!)


In Bonn ist deutlich geworden, was die Zivilgesell-
schaft von uns erwartet. Sie erwartet, dass wir uns küm-
mern: um die Versehrten, um den Aufbau der Kranken-
häuser und um das Bildungssystem. Gefordert wird auch
eine Intensivierung der akademischen und handwerkli-
chen Ausbildung. Hier sind unsere Stärken. Diese Stär-
ken müssen wir nutzen. Wir haben durch unsere Anwe-
senheit und durch unser Interesse gezeigt, dass uns
genau daran gelegen ist. Vielen Dank an die Kolleginnen
und Kollegen, die mit dabei waren!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Johannes Pflug [SPD])


Lassen Sie mich abschließend einen weiteren Punkt
ansprechen – Herr Minister de Maizière hat ihn vorhin
bereits erwähnt –: In Landstuhl befindet sich zurzeit eine
Reihe schwer Kriegsversehrter, die für wenige Tage hier
sind; ich hatte die Ehre, den Minister bei seinem Besuch
zu begleiten. Lassen Sie uns in der letzten Einsatzdebatte
in diesem Jahr in unseren Gedanken bei den Einsatzver-
sehrten sein, bei den alliierten wie auch bei den deut-
schen Einsatzversehrten und Veteranen. Lassen Sie uns
in Gedanken bei unseren Soldatinnen und Soldaten im
Einsatz sein, unter denen über 400 Reservistinnen und
Reservisten sind, bei unseren Polizistinnen und Polizis-
ten und den zivilen Aufbauhelfern. Lassen Sie uns von
dieser Stelle einen Weihnachtsgruß in die Einsatzgebiete
schicken.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Mein Gott!)


Lassen Sie uns den Kameraden dort versichern: Wir ste-
hen an ihrer Seite, und wir unterstützen sie, und wir wol-
len unserer Bevölkerung den Einsatzwechsel und das
neue Mandat im neuen Jahr noch intensiver als bisher er-
klären. Sie haben all unsere Unterstützung.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714903400

Damit schließe ich die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/8166 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. – Damit sind Sie ein-
verstanden. Dann ist das so beschlossen.

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass heute Abend
eine weitere namentliche Abstimmung stattfinden wird,
und zwar zum Tagesordnungspunkt 11. Die Abstim-
mung wird vorbehaltlich aller Änderungen, die wir

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(C (D elbst verursachen, etwa zwischen 19 Uhr und 19.30 Uhr tattfinden. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 4 auf: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Rente erst ab 67 – Risiken für Jung und Alt – Drucksachen 17/5106, 17/7966 – Es liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion der PD und der Fraktion Die Linke vor. Über den Entchließungsantrag der Fraktion Die Linke werden wir päter namentlich abstimmen. Zwischen den Fraktionen ist es verabredet, zu diesem agesordnungspunkt eineinhalb Stunden zu debattieren. – azu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann ist as so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege laus Ernst für die Fraktion Die Linke. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Mit unserer Großen Anfrage wollen wir uns ereut mit der Rente erst ab 67 beschäftigen. Die Antwort, ie wir von der Bundesregierung auf über 380 Seiten beommen haben, ist ein sehr umfangreiches Werk, das beeist, dass wir von der Rente ab 67, die ab 1. Januar des ächsten Jahres eingeführt werden soll, dringend Abtand nehmen müssen. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wo sind denn die Beweise?)


(Beifall bei der LINKEN)

Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714903500

Die Beweise werde ich Ihnen jetzt vortragen.

Ich nenne drei Argumente:

Erstens. Auch Ihnen wird einleuchten, dass, wenn
an bis 67 arbeiten soll, eine Voraussetzung erfüllt wer-

en müsste, nämlich die, dass man im Alter von 64 noch
ine Arbeit hat. Hat man im Alter von 64 keine Arbeit
ehr, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass man mit

5 oder 66 wieder eingestellt wird, äußerst gering. Ich
laube, selbst die FDP wird dem zustimmen. Um es ein-
al ganz deutlich zu sagen: In diesem Land bekommt
an mit 65 eher das Bundesverdienstkreuz als einen

ob.


(Beifall bei der LINKEN)


Da das so ist, müssen wir uns die Frage stellen – da-
uf ist in der Antwort auf die Große Anfrage einge-

angen worden –, wie viele Menschen im Alter von
4 Jahren eigentlich noch sozialversicherungspflichtig
eschäftigt sind. Die Antwort lautet: 8,7 Prozent der
enschen im Alter von 64 haben noch eine sozialver-

icherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung. Bei den
rauen, Frau von der Leyen, sind es übrigens nur 5 Pro-
ent.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17785

Klaus Ernst


(A) )


)(B)

Wenn das wirklich so ist, wie Sie es hier vorlegen,
dann bedeutet das im Ergebnis, dass Sie mit der Anhe-
bung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre 90 Prozent der
Menschen nichts anderes als eine ganz brutale Renten-
kürzung verordnen.


(Beifall bei der LINKEN – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Bisher war noch nichts Neues!)


Das hat Ihre Antwort auf unsere Anfrage eindeutig erge-
ben.

Es wird immer gesagt, die Rente mit 67 komme erst
später. Wenn wir uns die Zahlen anschauen, dann erken-
nen wir, dass diese Rentenkürzung bereits ab dem 1. Ja-
nuar 2012 wirken wird; das heißt, bereits im ersten
Quartal wäre eine Rentenkürzung von fast 1 Prozent für
die Menschen möglich, die nicht mehr sozialversiche-
rungspflichtig beschäftigt werden können. 90 Prozent!
Das ist Ihre Rentenpolitik!

Nun ein paar Worte zur SPD. Sie machen den Vor-
schlag – ich habe das in Ihrem Parteiprogramm gelesen –,
die Rente mit 67 erst dann einzuführen, wenn die Alters-
gruppe der 60- bis 64-Jährigen zu 50 Prozent beschäftigt
ist.


(Elke Ferner [SPD]: Sozialversicherungspflichtig!)


– Sozialversicherungspflichtig. – Wenn also 50 Prozent
der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen sozialversiche-
rungspflichtig beschäftigt sind, dann wollen Sie sie ein-
führen. Das bedeutet aber doch im Umkehrschluss, liebe
Genossinnen und Genossen von der SPD, dass ihr die
Rente mit 67 einführen wollt, wenn 50 Prozent dieser
Altersgruppe noch keine sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung haben. Das bedeutet, Sie wollen die
Rente mit 67 einführen, obwohl Sie wissen, dass das bei
50 Prozent der Betroffenen zu einer reinen Rentenkür-
zung führt. Das ist absoluter Unfug, um es einmal ganz
deutlich zu sagen.


(Beifall bei der LINKEN – Elke Ferner [SPD]: Sie müssen das mal zu Ende lesen!)


– Selbstverständlich ist das so; wir können doch rech-
nen.

Im Übrigen ist es die falsche Altersgruppe; denn es ist
völlig unerheblich, ob die Altersgruppe der 60- bis 64-
Jährigen einen Job hat. Ausschlaggebend ist nur die
Gruppe der 64-Jährigen; denn viele in der Altersgruppe
der 60- bis 64-Jährigen werden sicher vor dem Erreichen
des 64. Lebensjahres aus dem Beruf ausscheiden. Das
müsstet ihr von der SPD doch auch gemerkt haben. Also
bitte, kehrt auf den Pfad der Tugend und zu einer ver-
nünftigen Rentenpolitik zurück!


(Beifall bei der LINKEN)


Das zweite Argument ist nun wirklich hochinteres-
sant. Ein wesentlicher Grund dafür, dass die Rente mit
67 eingeführt wurde, war aus Ihrer Sicht, dass die Le-
benserwartung der Menschen steigt, dass die Menschen
länger leben. Jetzt hat die Große Anfrage ergeben, dass
ausgerechnet bei der Gruppe der Geringverdiener dieser
Fakt überhaupt nicht zutrifft, dass deren Lebenserwar-

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(C (D ng gar nicht steigt. Im Gegenteil: Die Studie hat ergeen, dass die Geringverdiener zunehmend früher steren. (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch Quatsch! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wer hat die Studie erstellt?)


ährend sie im Jahre 2001 durchschnittlich mit
7,5 Jahren verstorben sind, verstarben sie im Jahr 2010

Durchschnitt mit 76 Jahren. Das ist ein Fakt, den die
tudie ergeben hat.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714903600

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714903700

Ja, gern.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1714903800

Herr Ernst, weil Sie den Eindruck erwecken, dass hier

issenschaftliche Ergebnisse zitiert würden, möchte ich
ie fragen: Würden Sie mir, wenn Sie von einer Studie
prechen, recht geben, wenn ich sage, dass es eine Studie
res Kollegen Birkwald ist, die Sie hier zitieren, und

ass das sozusagen ein linker Zirkelschluss ist?


(Heiterkeit bei der FDP)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714903900

Herr Dr. Kolb, das ist eine sehr interessante Bemer-

ung. Das, was ich eben vorgetragen habe, ergibt sich
us der Antwort der Bundesregierung.


(Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)


Aber selbstverständlich.


(Beifall bei der LINKEN)


s ergibt sich aus der Antwort der Bundesregierung auf
nsere Anfrage.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist es! Wer rechnen kann, ist klar im Vorteil! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dann sagen Sie, wo das steht!)


Ich bin gerne bereit, Herr Dr. Kolb, Ihnen hinterher
och die Tabelle vorzutragen, damit Sie das noch einmal
achvollziehen können. Ich gebe zu, die Antwort ist ein
isschen dick geworden; sie ist sehr umfangreich. Aber
ie Rentenpolitik der Bundesregierung ist ja auch sehr
chwierig. Fakt ist jedoch, Herr Dr. Kolb – auf diesen
akt müssen wir uns doch verständigen –: Wenn es so
t, dass Geringverdiener inzwischen früher sterben,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das stimmt nicht! Das steht hier nicht drin!)


ass man aber ausgerechnet den Geringverdienern zu-
uten will, länger zu arbeiten, dann bedeutet das, dass

ine Grundlage für die Rentenpolitik der Bundesregie-
ng überhaupt nicht vorhanden ist. Deshalb muss die
ente mit 67 zurückgenommen werden. Das ist die Kon-

equenz.

17786 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Klaus Ernst


(A) )


)(B)


(Beifall bei der LINKEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Frei erfunden!)


Im Übrigen – lassen Sie mich auch das noch sagen,
Herr Dr. Kolb – ist es so, dass wir offensichtlich ausge-
rechnet gegen die in diesem Land vorgehen, die wenig
verdienen. Sie weigern sich konsequent, den Mindest-
lohn einzuführen. Die Menschen mit geringeren Ein-
kommen haben geringere Renten. Jetzt stellen wir fest,
sie sterben auch noch früher. Das ist nicht hinzunehmen.
Über diesen Vorgang sollten Sie sich einmal Gedanken
machen.


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, ein drittes Argument
möchte ich noch anführen. Es heißt immer, wir müssten
die Rente mit 67 einführen; wir könnten uns die Rente
mit 65 nicht mehr leisten. Alle Antworten der Bundes-
regierung ergeben aber, dass der Beitragssatz nur um
0,5 Beitragssatzpunkte höher wäre, wenn wir bei der
Rente mit 65 blieben. Frau von der Leyen, das sind bei
einer paritätischen Finanzierung der Rente 0,25 Bei-
tragssatzpunkte. Das sind bei einem Durchschnittsver-
diener um die 6,30 Euro monatlich.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Auch das ist wieder falsch!)


Ich habe noch niemanden in diesem Lande erlebt, der
wegen eines um 6,30 Euro höheren Beitrags im Monat
zwei Jahre länger arbeiten möchte. Aber Sie muten das
den Leuten zu, und das ist inakzeptabel.


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
Wir haben ja nun Weihnachten. Vor Weihnachten gibt es
den Nikolaus, und der Nikolaus hat eine Rute. Ich sage
Ihnen: Wenn Sie dem Nikolaus begegnet wären, hätte er
Ihnen wegen Ihrer Rentenpolitik so lange den Hintern
versohlt, dass Sie bis Weihnachten nicht mehr sitzen
könnten.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714904000

Das Wort hat die Bundesministerin Ursula von der

Leyen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Arbeit und Soziales:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Ernst, wenn man Ihnen zuhört, gewinnt man den Ein-
druck, als ob die Rente mit 67 den Menschen tatsächlich
etwas wegnehmen würde.


(Zurufe von der LINKEN: Ja!)


– Da hört man die Linken schreien. – Es geht aber um
gewonnene Lebensjahre.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es! – Widerspruch bei der LINKEN)


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(C (D In den letzten 50 Jahren hat die Lebenserwartung um 1 Jahre zugenommen. Die durchschnittliche Rentenbeugszeit hat sich in den letzten 50 Jahren von 10 Jahren uf 18 Jahre erhöht. Man muss schon so betonhart wie ie Linke in der Vergangenheit leben, m diese Wirklichkeit nicht realisieren zu können, meine amen und Herren. Ich habe mich wirklich gefragt, ob die Linke die Stastiken der Deutschen Rentenversicherung auch heute och einmal dazu missbrauchen würde, m den Unsinn zu erzählen, dass bei Geringverdienern den letzten drei Jahren die Lebenserwartung entgegen em Trend gesunken sei. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das steht doch da!)


(Zurufe von der LINKEN: Oh!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Zuruf von der LINKEN: Na, na!)


ir haben vorhin geklärt, dass es keine Studie ist, son-
ern dass die Deutsche Rentenversicherung Statistiken
eliefert hat, aus denen Sie etwas herausgelesen haben.
ie Deutsche Rentenversicherung hat klipp und klar ge-

agt, dass aus diesen kleinen Fallzahlen kein Trend abzu-
sen ist. Aber auch da bleiben Sie beinhart in der Ver-
angenheit.

Ich empfehle Ihnen einen ausgesprochen guten Arti-
el aus der Sächsischen Zeitung.


(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Richtig!)


iese Zeitung hat nämlich diesen Unsinn einmal aufge-
riffen und mit der Technik der Linken die Miniaturfall-
ahlen so analysiert, dass man auch einen vermeintli-
hen anderen Trend herauslesen kann. Danach ergäbe
ich nämlich, dass sich die Lebenserwartung von gering-
erdienenden Frauen im Osten – oh Wunder! – um lo-
kere sechs Jahre von 79 auf 85 verlängert hat.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und bei den Männern, Frau Ministerin?)


as Ergebnis ist also hervorragend, wenn man die Statis-
ken auf die Art und Weise interpretiert, wie die Linke
amit umgeht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


as ist ein Paradestück dafür, dass die Linken mit Zah-
n nicht umgehen können.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unsinn! Völliger Unsinn!)


s zeigt den tiefen Realitätsverlust der Linken. Ihnen
asst es nämlich nicht, zur Kenntnis zu nehmen, dass die
irklichkeit Ihnen inzwischen etwas völlig anderes ins

tammbuch schreibt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Noch haben wir keinen einzigen Monat Arbeit mehr.
diesem Jahr ist es noch so, dass mit 65 Jahren die ab-

chlagsfreie Rente bezogen werden kann. Wenn die

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17787

Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen


(A) )


)(B)

Rente mit 67 Jahren greift, werden wir 5 Millionen Men-
schen mehr in der Rente und 6 Millionen Menschen we-
niger im erwerbsfähigen Alter haben. Es ist schön, wenn
wir alle länger leben. Aber das heißt auch, dass die Mitte
schmilzt. Diese Veränderung in der Alterszusammenset-
zung der Bevölkerung hat längst stattgefunden. Dement-
sprechend entsteht jetzt auch ein neues Bild des Alters.

Schauen wir uns einmal die Zahlen an. In den letzten
zehn Jahren hat sich schon enorm viel verändert. Die
Zahl der Erwerbstätigen im Alter von über 55 Jahren hat
sich um 1,5 Millionen erhöht. 57 Prozent der 55- bis 64-
Jährigen stehen inzwischen im Erwerbsleben. Das ist
hinter Schweden Platz zwei in Europa. Wir können stolz
darauf sein, dass diese Veränderung inzwischen stattge-
funden hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Bei den 60- bis 64-Jährigen hat sich die Erwerbstäti-
genquote in den letzten zehn Jahren sogar verdoppelt.
Ich weiß, dass Sie immer nur auf die sozialversiche-
rungspflichtig Beschäftigten schauen. Dort ist die Er-
werbstätigenquote deutlich mehr als doppelt so hoch.
Mit der Technik der Linken betrachtet, hat sie um
150 Prozent zugenommen. Auch dabei handelt es sich
um einen Erfolg des Arbeitsmarktes und einen Erfolg
der Älteren am Arbeitsmarkt in den letzten zehn Jahren,
meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Elke Ferner [SPD]: Auf 8 Prozent! Das ist wirklich enorm!)


Ich glaube, wenn im Jahr 2029 – erst dann greift die
Rente mit 67 – so viel mehr Menschen älter sind und so
viel weniger Menschen am Arbeitsmarkt sind, ist es
auch eine Frage der Fairness und der Gerechtigkeit der
schmelzenden Mitte gegenüber, zu sagen: Wenn wir
zehn Jahre Lebenserwartung dazugewonnen haben, dann
können wir zwei Jahre davon in Arbeit investieren.


(Elke Ferner [SPD]: Dann muss man aber erst einmal einen Arbeitsplatz finden, Frau Minsterin!)


Das ist eine Frage der Gerechtigkeit den Jungen gegen-
über. Auch das sollten wir einmal thematisieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Bitte an die Linken ist: Hören Sie endlich auf,
die Alten so schwachzureden.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist eine Unverschämtheit!)


Die Älteren sind am Arbeitsmarkt unverzichtbar. Die Äl-
teren, die später die Rente mit 67 erarbeiten werden, ge-
hören meiner Generation an. Wir sind die Ersten, die die
Rente mit 67 dann auch tatsächlich mit Leben füllen
müssen.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714904100

Frau Ministerin, der Kollege Ernst äußert den

Wunsch nach einer Zwischenfrage.

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(C (D Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für rbeit und Soziales: Nein, bitte keine Zwischenfrage. Ich möchte den Ge anken zu Ende führen. Er kann nachher eine Kurzinterention machen. Es ist meine Generation, also die Generation der jetzt ber 50-Jährigen, die in die Rente mit 67 hineinwächst. h würde es einfach einmal andersherum formulieren: ir werden gebraucht. Wir trauen uns auch etwas zu. Ja, ir werden als Gesellschaft älter. Aber die Ältereren leiben auch länger jung. Es ist keine Frage des Alters, ondern es ist eine Frage der Fähigkeiten und der Motiation, am Arbeitsmarkt teilnehmen zu können. Ich möchte einen zweiten Gedanken einführen. Wir aben in den letzten Tagen intensiv über den Euro und ber Europa diskutiert. Wir haben uns alle miteinander st in die Hand versprochen, dass das nachhaltige Wirt chaften in Europa einer der Garanten dafür ist, dass ieder Vertrauen in Europa entsteht. Europa ist insge amt ein Kontinent auf dem Weg zum langen Leben. Dauf müssen wir reagieren. Großbritannien, Frankreich, panien und Dänemark haben inzwischen die Rente mit 7 eingeführt. Sie werden sie sogar sehr viel früher als ir erreichen. Italien wird wahrscheinlich nachziehen. lle handeln in dem Wissen: Wer sich der Wirklichkeit icht stellt, der ruiniert seine Sozialsysteme. (Elke Ferner [SPD]: Sie stellen sich doch nicht der Wirklichkeit!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


arum sollten ausgerechnet wir jetzt eine Rolle rück-
ärts machen? Nein, wir bleiben standfest, weil wir das
en jungen Menschen in unserem Land schuldig sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir müssen in den nächsten Jahren nach vorne
chauen, bis die Rente mit 67 Jahren greift. Bis zum
ahre 2029 müssen wir daran arbeiten, die Rente mit
7 mit Leben zu erfüllen. Mir ist wichtig, dass wir die
rage eines guten Übergangs und der Gerechtigkeit be-
ntworten. Wir möchten dazu die Kombirente vorschla-
en, die bewirkt, dass man mit Teilzeitarbeit und Teil-
nte den Übergang in die Rente schon früher, also im
lter zwischen 63 und 67 Jahren, schaffen kann.

Wenn wir über die Rente mit 67 im Jahr 2029 spre-
hen, ist es wichtig, die Frage zu stellen – das ist eben
ine Frage der Gerechtigkeit –, ob insbesondere Gering-
erdiener, wenn sie 30, 35 oder 40 Jahre Beiträge ge-
ahlt haben, es schaffen, eine eigene auskömmliche
ente zu erhalten. Darunter sind sehr viele Frauen, die
eilzeit gearbeitet haben, aber nicht aus Bequemlichkeit.
h sage es noch einmal: Das ist meine Generation. Da-
als hat es keine Ganztagsschulen und nur wenig Kin-

ergartenplätze gegeben, von Krippenplätzen war über-
aupt nicht die Rede. Wenn diese Frauen gearbeitet
aben, dann haben sie sich wirklich krummgelegt, und
war ein Leben lang. Sie haben neben der Arbeit Kinder
rzogen und die Älteren gepflegt. Sie müssen, wenn sie
r ihr Alter vorgesorgt haben, am Ende des Lebens eine

17788 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen


(A) )


)(B)

eigene Rente haben. Deshalb streiten wir jetzt über die
Zuschussrente.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Das will doch außer Ihnen niemand!)


Diese Frage der Gerechtigkeit müssen wir jetzt im Inte-
resse der betroffenen Menschen beantworten. Dafür
stehe ich hier.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich bin der festen Überzeugung, dass wir den jungen
Menschen gegenüber gerecht sein müssen und bereit
sein müssen, einen Teil unseres längeren Lebens in Ar-
beit zu investieren. Andererseits müssen wir den Gering-
verdienern, die sich wirklich krummgelegt und ein Le-
ben lang alles richtig gemacht haben, eine eigene Rente
ermöglichen.


(Elke Ferner [SPD]: Sehen Sie zu, dass aus Geringverdienern Normalverdiener werden! – Anette Kramme [SPD]: Wir sind gespannt, wann Sie einen Antrag zum Mindestlohn allgemeiner Art einbringen werden!)


Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Ohne diese Gerech-
tigkeit verliert das Rentensystem seine Berechtigung,
und ohne Kinder verliert es seine Zukunft.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714904200

Zu einer Kurzintervention der Kollege Klaus Ernst.


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714904300

Frau von der Leyen, ich möchte Ihnen – ich habe jetzt

doch noch die Gelegenheit, etwas zu sagen – eine ganz
konkrete Frage stellen. Ab 1. Januar nächsten Jahres,
also ab 1. Januar 2012, gibt es Abschläge bei der Rente
für langjährig Versicherte ab dem Jahrgang 1949, und
zwar in Höhe von 0,9 Prozent, also circa 1 Prozent,
wenn sie drei Monate früher in Rente gehen. Ist das rich-
tig, oder ist das falsch? Wenn es richtig ist, heißt das
dann nicht, dass die Rentenkürzung nicht erst ab 2029
greift, was Sie eben zu vermitteln versuchten, sondern
eigentlich ab dem 1. Januar des Jahres 2012? Diese
Frage ist sehr konkret. Man braucht sie auch nicht mit
Hinweis auf England, Afrika oder Frankreich zu beant-
worten. Man kann sie mit Ja oder Nein beantworten.

Zu Ihrer Zuschussrente, Frau von der Leyen. Sie wis-
sen genauso gut wie ich, dass diese Zuschussrente so gut
wie niemand erhält. Sie ist daran gebunden, dass jemand
privat vorgesorgt hat. Jetzt wissen wir ganz genau, dass
insbesondere Geringverdiener kaum in der Lage sind,
privat vorzusorgen, und das auch kaum tun. Übrigens
sind geringverdienende Männer laut dieser Statistik ganz
besonders betroffen, weil sie erstens inzwischen tatsäch-
lich eine geringere Lebenserwartung haben und weil ih-
nen zweitens kaum die Möglichkeit zur Vorsorge gege-
ben ist. Das bedeutet aber, dass sie nicht in den Genuss
der Zuschussrente kommen, weil sie nicht privat vorge-

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(C (D orgt haben. Diese Zuschussrente ist ein Placebo. Sie ollen den Menschen in diesem Land Sand in die Augen treuen. Das möchte ich mit aller Klarheit sagen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714904400

Frau von der Leyen zur Erwiderung, bitte.

Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
rbeit und Soziales:
Herr Ernst, an der Länge Ihrer verschwurbelten ersten

rage konnte man sehen, dass Sie versucht haben, einen
infachen Zusammenhang möglichst kompliziert darzu-
tellen, damit er Ihrer Realitätsverweigerung standhält.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der LINKEN)


eine einfache Antwort ist: Ab 2012 müssen die Men-
chen einen Monat länger arbeiten, Herr Ernst; mehr
icht in diesem Jahr.


(Elke Ferner [SPD]: Was ist, wenn sie keinen Job haben?)


h glaube, es ist eine Frage der Gerechtigkeit den Jun-
en gegenüber, dass wir langsam, aber sicher monats-
eise in die Rente mit 67 einsteigen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Reden Sie sich nicht heraus! Ja oder Nein?)


Sie haben eben das Wort gehabt. Jetzt habe ich es.

Zu Ihrer zweiten Frage: Die Zuschussrente ist auf die
ukunft ausgerichtet. Das heißt, wir stellen die Bedin-
ung der Vorsorge nicht für die Vergangenheit, sondern
r die Zukunft, auch um deutlich zu machen: Wenn un-

er Rentensystem auf Dauer halten soll, dann muss es
uf zwei Beinen stehen, nämlich der gesetzlichen Rente
nd der privaten Vorsorge.

Schon heute sind 30 Prozent der Riester-Sparer Ge-
ngverdiener. 50 Prozent aller Riester-Sparer haben ein
hrliches Einkommen von unter 20 000 Euro. Mit
Euro im Monat ist man mit dem kleinsten Einkommen

abei. Es gibt 13 Euro Zuschuss vom Staat für einen Er-
achsenen.


(Anette Kramme [SPD]: Was kassiert die Versicherung als Provision? Wie hoch ist die Rendite bei der Riester-Rente?)


s gibt 25 Euro Zuschuss für ein Kind. Deshalb wollen
ir auf die Dauer die private Vorsorge als zweites Stand-
ein ausbauen. Es muss sich aber zum Schluss für die
eringverdiener lohnen, damit sie ihre Riester-Rente,
re betriebliche Altersvorsorge oder eine andere Vor-

orge tatsächlich als eigene Rente haben. Das ist der
rundgedanke der Zuschussrente. Deshalb werden wir
arum kämpfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie verweigern eine Antwort!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17789


(A) )


)(B)


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714904500

Die Kollegin Elke Ferner hat jetzt das Wort für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1714904600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau von der Leyen, das war ein Vortrag wie immer: viel
heiße Luft, nichts dahinter, keine eigenen Vorschläge
und den Leuten Sand in die Augen streuen. Das kennen
wir von Ihnen.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/ CSU]: Wir sind gespannt auf Ihre Vorschläge!)


Ich werde noch auf einzelne Punkte zurückkommen.

Wir haben damals, als das Renteneintrittsalter gesetz-
lich angehoben worden ist, aus gutem Grund eine Über-
prüfungsklausel gesetzlich festgeschrieben. Dabei sollte
die Bundesregierung eine Einschätzung darüber abge-
ben, ob angesichts der Entwicklung der Arbeitsmarkt-
lage sowie der sozialen und wirtschaftlichen Lage der
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen eine Anhebung
des Renteneintrittsalters vertretbar ist.

Sie, die Bundesregierung, aber auch die Koalitions-
fraktionen, halten das für vertretbar. Sie erliegen damit
nicht nur einer groben Fehleinschätzung. Denn wer an-
gesichts der Zahlen zu den Beschäftigungsquoten der so-
zialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen, die von Ihnen selber in der di-
cken Drucksache als Antwort der Bundesregierung zur
Verfügung gestellt worden sind, zu einem solchen
Schluss kommen kann und gleichzeitig in derselben Wo-
che die vergleichsweise großzügigen Bedingungen bei
der Pensionierung der politischen Beamten noch weiter
vergolden will, leidet an mehr als an Realitätsverlust,
liebe Kollegen und Kolleginnen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben von der sozialen Lage der Menschen in die-
sem Land keine Ahnung. Das ist weder christlich noch
sozial; das ist beschämend. Man könnte auch sagen, Frau
von der Leyen: Das ist betonhart.

Ich möchte noch einmal auf Ihre eigenen Zahlen ver-
weisen. Im letzten Jahr waren gerade einmal 19,1 Pro-
zent der 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig
beschäftigt. Bei den 64-Jährigen waren es noch nicht
einmal 9 Prozent. Das ist übrigens die Steigerung um
150 Prozent, die Frau von der Leyen eben angesprochen
hat.

Das zeigt, dass das Leitbild der Erwerbstätigkeit bis
zum Renteneintritt derzeit nur eine Illusion ist. Nur jeder
fünfte Versicherte ist gegenwärtig vor dem Eintritt in die
Altersrente tatsächlich sozialversicherungspflichtig be-
schäftigt. Ein Viertel kommt aus Arbeitslosigkeit oder
Altersteilzeit, und der Rest hat überwiegend keinen Er-

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(C (D erbsstatus. Ihre Aussage, Frau von der Leyen, es gehe ur um einen Monat, trifft nur auf die knapp 9 Prozent u, die sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Es ifft aber nicht auf die übrigen 91 Prozent zu, um die es ier geht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was ist mit denen, die arbeitslos sind? Sie werden,
enn sie langzeitarbeitslos sind, in eine abschlagsge-
inderte Rente gezwungen. Das kann man doch nicht
ollen. Das kann man nicht ignorieren. Deshalb haben
ir damals eine Überprüfungsklausel gewollt, und des-
alb schlagen wir heute in unserem Antrag vor, dass die
nhebung des Renteneintrittsalters so lange ausgesetzt
ird, bis mindestens 50 Prozent der 60- bis 64-Jährigen

iner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung,
achgehen.


(Beifall bei der SPD)


Das Schlimme ist, dass Sie trotz dieser Zahlen nicht
ur an der Anhebung des Renteneintrittsalters festhalten,
ondern dass Sie darüber hinaus Milliarde um Milliarde
ei der aktiven Arbeitsmarktpolitik kürzen.


(Katja Mast [SPD]: Genau!)


as heißt, Sie vergrößern nicht, sondern Sie verringern
ie Chancen der älteren Beschäftigten, im Arbeitsmarkt
u bleiben und aus der Arbeit heraus in Rente zu gehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])


as ist Ihre Politik, Frau von der Leyen. Ich sage Ihnen:
erade in Zeiten, in denen es wirtschaftlich besser geht,
uss man sich intensiv um die Langzeitarbeitslosen

ümmern; denn nur in den Zeiten haben sie überhaupt
ine Chance, wieder in Arbeit zu kommen. Stattdessen
ürzen Sie in den nächsten Jahren Mittel in Höhe von
ber 24 Milliarden Euro für die aktive Arbeitsmarktpoli-
k. Das ist wirklich ein Armutszeugnis.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Weil Sie eben auf die Frage des Kollegen Ernst nicht
eantwortet haben, möchte ich deutlich machen, was die
nhebung des Renteneintrittsalters für Langzeitarbeits-
se bedeutet. Wer heute die Voraussetzungen erfüllt, um
it 63 Jahren in Rente zu gehen, aber langzeitarbeitslos
t, muss Abschläge in Höhe von 7,2 Prozent dauerhaft
innehmen. Mit jedem Monat der Heraufsetzung der Re-
elaltersgrenze erhöhen sich diese Abschläge um
,3 Prozentpunkte, also, wie Herr Ernst eben gesagt hat,
nerhalb von drei Monaten um knapp 1 Prozent. In der
ndstufe reden wir über 14,4 Prozent insgesamt.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: So ist die Realität!)


ie Menschen empfinden es zu Recht als Rentenkür-
ung, wenn sie nicht die Gelegenheit haben, selber zu

17790 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Elke Ferner


(A) )


)(B)

bestimmen, ob sie aus der Arbeit in die normale Rente
oder in eine vorgezogene Rente gehen. Die Situation,
dass die Menschen selber darüber entscheiden können,
haben wir leider immer noch nicht erreicht.

Sie haben eben über niedrige Rentenanwartschaften
gesprochen. Ich sage Ihnen: Mit Ihrer Zuschussrente, die
mittlerweile außer Ihnen selbst überhaupt niemand mehr
gut findet, lösen Sie das Problem nicht. Sie als Arbeits-
ministerin müssten sich eigentlich für Mindestlöhne
nicht nur einsetzen, sondern sie einführen. Das wäre Ihre
Aufgabe.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie als Arbeitsministerin müssten sich dafür einsetzen,
dass die Entgeltdiskriminierung von Frauen beseitigt
wird. Auch das ist ein Grund, warum gerade Frauen so
niedrige Renten haben; denn sie haben niedrige Löhne.
Sie müssten eigentlich Ihren Kollegen von den Koali-
tionsfraktionen auf die Finger klopfen, wenn diese ver-
einbaren, die Minijobgrenze von 400 Euro auf 450 Euro
zu erhöhen. Denn was bedeutet das? Weniger sozialver-
sicherungspflichtige Beschäftigung, mehr Altersarmut.
Das ist das Ergebnis einer solchen Politik.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie nur am Ende ansetzen, dann springen Sie zu
kurz. Die Brüche in den Erwerbsbiografien können wir
nicht ausschließlich über das Rentenrecht korrigieren.
Natürlich muss man auch da korrigieren, aber aus-
schließlich da zu korrigieren, funktioniert nicht. Ihre Zu-
schussrente ist eine Belohnung für diejenigen, die privat
vorgesorgt haben. Aber all denjenigen, die wegen der Si-
tuation auf dem Arbeitsmarkt in ihren Regionen, ob im
Osten oder im Westen, oder wegen fehlender Kinderbe-
treuungsmöglichkeiten oder anderer Dinge keine voll-
ständige Erwerbsbiografie haben, helfen Sie nicht, und
denen wollen Sie auch gar nicht helfen. Sie wollen näm-
lich nur denen helfen, die eine entsprechend große An-
zahl von Jahren privater Vorsorge haben. Die anderen
lassen Sie außen vor. Damit springen Sie zu kurz.

Wir schlagen vor, dass die Rente nach Mindestent-
geltpunkten so lange verlängert wird, bis wir einen flä-
chendeckenden Mindestlohn in diesem Land haben. Wir
schlagen weiterhin vor, dass die Zeiten der Langzeitar-
beitslosigkeit höher bewertet werden, wenn insgesamt
weniger als 30 Entgeltpunkte erworben worden sind.
Das sind Nachteilsausgleiche, die wir für notwendig hal-
ten, die wir dann aber auch über Steuern und nicht über
Beiträge finanzieren wollen.


(Beifall bei der SPD)


Frau von der Leyen, Sie haben eben gesagt, Sie
kämpften um Ihre Zuschussrente. Das heißt im Klartext:
Sie haben sie noch lange nicht eingetütet. Ich bin einmal
gespannt, ob der Finanzminister, wenn im nächsten Jahr
an vielen anderen Stellen noch zusätzlicher Finanzie-
rungsbedarf besteht, mit wehenden Röcken auf Sie zuge-

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(C (D ufen kommt, um Ihnen das Geld zur Verfügung zu steln. Denn das über Beiträge zu finanzieren, hielte ich in er Tat für ganz schwierig, weil das nichts mit der Beiagsbezogenheit der Rente und mit Arbeitsleistung zu n hat. Wer das Renteneintrittsalter erhöht, muss sich auch arüber Gedanken machen, wie Menschen in Beschäftiung bleiben können. Dazu gehört auch ein betriebliches esundheitsmanagement. Dazu gehört ebenfalls, denen hancen auf dem Arbeitsmarkt zu geben, die lange geareitet haben, die vielleicht 60 und älter sind und eine örperliche Beeinträchtigung haben, die zwar, Gott sei ank, noch nicht so schlimm ist, dass es zur Erwerbsinderungsrente reicht, die aber dennoch so groß ist, ass man seine alte Beschäftigung nicht mehr ausüben ann. Wir möchten gerne – Herr Kollege Ernst, Ihre Ausage eben, dass uns die restlichen 50 Prozent egal sind, t falsch –, dass alle über 60-Jährigen gegenüber der undesagentur für Arbeit einen Rechtsanspruch auf eine ozialversicherungspflichtige Beschäftigung bekommen, amit sie eben nicht in der Arbeitslosigkeit und dann in er vorgezogenen abschlaggeminderten Rente landen, ondern damit sie aus der Erwerbsarbeit, also sozusagen us eigener Kraft, in Rente gehen können. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as ist im Übrigen der Unterschied zwischen Ihnen und
ns: Sie sind grundsätzlich dagegen, während wir die
uffassung vertreten, dass man unter bestimmten Bedin-
ungen durchaus eine Anhebung des Renteneintritts-
lters vertreten kann.

Wir sehen darüber hinaus Handlungsbedarf bei der
rwerbsminderungsrente. Wir möchten gerne die Zu-
chnungszeiten in einem Schritt bis zum 62. Lebensjahr

nheben, und wir möchten gerne auch die rentenrechtli-
hen Abschläge auf die Erwerbsminderungsrenten ab-
chaffen. Ich weiß nicht, wie Sie jemandem diese
bschläge erklären können; ich konnte sie bisher nie-
andem erklären. Wer erwerbsgemindert ist, der geht

icht freiwillig in Rente, weil er es sich nicht aussuchen
ann, sondern er geht in Rente, weil er körperlich beein-
ächtigt ist und nicht mehr arbeiten kann. Angesichts
essen halten wir an dieser Stelle Abschläge für nicht
eboten; sie gehören vielmehr schlicht und ergreifend
bgeschafft.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es ist an der Zeit, die Übergänge in die Rente so zu
exibilisieren, dass sie den Bedürfnissen und den Wün-
chen der Beschäftigten mehr entgegenkommen, als es
eute der Fall ist. Wir wollen Menschen ab dem 60. Le-
ensjahr eine Teilrente ermöglichen, die mit einer Teil-
eitbeschäftigung einhergeht. Wir möchten, dass die Ab-
chläge ausgeglichen werden können. Vor allen Dingen
öchten wir sicherstellen, dass bei Inanspruchnahme ei-

er solchen Rente keine Altersarmut vorprogrammiert
t. Wir möchten also, dass ein Schutz für die Beschäf-
gten aufgebaut wird, damit Arbeitgeber sie nicht über

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17791

Elke Ferner


(A) )


)(B)

die Teilrente aus der Beschäftigung herausdrängen kön-
nen.

Letzter Punkt: Wer alles soll in die Rentenversiche-
rung einzahlen müssen? Gerade weil die Erwerbsver-
läufe so vielfältig geworden sind, müssen dem auch die
sozialen Sicherungssysteme gerecht werden. Deshalb
wollen wir eine Erwerbstätigenversicherung in der ge-
setzlichen Rentenversicherung einführen. Einbezogen
werden sollen zunächst einmal die Soloselbstständigen,
die bekanntermaßen ebenfalls sehr stark von Altersarmut
bedroht sind, damit sie nach einem langen Arbeitsleben
eine entsprechende Absicherung im Alter haben.

Unterm Strich kann ich nur an Sie appellieren, liebe
Kollegen und Kolleginnen von der Koalition: Schauen
Sie sich die Zahlen einfach noch einmal an! Spielen Sie
nicht die drei chinesischen Affen – nichts sehen, nichts
hören und nichts sagen –, sondern ziehen Sie die Konse-
quenzen aus den Zahlen, die Sie selber vorgelegt haben!

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714904700

Der Kollege Heinrich Kolb hat jetzt das Wort für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1714904800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zunächst einmal – Frau Ferner, ich weiß, Sie mögen das
nicht –: Wir müssen hier die Verantwortungen klarstel-
len. Es war die SPD, die die Rente mit 67 in Deutschland
wollte und eingeführt hat.


(Elke Ferner [SPD]: Das stimmt doch nicht, Herr Kolb!)


Da beißt die Maus keinen Faden ab.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie wollten die Rente mit 67. – Frau Ferner, Sie dürfen
sofort eine Zwischenfrage dazu stellen.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714904900

Jetzt gleich? – Bitte, Frau Ferner.


Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1714905000

Herr Kollege Kolb, würden Sie bitte zur Kenntnis

nehmen, dass in unserem Wahlprogramm 2005 aus-
drücklich gestanden hat, dass wir keine Rente mit 67
wollen,


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Es geht nicht ums Wahlprogramm, sondern ums Tun!)


dass im Wahlprogramm der Union gestanden hat, dass
sie eine Anhebung der Regelaltersgrenze will und dass
im Koalitionsvertrag ein Kompromiss geschlossen wor-

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(C (D en ist, der für viele in meiner Partei schmerzhaft geween ist? Es ist zufällig ein SPD-Arbeitsminister gewesen, er das umzusetzen hatte, was in der Koalitionsvereinbang stand. Ich weise die Behauptung, dass das unsere rfindung gewesen ist, entschieden zurück. Im Gegenil: Es ist die Erfindung der Christlich Demokratischen nion und der Christlich-Sozialen Union gewesen. Frau Kollegin Ferner, ich glaube, mit dem, was Sie da erade darzustellen versuchen, betreiben Sie jetzt ein isschen Geschichtsklitterung. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1714905100

s heißt ja in der Bibel: An ihren Taten sollt ihr sie er-
ennen. – Nicht an ihren Wahlprogrammen, sondern an
ren Taten sollt ihr sie erkennen. Sie können mich ja

erne korrigieren, aber nach allem, was ich weiß, ist vor
iner denkwürdigen Kabinettssitzung der SPD-Minister
ranz Müntefering, der unter dem starken Druck stand,
inen Rentenversicherungsbericht vorzulegen, zu dessen
esentlichem Bestandteil eine Beitragsprojektion ge-
ört, an die Bundeskanzlerin herangetreten und hat sie
m Zustimmung zur Einführung einer Rente mit 67 ge-
eten,


(Elke Ferner [SPD]: Im Koalitionsvertrag stand das drin!)


eil nur so, Frau Kollegin Ferner, die Beitragsziele zu
alisieren waren, die man sich vorgenommen hatte und

ie in diesem Rentenbericht ausgewiesen werden muss-
n.


(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: So war es!)


o war es nach meiner Erinnerung.


(Elke Ferner [SPD]: Sie waren nicht dabei!)


Ich war zwar nicht in der Kabinettssitzung dabei, aber
as ist damals alles sehr zeitnah und breit berichtet wor-
en und von Franz Müntefering nie dementiert worden.
h finde es einfach feige,


(Elke Ferner [SPD]: Der Koalitionsvertrag ist maßgeblich, Herr Kolb!)


enn Sie sich heute hier hinstellen und sagen: Wir sind
s nicht gewesen. Die CDU war es. – Nein, die SPD war
derführend dabei und war treibende Kraft bei diesem
rojekt. Das muss man hier sehr deutlich sagen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Waren Sie dagegen, Herr Dr. Kolb?)


Wir haben damals übrigens dagegen gestimmt.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Warum?)


Wir hatten unsere Gründe, dass wir dagegen gestimmt
aben. Aber wir haben uns natürlich auch die weitere
ntwicklung angeschaut. Dazu will ich gerne noch et-
as sagen. Das kann ich wesentlich ausführlicher darle-
en, wenn Sie, Herr Ernst, eine Zwischenfrage stellen.

17792 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Dr. Heinrich L. Kolb


(A) )


)(B)

Die Beitragsziele, die man erreichen wollte, Frau
Kollegin Ferner, waren damals also maßgebend. Der
entscheidende Satz in der Drucksache 17/7966, der
schon auf Seite 3 steht, lautet:

Würde auf die Anhebung der Altersgrenzen gemäß
dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz verzich-
tet, fiele der Beitragssatz im Jahr 2030 um 0,5 Pro-
zentpunkte höher aus. Gleichzeitig wäre das Siche-
rungsniveau vor Steuern um 0,6 Prozentpunkte
geringer.

Hier müssten Sie als eine Partei, die zu Regierungszeiten
entsprechende Maßnahmen ergriffen hat, jetzt, in Oppo-
sitionszeiten, doch eigentlich in ihrem Entschließungs-
antrag eine Antwort auf die Frage geben, wie das zu-
künftig aussehen soll, statt sich einen schlanken Fuß zu
machen.

Sie sagen jetzt einfach: Wir schieben das in die Zu-
kunft. – Demografisch ändert sich aber dadurch über-
haupt nichts. Die Probleme, die Franz Müntefering
damals verantwortungsvoll lösen wollte, bestehen un-
verändert fort. Sie wollen nun die Lösung wegnehmen,
sagen aber nicht, was an die Stelle dieser Lösung treten
soll. Das finde ich einfach unverantwortlich. Auch eine
Oppositionspartei hat ein Mindestmaß an Verantwortung
in diesem Haus wahrzunehmen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Jetzt komme ich zu dem Punkt, den auch der Kollege
Ernst angesprochen hat. – Frau Kollegin Ferner, ich
wäre dankbar, wenn Sie mir Ihre ungeteilte Aufmerk-
samkeit schenken könnten.


(Elke Ferner [SPD]: Herr Kolb, ich bin multitaskingfähig! Ich kann das!)


– Das ist sehr schön. Gut. – Jetzt frage ich Sie: Welche
Entwicklung haben Sie denn damals eigentlich bei der
Erwerbsteilhabe und der Quote der sozialversicherungs-
pflichtig beschäftigten Älteren erwartet? Sie müssen
doch irgendeine Vorstellung gehabt haben. Ich könnte ja
verstehen, dass die SPD jetzt Bauchschmerzen be-
kommt, wenn es in den letzten Jahren ganz furchtbar und
katastrophal gelaufen wäre.


(Elke Ferner [SPD]: 9 Prozent ist doch lächerlich gering!)


Nur: Die Zahlen sprechen doch eine vollkommen andere
Sprache, Frau Kollegin Ferner.


(Elke Ferner [SPD]: Sie haben offensichtlich Wahrnehmungsstörungen!)


Die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64-Jährigen hat sich
von 2000 bis 2009 auf mehr als 40 Prozent verdoppelt.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist die falsche Bezugsgröße! Es geht nicht um die Erwerbstätigen, sondern um die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten!)


Es handelt sich übrigens, wie ich finde, um einen Fehler
in Ihrem Entschließungsantrag, dass Sie nur auf die
Quote der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in

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(C (D iesem Alter abstellen. Man muss fairerweise natürlich uf die Erwerbstätigkeit insgesamt abstellen, eil natürlich die Beamten mit dazuzählen, auch die oldaten, die bis zu ihrem 65. Lebensjahr Dienst tun, (Elke Ferner [SPD]: Wollen Sie Herrn Ackermann auch noch dazunehmen, oder wie?)


(Zurufe von der LINKEN)


nd andere, die in der Gruppe der Erwerbstätigen einge-
chlossen, aber aus der Gruppe der sozialversicherungs-
flichtig Beschäftigten ausgeschlossen sind. Wenn Sie
agen, von allen, die 64 oder 65 Jahre alt sind,


(Elke Ferner [SPD]: 60 bis 64!)


üssen 50 Prozent sozialversicherungspflichtig beschäf-
gt sein, dann legen Sie die Messlatte für die Gruppe der
ozialversicherungspflichtig Beschäftigten so hoch, dass
s nie zur Einführung der Rente mit 67 kommen könnte,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


denfalls nicht in den nächsten 10 bis 15 Jahren. Da
uss ich Ihnen sagen: Hier handelt es sich um einen
ersuch der Irreführung und Täuschung. Sie machen
ich hier wirklich vom Acker.


(Zuruf von der SPD: Vom Acker machen sich andere!)


as kann ich und das werden wir Ihnen nicht durchge-
en lassen. Sie stehen hier genauso in der Verantwor-
ng.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Jetzt zu den Linken; denn eigentlich diskutieren wir ja
ber Ihre Große Anfrage und die Antworten. Herr Kol-
ge Ernst und auch Herr Kollege Birkwald – der sitzt ja
icht nur zufällig dort, sondern hat das Ganze wesentlich
it ausgearbeitet –:


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Er wird auch gleich reden!)


ir sind ja von den Linken einiges gewohnt. Aber dass
ie es diesmal derart unseriös angehen, das ist auf der
ach unten offenen Birkwald-und-Ernst-Skala ein neuer
iefstand. Das muss man einmal klipp und klar sagen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Lachen bei der LINKEN – Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Herr Ernst möchte eine Zwischenfrage stellen, Frau
räsidentin.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714905200

Herr Ernst, möchten Sie eine Zwischenfrage stellen?

h glaube, Herr Kolb freut sich sehr.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1714905300

Ja, klar.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17793

Dr. Heinrich L. Kolb


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)(B)


(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Er will noch tiefer!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714905400

Bitte schön.


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714905500

Herr Dr. Kolb, nur wegen der Seriosität: Sie haben

gerade versucht, darzustellen, dass die Bezugsgröße
falsch sei, wenn man die 60- bis 64-Jährigen nehme.
Stimmen Sie mir zu, dass Rentenansprüche ausschließ-
lich diejenigen stellen, die sozialversicherungspflichtig
beschäftigt sind, die also in die Rentenkasse einbezahlt
haben?

Tatsächlich müssen wir, wenn wir nach den Voraus-
setzungen zur Einführung der Rente mit 67 fragen, die
Gruppe der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
betrachten,


(Elke Ferner [SPD]: So ist es!)


weil die anderen überhaupt nicht rentenbezugsberechtigt
sind.

Wenn Sie von Unseriosität reden, dann würde ich Sie
bitten, darauf zu achten, was Sie hier eigentlich sagen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sonst kann man Sie überhaupt nicht mehr ernst nehmen.

Ich schließe eine zweite Frage an: Stimmen Sie mir
denn zu – weil Frau von der Leyen diese Frage nicht be-
antwortet hat –, dass es tatsächlich so ist, dass langjährig
Versicherte, die jetzt, ab dem 1. Januar 2012, vor dem
67. Lebensjahr in Rente gehen – wenn sie nicht arbeiten,
weil sie keine Beschäftigung haben –, pro Monat
0,3 Prozent Abschläge hinnehmen müssen und damit bis
einschließlich März nächsten Jahres schon fast 1 Prozent
weniger Rente bekommen?

Ich bitte Sie, diese Frage nicht so kompliziert zu be-
antworten, wie es Frau von der Leyen versucht hat. Die
kann man nämlich wirklich mit Ja oder Nein beantwor-
ten.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1714905600

Ihr erster Punkt war die Frage nach der sozialversi-

cherungspflichtigen Beschäftigung. Es ist klar: Nur wer
Beiträge gezahlt hat, kann hinterher Rente beantragen.


(Elke Ferner [SPD]: Na immerhin!)


Das ist ein wesentlicher Aspekt.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hört! Hört!)


Das war aber nicht mein Punkt, auf den ich Frau
Ferner hingewiesen habe. Ich habe nur gesagt: Auch
wenn sie auf die Gesamtheit der 60- bis 64-Jährigen eine
50-prozentige Sozialversicherungsquote anlegt, meint
sie in Wirklichkeit noch deutlich mehr. Dann müssten
nämlich 70 Prozent der sozialversicherungspflichtig Be-

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(C (D chäftigten bis zum 65. Lebensjahr arbeiten. Nur darum ing es mir. Was Ihre zweite Frage anbelangt, so ist es wie bei Ben: Es kommt darauf an. Es kommt darauf an, ob die enschen in Arbeit sind oder nicht. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wenn sie nicht in Arbeit sind! Das ist die Voraussetzung!)


ber auch dann geht Ihre Rechnung noch nicht auf; denn
ie versuchen, eine Durchschnittsbetrachtung vorzuneh-
en. Sie müssen aber immer die individuellen Verhält-

isse berücksichtigen.

Ob und wie sich die Rente für einen Versicherten
hnt oder nicht – das klingt in dem Zusammenhang ein

isschen blöd –, hängt natürlich immer von der Gesamt-
ntenbezugsdauer im Anschluss an den Renteneintritt

b. Um eine effektive, individuelle Rentenrendite be-
timmen zu können, müssten Sie fragen: Wie lange lebt
erjenige, der früher in Rente geht, hinterher tatsächlich?


(Zuruf der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


on daher hinkt Ihr Vergleich, den Sie hier vortragen.
as kann ich nicht akzeptieren.


(Elke Ferner [SPD]: Sie drücken sich um die Antwort, Herr Kolb!)


Sie haben sich mit der Großen Anfrage Mühe gege-
en, das will ich anerkennen.


(Elke Ferner [SPD]: Das ist aber großzügig!)


ie enthält viele Fragen, die sind auch sehr detailliert
rmuliert. Was aber inakzeptabel ist, ist die äußerst ei-

enwillige Interpretation der Ergebnisse.


(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Bewusste Fehlinterpretation!)


Herr Ernst, Sie hatten jetzt zweimal die Gelegenheit
azu: Sie müssen mir wirklich belegen, wo in der Studie
teht, dass die Lebenserwartung von Geringverdienern
inken würde. Herr Kollege Birkwald, ich halte es für
nglaublich und ein Stück weit für unverschämt – an-
onsten schätze ich Sie sehr –, wenn Sie hier den Ein-
ruck erwecken, die Bundesregierung und die sie tra-
ende Koalition sei an einem sozialverträglichen
rühableben interessiert. Das ist nicht Bestandteil unse-
r Rentenpolitik,


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist die Realität! – Gegenruf des Abg. Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Quatsch! Birkwald, du weißt es doch besser!)


ondern wir wollen, dass die Menschen möglichst lange
re Rente genießen können und das auf einem mög-
chst guten Niveau.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


azu ist aber entscheidend, dass sie Arbeit haben und
ine möglichst ungebrochene Erwerbsbiografie vorwei-
en können.

17794 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Dr. Heinrich L. Kolb


(A) )


)(B)

Nein, Herr Birkwald, umgekehrt wird ein Schuh da-
raus. Ich glaube, ein sozialistisches Gesellschaftssystem
ist ein höheres Lebensrisiko für die Menschen als die
Rente mit 67. Das will ich Ihnen sehr deutlich sagen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN)


Herr Ernst und Herr Birkwald, Sie sind nicht die
Menschenfreunde, als die Sie sich hier gerne ausgeben.
Nein, Sie kochen Ihr rotes Süppchen, und Zynismus und
selektive Wahrnehmung sind ganz wesentliche Bestand-
teile Ihres Rezeptes. So sieht nämlich die Wirklichkeit
aus.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Trotzdem ist zu begrüßen, dass wir heute wieder ein-
mal die Möglichkeit haben, uns über rentenpolitische
Themen auszutauschen. Es gibt ja eine Agenda, die so-
zusagen im Raum steht. Natürlich müssen wir – Frau
Kollegin Ferner, da bin ich bei Ihnen – überlegen, wie
wir flexible Übergänge vom Erwerbsleben in den Ruhe-
stand schaffen können. Da haben Sie, wenn ich Sie rich-
tig verstanden habe, schon ziemlich viel von den FDP-
Vorschlägen, die in diesem Haus früh eingebracht wur-
den, übernommen.


(Elke Ferner [SPD]: Das haben wir schon gemacht, da wussten Sie noch gar nicht, wie das geht!)


Vielen Punkten könnten wir zustimmen.

Nicht mit gehen wir aber bei Ihrem Konzept einer Er-
werbstätigenversicherung. Auch sind wir dafür, dass
Selbstständige eine Pflicht zur Versicherung haben.


(Elke Ferner [SPD]: Rendite für die private Versicherungswirtschaft!)


Ich will hier sehr deutlich sagen: Wir wollen für sie aber
keine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenver-
sicherung. Dass wir uns um die Probleme, die durch Er-
werbsminderung und Erwerbsunfähigkeit entstehen,
kümmern müssen, will ich hier ausdrücklich konzedie-
ren. All das aber muss geschehen im Geiste der Verant-
wortung für unser Rentensystem und auch für die Bei-
tragsziele, die Sie ins Gesetz geschrieben haben und
denen wir uns unverändert verpflichtet fühlen.


(Elke Ferner wortung“ wäre für Sie etwas Neues! So wird ein Schuh daraus, und auf der Basis können wir vielleicht in den weiteren Beratungen vorankommen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Bei Ihnen werden die Klamotten hingeschmissen, wenn man keine Verantwortung mehr tragen will!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714905700

Der Kollege Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn hat das

Wort für Bündnis 90/Die Grünen.

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(C (D Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ir brauchen mehr Ehrlichkeit in der Politik.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)


ir müssen ehrlich sagen, wo die Chancen liegen, und
ir müssen ehrlich sagen, wo die Probleme sind. Auch
üssen wir ehrlich sagen, was noch zu tun ist.

Die Linke spricht in ihrer Großen Anfrage ganz am
nfang von einer ehrlichen Bestandsaufnahme und einer

chten Abwägung der Risiken, ist dann aber – das haben
ir vorhin wieder erlebt – ebenso wenig ehrlich wie die
undesregierung in ihrer Antwort.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Gut, dass wir die Grünen haben!)


Die Bundesregierung ist viel zu schönfärberisch, was
ie Probleme angeht: Es ist ja alles gut. Die Linke ver-
chweigt völlig die Vorteile der Anhebung der Regelal-
rsgrenze. Beides verstärkt die Ängste in der Bevölke-
ng. Nur wenn wir in beide Richtungen ehrlich sind,

ewinnen wir das Vertrauen zurück.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


as gilt nicht nur für die Rentendebatte – aber gerade bei
er Rente, weil hier langfristiges Vertrauen besonders
ichtig ist.

Zunächst zu den Vorteilen: Die Linke spricht die Wir-
ung auf der Beitragsseite an: ein um 0,5 Prozentpunkte
iedrigerer Beitragssatz. Das klingt zwar nicht nach
ahnsinnig viel, stellt aber immerhin eine Entlastung
on 12,50 Euro pro Monat dar. Insgesamt macht das 4
is 5 Milliarden Euro aus, um die Arbeitnehmerinnen
nd Arbeitnehmer entlastet werden. Das ist schon mal
icht nichts.

Die Linke verschweigt vor allem, dass nicht nur die
eiträge sinken, sondern dass auch das Rentenniveau
urch die Rente mit 67 steigt. Ohne Anhebung der Re-
elaltersgrenze wäre das Rentenniveau – Kollege Kolb
at schon darauf hingewiesen – um 0,6 Prozentpunkte
eringer. 0,6 Prozentpunkte bedeuten, dass die Standard-
nte durch die Rente mit 67 um etwa 1,5 Prozent steigt.
enn wir es darüber hinaus hinkriegen, dass die Men-

chen tatsächlich zwei Jahre länger arbeiten, sind das bei
iner Durchschnittsrente 60 bis 70 Euro pro Monat.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schau an!)


Die Erhöhung des Rentenniveaus bewirkt übrigens
uch eine Erhöhung der Rente für alle, die bereits in
ente sind. Von wegen allgemeine Rentenkürzung! Es
rofitieren alle Bestandsrentnerinnen und -rentner. Sie
rofitieren zunächst nur ganz wenig, weil die Kurve erst
achte ansteigt, dann aber immer weiter nach oben
eht. – Der Kollege Troost nickt, stimmt mir also zu.
ehr schön!

Es profitieren auch alle, die länger arbeiten können.
nächsten Jahr ist das nur ein Monat. Das dürfte vie-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17795

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn


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)(B)

len, die erwerbstätig sind, auch möglich sein. Selbst bei
den Arbeitslosen, Herr Ernst, muss genau hingeschaut
werden; denn auch wer Arbeitslosengeld I bezieht, be-
kommt im Regelfall eine höhere Rente. Beim Arbeitslo-
sengeld II ist das schon nicht mehr ganz eindeutig, weil
die Rentenhöhe hier von der Gesamtleistungsbewertung
abhängt.

Eine Rentenkürzung erhalten allerdings – da haben
Sie recht – auch schon im nächsten Jahr diejenigen Ar-
beitslosen, die von den Jobcentern frühzeitig in Rente
geschickt werden. Besonders problematisch finde ich
das im Hinblick auf Erwerbsgeminderte und Schwerbe-
hinderte, weil die Altersgrenze, ab der diese ohne Ab-
schlag in Rente gehen dürfen, im nächsten Jahr ebenfalls
um einen Monat ansteigt. Das ist aus unserer Sicht ein
schwerer Fehler, der dringend korrigiert werden muss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zusammenfassend sage ich: Im Durchschnitt ist die
Rente mit 67 eine Verbesserung. Deshalb sind wir
grundsätzlich für die Rente mit 67: Der Kuchen für die
Rentnerinnen und Rentner wird größer. Die Rente mit 67
bedeutet aber ausgerechnet für die Schwächsten – für
Langzeitarbeitslose, Schwerbehinderte, Erwerbsgemin-
derte und andere, die frühzeitig in Rente müssen – eine
Rentenkürzung; auch das ist richtig. Die Rente mit 67
führt dazu, dass die Einkommensschere im Alter weiter
auseinandergeht; auch das gehört zur Ehrlichkeit dazu.
Unsere Schlussfolgerung ist, anders als bei den Linken
und in Teilen der SPD, aber nicht: Weg damit! Unser Be-
streben ist es, dass möglichst alle von dem größeren Ku-
chen profitieren. Hier müssen wir ansetzen, und da gibt
es noch viel zu tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir halten es für ein wichtiges Signal an die Gesell-
schaft, dass die Rente mit 67 kommen wird; denn 2031
– nicht 2029, Frau Ministerin; das Rechnen fällt der
Bundesregierung sowieso schwer – brauchen wir sie.
Eine Abschaffung oder Aussetzung hilft nicht weiter.
Wir müssen jetzt an die Probleme heran und insbeson-
dere an die Unternehmen ein Signal senden, damit sie
endlich mehr Arbeitsplätze für Ältere schaffen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte drei Bereiche ansprechen, in denen drin-
gend gehandelt werden muss:

Erstens. Wir brauchen flexible Übergänge in den Ru-
hestand. Eigentlich ist die Bezeichnung „Rente mit 67“
Quatsch: Kein Mensch will exakt mit 67 in den Ruhe-
stand. Es ist unserem Rentenberechnungssystem ge-
schuldet, dass wir eine Regelaltersgrenze brauchen. Als
Partei der Freiheit ist es aber unser Ziel,


(Anette Kramme [SPD]: Das sind harte Worte!)


dass jeder und jede freier und selbstbestimmter entschei-
den kann, wann er oder sie in Rente gehen will, in wel-
chem Umfang er oder sie noch arbeiten will.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D iemand soll gezwungen sein, bis 67 zu arbeiten; es soll ber auch niemand gezwungen sein, mit 67 aufzuhören. er nicht mehr kann und will, soll nach unserer Vorstelng ab 60 in Rente gehen können; wer kann, soll aber uch länger arbeiten dürfen. (Elke Ferner [SPD]: Länger arbeiten darf man heute schon!)


s ist viel besser, die Barrieren für Gesunde, die länger
rbeiten wollen, abzubauen, als die Schwachen zu zwin-
en, länger zu arbeiten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


er erwerbsgemindert oder schwerbehindert ist, muss
uch weiterhin ab 63 ohne Abschläge in Rente gehen
önnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen eine Teilrente ab 60. Wir brauchen eine
ultur der Altersteilzeit in den Betrieben, aber auch in
en Köpfen der Beschäftigten, insbesondere der Männer.
ir brauchen mehr Arbeitszeitsouveränität, nicht nur,

ber vor allem im Alter: Wir brauchen nicht nur altersge-
chte Arbeitsplätze, sondern auch altersgerechte Ar-

eitszeiten.

Zweitens. Wir müssen das Arbeitsleben insgesamt so
erändern, dass die Menschen bis 67 arbeiten können.
as heißt: weniger psychische Belastungen, mehr Ar-
eitsschutz, mehr Gesundheitsprävention am Arbeits-
latz, mehr Weiterbildung, eine bessere Work-Life-Ba-
nce. Die Rente mit 67 bietet da aus unserer Sicht eher

ine Chance, weil sie den Lebensverlauf etwas entzerrt
nd weniger Druck in der Rushhour des Lebens verur-
acht.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Was soll das denn sein: „den Lebensverlauf entzerren“?)


Drittens. Last, not least brauchen wir ein Mindestni-
eau in der Rente. Wir wollen, dass die Menschen im
egelfall eine Rente erhalten, die zum Leben ausreicht,
nd fordern deswegen die Grüne Garantierente: Wer
ehr als 30 Versicherungsjahre aufweist, muss sich da-
uf verlassen können, dass die Rente über dem Grundsi-

herungsniveau liegt. Die Zuschussrente von Frau von
er Leyen soll aber erst nach 45 Versicherungsjahren
nd zusätzlich 35 Jahren privater Altersvorsorge gezahlt
erden.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer schafft das denn?)


iebe Kolleginnen und Kollegen, das ist kein Schutz vor
rmut, sondern Armutsbekämpfung für Auserwählte.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist ein Placebo!)


Aber es ist noch schlimmer: Erst werden 45 Versiche-
ngsjahre in der Rentenversicherung und 35 Jahre Ei-

envorsorge verlangt; danach wird die Eigenvorsorge
egebenenfalls komplett wieder abgezogen: Alle, die die
uschussrente kriegen, erhalten 850 Euro. Das ist völlig
bsurd.

17796 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn


(A) )


)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Unsere Vorstellung ist das nicht. Die Grüne Garantie-
rente garantiert ein Mindestniveau; sie garantiert auch:
Wer mehr einzahlt, bekommt auch eine höhere Rente.
Das ist eine Frage der Gerechtigkeit und der ökonomi-
schen Vernunft.

Wir Grüne sind überzeugt, dass die Anhebung der Re-
gelaltersgrenze sinnvoll und für eine nachhaltige Finan-
zierung der Rente notwendig ist und sie den Beitragszah-
lerinnen und -zahlern sowie den Rentnerinnen und
Rentnern nützt, Herr Ernst. Wir brauchen aber flankie-
rende Maßnahmen: mehr Freiheit und Selbstbestimmung
beim Übergang in den Ruhestand, eine andere Arbeits-
welt, damit die Menschen länger arbeiten können, und
eine Rente, die effektiv vor Armut schützt. Daran sollten
wir alle gemeinsam arbeiten.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714905800

Karl Schiewerling hat jetzt das Wort für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1714905900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Herrn
Dr. Strengmann-Kuhn ausdrücklich dafür,


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das glaube ich!)


dass er in weiten Teilen seiner Darstellung gute sachli-
che Analysen geliefert hat. Wir stimmen zwar nicht in
allen Punkten überein, aber es war schon einmal wesent-
lich differenzierter als das, was wir vorher von der Op-
position gehört haben.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem von Ihrer Ministerin!)


Ich möchte einen Punkt aufgreifen, von dem ich
glaube, dass es notwendig ist, dass wir ihn in unser
Blickfeld rücken. Es geht um die Frage, in welcher Si-
tuation wir uns eigentlich befinden. Wir dürfen nicht
– wie Frau Ferner gesagt hat – die Augen und die Ohren
zumachen und nichts sehen und nichts hören wollen.

Wenn ein System gesellschaftlich stärker akzeptiert
und damit insgesamt gestärkt aus der Krise herausge-
kommen ist, dann ist es die Rentenversicherung.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So ist es!)


Die Rentenversicherung genießt in der politischen De-
batte eine so hohe Akzeptanz wie lange nicht mehr, und
darüber sind wir froh.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D h sage Ihnen sehr deutlich, dass dies nur erhalten weren kann, wenn wir gegenüber den Grundlagen der Rennversicherung nicht die Augen verschließen. Es gelten einige Wahrheiten. Die erste Wahrheit ist: mer weniger junge Menschen müssen für immer mehr ltere Menschen bezahlen. ie zweite Wahrheit ist: Die Menschen zahlen immer eniger Jahre in die Rentenkasse ein, werden aber imer länger aus der Rentenkasse versorgt. Die dritte ahrheit ist: Die Menschen bekommen monatlich vielicht weniger Rente, aber bezogen auf ihre Lebenszeit ekommen sie mehr Rente. Deswegen ist es notwendig, ass wir die wenigen Stellschrauben, die wir in der geetzlichen Rentenversicherung haben, richtig nutzen. In Bezug auf die Stellschrauben haben wir mehrere öglichkeiten. Erstens. Wir erhöhen den Rentenversi herungsbeitrag, was die Arbeitskosten und die Arbeitehmer belastet. Dazu sind in den vergangenen Jahren rundsatzentscheidungen herbeigeführt worden. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die falschen!)


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Uralte Leier!)


weitens. Wir erhöhen den Bundeszuschuss und damit
ie Steuermittel, was all die Auswirkungen nach sich
ieht, die wir mittlerweile vor dem Hintergrund der
taatsverschuldung kennen. Die dritte Möglichkeit, die
ir haben: Wir senken das Rentenversicherungsniveau

b, sodass die Menschen im Alter noch weniger haben;
ber das ist nicht akzeptabel.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Machen Sie aber!)


s gibt noch eine vierte Möglichkeit: Wir verkürzen die
entenlaufzeit. Die Rente mit 67 ist nichts anderes.

Die Rente mit 67 ist in der Großen Koalition nicht mit
urra eingeführt worden, als etwas, mit dem wir mit
roßer Begeisterung vor die Presse getreten sind, son-
ern aus der Erkenntnis, dass wir für die Zukunft der
enschen in unserer Gesellschaft die Verantwortung tra-

en. Es sind nicht nur angenehme Antworten, die wir zu
eben haben, sondern Antworten, die sich an der Le-
enswirklichkeit der Menschen orientieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Der guten Ordnung halber will ich noch einmal da-
uf verweisen, was die Rente mit 67 bedeutet. Ab

ächstem Jahr arbeiten die Menschen einen Monat län-
er. Sie gehen nicht mit 65 Jahren in Rente, sondern mit
5 Jahren und einem Monat. Ich prophezeie Ihnen, dass
adurch nicht das blanke Elend in Deutschland ausbre-
hen wird. Ich halte diesen Schritt für zwingend notwen-
ig, weil wir ohne ihn keine schlüssigen Antworten auf
ie Frage geben können, wie wir in Zukunft die für alle
ichtige umlagefinanzierte Rente erhalten können.

Wir haben mit dem Beschluss zur Einführung der
ente mit 67 ein Begleitpaket geschnürt. Darin ist auch
ie Frage geregelt, wie wir die Wirkung überprüfen kön-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17797

Karl Schiewerling


(A) )


)(B)

nen. Man kann natürlich zu unterschiedlichen Einschät-
zungen kommen, aber ich kann doch nicht die Augen da-
vor verschließen, dass immer mehr ältere Menschen
immer länger erwerbstätig sind. Noch vor einigen Jahren
lag das Renteneintrittsalter bei 61 Jahren, heute liegt es
bei über 63 Jahren.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Was nutzt das den Menschen, die mit 64 keinen Job haben?)


Die Menschen werden älter, sie können immer länger in
den Betrieben arbeiten. Das ist auch ein Teil der Wahr-
heit. Wir werden die Rente mit 67 in ihrer vollen Entfal-
tung erst im Jahre 2029 – je nach Rentenanrechnungszeit
2031, das will ich gerne konzedieren – erreicht haben.
Das müssen wir auch in den Blick nehmen.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Schaumschläger!)


Wir haben ferner beschlossen, die richtigen Rahmen-
bedingungen zu schaffen. So ist das Programm „50 plus“
aufgelegt worden. Es gab zahlreiche Initiativen, um
Menschen weiterhin in Beschäftigung zu halten oder in
Beschäftigung zu bringen, und das ist gelungen. Es gibt
viele Dinge, die sich gut entwickeln. Die Bundesregie-
rung und die Koalitionsfraktionen verschließen die Au-
gen nicht davor, dass es auch Probleme gibt. Das wäre ja
Schönfärberei. Es ist doch nicht so, dass wir nicht mitbe-
kommen, dass es Berufsfelder gibt, die große Probleme
hätten, wenn das Renteneintrittsalter heute vollumfäng-
lich bei 67 Jahren liegen würde.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: 90 Prozent haben mit 64 keinen Job! Das ist die Realität!)


In diesen Berufsfeldern geht es darum, sich umzustellen.
Deswegen sind wir mit der Wirtschaft aufgefordert
– diese Forderung ist wichtig –, zum Beispiel im Bereich
der körperlich sehr anstrengenden Pflege und im Bereich
der körperlich sehr anstrengenden handwerklichen Be-
rufe alles zu tun, damit die Menschen länger arbeiten
können; denn auch die Wirtschaft ist darauf angewiesen,
dass die Menschen länger arbeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das hätte man vielleicht vorher machen sollen und nicht nachher! – Elke Ferner [SPD]: Was machen Sie denn?)


Wir diskutieren über Fachkräftemangel,


(Elke Ferner [SPD]: Gucken Sie einmal auf die Regierungsbank! Da können Sie den Fachkräftemangel besichtigen!)


und wir diskutieren darüber, dass immer weniger Kinder
geboren werden. Aber es darf sich nichts ändern, und es
kann sich nichts ändern? In welcher Welt leben Sie denn
eigentlich?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Betriebe sind auf ihre Fachkräfte angewiesen.
Der Vertreter eines großen Industriebetriebes mit
25 000 Beschäftigten hat mir vor kurzem dargelegt, dass
2019 in seinem Betrieb über die Hälfte der Belegschaft
50 Jahre und älter sein wird, weil sie die Jüngeren nicht

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(C (D ekommen. Maximal 8 Prozent der Beschäftigten in em Betrieb sind jünger als 20 Jahre. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Die stellen alle befristet ein! So ein Unsinn! Dann sollen sie anständige Verträge machen!)


avor kann ich die Augen doch nicht verschließen.
uch die Wirtschaft weiß dies. Deswegen muss sich die
irtschaft in diesem Bereich anstrengen, und sie wird

ich anstrengen; denn es ist, wie Konrad Adenauer ge-
agt hat: Sie müssen die Menschen nehmen, wie sie sind,
s gibt keine anderen. – Das ist die Realität, mit der wir
mgehen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Dann sollen sie unbefristet einstellen! Dann kriegen sie auch Leute!)


Lassen Sie mich wagen, wenigstens noch einen Satz
um Rentendialog zu sagen, zu dem immerhin der Präsi-
ent der Deutschen Rentenversicherung, Herbert Rische,
uf der letzten Bundesvertreterversammlung gesagt hat,
ass diese Form des Rentendialogs allen Respekt hervor-
urufen hat; denn hier würden die Menschen auf breiter
asis einbezogen. Ich glaube, dass die von der Minis-
rin auf den Weg gebrachte Zuschussrente Teil dieses
ialoges ist.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Aber keine Problemlösung!)


h mache aber überhaupt keinen Hehl daraus, dass wir
inter dem Anliegen der Bundesarbeitsministerin stehen,
ass gerade diejenigen unterstützt werden sollen, die in
rem Leben getan haben, was sie konnten, die Kinder

rzogen und ihre alten Angehörigen gepflegt haben und
eswegen keine auskömmliche Rente haben, das heißt,
eine Rente, die über dem Grundsicherungsniveau liegt.
ie sollen entsprechend der Lebensleistung, die sie er-
racht haben, unterstützt und gefördert werden.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Die private Rentenversicherung unterstützen! Das ist die Wahrheit! Lobbyist für die privaten Rentenversicherungen!)


aran lasse ich keinen Zweifel. Es ist wichtig, dass auch
iese Menschen in Zukunft von der Rentenversicherung
ine Rente erhalten. Die Rentenversicherung muss für
en Teil, der steuerfinanziert ist, vonseiten des Bundes
ie notwendigen Mittel erhalten, um diese Renten aus-
ahlen zu können.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714906000

Herr Kollege, ist Ihnen bewusst, dass die Zeit mehr

ls abgelaufen ist?


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Nur die Redezeit!)



Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1714906100

Ich sehe, dass Sie mich freundlich anblinken.

17798 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Karl Schiewerling


(A) )


)(B)

Wenn in dieser Diskussion eine Botschaft rüberkom-
men muss – danach höre ich auf –, dann ist es diese: Wir
haben allen Grund, auf diese Rentenversicherung stolz
zu sein. Sie hält unsere Gesellschaft zusammen. Sie for-
dert unsere Generationen aber auch heraus, und wir ha-
ben alles zu tun, was notwendig ist, damit sie ihre Leis-
tungsfähigkeit behält. Dazu gehört auch die Rente mit 67.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714906200

Unser Kollege Anton Schaaf hat das Wort für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1714906300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Karl Schiewerling, ich schätze dich ja sehr, aber, um ehr-
lich zu sein, so viel Unfug, wie du jetzt gerade in Bezug
auf die Zuschussrente und ihre Wirkung erzählt hast,
habe ich selten von dir gehört.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir überprüfen das einmal.

Frau von der Leyen, was mich wirklich umtreibt, ist
das, was in dieser Woche geschehen ist – Sie müssen
entschuldigen, dass ich nicht sofort auf die Rente mit 67
eingehe, aber das, was in dieser Woche geschehen ist, ist
wirklich einmalig –: Die Art und Weise, wie Sie den Prä-
sidenten der Deutschen Rentenversicherung abgemeiert
haben, weil er sich fachlich und sachlich zu Ihrem Vor-
schlag geäußert hat, ist unglaublich. Das ist ein unglaub-
licher Vorgang.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben vor dem Hintergrund Ihres Modells der Zu-
schussrente Dr. Rische allen Ernstes vorgeworfen, er
würde sozusagen mit einem Schulterzucken hinnehmen,
dass die Geringverdiener altersarm werden. Das haben
Sie ihm vorgeworfen.

Ihre Zuschussrente erreicht die Leute, die Geringver-
diener, von denen Sie reden, jedoch überhaupt nicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Voraussetzungen sind nämlich so hoch, dass fast
niemand sie in Anspruch nehmen kann. Ich höre jetzt
aus Ihrem Hause, dass Sie vielleicht noch die Anerken-
nung der Erziehungs- und Pflegezeiten herausnehmen
wollen, damit die Zuschussrente mit dem Rentenver-
sicherungssystem überhaupt noch irgendwie kompatibel
ist. Aber wenn Sie das machen, erreichen Sie noch weni-
ger Menschen. Das, was Sie da betreiben, ist keine ak-
tive Bekämpfung der Altersarmut.

Wie Sie sich gegenüber Dr. Rische verhalten haben,
halte ich für in dem Fall nicht nur sachlich und fachlich

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(C (D lsch, sondern sogar für eine Unglaublichkeit. Das sage h Ihnen ganz deutlich, Frau Ministerin. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Schauen wir uns die Zuschussrente doch einmal an:
5 Jahre sozialversicherungspflichtig beschäftigt und zu-
ätzlich 35 Jahre privat vorgesorgt – und dann kommt
ante Ursula und sagt: Weil du so fleißig warst und mit
einer Rente nicht auskommst, lege ich ein bisschen
as, sozusagen ein Almosen, obendrauf. – Ich sage: Wer
5 Jahre lang geklebt und selbst ein bisschen vorgesorgt
at – das war zumindest immer unser Anspruch –, muss
on sich aus eine vernünftige, auskömmliche Rente ha-
en und darf keine Zuschussrente brauchen.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wo ist denn Ihr Beitrag, Frau von der Leyen, die ge-
etzliche Rentenversicherung zu stabilisieren und zu-
unftsfest zu machen? Genau das ist die Frage, die Sie
berhaupt nicht beantworten. Sie stellen sich mit viel Pa-
os hier hin und reden über diejenigen, die es verdient

aben, die zu Hause Kinder erzogen und die Eltern ge-
flegt haben. Natürlich haben die es verdient, aber mit
rmutsbekämpfung hat das nichts zu tun.

Ich erinnere nur an den Koalitionsvertrag, Karl
chiewerling, und zwar an euren, nicht an unseren. Da-
n haben die Alterssicherung und die Bekämpfung der
ltersarmut Priorität. Irgendjemand muss einmal versu-

hen, mir zu erklären, wie diese Zuschussrente tatsäch-
ch Altersarmut bekämpft.

Eigentlich ist es ziemlich zynisch, zu sagen: Wenn die
in Leben lang gering verdient haben, dann helfe ich ih-
en am Ende, wenn sie in Rente gehen, mit einem Almo-
en, damit sie über dem Sozialhilfeniveau sind.


(Frank Heinrich [CDU/CSU]: Und jetzt zum Thema!)


un Sie lieber etwas gegen die Geringverdienerei! Tun
ie etwas gegen prekäre Beschäftigung in diesem Land!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


orgen Sie endlich dafür, dass die Menschen einen Min-
estlohn haben und sich ordentliche Ansprüche erarbei-
n können! Aber an dieser Stelle machen Sie überhaupt
ichts.

Der Eingliederungstitel ist schon erwähnt worden.
sbesondere Menschen, die Handicaps und Schwächen

aben und deshalb nicht in den ersten Arbeitsmarkt
ommen, in einer konjunkturell guten Lage noch Gelder
egzunehmen, statt sie noch mehr an die Hand zu neh-
en und ihnen die Chance zu bieten, am Arbeitsmarkt
ilzuhaben, ist zynisch, Frau von der Leyen.

Zum Kollegen Kolb:


(Pascal Kober [FDP]: Guter Mann!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17799

Anton Schaaf


(A) )


)(B)

Herr Kolb, die Idee, dass man alle verpflichtet, sich zu
versichern und für das Alter vorzusorgen, ist prinzipiell
nicht verkehrt. Aber wer vor dem Hintergrund dessen,
was sich an den Finanzmärkten getan hat – wir wissen,
dass beispielsweise in den Vereinigten Staaten Hundert-
tausende, die sich für das Alter nur privat absichern
konnten, jetzt arm und pleite sind und sich Almosen vom
Staat holen müssen –, sagt: „Es ist egal, wo sie sich ver-
sichern. Aber wir wollen auf keinen Fall, dass sie sich in
der gesetzlichen Rentenversicherung versichern“,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das habe ich nicht gesagt!)


der handelt entweder ziemlich fahrlässig, oder er igno-
riert die Wirklichkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Ich lasse Ihre Zwischenfrage nicht zu, Herr Kolb.


(Otto Fricke [FDP]: Erst angehen und dann nicht reden lassen!)


Sie haben gesagt, Sie wollen eine Versicherungspflicht.
Aber Sie wollen keine Verpflichtung dafür, sich in der
gesetzlichen Rentenversicherung versichern zu lassen.
Genau da sind wir anderer Meinung. Wir sind nämlich
der Meinung, dass alle die, die in irgendeiner Form er-
werbstätig sind, gefälligst in die Rentenversicherung
einbezahlen sollten,


(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang StrengmannKuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Elke Ferner [SPD]: Genau!)


weil das nämlich der beste Schutz vor Altersarmut ist,
den wir in unserem System haben.


(Beifall bei der SPD)


Herr Strengmann-Kuhn, viele Ihrer Argumente teile
ich; das ist überhaupt nicht die Frage. Ich bin auch nicht
grundsätzlich gegen ein höheres Renteneintrittsalter; da-
rum geht es nicht. Aber Sie haben es doch selbst gesagt:
Wenn wir ab dem 1. Januar ein höheres Renteneintritts-
alter haben, dann sind auf jeden Fall zumindest diejeni-
gen gestraft, die nicht entscheiden können, ob sie in
Rente gehen oder nicht, sondern die in Rente gehen müs-
sen, die quasi zwangsverrentet werden müssen, weil sie
nach dem SGB II Renten beantragen müssen. Dazu sa-
gen Sozialdemokraten: Das machen wir nicht mit!


(Beifall bei der SPD – Max Straubinger [CDU/ CSU]: Das hat doch ein Sozialdemokrat durchgesetzt!)


Deswegen sind wir der Meinung: Wir verschieben die
Einführung des höheren Renteneintrittsalters und regeln
erst einmal diese Sachverhalte.

Ich will einfach nicht hinnehmen, dass Menschen, die
dies nicht beeinflussen können, ab dem nächsten Jahr
dauerhaft höhere Rentenabschläge hinnehmen müssen.
Sozialdemokraten sagen: Zumindest bis wir solche Sa-
chen geregelt haben, muss die Einführung eines höheren

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(C (D enteneintrittsalters verschoben werden. Das betrifft brigens auch gleitende Übergänge und Ähnliches. laus Ernst, das ist nicht nur die Frage eines Prozentsat es, sondern auch andere Bedingungen müssen schlichteg stimmen. Eine Bedingung kenne ich aus meiner Praxis. Ich abe bei der Müllabfuhr gearbeitet. Die Arbeit dort ist iemlich hart; die Menschen arbeiten bei Wind und Wetr. Als Betriebsrat habe ich immer gesagt: Schwere Areit muss besser bezahlt werden. Irgendwann waren iese Menschen kaputt und konnten nicht mehr arbeiten. araufhin hat derselbe Betriebsrat, der diese schwere rbeit zugelassen hat, gesagt: Der Sozialstaat muss sich tzt um sie kümmern. Vielleicht hätten wir einmal daber diskutieren sollen, wie wir die Menschen, die chwer arbeiten, zum Beispiel auch in der Rente verünftig absichern. Vielleicht hätten wir darüber diskutien sollen, wie wir gute Arbeit schaffen, damit die enschen möglichst lange, bis nah an das Rentenein ittsalter, arbeiten können. Alle diese Probleme wollen ir jetzt sozusagen über die Rentenversicherung lösen. uf dem Arbeitsmarkt, in den Betrieben, überall haben ir Probleme geschaffen, die wir nun über die Rentenersicherung lösen wollen. An dieser Stelle können wir infach nicht mitmachen; wir müssen dies ändern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich empfinde es nicht als dramatisch, dass man später
Rente gehen soll, aber für diejenigen, die nicht mehr

rbeiten können, müssen wir vernünftige Übergänge
chaffen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


lke Ferner hat völlig recht, wenn sie sagt, dass die Ab-
chlagsregelung bei der Erwerbsminderungsrente abge-
chafft werden muss. Die Menschen können nichts da-
r, dass sie nicht mehr arbeiten können. Man darf sie

icht zusätzlich zu ihrem gesundheitlichen Handicap be-
sten, indem man ihnen die Rente kürzt. Die Abschaf-
ng dieser Regelung ist eine Voraussetzung dafür, dass
an ein höheres Renteneintrittsalter einführt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Elke Ferner hat unseren Antrag ausführlich darge-
tellt. Wir werden bei dem Antrag der Linken mit Nein
timmen, weil wir der festen Überzeugung sind, dass es
eine Frage der Finanzierbarkeit ist; 0,5 Beitragssatz-
unkte sind finanzierbar, auf die lange Strecke bis 2029
llemal. Eines ist klar: Wenn wir die Erhöhung des Ren-
neintrittsalters jetzt verschieben würden, Herr Kolb,
ann hätte man sozusagen nur Vorfinanzierungskosten;
enn irgendwann wird das Renteneintrittsalter erhöht.
as würde also finanziell nichts ausmachen.

Mich treibt eher die Frage der Leistungsfähigkeit der
esellschaft um. Wir werden weniger Arbeitsfähige in
er Gesellschaft haben, wir werden unseren Wohlstand,
er verteilt werden soll, aber nach wie vor erarbeiten

17800 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Anton Schaaf


(A) )


)(B)

müssen. Dies können wir mit kürzeren Lebensarbeitszei-
ten nicht schaffen. Wir müssen die Gesellschaft leistungs-
fähig halten. Darum geht es mir. Wenn man die Gesell-
schaft leistungsfähig halten möchte, kommt es in erster
Linie darauf an, dass man für Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer gute Bedingungen schafft, damit sie Leistung
erbringen können.

Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das geht nur, wenn die 64-Jährigen einen Job haben!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714906400

Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort an den

Kollegen Kolb.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1714906500

Herr Kollege Schaaf, Sie haben meine Zwischenfrage

bedauerlicherweise nicht zugelassen. Deswegen muss
ich diese Kurzintervention nutzen, um eine falsche Wie-
dergabe unseres Konzepts für die Altersvorsorge der
Selbstständigen zu korrigieren. Sie haben gesagt, wir
wollten auf keinen Fall zulassen, dass Selbstständige in
die Rentenversicherung kommen. – Das ist so nicht rich-
tig.


(Elke Ferner [SPD]: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen!)


Unser Konzept sieht vor, dass es keine Pflichtversiche-
rung in der gesetzlichen Rentenversicherung flächende-
ckend für jeden geben soll.


(Elke Ferner [SPD]: Wer sich nicht ausreichend versichern kann, muss dann in die Gesetzliche!)


Vielmehr wollen wir, dass es eine Pflicht zur Versiche-
rung gibt. Selbstverständlich müssen auch Selbststän-
dige angehalten werden, in jedem Jahr ihrer Selbststän-
digkeit in einem ausreichenden Umfang vorzusorgen.
Ausreichender Umfang heißt, dass man so viel anspart,
dass es am Ende des Erwerbslebens zum armutsfreien
Leben im Alter reicht. Das ist unser Konzept.

Wir trauen den Menschen zu, selbst zu entscheiden,
wo sie sich versichern wollen. Jemand kann auch sagen:
Ich zahle freiwillig Beiträge in die gesetzliche Renten-
versicherung. Ich persönlich tue das übrigens auch, weil
ich die gesetzliche Rentenversicherung als eine wichtige
Säule jeder persönlichen Altersvorsorge ansehe. Men-
schen, die selbstständig sind, die ein eigenes Unterneh-
men führen können, sind auch in der Lage, eine solche
Entscheidung zu treffen.

Übrigens lehnt auch der Sachverständigenrat der
Bundesregierung in seinem aktuellen Gutachten eine
Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversiche-
rung erneut ab. Er hat dies bereits in 2006 getan – das
war zu Ihrer Regierungszeit – und bekräftigt nun diese
Ablehnung. Unsere Ablehnung hat also durchaus kun-
dige Fürsprecher.

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(C (D (Elke Ferner [SPD]: Sie folgen den Sachverständigenräten auch nicht immer! Wie war das mit den Euro-Bonds?)


Im Übrigen warne ich vor der Idee, jetzt eine Er-
erbstätigenversicherung oder was auch immer einzu-
hren, um auf diese Weise neue Beitragszahler in die

esetzliche Rentenversicherung zu holen. Das führt na-
rlich zunächst dazu, dass viele zusätzliche Beitragsein-

ahmen generiert werden. Aber auf lange Sicht entste-
en dadurch auch Verpflichtungen für die gesetzliche
entenversicherung. Es spricht einiges dafür, dass die
robleme 2030, 2035 kulminieren werden, weil sie dann
emografisch bedingt besonders gravierend sein werden.
eswegen ist Ihr Vorschlag, die Erwerbstätigenversiche-
ng, keine Lösung des Problems. Eine Pflicht zur Versi-

herung zu installieren, wäre aber, glaube ich, sehr ziel-
hrend.

Danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714906600

Herr Schaaf zur Antwort, bitte.


Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1714906700

Sehen Sie, Herr Kolb: Mich treibt um, dass es mittler-

eile eindeutige Zahlen gibt, wie hoch die Rendite der
iester-Rente ist.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie haben die geltenden Rahmenbedingungen geschaffen!)


Ja. Aber man muss auch dazulernen dürfen und zur
enntnis nehmen: Die Rendite der Riester-Rente ist im
oment der staatliche Zuschuss und sonst gar nichts. An

usätzlicher Rendite kommt für die Menschen, die in
ine Riester-Rente investieren, nicht viel heraus. Die
enschen, die privat vorgesorgt haben, haben in den
tzten Monaten und Jahren höllische Angst gehabt, dass
re Altersvorsorge flöten geht, weil die Finanzmärkte

usammengebrochen sind.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dann hat die SPD wohl etwas falsch gemacht!)


In Amerika, wo das System der Altersvorsorge fast
usschließlich privat organisiert ist, sind Hunderttau-
ende von Menschen aufgrund der Finanzkrise alters-
rm. In so einer Zeit zu sagen: „Die Menschen sollen
elbst überlegen, was sie machen, und sich irgendwie
rivat absichern“, halte ich für fahrlässig. Das ist der
unkt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das System, das den Menschen in der Vergangenheit
m meisten Sicherheit geboten hat und bei dem sich je-
er sicher sein konnte, dass es funktioniert, war das Ren-
nversicherungssystem – paritätisch und solidarisch. An
ieser Stelle wird es spannend. Sie haben nämlich ein
roblem mit dem Wort „solidarisch“. Sie glauben, jedem
t geholfen, wenn er sich selber hilft. Wir glauben, dass

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17801

Anton Schaaf


(A) )


)(B)

eine große, starke Gemeinschaft wie die Rentenversiche-
rung, die auf Parität und Umlageverfahren beruht, den
Menschen auch in Zukunft viel mehr Sicherheit bietet.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke [FDP]: Aber nur ein Drittel ist Steuerzuschuss!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714906800

Der Kollege Pascal Kober hat das Wort für die FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1714906900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, ich
glaube, Sie unterschätzen die Menschen.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube, Sie überschätzen sich selbst!)


Ich denke, die Menschen wissen sehr genau, dass uns die
zu erwartende demografische Entwicklung, die unab-
wendbar ist, zum Handeln zwingt. Lieber Herr Ernst, ich
möchte Ihnen das an zwei Zahlen deutlich machen.

Im Jahr 2009, also vor zwei Jahren, sind ganz genau
651 000 Kinder geboren worden. Wir wissen, dass rück-
wirkend kein einziges hinzugefügt werden kann. Wenn
die Rente mit 67 im Jahr 2029 vollumfänglich zur Gel-
tung kommt, werden diese Kinder 20 Jahre alt sein, ihre
Berufsausbildung abgeschlossen oder gerade ein Stu-
dium begonnen haben. In diesem Jahr, 2029, werden
1,35 Millionen Menschen in den Ruhestand gehen. Al-
lein dieses Zahlenverhältnis zeigt, dass wir handeln müs-
sen.

Ich kann Ihnen das auch an einer anderen Zahl deut-
lich machen. Im Jahr 1970 waren es fünf Beitragszahler,
die eine Rente finanziert haben, im Jahr 2000 nur noch
drei. Wenn sich das Verhältnis zwischen Beitragszahlern
und Rentnern nicht weiter zuungunsten der Beitragszah-
ler verschieben soll, dann müssen wir handeln. Die Men-
schen verstehen das und werden sich von Ihnen keine
Angst machen lassen. Aus Gründen der Generationenge-
rechtigkeit war es richtig, hier zu handeln. Wir werden
uns von diesem richtigen Weg nicht abkehren.

Ich möchte Ihnen noch etwas sagen, Herr Ernst. Es ist
nicht so, dass wir den Menschen Rentenzeit bzw. Le-
benszeit stehlen würden. Vor 50 Jahren betrug die durch-
schnittliche Rentenbezugsdauer 10 Jahre, heute sind es
18 Jahre. Ich halte es auch aus Gründen der Generatio-
nengerechtigkeit für vertretbar, dass wir das Rentenein-
trittsalter maßvoll und in kleinen Schritten bis 2029 er-
höhen – wohlgemerkt, die Rente mit 67 trifft erst die
Jahrgänge ab 1964, also diejenigen, die heute 47 Jahre
alt sind –, damit die Rentenversicherung auch in Zukunft
stabil und finanzierbar bleibt.

Ich glaube, dass die Politik auf dem richtigen Weg ist.
Wir dürfen den Menschen allerdings keine Angst ma-

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(C (D hen. Ich glaube nicht, dass wir das Rad rückwärts dreen müssen. Vielmehr müssen wir dafür sorgen, dass der nabweisbare Trend, dass immer mehr ältere Menschen ozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, anhalten nd sich in Zukunft weiter verstärken wird. Wir müssen ie Menschen und die Betriebe dabei unterstützen, sich arauf einzustellen, dass in Zukunft mehr ältere Menchen arbeiten wollen. Deshalb ist es gut, dass die Bunesregierung – die Bundesarbeitsministerin Ursula von er Leyen vorneweg – Initiativen wie beispielsweise das emografie-Netzwerk unterstützt. In diesem Rahmen aben sich über 220 Unternehmen zusammengeschlosen, um Wissenstransfer zu leisten und Tipps, wie Menchen bei guter Gesundheit längere Zeit in einem Betrieb rbeiten können, auszutauschen. Was wir jetzt brauchen, sind neue Konzepte, beipielsweise eine innovativere Berufsbildungspolitik, mit er es in Zukunft vielleicht möglich sein kann, auch in inem höheren Alter noch einmal einen neuen Beruf zu rnen, damit, wenn es in dem einen Beruf nicht mehr eitergeht, in einem neuen Beruf eine Erwerbstätigkeit is ins hohe Alter möglich ist. Lieber Herr Ernst, ich glaube, Sie sollten den Menchen lieber Mut statt Angst machen. Sie sollten in die ukunft schauen, statt rückwärtsgewandte Politik zu beeiben. Lieber Herr Ernst, wenn Sie das machen, dann erden Sie meine Unterstützung haben. Vielen Dank. Matthias Birkwald hat jetzt das Wort für die Fraktion ie Linke. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! eine Damen und Herren! Als Erstes möchte ich einmal in paar Worte zur SPD sagen. r Kollege, unser Bundestagskollege Ottmar Schreiner, at auf Ihrem Bundesparteitag eine hervorragende und ngagierte Rede zur Rentenpolitik und gegen Altersarut gehalten. Man muss deutlich sagen: Die SPD ist sei en vernünftigen Vorschlägen leider nicht gefolgt. (Elke Ferner [SPD]: Es ist aber nicht abgelehnt worden! Das gehört zur Wahrheit auch dazu!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714907000

(Beifall bei der LINKEN)

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714907100

(Otto Fricke [FDP]: Nein!)


eshalb müssen die Menschen wissen – wir haben das
erade noch einmal gehört –: Die SPD hält weiterhin
rundsätzlich an der Rente erst ab 67 fest. Sie will sie
ur so lange aussetzen, bis die Hälfte aller 60- bis
4-jährigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ei-
er sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung steht.
enn alles so weiterliefe wie bisher, dann wäre das frü-

estens in 16 Jahren, also 2027, der Fall. Frau Ministe-
n, auch einmal zu Ihren Zahlen: Das wäre ein Auf-
uchs von 1,5 Prozentpunkten pro Jahr. Mehr ist das

17802 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Matthias W. Birkwald


(A) )


)(B)

nicht! Ich sage nur: Das ist Wischiwaschi. Entscheiden
Sie sich, liebe SPD!


(Beifall bei der LINKEN)


So traurig es auch ist: Wer SPD sagt, wird auch weiter-
hin an Rentenkahlschlag denken müssen. Das ist die
Wahrheit.


(Beifall bei der LINKEN)


Besonders hart würden die geforderten zwei Jahre Ar-
beit zusätzlich bis zur Rente jene treffen, die schon heute
aus gesundheitlichen Gründen oder weil sie als ältere
Menschen einfach keinen Job mehr finden, vorzeitig in
Rente gehen müssen. Chemiearbeiter, Chemiearbeiterin-
nen, Elektriker und Elektrikerinnen gehen heute zum
Beispiel im Durchschnitt mit 62 Jahren in die Rente.
Knapp 70 Prozent von ihnen müssen Rentenkürzungen
hinnehmen. Bauarbeiter gehen mit knapp 63 Jahren in
die Rente – drei von fünf mit Abschlägen.

Auf diese bereits schlechte Ausgangslage setzen Sie
mit der Rente erst ab 67 nun noch einen obendrauf. Das
heißt, Sie werden Arbeitgebern Milliarden in die Tasche
spülen, und vor allem werden die Renten der Betroffe-
nen massenhaft gekürzt werden. Das ist die drohende
Wirklichkeit der Rente erst ab 67, und genau das will die
Linke verhindern.


(Beifall bei der LINKEN)


Es heißt ja – wir haben das heute wieder gehört –, wer
länger lebt, könne länger arbeiten. Das ist an sich schon
falsch; denn die Rente erst ab 67 wird die Menschen we-
der gesünder machen noch haufenweise neue Jobs für
Ältere hervorbringen. Wo sollen die denn herkommen?


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)


Es kommt aber noch viel schlimmer. Die Lebenser-
wartung steigt nicht für alle Menschen, Herr Kolb. Im
Gegenteil!


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Doch!)


– Hören Sie jetzt bitte gut zu, damit Sie nicht wieder so
einen Unsinn erzählen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Die durchschnittliche Lebenszeit von Männern mit nied-
rigen oder niedrigsten Löhnen hat sich in den vergange-
nen zehn Jahren nämlich nicht etwa erhöht, sondern sie
hat sich um zwei Jahre verkürzt.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Nein! – Dr. – Heinrich L. Kolb [FDP]: Können Sie mir sagen, wo das stehen soll? – Otto Fricke [FDP]: Das ist doch falsch!)


Im Osten hat sich die durchschnittliche Lebenszeit ge-
ringverdienender Männer sogar um fast vier Jahre ver-
ringert.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Falsch! – Frank Heinrich [CDU/CSU]: Blödsinn!)


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(C (D Herr Kollege. All diese Zahlen können Sie in der Antwort der Bun esregierung auf unsere Große Anfrage nachlesen, und ie Deutsche Rentenversicherung hat sie bestätigt. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wo steht das?)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714907200
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714907300


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714907400

Der Herr Weiß würde Ihnen gerne eine Zwischen-

age stellen.


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714907500

Bitte schön, Herr Weiß.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714907600

Bitte, Herr Weiß.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1714907700

Herr Kollege Birkwald, nachdem bereits die Vorred-

erin, Frau Bundesministerin von der Leyen, und auch
ie Vorredner der Regierungsfraktionen Sie darauf hin-
ewiesen haben, dass Sie die Zahlen schlichtweg falsch
iedergeben,


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nein, das tut er nicht!)


age ich Sie: Würden Sie jetzt endlich einmal zugeste-
en, dass das, was Sie vortragen, schlichtweg falsch ist?


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unsinn! Ich habe es nachgelesen!)


s ist schlichtweg falsch, und Sie haben eine üble
alschmeldung in die Presse gesetzt, weil Sie die Sterbe-
feln der Deutschen Rentenversicherung mit den Unter-

uchungen zur Lebenserwartung verwechseln.


(Otto Fricke [FDP]: Aha!)


as ist der grundlegende Fehler, den Sie gemacht haben.

Die Untersuchungen der Deutschen Rentenversiche-
ng, die Sie nachlesen können, bestätigen für alle Ein-

ommensgruppierungen eine steigende Lebenserwar-
ng. Genauso bestätigt das Statistische Bundesamt


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Stimmt nicht!)


teigende Lebenserwartungen für alle Bevölkerungs-
ruppen in Deutschland.


(Elke Ferner [SPD]: Dann hat die Bundesregierung wohl falsch geantwortet!)


Ich bitte Sie jetzt herzlich, hier im Plenum des Deut-
chen Bundestages endlich diesen Fehler einzugestehen.
terbetafel hat nichts mit Lebenserwartungstafel zu tun.
esen Sie bitte die richtige Statistik, und geben Sie die
itte hier wieder.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17803


(A) )


)(B)


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714907800

Herr Weiß, Sie müssen jetzt wirklich sehr tapfer sein,

und Sie auch, Herr Kolb. Jetzt passen Sie einmal auf.
Schauen Sie doch bitte alle einmal auf Seite 19 der Ant-
wort der Bundesregierung auf die Große Anfrage nach.
Da heißt es in der Antwort der Bundesregierung:

Die durchschnittliche Bezugsdauer … ist … gestie-
gen … Dies spiegelt … die Zunahme der Lebenser-
wartung … wider.

Damit beziehen Sie sich auf den Durchschnitt über
alle. Wenn dieser Satz richtig ist, dann ist eine gesun-
kene Rentenbezugsbedauer natürlich auch ein Beleg für
eine gesunkene Lebenserwartung.


(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Nein!)


– Selbstverständlich! Jetzt hören Sie einmal zu. Sie müs-
sen rechnen können.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sie können nicht rechnen! – Zuruf von der CDU/ CSU: Oh Mann!)


– Wollen Sie jetzt eine Antwort haben oder nicht? –
Schauen Sie in den Anhang auf Seite 46 ff. Schauen Sie
sich in der PDF-Datei die Seiten 96 ff. an. Da geht es um
fast 16 400 Fälle, Männer. Das sind diejenigen, die nach
dem 65. Lebensjahr als langjährig Versicherte Rente be-
zogen haben. Da müssen Sie nur ganz einfach rechnen.
Wenn Sie ein durchschnittliches Sterbealter ausrechnen
wollen, dann müssen Sie sich ansehen, wie lange die
Rentenbezugsdauer war. Die durchschnittliche Renten-
bezugsdauer bei geringverdienenden Männern nach dem
65. Lebensjahr betrug im Jahr 2001 12,5 Jahre. Im Jahre
2010 waren es 10,5 Jahre. Das sind zwei Jahre weniger
oder minus 16 Prozent. Wer rechnen kann, ist klar im
Vorteil.


(Beifall bei der LINKEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das ist falsch, Herr Birkwald! – Otto Fricke [FDP]: Jetzt weiß ich, warum die DDR pleite gegangen ist!)


Wenn jetzt behauptet wird, Herr Weiß, das seien zu
geringe Fallzahlen: Diese über 16 000 Männer sind
7,4 Prozent aller Betroffenen. Sie können das gerne
nachrechnen. Die Zahlen stimmen. Das haben auch Jour-
nalisten gemacht und anschließend schreiben können.
Das Dementi der Regierung war sehr verhalten. Denn es
stimmt selbstverständlich, was ich Ihnen hier erzähle.


(Beifall bei der LINKEN)


Bleiben wir dabei: Sie wollen den Menschen unter
diesen Bedingungen noch zwei Jahre länger Arbeiten
oder gekürzte Renten zumuten. Da sage ich: Das ist eine
Verhöhnung der Betroffenen und ein sozialpolitischer
Super-GAU, ein Super-GAU, den Union, SPD, FDP und
Grüne zu verantworten haben; denn de facto wird die
Rentenzahlung gerade für Männer mit geringen Einkom-
men mit der Rente erst ab 67 um bis zu sechs Jahre ver-
kürzt, wenn es bis zum Ende gerechnet wird. Das ist So-
zialpolitik mit dem Hackebeil. Auch deswegen fordert

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(C (D ie Linke: Weg mit der Rente erst ab 67, ohne Wenn und ber. Meine Damen und Herren, eine drastische Rentenkürung, wie es Herr Schiewerling eben gesagt hat, ist nicht ie Alternative zur Rente erst ab 67. Das wird ja fälschliherweise immer wieder behauptet. Im Gegenteil: Sie ist ie unvermeidliche Folge der verordneten längeren Leensarbeitszeit. Die von Ihnen, Frau Ministerin von der Leyen, als rastisch bezeichneten höheren Beiträge, die nötig wän, um die Rente erst ab 67 zu verhindern, schrumpfen ei genauerer Betrachtung – das ist hier schon gesagt orden – auf einen halben Beitragssatzpunkt bis zum ahre 2030 zusammen. Bei einem heutigen Durchchnittsverdienst wären das knapp 6,30 Euro im Monat. as wäre allemal besser als gekürzte Renten im Alter. Aber selbst das muss in diesem Umfang nicht sein. eswegen fordere ich Sie auf: Verzichten Sie auf die gelanten Beitragssatzsenkungen. Dann kann in den komenden Jahren die Rente finanziert werden, ohne dass as Renteneintrittsalter angehoben werden muss. Meine Damen und meine Herren, es ist nicht sinnvoll, tarr an einer Altersgrenze als Voraussetzung für eine ente festzuhalten. Die Linke sagt, wir brauchen auch exible Übergänge in den Ruhestand. Denken Sie beipielsweise an Fliesenleger, Altenpfleger, Krankenchwestern und Erzieherinnen, oder denken Sie an erüstbauer und Sanitäter. Die Linke will, dass bei pielsweise Menschen wie diese, die 40 Jahre Beiträge die Rentenkasse eingezahlt haben, vor dem 65. Ge urtstag in Rente gehen dürfen, und zwar ohne Kürzunen. Das wäre gerecht. Meine Damen und Herren, unsere Rentenpolitik geht eit über die notwendige Kritik an der Rente erst ab 67 inaus. Das linke Rentenkonzept werden wir im komenden Jahr hier zur Diskussion stellen. Drei Punkte erden dabei von zentraler Bedeutung sein: Erstens. inke Rentenpolitik sichert den Lebensstandard. Zweins. Linke Rentenpolitik schützt vor Altersarmut. Dritns ist unsere linke Rentenpolitik eprägt vom Prinzip der Solidarität (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Linke Rentenpolitik ist unbezahlbar!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Unbezahlbar!)


nd bezahlbar.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714907900

Jetzt hat für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Max

traubinger das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


17804 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011


(A) )


)(B)


Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1714908000

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Die Rechenkünste des Kollegen Birkwald sind hier wie-
der dargelegt worden. Sie zeigen letztendlich: Sie sind
immer noch kommunistisch angehaucht,


(Lachen bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie wissen ja nicht einmal, was das ist, Herr Straubinger!)


und mit den kommunistischen Rechenkünsten hat man
noch nie gute Ziele und erst recht keine richtigen Ergeb-
nisse erreicht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir reden wiederum, zum x-ten Mal, über das Thema
„Rente mit 67“. Ich möchte vorweg feststellen, dass die
Rente mit 67 eine Antwort auf die demografische Ent-
wicklung in Deutschland ist.

Herr Kollege Birkwald, Sie können gerne Äpfel mit
Birnen und Sonstigem in Vergleich setzen. Dabei kommt
immer Falsches heraus. Das führt zum Beispiel zu der
Behauptung, die Rentenbezugsdauer hätte abgenommen,
die Leute würden früher sterben. Eine sinkende Renten-
bezugsdauer kann auch damit zu tun haben, dass die
Menschen später in Rente gehen, weil wir die Frühver-
rentungsmöglichkeiten reduziert bzw. abgeschafft ha-
ben. Auch deshalb mag unter Umständen eine kürzere
Rentenbezugsdauer herauskommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714908100

Herr Straubinger, möchten Sie eine Zwischenfrage

von Herrn Birkwald zulassen?


Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1714908200

Ja, gerne.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714908300

Bitte schön.


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714908400

Herr Kollege Straubinger, es ist natürlich nicht so,

wie Sie sagen. Es sind ausschließlich die Fallzahlen von
Menschen, die ihr Leben bereits gelebt haben, verwendet
worden,


(Otto Fricke [FDP]: Die ihr Leben gelebt haben? Was ist das für eine Einstellung?)


und zwar mit den Rentenbezugsjahren nach dem 65. Ge-
burtstag.

Ich bitte Sie, mir jetzt, bitte schön, einmal einen Fall
zu nennen – außer dem Sterbefall –, der ein Grund für
den Wegfall einer Rente von geringverdienenden Män-
nern sein könnte, die nach dem 65. Geburtstag Rente be-
zogen haben.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Eine Spende von der CDU!)


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(C (D Herr Kollege Birkwald, es ist auch sehr schön in der ächsischen Zeitung wiedergegeben. Ich zitiere daraus: Ein Lehrbeispiel, wie auch mit korrekten statistischen Zahlen – vorsichtig formuliert – unseriös Politik gemacht werden kann, lieferte gerade die Linksfraktion im Deutschen Bundestag. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist doch keine Antwort!)

Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1714908500

as zeigt sehr deutlich: Das ist letztendlich – –


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Keine Antwort!)


Das ist die Antwort.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie verstehen gar nicht, wovon Sie reden!)


Herr Kollege Ernst, weil Sie gerade dazwischenrufen:
h würde Ihnen gerne einen guten Rat geben. Sie sind ja

erzeit im Kampf um den Parteivorsitz. Da geht es auch
arum, dass Sie irgendwo wieder Zustimmung erhalten.
ber Sie sollten nicht kritiklos alles unterschreiben.

Es ist ja toll, was den Linken alles einfällt, um Be-
ründungen zu liefern, warum die Rente mit 67 unsozial
ei. In Ihrem Entschließungsantrag steht als eine dieser
egründungen auch – ich zitiere –:

Die Zahl der Ausbildungsplätze sinkt, die jungen
Menschen verbleiben immer länger in Warteschlei-
fen und die Qualität der Arbeitsplätze lässt immer
mehr zu wünschen übrig.

Werte Kolleginnen und Kollegen der linken Fraktion,
ann sollten Sie aber einmal die Ergebnisse in diesem
ereich betrachten. Vorhin ist die Meldung gekommen,
ass im Jahr 2011 540 000 Ausbildungsverträge abge-
chlossen wurden. Das ist ein Plus von 4 Prozent bzw.
on 20 700 Verträgen. Außerdem hat der DIHK jüngst
emeldet, dass 70 000 Ausbildungsplätze nicht besetzt
erden konnten. Das ist die Realität.

Sie wollen dazu beitragen, in unserer Gesellschaft ein
errbild dieser Realität zu erzeugen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


as werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Lieber
ollege Ernst, deshalb sollten Sie besser darauf schauen,
as Sie mit unterschreiben. Sonst kommen Sie in den-

elben Sog.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich hatte meine
ede mit der Feststellung begonnen, dass die Rente mit
7 eine Antwort auf die demografische Entwicklung in
eutschland ist. Das ist unbestritten. Bis zum Jahr 2029
ird die Lebenserwartung bei uns um drei Jahre steigen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber nicht bei den geringverdienenden Männern!)


Das bedeutet auch, dass dann natürlich länger gear-
eitet werden muss. Toni Schaaf hat zumindest in gewis-
er Weise anerkannt, dass länger gearbeitet werden
uss. Allerdings drückt sich die SPD dann um die Ant-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17805

Max Straubinger


(A) )


)(B)

wort und will die Rente mit 67, die sie in der Großen Ko-
alition unter dem tatkräftigen Einsatz des damaligen
Bundesarbeitsministers Franz Müntefering mit verab-
schiedet hat, nicht mehr mittragen.

Das Ganze ist auch ein Gebot der Generationenge-
rechtigkeit. Es geht natürlich auch um Beiträge. Die
Linke-Fraktion hat hier so einfach gesagt – das hat auch
der Kollege Schaaf ganz locker gemacht –: Das sind
doch nur 0,5 Prozent. Aber es geht darum, dass die junge
Generation nicht grenzenlos mit Beiträgen, mit Abga-
ben, mit Steuern zu belasten ist,


(Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])


denn sie will auch netto etwas in der Tasche haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deshalb geht es bei der Entscheidung über die Rente
mit 67 darum, die Demografiefestigkeit unseres Renten-
versicherungssystems herauszustellen, und darüber hi-
naus auch um Generationengerechtigkeit gegenüber den
jüngeren Menschen in unserer Gesellschaft. Ich frage
mich, wie die SPD begründen will, dass die Rente mit 67
jetzt nicht umsetzbar sei und erst dann umgesetzt werden
könne, wenn 50 Prozent der Menschen vom 60. bis zum
64. Lebensjahr sozialversicherungspflichtig beschäftigt
seien.

Herr Kollege Schaaf, Frau Kollegin Ferner, wenn sie
noch da ist, Eurostat hat für September 2010 ermittelt,
dass 48,6 Prozent der Menschen in Deutschland zwi-
schen 40 und 60 Jahren sozialversicherungspflichtig be-
schäftigt gewesen sind. Das zeigt sehr deutlich, dass Sie
sich knallhart und nur mit etwas schöneren Worten von
der Rente mit 67 verabschieden und damit den gleichen
Fehler wie 1998 begehen wollen, als Sie die Einführung
des demografischen Faktors in der gesetzlichen Renten-
versicherung verhindert bzw. ausgesetzt haben und
plötzlich der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder
aufgewacht ist und festgestellt hat, dass das sein größter
Fehler war.

Sie haben möglicherweise damit zwar die Bundes-
tagswahl gewonnen, aber nichts für die älteren Men-
schen und für die Rentnerinnen und Rentner in Deutsch-
land getan, nämlich dafür zu sorgen, dass es weiterhin
eine sichere und verlässliche Versorgung im Alter gibt,
gestützt auf die gesetzliche Rentenversicherung, auf die
betriebliche Altersversorgung und zusätzlich auf die pri-
vate, kapitalgedeckte Versorgung, die mit anzustreben
ist.

Bei der Zuschussrente, die die Frau Ministerin vorge-
schlagen hat, Herr Kollege Schaaf, müssen die Versiche-
rungszeiten nicht nur Beitragszeiten sein, sondern hierzu
zählen auch Zeiten der Arbeitslosigkeit, des Mutter-
schutzes, der Ausbildung und andere relevante Zeiten.
Damit ist es ein Leichtes, 45 Versicherungsjahre zu er-
reichen.


(Beifall des Abg. Karl Schiewerling [CDU/ CSU])


In diesem Sinne: Lasst uns die kommenden Aufgaben
angehen. Die Rente und vor allen Dingen die Rentenpo-

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(C (D tik sind bei dieser Bundesregierung am besten aufgehoen. Danke schön. Johannes Vogel hat jetzt das Wort für die FDP-Frak on. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! iebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, Sie aben uns mit Ihrer Großen Anfrage diese erneute Renndebatte beschert, aber in der Tat wird sie von dieser irklich bemerkenswerten nein! – Verhetzung überlagert, die Sie in den letzten agen in die Presse gebracht haben, Herr Birkwald. Es t schon mehrfach ausgeführt worden, welcher Quatsch as ist. Die einzige Stelle, die in Deutschland wirklich elastbare und seriöse Daten über die Lebenserwartung rhebt, ist das Statistische Bundesamt. Das Bundesamt agt ganz klar: Die Lebenserwartung ist über alle Einommensgruppen hinweg gestiegen, Herr Birkwald. Ich sage Ihnen: Das ist eine Frage der politischen useinandersetzung und des Stils unserer Auseinander etzung. Der Kollege Fricke rief mir eben bei Ihrer echnung zu: Jetzt wissen wir wenigstens, warum die DR damals pleite gegangen ist. Aber auf dem Niveau ill ich mich mit Ihnen gar nicht weiter unterhalten. (Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714908600

(Beifall bei der FDP)

Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1714908700

(Zuruf von der SPD: Situation der FDP!)


Ich lasse keine Zwischenfrage zu. Sie haben heute oft
enug versucht, zu erklären, wie Sie zu dieser Rechnung
ommen. – Ich will ganz offen sagen: Man kann Fakten
olitisch unterschiedlich bewerten. Aber Fakten zu ver-
rehen, Herr Birkwald, ist – das finde ich ganz persön-
ch – unter Ihrem Niveau. Das ist schade.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Viel interessanter finde ich, was die SPD in dieser De-
atte abgeliefert hat. Wie Sie hier um das Thema Rente
it 67 herumgetanzt sind, ist wirklich interessant.

Ein Punkt ist: Sie wollen es nicht gewesen sein. Es sei
nur die CDU/CSU gewesen.


(Elke Ferner [SPD]: Wir waren es auch nicht!)


Doch. Sie haben gesagt, die CDU/CSU habe es durch-
esetzt, und Sie hätten den Kompromiss unter Schmer-
en vertreten.


(Elke Ferner [SPD]: Das habe ich nicht gesagt! Zuhören!)


Das ist das, was Sie behaupten.

17806 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Johannes Vogel (Lüdenscheid)



(A) )


)(B)

Ich erinnere mich hingegen auch, dass der damalige
Arbeits- und Sozialminister Müntefering das Thema
Rente mit 67 aus Überzeugung und sehr offensiv vertre-
ten hat. Er hat das ja aus gutem Grund getan, Frau Kolle-
gin Ferner: weil die Lebenserwartung gestiegen ist. Das
ist eine gute Nachricht.

Als das Renteneintrittsalter mit 65 festgelegt wurde,
lag die Lebenserwartung von Frauen 20 Jahre unter der
heutigen, die von Männern 30 Jahre darunter. Dass wir
die Menschen zwei von diesen gewonnenen 30 Jahren
arbeiten lassen wollen, ist ein selbstverständlicher
Schluss, und es ist eine gute Nachricht.


(Elke Ferner [SPD]: Sie müssen arbeiten können, Herr Kollege! Wie viele Jahre haben Sie denn überhaupt in die Rentenversicherung einbezahlt?)


Frau Kollegin Ferner, Sie haben immer wieder gesagt,
man müsse das darauf überprüfen, ob es mit der Arbeits-
marktlage zusammenpassen würde.


(Zurufe von der SPD: Ja!)


Interessant ist, welche Voraussetzungen Sie dafür nen-
nen. Sie sagen plötzlich, 50 Prozent der 60- bis 64-Jähri-
gen müssten sozialversicherungspflichtig beschäftigt
sein. Interessant ist, dass Sie diese Forderung nie erho-
ben haben, als Sie in der Regierung waren. Sie haben sie
plötzlich aus dem Hut gezaubert.


(Elke Ferner [SPD]: Nicht plötzlich! Das stand schon 2009 im Wahlprogramm der SPD!)


Das ist völlige Willkür. Sie schauen sich nämlich die
Zahlen nicht richtig an. Frau Kollegin Ferner, lassen Sie
uns ansehen, wie sich die Zahlen wirklich entwickelt ha-
ben. Sie können nicht die Gesamtquote nehmen – die
kannten Sie schon –, sondern wir müssen den Blick da-
rauf richten, wie die Entwicklung in den letzten fünf Jah-
ren war. Die Entwicklung auf dem deutschen Arbeits-
markt war doch grandios: Es gibt mehr Perspektiven für
Ältere. Den Weg müssen wir fortsetzen.

Wie gesagt: Es gibt mehr Perspektiven. Bei den 60-
bis 65-Jährigen hat sich in den letzten fünf Jahren die
Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um
40 Prozent erhöht.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Und bei den 64-Jährigen, Herr Kollege? Wie ist es bei den 64-Jährigen?)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, was
haben Sie sich denn gewünscht? Wenn Sie ehrlich wä-
ren, dann müssten Sie zugeben: Die Entwicklung ist bes-
ser, als Sie es sich je erhofft haben. Der einzige Grund,
warum Sie von der Rente mit 67 wegtänzeln, ist, dass
Sie den Kollegen Rechenkünstlern von den Linken hin-
terherlaufen. So kann man aber keine verantwortungs-
volle Politik machen, liebe Kolleginnen und Kollegen
von der Opposition.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Sie denken an Ihre Redezeit. Ich denke an die Redezeit. (Stefan Rebmann [SPD]: Der redet, bis er 67 ist!)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714908800
Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1714908900


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714909000

Nicht nur denken.


Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1714909100

Ich komme zum Schluss.

Wir bekennen uns zu einem generationengerechten
entensystem. Deshalb bekennen wir uns zu den Bei-
agszielen. Wir bekennen uns zur Rente mit 67. Wir sor-
en für mehr Flexibilität im aktuellen Rentendialog,
err Kollege Strengmann-Kuhn, statt nur darüber zu re-
en. Und wir investieren auch in die Qualifikation der
eschäftigten, um den Arbeitsmarkt so zu gestalten, dass
r zu einer Rente mit 67 passt, wenn wir sie 2030 haben
erden.

Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714909200

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner in un-

erer Debatte ist für die Fraktion der CDU/CSU unser
ollege Peter Weiß. Bitte schön, Kollege Peter Weiß.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1714909300

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

as wirklich Bemerkenswerte in der deutschen Renten-
olitik ist, dass die umlagefinanzierte gesetzliche Renten-
ersicherung in Deutschland, die schon einige sogenannte
xperten für krank und nicht mehr zu retten erklärt haben,
esser dasteht denn je. Wir haben 1,4 Monatsausgaben auf
er hohen Kante. Eine so hohe Rücklage hat es in der
entenversicherung selten gegeben.

Wir haben zum 1. Januar 2012 die Möglichkeit, den
entenversicherungsbeitrag von 19,9 auf 19,6 Prozent
u senken und damit den Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
ehmern bares Geld in der Tasche zu belassen. Das ist
in großer Erfolg.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Pascal Kober [FDP])


ir werden aller Voraussicht nach die Möglichkeit ha-
en, dass ab 1. Juli nächsten Jahres die Renten im Wes-
n um 2,3 und im Osten um 3,2 Prozent steigen.

Dass wir seit langem so hervorragend dastehen, ist
uf die Reformpolitik in der Rente und gleichzeitig auf
ie gute wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre
urückzuführen. Darauf sollten wir stolz sein.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17807

Peter Weiß (Emmendingen)



(A) )


)(B)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Es muss ein Motto geben: Keine Rolle rückwärts in
der Rentenpolitik. Denn damit gefährden wir die Er-
folge, die wir bis heute erreicht haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Das Statistische Bundesamt sagt uns: Die Lebenser-
wartung für jeden von uns steigt kontinuierlich um etwa
sechs Wochen pro Jahr an.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber nicht für alle!)


Wenn diejenigen, die in den kommenden Jahren in Rente
gehen, die Chance haben, fünf oder zehn Jahre länger
Rente zu beziehen, als es ihre Großeltern und Eltern
konnten, dann ist es doch eine Frage der Gerechtigkeit,
ob man bereit ist, eventuell etwas länger zu arbeiten und
nicht alle Kosten bei den Jungen abzuladen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Solidarität ist das Prinzip unserer Sozialversicherung,
Solidarität zwischen Jung und Alt. Die wollen wir stär-
ken, die Linken wollen sie in Wahrheit zerstören.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der LINKEN)


Das Schlimme ist, dass die Linken heute in der Debatte
und zuvor in ihrer Presseerklärung schlichtweg eine
Falschmeldung in die Welt gesetzt haben. Würden die
Linken sich die Mühe machen, die Veröffentlichungen der
Deutschen Rentenversicherung regelmäßig zu lesen, und
zwar genau, wäre ihnen zum Beispiel auch die Untersu-
chung der Deutschen Rentenversicherung zur Lebenser-
wartung der Rentnerinnen und Rentner aufgefallen, in der
festgestellt wird, dass für alle Bevölkerungsgruppen die
Lebenserwartung steigt. Auch für die sogenannten Ge-
ringverdiener ist sie zum Beispiel nach dieser Untersu-
chung zwischen 1994 und 2001 um 1,5 Jahre gestiegen.
Deswegen muss an dieser Stelle klargestellt werden: Die
Linke lügt und will mit diesen falschen, verlogenen Be-
hauptungen hier Politik machen. Das weisen wir mit aller
Entschiedenheit zurück.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714909400

Herr Kollege Weiß, gestatten Sie eine Zwischenfrage

aus der Fraktion Die Linke?


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1714909500

Gerne.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714909600

Bitte schön, Herr Kollege.


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714909700

Herr Kollege Weiß, den Vorwurf der Lüge weise ich

natürlich in aller Schärfe zurück.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Ich will Sie darauf hinweisen, dass Sie in der Antwort er Bundesregierung auf unsere Große Anfrage nachleen können, dass bei einer Fallzahl von fast 16 400 Mänern mit weniger als 0,75 Entgeltpunkten, also Männern, ie weniger als drei Viertel des Durchschnitts verdient aben, 14 570 in der Untersuchung sind, die zwischen er Hälfte und drei Viertel des Durchschnitts verdient aben. Diese Zahlen sind aussagekräftig. Es handelt sich icht um Erwartungen, es ist keine Theorie, sondern es ind Fakten. Diese Männer haben gelebt, sie haben lange ahre sozialversicherungspflichtig gearbeitet, und sie ind gestorben. Sie hatten eine verkürzte Rentenbezugsauer. Ich sage es Ihnen noch einmal: Bei den Männern, ie zwischen der Hälfte und drei Viertel des Durchchnitts verdient haben, ist die Bezugsdauer von 2001 is 2010 von 12,5 auf 10,5 Jahre gesunken und das Sterealter von 77,5 Jahre auf 75,5 Jahre. Da können Sie icht sagen, dass wir lügen. Wenn Sie diese Zahlen zuckweisen, dann schämen Sie sich offenkundig, und ann fällt der Vorwurf der Lüge auf Sie zurück. Einige wenige könnten überhaupt nicht einen solchen rend beeinflussen; denn die sinkende Rentenbezugsauer findet sich nicht nur zwischen dem Jahr 2001 und em Jahr 2010, sondern über die Kalenderjahre hinweg ei der unteren Einkommensgruppe, und zwar fast kontant. Das müssen Sie doch zur Kenntnis nehmen. Sie önnen die Zahlen nachlesen. Sie sind signifikant. Keier von uns bezweifelt, dass die durchschnittliche Leenserwartung in Deutschland gestiegen ist. Auch das aben Sie wieder erzählt. Das gilt aber eben nicht für lle. Es gibt Gruppen, deren Lebenserwartung sinkt. azu gehören geringverdienende Männer. Erkennen Sie as bitte endlich an. Herr Birkwald, ich habe schon mit meiner Zwischen age versucht, Ihnen zu erklären, dass Sie schlichtweg terbetafeln – diese geben die Zahl der Gestorbenen an – it Erhebungen über die Lebenserwartung vergleichen. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Aber in welchem Alter sie gestorben sind, das ist entscheidend! Ja, leben die denn noch?)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1714909800

enauso hat Ihnen Herr Straubinger gesagt, dass es
lsch ist, die Rentenbezugsdauer mit der Lebenserwar-
ng zu vergleichen. Jetzt will ich Ihnen die entschei-

ende Antwort der Rentenversicherung geben. Ich bitte
ie, unter den Veröffentlichungen der Deutschen Ren-
nversicherung den Artikel von Rembrandt Scholz und
nne Schulz mit dem Titel „Zum Trend der differentiel-
n Sterblichkeit der Rentner in Deutschland“ nachzule-

en. Dort steht als Ergebnis, dass in allen der zehn unter-
uchten Einkommensgruppen, in die die Autoren die
entner ab 65 einteilen, die Lebenserwartung steigt.
uch in dem sogenannten dritten Dezil – also in der
ruppe, die wahrscheinlich den geringsten Verdienst hat –

tieg die Lebenserwartung über 65-Jähriger 2006 im

17808 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Peter Weiß (Emmendingen)



(A) )


)(B)

Vergleich zu 1994 – damals hatten sie eine Lebenserwar-
tung von 13,5 Jahren – auf 15 Jahre.

Damit belegt diese Untersuchung der Rentenversiche-
rung: Auch bei den unteren Einkommensschichten ha-
ben wir es mit einer steigenden Lebenserwartung zu tun.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das sind doch uralte Zahlen!)


Das sind die Fakten der Rentenversicherung, die Sie
schlichtweg nicht lesen und die Sie hier verkehrt darstel-
len. Deswegen muss ich Ihre Behauptung mit aller Ent-
schiedenheit zurückweisen. Sie machen eine Privatrech-
nung auf, die falsch ist


(Elke Ferner [SPD]: Das sind doch Zahlen Ihrer Regierung!)


und die den offiziellen Untersuchungen der Deutschen
Rentenversicherung widerspricht. Die Deutsche Renten-
versicherung ist ein solides Unternehmen, das solide
rechnet. Auf ihre Berechnungen beziehen wir uns. In al-
len Einkommensgruppen steigt die Lebenserwartung.
Das ist ein großer Erfolg für die Bevölkerung in
Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wahrscheinlich leben die alle noch, oder wie? Die leben alle noch nach Ihrer Auffassung! So ein Käse!)


In der Tat interessiert die einzelne Arbeitnehmerin und
den einzelnen Arbeitnehmer nicht so sehr, wie es in den
Statistiken aussieht, sondern ob man persönlich in der
Lage ist, länger zu arbeiten. Wir haben in den vergange-
nen Jahren eine dramatische Veränderung erlebt bei der
Beantragung von Erwerbsminderungsrenten durch Men-
schen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht länger ar-
beiten können. Rund 40 Prozent aller Anträge auf Er-
werbsminderungsrente werden heute wegen psychischer
Erkrankungen gestellt. Da muss ich sagen, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen: Dass eine so hohe Zahl von Perso-
nen aufgrund einer psychischen Erkrankung einen Früh-
verrentungsantrag stellen muss und diese Zahl weiter
steigt, dürfen und sollten wir nicht einfach weiter hinneh-
men. Hier kann man gezielt Gegenstrategien entwickeln.

Es ist nicht so, dass wir die Menschen mit dem Thema
„Länger arbeiten in Deutschland“ alleinlassen; vielmehr
handelt diese Bundesregierung. Der Bundesgesundheits-
minister hat für seine nationale Präventionsstrategie die
betriebliche Gesundheitsförderung zum Topthema ge-
macht – richtig so!


(Elke Ferner [SPD]: Jawohl!)


Die Bundesarbeitsministerin hat die vom paritätisch von
Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzten Arbeits-
schutzausschuss erstellte Empfehlung zur psychischen
Gesundheit am Arbeitsplatz herausgegeben – hervorra-
gend! Mit der Initiative Neue Qualität der Arbeit werden
zielgerichtet Projekte in Betrieben zur Weiterbildung
und zum lebenslangen Lernen, zur Gestaltung moderner,
gesundheitsgerechter Arbeitsplätze, zum besseren Ar-
beitsschutz und zur besseren betrieblichen Gesundheits-
vorsorge gefördert. Wir handeln. Die Bundesforschungs-

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(C (D inisterin setzt einen starken Akzent bei der esundheitsforschung. Also gilt: Wir lamentieren nicht, ondern wir handeln, um längeres Arbeiten in Deutschnd möglich zu machen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Richtig ist: Wer lange gearbeitet hat, der sollte auch
on seiner Rente leben können. Deswegen schlägt die
undesarbeitsministerin vor, dass wir unser Rentenrecht
rgänzen, und zwar an der Stelle, wo Rot-Grün bei sei-
en Rentenreformen, die ja zu einer Senkung des Ren-
nniveaus in Deutschland führten, nicht gehandelt hat.
ot-Grün hat bei der Senkung des Rentenniveaus keine
ntere Auffanglinie vorgesehen, und deswegen werden
ir so etwas einführen. Der Vorschlag der Bundesar-
eitsministerin ist, dass, wer lange eingezahlt hat – zu-
ächst 30 Jahre, später 35 Jahre –, einen Anspruch er-
irbt, sodass zu geringe Rentenansprüche in Form der
uschussrente aufgewertet werden.


(Elke Ferner [SPD]: Das stimmt doch nicht!)


Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, diese Koali-
on aus CDU/CSU und FDP verschließt nicht die Augen
or der Frage: Was passiert mit denjenigen, die eventuell
u geringe Rentenansprüche erworben haben? Wir wol-
n die Frage beantworten, die Rot-Grün damals bei sei-
en Rentenreformen vergessen hat. Deswegen können
ir guten Gewissens sagen: Länger arbeiten in Deutsch-
nd lohnt sich. Wir wollen die Voraussetzungen dafür

chaffen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714909900

Nächster und letzter Redner in unserer Debatte ist un-

er Kollege Frank Heinrich für die Fraktion der CDU/
SU. Bitte schön, Herr Kollege.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Stefan Rebmann [SPD]: Den Letzten beißen die Hunde!)



Frank Heinrich (CDU):
Rede ID: ID1714910000

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

en und Kollegen! Es ist schon eine ganze Menge gesagt
nd vieles ausgetauscht worden. Es bleibt fast nichts
brig.


(Zuruf von der LINKEN: Dann lassen Sie es doch sein!)


rotzdem möchte ich einige Gedanken noch einmal auf-
reifen und einiges noch einmal extra betonen.

Ich finde es richtig und wichtig – das haben verschie-
ene Redner heute schon gesagt –, über dieses Thema zu
iskutieren. Es ist nämlich ein Thema, das die Menschen
ewegt. Ich danke Ihnen insofern dafür, dass Sie dieses
hema auf die Tagesordnung gesetzt haben. Ich danke
ber auch der Regierung, dass sie eine solche Anfrage
it so viel Mühe bearbeitet hat und eine so gute Abwä-

ung der in Ihrer Großen Anfrage genannten Risiken

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17809

Frank Heinrich


(A) )


)(B)

vorgenommen hat. Das Gute an der parlamentarischen
Debatte ist ja, dass man hinterfragen darf, ja sogar muss.

Der Titel der Großen Anfrage lautet: „Rente erst
ab 67 – Risiken für Jung und Alt“. Mir kam an dieser
Stelle sofort der Gedanke, dass bemerkenswerte Unter-
schiede zwischen den möglichen Formulierungen beste-
hen. Die Formulierung „Rente erst ab 67“ beinhaltet ja
eine Konnotation, die Sie schon mit dem entsprechenden
Gesetz verbanden, als es 2007 von Ihnen unter Herrn
Müntefering mit auf den Weg gebracht wurde. Frau von
der Leyen versah gleich zu Beginn ihrer Amtszeit diesen
Sachverhalt mit einer anderen Konnotation: Wir reden,
ich rede von „Arbeit bis 67“. Das ist ein viel konstrukti-
verer Ansatz und beinhaltet den Anspruch, diese Zeit zu
gestalten und Strategien zu entwickeln, um damit umzu-
gehen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist aber für 75 Prozent der Menschen nicht so!)


Wir sollten also – Herr Strengmann-Kuhn hat das vor-
hin schon angesprochen – nicht bei den Risiken stehen
bleiben, sondern auch von den Chancen reden. Diese
wurden in der heutigen Debatte von Ihnen, Kolleginnen
und Kollegen von der Linken, sehr einseitig dargestellt.


(Zurufe der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])


Die Rente ab 67 bzw. – so wird das heute genannt –
die Arbeit bis 67 bringt sehr viele Chancen für ältere Er-
werbstätige mit sich: Möglichkeiten zur Teilhabe, Stei-
gerung des Selbstwertgefühls, gutes Einkommen,


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die können doch jetzt schon weiter arbeiten! Mit Zuschlägen!)


sozialer Status – um nur einige zu nennen. Das hat die
Bundesregierung in ihrer Antwort auf Ihre Große An-
frage auch ausdrücklich betont. Erwerbsarbeit ist ein we-
sentlicher Aspekt des gesellschaftlichen Lebens.

Wenn wir also tatsächlich Beteiligung wollen – in den
letzten Wochen haben wir dieses Wort ja sehr häufig ge-
braucht –, dann müssen wir neben den wirtschaftlichen
Bedingungen in unserem Land und den wirtschaftlichen
Bedingungen jedes Einzelnen auch diese Tür öffnen
bzw. offen halten. Viele wollen auch in Zukunft ganz be-
wusst und gern ihrer Arbeit nachgehen.

Gestern Abend sprach ich mit einem jungen Mann,
der aus einem europäischen Land kam. Er erzählte, dass
in seinem Land ein 66-Jähriger gegen den Staat klagt,
weil dieser ihn in den Ruhestand schicken will. Er be-
gründet seine Klage damit, dass er sich diskriminiert
fühlt.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714910100

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Herrn Kollegen Siegfried Kauder?


Frank Heinrich (CDU):
Rede ID: ID1714910200

Sehr gerne.

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(C (D Bitte schön, Herr Kollege Siegfried Kauder. Siegfried Kauder SU)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714910300
Herr Präsident, ich möchte keine Zwischenfrage stel-

n, sondern ich habe die Bitte, dafür zu sorgen, dass
an auch auf den hinteren Rängen das versteht, was der
edner vorne spricht. Ich könnte mir vorstellen, dass die
chüler oben auf der Galerie auch gerne zuhören wür-
en. – Danke.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist nicht nötig! Es ist wirklich langweilig, was er erzählt! – Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714910400

Vielen Dank für den Hinweis. Der Hinweis richtet

ich natürlich auch an all diejenigen, die im Augenblick
den hinteren Reihen stehen und in tiefe Gespräche

erwickelt sind.

Bitte schön, Herr Kollege Heinrich.


Frank Heinrich (CDU):
Rede ID: ID1714910500

Ich danke Ihnen, Herr Kollege. – Da fühlt sich also

in 66-Jähriger in einem europäischen Partnerland da-
urch diskriminiert, dass er in Ruhestand gehen muss.
ür Unternehmer, Anwälte, Architekten, Landwirte
der eine oder andere Redner ist vorhin darauf einge-

angen – ist es selbstverständlich, oft weit über das von
ns festgesetzte Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten.
ie haben oft die größeren Erfolge in den späteren Le-
ensjahren. Ein deutscher Wissenschaftler, der nach Er-
ichung seines 70. Lebensjahrs seine Karriere in Däne-
ark fortsetzen möchte, sagte: Da kann ich so lange an

er Universität bleiben, wie sie findet, dass ich meinen
ob gut mache.

Interessant, dass Sie heute von der „Rente erst ab 67“
prechen. Es werden oft Ängste – Herr Kollege
trengmann-Kuhn hat vorhin darauf hingewiesen – da-
urch verstärkt, dass die Sachlage einseitig dargestellt
ird.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist das Geschäftsmodell der Linken!)


h zitiere beispielhaft die Bremer Altersforscherin
rsula Staudinger:

Oft wird der Eindruck erweckt, Arbeit sei etwas,
wovon die Politik

also wir –

den Menschen befreien müsste.

dieser Aussage ist eine Konnotation enthalten, die aus
nserer Sicht eine falsche Sicht auf das Problem zum
usdruck bringt. Meines Erachtens braucht es dabei ein
mdenken. Eine Veränderung benötigt allerdings Zeit.
eshalb braucht es eben 18 Jahre, um diese zwei Jahre
erlängerung der Lebensarbeitszeit hinzubekommen. Es

17810 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Frank Heinrich


(A) )


)(B)

ist gut, dass das langsam geht und sich alle Beteiligten
darauf einstellen können.

Die Daten der letzten Jahre – wir haben jetzt viele ge-
hört – belegen den positiven Trend, auch wenn wir – das
betone ich ganz bewusst – noch ein ganzes Stück Weg
vor uns haben. Eine Zahl ist mir in dem Zusammenhang
wichtig: Deutschland konnte die Erwerbstätigenquote
der 55- bis 65-Jährigen in den letzten zehn Jahren von
38 Prozent auf 57 Prozent steigern. Trotz dieser beachtli-
chen Erfolge bleibt noch eine Menge zu tun, woran wir
als Politik auch beteiligt sein müssen. Wichtig ist in dem
Zusammenhang, beim Gestalten der Bedingungen, das
„Auch“.


(Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD])


Die Bundesregierung beteiligt sich mit veränderten
Vorgaben, die den Verbleib von Älteren im Erwerbsle-
ben besser ermöglichen sollen. Es braucht aber alle in
unserer Gesellschaft, um den Herausforderungen, die
heute mehrfach genannt wurden, gerecht zu werden, wie
zum Beispiel der Demografie.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Eine längere Lebensarbeitszeit ist eben auch eine
Chance für die Wirtschaft und für die Unternehmen,
Stichwort „Fachkräftemangel“.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dann sinkt die Bezugsdauer!)


Viele Unternehmen nutzen das schon. In meiner Stadt
Chemnitz merke ich, dass ein Bewusstseinswandel statt-
gefunden hat und immer noch stattfindet, besonders in
kleineren und mittleren Unternehmen, die die Fähigkei-
ten der 50-Jährigen eben nicht kleinreden oder – wie
Frau von der Leyen das vorhin gesagt hat – schlecht-
reden, sondern nutzen und entwickeln, wobei sie sich na-
türlich darauf einstellen müssen, Maßnahmen im Ge-
sundheitsbereich oder in der Ausbildung zu treffen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Positive Zusatzeffekte dieser Regelaltersgrenzenan-
hebung sind zum Beispiel, dass ein höherer Rentenan-
spruch entsteht – auch wenn Sie das immer anders dar-
stellen – und dass dann, wenn mehr Versicherte in das
System einzahlen, der Nachhaltigkeitsfaktor zu höheren
Anpassungen führt.

Ich komme zum Schluss.


(Beifall des Abg. Stefan Rebmann [SPD] – Elke Ferner [SPD]: Das ist schön!)


Für die Anhebung des Rentenalters spricht eine Reihe
von guten Gründen: außer der Demografie, dem Ge-
burtenrückgang, der steigenden Lebenserwartung, der
wachsenden Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Äl-
teren auch der drohende Fachkräftemangel, aber vor al-
lem – und das wollte ich betonen – die Erweiterung der
Teilhabemöglichkeiten für ältere Bürgerinnen und Bür-
ger in unserer Gesellschaft.

Wir glauben, dabei sind wir auf dem richtigen Weg,
trotz der von Ihnen genannten Risiken.

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1)

2)

(C (D Ich danke für die Aufmerksamkeit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die ussprache. Uns liegen Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 nserer Geschäftsordnung vor.1)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714910600

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Ent-
chließungsanträge.

Zunächst Entschließungsantrag der Fraktion der So-
ialdemokraten auf Drucksache 17/8150. Wer stimmt für
iesen Entschließungsantrag? – Das ist die Fraktion der
ozialdemokraten. Gegenprobe! – Koalitionsfraktionen
nd Teile von Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? –
raktion Die Linke und Teile der Fraktion Bündnis 90/
ie Grünen. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.

Ich komme nun zum Entschließungsantrag der Frak-
on Die Linke auf Drucksache 17/8151. Die Fraktion
ie Linke verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte
ie Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehe-
en Plätze einzunehmen. – Sind alle Urnen besetzt?
ein gegenteiliger Hinweis? – Das ist der Fall. Ich er-
ffne die Abstimmung.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
timme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.

Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftfüh-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-

en. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später
ekannt gegeben.2)

Wenn Sie sich wieder auf die Plätze begeben, haben
ir eine Chance, die gemeinsamen Beratungen fortzu-

etzen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 a bis f sowie den
usatzpunkt 3 a bis g auf:

33 a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung des
Elterngeldvollzugs

– Drucksache 17/1221 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine
Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion DIE LINKE

Sozialen Fortschritt und regionale Integration
in Lateinamerika unterstützen

– Drucksache 17/3214 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)


Anlage 3
Seite 17816 C

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17811

Vizepräsident Eduard Oswald


(A) )


)(B)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicole
Gohlke, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Keine Teilprivatisierung bei der Hochschul-
zulassung
– Drucksache 17/7642 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Agnes
Krumwiede, Beate Müller-Gemmeke, Ekin
Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Prekäre Situation von Lehrbeauftragten an
Musikhochschulen sowie Hochschulen für
Musik und Theater beenden – Rahmenbedin-
gungen zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe
schaffen
– Drucksache 17/7825 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Ausschuss für Arbeit und Soziales

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Caren
Lay, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Verbraucherrecht auf ein kostenloses Giro-
konto für alle gesetzlich verankern
– Drucksache 17/8141 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Federführung strittig

f) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bil-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

(18. Ausschuss) gem. § 56 a der Geschäftsord-

nung

Technikfolgenabschätzung (TA)


Innovationsreport
Zukunftspotenziale und Strategien nichtfor-
schungsintensiver Industrien in Deutschland –
Auswirkungen auf Wettbewerbsfähigkeit und
Beschäftigung
– Drucksache 17/4983 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales

ZP 3 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Rolf
Hempelmann, Dirk Becker, Hubertus Heil

(C (D der SPD Die europäische Energieeffizienzrichtlinie wirkungsvoll ausgestalten – Drucksache 17/8159 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit b)


(Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktion

Schwarzelühr-Sutter, René Röspel, Willi Brase,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Chancen der Nanotechnologien nutzen und
Risiken für Verbraucher reduzieren
– Drucksache 17/8158 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Federführung strittig

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Wilhelm Priesmeier, Willi Brase, Petra
Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD
Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung senken
und eine wirksame Reduktionsstrategie um-
setzen
– Drucksache 17/8157 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Gesundheit

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Eva
Högl, Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Petra
Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD
Übereinkommen des Europarats zur Bekämp-
fung des Menschenhandels korrekt ratifizie-
ren – Deutsches Recht wirksam anpassen
– Drucksache 17/8156 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

e) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD

Recht auf Eheschließung auch gleichge-
schlechtlichen Paaren ermöglichen
– Drucksache 17/8155 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

17812 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Vizepräsident Eduard Oswald


(A) )


)(B)

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Thilo
Hoppe, Dr. Gerhard Schick, Lisa Paus, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Für die Einführung eines transparenten und
unabhängigen Staateninsolvenzverfahrens

– Drucksache 17/8162 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Agnes
Krumwiede, Ekin Deligöz, Katja Dörner, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Rechtssicherheit für verwaiste Werke herstel-
len und den Ausbau der Deutschen Digitalen
Bibliothek auf ein solides Fundament stellen

– Drucksache 17/8164 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach-
ten Verfahren ohne Debatte.

Wir kommen zunächst zu zwei Vorlagen, bei denen
die Federführung strittig ist.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die beiden Vorla-
gen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse
zu überweisen.

Ich komme zunächst zum Antrag der Fraktion Die
Linke auf Drucksache 17/8141. Die Fraktionen der
CDU/CSU und der FDP wünschen Federführung beim
Finanzausschuss, die Fraktion der SPD wünscht Feder-
führung beim Rechtsausschuss, und die Fraktionen
Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke wünschen Feder-
führung beim Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz.

Ich lasse zunächst über den Überweisungsvorschlag
der Fraktion der SPD, also Federführung beim Rechts-
ausschuss, abstimmen. Wer stimmt für diesen Über-
weisungsvorschlag? – Das ist die Fraktion der Sozial-
demokraten. Wer stimmt dagegen? – Die
Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? – Keine. Der Über-
weisungsvorschlag ist abgelehnt.

Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der
Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, also
Federführung beim Ausschuss für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz, abstimmen. Wer stimmt
für diesen Überweisungsvorschlag? – Das sind die Frak-
tionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Wer
stimmt dagegen? – Die Koalitionsfraktionen und die So-

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(C (D ialdemokraten. Enthaltungen? – Keine. Der Überweiungsvorschlag ist abgelehnt. Schließlich stimmen wir über den Überweisungsvorchlag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP ab: Feerführung beim Finanzausschuss. Wer stimmt für dieen Überweisungsvorschlag? – Das sind die oalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? – Das sind ie drei Oppositionsfraktionen. Enthaltungen? – Keine. er Überweisungsvorschlag ist angenommen. Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/8158. ie Fraktionen der CDU/CSU und FDP wünschen Feerführung beim Ausschuss für Bildung, Forschung und echnikfolgenabschätzung. Die Fraktion der Sozialdeokraten wünscht Federführung beim Ausschuss für Er ährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Ich lasse zunächst über den Überweisungsvorschlag er Fraktion der SPD abstimmen: Federführung beim usschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau herschutz. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorchlag? – Das sind die Sozialdemokraten, Bündnis 90/ ie Grünen und die Linksfraktion. Wer stimmt dagegen? Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? – eine. Der Überweisungsvorschlag ist abgelehnt. Wir stimmen über den Überweisungsvorschlag der raktionen der CDU/CSU und FDP ab: Federführung eim Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolenabschätzung. Wer stimmt für diesen Überweisungsorschlag? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer timmt dagegen? – Das sind die drei Oppositionsfraktioen. Enthaltungen? – Keine. Der Überweisungsvorchlag ist angenommen. Wir kommen nun zu den unstrittigen Überweisungen, agesordnungspunkt 33 a bis d und 33 f sowie Zusatzunkt 3 a und 3 c bis g. Interfraktionell wird vorgeschlaen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführn Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit inverstanden? – Das ist der Fall. Die Überweisungen ind so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 34 a bis m sowie usatzpunkt 4 a bis m auf. Es handelt sich um die Bechlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprahe vorgesehen ist. Tagesordnungspunkt 34 a: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung der Abgeordneten Stephan Kühn, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zukunftsfähige Alternativen zur Nordverlängerung der Bundesautobahn 14 (Magdeburg– Schwerin)


– Drucksachen 17/4199, 17/5033 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Matthias Lietz

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17813

Vizepräsident Eduard Oswald


(A) )


)(B)

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 17/5033, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/4199 abzu-
lehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der
Sozialdemokraten. Gegenprobe! – Bündnis 90/Die Grü-
nen. Enthaltungen? – Fraktion Die Linke. Die Be-
schlussempfehlung ist angenommen.

Tagesordnungspunkt 34 b:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)

Christian Ströbele, Dr. Harald Terpe, Thilo
Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kein Verbot von Koka-Blättern – Für die völ-
kerrechtliche Anerkennung als schützens-
werte Kultur der indigenen Völker im Anden-
Raum

– Drucksachen 17/6120, 17/7291 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Erich G. Fritz
Dr. Rolf Mützenich
Marina Schuster
Wolfgang Gehrcke
Hans-Christian Ströbele

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 17/7291, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/6120 ab-
zulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! – So-
zialdemokraten, Bündnis 90/Die Grünen und Linksfrak-
tion. Enthaltungen? – Keine. Die Beschlussempfehlung
ist angenommen.

Tagesordnungspunkt 34 c:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-
nologie (9. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Joachim
Pfeiffer, Dr. Michael Fuchs, Kai Wegner, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/
CSU sowie der Abgeordneten Dr. Hermann
Otto Solms, Dr. Martin Lindner (Berlin),
Claudia Bögel, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP

Weniger Bürokratie und Belastungen für
den Mittelstand – Den Erfolgskurs fortset-
zen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Andrea
Wicklein, Garrelt Duin, Hubertus Heil (Peine),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
SPD

Stagnation beim Bürokratieabbau überwin-
den – Neue Schwerpunktsetzung für den
Mittelstand umsetzen

– Drucksachen 17/7636, 17/7610, 17/8167 –

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(C (D Berichterstattung: Abgeordnete Claudia Bögel Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner eschlussempfehlung die Annahme des Antrags der raktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/ 636 mit dem Titel „Weniger Bürokratie und Belastunen für den Mittelstand – Den Erfolgskurs fortsetzen“. er stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind ie Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! – Sozialdemoraten und Linksfraktion. Enthaltungen? – Fraktion ündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung ist ngenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Abhnung des Antrags der Fraktion der Sozialdemokraten uf Drucksache 17/7610 mit dem Titel „Stagnation beim ürokratieabbau überwinden – Neue Schwerpunktsetung für den Mittelstand umsetzen“. Wer stimmt für iese Beschlussempfehlung? – Das sind die Koalitionsaktionen. Gegenprobe! – Das sind die Fraktionen der ozialdemokraten und des Bündnisses 90/Die Grünen. nthaltungen? – Wie hat die Linksfraktion gestimmt? – ie Linksfraktion hat zugestimmt. Die Beschlussemphlung ist angenommen. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petionsausschusses. Tagesordnungspunkt 34 d: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 354 zu Petitionen – Drucksache 17/7969 – Wer stimmt dafür? – Das sind alle Fraktionen des auses. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Enthaltunen? – Niemand. Die Sammelübersicht 354 ist angeommen. Tagesordnungspunkt 34 e: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 355 zu Petitionen – Drucksache 17/7970 – Wer stimmt dafür? – Das sind die Koalitionsfraktioen, Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen. er stimmt dagegen? – Niemand. Enthaltungen? – inksfraktion. Sammelübersicht 355 ist angenommen. Tagesordnungspunkt 34 f: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 356 zu Petitionen – Drucksache 17/7971 – Wer stimmt dafür? – Das sind alle Fraktionen des auses. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Enthaltunen? – Niemand. Sammelübersicht 356 ist angenommen. 17814 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Vizepräsident Eduard Oswald )


(A) )

Tagesordnungspunkt 34 g:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 357 zu Petitionen

– Drucksache 17/7972 –

Wer stimmt dafür? – Das sind die Koalitionsfraktio-
nen, Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen.
Wer stimmt dagegen? – Linksfraktion. Enthaltungen? –
Keine. Sammelübersicht 357 ist angenommen.

Tagesordnungspunkt 34 h:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 358 zu Petitionen

– Drucksache 17/7973 –

Wer stimmt dafür? – Koalitionsfraktionen, Bünd-
nis 90/Die Grünen und Linksfraktion. Wer stimmt dage-
gen? – Sozialdemokraten. Enthaltungen? – Niemand.
Die Sammelübersicht 358 ist angenommen.

Tagesordnungspunkt 34 i:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 359 zu Petitionen

– Drucksache 17/7974 –

Wer stimmt dafür? – Die Koalitionsfraktionen und
Sozialdemokraten. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/
Die Grünen und Linksfraktion. Enthaltungen? – Nie-
mand. Die Sammelübersicht 359 ist angenommen.

Tagesordnungspunkt 34 j:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 360 zu Petitionen

– Drucksache 17/7975 –

Wer stimmt dafür? – Das sind die Koalitionsfraktio-
nen und die Fraktion Die Linke. Wer stimmt dagegen? –
Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen. Enthal-
tungen? – Keine. Sammelübersicht 360 ist angenommen.

Tagesordnungspunkt 34 k:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 361 zu Petitionen

– Drucksache 17/7976 –

Wer stimmt dafür? – Koalitionsfraktionen und Bünd-
nis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Sozialdemo-
kraten und Linksfraktion. Enthaltungen? – Keine. Die
Sammelübersicht 361 ist angenommen.

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(C (D Tagesordnungspunkt 34 l: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 362 zu Petitionen – Drucksache 17/7977 – Wer stimmt dafür? – Koalitionsfraktionen. Wer timmt dagegen? – Die drei Oppositionsfraktionen. Entaltungen? – Keine. Die Sammelübersicht 362 ist angeommen. Tagesordnungspunkt 34 m: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 363 zu Petitionen – Drucksache 17/7978 – Wer stimmt dafür? – Koalitionsfraktionen. Wer timmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen, Sozialdeokraten und Linksfraktion. Enthaltungen? – Niemand. ammelübersicht 363 ist angenommen. Zusatzpunkt 4 a: Beratung des Antrags der Abgeordneten Heinz Paula, Willi Brase, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Verbot der Haltung wildlebender Tierarten im Zirkus – Drucksache 17/8160 – Wer stimmt für diesen Antrag? – Das sind die Frakon der Sozialdemokraten, Bündnis 90/Die Grünen und inksfraktion. Wer stimmt dagegen? – Das sind die oalitionsfraktionen. Enthaltungen? – Keine. Der Anag ist abgelehnt. Zusatzpunkt 4 b: Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Ingrid Nestle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Erneuerbare Energien und Energieeffizienz als Alternative zum polnischen Atomprogramm fördern und fordern – Drucksache 17/8163 – Wer stimmt für diesen Antrag? – Bündnis 90/Die rünen, Sozialdemokraten und Linksfraktion. Wer timmt dagegen? – Die Koalitionsfraktionen. Enthaltunen? – Keine. Der Antrag ist abgelehnt. Zusatzpunkt 4 c: Beratung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Übersicht 6 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht – Drucksache 17/8165 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17815 Vizepräsident Eduard Oswald )


(A) )

Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das
sind die Koalitionsfraktionen, die Sozialdemokraten und
die Linksfraktion. Gegenprobe! – Keine. Enthaltun-
gen? – Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschluss-
empfehlung ist angenommen.

Wir kommen zu weiteren Beschlussempfehlungen
des Petitionsausschusses.

Zusatzpunkt 4 d:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 364 zu Petitionen

– Drucksache 17/8168 –

Wer stimmt dafür? – Das sind alle Fraktionen des
Hauses. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Enthaltun-
gen? – Keine. Sammelübersicht 364 ist angenommen.

Zusatzpunkt 4 e:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 365 zu Petitionen

– Drucksache 17/8169 –

Wer stimmt dafür? – Koalitionsfraktionen und Sozial-
demokraten. Wer stimmt dagegen? – Linksfraktion. Ent-
haltungen? – Bündnis 90/Die Grünen. Die Sammelüber-
sicht 365 ist angenommen.

Zusatzpunkt 4 f:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 366 zu Petitionen

– Drucksache 17/8170 –

Wer stimmt dafür? – Das sind alle Fraktionen des
Hauses. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Enthaltun-
gen? – Keine. Die Sammelübersicht 366 ist angenom-
men.

Zusatzpunkt 4 g:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 367 zu Petitionen

– Drucksache 17/8171 –

Wer stimmt dafür? – Das sind die Koalitionsfraktio-
nen, Bündnis 90/Die Grünen und Sozialdemokraten.
Wer stimmt dagegen? – Niemand. Enthaltungen? –
Linksfraktion. Die Sammelübersicht 367 ist angenom-
men.

Zusatzpunkt 4 h:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 368 zu Petitionen

– Drucksache 17/8172 –

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(C (D Wer stimmt dafür? – Das sind die Koalitionsfraktioen, Bündnis 90/Die Grünen und Sozialdemokraten. er stimmt dagegen? – Linksfraktion. Enthaltungen? – eine. Die Sammelübersicht 368 ist angenommen. Zusatzpunkt 4 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 369 zu Petitionen – Drucksache 17/8173 – Wer stimmt dafür? – Koalitionsfraktionen und Sozialemokraten. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die rünen. Enthaltungen? – Linksfraktion. Die Sammelbersicht 369 ist angenommen. Zusatzpunkt 4 j: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 370 zu Petitionen – Drucksache 17/8174 – Wer stimmt dafür? – Das sind die Koalitionsfraktioen und die Sozialdemokraten. Wer stimmt dagegen? – ündnis 90/Die Grünen und Linksfraktion. Enthaltunen? – Keine. Die Sammelübersicht 370 ist angenomen. Zusatzpunkt 4 k: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 371 zu Petitionen – Drucksache 17/8175 – Wer stimmt dafür? – Koalitionsfraktionen und Linksaktion. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grüen und Sozialdemokraten. Enthaltungen? – Keine. Die ammelübersicht 371 ist angenommen. Zusatzpunkt 4 l: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 372 zu Petitionen – Drucksache 17/8176 – Wer stimmt dafür? – Die Koalitionsfraktionen. Wer timmt dagegen? – Sozialdemokraten und Bündnis 90/ ie Grünen. Enthaltungen? – Linksfraktion. Die Samelübersicht 372 ist angenommen. Zusatzpunkt 4 m: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 373 zu Petitionen – Drucksache 17/8177 – Wer stimmt dafür? – Die Koalitionsfraktionen. Wer timmt dagegen? – Die Sozialdemokraten, Bündnis 90/ ie Grünen und die Linksfraktion. Enthaltungen? – eine. Die Sammelübersicht 373 ist angenommen. 17816 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Vizepräsident Eduard Oswald )


(A) )


Eva Bulling-Schröter Kersten Steinke Alexander Dobrindt Ansgar Heveling
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen

Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Johanna Voß
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann

Nein

CDU/CSU

Peter Aumer
Dorothee Bär

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r. Thomas Feist
nak Ferlemann
grid Fischbach
artwig Fischer (Göttingen)

irk Fischer (Hamburg)

r. Maria Flachsbarth
laus-Peter Flosbach
erbert Frankenhauser
r. Hans-Peter Friedrich

(Hof)

ichael Frieser

rich G. Fritz
r. Michael Fuchs
ans-Joachim Fuchtel
lexander Funk
go Gädechens
r. Thomas Gebhart
orbert Geis

Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung (Konstanz)

Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Alois Karl
Bernhard Kaster

(Villingen Schwenningen)

Dr. Martina Bunge Sabine Stüber Marie-Luise Dött Ernst Hinsken
Ich rufe den Zusatzpunkt 5 a

Beratung der Beschlus
schusses nach Artikel 77
mittlungsausschusses) z
kung eines aktiven Sch

(Bunde BKiSchG)


– Drucksachen 17/62
17/7932, 17/7967, 17/81

Berichterstatter:
Abgeordneter Jörg van E

Wir kommen zur Abstimmu
schuss hat gemäß § 10 Abs. 3
ordnung beschlossen, dass im

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 574;
davon

ja: 71
nein: 487
enthalten: 16

Ja

SPD

Klaus Barthel
Wolfgang Gunkel
Hilde Mattheis
Werner Schieder (Weiden)

Ottmar Schreiner
Rüdiger Veit

DIE LINKE

Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm

H
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uf:

sempfehlung des Aus-

(Veru dem Gesetz zur Stärutzes von Kindern und skinderschutzgesetz – 56, 17/7522, 17/7523, 30 – ssen ng. Der VermittlungsausSatz 1 seiner Geschäfts Deutschen Bundestag ü s a K n h n S A g – e S g tr arald Koch n Korte tta Krellmann atrin Kunert aren Lay abine Leidig alph Lenkert tefan Liebich lla Lötzer r. Gesine Lötzsch lrich Maurer orothée Menzner ornelia Möhring ornelia Möller iema Movassat homas Nord etra Pau ns Petermann ichard Pitterle vonne Ploetz grid Remmers aul Schäfer r. Ilja Seifert athrin Senger-Schäfer aju Sharma r. Petra Sitte T N G E M V D P S C P D W N K M D H D D H R C G ber die Änderung gemeinsam timmt für die Beschlussempfe usschusses auf Drucksache 1 oalitionsfraktionen, die Sozia is 90/Die Grünen. Gegenprob altungen? – Keine. Die Besch ommen. Ich gebe jetzt das von den chriftführern ermittelte Erge bstimmung zu dem Entschli innen und Kollegen der Frak es geht um die Große Anfra rst ab 67 – Risiken für Jung timmen 575. Mit Ja haben gest estimmt 488, Enthaltungen 15 ag ist abgelehnt. homas Bareiß orbert Barthle ünter Baumann rnst-Reinhard Beck anfred Behrens eronika Bellmann r. Christoph Bergner eter Beyer teffen Bilger lemens Binninger eter Bleser r. Maria Böhmer olfgang Börnsen orbert Brackmann laus Brähmig ichael Brand r. Reinhard Brandl elmut Brandt r. Ralf Brauksiepe r. Helge Braun eike Brehmer alph Brinkhaus ajus Caesar itta Connemann A E M Jo P D U R H M M M M O F D Jü G D H M U F R M Jü (C (D abzustimmen ist. Wer hlung des Vermittlungs7/8130? – Das sind die ldemokraten und Bünde! – Linksfraktion. Entlussempfehlung ist ange Schriftführerinnen und bnis der namentlichen eßungsantrag der Kolletion Die Linke bekannt ge mit dem Titel „Rente und Alt“ –: abgegebene immt 72, mit Nein haben . Der Entschließungsan lois Gerig berhard Gienger ichael Glos sef Göppel eter Götz r. Wolfgang Götzer te Granold einhard Grindel ermann Gröhe ichael Grosse-Brömer arkus Grübel anfred Grund onika Grütters lav Gutting lorian Hahn r. Stephan Harbarth rgen Hardt erda Hasselfeldt r. Matthias Heider elmut Heiderich echthild Heil rsula Heinen-Esser rank Heinrich udolf Henke ichael Hennrich rgen Herrmann Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17817 Vizepräsident Eduard Oswald )


(Reutlingen)


(Bönstrup)


(A) )

Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers


(Heidelberg)

Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Dr. Michael Meister
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller (Erlangen)

Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann (Bremen)

Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche (Potsdam)

Lothar Riebsamen

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r. Heinz Riesenhuber
hannes Röring
r. Norbert Röttgen
r. Christian Ruck
rwin Rüddel
lbert Rupprecht (Weiden)

nita Schäfer (Saalstadt)

r. Annette Schavan
r. Andreas Scheuer
arl Schiewerling
orbert Schindler
ankred Schipanski
eorg Schirmbeck
hristian Schmidt (Fürth)

atrick Schnieder
r. Andreas Schockenhoff
adine Schön (St. Wendel)

r. Kristina Schröder
r. Ole Schröder
ernhard Schulte-Drüggelte
we Schummer

(Weil am Rhein)

etlef Seif
hannes Selle
einhold Sendker
r. Patrick Sensburg
ernd Siebert
hannes Singhammer
arola Stauche
r. Frank Steffel
rika Steinbach
hristian Freiherr von Stetten
ieter Stier
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tephan Stracke
ax Straubinger
arin Strenz
ena Strothmann
ichael Stübgen
r. Peter Tauber
ntje Tillmann
r. Hans-Peter Uhl
rnold Vaatz
olkmar Vogel (Kleinsaara)

tefanie Vogelsang
ndrea Astrid Voßhoff
r. Johann Wadephul
arco Wanderwitz
ai Wegner
arcus Weinberg (Hamburg)


eter Weiß (Emmendingen)

abine Weiss (Wesel I)

go Wellenreuther
arl-Georg Wellmann
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nnette Widmann-Mauz
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lisabeth Winkelmeier-
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r. Matthias Zimmer
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othar Binding (Heidelberg)

erd Bollmann
laus Brandner
ernhard Brinkmann

(Hildesheim)


delgard Bulmahn
arco Bülow
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artin Burkert

etra Crone
r. Peter Danckert
artin Dörmann

lvira Drobinski-Weiß
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go Egloff

iegmund Ehrmann
r. h. c. Gernot Erler
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abriele Fograscher
r. Edgar Franke
agmar Freitag
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artin Gerster
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lrike Gottschalck
ngelika Graf (Rosenheim)

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ans-Joachim Hacker
ettina Hagedorn
laus Hagemann
ichael Hartmann

(Wackernheim)

ubertus Heil (Peine)

r. Barbara Hendricks
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rank Hofmann (Volkach)

r. Eva Högl
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hannes Kahrs
r. h. c. Susanne Kastner
lrich Kelber
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ans-Ulrich Klose
r. Bärbel Kofler
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(Tuchenbach)


(Schwandorf)


(A) )


Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß

Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr

Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Katja Keul
Memet Kilic

SPD

Willi Brase

Joachim Günther (Plauen)

Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Holger Krestel
Patrick Kurth (Kyffhäuser)

Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht

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Ich rufe nun den Zusatzpunk

Aktuelle Stunde

Demokratiebewegung i

Erster Redner in dieser von a
ses beantragten Aktuellen Stund
CDU/CSU unser Kollege Dr. A
Bitte schön, Kollege Dr. Schock


(Beifall bei der CDU/C Dr. Andreas Schockenhof Herr Präsident! Liebe Kolleg Ereignisse der letzten Tage in R sche Modell der gelenkten De mokratie mit Attributen funkti stellung wirft Russland nur im Russen haben das erkannt und mmy Schulz arina Schuster r. Erik Schweickert erner Simmling dith Skudelny r. Hermann Otto Solms achim Spatz r. Max Stadler orsten Staffeldt r. Rainer Stinner tephan Thomae lorian Toncar erkan Tören hannes Vogel r. Daniel Volk r. Guido Westerwelle r. Claudia Winterstein S U T O F S R M U D N Je K In D O F D t 6 auf: n Russland llen Fraktionen des Haue ist für die Fraktion der ndreas Schockenhoff. – enhoff. SU und der FDP)


(Lüdenscheid)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1714910700

innen und Kollegen! Die
ussland haben das zyni-

mokratie widerlegt. De-
oniert nicht. Diese Vor-
mer weiter zurück. Viele
dem jetzt eine klare Ab-

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ndine Kurth (Quedlinburg)

r. Tobias Lindner
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age erteilt. Für sie bedeutet der
es Tandems Putin/Medwedew
tillstand und Stagnation. Imm
tagnation eben nicht Stabilit
ahrheit ein Zurückfallen Rus

unft beraubt.

Der letzte Samstag hat Russl
chen Massendemonstrationen
ndert, das viele im Westen von
iesen Wahlen schien es trotz
edwedew in Russland keinen

u geben. Im Gegenteil: Die El
chienen Veränderungen und R
n als eine neue Ära der Stagn
doch gezeigt, dass viele Mens
en Status quo und rhetorisch
dividuellen Freiheiten wollen

(D ichael Gerdes ichael Groß abriele Hiller-Ohm tefan Rebmann ta Zapf ÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN gnes Brugger hilo Hoppe we Kekeritz aria Klein-Schmeink ylvia Kotting-Uhl gnes Krumwiede onika Lazar eate Müller-Gemmeke orothea Steiner ans-Christian Ströbele inszenierte Ämtertausch nicht Stabilität, sondern er mehr verstehen, dass ät bedeutet, sondern in slands, das sie ihrer Zu and verändert. Die friedhaben auch das Bild ver Russland haben. Bis zu der Reden von Präsident Modernisierungskonsens iten und die Gesellschaft eformen mehr zu fürchation. Die Proteste haben chen mehr wollen als nur e Versprechungen. Nach sie nun auch politische Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Dr. Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Sabine LeutheusserSchnarrenberger Lars Lindemann Dr. Martin Lindner Michael Link Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Petra Müller Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann Dirk Niebel Hans-Joachim Otto Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen Damerau Dr. Birgit Reinemund Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert D H B D K M V C B V E K H H D K K B P D (Cr. Volker Wissing artfrid Wolff ÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN erstin Andreae arieluise Beck olker Beck ornelia Behm irgitt Bender iola von Cramon-Taubadel kin Deligöz atja Dörner arald Ebner ans-Josef Fell r. Thomas Gambke ai Gehring atrin Göring-Eckardt ritta Haßelmann riska Hinz r. Anton Hofreiter Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dr. Wolfgang Strengmann Kuhn Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Enthalten Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17819 Dr. Andreas Schockenhoff )


(Lausitz)


(Frankfurt)


(A) )

Rechte: demokratische Mitsprache, politischen Wettbe-
werb und Transparenz.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Russland steht nun am Scheideweg zwischen einem
autoritär geführten Staat und einer wirklichen Demokra-
tie. Das Erste würde Russland in die Vergangenheit zu-
rückwerfen; diese Gefahr besteht durchaus. Das Zweite
wäre die Chance auf ein modernes, rechtsstaatliches
Russland, und zwar innenpolitisch, wirtschaftlich und
außenpolitisch. Es ist klar, dass wir das Letztere wollen
und dafür auch unseren Beitrag leisten müssen.

Die Proteste waren ein Sieg über die Angst vor dem
Kreml. Sie waren vor allem ein Sieg über die politische
Apathie, die die russische Gesellschaft in den letzten
Jahren gelähmt hat. Sie haben eine neue Generation, eine
veränderte Gesellschaft gezeigt, viele junge Menschen,
Aktivisten und eine wachsende Mittelklasse. Für mich
sind das die neuen Russen – demokratisch gesinnt, aktiv,
engagiert und gut vernetzt, also alles, was Russland für
seine Modernisierung braucht. Es sind nicht Wutbürger,
sondern genau die Mutbürger, die jeder Staat braucht.

Wenn der russische Ministerpräsident heute im Fern-
sehen sagt, dass ein Teil der Demonstranten das Land
destabilisieren wolle, dann hat er noch nicht verstanden,
dass diese Aufbruchsstimmung dem Land nutzt und
nicht, wie er sagt, falsch und inakzeptabel ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im Gegenteil: Diese Menschen sind die wichtigste Re-
formkraft und der wichtigste Modernisierungspartner
des russischen Staates und damit auch ein wichtiger
Partner für uns. Mit ihnen muss der russische Staat eine
Modernisierungspartnerschaft aufbauen, und wir müssen
sie gezielter als bisher in die Modernisierungspartner-
schaft mit Russland einbeziehen.

Die jüngsten Demonstrationen haben den Nichteinmi-
schungsvertrag zwischen Staat und Gesellschaft aufge-
kündigt, den viele als Markenzeichen der gelenkten De-
mokratie Putins sehen. Dieser hat zu Apathie, Zynismus
und einer gefährlichen Entfremdung zwischen Macht
und Gesellschaft geführt, die die Duma-Wahlen jetzt
aufgedeckt haben. Die Revitalisierung der russischen
Gesellschaft ist eine große Chance, vielleicht die letzte
Chance für eine bessere Zukunft Russlands. Um sie zu
nutzen, muss die russische Führung klare Antworten auf
die Wahlfälschungen geben, das heißt eine glaubwürdige
Überprüfung der Wahlergebnisse vom 4. Dezember, die
Freilassung aller inhaftierten Demonstranten und die
rechtliche Bestrafung derer, die Wahlmanipulationen zu
verantworten haben.

Russlands Zukunft entscheidet sich dann bei den Prä-
sidentschaftswahlen am 4. März. Sie müssen zeigen,
dass der nächste russische Präsident durch freie und faire
Wahlen legitimiert ist. Wenn für diese Wahlen 90 000 In-
ternetkameras in den Wahlbüros installiert werden, wie

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(C (D utin es vorgeschlagen hat, dann begrüßen wir das, weil ies den organisierten Wahlfälschungstourismus unterinden könnte. Aber entscheidend ist, dass auch vor den ahlen Fairness herrscht, dass die Kandidaten zugelas en werden und dass sie die Chance haben, sich genau ie Putin im staatlichen Fernsehen zu präsentieren. Wir müssen die russische Zivilgesellschaft und die achsende Mittelschicht in den Mittelpunkt unserer Koperationsangebote an Russland rücken. Sie sollte in alle rbeitsfelder der deutschen und europäischen Moderni ierungspartnerschaft stärker eingebunden werden. Wichtig wäre, in Russland den Status der Gemeinnütigkeit aufzubauen. Davon würden vor allem Nichtregiengsorganisationen profitieren. Die wichtigste Grundge für Russlands Modernisierung ist eine nachhaltige tärkung der Verbindung zwischen drittem Sektor und irtschaft, also zwischen Zivilgesellschaft und neuer ittelklasse. Dort, wo wir einen Beitrag leisten können, ind wir gefordert, zu helfen. Das ist im Interesse der rusischen Bevölkerung, aber auch in unserem Interesse für ine gemeinsame europäische Zukunft. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714910800

Vielen Dank, Kollege Dr. Schockenhoff. – Nächster

edner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion
er Sozialdemokraten unser Kollege Franz Thönnes.
itte schön, Kollege Franz Thönnes.


Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1714910900

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
ir sprechen heute über ein Land, mit dem uns eine

anz besondere Verantwortung verbindet. Dieser Verbin-
ung kommt gerade vor dem Hintergrund unserer ge-
einsamen Geschichte im letzten Jahrhundert bis hin

ur deutschen Einheit eine besondere Bedeutung zu. Wir
agen gemeinsam Verantwortung für die Sicherheit in
uropa und in der Welt. Diese Verbindung ist auch be-
üglich unserer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
eziehungen wichtig.

Der Dezember scheint nicht nur in diesen Tagen für
ussland ein sehr wichtiger Monat zu sein. Vor knapp
0 Jahren, am 8. Dezember 1991, wurde die Auflösungs-
rkunde der Sowjetunion unterzeichnet. Vor 41 Jahren,
m 12. August 1970 und am 7. Dezember 1970, wurden
er Warschauer und der Moskauer Vertrag unterzeichnet.
rundlage hierfür war die von Willy Brandt entwickelte
ntspannungs- und Ostpolitik, für die er am 10. Dezem-
er vor 40 Jahren den Friedensnobelpreis in Oslo erhielt.
er Kern dieser Politik, Wandel durch Annäherung, gilt
ach wie vor und heute ganz besonders in Russland.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Michael Link [Heilbronn] [FDP])


17820 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Franz Thönnes


(A) )


)(B)

Russland hat sich in den letzten 20 Jahren gewandelt.
Es entwickelte sich – mit rasanten Veränderungen für
das Leben der Menschen – von einer kommunistischen
Diktatur hin zu einem Gesellschaftssystem, das aus un-
serer Sicht auf der Demokratieskala noch erheblichen
Spielraum nach oben hat. Russland hat sich auch in den
letzten Tagen verändert. So ist es gleichermaßen ein Er-
folg für die Demonstranten wie auch für die Sicherheits-
kräfte bei der Großdemonstration in Moskau am letzten
Wochenende, dass die Kundgebung gewaltfrei verlief.
Dieser Maßstab der Gewaltfreiheit muss auch in Zukunft
in Russland gelten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


Es ist ebenso ein Erfolg, dass es nicht nur die alten Re-
flexe gab, die wir teilweise erlebt haben, zum Beispiel
Verhaftungen, Behinderungen, Verbote, an der Demon-
stration teilzunehmen, oder die Ansetzung von Schulun-
terricht, sondern dass es zwischenzeitlich auch Bericht-
erstattungen in den privaten Medien und im staatlichen
Fernsehen über diese Großdemonstration gab. Auch
diese Entwicklung darf nicht zurückgedreht werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Grund für die Menschen, an der Demonstration
am 4. Dezember teilzunehmen, bestand nicht nur darin,
dass 7 000 Wahlverstöße reklamiert worden sind und die
OSZE die Wahlen als nicht fair und nicht frei bezeichnet
hat. Die Menschen haben auch nicht nur aus sozialen
Gründen protestiert. Vielmehr geht es den Menschen
– das sagen Einzelne von ihnen auf Nachfrage – um ihre
Würde. Sie haben das Gefühl, getäuscht worden zu sein.
Es geht ihnen darum, gegen Rechtswillkür, gegen Recht-
losigkeit, gegen Korruption und gegen politische Gänge-
lung auf die Straße zu gehen. Viele junge Menschen,
Akademiker und Wissenschaftler, waren bei der Demon-
stration. Die Demonstranten waren eine Abbildung der
vielschichtigen Gesellschaft: Kommunisten, Liberale,
Aktivisten aus Vereinen und Verbänden. Das zeigt deut-
lich, dass der Ruf nach Freiheit und Menschenwürde
sich immer wieder Bahn bricht.

Präsident Medwedew sagt, dass es dort, wo es Ver-
stöße gegeben hat, gerechte Entscheidungen geben wird.
Der Sprecher von Ministerpräsident Putin sagt, dass man
die Ansichten der Demonstranten respektiere, dass man
höre, was gesagt wird, und dass man auch weiter zuhö-
ren werde. Dem ist hinzuzufügen, dass wir die politisch
Verantwortlichen an genau diesen Aussagen messen
werden, wobei ich hoffe, dass der Ruf der Menschen
nach Dialog und Partizipation von den Regierenden
nicht nur gehört, sondern auch verstanden wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Michael Link [Heilbronn] [FDP])


Deswegen stellen wir berechtigte Forderungen. Es geht
darum, dass in Zukunft in Russland Meinungsfreiheit,
Demonstrations- und Pressefreiheit gewährleistet wer-
den, dass die friedlichen Demonstranten, die verhaftet

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(C (D urden, freigelassen werden, dass unverzüglich eine ntersuchung der Verstöße gegen das Wahlrecht durcheführt wird, dass die Vorfälle transparent aufgearbeitet erden und dass dort, wo es notwendig ist, Nachwahlen tattfinden. Der Beobachtungsbericht der OSZE, in dem beschrieen ist, wie Wahlgesetze auszusehen haben, und die tandards, die der Europarat formuliert hat, müssen in ussland eingehalten werden. Es geht darum, freie und emokratische Präsidentschaftswahlen zu ermöglichen, it gleichen Chancen für alle Kandidaten, mit Transpanz und echter Konkurrenz. Es geht auch darum, dass ahlbeobachter bei den Wahlen nicht behindert werden ürfen. Eine Demokratie lebt von lauten und gehörten timmen und nicht von Stummheit. Aber es richten sich auch Forderungen an uns selbst. ir dürfen im Rahmen der gesellschaftlichen und wirt chaftlichen Kooperationen, die wir mit Russland haben, icht nachlassen. Sie müssen auf gleicher Augenhöhe tattfinden. Bei diesen Kontakten müssen wir die Fordengen des Europarates nach Achtung der Menschenürde, der Bürgerfreiheiten und der Bürgerrechte mit inbeziehen. Gesellschaft und Wirtschaft brauchen geeinsam Rechtsstaatlichkeit. Wir selbst sind angespro hen, wenn es darum geht, den Petersburger Dialog zu odernisieren und auf die neuen Herausforderungen uszurichten. Das Deutsch-Russische Jahr der Bildung, issenschaft und Innovation 2011/2012, das Deutschndjahr in Russland 2012 bis 2013 und das Russlandhr in Deutschland 2012 bis 2013 sind gute Gelegenhein hierfür. Auf europäischer Ebene gilt es das Partnerschaftsabommen mit Russland weiterzuentwickeln und den heugen Gipfel in Brüssel dazu zu nutzen, diese Kritik offen nzusprechen, aber auch die Hand zur Kooperation in iesem Sinne zu reichen. Dabei spielt die Vereinbarung emeinsamer Schritte auf dem Weg zur Visafreiheit eine anz zentrale Rolle. ber Visaerleichterungen können wir erreichen, – Kommen Sie bitte zum Schluss. – dass die Menschen zusammenkommen und Kon kte zwischen den Bürgerinnen und Bürgern entstehen: Wissenschaft und Forschung, unter jungen Leuten und Bereich des Sports. Nur das wird dazu führen, dass an gegenseitig voneinander lernt und gemeinsam an er Umsetzung der Werte arbeiten kann. Für Russland, die dortige Opposition und die Machtaber wie für uns gilt, was damals schon Willy Brandt esagt hat: Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer. Darum – besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, daß jede Zeit eigene Antworten will und Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17821 Franz Thönnes )


(Beifall im ganzen Hause)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714911000
Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1714911100

(A) )

man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt
werden soll.


(Beifall bei der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714911200

Vielen Dank, Kollege Thönnes. – Nächster Redner in

unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der FDP
unser Kollege Michael Link. Bitte schön, Kollege
Michael Link.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Michael Link (FDP):
Rede ID: ID1714911300

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen

und Kollegen! In Anbetracht dessen, was nach der letz-
ten Duma-Wahl geschehen ist, und insbesondere ange-
sichts der Demonstrationen haben sich in der Tat viele
die Augen gerieben. Offen gesagt: Auch viele von uns
hätten nicht gedacht, dass es zu einem so enormen Auf-
schrei in der Zivilgesellschaft in Russland kommt. Das
ist ein Lebenszeichen der Zivilgesellschaft, dem wir
heute durch diese vereinbarte Aktuelle Stunde Rechnung
tragen; das ist ein ganz wichtiger Punkt. Marieluise Beck
hat dies angestoßen. Alle anderen Fraktionen sind ihrem
Vorschlag gerne gefolgt und haben gesagt: Wir müssen
über dieses Thema diskutieren. – Dies soll auch ein Zei-
chen der Unterstützung sein, das wir aus dem Deutschen
Bundestag an die russische Zivilgesellschaft senden.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Wir unterstützen sie in ihrem Kampf um Rechtsstaatlich-
keit, Demokratie und freie Wahlen; denn nichts weniger
hat Russland verdient.


(Beifall der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die Augen gerieben hat man sich mit Sicherheit auch
im Kreml. Man wird sich noch wundern, was für eine
Eigendynamik die Ergebnisse der beiden Wahlen – der
Duma-Wahl, die gerade stattgefunden hat, und der Präsi-
dentschaftswahl im März nächsten Jahres – entwickeln
können.

Weshalb gibt es diese Eigendynamik und diese Ent-
wicklung? Es ist sicherlich ganz wichtig, immer wieder
darauf hinzuweisen, dass das Machtkartell, das am
24. September dieses Jahres durch die erneute Rochade
zwischen Putin und Medwedew endgültig sichtbar
wurde, sich aber schon lange vorher angedeutet hat, die
Leute schlicht und einfach – ich sage es einmal ganz sa-
lopp und unparlamentarisch – anwidert. Es ist für junge
Leute, die nicht mehr sowjetisch geprägt sind und nicht
mehr biografisch eingeschüchtert werden können, auch
nicht durch den jetzigen Machtapparat, keine attraktive
Vorstellung, Putin erneut sechs, sieben Jahre als Präsi-
denten zu haben und Jedinaja Rossija, die Regierungs-
partei, die dem puren Machterhalt dient, sozusagen vor
die Nase gesetzt zu bekommen, egal wer tatsächlich ge-
wählt wird. Wir sind hier in einer schwierigen Situation.
Deshalb muss man die Gründe verstehen.

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(C (D Wir sind insbesondere sehr dankbar, dass die OSZE nd ihr Wahlbeobachtungsarm ODIHR sehr genau hineschaut haben. Wir sind gespannt auf den endgültigen ericht, der uns bald vorgelegt wird, und wir als FDPraktion möchten uns ganz ausdrücklich bei Heidi agliavini bedanken, der sehr professionellen Chefleiten und -beobachterin der ODIHR-Mission in Moskau. ie verdient unsere volle Unterstützung. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Oft wird darauf hingewiesen, dass die kommunisti-
che Partei ein besonders gutes Ergebnis gehabt hat. Ja,
as stimmt. Sie hat ein erstaunlich gutes Ergebnis ge-
abt,


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja!)


ber vielleicht auch deshalb, lieber Kollege Gehrcke,
eil alle anderen Alternativen, die man vielleicht noch
eber gewählt hätte, verboten worden sind.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das kann ja sein!)


Richtig, das kann sein. – Das zeigt aber zumindest
hier stimme ich Ihnen zu –, dass es auf jeden Fall den
unsch gibt, auszuwählen, also nicht nur zu wählen und

u akklamieren; denn so haben sich Medwedew und
utin die Wahl sicherlich vorgestellt. Eine Wahl ist aber
eine Akklamation.

Wir wünschen uns, dass eben nicht nur die Kommu-
isten und nicht nur die Liberaldemokraten dort, die sich
ur so nennen und alles andere als liberal und demokra-
sch, sondern nationalistisch und großrussisch sind, als
lternative zugelassen sind. Wir wünschen uns, dass
sbesondere bei den Präsidentschaftswahlen es die Li-

eralen unterschiedlichster Prägung endlich einmal
chaffen, einen gemeinsamen Kandidaten aufzustellen,
lle ihre Teilungen und Spaltungen zu überwinden und
it einem gemeinsamen Kandidaten, einer demokrati-

chen Alternative zu Putin, anzutreten. Das erwarten wir
ns dringend von der russischen liberalen Opposition.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir appellieren aber auch an uns selbst – Kollege
hönnes hat völlig richtig darauf hingewiesen –, dass
ir uns beim Thema Visum, also bei der Frage, wie wir
ns zu Russland verhalten, dringend endlich öffnen müs-
en. Es gibt eine Initiative der Außenpolitiker der
nionsfraktion und der FDP-Fraktion, die dieses Jahr
erade auch im Kontakt mit den Innenpolitikern schon
tensiv daran gearbeitet haben – natürlich auch inter-
aktionell unterstützt –, um bei den Verfahren zur Visa-
rteilung zu echten Verbesserungen zu kommen. Ich
age es deutlich: Ziel muss langfristig die Visafreiheit
it Russland sein.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


17822 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Michael Link (Heilbronn)



(A) )


)(B)

Auf dem Wege dahin müssen wir jetzt die ersten
Schritte gehen und konkret liberalisieren. Wir brauchen
eine Willkommenskultur, die sich nicht in Debatten hier
erschöpft, sondern die für junge Russinnen und Russen
ganz konkret eine Perspektive eröffnet,


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Sehr gut!)


hier zu studieren, hier für einige Jahre zu arbeiten, dann
zurückzugehen und Erfahrungen zurückzubringen –
auch Erfahrungen, wie Demokratie streitig funktionieren
kann; das tut sie nämlich in Deutschland.

Ich komme zu meinem letzten Punkt, nämlich zur
Stabilität, und zum Schluss, Herr Präsident. Die Stabili-
tät wird heute sicherlich noch oft angesprochen werden.
Es wird immer gesagt: Wir brauchen Stabilität in Russ-
land. Das ist ja auch das Schlüsselwort, das wir von
Putin hören, wenn er selber sozusagen daran erinnert,
nach dem Motto: Wählt mich wieder, ich bin der Stabile.
Stabilität ist aber mehr als die Beibehaltung des Status
quo.

Kollege Schockenhoff hat völlig richtig darauf hinge-
wiesen: Es bedeutet nicht Stabilität, wenn eine Regie-
rung stabil im Sattel sitzt und sich ein Machtkartell
durchsetzen kann. Stabilität zeigt sich vor allem dann,
wenn ein Regierungswechsel tatsächlich friedlich durch-
gesetzt werden kann: mit freien Wahlen, mit dem gesam-
ten Prozess von der Kandidatenaufstellung bis zur Wahl,
natürlich mit der Stimmenauszählung und mit dem fried-
lichen Wechsel von Regierung und Administration. Das
ist wirkliche, nachhaltige Stabilität.

Wir sind überzeugt, dass Russland genau das schaffen
kann, wenn man dem russischen Volk mehr zutraut. Das
ist die große Chance; denn wir sind für Russland ein
Partner, auf den es sich verlassen kann. Wir erwarten
umgekehrt von Russland aber auch, dass es nicht perma-
nent unter seinen eigenen Möglichkeiten bleibt, wie das
jetzt – das zeigt sich am Wahlverlauf – leider wieder ge-
schehen ist. Wir setzen deshalb auf die Präsidentschafts-
wahlen und auf mehr als ein Machtkartell. Wir setzen
auf die russische Zivilgesellschaft und unterstützen sie
dabei nach unseren Kräften mit allen Möglichkeiten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714911400

Vielen Dank, Kollege Michael Link. – Jetzt spricht

für die Fraktion Die Linke unser Kollege Wolfgang
Gehrcke. Bitte schön, Kollege Wolfgang Gehrcke.


(Beifall bei der LINKEN)



Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714911500

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolle-

ginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass wir über dieses
Thema hier im Parlament diskutieren und dass wir das
auf der Basis einer Vereinbarung zwischen den Fraktio-
nen tun. Ich sage ganz deutlich: Wir haben ein Recht,

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(C (D as hier zu diskutieren. Dieses Recht kann uns auch nieand absprechen. Ich bitte aber darum, dass wir darüber nachdenken, in elchem Stil wir diese Debatte führen. Ich möchte nicht, ass wir von oben herab andere belehren, sondern ich öchte, dass wir eine solche Debatte partnerschaftlich nd auch vor dem Hintergrund unserer Geschichte, unerer Kooperation und unserer Verantwortung für die beonderen Beziehungen, die wir zwischen Deutschland nd Russland immer zu beachten haben, zusammen mit nseren russischen Kollegen führen. Das ist diesem Parment angemessen. Es gibt eine gemeinsame Verantwortung. Ich möchte, ass wir das bedenken. Andere Kollegen haben auch dauf aufmerksam gemacht. Da muss man erst einmal ein aar Punkte festhalten, die, wie ich finde, völlig unstritg sein müssen. Mein erster Punkt ist: Demonstrationsfreiheit muss berall, also auch in Russland, als ein Grundrecht geährleistet werden. Demonstrationsfreiheit heißt auch, dass man demontrieren kann, ohne Angst vor Repressionen haben zu üssen. Zu demonstrieren in dem Wissen, man landet m Abend im Knast, macht ja nicht besonders viel Sinn. as muss gewährleistet werden. Ich bin froh, dass es bisng gewaltlos ausgegangen ist. Ich bin unbedingt dafür, dass man debattiert, wie man edienfreiheit verbessern kann. Das spielt in allen Ge ellschaften eine erhebliche Rolle. Ich verlange auch, dass über den Vorwurf der Wahllschung aufgeklärt wird. Kein Staat sollte mit dem orwurf der Wahlfälschung leben müssen. Das ist aufzulären. Das ist zu dokumentieren. Daraus sind Schlusslgerungen zu ziehen. Das ist völlig unstreitig. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich sage aber auch: Lasst uns genau hinschauen.
icht jeder, der demonstriert, muss inhaltlich unsere So-
darität haben. Ich nehme wahr, wie nationalistische
ruppen – das geht bis hin zu rechtsextremistischen
ruppen – in diesem Feld agieren. Ich finde – das sage
h ganz deutlich, und ich wäre dankbar, wenn das hier
Parlament Übereinstimmung fände –, solchen Grup-

en, auch wenn sie regierungsamtlich gefördert worden
ind oder gefördert werden, muss man eine Absage ertei-
n.


(Beifall bei der LINKEN)


uch für Russland ist Nationalismus keine sinnvolle Al-
rnative; das muss klar sein.

Dann lohnt es sich, sich das Ergebnis gründlich anzu-
chauen. Das ist natürlich vor allem eine Sache der russi-
chen Kolleginnen und Kollegen selber. Ich habe mit
einen Freunden in Russland telefoniert, gesprochen,

ebattiert, weil mich sehr interessiert hat: Warum haben

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17823

Wolfgang Gehrcke


(A) )


)(B)

die Menschen so gewählt, wie sie gewählt haben? Da
werden mir vor allen Dingen drei Gründe genannt.

Der erste Grund, den man bedenken muss, ist, dass in
diesen Wahlen auch ein Stück weit sozialer Protest
steckt. Die Regierungspartei sollte sich klar darüber
sein: Nicht nur die Neureichen in Russland sind interes-
sant. Sie sollten einmal in die Metrostationen in Moskau
und woandershin schauen, wo die armen Menschen ihr
Überleben sichern. Da steckt sozialer Protest drin.

Es ist ein Protest der Mittelschicht. Das ist völlig ein-
deutig ablesbar. Das erfordert doch politische Schluss-
folgerungen, für Russland selber, aber auch für die deut-
sche Politik gegenüber Russland.

Ferner ist es ein Protest – und das nicht wenig – gegen
den Zynismus der Macht. Dieses Jobsharing zwischen
Putin und Medwedew musste den Protest herausfordern.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich bin froh, dass dieser Protest auch in dieser Art ge-
gen den Zynismus der Macht gerichtet worden ist. Was
das für die Präsidentschaftswahlen bedeutet, kann noch
ziemlich spannend werden.

Ich kann der deutschen Politik, also uns selber, nur
anraten: Möglicherweise ist die Kommunistische Partei
Russlands sehr sperrig – das ist sie mit Sicherheit –, aber
schauen Sie einmal genau hin. Sie ist die stärkste Oppo-
sitionspartei. Wenn man Politik verändern will, muss
man mit einer starken Oppositionspartei kooperieren.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie verhandeln schon die Ämter!)


Das Letzte ist eine Bitte, die ich an uns richte. Wenn
wir nicht jetzt und langfristig auf die russische Gesell-
schaft zugehen, dann werden wir nichts bewegen. Ich
möchte, dass die Visafreiheit jetzt ganz deutlich im Rah-
men eines fraktionsübergreifenden Votums von diesem
Parlament unterstützt und in den Vordergrund gebracht
wird.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Das ist für Deutschland vernünftig. Das wäre für
Russland vernünftig. Ich bin davon überzeugt worden,
dass die Frage der Visafreiheit zu einer der zentralen
Fragen auch im Präsidentschaftswahlkampf werden
wird. Wo man übereinstimmt, kann man wohl auch ir-
gendwann etwas Übereinstimmendes machen.

Denken Sie auch einmal darüber nach – damit will ich
zum Schluss kommen –, ob nicht gemeinsame Netzpro-
gramme sinnvoll sind. Ich möchte nicht, dass Überwa-
chungsprogramme deutscher Technik an Russland ver-
kauft werden, mit denen Netze kontrolliert werden. Ich
möchte gemeinsame Netzprogramme mit offener De-
batte haben.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das macht jetzt KT von Brüssel aus! Guter Mann!)


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(C (D Das ist eine Hilfe für die russische Zivilgesellschaft nd für die russische Kooperation. Mein Vorschlag ist, ass wir über solche Fragen nachdenken und diskutien. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Kollege Wolfgang Gehrcke. – Nächste ednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist unere Kollegin Frau Marieluise Beck. Bitte schön, Frau ollegin Marieluise Beck. Marieluise Beck RÜNEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714911600
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In

er Tat: Es hat eine atemberaubende Entwicklung in
ussland gegeben, und niemand hat das vorhergesehen –
ir nicht und wohl auch nicht die Herren im Kreml und
Weißen Haus.

Sie haben auf die historische Verpflichtung hingewie-
en, Herr Gehrcke. Unsere historische Verpflichtung ist,
ass wir an der Seite der Demokraten in Russland stehen
nd nicht an der Seite, die Sie eben mit „Zynismus der
acht“ beschrieben haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


iese jungen Menschen haben auch das Recht, uns Fra-
en zu stellen.

Es hat hier Aussprüche und Einschätzungen gegeben,
ass Präsident Putin ein lupenreiner Demokrat sei. Er ist
on vielen Seiten hofiert worden. Es kann nicht darum
ehen, aus Wandel durch Annäherung einen Wandel
urch Anbiederung zu machen.

War es angemessen, dass der Ost-Ausschuss der
eutschen Wirtschaft vor den Wahlen ohne jegliche Not
ereits seine tiefe Genugtuung darüber ausgedrückt hat,
ass ein zukünftiger Präsident Putin wieder am rechten
rt in Russland sein wird? Ist das unsere Angelegenheit?
uss die deutsche Wirtschaft sich in Russland so bewe-

en? Ich glaube, nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und bei der FDP – Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Volle Blamage!)


Es hat schon einmal einen großen historischen Irrtum
us Politik und Wirtschaft gegeben, und zwar gegenüber
olen. Der Westen hat nämlich noch das Militärregime
aruzelski gestützt, als sich in Polen bereits die Demo-
ratie- und Bürgerbewegung Solidarnosc formiert hatte,
n deren Seite Deutschland sich zu spät gestellt hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das alles ist immer mit dem Wunsch und dem Mythos
on Stabilität zu erklären. Diese ist immer mit dem Na-
en Putin verbunden worden. Ich aber sage: Putin steht

17824 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Marieluise Beck (Bremen)



(A) )


)(B)

nicht für Stabilität. – Vielleicht beginnt uns das langsam
zu dämmern.

Ein Land, in dem der Rechtsnihilismus vom Präsiden-
ten selbst diagnostiziert wird, ein Land, das in der Kor-
ruption versinkt – darunter leiden nicht nur Ausländer,
sondern auch Bürgerinnen und Bürger, die in Moskau
für jeden Cappuccino 8 Euro bezahlen müssen, weil die
Kette davor aus Abdrücken von Schutzgeldern besteht –,
ein Land, in dem Zehntausende russische Unternehmer
staatlicher Willkür ausgesetzt sind und mit der Justiz zu-
sammenstoßen – unter anderem, weil ihr Unternehmen
von jemand anderem aus dem Apparat der Macht be-
gehrt wird –, ein Land, in dem die freie Presse massiv
eingeschränkt ist, ein Land, in dem kritische Journalisten
und Journalistinnen sowie Menschenrechtlerinnen und
Menschenrechtler um ihr Leben fürchten müssen, ist
nicht stabil.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Herr Kollege Schockenhoff hat zu Recht ausgeführt,
dass Modernisierung – auch das wird ja aus Russland
selbst formuliert – nicht geht ohne eine Gesellschaft, in
der sich freie Kräfte entfalten können, und zwar in jeder
Hinsicht von Demokratie: über das Unternehmertum,
über die freie Debatte, über die Presse und damit natür-
lich auch über die Bekämpfung von Korruption.

Dieser Protest – das hat Kollege Link eben gesagt –
hat eigentlich am 24. September dieses Jahres begonnen.
Es war der russischen Bevölkerung schlichtweg „too
much“: dieses dreiste Schauspiel, das Medwedew und
Putin da im Fernsehen der Bevölkerung gezeigt haben.

Damit bin ich auch bei der Frage der Wahlfälschun-
gen. Man kann davon ausgehen, dass das Absacken der
Kreml-Partei Einiges Russland noch viel höher ist als die
15 Prozent, die jetzt zugegeben werden mussten.


(Die Rednerin hält ein Bild hoch)


Dieses Foto stammt aus dem Wahllokal 2077 in Mos-
kau. Man sieht hier eine junge Frau, die 17 Wahlscheine,
angekreuzt für Geeintes Russland, in die Urne stecken
wollte. Verhindert werden konnte das nur durch auf-
merksame russische Wahlbeobachterinnen und Wahlbe-
obachter, die unsere internationale Unterstützung und
unseren Schutz brauchen.

Es kann nicht angehen, dass eine Organisation wie
Golos, die angefangen hatte, ein flächendeckendes Netz
für eine Wahlbeobachtung aufzubauen, nunmehr vom
Staatsanwalt bedrängt wird und dass die Vorsitzende die-
ser Organisation nicht mehr nach Deutschland ausreisen
kann.

Das ist die Realität. Sie ist anders als das, was Herr
Putin heute Morgen in seiner Fernsehschau dargestellt
hat. Das heißt, wir müssen fordern, dass diese Schikane
von Wahlbeobachtungen eingestellt wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


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(C (D Wer jetzt Neuwahlen fordert, muss wissen, dass wirkch freie Wahlen nicht möglich sind, wenn vorher eine eie Zulassung von Parteien gar nicht stattgefunden hat. uch die Orientierung auf die Präsidentschaftswahl uss uns klarmachen, dass überhaupt gar keine Kandi aten mehr eine Chance haben. Sie brauchen nämlich Millionen Unterschriften, bis zum 15. Januar gesamelt, um zu dieser Wahl zugelassen zu werden. Das wird s wohl nicht geben. Was ist unsere Aufgabe? Unterstützung gerade für die ngen Menschen. Es darf keinen chinesischen Weg für as Internet geben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


er FSB hat bereits angekündigt, dass er dem Internet an
ie Gurgel will. Vor allen Dingen brauchen wir – das ist
as Wichtige – Reisefreiheit für junge Menschen. Dass
eine junge Übersetzerin sagt: „Es ist mir bis zum heuti-

en Tag nicht gelungen, auch nur einmal in das englisch-
prachige Ausland zu reisen, weil ich einfach kein Vi-
um bekomme“, ist ein Skandal. Unsere Innenpolitiker
üssen aufhören, die Außenpolitik zu machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)


ir brauchen Visafreiheit für die Außenpolitik.

Schönen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714911700

Vielen Dank, Frau Kollegin Beck. – Nächster Redner

unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der
DU/CSU unser Kollege Philipp Mißfelder. Bitte schön,
ollege Philipp Mißfelder.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Philipp Mißfelder (CDU):
Rede ID: ID1714911800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Ich finde es richtig, dass wir hier mit dieser Ak-
ellen Stunde zeigen, dass die Solidarität in unserem
aus denjenigen gilt, die sich demokratisch und fried-
ch an einer Demokratisierungsbewegung in Russland
eteiligen wollen, und eben nicht denjenigen, die offen-
ichtlich Wahlen fälschen.

Vor diesem Hintergrund ist schon jetzt anzumerken,
ass wir hier nicht in Hochnäsigkeit verfallen und die
ebatte mit erhobenem Zeigefinger gegenüber Russland
hren, sondern mit großer Gemeinsamkeit sagen, dass

ns nicht diejenigen am Herzen liegen, die zu einer Ra-
ikalisierung im politischen Spektrum in Russland bei-
agen wollen, sondern diejenigen, die dazu beitragen
ollen, dass sich eine demokratische Mitte oder auch
berale Parteien, die sich am Westen orientieren, heraus-
ilden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17825

Philipp Mißfelder


(A) )


)(B)

Man muss allerdings einschränkend sagen: Unsere
Sympathie gilt dort vor allem denjenigen, die demon-
striert haben, und nicht unbedingt denjenigen, die bei
den Wahlen aus Protest vielleicht viel besser abgeschnit-
ten haben, als sie es verdient hätten.


(Michael Link [Heilbronn] [FDP]: Ganz genau!)


Immer wieder wird gefragt: Was ist die Alternative zu
Putin oder zur Putin-Partei? Die Alternative ist häufig
Separatismus, Rechtsradikalismus, Nationalismus oder
eben Kommunismus. Das ist nicht in unserem Interesse,
weder außenpolitisch noch von unserem Grundverständ-
nis für Demokratie her.

Allerdings muss ich auch sagen – das muss man sich
bei dieser Wahl genau anschauen –: Viele der jungen
Menschen, die demonstriert haben, haben bei den Wah-
len Kommunisten oder andere Parteien gewählt, um ih-
ren Protest zum Ausdruck zu bringen, weil sie keine an-
dere Möglichkeit hatten; denn der Parteienbildungs-
prozess ist noch nicht in dem Zustand, wie wir ihn uns
wünschen, dass es also tatsächlich demokratische Alter-
nativen gibt, die man wählen kann und die in der Mitte
des politischen Spektrums angesiedelt sind, anstatt in na-
tionalistischer Art und Weise die separatistischen Bestre-
bungen einer Kleinstregion zu unterstützen, womit sie
gegen vitale außenpolitische Interessen unsererseits ver-
stoßen und damit Russland in Instabilität stürzen wür-
den.

Vor diesem Hintergrund muss man sich genau an-
schauen, wer dort demonstriert. Man kann jetzt schon
positiv bilanzieren, dass die Art und Weise der Demon-
stration vom Samstag – und auch die Teilnehmer dieser
Demonstration – auf jeden Fall ein großer Schritt in
Richtung Demokratisierung Russlands war.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)


Diesen Schritt müssen wir weiter unterstützen. Wir
blicken jetzt mit Spannung auf den 24. Dezember dieses
Jahres, um zu sehen, wie viele Menschen zusammen-
kommen werden. Ich sage: Es spielt wahrscheinlich gar
keine so große Rolle, ob es wesentlich weniger oder we-
sentlich mehr als letzten Samstag sein werden.

Wünschenswert ist vielmehr, dass jeder, der plant, zu
einer solchen Demonstration zu gehen, die Möglichkeit
hat, dies angstfrei zu tun, dort friedlich zu demonstrieren
und den Demonstrationsplatz ohne Sorge – Herr
Gehrcke hat es angesprochen – zu verlassen, ohne Angst
an seinem Arbeitsplatz, in seinem Studienumfeld oder
im privaten Umfeld haben zu müssen. Das muss garan-
tiert werden. Deshalb müssen wir mit großer Aufmerk-
samkeit auf diese Demonstration schauen und sehen,
was dabei herauskommt.

Tatsächlich wäre es wünschenswert, dass die Hürden
zur Parteiengründung den politischen Realitäten ange-
passt werden, sodass auch demokratische Parteien eine
Chance haben, zusätzlich zur Wahl zugelassen zu wer-
den. Der Beitrag, den wir dazu leisten können – er dürfte
relativ gering sein –, ist, dass wir über die politischen

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(C (D tiftungen den Austausch intensivieren, den Dialog suhen, aber auch mit denjenigen reden, die jetzt im politichen System in Russland sind. Denn ich glaube nicht, ass dieses Wahlergebnis spurlos an allen Parteien in ussland vorbeigehen wird. Ich glaube, dort sind die Sinale in die eine oder andere Richtung schon sehr wohl esehen worden. Es ist immer die Frage, welche Konseuenzen der eine oder andere zieht, aber ich glaube, der enkzettel, den die russische Regierung bekommen hat, ann nicht übersehen werden. Das Allerwichtigste, das wir leisten können – Franz hönnes hat es vorhin dankenswerterweise angesprohen –, ist in einem viel größeren Rahmen der Willkomenskultur unseres Landes zu sehen und betrifft die rage: Wie gehen wir mit der Visapraxis um? Michael ink hat vorhin gesagt – dem möchte ich mich anschlieen –: Visafreiheit mit Russland ist ein politisch erstreenswertes Ziel. Das werden wir nicht kurzfristig erreihen. Ich halte allerdings das Ziel auch für erstrebensert, und wir sollten daran arbeiten. Was wir kurzfristig tun können, ist, die Visapraxis assiv zu erleichtern. Denn was für eine Enttäuschung uss es für jemanden sein, der in diesem politischen ystem unter Repressionen lebt, nach Deutschland komen und sich beispielsweise mit uns austauschen will, ber nicht die Möglichkeit dazu bekommt! Deshalb sage h ganz klar: Die Willkommenskultur gegenüber all enjenigen in der russischen Bevölkerung, ob politische der unpolitische Menschen, muss ausgeprägter werden. s darf nicht mit Vorurteilen argumentiert werden. Russnd ist unser Nachbar und soll unser stabiler, uns eundschaftlich gesonnener Partner bleiben. Das Beste, as wir tun können, um dazu einen Beitrag zu leisten, t, den Austausch zwischen den Menschen zu vertiefen nd zu verbessern. Deshalb bin ich für eine liberalere isapraxis und Visavergabe. Vor diesem Hintergrund ollten wir gemeinsam die Initiative ergreifen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714911900

Vielen Dank, Kollege Mißfelder. – Jetzt für die Frak-

on der Sozialdemokraten unser Kollege Gernot Erler.
itte schön, Kollege Gernot Erler.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1714912000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

919 hat der amerikanische Autor John Reed ein Buch
eröffentlicht: „Ten Days that Shook the World“, in der
eutschen Übersetzung „Zehn Tage, die die Welt er-
chütterten“. Dieser Titel ist zu einer Art Epitheton für
ie Oktoberrevolution von 1917 geworden. Aus der rus-
ischen Szene erreichen uns in diesen Tagen dramatische
achrichten. Manche Kommentatoren erwecken den
indruck, dass wieder eine solche Situation da ist.

Ich teile diese Einschätzung nicht, aber wenn über-
aupt, dann könnte man vielleicht von „Sechs Tagen, die

17826 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Dr. h. c. Gernot Erler


(A) )


)(B)

Russland verändern werden“ sprechen. Dieses Buch
müsste allerdings erst noch geschrieben werden. Es
würde anfangen mit dem Wahlsonntag am 4. Dezember,
als die Machtpartei Einiges Russland so viele Federn las-
sen musste: 15 Prozentpunkte weniger und der Verlust
von 77 Mandaten, und das trotz der vielen Unregelmä-
ßigkeiten vor allen Dingen vorher bei der Nutzung der
sogenannten administrativen Ressourcen, über die be-
richtet wurde, trotz zahlreicher und konkreter Hinweise
auf Unregelmäßigkeiten am Wahltag und beim Auszäh-
lungsprozess und trotz solcher Superergebnisse wie in
Tschetschenien von über 90 Prozent, zu denen man sar-
kastischerweise seinen Dank dafür aussprechen muss,
dass nicht über 100 Prozent gemeldet worden sind.

Es ließe sich fortsetzen mit den Tagen danach, in de-
nen sich erwies, dass die Menschen in Russland, die sol-
che Unregelmäßigkeiten beobachtet haben, diesmal
nicht mehr bereit sind, ein solches Ergebnis hinzuneh-
men. Es waren erst nur wenige, die auf die Straße gin-
gen, sich reihenweise verhaften ließen und Geld- und
Arreststrafen hinnahmen,


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Genau! Sie sind auch sehr verprügelt worden! Sie sind zum Teil noch in Haft!)


die aber weiter in den sozialen Netzwerken kommuni-
zierten und sich zu der Demonstration am Samstag, dem
10. Dezember, verabredeten, für die erst nur 300 Teil-
nehmer gemeldet wurden. Aber dann begann über Face-
book eine Anmeldewelle: erst 10 000, dann 20 000,
30 000, 40 000 und dann immer mehr. Dann passierte ein
kleines Wunder. An anderer Stelle in Moskau wurde eine
Demonstration mit 30 000 Teilnehmern zugelassen, und
die 52 000 mobilisierten Polizisten wurden nicht gegen
die Demonstranten eingesetzt, sondern zu einer Kon-
trolle des Ablaufs dieser Großveranstaltung. Die nächste
große Protestversammlung – das ist schon mehrfach er-
wähnt worden – ist für den 24. Dezember, unseren Weih-
nachtstag, angemeldet, und es erfolgte schon die Einbe-
rufung einer Sondersitzung des Menschenrechtsrats
beim Präsidenten für den 23. Dezember, um über diese
ganzen Vorgänge zu beraten.

Dieses gar nicht so kleine Wunder in Moskau lässt
vielleicht auf einen Lernprozess an der Spitze schließen.
Ich finde, es wäre wünschenswert, wenn dieser stattfin-
den würde; denn ein solcher Lernprozess ist in der Tat
überfällig.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Volk hat schon längst viel schneller gelernt!)


Für mich hat sich diese Notwendigkeit allerdings
schon am 24. September gezeigt, als der Ämtertausch
von Medwedew und Putin vereinbart wurde. Der ge-
schah in der sicheren Annahme, dass das Publikum ap-
plaudieren würde. Das hat es aber nicht gemacht, im Ge-
genteil. Danach begannen Diskussionen, auch in der
Öffentlichkeit, über zweimal sechs Jahre Sastoi, Still-
stand, in der russischen Gesellschaft. Dann gab es noch
diese Riesenpanne am 21. November bei dem Auftritt

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(C (D utins in dem olympischen Sportcenter, als er einen oxkampf für seinen Wahlkampf instrumentalisieren ollte und dafür viele Pfiffe hinnehmen musste. Was für eine Fehleinschätzung, was für ein Realitätserlust bei der Einschätzung gesellschaftlicher Stimungen! Das ist eine Lektion in Sachen Demokratie und tabilität. In der gelenkten Demokratie, in der Wahlen icht als Seismografen für gesellschaftliche Meinungsildung, sondern als bloße Herausforderung für entsprehende Machtapparate gesehen werden, gehen wichtige ignale und Informationen verloren. Wer diese Signale nd Informationen einfach ignoriert, wirkt plötzlich hne Bodenhaftung, geradezu ratlos und alles andere als tabilität organisierend. (Beifall der Abg. Franz Thönnes [SPD] und Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


as ist die Lehre, die von diesen sechs Tagen eigentlich
r die Führung ausgehen sollte. Nur über Demokratisie-
ng kann eine nachhaltige Stabilisierung, an der bei vie-
n Nachbarn Russlands, aber auch in Russland selbst
roßes Interesse besteht, erreicht werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


s ist unsere Aufgabe, durch unsere Angebote, vor allen
ingen über die Modernisierungspartnerschaft, genau
iesen Lernprozess zu unterstützen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714912100

Vielen Dank, Kollege Gernot Erler. – Jetzt für die

raktion der FDP unsere Kollegin Frau Marina Schuster.
itte schön, Frau Kollegin Schuster.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Marina Schuster (FDP):
Rede ID: ID1714912200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In

iner Grundsatzrede vor seinem Amtsantritt beklagte
räsident Medwedew, dass sich in Russland kaum je-
and an existierende Gesetze halte. Der studierte Jurist
edwedew nannte dieses Problem Rechtsnihilismus,

on dem Russland so betroffen sei wie kein zweites
and. Diesen Rechtsnihilismus wollte Medwedew ent-
chlossen bekämpfen. Von diesem neuen Wind im
reml erhofften sich damals viele Verbesserungen.

Nun, fast vier Jahre und eine Duma-Wahl später, müs-
en wir Bilanz ziehen. Wie sieht denn der angekündigte
ortschritt aus? Die Bilanz ist erschreckend. Hier von ei-
er Verbesserung in Sachen Menschenrechte, Demokra-
e und Rechtsstaatlichkeit zu sprechen, verbietet sich
erade mit Blick auf die jüngsten Ereignisse.

Ich möchte auf die Korruption – viele Kollegen haben
ie schon erwähnt – zu sprechen kommen, die Russland
ach wie vor fest im Griff hat. Wer sich Bestechlichkeit,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17827

Marina Schuster


(A) )


)(B)

Vetternwirtschaft oder organisierter Kriminalität wider-
setzt, weil er an das Richtige glaubt, nämlich an Recht
und Gesetz, dem ergeht es wie Sergej Magnitskij. Der
Rechtsanwalt Sergej Magnitskij hat einen Steuerbetrug
von mehreren Hundert Millionen US-Dollar zulasten des
russischen Volkes aufgedeckt und angeprangert. Statt
ihm zu danken, seinen Vorwürfen ernsthaft nachzugehen
und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, wurden eben-
diese Personen mit der Verhaftung von Magnitskij be-
auftragt. Während die Täter frei waren, starb Magnitskij
am 19. November 2009 in der Haft einen qualvollen Tod
infolge von Folter, Misshandlung und Vorenthaltung von
medizinischer Hilfe.

Dies hat Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bereits
im Jahr 2009, als Magnitskij noch lebte, in ihrem Bericht
für die Parlamentarische Versammlung des Europarates
kritisiert, ganz klar benannt, und sie hat sich mehrmals
an die Behörden gewandt. Wir erleben nun eine unzu-
reichende Aufarbeitung, wenn man bei dem, was
Medwedew eingeleitet hat, überhaupt von einer Aufar-
beitung sprechen kann. Diese Aufarbeitung zeigt auch
die Absurdität des Systems: Das Opfer wurde zum Täter
verunglimpft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Fall steht
exemplarisch dafür, dass der Rechtsnihilismus in Russ-
land nicht ernsthaft bekämpft wird;


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


denn im Grunde haben sich viele mit diesem System
arrangiert. Wir werden hier auch nicht wegschauen;
denn wir müssen Russland an seinen Taten messen und
nicht nur an seinen Worten. Die Taten haben wir bei den
letzten Wahlen gesehen: massive Wahlfälschungen im
Vorfeld, aber auch während des Wahlprozesses. Meine
Kollegin Marieluise Beck hat es angesprochen – sie war
selber für die Parlamentarische Versammlung des Euro-
parates Wahlbeobachterin –: Wir erlebten befüllte Wahl-
urnen bereits vor Öffnung des Wahllokals, Soldaten, die
für ihre Kameraden abstimmten, ganze Belegschaften,
denen man mit Kündigung drohte, falls sie nicht für die
Regierungspartei Einiges Russland stimmen, und organi-
sierte Mehrfachstimmabgaben. Dazu kommen die Be-
einflussungen und Einschränkungen vor der Wahl. So ist
die Partei PARNAS wieder nicht zugelassen worden;
man hat ihre Zulassung verhindert. Insofern muss man
gerade ODIHR und Heidi Tagliavini für ihren klugen
Bericht loben, in dem sämtliche Verfehlungen bereits
vor der Wahl aufgedeckt wurden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Putin hat unabhängige Wahlbeobachter schon im Vor-
feld der Wahlen als Judasse bezeichnet. Das zeugt natür-
lich von einem großen Demokratiedefizit. Das zeugt
aber auch von großer Nervosität und Angst vor Verlust
an Einfluss.

Ich möchte auch die unabhängige Wahlbeobachter-
organisation Golos erwähnen. Sie wurde von der Staats-

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(C (D nwaltschaft aufgesucht, deren Mitarbeiter wurden einringlich befragt und unter Druck gesetzt. Diese inschüchterung erfuhr leider eine weitere Steigerung: ilija Schebanowa, Vorsitzende von Golos, fand am bend des 12. Dezember Schmierereien, unter anderem it Todesdrohungen, im Hausflur neben ihrer Wohnung. h sage hier klar vor diesem Haus: Frau Schebanowa, ie haben unsere Unterstützung und unseren Schutz. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das erinnert an Anna Politkowskaja!)


Aber auch die politische Konkurrenz wird massiv an-
efeindet. Erst gestern wurden Konstantin Smirnow und
ndere Mitglieder von Jabloko sowie oppositionelle
ournalisten inhaftiert. Das ist eine Eskalation, die ich
ehr erschreckend finde.

Umso erfreulicher ist es, dass so viele Menschen den
ut gefunden haben, den Protest auf die Straße zu brin-

en und den Schritt in die Öffentlichkeit zu wagen. Die
emonstranten zeigen damit eine Beharrlichkeit, die

uch das Regime in ernste Probleme bringen könnte.
as sieht man auch daran, wie die Sicherheitskräfte ge-
en die Demonstranten vorgehen.

Ich fordere deswegen ganz klar: Russland muss zu-
ck auf den Weg der Europäischen Menschenrechts-

onvention. Diese Konvention hat Russland selbst durch
ie Mitgliedschaft im Europarat anerkannt, und es sollte
ie Prinzipien des Europarats auch endlich verinnerli-
hen. Russland sollte an der Umsetzung der Europäi-
chen Menschenrechtskonvention arbeiten, statt sie zu
egieren. Das ist das Signal, das wir heute nach Russ-
nd senden Aber viel mehr ist es das Signal unserer Un-
rstützung für die Demonstranten, die für Demokratie
nd Menschenrechte und gegen Stillstand, Stagnation
nd Rechtsnihilismus auf die Straße gehen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714912300

Vielen Dank, Frau Kollegin Marina Schuster. – Jetzt

r die Fraktion Die Linke unser Kollege Stefan Liebich.
itte schön, Kollege Stefan Liebich.


(Beifall bei der LINKEN)



Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714912400

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir

tehen an der Seite der Hunderttausenden Russinnen und
ussen auf dem Bolotnaja-Platz in Moskau, in Sankt Pe-
rsburg und Perm, die sich für freie und faire Wahlen
nd mehr Demokratie in ihrem Lande aussprechen.

Russland ist ein wichtiges europäisches Land, und
ussland ist ein entscheidender Akteur auf der interna-
onalen Bühne, gerade wenn es um gemeinsame globale
erausforderungen geht. Wir in Deutschland haben ein

17828 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Stefan Liebich


(A) )


)(B)

Interesse an einer guten Partnerschaft mit Russland, ge-
rade auch mit Blick auf die deutsch-russische Ge-
schichte, wie es Herr Thönnes vorhin schon richtig er-
wähnt hat. Wir setzen dabei nicht auf eine falsch
verstandene Stabilität, die Veränderung durch Stillstand
oder autoritäre Regierungen ausschließt, sondern auf
Stabilität, die durch die Beteiligung der Bürgerinnen und
Bürger nachhaltig gestaltet wird. Die geplante Rochade
zwischen Präsident und Ministerpräsident ist das Gegen-
teil davon. Die Demokratie wird so behandelt, als sei sie
das Privatspielzeug zweier Herren.

Deswegen finde ich es gut, dass mit der Parlaments-
wahl ein Zeichen gesetzt wurde, nämlich dass die Bürge-
rinnen und Bürger in Russland eben nicht immer autori-
täre Regierungen wählen oder ihnen folgen, weil das in
Russland so Tradition habe, wie gern gesagt wurde. Das
wiegt ja umso schwerer, als die Wahlen und der Wahl-
kampf nicht fair geführt wurden und der Verlauf selbst
Fragen aufgeworfen hat, wie es die Organisation für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ihrem Mit-
gliedstaat Russland vorhalten musste. Auch der zunächst
erfolgte Einsatz staatlicher Gewalt gegen Demonstran-
tinnen und Demonstranten und die Einschränkung politi-
scher Rechte wie der Versammlungs- und Medienfreiheit
unmittelbar nach der Wahl sind nicht akzeptabel. Es ist
absurd, wenn Ministerpräsident Putin das Ausland für
die Proteste verantwortlich machen möchte. Nationalis-
mus und Wiederaufgreifen von Feindbildern zu Recht
vergangener Zeiten sind die falschen Reaktionen auf die
Proteste.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich hatte kürzlich Besuch von Jewgenija Tschirikowa.
Sie ist eine junge Frau, die um einen Wald, den Chimki-
Wald in der Nähe von Moskau, kämpft. Dieser Wald soll
durch eine Autobahn zerstört werden. Sie kämpft um
Beteiligungsrechte von Bürgerinnen und Bürgern und
damit gegen die Arroganz der Macht. Sie kämpft gegen
Baufirmen, die eher als eine Baumafia anzusehen sind.
Sie kämpft gegen Korruption und Vetternwirtschaft, aber
eben auch gegen die Interessen von dubiosen Tarnfirmen
im Bunde mit einer großen Firma aus der Europäischen
Union, dem französischen Konzern Vinci.

Frau Schuster, wenn Sie sagen, viele hätten sich mit
dem System arrangiert, so ist festzustellen, dass dazu lei-
der auch Firmen aus Mitgliedstaaten der Europäischen
Union gehören. Da schadet der Westen der Demokratie.
Denn gegen Umweltaktivisten und engagierte Bürger
vor Ort reichte nicht die massive bürokratische Schi-
kane, die es ohnehin gab. Nein, rechte Schlägertrupps
sind gegen die Zelte friedlich demonstrierender Protes-
tierer vorgegangen. Frau Tschirikowa und ihre Mitstrei-
terinnen und Mitstreiter geben nicht auf. Sie kämpfen
weiter. Diese junge, mutige Frau, die den Bürgerprotest
dort seit vielen Monaten anführt, gibt Anlass zur Hoff-
nung. Das ist die Zivilgesellschaft, die ein modernes
Russland braucht.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Die Zahl derer, die sich ihre Bürgerrechte nicht mehr inschränken lassen wollen, wächst. Im Wahlergebnis eigt sich weiter – das hat mein Kollege Wolfgang ehrcke vorhin schon erwähnt –, dass auch die wach ende soziale Spaltung immer weniger akzeptiert wird. ass die Armen immer ärmer und die Oligarchen immer icher werden, trifft auf Widerstand. Das finden wir ehr gut. Deshalb ist es ein wichtiges Zeichen, wenn der undestag den Demokratinnen und Demokraten Russnds, und zwar nicht den „lupenreinen“, sondern den chten auf der Straße, zeigt, dass wir mit ihnen solidasch sind. Aber – die Vorrednerinnen und Vorredner haben es ngesprochen – wir können mehr tun als reden. Wir üssen auch handeln. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


ie Menschen müssen sich begegnen können. Das för-
ert Verständnis, Vertrauen und Solidarität. Das verän-
ert vielleicht auch ein wenig in Russland. Eine ganz
esentliche Voraussetzung für mehr Kontakte ist die Er-
ilung von mehr Visa. Ich kann allen recht geben, die
as bisher gesagt haben. Ich muss aber Sie, Herr
ißfelder, da konkret ansprechen: Es liegt letztlich an
nen, an der CDU/CSU-Fraktion. Ich hoffe, dass es Ih-

en gelingt, dass sich die konservativen Innenpolitiker
rer Fraktion endlich einen Ruck geben


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Die konservativen Außenpolitiker haben das schon getan!)


nd zügig den Weg freimachen für mehr Freiheit der
ürgerinnen und Bürger Russlands. Hier können wir real
andeln. Ich bitte Sie – ich weiß, viele in Ihrer Fraktion
ämpfen dafür, aber es sind offenkundig noch nicht ge-
ug –: Handeln Sie dort endlich!


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, Putin
nd Medwedew können nicht mehr so weitermachen wie
isher. Der Druck der Straße, aber auch bleibende inter-
ationale Aufmerksamkeit sind dazu wichtig. Ich hoffe,
ass wir dazu hier heute einen kleinen Beitrag geleistet
aben.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714912500

Vielen Dank, Kollege Liebich. – Nächster Redner für

ie Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege Bernhard
aster. Bitte schön, Kollege Bernhard Kaster.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Bernhard Kaster (CDU):
Rede ID: ID1714912600

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

nd Kollegen! Ja, es ist viel in Bewegung in Russland.
ie russische Gesellschaft ist in Bewegung. Viele spre-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17829

Bernhard Kaster


(A) )


)(B)

chen davon, wie überrascht man von dem Umfang der
Proteste und Demonstrationen und von dem Mut sei.

Ja, man kann von dem Mut überrascht sein; aber über-
rascht von der Unruhe und dem Aufbruch in der russi-
schen Gesellschaft kann man eigentlich nicht sein, wenn
man in den letzten Monaten und Jahren in Russland in
der Zivilgesellschaft unterwegs war. Es wächst das Be-
dürfnis nach Mitsprache und nach echter Demokratie. Es
wächst der Wille, sich als Bürger zu engagieren und sich
aktiv einzubringen. Die gesellschaftliche Wirklichkeit in
Russland hat sich in den letzten Jahren sehr wohl gravie-
rend verändert, steht aber immer stärker im Widerspruch
zu den tatsächlichen politischen Strukturen. Dieser Wi-
derspruch ist immer stärker geworden.

Eine eigene Beobachtung dazu: Ich war vor einigen
Wochen Teilnehmer einer Veranstaltung in Moskau zum
Thema: Staat und Bürger, Bürgerengagement, Bürgerbe-
teiligung. Sie fand statt in der „Gesellschaftskammer“.
Wie in Russland insgesamt üblich, hat man auch die
Zivilgesellschaft in einen gesetzlich genau fixierten Rah-
men eingeordnet. Ich sage Ihnen: Ob nun „Gesell-
schaftskammer“ oder das Gesetz zur Registrierung von
Nichtregierungsorganisationen – das alles ist ein Wider-
spruch in sich. Bei dieser Veranstaltung ist sehr deutlich
geworden, was unter der Oberfläche brodelt. Dort wurde
nicht nur über Bürgerengagement bei den Feuerwehren
gesprochen, sondern das Ganze war viel breiter angelegt.
Dabei hat man das gespürt.

Das Bedürfnis nach mehr Demokratie, nach mehr
Bürgerengagement, man spürt es in Gesprächen mit
Austauschstudenten, man spürt es in der ganzen Breite
der Gesellschaft – von Künstlern genauso wie von Wirt-
schaftsvertretern –, man spürt es und hört es, wenn man
in den zwischenzeitlich rund 100 russischen Städten un-
terwegs ist, die enge, freundschaftliche Städtepartner-
schaften nach Deutschland unterhalten. Auch in Russ-
land hat die kommunale Selbstverwaltung schon viele
Freunde gefunden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was ist die Bot-
schaft der jetzigen Proteste und Demonstrationen? Ist es
alleine die Wahlauszählung im engeren Sinne? Nein, sie
ist nur der Anlass, sie ist der Auslöser. Das hat das Fass
eben zum Überlaufen gebracht. Oder ist es eine konkrete
andere politische Parteienkonstellation, deren Wahlnie-
derlage vielleicht angezweifelt wird? Nein, auch das ist
es nicht; denn die politischen Alternativen sind sehr un-
klar.

Die Botschaft der Proteste ist sehr eindeutig: Es geht
um mehr Demokratie, es geht um mehr Bürgergesell-
schaft. Die Menschen in Russland möchten sich enga-
gieren für ihre Städte vor Ort, für die russische Gesell-
schaft, für ihr Land. Die Bürger selbst – das Engagement
dieser Bürger – sind immer die eigentliche Stärke eines
Landes. Bürgerengagement aber bedingt eine unabhän-
gige Justiz, eine freie Presse sowie Meinungs- und De-
monstrationsfreiheit.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D an kann es übersetzen: Bürgerengagement bedingt ertrauen in einen Staat. Warum ist dieses Fass übergelaufen anlässlich der uma-Wahlen, anlässlich der bevorstehenden Präsidennwahl? Es ist deshalb übergelaufen, weil bei den Wahn selbst – das haben auch die Wochen davor deutlich emacht – der wesentliche Kernbestandteil der Demoratie gänzlich fehlte. Dieser Kernbestandteil heißt: die hance auf einen Wechsel. Die Menschen haben es ge pürt: Dieser Kernbestandteil hat gefehlt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Das wird es bei der Präsidentschaftswahl auch nicht geben!)


Deutschland und Russland sind ja sowohl in der Poli-
k als auch in der Gesellschaft partnerschaftlich und
eundschaftlich eng miteinander verbunden. Deutsch-
nd genießt in Russland großes Ansehen als wichtigster

uropäischer Partner. Deshalb sollten wir uns unserer be-
onderen Verantwortung bewusst sein – und zwar klug,
esonnen und verantwortungsvoll –, wenn Russland an
inem politisch-gesellschaftlichen Scheideweg steht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich sagen: Konkret sollten wir den Men-
chen in Russland Mut machen, ihr bürgerschaftliches
ngagement nach Kräften stärken, den Rechtsstaat mit
nabhängiger Justiz und Meinungsfreiheit unterstützen.
ir sollten die Grundregeln der Demokratie einfordern,

m Demokratie in ihren Kernbestandteilen – das heißt:
chtes Wahlrecht – auch zu praktizieren. Hier wurden
or Jahren riesige Fehler gemacht, als das Wahlrecht
och einmal verändert und mit neuen Hürden versehen
orden ist. Echter Wettbewerb sollte ermöglicht werden.
ir sollten die Zivilgesellschaft insgesamt stärken durch
eitere kommunale Partnerschaften, durch den Ausbau
es Jugendaustauschs – eben durch gesellschaftliche Zu-
ammenarbeit und Austausch.

Ich stimme allen Vorrednern zu: Wir können das
hema Visafreiheit und Visabedingungen konkret auf
en Weg bringen. Da sind wir schon Schritte weiter.
uch dem stimme ich aber zu: Maßstab dürfen hierbei
icht kriminelle Minderheiten sein, sondern Maßstab
uss die russische Gesellschaft in der Breite sein.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Ab-
chluss sagen: Wir sprechen immer gerne von den
eutsch-russischen Beziehungen im Sinne einer strategi-
chen Partnerschaft bzw. einer Modernisierungspartner-
chaft. Vielleicht sollten wir eine Demokratiepartner-
chaft, eine Partnerschaft auch der Werte anstreben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


17830 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Bernhard Kaster


(A) )


)(B)

Leo Tolstoi hat so schön gesagt: „Es sind immer die
einfachsten Ideen, die außergewöhnliche Erfolge ha-
ben.“ Ja, die Idee der Freiheit ist ganz einfach. Die Men-
schen in Russland sehen das auch so. Wir sollten Gesell-
schaft und Politik dabei unterstützen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714912700

Vielen Dank, Kollege Bernhard Kaster. – Nächster

Redner in unserer Aktuellen Stunde ist jetzt für die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege Volker Beck.
Bitte schön, Kollege Volker Beck.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714912800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese von

allen Fraktionen des Deutschen Bundestages gemeinsam
beantragte Aktuelle Stunde ist ein starkes Signal an die
Demokratiebewegung in Russland. Wir als Deutscher
Bundestag zeigen damit: Wir stehen an der Seite des rus-
sischen Volkes, an der Seite der Demokratinnen und De-
mokraten in Russland und gegen eine Macht, die, wie
Sie es gesagt haben, keinen Wechsel zulässt und letztlich
keine Demokratie in der Zivilgesellschaft anerkennt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Präsident Putin hat das heute in seiner Rede wieder
dokumentiert, indem er die Opposition insgesamt diffa-
mierte. Er rief allen Demonstrantinnen und Demonstran-
ten zu: Es gibt sicher auch Menschen mit russischem
Pass, die im Interesse fremder Staaten und für fremdes
Geld handeln. – Das ist infam. Damit wird versucht, den
Protest in die Ecke des Unpatriotischen und des auslän-
dischen Einflusses zu stellen. Ich befürchte auch, dass
das der Beginn einer Kampagne gegen die demokrati-
sche Opposition sein könnte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir als Deutscher Bundestag sollten uns den Forde-
rungen des Europäischen Parlaments anschließen: Die
Wahlen müssen unabhängig und international untersucht
werden. Wenn sich die Wahlverstöße bestätigen, muss es
zu Neuwahlen kommen. Neuwahlen setzen aber auch ei-
nes voraus: Bei den Duma-Wahlen und bei den Präsi-
dentschaftswahlen müssen sowohl neue Bewerber als
Kandidaten wie auch neue Parteien zugelassen werden.
Das setzt eine massive Herabsetzung der Hürden für die
Registrierung voraus. Ansonsten können neue demokra-
tische Kräfte das faktisch nicht schaffen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deshalb brauchen wir hier ein generelles Umdenken,
und wir müssen, glaube ich, gerade in diesen Tagen ge-
nauer hinschauen.

Es war gut, dass es auf Moskaus Straßen nicht zu Ge-
walt gekommen ist, dass die Polizei besonnen gehandelt
hat. In vielen Provinzstädten aber – einschließlich der
Metropole Sankt Petersburg – gab es über 400 Festnah-
men.

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(C (D (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Genau!)


00 von diesen Menschen sitzen noch in Haft, andere
üssen in den nächsten Wochen mit Administrativhaft
chnen. Auch diese Menschen haben unsere Aufmerk-

amkeit und unsere Unterstützung im internationalen
ialog verdient.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Es ist auch nicht so, dass in Moskau nichts passiert. In
ieser Woche wurden der Chefredakteur Maxim
owalski von Kommersant und der Leiter der Media-
olding von Kommersant, Andrej Galijew, entlassen,
eil sich die Zeitung erlaubt hat, dieses Foto zu veröf-
ntlichen, das ich Ihnen hier zeige. Das ist ein Wahl-

ettel mit einem Spruch, der Herrn Putin etwas beleidigt.
s ist aber ein Zeitdokument. So etwas dürfen Journalis-
n dokumentieren, wenn Pressefreiheit herrscht. Wenn
as der Grund ist, dass Journalisten ihre Stelle verlieren,
ann zeigt dies, wie es um die Pressefreiheit in Russland
estellt ist. – Auch das passiert dieser Tage. Deshalb sind
ir auch jetzt in der Weihnachtszeit aufgefordert, wa-

hen Auges nach Russland zu schauen und zu reagieren,
enn – trotz der Besonnenheit der letzten Tage – die Re-
ression dort wieder zuschlagen sollte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Meine Damen und Herren, ich wünsche mir sowohl
on der Politik als auch von der deutschen Wirtschaft
twas weniger Naivität in der Betrachtung der innenpoli-
schen Verhältnisse in Russland. Rainer Lindner, der
eschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen
irtschaft, hat zu den Wahlen Anfang Dezember gesagt:

Ich glaube, dass wir in Russland die ersten freien
Wahlen gesehen haben.

a wird mir eigentlich nur noch übel.

Sein Chef, Herr Cordes, hat noch einen draufgesetzt
nd gesagt, er wünsche Herrn Putin Erfolg bei den be-
orstehenden Präsidentschaftswahlen.

Das ist ein Schlag ins Gesicht der russischen Demo-
ratinnen und Demokraten. Es darf nicht sein, dass wir
egschauen, bloß weil der Rubel rollt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Gisela Piltz [FDP])


Ich muss sagen: Auch wir vonseiten der deutschen
olitik sind da nicht immer klar und deutlich. Im Zusam-
enhang mit der Ermordung von Journalisten, Men-

chenrechtsverteidigern und Rechtsanwälten in den letz-
n Jahren haben wir immer wieder vonseiten der
undesregierung gehört, man begrüße, dass Herr
edwedew eine unverzügliche und energische Aufklä-
ng der Taten verspreche. Wir haben dabei immer aus-

eklammert, dass wir diesen Satz schon hundertmal ge-
ört haben und die Täter jedes Mal nicht ermittelt, vor
ericht gestellt und verurteilt wurden. Da darf man nicht

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17831

Volker Beck (Köln)



(A) )


)(B)

wegschauen und sich auf solche Sprachformeln der rus-
sischen Propaganda einlassen. Vielmehr muss man sa-
gen, dass man daran nicht glaubt, bis es tatsächlich zur
Aufklärung solcher Taten kommt und die Straflosigkeit
der Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger in Russ-
land ein Ende findet.

Der Kollege Erler ist leider weg. Ich muss aber sagen:
Auch ich war über seine Pressemitteilung zu den russi-
schen Wahlen ein wenig erstaunt, weil sie mich ein biss-
chen an die Sätze aus der Diskussion in der deutschen
Wirtschaft erinnert hat. Er bezeichnete die Wahlen als
Ausdruck einer gewissen Normalisierung der politischen
Zustände in Russland und forderte, Putin müsse den
Nachweis erbringen, dass er die dringend erforderliche
Modernisierung des Landes voranbringen kann. Ich
glaube nicht, dass Putin die Modernisierung des Landes
voranbringen will. Ich glaube auch nicht, dass Putin oder
Medwedew ernsthaft gegen die Korruption und die
Rechtlosigkeit vorgehen wollen. Die Korruption ist im-
manenter Bestandteil des Systems der Partei Einiges
Russland.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Erich G. Fritz [CDU/CSU] und Marina Schuster [FDP])


Die kommunistische Ideologie wurde durch korrupte
Verhältnisse ersetzt, und das hält die Maschinerie am
Laufen. Die Simonie in diesen Organisationen macht
keinen Sinn, wenn man die errungenen Positionen nicht
für Korruption ausbeuten kann. Deshalb brauchen wir
eine klare Sicht auf die Dinge.

Bei aller Diplomatie – Russland ist ein wichtiger Part-
ner auf der Welt, ist unser Nachbar, ist Mitglied im UN-
Sicherheitsrat – sollten wir in den russischen Verhältnis-
sen nicht die Wahrheit übersehen. Das ist der erste
Schritt, den wir tun können – neben dem wichtigen
Schritt, jetzt etwas für die Visafreiheit zu tun: für die rus-
sische Jugend, die russischen Intellektuellen und die rus-
sischen Demokraten. Ich würde mir wünschen, dass sich
die Rednerinnen und Redner in dieser Debatte für einen
diesbezüglichen Gruppenantrag zusammentun.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Genau! Gute Idee!)


Wir sind gemeinsam, fraktionsübergreifend davon über-
zeugt. Es geht hier nicht darum, eine Partei, eine Regie-
rung vorzuführen, sondern konkret darum, etwas für die
Russinnen und Russen zu bewirken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714912900

Vielen Dank, Kollege Volker Beck. – Nächster Red-

ner für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Erich
Fritz. Bitte schön, Kollege Erich Fritz.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Erich G. Fritz (CDU):
Rede ID: ID1714913000

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kollegen! Es ist gut, dass diese Debatte

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(C (D tattfindet. Deutschland und Russland verbindet so viel: s gibt so viele Notwendigkeiten, dass Europa und ussland zusammenarbeiten; wir haben gemeinsam so iele Höhen und Tiefen, so viel schreckliche Gewalt und o viele kulturelle Höchstleistungen gemeinsam, dass ir gegenüber dem jeweils anderen nicht unaufmerksam ein können. (Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


eshalb müssen wir auf das schauen, was in Russland
eschieht.

Bei diesen Wahlen ist nicht weniger geschehen, als
ass der Putin‘sche Ansatz, vom Kreml aus ein Parteien-
ystem zu etablieren, es für eine gelenkte Demokratie zu
utzen, die Vertikale der Macht auszubauen und damit
owohl eine erfolgreiche Veränderung des Landes als
uch alte Stärke und altes Ansehen zu erreichen, ge-
cheitert ist. Die Menschen haben gemerkt, dass das
icht von ihnen ausgeht und dass es ihnen nichts nutzt,
ondern dass es nur einer Schicht nutzt, die maximal
0 Prozent der russischen Bevölkerung ausmacht.

Russland ist ein reiches Land mit 80 Prozent wirklich
rmen Menschen. Zu den anderen 20 Prozent gehören
ahnsinnig Reiche in einem korrupten System – Herr
eck hat das gerade wunderbar beschrieben –, wo der
ine auf den anderen angewiesen ist und so das System
eiter verstärkt.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Genau!)


s ist der wirtschaftlich freigesetzte, gut ausgebildete,
rfolgreiche und mit Lebenszielen versehene junge Mit-
lstand. Es ist doch selbstverständlich, dass sich die
enschen, mit denen man das Land wirklich positiv ver-

ndern könnte – als Präsident, als Regierung, als Parla-
ent –, auf Dauer eine weitere Entmündigung nicht ge-
llen lassen.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Ja!)


Wenn eine Regierung und ein Präsident so deutlich
eigen, dass sie nicht nur kein Vertrauen zu den Men-
chen haben – sonst würden sie dazu beitragen, dass
olitische Entscheidungsstrukturen von unten wachsen –,
ondern dass sie sogar glauben, ihnen eine Rochade zwi-
chen Präsident und Ministerpräsident zumuten zu kön-
en, so als wenn es der Wahl gar nicht mehr bedürfte,
ann dürfen sie sich nicht wundern, wenn der Schuss
ach hinten losgeht. Deshalb haben wir allen Grund, de-
en zu danken, die jetzt zeigen, dass demokratische Sub-
tanz in Russland vorhanden ist, die zu unterstützen es
ert ist.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Natürlich hat Kollege Erler recht. Auch mir ist ein
tein vom Herzen gefallen, dass es in Moskau nicht zu-
egangen ist wie in Minsk oder in Damaskus. Aber das
t nur die halbe Wahrheit. Die gesetzlichen Grundlagen
r den Umgang mit Demonstranten, wie er jetzt zu be-

17832 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Erich G. Fritz


(A) )


)(B)

obachten ist, wurden gerade erst geschaffen. Das ist kein
Überbleibsel aus einer alten Zeit. Es passiert eben, dass
der Repressionsapparat dennoch funktioniert. Natürlich
war es schön, dass Demonstranten, die auf einem fal-
schen Platz gelandet sind, von der Polizei zum richtigen
geleitet und nicht wegen einer unangemeldeten Demon-
stration verhaftet wurden. Natürlich war es gut, dass vor
der Wahl Oppositionsparteien zum ersten Mal überhaupt
die Möglichkeit gehabt haben, sich auch in den staatli-
chen Medien darzustellen. Natürlich ist es gut, dass so-
gar im staatlichen Fernsehen über Wahlfälschung berich-
tet wird. Aber wer genau hinschaut, der weiß, dass die
Schere im Kopf funktioniert, weil man weiß, dass man
nicht sicher ist, wenn man es zu deutlich macht.

Die Forderung nach Transparenz ist allgegenwärtig.
Ohne zusätzliche Transparenz wird sich dieses Land
auch nicht ändern. Der Putin‘sche Gesellschaftsvertrag
lautet: Ihr lasst mich mit meinem Netzwerk alles regeln,


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, genau!)


und ich verteile dafür so viel, dass alle irgendwie zu-
rechtkommen.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur die, die dazugehören!)


Keiner soll dabei stören, und wer stört, der kann sich an-
schließend mit Chodorkowski die Zelle teilen.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Der landet in Lagerhaft! Genau! Als persönlicher Gefangener von Putin!)


Diese Art und Weise wird sich die russische Bevölke-
rung nicht mehr gefallen lassen. Die Menschen, die jetzt
zeigen, dass sie politische Partizipation wollen und nicht
mehr manipuliert werden wollen, sind die, die Russland
für eine positive Veränderung, für Stabilität und Prospe-
rität braucht. Das sind diejenigen, die die Zukunft dieses
Landes darstellen. Das sind diejenigen, auf die man set-
zen muss. Deshalb sollten wir sie mit unserer ganzen
Solidarität und allen Möglichkeiten, die wir haben, un-
terstützen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714913100

Vielen Dank, Kollege Erich Fritz. – Jetzt für die Frak-

tion der Sozialdemokraten unser Kollege Lars Klingbeil.
Bitte schön, Kollege Lars Klingbeil.


(Beifall bei der SPD)



Lars Klingbeil (SPD):
Rede ID: ID1714913200

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Es ist gut, dass wir diese Debatte überfraktio-
nell führen. Wir alle blicken in diesen Tagen nach Russ-
land und schauen auf die Ereignisse, die wir alle nicht
vorausgeahnt haben, auch nicht hinsichtlich der Dyna-
mik. Wir haben eine interfraktionelle Arbeitsgruppe, die,

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(C (D icherlich auch aufgrund der Aufforderung des Kollegen eck, einen Antrag dazu erarbeiten wird. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Er hat geredet und ist sofort gegangen!)


ir wünschen uns auf jeden Fall gemeinsam, dass es
iesbezüglich vorangeht.

Wenn man diese Debatte verfolgt, erkennt man, dass
ir alle um den richtigen Ton ringen. Hier war vorhin
on Anbiederung die Rede und auch von Anklage. Ich
laube, wir versuchen, genau dazwischen einen Weg zu
nden. Als Mitglieder des deutschen Parlaments und als
itglieder der Deutsch-Russischen Parlamentarier-

ruppe bauen wir immer wieder Kontakte auf und versu-
hen, den Dialog zu fördern. Wir weisen auf Missstände
in, versuchen aber vor allem, Gesprächskanäle aufzu-
auen, sodass wir unseren russischen Freunden mit auf
en Weg geben können, was uns hinsichtlich der Ent-
icklung des Landes besorgt und an welchen Stellen wir
ns Veränderungen wünschen.

Russland ist ein Land mit einer bewegenden und
omplexen Geschichte. Die russische Bevölkerung hat
iele Herausforderungen zu meistern gehabt. Die Ge-
chichte zeigt, dass dieses Land es oft nicht leicht gehabt
at. Aber die Menschen haben sich diesen Herausforde-
ngen immer wieder gestellt, und sie sind heute stolz

uf vieles, was sie in Russland erreicht haben. Die russi-
che Gesellschaft befindet sich seit 20 Jahren auf dem
eg in Richtung Demokratie. Mir ist es deshalb beson-

ers wichtig, dass wir uns, wenn wir heute über die ak-
ellen Entwicklungen reden, bewusst machen, in
elchem Ton wir reden. Wir sehen mit unserem demo-
ratischen Selbstverständnis, dass es richtig ist, Fehlent-
icklungen in aller Deutlichkeit anzusprechen und sie

u kommentieren. Aber wir müssen aufpassen, dass wir
as nicht von oben herab tun, sondern wir müssen die
ugenhöhe suchen. Wir haben eine gemeinsame Ge-

chichte mit Russland, aus der für uns eine große Verant-
ortung resultiert, wenn es um die Entwicklung dieses
andes geht. Wir sollten uns daher selbst nicht erhöhen.
ir sollten aufpassen, wie wir aus der Distanz beurtei-
n, und wir sollten nicht pauschalisieren. Russlands
eg in die Demokratie war nicht immer einfach. Wir
eutsche wissen selbst, wie schwierig, wie steinig Wege
in zu einer Demokratie sein können und wie viele
ückschläge man in Kauf zu nehmen hat.

Wenn wir die demokratischen und zivilgesellschaftli-
hen Prozesse in Russland sehen, dann wissen wir: Das
raucht Zeit. Wenn wir heute wahrnehmen, wie viele
enschen in Russland den Willen haben, mehr Demo-

ratie zu erfahren, dann sollten wir nicht den Zeigefinger
rheben, sondern versuchen, den richtigen Ton zu fin-
en. Wir brauchen keine neunmalklugen Ratschläge.
as hilft den deutsch-russischen Beziehungen nicht, das
ilft der russischen Bevölkerung nicht, und das hilft
uch der russischen Demokratie nicht.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Es gibt keine russische Demokratie! Sie haben überhaupt nichts verstan Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17833 Lars Klingbeil )


(A) )

den! Sie reden wie Ihr ehemaliger Chef! – Wi-
derspruch bei Abgeordneten der SPD)

Der Frust der russischen Bevölkerung ist nachvoll-
ziehbar. Das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft
ist in eine Krise geraten, die in diesen Tagen sichtbar
wird. Bilder im Internet und im Fernsehen haben die
Wahlfälschung offensichtlich gemacht. Hohe Zustim-
mungsraten waren in Russland keine Seltenheit, aber
jetzt erleben wir die Offensichtlichkeit der Wahlfäl-
schung. Das Internet spielt dabei eine große Rolle. Hie-
rauf will ich gleich noch eingehen.

Große Teile der russischen Bevölkerung haben das
Gefühl, dass sie nicht mehr ernst genommen werden,


(Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! So ist es!)


dass zwischen Staat und Gesellschaft ein Missverhältnis
besteht, dass die Legitimität der russischen Regierung
schwindet. Legitimität ist eine Voraussetzung für zivil-
gesellschaftliche Entwicklungen, ist Voraussetzung für
eine nachhaltige Wirtschaftspolitik und ist Vorausset-
zung für ein verlässliches politisches Handeln. Es liegt
daher im Interesse Deutschlands und der Europäischen
Union, dass jetzt Aufklärung geleistet wird, dass Verant-
wortlichkeiten benannt werden und dass die Legitima-
tion wieder gestärkt wird.

Die russische Parlamentswahl hat ebenso wie viele
andere Fälle in diesem Jahr gezeigt, welche Rolle das In-
ternet mittlerweile spielt, wenn es um die Stärkung de-
mokratischer Prozesse geht. Internet bedeutet Freiheit,
Internet stärkt die Demokratie, und Internet stärkt die
Meinungsfreiheit. Noch am Tag der Wahl erschienen
Videos auf Youtube, die Wahlfälschung zeigen. Internet-
videos sind mittlerweile ein wichtiges Medium, wenn es
um Aufklärung, Transparenz und zivilgesellschaftliche
Kontrolle geht. Die Wahlbeobachtergruppe Golos hat
zusammen mit einer Internetzeitung eine Plattform ein-
gerichtet, auf der Verstöße gegen das Wahlgesetz doku-
mentiert werden konnten.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dagegen hat es aber inzwischen ein staatsanwaltschaftliches Verfahren gegeben! Das ist unglaublich, was er da sagt! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Hören Sie doch einmal zu!)


– Lassen Sie mich bitte ausreden.


(Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zwischenrufe sind erlaubt, Herr Klingbeil!)


7 700 Verstöße wurden dort gemeldet. Die Informatio-
nen über Wahlfälschungen konnten in Echtzeit über
Twitter verbreitet werden, und Demonstrationen wurden
über Facebook organisiert.

Das alles zeigt uns, welche Rolle soziale Netzwerke
heute spielen. Das ist auch eine Aufforderung an uns
selbst, dass wir als Bundesrepublik Deutschland, als
deutsches Parlament darauf achten, dass das Internet ge-
stärkt wird, dass wir ein freies Internet haben, dass wir
einen freien Zugang zum Internet haben, dass wir die

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(C (D reiheit des Netzes auch auf globalen Konferenzen und globalen Abkommen stärken und dafür sorgen, dass s hier keine Zensur gibt. Leider ist meine Redezeit jetzt m. Ich hätte gerne noch einiges mehr gesagt. Frau eck, ich verstehe manchen Zwischenruf, den Sie hier emacht haben, nicht; denn ich glaube, dass wir in den usführungen nicht weit auseinanderliegen. Herzlichen Dank fürs Zuhören. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714913300

Das Wort hat nun Staatsministerin Cornelia Pieper.


(Beifall bei der FDP)


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Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1714913400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bun-

esregierung begrüßt ausdrücklich diese Aktuelle
tunde, die Sie interfraktionell beantragt haben.

Ich teile im Übrigen Ihre Auffassung, Frau Kollegin
eck, dass wir nicht von einer russischen Demokratie
ach unserem Verständnis sprechen können. Ich glaube,
ussland ist noch weit davon entfernt.


(Franz Thönnes [SPD]: Das ist ja auch kein Wunder!)


ber umso mehr haben mich persönlich, wie wahr-
cheinlich auch Sie, die Bilder der vergangenen Tage be-
egt, die wir aus Russland lange nicht mehr gesehen ha-
en. Zehntausende versammeln sich friedlich, um ihrer
orderung nach freien Wahlen Ausdruck zu verleihen.
ir waren Zeugen der größten Demonstration in Russ-
nd seit den frühen 90er-Jahren. Mich hat das an den
erbst 1989 im Osten Deutschlands erinnert. Das sollte
ns allen Hoffnung machen auf eine fortschrittliche, bes-
ere Entwicklung hin zu einer Demokratie in Russland.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir können aus meiner Sicht nur begrüßen, dass die
ersammlungen in Moskau und vielen anderen Städten
m vergangenen Wochenende weitgehend friedlich ver-
ufen sind. Dies ist ein Verdienst aller Beteiligten gewe-

en: der friedlich Demonstrierenden, aber auch der Si-
herheitskräfte.

Auch in Zukunft muss gewährleistet sein, dass sich
ssische Bürger frei und friedlich versammeln und ihre
einung frei äußern können. Keine Gewalt gegen fried-

che Demonstranten – das ist die klare Botschaft der
undesregierung, übrigens nicht nur an die Adresse der
ssischen Regierung.

Wir appellieren außerdem an die russischen Behör-
en, Versammlungen nicht durch allzu enge Auflagen zu
eschränken. Die Verlegung der Demonstration in Mos-
au an einen Ort, der Zehntausenden Platz bietet, war ein
utes Zeichen, aber das erwarten wir auch in Zukunft.
enn nicht in allen Städten zeigte sich die Verwaltung so
ffen für die Gewährleistung des Versammlungsrechts.
ancherorts kam es auch am vergangenen Wochenende

17834 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Staatsministerin Cornelia Pieper


(A) )


)(B)

noch zu Verhaftungen. Hunderte von friedlichen De-
monstranten sind verhaftet worden, auch wenn Amnesty
International meldet, dass die meisten Inhaftierten in-
zwischen wieder auf freiem Fuß sind. Die Bundesregie-
rung meint: Friedlich demonstrierende Demonstranten
gehören nicht in Haft, sondern sie müssen sofort freige-
lassen werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Die Regierung hat doch noch nichts gemacht!)


Wie wir wissen, richten sich die aktuellen Proteste,
Herr Gehrcke, in Russland gegen den Verlauf der Duma-
Wahlen vor zehn Tagen. Wir begrüßen, dass – im Gegen-
satz zu den Wahlen vier Jahre zuvor – Russland dieses
Mal eine Wahlbeobachtermission der OSZE zugelassen
hat, wenngleich sie mit nur 200 Wahlbeobachtern, da-
runter auch 15 Deutsche, noch unter der von der OSZE
geforderten Mindestzahl lag.

Bedauerlicherweise sind die Wahlbeobachter zu dem
Ergebnis gekommen, dass die für einen fairen Wahl-
kampf notwendigen Bedingungen nicht erfüllt wurden.
Kritik fanden insbesondere die unzureichende Trennung
zwischen Staatsorganen und der Partei Einiges Russland,
die fehlende Unabhängigkeit der Wahlkommissionen
und die Einseitigkeit der Medien. Zu beobachten waren
zahlreiche Verfahrensfehler und offensichtlich auch Ma-
nipulationen. Bundesminister Westerwelle hat in seiner
Rede vor dem OSZE-Ministerrat in Wilna seine Sorge
hierüber ganz deutlich zum Ausdruck gebracht. Wir er-
warten, dass die russische Staatsführung diese Sorge
ernst nimmt, allen Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten
nachgeht und diese sofort und mit Entschiedenheit besei-
tigt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Freie und faire Wahlen abzuhalten, das ist eine Ver-
pflichtung, die sich für alle OSZE-Staaten aus den
Kopenhagener Kriterien der Organisation ergibt. Alle
OSZE-Teilnehmer haben sich dazu verpflichtet und ha-
ben auch das Recht, auf Mängel im Wahlverlauf in ei-
nem anderen Land hinzuweisen.

Die Bundesregierung ist überzeugt, dass Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit Grundvoraussetzung für eine
dauerhafte positive staatliche Entwicklung sind. Das gilt
auch für Russland und insbesondere für die Modernisie-
rungspartnerschaft. Es gibt eben nicht nur wirtschaftli-
che Freiheit. Für uns sind wirtschaftliche und gesell-
schaftliche Freiheit zwei Seiten einer Medaille.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Bundesregierung spricht die Fragen der Men-
schenrechte und der Freiheitsrechte in bilateralen Ge-
sprächen mit russischen Politikern offen an. Eine politi-
sche und gesellschaftliche Modernisierung ist Teil der
Modernisierungspartnerschaft, die wir seit einigen Jah-
ren erfolgreich mit Russland betreiben. Die EU ist eine

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(C (D erteunion. Wir wollen die Zivilgesellschaft stärken. h glaube, gerade wir Deutschen, die Einheit und Frei eit mit einer friedlichen Revolution erreicht haben, wisen um den Wert von Freiheitsund Bürgerrechten. Desegen müssen wir in unserer Partnerschaft, in unserer usammenarbeit hier einen ganz besonderen Akzent seten. Wir müssen uns mit Nachdruck dafür einsetzen, ass Demokratie und Menschenrechte in Russland getärkt werden. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Was tut die Bundesregierung denn?)


Lassen Sie mich ein paar Beispiele nennen; denn Herr
ehrcke ruft dazwischen und fragt, was die Bundes-
gierung für die Stärkung von Bürgerrechten und Men-

chenrechten tut.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja!)


h glaube, es ist durchaus erwähnenswert, dass wir den
andel auch durch die Rechtszusammenarbeit voran-

eiben. Das Bundesjustizministerium und das Auswär-
ge Amt haben gerade in diesem Bereich in diesem Jahr
inen Schwerpunkt gesetzt. In diesem Jahr hat im No-
ember ein Symposium zur Korruptionsbekämpfung
tattgefunden sowie am 18. und 19. Mai in Sankt Peters-
urg ein großes Symposium zur wirtschaftsrechtlichen
usammenarbeit. Es gibt eine gemeinsame Juristenaus-
ildung, ein bilaterales Kooperationsprogramm mit dem
eutschen Akademischen Austauschdienst und einen
tudentenaustausch. Das Ziel muss sein, eine neue Ge-
eration von Juristen in Russland zu fördern. Das halte
h für einen ganz wichtigen Beitrag zu dem Wandel, der
Russland stattfinden soll.

Ich will auch erwähnen, dass es uns wichtig ist, die
ivilgesellschaften zusammenzubringen. Hier wurden
chon – ich glaube, von Ihnen, Herr Thönnes – das
eutschlandjahr in Russland und das darauffolgende
usslandjahr in Deutschland erwähnt. Wir wollen die
enschen zusammenbringen. Wir wollen die jungen
enschen unserer Länder zusammenbringen. Ich bin der
uffassung, dass wir zum Beispiel das Deutsch-Russi-

che Jugendwerk ausbauen müssen.


(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Richtig!)


s ist im Vergleich zum Deutsch-Französischen und zum
eutsch-Polnischen Jugendwerk stark benachteiligt.


(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Da stimmen die Verhältnisse nicht!)


erade wenn wir die junge Generation ansprechen, dann
etzen wir auf die Zukunft Russlands; denn die jungen

enschen werden die Zukunft ihres Landes gestalten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich könnte Ihnen noch viele Beispiele nennen. Ich
ill ausdrücklich unterstreichen, was alle, zum Beispiel
ollege Link, hier zur Visaliberalisierung gesagt haben.
h bin froh, dass die Bundesregierung gemeinsam mit

en polnischen Nachbarn während der EU-Ratspräsi-
entschaft den kleinen Grenzverkehr zu Kaliningrad
urchgesetzt hat. Das ist ein Schritt voran. Aber wir dür-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17835

Staatsministerin Cornelia Pieper


(A) )


)(B)

fen da nicht stehen bleiben. Wir müssen diesen Weg wei-
tergehen. Wir alle wissen, dass die Visaliberalisierung
Brücken zwischen den Zivilgesellschaften schafft. Da-
rauf kommt es an.

Meine Damen und Herren, wenn ich hier über die feh-
lende Rechtsstaatlichkeit in Russland rede – es wurden
schon viele Beispiele genannt –, will ich noch ein Ereig-
nis erwähnen, das uns beunruhigen muss. Wenn ein Ar-
chivar zu einem Jahr Gefängnisstrafe verurteilt wird,
weil er einem Historiker biografische Informationen
über Russlanddeutsche zugänglich gemacht hat, die in
der Sowjetunion nach Sibirien deportiert worden waren,
dann finde ich das alarmierend. Auch die Menschen-
rechtsorganisation Memorial sieht das so. Sie hat deut-
lich gesagt:

Mit diesem Präzedenzfall besteht die Gefahr, dass
historische Forschungen zur Geschichte der Re-
pression in der stalinistischen Sowjetunion fortan
unter dem Damoklesschwert juristischer Konse-
quenzen stehen.


(Michael Link [Heilbronn] [FDP]: Leider ja!)


Das ist nur ein Beispiel, aber eines von vielen, die uns
ins Bewusstsein rufen sollten, dass wir in Russland sehr
viel mehr für die Rechtsstaatlichkeit tun müssen.

Putin hat die Opposition heute in der Tat scharf ange-
griffen, indem er behauptet hat, sie sei vom Westen ge-
steuert und sie würde Russland destabilisieren. Ich
glaube, es besteht die Gefahr, dass er nicht in der Lage
sein wird, die Werte, die uns wichtig sind, in Zukunft als
Regierungschef in die russische Gesellschaft zu tragen.
Er ist der, der er immer war. Er achtet Bürgerrechte
nicht. Er achtet Freiheitsrechte nicht. Er ist in dieser Hin-
sicht Autokrat. Das sollte man auch so deutlich sagen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sollten das auch im Dialog mit russischen Politikern
– nicht nur mit solchen der Opposition, sondern auch mit
solchen der Regierung – deutlich machen.

Meine Damen und Herren, wir werden die weitere
Entwicklung in Russland natürlich aufmerksam verfol-
gen. Ich würde mich freuen, wenn wir solche Debatten
des Öfteren auch hier im Deutschen Bundestag führen
würden. Die nächsten Wahlen in Russland stehen bevor,
die Präsidentschaftswahlen im März nächsten Jahres.
Wir erwarten, dass Russland seinen internationalen Ver-
pflichtungen erneut nachkommt und frühzeitig Wahlbe-
obachter der OSZE und des Europarates einlädt. Russ-
land muss im Hinblick auf diese Wahlen Lehren aus den
Feststellungen der OSZE ziehen.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714913500

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen. Sie

haben schon sehr deutlich überzogen.

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(C (D C Vielen Dank, Herr Präsident, für den Hinweis. Ein letzter Satz. Meine Damen und Herren, Freiheit raucht Mut. Ich glaube, wir alle haben den friedlichen emonstranten, die in Russland auf die Straße gegangen ind, mit der heutigen Aktuellen Stunde Mut gemacht, dem wir uns, was ihre Forderung nach mehr Demokrae und Freiheit betrifft, an ihre Seite gestellt haben. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1714913600


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714913700

Das Wort hat nun Rolf Mützenich für die Fraktion der

PD.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1714913800

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! In der Tat: Solch wichtige, möglicherweise
ogar epochale Ereignisse wie jetzt in Russland brau-
hen Bilder. Wir haben der Debatte, oft aber auch der
eröffentlichten Meinung entnommen, dass diese Ereig-
isse mit dem arabischen Frühling vergleichbar seien. Es
ind durchaus wichtige Demonstrationen, die dort statt-
efunden haben. Aber ich warne davor, an dieser Stelle
arallelen zu ziehen. Die sozioökonomischen Bedingun-
en, die Geschichte und die Kultur sind dort andere. Ge-
einsam ist den Demonstranten allerdings, dass sie für

ine freiere und demokratischere Gesellschaft eintreten.
sbesondere fordern sie, dass vom Staat bzw. von der
egierung der Respekt gegenüber dem Einzelnen ge-
ährleistet wird. In dieser Hinsicht stimmt der Ver-
leich; das ist in der Tat richtig.

Allerdings glaube ich – auch darauf möchte ich hin-
eisen –, dass wir die Entwicklung in Russland wachen
uges beobachten müssen. Dies gilt im Hinblick auf die
emonstranten, aber insbesondere im Hinblick auf die
egierung und die Mächte im Kreml, die sich in den
tzten Jahren immer wieder gegen die russische Gesell-

chaft gerichtet haben. Wir dürfen nicht die Augen davor
erschließen, dass es auch bei den Demonstrationen den
inen oder anderen Teilnehmer gegeben hat, der sich für
inen russischen Sonderweg eingesetzt hat.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja!)


as ist nicht gut für Europa, und das ist nicht gut für
ussland.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


h finde, zu einer Debatte, in der es im Grunde genom-
en darum geht, dass wir uns um die russische Gesell-

chaft Sorgen machen müssen, gehört auch, einen sol-
hen gerechtfertigten Hinweis zu geben.


(Beifall der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


17836 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Dr. Rolf Mützenich


(A) )


)(B)

Der springende Punkt ist: Die Menschen wollen gut bzw.
besser regiert werden, und sie wollen in einer solchen Si-
tuation geachtet werden. Ein freies Parlament wie der
Deutsche Bundestag muss darauf hinweisen.

Warum gibt es diese Erwartungshaltung? Ich finde,
wir sollten eine differenzierte Debatte über Russland
führen. Ich bekenne für mich persönlich ganz offen: Ich
habe gehofft, dass mit Präsident Medwedew jemand die
Präsidentschaft übernimmt, der sich für eine freiere, of-
fenere und respektvollere Gesellschaft und für einen
Staat, der sich gegenüber seinen Bürgern respektvoller
verhält, einsetzt. Er hat diese Hoffnung enttäuscht.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Er hat auch mich persönlich enttäuscht. Ich glaube, einer
der Gründe, warum die Demonstranten sagen: „Wir füh-
len uns hinters Licht geführt“, ist, dass die Verabredung
zwischen Medwedew und Putin zwar erst vor wenigen
Wochen öffentlich geworden ist, dass es aber hieß: Das
haben wir schon vor langer Zeit verabredet. So kann
man mit einer Gesellschaft nicht umgehen, die freier le-
ben will. Ich finde, diese Kritik ist gerechtfertigt, und
deswegen muss man hinter dieser Politisierung der russi-
schen Gesellschaft letztlich auch das erkennen, was sie
bedeutet: Die Menschen wollen freier, gerechter und re-
spektvoller behandelt werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen verlangen wir von dieser Stelle aus, dass
die Wahlergebnisse überprüft und korrigiert werden. Ich
erinnere auch daran: Es sind noch nicht alle Wahlergeb-
nisse bekannt. Es sind ja auch Regionalwahlen durchge-
führt worden. Ein ganz wichtiger Punkt ist, ob auch hier
solche Wahlmanipulationen stattfinden und die Ergeb-
nisse korrigiert werden. Die nächste Frage wird sein:
Wie wird die Präsidentschaftswahl durchgeführt?


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Genau!)


Ich muss sagen: Ich war wirklich bitterlich ent-
täuscht – ich habe nicht viel erwartet, aber ich war den-
noch enttäuscht – über das, was Putin in der Fernsehdis-
kussion gesagt hat. Dieser Ministerpräsident, dieser Prä-
sidentschaftskandidat muss Kritik akzeptieren. Er muss
sie sozusagen auch fordern, weil das letztlich zu der Ent-
wicklung in Russland gehört,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


und das verlangen wir vonseiten des Deutschen Bundes-
tages auch.

Deswegen finde ich es richtig, der Bundesregierung
zu sagen: Fordern auch Sie ihn, und sagen Sie ihm dies
deutlich! Ich finde, das kann man nicht nur hinter ver-
schlossenen Türen machen. Er muss lernen, mit Kritik
umzugehen und mit Menschen, die Kritik äußern wollen,
zu leben. In den heutigen Äußerungen gab es dafür lei-
der kein Zeichen, was man nach den Demonstrationen
hätte erwarten können.

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(C (D Deswegen müssen wir ganz klar sagen: Ja, wir woln, dass die Demonstranten, die verhaftet und verurteilt orden sind, unverzüglich freigelassen werden. Auch as müssen die Bundesregierung und nach meinem Darhalten auch die EU-Beauftragte Lady Ashton deutlich achen. Ich finde, dass es der Bundesregierung in den letzten wei Jahren leider nicht gelungen ist, das zu übernehen, was ihre Vorgängerregierungen zumindest versucht aben, nämlich sowohl in der russischen Gesellschaft als uch gegenüber der dortigen Regierung ein Verhältnis ur russischen Politik zu entwickeln, auf dessen Grundge wir eine stärkere Transparenz und Zusammenarbeit ätten einfordern können. Genau das muss ich dem Bunesaußenminister als Versagen in den letzten zwei Jahn attestieren. Er hat es nicht geschafft, auf die Signale on Präsident Medwedew einzugehen, als es um einen euen Sicherheitsvertrag für das Gebiet von Wladiwosk bis Vancouver ging. Wir hätten Medwedew fordern nd ihm sagen müssen: Hier muss mehr auf den Tisch. as hat die Bundesregierung versäumt. Leider haben wir uns jetzt aus wichtigen Abrüstungserträgen verabschiedet. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Sehr richtig!)


uch das war kein gutes Signal an die russische Politik.
h finde, die Bundesregierung muss gegenüber der rus-

ischen Regierung nicht nur stärker demokratische Ver-
ältnisse einfordern, sondern insbesondere an ihre Ver-
ntwortung für die internationale Politik appellieren.

Sie haben jetzt vielleicht noch ein bisschen Zeit, dies
u tun. Ich wünsche mir das zumindest. Vonseiten des
eutschen Bundestages werden wir das weiter einfor-
ern.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714913900

Das Wort hat nun Manfred Grund für die CDU/CSU-

raktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1714914000

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

en! Auf dem Parteitag von Edinaja Rossija im Septem-
er hat Wladimir Putin in seiner Rede viel von Stabilität
esprochen. Er sprach von einem stabilen politischen
ystem und von einer stabilen Entwicklung, die Russ-
nd unter seiner Führung nehmen würde. Er hat die
rage gestellt: „Was sind unsere Ziele?“, und selbst be-
ntwortet: die Wahrheit, die Würde des Menschen und
ie Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft.

Das Wahlergebnis, die Proteste nach der Wahl und die
rt und Weise, wie die russische Führung mit dem Wahl-

rgebnis bis heute umgeht, zeigen: Die Menschen trauen
rer politischen Führung nicht mehr. Sie lassen sich

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17837

Manfred Grund


(A) )


)(B)

nicht mehr hinters Licht führen. Sie halten es für Potem-
kinsche Versprechen, dass Würde, Wahrheit und Gerech-
tigkeit als Ziele genannt wurden.

Die Proteste zeigen ein großes Misstrauen der Zivil-
gesellschaft gegenüber der politischen Führung und
auch, dass eine aufwachsende, sich selbst wieder wahr-
nehmende russische Zivilgesellschaft mit der gelenkten
Demokratie von Wladimir Putin nichts mehr anfangen
kann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Dabei war Stabilität durchaus etwas, was Putin in sei-
nen ersten Jahren nach dem politischen und wirtschaftli-
chen Chaos der Jelzin-Zeit den Menschen in Russland
gebracht hat, Stabilität, die allerdings für viele Men-
schen in eine Stagnation hineinzuführen scheint. Auch
deswegen werden die Worte von Putin nicht mehr ernst
genommen.

Zudem herrscht Enttäuschung über Dmitrij Medwe-
dew, der angetreten ist, viele Dinge, viele Übel in Russ-
land zu benennen, der auch Abhilfe in Aussicht gestellt
hat, aber auf weniger als dem halben Weg steckengeblie-
ben ist. Auch diese Modernisierungsversprechen sind ins
Leere gelaufen. Es ist nichts daraus geworden. Das hat
mit – Herr Kollege Mützenich, Sie haben es angeführt –
zu den Enttäuschungen der Zivilgesellschaft über die
Regierenden geführt.

Nicht zuletzt hat die Art und Weise, wie auf dem Par-
teitag im September diese Rochade zwischen Medwedew
und Putin angekündigt und inszeniert wurde, hat dieses
Bäumchen-wechsel-dich-Spiel die Menschen regelrecht
beleidigt. Auch aus dieser Beleidigung heraus entwi-
ckelten sich die Proteste.

Die Frage an uns ist: Welche Auswirkungen können
dieses Wahlergebnis und der Umgang damit auf uns ha-
ben? Ich denke zum einen, wir müssen uns sorgen, dass
es durch die Legitimitätskrise, durch den Legitimitäts-
verlust zu einer defensiven Verhärtung des politischen
Systems kommen könnte. Das ist etwas, was man in
Russland durchaus befürchten muss.

Zum anderen sind die Proteste auf den Straßen Zei-
chen eines erstarkenden Mittelstands, einer erstarkenden
Zivilgesellschaft. Sie sind der Ausdruck einer selbstbe-
wusster werdenden Bürgergesellschaft. Das können wir
nur begrüßen. Das haben wir auch heute hier begrüßt.

Mehr Demokratie aber wird sich nicht automatisch
einstellen. Es wird ein Prozess sein, der aus der Gesell-
schaft heraus noch viel stärker wachsen muss. Deswegen
müssen wir uns auch klarmachen: Demokratie wird nicht
schlagartig einsetzen. Aber das, was jetzt zu beobachten
ist, ist auch für uns sehr ermutigend.

Wir müssen fordern, dass neue Strukturen, auch neue
Parteien, neue Bewegungen zugelassen werden, um sich
zu organisieren.


(Beifall der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


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(C (D ierzu haben wir sicher einiges beizutragen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten ns aber auch nicht der Illusion hingeben, dass die Proleme Russlands sich begründen und erschöpfen im Sysm Putin. Die Probleme gehen tatsächlich weit darüber inaus. Aber das System von Wladimir Putin hat zu eier Stärkung autoritärer Strukturen geführt. Fest steht, ass durch die Vertikale der Macht die Korruption verutlich weniger bekämpft als gefördert wurde. Putins taatskapitalistischer Ansatz hat nicht zu einer nachhaltien Modernisierung der russischen Wirtschaft geführt. Modernisierung, Modernisierungspartnerschaft ist etas, was wir anbieten und was sich bisher leider auch in er deutschen Wirtschaft zu stark in einem zum gegeneitigen Vorteil erfolgenden Austausch von Rohstoffen nd Technologie erschöpft hat. Modernisierungspartnerchaft muss darüber hinausgehen. Sie muss in die Zivilesellschaft hineinwirken. Sie muss ein Angebot sein in ezug auf Demokratisierung, auf Korruptionsbekämpng und auf ein gemeinsames Wirken auch in außen olitischen Konflikten, die ohne oder gegen Russland icht zu lösen sind. Ich nenne die Vereinbarung, die die Bundeskanzlerin it Medwedew in Meseberg getroffen hat, um den ransnistrien-Konflikt einer Lösung zuzuführen. Es geht uch um andere Konflikte. Die Abrüstungsverträge sind ngesprochen worden. Alles das funktioniert nicht gegen ussland, sondern nur mit Russland. Auch deswegen haen wir ein außenpolitisches Interesse an einem demoratischen, gut geführten und mit uns zusammenarbeinden Russland. Das Angebot ist da. Es geht aber nicht hne eine Demokratisierung im Land. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714914100

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Förderung der Mediation und anderer
Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbei-
legung

– Drucksachen 17/5335, 17/5496 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)


– Drucksache 17/8058 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Patrick Sensburg
Sonja Steffen
Christian Ahrendt
Jörn Wunderlich
Ingrid Hönlinger

17838 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre dazu kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile Christian
Ahrendt für die FDP-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Christian Ahrendt (FDP):
Rede ID: ID1714914200

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und

Kollegen! Wir beraten heute in zweiter und dritter Le-
sung über den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der
Mediation. Wir tun dies vor dem Hintergrund eines in
der vorletzten Sitzung des Rechtsausschusses einstim-
mig angenommenen Beschlussvorschlags. Der heutigen
Beschlussfassung ist eine intensive Beratung durch die
Fraktionen, die Berichterstatter und das Bundesministe-
rium der Justiz vorausgegangen. Ich darf mich für die
gute Beratung ganz herzlich bedanken. Denn wir verab-
schieden heute den Entwurf eines Gesetzes, das ein Mei-
lenstein in der außergerichtlichen Streitbeilegung in
Deutschland sein wird. Wir regeln dieses Gebiet das
erste Mal. Der Gesetzentwurf hat es verdient, die breite
Zustimmung des Hohen Hauses zu erfahren, sodass die
außergerichtliche Mediation starke Rückendeckung er-
hält.

Die Gesetzesberatungen wurden von einer Debatte
begleitet, die nach wie vor fortdauert. Die entscheidende
Frage lautet: Soll es neben der außergerichtlichen Me-
diation eine gerichtliche Mediation geben? Wir haben
von vielen Landesjustizministern gehört, dass das ge-
wünscht wird. Ich darf ganz offen sagen: Wenn man sich
das Gesetz genau anschaut, dann stellt man fest, dass es
weiterhin eine gerichtliche Mediation gibt. Wir haben sie
quasi in ein Güterichtermodell eingekleidet, das genauso
gut funktioniert und ausgestaltet ist wie das, was die
Länder in den vergangenen Jahren ohne rechtliche
Grundlage im Rahmen praktischer Tätigkeit mediativ an
den Gerichten geleistet haben.

Der Kernpunkt der gerichtlichen Mediation oder
– besser gesagt – des Güterichtermodells ist die Ände-
rung des § 159 der Zivilprozessordnung. Die Vertrau-
lichkeit der Mediationsverfahren wird weiterhin gewähr-
leistet. So darf beispielsweise ein Protokoll über eine
Güterichterverhandlung nur geführt werden, wenn beide
Parteien das wünschen, damit das, was dort in vertrauli-
cher Atmosphäre besprochen wird, nicht später durch
eine Zeugenvernehmung in einem Streitverfahren, das
notwendig werden würde, wenn man sich nicht vernünf-
tig hat einigen können, verwendet werden kann. Das ist
ein wichtiger und entscheidender Punkt. Deswegen ist es
falsch – das muss man an dieser Stelle ganz deutlich sa-
gen –, davon zu reden, mit diesem Gesetz werde die ge-
richtliche Mediation abgeschafft. Sie wird nicht abge-
schafft, sondern in ein neues Kleid gesteckt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der entscheidende Fortschritt ist, dass es daneben ein
klares Konzept für eine außergerichtliche Mediation, für

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(C (D ine außergerichtliche, vertrauensvolle und strukturierte treitschlichtung gibt. Kern der Mediation ist, dass die arteien, bevor sie einen Richter anrufen, um eine Entcheidung in einem Streitfall herbeizuführen, versuchen, ich außergerichtlich und einvernehmlich über die Löung der Probleme zu verständigen. Das ist der Kernunkt dieses Gesetzes. Das Gesetz beinhaltet in § 1 eine anz klare Definition für diese Aufgabe. Ich will kurz eiige Argumente vortragen, die deutlich machen, warum ir heute ein Gesetz verabschieden, das dazu beitragen ann, die außergerichtliche Streitschlichtung in Deutschnd zu stärken und dort einen neuen, nachhaltigen Weg u gehen. Der Mediator muss eine unabhängige Person sein. Er uss zu Beginn des Verfahrens sagen, dass er mit keiner er Parteien in irgendeiner Form verbunden ist, damit er ie Parteien unabhängig, vertrauensvoll und strukturiert u einer Streitschlichtung führen kann. Auch die außergerichtliche Mediation unterliegt der erschwiegenheit. Keiner, der sich in einem Mediationserfahren öffnet, soll später im Rahmen einer Beweisufnahme vor Gericht mit Äußerungen, zu denen er sich einem solchen Mediationsverfahren hat hinreißen las en, konfrontiert werden. Die vertrauensvolle Zusamenarbeit des Mediators mit den Parteien ist ein wichti er Punkt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Über den nächsten Punkt haben wir sehr lange gerun-
en. Es geht um die Ausbildung. Wir haben die Ausbil-
ung im Mediationsgesetz stärker geregelt, als es das
ustizministerium ursprünglich wollte. Wir haben klare
orgaben gemacht, wie die Mediation aussehen soll.
enn wir wollen, dass die Menschen, die sich vorge-
chtlich an einen Mediator wenden, auf Personen tref-
n, die vernünftig ausgebildet sind, die wissen, was sie
n, die ihr Handwerk verstehen und dann in der Lage

ind, aufgrund ihrer Ausbildung eine Streitschlichtung
ußergerichtlich zu erreichen.

Es gibt einen weiteren Punkt. Wenn wir dieses Gesetz
tzt auf den Weg bringen, dann sind wir noch nicht am
nde. Wir sind an einem Punkt, bei dem es um Haus-
altsfragen geht. Wir wissen: Haushaltsfragen sind
chwierig,


(Otto Fricke [FDP]: Sehr wahr!)


sbesondere wenn es um das Thema der Mediations-
ilfe geht. Es kann nicht sein, dass die Mediation am
nde des Tages nur demjenigen zur Verfügung steht, der
eld hat. Vielmehr müssen wir überlegen, wie wir die
ediation als außergerichtliches Streitschlichtungsver-
hren auch denjenigen zugänglich machen, die nicht

nmittelbar über die finanziellen Möglichkeiten verfü-
en, sich einen Mediator oder ein Mediationsverfahren
isten zu können. Deswegen ist in den Gesetzentwurf

in Forschungsprojekt eingekleidet, mit dem die Mög-
chkeiten sondiert werden sollen, wie Mediation außer-
erichtlich gefördert werden kann. Das müssen wir ge-
einsam mit den Ländern machen, weil das eine Frage
t, die in erster Linie die Länderhaushalte tangiert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17839

Christian Ahrendt


(A) )


)(B)

Der letzte Punkt, auf den wir schauen müssen, ist,
dass wir das Gesetz einer Evaluierung unterwerfen.
Denn: Wir bringen ein neues Gesetz auf den Weg und
schaffen endlich einen strukturierten Rahmen für eine
außergerichtliche Streitbeilegung. Wir stärken die außer-
gerichtliche Mediation. Aber wir wissen auch, dass wir
damit noch nicht am Ende sind. Weil wir wissen, dass
dieser Weg noch weitergegangen werden muss und dass
wir an der einen oder anderen Stelle noch feilen müssen,
damit die außergerichtliche Mediation wirklich erfolg-
reich wird, haben wir gesagt: Wir wollen das Gesetz ei-
ner Evaluierung unterwerfen.

All diese Argumente zeigen, dass wir hier ein Kom-
pendium geschaffen haben, das ausgewogen ist und das
die Richter mit der gerichtsinternen Mediation in Form
des Güterichtermodells mitnimmt. Die Richter können
also sehen: Das, was sie früher in diesem Bereich an her-
vorragender Arbeit geleistet haben, können sie im Rah-
men des Güterichtermodells weiter leisten; das, was sie
als Mediatoren erlernt haben, geht nicht verloren, son-
dern kann weiter angewendet werden.

Wir schaffen auch den Regelungsrahmen für die Me-
diation als außergerichtliche Streitbeilegung. Diese au-
ßergerichtliche Streitbeilegung wollen wir stärken. Wir
wollen, dass die Menschen, bevor sie den Richter anru-
fen, versuchen, sich zu einigen und einen vernünftigen
Konsens herbeizuführen. In diesem Sinne ist der Gesetz-
entwurf ausgewogen. Er wird ein erfolgreiches Gesetz.

Ich hoffe, wir kommen heute in der zweiten und dritten
Beratung zu dem Ergebnis, zu dem auch der Rechtsaus-
schuss gekommen ist, und können diesen Gesetzentwurf
gemeinsam mit einer klaren Mehrheit verabschieden. Ich
danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns
noch gute Beratungen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714914300

Das Wort hat nun Sonja Steffen für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Sonja Steffen (SPD):
Rede ID: ID1714914400

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege
Ahrendt, ich teile Ihre Euphorie. Wir Rechtspolitikerin-
nen und Rechtspolitiker feiern den heutigen Tag als ei-
nen kleinen Meilenstein in der Geschichte der Rechts-
politik – auch Sie haben das so gesagt –; denn in Zukunft
wird es ein Mediationsgesetz geben, das – so optimis-
tisch bin ich gerne – zu einer wesentlichen Verbesserung
der Streitkultur beitragen wird.

Mittlerweile haben 65 Prozent der Menschen in
Deutschland den Begriff der Mediation schon einmal ge-
hört. Sie verwechseln ihn auch nicht mehr mit der Me-
ditation. Im letzten Jahr waren es übrigens noch 8 Prozent
weniger. Das zeigt uns, dass die öffentliche Diskussion
über das Gesetzgebungsverfahren und auch die Tatsache,
dass inzwischen zwei Drittel der Rechtsschutzversiche-

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(C (D r die Mediation anbieten, den Bekanntheitsgrad der ediation in der letzten Zeit wesentlich erhöht haben. Leider sind jedoch wir als streitlustig geltende Deutche vom Ergebnis noch nicht unbedingt überzeugt. Auenblicklich ist es so, dass 41 Prozent der Befragten och skeptisch sind, wenn sie nach dem vermuteten Erlg der Mediation gefragt werden. Nun liegt es an den ediatorinnen und Mediatoren, an den beteiligten Anälten, an der Gerichtsbarkeit und natürlich auch an den iteinander streitenden Parteien, dafür zu sorgen, dass ie Mediation zukünftig Erfolgsgeschichte schreiben nd dazu führen wird, dass viele Streitigkeiten einverehmlich beendet werden können. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes soll die Meiation in rechtlichen Konflikten zukünftig Standard erden. Dabei hilft es sehr, denke ich, dass zukünftig in er Klageschrift zwingend aufgeführt werden muss, ob er Klageerhebung der Versuch einer außergerichtlichen onfliktlösung vorausgegangen ist. Falls vor Klageerheung keine Mediation stattgefunden hat, muss dargelegt erden, welche Gründe der Mediation entgegenstehen. s wird aber immer noch Fälle geben, in denen beipielsweise das fehlende Kräftegleichgewicht verhinert, dass eine Mediation erfolgreich sein kann. Dann ann man auch direkt den Weg in die Klage beschreiten. h denke, das ist gut so. In der ersten Lesung des Mediationsgesetzes habe ich meiner Rede den Wunsch geäußert, dass wir alle im aufe des Gesetzgebungsverfahrens konstruktiv zusamenarbeiten und zu einem guten Ergebnis kommen wer en. Ich hatte damals drei Punkte erwähnt, die meiner raktion besonders am Herzen liegen: zunächst die Ausildung der Mediatoren, dann der Schwerpunkt auf der ußergerichtlichen Streitbeilegung und schließlich die ediationskostenhilfe. Erfreulicherweise hat es im Laufe es parlamentarischen Verfahrens in allen drei Punkten iel Bewegung gegeben. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Der vorliegende Gesetzentwurf legt über den Weg der
echtsverordnung Mindestvoraussetzungen für die Aus-
nd Fortbildung von Mediatoren fest. Denn selbstver-
tändlich braucht Mediation Qualität, um ihr Schattenda-
ein in Deutschland zu beenden.

Wir legen darüber hinaus fest, dass die ursprünglich im
egierungsentwurf vorgesehenen Unterscheidungen zwi-

chen gerichtsinterner, gerichtsnaher und außergerichtli-
her Mediation entfallen. Im Interesse einer Abgrenzung
er richterlichen Streitschlichtung von der Mediation
ird die gerichtsinterne Mediation in ein erweitertes Gü-
richtermodell überführt. Dieses Güterichtermodell soll

ukünftig nicht nur für die Arbeits- und die Zivilgerichts-
arkeit gelten, sondern beispielsweise auch für Verwal-
ngs-, Sozial- und Finanzgerichte.

An dieser Stelle – Kollege Ahrendt hat es schon er-
ähnt – gab und gibt es vonseiten der Richterinnen und
ichter, die in der Vergangenheit mit der richterlichen
ediation viele Erfolge erzielt haben, erhebliche Beden-

17840 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Sonja Steffen


(A) )


)(B)

ken, die uns in den Berichterstattergesprächen viel Kopf-
zerbrechen bereitet haben. Aber wir erinnern uns: Die
gerichtsinterne Mediation war immer nur als Instrument
geplant, um der Mediation bei ihrer allgemeinen Einfüh-
rung zu helfen. Sie ist als Modell von Anfang an nicht
auf Dauer angelegt gewesen.

Ich meine, wir haben nun eine gute Lösung gefunden:
Durch das nun bundesweit installierte Güterichtermodell
wird einerseits Rollenklarheit geschaffen. Andererseits
bleibt aber die Möglichkeit erhalten, auch noch im lau-
fenden Gerichtsverfahren mithilfe des Güterichters eine
einvernehmliche Beilegung des Konfliktes zu erreichen.

Der Güterichter muss sich nicht – wie der frühere ge-
richtliche Mediator – jeder rechtlichen Bewertung ent-
halten, sondern er kann eine rechtliche Bewertung vor-
nehmen und den Parteien konkrete Vorschläge zur
Lösung des Konfliktes anbieten. Viele Parteien suchen
nach einem solchen Vorschlag. Der Güterichter ist damit
zukünftig zwar kein klassischer Mediator mehr, aber er
kann in der Güteverhandlung zahlreiche Methoden der
Mediation einsetzen.

Die Richtermediatoren haben in den letzten Jahren
bereits einen wichtigen Beitrag zur Etablierung der Me-
diation geleistet. Die Erfahrung, die hier an vielen Ge-
richten erlangt wurde, kann bei dem neuen Güterichter-
modell weiter genutzt werden. Es liegt nun in der Hand
der jeweiligen Gerichte, dieses Modell mit Leben zu fül-
len.

Der letzte Punkt, der meiner Fraktion besonders wich-
tig war, war die Einführung der Mediationskostenhilfe.
Diese hat zu unserem Bedauern keinen verbindlichen
Eingang in den Gesetzentwurf gefunden, sondern es ist
lediglich die Möglichkeit eines Forschungsvorhabens
zwischen Bund und Ländern vorgesehen. Dabei ist es
meiner Meinung nach ein verfassungsrechtlicher Auf-
trag, für eine Angleichung der Situation von wohlhaben-
den und mittellosen Personen im Bereich des Rechts-
schutzes zu sorgen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


Den ärmeren Parteien wird durch die fehlende Mög-
lichkeit der Mediationskostenhilfe eine wesentliche
Chance der Rechtewahrnehmung genommen. Im Famili-
enrecht kann man dies vielleicht mithilfe des § 135
FamFG kompensieren; denn darin ist die Möglichkeit
der kostenfreien Mediation vorgesehen. In allen anderen
Bereichen geht dies gegenwärtig aber nicht.

Ich hoffe, dass dieses Forschungsvorhaben erfolg-
reich durchgeführt wird und dass wir dann in Zukunft,
nach der Evaluierung des Gesetzes, vielleicht auch die
Mediationskostenhilfe gesetzlich einführen können.


(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich bin im Übrigen davon überzeugt, dass wir mit der
außergerichtlichen einvernehmlichen Streitschlichtung
nicht nur eine viel größere Zufriedenheit der Parteien
erreichen, sondern wahrscheinlich auch Kosten der ge-
richtlichen Auseinandersetzung einsparen werden. Da-

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(C (D er wäre das Geld für die Mediationskostenhilfe wirkch sinnvoll und gut angelegt. Abschließend möchte ich sagen, dass dieses Gesetzebungsverfahren für mich ein sehr positives Beispiel r eine wirklich gute fraktionsübergreifende Zusamenarbeit war. Ich denke, das sehen alle Berichterstattennen und Berichterstatter der übrigen Fraktionen auch o. Ich möchte mich ausdrücklich bei Herrn Dr. Stadler nd seinen sehr engagierten Mitarbeiterinnen und Mitareitern bedanken, die uns in der ganzen Zeit sehr untertützt haben. Meine Fraktion wird dem Gesetz zustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)


(Beifall im ganzen Hause)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714914500

Das Wort hat nun Andrea Voßhoff für die CDU/CSU-

raktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Andrea Astrid Voßhoff (CDU):
Rede ID: ID1714914600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

echtspolitiker – das wissen alle, die anwesend sind –
iden immer darunter, dass unsere Debatten meistens in
en späten Abendstunden bzw. zu einer nicht unbedingt
ttraktiven Plenarzeit stattfinden. Auch heute ist es
urch die Verschiebung relativ spät geworden. Die De-
atte war zu einem früheren Zeitpunkt geplant. Es ist gut
nd richtig, einmal zu einer etwas früheren Zeit über die-
es so wichtige Thema diskutieren zu können.


(Beifall im ganzen Hause)


Wir kennen den Spruch, dass jeder vermiedene Pro-
ess ein guter Prozess ist. Diese Aussage ist nicht nur
llgemein anerkannt, sondern mit der Verabschiedung
es heutigen Gesetzentwurfs leisten wir zur Verwirkli-
hung dieses Ziels einen ganz wesentlichen Beitrag. Das
t gut und richtig so. Der Kollege Ahrendt erwähnte
orhin, dass wir mit der Verabschiedung des Gesetzent-
urfs einen Meilenstein auf dem Weg zu einer veränder-
n Streitkultur in Deutschland setzen. Auch das kann
an nur unterstreichen.

Die Deutschen sind nicht nur ein Volk der Dichter
nd Denker, sondern sie gelten auch als besonders streit-
eudig. Konflikte zwischen Nachbarn, zwischen Teil-
ehmern am Straßenverkehr, aber auch innerhalb von
amilien münden nicht selten in ausweglose Gerichts-
erfahren, weil man meint, mit der Befassung der Ge-
chte recht zu bekommen. Solche Streitigkeiten werden
eist bis zum bitteren Ende ausgetragen. Selbst wenn

in rechtskräftiges Urteil einer Seite in der Sache formal
cht gibt, sind oftmals alle Seiten Verlierer. Der Kollege
ilberhorn aus meiner Fraktion hat in der ersten Lesung
u diesem Gesetzentwurf gesagt, dass die Klärung einer
echtsfrage eben leider nicht immer mit der Befriedung
er Parteien einhergeht.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17841

Andrea Astrid Voßhoff


(A) )


)(B)

Vor diesem Hintergrund können Mediatoren helfen,
Konflikte auf andere Art und Weise als durch ein Urteil
zu beenden, nämlich in einem Verfahren, in dem die Par-
teien mit Unterstützung des Mediators – das ist schon
gesagt worden – nach einer Lösung suchen und diese
dann – das ist besonders wichtig – eigenverantwortlich
ausgestalten und besiegeln. Damit können Streitigkeiten
häufig frühzeitiger, friedlicher und nachhaltiger gelöst
werden als mit einem Urteil.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Frühzeitiger deshalb, weil eine Lösung gefunden
wird, bevor ein Rechtsstreit eskaliert und sich zwingend
Anwälte und Richter damit befassen müssen; friedlicher,
weil die Parteien selbst Herr des Verfahrens sind und da-
her eine Lösung, wenn sie denn gefunden wird, bewusst
akzeptieren; nachhaltiger, weil eine dem äußerlichen
Konflikt zugrunde liegende Interessenlage und Span-
nungslage erkannt, aber auch – das ist wichtig – gelöst
wird.

Dass Mediation kein Allheilmittel ist und nicht auf
alle Fälle passt, ist sicherlich nachvollziehbar. Mit Inte-
resse nehmen wir zur Kenntnis, dass die Berliner Grünen
die Mediation in der Politik gerade intern testen, interes-
santerweise, meine Damen und Herren Kollegen von
den Grünen, gar mit zwei Mediatoren. Wir haben gesagt,
dass wir nach geraumer Zeit die Entwicklung dieses Ge-
setzes evaluieren werden. Wir schauen also mit sehr viel
Sorgfalt darauf, wie das mit zwei Mediatoren bei den
Berliner Grünen klappt.

Was wir heute verabschieden – das ist hier schon von
meinen Vorrednern gesagt worden, und ich muss es nicht
in aller epischen Breite wiederholen –, nämlich in erster
Linie die Installierung der außergerichtlichen Mediation,
ist ein sehr wichtiger und wesentlicher Schritt. Es ist gut
und richtig, dass wir in dieser Frage über die EU-Richtli-
nie, die das nur für grenzüberschreitende Rechtsstreitig-
keiten vorsah, hinausgehen.

Ich möchte in der Kürze der mir zur Verfügung ste-
henden Zeit aber auch noch einmal betonen – der Kol-
lege Ahrendt und die Kollegin Steffen haben es vorhin
gesagt –: Uns ereilen im Zusammenhang mit diesem Ge-
setzgebungsverfahren, das heute zum Abschluss kommt,
auch kritische Bemerkungen, insbesondere der Länder-
justizminister. Mit Verlaub, über das eine oder andere
Schreiben ärgert man sich als Parlamentarier schon – je-
denfalls von der inhaltlichen Diktion her –, weil der Ein-
druck erweckt wird, die gerichtsinterne Mediation werde
ersatzlos abgeschafft, und das stimmt schlicht nicht.
Richter, die bisher als Mediatoren tätig waren, können
ihre Erfahrung, ihr Wissen in dieser Frage im erweiterten
Güterichtermodell – das ist hier von den Kolleginnen
und Kollegen schon gesagt worden – weiterhin mehr
oder weniger einbringen. Demzufolge ist es misslich
– man muss es ja nicht gut finden, was wir hier
machen –, den Eindruck zu erwecken, wir schafften die
gerichtliche Mediation ab. Aber genau das ist nicht der
Fall.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir die gerichtsinterne Mediation, also das ei-
entliche Instrument der Mediation, als neues Leistungs-
aket in die Justiz integriert hätten, dann hätten wir auch
ie Frage der Kostenregelung im Sinne der Wettbe-
erbsgleichheit mit der außergerichtlichen Klärung
geln müssen. Gerade das wollten wir nicht, auch im In-
resse der Bürgerinnen und Bürger, die von dem Ange-
ot, das wir künftig zur Verfügung stellen, nachhaltig
ebrauch machen sollen.

Demzufolge ist es nur zu begrüßen – vieles ist von
einen Vorrednern gesagt worden –, dass dieses Gesetz
einem guten halben Jahr sehr intensiv beraten wurde.
rau Ministerin, wir hatten eine gute Vorgabe aus dem
inisterium. In erster Linie darf ich meinem Bericht-

rstatterkollegen von der FDP, Herrn Ahrendt, aber auch
em Kollegen Sensburg ganz herzlich danken, die, wie
h glaube, einen guten Entwurf aus dem Ministerium
och besser gemacht haben. Offenbar ist der heute in
iesem Hause vorgelegte Gesetzentwurf, auch dank der
itberatungen der Berichterstatter der Opposition, so

ut, dass er hoffentlich – wie im Rechtsausschuss –
eute einstimmig angenommen wird. Auch das ist nicht

mer an der Tagesordnung. Es könnte ein gutes Vorbild
r weitere Initiativen sein. Die Opposition kritisiert die
oalition oft genug für das, was sie vorlegt. Angesichts
essen ist das beste Lob für die Arbeit der Koalition die
instimmige Zustimmung zu einem Gesetzentwurf. In
iesem Sinne kann ich nur hoffen und wünschen, dass es
o kommt.

Ich bitte auch das Justizministerium, für dieses Gesetz
ktiv in Form von Informationsbroschüren und Offensi-
en zu werben. Die Kollegin Steffen sagte es: Nach einer
llensbach-Studie können nur 65 Prozent der Bevölke-
ng zumindest etwas mit dem Begriff „Mediation“ an-
ngen. Ich habe aber auch gelesen, dass 41 Prozent der
ediation skeptisch gegenüberstehen. Deshalb sollten
ir für dieses hervorragende Gesetz sehr offensiv wer-
en – da setze ich auch auf das BMJ –, damit es bei den
ürgern Akzeptanz findet. Vielleicht können wir in fünf

ahren im Großen und Ganzen zufrieden feststellen, wie
ut es war, dass wir heute einstimmig ein sehr gutes Ge-
etz auf den Weg gebracht haben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714914700

Das Wort hat nun Jens Petermann für die Fraktion Die

inke.


(Beifall bei der LINKEN)



Jens Petermann (Plos):
Rede ID: ID1714914800

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

amen und Herren! Was lange währt, sollte schlussend-
ch gut werden. Diese Formel kann man mit Fug und

17842 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Jens Petermann


(A) )


)(B)

Recht auch für das heute zu Ende gehende Gesetzge-
bungsverfahren bemühen. Es wird hoffentlich heute sei-
nen Abschluss im Bundestag finden; ich bin da sehr op-
timistisch.

Frau Ministerin, der Entwurf aus Ihrem Haus ist ge-
genüber der ursprünglichen Drucksache so weit nachge-
bessert, dass heute auch die Linke zustimmen kann. Das
hatte ich bereits in der ersten Lesung in Aussicht gestellt,
und da lasse ich mich gern beim Wort nehmen.

Der vorliegende Text ist ein Kompromiss, der die In-
teressen der Beteiligten weitgehend berücksichtigt und
vor allem aufgrund wesentlicher Impulse aus dem Parla-
ment selbst zustande gekommen ist. Daher lohnt sich ein
Blick in die Historie.

Am 21. Mai 2008 erteilten der Europäische Rat und
das Europäische Parlament den Mitgliedsländern den
Auftrag, für grenzüberschreitende Streitigkeiten in Zivil-
und Handelssachen den Zugang zur Mediation zu för-
dern und innerhalb von drei Jahren ein entsprechendes
Landesgesetz auf den Weg zu bringen. Am 4. August
2010 veröffentlichte das Ministerium dann den ersten
Referentenentwurf, dem acht Monate später ein durchaus
ambitionierter Gesetzentwurf folgte. Im Rechtsaus-
schuss führten wir dann zeitnah eine Sachverständigen-
anhörung durch, der sodann eine Reihe von Bericht-
erstattergesprächen folgte.

Mit dem jetzt vorliegenden Änderungsantrag hat die
Koalition die Vorschläge der Berichterstatter weitgehend
aufgegriffen und umgesetzt. Eingeflossen ist dabei übri-
gens auch ein Entschließungsantrag der Linksfraktion
vom 11. April 2011. Zentrale Fragen der Berufsausbil-
dung, der -zulassung und -ausübung sowie der Fort- und
Weiterbildung der Mediatoren sind nunmehr sachgerecht
geregelt. Die für die sachkundige Durchführung der Me-
diation erforderliche Qualifikation wird damit zukünftig
gewährleistet sein.

Mit der geplanten Zertifizierung, einer Art TÜV für
Mediatoren, wird es außerdem bundesweit einheitliche
Standards geben. Hinsichtlich der bislang unzureichend
beantworteten Frage der Mediationskosten zeigt § 7 des
Entwurfs in Anlehnung an die Regelungen zur Prozess-
kostenhilfe einen Weg zur Förderung der Mediation auf.
Die Zuweisung von Bundesmitteln ist daran geknüpft,
dass zwischen dem Bund und den Ländern Forschungs-
vorhaben vereinbart werden, auf deren Grundlage dann
im Einzelfall eine Mediationskostenhilfe gezahlt werden
kann. Ob tatsächlich ein Rechtsanspruch des Hilfebe-
dürftigen besteht, ergibt sich daraus leider nicht. Er ist
damit nicht hundertprozentig gewährleistet. Es bleibt
aber zu hoffen, dass der Bund ausreichende Mittel zur
Verfügung stellt und die Länder sodann auf diese Mittel
auch zurückgreifen. Sollte dies nicht gelingen, droht eine
soziale Schieflage, da der Zugang zur Mediation für so-
zial Schwache erschwert würde.

Die bisherige Regelung in § 4 zur Verschwiegenheits-
pflicht wirft eine Reihe von Auslegungsfragen auf, zum
Beispiel, ob ein als Zeuge benannter und geladener Me-
diator allgemein nach dem Prozessrecht aussagen muss.
Außerdem gibt es Unterschiede zwischen anwaltlichen

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(C (D nd nichtanwaltlichen Mediatoren. Der anwaltliche Meiator ist zum Beispiel zur Zeugnisverweigerung nach ivilund Strafprozessordnung berechtigt. Ob dies auch r den nichtanwaltlichen Mediator gilt, ist höchst um tritten und wird in einer Vielzahl von Fachaufsätzen ontrovers diskutiert. Das betrifft auch den Umgang mit rkunden, Zeugen und die Vertraulichkeit von Aussaen. Die Vertraulichkeit des Mediationsverfahrens wird ich letztlich nur durch eine Mediationsvereinbarung, ie ein ganzes Bündel notwendiger Vertragsklauseln entalten muss, sicherstellen lassen. Eine klare gesetzliche egelung wäre hier sicher hilfreich gewesen. An dieser telle wird die Praxis zeigen, ob mit den gewählten Forulierungen den Interessen der Rechtsanwender ausrei hend Rechnung getragen wurde. Neben den Regelungen zur außergerichtlichen Mediaon sieht der Entwurf auch vor, die bisher praktizierten nterschiedlichen Modelle der gerichtsinternen Mediaon mit einer Übergangsfrist zu beenden und stattdessen in erheblich erweitertes Institut des Güterichters einzuhren und auch die Verfahren der Fachgerichtsbarkeit u erweitern. Die bereits in einigen Bundesländern prakzierten Güterichtermodelle werden somit bundesweit uf alle Gerichtsbarkeiten übertragen. An dieser Stelle soll nicht verschwiegen werden, dass er nun vorliegende Kompromiss sowohl bei Richterveränden als auch bei einigen Justizministern zu erhebliher Kritik geführt hat. Das ist hier schon von verschieenen Kollegen angeführt worden. Ich stimme mit den ritikern insoweit überein, als es zu den Aufgaben der erichte gehört, schlichtend tätig zu werden. Sicher haen die bisherigen Modelle einer gerichtsinternen Meiation diesem Anliegen Rechnung getragen, aber eben uch nur dort, wo derartige Modelle tatsächlich instalert und praktiziert worden sind. Das passierte eher zullig und stellte kein flächendeckendes Angebot sicher. it der bundesweiten Einführung eines Güterichterodells in allen Gerichtsbarkeiten wird dem Recht uchenden nun qualitativ und quantitativ ein neues Anebot der konfliktlosen Streitbeilegung unterbreitet. Das t eine echte Innovation. An den Gerichten, an denen Erfahrungen mit gechtsinterner Mediation gemacht wurden, werden diese rfahrungen weiter im Rahmen des Güterichterverfahns genutzt werden können. Das wurde von den Vorred ern schon gesagt. Auch ich bin davon überzeugt, dass as gelingt. Den Befürwortern der gerichtsinternen Mediation ist och entgegenzuhalten, dass mit einer Tätigkeit als ichtermediator ungeklärte und höchst strittige verfas ungsrechtliche Fragen, wie die der Vereinbarkeit der ätigkeit als Mediator mit dem Grundsatz der richterlihen Unabhängigkeit und der Gewaltenteilung, verbunen waren. Rechtsvergleichende Studien haben belegt, ass die Mediation überwiegend nicht gerichtsintern aneboten wird. Ich halte es dennoch für notwendig, mit en Kritikern des vorliegenden Entwurfes den Dialog zu uchen und dabei insbesondere die kritischen Fragen insichtlich der Vereinbarkeit der Richtermediation mit Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17843 Jens Petermann )


(A) )

dem Verfassungsrecht zu erörtern. Da sehe ich mich mit
Ihnen einig, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Denn eines hat die parlamentarische Diskussion um
den vorliegenden Gesetzentwurf gezeigt: Nur verständ-
nisvolles Zuhören und Eingehen auf die Argumente des
jeweils anderen können zu einem Interessenausgleich
führen. In diesem Sinne ist das heute zu beschließende
Gesetz eine kleine Erfolgsgeschichte und darf sich auch
unserer Zustimmung erfreuen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714914900

Das Wort erhält nun Ingrid Hönlinger für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen.


Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714915000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Ministerin! Der heutige Tag ist ein Festtag. Der
heutige Tag ist ein Feiertag für alle Bürgerinnen und
Bürger, die in unserem Land eine andere Konfliktkultur
und eine bessere Streitkultur wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit der Verabschiedung dieses ersten Gesetzes zur För-
derung der Mediation und anderer Verfahren der außer-
gerichtlichen Konfliktbeilegung in Deutschland läuten
wir eine neue Ära im Bereich alternativer Konfliktlösun-
gen ein.

Wenn wir dieses Gesetz mit seinen Chancen in der
Praxis ausschöpfen, haben wir ungeahnte Möglichkei-
ten, das Rechtsempfinden unserer Bürgerinnen und Bür-
ger nachhaltig zu stärken. Wir ermöglichen Konfliktpart-
nern – ob Einzelpersonen, Unternehmen oder Verwal-
tungen – die Anwendung eines neuen zwischenmensch-
lichen und juristischen Koordinatensystems. Mit diesem
Gesetz erleichtern wir Konfliktpartnern, die Lösung ih-
res Konflikts selbstverantwortlich in die eigene Hand zu
nehmen.

Ich sage – und das auch als Juristin – mit großer
Überzeugung: Wir haben in Deutschland eines der bes-
ten juristischen Systeme. Und: Es gibt Konfliktfälle, die
brauchen eine klare und konsequente Aufarbeitung in ju-
ristischer Hinsicht. Aber: Nicht jeder Konfliktfall ist ein
juristischer Konflikt. Bei unseren Gerichten landen jedes
Jahr Zigtausende von Gerichtsverfahren, die im Kern
keinen juristischen, sondern einen anderen Lösungsweg
brauchen.

Wir alle wissen doch aus eigener Lebenserfahrung
– ganz gleich, welchen Beruf wir haben –: Es geht sehr
oft ums Prinzip. Sprachlosigkeit führt häufig zum Recht-
habenwollen, und dann geht es nicht mehr darum, die
beste Lösung zu finden. An dieser Stelle können Media-
toren helfen, das Gespräch wieder in Gang zu bringen.
Denn bei Konflikten gilt der Satz von Paul Watzlawick:


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(C (D Der Beziehungsaspekt dominiert … den Inhaltsaspekt.“ – as bedeutet, dass eine echte Konfliktlösung in diesen ällen die Kommunikationsund Beziehungsebene miterücksichtigen muss. In der Mediation sitzen die Kontrahenten an einem isch. Sie suchen unter Vermittlung eines freigewählten ediators eine Lösung für ihren Konflikt. Auseinander etzungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern in eiem Unternehmen können oft im Gespräch gelöst weren. Auch Streitigkeiten zwischen Mietern und Vermiern, Zank zwischen Nachbarn um die Thujahecke, Forerungen zwischen Firmen aufgrund von Qualitätsmäneln oder Interessenunterschiede zwischen Gesellschafrn eines Unternehmens – all diese Konflikte müssen icht zwangsläufig vor Gericht landen. Und wer einmal eine hochstreitige Erbauseinanderetzung durchgeführt hat oder wer in nervenaufreibenen Scheidungsfällen Schriftwechsel, Gutachten und indesanhörungen miterlebt hat, der weiß, dass hier neen juristischen Kompetenzen sehr stark auch kommuniative und professionelle Mediationskompetenzen geagt sind. Mit dem Mediationsgesetz regeln wir jetzt das Wer, o und Wie der Mediation. Wir regeln die Qualitäts tandards für Mediatoren. Wir legen als Voraussetzung ine anspruchsvolle Ausbildung für sie fest; denn Meiatoren brauchen eine hohe Kompetenz. Um hinsichtlich dieser Kompetenzen die Möglichkein voll auszuschöpfen, brauchen wir Mediatoren mit nterschiedlichen Quellberufen. Juristen, Psychologen, ädagogen oder auch Mitglieder anderer Berufsgruppen önnen und sollen exzellente Mediatoren werden; sie ollen mit menschlichen Beziehungen und auch hohen achwerten professionell umgehen können. In den letzten Monaten haben wir interfraktionell leidenschaftlich und sachlich zugleich – um die besten rgebnisse gerungen. Wir haben Fachgespräche und Anörungen durchgeführt. Wir haben über den Tellerrand eschaut und uns Anregungen aus anderen Ländern aus den Niederlanden, Österreich, Norwegen, den SA und weiteren Staaten – geholt. Auch haben wir eiße Eisen angepackt und uns der Verantwortung getellt, um hier klare Vorgaben zu machen. Es gibt einige Bundesländer, in denen richterliche ediation praktiziert wird. In vielen anderen Bundeslän ern aber findet diese Praxis überhaupt nicht statt. Aus ründen der Klarheit, der Transparenz und auch einer ristisch eindeutigen Aufgabenverteilung haben wir uns Gesetz für das Güterichtermodell entschieden, wie es chon in Bayern und Thüringen erfolgreich praktiziert ird. Richter können hier als Güterichter auch weiterhin ll ihre mediativen Kompetenzen zum Wohle der Streitarteien einsetzen. Eine vollumfängliche Mediation mit dem hierfür nötien Setting – wie zum Beispiel ausreichend Zeit für Gepräche, hierarchiefreie Rahmenbedingungen, freie Me 17844 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Ingrid Hönlinger )


(Beifall des Abg. Norbert Geis [CDU/CSU])


(Beifall im ganzen Hause)


(A) )

diatorenwahl und Einbeziehung von Stakeholdern –
braucht aber ihren eigenen privatautonomen Raum und
Rahmen. Diese Erkenntnis haben wir im Laufe der Bera-
tungen gewonnen. Deshalb müssen wir hier auch be-
grifflich eindeutig und unmissverständlich sein, und wir
müssen dafür sorgen, dass keine unnötigen Konflikt-
linien entstehen.

Deshalb möchte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, und auch die verehrten Richterinnen und Richter
bitten, diese Entscheidung mitzutragen und auch in die
Länder zu kommunizieren. Richter, die Mediation als al-
ternative Konfliktlösung praktizieren wollen, können
das im Rahmen ihrer richterlichen Kompetenz weiterhin
tun. Einen Streit um Worte sollten wir hier wirklich nicht
entfachen.


(Beifall im ganzen Hause)


Meine Damen und Herren Kollegen, mit dem Media-
tionsgesetz gehen wir einen großen Schritt nach vorn.
Weitere müssen zügig folgen. Die nächste große Heraus-
forderung besteht in der Einführung einer Mediations-
kostenhilfe. Es ist, wie wir alle wissen, so: Streitparteien,
die sich Gerichtsverfahren finanziell nicht leisten kön-
nen, haben Anspruch auf Prozesskosten- oder Verfahrens-
kostenhilfe. Mit der Mediationskostenhilfe sollten wir
dafür sorgen, dass Mediation für alle – unabhängig vom
Einkommen – möglich ist. Wir sehen hier eine erhebli-
che Chance zur Entlastung der Gerichte und auch zur
Kostendämpfung. Deshalb wäre es wünschenswert, dass
sich möglichst viele Bundesländer möglichst schnell an
den Forschungsvorhaben zur Mediationskostenhilfe, die
wir im Gesetz auch vorgesehen haben, beteiligen. Der
Erfolg des Gesetzes hängt davon ab, dass die Justiz in
den Ländern die neuen Chancen und Möglichkeiten die-
ses Gesetzes zielstrebig nutzt.

Mit diesem Mediationsgesetz haben wir das momen-
tan Bestmögliche erreicht. Wir stellen hier dem Hoheits-
akt der Konfliktaustragung durch eine Entscheidung des
Gerichts eine alternative, konsensuale und selbstregulie-
rende Form der Konfliktlösung zur Seite. Damit schaf-
fen wir eine Win-win-Situation für die Bürgerinnen und
Bürger, die Gerichte und die Mediatoren. Damit eröffnen
wir allen die Möglichkeit, Konflikte auf neue Art zu lö-
sen.

Ich danke ganz herzlich allen: der Ministerin, ihren
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Kolleginnen und
Kollegen im Rechtsausschuss und den Verbänden. Ihnen
allen danke ich dafür, dass wir in einer überfraktionellen
und sachorientierten Zusammenarbeit ein gutes Gesetz
geschaffen haben.

Vielen Dank.


(Beifall im ganzen Hause)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714915100

Das Wort hat nun Patrick Sensburg für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! eine Damen und Herren! Fast kein Gesetz verlässt den eutschen Bundestag so, wie die Bundesregierung es ingebracht hat. as mag nicht bei jedem Gesetz so sein, es ist aber bei iesem Gesetz der Fall gewesen. Obwohl der Referennund der Kabinettsentwurf – sie haben sich in Details nterschieden – gute Voraussetzungen lieferten, eine eichenstellung im deutschen Rechtssystem zu ermög chen, waren es die Fraktionen, die gearbeitet, verbesert und Lösungen gefunden haben, um das Mediationsesetz, das wir heute verabschieden wollen, zu einem rfolgsgesetzeswerk werden zu lassen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Patrick Sensburg (CDU):
Rede ID: ID1714915200

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das Gesetz ist eine Weichenstellung – ja! –; aber Me-
iation ist nun wirklich kein neues Verfahren. Es ist für
ns neu, dass wir es jetzt in Gesetzesform gießen; aber
s geht hier um ein Verfahren, das sich viele Jahrhun-
erte, teilweise Jahrtausende zurückverfolgen lässt:

Bereits im Jahre 594 vor Christus gab es in Athen den
itel „Archon und Diallaktes“, also höchster Beamter
nd zugleich Schiedsrichter oder, wie man vielleicht
esser sagen sollte, Versöhner. Auch da findet sich schon
er Gedanke, dass es nicht immer nur kontradiktorische
ntscheidungen geben darf, sondern es Interessen gibt,
ie man besser zum Ausgleich bringt, wenn man den
ersöhnenden Ansatz wählt.

Es wäre auch beim Westfälischen Frieden nicht ge-
ngen, die unterschiedlichsten Interessen der Kriegspar-
ien in Einklang zu bringen, wenn es nicht Alvise
ontarini gegeben hätte, der dies geschafft hat, weil er
on allen Parteien anerkannt war und das Vertrauen der
arteien genoss, an dieser Stelle einen Ausgleich der In-
ressen zu erreichen.

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hat der Gedanke
er Mediation, des Ausgleichs der Interessen gerade im
irtschaftlichen Bereich, in den Vereinigten Staaten Fuß
efasst, um einen besseren Weg zu finden und, wie es
ollegin Hönlinger gerade gesagt hat, zu einer Win-win-
ituation zu kommen, also nicht eine Partei obsiegen zu
ssen und die andere unzufrieden von dannen ziehen zu
ssen, sondern herauszuarbeiten, wo in einem Konflikt
ie wirklichen Interessen liegen, und dann möglicher-
eise – in vielen Fällen, in viel mehr Fällen, als man
enkt, geht das – zu einem Ergebnis zu kommen, bei
em beide Parteien erkennen, dass ihre Interessen be-
cksichtigt worden sind.

Auch die Europäische Union hat beim Europäischen
at von Tampere 1999 erkannt, dass die außergericht-
che Streitbeilegung in den Mitgliedstaaten befördert
erden muss. Über einzelne Schritte, vom Grünbuch bis
in zur Richtlinie, die wir heute mit leichter Verspätung
msetzen wollen, ist es gelungen, diesen neuen Weg zu
eschreiten und diese Weichenstellung vorzunehmen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17845

Dr. Patrick Sensburg


(A) )


)(B)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was ist nun das Besondere an diesem Gesetz? Es ist
schon an vielen Stellen angesprochen worden: Das Be-
sondere ist die Entscheidung, die außergerichtliche Streit-
beilegung bzw. Mediation zu stärken und zu sagen: Wir
wollen bundesweit ein Güterichtermodell etablieren und
wissen, dass auch in diesem Rahmen alle mediativen
Elemente, die bisher in vielen guten Projekten in den
Bundesländern angewendet worden sind, angewendet
werden können.

Ich hätte mir gewünscht, dass die Bank des Bundesra-
tes heute etwas besser gefüllt wäre.


(Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])


Denn es gab im Vorfeld viele Diskussionen, Anrufe und
Schreiben. Ich wundere mich, dass die Bundesratsbank
heute leider nicht voll besetzt ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Gleichzeitig muss ich aber sagen: In den Gesprächen,
die ich geführt habe, ist deutlich geworden, dass die
Bundesländer erkannt haben, dass dieser Gesetzentwurf
sehr ausgewogen ist, dass die Fähigkeiten und Kompe-
tenzen, die im Rahmen der Projekte, die gute Arbeit ge-
leistet haben, die die Mediation vorangebracht haben,
weil Richter dafür begeistert worden sind, entwickelt
worden sind, auch in Zukunft genutzt werden können.
Dafür haben wir gesorgt; auch das war uns wichtig.

Die Alternative wäre nämlich ein Kostenmodell ge-
wesen. Dazu haben wir am 25. Mai eine Anhörung
durchgeführt, auf der die Experten und Sachverständi-
gen die Meinung geäußert haben, dass ein Kostenmodell
nicht der bessere Weg ist. Dies entspricht der Rückmel-
dung aus den Bundesländern, dass hier das Güterichter-
modell zu bevorzugen ist. Wir haben schon die Hoff-
nung, dass die mediativen Elemente auch weiterhin von
den Richtern genutzt und gefördert werden.

Die Kollegin Steffen und der Kollege Petermann ha-
ben es gesagt: Wir dehnen die Mediation auch auf die
Bereiche aus, in denen teilweise Skepsis herrschte: auf
die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Finanzgerichtsbar-
keit und die Arbeitsgerichtsbarkeit. Denn wir wissen:
Mediation ist ein freiwilliges Verfahren; wenn die Par-
teien die Mediation nicht akzeptieren, können sie gar
nicht dazu gezwungen werden. Insofern ist es gut, diese
Chance in jedem Bereich zu eröffnen, also zu sagen:
Wenn Interessen im Rahmen einer Mediation zum Aus-
gleich gebracht werden können, dann nutzen wir die
Chancen, die uns das Mediationsverfahren bietet.

Wir haben versucht, die Brüche, die natürlich vorhan-
den sind, weil Güterichtermodell und Mediation nicht
eins zu eins das Gleiche sind, möglichst gering zu halten,
und zwar – das hat der Kollege Ahrendt angesprochen –
durch § 159 Abs. 2 ZPO, wo wir sagen: Wenn die Be-
sorgnis besteht, dass die Vertraulichkeit, die bei der Me-
diation gegeben ist, im Güterichtermodell nicht gegeben

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(C (D t, wird ein Protokoll nur dann verfasst, wenn dies beide arteien wirklich wollen. Damit haben wir die Unterchiede so gering wie möglich gehalten, sodass beide odelle akzeptiert werden und nebeneinander stehen önnen. Aber es ist das erklärte Ziel – auch das sage ich eutlich –, die außergerichtliche Mediation zu stärken; enn jeder Prozess, der vermieden werden kann, weil es u einem gütlichen Ausgleich, zu einer Win-win-Situaon kommt, ist ein Vorteil; das ist unser Ziel. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen die Qualitätssicherung durch Mindest-
tandards erreichen. Über Mindeststandards kann man
atürlich hinausgehen. Wir haben uns auf 120 Stunden
eeinigt. Hinzu kommen hinterlegte Inhalte, die wir in
iner Verordnung regeln wollen, die es noch zu verab-
chieden gilt. Wir haben auch Sorge dafür getragen, dass
ie Altfälle, die bisherigen Mediatoren, berücksichtigt
erden, die bisher noch nicht die 120 Stunden erreichen
onnten, um sich zertifizierter Mediator nennen zu kön-
en, in der Praxis bisher aber gute Arbeit geleistet haben.
iese erfahren damit auch Anerkennung.

Wir haben eine weitere Änderung im Bereich der
ollstreckbarkeit vorgesehen – eines der drei Vs der eu-
päischen Richtlinie –, indem wir gesagt haben: Wir
ollen die Vollstreckbarkeit über die bestehenden Nor-
en der ZPO erreichen, nämlich durch die Protokollie-
ng bei einem deutschen Gericht, die Beurkundung bei

inem Notar oder die Vereinbarung in Form eines an-
altlichen Vergleichs. Damit erfüllen wir die Richtlinie
nd erreichen die Vollstreckbarkeit der im Rahmen der
ediation erzielten Ergebnisse. Das ist eine sehr ausge-
ogene Regelung, die dem Mediationsgesetz und der
ediationsrichtlinie Rechnung trägt.

Ich möchte an dieser Stelle allen Berichterstattern für
ie exzellente Zusammenarbeit danken. Wir haben über
lle Fraktionen hinweg das Ziel gehabt, ein gutes Gesetz
u verabschieden. Ich möchte Herrn Kollegen Ahrendt
anken, dass er immer wieder auf die Frage wert gelegt
at: Wer zertifiziert die Zertifizierer?


(Beifall des Abg. Stephan Thomae [FDP])


r hat auch die Qualitätssicherung im Blick behalten.
h möchte der Kollegin Steffen danken, die dafür ge-

orgt hat, dass wir die Mediationskostenhilfe nicht aus
en Augen verlieren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Stephan Thomae [FDP])


h möchte der Kollegin Hönlinger danken, die sich auf
erschiedene Fragen konzentriert hat, zum Beispiel da-
uf, welche Ausbildung die Zertifizierer mitbringen
üssen. Sie hat auf die Qualitätssicherung geachtet und

uch auf die Beantwortung der Frage, wie lange es dau-
rn wird, bis wir das neue Modell einführen können. Der
ollege Petermann hat auch noch in den letzten Gesprä-

hen auf die wissenschaftlichen Forschungsvorhaben
ach § 6 hingewiesen. Alle Fraktionen haben sich einge-
racht. Dieses Ergebnis wäre nicht erzielt worden, wenn

17846 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Dr. Patrick Sensburg


(A) )


)(B)

das Bundesministerium der Justiz uns nicht immer wie-
der in Bezug auf unsere Wünsche zugearbeitet hätte. So
ist in der Gesamtheit ein exzellentes Gesetz zustande ge-
kommen. Zum Abschluss schließe ich mich meinen Vor-
rednern an. Jetzt liegt es an den Verbänden und den Me-
diatoren, daraus gelebte Praxis zu machen.

Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.


(Beifall im ganzen Hause)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714915300

Das Wort hat nun Eva Högl für die SPD-Fraktion.


Dr. Eva Högl (SPD):
Rede ID: ID1714915400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen,

liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es ist so richtig schön vorweihnachtlich, dass wir uns
alle so einig sind und uns gegenseitig so sehr loben.


(Heiterkeit)


Witz beiseite: Das Gesetz ist wirklich Grund genug,
dass wir uns gemeinsam loben und unsere Freude da-
rüber zum Ausdruck bringen; denn der Gesetzentwurf,
den wir heute abschließend beraten, ist ein hervorragen-
des Beispiel für gute Rechtsetzung. Darauf können wir
hier im Deutschen Bundestag richtig stolz sein. Das ist
in der bisherigen Debatte auch zum Ausdruck gekom-
men.

Da ich selbst keine Berichterstatterin war, schließe
ich mich ausdrücklich dem Dank an alle Berichterstatter
an. Ich habe das alles staunend aus einiger Entfernung
beobachtet. Ich finde, es ist Hervorragendes geleistet
worden; denn das Gesetz ist entscheidend verbessert
worden.

Auch als Europapolitikerin habe ich mich sehr gefreut
– ich schließe an das an, was Herr Sensburg schon ge-
sagt hat –; denn der vorliegende Gesetzentwurf ist ein
gutes Beispiel für die vollständige und gelungene Um-
setzung einer europäischen Richtlinie. Da wir in diesen
Tagen so wenig gute Nachrichten aus Europa erhalten
– wenn ich das hier so sagen darf –, finde ich es wichtig,
zu betonen, dass das Gesetz einen Beitrag dazu leistet,
das Recht in Europa fortzuentwickeln, und dass wir
nicht nur in Deutschland, sondern auch in ganz Europa
durch gemeinsame Regeln einheitliche, gesetzliche Stan-
dards für die Mediation sichern. Auch das ist ein Grund,
Freude zum Ausdruck zu bringen.


(Beifall im ganzen Hause)


Ich finde nicht nur die Inhalte vorbildlich, sondern
auch den Prozess. Wir haben hier im Deutschen Bundes-
tag unsere Verantwortung wahrgenommen. Wir haben
einen Gesetzentwurf der Bundesregierung unter Berück-
sichtigung der Anregungen des Bundesrates – dessen
Vertreter heute leider nicht da sind, aber bestimmt wird
das, was wir hier zum Ausdruck bringen, verfolgt – und
vor allen Dingen unter Einbeziehung zahlreicher Exper-
tinnen und Experten entscheidend weiterentwickelt und
verbessert.

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(C (D Ich wünsche mir, dass heute viele auf den Bundestag chauen oder sich das im Nachhinein anschauen; denn ieser Gesetzentwurf ist so ein gutes Beispiel, dass es ich lohnt, ihn sich anzuschauen. Auch außerhalb des reises der Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitiker nd Mediationsexperten sollte zur Kenntnis genommen erden, dass wir hier gemeinsam etwas Gutes auf den eg gebracht haben, dass wir zum Jahresende einen gengenen Abschluss hinbekommen haben. Ich möchte mich kurz auf einen Punkt konzentrieren, er für uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokran in der Debatte besonders wichtig war und immer och besonders wichtig ist: die Ausund Fortbildung für ediatoren und die Sicherung der Qualität der Media on. Am 14. April dieses Jahres fand hier die erste Leung statt. In der Debatte haben nahezu alle Kolleginnen nd Kollegen übereinstimmend zum Ausdruck gebracht, ass das, was damals in § 5 des Gesetzentwurfs der Bunesregierung vorgesehen war, nämlich die Ausund ortbildung nicht zu regeln, sondern den Verbänden elbst zu überlassen, unseren Ansprüchen an die Sicheng der Qualität der Mediation nicht genügt. Frau inisterin, Sie haben sich damals noch dafür ausgespro hen, das nicht zu regeln. Sie haben gesagt, dass Sie geährleisten wollen, dass der Mediation als einem noch tark in der Entwicklung begriffenen Verfahren genüend Entfaltungsspielraum verbleibt. Das war damals r Argument. Ich hoffe, dass Sie sich von uns ein biss hen davon haben überzeugen lassen, dass die Regelung, ie jetzt in § 5 vorgesehen ist, der bessere Weg ist, um ie Qualität zu sichern. Das würde mich freuen; denn ir haben damals schon gesagt: Die Selbstregulierung es Mediationsmarktes reicht nicht aus, um diesen Intessen gerecht zu werden. Auch der Bundesrat hat damals kritisiert, dass wir an iesem Punkt nicht genügend regeln. Er hat uns, den eutschen Bundestag, explizit aufgefordert, das zu reeln. Er hat gesagt: Der Gesetzgeber sollte nicht hinter seinen Möglichkeiten zurückbleiben. as steht in der Stellungnahme des Bundesrates, und das aben wir uns zu Herzen genommen. Die Anhörung hat Ähnliches ergeben. Auch da haben ir auf die Praxis gehört. Ich begrüße für meine Fraktion anz ausdrücklich das – das ist auch in den anderen ortbeiträgen schon zum Ausdruck gekommen –, was tzt in § 5 geregelt worden ist. Durch die Einführung eies zertifizierten Mediators und durch klare Regeln zum usbildungsinhalt und zum Ausbildungsumfang geährleisten wir die Qualität, und zwar sowohl was die eoretischen Kenntnisse angeht, als auch was die prakschen Erfahrungen angeht. Ich finde, das ist ein wirkliher Erfolg. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Diese Regelung steht auch im Einklang mit Art. 12
es Grundgesetzes. Auch darüber wurde im Vorfeld dis-
utiert. Ich begrüße ganz ausdrücklich, dass der Gesetz-
ntwurf in einem Arbeitskreis erarbeitet worden ist und

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17847

Dr. Eva Högl


(A) )


)(B)

das Justizministerium über § 6 die Möglichkeit hat, nä-
here Bestimmungen über die Aus- und Fortbildung in
Form einer Rechtsverordnung zu erlassen. Das, was wir
jetzt schon vereinbart haben, die Mindeststundenzahl
von 120 Stunden für die Ausbildung, ist – Herr
Sensburg, Sie haben das schon gesagt – ein Mindeststan-
dard. Ich meine, wir können an der einen oder anderen
Stelle noch etwas hinzupacken, wenn es um eine spe-
zielle Qualifikation oder den Nachweis von praktischer
Erfahrung geht, etwa um Supervision. Das ist sicherlich
noch etwas ausbaufähig, aber ich bin auf jeden Fall sehr
froh, dass wir uns entschieden haben, das in dieser Art
und Weise zu regeln.

Ich begrüße ganz ausdrücklich auch § 8 des neuen
Gesetzes, die Berichtspflicht. Ich habe mich sehr ge-
freut, dass die Aus- und Fortbildung explizit erwähnt
wird, dass nicht nur gesagt wird: „Wir evaluieren das
Gesetz“, sondern direkt hineingeschrieben worden ist:
„Wir achten dabei auch auf die Aus- und Fortbildung“,
und das Justizministerium in fünf Jahren darüber Bericht
erstatten muss. Wir alle werden sicherlich ganz genau
hinschauen, wie sich das entwickelt, und dann gemein-
sam schauen, ob die Regelungen, die wir heute vereinba-
ren, ausreichen oder noch etwas verbessert werden müs-
sen.

Ich finde auch den Vorschlag, der in der Diskussion
ist, eine Institution damit zu beauftragen, auf die Aus-
und Fortbildung genau zu achten und zu schauen, wie
die beteiligten Akteure agieren, gut. Eine Stiftung dafür
einzurichten, halte ich für eine gute Idee. Ich finde, das
sollten wir in der weiteren Debatte auf jeden Fall noch
einmal besprechen.

Ich will ganz kurz auf die Richtlinie hinweisen. Ich
bin der Auffassung, wenn wir § 5 nicht so formuliert hät-
ten, wie wir ihn formuliert haben, dann hätten wir die
Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt. Das wird
deutlich, wenn man sich die Richtlinie ganz genau an-
schaut. Die Richtlinie schreibt ganz klar vor, dass wir die
Qualitätskontrolle sichern müssen und die Mediation für
die Parteien wirksam, unparteiisch und sachkundig
durchgeführt werden muss und das im Zusammenhang
mit der Aus- und Fortbildung zu sehen ist. Deswegen
freue ich mich, dass wir bei der Umsetzung der Richtli-
nie keinen Punkt offengelassen haben.

Also: ganz viel Freude, ganz viel Zufriedenheit und
ein schönes Gesetz, dem die SPD auf jeden Fall – so hat
es meine Kollegin Sonja Steffen gesagt – heute sehr
gerne zustimmt. Ich möchte uns gemeinsam ermuntern,
weiter an den Themen Qualitätssicherung und -kontrolle
im Bereich Aus- und Fortbildung zu arbeiten und das
Gesetz in diesem Sinne, wenn nötig, weiterzuentwi-
ckeln. Wir haben durch die Evaluierung die Möglichkeit
dazu. Heute können wir ein bisschen stolz sein. Die
Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitiker können an die-
ser Stelle zufrieden in die Weihnachtspause gehen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


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(C (D Das Wort hat nun Norbert Geis für die CDU/CSU raktion. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Es kommt nicht allzu oft vor, dass wir ein Geetz mit einem so großen Konsens verabschieden könen. Wir haben eine echte konsensuale Regelung gefunen. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Etwas anderes wäre bei der Mediation auch gar nicht möglich!)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714915500

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Norbert Geis (CSU):
Rede ID: ID1714915600

ier waren hervorragende Mediatoren am Werk, denen
ir zu Dank verpflichtet sind. Das gilt für die beiden Be-
chterstatter der Koalitionsfraktionen, aber natürlich
uch für die Berichterstatter der Opposition. Dank aller
t ein gutes Gesetz zustande gekommen. Ihnen, Frau
inisterin, gebührt Dank dafür, dass die Initiative über-

aupt gekommen ist und dass wir auf diese Weise eine
ute Ergänzung unseres Instrumentenkastens gefunden
aben, um Rechtsfrieden innerhalb der Gesellschaft her-
ustellen.

Die deutsche Justiz genießt ein hohes Ansehen – im
usland wie auch in unserer Bevölkerung. Die Verfah-
n werden von fachkundigen Richterinnen und Richtern

ügig durchgeführt, von Ausnahmen einmal abgesehen.
nsere Justiz genießt nicht ohne Grund ein so hohes
ertrauen, sodass sie jetzt sehr stark belastet ist; denn
ufgrund ihres Vertrauens finden viele Menschen den
eg zur Justiz. Deswegen ist eine so hohe Belastung

ntstanden. Daher haben die Länder schon sehr frühzei-
g darüber nachgedacht, wie wir Wege finden, um die
ustiz zu entlasten. In diesem Zusammenhang ist man
ereits sehr frühzeitig auf den Gedanken der Mediation
ekommen.

Bei dieser Frage geht es aber nicht allein um die Be-
zw. Entlastung der Justiz, sondern es geht auch um die
öglichkeit, einen größeren Rechtsfrieden in die Gesell-

chaft hineinzubringen. Das erleben wir bei einem Urteil
icht unbedingt. Ein Urteil entscheidet einen Streit zwi-
chen zwei Parteien. Natürlich hat es auch die Aufgabe,
echtsfrieden herzustellen. Aber ich habe in meiner
ngjährigen Tätigkeit als Anwalt eigentlich noch nicht

rlebt, dass eine unterlegene Partei mit der Erkenntnis
us dem Gerichtssaal gekommen ist, soeben ihren
echtsfrieden gefunden zu haben. Das Gegenteil ist oft
enug der Fall. Wir erleben immer wieder, dass ein Ur-
il gerade Anlass für einen noch vertiefteren Streit ist,
sbesondere wenn es um Familienstreitigkeiten, Erb-

chaftsstreitigkeiten oder Nachbarschaftsstreitigkeiten
eht und die Nachbarn oft generationenlang in gegensei-
ger Verärgerung und sogar Abscheu leben. Da ist es
chon eine Überlegung wert, ob wir nicht eine andere
orm der Streitbeilegung finden. Das Mediationsgesetz
ietet hier eine Struktur, die dies, wie ich meine, ermög-
cht.

17848 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Norbert Geis


(A) )


)
Es gibt gewissermaßen zwei Bereiche dieser Media-
tion, zum einen im gerichtlichen Bereich. Darüber ist
hier schon geredet worden. Wir haben den sogenannten
Richtermediator bereits sehr früh eingesetzt. Viele Län-
der sind längst dazu übergegangen, den Güterichter ein-
zusetzen, weil der Richtermediator nur eine sehr be-
grenzte Bewegungsfreiheit hat. Der Güterichter hat
bereits sehr erfolgreich gewirkt.

Der Güterichter tritt in Erscheinung, wenn der jewei-
lige Spruchkörper einen Rechtsstreit an ihn verweist. Er
hat dann die Aufgabe, die Parteien zusammenzuführen
und wieder miteinander ins Gespräch zu bringen. Im Ge-
gensatz zum Richtermediator hat er auch die Möglich-
keit, Belehrungen zu erteilen und Beratungen durchzu-
führen, was oft genug notwendig ist. Zudem hat er die
Möglichkeit, einen Lösungsvorschlag zu machen, der
dann, wenn er protokolliert wird, auch vollstreckbar sein
kann. Insofern ist die Entscheidung in Zusammenhang
mit diesem Gesetzentwurf, das Güterichterkonzept ganz
besonders zu stärken und den Richtermediator gewisser-
maßen wieder abzuschaffen, eine richtige Entscheidung
gewesen.

Für die Parteien ist es sehr oft wichtig, dass sie unter-
einander einen Ausgleich finden, bevor sie überhaupt
zum Gericht gehen. Dafür ist der zweite große wichtige
Teil dieses Gesetzentwurfs zu verabschieden, nämlich
die Mediation außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens.
Insbesondere sie soll durch dieses Gesetz große Bedeu-
tung bekommen. Ich meine, die Chance dazu besteht.

Es wird ein strukturiertes Verfahren angeboten, in
dem die Parteien mithilfe eines Mediators, der gut aus-
gebildet ist – das ist natürlich notwendig, da sonst kein
Vertrauen besteht –, versuchen, zueinanderzukommen.
In einem vertrauensvollen Raum gegenseitigen Ver-
ständnisses, das erst geweckt werden muss, in Freiwil-
ligkeit und Selbstverantwortung sollen sie eine Lösung
finden. Wenn diese Lösung gefunden ist, kann sie natür-
lich protokolliert werden und gemäß § 794 ZPO – das
sieht der Gesetzentwurf ja vor – sogar einen vollstreck-
baren Titel ermöglichen.

Erstens ist die Vollstreckbarkeit einer in einem Me-
diationsverfahren gefundenen Vereinbarung wichtig.
Zweitens ist natürlich sehr wichtig, dass die Mediatoren
gut ausgebildet sind; denn sonst wächst kein Vertrauen.
Drittens sollte man sich Gedanken machen – das ist in
diesem Gesetzentwurf noch nicht berücksichtigt worden –,
dass die Durchführung eines Mediationsverfahrens au-
ßerhalb des Gerichtes finanziell unterstützt werden
muss. Bei Gericht gibt es die Prozesskostenhilfe. Das
Mediationsverfahren außerhalb des Gerichtes soll ja
dazu führen, dass Prozesse vermieden werden; das ist
die Absicht des Gesetzes. Daher ist es logisch und rich-
tig, dass man das Mediationsverfahren fördert. Ich
meine, wir sollten bei einer Evaluierung überlegen, ob
wir diesen wichtigen Schritt gehen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen weiteren
Gedanken anführen, der jetzt nicht ganz zu der großen
Zustimmung passt. Wir müssen ein wenig darauf achten,
dass durch die Mediationsverfahren nicht eine Privatisie-

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(C (D ng der Justiz einsetzt. Das ist nach meiner Auffassung in gewichtiges Argument. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ie Justiz hat erstens die Aufgabe, über einen Streit zwi-
chen zwei Parteien zu entscheiden. Sie hat, wie ich ein-
angs sagte, zweitens die Aufgabe, Rechtsfrieden herzu-
tellen; das wird nicht immer gelingen. Sie hat drittens
ie Aufgabe, eine Entscheidung nach Gesetz und Recht
u fällen und so das gesellschaftliche Zusammenleben
u ordnen. Diese Aufgabe kann die Justiz nicht mehr er-
llen, wenn zu viele Mediationsverfahren eingeleitet
erden. Deswegen müssen wir bei der Evaluierung da-
uf achten, dass dies nicht zum Nachteil gerät. Das wäre

chade. Ich hoffe sehr, dass die Mediation außerhalb des
erichtes, aber auch während des gerichtlichen Verfah-
ns ein großer Erfolg sein wird.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714915700

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
esregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
örderung der Mediation und anderer Verfahren der au-
ergerichtlichen Konfliktbeilegung. Zu dieser Abstim-
ung liegt mir eine Erklärung nach § 31 unserer Ge-

chäftsordnung der Kollegin Dyckmans, des Kollegen
an Essen und der Kollegin Kopp vor.1)

Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
mpfehlung auf Drucksache 17/8058, den Gesetzent-
urf der Bundesregierung auf Drucksachen 17/5335 und
7/5496 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte
iejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
ung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer
timmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
t damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen.

Dritte Beratung
nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
urf ist damit in dritter Beratung einstimmig angenom-
en.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten
Marianne Schieder (Schwandorf), Ulla
Burchardt, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Agnes
Alpers, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion DIE LINKE
sowie der Abgeordneten Krista Sager, Kerstin

Anlage 4

(B)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17849

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)

Andreae, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Geschlechtergerechtigkeit in Wissenschaft
und Forschung

– Drucksachen 17/5541, 17/7756 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin
Marianne Schieder für die SPD-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Marianne Schieder (SPD):
Rede ID: ID1714915800

Lieber Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolle-

ginnen! Wie wird sie wohl ausgefallen sein, die Antwort
der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage zum
Thema Geschlechtergerechtigkeit in Wissenschaft und
Forschung?


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Gut!)


Ich glaube, Sie alle ahnen es. Es ist wie auch sonst in un-
serer Gesellschaft: Es gibt sie, die qualifizierten Frauen,
auch in Wissenschaft und Forschung. Doch in den Füh-
rungsetagen sind sie nicht zu finden.


(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Wie im Bundestag!)


Sie kommen nicht nach oben. Alle Beteuerungen und
Selbstverpflichtungen haben daran nicht viel geändert.

Inzwischen schließen sogar mehr Frauen als Männer
erfolgreich ein Hochschulstudium ab. Sie promovieren
auch. 44,1 Prozent derjenigen, die promovieren, sind
Frauen, wie die Statistik besagt. Blickt man auf die Zahl
der Professorinnen, stellt man aber fest: Hier beträgt der
Frauenanteil 18,2 Prozent. Leider steigen immer noch
überproportional viele Frauen nach der Promotion aus
dem Wissenschaftssystem aus. Das ist nicht nur den
Frauen gegenüber ungerecht, sondern auch volkswirt-
schaftlich gesehen eine absolut schlechte Entwicklung.
Wir erlauben uns an dieser Stelle eine massive Ver-
schwendung intellektueller Potenziale.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Anette Hübinger [CDU/CSU])


So geht die Prognos AG in einer aktuellen Studie da-
von aus, dass der volkswirtschaftliche Schaden durch die
unzureichende Ausschöpfung des Arbeitsmarktpoten-
zials von Frauen allgemein – kumuliert bis 2030 – bei
rund 2 Billionen Euro liegt. In der Studie wird der mög-
liche volkswirtschaftliche Gewinn durch die Erhöhung
der Erwerbsbeteiligung von Hochschulabsolventinnen
bis 2015 auf 70 Milliarden Euro beziffert.

In der Antwort auf unsere Große Anfrage wird leider
mehr als deutlich, dass die Bundesregierung keine Vor-
stellung davon hat, was getan werden kann und muss,
um die Entwicklung auf einen besseren Weg zu bringen.
Dabei ist es höchste Zeit, tätig zu werden. Denn im

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(C (D eitraum zwischen 2010 und 2019 werden insgesamt 1 653 Professorinnen und Professoren das 65. Lebenshr erreichen. Damit wird fast ein Drittel aller Professonnen und Professoren aus dem Arbeitsleben ausscheien. Bei der Neubesetzung dieser Stellen gilt es, die ntscheidenden Weichen für die Frauen zu stellen. Diees Zeitfenster muss genutzt werden, wenn es uns mit er Sache der Frauen ernst ist. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auf unsere Fragen nach Initiativen und Planungen
ibt es lediglich den Verweis auf Programme der Vor-
ängerregierungen, es gibt Appelle ohne Konsequenzen,


(Anette Hübinger [CDU/CSU]: Na ja!)


nd es wird von Evaluierungen gesprochen, aus denen
andlungsansätze folgen sollen. Wie diese Ansätze aus-

ehen sollen, bleibt aber äußerst nebulös. Bei mir ent-
teht der Eindruck – allerdings nicht nur bei mir –, als sei
ie Geschlechtergerechtigkeit in Wissenschaft und For-
chung für diese Bundesregierung eine völlig neue He-
usforderung. Ich sage: Das ist Perspektivlosigkeit auf

er ganzen Linie.


(Uwe Schummer [CDU/CSU]: Ach!)


Schlimmer noch: Da und dort erkennt die Bundes-
gierung nicht einmal den Handlungsbedarf. So ist es

eispielsweise Fakt, dass Frauen in Wissenschaft und
orschung deutlich häufiger als Männer befristet oder in
eilzeit beschäftigt sind


(Caren Marks [SPD]: Skandal!)


nd dass immer mehr Nachwuchswissenschaftlerinnen
it schlecht oder gar nicht bezahlten Lehraufträgen ab-

espeist werden.


(Caren Marks [SPD]: Bei der FDP sitzen gerade auch bloß Männer! Aber die sind ja auch nur befristet beschäftigt!)


avor verschließt die Bundesregierung gänzlich die Au-
en und suggeriert eine intakte Situation. Aufgrund feh-
nder Daten, heißt es da, nehme man an, dass es keinen
nterschied zu anderen Branchen gebe und deshalb kein
andlungsbedarf bestehe.

Ähnlich problematisch sieht es dort aus, wo die Bun-
esregierung direkten Einfluss hätte, zum Beispiel in
en von ihr eingerichteten Beratungsgremien. Von
8 Gremien sind gerade einmal drei paritätisch und wei-
re zwei annähernd paritätisch besetzt. In der Reaktor-
icherheitskommission des BMU sitzt überhaupt keine
rau. Im Deutschen Komitee Katastrophenvorsorge e. V.
es Auswärtigen Amtes liegt der Frauenanteil bei
,94 Prozent. Wieso nutzt die Bundesregierung hier
icht ihre Einflussmöglichkeiten?


(Zuruf von der CDU/CSU: Wie war das denn zu SPD-Zeiten? – Gegenruf der Abg. Anette Hübinger [CDU/CSU]: Ach! Das war damals genau dasselbe!)


Ich finde das nicht besonders lustig und sehe keinen
rund, sich albern darüber zu amüsieren.

17850 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Marianne Schieder (Schwandorf)



(A) )


)(B)


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist doch wirklich nicht nachvollziehbar, dass man
nicht nach Frauen sucht, die diesen Gremien angehören
könnten. Es gibt solche Frauen nämlich. Hier muss sich
dringend etwas ändern.

Ich möchte persönlich, aber auch im Namen von Frau
Kollegin Ulla Burchardt dir, liebe Krista Sager, und dir,
liebe Petra Sitte, ganz herzlich danken, und zwar für die
fraktionsübergreifende und wirklich sehr gute Zusam-
menarbeit und vor allen Dingen für die Bereitschaft, in
dieser so wichtigen Frage an einem Strang zu ziehen.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von
Union und FDP: Ziehen Sie mit uns am gleichen Strang,
und lassen Sie uns für die Perspektiven von Frauen in
Wissenschaft und Forschung mehr tun!

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714915900

Das Wort hat nun der Parlamentarische Staatssekretär

Helge Braun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


D
Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1714916000


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Der Bundesregierung ist die Steigerung des
Frauenanteils in Wissenschaft und Forschung ein wirk-
lich wichtiges Anliegen.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


Frau Schieder, Sie haben es eben schon gesagt: Es geht
hier zwar zuallererst, aber nicht nur um Geschlechter-
gerechtigkeit, sondern es geht auch um die Qualität und
die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wissenschaftssys-
tems; denn wir wissen, dass die Leistungen von Frauen
im Studium und in der Schule im Durchschnitt häufig
höher sind als die von Männern.

Deshalb hat sich die Bundesregierung das Ziel ge-
setzt, die Frauenquote nachhaltig zu erhöhen, doch Sie
müssen mit mir gemeinsam darin übereinstimmen – Sie
schimpfen hier und machen die Bundesregierung dafür
verantwortlich, indem Sie sagen, dass es ihr Versagen sei –,
dass es natürlich zuallererst eine Aufgabe der autonomen
Hochschulen ist, sich hierum zu bemühen. Bei aller
Wahrung der Autonomie müssen wir deshalb auch die
Hochschulen und die Forschungseinrichtungen bitten,
ihre eigenen Initiativen zu verstärken.


(Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Aber für Vorgaben sind Sie schon zuständig! – L – L d S im V n V e h fe d A g g n d ü z a s B d d je h G d E in ti D re v n s w s d g (C (D Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Aber nicht im außeruniversitären Bereich!)


iebe Frau Sitte, in zweiter Linie ist es auch wichtig
deshalb schlägt das auf viele von Ihnen zurück –, die
änder zu bitten, genauso tätig zu werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das, was die Bundesregierung getan hat, ist in beein-
ruckender Weise erfolgreich: Bundesministerin Annette
chavan hat in einem ersten Schritt dafür gesorgt, dass

Wissenschaftszeitvertragsgesetz zwei zusätzliche
ertragsjahre pro Kind für Qualifikationszeiten aufge-
ommen wurden. Das ist ein wichtiger Schritt für die
ereinbarkeit von Familie und wissenschaftlicher Karri-
re.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür gibt es aber Befristungen!)


Zum zweiten Schritt. Das Professorinnen-Programm
at dazu geführt, dass wir 260 Professorinnen feste Pro-
ssorenstellen geben konnten – 81 davon im Bereich

er Natur- und Ingenieurwissenschaften.


(Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Hört! Hört!)


uch das ist ein großer Erfolg, den Bund und Länder in
emeinsamer Finanzierung erreicht haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich darf Ihnen heute ankündigen, dass die Bundesre-
ierung bereit ist, das Professorinnen-Programm in einer
euen Periode weiter fortzuführen, wenn Bund und Län-
er gemeinsam bereit sind, die Finanzierung hierfür zu
bernehmen. Das Professorinnen-Programm ist eine der
entralen Säulen unserer Gleichstellungspolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wenn Sie sich einmal die Gesamtzahl der Frauen im
ußeruniversitären und im universitären Bereich an-
chauen, dann werden Sie sehen, dass wir da, wo die
undesregierung Verantwortung trägt, zum Beispiel bei
en Pakten und Programmen – ich greife aus Zeitgrün-
en heute nur die Exzellenzinitiative heraus –, von den-
nigen, die Anträge gestellt haben, immer auch erwartet
aben, dass sie mit ihren Anträgen eine konsistente
leichstellungsstrategie verbinden. Der Frauenanteil in
en Graduiertenschulen beträgt 37 Prozent und in den
xzellenzclustern 35 Prozent. Damit ist der Frauenanteil
diesen Programmen im Rahmen der Exzellenzinitia-
ve fast doppelt so hoch wie an den Hochschulen im
urchschnitt. Ich glaube, die Bundesregierung hat in ih-
n Programmen durchaus vorbildlich gewirkt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich kann Ihnen heute etwas mitteilen, was Sie in der
orliegenden Beantwortung der Großen Anfrage noch
icht finden können, weil die Gemeinsame Wissen-
chaftskonferenz von Bund und Ländern dies erst vor
enigen Wochen beschlossen hat: Wir haben gemein-

am beschlossen – das ist dem Gleichstellungsmodell
er DFG ähnlich –, dass für die Forschungseinrichtun-
en von Bund und Ländern zukünftig für alle Qualifika-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17851

Parl. Staatssekretär Dr. Helge Braun


(A) )


)(B)

tionsstufen ein Kaskadenmodell angewendet werden
muss.


(Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Jawohl!)


Damit folgen wir der Überzeugung, dass es dafür,
Frauen in Führungspositionen aufzubauen, natürlich er-
forderlich ist, den Anteil der Frauen in jeder Qualifika-
tionsstufe signifikant zu erhöhen, wodurch auch deutlich
wird, dass wir diesen Prozess nicht nur anstoßen, son-
dern auch kontrollieren und gegenüber dem Deutschen
Bundestag transparent machen wollen. Deshalb wird be-
reits im „Paktbericht 2012“ hierüber ein erster Bericht an
Sie erfolgen.

Aus dem Bereich, für den die Bundesregierung zu-
ständig ist, könnte ich Ihnen noch viele Programme nen-
nen. Aus Zeitgründen muss ich darauf verzichten. Ich
will nur einige Beispiele nennen, wie das Programm
„Effektiv!“ des „Kompetenzzentrums Frauen in der Wis-
senschaft“, in dem viele Best-Practice-Beispiele dafür,
wie man Hochschulen familienfreundlicher gestalten
kann, erarbeitet wurden und allen Hochschulen zur eige-
nen Anwendung empfohlen worden sind.

Ich nenne den Pakt für Frauen in MINT-Berufen, an
dessen Programmen bereits 170 000 junge Mädchen teil-
genommen haben, und das mit einem durchschlagenden
Erfolg: Rund zwei Drittel dieser jungen Frauen haben
sich dann tatsächlich entschieden, einen MINT-Beruf zu
ergreifen. Das ist, glaube ich, gerade für diesen Bereich,
in dem der Frauenanteil bisher besonders gering ist, ein
großer und durchschlagender Erfolg.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, keine Bundesregierung
zuvor – Frau Schieder, auch Ihre Partei hat in der Ver-
gangenheit häufig Verantwortung in diesem Bereich ge-
tragen – hat so viel aufgewendet, um Geschlechterge-
rechtigkeit in der Wissenschaft zu verwirklichen. Noch
nie war die Dynamik der Zunahme der Zahl der Frauen
in den Funktionen der Wissenschaft so hoch wie im Mo-
ment. Die Zunahme in Form einer runden Verdoppelung
in den letzten zehn Jahren, denke ich, kann mit Fug und
Recht auch als ein beeindruckender Erfolg bezeichnet
werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Damit da kein Missverständnis entsteht: Die absolu-
ten Zahlen von Frauen in der Wissenschaft sind auch für
die Bundesregierung bei weitem noch nicht zufrieden-
stellend.


(Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Gott sei Dank, wenigstens das!)


– Sie sind bei weitem noch nicht zufriedenstellend.
Aber, Frau Schieder, so ist das ja, christlich und vor
Weihnachten: An ihren Taten sollt ihr sie messen.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Weihrauch!)


Angesichts der Tatsache, dass wir in den vergangenen
Jahren so viel erreicht haben, hat auch, glaube ich, diese
Bundesregierung die besondere Glaubwürdigkeit, wenn

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(C (D ie sagt: Wir werden auf dem Weg fortfahren, und wir erden dafür sorgen, dass sich der Anteil von Frauen in er Wissenschaft auch in den kommenden Jahren deutch erhöht. Die derzeitige Dynamik lässt da außerorentlich positiv hoffen. Vielen herzlichen Dank. Das Wort hat nun Petra Sitte für die Fraktion Die inke. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr raun, so ist das eben: Was des einen Decke, ist des aneren Fußboden. Die Bundesregierung will Deutschland zu einem and der Ideen machen. Da kann man nur sagen: Gut so, eiter! Immer arbeiten. Aber warum wollen Sie in die em Prozess auf die Ideen von so vielen kreativen Frauen erzichten? Machen wir in diesem Tempo weiter – das eht aus der Antwort auf die Große Anfrage hervor –, ann wird es gerechte Verhältnisse für Frauen in der issenschaft und Forschung eben erst am Ende des ahrhunderts geben. Ich wollte es aber eigentlich schon och erleben. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714916100

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714916200

Bereits vor 17 Jahren hat der Bundestag beschlossen,
ie Teilhabe von Frauen an Beratungsgremien auf Bun-
esebene zu erhöhen. Darunter sind auch knapp 100 ein-
ussreiche wissenschaftliche Beiräte. Was zeigt sich
tzt nach 17 Jahren? Weniger als ein Viertel der Mitglie-
er dieser Beiräte sind Frauen. In einigen Gremien
Frau Schieder hat es ja schon gesagt – sind bis heute

ar keine Frauen. Das ist eine interessante Entwicklung
nd ein ganz toller Erfolg.

Man fragt sich: Wieso konnte das überhaupt so kom-
en? Das ist so gekommen, weil die Beschlüsse von da-
als schlicht und ergreifend zu unscharf, zu unverbind-
ch waren. Sie hatten die Qualität von weichgespülten
nd dadurch eben auch vielfach wirkungslosen Selbst-
erpflichtungen.

Was ist die Folge davon? Es fehlen vielen Empfehlun-
en aus diesen Beratungsgremien der spezifische Blick-
inkel von Frauen und die spezifische Bewertung von
rauen.

Was heißt das wiederum weiterführend? Ich bringe
in Beispiel: das Gesundheitsforschungsprogramm. För-
erprogramme, wissenschaftliche Methoden sind nach
nserer Auffassung dort zu eng ausgelegt. Es ist zu tech-
ikzentriert, und es wird zu wenig auf die Spezifik von
rauen bezogen geforscht.

Nun haben sich Bund und Länder auf ein sogenanntes
askadenmodell geeinigt. Quoten sollen entsprechend
em Frauenanteil der jeweils vorausgehenden Stufe in

17852 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Dr. Petra Sitte


(A) )


)(B)

der Karriere des Wissenschaftssystems einordnen. Wenn
dieses Modell konsequent umgesetzt werden soll, dann
muss auch mit Anreizen gearbeitet werden, und es muss
vor allem endlich auch einmal mit Sanktionen gearbeitet
werden, wenn ein Ziel nicht erreicht wird.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD)


Wir denken, dass das Kaskadenmodell allemal aus-
baufähig ist. Aber es ist immerhin ein erster Schritt hin
zu mehr Gerechtigkeit in der Wissenschaft. Bislang galt
die Maxime, Frauen fit für die Institutionen zu machen.
Jetzt sind sie fit für die Institutionen. Und was ist mit den
Institutionen? Sie sind nicht fit für die Frauen. Deshalb
muss man sie eben fit für die Frauen machen.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das heißt: Weg mit den ollen, verfilzten Puschen! För-
derprogramme und Imagekampagnen des Bundesminis-
teriums beispielsweise in den Naturwissenschaften sind
allemal sinnvoll; Sie selber haben das erwähnt. Aber erst
wenn auch die strukturellen Barrieren in den Institutio-
nen fallen, hören Frauen auf, über diese ollen, blöden,
verfilzten Puschen zu stolpern. Immerhin liegt der Anteil
von Frauen bei den Promotionen zum Beispiel im ma-
thematisch-naturwissenschaftlichen Bereich bereits
heute bei 40 Prozent; das ist ein interessanter Befund der
vom BMBF herausgegebenen Studie. Das entspricht nun
fast dem Durchschnitt aller Wissenschaftsbereiche und
bei den Juniorprofessuren. Aber wie hoch ist der Anteil
der Frauen bei den Professuren insgesamt? Er liegt bei
peinlichen 18 Prozent. Bei den höher dotierten Stellen
sind es sogar nur 11 Prozent. Das kann ja wohl nicht an-
gehen.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Wissenschaftssystem ist also noch immer höchst
ungerecht und bietet Frauen und Männern bei gleicher
Leistung eben nicht die gleichen Perspektiven. Das gilt,
Herr Braun, insbesondere für die außeruniversitären Be-
reiche; für die ist der Bund verantwortlich. Die Quoten
könnten aus unserer Sicht zusätzlich gestärkt werden.
Wir schlagen vor, sie mit dem Hochschulpakt zu ver-
knüpfen. Das heißt, wenn man das Soll erfüllt, dann
kann man mehr Mittel eintreten. Wenn es nicht erreicht
wird, sollte man Mittel abziehen. Das Gleiche kann man
bei der institutionellen und projektorientierten For-
schungsförderung des Bundes machen. Man kann auch
diese an die Erfüllung des Gleichstellungskonzepts bin-
den.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass damit
echte Innovationsschübe ausgelöst werden können.

Wir brauchen weiterhin transparentere Personalent-
scheidungen. Wir brauchen familienfreundlichere Ar-
beitsbedingungen und mehr wissenschaftliche Selbst-
ständigkeit im Mittelbau, also für den Nachwuchs. Die
von Frau Schieder geschilderte Qualität der Beschäfti-

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(C (D ung von Frauen insbesondere im wissenschaftlichen ittelbau, also im Nachwuchsbereich, ist ein Skandal. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


icht einmal in der Leiharbeit sind die Bedingungen so
chlecht wie für Frauen im Wissenschaftsbereich. Das
ann nicht angehen. Deshalb sind wir der Meinung, dass
an zwar nicht mit den Befristungen generell, wohl aber
dieser spezifischen Form aufhören muss. Wenn

8 Prozent der Betroffenen in diesem Bereich Verträge
aben, die weniger als ein Jahr gelten, dann kann man
icht von verlässlicher Planung sprechen.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ir brauchen Mindestvertragslaufzeiten und müssen
0 000 unbefristete Stellen im akademischen Mittelbau
inrichten, wenn wir unser Ziel erreichen wollen. Diese
tellen sollen dann ruhig mit Männern und Frauen glei-
hermaßen besetzt werden.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714916300

Frau Kollegin, Sie müssen wirklich zum Schluss

ommen.


Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714916400

Ich bin dabei. – Abschließend möchte ich sagen:

eutschland ein Land der Ideen? Wunderbar! Zeigen Sie
ich endlich auch bei der Gleichstellung von Frauen im

issenschaftssystem ideenreich! Das wäre ein echter
ortschritt.

Ich bedanke mich.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714916500

Das Wort hat nun Martin Neumann für die FDP-Frak-

on.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Martin Neumann (FDP):
Rede ID: ID1714916600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Ich sage es gleich vorab – auch an die Adresse
on Frau Sitte –: Ohne eine gleichberechtigte Teilnahme
on Frauen im deutschen Wissenschaftssystem würde
eutschland seine Exzellenz und seine Wettbewerbsfä-
igkeit in den konkurrierenden Wirtschafts- und Wissen-
chaftssystemen der Welt aufs Spiel setzen; das ist meine
efe und feste Überzeugung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir sind auf einem guten Weg und kommen unserer
erantwortung nach. Ich will das gleich anhand der ver-
chiedenen Positionen begründen, die sich ergeben ha-
en. Die uns aus der Antwort der Bundesregierung auf
ie Große Anfrage vorliegenden Zahlen belegen die gute
ntwicklung sehr deutlich. Wir haben – auf diesen Punkt

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17853

Dr. Martin Neumann (Lausitz)



(A) )


)(B)

müssen wir immer wieder hinweisen – eine Dauerauf-
gabe auf diesem Gebiet zu bewältigen; denn wir können
uns Zurückhaltung bei der Einbeziehung von Frauen
schlichtweg nicht leisten.

Meine Fraktion hat sich immer für das Kaskaden-
modell – ich sage ganz bewusst nicht Quotenmodell –
ausgesprochen. Stellen Sie sich einmal eine Kaskade
vor: Sie beginnt immer an der Spitze. Die Übertragung
von Verantwortung und Leitungsaufgaben an Frauen ist
eine Führungsaufgabe ersten Ranges.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daher werden wir in einem Wissenschaftsfreiheitsgesetz
die gleichberechtigte Einbeziehung von Frauen in Wis-
senschaft und Forschung als Grundsatz verankern.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schon lange eine Fata Morgana! – Ulla Burchardt [SPD]: Da können die Frauen ja noch lange warten!)


– Frau Burchardt, warten Sie ab. Sie werden das
erleben. – Bereits vor 20 Jahren hat die FDP-Bundes-
tagsfraktion die Forderung erhoben und durchgesetzt,
eine wirkliche Chancengleichheit für Frauen in der Wis-
senschaft schrittweise umzusetzen. Es hat sich seitdem
wirklich viel getan. Seit Beginn der 90er-Jahre hat sich
der Anteil von Frauen, die sich für eine wissenschaftli-
che Karriere entscheiden, deutlich erhöht. Es zeigt sich
aber auch – das muss ich an dieser Stelle deutlich sagen –,
dass kurzlebige Kampagnen eben nicht zum Erfolg füh-
ren. Gerade weil es im Bereich der Wissenschaft um
Nachhaltigkeit geht, muss man eine Daueraufgabe lösen
und einen langen Atem haben.

Jetzt noch einmal zurück zur Kaskade. Was nutzt die
beste Quote, wenn in der jeweiligen Vorstufe, also in der
vorhergehenden Stufe, keine befähigten Studentinnen
und Doktorandinnen herangebildet werden? Bund und
Hochschulen haben hier eine ganze Reihe von Aktivitä-
ten unternommen, um genau an dieser Stelle zu fördern.
Die erzielten Ergebnisse zeigen ganz deutlich eine be-
achtliche Trendwende. Ich glaube, auf diesem Weg kann
man weitergehen.

Ich möchte ein paar Zahlen zu dem Ergebnis nennen,
die hier schon angesprochen worden sind: Fast 48 Pro-
zent aller Studierenden sind heute Frauen. 51 Prozent
der Studierenden, die einen Abschluss erreichen, sind
Frauen. Aber – jetzt komme ich auf die Fragestellung
der Großen Anfrage zurück, die dabei eine Rolle gespielt
hat –: Eine wirkliche Teilhabe von Frauen auf allen Stu-
fen ist noch nicht erreicht. Darin sind wir uns einig. Wir
müssen in der wissenschaftlichen Forschung tatsächlich
noch viel tun, weil Frauen hier noch unterrepräsentiert
sind.

Alle Verantwortlichen müssen den stetig wachsenden
Anteil von Frauen mit qualifizierten Berufsabschlüssen
in der Forschung und in der Wissenschaft stärker nutzen.
Aber – auch das müssen wir an dieser Stelle deutlich
hervorheben – die Vorbereitung dafür beginnt bereits in
der Schule, also nicht erst dann, wenn wir am Ende der

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(C (D askade sind. Sehr früh muss das Interesse auf derartige ntwicklungen gelenkt werden. Schauen wir uns noch einmal die Zahlen an: 52,7 Proent – die Zahl kann man noch einmal nennen – der chulabgänger mit Hochschulzugangsberechtigung sind nge Frauen. Bei den Studienanfängern – auch das ist r diese Kaskade wichtig; ich sage es immer wieder – eträgt der Anteil von Frauen fast 50 Prozent. Das ist ine sehr gute Zahl. Ich glaube, das ist ein Beleg dafür, ass hier wirklich viel getan wurde. Zum Ende will ich das Thema mit Blick auf die Uniersitäten genauer beleuchten. Da beträgt der Anteil an rauen 52,3 Prozent. Ein Blick auf die OECD-Staaten: chweden mit 25 Prozent, Finnland mit 23 Prozent, ECD-Durchschnitt bei 20 Prozent Frauenanteil. Ich laube, wir haben an dieser Stelle ein richtig starkes otenzial. Mit diesem Potenzial müssen wir in Zukunft eutlich besser umgehen. So weit, so gut. Der Teufel steckt im Detail. Wir müsen versuchen, Frauen besonders in den MINT-Fächern u fördern, um die Voraussetzungen für Führungsaufgaen in der Wissenschaft und in der Forschung zu schafn. Nutzen wir also die guten Ausgangsbedingungen für ine wirklich gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in nserer Gesellschaft! Vielen Dank. Das Wort hat nun Krista Sager für die Fraktion Bünd is 90/Die Grünen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier urde festgestellt, dass der Anteil der Frauen mit Hochchulabschluss bei über 50 Prozent und unter den Proovierenden bei über 44 Prozent liegt. Trotzdem liegt er Anteil der Frauen bei den W-3und C-4-Professuren ur bei 13,6 Prozent, bei den Rektoren und Präsidenten er Hochschuleinrichtungen bei nur 11,3 Prozent, und ei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen egt der Frauenanteil beim Führungspersonal auch nur ei 11,4 Prozent. Daraus folgt doch zwingend, dass die pitzenpositionen im Wissenschaftsbereich immer noch orrangig aus einer Geschlechtergruppe rekrutiert weren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714916700
Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714916800

enn das so ist, dass es eine einseitige Rekrutierung der
pitzenleute aus einer Gruppe gibt, die dadurch gekenn-
eichnet ist, dass sie dem gleichen Geschlecht angehört,
ann folgt daraus schon rein logisch, dass das eines nicht
ein kann: eine Bestenauslese.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


17854 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Krista Sager


(A) )


)(B)

Herr Neumann, Sie haben völlig recht: Wir haben im
Wissenschaftsbereich nicht nur offenkundig ein massi-
ves Gerechtigkeitsproblem, sondern auch ein Innova-
tions- und Qualitätsproblem. Bei mangelndem Erfolg in
der Gleichstellungspolitik im Wissenschaftsbereich stellt
sich die Frage nach der zukünftigen Wettbewerbsfähig-
keit des deutschen Wissenschaftssystems. Der demogra-
fische Wandel macht die Frage umso dringlicher: Wie
können wir die besten weiblichen Kräfte für die Wissen-
schaft gewinnen, sie dann aber auch dort halten?


(Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Da haben Sie recht!)


Es hat niemand behauptet: Da findet nichts statt.
Oder: Es passiert nichts. Aber Frau Sitte hat doch voll-
kommen recht: Es geht viel zu langsam.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Wer von uns will bis zum Ende des Jahrhunderts warten,
bis wir Parität erreicht haben? Daraus folgt logisch: Wir
müssen mehr Schwung hineinbringen.

Die Wissenschaftsorganisationen haben das Thema
Gleichstellung glücklicherweise zunehmend in den Fo-
kus gerückt. Die Gleichstellungsstandards der Deut-
schen Forschungsgemeinschaft zeigen im universitären
Bereich Wirkung. Das bestreitet hier ja auch niemand.
Nur, Teile des Wissenschaftsbereichs und der Hochschu-
len verharren in gleichstellungspolitischer Rhetorik und
lassen dem wenige Taten folgen. Auch das ist leider eine
Tatsache.

Herr Neumann, niemand bestreitet, dass es in den ver-
schiedenen Fachdisziplinen unterschiedliche Vorausset-
zungen gibt. Nur, wenn ich feststelle, dass die Fraunho-
fer-Gesellschaft es in 20 Jahren gerade einmal geschafft
hat, ihren Frauenanteil beim Führungspersonal von 2 Pro-
zent auf 2,8 Prozent zu steigern,


(Ulla Burchardt [SPD]: Tolle Leistung!)


möchte ich sagen: Ich erwarte von einer leistungsstarken
Forschungsorganisation auch mehr Leistung bei frauen-
politischen Zielen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Meine Schlussfolgerung ist: Wir brauchen mehr Ver-
bindlichkeit. Wir brauchen Zielquoten, die sich am Kas-
kadenmodell orientieren, eine Überprüfung der Zieler-
reichung, und wir brauchen Anreize, Sanktionsmecha-
nismen und gezielte Rekrutierungsmaßnahmen.

Es ist in der Tat bedenklich, dass viele junge Leute
nach der Promotion den Wissenschaftsbereich verlassen,
nicht weil sie für diesen ungeeignet sind, sondern weil
ihnen die Perspektiven für den Nachwuchs zu unsicher
und die Beschäftigungsverhältnisse zu schlecht sind.
Aber wenn junge Frauen noch stärker die Tendenz ha-
ben, den Wissenschaftsbereich zu verlassen, weil sie in
höherem Maße teilzeitbeschäftigt sind und prekäre be-
fristete Verträge bzw. befristete Teilzeitverträge haben,
dann müssen wir feststellen, dass unser Wissenschafts-

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(C (D ystem für die besten weiblichen Köpfe nicht attraktiv enug ist. Das muss sich dringend ändern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Herr Braun, Sie haben gesagt, wir sollen Sie an Ihren
aten messen. Ich finde es gut, dass Sie heute gesagt ha-
en, dass das Professorinnen-Programm weitergeht.
ber die Frage, warum Sie Ihre eigene Projektfor-

chungsförderung nicht mit den Gleichstellungsstan-
ards der Deutschen Forschungsgemeinschaft verbin-
en, haben Sie nicht beantwortet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Warum verbinden Sie die Ressortforschung des Bun-
es nicht mit verbindlichen Gleichstellungsstandards?
arum haben Sie beim Pakt für Forschung und Innova-

on nicht für eine verbindliche Gleichstellungspolitik
esorgt? Erklärungsbedürftig ist auch, warum Sie es
icht einmal bei den eigenen wissenschaftlichen Gre-
ien schaffen, auch nur annähernd so etwas wie eine Pa-
tät zu erreichen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Alle diese Fragen haben Sie nicht beantwortet. Des-
egen können Sie dankbar sein, dass sich die wissen-

chaftspolitisch engagierten Frauen der Opposition un-
rgehakt haben,


(Lachen bei der FDP)


m deutlich zu machen: Hier brauchen wir mehr frischen
ind und Schwung für die Gleichstellungspolitik in der
issenschaft. Dabei müssen wir dem Bund ein bisschen

uf die Sprünge helfen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714916900

Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt die Kollegin

nette Hübinger das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Anette Hübinger (CDU):
Rede ID: ID1714917000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Aus der Debatte heute Abend ist schon deut-
ch geworden: Weihnachten ist für Frauen noch nicht,
ber das Fest der Freude bringt Hoffnung, und Hoffnung
aben auch die Antworten der Bundesregierung bei mir
eweckt. Dennoch zeigen die Zahlen – das wurde heute
bend schon öfter gesagt –, dass bei Immatrikulationen
nd Abschlüssen Frauen spitze sind; aber wenn die Luft
ben dünner wird, ist der Anteil der Frauen kaum noch
it dem Fernglas zu erkennen.


(Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Ja, schlimm! – Sibylle Laurischk [FDP]: Denen geht sozusagen die Puste aus!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17855

Anette Hübinger


(A) )


)(B)

Deswegen muss etwas getan werden. Aber wir müssen
auch zugeben: Ganz bei null beginnen wir nicht. Nur
muss der eklatante Sprung bei den Karrierewegen aufge-
hoben werden. Dass keine Frauen in Spitzenpositionen
sind, findet seinen Grund mit Sicherheit nicht darin, dass
es keine Frauen gibt. Das sieht man an den Abschlüssen:
Da sind wir spitze.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Allerdings zeigen die Antworten der Bundesregie-
rung auch, dass in den letzten zehn Jahren schon eine
Dynamik eingetreten ist und dass es zu mehr Chancen-
gerechtigkeit zwischen Männern und Frauen im Wissen-
schaftssystem gekommen ist. Den Grund dafür sehe ich
im Gegensatz zur Opposition auch darin, dass die Bun-
desregierung die Verbesserung der Repräsentanz von
Frauen als ein strategisches Erfordernis ansieht und dass
das BMBF die Erhöhung des Anteils von Frauen in Spit-
zenpositionen in der Wissenschaft als wichtigen Be-
standteil in seine Fördermaßnahmen integriert. Professo-
rinnen-Programm, Exzellenzinitiative, Pakt für Forschung
und Innovation und Hochschulpakt haben mit Sicherheit
ihren Teil dazu beigetragen. Ein weiterer Grund – auch
das wurde heute Abend schon erwähnt – ist die freiwil-
lige Selbstverpflichtung der DFG, der auch viele Hoch-
schulen, die der DFG angeschlossen sind, beigetreten
sind. Trotz dieser Dynamik sind wir uns einig, dass diese
Fortschritte noch nicht ausreichen und wir als Frauen mit
Sicherheit nicht noch einmal 20 Jahre warten wollen, bis
vielleicht noch einmal eine Verdoppelung der Habilita-
tionszahlen eingetreten ist. Das wäre Ressourcenver-
schwendung.


(Ulla Burchardt [SPD]: Sehr gut!)


Wo setzen wir an? Aus meiner Sicht gibt es erst ein-
mal zwei Faktoren, die entscheidend sind. Erstens haben
wir weiter mit dem Phänomen der „leaky pipeline“
– Frau Sager hat das auch schon erwähnt – zu kämpfen.
Sobald Frauen die Promotion haben, brechen sie ihre
Karriere im Wissenschaftssystem ab. Hier brauchen wir,
so sage ich, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und
Wissenschaft – das ist das A und O –, genau wie in der
Wirtschaft. Der Bund hat die ersten Schritte eingeleitet,
indem er das Krippenausbauprogramm beschleunigt hat,
damit Frauen ihre Kinder unterbringen können. Genauso
ist aber erforderlich, dass eine spezifische Frauenförde-
rung stattfindet; denn Frauen sind in Bewerbungen zu-
rückhaltender, wie die Forschung festgestellt hat. Sie be-
werten sich oft sehr selbstkritisch und fühlen sich nicht
wie die Männer als Hecht im Karpfenteich. Auch hier tut
der Bund das Seine zur Unterstützung von Karrierewe-
gen, zum Beispiel durch das Professorinnen-Programm
oder Monitoringprogramme.

Zweitens. Das Ausscheiden von Professorinnen und
Professoren in den nächsten Jahren muss genutzt wer-
den. Laut Statistischem Bundesamt scheiden bis 2019
ungefähr 11 000 Professorinnen und Professoren aus,
und zwar aus Altersgründen. Bei der Berufung in den
nächsten Jahren können die Akteure im Wissenschafts-

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(C (D ystem beweisen, dass sie es mit dem Anspruch auf hancengleichheit wirklich ernst meinen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Natürlich gibt es fachspezifische Unterschiede, und
ie müssen auch bei der Gleichberechtigungsfrage eine
olle spielen. Dort, wo aufgrund vergangener Ausbil-
ungsstrukturen noch keine Frauen sind, kann man keine
krutieren. Aber man muss schlicht und ergreifend da-
r sorgen, dass mehr Frauen in diese Bereiche hinein-

ommen. Ich denke dabei an die weitere Förderung von
rauen in MINT-Berufen. Aber wir dürfen auch nicht
achlassen, Frauen auf ihren Karrierewegen mit einer
esonderen Unterstützung zu begleiten.

Damit komme ich zur Quote, die die Opposition in
er Presse gefordert hat. Heute Abend wurde das Kaska-
enmodell mehrfach angesprochen. Das hatten wir
chon in unseren Antrag zu Zeiten der Großen Koalition
ufgenommen. Dieses Kaskadenmodell ist für mich ein
ehr guter Ansatz. Es setzt aber voraus – auch das wurde
eute Abend gesagt –, dass man bei der Abfolge vom
tudienabschluss bis hin zu den einzelnen Karrierestufen
arauf achtet, dass auch genügend Frauen kommen.
enn nämlich keine Frauen unten sind, können auch nie
elche nach oben befördert werden. Diese Kaskade
uss mit Zielvorgaben auf den einzelnen Karriereleiter-

tufen versehen werden, um die Parität von Frauen künf-
g zu erreichen. Wenn diese Zielorientierung in den
ächsten Jahren nicht sichtbar greift und eine Selbstver-
flichtung des Wissenschaftssystems keine Fortschritte
ringt, dann befürworte auch ich die gesetzliche Einfüh-
ng des Kaskadenmodells.

Die Akteure des Wissenschaftssystems haben die Ent-
icklung in den kommenden Jahren selbst in der Hand.
h bin deshalb gespannt, was der Wissenschaftsrat
Herr Braun hat die entsprechende Studie genannt – an
hemen und an Verbesserungsvorschlägen aufführen
ird. Ich muss zugeben: Für die christlich-liberale Ko-

lition und für mich sind Lösungen, die aus dem Wissen-
chaftsbereich kommen, immer noch die besten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714917100

Das Wort hat jetzt die Kollegin Ulla Burchardt von

er SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Ulla Burchardt (SPD):
Rede ID: ID1714917200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber

err Neumann, ich finde es wirklich rührend – ich
eine das ganz ehrlich und unironisch, auch wenn Sie
ir das vielleicht nicht glauben –, wie ernsthaft Sie Ihr
nliegen zum Ausdruck gebracht haben. Ich glaube Ih-
en das auch. Nur muss ich sagen: Wenn man sich die
ntwort der Bundesregierung auf die von SPD, der Lin-
en und Bündnis 90/Die Grünen gemeinsam gestellte
roße Anfrage anschaut, dann kann man eine Quint-

17856 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Ulla Burchardt


(A) )



(B)

essenz formulieren: Nicht wissen, nicht wollen, nicht
können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Das ist aber hart!)


Was das Nichtwissen betrifft, zum Beispiel bei der
Implementierung von Genderaspekten in der Ressortfor-
schung: Es wird auf formale Prüfungsakte von Vorhaben
verwiesen; aber evaluiert wird überhaupt nichts. Das be-
deutet doch nichts anderes, als dass man aus Erfahrung
nicht lernen will; schließlich erhebt man diese Daten
überhaupt nicht und schaut nicht, was passiert ist und
was man besser machen kann.

„Wir wissen das nicht“, das ist auch die Antwort auf
unsere Frage nach einer möglichen Diskriminierung bei
den Einkommen in Spitzenpositionen. Die strukturelle
Benachteiligung von Frauen manifestiert sich nicht nur
bei der Repräsentanz in Leitungspositionen, sondern ins-
besondere auch in der Beschäftigungssituation. Die Kol-
leginnen haben es schon angesprochen: Prekäre Be-
schäftigung in der Wissenschaft trifft überwiegend
Frauen. Das ist übrigens ein Grund für die Kinderlosig-
keit von Akademikerinnen. Die Elternzeit, Herr Braun,
kann in den meisten Fällen praktisch überhaupt nicht in
Anspruch genommen werden. Insofern haben Sie an die-
ser Stelle ein totes Pferd geritten.

Was die Einkommenssituation angeht: Viele Wissen-
schaftlerinnen, gerade in leitenden Positionen, gehen da-
von aus, dass es sehr unterschiedliche Leistungsbewer-
tungen in Form von Einkommen gibt, wenn es um hoch-
dotierte Posten in den Hochschulen, um die höchstbe-
zahlten Professuren mit Leistungszulagen und um die
Leitungspositionen in der Forschung geht. Dazu sagt die
Bundesregierung: Wir wissen das nicht; wir haben über-
haupt keine Zahlen. – Das ist immer das Tollste: Wenn
man nichts weiß, dann ist man auch nicht verantwortlich.
Wenn man will, könnte man diese Zahlen aber durchaus
erheben. Man könnte zum Beispiel Entgeltberichte er-
stellen, wie sie im Übrigen im Rahmen des GWK-Ab-
kommens vorgesehen sind. Machen Sie das doch einfach
einmal!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Was das Können betrifft, das heißt eine ambitionierte,
strategisch angelegte Politik, um Frauen in Wissenschaft
und Forschung zu fördern, muss ich Ihnen sagen: Minis-
terin Bulmahn und die rot-grüne Regierungskoalition ha-
ben damals die Messlatte gelegt. Die Grundsatzabteilung
wurde mit Strategieentwicklung beauftragt. Das Leitziel
Chancengleichheit wurde im Haushalt verankert. Mit
dem Programm „Chancengleichheit“ wurden Promotio-
nen und Professuren von Frauen gefördert; das ist keine
neue Idee von Ihnen. Kindereinrichtungen in For-
schungseinrichtungen wurden ermöglicht. Juniorprofes-
suren wurden als Karriereschub für junge Wissenschaft-
lerinnen eingeführt. Das Center of Excellence Women
and Science wurde zu Zeiten der rot-grünen Koalition
gegründet. Schön, dass auch Sie gut finden, dass es das
gibt. Die Förderung von Frauen in MINT-Berufen, die
Einrichtung des Girls’ Day und die Verbindung von Ex-

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(C (D ellenzinitiative und Frauenförderung sowie der Pakt für orschung und Innovation stammen aus unserer Regiengszeit. Ich finde es klasse, dass Sie wenigstens eini es davon weiterführen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Keine Frage: Es ist gut und lobenswert, dass in der
achfolge im BMBF manches weitergeführt wurde.
ber, mit Verlaub, das Professorinnen-Programm und
as Förderprogramm „Frauen an die Spitze“ sind so
ünn ausgelegt, dass sie nicht mehr sind als der be-
hmte Tropfen auf dem heißen Stein. Sie sollten sich

ut überlegen, ob Sie das als Säule Ihrer Arbeit darstel-
n. Denn Sie sollten dabei beachten: Die Decke wird
anz schnell einbrechen, so dünn wie das Ganze ist.

Man fragt sich, ob die Durchbrüche wirklich über-
aupt gewollt sind. Es ist darauf hingewiesen worden:
a, wo Sie selber zuständig sind, etwa in wissenschaftli-

hen Beratungsgremien, in Ressortforschungseinrichtun-
en, ist wirklich nicht viel los; da ist mit der Durchset-
ung von Gleichstellung kein Staat zu machen, Herr
raun und Herr Neumann. Das muss man doch sagen.
a hat die Regierungskoalition doch schlicht und ergrei-
nd versagt. Da könnten Sie mehr machen.


(Beifall der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE] und Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Natürlich ist in den letzten zehn Jahren einiges
rreicht worden. Das ist dank unserer Vorarbeiten
eschehen. Ich möchte mich im Namen meiner Fraktion
uch bei den vielen Frauen und Männern bedanken, die
n führender Stelle in Hochschulen, Forschungseinrich-
ngen und Wissenschaftsinstitutionen dafür gearbeitet

aben. Es ist eine Menge erreicht worden; aber das
icht nicht. Die Dynamik ist zu schwach. Der Aufhol-

rozess beispielsweise gegenüber den USA, was das
usschöpfen all dieser Potenziale angeht, ist völlig
nzureichend. Da hängen wir gnadenlos hinterher. Des-
egen muss mehr passieren. Ich sage Ihnen: An der

ofortigen Einführung von Zielquoten führt kein Weg
orbei.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ir warten, Frau Hübinger, nämlich schon 20 Jahre. Es
t jetzt wirklich an der Zeit, dass endlich Nägel mit
öpfen gemacht werden.

Bei allem Respekt gegenüber der Offensive Chancen-
leichheit von DFG und außeruniversitären Forschungs-
inrichtungen: Das alles reicht nicht. Mit so schlappen
ortschritten können wir uns doch nicht ernsthaft zufrie-
en geben. Das, was Bund und Länder in der GWK
eschlossen haben, ist völlig unmissverständlich. Dort
eißt es, dass

Zielquoten … unverzichtbar sind und die Anwen-
dung des „Kaskadenmodells“ … unbedingt erfor-
derlich ist.
)

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17857

Ulla Burchardt


(A) )


)(B)


(Dr. Martin Neumann [Lausitz] [FDP]: Richtig!)


Es reicht eben nicht mehr, nur auf Selbstverpflichtung zu
setzen, auf Sonntagsreden und schöne Worte. Man muss
jetzt auch über Sanktionen reden. Anders funktioniert
die ganze Geschichte nämlich überhaupt nicht.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie jetzt kommen und sagen, das alles gehe
nicht, empfehle ich Ihnen eine wunderbare Lektüre, falls
Sie noch nicht genug zum Lesen unterm Weihnachts-
baum haben. Es handelt sich um eine Broschüre, die
vom BMBF herausgegeben wurde und die ein Gutachten
enthält, das von Ihrem Ministerium – Herr Braun, Sie
kennen es vielleicht – in Auftrag gegeben wurde, um die
rechtlichen Grundlagen für Maßnahmen zur Förderung
der Chancengleichheit in der Wissenschaft zu prüfen.
Dieses Gutachten wurde von Frau Professor Susanne
Baer verfasst. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass aus
europarechtlichen Gründen und Vorgaben, aber auch aus
verfassungsrechtlichen Gründen


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Die ist jetzt Verfassungsrichterin!)


und aufgrund von Maßgaben aus allen Rechtsgebieten,
die Deutschland überhaupt zu bieten hat, die Förderung
von Maßnahmen und die Einführung von Zielquoten mit
entsprechender Sanktionierung notwendig und auch
machbar sind.

Frau Professor Susanne Baer ist seit Februar dieses
Jahres Richterin am Bundesverfassungsgericht.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja, genau!)


Mir kann jetzt keiner mehr sagen, dass es sich hierbei
nur um irgendwelche illusionären Dinge handelt, mit
denen sich eine Bundesregierung nicht befassen muss.

Ich stelle für heute fest, dass wir an vielen Stellen ja
gar nicht so weit auseinander sind, und zwar nicht nur
wegen der weihnachtlichen Harmonie. Die Wissen-
schaftlerinnen in unserem Lande haben es nämlich ver-
dient, dass sie mehr Unterstützung bekommen. Über
60 Jahre nach Verabschiedung des Art. 3 im Grundge-
setz ist es höchste Zeit, dass sich mehr bewegt und sich
der Deutsche Bundestag etwas intensiver als in der Ver-
gangenheit mit diesem Thema beschäftigt, nach Stell-
schrauben sucht und schaut, was man machen kann,
damit in den nächsten fünf Jahren große Fortschritte
erreicht werden. Deswegen hielte ich es für eine wunder-
bare Sache, wenn sich unser Ausschuss Anfang nächsten
Jahres ein sehr konkretes Programm geben würde, wie
nach entsprechenden Wegen und Möglichkeiten gesucht
werden kann. Wir sollten nicht erst wieder 50 Jahre war-
ten, bis wir hier ein paar kleine Fortschritte beklatschen
können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Anette Hübinger [CDU/CSU])


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(C (D Das Wort hat jetzt die Kollegin Sibylle Laurischk von er FDP-Fraktion. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Ich habe an meine Studienzeit zurückgedacht. ber 30 Jahre ist das her. Ich kann mich nicht erinnern, ass es damals auch nur eine Professorin in der Juristichen Fakultät gegeben hat. In den letzten zehn Jahren at sich die Situation sicherlich deutlich verbessert, aber s besteht immer noch eine eklatante Unterrepräsentanz on Frauen im Wissenschaftssystem. Es ist immer noch rkennbar, dass die Wissenschaftskarrieren von Frauen ach der Promotion abbrechen. Nur jede vierte Habilitaon wird von einer Frau abgelegt. Bei den Professuren egt der Frauenanteil bundesweit bei unter 20 Prozent. s gibt vielfältige Maßnahmen, um diesem Trend entgeenzuwirken. Wir müssen sicherlich für eine bessere Vereinbarkeit on Familie und Beruf sorgen; wir brauchen eine Veränerung der Arbeitskulturen und -strukturen, nicht nur im ereich von Wissenschaft und Forschung. Begrüßenswert ist auch, dass Bund, Länder, Hochchulen und Forschungseinrichtungen bereits verschieenste Initiativen ergriffen haben. Ich erinnere nur an as Professorinnen-Programm, von dem schon mehrfach ie Rede war. Dadurch wird deutlich, dass Gleichstelng an den Hochschulen eine Leitungsaufgabe ist, auf er Leitungsebene verortet werden muss. So ist die Zahl er Professorinnen in der Wahrnehmung der Öffentlicheit, aber auch messbar gestiegen. Meine Damen und Herren, Frauenförderung ist auch der Wissenschaft eine Führungsaufgabe. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714917300

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sibylle Laurischk (FDP):
Rede ID: ID1714917400

ass Frauen immer noch an die gläserne Decke stoßen,
t eben auch ein Beispiel von Vergeudung volkswirt-

chaftlichen Potenzials, was wir uns in Anbetracht des
lobalen Wettbewerbs überhaupt nicht mehr leisten kön-
en.

Im Fünften Gremienbericht wird dargelegt, dass auch
wissenschaftlichen Beratungsgremien der Frauen-

nteil nach wie vor zu niedrig ist. Das Bundesgremien-
esetzungsgesetz bedarf insofern meiner Ansicht nach
iner Überarbeitung, um das Ziel der Gleichstellung und
er gleichwertigen Besetzung von Gremien dort, wo wir
nmittelbar Einfluss haben, zu fördern und wirklich eine
trukturelle Veränderung zu erreichen.

Es ist außerordentlich zu begrüßen, dass in den im
ahr 2008 beschlossenen forschungsorientierten Gleich-
tellungsstandards der Deutschen Forschungsgemein-
chaft, der DFG, die Verbesserung der Chancengleich-
eit von Frauen und Männern in der Wissenschaft
xplizit als Anliegen formuliert ist.

17858 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Sibylle Laurischk


(A) )


)(B)

Die Einführung der Gleichstellungsstandards hat zu
einer grundsätzlich neuen Situation geführt, in der die
wissenschaftliche Reputation von Hochschulen und wis-
senschaftlichen Einrichtungen – ebenso wie die For-
schungsförderung selbst – an die Bemühungen um die
Beseitigung von strukturellen und personellen Nachtei-
len für Frauen geknüpft ist. Es ist also ein Qualitäts-
merkmal, Frauenförderung nachzuweisen.

Insofern habe ich den Eindruck, dass im Wissen-
schaftsbereich zumindest versucht wird, tatsächlich eine
Frauenförderung auf den Weg zu bringen. Man sieht es
ja auch an der Diskussion, die wir heute führen: Das
Kaskadenmodell ist von Herrn Professor Neumann sehr
plastisch dargestellt worden, und selbst der Staatssekre-
tär hat von der Frauenquote gesprochen. An einem Tag,
an dem wir – zwar außerhalb des Parlaments, aber doch
mit einer Reihe von Parlamentarierinnen aus allen Frak-
tionen – eine Berliner Erklärung zur Förderung von
Frauen in Führungsaufgaben verabschiedet haben, ist
das, denke ich, ein gutes Signal dafür, dass in der For-
schung möglicherweise doch schon etwas weiter gedacht
wird. Dennoch bleibt viel zu tun.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714917500

Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt

hat jetzt das Wort die Kollegin Monika Grütters von der
CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Monika Grütters (CDU):
Rede ID: ID1714917600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren, Kollegin-

nen und Kollegen! „Eine Frau, die so gut sein will wie
ein Mann, hat einfach nicht genug Ehrgeiz.“ – Wer auch
immer diese Einsicht, die ja häufig zitiert wird, zuerst
formuliert hat – eines ist jedenfalls klar: Die Wege der
Frauen an die Spitze der Gesellschaft – auch in der Wis-
senschaft – sind eben oft mühsamer als die von euch,
den Herren der Schöpfung.


(Zuruf von der FDP: Oh!)


Es ist offensichtlich, dass dieser Befund nicht nur für
die Gesamtgesellschaft, sondern leider eben auch für die
Wissenschaftsgemeinschaft gilt. Wir haben es heute
schon ein paarmal gehört: 52 Prozent der Studierenden
in Deutschland sind weiblich, der Promotionsanteil liegt
bei 44 Prozent, der Habilitationsanteil bei 24 Prozent,
aber nur 18 Prozent schaffen es auf einen Professorin-
nenplatz. Immerhin, das fand ich doch bemerkenswert
bei dieser Studie – wir reden ja bei dem heutigen Thema
über die Zehnjahreszeiträume, so wie bei der Quotierung
von Frauen in den Aufsichtsräten –: In der Wissenschaft
ist in den letzten zehn Jahren wesentlich mehr passiert
als bei den DAX-Unternehmen. Der Anteil der Professo-
rinnen hat sich immerhin verdoppelt.


(Ulla Burchardt [SPD]: Na ja!)


– Ich finde es zu wenig. Aber, Frau Burchardt, bei den
DAX-Unternehmen war es ein klägliches, lächerliches

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(C (D rozent. Deshalb ist das hier schon fast beglückend. ass nur jeder fünfte Lehrstuhl von einer Professorin esetzt ist, ist natürlich trotzdem beschämend. Selbst wenn wir uns in der Analyse einig sind: Bei en Mitteln und Instrumenten sind wir – wenn wir einal ehrlich sind – alle ein bisschen ratlos. Man kann leichstellung nicht verordnen (Zuruf der Abg. Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD])


nein, das glaube ich nicht –, weder mit Quoten noch
it Sanktionen. Hier gilt, dass das Ganze nicht nur den
und betrifft, sondern dass auch die Länder mitmachen
üssen und – das hat Herr Staatssekretär Braun gesagt –

atürlich in erster Linie die Hochschulen.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle einen Hinweis: Die
rogramme, die es gibt, sind ja sinnvoll. Das Land Ber-
n ist das einzige Bundesland, das tatsächlich ein eige-
es Programm zur Förderung der Chancengleichheit in
orschung und Lehre hat.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Rot-Rot!)


as haben wir in der Großen Koalition aufgelegt. Das
and gibt dafür immerhin 3,5 Millionen Euro aus. Des-
alb wird da jede vierte Professur von einer Frau wahr-
enommen; ansonsten ist es im Durchschnitt nur jede
nfte. Es geht also. Ich kann nur sagen: Nachahmung

usdrücklich empfohlen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD] und Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])


Ob das ein Tropfen auf den heißen Stein oder, wie
err Braun sagt, eine Säule ist: Das Professorinnen-
rogramm hat 200 Professuren mehr für Frauen ge-
chaffen. Das Programm „Zeit gegen Geld“ sorgt im-
erhin dafür, dass Stipendiengelder in die Kinderbe-
euung gesteckt werden können. Ich glaube aber auch,
ass es vor allen Dingen – wie überall – darum geht,
ass man die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ver-
essern muss. Der Rechtsanspruch auf einen Kinder-
artenplatz in Berlin – hier schaffen wir 23 000 neue
indergartenplätze – ist, glaube ich, in dieser Hinsicht

ehr wichtig. Es ist auch schon gesagt worden, dass die
ensible Phase die zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr
das heißt nach der Promotion – ist. Da beginnt die Fa-
ilienbetreuung, und ab da ist es besonders schwierig.


(Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Das Betreuungsgeld ist da nicht geeignet!)


Der Kinderbetreuungszuschlag beim BAföG war
chtig. Das Elterngeld spielt hier – es kommt auch Stu-
ierenden mit Kindern zugute – eine wichtige Rolle. Zu
ennen sind weiter: der garantierte Betreuungsplatz und
as Förderprogramm „Betrieblich unterstützte Kinderbe-
euung“. Es gibt also viele Möglichkeiten. Ich finde
brigens auch, Frau Burchardt, dass man da noch viel
ehr machen muss.

Wir sind uns einig: Gerade auch aufgrund der demo-
rafischen Entwicklung können wir auf die Potenziale
er Frauen nicht verzichten. Und auch diese Erkenntnis

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17859

Monika Grütters


(A) )


)(B)

haben wir – auch wir von der CDU; jedenfalls viele,
gerade aber die Frauen – inzwischen alle: Da, wo Frei-
willigkeit nicht weiterführt, muss es eben doch ein biss-
chen Druck sein – manchmal vielleicht auch ein biss-
chen mehr. Ich bin nicht immer eine Quotenfreundin und
schon gar nicht eine Kampfhenne; wir haben aber bei
den DAX-Unternehmen deutlich gemerkt: Da geht es
nur mit Druck. Sanktionen sind, finde ich, immer proble-
matisch.


(Ulla Burchardt [SPD]: Es gibt positive und negative Sanktionen!)


Es gibt intelligentere Programme. Ich habe gerade ein
paar genannt.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Wenn „Advent“
Erwartung heißt, dann ist und bleibt dieses Thema ein
sehr adventliches.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD] und Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714917700

Ich schließe die Aussprache.

Nun rufe ich Tagesordnungspunkt 7 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum bes-
seren Schutz der Verbraucherinnen und
Verbraucher vor Kostenfallen im elektroni-
schen Geschäftsverkehr

– Drucksache 17/7745 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es
Widerspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist
das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin das Wort der Bundesministerin Leutheusser-
Schnarrenberger.


(Beifall bei der FDP)


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Lassen Sie mich mit einigen Zahlen beginnen. Über
55 Millionen Bundesbürger haben regelmäßigen Zugang
zum Internet. Pro Tag werden Hunderte von Millionen
Suchanfragen gestellt. Das Netz ist für viele, vor allem
jüngere Menschen bereits jetzt alleiniges Leitmedium.
Das Internet bietet Information, Kommunikation und
Unterhaltung.

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(C (D 85 Prozent aller Internetnutzer in Deutschland haben ereits online eingekauft. 68 Prozent haben bislang eine negativen Erfahrungen mit dem Internet gemacht. as zeigt: Immer mehr Menschen vertrauen diesem edium. Dieses Vertrauen noch besser zu schützen, ist iel des vorliegenden Gesetzentwurfes der Bundesregieng. Wie in jedem Markt gibt es auch im Internet dubiose eschäftsmodelle, mit denen Verbraucherinnen und Verraucher in Kostenfallen gelockt werden sollen. Wie der Markt braucht auch das Internet in diesem Bereich ine Marktordnung. Wenn bestimmte Internetleistungen eispielsweise als „gratis“ angepriesen, als unverbindche Gewinnspiele deklariert oder als Möglichkeit zum erunterladen von Freeware getarnt werden, in Wirkchkeit aber ein Abonnement abgeschlossen wird, ist die renze zur Täuschung überschritten. Auch wenn hier in den meisten Fällen kein wirksamer ertrag besteht, zahlen dennoch viele Internetnutzer aus nkenntnis oder weil sie sich teilweise durch eine etwas ggressive Verfolgung der vermeintlichen Zahlungsanprüche unter Druck gesetzt fühlen. Die Zahl der Gechädigten wächst in dem Ausmaß, in dem sich der nlinehandel entwickelt. Nach einer aktuellen Untersu hung des Sozialforschungsinstituts Infas sollen bereits ber 5 Millionen deutsche Internetnutzer in eine Abolle getappt sein; das wäre mehr als jeder zehnte Inter etnutzer in Deutschland. Derartige Vorfälle sind für die Betroffenen nicht nur ine finanzielle Belastung. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ie gefährden das Vertrauen der Verbraucher in den elek-
onischen Geschäftsverkehr insgesamt. Das wissen wir
us zahlreichen Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern.

Mit diesem Gesetzentwurf greift die Bundesregierung
ei genau diesem Sachverhalt ein und schiebt der „Inter-
etabzocke“ einen Riegel vor.


(Beifall bei der FDP)


in Vertrag im Internet kommt zukünftig nur zustande,
enn der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich
estätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Die
chaltfläche für das Aufgeben der Bestellung, der Be-
tellbutton, muss unmissverständlich und gut lesbar auf
ie Zahlungspflicht hinweisen. Eine Schaltfläche mit der
ufschrift „kostenpflichtig bestellen“ macht jedem die
echtsfolge seines Tuns klar.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie der Abg. Andrea Astrid Voßhoff [CDU/CSU])


ies gilt immer, wenn Waren oder Dienstleistungen on-
ne bestellt werden, und zwar unabhängig davon, ob
ine Bestellung mit dem heimischen Computer, dem
martphone oder dem Tablet-PC aufgegeben wird.

Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir diesen Bereich
es Geschäftsverkehrs im Internet ein Stück sicherer ma-
hen. Wir sind damit Vorreiter in Europa. Ich bin sicher:
ndere europäische Staaten werden und müssen schnell

17860 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(A) )


)(B)

nachziehen; denn diese Form von Geschäftsgebaren en-
det natürlich nicht an nationalen Grenzen. Deshalb ha-
ben wir, die Bundesregierung, uns sehr dafür eingesetzt,
dass diese sogenannte Buttonlösung Teil der Verbrau-
cherrechterichtlinie der Europäischen Union geworden
ist;


(Beifall bei der FDP)


sie ist Anfang dieser Woche in Kraft getreten. Wir wol-
len nicht warten, bis wir am Ende der zweijährigen Um-
setzungsfrist angelangt sind, sondern wollen mit unse-
rem Gesetzentwurf zügig vorangehen.

Wir begrenzen den Gesetzentwurf bewusst auf Ver-
träge zwischen Unternehmern und Verbraucherinnen
und Verbrauchern. Damit halten wir uns eng an die Vor-
gaben der Verbraucherrechterichtlinie. Die Informa-
tionspflichten auf Verträge zwischen Unternehmern aus-
zuweiten, würde zusätzliche bürokratische Hemmnisse
für die Wirtschaft schaffen. Wir halten eine solche Rege-
lung in diesem Rechtsverkehr für nicht geboten und für
nicht notwendig. Die Erfahrungen zeigen, dass fast aus-
schließlich Verbraucher auf solche Angebote hereinfal-
len und Opfer einer Kostenfalle werden. Dies haben wir
im Vorfeld der Erarbeitung des Gesetzentwurfs auch im
Rahmen einer Anhörung feststellen können, die wir mit
beteiligten Kreisen und vielen Vertretern von Verbänden
durchgeführt haben. Im reinen Geschäftsverkehr halten
wir eine solche Regulierung also für nicht notwendig,
und da, wo wir Gesetze für nicht notwendig halten, soll-
ten wir sie auch vermeiden. Deshalb legen wir Ihnen den
Gesetzentwurf in dieser Fassung vor.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie der Abg. Andrea Astrid Voßhoff [CDU/CSU])


Ich hoffe, dass wir bei den Gesetzgebungsberatungen
mit diesem Gesetzentwurf am Ende so konstruktiv um-
gehen, wie es heute schon bei einem anderen Thema, bei
der Mediation, der Fall war.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714917800

Jetzt hat die Kollegin Marianne Schieder von der

SPD-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Marianne Schieder (SPD):
Rede ID: ID1714917900

Lieber Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolle-

ginnen! Ich glaube, alle von uns kennen das schöne, alte
Weihnachtslied Alle Jahre wieder. Die Bescherung, die
unzähligen Verbraucherinnen und Verbrauchern auch in
diesem Jahr wieder zuteilgeworden ist oder noch zuteil-
wird, bringt aber keine guten Gaben, sondern Forderun-
gen von zumeist dubiosen Inkassofirmen, die häufig mit
betrügerischen Abofirmen unter einer Decke stecken.
Über Anzeigen auf Suchmaschinen locken unseriöse
Unternehmen Internetnutzerinnen und -nutzer auf ihre
Seiten. Viele rechnen nicht damit, dort für Dienste oder
Software, die es im Internet im Normalfall kostenlos
gibt, zum Beispiel Kochrezepte, bezahlen zu müssen. In

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(C (D utem Glauben geben sie Namen und Adresse für eine ermeintliche Kundenregistrierung an und haben dann in teures Abo oder einen kostenpflichtigen Zugang abeschlossen. Dabei werden die Verbraucherinnen und erbraucher in irreführender Art und Weise über die ostenpflichtigkeit getäuscht, zum Beispiel weil ein ent prechender Hinweis in den AGBs oder im Kleingeruckten versteckt ist oder erst sichtbar wird, wenn es chon zu spät ist. Vor zwei Wochen hat die Verbraucherzentrale Bunesverband eine Untersuchung veröffentlicht, die belegt, ass unseriöse Inkassomethoden mit Kostenfallen im Inrnet Hand in Hand gehen. Bereits im August letzten ahres haben wir seitens der SPD-Fraktion den Entwurf ines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutes bei Vertragsabschlüssen im Internet eingebracht. Wir ollten bereits damals gesetzlich regeln, dass ein im Inrnet geschlossener Vertrag nur dann wirksam sein soll, enn mittels eines besonders grafisch hervorgehobenen inweises, eines sogenannten Buttons, explizit auf den reis aufmerksam gemacht wird und der Vertrag durch nklicken bewusst bestätigt worden ist. (Beifall bei der SPD – Dr. Gerd Müller [CDU/ CSU]: Wir machen das jetzt, Frau Schieder!)


Vor fast genau einem Jahr, am 2. Dezember 2010, ha-
en wir darüber in diesem Hause abschließend disku-
ert.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Wir mussten das verbessern, was Sie vorgelegt haben!)


ber statt unserem Gesetzentwurf zuzustimmen, Herr
taatssekretär, und eine schnelle Lösung auf den Weg zu
ringen, haben Sie ihn abgelehnt. Seit einem Jahr könn-
n wir Kostentransparenz im Internet haben. Unseriösen
nbietern wäre es erschwert worden, die Konsumenten
Internet durch unklare oder versteckte Preisangaben

der an Benutzerregistrierungen gekoppelte Verträge in
ostenfallen zu locken. Bedenkt man, dass zu diesem
ereich monatlich über 20 000 Beschwerden bei den
erbraucherzentralen eingehen und bei den Betroffenen
hrlich ein mehrstelliger Millionenschaden angerichtet
ird, müssen Sie sich, Frau Ministerin, den Vorwurf ge-
llen lassen, die Menschen ein weiteres Jahr mit dem
roblem und den finanziellen Folgen alleingelassen zu
aben.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Caren Lay [DIE LINKE] – Stephan Thomae [FDP]: Frau Zypries hat das gemacht!)


Sie hätten vor einem Jahr umsetzen können, wozu Sie
tzt endlich bereit sind, weil Ihnen nichts anderes übrig
leibt.

Umfragezahlen des Infas-Instituts vom August 2011
eigen klar, was Sache ist: 8,5 Millionen Menschen sollen
emnach in den vergangenen zwei Jahren Opfer eines In-
rnetbetrugs geworden sein. 5,4 Millionen Menschen
das sind 11 Prozent aller deutschen Internetnutzer –

ind in eine Abofalle geraten. Es ist sehr bedauerlich, dass
ie erst jetzt bereit sind, das Problem zu erkennen, sich

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17861

Marianne Schieder (Schwandorf)



(A) )


)(B)

ihm anzunehmen und unseren Vorschlägen zu folgen. Das
sind wir aber von Ihnen gewöhnt.


(Beifall bei der SPD – Stephan Thomae [FDP]: Wir regieren erst seit zwei Jahren!)


Wir sind bereit, den vorliegenden Gesetzentwurf zü-
gig, aber mit der nötigen Sorgfalt zu beraten, damit die-
sen kriminellen Machenschaften endlich der Boden ent-
zogen werden kann.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD – Dr. Gerd Müller [CDU/ CSU]: Ihr macht jetzt mit? – Gegenruf der Abg. Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Das machen wir! Ihr hättet letztes Jahr zustimmen sollen! Das wäre klug gewesen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714918000

Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt das Wort der

Kollege Marco Wanderwitz.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Marco Wanderwitz (CDU):
Rede ID: ID1714918100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die Ministerin hat schon skizziert, worüber wir
sprechen: über unseriöse Angebote, die getarnt im Inter-
net auf diejenigen warten, die durchaus mit vielen seriö-
sen Angeboten in Kontakt gekommen sind. Frau Kolle-
gin Schieder, Sie haben schon darauf hingewiesen, dass
es eben nicht nur schwarze Schafe gibt. Abofallen funk-
tionieren deshalb so gut, weil man sie leider oft auf den
ersten und auch auf den zweiten Blick nicht von seriösen
Angeboten unterscheiden kann.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das kann man aber grafisch hervorheben!)


Die Folge ist Inkasso-Stalking. Das heißt, man wird mit
Forderungen überzogen, die sich schnell zu größeren
Summen anhäufen. Viele zahlen unter Druck, weil sie
die Sorge haben, dass es noch teurer werden kann oder
weil sie vielleicht überhaupt keine Erinnerung mehr da-
ran haben; denn eine solche Forderung kommt meist
nicht eine Woche danach, sondern mit erheblicher zeitli-
cher Verzögerung. Viele scheuen den Gang zum Anwalt.
Zwar sind die Summen teilweise erheblich – 100 Euro
kommen da schnell zusammen –; aber trotzdem überlegt
man, ob die anwaltliche Beratung nicht wahrscheinlich
genauso viel kostet.

Die politischen Aktivitäten, die es in den letzten Jah-
ren hier im Hause im Zusammenhang mit dem Verbrau-
cherschutz im Internet gegeben hat, sind zahlreich.


(Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Sie dauern aber ein bisschen lange bei Ihnen!)


Ich will als Beispiel die unerlaubte Telefonwerbung nen-
nen; das haben wir gesetzlich geregelt. Wir haben auch
die Verbraucherzentralen gemeinsam unterstützt, und ich
nenne Softwareprogramme als Abzockschutz.

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(C (D Wir haben schon vor einem Jahr gesagt – das ist der rund, warum wir jetzt tätig werden –: Wir streben eine uropäische Lösung an. (Kerstin Tack [SPD]: Sie haben noch ganz andere Sachen gesagt, Herr Wanderwitz!)


Hören Sie einfach einmal zu. Das ist nicht zu viel ver-
ngt. Wir haben doch auch schön zugehört. – Wir haben
esagt: Es hat wenig Sinn, ein europäisches Phänomen
it nationaler Gesetzgebung allein bekämpfen zu wol-
n. Viele Betreiber dieser Abzockseiten haben ihren
itz eben nicht in Deutschland. Deswegen hätte es wenig
inn gemacht, wenn wir ein deutsches Einzelgesetz auf
en Weg gebracht hätten, um dieses Phänomen zu be-
ämpfen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Kerstin Tack [SPD]: Nein, das wäre gut gewesen! Das wäre sehr gut gewesen!)


ir haben stattdessen eine europäische Regelung beför-
ert. Genau diese Verbraucherrechterichtlinie hat nun
en Rat passiert, federführend vorangetrieben von der
eutschen Seite. Insofern haben wir uns überhaupt nichts
orzuwerfen; denn wenn wir nicht Gas gegeben hätten,
äre es in Europa nicht so schnell gegangen.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Ein europaweiter Erfolg, von Niederbayern bis Norwegen, ist das! – Gegenruf der Abg. Kerstin Tack [SPD]: Das ist ja auch erstrebenswert!)


Wir sind in Europa – das hat die Ministerin schon ge-
agt – so ziemlich die Ersten, die die Richtlinie in natio-
ales Recht umsetzen. Jetzt haben wir den Zeitpunkt er-
icht, an dem es Sinn macht, ein Gesetz auf den Weg zu

ringen; denn wir werden es nicht ein paar Wochen oder
onate nach Verabschiedung das erste Mal korrigieren
üssen.


(Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Das hätten Sie ja gar nicht machen müssen! Das hätte ja gepasst!)


Frau Schieder, Sie wussten natürlich, wie die europäi-
che Regelung genau aussehen wird, nicht wahr?


(Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Das hätten Sie auch wissen können! – Kerstin Tack [SPD]: Das haben wir nicht nur gewusst! Das haben wir aufgeschrieben!)


Sie haben sie formuliert. Das ist, finde ich, ein sehr
müsanter Einwurf. Ich habe Ihren Gesetzentwurf aus
em letzten Jahr noch einmal gelesen. Der sah etwas an-
ers aus als die jetzige Regelung.


(Kerstin Tack [SPD]: Das stimmt nicht!)


Doch, es stimmt. Wir können das außerhalb der De-
atte gerne noch einmal übereinanderlegen.

Wir orientieren uns, weil wir das Gesetz nicht in
älde wieder verändern wollen, hinsichtlich des Gesetz-
ntwurfs weitestgehend an der Richtlinie. Wir werden
ie sogenannte Schaltflächenlösung verankern und aus
enau diesem Grund nur das Verhältnis zu Verbrauche-
nnen und Verbrauchern regeln. Auch daran ist im Vor-

17862 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Marco Wanderwitz


(A) )


)(B)

feld Kritik geäußert worden. Es wurde gesagt, dass man
das Ganze auch auf die sogenannten B2B-Verträge aus-
weiten könnte. Die Richtlinie sieht aber gerade den Ver-
braucherschutz vor. Deshalb wollen wir auch nur im
Verhältnis zu Verbrauchern tätig werden.

Die rechtlichen Konsequenzen sind klar: Wer die
neuen Gestaltungspflichten nicht beachtet, insbesondere
hinsichtlich der Schaltfläche, mit der man ausdrücklich
bestätigt, dass man zur Kenntnis genommen hat, dass es
sich um eine kostenpflichtige Bestellung handelt – es
geht auch darum, wie sie beschaffen ist, und um noch ein
bisschen mehr –, der hat künftig keinen Vertrag.

Sie haben vorhin angesprochen, Frau Kollegin
Schieder, dass Millionen Menschen in solche Fallen ge-
raten sind. Ich glaube, wir müssen zur Kenntnis nehmen,
dass auch das neue Gesetz nicht dafür sorgen wird, dass
es künftig keine solchen Seiten mehr gibt. Wer eine Zah-
lungsaufforderung künftig bezahlt, ob im guten Glauben
oder aus vorauseilendem Gehorsam, kann auch künftig
in eine solche Falle tappen; denn dieses Gesetz wird
nicht dafür sorgen, dass es keine schwarzen Schafe mehr
gibt, die versuchen, eine Abzockfalle zu installieren. Im
Übrigen gilt auch nach derzeitigem Recht – das ist aus-
geurteilt –, dass in solchen Fällen kein Vertrag zustande
kommt. Das ist deutsches Zivilrecht. Das steht im BGB.


(Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Das muss der Verbraucher erst einmal alles wissen!)


Wenn die betrügerische Absicht nachweisbar ist, wofür
es des subjektiven Tatbestands bedarf, haben wir es
möglicherweise auch mit einer Straftat zu tun. Dieses
Gesetz sorgt natürlich dafür – schon allein deshalb ist es
gut –, dass die Öffentlichkeit für diese Thematik sensibi-
lisiert wird; es wird aber nicht verhindern können, dass
Menschen in eine aufgestellte Falle tappen.


(Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Das behauptet ja auch keiner!)


Mit diesem Gesetzentwurf nehmen wir – das ist ein
Kritikpunkt, der zwar nicht in diesem Haus, aber von
Unternehmern geäußert wird – einen gewissen Mehrauf-
wand für die Unternehmen in Kauf. Das ist ein relativ
kleiner Aufwand. Im Regelfall ist es damit getan, den
Webshop einmal umzustellen. Das halten wir für zumut-
bar. Gleichwohl – das muss man sagen – kostet der ge-
steigerte Verbraucherschutz die Unternehmen ein biss-
chen Geld. Gerade bei kleinen Shops wird sich das
möglicherweise am Ende bei den Produkten niederschla-
gen. Das muss man in diesem Zusammenhang zumin-
dest einmal erwähnt haben.

Ich sehe – zumindest dieses Thema möchte ich im
Zuge des parlamentarischen Verfahrens ansprechen – ein
behebbares praktisches Problem: Wir wollen, dass die
Schaltfläche so aussieht, dass die gesamte Bestellung auf
dem Bildschirm erkennbar ist, ohne dass man scrollen
muss, wenn man am Ende den entscheidenden Klick auf
„Ja, ich kaufe“ macht. Das ist regelmäßig unproblema-
tisch, wenn wir uns einmal einen Internetshop mit einem
Warenkorb vorstellen, in den ich vielleicht zwei Bücher
gelegt habe. Wenn ich aber sehr kleinteilig bzw. schlicht

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(C (D ehr viel eingekauft habe, dann könnte es problematisch ein, das alles auf eine Seite zu bekommen. Das ist eine ache, für die wir im parlamentarischen Verfahren noch ine Lösung finden müssen. In manchen Fällen wird es ahrscheinlich schlicht nicht ohne Scrollen gehen. Noch eine Botschaft zum Schluss, weil dies schon ein tück weit in direkter Verbindung zu dem heutigen Geetzentwurf steht: Zu der ganzen Thematik gehört nicht ur seriöses Inkasso, sondern auch unseriöses Inkasso. uch bei diesem Thema sind wir innerhalb der Koalionsfraktionen schon erheblich vorangekommen. Wir aben das Thema identifiziert und werden uns ihm auf icht widmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: „In Bälde“ heißt es immer!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714918200

Das Wort hat jetzt die Kollegin Caren Lay von der

raktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Caren Lay (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714918300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Das Internet ist aus der modernen Welt nicht
ehr wegzudenken. Leider ist es auch ein Tummelplatz
r Abzocker geworden. Wer kennt nicht diese Mails,

ie so vielversprechend lauten: Sie haben 500 Euro ge-
onnen. – Aber wenn man nicht aufpasst, hat man am
nde eine Waschmaschine gekauft. Geködert wird mit
pielen, Handys, Glücksspielen, Digitalkameras oder
uch angeblich kostenlosen Diensten wie Kochrezepten,
ausaufgabenhilfen und Softwareprogrammen. In
eutschland liegt der Schaden durch diese unseriösen
nbieter im mehrstelligen Millionenbereich. Das ist hier

chon mehrfach thematisiert worden.

Während die Liste der Verfahren gegen unseriöse An-
ieter immer länger wird, schießen neue Angebote wie
ilze aus dem Boden. Eine neue Website ist leicht pro-
rammiert, eine neue Firma schnell gegründet. So weit
cheinen wir alle uns in diesem Hohen Hause einig zu
ein. Das alles ist aus meiner Sicht in den letzten Jahren
adurch möglich gewesen, weil die Bundesregierung
ieses Thema viel zu lange verschlafen hat.

Was die Bundesregierung uns heute vorlegt, ist längst
berfällig. Meine Kollegin von der SPD hat schon etwas
azu gesagt, dass die Chance vertan wurde, einem SPD-
ntrag zu diesem Thema zuzustimmen. Auch Die Linke
atte schon vor einer ganzen Weile im Zusammenhang
it dem TKG die Einführung eines Internetbuttons ge-
rdert.


(Stephan Thomae [FDP]: Das war noch verbesserungsbedürftig!)


ie haben die Chancen verpasst. Leidtragende sind auch
ie Verbraucherinnen und Verbraucher, die seit dieser
eit sehr viel Geld verloren haben. Im Endeffekt sind
chon viel zu viele Verbraucherinnen und Verbraucher in
ie Internetkostenfalle getappt. Wären Sie nicht so zö-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17863

Caren Lay


(A) )


)(B)

gerlich gewesen, hätte das alles verhindert werden kön-
nen.


(Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Haben Sie gerade nicht zugehört? – Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Das haben wir heute schon zum dritten Mal gehört!)


Des Weiteren sind die Regelungen, die jetzt vorge-
schlagen worden sind, aus unserer Sicht nicht weitrei-
chend genug. Wir wünschen – das können wir im Laufe
der Debatte weiter diskutieren – zum Beispiel wirksa-
mere Bußgelder. Die Gewinnmöglichkeiten für unseriö-
se Internetanbieter sind riesengroß. Man hat per Internet
schnell Zugriff auf ein Riesenpublikum. Die bisherigen
Bußgelder sind dagegen ein Witz und müssen tatsächlich
deutlich erhöht werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Weiter sagen wir als Linke: Wer von Internetabzocke
spricht, der darf auch über Inkassoangstmache nicht
schweigen. Ich habe sehr wohl vernommen, dass auch
die CDU/CSU dieses Thema heute angesprochen hat.
Ich bin gespannt, wie wir uns hier im Laufe des Gesetz-
gebungsverfahrens verständigen werden. Beides gehört
unmittelbar zusammen; denn das Zusammenspiel von
Internetabzockern und unseriösen Inkassofirmen ist gän-
gige Praxis.

Viele Menschen zahlen heute aus Angst selbst unbe-
rechtigte Forderungen. Oft lassen Phantasiepreise, Auf-
schläge und Zinsen die Gesamtkosten explodieren. Eine
Schuldnerberatung hat beispielsweise von folgendem
Fall berichtet: Es gab eine ursprüngliche Forderung in
Höhe von 20,84 Euro. Am Ende wurden 1 200 Euro ver-
langt.


(Mechthild Heil [CDU/CSU]: Dann hätte sie mal die 20 Euro bezahlt!)


Eine Auswertung der Verbraucherzentralen von 4 000
Verbraucherbeschwerden über Inkassofirmen hat erge-
ben: 99 Prozent der Verbraucherbeschwerden waren be-
rechtigt.

Es kann doch nicht sein, dass die Politik auf diese or-
ganisierte Abzocke nur alle paar Jahre mit wenigen zag-
haften Schritten antwortet. Ich finde, die Bundesregie-
rung hinkt den immer neuen Anbietertricks hoffnungslos
hinterher. Das halte ich aus verbraucherpolitischer Sicht
für eine Zumutung.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir als Linke fordern Maßnahmen, die konsequent und
vorausschauend sind. Wir werden die Bundesregierung
und die Koalition nicht an ihrer Rhetorik, sondern an der
Wirksamkeit ihrer Maßnahmen messen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Siegfried Kauder [VillingenSchwenningen] [CDU/CSU]: Welche Vorschläge haben Sie denn? Gehört haben wir nichts!)


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(C (D Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort die ollegin Nicole Maisch. Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen nd Kollegen! Das Problem, über das wir heute beraten, aben meine Vorrednerinnen und mein Vorredner erchöpfend dargestellt; das will ich nicht weiter auswalen. Millionen von Menschen sind betroffen. Die beutzten Internetseiten, die auf diesem Geschäftsfeld tätig aren, sagen vielleicht auch etwas über die Hobbies der eutschen aus: rezepte.de, routenplaner-service.de, geealogie.de. Quer durch die Hobbies der Deutschen sind iese dubiosen Firmen tätig. Der Abzocke durch diese Abofallen möchten Sie jetzt it der sogenannten Buttonlösung einen Riegel vor chieben. as begrüßen wir ausdrücklich; wir finden das gut. iese Lösung ist schon länger auf dem politischen arkt. Es hat etwas gedauert, bis sich Schwarz-Gelb iese Lösung zu eigen gemacht hat. Die Buttonlösung ist chtig, weil sie Folgendes anerkennt: Zwar kommt, wie ie Ministerin richtigerweise gesagt hat, oft überhaupt ein Vertrag zustande, das heißt, niemand müsste zahlen; ber juristische Laien, also alle, die nicht Jura studiert aben, wissen das oft nicht. Dieser Button ist also sinnoll, weil er auch für den juristischen Laien verständlich t. Natürlich stellen wir als Opposition immer dar, was ir nicht gut finden oder was man noch zusätzlich regeln önnte. Herr Wanderwitz hat ausgeführt, dass sich dieser esetzentwurf an dem orientiert, was durch die europäi che Verbraucherrechterichtlinie vorgegeben ist. Wir tellen uns deshalb die Frage, warum ein wesentlicher eil der Informationspflichten, die in der Richtlinie zum hema Button aufgeführt sind, nicht umgesetzt werden oll. Über den Button werden verschiedene Informationen egeben. Es wird informiert, dass Kosten entstehen und welcher Höhe. Man erfährt aber nichts über die Kün igungsmodalitäten. Wenn man über einen solchen Butn ein Abo für Klingeltöne oder anderes abschließt, äre es aber sinnvoll, nicht nur zu wissen, dass dies zum eispiel 5 Euro pro Monat kostet, sondern es wäre auch gisch, dass darüber informiert wird, wie man aus die em Abo wieder herauskommt. Dies wird durch die ichtlinie ohnehin ab 2013 vorgeschrieben. Deshalb chlagen wir vor, dass Sie in den Beratungen zum Geetzentwurf die vorvertraglichen Informationspflichten, ie Sie aufgenommen haben, um die Kündigungsmodatäten erweitern. So viel im Detail zum Gesetzentwurf. Wir kritisieren natürlich auch, dass es so lange gedaurt hat, bis dieser Gesetzentwurf vorlag. Die Buttonsung ist, wie gesagt, schon lange auf dem politischen arkt. Millionen von Fällen, Tausende Beschwerden je en Monat bei den Verbraucherzentralen waren nötig, 17864 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Nicole Maisch )

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714918400
Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714918500

(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Werden wir!)


(A) )

bis Sie sich dazu entschlossen haben, eine Lösung vor-
zuschlagen.

Ich habe schon davon gesprochen: Die rechtliche Si-
tuation ist das eine, die Realität in den Augen der juristi-
schen Laien, also der meisten Verbraucherinnen und
Verbraucher, ist das andere. Zu einem solchen unterge-
schobenen Vertrag gehört natürlich auch das Inkasso-
unternehmen. Entscheidend ist ja nicht, welcher Vertrag
zustande kommt, sondern, ob der Kunde wirklich zahlt.
Durch die deutliche Buttonlösung werden wir bestimmt
viele Verbraucherinnen und Verbraucher schützen, aber
das Problem mit den unseriösen Inkassounternehmen ist
dadurch nicht gelöst. Es gehören immer zwei dazu: der
eine, der den dubiosen Vertrag in irgendeiner Form an-
bahnt, und der andere, der den Verbrauchern das Geld
aus der Tasche zieht.

Im ELV-Ausschuss haben wir in dieser Woche mit
Freude zur Kenntnis genommen, dass zumindest Eck-
punkte für eine Regulierung der dubiosen Inkassounter-
nehmen geplant sind. Man muss aber sagen, dass inoffi-
zielle Eckpunkte bei den meisten schwarzen Schafen auf
dem Markt nicht unbedingt das große Zittern auslösen.


(Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Sie werden unruhig!)


Da muss man schon etwas mehr tun. Wir warten also auf
einen Gesetzentwurf statt inoffizieller Eckpunkte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich abschließend noch eines sagen. Das
Tempo, in dem sich im digitalen Zeitalter die Märkte
und damit auch dubiose Geschäftspraktiken entwickeln,
stellt an uns Politiker als Regulierer höhere Anforderun-
gen bezüglich der Geschwindigkeit, mit der wir reagie-
ren. Mein Eindruck hinsichtlich dieser Buttonlösung,
aber auch hinsichtlich der Maßnahmen gegen diese In-
kassounternehmen ist, dass die Politik mit Ihnen als
schwarz-gelbe Regierung vorweg bei diesem Tempo
nicht mithalten kann. Das finde ich schade. Wir können
nicht mit der Geschwindigkeit des analogen Zeitalters
auf verbraucherpolitische Herausforderungen der digita-
len Zeit reagieren. Das ist zu langsam. Das ist die Kritik,
die in diesem Zusammenhang geäußert werden muss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714918600

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt die Kollegin

Mechthild Heil.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Mechthild Heil (CDU):
Rede ID: ID1714918700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Mit der heute zu treffenden Entscheidung zur
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches lösen wir ein
weiteres wichtiges Verbraucherschutzversprechen des
Koalitionsvertrages ein. CDU/CSU und FDP haben ver-
einbart, ein verpflichtendes Bestätigungsfeld für alle
Vertragsabschlüsse im Internet zu schaffen. Wir wollen

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(C (D en Betrug im Internet eindämmen. Der Gesetzentwurf azu liegt heute auf dem Tisch. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Caren Lay [DIE LINKE]: Warum hat das denn so lange gedauert?)


Worum geht es? Wir sprechen von einer Button-
sung. Was ist das, und was wollen wir damit errei-

hen?


(Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Das wissen wir doch schon alles!)


aut einer aktuellen Untersuchung von Infas sind bereits
,4 Millionen deutsche Internetnutzer in eine Abofalle
etappt; das sind immerhin 11 Prozent aller deutschen
ternetnutzer. Bei den Verbraucherzentralen gehen bun-

esweit rund 22 000 Beschwerden im Monat ein.


(Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Habt ihr deswegen ein Jahr gewartet, um das Problem zu lösen?)


s geht um Kochrezepte, Horoskope, Fun-Videos und
stige Klingeltöne, die vom Nutzer als scheinbar kos-
nlose Dienste heruntergeladen werden. Oft steht auf
er Seite ganz prominent „gratis“ oder „free“. Weiter un-
n – versteckt – steht dann „kostenpflichtig“ oder viel-
icht auch „Nur frei für die erste von weiteren Lieferun-
en“. Andere Seiten ködern mit Sach- oder
eldgewinnen. Da werden Handys, Spielekonsolen oder
igitalkameras versprochen. Manch einer glaubt, der

inzige Schritt, der ihn noch vom Hauptgewinn trennt,
ei das Eintragen seiner persönlichen Daten in die

aske.

Auf die teilweise beträchtlichen Kosten wird meist
ur versteckt im Kleingedruckten hingewiesen. Bei eini-
en Anbietern muss man bis an das Ende der Seite scrol-
n bzw. blättern, um dann, versteckt zwischen zahlrei-

hen anderen Informationen, im Fließtext den
reishinweis zu finden. Leicht hat man, ohne es zu wol-
n, mit einem Klick ein ganzes Abo bestellt. Auch ver-

ierte Internetnutzer lassen sich so überrumpeln. Darauf
gen es diese Firmen an. Es geht ums schnelle Geldver-
ienen. Die Geschäftsidee ist Verschleiern, Verstecken,
erschweigen.

Klar ist: Schon heute müsste der Verbraucher meist
icht zahlen, weil kein rechtmäßiger Vertrag zustande
ekommen ist. Aber wer weiß das schon? So etwas kön-
en Juristen gut beurteilen; aber die meisten Verbraucher
ind nun einmal keine Juristen. Als Verbraucher fühlt
an sich dann hilflos, wenn eine Rechnung ins Haus
attert. Man ärgert sich vielleicht über sich selber, gibt
m Ende aber zermürbt auf und zahlt, auch weil man den
ang vors Gericht scheut. Doch damit, meine Damen
nd Herren, ist heute Schluss. Zukünftig gilt: Der Ver-
ag kommt nur zustande, wenn der Kunde auf eine ge-
onderte Schaltfläche, also auf einen Button, klickt. Dort
uss zu lesen sein: „zahlungspflichtig bestellt“. Es müs-

en Angaben zum Preis, zur Vertragslaufzeit und zu den
esamtlieferkosten zu finden sein. Diese einfache und
lare Lösung schützt die Kunden vor Kostenfallen und
tärkt das Vertrauen der Kunden ins Internet.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17865

Mechthild Heil


(A) )


)(B)

Wir wählen für die Schaltflächenlösung einen tech-
nikneutralen Ansatz. Sie funktioniert auf Tablet-PCs und
Smartphones genauso wie auf Spielekonsolen. Dies be-
deutet für den Handel erheblich niedrigere Umsetzungs-
kosten.

Ein schwieriger Punkt im Hinblick auf Abofallen wa-
ren in den letzten Wochen und Monaten vor allen Din-
gen Smartphones. Hier gab es ein weiteres Schlupfloch.
Schon ein Klick auf ein Werbebanner konnte dazu füh-
ren, dass unseriöse Anbieter über den Telefonprovider
Beträge für eine fiktive Dienstleistung in Rechnung
stellten und sie einfach vom Konto der Mobilfunknutzer
abzogen, in der Fachsprache „WAP-Billing“ genannt.
Dieses Schlupfloch haben wir bereits vor einigen Wo-
chen im Telekommunikationsgesetz erfolgreich ge-
schlossen.


(Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Jeder Smartphonenutzer kann diese Form der Abrech-
nung jetzt sperren lassen, um sicherer im Internet zu sur-
fen.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Die Verbraucherzentralen tragen unsere Lösung un-
eingeschränkt mit. Wir haben in Brüssel durchgesetzt,
dass diese Buttonlösung europaweit zum Standard wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Nur die Freunde der Opposition meckern weiter herum –
auch heute. Schade, dass Sie nicht gutheißen können,
was wirklich gut gemacht ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Caren Lay [DIE LINKE]: Es hat einfach zu lange gedauert! – Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Wir meckern nicht, wir stellen fest! – Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Viel zu langsam!)


Wir helfen den Internetnutzern, und das ist das, was
zählt. Auf diesem Weg werden wir weitergehen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714918800

Das Wort hat jetzt die Kollegin Kerstin Tack für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Kerstin Tack (SPD):
Rede ID: ID1714918900

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und

Kollegen! Vom Grundsatz her begrüßen wir diesen Ge-
setzentwurf, und wir werden ihm auch zustimmen. Das
können wir an dieser Stelle sagen; denn es ist ja ganz
eindeutig, dass unser Vorschlag, den wir hier vor sage
und schreibe 525 Tagen eingebracht haben, von Ihnen
abgelehnt worden ist. Ich finde, nach 525 Tagen kann
man sehr wohl einmal sagen: Das hat aber lange gedau-
ert, Frau Ministerin.

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(C (D (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Als wir das hier vor über 500 Tagen debattiert haben,
at ein Kollege aus der CDU gesagt, man wolle das mit
uropa regeln, aber wenn das so lange dauert, dann
olle man im Herbst einen eigenen Entwurf vorlegen.


(Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Passt doch!)


ie Rede war vom Herbst des Jahres 2010.


(Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Sie wissen doch gar nicht, was gemeint war!)


eute, kurz vor Weihnachten des Jahres 2011, kommen
ir endlich zu einem Gespräch über einen völlig not-
endigen Gesetzentwurf. Aber wir wissen ja, dass die
undesregierung immer ein wenig mehr Zeit braucht,
ls man das erwarten kann, wenn es darum geht, die Ab-
ocke und die Kosten der Verbraucherinnen und Ver-
raucher zu minimieren.

Die Baustellen sind groß. Ich nenne zum Beispiel die
egelungen zur Einführung eines Rechts auf ein Giro-
onto für jedermann, die Gebühren für ein Pfändungs-
chutzkonto, die Gebühren für das Onlinebanking, die
ebühren für das Geldabheben an Bankautomaten, die
berzogenen Dispozinsen und die Einführung von Ho-
orarberatungen. Allüberall gibt es offene Baustellen
nd geht es um die Abzocke von Verbraucherinnen und
erbrauchern und um Kosten, die ihnen entstehen, ohne
ass es gesetzlich reglementiert werden würde.


(Beifall bei der SPD – Marco Wanderwitz [CDU/ CSU]: Man kann nicht alles regeln!)


ie Kosten, die dadurch entstanden sind, dass so lange
ewartet wurde, wurden hier mehrfach angedeutet.

Dieser Gesetzentwurf ist aber eben nur ein Teil des
roblems. Die Inkassounternehmen, die mit ihren Me-
oden dazu beitragen, dass die Kosten der Verbraucher

och um ein Vielfaches steigen, sind die andere Seite
erselben Medaille. Die Inkassounternehmen verhalten
ich teilweise wie im Wilden Westen und bewegen sich
darin sind wir alle uns hier sehr einig – jenseits von
ut und Böse.

Auch das will ich deutlich sagen: Eckpunktepapiere
ichen hier nicht aus.


(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)


ls es um die Honorarberatung ging, haben wir gesehen,
ie die Bundesregierung mit einem vorgelegten Eck-
unktepapier umgeht. Die Aussage zum Zeitplan ist:
ründlichkeit vor Schnelligkeit.


(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das BMJ liefert!)


h glaube nicht, dass es noch in dieser Wahlperiode, wie
nge sie auch noch gehen mag, zu einer Regelung für
onorarberater kommt, und ich nehme Ihnen auch nicht

b, dass aus dem Eckpunktepapier zur Reglementierung

17866 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Kerstin Tack


(A) )


)(B)

der Inkassounternehmen noch in dieser Wahlperiode
eine Regelung hervorgehen wird.


(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Da halte ich aber dagegen!)


Darüber können wir uns gerne unterhalten, wenn ein Ge-
setzentwurf vorgelegt wird, sodass wir über geeignete
Maßnahmen reden können.

Ich glaube, dass Maßnahmen gegen Kostenfallen im
Internet überfällig sind. In der Tat werden Opfer von
Kostenfallen sehr häufig die Menschen, die an ganz vie-
len Stellen, mehrfach, zum Opfer werden, also nicht nur
durch Kostenfallen im Internet oder durch Inkassounter-
nehmen. Das sind ganz häufig Leute, die aufgrund ihrer
eigenen Situation immer wieder eines besonderen Schut-
zes bedürfen.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir bei diesem Gesetz-
entwurf nicht nur darüber reden, wie die Verbraucherin-
nen und Verbraucher vor einer Abzocke geschützt wer-
den können, sondern auch darüber, dass für uns der
Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher auch in
anderen Bereichen vor den Interessen der Unternehmen
und der Wirtschaft steht. Hier warten wir auf Ihre Vor-
schläge, auch für all die anderen Baustellen, die ich ge-
rade genannt habe.

Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind darauf
angewiesen, dass Sie tätig werden. Also, bitte schön, le-
gen Sie vor!

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714919000

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 17/7745 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann
ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus
Kurth, Fritz Kuhn, Kai Gehring, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

Das Bildungs- und Teilhabepaket – Leistungen
für Kinder und Jugendliche unbürokratisch,
zielgenau und bedarfsgerecht erbringen

– Drucksache 17/8149 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Wi-
derspruch? – Das ist nicht der Fall.

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(C (D Dann eröffne ich die Aussprache und erteile als ersm Redner dem Kollegen Markus Kurth von Bündis 90/Die Grünen das Wort. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehr n Damen und Herren! Es ist Weihnachten, die Zeit, um akete zu packen. Auch Frau von der Leyen hat – schon or einigen Monaten – ein Paket gepackt, nämlich das ildungsund Teilhabepaket. Es zeigt sich jetzt vor eihnachten, nach nicht einmal einem Jahr: Es ist ein aket, das man überhaupt nicht auspacken kann. Bei der Inanspruchnahme von Leistungen aus dem ildungsund Teilhabepaket zeigt sich nach den Umfraen auch des Deutschen Städteund Gemeindebundes om Oktober dieses Jahres ein erschreckendes Bild. eim Mittagessen etwa sind es ganze 27,4 Prozent der nspruchsberechtigten, die in den Genuss der Leistung ommen. Nun könnte man da noch sagen: Gut, es sind icht in allen Schulen und Kindertagesstätten die entprechenden Infrastrukturen – Küchen, Essen – vorhanen. Aber schauen wir einmal auf die sogenannte Teilhaepauschale, also die 10 Euro, die monatlich für Sporterein, Musikschule, kulturelle Bildung und anderes ehr zur Verfügung stehen sollen. Da ist es gerade einal jedes sechste Kind, das in den Genuss dieses Betra es kommt. Bei der Lernförderung sieht es noch viel bitrer aus. Da sind es ganze 5 Prozent der Kinder, die iese Förderung in Anspruch nehmen. Das ist die Situation fast zwei Jahre nach dem Urteil es Bundesverfassungsgerichts zu den Regelsätzen. Das uss man sich einmal vor Augen führen. Ein Jahr haben ie gebraucht, um ein Gesetz zu machen. Dann folgte in Krisengipfel dem nächsten. Am 18. April war bereits er erste, am 28. Juni der nächste. Zuletzt gab es einen m 2. November 2011. Jedes Mal wurden Verbesserunen versprochen. Ich habe auch angesichts der Zahlen des Städteund emeindebundes einmal eine eigene Umfrage bei Ratsaktionen und Kreistagsfraktionen gemacht. Ich habe inen ganz guten Rücklauf bekommen. Es ist wirklich in Befund, der einen nicht kaltlassen kann. Natürlich läuft nicht alles schlecht. Viele geben sich irklich Mühe, das trotz der unzulänglichen Rahmenbeingungen, die Sie gesetzt haben, umzusetzen. Aber dieer Antrag ist notwendig; denn die Kinder können nicht arten. Eine Ursache für die schlechte Umsetzung ist wirkch die Bürokratie. Ich zitiere einmal zwei, drei Sätze us den Rückmeldungen, die ich erhalten habe. Der Soialamtsleiter von Dortmund sagt: Die Stunde der Bürokraten hat geschlagen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17867 Markus Kurth )

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714919100

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(A) )

Aus der Ratsfraktion Hamm bekomme ich die Rück-
meldung:

Die Vorgaben der Bundesregierung verhindern
mehr, als sie fördern. Ein Hoch auf die Bürokratie.

Die Verwaltung verschlingt nach meinen Hochrech-
nungen bis zu 30 Prozent der gesamten Mittel. Das Ein-
zige, was wirklich boomt, sind die Neueinstellungen in
den Sozialämtern, um das Ganze abzuwickeln.

Es gibt etliche Widersprüche und Verfahren, weil es
unbestimmte Rechtsbegriffe gibt. Nehmen wir zum Bei-
spiel die Lernförderung, bei der überhaupt nicht richtig
klar ist, zu welchem Zeitpunkt vor dem Schuljahres-
wechsel man überhaupt in den Genuss der Lernförde-
rung kommt. Muss man schon kurz vor „ungenügend“
oder „mangelhaft“ stehen, oder reicht auch die Gefahr,
dass man in den Bereich „ausreichend-minus“ oder
„mangelhaft“ kommt? Es gibt Verwaltungsstellen, die
sagen: Warten wir erst einmal ab. Wir machen die Lernför-
derung im Mai, zwei Monate vor der Zeugnisvergabe. – Es
gibt einen Flickenteppich von unterschiedlichen Rechts-
verhältnissen und einen ganz hohen bürokratischen Auf-
wand bei Antragstellern, Schulen, Vereinen und Behör-
denmitarbeitern.

Sehr treffend, finde ich, hat es ein Lehrer vom Neu-
köllner Albert-Schweitzer-Gymnasium ausgedrückt – das
war vorgestern im Tagesspiegel nachzulesen –, der sagte:

Im Verhältnis zu den Summen, die bewilligt wer-
den, ist das

– er meint den bürokratischen Aufwand –

schlicht Wahnsinn.

So ist es auch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Was macht diese Bundesregierung? – Sie stiehlt sich
aus der Verantwortung. Frau von der Leyen steht hier
und verkündet und verkündet. Der Staatssekretär Ralf
Brauksiepe antwortet auf meine Frage am 30. November
2011:

Die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes
obliegt nicht der Bundesregierung; denn Träger …
sind die Kreise und kreisfreien Städte.

Er schließt:

Der Bund hat hierbei keine Regelungs- und Ent-
scheidungskompetenz.

Sie stehlen sich aus der Verantwortung. Ich fordere Sie
auf: Beraten Sie unseren Antrag! Wir machen sehr ziel-
genau und differenziert Vorschläge, was man auszahlen
und was man über die Infrastruktur abwickeln kann. Ma-
chen Sie endlich einen Schritt, damit wir nicht nächstes
Jahr zu Weihnachten wieder sagen müssen: Das ist ein
Paket, das man nicht auspacken kann.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und das zu Weihnachten! Unglaublich!)


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(C (D Vielen Dank. Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt das Wort die ollegin Heike Brehmer. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Unsere Kollegen von der Fraktion Bündis 90/Die Grünen haben uns diesen Tagesordnungsunkt beschert. Aber, Herr Kurth, wie sagten Sie so chön? Wir sollen Ihr Paket auspacken. Aber wir wollen r Paket gar nicht auspacken. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schwerer Fehler!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714919200

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Heike Brehmer (CDU):
Rede ID: ID1714919300

enn, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von den
rünen, eine echte Chance, wie Sie es nennen, haben
ir Kindern und Jugendlichen gegeben, als wir von der

hristlich-liberalen Koalition gemeinsam mit der SPD
as Bildungspaket im Frühjahr beschlossen haben. Wir
aben rund 2,5 Millionen Kindern Teilhabe an gesell-
chaftlichen Aktivitäten und Bildungsangeboten ermög-
cht. Ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes er-
ält nahezu jedes zweite Kind in unserem Land eine
eistung aus dem Bildungspaket.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Das ist zu wenig!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,
sbesondere Herr Kurth, vielleicht waren Sie mit Ihren
edanken bei der Ausformulierung Ihres Antrags noch
der vorletzten Legislaturperiode, als Sie die Hartz-IV-
esetze auf den Weg gebracht haben. Anders als die
PD haben Sie sich aus der Verantwortung gestohlen, als
s in diesem Frühjahr darum ging, wie das Bildungs-
aket bzw. das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
mgesetzt werden kann.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Da hat die arme SPD alleine gestanden!)


Mit dem Gesetz zum Bildungs- und Teilhabepaket ha-
en wir erstmals seit der Einführung der Hartz-IV-Ge-
etze eine sachbezogene, zielgerichtete Leistung auf den
eg gebracht, die dorthin fließt, wohin sie direkt soll:

irekt zum Kind.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie kommt nur nicht an!)


s ist erfreulich, dass das Bildungs- und Teilhabepaket
ach ersten Anlaufschwierigkeiten inzwischen von im-
er mehr Familien in Anspruch genommen wird. Bis
ktober 2011 haben 44 Prozent der Anspruchsberechtig-
n für ihre Kinder Leistungen aus dem Bildungspaket
eantragt. Einen Monat später ist die durchschnittliche
ntragsquote sogar auf mehr als 45 Prozent gestiegen.
ie Tendenz steigt. Das zeigt: Es gibt eine Bereitschaft

17868 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Heike Brehmer


(A) )


)(B)

bei den Familien, das Bildungspaket zu beantragen und
zu nutzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gucken Sie sich die einzelnen Leistungen an!)


Dass diese Bereitschaft noch mehr zunimmt, wünsche
ich mir für die Zukunft.

Bedauerlicherweise verläuft die Antragstellung in der
Praxis trotz positiver Entwicklung schleppend. Das Bun-
desministerium für Arbeit und Soziales hat diese Ent-
wicklung beobachtet und sehr schnell reagiert.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch keine Entscheidungskompetenz! Das sagt der Staatssekretär!)


– Hören Sie doch einmal zu! Dann lernen Sie vielleicht
dazu. – Bereits zum dritten Mal in diesem Jahr hat un-
sere Ministerin Frau von der Leyen einen runden Tisch
einberufen und gemeinsam mit Vertretern von Bund,
Ländern und Kommunen die Umsetzung des Bildungs-
paketes beraten. Der beim letzten runden Tisch verein-
barte Globalantrag geht in die richtige Richtung. Mit
ihm soll die Beantragung des Bildungspaketes für die El-
tern einfacher gestaltet werden. Die Kommunen feilen
derzeit daran, diesen vereinfachten Antrag nach ihren
Möglichkeiten umzusetzen. Dort, wo durch das Bil-
dungspaket zusätzlicher Aufwand entsteht, können die
Behörden mehr Personal einstellen. Der Bund stellt da-
für 163 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Die
christlich-liberale Koalition ermöglicht damit Teilhabe
und beugt Ausgrenzung von Kindern und Jugendlichen
vor.

Aus meinem Wahlkreis Harz und dem Salzlandkreis
kann ich berichten, dass die meisten Zuschüsse zum Mit-
tagessen und zum Schulbedarf genutzt werden. Diese
Leistungen wurden vom Kitaalter bis zum Abitur bean-
tragt. Die Nachfrage steigt. Dies beweist die wachsende
Zahl der Anträge seit dem Sommer.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714919400

Frau Kollegin Brehmer, der Kollege Kurth möchte Ih-

nen eine Zwischenfrage stellen. Erlauben Sie das?


Heike Brehmer (CDU):
Rede ID: ID1714919500

Nein.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714919600

Nein, keine Zwischenfrage.


(Anette Kramme [SPD]: Schämen Sie sich nicht?)



Heike Brehmer (CDU):
Rede ID: ID1714919700

Die Kommunen sind bemüht, die Möglichkeit der

Antragstellung an die Eltern vor Ort heranzutragen. Ei-

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(C (D ige Landkreise haben sogar jeden einzelnen Hartz-IVaushalt angeschrieben und eine Telefonhotline eingechtet. Zusätzlich werden Eltern über Kindergärten, chulen und die kommunalen Einrichtungen angesprohen. Es liegt im Verantwortungsbewusstsein der Eltern, rem Kind mit Hilfe eines Antrages die Chance auf eilhabe zu geben. Die christlich-liberale Koalition öchte die Eltern nicht aus ihrer Verantwortung entlas en. Ich möchte an dieser Stelle auch erwähnen, dass es reional unterschiedlich ermäßigte Musikschulbeiträge der freies Mittagessen gibt oder in manchen Vereinen ogar keine Beiträge gezahlt werden und so Kindern und ugendlichen eine Teilhabe ermöglicht wird. Es ist uns gelungen, das Bildungspaket bei voller ostenerstattung durch den Bund in kommunale Zustänigkeit zu überführen. Was Sie in Ihrem Antrag äußern, ebe Kollegen, ist schlichtweg ungerechtfertigt. Schließch haben wir uns beim Bildungspaket bewusst für das achleistungsprinzip entschieden. Mit der Vereinfahung des bürokratischen Aufwands sind wir Eltern und ehörden auf praktischem Weg entgegengekommen. un ist es an ihnen, diese Chance auch zu nutzen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen arkus Kurth das Wort. (Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Jetzt aber kurz, Herr Kurth!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714919800


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714919900

Da viele zu Weihnachtsfeiern müssen, mache ich es

urz. – Ich möchte Sie darauf hinweisen, Frau Brehmer,
ass die Inanspruchnahmequote von 45 Prozent, die Sie
enannt haben, vor allen Dingen deswegen zustande
ommt, weil das sogenannte Schulbasispaket, das es
chon vorher gegeben hat, also etwa Zuschüsse zu
chulbüchern, natürlich weiterhin in Anspruch genom-
en wird. Wenn wir uns das differenziert anschauen,
ittagessen, Teilhabepauschale, Lernförderung, dann

ommen wir auf eine wesentlich geringere Quote.

Sie haben gesagt: Der Bund stellt noch mehr Geld für
erwaltungskosten zur Verfügung. Ich wollte Sie wäh-
nd der Debatte fragen, ob Sie auch nur eine andere So-

ialleistung kennen, bei der das, was ausgereicht wird,
u dem, was für die Verwaltung verwendet wird, in ei-
em derart grotesken Missverhältnis steht, nämlich dass
berschlägig für jeden Euro, der ausgegeben wird,
0 Cent an Verwaltungskosten entstehen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714920000

Zur Erwiderung Frau Brehmer.


Heike Brehmer (CDU):
Rede ID: ID1714920100

Herr Kurth, Sie haben sicher recht: Es ist regional

ehr unterschiedlich, wie die Angebote genutzt werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17869

Heike Brehmer


(A) )


)(B)

Einige Einrichtungen bieten kostenfreies Mittagessen für
alle Kinder an. Deswegen kann man das nicht pauschal
auf die ganze Bundesrepublik beziehen und alles über ei-
nen Kamm scheren.

Auf der anderen Seite muss man sagen: Sie können
sich daran erinnern, dass ursprünglich die Bundesagen-
tur diese Aufgaben in voller Zuständigkeit übernehmen
wollte. Die Kommunen wollten aber Träger sein. Jetzt
sollen sie diese Aufgaben umsetzen und verantworten.
Auch haben sie die Kostenerstattung gefordert. Dem
sind wir nachgekommen und haben dem Rechnung ge-
tragen.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714920200

Das Wort hat jetzt die Kollegin Angelika Krüger-

Leißner von der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Angelika Krüger-Leißner (SPD):
Rede ID: ID1714920300

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen
gibt uns Gelegenheit, am Ende des Jahres nach der Ein-
führung des Bildungs- und Teilhabepaketes eine erste
Bilanz zu ziehen und zu schauen: Was ist gut gelaufen
und was nicht? Haben wir Kinder und Jugendliche über-
haupt erreichen können, denen wir mehr Chancen für
Bildung und Teilhabe geben wollten? Wie sieht es in den
Jobcentern und in den Grundsicherungsämtern aus?
Müssen wir gegebenenfalls etwas ändern? Meine spon-
tane Antwort darauf – ich bin Ihnen für den Antrag
dankbar – ist: Erstens. Es tut not, dass wir darüber reden.
Zweitens. Ganz im Gegensatz zu der Vorrednerin muss
ich sagen: Wir müssen Veränderungen vornehmen.

Reden wir zunächst über das Bildungs- und Teilhabe-
paket im ersten Jahr. Ministerin von der Leyen ist mit ei-
nem Paradigmenwechsel angetreten und hat verkündet:
Jedes bedürftige Kind bekommt Bildungs- und Teilhabe-
leistungen als Rechtsanspruch unter dem Motto: Kinder
sollen schnell zu ihrem Recht kommen. – Im Übrigen
kann das jeder auf der Internetseite des BMAS nachle-
sen.

Wie sieht es in der Praxis damit aus? Die Zahlen spre-
chen eine deutlich andere Sprache. Im Oktober konnte
registriert werden, dass erst 45 Prozent aller Anspruchs-
berechtigten Leistungen beantragt haben. Das ist weni-
ger als die Hälfte. Damit kann selbst eine Ministerin
nicht zufrieden sein, und unsere Fraktion ist damit noch
lange nicht zufrieden. Uns ist das einfach zu wenig.

Es entspricht auch nicht dem Urteil des Bundesver-
fassungsgerichtes, allen bedürftigen Kindern den Zu-
gang zu Bildung und Teilhabe zu garantieren. Ange-
sichts dieser Bilanz muss man sich die Frage stellen:
Warum bleiben eigentlich so viele Kinder und Jugendli-
che auf der Strecke? Was läuft da falsch?

Ich finde, dafür lässt sich eine Reihe von Ursachen
finden. Erstens ist das Bildungs- und Teilhabepaket kein
Gesamtpaket zum Beispiel in Form einer pauschalen

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(C (D eldleistung. Diese Leistung ist auch nicht mit einem esamtantrag zu beantragen. Wir sprechen von fünf leinen Einzelpäckchen: Nr. 1 Mittagsverpflegung, Nr. 2 usflüge und Klassenfahrten, Nr. 3 Schülerbeförderung, r. 4 Lernförderung und Nr. 5 Teilhabe am sozialen und ulturellen Leben. (Heike Brehmer [CDU/CSU]: Das ist doch super!)


Diese Päckchen hat die Ministerin wortreich und blu-
ig – wir erinnern uns – gepackt und verschnürt, so als
äre schon damals Weihnachten gewesen. In der Umset-

ung vor Ort ergeben sich daraus erhebliche Probleme.
inige Päckchen lassen sich relativ leicht aufschnüren,
um Beispiel die Mittagsverpflegung, die Ausflüge und
ie Klassenfahrten. Das wird am meisten beantragt.

Andere sind dagegen fest verschlossen oder lassen
ich nur unter erschwerten Bedingungen öffnen: Schü-
rbeförderung, Lernförderung und soziale und kultu-
lle Teilhabe. Gerade das letzte Päckchen ist außerhalb

er großen Städte ein Riesenproblem, weil im ländlichen
ereich geeignete Angebote schlichtweg fehlen.

Aber es gibt auch bürokratische Hürden, die erst ein-
al überwunden werden müssen, um an den Inhalt eines
äckchens zu kommen. Dazu zählen das umfangreiche
ntragsverfahren, das viele abschreckt, und ein Mehr an
ersonal zur Beratung und Bearbeitung der Anträge.
achweise müssen erbracht und mit den Trägern Ver-
äge geschlossen werden; es kommen Widerspruchsver-
hren hinzu, und es gibt zusätzliche Belastungen für die
ozialgerichte. Kurzum: In der Sozialgesetzgebung un-
eres Landes ist dieser Bürokratieaufbau einmalig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich kann Frau von der Leyen, die leider nicht hier ist,
ur sagen: Sie nimmt eine Spitzenstellung ein, und zwar
ine sehr negative. Denn 30 Prozent der Mittel gehen in
ie Verwaltung, und nur 70 Prozent stehen Kindern und
ugendlichen zur Verfügung. Das ist ein krasses Miss-
erhältnis zwischen Kosten und Nutzen. Die Leidtragen-
en sind Kinder und Jugendliche, die an dieses Paket
erankommen sollten. Ich finde, das kann nicht so wei-
rgehen.

Ich will Ihnen ein Beispiel aus meinem Wahlkreis
ennen: Die achtjährige Sahra möchte gerne wie ihre
reundin Mitglied in einem Judoverein werden. Dafür
uss sie einen Mitgliedsbeitrag von 26 Euro im Monat

ahlen. Sie braucht als Grundausstattung einen Judo-
nzug für 54 Euro. Für die Teilnahmegebühr für Wett-
ämpfe braucht sie jährlich 40 Euro. Wenn sie eine Prü-
ng bestanden hat und einen neuen Gürtel braucht, dann

ostet das 7 bis 10 Euro. Ihre Eltern, beide ALG-II-Be-
ieher, haben einen Antrag gestellt. Aber letztendlich
ichen die 10 Euro aus dem Teilhabepäckchen nicht

us. Sahra bleibt also der Judosport im Verein verwehrt.
amit bleibt sie ausgegrenzt und bekommt keine echte
hance.

Ähnlich sieht es mit dem Päckchen der Lernförderung
us. Ich kann mich der Meinung von Herrn Kurth nur

17870 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Angelika Krüger-Leißner


(A) )


)(B)

anschließen: Allein die bescheinigte Versetzungsgefähr-
dung zur Grundlage der Entscheidung zu machen, ist
viel zu kurz gedacht. Auch hier muss es Veränderungen
geben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714920400

Frau Kollegin, bitte kommen Sie zum Schluss.


Angelika Krüger-Leißner (SPD):
Rede ID: ID1714920500

Ja, vielen Dank. – Der letzte runde Tisch im Novem-

ber hat der Ministerin die Auflage erteilt, im SGB II
nachzujustieren. Ich denke, es ist an der Zeit, zum Bei-
spiel über einen Globalantrag nachzudenken. Dessen
Bearbeitung würde Zeit sparen, er würde entbürokrati-
sieren und auch die Hürden für den Antragsteller senken.
Dann könnte Frau Ministerin wirklich ihr Ziel erreichen:
Kinder sollen schnell an die Hilfen aus dem Bildungs-
und Teilhabepaket kommen.

Ich danke.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714920600

Jetzt spricht der Kollege Pascal Kober für die FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1714920700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen vom Bündnis 90/Die
Grünen, Sie scheinen mir schon ein sehr eigenartiges Po-
litikverständnis zu haben. Mit Ihrem heutigen Antrag
und vor allen Dingen mit der Geschichte, die zu diesem
Antrag geführt hat, erwecken Sie den Eindruck, als wür-
den Sie erst selbst die Probleme schaffen wollen, die Sie
nachher lösen wollen. Ich möchte Ihnen einmal in Erin-
nerung rufen, wie sich das alles historisch zugetragen
hat.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht schon wieder so einen Vortrag! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Textbausteine!)


Vielleicht erinnern Sie sich, dass es der ursprüngliche
Vorschlag der Bundesregierung war, die Administration
des Bildungs- und Teilhabepakets bei der Bundesagentur
für Arbeit und den Jobcentern anzusiedeln. Ich bin mir
sicher, dass eine einheitliche Regelung im gesamten
Bundesgebiet mit einem einheitlichen Antragsverfahren
und einem einheitlichen Abrechnungssystem geholfen
hätte, den Start des Bildungs- und Teilhabepakets zu er-
leichtern. Aber unter anderem Sie, liebe Kolleginnen
und Kollegen vom Bündnis 90/Die Grünen, wollten das
nicht. Sie wollten ausdrücklich die Verantwortung für
das Bildungs- und Teilhabepaket an die Kommunen
übertragen.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit vernünftigen Rahmenbedingungen!)


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(C (D ie wollten lokale Lösungen, und Sie haben geglaubt, ass damit Bürokratie verhindert werden könnte. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie sagen, dass die Kommunen schuld sind?)


Ich darf Sie einmal an Ihre eigenen Worte erinnern.
ährend der Hartz-IV-Verhandlungen, als Sie die Ver-

ntwortung gescheut und die Verhandlungen fluchtartig
erlassen haben, haben Sie in Ihrem Parteirat einen Be-
chluss gefasst. Ich darf Ihnen die entsprechende Pas-
age zitieren. Das Zitat aus Ihrem einstimmig im Partei-
t gefassten Beschluss lautet:

Gleichwohl haben wir in den langen Verhandlungen
bis zum gestrigen Abend wichtige Änderungen er-
reicht: Das Bildungs- und Teilhabepaket wird von
den Kommunen organisiert und nicht von den Job-
centern, wie sich dies die Arbeitsministerin vor-
stellte.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wer setzt denn die Rahmenbedingungen, Herr Kober?)


Seien Sie doch nicht so nervös, Herr Kurth.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind wir nicht!)


h zitiere weiter:

Hier haben wir … Bürokratie verhindert. … Und
die Kommunen haben

passen Sie jetzt einmal auf –

eine hohe Gestaltungsmöglichkeit bei der konkre-
ten Umsetzung der Leistungen vor Ort …


(Zurufe von der FDP: Hört! Hört!)


Dieses Zitat stammt aus einem einstimmigen Be-
chluss des Parteirats des Bündnisses 90/Die Grünen
om 21. Februar 2011.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie doch verhindert!)


Nur noch einmal zur Erklärung: Im Februar rühmen
ie sich, dass Sie eine angeblich überbordende Bürokra-
e verhindert haben,


(Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: So, so, Herr Kurth! – Gegenruf des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da wussten wir nicht, was Sie noch alles nachschieben an Bürokratie!)


nd heute beschweren Sie sich in dem vorliegenden An-
ag über eine angeblich überbordende Bürokratie des
ildungs- und Teilhabepakets. Hier, liebe Kolleginnen
nd Kollegen, zeigt sich wieder Ihre grüne Doppelmoral.
ie haben die einheitliche, unbürokratische Umsetzung
es Bildungs- und Teilhabepakets in den Verhandlungen
xplizit nicht gewollt.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17871

Pascal Kober


(A) )


)(B)

Sie wollten explizit, wie ich gerade vorgelesen habe,
„eine hohe Gestaltungsmöglichkeit bei der konkreten
Umsetzung der Leistungen vor Ort“. Jetzt wundern Sie
sich, dass die Kommunen gerade diese hohe Gestal-
tungsmöglichkeit der Leistungen vor Ort, inklusive eige-
nes Formularwesen und eigenes Abrechnungssystem,
selbst wahrnehmen und jede Kommune selbstständig
vorgeht. Dieser Flickenteppich, den Sie, Herr Kurth, ge-
rade in Ihrer Rede bemängelt haben, war vorauszusehen.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht!)


Aber Sie wollten ihn explizit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wenn Sie diese Gestaltungsmöglichkeiten der Kommu-
nen wollten, dürfen Sie sie heute nicht kritisieren. Es ist,
als ob Sie selber Feuer legen würden, um sich dann zu
beschweren, dass es brennt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])


Das aber ist keine seriöse Politik, und das lassen wir Ih-
nen auch nicht durchgehen.


(Beifall der Abg. Heike Brehmer [CDU/CSU] – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollen Sie denn jetzt machen? Sagen Sie mal, was Sie wollen!)


Mit dem Antrag, den Sie, liebe Kolleginnen und Kol-
legen vom Bündnis 90/Die Grünen, heute hier zur Bera-
tung vorgelegt haben, versuchen Sie, das Bildungs- und
Teilhabepaket wesentlich schlechter zu machen, als es
ist. Es steht außer Frage, dass das Bildungs- und Teilha-
bepaket Anlaufschwierigkeiten hatte und dass dies vor
allem mit seiner dezentralen Ausgestaltung zusammen-
hängt.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das hängt mit Ihren Vorgaben zusammen!)


Aber, wie gesagt, Sie wollten das so.

Anfang November hatten wir eine Inanspruchnahme
von 43,5 Prozent. Das ist deutlich besser als zu Beginn
und zeigt, dass die Nachsteuerungen, die der Runde
Tisch zum Bildungspaket, den die Bundesministerin ins
Leben gerufen hat, vorgenommen hat, förderlich sind.
Die Bundesregierung nimmt sich also der Probleme an.
Ich nenne Ihnen einmal ein Beispiel. Beim letzten Tref-
fen des Runden Tisches zum Bildungspaket wurde ver-
abredet, dass mit einem sogenannten Globalantrag beim
regelmäßigen Routinebesuch der Eltern im Jobcenter
erst einmal per Ankreuzen der allgemeine Anspruch der
bedürftigen Kinder auf das Bildungspaket festgehalten
werden kann. Wird später eine konkrete Leistung wie
Kosten für Mittagessen in Schule und Kita oder der Bei-
trag für den Sportverein abgerufen, so kann das Geld di-
rekt erstattet werden. Zudem sollen Kinder und Jugend-
liche auch nachträglich Geld für Ausflüge erstattet
bekommen, wenn eine rechtzeitige Antragstellung nicht
möglich war. Das alles zeigt, dass wir mit den Kommu-

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(C (D en tatsächlich zusammenarbeiten und sie dabei untertützen, gute Lösungen zu finden. Lieber Herr Markus Kurth, fragen Sie einmal Ihre achbarin, meine Wahlkreiskollegin Beate Mülleremmeke! In unserem Landkreis Reutlingen können wir ine bisherige Inanspruchnahme des Bildungsund Teilabepakets von sage und schreibe 85,8 Prozent verzeichen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist ja toll! Super! Da hat Frau Müller-Gemmeke uns gar nichts von erzählt!)


Außerordentlich gut gearbeitet“, kann ich die Men-
chen vor Ort, bei uns in Reutlingen, nur beglückwün-
chen.

Von diesen Best-Practice-Beispielen müssen andere
ommunen – Sie haben einige angeführt, Herr Kurth,
ie anscheinend in Ihrem Umfeld sind – lernen. Ich lade
ie, aber auch Ihre Kollegen von Bündnis 90/Die Grü-
en gerne einmal nach Reutlingen ein. Sie können dann
it den Verantwortlichen vor Ort sprechen und von die-

en guten Beispielen lernen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Machen Sie doch mal gemeinsam mit Frau MüllerGemmeke eine Presseerklärung!)


Im Übrigen, lieber Markus Kurth, eine hundertpro-
entige Inanspruchnahme des Bildungs- und Teilhabepa-
ets werden wir nicht erreichen können; denn nicht alle
inder benötigen das Bildungspaket und werden deshalb

uch in Zukunft nicht für jede Leistung des Bildungs-
nd Teilhabepakets einen Antrag stellen. Beispielsweise
t vielerorts das Schulmittagessen bereits kostenfrei.
ie Schülerbeförderung kostet nichts, und auch viele
ereine nehmen bedürftige Kinder ohne Beiträge auf.
eren Eltern werden dann keinen Antrag stellen und
erden damit von der Statistik nicht erfasst. Insofern ist

s falsch, anzunehmen, dass 100 Prozent der Anspruchs-
erechtigten am Ende die Leistungen dieses Bildungs-
nd Teilhabepakets zu 100 Prozent abrufen werden. Da-
ber sollten Sie noch einmal nachdenken.

Ich bitte Sie: Wenn Sie Politik gestalten wollen, dann
ollten Sie in Zukunft auch das Ende bedenken. Wenn
ie die kommunale Hoheit über das Bildungs- und Teil-
abepaket fordern, dann sollten Sie auch wissen, was das
rgebnis und die entsprechenden Schwierigkeiten sind.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714920800

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Rosemarie Hein

on der Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714920900

Danke schön. – Herr Präsident! Meine lieben Kolle-

innen und Kollegen! Am Montag fand sich in der Mag-
eburger Volksstimme ein kleiner Artikel über die
chließung des Lerntreffs in Olvenstedt, einem Stadtteil

17872 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Dr. Rosemarie Hein


(A) )


)(B)

von Magdeburg. Das Jobcenter hatte diesen bisher finan-
ziert, und es hat nun die Finanzierung eingestellt. Eine
der betreuten Schülerinnen hat sich seitdem in ihrem No-
tendurchschnitt von 2,8 auf 3,9 verschlechtert.

Was hat das mit dem vorliegenden Antrag zu tun?
Sehr viel. Es zeigt nämlich die Untauglichkeit des von
der Regierung beschlossenen Paketes für Bildung und
Teilhabe. Für den Fall der Schülerin aus Olvenstedt ist es
nämlich nicht gemacht. Erst wenn sie sich so weit ver-
schlechtert hat, dass sie versetzungsgefährdet ist – da ist
die Aussage der Bundesregierung leider sehr klar –, kön-
nen die Eltern Lernförderung beantragen. Ob der Be-
treuer des Lerntreffs ihr dann allerdings noch helfen
kann, ist völlig unklar. So funktioniert das. Funktionie-
rende Strukturen werden einfach abgeschafft. Das ist nur
ein Beispiel. Ich will weitere nennen.

Vereine, die Mitgliedschaften für sozial Benachtei-
ligte bisher kostenfrei angeboten haben, nehmen nun-
mehr Beiträge. Essenanbieter erhöhen die Preise, damit
sie nicht auf den Verwaltungskosten sitzen bleiben. An-
träge bleiben, vor allen Dingen in den Jobcentern, wo-
chenlang liegen, weil die Bearbeiterinnen und Bearbeiter
überlastet sind. Zudem werden gleiche Anträge in
gleichartigen Fällen sehr unterschiedlich beschieden,
weil zwei verschiedene Bearbeiter gleiche Fälle eben
nicht gleich entscheiden. Die Zuständigkeiten sind un-
klar, zum Beispiel: Wer bezahlt das Schulmittagessen,
das in den Schulferien im Hort ausgereicht wird?

Was die Schülerbeförderung betrifft, haben Sie recht
– das muss ich zu meinem Vorredner sagen –: Natürlich
bieten einige Länder kostenfreie Beförderung mindes-
tens bis zum Ende der zehnten Klasse, manche sogar bis
zur elften oder zwölften Klasse. Andere Länder gewäh-
ren Vorteile dieser Art gar nicht oder nur sehr mäßig.
Nicht abgedeckt sind aber jene Fälle, in denen Schüler-
beförderungskosten entstehen, weil zum Beispiel Auszu-
bildende einen sehr weiten Weg zum Blockunterricht ha-
ben. So etwas ist nicht vorgesehen; dafür gibt es keine
Leistungen aus diesem Paket.

Die 10 Euro für soziale Teilhabe decken viele Bedarfe
nicht ab; Beispiele dafür hat Frau Krüger-Leißner vorhin
genannt. In der Musikschule Magdeburg kostet die güns-
tigste Unterrichtsstunde im Monat 42 Euro. 7 Euro In-
strumentengebühr kommen hinzu. Solche Kosten sind
im Paket gar nicht berücksichtigt. Vielleicht liegt es auch
daran, dass dieser Teil nur von etwa 15 Prozent abgeru-
fen wird.

Man kann es sehr knapp zusammenfassen: Das Bil-
dungs- und Teilhabepaket geht an der Lebenswirklich-
keit der Kinder und Jugendlichen vorbei. Das ist das
Schlimme daran.


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist auch die Ursache dafür, dass nach einem halben
Jahr noch nicht einmal die Hälfte der Berechtigten An-
träge gestellt hat, selbst noch nicht einmal für eine oder
mehrere Leistungen, geschweige denn für alle Leistun-
gen. Dabei ist das Mittagessen noch Spitzenreiter. Lern-
förderung funktioniert am schlechtesten; Herr Kurth hat
die Zahlen genannt.

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(C (D (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist aber das Wichtigste!)


Dabei ist es offensichtlich, dass die Antragszahlen bei
en Jobcentern durchgängig prozentual etwas niedriger
egen als die bei den Sozialämtern. Ich frage mich, wa-
m. Aber auch wenn entsprechende Leistungen bean-
agt werden, ist es noch lange nicht sicher, dass sie auch
ewilligt werden.

Was für ein Fazit kann man daraus ziehen? Die Poli-
k, insbesondere die der Bundesregierung, ist eben nicht
ie bessere Anwältin der Kinder. Besser wäre es gewe-
en, das gesamte Geld samt Verwaltungskosten gleich
en Familien und Kommunen zu übereignen. Diese hät-
n das mit Sicherheit besser hinbekommen und damit
rdentlich etwas anfangen können, und es wäre zu
00 Prozent bei den Kindern angekommen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Bundesregierung sollte zügig daraus lernen; denn
013 ändert sich die Berechnungsgrundlage. Der Antrag
er Grünen bietet sicherlich eine gute Gelegenheit dazu.

Die Linke fordert seit Jahren eine Erhöhung der Re-
elsätze, noch besser wären eine bedarfsdeckende
rundsicherung und eine bessere Ausstattung der Kom-
unen.

Bei dem Dilemma mit dem Bildungs- und Teilhabe-
aket ist mir ein Märchen in den Sinn gekommen, näm-
ch das vom Fischer, der auf Geheiß seiner Frau Ilsebill
reimal zum Butt ging und „Manntje, Manntje, Timpe
e“ rief. Ich fand, dass es da zur heutigen Situation ein
aar Parallelen gibt, nur dass es sich bei den Forderun-
en der Kinder nicht um überzogene Forderungen han-
elt. Deshalb habe ich mich hingesetzt und ein Märchen
eschrieben, das sich darauf bezieht. Ich habe es auf
eine Internetseite gestellt, weil ich hier so viele Bei-

piele gar nicht nennen kann. Das Schlimme ist: Es ist
st nichts erfunden.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714921000

Das Wort hat jetzt der Kollege Paul Lehrieder von der

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1714921100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!

iebe Kollegen! Das Bildungs- und Teilhabepaket er-
öglicht Kindern und Jugendlichen aus Familien, die Ar-

eitslosengeld II, Sozialgeld, Leistungen nach § 2 Asyl-
ewerberleistungsgesetz, Sozialhilfe, Kinderzuschlag
der Wohngeld beziehen, mitzumachen, gemeinsam mit
en anderen zu musizieren und gemeinsam mit den ande-
n in der Schulkantine zu essen. Die Leistungen für be-

ürftige Kinder wurden im Rahmen des Bildungs- und
eilhabepaketes massiv ausgeweitet.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17873

Paul Lehrieder


(A) )


)(B)

Erlauben Sie mir zu Beginn der Rede, auch darauf
hinzuweisen, dass diese Leistungen bei Einführung der
Hartz-IV-Regelungen unter Rot-Grün, lieber Herr Kurth,
schlichtweg vergessen wurden. Das Bundesverfassungs-
gericht hat in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 aber
einen entsprechenden Sozial- und Teilhabeanspruch fest-
geschrieben. Wir versuchen, diesen bestmöglich zu er-
füllen:

So können nun bedürftige Kinder bei Sport und Kul-
tur mitmachen. Jedes Kind kann dank des Pakets Ver-
eins-, Kultur- und Ferienangebote nutzen. Bedürftige
Schülerinnen und Schüler können Lernförderung in An-
spruch nehmen. Es gibt Zuschüsse zu einem warmen
Mittagessen in Kita, Schule und Hort. Es gibt 100 Euro
pro Schuljahr für Lernmaterialien; das wurde früher als
Schulbedarfspaket bezeichnet.


(Zuruf von der LINKEN: Das gab es vorher schon!)


– Das gab es früher schon. Das ist richtig.


(Agnes Alpers [DIE LINKE]: Aber nicht aufgeteilt!)


Aber das ist in dieses Paket, in diesen großen Weih-
nachtssack, mit hineingepackt worden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Zudem ist die Erstattung der Kosten für eintägige Schul-
ausflüge möglich.

Meine Damen und Herren der Grünen, Sie schreiben
in Ihrem Antrag, dass ein pauschaler Kinderregelsatz bü-
rokratieärmer wäre. Das mag richtig sein; doch das Ziel,
gerade die bedürftigen Kinder gezielt dort zu fördern,
wo Bedarf besteht, würde auf diese Weise in vielen Be-
reichen weit verfehlt werden.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bedürftige Kinder haben einen Bedarf, wie das Wort schon sagt!)


Würde man beispielsweise jedem bedürftigen Kind, un-
abhängig davon, ob es eine Lernförderung braucht oder
nicht, einen statistisch ermittelten Pauschbetrag für
Lernförderung gewähren, so würde dies bedeuten, dass
Familien, für die tatsächlich Förderstunden bezahlt wer-
den müssen, keine ausreichende Unterstützung erhalten.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das schlagen wir gar nicht vor! Sie haben unseren Antrag nicht gelesen!)


Die bestehende Regelung erlaubt es doch gerade, jedes
Kind individuell dort zu fördern, wo Förderbedarf be-
steht.


(Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Eben nicht! Nur wenn sie versetzungsgefährdet sind! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben unseren Antrag nicht gelesen!)


– Ich habe den Antrag sehr wohl gelesen. Ich gehe schon
noch auf einige Passagen ein, Herr Kurth. Keine Angst!

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(C (D Meine Damen und Herren, grundsätzlich ist es so, ass alle Beteiligten an einem einfachen, unbürokratichen Verfahren interessiert sind. Elementare Grundätze eines ordnungsgemäßen Verwaltungshandelns üssen allerdings eingehalten werden. Folgende Verfahrensvereinfachungen wurden bereits mgesetzt: So gewährleistet ein Globalantrag durch Anreuzen auf dem Antragsfeld, dass der Bedarf aus dem ildungsund Teilhabepaket nicht übersehen wird. Zuem besteht die untergesetzliche Möglichkeit einer achträglichen Erstattung der Aufwendungen. Erlauben Sie mir eine Anmerkung: Ich habe bei der inführung des Bildungsund Teilhabepakets im Frühhr darauf hingewiesen, dass es zu Anlaufschwierigkein kommen kann. Natürlich muss bei den Bedürftigen, lso den Eltern und den Kindern, erst ein gewisser Beanntheitsgrad dieses Pakets vorhanden sein, damit es eantragt wird. (Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Die kennen das schon! Unbekannt ist das nicht mehr!)


Darüber hinaus betreibt gerade vor diesem Hinter-
rund die Bundesregierung eine intensive Öffentlich-
eitsarbeit und informiert über die Möglichkeiten des
ildungs- und Teilhabepakets. Durch den Runden Tisch
um Bildungspaket, der bereits vom Vorredner ange-
prochen wurde, wird das Programm begleitet und be-
ertet.

Im Frühjahr werden weitere Kommunikationsmaß-
ahmen durchgeführt werden. So werden Motivations-
nzeigen in Verbands- und Vereinszeitschriften der Be-
iche Sport, Musik und Kultur publiziert werden.
arüber hinaus wird im direkten Umfeld zu Discountsu-
ermärkten auf Plakaten für das Bildungs- und Teilhabe-
aket geworben.


(Iris Gleicke [SPD]: Na toll!)


edes Kind soll die Möglichkeiten des Bildungs- und
eilhabepakets wahrnehmen können.

Es ist wichtig, einen Appell an die Verantwortung der
ltern zu richten, die Angebote wahrzunehmen und die
ördermöglichkeiten für ihre Kinder zu nutzen. Eltern
aben hier eine ganz entscheidende Schlüsselrolle, die
ie ausfüllen müssen.

Dass viele Kinder ihren Anspruch auf Bildung und
eilhabe nicht wahrnehmen können, ist schlichtweg
lsch. Inzwischen profitieren rund 43 Prozent der Kin-

er in den Städten und Landkreisen, die in Grundsiche-
ng leben, von diesem Angebot; im Juni waren es in

en Landkreisen noch 29 Prozent und in den Städten nur
5 Prozent.


(Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Ja, aber das ist zu wenig!)


n dieser Stelle muss angemerkt werden, dass es durch-
us normal ist, wenn das Bekanntwerden einer neuen
örderung etwas Zeit braucht, um sich zu etablieren.


(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Genau!)


17874 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Paul Lehrieder


(A) )


)(B)

Sie haben es selbst angesprochen, Frau Kollegin
Krüger-Leißner: Haben wir genügend Kinder erreicht?
Sie haben natürlich recht: Wir haben sie noch nicht alle
erreicht. Die Zahl reicht bislang noch nicht aus. Hier
müssen wir noch etwas tun; das habe ich bereits ange-
sprochen. Die Zahlen beweisen aber, dass wir auf einem
guten und richtigen Weg sind.

Herr Kurth, Sie haben eine Umfrage gemacht. Ich
habe mich auch erkundigt, und zwar bei meiner Kom-
mune, in meinem Wahlkreis Würzburg. Hier leben 2 200
bezugsberechtigte Kinder. Seit Inkrafttreten des Bil-
dungs- und Teilhabepakets gingen beim dortigen Job-
center 1 700 Anträge ein. Sie sehen, das Paket kommt
an.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Differenzierte Zahlen bitte! Wie viele Kinder haben Lernförderung bekommen, Herr Lehrieder?)


Ich freue mich, dass bei Ihnen die Erfolgsquoten ähnlich
hoch sind. Das heißt: Sie sprechen wider besseres Wis-
sen von einer anderen Situation als der, die Sie in Ihrem
Wahlkreis tatsächlich wahrnehmen. Das muss auch ein-
mal gesagt werden.

Meine Damen und Herren, die christlich-liberale Ko-
alition sorgt dafür, dass bedürftige Kinder gefördert wer-
den und Chancen haben, genau wie andere Kinder auch.
Wir begleiten den Erfolg des Programmes und erwarten
im Frühjahr 2012 die Ergebnisse einer in Auftrag gegebe-
nen unabhängigen Studie des Instituts für Sozialfor-
schung und Gesellschaftspolitik. Denn der gute Wille al-
lein reicht hier nicht aus; das Programm muss ankommen
und angenommen werden. Und genau dafür setzen wir
uns ein.

Lieber Kollege Kurth, ich bin für Ihre konstruktiven,
kritischen Anmerkungen immer sehr dankbar. Wir be-
achten, was Sie in Ihrem Antrag schreiben; aber wir wer-
den diesen Antrag heute natürlich ablehnen.


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ihnen wünsche ich ein gesegnetes Weihnachtsfest und
besinnliche Stunden mit Ihren Familien.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714921200

Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt

erteile ich das Wort der Kollegin Gabriele Hiller-Ohm
von der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1714921300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

sind mit der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepa-
kets für bedürftige Kinder überhaupt nicht zufrieden.


(Iris Gleicke [SPD]: Wohl wahr!)


Ja, es ist ein bürokratisches Monster. In manchen Städten
sind bis zu fünf unterschiedliche Behörden zuständig.

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(C (D (Pascal Kober [FDP]: Wahrscheinlich SPD-regiert!)


ein Wunder, dass sich viele Antragsteller in diesem La-
yrinth verirren und die Leistungen dann nicht bei den
indern ankommen! Das müssen wir ändern!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Schade, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen,
ass Sie sich im letzten Jahr im Vermittlungsausschuss
urückgezogen haben


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dieses Jahr!)


nd nicht mit uns gemeinsam bei der Gestaltung des Bil-
ungs- und Teilhabepakets gekämpft haben. Wir hinge-
en haben viele Verbesserungen für die Kinder und Ju-
endlichen durchgesetzt. Einsatz zur richtigen Zeit und
m richtigen Ort lohnt sich also.


(Beifall bei der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 5 Euro Regelsatzerhöhung!)


Wir haben im Vermittlungsausschuss auch Ideen vor-
estellt, wie die Leistungen diskriminierungsfrei und
nbürokratisch bei den Kindern und Jugendlichen an-
ommen können. Diese Vorschläge wurden von der
inisterin allerdings nicht aufgegriffen.

In meinem Wahlkreis in Lübeck beispielsweise gab es
ereits vor dem Bildungs- und Teilhabepaket einen gut
nktionierenden Bildungsfonds für bedürftige Kinder.
ieser wird von Schulen und Kitas selbst verwaltet.
ehrkräfte und Erzieherinnen kennen ihre Kinder
chließlich am besten und wissen, wo Förderbedarf be-
teht. In Hamburg gibt es übrigens ein ähnlich gutes Mo-
ell ohne riesigen Verwaltungsaufwand. Warum, so
age ich Sie, greift die Ministerin diese Vorschläge nicht
uf? Sie muss den Prozess steuern. Wer denn sonst?


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP: Die SPD-Oberbürgermeister!)


So wie es jetzt aussieht, wird Frau Ministerin von der
eyen zu Weihnachten auf ihren Bildungs- und Teilha-
epaketen sitzen bleiben, und die Kinder gehen bei der
escherung leer aus. Ist das der Plan, um den Haushalt
er Ministerin zu schonen? Wo, liebe Kolleginnen und
ollegen der Regierungsfraktionen, bleibt Ihr Einsatz
r die Kinder? Von Bildungsgerechtigkeit keine Spur!

Immer noch verlässt jeder zehnte Jugendliche die
chule ohne Abschluss.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Die meisten in SPD-regierten Ländern!)


hne mit der Wimper zu zucken, hat Ministerin von der
eyen trotzdem zum Beispiel die Gelder für das so wich-
ge Programm „Schulverweigerung – die 2. Chance“
rastisch gekürzt. Unglaublich ist das!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17875

Gabriele Hiller-Ohm


(A) )


)(B)

Wir fordern gute Bildungschancen für alle Kinder.
Auch wollen wir, dass jedes Flüchtlingskind, das bei uns
lebt, das Bildungs- und Teilhabepaket bekommt. Sie,
liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktio-
nen, haben dies abgelehnt. Hartherziger geht es ja wohl
gar nicht mehr.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Ein trauriges Weihnachten für Deutschlands Kinder!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden das än-
dern.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714921400

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/8149 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlos-
sen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Unterstützung der Fachkräftegewinnung
im Bund und zur Änderung weiterer dienst-
rechtlicher Vorschriften

– Drucksache 17/7142 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4. Ausschuss)


– Drucksache 17/8178 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Armin Schuster (Weil am Rhein)

Michael Hartmann (Wackernheim)

Dr. Stefan Ruppert
Frank Tempel
Dr. Konstantin von Notz

– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung

– Drucksachen 17/8185, 17/8178 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Jürgen Herrmann
Bettina Hagedorn
Florian Toncar
Steffen Bockhahn
Katja Dörner

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen vor, über den wir später namentlich
abstimmen werden.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Wi-
derspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das
so beschlossen.

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(C (D Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Reder dem Kollegen Armin Schuster von der CDU/CSUraktion das Wort. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin en und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Hern! Laut der aktuellen McKinsey-Studie Wettbewerbsktor Fachkräfte werden in Deutschland bis 2025 ,5 Millionen Arbeitskräfte benötigt, darunter etwa ,4 Millionen Akademiker. Arbeitgebern wird in dieser tudie empfohlen, bereits heute ihre Personalplanung ngfristiger auszurichten und eine klare, mit Zielkenn ahlen hinterlegte Fachkräftestrategie zu verfolgen. Die ngpässe von morgen sind längst nicht mehr Rohstoffe nd Absatzmärkte, sondern gut ausgebildetes Personal ird fehlen. „Uns geht nicht die Arbeit aus, uns gehen im Augenlick die Fachkräfte aus“, hat Bundesarbeitsministerin rsula von der Leyen die Situation zutreffend zusamengefasst. Für den öffentlichen Dienst bedeutet das, in en nächsten zehn Jahren 700 000 Nachwuchsstellen beetzen zu müssen. Wir stehen hier zusammen mit der irtschaft unter Zugzwang, aber eben auch in Konkurnz zur Wirtschaft. Deshalb wollen wir mit dem von der undesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Unrstützung der Fachkräftegewinnung im Bund die Wettewerbsfähigkeit des Bundes gegenüber anderen Diensterren und der Wirtschaft entscheidend stärken; denn as ist notwendig. Die CDU/CSU ist seit jeher die Partei des öffentlihen Dienstes. Wir stehen zu den Grundwerten des Befsbeamtentums, wollen sie aber gleichwohl maßvoll eiterentwickeln. Deshalb ist es unser Ziel, eine langistige Strategie zur Fachkräftegewinnung im Bund umusetzen. Begonnen haben wir in der vergangenen egislaturperiode mit der damals geschaffenen Dienstchtsneuordnung. Darauf folgte in dieser Legislaturpeode das Bundesbesoldungsund Versorgungsanpasungsgesetz, in dem wir zum Beispiel die Arbeitszeiten r ältere Beschäftigte flexibilisiert haben. Mit der heute vorliegenden Gesetzesinitiative schafn wir – wie in der vergangenen Woche mit der Wieder ewährung der Sonderzahlung – nochmals deutliche Anize auch im monetären Bereich für eine attraktive undesverwaltung. Wir stärken aber auch unsere soziale Vorbildfunktion ls familienfreundlicher Arbeitgeber. Künftig werden im undesdienst die Zeiten der Kinderbetreuung und der flege von Angehörigen bei der ersten Stufenfestsetzung ie berufliche Erfahrungszeiten angerechnet. Einige Beamte auf Probe alten Rechts, zum Beispiel eher gefahrengeneigten Tätigkeiten, warten bereits ehnlichst auf die Möglichkeit einer Lebenszeitverbeamng vor dem 27. Lebensjahr. Es war überfällig, das zu rmöglichen; wir machen das mit dem heute vorliegenen Gesetz. 17876 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Armin Schuster )


(Beifall bei der CDU/CSU)

Armin Schuster (CDU):
Rede ID: ID1714921500

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sehr gut!)


(A) )

Um die Attraktivität spezieller Berufsbilder im öffent-
lichen Dienst zu steigern, gibt es einen ganzen Fächer
von Maßnahmen, zum Beispiel den Personalgewin-
nungszuschlag, mit dem wir mit finanziellen Anreizen
systematisch auf Personalengpässe reagieren. Gezielt
sollen Fachkräfte, insbesondere Ärztinnen und Ärzte bei
der Bundeswehr oder IT-Fachkräfte bei der Polizei, ge-
wonnen werden können. Ob und, wenn ja, wie dieser
Zuschlag zum Einsatz kommt, liegt im Ermessen der
Personalstellen. Er ersetzt und erweitert die bisherigen
Sonderzuschläge und kann immerhin bis zu 20 Prozent
des Grundgehalts betragen, in Besoldungsgruppe A 13
zum Beispiel 690 Euro im Monat für längstens 48 Mo-
nate; das kann einmal verlängert werden. Ich glaube, das
ist ein starkes Anreizprogramm.

Ebenso werden wir Besoldungsverluste beim Wechsel
in den Bundesdienst ausgleichen. Landes- oder Kommu-
nalbeamte erleiden bei ihrem Einstieg im Bund oft Ein-
kommenseinbußen, beispielsweise der Rechtspfleger,
der aus Baden-Württemberg zum Bundesamt für Justiz
in Bonn wechselt. Diese Einkommenseinbußen werden
wir ausgleichen.

Ganz besonders freut mich, dass es uns gelungen ist,
verbesserte Einstiegsmöglichkeiten für IT-Fachkräfte
und Ingenieure im gehobenen Dienst zu ermöglichen.
Wie sehr dort der Schuh drückt, zeigt sich allein schon
bei der Bundeswehr: Im November 2011 waren 700 Stel-
len für Ingenieure unbesetzt. Künftig wollen wir des-
halb, dass IT-Fachkräfte im Eingangsamt A 10 und Inge-
nieure fakultativ im Eingangsamt A 11 eingestellt
werden können. Das ist ein sehr starkes Signal.

Die Wehrpflicht hat einen spürbaren Beitrag zur ärzt-
lichen Versorgung in der Bundeswehr geleistet; das ist
vielen vielleicht gar nicht bewusst. Durch die Ausset-
zung der Wehrpflicht wird es jetzt aber notwendig, die
Vergütung der Sanitätsoffiziere in den Bundeswehrkran-
kenhäusern zu verbessern und an die Vergütung im zivi-
len Gesundheitssystem anzugleichen. So werden wir die
ärztlichen Bereitschaftsdienste nunmehr deutlich attrak-
tiver vergüten.

Auch die Polizeizulage in der Bundesfinanzverwal-
tung wird durch dieses Gesetz neu geordnet. Über die
zulagenberechtigten Bereiche – ein nicht ganz einfaches
Verfahren – entscheidet künftig das BMF selbst. Das ist
deutlich unbürokratischer.

Eines war mir selbst sehr wichtig: Wir werden eine
Verpflichtungsprämie für polizeiliche Auslandsverwen-
dungen einführen und dadurch endlich die Vergütungs-
unterschiede zwischen bilateralen und europäischen Pro-
jekten beseitigen können. Das war überfällig; das weiß
jeder, der einmal draußen im Einsatz war.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


– Danke für die Mühe, Clemens.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich verspreche, dass es jetzt etwas interessanter wird.

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(C (D Meine Damen und Herren, zu diesen und einigen aneren Inhalten des Gesetzentwurfs gab es am Montag ieser Woche eine von der SPD beantragte Sachverstänigenanhörung. Ich habe jetzt die große Freude, Ihnen anz kurz Zitate aller sechs Sachverständigen mit Bezug uf das hier zu beratende Gesetz wiedergeben zu dürfen. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Hört gut zu! – Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Aber vollständig bitte!)


Peter Heesen vom dbb beamtenbund sagte: insgesamt
in wesentlicher Schritt in die richtige Richtung. – Karsten
chneider vom Deutschen Gewerkschaftsbund meinte:
chtiger Schritt. – Hans-Ulrich Benra vom VBOB und
ernd Niesen von der Gewerkschaft Technik und Natur-
issenschaft begrüßten den Gesetzentwurf. Die Ex-

taatssekretäre Lutz Diwell und Johann Hahlen bezeich-
eten die Verbesserungen als gut, erforderlich und
ngemessen. – Da man eine solche im Wesentlichen
bereinstimmende Zustimmung von allen Sachverstän-
igen in einer Anhörung selten erfährt, fühlt sich die
hristlich-liberale Koalition in ihrer Strategie sehr bestä-
gt. Wenn ich das so sagen darf: Wir sind wirklich sehr
ufrieden mit uns.

Das gilt natürlich auch für den vornehmlich von der
PD kritisierten Punkt der Verbesserung der Versorgung
on Beamten, die in den einstweiligen Ruhestand ver-
etzt werden. Meine Damen und Herren, wir sprechen
ier über einen Personenkreis von 422 Spitzenführungs-
räften, also von Staatssekretären, Abteilungsleitern,
otschaftern, dem Generalbundesanwalt, den Präsiden-
n der Sicherheitsbehörden BKA, BfV und BND. Für
iese Positionen suchen wir verständlicherweise die
esten. Aber genau jene, die bereits eine entsprechende
arriere und Laufbahn vorweisen können, zögern immer
fter, vor allem wegen der geltenden Versorgungsrege-
ng; denn wer ein solches Amt übernimmt, hat durch

as Maß an übertragener Verantwortung ein deutlich ge-
teigertes Risiko, nach verhältnismäßig kurzer Verwen-
ung ohne seinen Willen in den einstweiligen Ruhestand
ersetzt zu werden.

Nur wer dann mindestens fünf Jahre im Amt war, er-
ält heute für drei Jahre 71,75 Prozent seiner Bezüge.
anach bekommt er nur noch den deutlich geringeren
ersorgungssatz, der sich an seinen vorherigen Dienst-
eiten orientiert, und zwar für den Rest seines Lebens.
agegen würde ein normaler Beamter, der vorher bei-

pielsweise in B 6 war und bleibt, mit größter Wahr-
cheinlichkeit den Höchstpensionssatz aus diesem Amt
rreichen. Ein Beispiel: Ein 49-jähriger Beamter mit B 6
ürde so im Fall einer Berufung nach B 9 und Verset-

ung in den einstweiligen Ruhestand nach sechs Jahren
ber die gesamte Lebenszeit gerechnet über 400 000
uro verlieren.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Was würde er denn kriegen? Sagen Sie das doch einmal!)


lingt das für Sie attraktiv für die Besten, die wir su-
hen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17877

Armin Schuster (Weil am Rhein)



(A) )


)(B)


(Zuruf von der SPD: Nein, das ist ein Scheißjob! – Heiterkeit bei der SPD)


Die sehr nachteilige Regelung wurde im Jahr 1998
verabschiedet.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Und zwar von Ihnen! – Gegenruf des Abg. Clemens Binninger [CDU/CSU]: Man darf sich aber korrigieren!)


Wir werden mit dem Fachkräftegewinnungsgesetz nicht
die vor 1998 geltende Regelung wieder einführen, son-
dern lediglich die ersten drei Jahre im einstweiligen Ru-
hestand, in denen der Beamte einen Teil seiner Besol-
dung als Spitzenbeamter weiter erhält, für seine Pension
berücksichtigen. Es handelt sich also um eine sehr mo-
derate Verbesserung. Der Vorwurf der SPD, es handele
sich um einen goldenen Handschlag, ist deutlich über-
trieben. Heute ist das ein Handschlag aus verrostetem
Blech. Wenn wir das Gesetz verabschiedet haben, ist es
ein Handschlag aus zinkfreiem Edelstahl. Ich glaube, das
sind wir den verdienten Beamten auch schuldig.

Herr Hartmann, gestatten Sie mir eine persönliche
Anmerkung. Wir wollen attraktive Bewerber für Spit-
zenfunktionen gewinnen.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Die Besten wollen wir gewinnen!)


Vorzugsweise haben sie in der Verwaltung bereits erfolg-
reich Karriere gemacht und wollen dies auch perspekti-
visch weiterhin tun. Im Gegensatz zu Ihnen wollen wir
jedoch keine Bewerber, die leichtfertig damit einverstan-
den sind, bei hohem Verantwortungsrisiko im ungünsti-
gen Fall schlecht versorgt zu sein. Das können am Ende
eigentlich nur Jobhopper sein, denen das Risiko gleich-
gültig ist, weil sie sowieso nur eine kurzfristige Station
planen, bevor sie in die nächste Großkanzlei weiterzie-
hen.

Herr Hartmann, wenn Sie die Rückkehrmöglichkeit in
die Privatwirtschaft begrenzen möchten, wenn Sie die
Zahl der Externen in der Bundestagsverwaltung reduzie-
ren möchten, dann überlegen Sie bitte, was das heißt.
Wenn Sie es logisch durchdenken, dann stellen Sie fest,
dass unsere Lösung die richtige ist.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Natürlich!)


Die wollen Sie auch, Sie haben es nur noch nicht richtig
verstanden. Vielleicht wird das noch etwas. Es sind ja
noch ein paar Minuten.

Damit die Grünen nicht ganz leer ausgehen, komme
ich auf die zweite kritische Frage zu sprechen: das Amt
des Direktors beim Sachverständigenrat für Umweltfra-
gen.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bin ich jetzt gespannt!)


Mit unseren umwelt- und energiepolitischen Zielen ste-
hen wir vor einer Herkulesaufgabe.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das stimmt!)


Was ist eigentlich so ungewöhnlich daran, dass wir mit
dem Fachkräftegewinnungsgesetz eine Institution perso-

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(C (D ell und akademisch aufwerten wollen, die in diesem hemenfeld eine zentrale Rolle spielt? (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das werde ich Ihnen gleich erläutern! – Frank Schwabe [SPD]: Die will das aber gar nicht! – Gegenruf des Abg. Clemens Binninger [CDU/CSU]: Aber natürlich!)


ie erlauben mir sicher auch die Feststellung, dass die
ffentliche Einschätzung des Vorsitzenden des Sachver-
tändigenrates für uns Parlamentarier nicht das aus-
chlaggebende Kriterium sein kann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Reden Sie mal mit dem Sachverständigenrat!)


n dem Sturm im Wasserglas, den die Grünen hier we-
en eines schon gefühlten künftigen Dienstposteninha-
ers veranstalten, beteiligen wir uns nicht. Die Regie-
ng wird im kommenden Jahr unabhängig von
gendwelchen herumgeisternden Vermerken ein regulä-
s Stellenbesetzungsverfahren mit Ausschreibung

urchführen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714921600

Herr Kollege Schuster, erlauben Sie eine Zwischen-

age der Kollegin Bulling-Schröter?


Armin Schuster (CDU):
Rede ID: ID1714921700

Ja.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1714921800

Bitte schön.


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714921900

Herzlichen Dank für die Möglichkeit, eine Frage zu

tellen. – Sie haben den Sachverständigenrat für Um-
eltfragen angesprochen. Ich begrüße es, dass im Um-
eltbereich neue Stellen geschaffen werden sollen. Als
orsitzende des Umweltausschusses kann ich mich da-
ber nur freuen. Ich muss hinzufügen: Gerade um den

ozial-ökologischen Wandel zu begleiten, gehört noch
iel mehr dazu. Das wissen Sie alle. Ich denke, dieser
andel wird auch unterstützt. Wir wissen aber, dass der

orsitzende des Sachverständigenrates keine Stelle for-
ert und dass eine Stellenforderung auch nicht begrün-
et ist. Ich halte es für sehr seltsam, wenn Sie eine Stelle
esetzen, die von einem Gremium gar nicht gefordert
urde. Wenn man sich die Zeitungsartikel der letzten
eit dazu ansieht, muss man feststellen – ich sage das
ls Bayerin –: Das Ganze riecht sehr nach Amigos oder
eilschaften.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das gibt es nicht! – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das gab es früher mal!)



Armin Schuster (CDU):
Rede ID: ID1714922000

Eine Frage habe ich nicht gehört. Ich versuche, trotz-

em zu antworten. Ich will versuchen, zu erspüren, was
ie denken.

17878 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Armin Schuster (Weil am Rhein)



(A) )


)(B)


(Zuruf von der LINKEN: Man darf auch Anmerkungen machen!)


Wir reagieren – das dürfte allen Parlamentariern ein-
leuchten – eigentlich nie darauf, wenn Behördenleiter
etwas fordern oder eben nicht fordern. Stellen Sie sich
einmal vor, wir würden immer eine Stelle einrichten,
wenn ein Behördenleiter des Bundes sie fordert.
Genauso wenig interessiert uns im Parlament, wenn ein
Behördenleiter nichts fordert. Das ist nicht unser Thema.
Für mich ist das politische Thema:


(Bettina Hagedorn [SPD]: Sie wollen einen Maulwurf!)


Passt es in den Masterplan „Energie- und Umweltwende
in diesem Land bis 2022“?


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch lachhaft!)


Wir sind zu der Erkenntnis gekommen: Wir brauchen
derartige Aufwertungen, derartige Verbesserungen. Des-
wegen erlauben wir uns, ganz unabhängig vom Sachver-
ständigenrat, etwas Gutes zu tun, was sich vielleicht erst
später bemerkbar macht.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Bettina Hagedorn [SPD]: Damit tun Sie nichts Gutes!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714922100

Darf auch Frau Höhn Ihnen eine Zwischenfrage stel-

len?


Armin Schuster (CDU):
Rede ID: ID1714922200

Guten Tag, Herr Präsident!


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714922300

Einen wunderschönen guten Abend! Sie achten offen-

kundig besonders auf den Wechsel des amtierenden Prä-
sidenten. – Bitte schön.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714922400

Herr Abgeordneter, uns liegt ein Vermerk vor, der der

Schaffung dieser Stelle auf dubiose Art und Weise zu-
grunde liegt. Hier steht: Diese neue Stelle soll den Sach-
verständigenrat für Umweltfragen nach außen vertreten.

Hierdurch soll der SRU auch in seiner Außendar-
stellung dem unmittelbaren politischen Einfluss
von Rot-Grün entwunden und dauerhaft in den

(personal-) politischen Einfluss- und Steuerungsbe-

reich der Koalitionsfraktionen gebracht werden.


(Zurufe von der SPD: Aha! – Iris Gleicke [SPD]: Interessant!)


Sind Sie mit mir der Meinung, dass ein Sachverstän-
digenrat eigentlich unabhängig sein sollte, wie auch das
Bundesumweltministerium es definiert? Hat es Sie nicht
verwundert, dass der Bundesumweltminister diese Stelle
nicht gefordert hat, dass er sie sogar für überflüssig hält
und sagt: „Wenn die Abgeordneten das unbedingt wol-
len, dann werde ich gegen meine eigene Überzeugung
diesen Beschluss umsetzen“?

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(C (D (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Jetzt bin ich gespannt!)



Armin Schuster (CDU):
Rede ID: ID1714922500

Frau Höhn, herzlichen Dank für die Frage. – Sie spre-

hen mit einem ehemaligen Behördenleiter, der Erfah-
ng damit hat. Wenn man darüber nachdenkt, eine neue

telle zu schaffen, haben viele Menschen Interesse
aran, auf diese Stelle zu kommen. Was sich in der
hase bis zum Stellenausschreibungsverfahren – das
ind etwa drei Monate – in einer Behörde normalerweise
gulär hinter den Kulissen abspielt, entspricht ungefähr

em Verfahren, das wir jetzt gerade im Deutschen Bun-
estag erleben.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch keine Behörde! Das ist ein Beirat!)


Erstens. Es ist egal, ob jemand nachts davon träumt,
ass er gut auf diese Stelle passt. Das spielt keine Rolle.
ir werden ein reguläres Ausschreibungsverfahren

urch den Bundesumweltminister durchführen lassen.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die CDU/CSU gewandt: Das ist doch gar keine Behörde! Der weiß ja gar nicht Bescheid!)


Zweitens, Frau Höhn.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gar keine Behörde!)


s ist das Recht des Parlaments – ich hoffe, Sie stimmen
ir diesbezüglich zu –, eigene Ideen zu haben, die die
egierung umzusetzen hat, sobald wir eine Mehrheit
afür haben.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


ie Umweltpolitiker von CDU/CSU und FDP hatten
emeinsam die Idee, dass das für den Masterplan von
errn Röttgen eine gute Sache sein könnte. Deswegen
erden wir das umsetzen.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gegen dessen Willen! Super!)


h glaube, dass der Bundesumweltminister die Sache
ehr konstruktiv begleiten wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714922600

Jetzt haben Sie noch eine halbe Minute fürs Finale,

err Kollege.


Armin Schuster (CDU):
Rede ID: ID1714922700

Toll. Ich mache es kurz.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Liebe Freunde von der Opposition, wenn man bei
ber 20 Einzelmaßnahmen zwei Dinge so an den Haaren
erbeizieht, dann muss die Not groß sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17879

Armin Schuster (Weil am Rhein)



(A) )


)(B)

Ich verstehe das ja. Die Koalition liefert im monatlichen
Rhythmus Attraktivitätssteigerungen für den öffent-
lichen Dienst.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja kurios!)


Dass Sie das ärgert, ist mir völlig klar. Ich empfehle
Ihnen: Halten Sie es mit einem bekannten Münchener
Fernsehstarkoch, der in Situationen, in denen er das
Essen anderer Kollegen beurteilen soll und es eigentlich
gut findet, das aber nicht äußern will, sagt: „Ja, was
willst’n da meckern?“


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)


Das wäre eine schöne Haltung gewesen. Das gleicht
einer Zustimmung.

Ich kann für meine Fraktion und für die Koalition
sagen: Wir werden den öffentlichen Dienst erfolgreich
weiterentwickeln. Das ist nicht die letzte Maßnahme;
wir haben weitere in der Pipeline. Am Ende wird ein
attraktives Angebot für den Einstieg in die Bundesver-
waltung stehen. Wir stimmen dem Antrag der Grünen
natürlich nicht zu, aber begeistert unserem eigenen
Antrag.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714922800

Das Wort erhält nun der Kollege Michael Hartmann

für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Michael Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1714922900

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Ehrlich gesagt, Herr Schuster, da wir uns kollegial
gut verstehen: Manchmal bedauere ich Sie, dass Sie die-
sen merkwürdigen Politikzickzackkurs der Koalitions-
fraktionen im Bereich des öffentlichen Dienstrechts zu
vertreten haben. Manchmal ist es geradezu zu spüren,
wie schwer Ihnen das fällt. Aber immerhin: Sie haben in
aller Redlichkeit dargestellt, was an Großartigem, Schö-
nem und Gutem in diesem Gesetz steht.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Da kann man nicht widersprechen!)


Deshalb brauche ich das nicht zu wiederholen oder zu
ergänzen. Vielmehr darf ich Ihnen sagen: Wir haben
bereits bei der Einbringung des Gesetzes klar erklärt,
dass wir ihm zustimmen möchten.


(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Nur Mut!)


Denn in der Tat brauchen wir Fachkräfte in einer Zeit
des demografischen Wandels und einer größeren Kon-
kurrenz auch im öffentlichen Dienst und müssen dafür
gute und positive Anreizsysteme schaffen.


(Iris Gleicke [SPD]: Bei der FDP ist das auch ganz nötig!)


Das ist in dem Gesetz geschehen.

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(C (D Nun begab es sich aber zu jener Zeit, dass von der nsonsten gar nicht so handlungsfähigen Koalition – nicht twa von Kaiser Augustus – die Initiative ausging, nun och einen Änderungsantrag einzubringen. Dieser nderungsantrag wurde dann eingebracht. Er war in roßen Teilen so, wie das üblicherweise der Fall ist. leine Veränderungen wurden vorgenommen, und techische Details wurden neu beschrieben. Aber siehe da: chamhaft versteckt auf Seite 10 stand, dass man für die olitischen Beamten eine ganz andere Regelung als die isherige finden müsse. Das ist der Grund, warum die PD heute Abend dem Gesetz in der durch diesen ntrag geänderten Fassung leider nicht mehr zustimmen ann. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE])


Denn Sie wollen, dass eine kleine Gruppe hochbe-
ahlter Beamtinnen und Beamten mit dem goldenen
andschlag nach Hause geht. Es sind – Sie haben die
ahl dargestellt – auf dem Papier 422 Personen. Im
rnstfall sind es in der Regel unter 100 Personen. Diesen
22 oder unter 100 Personen – welchen Parameter auch

mer Sie wählen möchten – steht ein Beamtenapparat
on 320 000 Personen gegenüber, wenn ich die Soldaten
nd unsere Richter hinzunehme. Wir reden hier über die
ruppe dieser, so sage ich, weniger als 100 Personen,
ie allenfalls betroffen sein könnten und die im Regelfall
wischen 9 000 und 11 000 Euro plus verdienen – nur
m einmal die Dimensionen klarzumachen, nachdem
ie, Herr Schuster, vorhin Armut und Elend dieser
rmen politischen Beamten beweint haben.

Jetzt wollen Sie dafür sorgen, dass nach einem – an-
cheinend von Ihnen erwarteten – Regierungswechsel
iese Beamten, die dann unter Umständen in den einst-
eiligen Ruhestand geschickt werden, bis zu drei Jahre
ersorgungserhöhend und damit zusätzliche Zahlungen
on bis zu 635 Euro fürs Nichtstun erhalten.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Drei Jahre gibt es schon heute!)


Das machen wir nicht mit. Das ist und bleibt ein gol-
ener Handschlag.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Zum einen hat das nichts, aber auch gar nichts mit
achkräftegewinnung zu tun. Das ist ja der Titel des an
ich guten Gesetzes. Wir reden hier über Beamtinnen
nd Beamte, die ab dem nächsten Jahr ausscheiden wür-
en, und die sind, mit Verlaub gesagt, im Regelfall
eder lebensjünger, wie Sie in Ihrer Begründung anfüh-
n, noch neugewonnene Fachkräfte, bei denen eine

arte Konkurrenz gegenüber der gewerblichen Wirt-
chaft besteht. Nein, es geht um etwas ganz anderes: Es
eht um die Privilegierung einer kleinen Gruppe. Diese
rivilegierung ist nicht begründbar, zumal im einstweili-
en Ruhestand – ich sage das wegen der Armutspredigt
on Herrn Schuster vorhin – neben den Bezügen reich-
ch Zuverdienstmöglichkeiten vorhanden sind, die im
egelfall auch weidlich genutzt werden, wie wir alle
issen. Das möchte ich niemandem verwehren, verden-

17880 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Michael Hartmann (Wackernheim)



(A) )


)(B)

ken oder zum Vorwurf machen; aber wir werden keinem
Gesetzentwurf zustimmen, in dem vorgesehen ist, dass
für diese kleine Gruppe Sondertatbestände geschaffen
werden, während gleichzeitig – das ist das Problem der
Leihbeamten und anderer – im öffentlichen Dienst
immer mehr Personal abgebaut wird, zum Beispiel im
Sicherheitsbereich, sodass die Beamten dort auf dem
Zahnfleisch gehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich rate allen, nicht zu behaupten, dies sei eine Neid-
diskussion; dies war an mancher Stelle zu vernehmen.
Erstens nehmen Sie mit dem, was Sie jetzt vorhaben,
Ihre eigene Entscheidung aus Ihrem letzten Regierungs-
jahr 1998 zurück. Das heißt, der Vorwurf träfe Sie selbst.
Zweitens ist dies die einzige der damals getroffenen
Regelungen, die jetzt korrigiert wird. Ich sage Ihnen,
geschätzter Herr Schuster, mit Verlaub: Das verstehe ich
in der Tat intellektuell nicht.

Wie erklären Sie das einem Kollegen – Sie sind Bun-
despolizist –, der durch dienstliche Verrichtungen
erwerbsunfähig geworden ist und durch die damals voll-
zogenen Änderungen Abschläge in Höhe von 10,8 Pro-
zent hinnehmen musste? Wie erklären Sie ihm, dass die
politischen Beamten nun einen goldenen Handschlag
erhalten sollen?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Und wie erklären Sie zum Beispiel allen Bundesbeam-
ten, die Sie bei der ausstehenden oder nicht vollzogenen
Rücknahme einer Kürzung um mindestens ein Jahr
Weihnachtsgeld geprellt haben, dass nun endlich
Gerechtigkeit für die politischen Beamten herrschen
müsse? Oder wie erklären Sie das zum Beispiel jungen
Menschen – es geht ja um Fachkräftegewinnung –, die
sich tatsächlich für den öffentlichen Dienst interessieren,
aber dann erfahren, dass es noch immer keine Mitnah-
mefähigkeit ihrer Ansprüche gibt? Über Neid zu spre-
chen, hilft an dieser Stelle nicht weiter. Wenn Sie wirk-
lich etwas Substanzielles für qualifizierte Fachkräfte
machen wollen, dann regeln Sie die Portabilität und ver-
weigern Sie sich diesem Thema nicht länger.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es geht hier also nicht um eine Neiddiskussion, son-
dern um eine Gerechtigkeitsdiskussion. Nachwuchs-
kräfte wirbt man nicht durch einen Hinweis auf einen
goldenen Handschlag für Spitzenverdiener, sondern
durch Anreize für Junge und Neue.

Bei der ganzen Argumentation hören wir immer wie-
der ein ganz triftiges Argument: Weil sie später so
schlecht dastehen, findet man niemanden mehr, der poli-
tischer Beamter werden will. Vielleicht findet diese
Koalition niemanden mehr, der politischer Beamter wer-
den will; das ist eine Möglichkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


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(C (D ine andere Möglichkeit ist die, dass das stimmt, was er Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes bei der nhörung gesagt hat; dieses Zitat hatten Sie vorhin leier vergessen, Kollege Schuster. Er hat gesagt: Wer icht bereit ist, das Risiko einzugehen, politischer Beamr zu werden, der ist von vornherein auch charakterlich icht qualifiziert, eine solche Position zu übernehmen. h schließe mich dem CDU-Mitglied Peter Heesen in ieser Sache gerne an. Es passt in die Gesamtszenerie, dass jene, um die es eht – es geht zweifelsohne um hochqualifizierte und ochengagierte Menschen im öffentlichen Dienst –, aus ieser Diskussion nicht positiv herausgehen werden. Das aben Sie verursacht. Sie werden als Absahner mit einer ollkaskomentalität wahrgenommen werden. Es gibt zu dieser abendlichen Stunde – da bekommen as nicht viele Menschen mit – immer noch die Chance, ieses Vorhaben zurückzunehmen. Dann würden wir em Gesetzentwurf zustimmen, und der gesamte Beamnapparat und nicht nur eine Gruppe von wenigen Per onen wäre zufriedener und könnte dem Weihnachtsfest lücklicher entgegengehen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Frank Tempel [DIE LINKE] und Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714923000

Stefan Ruppert ist der nächste Redner für die FDP-

raktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Stefan Ruppert (FDP):
Rede ID: ID1714923100

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

n! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein Jammer,
ass ein so kompetenter und angenehmer Kollege wie
err Hartmann


(Dagmar Ziegler [SPD]: Ja, das ist er!)


seiner Rede zum öffentlichen Dienstrecht und zur
achkräftegewinnung im Bund kein Wort dazu gesagt
at, dass der einfache Dienst, der mittlere Dienst und der
ehobene Dienst von der geplanten Regelung in diesem
ereich sehr stark profitieren.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Hartmann, Sie haben die Gegenargumente selbst
orweggenommen. Sie haben eine typische Debatte ge-
hrt. Wenn es um den höheren Dienst geht, wird mit ge-

ielten Argumenten Neid gegenüber hochqualifizierten
olleginnen und Kollegen geschürt.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Gerechtigkeitsfrage und kein Neid, Herr Kollege!)


as ist besonders betrüblich.


(Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17881

Dr. Stefan Ruppert


(A) )


)(B)

Was werden wir mit diesem Gesetz erreichen? In Zei-
ten des Fachkräftemangels und des demografischen
Wandels sorgt es dafür, dass viele Menschen im öffentli-
chen Dienst, die Tag für Tag wunderbare Arbeit leisten,
bessergestellt werden. Ich nenne beispielsweise das Ein-
gangsamt für IT-Fachkräfte und Ingenieure. Ein anderes
Beispiel sind die Zulagen für Mannschaftsdienstgrade in
der Bundeswehr. Viele dieser Punkte sind in diesem Ge-
setzentwurf enthalten. Es hätte Ihnen gut angestanden,
wenn Sie dazu etwas mehr gesagt hätten.

Aber nein, Sie widmen sich ausschließlich einem
Punkt.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Nein! Zwei Punkten!)


Jeder Abgeordnete, der eine solche Regelung in Bezug
auf höhere Besoldungsgruppen verteidigen muss, fragt
sich in der Tat: Hat das Potenzial zur Skandalisierung?


(Bettina Hagedorn [SPD]: Ja, hat es! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat es!)


Dieses Potenzial zur Skandalisierung haben Sie aus mei-
ner Sicht leider in populistischer Manier zu nutzen ver-
sucht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wie ist der zugrunde liegende Sachverhalt? Ich nenne
Ihnen ein Beispiel. Ein 49-Jähriger, der sich auf eine Ab-
teilungsleiterstelle bewirbt – so ergeht es übrigens auch
Parteifreundinnen und Parteifreunden von Ihnen –, geht
das Risiko ein, auf seine Lebenszeit gerechnet eine halbe
Million Euro zu verlieren. Jetzt kann man natürlich sa-
gen: Das sind sehr reiche Menschen. – Aber es ist festzu-
stellen, dass immer mehr Unterabteilungsleiter sagen, sie
würden zwar gerne die Aufgabe, nicht aber das Besol-
dungsamt übernehmen. Nun behaupten Sie: Wer so et-
was sagt – weil er vielleicht zwei Kinder hat, die studie-
ren –, sei charakterlich schlicht nicht geeignet. – In
Anbetracht dessen, dass sich Menschen reihenweise an-
ders entscheiden, finde ich, das ist ein bisschen zu pau-
schal beurteilt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Man kann natürlich immer sagen: Das sind hochbe-
zahlte Beamte. Am besten nehmen wir denen sogar noch
Geld weg. – Aber man sollte auch einmal überlegen, ob
sich eine Beförderung für den Betreffenden nicht positiv
auswirken muss. Ich kenne niemanden, der von dieser
Regelung betroffen ist. Mit mir hat niemand darüber ge-
sprochen. Ich habe mir die Sache in Ruhe überlegt, und
der Sachverhalt hat mich überzeugt.


(Beifall bei der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Richtig so! Das bringt einen auch am weitesten, wenn man das so angeht!)


Meine These lautet: Was die Fachkräftegewinnung
betrifft, dürfen wir beim gegenwärtigen Stand nicht auf-
hören. Bei der Portabilität, der Mitnahme von Altersver-
sorgungsansprüchen beim Wechsel in die Privatwirt-

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(C (D chaft, müssen wir noch etwas tun. Wir müssen dafür orgen, dass wir dauerhaft die besten Leute für den öfntlichen Dienst gewinnen. Herr Kollege Ruppert, würden Sie eine Zwischen age der Kollegin Hagedorn zulassen? Ja, gern. Herr Kollege Ruppert, stimmen Sie mir zu, dass es ie schwarz-gelbe Regierung war, die diese Regelung, ber die wir gerade sprechen und die von den Opposionsparteien kritisch beurteilt wird, am 3. April 1998 elbst aufgehoben hat? Ihre Begründung lautete damals ie folgt – ich zitiere –: Die Änderung stellt vor dem Hintergrund der gebotenen Einschränkung der Versorgung politischer Beamter sicher, daß die Zeit im einstweiligen Ruhestand selbst nicht mehr als ruhegehaltfähige Dienstzeit gilt. o lautete damals Ihre Begründung. Sie ist und bleibt chtig. Würden Sie mir weiterhin zustimmen, dass in Ihrem tzt vorgelegten Gesetzentwurf steht, dass die Mehrausaben für die privilegierten Beamten mit einem Einkomen zwischen 9 000 und 11 000 Euro, die diese Zu chläge erhalten sollen, zu keinen Mehrkosten führen erden, weil sie vom Ministerium selbst, nämlich aus em Gesamtetat, finanziert werden müssen, was nichts nderes bedeutet, als dass im Endeffekt die Mitarbeiter, ie einer der unteren Lohngruppen angehören, durch insparungen, die bei ihnen vorgenommen werden, dazu eitragen, dass diese Spitzengehälter finanziert werden önnen, zum Beispiel beim Sachverständigenrat – über n haben wir vorhin gesprochen –, wo die umstrittene -4-Stelle unter anderem zulasten der Mitarbeiter, die Sekretariatsbereich dringend gebraucht würden, ge enfinanziert werden muss? Sehr geehrte Kollegin, ich stimme Ihnen zu, dass es 998 in der Tat die schwarz-gelbe Regierung war, die ieses Gesetz erlassen hat. Ich möchte aber deutlich mahen: Man muss nach einigen Jahren überprüfen, ob sich in Gesetz bewährt hat. Wir setzen die alte Regelung ja icht wieder instand, sondern wir sagen: Es muss eine isikoteilung geben. Derjenige, der ein politisches Bemtenamt anstrebt, muss ein Risiko eingehen. Wir mahen es eben nicht so, dass wir den Zustand von 1998 iederherstellen, sondern wir verteilen das Risiko auf alber Strecke anders, weil wir die Erfahrung gemacht aben, dass immer mehr Beamte den Wechsel vom Unrabteilungsleiter zum Abteilungsleiter nicht mehr voll ogen haben oder beantragt haben, in der Besoldungsruppe B 6 zu verbleiben. Das führt in der Tat zu Prolemen in den einzelnen Häusern. 17882 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Dr. Stefan Ruppert )

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714923200
Dr. Stefan Ruppert (FDP):
Rede ID: ID1714923300
Bettina Hagedorn (SPD):
Rede ID: ID1714923400
Dr. Stefan Ruppert (FDP):
Rede ID: ID1714923500

(A) )

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)

Ein letzter Punkt, der mich als jemand, der durchaus
ein Freund von Anhörungen ist, besonders interessiert
hat: Die SPD hat eine Anhörung beantragt. In dieser An-
hörung ging es um die politischen Beamten und um den
Sachverständigenrat für Umweltfragen. Bereits in der
gestrigen Fragestunde wurde hier nachhaltig versucht,
dieses Thema zu skandalisieren. Das Interessante war,
dass von denjenigen, die an diesem Thema vermeintlich
sehr interessiert sind, nämlich den Grünen, kein einziger
Kollege an dieser Anhörung teilgenommen hat.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was? Das ist ja unglaublich!)


Ich finde, wenn Sie nicht an der Anhörung teilnehmen,
dann können Sie hier auch nicht so vehement Kritik
üben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es ging Ihnen anscheinend nur darum, die Dinge im Ple-
num und vor laufenden Kameras zu besprechen, anstatt
sich den Sachverstand zu erwerben, der dort hätte erwor-
ben werden können.

Ich sage das an dieser Stelle sonst nicht, weil man auf
Kollegen nicht in dieser Form einschlägt;


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Doch, doch!)


aber wer so austeilt, der muss auch einstecken können
und es sich gefallen lassen, wenn hier darauf hingewie-
sen wird, dass er an der Anhörung überhaupt nicht teil-
genommen hat.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Der Meinung bin ich allerdings auch! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das nehmen wir ganz sportlich!)


Insofern: Das ist ein guter Gesetzentwurf. Herr von
Notz, wenn Sie in der Anhörung gewesen wären, dann
hätten auch Sie heute zugestimmt.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Leben nicht!)


So werden Sie wahrscheinlich leider ablehnen; aber das
werden wir nicht mehr verhindern können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714923600

Das Wort hat nun der Kollege Frank Tempel für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Frank Tempel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714923700

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Es geht hier um ein wichtiges Thema, näm-
lich um eine verbesserte Fachkräftegewinnung im Bund.

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(C (D (Unruhe – Zuruf von der CDU/CSU: Wir können nichts verstehen! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Ich verstehe das so schlecht!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714923800

Um die Verständlichkeit zu erhöhen, gibt es zwei
öglichkeiten, nämlich erstens, dass der Redner etwas
uter spricht, und zweitens, dass sich diejenigen, die et-
as hören wollen, etwas weniger laut unterhalten. Ich

mpfehle die Verbindung beider Verfahren.


(Beifall des Abg. Siegfried Kauder [VillingenSchwenningen] [CDU/CSU])



Frank Tempel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714923900

Zu diesem wichtigen Thema gehören die finanziellen

nreize, die Überalterung in den Bundesbehörden, der
achkräftemangel im Bundesgebiet insgesamt – es sind
mehrere Branchen betroffen – und die Antwort auf die
rage, wie die Maßnahmen des Bundes auch einmal
icht auf Kosten der Länder organisiert werden können.

Wir hätten an dieser Stelle die Erkenntnisse aus der
ebatte zur Berufszufriedenheit in der Bundespolizei

ehr gut nutzen können. Dort hat sich gezeigt, dass es
ben nicht nur um die Bezahlung der Fachkräfte geht,
ondern auch um Themen, die Sie noch nicht ausrei-
hend behandeln, wie Überstunden, Aufgabenhäufung,
eförderungsstau, Vereinbarkeit von Familie und Beruf
sw. Hier gäbe es viel zu reden. Aber nein, wir sind
urch Ihre Art und Weise, hier zu agieren, gezwungen,
ine Debatte zu führen, die Ihre Mauscheleien offenlegt.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie haben es ja nicht öffentlich gemacht; aber unter
er Teilüberschrift „Änderung weiterer dienstrechtlicher
orschriften“ haben Sie solche Dinge wie den finanziel-
n Nachschlag für politische Beamte versteckt. Das hat
er Herr Hartmann hier wunderschön vorgerechnet. Des-
egen kann ich auch gleich zum nächsten Thema über-
ehen.

Sie wollen mit diesem Gesetzentwurf ganz neue Ver-
orgungsposten schaffen. Ja, für die Linke ist das ein
kandal. Das, was Sie hier zum Jahresende betreiben, ist
r die Linke ein Weihnachtsmarkt.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie wollen einen Versorgungsposten, einen Direkto-
nposten, mit einer B-4-Besoldung schaffen. So weit,

o schlecht. Der Gipfel aber ist, dass Sie damit einen
arteipolitisch angebundenen Direktorenposten schaf-
n wollen. Dieser Direktor soll dem Sachverständigen-
t für Umweltfragen, kurz: SRU, vorangestellt werden.
ür diejenigen, die das nicht wissen: Der SRU ist ein
remium aus sieben Professoren, das die Politik und na-
rlich auch die Regierung in Umweltfragen beraten soll,

nd zwar parteipolitisch unabhängig. Das geschah zu-
tzt in wichtigen Fragen, wie zum Beispiel beim Atom-

usstieg, wobei der Rat Ihnen nicht unbedingt geholfen
at. Doch dieser Direktorenposten war, wie bereits er-
ähnt, mit dem Rat selbst weder besprochen, noch war

r erwünscht.


(Unruhe)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17883


(A) )


)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714924000

Einen Augenblick, Herr Kollege. – Ich darf die Kolle-

ginnen und Kollegen, die aus nachvollziehbaren Grün-
den jetzt allmählich in den Plenarsaal kommen, bitten,
erstens Platz zu nehmen und zweitens für einen Auf-
merksamkeitspegel zu sorgen, der dem Beratungsgegen-
stand angemessen ist. Erst dann setzen wir die Debatte
fort.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ich bitte noch einmal darum, Platz zu nehmen. Es gibt
doch noch genügend freie Plätze.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der FDP werden es immer mehr! – Heiterkeit)


Bitte schön.


Frank Tempel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714924100

Danke schön. – Ich finde es gut, dass sich so viele für

dieses Thema interessieren.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Stefan Ruppert [FDP])


Ein guter Vorschlag kam übrigens gerade zu dieser
Problematik. Wenn Geld in die Hand genommen werden
soll, so finden wir das nicht schlecht. Aber mit zusätzli-
chen Referentenstellen wäre diesem Sachverständigenrat
wesentlich mehr geholfen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Im Plenum wird ja manchmal viel geredet. Sie haben
sich in den letzten Tagen auch Mühe gegeben, neue Be-
gründungen zu finden. Aber ich möchte Sie nicht entlas-
sen, ohne noch einmal aus diesem FDP-Papier zu zitie-
ren:

Hierdurch

– also durch den Direktorenposten –

soll der SRU auch in seiner Außendarstellung dem
unmittelbaren politischen Einfluss von Rot-Grün

(personalschen Einflussund Steuerungsbereich der Koalitionsfraktionen gebracht werden. Das ist der Grund und nichts anderes. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie wollen ein neutrales Beratungsgremium auf Par-
teilinie bringen. Das ist das Ziel, und das muss hier auch
so gesagt werden.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In dem Papier ist übrigens noch mehr zu lesen. Darin
steht auch, dass die Schaffung zunächst keine Konse-
quenzen hätte und kaum Beachtung finden würde. Das
ist schiefgegangen, und zwar gründlich.


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(C (D Aus dem Papier können wir auch erfahren, dass das r Sie nicht einmal eine Besonderheit darstellt, dass ein olches Verfahren schon häufiger von Ihnen angewandt urde. Das heißt, es ist bei Ihnen sogar alltäglich, sich uf diese Weise Kontrolle und Posten zu verschaffen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD)


Die Linke fordert Sie auf, diese Änderung sofort zu-
ckzunehmen. Das geht auch, indem Sie dem Antrag

er Grünen zustimmen, der hier noch zur Abstimmung
teht. Ich hätte mich gefreut, wenn noch etwas zu den
olitischen Beamten enthalten gewesen wäre.

Die Linke hätte übrigens diesem Gesetzentwurf in
ezug auf den Fachkräftebedarf, zu dem er richtige
chritte enthält – auch wenn sie noch nicht ausreichend
ind –, sehr gerne zugestimmt. Nun werden wir uns,
enn der Änderungsantrag der Grünen nicht durch-
ommt, aber enthalten müssen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714924200

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der

ollege Dr. Konstantin von Notz, Bündnis 90/Die Grü-
en.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

amen und Herren! Der Entwurf – das wurde hier ge-
agt – verfolgt im Grundsatz ein richtiges Anliegen. Der
und muss für qualifizierte Bewerberinnen und Bewer-
er attraktiv bleiben und attraktiver werden. Das Grund-
apital unseres Staates sind vor allem die Menschen, die
r ihn arbeiten. Der Entwurf bietet einen bunten Strauß

n Verbesserungen, zumeist in Gestalt von finanziellen
nreizen. Das reicht natürlich nicht. Wer Interesse hat,
r den Bund zu arbeiten, den lockt primär eben nicht

as Geld. Wir dürfen die Interessierten jedenfalls nicht
urch starre Hierarchien abschrecken, sondern brauchen
berzeugende Behördenstrukturen, flache Hierarchien
nd durchgehende Aufstiegsmöglichkeiten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Insofern bleibt viel zu tun. Aber von Ihren eventuell
inmal vorhandenen lauteren Absichten zur Verbesse-
ng der Fachkräftegewinnung wird öffentlich – das

age ich Ihnen, Herr Kollege Ruppert – wenig bleiben;
enn als ginge es Ihnen darum, selbst hier bei grundsätz-
ch sinnhaften Vorhaben ein bisschen Mövenpick-
tmosphäre zu erzeugen, nutzen Sie diesen Gesetzent-
urf als Trojanisches Pferd für Ihre unlauteren Absich-
n.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Der Änderungsantrag der schwarz-gelben Koalition
u diesem Gesetzentwurf ist von bemerkenswerter
reistigkeit; er ist gespickt mit sachfremden Vorstößen,

17884 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Dr. Konstantin von Notz


(A) )


)(B)

die mit der Fachkräftegewinnung rein gar nichts zu tun
haben. – Herr Kollege Ruppert, da können Sie noch so
ungläubig gucken. Es geht um Ämterpatronage. Da sind
Ihre Ausreden einfach zu dünn, liebe Kolleginnen und
Kollegen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Sie hätten einmal zur Anhörung kommen müssen, Herr Kollege! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wer hat Ihnen denn diesen Quatsch aufgeschrieben?)


Zur Wiedereinführung der Ruhebezüge bei einstweili-
gem Ruhestand hat der Kollege Hartmann hier schon et-
was gesagt. Wer wie die Koalition bestehende Regelun-
gen als drastische Einbuße bezeichnet, zeigt sein Herz
nur für die topverdienenden Spitzenbeamten. Das so-
ziale Grundverständnis dieser Koalition bei der Beam-
tenversorgung ist: unten immer weiter streichen, oben
ordentlich draufschaufeln.


(Zuruf von der LINKEN: Genau!)


Hier werden Fallschirme für eine FDP-Besatzung
aufgespannt, deren Maschine lichterloh brennt und die
offenbar jeden Moment herunterkommt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein handfester Fall
von Selbstbedienung im Amt. Die Politik wird in Verruf
gebracht, und die Politikerverdrossenheit wird weiter ge-
fördert. Das darf sich dieses Parlament nicht gefallen
lassen, meine Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Schließlich der Fall der Direktorenstelle beim Sach-
verständigenrat für Umweltfragen: Hier wird mit leeren
Behauptungen versucht, die Notwendigkeit einer neuen
Stelle zu begründen. Man spricht von akademischer
Aufwertung. Die betroffene Institution selbst hat man zu
dieser akademischen Aufwertung vorsichtshalber vorher
nicht befragt. Warum eigentlich nicht? Ich kann es Ihnen
allen sagen: Die Stelle ist unnütz, und der SRU will sie
nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Der Bundesumweltminister hat in dieser Woche auch
noch ausdrücklich die Unabhängigkeit dieses Sachver-
ständigenrats gewürdigt. Sie, werte Kolleginnen und
Kollegen von Union und FDP, argumentieren hingegen
genau wie in dem geleakten Vermerk der FDP-Fraktion
beschrieben. Da unterscheiden Sie nämlich zwischen
dem Ziel und der Begründung nach außen. Bei der Be-
gründung nach außen sprechen Sie wider besseres Wis-
sen von der akademischen Aufwertung. Bezüglich des
Ziels heißt es aber – der Kollege Tempel hat es wortwört-
lich zitiert –, dass das Gremium „dauerhaft in den … politi-

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(C (D chen Einflussund Steuerungsbereich der Koalitionsaktionen“ gebracht werden soll. Ihr Ziel ist also, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ersorgungsposten für die FDP zu schaffen und gleicheitig die Unabhängigkeit dieses Gremiums aufzubohn. Wie peinlich kann es politisch eigentlich noch wer en, meine Damen und Herren? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


In der gestrigen Fragestunde hat die zuständige
taatssekretärin des Umweltministeriums ausdrücklich
rklärt, es handele sich bei der Schaffung dieser Stelle
m einen Wunsch der Koalitionsabgeordneten, dem sich
as Ministerium lediglich beuge.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)


Zur Vergewisserung, ob die Schaffung dieser unsinni-
en Stelle tatsächlich dem Wunsch der Abgeordneten
ieses Hauses entspricht, haben wir daher die namentli-
he Abstimmung beantragt.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Die machen wir jetzt auch!)


nser Änderungsantrag, über den wir namentlich ab-
timmen, zielt auf die direkte Streichung dieser mit
ichts zu begründenden Stelle. Daher bitte ich Sie ganz
erzlich um Ihre Zustimmung zu unserem Änderungsan-
ag.

Ganz herzlichen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714924300

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
esregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
nterstützung der Fachkräftegewinnung im Bund und

ur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften.
er Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp-
hlung auf Drucksache 17/8178, den Gesetzentwurf der
undesregierung auf Drucksache 17/7142 in der Aus-

chussfassung anzunehmen. Hierzu liegt ein Änderungs-
ntrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-
ache 17/8184 vor, über den wir zuerst abstimmen. Dazu
t namentliche Abstimmung beantragt.

Die Abstimmung beginnt, sobald alle Urnen besetzt
ind. – Das ist der Fall. Dann eröffne ich hiermit die Ab-
timmung.

Gibt es noch jemanden im Saal, der seine Stimmkarte
icht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Die Ab-
timmung ist geschlossen.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit
er Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Er-
ebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche
h die Sitzung. Das ist deswegen unvermeidlich, weil
ir das Abstimmungsergebnis kennen müssen, um über

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17885

Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)


Michael Gerdes Florian Pronold Roland Claus Viola von Cramon-Taubadel
Iris Gleicke
Günter Gloser
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf (Rosenheim)

Kerstin Griese
Michael Groschek
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann

Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Marlene Rupprecht


(Tuchenbach)

Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)


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eidrun Dittrich
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r. Dagmar Enkelmann
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nnette Groth
r. Gregor Gysi
r. Barbara Höll
ndrej Hunko
lla Jelpke
r. Lukrezia Jochimsen
arald Koch

Katja Dörner
Harald Ebner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Priska Hinz (Herborn)

Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Martin Gerster Dr. Sascha Raabe Dr. Diether Dehm Ekin Deligöz
den Vorschlag des Ausschusse
zu können.

Die Sitzung ist unterbrochen


(Unterbrechung von 19. Präsident Dr. Norbert Lam Die unterbrochene Sitzung is Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 536; davon ja: 239 nein: 296 enthalten: 1 Ja SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Sigmar Gabriel M H D G G P F D C Jo O Jo D U L D D F A A U C C S B G K C K H P U F D A H A H D s im Ganzen abstimmen . 38 bis 19.45 Uhr)


mert:
t wieder eröffnet.


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ichael Hartmann

(Wackernheim)

ubertus Heil (Peine)

r. Barbara Hendricks
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rank Hofmann (Volkach)

r. Eva Högl
hristel Humme
sip Juratovic
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hannes Kahrs
r. h. c. Susanne Kastner
lrich Kelber
ars Klingbeil
r. Bärbel Kofler
aniela Kolbe (Leipzig)

ritz Rudolf Körper
nette Kramme
ngelika Krüger-Leißner
te Kumpf
hristine Lambrecht
hristian Lange (Backnang)

teffen-Claudio Lemme
urkhard Lischka
abriele Lösekrug-Möller
irsten Lühmann
aren Marks
atja Mast
ilde Mattheis
etra Merkel (Berlin)

llrich Meßmer
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r. Rolf Mützenich
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olger Ortel
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r. Wilhelm Priesmeier

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ung über den vorhin angesp
ag zur zweiten Beratung d
undesregierung – Drucksache
7/8184 – bekannt: abgegeben
lso für den Änderungsantrag,
ein haben gestimmt 296. Ein
in hat sich der Stimme enthal
ngsantrag abgelehnt.

ernd Scheelen
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(Schwandorf)

erner Schieder (Weiden)


ilvia Schmidt (Eisleben)

arsten Schneider (Erfurt)

ttmar Schreiner
wen Schulz (Spandau)

wald Schurer
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ita Schwarzelühr-Sutter
r. Carsten Sieling
onja Steffen
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r. Frank-Walter Steinmeier
hristoph Strässer
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r. h. c. Wolfgang Thierse
ranz Thönnes
olfgang Tiefensee
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r. Dieter Wiefelspütz
agmar Ziegler
anfred Zöllmer
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r. Dietmar Bartsch
erbert Behrens
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(C (D tführerinnen und Schrift namentlichen Abstimrochenen Änderungsanes Gesetzentwurfs der n 17/7142, 17/8178 und e Stimmen 536. Mit Ja, haben gestimmt 239. Mit Kollege oder eine Kolleten. Damit ist der Ände n Korte tta Krellmann abine Leidig alph Lenkert ichael Leutert tefan Liebich lla Lötzer lrich Maurer orothée Menzner ornelia Möhring ornelia Möller iema Movassat homas Nord etra Pau ns Petermann ichard Pitterle vonne Ploetz grid Remmers aul Schäfer athrin Senger-Schäfer aju Sharma r. Petra Sitte abine Stüber r. Kirsten Tackmann rank Tempel r. Axel Troost athrin Vogler hanna Voß alina Wawzyniak arald Weinberg rn Wunderlich ÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN erstin Andreae arieluise Beck olker Beck ornelia Behm irgitt Bender gnes Brugger 17886 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Präsident Dr. Norbert Lammert )


(A) )

Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Fritz Kuhn
Stephan Kühn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth (Quedlinburg)

Monika Lazar
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller (Köln)

Beate Müller-Gemmeke
Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann E. Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Ulrich Schneider
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler

Nein

CDU/CSU

Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Manfred Behrens (Börde)

Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer

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olfgang Börnsen

(Bönstrup)

olfgang Bosbach
orbert Brackmann
laus Brähmig
ichael Brand
r. Reinhard Brandl
elmut Brandt
r. Ralf Brauksiepe
r. Helge Braun
eike Brehmer
alph Brinkhaus
ajus Caesar
itta Connemann
lexander Dobrindt
arie-Luise Dött
r. Thomas Feist
nak Ferlemann
grid Fischbach
artwig Fischer (Göttingen)

irk Fischer (Hamburg)

r. Maria Flachsbarth
laus-Peter Flosbach
erbert Frankenhauser
r. Hans-Peter Friedrich

(Hof)

ichael Frieser

rich G. Fritz
r. Michael Fuchs
ans-Joachim Fuchtel
lexander Funk
go Gädechens
r. Thomas Gebhart
orbert Geis
lois Gerig
berhard Gienger
ichael Glos

eter Götz
r. Wolfgang Götzer
te Granold
einhard Grindel
ermann Gröhe
ichael Grosse-Brömer
arkus Grübel
anfred Grund
onika Grütters
lav Gutting
lorian Hahn
r. Stephan Harbarth
rgen Hardt
erda Hasselfeldt
r. Matthias Heider
elmut Heiderich
echthild Heil

rank Heinrich
udolf Henke
ichael Hennrich
rgen Herrmann
nsgar Heveling
rnst Hinsken
eter Hintze
hristian Hirte
obert Hochbaum
ranz-Josef Holzenkamp
achim Hörster
nette Hübinger
homas Jarzombek
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r. Franz Josef Jung
ndreas Jung (Konstanz)

r. Egon Jüttner
artholomäus Kalb
ans-Werner Kammer
teffen Kampeter
lois Karl
ernhard Kaster

(VillingenSchwenningen)

r. Stefan Kaufmann
oderich Kiesewetter
ckart von Klaeden
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olkmar Klein
rgen Klimke
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artmut Koschyk
homas Kossendey
ichael Kretschmer
unther Krichbaum
r. Günter Krings
üdiger Kruse
ettina Kudla
r. Hermann Kues
r. Karl A. Lamers

(Heidelberg)

ndreas G. Lämmel
r. Norbert Lammert
atharina Landgraf
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r. Max Lehmer
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r. Ursula von der Leyen
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r. Carsten Linnemann
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r. Jan-Marco Luczak
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r. Michael Luther
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r. Thomas de Maizière
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tephan Mayer (Altötting)

r. Michael Meister
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r. Mathias Middelberg
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r. Gerd Müller
tefan Müller (Erlangen)

r. Philipp Murmann
ernd Neumann (Bremen)

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r. Georg Nüßlein
ranz Obermeier
duard Oswald
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r. Michael Paul
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lrich Petzold
r. Joachim Pfeiffer
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etlef Seif
hannes Selle
einhold Sendker
r. Patrick Sensburg
ernd Siebert
hannes Singhammer
arola Stauche
r. Frank Steffel
hristian Freiherr von Stetten
ieter Stier
ero Storjohann
tephan Stracke
ax Straubinger
arin Strenz
homas Strobl (Heilbronn)

ena Strothmann
ichael Stübgen
r. Peter Tauber
ntje Tillmann
r. Hans-Peter Uhl
rnold Vaatz
olkmar Vogel (Kleinsaara)

tefanie Vogelsang
ndrea Astrid Voßhoff
r. Johann Wadephul
arco Wanderwitz
ai Wegner
arcus Weinberg (Hamburg)


eter Weiß (Emmendingen)

abine Weiss (Wesel I)

go Wellenreuther

eter Wichtel
nnette Widmann-Mauz
laus-Peter Willsch
lisabeth Winkelmeier-
Becker
agmar G. Wöhrl
r. Matthias Zimmer

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17887

Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)


und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 9 a und b:

a) Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU,

Wer ist dagegen? – Wer enthält
setzentwurf in dritter Lesung m
alition gegen die Stimmen von
Grünen bei Stimmenthaltung de
genommen.

Ich rufe nun den Tagesordnu

Beratung des Antrags de
Lauterbach, Elke Ferne
Abgeordneter und der Fr

Folgen von Kassenschl
und Beschäftigte schü
ken, Zusatzbeiträge ab

– Drucksache 17/6485 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Ausschuss für Arbeit und Sozi

Interfraktionell ist vorgeschl
sem Tagesordnungspunkt zu Pr
sehen als Rednerinnen und Red
sich? – Damit ist der Ge-
it den Stimmen der Ko-

SPD und Bündnis 90/Die
r Fraktion Die Linke an-

ngspunkt 10 auf:

r Abgeordneten Dr. Karl
r, Bärbel Bas, weiterer
aktion der SPD

ießungen – Versicherte
tzen, Wettbewerb stär-
schaffen

ales

agen, die Reden zu die-
otokoll zu geben. Vorge-
ner waren die Kollegin- 1)
SPD, FDP und BÜNDN

Menschenwürde ist ni
dingungen in griechis
sofort verbessern

– Drucksache 17/7979 –

b) Beratung des Antrags
Jelpke, Annette Groth, S
Abgeordneter und der Fr

Menschenrechtliche Si
in Griechenland verbe
rische Flüchtlingspoliti

– Drucksache 17/8139 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte
Ausschuss für die Angelegenh

Anlage 5
IS 90/DIE GRÜNEN

cht verhandelbar – Be-
chen Flüchtlingslagern

der Abgeordneten Ulla
evim Dağdelen, weiterer
aktion DIE LINKE

tuation für Flüchtlinge
ssern – Für eine solida-
k der EU

und Humanitäre Hilfe
eiten der Europäischen Union
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew

FDP

Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine Aschenberg-

Dugnus
Daniel Bahr (Münster)

Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel

Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)

Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Holger Krestel
Patrick Kurth (Kyffhäuser)

Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht

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Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen. – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? –
Das ist die Opposition, SPD und Bündnis 90/Die Grü-
nen. Enthält sich jemand? – Die Linke. Dann ist der Ge-
setzentwurf in zweiter Beratung angenommen.

Wir kommen zur

dritten Beratung

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(C (D abine LeutheusserSchnarrenberger ars Lindemann r. Martin Lindner ichael Link liver Luksic atrick Meinhardt abriele Molitor etra Müller r. Martin Neumann irk Niebel ans-Joachim Otto ornelia Pieper isela Piltz r. Christiane RatjenDamerau r. Birgit Reinemund r. Peter Röhlinger r. Stefan Ruppert jörn Sänger rank Schäffler hristoph Schnurr mmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff Enthalten CDU/CSU Josef Göppel en und Kollegen Erwin Rüddel, Bärbel Bas, Heinz anfermann, Harald Weinberg und Birgitt Bender. – Das cheint einvernehmlich unter den Beteiligten zu sein.1)


(Lausitz)


(Frankfurt)


(Lüdenscheid)


Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 17/6485 an die in der Tagesordnung aufge-
hrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie auch damit

inverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überwei-
ung so beschlossen.

17888 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll diese
Aussprache 30 Minuten andauern. – Dazu höre ich kei-
nen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Stephan Mayer für die CDU/CSU das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1714924400

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegin-

nen! Sehr geehrte Kollegen! Es ist wirklich keine Selbst-
verständlichkeit, dass vier Fraktionen dieses Hauses
heute einen gemeinsamen Antrag vorlegen. Es ist zudem
alles andere als selbstverständlich, wenn dies im Bereich
der Innenpolitik erfolgt.


(Zurufe von der LINKEN)


An sich sind die Themen, mit denen wir uns in der In-
nenpolitik beschäftigen, sehr konfliktträchtig. Vor dem
Hintergrund erachte ich es wirklich als große Leistung
und großen Erfolg, dass es uns, den vier Fraktionen, ge-
lungen ist, einen gemeinsamen Antrag zu einem Thema
zu erarbeiten, das uns alle gleichermaßen besorgt und
besorgen sollte.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Antrag geht zurück auf eine Delegationsreise des
Innenausschusses im September sowohl nach Griechen-
land als auch in die Türkei. Wir haben uns intensiv mit
der Flüchtlingssituation im griechisch-türkischen Grenz-
gebiet beschäftigt. Ich glaube, es erging allen Teilneh-
mern der Delegation gleichermaßen: Wir waren erschüt-
tert und sind nach wie vor außerordentlich besorgt, wie
die Situation vor Ort in den Flüchtlingslagern ist. Wir
haben das Aufnahmelager in Filakio und die Polizeista-
tion in Tychero besucht.

Ich sage hier ganz offen und in keiner Weise ankla-
gend, sondern wirklich sehr besorgt und nachdenklich:
Ich halte es für ein Land, das Mitglied der Europäischen
Union ist, für nicht würdig, dass derartige humanitäre
Zustände dort herrschen. Deswegen sollte von dieser
Debatte und auch von diesem Antrag ein klarer Appell
an die griechische Adresse, insbesondere an die der grie-
chischen Regierung, ausgehen, hier schnellstmöglich,
also ohne weitere Verzögerung, für humane, menschen-
würdige Zustände in den Flüchtlingslagern in Griechen-
land zu sorgen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage noch einmal ganz deutlich: Es geht nicht da-
rum, Griechenland an den Pranger zu stellen. Es geht
auch nicht darum, hier eine Anklage zu erheben, sondern
es muss innerhalb der Europäischen Union das gemein-
same Interesse bestehen, für diejenigen Flüchtlinge, die
den schweren Weg über die türkisch-griechische Grenze
auf sich nehmen, zu sorgen.

Ich sage auch in aller Deutlichkeit: Die Verbesserung
der Lage in diesen Flüchtlingslagern ist in erster Linie

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(C (D ie Aufgabe der griechischen Seite; aber es ist natürlich uch ein europäisches Thema. Es bedarf hier der notendigen europäischen Solidarität. Wir alle haben Ver tändnis dafür, dass Griechenland momentan in außerorentlich schwierigen Verhältnissen steckt, dass die aushaltssituation, die Konsolidierungsmaßnahmen riechenland vor enorme Herausforderungen stellen. m es ganz klar zu sagen: All diese – teilweise sogar xistenziellen – Probleme, die die griechische Regierung erzeit beschäftigen, dürfen sie nicht ihrer Verantortung entheben, schnellstmöglich für ordentliche, für ernünftige und für menschenwürdige Zustände zu soren. Ich sage dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass ns deutlich avisiert wurde, dass es ausreichend Mittel eitens der Europäischen Union gibt. Griechenland stünen aus vier verschiedenen Fonds, insbesondere aus dem lüchtlingsfonds der Europäischen Union, für die Jahre 010 bis 2012 insgesamt 223 Millionen Euro zur Verfüung. Wie uns von vielen Seiten bestätigt wurde, werden iese Mittel aber leider Gottes entweder nicht abgerufen der nicht beantragt, auf jeden Fall nicht in Anspruch enommen. Es gilt also nicht die Ausrede, dass es keine usreichenden finanziellen Mittel gibt; vielmehr fehlt es anz konkret an politischem Willen auf der griechischen eite. Das betrifft alle politischen Parteien in Griechennd. Diesem Thema wird durchaus Bedeutung beiemessen, wenn man die Griechen darauf anspricht. Die riechischen Gesprächspartner, die wir in Athen getrofn haben, haben uns, vielleicht sogar ehrlich, zu verste en gegeben, dass sie besorgt sind über diese Situation nd dass sie sich dafür womöglich sogar schämen; aber s ist leider Gottes bisher nichts passiert. Wir dürfen deswegen nicht müde werden, hier immer ieder deutlich zu machen, dass Griechenland in der erantwortung steht. Wir haben uns bei diesem Antrag erster Linie auf die schnellstmögliche Herstellung huanitärer, menschenwürdiger Zustände konzentriert. enn es darum geht, sich Gedanken darüber zu machen, elche Konsequenzen man aus dieser Situation zieht, ann man mit Sicherheit unterschiedlicher Auffassung ein. Ich glaube aber, es sollte in diesem Haus ein geeinsames Ansinnen sein, dass wir zusammen mit den riechen – es gibt ein klares Bekenntnis der Europäi chen Union, sich dieses Themas anzunehmen – dafür orgen, dass Flüchtlinge in ordentlichen Unterkünften ntergebracht werden, dass ihnen hygienische Hilfe zuil wird, dass sie ärztliche Versorgung bekommen und ass sie zumindest ein paar Stunden am Tag aus ihren ellen – es sind wirklich Zellen, in die sie eingepfercht ind – herauskönnen. Ich glaube, das muss unser geeinsames Anliegen sein. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin der
undesregierung sehr dankbar, dass sie gerade in den
tzten Monaten, auch in den entsprechenden Sitzungen
es JI-Rates, immer wieder deutlich gemacht hat, dass
as Ganze ein Anliegen der Bundesregierung und damit
er Bundesrepublik Deutschland ist. Ich möchte insbe-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17889

Stephan Mayer (Altötting)



(A) )


)(B)

sondere Ihnen, sehr geehrter Herr Staatssekretär
Dr. Schröder, danken, dass Sie in mit Sicherheit nicht
einfachen Gesprächen mit Ihrem griechischen Kollegen,
mit dem griechischen Bürgerschutzminister, immer wie-
der insistiert haben. Sie haben deutlich gemacht, dass
wir uns mit dem, was bisher gemacht wurde, nicht zu-
friedengeben – ganz im Gegenteil. Wir fordern, dass ge-
rade angesichts des anbrechenden Winters im Evros-Ge-
biet, wo die Temperaturen teilweise sehr niedrig sind,
schnellstmöglich für Verbesserungen gesorgt wird.

Ich bin der Bundesregierung auch dafür sehr dankbar,
dass sie insbesondere vor zwei Wochen noch einmal
deutlich gemacht hat, dass die Dublin-II-Verordnung ge-
genüber Griechenland weiterhin ausgesetzt ist, solange
in den Unterkünften auf griechischer Seite keine ordent-
lichen, humanen Bedingungen vorherrschen, und dass
sie von Rückführungen aus Deutschland nach Griechen-
land absieht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin dem Bundesinnenminister Dr. Friedrich sehr
dankbar, dass er unmissverständlich zum Ausdruck ge-
bracht hat, dass für das gesamte kommende Jahr bis zum
12. Januar 2013 von Rückführungen nach Griechenland
abgesehen wird. Es wäre nicht akzeptabel und es wäre
nicht hinnehmbar, wenn unter den jetzigen Bedingungen
Flüchtlinge nach Griechenland zurücküberstellt werden.
Hier gilt es wirklich, schnellstmöglich Vorsorge zu tref-
fen.

Ich sage ganz offen: Das ist natürlich nicht nur eine
Aufgabe der griechischen Seite, sondern es gibt auch ei-
nen Verantwortungsbereich, der die Türken betrifft. Es
gibt ein Rückführungsabkommen zwischen der Europäi-
schen Union und der Türkei, das von der türkischen
Seite bislang leider Gottes nicht ratifiziert wurde. Die
Türken weigern sich unnachgiebig, ihrer Verpflichtung
nachzukommen. Man muss bei aller Fairness also auch
sehen, dass es nicht nur eine Verantwortung der griechi-
schen Seite gibt, sondern dass genauso auch die türki-
sche Seite in der Verantwortung steht.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es
ist wichtig, dass von der heutigen Debatte der klare Ap-
pell ausgeht, dass wir uns nicht mit dem zufriedengeben,
was in der Vergangenheit geschehen ist – ganz im Ge-
genteil. Allerdings sehen wir es aber weiterhin für sinn-
voll an, dass die deutsche Seite Verantwortung insoweit
wahrnimmt, als Bundespolizeibeamte im Rahmen von
Frontex im griechischen Grenzgebiet eingesetzt werden.
Wir haben die Erkenntnis gewonnen, dass es gut ist, dass
Frontex vor Ort ist. Frontex hat nämlich dazu beigetra-
gen, dass die Spannungen, die zwischen der griechischen
und der türkischen Seite bestehen, etwas abgebaut wur-
den.

Ich halte es aber zugleich für richtig, dafür zu sorgen,
dass deutsche Beamte, die dort im Rahmen des Frontex-
Einsatzes tätig sind, weder die Transporte von Flüchtlin-
gen in Aufnahmelager begleiten noch in diesen Lagern
selbst präsent sind. Die Zustände in diesen Aufnahmela-

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(C (D ern sind derzeit inhuman; diese Lager weisen keine enschenwürdigen Zustände auf. Hier muss – das ist in iesem Zusammenhang noch einmal klar zu sagen – chnellstens Abhilfe geschaffen werden. Dazu soll unser ntrag dienen. Ich bitte um größtmögliche Unterstüt ung dieses Hauses. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714924500

Lieber Kollege Mayer, ich nutze die Gelegenheit

erne, Ihnen zu Ihrem heutigen Geburtstag zu gratulie-
n.


(Beifall)


ir freuen uns, dass Sie sich entschlossen haben, den
rößeren Teil des Abends mit uns gemeinsam hier zu
erbringen,


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Was gibt es Schöneres?)


nd wünschen Ihnen für das neue Lebensjahr alles Gute.

Nun hat der Kollege Rüdiger Veit für die SPD-Frak-
on das Wort.


(Iris Gleicke [SPD]: Wir haben getauscht!)


Wir machen es selbstverständlich so, wie Sie es unter-
inander verabredet haben. Jetzt redet also zuerst Frau
olbe, und später folgt der Kollege Veit. Bitte schön,
rau Kollegin.


Daniela Kolbe (SPD):
Rede ID: ID1714924600

Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen

nd Kollegen! Ich kann mich noch sehr gut an das Ge-
hl der Hilflosigkeit erinnern, das mich befallen hat, als
ir auf unserer Delegationsreise erst das Aufnahmelager
ilakio und später die Polizeistation Tychero besucht ha-
en. Damit Sie eine Vorstellung davon bekommen, was
ir dort gesehen haben, möchte ich Ihnen ein wenig be-

chreiben, wie es in Tychero zugeht.

Es handelt sich um eine Polizeistation, in der Men-
chen, die die türkisch-griechische Grenze übertreten ha-
en – zum Teil sind das Asylsuchende, zum Teil sind es
ogenannte illegale Migrantinnen und Migranten –, bis
u sechs Monate festgehalten werden. Wir haben dort ei-
en Zellenraum gesehen und auch betreten können. In
eutschland würde man ihn als einen 100 Quadratmeter
roßen dunklen Kellerraum beschreiben. In diesem wa-
n etwa 40 Männer unterschiedlichen Alters und unter-

chiedlicher Herkunft. Geschlafen haben sie auf Matrat-
enfetzen, die unangenehm rochen. Die sanitären
nlagen waren in einem unbeschreiblichen Zustand.
an konnte fast froh sein, dass in dem Raum kein elek-

isches Licht war. Es gab kein Warmwasser, es gab
eine Heizung, es gab keine Fensterscheiben.

Die Menschen klagten über schlechte medizinische
ersorgung und schlechtes Essen. Am schlimmsten war
us unserer Sicht diese unglaubliche Enge und die feh-
nde Möglichkeit, diese Zelle auch nur einmal am Tag
gendwie zu verlassen. Das heißt, die Menschen waren

17890 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Daniela Kolbe (Leipzig)



(A) )


)(B)

dort unter diesen schlimmen Bedingungen rund um die
Uhr eingesperrt, und zwar bis zu sechs Monate.

Ich kann mich an einen gebildeten Mann aus dem Iran
oder aus Syrien erinnern, der, als er mit uns gesprochen
hat, mit der Genfer Flüchtlingskonvention auf Englisch
vor uns herumwedelte und darauf hinwies, dass ihm als
Flüchtling doch auch Rechte zustünden. Ich kann mich
noch gut erinnern, wie hilflos ich mich gefühlt habe, als
ich ihm bloß sagen konnte: Wir werden uns um Verbes-
serungen bemühen. Wir werden beim Minister insistie-
ren. Wir werden versuchen, irgendetwas zu tun, damit
diese Zustände abgestellt werden.

Dass daraus jetzt ein interfraktioneller Antrag gewor-
den ist, beweist zunächst einmal, wie unbeschreiblich
die Situation war, wie sehr sie uns erschüttert und be-
rührt hat und wie bewegend das für uns alle war. Men-
schenrechte sind nicht verhandelbar, in keiner Situation.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Griechenland ist hier in der Pflicht. Das ist das Signal,
das heute von dieser Debatte ausgehen muss und ausge-
hen wird.

Wir müssen uns zugleich immer bewusst sein, dass
wir an Griechenland das Signal senden müssen: Ihr seid
in der Verantwortung; aber wir sehen auch die schwie-
rige Situation, in der ihr euch befindet. Denn ein Groß-
teil der Flüchtlinge, die derzeit zu Hunderttausenden
nach Europa strömen, wählen die Grenze zwischen der
Türkei und Griechenland. Sie kommen in ein Land, das
von einer verheerenden Wirtschafts- und Finanzkrise
erschüttert wird; ein Land mit 11 Millionen Einwohnern,
das sich damit konfrontiert sieht, dass dort über 1 Mil-
lion Menschen illegal lebt.

Darüber, wie man damit umgeht, gibt es keinen Kon-
sens in diesem Haus. Die SPD würde sagen: Wir müssen
endlich darüber sprechen, wie wir eine europäische Ver-
antwortungsteilung hinbekommen und dass wir Grie-
chenland und auch Malta in dieser Situation nicht allein
lassen können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Darüber gibt es hier keinen Konsens. Ich würde aber
sagen: Es gibt noch keinen Konsens; denn dass wir
irgendwie agieren müssen, liegt, glaube ich, auf der
Hand.

Es gibt aber einen Konsens, dass wir niemanden mehr
nach Griechenland zurückschicken, auch 2012 nicht.
Das ist ein großer Erfolg. Es gibt überdies den Konsens,
dass wir die Griechen auffordern, in diesen Lagern um-
gehend menschenwürdige Bedingungen herzustellen.
Wir appellieren an Griechenland, das endlich zu gewähr-
leisten, und verweisen dabei noch einmal auf die euro-
päischen Hilfen, die zur Verfügung stehen.

Dass das etwas bringt, konnten wir von NGOs erfah-
ren, die uns nach unserem Besuch berichtet haben, dass
sich einige Kleinigkeiten verbessert haben – sei es nur

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(C (D ie Farbe an den Wänden, seien es nur neue Matratzen, ber es bewegt sich etwas. Deshalb sage ich: Lassen Sie ns heute gemeinsam ein ganz starkes Zeichen in Form ines Appells an Griechenland setzen. Griechenland uss endlich handeln, damit sich diese für Europa eschämenden Bedingungen endlich verbessern. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714924700

Das Wort hat der Kollege Serkan Tören für die FDP-

raktion.


(Beifall bei der FDP)



Serkan Tören (FDP):
Rede ID: ID1714924800

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen

nd Kollegen! An der griechisch-türkischen Grenze wer-
en Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Bedingun-
en in griechischen Haftlagern festgehalten. Dieser
terfraktionelle Antrag ist ein gemeinsamer Appell an

ie griechische Regierung zu einem humanitären
mgang mit Flüchtlingen.

Unsere Forderungen in diesem Antrag sind ganz klar:
s ist erforderlich, die menschenunwürdigen Zustände
den Auffanglagern des Landes endlich zu beenden.
azu sollten die hierfür bereitstehenden Mittel aus dem
U-Flüchtlingsfonds endlich beantragt werden. Außer-
em sollte Griechenland zügig mit dem Aufbau eines
nktionierenden Asylsystems beginnen und die Migran-
n anderweitig unterbringen, solange sich die Situation
den Auffanglagern nicht gebessert hat.

Die Bundesregierung möchten wir ermuntern, sich in
ilateralen Verhandlungen mit Griechenland weiter für
in Ende dieser unhaltbaren Zustände einzusetzen. In
iesem Zusammenhang möchte ich mich für die bisheri-
en Bemühungen bedanken. So hat sich die Bundes-
gierung am 27. und 28. Oktober dieses Jahres im Brüs-

eler Rat für Justiz und Inneres gegenüber Griechenland
r eine Verbesserung der Situation eingesetzt. Auch lau-
n auf bilateraler Ebene zwischen dem Auswärtigen
mt und der griechischen Seite bereits intensive Gesprä-

he zur Lösung dieser Problematik.

Im Jahr 2010 reisten schätzungsweise 90 Prozent der
lüchtlinge, die nach Europa strebten, über die türkisch-
riechische Landesgrenze ein. Dort werden sie in Auf-
nglagern teilweise bis zu sechs Monate festgehalten.
ie sind in großer Enge, ohne Warmwasser und Heizung
nd ohne Zugang zu medizinischer Versorgung unterge-
racht. Der Europäische Gerichtshof für Menschen-
chte hat Griechenland dafür bereits mehrfach wegen
erstößen gegen die Europäische Menschenrechtskon-
ention verurteilt.

Als FDP-Bundestagsfraktion möchten wir betonen:
riechenland ist trotz Finanzkrise und allen damit

usammenhängenden Problemen verpflichtet, die Men-
chenrechte einzuhalten. Deutschland bietet auf EU-
bene seine Hilfe vor Ort an. Dies kann für Griechen-
nd aber nicht bedeuten, aus der Pflicht und der Verant-
ortung entlassen zu werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17891

Serkan Tören


(A) )


)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Über die griechisch-türkische Landesgrenze gelangen
aktuell pro Tag 200 bis 300 Flüchtlinge in die EU. Nach
der Festnahme durch die Polizei werden diese zunächst
in Flüchtlingslager verbracht. Der massive Zustrom in
die Lager führt zu menschenunwürdigen Lebensbedin-
gungen für die Migranten. Die katastrophale Situation
vor Ort macht eine weitgehende Überforderung der grie-
chischen Stellen deutlich.

Grundsätzlich positiv einzuschätzen ist dagegen aus
Sicht der FDP der Einsatz der Agentur Frontex an der
Grenze. Die Beamten – gerade auch die der Bundespoli-
zei – tragen zum Know-how-Transfer bei. Auch gewähr-
leisten die Beamten eine humanitäre Situation beim
Übertritt. Ferner ermöglichen sie eine weitestgehend
offene Kooperation zwischen der Türkei und Griechen-
land. Dennoch sollten Einsätze von Frontex – wie unter
Umständen die Screenings der Flüchtlinge in den Lagern –
differenziert betrachtet werden.

Frontex kann und darf allerdings nicht für das Versa-
gen von einzelnen Mitgliedstaaten verantwortlich
gemacht werden. Das Mandat von Frontex ist eng. Es
umfasst nicht die Verantwortung für die Flüchtlings-
lager. Diese Verantwortung liegt voll und ganz bei den
griechischen Behörden. Bei Gesprächen mit der griechi-
schen Seite hat die Delegation des Bundestagsinnenaus-
schusses eindringlich die Beseitigung gravierender men-
schenunwürdiger Zustände angemahnt.

Griechenland stehen, wie vorhin schon erwähnt,
genug EU-Fördermittel zur Verfügung, die bisher aber
nicht abgerufen wurden. Die Reform des griechischen
Asylrechts – welche unter anderem eine Verlagerung der
Zuständigkeit von der Polizei auf eine eigenständige
Asylbehörde vorsieht – kommt zudem nur in kleinen
Schritten voran.

Alle Teilnehmer der Bundestagsdelegation waren sich
einig – dies war das Resümee der Reise –: Es sollte mehr
Druck auf Griechenland ausgeübt werden, um die
Zustände in den Flüchtlingslagern zu verbessern und
schnellstmöglich eine menschenwürdige Situation zu
schaffen.

Ich möchte allerdings auch offen ansprechen: Trotz
dieses interfraktionellen Antrags besteht kein überfrak-
tioneller Konsens hinsichtlich der Konsequenzen, die aus
der aktuellen Situation zu ziehen sind. Dies betrifft vor
allem die Form der europäischen Solidarität. Hierzu zäh-
len die europäische Verantwortungsteilung, ein etwaiger
Reformbedarf bei der Dublin-II-Verordnung sowie eine
Verlängerung laufender Frontex-Missionen in Griechen-
land. Auch gibt es Unterschiede bei der Bewertung des
europäischen Drucks auf die Türkei, damit das euro-
päisch-türkische Rückübernahmeabkommen ratifiziert
und das bilaterale Rückübernahmeabkommen mit Grie-
chenland umgesetzt wird.


(Rüdiger Veit [SPD]: Das glaube ich eher nicht!)


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(C (D Wir als FDP-Bundestagsfraktion setzen uns dafür ein, ass beide Abkommen effektiv implementiert werden. it diesem interfraktionellen Antrag hoffen wir, neben en vonseiten der Bundesregierung bereits vorhandenen emühungen weitere positive Ansätze zur Verbesserung er humanitären Situation der griechischen Flüchtlingsger geben zu können. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714924900

Nun spricht die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion

ie Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714925000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch

h war bei dieser Reise als Delegationsteilnehmerin
abei. Ich kann die Erschütterung, die meine Kollegin-
en und Kollegen hier bereits geäußert haben, nur teilen.
sbesondere in dem Lager Filakio, das wir besuchten,

errschen menschenunwürdige Zustände. Ich habe noch
ie erlebt, dass Menschen an die Gitterstäbe klopfen und
fen: Holt uns hier raus! Holt uns hier raus! – Es wurde

ier beschrieben, wie die kellerartigen Räume dort aus-
ehen und wie die Menschen dort hausen müssen. Sie
ürfen diese Zellen ein halbes Jahr lang nicht verlassen.
as ist zutiefst unmenschlich. Von daher ist der Druck

uf Griechenland voll berechtigt. Das zum einen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, einmal abgesehen
avon, dass die rechte Seite des Hauses sowieso nicht
ollte, dass die Linke an diesem Antrag mitarbeitet und
eteiligt werden soll, bin ich der Meinung, dass Deutsch-
nd nicht Griechenland allein die Verantwortung über-
agen kann. Selbstkritisch muss gesehen werden – einige
ollegen, wie es beispielsweise der Kollege Tören eben
etan hat, haben es zumindest angedeutet –, dass es auch
ine Mitverantwortung der EU gibt.

Die EU-Flüchtlingspolitik hat in den vergangenen
ahren vor allen Dingen auf Abschottung gesetzt. Ich
enne hier Frontex und das Schengener Abkommen, wo-
urch vor allem die Außengrenzen dichtgemacht werden
ollen. Vor allen Dingen nenne ich auch die Dublin-II-
erordnung und die neuen, sich in Planung befindlichen
aßnahmen wie beispielsweise das EUROSUR. Es wird

o getan, als habe man damit jetzt neue große Möglich-
eiten, die Grenzen abzuschotten.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hat zum Bei-
piel gerade eine Presseerklärung herausgegeben. Dort
eißt es:

Anlässlich des letzten EU-Innenministertreffens in
diesem Jahr zieht PRO ASYL flüchtlingspolitische
Bilanz: 2000 tote Flüchtlinge

nur in diesem Jahr 2011 –

17892 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Ulla Jelpke


(A) )


)(B)

an den europäischen Außengrenzen, keine Solidari-
tät bei der Flüchtlingsaufnahme, Dauerblockade bei
der Schaffung gemeinsamer Asylrechtsstandards
und populistische Debatten, die selbst die innereu-
ropäische Freizügigkeit zur Disposition stellen –
das waren die zentralen Merkmale der EU-Flücht-
lingspolitik im Jahr 2011. Diese desaströse Bilanz
des Jahres 2011 zeigt aus Sicht von PRO ASYL,
dass die Europäische Union in Fragen des Flücht-
lings- und Menschenrechtsschutzes politisch und
moralisch versagt.

Diese Einschätzung kann die Linke voll unterstützen.
Wir können viele Beispiele dafür bringen.

Tatsächlich ist es so: Die Europäische Union müsste
wirklich darüber diskutieren, eine Umverteilung in
Europa vorzunehmen. Griechenland ist gegenwärtig das
Hauptzielland der Flüchtlinge; sie versuchen dann, von
dort aus in andere EU-Staaten zu kommen. Man könnte
im Grunde genommen sehr schnell Abhilfe schaffen.
Dafür müsste man nicht nur – davon sprechen Sie jetzt –
300 Flüchtlinge pro Jahr aus den gesamten EU-Staaten,
die kein Asylsystem haben, im Rahmen eines Resettle-
ment-Verfahrens in Deutschland aufnehmen, sondern
wirklich dafür sorgen, dass die Staaten je nach Höhe des
Bruttosozialprodukts mehr Flüchtlinge aufnehmen.
Damit könnte man Griechenland sehr solidarisch unter-
stützen. Es geht hier in erster Linie um Solidarität, unter
den EU-Staaten, vor allen Dingen aber mit den schutz-
suchenden Flüchtlingen, die von Europa insgesamt
alleingelassen werden.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Sauerei!)


Das kann einfach nicht hingenommen werden.

Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Auch
der UNHCR hat in diesen Tagen einen Lagebericht
herausgegeben. Auch er kritisiert Deutschland und sieht
dringenden Handlungsbedarf „bei der Durchführung des
sogenannten Dublin-Verfahrens in Deutschland, in dem
entschieden wird, welches Land für die Prüfung eines
Asylantrages zuständig ist. So sei es notwendig, von der
bisher geltenden Gesetzeslage abzurücken, nach der ein
einstweiliger Rechtsschutz gegen die Überstellung in ein
anderes Land ausdrücklich ausgeschlossen sei. Auch aus
der Europäischen Menschenrechtskonvention ergebe
sich, dass ein Zugang zum einstweiligen Rechtsschutz
vorhanden sein müsse.“

Hier muss man ganz deutlich sagen: Deutschland hat
mit verhindert, dass eine Regelung getroffen wird, nach
der man im Rahmen des Dublin-Abkommens nicht in
Länder wie beispielsweise Italien, Griechenland und
Zypern, aber auch andere europäische Staaten, die kein
Asylsystem haben, zurückschiebt. Es wird vielmehr wei-
ter zurückgeschoben.

Ich nehme einmal das Beispiel Malta. Einerseits nah-
men Sie im vorletzten Jahr 50 und jetzt noch einmal 150
Flüchtlinge aus Malta auf. Malta läuft quasi über; die
Flüchtlingszahl ist für Malta nicht zu bewältigen. Ande-
rerseits jedoch werden Flüchtlinge im Rahmen der Dub-

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(C (D n-II-Verordnung zurückgeschoben. Das kann einfach eine humanitäre Flüchtlingspolitik sein. Kollegin Jelpke, es ist zweifellos ein wichtiges hema. Achten Sie bitte trotzdem auf das Signal, und ommen Sie zum Schluss. Ja, ich komme zum Schluss. – Die Linke hat einen igenen Antrag eingebracht, den wir überweisen lassen, m weiterhin im Innenausschuss über dieses Thema disutieren zu können. Denn ich denke, die aktuellen Vorommnisse sowie die Kritik vom UNHCR und anderen lüchtlingsorganisationen müssen weiter thematisiert erden. Wir müssen uns vor allen Dingen dafür einset en, dass es eine solidarische Lösung auf europäischer bene gibt, vor allen Dingen für die Flüchtlinge, die chutz suchen. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714925100
Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714925200


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714925300

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kol-

ge Josef Winkler das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Ich denke, es ist ein gutes und wichtiges
ignal, dass hier vier Fraktionen des Hauses einen
emeinsamen interfraktionellen Antrag formuliert
aben, auch wenn die Linksfraktion nicht dabei ist;
enn ich es richtig verstanden habe, enthalten Sie sich
ei diesem Antrag, sodass wir durch einen einstimmigen
eschluss ein starkes Signal in Richtung der griechi-

chen Regierung, aber auch des griechischen Parlamen-
s und der griechischen Öffentlichkeit senden können.
s kann nicht angehen, dass wir es in einem Europa des
ahres 2011 zulassen, dass solche Zustände in den
lüchtlingslagern eines Mitgliedstaates herrschen, dass
eine humanitären Mindestbedingungen gegeben sind
nd kein Zugang zu einem fairen Asylverfahren einge-
umt wird. Das darf nicht sein, das muss sofort ein
nde haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Es kommt mir selten über die Lippen, aber es ist tat-
ächlich so, dass der Innenminister zum zweiten Mal
ine sehr richtige Entscheidung getroffen hat, indem er
ie Regelung, keine Flüchtlinge nach Griechenland zu-
ckzuüberstellen, um ein Jahr verlängert hat. Die Bun-

esregierung hat sich ausweislich der Protokolle der Ta-
ung des Rates für Justiz und Inneres sehr intensiv für
ie Beseitigung dieser Problematik eingesetzt, was si-
herlich nicht nur zur Erheiterung der anderen Beteilig-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17893

Josef Philip Winkler


(A) )


)(B)

ten beigetragen hat. Dafür von meiner Fraktion einen
herzlichen Dank. Ich denke aber auch, dass es eine
Selbstverständlichkeit ist, dass eine deutsche Regierung
in dieser Frage deutlich auftritt.

Die ganze Systematik des europäischen Flüchtlings-
rechts – so wie es sich durch die Dublin-II-Verordnung
darstellt –, dass wir die Flüchtlinge, die in andere Länder
weitergegangen sind, in die Länder rückverteilen, in die
sie zuerst eingereist sind, kann nur funktionieren – wenn
man es politisch als Systematik akzeptiert –, wenn in den
Ländern, in die man zurückschiebt, die Bedingungen ge-
nauso qualitativ hochwertig sind und den menschen-
rechtlichen Standards entsprechen, wie das in Deutsch-
land der Fall wäre. Sonst wäre es unverantwortlich,
Menschen in eine Lage zu bringen, in die sie eigentlich
nicht geraten dürfen. Wenn das Dublin-II-System und
das europäische Asylsystem, so wie es bisher organisiert
ist, so bleiben sollten – wenn man das denn will –, ist es
unerlässlich, dass die griechische Regierung handelt und
die Lage umgehend verbessert.

Ich teile viele der Kritikpunkte, die Kollegin Jelpke
vonseiten der Linksfraktion gegen das System vorge-
bracht hat. Aus grüner Sicht hat es sich in der derzeitigen
Krisensituation nicht bewährt. Es ist nicht in der Lage,
bei solchen Massenzuströmen, wie sie manchmal auftre-
ten, wenn es zum Beispiel in Nordafrika Volksaufstände
gibt oder wenn Flüchtlingsströme über die Türkei kom-
men, ein faires Umverteilungsverfahren zu garantieren.
Meine Fraktion sieht auch in diesem Bereich Reformbe-
darf. Wir werden nicht locker lassen.

Jetzt geht es uns um das starke und gemeinsame Si-
gnal an das griechische Volk. An und für sich wäre das
im historischen Griechenland ein klassischer Fall für den
Ostrakismos gewesen: die Verantwortlichen für solche
Zustände gehörten längst vor das Scherbengericht und
zehn Jahre in die Verbannung. Wenn Sie das nicht wol-
len, können Sie die Lage verbessern. Das wäre aus unse-
rer Sicht die humanere Variante für alle Beteiligten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir als Fraktion finden es durchaus bedenklich, dass
deutsche Beamte über die Frontex-Einsätze mittelbar an
der Unterbringung – wenn man das überhaupt so nennen
will – der Menschen in Flüchtlingslagern beteiligt sind.
Das haben wir immer deutlich gemacht. Wir werden das
auch weiterhin kritisch durchleuchten. Wir würden uns
auch wünschen, dass die deutsche Seite in Richtung der
etwa 10 000 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge,
die in Griechenland zum Teil auf der Straße leben, ein
humanitäres Signal senden und sie aufnehmen würden.
Das werden wir auch im nächsten Jahr im Innenaus-
schuss mit Nachdruck begleiten. Heute bedanke ich
mich zunächst für die breite Unterstützung unseres An-
liegens.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Das Wort hat der Kollege Helmut Brandt für die nionsfraktion. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen nd Herren! In den vergangenen Monaten wurde im uge von Delegationsreisen und auch durch Berichte der GOs sowie des Hohen Flüchtlingskommissars – wir aben das hier anschaulich gehört – deutlich, dass die ustände in Griechenland trotz unserer Unterstützung nd der Unterstützung der Europäischen Union nach wie or chaotisch sind. Trotz der angebotenen und auch geisteten Hilfe herrschen in den Flüchtlingslagern men chenunwürdige Zustände. Die griechische Regierung ist icht in der Lage – ich sage: wohl auch nicht willens –, ich für eine deutliche Verbesserung der Lage der lüchtlinge einzusetzen. Zwar gibt es tendenziell einige Verbesserungen – so t in den letzten Monaten die Quote der Anerkennungen on Asylbewerbern im Erstverfahren von 1 auf 12 Proent angestiegen und die durchschnittliche Bearbeingszeit verkürzt worden –, aber das ist nur ein Tropfen uf den heißen Stein. Damit sind die Probleme nicht gest. Insgesamt zeichnen NGOs und der Flüchtlingskomissar sowie unsere Delegationsteilnehmer ein düsteres ild der dortigen Zustände. Kritisiert wird immer insbe ondere die hier eben dargestellte menschenunwürdige ebenssituation der Flüchtlinge. Eine Bereitschaft Griechenlands, diese Zustände zu erbessern – ich wiederhole es –, ist für uns nicht erennbar. Die Vertreter Griechenlands bekunden stets den uten Willen, die Lage in den Griff zu bekommen, berun sich aber gleichzeitig darauf, dass die hohe Flüchtngszahl gemessen an der Einwohnerzahl Griechenlands aum zu bewältigen sei. uch wird immer sofort darauf hingewiesen, dass die ürkei ihrer Rücknahmeverpflichtung nicht nachkommt. ber das sind für mich keine Argumente, die die ernstafte Bereitschaft unterstreichen, das Asylverfahren zu erbessern und zu beschleunigen und ein menschenwüriges Dasein für die Flüchtlinge zu schaffen. Dieses Beühen ist schlicht nicht zu erkennen. Gegen eine ernsthafte Bereitschaft spricht in meinen ugen außerdem, dass Griechenland bislang immer noch icht die EU-Mittel, die eigens für die Verbesserung der nterkünfte zur Verfügung gestellt wurden, abgerufen at. Aufgrund der menschenunwürdigen Zustände in den lüchtlingslagern hat der vormalige Bundesinnenminisr, Thomas de Maizière, im Januar dieses Jahres ent chieden, dass im laufenden Jahr keine Überstellungen tattfinden. Wir haben eben gehört – wir begrüßen das usdrücklich –, dass Minister Friedrich diese Regelung erlängert hat, bis in das Jahr 2013 hinein. Das ist eine siherlich notwendige und richtige Entscheidung. 17894 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Helmut Brandt )

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714925400

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Helmut Brandt (CDU):
Rede ID: ID1714925500

(Rüdiger Veit [SPD]: Sehr richtig!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(A) )

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg.
Serkan Tören [FDP])

Ich sage aber auch, dass dies keine Dauerlösung sein
kann. Grundsätzlich ist Griechenland nach der Dublin-II-
Verordnung für die Durchführung der Asylverfahren zu-
ständig. Eine grundsätzliche Veränderung dieses Verfah-
rens – auch das mache ich deutlich – lehnen wir ab; denn
das Dublin-II-Abkommen war und ist der Garant dafür,
dass wir keinen unkontrollierten und auch für uns nicht
mehr zu bewältigenden Asylbewerberstrom haben. Aus
diesem Grund lehnen wir den vorliegenden Antrag der
Fraktion Die Linke ab.

Ich habe Verständnis dafür, dass Griechenlands der-
zeitige finanzielle Lage vieles überlagert. Ich verstehe
auch, dass Griechenland aufgrund seiner geografischen
Lage von vielen Migranten als Einfallstor genutzt wird,
um von dort aus nach Mittel- und Nordeuropa zu gelan-
gen. Dies entbindet Griechenland jedoch nicht von sei-
ner Verantwortung, die ihm aufgrund der Dublin-II-Ver-
ordnung zukommt. Je weniger Griechenland bereit oder
in der Lage ist, für ein geordnetes und zügiges Asylver-
fahren zu sorgen, desto attraktiver wird der Weg über
Griechenland für die Schleuserbanden. Für die Schleu-
serbanden ist es doch ganz einfach: Wenn die Situation
in Griechenland so bleibt, können Länder wie Deutsch-
land die über Griechenland zu ihnen Gelangten nicht zu-
rückschieben. Man muss sich doch fragen – dieser Ein-
druck drängt sich auf – ob dies nicht im Endeffekt so
gewollt ist.

Deshalb müssen wir – das ist hier von allen zu Recht
gefordert worden – von der Bundesregierung verlangen
– diese Erwartung wird ja auch erfüllt –, dass sie auf
Griechenland weiterhin intensiv einwirkt, schnellstmög-
lich die in unserem Antrag formulierten Dinge umzuset-
zen.

Hinsichtlich der Frage, wie die Mitgliedstaaten Grie-
chenland bei dieser Mammutaufgabe unterstützen kön-
nen und welche Reformen im Bereich der europäischen
Flüchtlingspolitik notwendig sind – auch das ist hier
deutlich geworden –, gibt es unterschiedliche Auffassun-
gen. Eines steht für mich jedoch fest: Ein solch men-
schenunwürdiges Dasein der Flüchtlinge, das gegen alle
internationalen Standards verstößt, können wir nicht län-
ger dulden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, in bilate-
ralen Verhandlungen weiterhin die bestehende inakzep-
table Situation zu thematisieren und auf eine schnelle
Verbesserung hinzuwirken. Außerdem muss geprüft
werden, welche Hilfen Griechenland zur Verfügung ge-
stellt werden können, um es in die Lage zu versetzen, die
vorhandenen Mittel abzurufen.

Ich will meinen Vortrag mit der Bitte abschließen, un-
serem Antrag, dem gemeinsamen Antrag der vier Fraktio-
nen, Ihre Zustimmung zu geben. Das wäre zum jetzigen
Zeitpunkt das richtige Zeichen, auch für Griechenland.

Besten Dank.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714925600

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

üdiger Veit für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Rüdiger Veit (SPD):
Rede ID: ID1714925700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

enn Sie mir vorausgesagt hätten, dass ich heute in ei-
er ausländerrechtlichen bzw. flüchtlingspolitischen
rage dem Kollegen Stephan Mayer, dem Vorredner aus
er CSU, ausdrücklich für seine Ausführungen danken
nd sie Wort für Wort unterschreiben würde, dann hätte
h das nicht unbedingt für höchst wahrscheinlich gehal-
n, sondern für eher ungewöhnlich, genauso wie auch
nseren Antrag, an dessen Zustandekommen meine Kol-
gin Daniela Kolbe maßgeblich beteiligt war, der ich

uch dafür danke.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Entschiedenheit hinsichtlich des Eintretens in der
ache traf auch für Stephan Mayer in seiner Funktion als
elegationsleiter zu, als wir gemeinsam in Griechenland
aren. Sie dürfen nicht glauben, liebe Kolleginnen und
ollegen, dass wir uns mit der Schilderung unserer Ein-
rücke und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen
ei den Gesprächen mit griechischen Parlamentariern
der beim Gespräch mit dem dafür zuständigen Innen-
inister etwa zurückgehalten hätten. Vielmehr haben
ir uns tendenziell eher sehr undiplomatisch und inner-
ch noch aufgewühlt von den Eindrücken, die wir dort
esammelt haben, sehr kritisch mit ihnen auseinanderge-
etzt.

Da ich Sozialdemokrat bin, habe ich mir im Einver-
ehmen mit meinen Kolleginnen und Kollegen erlaubt,
em Innenminister von der PASOK zu sagen: Als euro-
äischer Sozialdemokrat muss ich mich dafür schämen,
ass ein anderer europäischer Sozialdemokrat für solche
ustände verantwortlich ist. – Er hat sich übrigens nicht
ur die ursprünglich zugesagten 20 Minuten, sondern
nnähernd zwei Stunden Zeit genommen, um mit uns zu
prechen. Aber wir haben ihn nicht sehr optimistisch
erlassen, was die Frage angeht, ob sich nun wirklich et-
as Grundlegendes ändert.

Die Zustände sind beschrieben worden, obwohl sie in
ahrheit unbeschreiblich sind. Aber mit Rücksicht auf

ie Wahrung der Intimsphäre und die Sicherheitsbelange
ersteht es sich wohl von selbst, dass man in der Situation
on diesen Unterbringungsmöglichkeiten, wenn man das
berhaupt so bezeichnen kann, und auch von den Men-
chen dort keine Videoaufnahmen macht, um das dann
indrucksvoll zu dokumentieren. Sie müssen sich also
chon auf das übereinstimmende Urteil derjenigen verlas-
en – Sie können sich auch darauf verlassen –, die die De-
gationsreise unternommen haben. So weit, so gut.

Übereinstimmung gibt es im Grunde genommen auch
it allen übrigen Redebeiträgen. Ich will Ihnen nur sa-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17895

Rüdiger Veit


(A) )


)(B)

gen, wo wir als Sozialdemokraten – das gilt möglicher-
weise auch für die Grünen, tendenziell auch für einige in
der Partei Die Linke und für einen Teil Ihres Antrages –
uns ein wenig von den anderen unterscheiden.

Ich möchte die mir noch verbliebene Redezeit nutzen,
um Ihnen die Dimension des Problems deutlich zu ma-
chen. Nach seriösen Schätzungen, die uns in Griechen-
land, in der Türkei, aber auch von Frontex-Mitarbeitern
in Piräus genannt wurden, gibt es derzeit eine Flücht-
lingsbewegung von außerhalb Europas nach Europa vor
allen Dingen mit dem Ziel Zentral- und Nordeuropa in
der Größenordnung von 400 000 bis 500 000 Menschen
pro Jahr. 90 Prozent, so lauten die ernstzunehmenden
Schätzungen, kommen über Griechenland. Griechenland
hat 11 Millionen Einwohner. Ich stelle Ihnen anheim,
das einmal nachzurechnen: Hochgerechnet auf unsere
Bevölkerungszahl würde das eine unkontrollierte Zu-
wanderung in der Größenordnung von rund 3 Millionen
Menschen pro Jahr bedeuten. Ich erinnere nur an die
Diskussion Anfang der 90er-Jahre um die Asylbewer-
berzahlen und die Spätaussiedler, wo wir auf insgesamt
900 000 Menschen gekommen sind. Das war nur zwei
Jahre lang so, dann war das wieder vorbei. Aber in Grie-
chenland ist das seit vielen Jahren so.

In der Situation kann man nicht sagen: Griechenland
ist sozusagen der Pförtner des Hauses Europa. Es hat
zwar die Verpflichtung, die Menschen hereinzulassen,
darf sie aber nur in der Pförtnerloge unterbringen und
nicht ins Haus lassen. – Das kann man sinnvollerweise
nicht als europäische Flüchtlingspolitik bezeichnen. Das
kann auch jenseits aller ökonomischen Belange, die
noch dahinterstehen, nicht gut gehen. Das ist auch von
der Bevölkerung in Griechenland selber irgendwann
nicht mehr zu tolerieren. Das führt zu politischen Ver-
werfungen, die wir alle uns nicht wünschen können.

Ich darf klipp und klar sagen: Wir als Sozialdemokra-
ten sind davon überzeugt, dass wir eine echte europäi-
sche Verantwortungsteilung brauchen.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr richtig!)


Dies darf nicht nur bedeuten, dass wir versuchen, das mit
Geld gutzumachen oder abzufedern, sondern das muss
auch heißen: Entsprechend der Wirtschaftskraft und der
Größe der Bevölkerung sollten sich alle EU-Staaten
dazu verpflichten, Flüchtlinge, die im Moment vorzugs-
weise in Griechenland den europäischen Boden betreten,
bei sich aufzunehmen. Wenn ich sage, dass sie sie bei
sich aufnehmen sollen, dann heißt das automatisch – das
sollte klar sein –: Wir müssen bereit sein, die Verfahren
durchzuführen. Wir können nicht sagen, dass die ande-
ren die Verfahren durchführen sollen und wir diejenigen,
die dann übrig bleiben, verteilen. Wir müssen bereit sein,
die Verfahren hier in Deutschland durchzuführen.

Denjenigen, die Angst haben, dass sich Menschen-
massen in unsere Richtung in Bewegung setzen, sage
ich: Wenn Sie das auf Bevölkerungszahlen und Wirt-
schaftskraft in der gesamten EU umrechnen, dann sehen
Sie, dass das nicht automatisch heißt, dass Deutschland
mehr Flüchtlinge aufnehmen muss, als es im Augenblick

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(C (D er Fall ist. Wir liegen dabei sowieso im Durchschnittsereich. Von daher wäre das ein sinnvoller Weg. Frau Präsidentin, ich bin gleich am Schluss meiner ede. Gestatten Sie mir noch einen Satz bzw. einen Hineis. Es muss natürlich klar sein, dass Dublin II mit die er merkwürdigen Teilung der Verantwortung – ich erähne es noch einmal –, dass Griechenland sozusagen er Pförtner ist und alle in der Pförtnerloge behalten uss, egal, wie viele es sind, so nicht fortgesetzt werden arf. Deswegen setzen wir uns nachhaltig dafür ein, dass ublin II auf europäischer Ebene im Sinne echter Teing der Verantwortung novelliert und verbessert wird. Den Teil des Antrags der Linken, der in die gleiche ichtung geht, begrüßen wir, aber die pauschale Ablehung von Frontex, die auch in dem Antrag enthalten ist, ndet nicht unsere Billigung. Deswegen können wir dieem Antrag leider nicht zustimmen. Ich bedanke mich noch einmal für das einmütige Vom bei allen Rednern, das jetzt in der Abstimmung hofntlich entsprechend deutlich wird. Ich bitte Sie ein ringlich im Interesse der Menschen, die unter solchen edingungen leben müssen: Helfen Sie mit. Machen Sie ie Situation publik, sagen Sie, wie die Verantwortung erteilt ist, und helfen Sie den Menschen. Das ist unser nliegen. Danke sehr. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714925800

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
raktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/
ie Grünen auf Drucksache 17/7979 mit dem Titel

Menschenwürde ist nicht verhandelbar – Bedingungen
griechischen Flüchtlingslagern sofort verbessern“.
er stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? –
er enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der
nionsfraktion, der SPD-Fraktion, der FDP-Fraktion
nd der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung
er Fraktion Die Linke angenommen.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 17/8139 an die in der Tagesordnung aufge-
hrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-

erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-
nologie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Frak-
tion der SPD

Bei der Vergabe von Exportkreditgarantien
auch menschenrechtliche Aspekte prüfen
– Drucksachen 17/7810, 17/7988 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Erich G. Fritz

17896 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Vizepräsidentin Petra Pau


(A) )


)(B)

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu
diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. –
Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Es handelt sich
um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen:
Erich G. Fritz für die Unionsfraktion, Christoph Strässer
für die SPD, Dr. Martin Lindner für die FDP, Ulla Lötzer
für die Fraktion Die Linke und Ute Koczy für die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen.1)

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie empfiehlt in seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 17/7988, den Antrag
der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/7810 abzuleh-
nen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der
FDP-Fraktion und der Fraktion Die Linke gegen die
Stimmen der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen angenommen.

Ich rufe die Zusatzpunkte 7 und 8 auf:

ZP 7 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP

Begleitgesetzgebung zum Vertrag von Lissa-
bon konsequent anwenden – Mitwirkungs-
rechte des Bundestages in Angelegenheiten der
Europäischen Union weiter stärken

– Drucksache 17/8137 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Andrej
Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Demokratie stärken – Parlamentarische Rechte
in EU-Angelegenheiten ausbauen

– Drucksache 17/8138 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

Auswärtiger Ausschuss

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1) Anlage 6 2)

(C (D Innenausschuss Sportausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Verteidigungsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu iesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. – h sehe, Sie sind auch damit einverstanden. Es handelt ich um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen: ürgen Hardt und Alois Karl für die Unionsfraktion, r. Eva Högl für die SPD, Dr. Stefan Ruppert für die DP, Andrej Hunko für die Fraktion Die Linke und anuel Sarrazin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grü en.2)


Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
uf den Drucksachen 17/8137 und 17/8138 an die in der
agesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
ind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
ind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang
Gehrcke, Paul Schäfer (Köln), Wolfgang
Nešković, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion DIE LINKE

Widerruf der gemäß § 8 des Parlamentsbetei-
ligungsgesetzes erteilten Zustimmungen zu den
Anträgen der Bundesregierung vom 28. Januar
2011 und 23. März 2011

Bundeswehr aus Afghanistan abziehen

– Drucksachen 17/7547, 17/8027 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Philipp Mißfelder
Johannes Pflug
Dr. Rainer Stinner
Wolfgang Gehrcke
Hans-Christian Ströbele

Auch hier wird interfraktionell vorgeschlagen, die
eden zu Protokoll zu nehmen. – Ich sehe, Sie sind da-
it einverstanden. Es handelt sich um die Reden folgen-

er Kolleginnen und Kollegen: Sibylle Pfeiffer und
lorian Hahn für die Unionsfraktion, Lars Klingbeil für

Anlage 7

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17897

Vizepräsidentin Petra Pau


(A) )


)(B)

die SPD, Dr. Bijan Djir-Sarai für die FDP, Stefan Liebich
für die Linke und Tom Koenigs für die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen.1)

Wir kommen zur Abstimmung. Der Auswärtige Aus-
schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 17/8027, den Antrag der Fraktion Die Linke
auf Drucksache 17/7547 abzulehnen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der
FDP-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenom-
men.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Kultur und Medien

(22. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang
Börnsen (Bönstrup), Christoph Poland, Dorothee
Bär, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Reiner
Deutschmann, Patrick Kurth (Kyffhäuser),
Sebastian Blumenthal, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der FDP

Ratifizierung der UNESCO-Konvention
zum immateriellen Kulturerbe vorantreiben

– zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Schmidt

(Aachen), Siegmund Ehrmann, Martin Dörmann,

weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Agnes Krumwiede,
Claudia Roth (Augsburg), Ekin Deligöz, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Ratifizierung des UNESCO-Übereinkom-
mens zur Bewahrung des immateriellen
Kulturerbes vorbereiten und unverzüglich
umsetzen

– Drucksachen 17/6314, 17/6301, 17/8121 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Wolfgang Börnsen (Bönstrup)

Ulla Schmidt (Aachen)

Reiner Deutschmann
Dr. Lukrezia Jochimsen
Agnes Krumwiede

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Wolfgang Börnsen für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Wolfgang Börnsen (CDU):
Rede ID: ID1714925900

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kollegen mit

überdurchschnittlichem Durchhaltevermögen und ge-

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u1) Anlage 8

(C (D undem Sitzfleisch, die Sie um diese Zeit noch hier sind! as veranlasst den Präsidenten des Zentralverbandes es Deutschen Handwerks, der fast 1 Million Betriebe präsentiert, sich vehement für den Beitritt der Bundespublik zum UNESCO-Übereinkommen zur Bewahng des immateriellen Kulturerbes einzusetzen, zu ei em Abkommen, dem bereits 139 Staaten beigetreten ind? Was bewegt den Präsidenten des Bäckerhanderks, dem über 300 000 Beschäftigte angehören, in lug gefassten Briefen darum zu ersuchen, dass auch eutschland dieses internationale Bündnis für bedrohte ulturgüter unterzeichnet? Warum erscheint der oberste ertreter des Schaustellerverbandes persönlich zu einer nhörung im Bundestag, um engagiert auf eine weltum pannende Idee der Kulturpolitik hinzuweisen, die in aneren Ländern zu einer Erfolgsgeschichte geworden ist? us welchen Gründen fordert der BHU, der Bund Heiat und Umwelt, mit seinen über 500 000 Mitgliedern ktives Parlamentsund Regierungshandeln im Hinblick uf eine friedenschützende Weltidee, die auch unser Kulrerbe umfassen sollte? Sie alle und viele mehr wollen, dass nicht nur in Stein emeißelte großartige Zeugnisse der Vergangenheit wie er Dom zu Köln, die Berliner Museumsinsel oder Lüecks Altstadt geschützte Weltbewahrung erfahren. Vielehr wollen sie auch ein Bekenntnis der Bundesrepublik u dem Kulturerbe unseres Landes, das die Strahlen der ultursonne bisher nicht erreicht haben, den Kulturmau rblümchen gewissermaßen, die in fast 140 Staaten unser Erde aber Akzeptanz und Anerkennung gefunden und as UNESCO-Siegel für Schutz und Förderung erhalten aben. Sie wollen, dass wir uns solidarisch zeigen und uch unsere kulturellen Traditionen in das Weltkulturerbe inbringen: die Märchen und Mythen unseres Landes, die prachen, Sagen und Volksfeste, Bräuche und Gerauchstechniken, Tänze, Trachten, regionale Traditioen, jahrhundertealte Handwerksfähigkeiten oder auch ie Kultur der Wandergesellen. Sie stellen darauf ab, dass neben Epen, Erzählungen nd dem Volkstheater auch unser Wissen von Naturheilethoden und der Nahrungsmittelzubereitung als Kulturistung respektiert werden sollte. Da das traditionsreiche gwergebäck aus Kroatien und auch die französische üche den Status eines Weltkulturerbes erhalten haben, age ich: Warum sollte dieser Rang nicht auch für das inzigartige deutsche Schwarzbrot bzw. die 300 Brotsorn gelten? Was unterscheidet die von der UNESCO registrierten rachenbootfeste in China von der gleichfalls jahrhunertealten Kirmesund Jahrmarktkultur bei uns? Wäre s nicht auch angemessen, dass wir uns für den Schutz nd die Sicherheit von Minderheitensprachen einsetzen, r Sorbisch, Friesisch, Romani oder auch das Plattdeut che, die sich alle auf der Roten Liste der bedrohten prachen befinden? Unser Land tut sich schwer, sich für einen umfassenen Kulturbegriff zu öffnen, wie er weltweit praktiziert ird. Viele denken bei Kultur vor allen Dingen an Musik nd Literatur. Faust und Fidelio, ja, auch Bach, Brahms 17898 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Wolfgang Börnsen )


(A) )

und Beethoven, die Klassiker in Weimar, natürlich,
Goethe und Schiller: Das ist wahre Weltkultur – auch!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Aber der Tango aus Argentinien, die Makishi-Maskerade
in Sambia, Aserbaidschans Teppichkunst, Akupunktur in
China und die Spanische Hofreitschule in Wien? Diese
wie auch 210 weitere kulturelle Ausdrucksformen aus
aller Welt sind von der UNESCO anerkannt und gelten
als bedroht. Die Bundesrepublik ist mit keiner Kulturtra-
dition vertreten.

Eine erste Initiative von uns, der Union, im Jahre
2007 scheiterte. In den Ländern wie in der Bundesregie-
rung gab es damals zu viele Skeptiker. Die Vorbehalte
reichten von den Kosten über die Bedenken aufgrund der
Unkalkulierbarkeit von kuriosen Anträgen bis hin zu un-
geregelter Bund-Länder-Kompetenz. Ernst zu nehmen
waren Hinweise auf unsere Diktaturvergangenheit, in
der man mit der Regional- und Volkskultur Schindluder
getrieben hatte.

Doch durch die Erfolge unserer europäischen Nach-
barn wurde viele Bedenken zerstreut. Dort erlebt man
auf allen Ebenen – auch bei den Bürgern – eine neue
Aufgeschlossenheit gegenüber der Brauchtumskultur.
Man erkennt die immaterielle Kultur als Quelle von In-
spiration und Identität, als Ausgangspunkt für interkultu-
rellen Austausch, als Möglichkeit zur Integration von
Migranten.

Die Auffassungen, die in den hier vorliegenden An-
trägen zum Ausdruck kommen, sind ähnlich, fast de-
ckungsgleich. Sie dokumentieren eine grundsätzliche
Übereinstimmung unter Kulturpolitikern. Wir wollen,
dass unser lebendiges kulturelles Erbe unseren Alltag
und unser Leben auch in Zukunft mitprägt. Wir wollen
den Menschen, die in der Brauchtumskultur ihre Heimat
finden, eine Perspektive bieten.

In Österreich und in der Schweiz hat deren Beitritt zur
UNESCO-Konvention zu einem neuen Kulturinteresse
geführt, zur Revitalisierung mancher Kulturtraditionen
und auch zu der Erkenntnis, dass für das immaterielle
Kulturerbe mehr getan werden muss. Auch wir hier in
Deutschland besitzen ein bedeutendes, kraftvolles und
kreatives Kulturerbe auf allen Ebenen. Manche Kultur-
tradition ist auch bei uns gefährdet.

Ein Beitritt zu dieser Konvention wird das Ableben
mancher Brauchtumskultur nicht verhindern. Die
UNESCO-Konvention ist keine künstliche Beatmung,
aber dieses Übereinkommen, das die Bedeutung der im-
materiellen Kulturgüter für die Menschheit herausstellt,
schafft eine gerechte, solidarische und faire Ausgewo-
genheit zwischen den Staaten unserer Welt, die einen
Reichtum an materiellen Kulturgütern besitzen, wie wir
in Europa, und denen, die ihre Identität in der Volks- und
Brauchtumskultur erfahren.

Stimmen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, für
unseren Antrag. Geben Sie damit unserem Kulturerbe
die Möglichkeit, weltweit anerkannt und geschützt zu
werden.

Herzlichen Dank.

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(C (D Das Wort hat die Kollegin Ulla Schmidt für die SPD raktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! err Kollege Börnsen, ich teile vollkommen Ihre egeisterung für das immaterielle Kulturerbe, und ich timme Ihnen zu, dass wir hier nach vorne kommen üssen. Aber wenn Sie wirklich wollen, dass wir nicht ur darüber reden, die Ratifizierung des Übereinkomens zum immateriellen Kulturerbe voranzutreiben, ondern dass die Ratifizierung unverzüglich vorgenomen wird und konkrete Maßnahmen auf den Weg ebracht werden, und zwar noch in dieser Legislatureriode, dann stimmen Sie dem Antrag von SPD und rünen zu – dazu lade ich sie herzlich ein –; denn wir achen damit einen wichtigen Schritt nach vorn. Wir issen, auch aus Erfahrung in den anderen Ländern, wie ertvoll dieses Übereinkommen ist. Sie haben es an vien Punkten aufgezeigt. Wir verstehen, dass die Men chen in Deutschland, die sich für immaterielles Kulturrbe einsetzen und dieses in ihren Traditionen, in ihren egionen leben, wollen, dass wir schnell entscheiden. enn es ist ein Zeichen für nationale und regionale Identäten, für die Bewahrung der Vielfalt und auch für eine bendige Alltagskultur. Wenn man Deutschland mit anderen Ländern verleicht, dann stellt man fest, dass wir wirklich vieles einubringen haben, was spezifisch deutsch ist. Das sind die ielfältigen Praktiken und Traditionen, die wir in den erschiedenen Bundesländern, in den verschiedenen egionen haben. Es ist die gesamte föderale Vielfalt, aus er wir schöpfen können. Hier kann das Übereinkomen eine wichtige Rolle spielen, damit regionale Identiten gefestigt werden und die Zusammengehörigkeit sgesamt gefördert wird. Am Sonntag wurde ein Buch vorgestellt – das wird nen gefallen – von Richard Wagner und Thea Dorn mit em schönen Titel Die deutsche Seele. Es enthält wunerbare Beispiele für das immaterielle Kulturerbe eutschlands von A bis Z, von Abendrot über Musik bis in zu Weihnachtsmarkt und Winnetou und was man ich alles noch denken kann. Wenn man das liest, stellt an fest: Jeder Bürger und jede Bürgerin verbindet twas mit diesen Worten. Sie sind uns bekannt und ecken Assoziationen. Hier wird in liebenswerter Art und Weise gezeigt, wie ich eigentlich das kulturelle Gedächtnis und die Praxis unserem Land sind, die uns gemein sind, und zwar gal aus welchem Bundesland wir kommen, egal ob es enschen aus anderen Ländern sind, die zu uns komen und unsere Kultur kennenlernen wollen, die Intesse an unserer Kultur haben oder die ihre Kultur in nsere Tradition mit einbringen können. Liebe Kolleginen und Kollegen, diesen Reichtum wollen wir bewahn. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17899 Ulla Schmidt )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714926000

(Beifall bei der SPD)

Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1714926100

(A) )

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Herr Kollege Börnsen, Sie haben selbst darauf hinge-
wiesen, dass andere Länder schon weiter sind und dass
manche Dinge aufgelistet sind, die uns fremd sind, so bei
der letzten Liste der indonesische Saman-Tanz. Aber es
gibt auch Bekanntes, wie Flamenco oder französische
Esskultur. Ich hätte gerne meine Aachener Printen auch
endlich auf dieser Liste. Es tut mir wirklich weh, bei
jeder Liste, die veröffentlicht wird, feststellen zu müs-
sen, dass das Land der Dichter und Denker nicht dabei
ist. Ich finde, es wird Zeit, dass sich das ändert. Wir
haben genug diskutiert. Die Bedenken, die Sie selber in
Ihrem Antrag erwähnen, nämlich dass vielleicht die
ganze Konvention zu konservativ ausgerichtet ist, dass
es möglicherweise Missbrauch durch ideologisch ausge-
richtete Interessen geben könnte oder neue Rechtsan-
sprüche entstehen könnten, sind alle ausgeräumt. Es gibt
eine gute Praxis in anderen Ländern, die uns zeigt: Das
geht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfrak-
tionen, wenn wir das UNESCO-Übereinkommen für das
immaterielle Kulturerbe noch in dieser Legislaturperiode
ratifizieren wollen, müssen wir schon heute die konkre-
ten Punkte vor Augen haben, die abzuarbeiten sind. Ich
lade Sie ein, mitzumachen und unsere Forderungen zu
unterstützen.

Wir fordern erstens einen konkreten Zeitpunkt, zu
dem die Ratifizierung spätestens vollzogen sein soll:
Ende 2012.

Wir fordern zweitens die Bundesregierung auf, umge-
hend zu überprüfen, ob das Übereinkommen Gegen-
stände der Bundesgesetzgebung im Sinne des Art. 59 des
Grundgesetzes berührt und damit ein Vertragsgesetz
erforderlich ist, und ergänzend zu prüfen, ob es auch
Umsetzungs- bzw. Ausführungsgesetze braucht.

Wir fordern drittens, schon jetzt parallel eine Verstän-
digung über eine qualitätsgesicherte Methodik zur
Erstellung der Bestandsaufnahme des immateriellen
Kulturerbes vorzunehmen.

Wir fordern viertens die Verständigung über ein bun-
desweit einheitliches Verfahren und klare Entschei-
dungskriterien für die Erstellung der nationalen Inven-
tarliste.

Wir fordern fünftens ein Konzept für einen angemes-
senen Schutz der immateriellen Kulturgüter.

Wir fordern sechstens die Einrichtung eines gemein-
samen Fachforums wie in Österreich und der Schweiz,
um den Prozess der Ratifizierung vorzubereiten und die
Umsetzungspraxis zu begleiten.

Wir tun gut daran, dies so konkret zu benennen; denn
wenn wir bis Ende 2012 die Ratifizierung umgesetzt
haben wollen, müssen diese Dinge auf den Weg gebracht
werden. Dann muss man auch genaue Aufträge geben:
Fangt bitte sofort an und geht diese einzelnen Schritte
durch.

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(C (D Das ist eben das Problem. Wir vermissen in Ihrem ntrag diese konkreten Schritte. Uns ist es zu vage, jetzt och zu fordern, „die Gespräche … fortzuführen“, „für ine Zustimmung … zu werben“, „zu einem Forum … inzuladen“ oder „das formelle Ratifizierungsverfahren in Gang zu setzen“, ohne einen konkreten Zeitpunkt u nennen. Ich habe lange Erfahrung, auch in unserem föderalen ystem. Ich sage Ihnen: Man muss ganz konkrete chritte gehen, damit man möglichst nicht noch ein Jahr der zwei Jahre diskutiert. Diskutieren können wir schon nge. Wir müssen es jetzt aber in Gang setzen. Jedenfalls wir vonseiten der SPD werden uns dafür insetzen, dass die UNESCO auch weiterhin die gebühnde Anerkennung erfährt, sowohl national als auch ternational, dass Deutschland seinen internationalen erpflichtungen für die UNESCO, über die wir uns ja inig sind, auch nachkommt, und dass Deutschland die msetzung der UNESCO-Übereinkommen fördert, esonders im eigenen Land. Wir wollen, dass das Übereinkommen für das immarielle Kulturerbe unverzüglich ratifiziert und umge etzt wird. Diskutiert haben wir genug, finde ich. Es gibt einen Grund, noch lange abzuwarten. Wir wollen uns eim nächsten Mal endlich darüber freuen können, dass uch unsere Kulturgüter mit auf dieser wunderbaren iste stehen. Dann kommt das Norddeutsche hinein – nd auch die Aachener Spezialitäten. Danke schön. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714926200

Der Kollege Reiner Deutschmann hat für die FDP-

raktion das Wort.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Reiner Deutschmann (FDP):
Rede ID: ID1714926300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

olleginnen und Kollegen! Eine der wesentlichen Auf-
aben der UNESCO ist die Bewahrung des kulturellen
rbes.

Schon in der ersten Lesung des uns heute vorliegen-
en Antrags haben wir zum Ausdruck gebracht, welche
edeutung dem Schutz des kulturellen Erbes zukommt.
azu stehen der Weltgemeinschaft eine Vielzahl von
erkzeugen – wie die UNESCO-Welterbekonvention –

ur Verfügung.

Das kulturelle Erbe hat viele Facetten. Mit der heute
on uns debattierten UNESCO-Konvention zum Schutz
es immateriellen Kulturerbes betreten wir Neuland und
chließen zugleich eine Lücke im Schutzsystem. Wir
ervollständigen den Schutz des Weltkulturerbes.

Viele Länder – das wurde bereits gesagt – haben diese
onvention schon ratifiziert. Darunter sind auch unsere
achbarländer Schweiz, Österreich und Frankreich. In

17900 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Reiner Deutschmann


(A) )


)(B)

unseren parlamentarischen Debatten in der 16. und
17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages wurde
deutlich, dass unsere Nachbarn durchweg positive
Erfahrungen mit der Konvention sammeln konnten.

Ich selbst stamme aus dem Siedlungsgebiet der Sor-
ben. Die Sorben in Sachsen und Brandenburg konnten
ihre Identität im Laufe der Geschichte nur durch die
Pflege ihrer Tradition und ihrer Sprache erhalten. Dies
war und ist nicht leicht in einem Umfeld, in dem die
überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, die Hauptme-
dien und auch der größte Teil des kulturellen Angebots
an der deutschen Sprache und Kultur ausgerichtet sind.
Aber gerade da zeigt sich, welche Bedeutung Kultur und
Brauchtumspflege im Leben der Menschen haben. So ist
die Förderung von nationalen Minderheiten eine Angele-
genheit, die unserer speziellen Aufmerksamkeit bedarf.
Dies gilt insbesondere für das sorbische Volk, das keinen
eigenen Staat im Hintergrund hat.

Trotzdem sollten wir unser Augenmerk in abge-
schwächter Form auch auf die oftmals überraschend
unterschiedlichen regionalen Traditionen und Bräuche
richten. Schließlich macht gerade die Vielfalt der Regio-
nen auch die Vielfalt Deutschlands aus. Als Kulturnation
brauchen wir diese Vielfalt, um daraus Kraft zu schöp-
fen, Rückhalt zu gewinnen und Ideen für Neues zu ent-
wickeln. Deswegen müssen wir die Kräfte nutzen, die
durch die Ratifizierung der Konvention in Deutschland
frei werden und wirken können.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Das Schutzsiegel „UNESCO“ ist ein Gütenachweis
ersten Ranges. Wer sich damit schmücken kann, dem ist
die besondere Aufmerksamkeit im In- und Ausland
gewiss. Laut UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokowa
liegt jedes Jahr eine sehr hohe Anzahl an Anmeldungen
vor. Sie denkt darüber nach, die Zahl der Neuanmeldun-
gen auf 60 pro Jahr zu begrenzen. Käme es zu einer sol-
chen Begrenzung, dann könnte Deutschland nicht ein-
mal jedes zweite Jahr einen Titel anmelden. Gerade auch
deswegen ist es wichtig, dass Deutschland mit der Rati-
fizierung nicht länger zögert. Wir sind schon durch die
Nichtratifizierung in den letzten Jahren zurückgefallen.
Zwischenzeitlich hat Frankreich, wie schon erwähnt, das
gastronomische Mahl, Portugal die Fado-Musik und
Brasilien den Samba durch die Konvention schützen las-
sen. Allein Spanien steht zwölfmal auf der Liste, Brasi-
lien fünfmal und Frankreich neunmal.

Ich denke, wir sind es den Bewahrern der verschie-
densten immateriellen Kulturgüter in Deutschland schul-
dig, dafür zu sorgen, dass diese Form des deutschen Kul-
turgutes unter den Schutz der Konvention fällt. Deshalb
ist es für uns wichtig, dass dieser Antrag heute diskutiert
wird und die Reden nicht zu Protokoll gegeben werden.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Eigentlich besteht die Liste der UNESCO-Welterbe-
konvention zum Schutz des immateriellen Kulturerbes
aus drei Listen mit eigenen Schwerpunktsetzungen. Es
gibt die Repräsentative Liste, die die Vielfalt der imma-
teriellen Kulturformen deutlich machen soll. Es gibt das

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(C (D egister der guten Praxisbeispiele, in das Projekte aufenommen werden können, die modellhaft die in der onvention enthaltenen Bestimmungen umsetzen. Und s gibt die Liste, die das dringend erhaltungsbedürftige materielle Kulturerbe aufführt, das vom Aussterben edroht ist. Diese Schwerpunktsetzung macht deutlich, ass die UNESCO gerade auch dem bedrohten kultureln Erbe eine Sonderrolle im Schutzgefüge der NESCO beimisst. Diesen Ansatz unterstützen wir als iberale in besonderem Sinne. Die Anträge der Koalition sowie von SPD und Bündis 90/Die Grünen liegen nicht weit auseinander. Ich egrüße, dass wir uns darin einig sind, dass die Konvenon alsbald ratifiziert werden muss. Über den Weg kann an gewiss unterschiedlicher Meinung sein. Wir wollen ie Ratifizierung möglichst unbürokratisch und effizient egleiten. Dazu geben wir den handelnden Akteuren den ötigen Spielraum, der für eine erfolgreiche Ratifizieng und vor allen Dingen für die Umsetzung der Kon ention gebraucht wird. Ich denke, dass insbesondere den Ländern hier eine chlüsselrolle zukommt. Hier ist sicherlich einige Arbeit u leisten. Aber die Länder haben bereits eine Machbareitsstudie in Auftrag gegeben, die seit einigen Monaten orliegt und viele Fragen der Opposition beantwortet. Auswärtigen Amt ist die Angelegenheit in guten änden und wird dort positiv begleitet. h bin zuversichtlich, dass uns im kommenden Jahr die rfolgreiche Ratifizierung gelingt und alle Beteiligten it den Ergebnissen zufrieden sein werden. Ich danke Ihnen. Vielen Dank, Herr Kollege Deutschmann. – Jetzt für ie Fraktion Die Linke unsere Kollegin Frau r. Lukrezia Jochimsen. Bitte schön, Frau Kollegin. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ieber, verehrter Kollege Börnsen, die Bäcker wollen es, ie Handwerker wollen es, die Schausteller wollen es, (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Die CDU und die SPD auch!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714926400

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714926500

h frage mich: Wieso wollen die Koalitionsfraktionen
it ihrem Antrag nicht, dass diese Konvention alsbald,
enigstens im Jahre 2012, ratifiziert wird?


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das wollen wir auch, aber mit den Ländern! Das ist weitgehend eine Länderangelegenheit!)


arum wollen Sie das nicht? Sie führen den Wort-
chwall all derer aus, die das wollen, aber das passt nicht
u dem Antrag, den Sie uns hier vorlegen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17901

Dr. Lukrezia Jochimsen


(A) )


)(B)

Acht Jahre, nachdem die UNESCO die Konvention
beschlossen hat, fünf Jahre, nachdem die notwendigen
30 Staaten sie ratifiziert haben, und nachdem mehr als
139 Staaten – ich wiederhole: 139 Staaten! – beigetreten
sind, legen Sie uns einen zu nichts entschlossenen An-
trag unter dem Titel vor: „Ratifizierung … vorantrei-
ben“. „Vorantreiben“ klingt gut, sagt aber gar nichts aus,
zum Beispiel wann denn ratifiziert werden kann, soll,
darf.

Im Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen steht
ein festes Datum: Ende 2012. Davon enthält der CDU/
CSU-FDP-Antrag kein Wort. Er will ja auch nur „voran-
treiben“ und meint, uns mit einem großen Wortschwall
klarzumachen, was alles erledigt werden muss: Man
muss werben. Man muss Interessierte und Betroffene
einladen. Man braucht Verständnis und Zustimmung. –
Unsere Zustimmung haben Sie, und zwar schon seit fünf
Jahren, als wir uns mit der Enquete-Kommission „Kultur
in Deutschland“ für eine Ratifizierung ausgesprochen
haben.

Die Zustimmung der anderen beiden Oppositionspar-
teien haben Sie auch. Also: Warum solch ein unbe-
stimmter, im Grunde nichtssagender Antrag? Hier braucht
Deutschland doch nicht das Rad neu zu erfinden.

Unter den 139 Ländern, die bereits ratifiziert haben,
befinden sich unsere Nachbarn Schweiz und Österreich.
Da lässt sich gut und schnell lernen, wie man solch eine
Konvention umsetzt, statt sie irgendwie „voranzutrei-
ben“.

Wie lange und wie oft noch wollen Sie uns eigentlich
versprechen, die Ratifizierung in Abstimmung mit den
Ländern zu prüfen und zu prüfen und nochmals zu prü-
fen? Seit 2007 hören wir dieses Argument immer wieder –
ohne irgendein Ergebnis.

Warum ist die Ratifizierung dieser Konvention so
wichtig und so dringend? Weil es um den Schutz und Er-
halt von Traditionen und Ritualen in unserem Land geht,
die in Vergessenheit geraten, und dies schneller als man
denkt. Denken Sie nur an Volksfeste, Brauchtum, auch
religiöse Rituale!

Es heißt oft, die Weltkulturerbestätten seien materiel-
ler Ausdruck unseres kulturellen Gedächtnisses. Das im-
materielle Kulturerbe entspricht unserem ganzen Leben
in all seinen Ausdrucks-, Erinnerungs- und Genussfor-
men. Lassen Sie es uns tatsächlich jetzt schützen und
fördern, statt nur die Idee dazu irgendwie weiter voran-
zutreiben. Wenn schon die Aachener Printen auf die
Liste kommen, dann plädiere ich auch sehr für die Thü-
ringer Klöße.

Vielen herzlichen Dank.


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714926600

Herzlichen Dank. Jeder hat so seine Anregungen. –

Nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen ist unsere Kollegin Frau Agnes Krumwiede. Bitte
schön, Frau Kollegin.

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(C (D Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 006 haben bereits 136 Staaten das UNESCO-Übereinommen zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes tifiziert. Eine Ratifizierung von deutscher Seite ist also ngst überfällig. Aber – das wurde schon angesprochen – in Bekenntnis zur Beteiligung, vor allem ein so vages ekenntnis, allein genügt uns nicht. Entscheidende Verfahrensfragen werden im Antrag er Koalition ausgespart. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714926700

unserem gemeinsamen Antrag mit der SPD fordern
ir die Bundesregierung auf, Rahmenbedingungen zur
msetzung festzulegen. Wir brauchen ein mit dem in der
chweiz vergleichbares Verfahren, das die Zivilgesell-
chaft bei der Erstellung von Inventarlisten immateriel-
r Kulturgüter für das UNESCO-Übereinkommen un-
ittelbar beteiligt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU])


Immaterielle Kulturgüter sind fester Bestandteil unse-
s Alltags. Kinderlieder, Märchen, das Kunsthandwerk

enauso wie unsere Ess- und Trinkkultur prägen unsere
entität.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Richtig!)


materielle Kulturgüter lassen sich schwer eingrenzen;
enn sie befinden sich in ständiger Veränderung durch
enerationsbedingte, soziale und interkulturelle Ein-
üsse. Die Debatte um die Nominierung immaterieller
üter ist in vollem Gange. Allein schon dieser gemein-

ame Suchprozess ist ein Gewinn für unsere Gesell-
chaft; denn die Auseinandersetzung mit der Bedeutung

materieller Kulturgüter stärkt das kollektive Bewusst-
ein für ihren Wert. Mittlerweile kursieren zahlreiche
orschläge, von den Kneippkuren bis hin zum Thüringer
loß und dem Reinheitsgebot für das deutsche Bier. Den
een sind keine Grenzen gesetzt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Wir brauchen dringend verbindliche Kriterien für das
uswahlverfahren in Deutschland. Das gesamte Spek-
um unseres Reichtums an immateriellen Gütern muss
erücksichtigt werden. Ich halte es aber für eine Denk-
lle, bei der Auswahl das Kriterium „typisch deutsch“

ls hauptsächlichen Maßstab anzulegen; denn Kunst und
ultur kennen keine nationalen Grenzen. Zahllose
erke deutschsprachiger Komponisten, Autoren und
ünstler sind inspiriert durch multikulturelle Einflüsse.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


17902 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Agnes Krumwiede


(A) )


)(B)

Der Christopher Street Day oder auch Balkan-Partys
sind heute in Deutschland ebenso etablierte Traditions-
feste wie das Münchener Oktoberfest.

Immaterielle Kulturgüter kennzeichnen die Einzigar-
tigkeit und Vielfalt gesellschaftlicher Gruppen. Ideolo-
gisch und politisch motivierte Ausgrenzungstendenzen
haben beim Auswahlverfahren genauso wenig verloren
wie rein kommerzielle Überlegungen. Kulturtraditionen
aller kulturellen und gesellschaftlichen Gruppen müssen
bei der Auswahl gleichberechtigt berücksichtigt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU])


Auch das traditionsreiche Kulturgut der deutschen
oder in Deutschland lebenden Minderheiten muss eine
Rolle spielen. Ein Auswahlkriterium könnte daher die
Schutzbedürftigkeit sein. In Österreich zum Beispiel
wurde die Sprache der Burgenland-Roma in die Vor-
schläge mit aufgenommen. Auch unser Kulturleben ist
geprägt durch die mündlichen Überlieferungen der Ge-
schichten und Lieder und der von Generation zu Genera-
tion weitergegebenen Instrumentalmusik der Sinti und
Roma.

Mit der Nominierung immaterieller Kulturgüter von
deutscher Seite muss ein angemessener Schutz gewähr-
leistet sein. Mittlerweile hat die UNESCO dafür auch ei-
nen internationalen Fonds eingerichtet. Wie dieser ange-
messene Schutz konkret umgesetzt werden kann, dazu
gibt es von der Bundesregierung leider noch keine Vor-
schläge. Deshalb fordern wir die Entwicklung solcher
Konzepte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Hier liegt auch eine der zukünftigen politischen Haupt-
aufgaben mit großer Tragweite. Wenn wir zum Beispiel
die mündlichen Überlieferungen der Kulturtradition von
Sinti und Roma unter Schutz des UNESCO-Überein-
kommens stellen, müssen Sinti und Roma selbst auch
angemessenen Schutz erhalten. Das bedeutet auch: Sinti
und Roma müssen Bleiberecht erhalten in den Ländern,
wo sie langjährigen Duldungsstatus haben.

Wenn unsere Opern-, Konzert- und Theatertradition
als immaterielles Kulturgut vorgeschlagen und aner-
kannt werden sollte, dann müssen wir dafür sorgen, dass
sich die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen für
Kulturschaffende verbessern,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


damit der künstlerische Beruf auch für nachfolgende Ge-
nerationen attraktiv ist und sich die Tradition fortsetzen
kann.

Die Ratifizierung der UNESCO-Übereinkunft ist also
mit weitreichenden Konsequenzen verbunden. Genau
darin liegt auch die große Chance für unsere Gesell-
schaft und für die Weiterentwicklung unserer kulturellen
Vielfalt.

Danke.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714926800

Vielen Dank, Frau Kollegin Krumwiede. – Jetzt für

ie Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Christoph
oland. Bitte schön, Kollege Poland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Christoph Poland (CDU):
Rede ID: ID1714926900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Ich werde hier nicht Wiederholungen vermei-
en können; denn wir haben uns mit Blick auf das im-
aterielle Kulturerbe wahrscheinlich auf viele gleiche
eispiele konzentriert. Ich glaube, es ist heute, kurz vor
eihnachten, eine gute Zeit – es ist ja eine Zeit, in der
an Brauchtum besonders pflegt –, darüber zu reden.
ielleicht kommen die Nürnberger Lebkuchen oder der
hüringer Kloß zum Gänsebraten. Das ist in dieser Zeit
zu erwarten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Diese UNESCO-Konvention ist ein Pendant zu den
NESCO-Welterbestätten. Diese sind ja materiell greif-
ar. Hier geht es um immaterielles Kulturgut, das wir
chützen wollen. Wegen der Umsetzung gab es in den
tzten Jahren bei uns Bedenken. Die guten Ergebnisse
Österreich, das zum Beispiel die Aufnahme des Weih-

achtsliedes „Stille Nacht“ als Kulturgut beantragt hat,
nd auch die Beispiele der Schweiz haben uns über-
eugt, die Ratifizierung der Konvention zum immateriel-
n Kulturerbe voranzutreiben. Es hilft uns, wenn wir in
en Nachbarländern gute Erfolge sehen. Die 139 Staa-
n, die bis jetzt dem Übereinkommen beigetreten sind,

ind ein gutes Beispiel. Wir würden uns isolieren, wenn
ir es diesen Staaten nicht gleichtun würden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ren Antrag jedoch müssen wir ablehnen, weil in ihm
bersehen wird, dass von Bundesseite bereits alle Vorbe-
itungen getroffen sind. Wir haben Kostenermittlungen

orgenommen und Abstimmungen mit den Ländern und
er UNESCO-Kommission getroffen. Wir haben im
aushalt 2012 des Staatsministers für Kultur 100 000
uro zur Finanzierung der notwendigen Koordinierungs-
telle eingestellt.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


as ist doch ein Zeichen dafür, dass die Bundesregie-
ng diese Ratifizierung will,


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das ist ein Bekenntnis dazu!)


ass wir uns zu der Verpflichtung bekennen, der
NESCO-Konvention zum immateriellen Kulturerbe

ndlich beizutreten.


(Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Das hört sich gut an mit den 100 000 Euro!)


Ja, das ist so.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17903

Christoph Poland


(A) )


)(B)

Ich kann mir gut vorstellen, dass wir viele Anträge, in
die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen
zu werden, zu erwarten haben, zum Beispiel aus dem
Handwerk. Denken Sie einfach nur einmal an die Hand-
werksgesellen, die ihre Heimat verlassen haben, um
fremde Bräuche kennenzulernen und sie in ihre alte Hei-
mat zu tragen. Gesellenwanderschaft erweitert den Hori-
zont und bereichert den Erfahrungsschatz.

Stichwort „Handwerk in seinen verschiedensten As-
pekten“: Ich würde das nicht so eng sehen. Frau
Krumwiede, Sie sprechen nur vom Kunsthandwerk, nur
von Kunst und Kultur. Das Handwerk der Böttcher ist
dabei, auszusterben.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Richtig!)


Kaum noch einer weiß, was das ist. Ich erinnere auch an
das Netzknüpfen der Fischer und ähnliche Dinge. All
das ist schützenswert. Handwerk dieser Art sollten wir
nicht vergessen. Ein Viertel aller angemeldeten Gewerbe
entfällt nämlich auf das Handwerk.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Ja!)


12,2 Prozent aller Erwerbstätigen und 30,3 Prozent aller
Auszubildenden sind im Handwerk beschäftigt. In die-
sem Bereich gibt es ganz viel Traditionelles und Schüt-
zenswertes.

Ich denke in diesem Zusammenhang auch an das Bä-
ckerhandwerk. Wir haben heute schon von verschiede-
nen Seiten gehört: Unser täglich Brot gib uns heute. Wir
haben in Deutschland 300 Brotsorten und mehr als 1 200
verschiedene Kleingebäcksorten. In Gesprächen mit der
Bäckerinnung erfährt man, dass sie darüber nachdenkt,
nach der Ratifizierung dieser UNESCO-Konvention die
Anerkennung des Brotes als immaterielles Kulturerbe zu
beantragen.

Ich möchte aus meinem zweiten Berufsleben spre-
chen: Als Brauer und Mälzer bin ich relativ schnell dem
Deutschen Institut für Reines Bier beigetreten. Die Ini-
tiative, die Herbert Frankenhauser und der Deutsche
Brauer-Bund im Frühjahr dieses Jahres ergriffen haben,
nämlich das deutsche Reinheitsgebot unter Schutz zu
stellen, kann ich nur unterstützen. Glauben Sie mir: Das
Brauen ist ein schönes Handwerk.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das Risiko einer Folklorisierung oder einer Kommer-
zialisierung des immateriellen Kulturerbes sehe ich
nicht. An meinen Beispielen erkennen Sie, dass es sich
beim immateriellen Kulturerbe um eine gelebte Kultur-
tradition handelt und dass es nicht um museale Erhaltung
geht; das ist überhaupt nicht unsere Absicht. Wir wollen
auch keine rein touristische Präsentation von Brauch-
tum.

Das Übereinkommen zur Bewahrung des immateriel-
len Kulturerbes von 2003 ist ein wichtiges Bindeglied
zwischen der Welterbekonvention von 1972 und dem
Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der
Vielfalt kultureller Ausdrucksformen von 2005. Wenn

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(C (D ir dieser Konvention beitreten, dann ist das eine verauensbildende Maßnahme. Sie wissen bereits, dass wir as Vorgehen mit den Ländern abstimmen. Die Kultusinisterkonferenz hat dem schon zugestimmt. Wir woln den Verlust überlieferten Kulturerbes nicht befürchn müssen. In dieser Konvention sehen wir die Chance, olkstümliche Traditionen zu pflegen und neu zu entdeken. Kulturelle Vielfalt spiegelt sich nicht nur in Museen, irchen und erhaltenswerten Stadtensembles wider. Das aben wir vorhin bereits gehört; ich will das nicht wieerholen. Unterstützen Sie unseren Antrag! Wir untertützen unsere Bundesregierung mit diesem Antrag ausrücklich. Vielen Dank. Ein schönes Weihnachtsfest! Bis dahin müssen wir schon noch ein bisschen was chaffen. Morgen ist auch noch Plenarsitzung. – Liebe olleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussmpfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien auf rucksache 17/8121. Der Ausschuss empfiehlt unter uchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Annahme es Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf rucksache 17/6314 mit dem Titel „Ratifizierung der NESCO-Konvention zum immateriellen Kulturerbe orantreiben“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehng? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! – as sind die Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grüen. Enthaltungen? – Linksfraktion. Die Beschlussemphlung ist angenommen. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der raktion der Sozialdemokraten und der Fraktion Bündis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/6301 mit dem Til „Ratifizierung des UNESCO-Übereinkommens zur ewahrung des immateriellen Kulturerbes vorbereiten nd unverzüglich umsetzen“. Wer stimmt für diese eschlussempfehlung? – Das sind die Koalitionsfraktioen. Gegenprobe! – Das sind die drei Oppositionsaktionen. Enthaltungen? – Keine. Die Beschlussemphlung ist angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe Tagesordungspunkt 16 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Krista Sager, Wolfgang Wieland, Kai Gehring, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Streichung des Doktorgrades aus dem Passgesetz, dem Gesetz über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis, der Personalausweisverordnung sowie dem Aufenthaltsgesetz und der Aufenthaltsverordnung – Drucksache 17/8128 – 17904 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Vizepräsident Eduard Oswald )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714927000

(A) )

Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Rechtsausschuss

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu
diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. –
Sie sind alle damit einverstanden. Die Namen der Kolle-
ginnen und Kollegen liegen dem Präsidium vor.1)

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwur-
fes auf Drucksache 17/8128 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Der Gesetzent-
wurf soll federführend beim Innenausschuss beraten
werden. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist
nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Durchführung der Verordnung

(EU) Nr. 211/2011 des Europäischen Parla-

ments und des Rates vom 16. Februar 2011
über die Bürgerinitiative

– Drucksache 17/7575 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4. Ausschuss)


– Drucksache 17/8029 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Ingo Wellenreuther
Gerold Reichenbach
Jimmy Schulz
Ulla Jelpke
Wolfgang Wieland

Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolle-
ginnen und Kollegen sind hier in der Sitzungsleitung be-
reits bekannt.


Ingo Wellenreuther (CDU):
Rede ID: ID1714927100

Europa befindet sich durch die Staatsschuldenkrise in

seiner schwersten Bewährungsprobe. Es stellt eine ge-
waltige Herausforderung dar, diese zu meistern und die
Wirtschafts- und Währungsunion wieder zu einer Stabi-
litätsunion zu machen. Mit den Beschlüssen des europäi-
schen Gipfels der vergangenen Woche haben die Staats-
und Regierungschefs einen Weg aufgezeigt, die Ursa-
chen der Krise zu bekämpfen und ein Auseinanderbre-
chen der Eurozone zu vermeiden. Gleichzeitig haben sie
das Tor zur vertieften politischen Integration weit aufge-
stoßen. Das ist ohne Zweifel ein großer Erfolg für unsere
Bundeskanzlerin Angela Merkel und die deutsch-franzö-
sische Partnerschaft, die diesen Durchbruch ermöglicht
hat.

Der Weg zu einer weiteren Vertiefung der europäi-
schen Einigung kann nur erfolgreich beschritten
werden, wenn Europa – als demokratischer Zusammen-

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U1) Anlage 9

(C (D chluss verschiedener Länder – von der breiten Mehreit der Bevölkerung getragen wird. Die täglichen iobsbotschaften über die Schuldenkrise waren hier geiss nicht förderlich, sondern haben die Menschen in eutschland und in Europa verständlicherweise tief vernsichert. Für die Politik gilt es, wieder Vertrauen herzustellen. azu muss den Menschen zum einen vermittelt werden, ass sich die mit der Stärkung Europas verbundenen Antrengungen lohnen. Dabei ist zunächst an den grundleenden Wert und die ursprüngliche Zielsetzung Europas u erinnern. Nach langen Zeiten des Hasses, des Blutergießens und von kriegerischen Auseinandersetzunen mit dem schrecklichen Tiefpunkt des Zweiten Weltriegs sollte in Europa durch eine wirtschaftliche und olitische Vereinigung der Länder endlich ein friedlihes Zusammenleben wachsen. Nach über fünfzig Jahn des Friedens und Wohlstands in Europa wäre es ein ehler, zu glauben, dass dieser Erfolg heutzutage und r die Zukunft selbstverständlich ist. Den Menschen muss außerdem klargemacht werden, ass es handfeste Vorteile für die Länder in Europa und eine Bürger mit sich bringt, wenn die Mitgliedstaaten er Europäischen Union versuchen, sich den Herausforerungen insbesondere der Globalisierung gemeinsam u stellen. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen: Der europäische Binnenmarkt mit seinen Absatzmärkten für Deutschland schafft und sichert Arbeitsplätze in unserem Land. Der größere Wettbewerb sorgt in vielen Fällen für günstigere Preise und besseren Verbraucherschutz. Europa ermöglicht in hohem Maße die Freizügigkeit von Menschen und den Austausch von Ideen und sichert damit die Grundlage für einen wettbewerbsfähigen und dynamischen Wirtschaftsraum. Die europäische Kooperation ermöglicht, Umweltprobleme intensiv und effektiv zu bekämpfen und zu verhindern. Eine intensive, grenzübergreifende Zusammenarbeit der Polizei und Strafverfolgungsbehörden sorgt für eine effiziente Bekämpfung von organisierter Kriminalität, Terrorismus, Drogenhandel oder illegaler Zuwanderung und damit für mehr Sicherheit auch in Deutschland. Gemeinsames Handeln verschafft Europa schließlich bei außenpolitischen Fragestellungen Gewicht in der Welt. Zum anderen muss es gelingen, die Identifizierung er Menschen mit Europa zu stärken. In diesem Zusamenhang ist das offensichtliche Demokratiedefizit auf er europäischen Ebene, das nicht nur von einer großen ahl der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland belagt wird, sondern das auch das Bundesverfassungsgeicht wiederholt festgestellt hat, ein großes Hindernis. Das Instrument der europäischen Bürgerinitiative, as mit Art. 11 Abs. 4 des Vertrags über die Europäische nion neu geschaffen wurde, kann dazu beitragen, die )


(A) )

ses Defizit abzubauen. Denn es gibt den Bürgern in Eu-
ropa erstmals die Möglichkeit, direkt und nicht vermit-
telt über Wahlen oder eine Petition an der europäischen
Gesetzgebung mitzuwirken. Mit dieser unmittelbaren
Mitwirkungsmöglichkeit verbindet sich die Hoffnung,
dass die Menschen die Politik und das Gesetzgebungs-
verfahren in Europa besser kennenlernen und verstehen.
Das Interesse an Europa soll gesteigert werden, und für
Europakritiker soll es schwieriger werden, zu argumen-
tieren, dass ausschließlich ferne EU-Bürokraten über
angeblich machtlose Unionsbürger entscheiden. Auf-
grund der Tatsache, dass die Unterstützer aus mehreren
Mitgliedstaaten kommen müssen, ist eine Vernetzung
von nationalen Bewegungen und Organisationen erfor-
derlich, wodurch ein transnationales, europäisches Be-
wusstsein vertieft werden soll.

Dabei liegt die Zielrichtung der europäischen Bür-
gerinitiative nicht darauf, dass sich Lobbygruppen diese
zunutze machen, sondern – wie der Name schon sagt –
darauf, dass sich idealerweise Bürgerinnen und Bürger
grenzübergreifend zusammenfinden, um ein nach ihrer
Ansicht drängendes Thema auf die Agenda der Euro-
päischen Kommission zu setzen. Dass ein solches grenz-
überschreitendes Bündnis von Bürgern gelingt, ist
zugegebenermaßen nicht einfach. Jedenfalls ist Grund-
voraussetzung dafür, dass die Bürger in Europa über
dieses neuartige Instrument der direkten Demokratie gut
informiert sind. Deshalb möchte ich diese Gelegenheit
nutzen, um einige wichtige Voraussetzungen und die Ab-
folge der Verfahrensschritte dafür kurz darzustellen.

Die europäische Bürgerinitiative wird den Unions-
bürgern ab 1. April 2012 zur Verfügung stehen. Ein Gre-
mium von mindestens sieben Personen aus sieben Mit-
gliedstaaten reicht aus, um das entsprechende Verfahren
in Gang zu setzen. Es war ein großer Erfolg für das Eu-
ropäische Parlament, dass diese erste Hürde so niedrig
angesetzt ist. Die Europäische Kommission wollte ur-
sprünglich die Zulässigkeit von Bürgerinitiativen erst
prüfen, wenn 300 000 gesammelte Unterschriften vorge-
legt worden wären.

Inhalt einer Bürgerinitiative muss die Aufforderung
an die Europäische Kommission sein, im Rahmen ihrer
Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unter-
breiten, zu denen es nach Ansicht der Bürgerinnen und
Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um die euro-
päischen Verträge umzusetzen. In nahezu allen Politik-
bereichen, die in den Kompetenzbereich der Union
fallen, hat die Kommission das Initiativrecht. Dement-
sprechend können Bürgerinitiativen zu fast allen The-
men angestoßen werden. Allerdings gibt es zwei Ein-
schränkungen: Erstens darf der Rechtsakt, der mit der
Bürgerinitiative erreicht werden soll, höherrangigem
europäischem Recht nicht widersprechen und die
Grundrechte der Union nicht verletzen. Zweitens ist eine
Änderung des Primärrechts, also der grundlegenden
Verträge der EU, ebenfalls ausgeschlossen.

Als nächster Schritt erfolgt die Registrierung der Bür-
gerinitiative durch die Europäische Kommission auf
einer Webseite. Danach können die Organisatoren der
Initiative beginnen, innerhalb eines Jahres Unterstüt-

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(C (D ungsbekundungen zu sammeln. Im Zeitalter des Interets und von Onlinenetzwerken erhöht es den irkungsgrad ungemein, dass die Sammlung von Unter tützungsbekundungen nicht nur in der Papierform, sonern auch online möglich ist. Bürgerfreundlich ist zuem, dass die Europäische Kommission dafür bis zum . Januar 2012 kostenfrei eine Open-Source-Software ereitstellen wird. Mindestens eine Million Unionsbürger müssen die ürgerinitiative unterzeichnen, um diese gültig zu mahen. Im Verhältnis zu den sonst üblichen Quoren bei diktdemokratischen Elementen ist diese Zahl sehr nied ig angesetzt, denn sie entspricht lediglich 0,2 Prozent er Unionsbürger. Die Unterzeichner müssen nach dem weiligen nationalen Recht bei den Wahlen zum Euroäischen Parlament wahlberechtigt sein. Berechtigt azu, eine Bürgerinitiative zu unterzeichnen, sind in eutschland also alle Deutschen, die am Wahltag das 8. Lebensjahr vollendet haben und irgendwann nach em 23. Mai 1949 mindestens drei Monate lang ununterrochen in der Bundesrepublik Deutschland oder der eutschen Demokratischen Republik gelebt haben, soie auch alle anderen in Deutschland lebenden Bürger er Europäischen Gemeinschaft, die am Wahltag minestens 18 Jahre alt sind und seit mindestens drei Monan innerhalb der Europäischen Gemeinschaft wohnen. ie zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten überrüfen innerhalb von drei Monaten die Unterstützungsekundungen. Weitere Voraussetzung ist, dass die Unterstützer aus indestens einem Viertel der Mitgliedstaaten, derzeit lso aus sieben Mitgliedstaaten, kommen. Dies korresondiert mit Art. 76 des Vertrags über die Arbeitsweisen er Europäischen Union und damit wird im Sinne der leichwertigkeit von Parlament und Bürgerschaft das leiche Prinzip angewendet, das bei der Bildung euroäischer Parteien zu berücksichtigen ist. Auch in diesem unkt hatte sich das Europäische Parlament mit seiner orderung nach einer einfachen Handhabung der Bürerinitiative durchgesetzt. Der Entwurf der Europäichen Kommission sah nämlich noch vor, dass die Unrschriften aus einem Drittel der EU-Ländern kommen üssten, also aus zurzeit neun Mitgliedstaaten. Zugleich ird mit dem Erfordernis einer Mindestzahl der Länder ichergestellt, dass nicht lediglich regional bedeutsame itiativen zum Zug kommen, sondern dass die jeweili en Angelegenheiten europaweit relevant und interesant sind. Erforderlich ist auch eine jeweilige Mindestahl an Unterstützern aus diesen sieben Staaten, die sich ach der Zahl der Abgeordneten im Europäischen Parment richtet. Die Mitglieder des Europäischen Parlaents aus dem jeweiligen Land werden mit 750 multipli iert, sodass man auf Grundlage der 99 aus Deutschland ntsandten Europaabgeordneten auf die Zahl von minestens 74 250 Unterzeichnern aus unserem Land ommt, die eine Bürgerinitiative unter Beteiligung eutschlands unterzeichnen müssten. Wenn all diese Voraussetzungen vorliegen, ist die ürgerinitiative zulässig, und die Europäische Kommision prüft dann das Begehren. In diesem Verfahren wird en Organisatoren die Möglichkeit gegeben, ihre BürDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17905 Ingo Wellenreuther gebene Reden )


(A) )

gerinitiative innerhalb einer öffentlichen Anhörung im
Europäischen Parlament vorzustellen. Innerhalb von
drei Monaten legt die Kommission ihr beabsichtigtes
Vorgehen und die Gründe dafür dar. Falls sie nicht be-
absichtigt, Maßnahmen zu ergreifen, begründet sie dies
ebenfalls.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesre-
gierung werden, wie es die EU-Verordnung über die
Bürgerinitiative verlangt, für das Institut der europäi-
schen Bürgerinitiative nationale Zuständigkeiten zuge-
wiesen und Verfahren festgelegt. Dabei handelt es sich
im Wesentlichen um folgende Regelungen:

Als national zuständige Behörde, die die Unterstüt-
zungsbekundungen überprüft und die Bescheinigungen
über die Zahl der gültigen Bekundungen in Deutschland
ausstellt, wird das Bundesversicherungsamt benannt.

Außerdem wird das Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik als die zuständige Behörde be-
nannt, die bescheinigt, ob ein Onlinesammelsystem mit
den technischen und sicherheitsrelevanten Anforderun-
gen der EU-Verordnung über die Bürgerinitiative ver-
einbar ist.

Die EU-Verordnung sieht die Möglichkeit vor, die Zu-
lässigkeit der gesammelten Unterstützungsbekundungen
stichprobenartig zu überprüfen. Davon machen wir in
Deutschland Gebrauch, um den Verwaltungsaufwand
gering zu halten. Zudem wird die Überprüfung von Un-
terstützungsbekundungen durch einen automatisierten
Datenaustausch zwischen Bundesversicherungsamt und
Meldebehörden erleichtert. Zu diesem Zweck wird die
Bundesmeldedatenübermittlungsverordnung ergänzt.

Außerdem werden Bußgeldvorschriften erlassen, die
Verstöße der Organisatoren einer Bürgerinitiative gegen
die EU-Verordnung sanktionieren.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass das Instrument
der europäischen Bürgerinitiative durchaus bürger-
freundlich ausgestaltet und dazu geeignet ist, einen Bei-
trag für eine bessere Identifikation der Unionsbürger
mit Europa und zur Verminderung des Demokratiedefi-
zits in der EU zu leisten.

Allerdings dürfen die positiven Wirkungen der euro-
päischen Bürgerinitiative auch nicht überschätzt wer-
den. Denn die gestalterischen Möglichkeiten, die den
Unionsbürgern mit diesem Instrument gesetzt wurden,
sind begrenzt: Die Europäische Kommission kann das
Begehren der Bürgerinitiative mit Gründen zurückwei-
sen und von konkreten Umsetzungsmaßnahmen absehen.
Im Falle der Ablehnung der Bürgerinitiative ist auch
keine Volksabstimmung vorgesehen.

Ob die europäische Bürgerinitiative ein Erfolgsmo-
dell wird und die in sie gesetzten Erwartungen wird er-
füllen können, wird entscheidend davon abhängen, wie
die Europäische Kommission mit den Begehren umge-
hen wird, ob sie also in einen echten Dialog mit den
Unionsbürgern eintreten wird, um die vielfach kritisierte
Bürgerferne in Europa zu vermindern. Das ist jedenfalls
meine Erwartungshaltung an die Kommission, wenn die

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Zu Protokoll ge

(C (D rsten Bürgerinitiativen ab April nächsten Jahres getartet werden. Werfen wir erneut einen Blick auf Europa. In Zeiten, o die Zeitungen voll von drohenden Staatspleiten und iskussionen für und gegen eine Finanztransaktion teuer sind, stellt die Einführung einer europäischen ürgerinitiative eine positive Entwicklung und eine norme Chance dar. Europa ist nicht nur in einer inanzund Schuldenkrise, es ist auch in einer Legitiationskrise. Die Bürger fühlen sich anonymen Finanzächten und nächtlichen Gipfelrunden hilflos ausgeliert. Es muss eine der Lehren aus der Krise sein, dass ir mehr direktdemokratische Elemente und damit mehr irekte Bürgerbeteiligung auf europäischer Ebene brauhen. Bürgerwille und Bürgerprotest sind bereits jetzt wichger Initiator, um politische Entscheidungen zu korriieren. Denken wir nur an die Massenproteste gegen die ienstleistungsrichtlinie. Es gibt Themen, die viele enschen in Europa bewegen, für oder gegen die sich ürger länderübergreifend einsetzen. Bei den Massenrotesten gegen die Dienstleistungsrichtlinie sind Zehnusende Menschen in Straßburg auf die Straße gegan en und haben gegen die schrankenlose Liberalisierung er Arbeitsmärkte demonstriert. Nicht zuletzt die Proste und länderübergreifenden Aktionen haben dazu gehrt dass, das Europäische Parlament sich darauf ei igte, das von der Kommission vorgeschlagene und mstrittene Herkunftslandprinzip zu streichen, das zu nadenlosem Unterbietungswettbewerb geführt hätte. ier wurde etwas bewegt! Die Occupy-Bewegung ist ein ktuelles Beispiel dafür, wie sich Menschen über Länergrenzen hinweg gegen die Macht der Finanzmärkte ehrten und für eine Regulierung kämpfen. Die europäi che Bürgerinitiative ist ein erster wichtiger Schritt in ichtung mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung. Als weiter wichtiger Schritt müssen aber auch die Rechte nd Befugnisse des Europäischen Parlaments gestärkt erden – sonst geht der erste Schritt ins Leere. Das Eupäische Parlament als Vertretung der Bürger der Eupäischen Union ist zwar am Gesetzgebungsprozess eteiligt, hat aber kein eigenes Initiativrecht. Das hat ur die Europäische Kommission. Wir brauchen mehr emokratie auf EU-Ebene. Sollten sich die Regierungen Europas erneut nicht arauf verständigen können, eine wirksame Regulierung er Finanzmärkte in Europa durchzusetzen, dann haben ünftig die Bürgerinnen und Bürger Europas mit der eupäischen Bürgerinitiative die Möglichkeit, ein Wort abei mitzureden und den Europäischen Gremien Beine zu machen“. Die europäische Bürgerinitiative ist eine Möglichkeit r die Bürger, stärker an der europäischen Politik teil uhaben und die Entscheidungen aus den Hinterzimern der Gipfeldiplomatie herauszuholen! Insofern sind ir gut beraten, die europäische Bürgerinitiative schnell nd unbürokratisch umzusetzen. 17906 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Ingo Wellenreuther gebene Reden )

Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1714927200

(A) )

Sozialdemokraten in Europa sind gewillt, dieses In-
strument auch zu nutzen, sollten sich erneut die Lobby-
isten der Börsen, Banken und Spekulanten durchsetzen
und die Einführung einer europäischen Finanztrans-
aktionsteuer auf die lange Bank schieben.


Jimmy Schulz (FDP):
Rede ID: ID1714927300

Wieder darf ich gute Neuigkeiten zur europäischen

Bürgerinitiative berichten. Der Innenausschuss hat in
seiner Sitzung am 30. November 2011 dem Gesetz zur
Durchführung der Verordnung zugestimmt, und das so-
gar überfraktionell: mit den Stimmen von den Fraktio-
nen CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD und
natürlich mit unseren Stimmen. Lediglich die Linke hat
sich enthalten – na wenigstens waren sie nicht dagegen.
Alles in allem also gute Nachrichten.

Das EU-Parlament hat bereits im Dezember 2010 die
Grundlagen für die Umsetzungsgesetze der Länder ge-
legt. Rechtzeitig können wir nun verkünden, dass
Deutschland für die europäische Bürgerinitiative bereit
ist. Meine Kollegin aus dem EU-Parlament, Alexandra
Thein, sagte so schön, dass sie stolz sei, damals im Ver-
fassungsausschuss des Europäischen Parlaments,
AFCO, an der historischen Abstimmung über die EBI
dabei gewesen zu sein. Es sei eine feierlich-andächtige
Stimmung gewesen. Hier im Deutschen Bundestag dür-
fen wir nun ebenfalls stolz sein, ein Gesetz zu beschlie-
ßen, das die Bürgerinitiative ermöglichen wird.

Mit diesem Gesetz ist es aber nicht getan. Das Gesetz
ist nämlich nur das Gerüst, nur die Anleitung, wie Bür-
gerinitiativen umgesetzt werden. Das schafft zwar beste
Voraussetzungen, garantiert aber nicht, dass dieses
Instrument zur Teilhabe auch genutzt wird. Wir alle,
liebe Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundes-
tag, in den Landtagen und in den Kommunen, sind auf-
gerufen, für die europäische Bürgerinitiative zu werben
und Bürgerinnen und Bürger, die dieses neue Beteili-
gungsinstrument nutzen möchten, mit Rat und Tat zu un-
terstützen. Wichtig ist es, Bürgerinnen und Bürger zu er-
mutigen und zu motivieren, sich über politische
Entscheidungen zu informieren, zu diskutieren und sich
direkt an politischen Entscheidungen zu beteiligen.
Hierfür müssen wir die Grundlagen schaffen. Es ist
unsere Aufgabe, Strukturen zur barrierefreien Informa-
tion, zum Dialog und zur Teilhabe durch Abstimmungen
auch in Deutschland zu schaffen. Hier sehe ich das
Internet als besondere Chance für eine neue Partizipa-
tionskultur.

Wir stehen derzeit am Anfang einer Entwicklung, die
mithilfe der Digitalisierung der Partizipation ein neues
Gesicht verleihen kann. Durch den digitalen Fortschritt
und die damit einhergehenden veränderten Möglichkei-
ten eröffnen sich neue, kreative Chancen der Mitbestim-
mung und der Integration der Bürger in die politische
Debatte. Meiner Ansicht nach sind hierbei drei Stufen
relevant, die es zu berücksichtigen gilt:

Erstens zeigen jüngste Entwicklungen immer wieder,
dass die Bürgerinnen und Bürger sich nicht ausreichend
informiert fühlen. Die Fülle an Informationen, die fast
unmöglich aufzubereiten ist, ist hierbei genauso ent-

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Zu Protokoll ge

(C (D cheidend wie das Problem, zu wenig oder widersprüchche Details über gewisse Themen zu erfahren. Wir üssen uns deshalb als Ziel setzen, durch transparente formation präventiv Unzufriedenheit entgegenzuwir en. Das Internet kann zur Steigerung der Transparenz ehr gut genutzt werden. Zweitens findet nicht genügend „echter Dialog“ statt. ündige Bürger erwarten, in einen Dialog mit Vertrern der Politik treten zu können und ihre Forderungen u erklären, zu diskutieren und an der Meinungsbildung rer gewählten Vertreter mitzuwirken. Ich bin davon berzeugt, dass Dialog präventiv hinsichtlich dem unsch vieler Bürger, über Themen selbst abzustimmen, irken kann. Denn ich sage es noch einmal: Dialog geeriert Verständnis. Auch hier eröffnet das Netz uns eue Möglichkeiten, zum Beispiel durch Konsultationseiten oder auch soziale Netzwerke. Als dritte Stufe betrachte ich die Möglichkeit, über estimmte Themen abzustimmen. Dies ist zwar in weiten eilen in Deutschland vorhanden – beispielsweise Volksegehren, Volksentscheid auf Länderebene –, aber lleine nicht mehr zeitgemäß. Reichen Information und ialog als Partizipationselemente nicht aus, setze ich ich dafür ein, den Souverän selbst per Abstimmung ntscheiden zu lassen. Hier zeigt uns die EBI, dass eine igitale Sammlung von Unterstützungsbekundungen öglich ist. Wir haben zwar auf Länderund kommunaler Ebene iniges vorzuweisen, was beispielsweise Volksentcheide betrifft. Auch die Grundlagen für die EU-Ebene urden nun gelegt. Die europäische Bürgerinitiative ietet die Möglichkeit, einen Dialog anzustoßen, indem ie Themen, die die Bevölkerung als wichtig erachtet, uasi auf die Tagesordnung der EU-Politik setzt; zudem önnen die Bürgerinnen und Bürger abstimmen. Auf Bundesebene aber fehlt uns hier leider noch die bung. Da hinken wir noch hinterher. Wir sollten diskueren, wie wir auch auf Bundesebene eine verbesserte eilhabe erreichen können. Wir stimmen heute über das Gesetz zur Durchführung iner europäischen Verordnung, die einen kleinen, aus nserer Sicht aber wichtigen und längst überfälligen chritt in Richtung Beteiligungsdemokratie darstellt. ie EU-Verordnung 211/2011 ermöglicht ab April 2012, ass mindestens 1 Million Staatsangehörige aus mindesns sieben EU-Mitgliedstaaten die Europäische Komission auffordern, eine Gesetzesinitiative zu ergreifen. Für uns Linke ist die Demokratisierung der europäichen Strukturen ein wesentliches Anliegen. Europa ist ielen Menschen fremd geblieben oder fremd eworden – ein bürokratisches, undurchschaubares onstrukt, eine Angelegenheit, in die sie sich außerhalb on Wahlen nicht einmischen dürfen und können. Was in nd für Europa entschieden wird, ist häufig intranspant und hat viel zu oft viel zu wenig mit ihren eigenen teressen und Problemen zu tun. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17907 Gerold Reichenbach gebene Reden )

Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714927400

(A) )

Daran wird – dessen sind wir uns sehr wohl bewusst –
auch die europäische Bürgerinitiative, die im Lissabon-
Vertrag verankert ist, nichts grundlegend ändern. Zu
groß sind gegenwärtig die Defizite in Sachen Beteili-
gungsdemokratie, zu klein das Engagement politischer
Akteure, daran etwas zu ändern.

Aber es wäre falsch nicht anzuerkennen, dass die
europäische Bürgerinitiative ein erster, kleiner Schritt
hin zu mehr Beteiligungsdemokratie ist. Sie ermöglicht
Menschen erstmals, sich zusammenzutun und ihre Inte-
ressen zu artikulieren. Sie verbrieft das Recht, die Euro-
päische Kommission aufzufordern, zu einem Thema eine
Gesetzesinitiative in Gang zu bringen. Damit wird noch
keine gute, aber eine neue und eine bessere Qualität er-
reicht. Deshalb werden wir dem Gesetz zustimmen. Es
ist besser als gar nichts und es eröffnet die Möglichkeit,
dass sich Bürgerinnen und Bürger grenzüberschreitend
ihrer Interessen bewusst werden und zur Durchsetzung
dieser Interessen organisieren.

Wir wünschen uns und werden weiterhin dafür kämp-
fen, dass die Menschen in Europa mittels Volksabstim-
mungen mitregieren können. Es gibt aus unserer Sicht
keinen einzigen Bereich, bei dem Bürgerinnen und Bür-
ger nicht mitreden sollten. Sie sind der Souverän und es
ist dringend notwendig, ihnen unter Ausnutzung aller
Instrumente der Demokratie diese Souveränität auch zu-
zugestehen.

In Bezug auf die europäische Bürgerinitiative wün-
schen wir uns und werden dafür kämpfen, dass auch jene
Mitbürgerinnen und Mitbürger mitmachen und unter-
schreiben können, die erst 16 oder 17 Jahre alt sind oder
die in einem europäischen Land leben, ohne über die
EU-Staatsbürgerschaft zu verfügen.

Wir wollen und werden uns dafür einsetzen, dass die
europäische Bürgerinitiative ausgebaut und weiterent-
wickelt wird im Hinblick auf Transparenz in der Finan-
zierung.

Direkte oder indirekte Finanzierung durch Firmen
muss aus unserer Sicht ausgeschlossen, stattdessen über
eine Kostenbeteiligung der Kommission geredet werden.
Die Fristen für das Sammeln der Unterschriften müssen
verlängert, Formulare müssen vereinfacht und von bü-
rokratischem Ballast befreit werden.

All diese Aufgaben stehen an, brauchen Mehrheiten
und Engagement, um erledigt zu werden. Am Ende muss
aus unsere Sicht ein Initiativrecht für Bürgerinnen und
Bürger stehen, das handhabbar und transparent ist und
keine Hürden aufbaut.

Die europäische Bürgerinitiative ist kein Element di-
rekter Demokratie im Sinne von Bürgerbegehren und
Bürgerentscheiden. Dies nicht klar und deutlich zu sa-
gen, wäre Augenwischerei. Aber es wäre auch nicht zu
verantworten, die Gelegenheit verstreichen zu lassen,
wenigstens einen Anfang in Richtung mehr demokrati-
sche Teilhabe zu machen. Zu groß ist inzwischen das Le-
gitimationsproblem der Europäischen Union gegenüber
ihren Bürgerinnen und Bürgern.

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(C (D Die europäische Bürgerinitiative ermöglicht, dass ich Menschen über Grenzen hinweg zu einem wichtigen hema nicht nur verständigen, sondern zur Durchsetung ihrer Interessen auch initiativ werden. Sie können re Erwartungen und Forderungen artikulieren und olitisches Handeln unmittelbar einfordern. Meine Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu. Er ist icht weitreichend genug und deshalb nicht ausreihend. Aber er eröffnet Möglichkeiten, die es bisher icht gab. Uns allen ist bewusst, die EU befindet sich im Mo ent in schwierigem Fahrwasser. Dennoch gibt es heute inen Grund zu großer Freude. Mit dem vorliegenden esetzentwurf setzen wir zwei Jahre nach Inkrafttreten es Vertrags von Lissabon das erste staatenübergreinde Bürgerbeteiligungsinstrument weltweit um. Mit er europäischen Bürgerinitiative können sich die Bürerinnen und Bürger ab April 2012 direkt in die Politik er EU einmischen, zusätzlich zu den Wahlen zum Euroäischen Parlament. Demokratie lebt von Partizipation und bürgerschaftlihem Engagement. Für mich und meine Fraktion war nd ist die europäische Bürgerinitiative deshalb stets von erausragender Bedeutung. Ich bin sicher, die Einflussahme möglichst vieler Unionsbürgerinnen und -bürger uf die politische Willensbildung wird die demokratiche Arbeitsweise der Europäischen Union bereichern. as neue Instrument bietet der EU eine einzigartige hance, näher an ihre Bürgerinnen und Bürger zu rüken, grenzüberschreitende Debatten über europäische ragen zu fördern und zum Aufbau einer europäischen ffentlichkeit beizutragen. Diese Chance wollen wir Grüne nutzen. Deshalb haen wir uns hier im Bundestag gegenüber der Bundesreierung von Anfang an für ein verbindliches, nutzereundliches und unbürokratisches Verfahren zur urchführung von EU-Bürgerinitiativen eingesetzt – nd weitestgehend durchgesetzt. Nur ein Beispiel: Die undesregierung – genauer gesagt: das federführende undesinnenministerium – hatte ursprünglich vorgeseen, die Kosten für die Zertifizierung der Onlinesamelsysteme auf die Initiatorinnen und Initiatoren von ürgerinitiativen abzuwälzen. Man stelle sich das nur al vor, engagierte Bürgerinnen und Bürger hätten erst al mehrere Tausend Euro aufbringen müssen, um sich n einem demokratischen Prozess überhaupt beteiligen u können. Eine absurde Überlegung, die an Hohn nicht u überbieten war. Das hatte ich Bundesinnenminister riedrich auch noch vor der Sommerpause mitgeteilt. udem setzten sich die Europa-Union, Mehr Demokratie . V. und Citizens for Europe vehement für eine kostense EU-Bürgerinitiative ein – mit Erfolg: Wie wir alle vorliegenden Gesetzentwurf lesen können, ist die utzung der EU-Bürgerinitiative nun kostenlos. Gratution, Herr Bundesinnenminister Friedrich, für diese nabdingbare Kehrtwende. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei meinen olleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament 17908 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Halina Wawzyniak gebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17909 Manuel Sarrazin )

Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714927500

(A) )

bedanken. Auf Initiative der Grünen hat es das Europäi-
sche Parlament geschafft, die von der EU-Kommission
vorgesehenen hohen Hürden abzubauen. Die Anzahl der
Mitgliedstaaten, in denen Unterschriften gesammelt
werden müssen, konnte von neun auf sieben gesenkt wer-
den; die Prüfung, ob eine EU-Bürgerinitiative über-
haupt zugelassen wird, findet gleich am Anfang und
nicht erst nach 300 000 bereits gesammelten Unter-
schriften statt; Initiatorinnen und Initiatoren erfolgrei-
cher Bürgerinitiativen haben ein Recht auf Anhörung
und können nicht mit einem Brief der EU-Kommission
abgespeist werden. Außerdem muss die Europäische
Kommission den Initiatorinnen und Initiatoren eine kos-
tenlose Software für die Onlineunterschriftensammlung
zur Verfügung stellen und eine Kontaktstelle für Bera-
tung und Nachfragen einrichten.

Ich freue mich, dass die europäische Bürgerinitiative
schon im ersten Anlauf ein bürgerfreundliches, unbüro-
kratisches und praktikables Instrument geworden ist. Ab
April 2012, wenn die ersten Initiativen starten, müssen
wir schauen, wie gut die derzeitige Ausgestaltung funk-
tioniert. Wenn erforderlich, kann in drei Jahren nachge-
bessert werden. Auch dafür haben sich die Grünen ein-
gesetzt. Diese Gelegenheit der Nachbesserung werden
wir nutzen, um uns beispielsweise erneut für die Herab-
setzung der Altersgrenze auf 16 Jahre einzusetzen. Und
außerdem ist klar: Wir Grüne sind offen für Ideen zur
Weiterentwicklung der europäischen Demokratie. Dabei
ist und bleibt jedoch wichtig: Wenn die Bürgerinitiative
ein Anfangspunkt der Entwicklung von direkter Demo-
kratie auf europäischer Ebene werden soll, muss sie in
der Praxis von Politik und Zivilgesellschaft ernsthaft
und seriös behandelt und genutzt werden. Aber bis dahin
hoffe ich auf einen fulminanten Startschuss im April
2012 und viele erfolgreiche Initiativen. Ich bin zuver-
sichtlich, dass wir mit der europäischen Bürgerinitiative
in Europa ein Instrument gewonnen haben, mit dem sich
die Bürgerinnen und Bürger stärker Gehör im Brüsseler
Politikbetrieb verschaffen und damit die Debatte über
die Weiterentwicklung der EU enorm bereichern kön-
nen. Und darauf freue ich mich.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714927600

Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschuss

empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 17/8029, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf Drucksache 17/7575 anzunehmen. Ich bitte diejeni-
gen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das
Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen,
Sozialdemokraten, Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt
dagegen? – Niemand. Stimmenthaltungen? – Linksfrak-
tion. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung
angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Das sind die Koalitionsfraktionen, Sozialdemokraten,
Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Nie-
mand. Enthaltungen? – Fraktion Die Linke. Der Gesetz-
entwurf ist angenommen.

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(C (D Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. Februar 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft – Drucksache 17/5126 – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses – Drucksache 17/8059 – Berichterstattung: Abgeordnete Ute Granold Sonja Steffen Stephan Thomae Jörn Wunderlich Ingrid Hönlinger Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die eden zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolleinnen und Kollegen sind hier im Präsidium bekannt. Die Regierungen Deutschlands und Frankreichs ha en sich im Januar 2010 im Rahmen eines bilateralen ölkerrechtlichen Vertrages auf die Einführung eines euen deutsch-französischen Wahlgüterstandes verstänigt. Mit dem heute von uns abschließend beratenen Geetz soll dieser Vertrag nunmehr ratifiziert und in natioales Recht umgesetzt werden. Erlauben Sie mir eingangs einen kurzen Exkurs ins üterrecht, um die Zielsetzung des Gesetzes zu veran chaulichen. Das eheliche Güterrecht regelt zum einen, ob die von en Ehepartnern in die Ehe eingebrachten und die wähnd der Ehezeit erworbenen Vermögensgegenstände in in gemeinsames Vermögen der Ehegatten einfließen der weiterhin allein dem jeweiligen Ehepartner gehön, der sie eingebracht bzw. erworben hat. Darüber hi aus enthält das Güterrecht Regelungen, wie die Vermöensgegenstände und etwaige Vermögenszuwächse im alle der Scheidung – hier liegt naturgemäß die größte raktische Bedeutung – zwischen den Eheleuten aufzuilen und auszugleichen sind. Sofern vertraglich nichts Abweichendes vereinbart urde, leben die Eheleute im gesetzlichen Güterstand er Zugewinngemeinschaft. Das ist in Deutschland der egelfall. Die Zugewinngemeinschaft ist dadurch geennzeichnet, dass alle in die Ehe eingebrachten oder ährend der Ehe erworbenen Vermögensgegenstände Alleineigentum des jeweiligen Ehepartners verblei en. Im Falle der Scheidung findet dann lediglich ein fianzieller Ausgleich des während der Ehezeit erzielten ermögenszugewinns statt – der sogenannte Zugewinnusgleich. Dabei werden die Zugewinne der beiden Eheartner bilanziert. Besteht zugunsten eines Ehegatten ine Differenz, muss dieser dem anderen die Hälfte des ifferenzbetrages im Wege einer Einmalzahlung aus )

Ute Granold (CDU):
Rede ID: ID1714927700

(A) )

gleichen. Damit soll gewährleistet werden, dass beide
Ehepartner an dem wirtschaftlichen Erfolg in der Ehe
gleichermaßen partizipieren. Der Zugewinnausgleich
berücksichtigt fast alle während der Ehezeit erzielten
Vermögenszuwächse mit Ausnahme von Ansprüchen, die
der Altersvorsoge dienen und daher dem Versorgungs-
ausgleich vorbehalten bleiben.

Darüber hinaus sieht das deutsche Recht weitere Gü-
terstände vor, die die Eheleute vertraglich vereinbaren
können. Das sind im Wesentlichen die Gütergemein-
schaft, bei der alle eingebrachten und erworbenen Ver-
mögensgegenstände gemeinsames Vermögen der Ehe-
partner sind, sowie die Gütertrennung, die – wie der
Name schon sagt – durch eine strikte Trennung der Ver-
mögensmassen der Eheleute gekennzeichnet ist, ohne
dass im Falle einer Scheidung irgendein Ausgleich zwi-
schen ihnen erfolgt.

In Frankreich stellt hingegen die Errungenschaftsge-
meinschaft den gesetzlichen Normalfall dar. Dabei han-
delt es sich vereinfacht gesprochen um eine Mischform
aus der deutschen Gütertrennung und Gütergemein-
schaft. Alle in die Ehe eingebrachten Vermögensgegen-
stände bleiben dabei zunächst im Alleineigentum der
Ehepartner. Im Unterschied zur Zugewinngemeinschaft
fließen jedoch die während der Ehe erwirtschafteten
Vermögensgegenstände, die sogenannten Errungen-
schaften, kraft Gesetzes in ein gemeinschaftliches Ver-
mögen der Ehepartner ein, das dann im Falle einer
Scheidung zwischen ihnen hälftig aufgeteilt wird.

Die Unterschiede zwischen den gesetzlichen Güter-
ständen in Deutschland und Frankreich sind also signi-
fikant. Dies führt im Scheidungsfall bei binationalen
Ehen, aber auch bei Ehepartnern mit gleicher Nationa-
lität, die in einem anderen Staat leben, häufig zu Proble-
men. Welches nationale Scheidungs- und Scheidungsfol-
genrecht zur Anwendung kommt, regelt sich in diesen
Fällen nach dem jeweils anzuwendenden nationalen
Kollisionsrecht. In der Praxis kommt es dabei immer
wieder vor, dass für die Rechtsfolgen der Ehe das mate-
rielle Familienrecht eines anderen Staates gilt, das den
Beteiligten am Rechtsverkehr unter Umständen völlig
unbekannt war und ist.

Mit Blick auf eben diese Fallkonstellationen und die
damit verbundenen praktischen Schwierigkeiten wollen
Deutschland und Frankreich nun den betroffenen Ehe-
partnern die Möglichkeit geben, einen neuen Güterstand
zu wählen, der sowohl Elemente des deutschen als auch
des französischen Rechtssystems miteinander verbindet
und unabhängig vom jeweils geltenden Kollisionsrecht
zur Anwendung kommt.

Dieser neue und heute zur Abstimmung stehende
Wahlgüterstand orientiert sich dabei im Wesentlichen an
der deutschen Zugewinngemeinschaft. Das ist keine
Selbstverständlichkeit und ganz offensichtlich Ergebnis
einer guten Verhandlungsführung der Bundesregierung.
Gleichwohl berücksichtigt der neue Wahlgüterstand
auch einige französische Besonderheiten. So soll bei-
spielsweise die Trennung des Ehegattenvermögens ei-
nige Beschränkungen erfahren. Anders als im gesetzli-
chen Güterstand der Zugewinngemeinschaft wird zudem

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(C (D as Schmerzensgeld privilegiert und dem Anfangsverögen zugerechnet. Der neue Wahlgüterstand kann sowohl vor als auch ährend der Ehe vertraglich vereinbart werden. Die hegatten haben des Weiteren die Möglichkeit, durch ertrag von den Vorschriften zur Festsetzung der Zugeinnausgleichsforderung abzuweichen. So können sie eispielsweise die Zusammensetzung der Vermögen, die ewertungsregeln für die Vermögensgegenstände, die öhe der Beteiligung am jeweiligen Vermögenszuwachs nd die Verteilung des Zugewinns abweichend regeln. Hinsichtlich des örtlichen und persönlichen Anwenungsbereiches des neuen Güterstandes gilt Folgendes: r kann zunächst immer dann gewählt werden, wenn die heleute beide Deutsche sind und in Frankreich leben der beide Franzosen sind, aber in Deutschland leben. erner können alle deutsch-französischen Ehegatten en neuen Wahlgüterstand wählen, wenn sie in Frankich oder Deutschland leben. Darüber hinaus steht der eue Wahlgüterstand auch allen ausländischen Ehegatn zur Verfügung, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt ntweder in Deutschland oder in Frankreich haben. chließlich steht er grundsätzlich auch allen deutschen hepaaren zur Verfügung, die in Deutschland leben und einerlei Auslandsbezug aufweisen. Insofern erfährt lso das deutsche materielle Familienrecht mittels eines ölkerrechtlichen Vertrages eine nicht unerhebliche Änerung. Prüfungsbedarf haben wir bei der negativen Publizit des Güterrechtsregisters, die im deutschen Gütercht eigentlich den gutgläubigen Dritten schützt und amit dem Schutz des Rechtsverkehrs dient, gesehen. aut Umsetzungsgesetz kommt diese güterrechtliche orschrift im neuen Wahlgüterstand nicht zur Anwenung, und zwar auch in den Fällen, in denen zwei deutche, in Deutschland lebende Ehegatten den deutschanzösischen Güterstand wählen. Der gutgläubige Ererber ist also auch bei Rechtsgeschäften mit Eheleun, die im neuen Wahlgüterstand leben, aber das nicht s Güterrechtsregister eingetragen haben, künftig nicht ehr geschützt. Dieser völkerrechtlich bedingte Systemruch ist rechtspolitisch nicht unproblematisch. Aus unerer Sicht wäre daher eine konsequente Anwendung der chutzvorschrift auch im neuen Wahlgüterstand vorugswürdig gewesen. Leider mussten wir jedoch feststeln, dass eine Anwendung der besagten Vorschrift im ahmen des deutsch-französischen Wahlgüterstandes it dem Staatsvertrag nicht vereinbar und insofern völ errechtlich unzulässig wäre. Dies hat ein von uns beim issenschaftlichen Dienst des Bundestages eingeholtes utachten ergeben. Aus diesem Grund mussten wir in en Ausschussberatungen von einer entsprechenden Änerung des Umsetzungsgesetzes absehen. Mit dem heute zur Abstimmung stehenden Gesetz erden nunmehr die innerstaatlichen Voraussetzungen r die Ratifikation des deutsch-französischen Staatsverages geschaffen. Gleichzeitig regelt das Gesetz die inerstaatliche Umsetzung des Abkommens. Der Staatsertrag soll zunächst nur zwischen Deutschland und rankreich gelten. Die Bundesregierung verbindet mit 17910 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Ute Granold gebene Reden )


(A) )

dem Staatsvertrag zudem die ausdrückliche Hoffnung,
dass sich auch andere EU-Staaten dem Vertrag an-
schließen.

Allerdings will ich an dieser Stelle für die Union aus-
drücklich betonen, dass wir eine Harmonisierung des
materiellen Familienrechts in der Europäischen Union
entschieden ablehnen. Dieser Punkt ist für uns von zen-
traler Bedeutung. Gerade das Familienrecht weist in
den Mitgliedstaaten zum Teil erhebliche, auch kulturell
bedingte und über Jahrhunderte gewachsene Unter-
schiede auf. Der Versuch einer Beseitigung oder Nivel-
lierung dieser Unterschiede wäre völlig falsch und kon-
traproduktiv und stünde im krassen Widerspruch zum
geltenden EU-Recht. Abgesehen davon hätte ich erheb-
liche Zweifel, dass es dafür überhaupt einen praktischen
Bedarf gäbe. Deshalb darf die europäische Harmonisie-
rung im Familienrecht keineswegs zum Selbstzweck
werden. Alle künftigen Initiativen – ob sie nun Fragen
der Zuständigkeit und Anerkennung ausländischer Ge-
richtsentscheidungen oder das Kollisionsrecht betref-
fen – werden wir in diesem Sinne streng nach dem Maß-
stab des Subsidiaritätsprinzips bewerten.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass wir mit der Ra-
tifizierung des Staatsvertrages und der Umsetzung des
deutsch-französischen Wahlgüterstandes in deutsches
Recht gerade für viele binationale Ehen nicht unerhebli-
che praktische Erleichterungen schaffen. Aus diesem
Grund bitte ich auch um Ihre Zustimmung.


Sonja Steffen (SPD):
Rede ID: ID1714927800

Deutschland und Frankreich werden ja immer wieder

als Motor der Europäischen Union bezeichnet. Nach-
dem Versuche, das materielle Familienrecht zu verein-
heitlichen, bisher auf europäischer Ebene gescheitert
sind, übernehmen Deutschland und Frankreich nun
auch in diesem Bereich eine Vorreiterrolle: Am 4. Fe-
bruar 2010 wurde in Paris das deutsch-französische Ab-
kommen über den Güterstand der Wahl-Zugewinnge-
meinschaft unterzeichnet.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzen wir die-
ses Abkommen in nationales Recht um und schaffen die
Ratifizierungsvoraussetzungen. Der Rechtsausschuss
des Deutschen Bundestags empfiehlt einstimmig die An-
nahme dieses Gesetzentwurfs.

Hintergrund hierfür ist, dass mit dem Voranschreiten
der Europäischen Integration auch die Zahl der binatio-
nalen Paare zunimmt. Im Jahr 2010 war jede achte Ehe-
schließung in Deutschland eine binationale. Und hierzu
zählen nur Paare, bei denen mindestens ein Ehegatte
eine ausländische Staatsbürgerschaft hat. Ehen von ein-
gebürgerten Personen werden nicht mitgezählt.

Zwischen den gesetzlichen Güterständen der einzel-
nen Europäischen Mitgliedstaaten bestehen teilweise
große Unterschiede. Dies führt vor allem im Fall der
Auflösung einer Ehe zu Problemen bei der Frage, wel-
ches Recht anzuwenden und wie der Güterstand aufzulö-
sen ist. Aber auch bei bestehenden Ehen kann es zu
Schwierigkeiten kommen, beispielsweise bei der Finan-
zierung von Immobilienkrediten.

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(C (D Diese Problematik soll mit der Einführung eines in eutschland und Frankreich identischen Wahlgüter tandes behoben werden. Bei dem neuen Wahlgüterstand andelt es sich um eine modifizierte Form des in eutschland bereits geltenden gesetzlichen Güterstanes der Zugewinngemeinschaft. Die Vermögen der Eheatten bleiben während der Ehezeit getrennt und erst bei eendigung des Güterstandes wird der in der Ehe erirtschaftete Zugewinn ausgeglichen. Die Wahl-Zugeinngemeinschaft enthält jedoch einige französische esonderheiten, zum Beispiel zur Berücksichtigung von ermögenspositionen wie Immobilien und Schmerzenseld. Diese Wahl-Zugewinngemeinschaft kann von den hegatten in beiden Ländern statt des jeweiligen gesetzchen Güterstandes und neben den jeweiligen anderen ationalen Wahlgüterständen gewählt werden. Wählen önnen diesen Güterstand nicht nur binationale Paare, onder auch Ehegatten mit derselben Staatsangehörigeit. Im Bereich des Familienrechts wird damit erstmals uf ein einheitliches Recht in zwei europäischen Staaten esetzt. Die deutsch-französische Vorreiterrolle wird daurch unterstrichen, dass Art. 21 des Abkommens jedem nderen Mitgliedstaat der Europäischen Union die öglichkeit gibt, dem Abkommen beizutreten und eine uropäische Harmonisierung der güterrechtlichen Betimmungen voranzutreiben. In den letzten Wochen haben wir sehr viel über die nge Zusammenarbeit von Bundeskanzlerin Angela erkel und Präsident Nicolas Sarkozy gehört. Dass sich eide das Ja-Wort geben wollen, ist mir zwar noch nicht u Ohren gekommen. Wenn Frau Merkel und Herr arkozy aber beschließen würden, einander zu heiraten, önnten sie sich künftig für den Güterstand der Wahlugewinngemeinschaft entscheiden. Der Deutsche Bundestag wird heute das erforderliche ationale Gesetz verabschieden. Damit wird der Deutche Bundestag dem am 4. Februar 2010 unterzeichnen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschnd und der Französischen Republik zustimmen und die rforderlichen Änderungen im deutschen Recht bechließen. Danach können Paare, von denen mindestens ein Teil ie deutsche oder französische Staatsbürgerschaft inne at, sich für den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinchaft entscheiden. Der Güterstand der Wahl-Zugewinnemeinschaft entspricht im Wesentlichen dem deutschen ugewinnausgleich. Das Vermögen der Ehegatten bleibt abei grundsätzlich getrennt. Als Zugewinn wird der Beag bezeichnet, um den das Endvermögen eines Ehegatn sein Vermögen, das er zu Beginn des Güterstandes atte, übersteigt. Bei Beendigung des Güterstandes werden die Zugeinne beider Ehegatten verglichen. Der Ehegatte, des en Zugewinn geringer ausfällt, kann vom anderen Eheatten einen Ausgleich fordern. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17911 Ute Granold gebene Reden )

Stephan Thomae (FDP):
Rede ID: ID1714927900

(A) )

Der Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft
kann von den Ehegatten durch einen Ehevertrag verein-
bart werden. Dieser Vertrag kann vor der Ehe oder wäh-
rend des Bestandes der Ehe geschlossen werden. Der
Güterstand kann auf drei Arten enden: erstens wenn das
Ehepaar den Güterstand wechselt, zweitens wenn die
Ehe rechtskräftig geschieden wird oder mit jeder ande-
ren gerichtlichen Entscheidung, die den Güterstand be-
endet, oder drittens wenn einer der Ehegatten verstirbt.

Das Abkommen vom 4. Februar 2010 sieht vor, dass
der Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft optio-
nal neben den jeweiligen nationalen Bestimmungen be-
stehen soll. Dadurch ist gewährleistet, dass nationale
Eigenheiten und gewachsene Rechtstraditionen nicht
beeinträchtigt werden.

Der deutsch-französische Wahlgüterstand ist so aus-
gestaltet, dass er zunächst nur zwischen Deutschland
und Frankreich Gültigkeit erlangt. Das Abkommen steht
aber auch den anderen Mitgliedstaaten der Europäi-
schen Union zum Beitritt offen.

Dies ist vor dem Hintergrund eines immer enger zu-
sammenwachsenden Europas ein Schritt in die richtige
Richtung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass im
Jahr 2009 bei circa 13 Prozent der Ehen in Deutschland
mindestens ein Ehegatte eine ausländische Staatsange-
hörigkeit besaß. Darunter waren rund 34 000 deutsch-
französische Ehepaare.

Durch das Abkommen vertiefen wir das Zusammen-
wachsen, indem wir mögliche Ansatzpunkte für Rechts-
streitigkeiten bei grenzüberschreitenden Ehen abbauen.
Somit schaffen wir für die Menschen in Deutschland und
Frankreich mehr Rechtssicherheit und mehr Rechtsklar-
heit. Wir sollten uns auf dem Erreichten jetzt nicht aus-
ruhen, sondern daran arbeiten, dass sich auch andere
Mitgliedstaaten dem Abkommen anschließen.


Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714928000

Im Jahre 2003, immerhin vor mehr als acht Jahren,

gab es anlässlich des 40. Jahrestages des Elysée-Vertra-
ges die gemeinsame deutsch-französische Erklärung, in
der unter der Überschrift „Harmonisierung von Recht
und Gesetz“ auch dem Wunsch Ausdruck verliehen
wurde, das deutsche und französische Recht, insbeson-
dere das Familienrecht anzugleichen. Mit dem vorliegen-
den Gesetz zum Abkommen vom 4. Februar 2010 wird
diesem Wunsch weiter Rechnung getragen. In diesem Ab-
kommen haben die beiden Regierungen die Möglichkeit
eines gemeinsamen Wahlgüterstandes für binationale
Ehen geschlossen, also erstmals einheitliches materielles

(Familien Angesichts des Umstandes, dass im Jahre 2009 in Deutschland bei 13 Prozent der Ehen mindestens ein Ehepartner eine ausländische Staatsangehörigkeit besaß, kommt diesem Abkommen auch die entsprechende praktische Bedeutung zu. Probleme traten nicht nur bei Scheidungen auf, sondern auch während der bestehenden Ehe. Als Beispiel sei an dieser Stelle nur die Finanzierung von Immobilienkrediten genannt, da es für deutsche Kreditinstitute fraglich war, wie sich Verbind li s m ih e W b G d fa e e s s R g L d A A a m R G d e F z d a re le W fa k s u s m v F A te g v le fr d m w G s s Zu Protokoll ge (C (D chkeiten eines Ehepartners auf das in der – französichen – Errungenschaftsgemeinschaft gebundene Verögen auswirken. Mit der neuen Wahl-Zugewinngemeinschaft, die in rer Grundstruktur dem deutschen Zugewinnausgleich ntspricht, sind diese Schwierigkeiten beseitigt. Dieser ahlgüterstand kann nun von jedem Ehepartner in den eiden Ländern anstelle des jeweiligen gesetzlichen üterstandes gewählt werden. Nun gibt es in Deutschland und Frankreich nicht nur eutsch-französische Ehen. Die Nationalitäten sind vielch. Auf diesem Gebiet jedoch europaübergreifend ein inheitliches Recht zu normieren, hätte zu lange gedaurt, weil eine inhaltliche Angleichung in allen Mitgliedtaaten der Europäischen Union aufgrund von unterchiedlichen zum Teil in Jahrhunderten gewachsenen echtstraditionen nur sehr viel langsamer vonstatten egangen wäre. So ist zunächst eine unkomplizierte ösung für deutsch-französische Ehen vorhanden, und ie anderen Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, dem bkommen beizutreten oder gegebenenfalls eigene bkommen in dieser Richtung abzuschließen. Alles in llem führt dieses Gesetz mit der Umsetzung des Abkomens in nationales Recht zu mehr Rechtssicherheit und echtsklarheit. Von daher wird meine Fraktion diesem esetz zustimmen. Unser Bürgerliches Gesetzbuch, BGB, stammt aus em Jahre 1900. Seither befindet sich das Zivilrecht in inem stetigen Fortentwicklungsprozess. Und auch das amilienrecht hat sich erheblich weiterentwickelt. Die ahlreichen Änderungen und Ergänzungen im 4. Buch es BGB spiegeln die gesellschaftlichen Veränderungen uf dem Gebiet des Familienrechts wider. Die besonden rechtlichen Bedürfnisse binationaler Ehepaare alrdings sind ein Problemkreis, der bei der bisherigen eiterentwicklung des Familienrechts wenig Beachtung nd, und dies zu Unrecht. Denn binationale Ehen sind eine Seltenheit mehr. Fast jeder von uns hat Paare in einem Bekanntenkreis, bei denen die Ehepartner eine nterschiedliche Staatsangehörigkeit haben. Aus rechtlicher Perspektive bringen binationale Ehechließungen eine Reihe von rechtlichen Folgeprobleen mit sich. Diese zeigen sich schon während der Ehe, or allem aber bei Beendigung der Ehe. Da stellen sich ragen wie: Welches Recht findet auf die Eheschließung nwendung? Wie sind Unterhaltsansprüche ausgestalt? Nach welchem Recht wird die Ehescheidung durcheführt? Wem gehört das Vermögen? Wie wird im Falle on Trennung und Scheidung das Vermögen der Eheute aufgeteilt? Derzeit kennen sowohl das deutsche als auch das anzösische Recht drei Arten von Güterständen: Im eutschen Recht gibt es die Gütertrennung, die Gütergeeinschaft und den gesetzlichen Güterstand der Zugeinngemeinschaft. Das französische Recht kennt die ütertrennung, die Zugewinngemeinschaft und, als ge etzlichen Güterstand, die Errungenschaftsgemeinchaft. Die Unterschiede zwischen den beiden jeweili17912 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Stephan Thomae gebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17913 Ingrid Hönlinger )

Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714928100

(A) )

gen gesetzlichen Güterständen sind erheblich. Dass sich
Frankreich und Deutschland nun mit dem Abkommen
über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft
dazu entschlossen haben, eine Lösung für einen Großteil
dieser Probleme zu finden, ist sehr zu begrüßen.

Das Abkommen und der dazu gehörende Gesetzent-
wurf sehen vor, einen gemeinsamen, in beiden Staaten
identischen Wahlgüterstand zu schaffen, der in modifi-
zierter Form dem deutschen Zugewinnausgleich ent-
spricht, aber französische Besonderheiten berücksich-
tigt. Dass dieser Impuls von Deutschland und
Frankreich ausgeht, ist wenig verwunderlich und nur
konsequent. Die guten Beziehungen zwischen Frank-
reich und Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg ha-
ben für die europäische Integration eine entscheidende
Rolle gespielt. Initiativen zur europäischen Einigung
nahmen ihren Anfang auch in der Vergangenheit oft auf
bilateraler deutsch-französischer Ebene. Nicht umsonst
werden Deutschland und Frankreich häufig als Motor
der europäischen Integration bezeichnet.

Der Austausch zwischen Frankreich und Deutschland
ist äußerst lebendig. Ich denke hier zum Beispiel an die
Partnerschaften von Städten, Gemeinden und Regionen,
die vielen deutsch-französischen Begegnungen auf sehr
lebendige Weise einen Rahmen verleihen. Regelmäßig
finden deutsch-französische Jugendbegegnungen statt.
Es gibt eine Vielzahl von deutsch-französischen Institu-
tionen wie das Deutsch-Französische Jugendwerk, das
Deutsch-Französische Institut, das seinen Sitz in mei-
nem Wahlkreis Ludwigsburg hat, und auch den Fernseh-
sender arte. Deutsche und französische Bürgerinnen
und Bürger lernen sich kennen, schließen Freundschaf-
ten und häufig auch Ehen.

Auf europäischer Ebene gibt es derzeit keine konkre-
ten Pläne für eine Angleichung des Eherechts. Mit dem
vorliegenden Abkommen und dessen Umsetzung kommt
Deutschland und Frankreich eine Vorreiterrolle zu.
Andere Mitgliedstaaten können folgen, denn das Abkom-
men eröffnet auch anderen Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Union die Möglichkeit, dem Abkommen beizu-
treten.

Damit kommen wir einer weiteren Vereinfachung und
Harmonisierung auf dem Gebiet des europäischen Fa-
milienrechts einen Schritt näher. Das ist begrüßenswert,
denn es steht zu erwarten, dass die Zahl binationaler
Eheschließungen in Zukunft nicht abnehmen, sondern
ansteigen wird.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714928200

Wir kommen zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss

empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 17/8059, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf Drucksache 17/5126 in der Ausschussfassung anzu-
nehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen. – Das sind alle Fraktionen des Hauses. Wer
stimmt dagegen? – Niemand. Enthaltungen? – Auch
nicht. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung
angenommen.

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(C (D Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – as sind die Mitglieder von allen Fraktionen des Hau es. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Enthaltungen? – uch niemand. Der Gesetzentwurf ist angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Petra Crone, Sönke Rix, Bernhard Brinkmann (Hildesheim)

der SPD

Freiwilligendienste aller Generationen verste-
tigen – Engagement ohne Altersgrenzen stär-
ken

– Drucksache 17/7980 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Kultur und Medien

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Sie sind da-
it einverstanden.

Somit komme ich zur ersten Rednerin dieser Debatte:
r die Sozialdemokraten unsere Kollegin Frau Petra
rone. Bitte schön, Frau Kollegin Petra Crone.


(Beifall bei der SPD)



Petra Crone (SPD):
Rede ID: ID1714928300

Herr Präsident! Meine lieben Kollegen und Kollegin-

en! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir begehen in
iesem Jahr das Europäische Jahr der Freiwilligentätig-
eit. Freiwilligkeit ist, um einmal den Bogen zu span-
en, neben Printen und Klößen sicherlich auch ein Stück
rauchtum. Freiwilliges Engagement stand in den letz-
n Monaten aber nicht nur deshalb häufig im Mittel-
unkt unserer Diskussionen. Vielmehr hat die Ausset-
ung der Wehrpflicht und die damit verbundene
ussetzung des Zivildienstes dazu geführt, dass wir uns
it der Einführung eines neuen Dienstes beschäftigt

aben: mit dem neuen Bundesfreiwilligendienst.

Ich möchte an dieser Stelle nicht unsere grundlegende
ritik an dem Gesetz und dem Dienst wiederholen. Las-

en Sie mich nur eines deutlich machen: Wir als SPD-
undestagsfraktion stehen der Altersöffnung dieses
ienstes äußerst skeptisch gegenüber.

Es geht nicht nur um die Arbeitsmarktneutralität, die
ei der Öffnung der neuen Dienste für ältere Zielgruppen
nbedingt auf den Prüfstand muss. Es geht auch um die
ädagogische Begleitung der Älteren, die vielerorts noch
nklar ist. Gemeinsame Seminare mit der jüngeren Ziel-
ruppe stellen das pädagogische Personal vor ganz neue
erausforderungen.

17914 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Petra Crone


(A) )


)(B)


(Markus Grübel [CDU/CSU]: Daran können die nur wachsen, an den Herausforderungen!)


Dabei sind die Anforderungen an sie – ebenso wie an die
Träger von Freiwilligendiensten – zurzeit bereits hoch
genug, Herr Kollege. Eine Überforderung geht dann aber
zulasten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Neben dem Bundesfreiwilligendienst gibt es die Frei-
willigendienste aller Generationen. Viele Freiwillige
engagieren sich unter diesem Dach – viel zu viele, um
eine Struktur jetzt, nach nur drei Jahren Programmlauf-
zeit, wieder zu zerschlagen.


(Beifall bei der SPD)


Wir brauchen junge wie ältere Menschen, die motiviert
sind, sich je nach persönlichem Zeitbudget zu engagie-
ren. Diese Möglichkeit haben die Freiwilligendienste
aller Generationen eröffnet, und damit bieten sie eine
entscheidende Voraussetzung für ehrenamtliches Enga-
gement.


(Beifall bei der SPD)


Der Bundesfreiwilligendienst leistet das nicht. Er ver-
langt mindestens 20 Stunden in der Woche für eine
ehrenamtliche Tätigkeit, und zwar verpflichtend.


(Markus Grübel [CDU/CSU]: Eine freiwillige Tätigkeit!)


Alle Erfahrungen vor Ort zeigen: Das ist nicht realis-
tisch, das ist eine deutlich zu hohe Stundenzahl. Das ist
gegenüber der Mindestdauer von 7 Stunden bei den Frei-
willigendiensten aller Generationen deutlich zu hoch
gegriffen.


(Beifall bei der SPD)


Liebe Kollegen und Kolleginnen, 64 Prozent aller
Teilnehmer bei den Freiwilligendiensten aller Generatio-
nen sind über 50 Jahre alt.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das ist doch ein gutes Zeichen!)


Das erklärte das Bundesministerium für Familie, Senio-
ren, Frauen und Jugend zuletzt in einer Pressemitteilung
über den Erfolg dieses Projekts. Das zeigt das enorme
Potenzial, das insbesondere Ältere mit ihren Erfahrun-
gen und ihrem Wissen einbringen. Sie wollen dies
berechtigterweise in verlässlichen Strukturen tun. Men-
schen jenseits der 65 Jahre stehen heute noch lange nicht
am Ende ihres aktiven Lebens. Alt sein ist nicht gleich-
bedeutend mit Gebrechen und Hilfsbedürftigkeit. Ältere
Menschen wollen sich auf vielfältige Weise engagieren
und an der Gesellschaft teilhaben.

Ein Modell zu stoppen, das genau diese Potenziale
nutzt und für die Gesellschaft erreichbar macht, ist mir
– ganz besonders im Hinblick auf den demografischen
Wandel – völlig unverständlich.


(Beifall bei der SPD)


Im Gegenteil: Wir müssen mehr Geld in die Hand neh-
men und gezielt Menschen im Übergang zwischen
Berufsleben und Ruhestand ansprechen.

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(C (D Der Bundesfreiwilligendienst tut dies nicht. Es ist nrealistisch, anzunehmen, dass Menschen, die aus dem rwerbsleben ausscheiden, sich für eine halbe Stelle uasi freiwillig verpflichten werden. rfolgreiche und sinnvolle Projekte müssen auch verstegt werden können. Deshalb testen wir sie ja aus. Die undesregierung hat bereits bei den Mehrgenerationenäusern bewiesen, dass sie diesem Gedanken nicht folgt, nd hat nur unter großem Druck ein Anschlussproramm aufgelegt. Es wäre richtig schade, wenn die guten Erfahrungen er Freiwilligendienste aller Generationen nun nicht eiter aufgegriffen würden. ine zentrale Anlaufstelle ist hierbei meines Erachtens nerlässlich. Dort würden auch weiterhin gute Projekte usammenfinden, würde sich über Schwierigkeiten ausetauscht und würden formale Dinge geregelt. All dies fällt nun ohne Not weg. Die Freiwilligen soln sich künftig an die Mehrgenerationenhäuser halten. rinzipiell halte ich das für eine gute Idee. Doch erstens ind die Mehrgenerationenhäuser mit den vielen Aufgaen, die ihnen jetzt in der neuen Modellphase abverlangt erden, eh schon überfordert, und zweitens trifft viele ehrgenerationenhäuser das gleiche Schicksal wie die reiwilligendienste aller Generationen: Die Förderung richt spätestens nach drei Jahren weg. Stellen werden estrichen und Häuser werden komplett geschlossen. In ukunft werden sowieso nur noch 450 Häuser in der esamten Bundesrepublik gefördert. Insbesondere in nanzschwachen Kommunen und Kreisen werden die assgenauen Angebote zur Beratung, Qualifizierung, ualitätssicherung und Öffentlichkeitsarbeit nicht mehr ufrechterhalten werden können. Schlimmstenfalls ist ann, liebe Kollegen und Kolleginnen, eine ganze egion ohne Ansprechpartner. Dabei ist besonders die kale Komponente ein entscheidendes Kriterium für die nsprache potenzieller Freiwilliger und für das Gelinen von passgenauem Ehrenamt. Wir erwarten, Herr Staatssekretär – Sie sind ja auch och da, wie schön –, von der Bundesregierung ein chlüssiges Konzept für die Weiterführung von geregelm und niederschwelligem Freiwilligendienst für Men chen aller Altersgruppen. ir erwarten einen Freiwilligendienst, der – das ist ganz ichtig – arbeitsmarktneutral ist sowie die Freiwilligen ädagogisch betreut und fachlich anleitet. Das ist für ine in die Zukunft gerichtete Politik unerlässlich. Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen ein schönes eihnachtsfest. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17915 )


(Florian Bernschneider [FDP]: Wieso denn?)


(Florian Bernschneider [FDP]: Werden sie ja!)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)


(A) )


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714928400

Vielen Dank, Frau Kollegin Petra Crone. – Der

nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist Kollege
Markus Grübel. Bitte schön, Kollege Grübel.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Markus Grübel (CDU):
Rede ID: ID1714928500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! 2011 war, wie gesagt, das Europäische Jahr
der Freiwilligentätigkeit. Das Thema Freiwilligendienste
wurde nicht nur vom Bund, von den Ländern und den
Kommunen, sondern vor allem auch von der Zivilgesell-
schaft aufgegriffen. Die Diakonie hat das Thema freiwil-
liges Engagement zum Jahresschwerpunkt gemacht. Das
Jahr 2011 war ein sehr gutes Jahr für die Freiwilligentä-
tigkeit. Daran kann auch die Aussage der SPD zum Aus-
laufen der Projektförderung bei den Freiwilligendiensten
aller Generationen nichts ändern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Petra Crone [SPD]: Ich habe es ja hervorgehoben!)


Wir haben im Jahr 2011, wie gesagt, den Bundesfrei-
willigendienst neu eingeführt, und er ist ein großer
Erfolg geworden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Knapp 30 000 Menschen allen Alters engagieren sich in
diesem neuen Dienst. 20 Prozent davon sind über
27 Jahre alt. Es handelt sich also um einen Freiwilligen-
dienst aller Generationen. Die 20-Stunden-Regelung ist
bewusst eingeführt worden. Wir kennen aus dem Frei-
willigen-Survey die Zahlen, mit wie vielen Stunden sich
Menschen ehrenamtlich engagieren. Bei über 15 Stun-
den in der Woche gibt es fast niemanden mehr, der sich
ehrenamtlich engagiert. Wir wollten das Ehrenamt nicht
verstaatlichen, indem wir es auch in den Bundesfreiwil-
ligendienst eingliedern.

Die Kindergeldfrage, die am Anfang offen war, ist
jetzt auch geklärt. Herr Kollege Koch, Sie haben gewet-
tet und sogar eine Flasche Wein eingesetzt, dass wir das
nicht hinkriegen. Ich werde – das ist noch besser – drei
Flaschen Wein dagegensetzen. Vielleicht werden wir sie
gemeinsam trinken und uns gemeinsam über diesen
Erfolg freuen. Die Regelung der Kindergeldfrage ist im
Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Die Kinder-
geldstellen zahlen nun aus.

Neben den knapp 30 000 Menschen, die sich im Bun-
desfreiwilligendienst engagieren, engagieren sich 42 000
junge Menschen in den klassischen Jugendfreiwilligen-
diensten: im Freiwilligen Sozialen Jahr, dem Freiwilli-
gen Ökologischen Jahr oder in internationalen Freiwilli-
gendiensten. Insgesamt gibt es also 72 000 Menschen in
Deutschland, die dieses Jahr einen Freiwilligendienst
leisten. Das ist ein sehr erfreuliches Ergebnis,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


und es ist ein gutes Zeugnis für die positive Einstellung
in unserem Land sowie für den Geist, der in unserem
Land weht. Zusammen mit dem breiten Ehrenamt ist

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(C (D eutschland hier gut aufgestellt. Herzlichen Dank an lle, die sich engagieren! Lassen Sie mich aber, Frau Crone, kurz auf Ihre Krik zu sprechen kommen. Ebenso möchte ich vorausilend auf die von Frau Dittrich von den Linken komende Kritik eingehen. Sie, Frau Dittrich, üben häufig ritik an Freiwilligendienst und Ehrenamt. Sie behaupn, das alles sei unprofessionell und nehme Arbeitslätze weg. Frau Crone, Sie haben die Arbeitsplatzneualität kritisch hinterfragt. Ich glaube, Sie beide sind ier völlig im Irrtum. Die Freiwilligen und Ehrenamtchen tun das, was sie können. Bei den Jüngeren ist der ienst in erster Linie ein Lerndienst. Oft ist der Freiwilgendienst der Grund, sich für einen sozialen Beruf zu ntscheiden: Man macht einen Freiwilligendienst, zum eispiel in der Altenpflege, und möchte anschließend en Beruf der Altenpflegerin oder des Altenpflegers errnen. So fördert der Freiwilligendienst die Hauptamtli hen in dem Berufsfeld, in den sozialen Berufen, und chadet ihnen nicht. Angesichts des Bedarfs zum Beipiel in der Altenpflege denke ich, dass der Freiwilligenienst gut und wichtig ist. Freiwilligendienste fördern die soziale Kompetenz. 5 Prozent der Bundesfreiwilligendienstleistenden sind änner; das ist ein sehr gutes Zeichen. Ich denke, die oziale Kompetenz, die dort vermittelt wird, tut in jedem eruf gut; ein gutes Herz wird in jedem Beruf gebraucht. erade von den älteren Freiwilligen werden die Lebens rfahrung und die Berufserfahrung in den Dienst eingeracht, zum Segen unserer Gesellschaft. Sehr geehrte Damen und Herren, der Leitspruch des euen Bundesfreiwilligendienstes lautet: „Nichts erfüllt ehr, als gebraucht zu werden.“ Das Angebot hat die enschen in Deutschland erreicht, die jüngeren und die lteren, auch über die Mehrgenerationenhäuser, in denen er Freiwilligendienst ein zentrales Thema ist. Die politischen Rahmenbedingungen waren noch nie o gut wie heute: Rund 300 Millionen Euro, so viel wie och nie zuvor, stehen zur Verfügung. Herzlichen Dank n Herrn Toncar und Herrn Mattfeldt, unsere Haushälter Familienbereich. Ich weiß, wie schwer es einem aushälter fällt, große Geldbeträge nicht für die Schulentilgung oder die Haushaltskonsolidierung einzuseten, sondern für andere Zwecke, in diesem Fall für die reiwilligendienste. Herzlichen Dank! Ich fasse zusammen: Die Entwicklung bei den Freiilligendiensten aller Generationen ist sehr gut. Die hristlich-liberale Koalition kann stolz auf das Erreichte ein. Wir können vor allem auf das großartige freiwillige ngagement der Menschen in Deutschland stolz sein. Jetzt höre ich auf. Mit meiner restlichen Redezeit verngere ich die Nachtruhe von uns allen. Kollege ernschneider, Kollege Geis und Kollegin Haßelmann aben Ihre Reden zu Protokoll gegeben und tun so etwas 17916 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Markus Grübel )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(A) )

für unseren Schlaf oder eventuell für die Möglichkeit,
nachher noch zusammenzusitzen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714928600

Um bei der Wahrheit zu bleiben: Es sind 48 Sekun-

den, auf die Sie verzichtet haben.


(Heiterkeit)


Nächste Rednerin ist unsere Kollegin Heidrun Dittrich
für die Fraktion Die Linke. Bitte schön, Frau Kollegin.


(Beifall bei der LINKEN)



Heidrun Dittrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714928700

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Heute steht der Antrag der SPD mit dem Ti-
tel „Freiwilligendienste aller Generationen verstetigen –
Engagement ohne Altersgrenzen stärken“ zur Debatte.
Mein Vorredner, Herr Grübel, hat es schon richtig ge-
ahnt, als er gesagt hat, dass ich daran etwas zu kritisieren
habe. Ich möchte auch sagen, an welchen Punkten.

Die Linke sieht, wie von Ihnen angesprochen, die Ar-
beitsmarktneutralität gefährdet. Sie sieht auch die Ge-
fahr, dass sich durch den Bundesfreiwilligendienst und
den Freiwilligendienst aller Generationen ein neuer Nied-
riglohnsektor verstetigen könnte; das wünscht sich jede
Fraktion hier im Bundestag, bis auf die Linke.

Die Linke sieht zudem eine große Gefahr in der Über-
schreitung der Regelaltersgrenze: Das Engagement soll
bis zum 70. Lebensjahr möglich sein. Ich will das be-
gründen, erst einmal mit einem Beispiel dafür, wie man
überhaupt im hohen Alter zu solch einer Stelle im Frei-
willigendienst kommt: Nehmen wir an, Sie sind 67 Jahre
alt. Da kommt es öfter vor, dass Sie zum Arzt gehen. Der
Arzt schlägt Ihnen vor: Wenn Sie schon drei Kinder er-
zogen haben, könnten Sie doch zum Vorlesen in den
Kindergarten gehen. – Beim Freiwilligendienst aller Ge-
nerationen gibt es eine Aufwandsentschädigung von 50
bis 150 Euro.

Beim Freiwilligendienst der Bundeswehr gibt es mehr
Geld: Wenn Sie nach Afghanistan gehen, dann kommen
Sie aus Hartz IV heraus, aber möglicherweise nicht mehr
zurück.


(Zurufe bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Deshalb rate ich davon ab. Dort gibt es 1 200 Euro. Beim
BFD gibt es 500 Euro, beim Freiwilligen Sozialen Jahr
330 Euro, mit den Zuschüssen für die Unterkunft 400 Euro.

Wenn Sie, wie im geschilderten Fall, als Rentnerin in
der Grundsicherung sind, weil Sie selber zu wenig Rente
haben – gut 450 Euro –, dann können Sie mit den
150 Euro Aufwandsentschädigung nicht über die Grund-
sicherung hinauskommen. Frau H. aus meinem Wahl-
kreis hat diese Tätigkeit abgelehnt. Sie möchte lieber
selbstbestimmt über ihre Zeit verfügen.

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(C (D Wer legt denn eigentlich fest, dass Vorlesen in einem indergarten eine zusätzliche Tätigkeit ist und keine ualifizierte Hilfstätigkeit? Was passiert denn beim Vorsen? Die Kinder sitzen vertrauensvoll um die Erziehen und kuscheln sich aneinander. Die Erzieherin merkt, elches Kind einen Satz nicht versteht. Sie kann auf das ind eingehen, sie kann die Szene im Rollenspiel nach pielen lassen, sie kann die Bilder nachmalen lassen, der sie kann die Szenen gemeinsam mit den Kindern eim Kneten nachspielen. Wenn sie dann möglichereise in der Diskussion über die Geschichte des Buches twas von den Sorgen und Nöten des Kindes erfährt, ann hat sie die Möglichkeit, ein Elterngespräch zu fühn. All das soll keine qualifizierte Arbeit, sondern nur usätzliche Arbeit sein? Als Linke bin ich dagegen, soiale Arbeit so abzuqualifizieren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Florian Bernschneider [FDP]: Da klatscht noch nicht einmal Ihre eigene Partei! Zu Recht!)


Jede fachliche Tätigkeit kann, wenn sie erst einmal
egrationalisiert ist, in Einzelteile zerlegt und als unqua-
fizierte, als zusätzliche Tätigkeit definiert werden. Das
eißt, offensichtlich bestimmt die Haushaltslage der
undesregierung, wann eine gesellschaftliche Arbeit
otwendig ist und bezahlt werden soll. Von 1991 bis
006 wurden 2 Millionen Arbeitsplätze im öffentlichen
ienst weggespart; das geht aus der Veröffentlichung

Genug gespart!“ von Verdi aus dem Jahr 2008 hervor.

Wer außer der Bundesregierung hat früher die Ar-
eitsmarktneutralität begründet? Die Bundesagentur für
rbeit. Früher hieß es gemäß dem Bundessozialhilfege-

etz, eine Tätigkeit könne nur ausgeführt werden, wenn
ie sonst nicht in diesem Umfang ausgeübt werden
önne und wenn sie gemeinnützig ist; denn erst dann
önne sie als „zusätzlich“ anerkannt werden. Genau an
iesem Punkt wird es nun gefährlich, weshalb ich gesagt
abe, dass wir einen neuen Niedriglohnsektor befürch-
n. Die Bundesagentur für Arbeit hat laut Süddeutscher
eitung vom 2. Dezember erklärt, dass sie auf die Merk-
ale der Zusätzlichkeit und der Gemeinnützigkeit ver-

ichten möchte. Das bedeutet doch, dass wir jederzeit,
taatlich subventioniert, einen Arbeitsplatz fördern kön-
en, dessen Bezahlung unter dem Hartz-IV-Satz liegt.
as darf nicht sein. Besteuern Sie die Reichen! Sorgen
ie für mehr Staatseinnahmen! Einen anderen Weg gibt
s nicht.


(Beifall bei der LINKEN)


Ein Freiwilligendienst aller Generationen, in dem sich
och 70-Jährige engagieren können, sieht doch schon
or, dass die Regelaltersgrenze von 67 Jahren überschrit-
n werden kann. Die Bundesregierung könnte doch auf
ie Idee kommen, zu sagen: Wenn die Menschen bis
0 Jahre freiwillig tätig sein können, dann können sie
uch bis 70 Jahre arbeiten. Damit untergraben Sie sozu-
agen die feste Regelaltersgrenze.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714928800

Frau Kollegin, Sie wissen, was die Lichter vor Ihnen

edeuten?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17917


(A) )


)(B)


Heidrun Dittrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714928900

Ich bin gleich fertig. – Sie führen Lohndumping ein,

verschieben die Regelaltersgrenze und machen genau
das, was zur Weltwirtschaftskrise geführt hat.

Wir als Linke unterstützen die Jugendfreiwilligen-
dienste als individuelle Lerndienste; aber den Bundes-
freiwilligendienst und den Freiwilligendienst aller Gene-
rationen würden wir gerne abschaffen.


(Beifall bei der LINKEN – Florian Bernschneider [FDP]: Peinlich! Da fällt das Klatschen schwer! – Gegenruf der Abg. Heidrun Dittrich [DIE LINKE]: Nun werden Sie mal nicht frech!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714929000

Vielen Dank, Frau Kollegin.

Die übrigen Redner geben ihre Reden zu Protokoll,
unter anderem der Kollege Florian Bernschneider, der
anwesend ist. Er hat heute Geburtstag. Herzlichen
Glückwunsch, Kollege Florian Bernschneider.


(Beifall)


Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/7980 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sie sind damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 a und b auf:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Vierzehnten Geset-
zes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes

– Drucksache 17/8098 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung(f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Dr. Kirsten Tackmann, Herbert Behrens, Thomas
Nord, weiteren Abgeordneten und der Fraktion
DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes

– Drucksache 17/8129 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit

Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolle-
ginnen und Kollegen liegen dem Präsidium vor.1)

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r1) Anlage 10

(C (D Ich nehme den vorliegenden Gesetzentwurf der Bun esregierung zunächst gerne zum Anlass, um hervorzueben, dass die christlich-liberale Koalition ihrer Verntwortung im Bereich des Luftverkehrs überaus rfolgreich nachkommt. Der Entwurf eines Vierzehnten esetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes bringt ies besonders anschaulich zur Geltung, weil er vereutlicht, dass alle Akteure auf dem Feld der Luftfahrt seien es Passagiere, Beschäftigte, die Unternehmen er Luftverkehrswirtschaft oder auch Privatpersonen, ie in der Sportluftfahrt engagiert sind – mit einer nachaltigen und verantwortungsbewussten Luftverkehrsolitik begleitet und unterstützt werden. Lassen Sie mich zu Beginn des parlamentarischen erfahrens zunächst auf den Hintergrund des uns vorlieenden Entwurfes eingehen. Die im März 2009 durch as Europäische Parlament und den Rat verabschiedete ichtlinie 2009/2012/EG verlangt von den Mitgliedstaan das Festlegen gemeinsamer Standards bei den Flugafenentgelten. Hierbei handelt es sich um Entgelte, die lughafenbetreiber für das Starten und Landen, das Abtellen von Luftfahrzeugen sowie für die Abfertigung von luggästen und die Benutzung von Fluggasteinrichtunen erheben. Die bisher auch in der Bundesrepublik anewendete nationale Regelung bezüglich der Flughafenntgelte und deren Festsetzung muss nun aufgrund der orgabe der EU-Richtlinie angepasst und erweitert weren. Der vorliegende Gesetzentwurf dient – hauptsächch – dieser Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches echt. Was zunächst nach einem gängigen Gesetzgebungserfahren klingt, stellt in diesem Fall allerdings eine beraus herausfordernde Aufgabe dar. Mit den Flughanbetreibern und den Luftverkehrsunternehmen als lughafennutzer stehen sich bezüglich der Berechnung er Flughafenentgelte zwei starke unabhängige Parien gegenüber, die beide ihre jeweils eigenen wirt chaftlichen Interessen vertreten und doch gleichzeitig nabdingbar aufeinander angewiesen sind. Mit dem Geetzentwurf ist es der Bundesregierung gelungen, die Inressen beider Partner sorgfältig und ausbalanciert zu erücksichtigen. Luftverkehr kann nur dann effizient nktionieren, wenn beide Akteure in einer Systempart erschaft die optimal gestalteten Abläufe und einen irtschaftlich sinnvollen Betrieb aufeinander abstimen. Bei einem detaillierteren Blick in die Ausgestaltung on § 19 des Gesetzentwurfes, in welchem die Flughanentgelte und deren Festsetzung formuliert sind, wird udem deutlich, dass sich die Bundesregierung bei der msetzung der Richtlinie weitestgehend an den Vorgaen aus Brüssel orientiert hat und nicht über die Anforerungen der EU-Richtlinie hinausgeht. Dass der Meiungsbildungsprozess der christlich-liberalen Koalition Lauf der komplexen Beratungen letztendlich zu dieem Ergebnis geführt hat, ist überaus erfreulich und innvoll. So ist gewährleistet, dass kein unnötiger büroratischer Aufwand etabliert wird. Ursprüngliche Übergungen wie die Einführung einer zentralen Regulie ungsbehörde, der Verzicht auf die Wahlfreiheit des )

Peter Wichtel (CDU):
Rede ID: ID1714929100

(A) )

Geschäftsmodells oder die Ausdehnung des Anwen-
dungsbereichs auch auf kleinere Flughäfen und Flug-
plätze mit weniger als 5 Millionen Fluggastbewegungen
jährlich wären deutlich über die eigentlichen Anforde-
rungen der EU-Richtlinie hinausgegangen.

Der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet dagegen
eine angemessene und nachvollziehbare Regelung be-
züglich der Entgelte und deren Festsetzung. Er veran-
kert die allgemeinen Grundsätze der Entgelterhebung
wie Transparenz und Diskriminierungsfreiheit und ge-
währt Flughäfen mit mehr als 5 Millionen jährlichen
Fluggastbewegungen einige Sonderbestimmungen. So
wird die Durchführung eines obligatorischen Konsul-
tationsverfahrens zwischen Flughafenunternehmern und
-nutzern eingeführt. Zudem werden die für die bezüglich
der Genehmigung der Entgeltordnung zuständigen Lan-
desbehörden verpflichtet, zu prüfen, ob eine Orientie-
rung an einer effizienten Leistungserstellung erkennbar
ist. Bei einvernehmlicher Regelung der Entgelte zwi-
schen Flughafenbetreibern und den Luftverkehrsunter-
nehmen kann die Genehmigungsbehörde jedoch von der
Prüfung der Effizienzorientierung absehen.

Auch über die Thematik der Flughafenentgelte hi-
naus beinhaltet der vorliegende Entwurf überaus wert-
volle Änderungen des Luftverkehrsgesetzes. So werden
erstmalig Regelungen bezüglich ziviler unbemannter
Luftfahrtsysteme, sogenannter Drohnen, festgeschrie-
ben. Die Geräte, die mittlerweile auch in der zivilen Nut-
zung, beispielsweise zur Umwelt- oder Verkehrsüberwa-
chung oder zum Schutz von Pipelines, immer größere
Bedeutung erlangt haben, werden als neue Kategorien
von Luftfahrzeugen eingeführt.

Des Weiteren wird auch die Verbraucherschutzbe-
stimmung aus der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des
Europäischen Parlamentes und des Rates vom 24. Sep-
tember 2008 über gemeinsame Vorschriften für die
Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemein-
schaft mit der vorliegenden Änderung des Luftverkehrs-
gesetzes umgesetzt. Ziel ist es, allen Flugpassagieren
transparente Preise und einen diskriminierungsfreien
Zugang zu den Flugpreisen zu gewähren.

Zuletzt wird mit der Änderung von § 20 LuftVG klar-
gestellt, dass Flüge zum Absetzen von Fallschirmsprin-
gern – wie Luftsportgeräte auch – generell von der Be-
triebsgenehmigung nach § 20 Abs. 1 befreit sind,
unabhängig davon, ob es sich um Flüge gewerblicher
Art oder im Rahmen einer Vereinstätigkeit handelt.

Lassen Sie mich abschließend zusammenfassen, dass
die Bundesregierung einen angemessenen und ausba-
lancierten Gesetzentwurf vorgelegt hat, der eine wirk-
same Umsetzung der EU-Flughafenentgelt-Richtlinie in
deutsches Recht darstellt. Die CDU/CSU-Fraktion im
Deutschen Bundestag wird sich in den nun angestoße-
nen parlamentarischen Beratungen verantwortungsbe-
wusst und ergebnisoffen mit der Vorlage auseinander-
setzen und, sollte ein entsprechender Bedarf bestehen,
notwendige Korrekturen anregen. Dennoch betone ich
an dieser Stelle gerne, dass die Bundesregierung die
Zielsetzung der notwendigen Ausgestaltung des bisheri-
gen Genehmigungsverfahrens für Flughafenentgelte er-


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Zu Protokoll ge

(C (D llt hat und der Entwurf des Vierzehnten Gesetzes zur nderung des Luftverkehrsgesetzes unsere Unterstütung findet. Mit der Verabschiedung der 14. Änderung des Luft erkehrsgesetzes wird bald ein wichtiger Meilenstein in er nationalen Umsetzung der EU-Entgeltrichtlinie geommen. Genauer gesagt werden wir damit die Richtnie 2009/2012/EG des Europäischen Parlaments und es Rates vom 11. März 2009 über Flughafenentgelte msetzen. So wie auch viele beteiligte Verbände und Adressaten ehe ich in dem vorliegenden Entwurf zunächst einen uten Ansatz, der die verschiedenen Interessen der Akure des Luftverkehrs in sich vereint, und kann damit as Bundesverkehrsministerium nur loben; denn bei der ntwurfserarbeitung hat man sich offensichtlich darum emüht, eine gute Lösung für alle zu finden. Es hat lange edauert, aber aufgrund der Komplexität des Gesetzesxtes mussten viele Hürden genommen werden. Da die Entscheidungen in und aus Brüssel immer rößere Bedeutung und Einflussnahme in Bezug auf die ntscheidungen in den EU-Mitgliedstaaten haben, wird er vor Jahren begonnene Dialog zwischen den Beteilign im Luftverkehr über die angemessene Ausgestaltung un auch in Deutschland zu einem Ende gebracht. Auch ie deutsche Luftverkehrsindustrie findet, so ihre geeinsame Stellungnahme, ihre Interessen ausreichend erücksichtigt und sieht dem Gesetz zuversichtlich entegen. Heute wollen wir den Regierungsentwurf in das parmentarische Verfahren einbringen und in die Aus chüsse überweisen. Wir alle wissen, dass dies bedeutet, ass an der einen oder anderen Stelle oder vielleicht uch an einigen Stellen Veränderungen im Gesetzenturf vorgenommen werden. Daher freue ich mich auf ine anregende Diskussion, die sicherlich zu einem gun Ergebnis führt. In unserer Verantwortung liegt es nun, zu prüfen, inieweit der Gesetzentwurf der Bundesregierung unter nderem die gemeinsamen Regeln zur Festlegung von lughafenentgelten für Flughäfen mit jährlich mehr als Millionen Fluggastbewegungen ausgestaltet und foruliert hat. Denn ebendiese Flughafenentgelte sind seit ahren Inhalt von zahlreichen Diskussionen. Zum einen ind sie wichtig für die Flughäfen; sie sind aber auch ichtig für diejenigen, die die Flughäfen nutzen. Sie erden erhoben für die Nutzung der Einrichtungen und ienstleistungen, die ausschließlich von Flughafenbeeibern bereitgestellt werden und mit Landung, Start, eleuchtung und Abstellen von Flugzeugen sowie mit er Abfertigung von Fluggästen und Fracht in Zusamenhang stehen. Die EU hat dazu eine Richtlinie erlassen, die sichertellen soll, dass diese Flughafenentgelte einheitlich in ansparenter und nichtdiskriminierender Weise erhoen werden. Dies gilt es in deutsches Recht einzupassen. eshalb sollen unter anderem regelmäßige Gespräche 17918 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Peter Wichtel gebene Reden )

Daniela Raab (CSU):
Rede ID: ID1714929200

(A) )

zwischen Flughafenunternehmen und Flughafennutzern
stattfinden, in denen über mögliche Probleme gespro-
chen und diese gelöst werden sollen. Außerdem soll in
der Entgeltordnung von Verkehrsflughäfen eine Diffe-
renzierung nach Lärmschutzgesichtspunkten und nach
Schadstoffemissionen erfolgen.

Mit dem Gesetzentwurf werden zugleich die Verbrau-
cherschutzbestimmungen aus der Verordnung (EG)

Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vor-
schriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten
in der Gemeinschaft umgesetzt.

Wir wissen doch alle, wenn nicht aus eigener Erfah-
rung, so doch aus Presse, Funk und Fernsehen, wie
kompliziert das Buchen von Flügen oftmals sein kann.
Oftmals ist ein Preis, der am Anfang der Buchung steht,
nur ein Bruchteil dessen, was der Kunde bei Beendigung
des Vorgangs tatsächlich zu zahlen hat. Das soll ein
Ende haben.

Für mich bedeutet das, dass für alle Kunden die
Preise transparent und in gleicher Weise auch für alle
zugänglich sein müssen. Diejenigen, die online buchen,
müssen also genauso informiert sein wie diejenigen, die
im Reisebüro buchen. Dadurch soll die Vergleichbarkeit
von Flugpreisen erleichtert werden.

Zudem sollen durch den Gesetzentwurf unbemannte
zivile Luftfahrzeugsysteme als eine neue Kategorie von
Luftfahrzeugen eingeführt werden. Die Technik schreitet
voran, und man muss sich den Entwicklungen auch ge-
setzgeberisch stellen. Wenn also zum Beispiel Landver-
messer diese nutzen, Biologen ganze Landstriche be-
obachten, so muss das gesetzlich geregelt sein, damit
kein Missbrauch geschieht. Außerdem steckt dahinter
ein nicht zu unterschätzender Markt, der in Deutsch-
land, dem Erfinderland, auch Unterstützung von politi-
scher Seite erwarten kann.

Ein weiterer Punkt, den dieses Gesetz regeln wird, ist
die Klarstellung, dass Flüge zum Absetzen von Fall-
schirmspringern genauso wie Flugsportgeräte generell
von der Betriebsgenehmigung nach § 20 Abs. 1 befreit
sind. Dies soll auch dann gelten, wenn Flüge dieser Art
gewerblich oder im Rahmen einer Vereinstätigkeit
durchgeführt werden.

Doch nun steht uns nach der genauen Lektüre des Re-
gierungsentwurfs die Diskussion in den Ausschüssen be-
vor, und erst dann werden wir sehen, inwieweit noch
Änderungen vorgenommen werden, bevor es zur zweiten
und dritten Lesung kommt. Gehen wir es an!


Kirsten Lühmann (SPD):
Rede ID: ID1714929300

Wir debattieren heute in erster Lesung über einen Ge-

setzentwurf der Bundesregierung und der Fraktion Die
Linke zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes. Deutsch-
land hat 23 internationale Verkehrsflughäfen. Insgesamt
bieten sie rund 850 000 Menschen direkt oder indirekt
einen Arbeitsplatz. Eine Umfrage ergab, dass 86 Pro-
zent der Unternehmen in Deutschland eine Luftver-
kehrsanbindung als Standortfaktor wichtig finden.
Damit ist die Anbindung an die internationalen Luftver-

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Zu Protokoll ge

(C (D ehrsströme der drittwichtigste Standortfaktor überaupt. Deutschland braucht ein leistungsfähiges und achhaltiges Luftverkehrssystem. Nur so können die Beingungen für Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und ohlstand gestärkt werden. Die deutsche Luftverkehrsirtschaft braucht verlässliche Rahmenbedingungen, amit – auch vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzarktkrise – die bisher insgesamt positive Entwicklung er Branche auch in Zukunft fortgeschrieben werden ann. Am 15. März 2009 ist die Richtlinie 2009/12/EG zur egulierung von Flughafenentgelten in Kraft getreten. it dieser Richtlinie verpflichtet Europa die Mitglied taaten auf gemeinsame Regeln zur Festlegung von lughafenentgelten: Nach dem Willen der Europäischen nion legt die Richtlinie gemeinsame Standards zum eitlichen Ablauf, Inhalt und Umfang der Konsultatioen zwischen Flughäfen und Fluggesellschaften sowie egelungen für den Fall, dass es in den Konsultationen u keiner Einigung über die Höhe der Entgelte kommt, st. Flughafenentgelte sollen hinsichtlich Kostennacheis und Kostenverteilung transparent werden. Was auf en ersten Blick als eine leichte Aufgabe scheint, ist eim genauen Hinsehen eine aufwendige und schwierige ngelegenheit. Wer soll welchen Anteil für Infrastrukrkosten wie zum Beispiel den Weg, der nicht nur zum ate, sondern auch zu den Geschäften führt, bezahlen? Die EU-Regelungen gelten für Flughäfen mit jährlich ehr als 5 Millionen Fluggastbewegungen. Damit fallen den Anwendungsbereich der Richtlinie neun deutsche lughäfen: Berlin-Tegel, Berlin-Schönefeld, Düsseldorf, rankfurt, Hamburg, Hannover, München, Köln-Bonn, nd Stuttgart. Alle kleineren Flughäfen werden ausgeommen. Mit dem uns vorliegenden Gesetzentwurf der undesregierung soll diese Richtlinie nun endlich in naonales Recht umgesetzt werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Verhandlunen im Rahmen des Gesetzentwurfs der Bundesregieung schwierig waren. Der Flughafenmarkt ist hart umämpft. Die mittelständischen Flughafenunternehmen uf der Angebotsseite sehen sich maßgeblich zwei groen Fluggesellschaften in Deutschland auf der Nachageseite gegenüber. Auf Lufthansa und Air Berlin entllen im deutschen Markt mehr als 70 Prozent. Der lughafenverband ADV betont, dass das Ziel der deutchen Flughäfen sein muss, sich selbst zu finanzieren, nstatt als Subventionsempfänger der Bundesund Laneshaushalte geführt zu werden. Daher müssen die lughäfen in die Lage versetzt werden, die erforderchen Mittel für Betrieb und möglichst auch für Investionen aus eigener Kraft zu erwirtschaften. Die Flugafenbetreiber arbeiten kundenorientiert. Ihnen ist es ichtig, dass die Gäste mit dem Service auf ihrem Flugafen zufrieden sind. Voraussetzung dafür wiederum ind kostendeckende Entgelte. Auch die dringend notendigen Investitionen der deutschen Verkehrsflughäfen einer Gesamthöhe von rund 20 Milliarden Euro las en sich nur mit einem Eigenanteil aus angemessenen lughafenentgelten realisieren. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17919 Daniela Ludwig gebene Reden )


(A) )

Die Fluggesellschaften wiederum stehen ebenfalls
unter enormen Druck. Das nachlassende Wirtschafts-
wachstum macht ihnen zu schaffen. Außerdem beklagen
sie sich zu Recht über die unsinnige Luftverkehrsabgabe
in Deutschland. Hier ist ein fairer Ausgleich zu schaffen.
Wir begrüßen es daher, dass der vom Bundeskabinett be-
schlossene Gesetzentwurf grundsätzlich der EU-Richt-
linie über Flughafenentgelte folgt und somit klare Stan-
dards im Sinne einer Fortentwicklung des deutschen
Luftverkehrs setzt.


Patrick Döring (FDP):
Rede ID: ID1714929400

Mit dem uns vorliegenden Gesetzentwurf zur Ände-

rung des Luftverkehrsgesetzes setzt die Bundesregierung
vorrangig eine Richtlinie des Europäischen Parlaments
und des Rates um, die bei den Flughafenentgelten für
mehr Effizienz und Kostenwahrheit sorgen soll. Ein Vor-
haben, das wir als FDP-Bundestagsfraktion ausdrück-
lich unterstützen.

Bekanntlich ist die wesentliche Aufgabe eines Flug-
hafens die Abfertigung von Luftfahrzeugen, angefangen
von der Landung bis hin zum erneuten Start. Hierfür ste-
hen den Flughäfen allerdings nur begrenzte Kapazitäten
zur Verfügung, die wiederum nicht beliebig und teil-
weise nur gegen massive Widerstände erweitert werden
können, wie wir derzeit in Frankfurt am Main oder auch
in Berlin beobachten können. Bei Großflughäfen, die da-
rüber hinaus häufig über eine enorme Marktmacht ver-
fügen und somit als ein natürliches Monopol bezeichnet
werden können, bedarf es besonderer Anforderungen an
die Regulierung.

Dieses greift sowohl die Richtlinie als auch der uns
vorliegende Gesetzentwurf auf. Besonderer Wert wird
dabei auf die Informationspflicht und die transparente
und diskriminierungsfreie Berechnung der Gebühren
gelegt. Hierzu sollen zwischen dem Betreiber und den
Nutzern des Flughafens regelmäßige Konsultationen
stattfinden. Das ist aus meiner Sicht ein unverzichtbares
Element für einen fairen und freien Wettbewerb. Schließ-
lich kann Mobilität in einer Systempartnerschaft wie
dem Luftverkehr nur dann effizient stattfinden, wenn
beide Partner ein gemeinsames Interesse an einem mög-
lichst reibungslosen und konfliktfreien Betriebsablauf
haben. Die im Gesetzestext verankerte Differenzierung
der Entgelte nach Lärmschutzaspekten und Schadstoff-
emissionen rückt darüber hinaus auch Umwelt- und An-
wohnerinteressen vermehrt in den Fokus.

Ein weiterer Aspekt, der maßgeblich zur Effizienzstei-
gerung und damit auch günstigeren Entgelten führen
soll, sind Leistungsvereinbarungen über die Qualität der
Dienstleistungen. Sie berücksichtigen in einem hohem
Maße die besondere Beziehung zwischen den Flughafen-
unternehmen und ihren Nutzern. Gemeinsam können
und sollen alle Beteiligten maßgeschneiderte Lösungen
für ihre Bedürfnisse entwickeln. Ein Ansatz, von dem am
Ende alle profitieren werden.

Ein zweiter wichtiger Punkt, der mit dem uns vorlie-
genden Gesetzentwurf umgesetzt werden soll, sind neue
Verbraucherschutzbestimmungen. Dabei geht es im We-
sentlichen darum, den Kunden kostenpflichtige Zusatz-

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(C (D istungen während des Buchungsvorgangs auch als solhe kenntlich zu machen, etwas, das in der Vergangenheit icherlich nicht immer gewährleistet war, wie der eine der andere von uns vielleicht bereits selbst erfahren hat der – besser gesagt – erfahren musste. Alles in allem begrüßen wir als FDP-Bundestagsaktion die angestrebten Änderungen ausdrücklich. Sie tellen einen sorgfältig abgewogenen Interessenausleich aller Beteiligten dar, sowohl im Bereich der Reulierung als auch im Bereich des Verbraucherschutzes. Es ist gerade vier Wochen her, dass 10 000 Bürgerin en und Bürger in Berlin auf die Straße gingen. Sie prostierten gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Berlinrandenburg gegen die Flugroutenplanung. Sie fordern: Gesundheit geht vor Wirtschaftlichkeit! Wir haben es in der Hand, die Interessen der Betrofnen aufzunehmen und zum Durchbruch zu verhelfen. azu haben wir heute die Gelegenheit bei der Änderung es Luftverkehrsgesetzes. Wir haben es in der Hand, ürgerinnen und Bürger an Flughäfen davor zu schüten, dass sie unter einem Lärmteppich schlafen müssen. Die Regierungsfraktionen legen einen Gesetzentwurf or, mit dem eine Richtlinie des Europäischen Parlaentes und des Rates umgesetzt wird. Die Linke geht mit rem Gesetzentwurf an einem entscheidenden Punkt eiter. Wir wollen erreichen, dass Menschen unter den lugrouten und an den Flughäfen künftig besser eschützt werden. Wir verlangen, dass bei der Abwickng des Luftverkehrs der nächtliche Lärmschutz Vor ang hat vor wirtschaftlichen Belangen. Unser Vorschlag für die Gesetzesänderung greift die undesratsinitiative des Landes Rheinland-Pfalz vom pril dieses Jahres auf. Mit dieser Initiative sollte eine roße Schwachstelle im geltenden Luftverkehrsgesetz usgebessert werden. Im Gesetz heißt es: „Die Lufthrtbehörden und die für die Flugsicherung zuständige telle haben auf den Schutz der Bevölkerung vor unzuutbaren Fluglärm hinzuwirken.“ Hinwirken! Die Anwohnerinnen und Anwohner an en Flughäfen in Frankfurt, München und Berlin wissen ur zu gut, was das heißt. Die wirtschaftlichen Interesen der Flughafenbetreiber werden regelmäßig höher ewertet, höher als die Gesundheit der Bürgerinnen und ürger. Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflugäfen verlangt eine Freigabe der Nacht für den Flugetrieb. Die Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und DP nimmt das willfährig auf: „Neben einer Kapazitsentwicklung der Flughäfen werden wir insbesondere ternationale wettbewerbsfähige Betriebszeiten sicher tellen.“ – Eine Horrorvorstellung für alle, die in der ähe von Flughäfen leben. Mit unserem Gesetzentwurf machen wir uns auf den eg hin zu einem umfassenderen Schutz der Interessen er Menschen vor dem gnadenlosen Diktat ökonomi17920 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Kirsten Lühmann gebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17921 Herbert Behrens )

Herbert Behrens (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714929500

(A) )

scher Interessen. Gesundheit geht vor Profit, das ist
unsere Maxime.

Grundsätzlich halten wir es für geboten, über das
Luftverkehrsgesetz eine Regelung für ein konsequentes
Nachtflugverbot in dicht besiedelten Gebieten zu erwir-
ken. Damit wäre ein für alle Mal klar, dass ein Großflug-
hafen – wie in Schönefeld – in dicht besiedelten Gebie-
ten nicht oder nur mit einem Flugverbot zwischen 22 bis
6 Uhr gebaut werden darf. Für alle würden die gleichen
Bedingungen gelten.

Mit einer solchen Klarstellung wären teure Gerichts-
verfahren für die Bürgerinnen und Bürger überflüssig,
und auch die Flughafenbetreiber hätten Rechtssicher-
heit. Ein Streit wie jetzt der um das Nachtflugverbot auf
dem Frankfurter Flughafen wäre unnötig.

Wir begrüßen es, wenn in den Entgeltordnungen von
Verkehrsflughäfen unterschiedliche Gebühren für lei-
sere und lautere Flugzeuge gelten können und – das ist
ein ganz wesentlicher Punkt – die Gebühren je nach
Schadstoffemissionen gestaffelt werden sollen. Damit
geht die Bundesregierung ein Stück über die Richtlinie
hinaus. Das unterstützen wir ausdrücklich.

Lassen Sie uns die weiteren Beratungen zum Luftver-
kehrsgesetz dafür nutzen, die notwendigen Schritte zum
Schutz von Betroffenen zu machen. Ein neues Gesetz
sollte aber nicht nur den Anforderungen europäischer
Richtlinien entsprechen, sondern in erster Linie dem
Schutz der Menschen dienen.


Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714929600

Die Koalition legt einen Gesetzentwurf zur 14. Ände-

rung des Luftverkehrsgesetzes vor.

Mit der Umsetzung der EU-Entgeltrichtlinie von
2009 werden in Deutschland die seit langem angestreb-
ten gemeinsamen Grundsätze der Gemeinschaft für die
Erhebung von Flughafenentgelten geschaffen.

Ziel ist es, dass auf Flughäfen mit jährlich mehr als
5 Millionen Flugbewegungen die sogenannten Entgelte,
die von den Fluggesellschaften für Dienstleistungen wie
zum Beispiel für das Starten und Landen der Flugzeuge
oder die Abfertigung der Passagiere und des Gepäcks
erhoben werden, nach klaren gemeinsamen Kriterien er-
folgen und kein Anbieter diskriminiert werden kann. Bei
den Gebühren für das Starten und Landen sieht der Ge-
setzentwurf beispielsweise zwingend vor, dass diese
nach Lärmschutzgesichtspunkten und nach dem Ausstoß
von Schadstoffemissionen differenziert erhoben werden
sollen.

Wir begrüßen ausdrücklich den Einsatz lärm- und
emissionsabhängiger Start- und Landegebühren als öko-
nomischen Anreiz, um die Nutzung besonders lauter, kli-
maschädlicher Flugzeuge gegenüber den leisen, emis-
sionsarmen deutlich teurer zu gestalten bzw. diese vom
Verkehr auszuschließen.

Hinsichtlich des Lärmschutzes stellt sich allerdings
die Frage, wie die Bundesregierung dies mit dem vorge-
legten Gesetzentwurf realisieren will, da sie wieder
keine Regelung schafft, die bundeseinheitliche Kriterien


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(C (D r die Einführung lärmabhängiger Startund Landegeühren festlegt. Grundlage einer lärmbezogenen Differenzierung leibt also weiterhin die sogenannte Bonusliste für leiere Flugzeuge, die einheitliche Kriterien für die lärmezogene Differenzierung der Entgelte vorgeben soll, ber rechtlich nicht verbindlich ist. Das ist doppelt fatal. um einen, weil die Bonusliste bereits jetzt dringend berarbeitungsbedürftig ist, da sie noch zu viele Flugeuge als leise klassifiziert, die es nach dem Stand der echnik schon längst nicht mehr sind. Dies dürfte sich och verschärfen, wenn die im aktuellen Luftverkehrsaket geplanten strengeren Lärmgrenzwerte der EUommission greifen. Zum anderen, weil der Bund damit eiterhin zulässt, das die jeweiligen Genehmigungsbeörden der Bundesländer völlig unterschiedliche Lärmlassen für die Entgelte festlegen können oder diese die onusliste überhaupt nicht berücksichtigen, wie beipielsweise der Flughafen Leipzig. Und das ist symptomatisch für den fehlenden Willen er Bundesregierung bei der Bekämpfung des Verehrslärms. Es bleibt bei der Ankündigung im Verehrslärmschutzpaket II, dass die Belastungen durch luglärm bis 2020 um 20 Prozent reduziert werden soln. Eine praktische Umsetzung ist jedoch nicht erkennar. Die Bundesregierung versäumt die Chance, mit der uftverkehrsnovelle endlich klarere gesetzliche Regengen zum besseren Schutz für die vom Fluglärm Beoffenen zu schaffen. Wieder wird der rechtliche Anpruch auf aktiven Schallschutz im Luftverkehrsgesetz icht geregelt, und erneut wird die Deutsche Flugsicheung nicht verpflichtet, bei der Erarbeitung von Anund bflugverfahren dem Lärmschutz der Bevölkerung Vorang vor den betriebswirtschaftlichen Interessen der uftfahrtbranche zu geben. Und wieder werden keine erbindlichen Lärmgrenzwerte festgelegt. Selbst bei den lärmbezogenen Startund Landegeühren soll es bei der Willkür der standortbezogenen ntscheidungen bleiben. Dabei bräuchte man nur die mpfehlungen des Umweltbundesamtes umzusetzen, um en aktiven Lärmschutz durch den Einsatz lärmarmer uftfahrzeuge in einem dreistufigen Verfahren voranzueiben. In der ersten Stufe würden die Startund Landeebühren nach dem Vorbild des Flughafens Frankfurt m Main national angeglichen. In der zweiten Stufe önnten dann die Entgelte in Annäherung an den aktueln Ansatz für externe Kosten erhöht werden und die usgaben des Flughafens für effektiveren passiven ärmschutz und Ausgleichszahlungen ebenso. Und im ritten und vorerst letzten Schritt würden die Startund andegebühren dann durch eine nationale bzw. eine eupäische Luftverkehrssteuer mit fortschrittlicher Lärm omponente ersetzt. Doch davon sind wir weit entfernt. Interfraktionell wird die Überweisung der Gesetzent ürfe auf den Drucksachen 17/8098 und 17/8129 an die der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge 17922 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Vizepräsident Eduard Oswald )

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714929700

(A) )

schlagen. – Andere Vorschläge liegen nicht vor. Infolge-
dessen ist die Überweisung dann so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Bärbel
Bas, Johannes Pflug, Michael Groß, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der SPD

Duisburger Hafen muss in öffentlicher Hand
bleiben

– Drucksache 17/8140 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss

Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolle-
ginnen und Kollegen sind dem Präsidium bekannt.


Matthias Lietz (CDU):
Rede ID: ID1714929800

Wie in dem vorliegenden Antrag der SPD-Bundes-

tagsfraktion bereits richtig erkannt, handelt es sich bei
dem Duisburger Hafen um den weltweit größten Binnen-
hafen, welcher auf eine äußerst positive wirtschaftliche
Entwicklung blicken kann. Neben der Stadt Duisburg
und dem Land Nordrhein-Westfalen ist auch die Bundes-
republik Deutschland zu einem Drittel Teilhaber an der
Duisburger Hafen AG. Der Standort zählt heute zu den
bedeutendsten Arbeitgebern innerhalb der Ruhrregion
und umfasst, gemeinsam mit den benachbarten Binnen-
häfen, einen zentralen Kern des Nationalen Hafenkon-
zeptes der Bundesregierung.

Während des Entwicklungsprozesses hin zu einem in-
ternational signifikanten Logistikstandort flossen zahl-
reiche öffentliche Mittel in das Unternehmen. Vor dem
Hintergrund der bisher getätigten Investitionen kann es
also nur logische Konsequenz der Bundesregierung
sein, alle Aspekte einer fortlaufenden Teilhabe gründ-
lich zu überprüfen. Dies geschah bereits vor längerer
Zeit, wie man auch der Antwort auf die Kleine Anfrage
der Bundestagsfraktion Die Linke vom Februar 2011
entnehmen kann. Im Zuge dieser Revision kam die Bun-
desregierung schon damals zu dem Ergebnis, dass ein
Verkauf der eigenen Anteile dem Unternehmen zukünftig
keinen Nachteil verschaffen würde.

Vielmehr ist die Bundesregierung gemäß § 65 Abs. 1
Nr. 1 der Bundeshaushaltsordnung stets dazu verpflich-
tet, zu prüfen, ob ein wichtiges Bundesinteresse im Zuge
einer derartigen Beteiligung weiterhin gegeben ist oder
ob das vom Bund angestrebte Ziel sich gegebenenfalls
auch anderweitig erfüllen ließe. Ein vordringliches Bun-
desinteresse besteht bereits seit geraumer Zeit nicht
mehr, siehe Antwort der Bundesregierung, Drucksache
17/4831. Weder die Erfüllung staatlicher Aufgaben
durch die Bundesrepublik Deutschland als Akteur ist
hier vonnöten, noch kann der Bund das zukünftig benö-
tigte Kapital für die Hafen AG bereitstellen. Darüber
hinaus hat auch der Bundesrechnungshof die Bundes-

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(C (D gierung in der Vergangenheit mehrfach dazu aufgeforert, die eigene Beteiligung zu veräußern. Vor diesem intergrund ist es nur allzu verständlich, dass der Bund as Verfahren zum Verkauf seiner Anteile aufgenommen at. Der Antrag der SPD-Bundestagsfraktion widerpricht dem bisherigen Anspruch der Partei, ein Teil der olitischen Mitte zu sein. Abgesehen von den jüngsten rgebnissen des Parteitages der Genossen, wird auch ier der Abschied der SPD von der politischen Mitte unrmauert. Mit diesem Antrag ist die SPD nach den nge zuvor erfolgten Anfragen der Fraktion Die Linke owie der von Bündnis 90/Die Grünen auf eine Thematik ufgesprungen, die das Rangeln um den linken Rand inmal mehr verdeutlicht. Aber lassen Sie mich hierzu ern auf einzelne Punkte des Antrages eingehen. Die rste Forderung des Papieres, die Bedeutung des Hafens nzuerkennen, ist reine Makulatur der Sozialdemokran. Die Bundesregierung hat bereits mehrmals in der ergangenheit – auch in ihren Antworten auf die parlaentarischen Anfragen – auf die wirtschaftliche Bedeung des Duisburger Hafens verwiesen. Punkt zwei der Forderung macht vor dem Hinterrund der bereits erläuterten haushaltspolitischen Asekte ebenso keinen Sinn und hebt den eigentlichen urch die SPD offensichtlich neu hervorgeholten Geanken des Staatskapitalismus hervor – der neue Linksurs lässt grüßen. Die Vergangenheit hat uns bereits ehrmals gelehrt, wohin Verstaatlichungen bzw. Monoolisierungen vieler Lebensbereiche durch den Staat hren. Im Regelfall handelt es sich um kein ökonomi ches Erfolgsrezept, wie es hier von Ihnen angepriesen ird. Von ökonomischer Vernunft reden Sie ja bereits. Leier kann man Ihrem Antrag davon nur wenig entnehen. Scheinbar haben Sie dieses Konzept noch nicht anz verstanden oder zumindest nicht verinnerlicht. enn sonst wäre Ihnen mittlerweile wohlwollend aufgellen, dass ein privater Investor keinem Unternehmen wingend schadet. Das Interesse der Region an der uisburger Hafen AG ist verständlicherweise sehr hoch. Zuge dessen können Land und Stadt die Ausweitung rer Teilhabe nur vergrößern wollen. Aber auch andere vestoren seien von der geschaffenen Attraktivität des afens dazu aufgefordert, sich zu beteiligen. Aus undessicht lassen sich die strukturund verkehrspolitichen Ziele für die Region Duisburg und das Land Nordein-Westfalen auch ohne Beteiligung an der Duisbur er Hafen AG erreichen. Eine Notwendigkeit, die Beteiligung des Bundes aufchtzuerhalten, ist nicht gegeben. Daher bitte ich Sie usdrücklich um die Ablehnung dieses Antrages. Heute sprechen wir über einen ausgesprochen bemer enswerten Antrag unserer sozialdemokratischen Mitbeerber. Es ist nämlich in der Tat bemerkenswert, mit wie enig Substanz man den Deutschen Bundestag und eine Mitglieder, die eigentlich wesentlich Besseres zu n hätten, beschäftigen kann. Anders gesagt: Die )

Hans-Werner Kammer (CDU):
Rede ID: ID1714929900

(A) )

Inhaltslosigkeit dieses Antrages toppt sogar noch die-
jenige intellektuelle Leere, die sozialdemokratische
Anträge sonst auszeichnet.

Das fängt schon beim Titel an. Er ist wörtlich von der
Drucksache 15/1912 des Landtages von Nordrhein-
Westfalen übernommen worden. Bezeichnenderweise
war dies kein Antrag der Sozialdemokraten, sondern
einer der Fraktion Die Linke. Die Sozialdemokraten
haben aber noch nicht einmal die Gelegenheit genutzt,
dem Ganzen das fehlende „der“ zu spendieren und so
das fehlende Sprachgefühl der extremen Linken auszu-
gleichen. Dazu waren sie zu fantasielos. Sie haben
schlicht und einfach abgekupfert, was die Staatskapita-
listen vorgegeben haben.

Das war auch nötig, denn die Sozialdemokraten
haben dieses Thema erst dann aufgegriffen, als die So-
zialisten es mit verschiedenen Anfragen und Anträgen
auf Bundes- und Landesebene schon zu Tode geritten
hatten. Alles, was zu diesem Thema wichtig ist, wurde
daher schon gesagt, und zwar von uns.

Wegen der schon oben angeführten Inhaltslosigkeit
des Antragstextes kann ich mich mit diesem nicht aus-
einandersetzen. Kein ernsthafter Mensch würde bezwei-
feln, dass der Duisburger Hafen der weltweit größte
Binnenhafen ist. Das ist so, darüber kann man nicht dis-
kutieren; und mit Sozialdemokraten erst recht nicht.

Nicht viel anders verhält es sich mit den Forderungen
an die Bundesregierung. Sie sind entweder absurd oder
enthalten nur Gemeinplätze. Die Verfasser dieses Antra-
ges hätten nicht nur die Überschrift des Antrages der
Linken aus Düsseldorf übernehmen sollen, sondern
auch deren Forderungen. Da wird mit revolutionärem
Elan die Veränderung der Hafenwelt gefordert. Da wird
mit Liebe ein Engagement zugunsten der Gemeinschaft
geheuchelt. Da schauert es dem Leser wohlig bei guten
alten Kampfbegriffen wie „neoliberalem Dogma“ und
„Gewinnmaximierung“. Doch selbst daran fehlt es hier.

Im Gegensatz zu den Linken mangelt es den Sozial-
demokraten völlig an der Fähigkeit zur Selbstkarikatur.
Sie sind spaßfrei und langweilig. Ihre Forderungen
schläfern ob ihrer Langweiligkeit sogar die empörtesten
Klassenkämpfer ein. Dennoch sind sie nach Meinung
der meisten Juristen kein Verstoß gegen das Betäu-
bungsmittelgesetz. Doch der Reihe nach:

Unzweifelhaft hat der Binnenhafen Duisburg eine
außerordentliche Bedeutung für Nordrhein-Westfalen,
Deutschland und Europa. Das haben wir schon vor eini-
ger Zeit gemerkt. Deshalb findet er auch in unserer Ver-
kehrspolitik gebührende Beachtung. Wir sollen die Bun-
desregierung dazu auffordern, das Verfahren zur
Veräußerung der Anteile des Bundes an der Duisburger
Hafen AG sofort zu stoppen. Aber warum? Argumente
nennen die Antragsteller nicht. Das ist auch kein Wun-
der. Die gibt es nämlich nicht. Gerade der Standort
Duisburg hat bei einem Einstieg privater Investoren
sehr gute Entwicklungschancen. Viele Unternehmen
rund um den Hafen prägen schon jetzt den Wirtschafts-
standort Nordrhein-Westfalen nachhaltig. Warum soll
dies für den Hafen nicht gelten? Warum soll das erfolg-

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Zu Protokoll ge

(C (D iche Engagement privater Investoren den Hafen nicht och fitter für die Zukunft machen? Was spricht gegen och mehr Arbeitsplätze im Duisburger Hafen? Unsere soziale Marktwirtschaft basiert auf dem rundgedanken, dass sich der Staat an Erwerbsunterehmen nur ausnahmsweise beteiligen soll. Wirtschaftlihe Betätigung obliegt in erster Linie privaten Unterehmen und – vor allen Dingen – Unternehmen! Das ist uch gut so. Normalerweise führt man als guter Christemokrat als besonders abschreckendes Beispiel für ine solche Geisteshaltung den Staatskapitalismus in er ehemaligen DDR an. Doch in Nordrhein-Westfalen üssen wir gar nicht so weit blicken. Ich erinnere nur an ie LEW und das Trickfilmfiasko – das waren von den rtlichen Sozialdemokraten hausgemachte Pleiten! Man darf aber nicht pauschal verurteilen. Dem einen der anderen Sozialdemokraten muss aufgefallen sein, ass staatliche Regie Unternehmen nicht grundsätzlich uttut. Deshalb hat eine rot-grüne Landesregierung ren Anteil am Flughafen Düsseldorf verkauft. Deshalb atte die rot-grüne Landesregierung bereits 2004 ein teresse daran, die Landesanteile am Duisburger afen zu verkaufen. Und das soll alles nicht mehr wahr ein? Niemand wird etwas dagegen haben, wenn – wie ei unserer gegenwärtigen Bundesregierung – ökonomiche Vernunft Grundlage jeglichen Regierungshandelns t. Gefährlich wird es aber dann, wenn der Staat – wie ier von den Sozialdemokraten gefordert – mit rentablen eteiligungen Gewinne erzielen soll. Soll der Bundesnanzminister in den von Ihnen sonst so kritisierten Kainos des entfesselten Kapitalismus zocken, um Staatsinnahmen zu erzielen? Die Verlagerung eines möglichst großen Anteils des üterverkehrs auf Schiene und Bahn ist und bleibt eines er wichtigsten verkehrspolitischen Ziele dieser Bunesregierung. Ob nun aber die Entwicklung des Duisurger Hafens allein dorthin führt, sei bezweifelt. enauso bezweifle ich, dass eine private Eigentümer truktur die Erreichung dieses Zieles per se ausschließt. arum sollte dies der Fall sein? Warum sollte ein privar Investor seinen Hafen für den Güterverkehr unataktiv machen? Warum sollte ein privater Investor da auf verzichten, mit seinen Investitionen auch Gewinne u machen? Warum sollte ein expandierender Hafen in rivater Regie weniger Arbeitsplätze bieten als ein taatlich kontrollierter Hafen? Es ist evident, dass Privatisierung um der Privatisieung willen fatale Auswirkungen haben kann. Deshalb ollte jede Privatisierung auch gründlich und undogatisch betrachtet werden – und zwar vorher! Wenn dies eschieht – und ich habe keinen Zweifel daran, dass nser Bundesverkehrsminister und unser Bundesnanzminister dies immer mit der ihnen eigenen Präziion tun –, kann man auch sehr schnell unterscheiden wischen echten und vermeintlichen Vorteilen. Eine vorerige Überlegung ist aber auch hier unabdingbar. Dies ilt für jede wirtschaftliche Aktivität. Das Fiasko am ürburgring zeigt dies nur überdeutlich. Ein Bekenntnis er Bundesregierung zu einer nachhaltigen, langfristien und weitsichtigen Verkehrsund Wirtschaftspolitik Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17923 Hans-Werner Kammer gebene Reden )


(A) )

ist so überflüssig wie der gesamte Antrag. Das praktizie-
ren wir doch schon seit Jahren täglich! Dieser Antrag
zeigt jedem, der es wissen will, dass die SPD sich nicht
nach rechts oder links bewegt, sondern mit voller Kraft
die Vergangenheit ansteuert. Diese Menschen dürfen
unser Land nicht regieren.


Johannes Pflug (SPD):
Rede ID: ID1714930000

Eigentlich denkt man ja eher an Hamburg, Rotter-

dam, Boston oder Schanghai, wenn das Stichwort Hafen
fällt – und weniger an Chicago, Lüttich oder Duisburg.
Und doch ist es so, dass es Zeiten gab – etwa Mitte der
70er-Jahre – in denen der Duisburger Hafen einen grö-
ßeren Umschlag als der Hamburger Hafen hatte. Noch
heute ist der Duisburger Hafen der weltweit größte Bin-
nenhafen, der sich selbst in der Wirtschaftskrise positiv
weiterentwickelt hat. Rund 350 Unternehmen sind im
Hafen ansässig, insgesamt sind 40 600 Arbeitsplätze
von ihm abhängig. Die Logistikdrehscheibe Duisburg ist
heute ein wesentlicher Motor für Wohlstand und Arbeits-
plätze in Duisburg, Nordrhein-Westfalen und auch für
Deutschland.

Der Grundstein für die moderne Entwicklung des Ha-
fens wurde mit der Gründung der Duisburg-Ruhrorter
Hafen Aktiengesellschaft bereits 1926 gelegt, als die
Stadt Duisburg ein Drittel des Stammkapitals und der
damalige Staat Preußen zwei Drittel des Stammkapitals
übernahmen. Noch heute ist der Bund mit einem Drittel
an der Duisburger Hafen AG beteiligt, dies sind circa
15,4 Millionen Euro – der Wert dieses sogenannten Bun-
des-Drittel wird jedoch auf rund 50 Millionen Euro ge-
schätzt. Es ist ein Unding, dass nun die schwarz-gelbe
Bundesregierung ihre Anteile als Tafelsilber verschleu-
dern möchte! Die Folgen eines Verkaufs auf die Be-
schäftigten und die Entwicklung des Hafens sind nicht
abzuschätzen – außerdem verzichtet der Bund völlig
ohne Not auf die wachsenden Gewinne des Hafens. Dies
soll mir mal einer erklären.

Als 1993 das Krupp-Hüttenwerk in Duisburg-Rhein-
hausen geschlossen wurde und über 6 000 Arbeitsplätze
auf dem Spiel standen, war es der Duisburger Hafen, der
den Duisburger Bürgerinnen und Bürgern neue Hoff-
nung bot: Auf dem Gelände des ehemaligen Krupp-
Stahlwerkes entstand mit 2 300 Arbeitsplätzen ein Zen-
trum für Logistikunternehmen unter dem Namen Log-
port. Die Stadt Duisburg hatte bereits in den 70er- und
80er-Jahren durch Modernisierungen in der Stahlindus-
trie und im Bergbau Zigtausende von Arbeitsplätzen ver-
loren – geprägt von der Monostruktur aus Kohle-, Stahl-
und Bergbauindustrie stand der Stadt ein schwerer
Strukturwandel bevor. Im Hafen sahen die Duisburger
nun einen Lichtblick für eine hoffnungsvolle Entwick-
lung der Stadt, der das Geld für dringend notwendige
Umstrukturierungsmaßnahmen fehlte.

Auf der Ruhrgebietskonferenz im Februar 1988
wurde die Kapitalerhöhung der Duisburger Hafen AG
von 30 auf 90 Millionen D-Mark durch die Anteilseigner
Stadt Duisburg, das Land Nordrhein-Westfalen und den
Bund beschlossen. Mit der Kapitalaufstockung war die
Hafengesellschaft nun in der Lage, die notwendigen

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(C (D eiteren Entwicklungsmaßnahmen für den Hafen vorzuehmen: Dazu gehörten insbesondere die Neuerschlieung des ehemaligen Krupp-Hüttengeländes zum heutien Logport sowie der Ausbau der Hafeninfrastruktur, ie beispielsweise die Erweiterung von notwendigen Ei enbahnanschlussstrecken oder die Verfüllung von ehealigen Hafenarmen zwecks Landgewinnung für moerne Roll-on-roll-off-Anlagen. Damals war es eine bedeutende Zäsur, sich von dem lten Montandenken, bei dem sich alles nur um Kohle nd Stahl drehte, zu verabschieden. Ganz wesentlich ar dabei der unternehmerische Ansatz, sich auf die ogistik und Verkehrswirtschaft zu konzentrieren. So onnte man ein Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb chaffen. Durch die Kapitalerhöhung 1988 half der und der Stadt Duisburg und der ganzen Region Rheinuhr und erfüllte so das Prinzip der Mitgestaltung durch ie öffentliche Hand – und zwar in sehr erfolgreicher rt und Weise! Hiervon ist die jetzige Regierung meileneit entfernt. Die zahlreichen notwendigen Erweiterungen sowie ie Modernisierungsmaßnahmen, die der Hafen seit seier Inbetriebnahme erfuhr, waren nur möglich, weil der afen im Besitz der öffentlichen Hand war. Private Anger hätten sich damals niemals gefunden, um Geld in en Hafen und seine Anlagen zu investieren. Die Parole Privat vor Staat“ ist zu diesen Zeiten als maßlose Prookation oder hanebüchener Unsinn verstanden woren: Niemand – weder Stadt, Land noch Bund – hätte uch nur im Traum daran gedacht, seine Anteile zu veraufen. Die Geschichte des Duisburger Hafens und die der uisport-Gruppe ist eine einmalige Erfolgsgeschichte. er Hafen boomt und ist – trotz Wirtschaftsund Fianzkrise – in den schwarzen Zahlen. Es gibt keinen verünftigen Grund, die Bundesanteile zu verkaufen. 6 Milarden Euro sinnlose Steuersenkungen kann man nicht urch Kleckerbeträge wie den Verkaufserlös von 15 Milonen Euro finanzieren! Hinzu kommt, dass der Verkauf r die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Hafens nd für die Stadt Duisburg fatale – nicht absehbare – Folen haben kann. Ich fordere die Bundesregierung dringend auf, von em Verkaufsgedanken Abstand zu nehmen und eine verssliche Entwicklung des Hafens sicherzustellen. Der Hafen Duisburg ist der größte Binnenhafen Eu pas und dadurch auch unbestritten der bedeutendste innenhafen Deutschlands. Mit einem Güterumschlag on 114 Millionen Tonnen werden hier mehr als ein rittel aller in deutschen Binnenhäfen anfallenden Gür umgeschlagen. Ich kenne niemanden, der diese Tatsache infrage tellt. Deshalb muss die Bundesregierung auch nicht geondert aufgefordert werden, dieses anzuerkennen. Sie t dieses bereits. Aber der Kern des Antrags geht ja in eine andere ichtung. Sie fordern, dass der Bund für immer und 17924 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Hans-Werner Kammer gebene Reden )

Torsten Staffeldt (FDP):
Rede ID: ID1714930100

(A) )

ewig Anteilseigner am Hafen bleiben soll, aber nicht nur
das. Darüber hinaus fordern Sie auch noch einen deut-
lich stärkeren staatlichen Eingriff ins operative Ge-
schäft des Duisburger Hafens. Bemerkenswert finde ich
Ihre Begründung mit der ökonomischen Vernunft. Das
ist ein Widerspruch. Der Staat ist nicht der bessere Un-
ternehmer, genauso wenig, wie er der bessere Bänker
ist, was wir bei den Landesbanken in der Finanzmarkt-
krise sehen konnten. Ihnen ist hoffentlich auch klar, dass
der Staat damit voll im Haftungsrisiko stehen würde und
in schlechten Zeiten auch die dann anfallenden Verluste
tragen müsste. In der öffentlichen Debatte sprechen Sie
immer nur von den angeblichen Vorteilen staatlicher
Unternehmen. Sie betonen die Einnahmemöglichkeiten,
blenden aber voll das unternehmerische Risiko aus.

Wie naiv sind Sie eigentlich, dass Sie an stetig wach-
sende Gewinne bei Unternehmen glauben, wie es in Ih-
rem Antrag steht? Denken Sie wirklich, dass der wirt-
schaftliche Aufschwung ewig andauert, dass es nie
schlechte Zeiten gibt? Oder kommen all die Risiken bei
der weit ins Sozialistische rückenden SPD nicht vor?

Oft genug hat sich gezeigt, dass private Investoren ei-
ner Firma guttun. Sie sorgen für frischen Wind und bre-
chen verkrustete Strukturen auf. Wettbewerb tut Unter-
nehmen gut, staatliche Protektion führt auf Dauer zu
nichts! Tun Sie doch nicht so, als ob staatliche Lenkung
gut für die Wirtschaft ist. Welchem Unternehmen hat öf-
fentlicher Einfluss je gutgetan? Ihre Allmachtsfantasien
und Vorstellungen von vollständiger Kontrolle sind von
der Wirklichkeit widerlegt worden!

Daher ist es richtig, dass die Bundesregierung regel-
mäßig überprüft, ob sich der Bund nicht von einzelnen
Staatsbeteiligungen trennen kann oder muss. Das gilt für
den Bereich Infrastruktur ebenso wie für die Telekom-
munikationsbranche oder einzelne Verkehrsträger. Al-
lerdings muss im Rahmen einer solchen Veräußerung
immer darauf geachtet werden, dass ein entsprechender
Investor keine Einzelinteressen verfolgt und einen dis-
kriminierungsfreien Zugang der Infrastrukturanlagen
gewährleistet. Wichtig ist auch, dass es zu keinen Wett-
bewerbsverzerrungen für andere Binnen- und Seehäfen
kommt. Den weiteren Prozess werden wir daher als
Deutscher Bundestag aufmerksam begleiten. Dem An-
trag der SPD stehe ich kritisch gegenüber und bin ge-
spannt auf die kommenden Beratungen.


Ursula Lötzer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714930200

Wirtschaftlich arbeitet die Duisburger Hafen AG als

öffentliches Unternehmen im gemeinsamen Eigentum
des Bundes, des Landes NRW und der Stadt Duisburg
erfolgreich. So hat sie neue Beschäftigungsperspektiven
in der vom Strukturwandel hart betroffenen Region
eröffnet und mit den Projekten Logport Rheinhausen
und Logport II eine sinnvolle Umnutzung von brachlie-
genden Industrieflächen ermöglicht. Als zentrale Dreh-
scheibe der Rhein-Ruhr-Region generiert der Duisbur-
ger Hafen fast die Hälfte der gesamten Umschlagmenge
Nordrhein-Westfalens im Wasser- und Bahnumschlag;
durch die Kooperation mit den Häfen Amsterdam und

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Zu Protokoll ge

(C (D otterdam ist er unverzichtbar als Zugang zu internatioalen Logistikrouten. Schon dieser kurze Überblick zeigt: Die geplante Priatisierung der Bundesanteile an der Duisburger Hafen G ist wirtschaftlich unsinnig, strukturund beschäftiungspolitisch schädlich und verkehrspolitisch verantortungslos. Sie ist verkehrspolitisch verantwortungslos, weil sie er öffentlichen Hand Steuerungsmöglichkeiten nimmt, ie Verlagerung von Güterverkehren vom Lkw auf Bahn nd Schiff zu gestalten und zu fördern. Deshalb ist sie uch Gift für die Umweltund Klimapolitik; sie wird die taus auf den Autobahnen in NRW durch immer mehr kw verlängern. Sie ist beschäftigungsund strukturpolitisch schädch, weil private Gewinninteressen bestimmenden Einuss auf das Unternehmen bekommen. Ein Finanzinvesr wird seine Renditeerwartungen auch durch den bbau von Arbeitsplätzen durchsetzen wollen. Für ein ogistikunternehmen als Erwerber hätte die Stärkung einer Wettbewerbsposition gegenüber Mitbewerbern orrang vor der regionalen Entwicklung. Deshalb lehen die Gewerkschaften in NRW die Privatisierung benso eindeutig ab wie auch Dachverbände der Logiskwirtschaft. Die geplante Privatisierung ist schließlich wirtschaftch sinnlos. Das hat die Bundesregierung selbst in den ntworten auf kleine Anfragen der Linken bestätigt. emnach arbeitet die Duisburger Hafen AG wirtschaftch erfolgreich, sie ist in ihrer wirtschaftlichen Betätiung durch das öffentliche Eigentum nicht eingechränkt. Und die Bundesregierung musste sogar inräumen, dass ihre Aussage, das Unternehmensziel sei rivatwirtschaftlich besser zu erreichen, nichts als ein hne jede Sachkenntnis dahingesagter Allgemeinplatz eoliberaler Privatisierungsideologie ist; denn, so wörtch‚ „Vergleiche der Duisburger Hafen AG mit anderen nternehmen waren für die Entscheidung nicht aus chlaggebend.“ So offenkundig sachfremd wie die Entscheidungsrundlage der Bundesregierung, so unverschämt ist ihr uftreten gegenüber der Stadt Duisburg und dem Land RW als Mitgesellschafter. In den Medien wird angeeutet, die längst überfällige Entscheidung zur Freigabe er Investitionsmittel für den Ausbau des Eisernen heins sei intern an die Bedingung einer Zustimmung es Landes zu ihrem Vorhaben verbunden worden. Und egenüber der hochverschuldeten Stadt Duisburg, die den Cent dringend braucht, hat der Bund die Zustimung zur Ausschüttung von Gewinnanteilen gleichfalls amit verkoppelt, was sogar in einer Beschlussvorlage es Duisburger Rates nachzulesen ist. Die Linke sagt Nein zur Privatisierung der Bundesanile am Duisburger Hafen. Die Bundesregierung muss ich auch nach der für CDU und FDP verlorenen Landgswahl ihrer Verantwortung für die Verkehrsinfra truktur im bevölkerungsreichsten Bundesland stellen, ie muss ihre skandalöse Erpressungspolitik gegenüber em Land NRW und der Stadt Duisburg beenden. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17925 Torsten Staffeldt gebene Reden 17926 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Ulla Lötzer )


(A) )

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion,
wir werden Ihrem Antrag zustimmen. Wenn Ihr Antrag
hier mehr ist als eine Pflichtübung parteipolitischer
Profilierung, dann sollten ihm auch Taten in NRW fol-
gen. Im Januar werden auf Initiative der Linken im
NRW-Landtag die Ergebnisse einer Anhörung zum Duis-
burger Hafen ausgewertet. In Duisburg und auch in
Düsseldorf können die Mehrheiten der Oppositionspar-
teien in diesem Hause die vernunftwidrigen Privatisie-
rungspläne von Schwarz-Gelb durchkreuzen. Sie können
kluge Entscheidungen treffen, die das öffentliche Eigen-
tum am Duisburger Hafen sichern und eine Kooperation
von Land und Kommunen an Rhein und Ruhr fördern.


Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714930300

Die grüne Bundestagsfraktion sieht den geplanten

Verkauf der Anteile des Bundes an der Betriebsgesell-
schaft des Duisburger Hafens durchaus kritisch. Der
Hafen, der zu jeweils einem Drittel im Eigentum von
Bund, Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt Duis-
burg ist, stellt einen diskriminierungsfreien Zugang zur
Hafeninfrastruktur und die gebotene Wettbewerbsneu-
tralität sicher. Bundesstraßen, Autobahnen und Schiff-
fahrtskanäle werden ja auch nicht privatisiert.

Wie so oft ist auch hier, bei der geplanten Veräuße-
rung der Bundesanteile an der Duisburger Hafen AG,
die Position der Bundesregierung unklar: Herr
Ramsauer steht dem Verkauf des Duisburger Hafens mit
„allergrößter Skepsis“ gegenüber und hält diesen sogar
für eine „Verschleuderung von Bundesvermögen“.
Gleichzeitig hat sein Kabinettskollege, Finanzminister
Schäuble, den Verkauf der Bundesanteile bereits fest im
Bundeshaushalt 2012 eingeplant.

Eine klare Linie sieht anders aus. Am 22. Juli dieses
Jahres antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine
Anfrage der grünen Bundestagsfraktion, dass ein „Bun-
desinteresse an der Beteiligung schon seit langem nicht
mehr gegeben ist“.

Tatsächlich könnte das Interesse des Bundes an einer
leistungsfähigen Hinterlandanbindung der ZARA-Häfen
Amsterdam und Rotterdam nicht größer sein. Denn al-
leine der Wirtschaftsstandort NRW erwirtschaftet mehr
als ein Fünftel des deutschen Bruttoinlandsproduktes.
Die Bundesregierung gibt mit dem Verkauf die Möglich-
keit aus der Hand, die Zukunft des weltweit größten Bin-
nenhafens am wichtigsten Wirtschaftsstandort Deutsch-
lands weiterhin erfolgreich mitzugestalten, und das nur,
weil sie ihre Sichtweise unnötig auf die deutschen Nord-
seehäfen verengt. Diese sind jedoch für das Einzugsge-
biet des Duisburger Hafens eher uninteressant. Zum
Vergleich: Der Straßentransport eines Frachtcontainers
200 Kilometer ins Hafenhinterland weist dieselbe Ener-
giebilanz auf wie der weltweite Transport desselben
Containers per Frachtschiff von Schanghai bis nach
Rotterdam.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch bei der Finan-
zierung der dringend nötigen Schienengüterverkehrsan-
bindung zum Duisburger Hafen ab. Obwohl die Bundes-
regierung per schriftlicher Vereinbarung bereits 2002
die Finanzierung des deutschen Anschlusses an die Be-

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(C (D we-Linie zugesagt hat, zeichnet sich aktuell ein volltändig anderes Bild ab. Die niederländischen Partner aben ihren Teil der Betuwe-Linie bis zur Grenze bei mmerich bereits letztes Jahr fertigstellt. Auf deutscher eite ist bis heute nicht einmal die Bundesfinanzierung es vereinbarten dreigleisigen Ausbaus inklusive des ringend nötigen Lärmschutzes sichergestellt. 9 der 1 Milliarden Euro, die in den nächsten Jahren in die chieneninfrastruktur investiert werden, fließen in den orden, Süden und Osten, aber kaum etwas nach Nordein-Westfalen. Zusammenfassend fordern wir die Bundesregierung uf, ihre internen Kommunikationsprobleme im Bezug uf den Verkauf der Hafenanteile zu klären und dabei icht die Zukunft des Wirtschaftstandortes NRW aus den ugen zu verlieren. Die Bundesregierung kann eigentch kein Interesse daran haben, dass die Anteile in priate Hand kommen. Wir wollen auch nicht, dass es zu inem europaweiten Bieterwettstreit kommt. Auf keinen all wollen wir, dass die Anteile an einen Hedgefonds der andere veräußert werden. Angesichts der bisher ehr erfolgreichen und zuverlässigen öffentlichen Parterschaft sehen wir im Prinzip keine Notwendigkeit, die undesanteile am Duisburger Hafen zum jetzigen Zeitunkt zu veräußern. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf rucksache 17/8140 an die in der Tagesordnung aufgehrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sie sind damit ein erstanden? – Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales ten Dr. Martina Bunge, Matthias W. Birkwald, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Aufbewahrungsfrist der Lohnunterlagen von DDR-Betrieben bis 31. Dezember 2016 verlängern – Drucksachen 17/7486, 17/8045 – Berichterstattung: Abgeordneter Ottmar Schreiner Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die eden zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolleinnen und Kollegen wurden beim Präsidium angegeen. Wann immer wir über die Rente sprechen, reden wir icht zuerst über Geld, sondern vor allem über individulle Lebensleistungen. Menschen haben in ihrem Leben twas aufgebaut, sie haben gewirkt und gearbeitet. Menchen haben mit ihren Beiträgen die Renten der vorherehenden Generationen gesichert. Gerade die Menchen in DDR-Betrieben haben unter ungünstigen )

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714930400

(11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordne-

Frank Heinrich (CDU):
Rede ID: ID1714930500

(A) )

politischen und ökonomischen Verhältnissen einen groß-
artigen Beitrag für die Gesellschaft geleistet.

Daher ist es eine Frage der Rentengerechtigkeit, ja
der Anerkennung der Lebensleistung, dass Konten von
Rentnerinnen und Rentnern sauber und korrekt geklärt
werden können. Menschen verdienen Gerechtigkeit.

Um hier Ungerechtigkeiten zu vermeiden und jedem
Versicherten Gelegenheit zu geben, seine Konten zu klä-
ren sowie alle seine rentenanwartschaftsbegründenden
Beschäftigungszeiten und Arbeitsentgelte vollständig zu
erfassen, beschloss der Bundestag im Oktober 2006, die
zum Jahresende 2006 auslaufende Aufbewahrungs-
pflicht um fünf Jahre zu verlängern. Die CDU/CSU hat
diesen Beschluss unterstützt und mehrheitlich mit be-
schlossen.

Diese verlängerte Aufbewahrungsfrist für Lohnunter-
lagen aus DDR-Zeiten läuft zum Jahresende 2011 ab. In
ihrem Antrag fordert die Fraktion Die Linke, diese Auf-
bewahrungsfrist erneut um fünf Jahre zu verlängern,
und zwar über den 31. Dezember 2011 hinaus bis zum
31. Dezember 2016.

Dieser Antrag entspricht scheinbar dem Anliegen der
Rentengerechtigkeit. Leider ist dies nur vordergründig
der Fall. Denn eine beliebig und wiederholt verlängerte
Frist löst kein Problem, sondern verschiebt es willkür-
lich nach hinten hinaus. Wir müssen konstatieren: Trotz
einer Verlängerung im Jahr 2006 haben viele Bürgerin-
nen und Bürger keine Kontenklärung beantragt. Eine
weitere Verlängerung wird dieses Problem nicht lösen.

Auch wird die Verantwortung für die Kontenklärung
hier unverhältnismäßig stark von den Versicherten auf
die Betriebe abgeschoben. Es sind die Arbeitgeber, auf
die die zusätzlichen Lagerkosten und der zusätzliche
Verwaltungsaufwand zukommt. Die Betriebe haben rund
20 Jahre lang im Interesse der Versicherten und der
Deutschen Rentenversicherung die Lohnunterlagen auf-
bewahrt, und das zusätzlich zu den jeweils aktuell zu
speichernden Daten.

Es ist auch zu bemerken, dass viele dieser DDR-Be-
triebe mittlerweile nicht mehr existieren. Das bedeutet,
dass ihre Rechtsnachfolger oder auch private Firmen
sich um die Aufbewahrung der alten Lohnunterlagen
kümmern. Diese werden durch eine Verlängerung der
Fristen unverhältnismäßig stark belastet.

Leider müssen wir auch feststellen, dass die Versäum-
nisse bei der Kontoklärung hauptsächlich darauf zu-
rückzuführen sind, dass die Versicherten ihrer Mitwir-
kungspflicht nicht nachgehen. Ohne aktives Mitwirken
der Versicherten selbst ist die Beschaffung von fehlen-
den Unterlagen durch den Rentenversicherungsträger
kaum möglich. Es geht hier also um eigene Verantwor-
tung und Selbstständigkeit der Versicherten.

Damit sind wir inhaltlich nicht nur bei der Frage
nach Rente und Rentenklärung. Wir sind bei der Frage
nach dem Menschenbild und dem Staatsverständnis.
Hier unterscheiden sich die Ansätze der Linken und der
CDU/CSU grundsätzlich. Für uns steht das mündige
Subjekt im Mittelpunkt der Politik. Dieses kann in Frei-

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(C (D eit und Verantwortung handeln. Der Staat setzt die ahmenbedingungen und unterstützt denjenigen, der eine Freiheit nicht ausführen kann. Anders als die inke, die jede Verantwortung an den Staat delegiert, ahnt uns unser Menschenbild, den Menschen auch die chmerzhaften Folgen ihrer Verantwortung zuzumuten. ine Verschiebung von Stichtagen und Fristen auf den anktnimmerleinstag zeigt, dass die Linke dem einzelen Menschen diese Mündigkeit nicht zutraut. Wir kennen das doch im Kleinen, sei es in der Famie, an der Uni oder auch in Betrieben: Fristen sorgen r Klarheit, Verschiebungen produzieren neue Unklar eiten. Und ist nicht das das Ziel unserer Rentenpolitik: lärungen für Menschen möglich zu machen, und damit inen Beitrag zur Gerechtigkeit zu leisten, und zwar eier Gesamtgerechtigkeit: der Versicherten, der Betriebe nd der Gemeinschaft der Versicherten sowie der Rennversicherungsträger und der Haushaltsverantwortli hen in Bund und Ländern, die auch zu einem festen unkt wissen müssen, mit welchen finanziellen Belasngen sie zu rechnen haben? So lässt sich zusammenfassend festhalten: Menschen rauchen eine gerechte Anerkennung ihrer Lebensleisng. Sie sollen eine richtig berechnete Rente erhalten, uch und gerade die Menschen aus der ehemaligen DR. Darum haben wir die Frist im Jahr 2006 verlänert. Diese Zeit war genügend lang bemessen. Eine weire Verlängerung der Frist hingegen schafft unverhältismäßige Kosten und Aufwand und ist daher nicht achgemäß. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner itzung am 30. November 2011 mit den Stimmen der raktionen CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der ppositionsfraktionen dem Deutschen Bundestag die blehnung des vorliegenden Antrags empfohlen. Der ntrag fordert eine Verlängerung der Aufbewahrungsist um weitere fünf Jahre, also bis zum 31. Dezember 016. Generell müssen Lohnunterlagen vom Arbeitgeber r eine Frist von sechs Jahren aufbewahrt werden. iervon abweichend sind nach geltendem Recht gemäß 28 f Abs. 5 Satz 1 SGB IV die am 31. Dezember 1991 Beitrittsgebiet vorhandenen Lohnunterlagen mindesns bis zum 31. Dezember 2011 vom Arbeitgeber aufzuewahren. Damit sollte für alle Betroffenen die Möglicheit geschaffen werden, ihre Versichertenkonten zu lären. Sowohl die CDU/CSU-Fraktion als auch die Fraktion er FDP sind der Meinung, dass die Aufbewahrungszeit ur Klärung der Rentenkonten bisher ausreiche. Alles eitere liege in der Eigenverantwortung der Betroffeen; mehr könne der Gesetzgeber nicht tun. Schließlich önne man die Arbeitgeber nicht weiterhin unverhältnisäßig belasten. Dass noch immer etwa 286 000 allein bei der Deutchen Rentenversicherung Bund geführten Versicheungskonten nicht vollständig geklärt sind, stört die ReDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17927 Frank Heinrich gebene Reden )

Ottmar Schreiner (SPD):
Rede ID: ID1714930600

(A) )

gierungsfraktionen nicht. Das entspricht einem Anteil
von rund 12 Prozent der Versicherungskonten mit Be-
schäftigungszeiten in der ehemaligen DDR und ist aus
Sicht der SPD-Fraktion nicht zu vernachlässigen. Die
Betroffenen verlören auf diese Weise nicht unerhebliche
Teile ihrer Rentenanwartschaften. Versicherungsrecht-
lich relevante und rentenrelevante Daten drohen somit
verlorenzugehen. Es ist zutiefst beschämend, wie die
CDU/CSU mit ehemaligen DDR-Bürgern umgeht. Das
tut sie nicht nur in diesem Fall, sondern das gilt auch für
den rentenpolitischen Umgang mit ehemaligen DDR-
Flüchtlingen. Die „FDP in Liquidation“ verhält sich da
nicht anders und folgt stillschweigend dem größeren
Partner.

Im Rahmen der Beratungen zum Vierten SGB-IV-Än-
derungsgesetz hat meine Fraktion einen Änderungs-
antrag eingebracht, der unter anderem eben diese Ver-
längerung der Aufbewahrungsfrist von Lohnunterlagen
in DDR-Betrieben zum Gegenstand hatte. Wir waren im
Gegensatz zur Linksfraktion der Meinung, dass dies mit
dem Vierten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches
Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze hätte erreicht
werden können, weil die Aufbewahrungsfrist Regelungs-
bestandteil des SGB IV ist.

Die Koalitionsparteien haben unseren diesbezügli-
chen Antrag in der Ausschusssitzung am 30. November
2011 und am darauf folgenden Tag im Plenum des Deut-
schen Bundestages abgelehnt. Auch die Bundesregie-
rung hat sich in dieser Sache trotz entsprechender
Stellungnahmen von Sachverständigen, die für eine Ver-
längerung plädierten, als beratungsresistent erwiesen.

In dem vorliegenden Antrag der Linksfraktion wird
die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf
vorzulegen, der sicherstellt, dass die Frist über den
31. Dezember 2011 hinaus bis zum 31. Dezember 2016
verlängert wird. Der Antrag ist in der Sache richtig und
wird daher von meiner Fraktion unterstützt.


Sebastian Blumenthal (FDP):
Rede ID: ID1714930700

Nach der Beratung im Ausschuss sind wir als FDP-

Fraktion weiterhin überzeugt, dass es keinen nachvoll-
ziehbaren Grund gibt, die im Zuge der deutschen Einheit
beschlossene Sonderregelung für die Aufbewahrung von
Lohnunterlagen für abhängig Beschäftigte aus der DDR
erneut zu verlängern.

Es muss den Rentenversicherungsträgern möglich
sein, die Arbeitgeber im Hinblick auf ihre Meldepflicht
und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV zu über-
prüfen – insbesondere um die Absicherung der Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer sicherzustellen.

Grundsätzlich ist dafür ein Zeitraum von fünf Jahren
vorgesehen. Um den besonderen Umständen Rechnung
zu tragen, die sich durch die deutsche Einheit ergeben
haben, wurde dieser Zeitraum für Beschäftigte in der
DDR zunächst um zweimal fünf Jahre verlängert, dann
erneut um fünf Jahre – also auf insgesamt 20 (statt fünf)

Jahre. Eine erneute Verlängerung um fünf Jahre auf
dann insgesamt 25 Jahre ist völlig unangemessen und

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(C (D or dem Hintergrund der damit verbundenen Erwarngshaltungen nicht zu rechtfertigen. Für abhängig Beschäftigte in der DDR dienen diese ohnunterlagen zur Klärung ihres Rentenversicheungskontos. Es wurden alle nötigen, notwendigen und arüber hinausgehenden Maßnahmen ergriffen, um den ersonenkreis der betroffenen Bürgerinnen und Bürger u informieren: Die Betroffenen wurden in den vergangenen 20 Jahn mehrfach persönlich angeschrieben. Sämtliche ahrgänge mit Wohnsitz oder Zeiten im Beitrittsgebiet ind in den Jahren 2005 bis 2007 aufgerufen worden, eien Antrag auf Kontenklärung zu stellen. Im Jahr 2006 urden alle Betroffenen auf die Notwendigkeit einer ontenklärung früherer DDR-Zeiten hingewiesen. Sie wurden darüber hinaus über Pressemitteilungen den gängigen Medien von den Rentenversicherungsägern für die Problematik sensibilisiert, die nötigen nträge vor Fristablauf einzureichen. Im Zuge der jährlichen automatischen Versendung er Renteninformationen erfolgte ebenfalls ein deutliher Hinweis auf die Notwendigkeit einer vollständigen ontenklärung. Ein Großteil der Betroffenen ist dem bislang auch achgekommen. Darüber hinaus hat auch in diesem ahr die Deutsche Rentenversicherung Bund noch einal auf den Fristablauf öffentlich hingewiesen. Falls es dennoch einzelne Betroffene gibt – zum Beipiel „beruflich Verfolgte“, die den Nachweis verfolungsbedingter Mindereinnahmen nicht durch Rückgriff uf ihr geklärtes Rentenversicherungskonto führen könen –, so gibt es bewährte Verfahren, um diesen Menchen zu helfen. So sieht zum Beispiel § 25 BerRehaG r Fälle, in denen Unterlagen nicht vorhanden oder icht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragtellers verlorengegangen sind, Beweiserleichterungen usdrücklich vor. In solchen Fällen ist es ausreichend, enn der Betroffene seine Angaben zur Verfolgteneigen chaft und zur Verfolgungszeit glaubhaft machen kann. Insofern sehen wir als FDP-Fraktion keinen Grund r eine erneute Fristverlängerung. Schon die Verlänge ung der Frist im Jahre 2006 war für uns nur schwerlich achzuvollziehen – vor allem vor dem Hintergrund, dass ie Arbeitgeber bzw. der Bund als Rechtsnachfolger der bgewickelten DDR-Staatsunternehmen die Lohnuntergen mit erheblichen Kosten aufbewahren müssen. Wir bleiben somit bei unserem ablehnenden Votum. Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage – sei es im Kreis rer Familie oder im Freundeskreis – und ein frohes nd gesundes neues Jahr 2012. Eingangs möchte ich auf unsere Debatte vom 10. No ember zurückkommen. Die Rednerinnen und Redner usnahmslos aller Fraktionen betonten, wie wichtig die ohnunterlagen für eine exakte Rentenberechnung sind. och da hörten die Gemeinsamkeiten schon auf. Meine 17928 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Ottmar Schreiner gebene Reden )

Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714930800

(A) )

Fraktion, die Linke, sowie die Fraktionen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen wollen die Aufbewahrungsfrist
von Lohnunterlagen aus DDR-Zeiten verlängern. Die
Fraktionen von Union und FDP wollen das gerade
nicht. Selbst die über 645 000 ungeklärten Rentenkonten
in Ostdeutschland scheinen Sie nicht zu beeindrucken.

Für uns hingegen hat dies eine Dimension, auf die
wir als Gesetzgeber reagieren müssen. Sie hingegen re-
den das Problem klein und sprechen von lediglich
286 000 ungeklärten Rentenkonten in Ostdeutschland.
Diese Zahl stammt – im Ergebnis meiner diesbezügli-
chen Frage an die Bundesregierung – von der Deut-
schen Rentenversicherung Bund und erfasst deshalb
auch nur Versicherte, die dort geführt sind. Die von mir
bei den Regionalstellen der DRV im Sommer erfragten
Zahlen, die in Summe in unserem Antrag enthalten sind,
haben Sie ignoriert.

Ich darf die Zahlen der ungeklärten Rentenkonten
hier anführen: Deutsche Rentenversicherung Berlin-
Brandenburg: Brandenburg – 78 956, Ostberlin –
137 896, Deutsche Rentenversicherung Nord: 57 900,
Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland: 110 000,
alle mit Lücken bis 31. Dezember 1991; 23 000 Versi-
cherte davon sind inzwischen in den alten Bundeslän-
dern.

Auch mir ist klar, dass nicht alle Lücken in den unge-
klärten Rentenkonten mit Beschäftigungszeiten in der
DDR zu tun haben. Aber nach Schätzung der Deutschen
Rentenversicherung Nord sind es in Mecklenburg-Vor-
pommern gut zwei Drittel, nämlich 45 000 von 57 000.

Kaum Erkenntnisse gibt es über die Rentenkonten
derjenigen, die seit 1990 innerhalb des Landes von Ost
nach West gingen oder sich auch außer Landes befinden.

Klar ist auch, dass die Dinge im Fluss sind und sich
mittlerweile viele Betroffene um ihre Lohnunterlagen
gekümmert haben. Monatlich sollen aber immerhin noch
rund 2 600 Anfragen bei den Behörden eingehen. Eine
Größenordnung, die wir meines Erachtens als Parla-
mentarierinnen und Parlamentarier nicht ignorieren
sollten.

Doch unabhängig davon gibt es einen weiteren stich-
haltigen Grund, die Aufbewahrungsfrist der Lohnunter-
lagen zu verlängern, nämlich die vielen Klageverfahren,
die häufig die Beibringung weiterer Papiere erforder-
lich machen. Diesen Aspekt schlagen Sie einfach in den
Wind.

Und Ihnen ist auch bekannt, dass es – glücklicher-
weise für die Betroffenen – immer wieder auch Urteile
zum Rentenrecht gibt, die nicht nur auf den Kläger ange-
wandt werden, sondern auf analoge Fälle und damit oft
auf größere Gruppen. Für all diese Menschen wird dann
– zumindest potenziell – ein Zugang zu den Lohnunterla-
gen wichtig.

Aber auch die Änderung des Rentenüberleitungsge-
setzes, wie meine Fraktion sie seit Jahren verlangt,
würde einen Zugriff auf die Dokumente nötig machen.
Andere Gesetze können das ebenfalls erfordern. So hat
sich dieser Tage die zuständige Landesbehörde für die

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Zu Protokoll ge

(C (D tasiunterlagen an die Abgeordneten aus meinem Bunesland gewandt und darum gebeten, dass wir uns für ie Verlängerung der Aufbewahrungsfrist der DDRohnunterlagen einsetzen. Ohne Zugriff auf die Dokuente, so habe ich dem Brief entnommen, würde die ge ade per Gesetz bis zum Jahr 2019 verlängerte Möglicheit, eine berufliche Rehabilitierung zu beantragen, frage gestellt. Menschen, die in der DDR in ihrer be uflichen Entwicklung massiv behindert wurden, hätten ann das Nachsehen. Wollen Sie das, verehrte Kolleginen und Kollegen von der Koalition? Auch das Problem dieser Gruppe haben Sie übrigens der ersten Lesung kleingeredet. Ihr Hinweis auf die Glaubhaftmachung bietet ebenlls keine Lösung. Diese hätte selbst im günstigsten all, wie Sie genau wissen, eine Minderung des Anpruchs um ein Sechstel zur Folge. Im ungünstigsten all, nämlich dann, wenn genaue Beschäftigungszeiten nd Einkommenshöhen nur noch vage bekannt sind, ele der Schaden vermutlich noch höher aus. Ich appelliere hiermit eindringlich an die Kolleginen und Kollegen der Regierungsfraktionen: Stimmen ie mit für die Verlängerung der Aufbewahrungsfrist für ie Lohnunterlagen. Folgen Sie der praktischen Lösung, ie ich sie in der Debatte am 10. November vorgeschlaen habe und wie sie auch in einem Änderungsantrag er SPD zum SGB IV enthalten ist. Ändern Sie den § 28 f bs. 5 des SGB IV. Ersetzen Sie das darin enthaltene atum „31. Dezember 2011“ mindestens durch den 31. Dezember 2016“. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN)

Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung

und sowie der DRV Berlin-Brandenburg, der DRV Mit-
ldeutschland und der DRV Nord gibt es rund 648 000
ngeklärte Rentenkonten von Versicherten in den ost-
eutschen Bundesländern. Was diese Zahlen jedoch
icht abbilden, ist die Anzahl derjenigen, die nach Her-
tellung der Einheit von Ost nach West gingen. Laut Sta-
stischem Bundesamt waren das allein bis 2008 mehr
ls 2,7 Millionen Menschen. Es ist leider nicht davon
uszugehen, dass alle ihre Rentenangelegenheiten ge-
lärt haben. Der Deutschen Rentenversicherung Bund
egen keine Zahlen vor, für wie viele Personen dieses
ersichertenkreises noch keine Kontenklärung bean-
agt wurde. Natürlich resultieren nicht alle Lücken in
entenkonten aus Zeiten der Berufstätigkeit in der DDR.
ber die Deutsche Rentenversicherung Nord schätzt
um Beispiel für Mecklenburg-Vorpommern, dass von
en 57 900 offenen Konten etwa 45 000 wegen fehlender
nterlagen aus DDR-Zeiten noch nicht abschließend
eklärt werden konnten. Das sind mehr als drei Viertel.
ll diese Versicherten werden vom 1. Januar an die Ver-
ienstnachweise aus den Jahren vor 1992 nicht mehr be-
chaffen können, da alle Arbeitgeber und Rechtsnach-
lger von DDR-Betrieben, die zuvor gesetzlich ver-

flichtet waren, die alten Lohnunterlagen aus DDR-Zei-
n aufzuheben, diese nun vernichten können. Was nicht
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17929

Dr. Martina Bunge
gebene Reden

17930 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn


(A) )


)(B)

belegt werden kann, wird bei der Rentenberechnung
nicht berücksichtigt.

An dieser Stelle verweisen die Kolleginnen und Kolle-
gen der Regierungsfraktionen gerne auf die Glaubhaft-
machung nach SGB VI. Konkret ist eine Glaubhaftma-
chung mit einem Verlust von einem Sechstel des
eigentlichen Anspruchs verbunden. Das wäre eine Be-
lastung vor allem für diejenigen, die längere Zeiten von
Arbeitslosigkeit hinnehmen mussten und ohnehin nur
geringe Rentenansprüche aufgebaut haben. Sie sind
auch ohne diese Lücken von Altersarmut bedroht. Weil
jeder Euro zählt, ist es wichtig, dass wir die Aufbewah-
rungsfrist der Lohnunterlagen von DDR-Betrieben über
den 31. Dezember dieses Jahres hinaus um mindestens
fünf weitere Jahre verlängern.

Zudem gibt es Menschen, für die selbst eine Glaub-
haftmachung schwer, wenn nicht gar unmöglich ist, zum
Beispiel Menschen, die aus der ehemaligen DDR geflo-
hen waren – nachvollziehbarerweise ohne alle Unterla-
gen – und die heute nur noch vage Erinnerung an ge-
naue Beschäftigungszeiten und an das Einkommen
haben.

Die Verlängerung der Aufbewahrungsfrist hat einen
wesentlich höheren Nutzen als sie Kosten verursacht.
Jede Lücke im Versicherungskonto ist bares Geld wert,
und zwar für den Einzelnen, der oder die bei der Rente
Einbußen wegen Versicherungslücken hinzunehmen hat.
Aber auch für die Gemeinschaft, der allen Zahlen zu-
folge auch ohne diese einheitsbedingten Lücken in den
Erwerbsbiografien ein Anstieg an Grundsicherungsbe-
zugsbeziehenden ins Haus steht. Darüber hinaus ist
auch der Aufwand für die Deutsche Rentenversicherung
nicht zu unterschätzen. Denn bei derart vielen ungeklär-
ten Konten würde sich der Aufwand zur Feststellung von
Rentenansprüchen ohne den weiteren Zugang zu den
Lohnunterlagen massiv erhöhen.

Altersarmut droht besonders in Ostdeutschland. Dort
drohen nach Berechnungen des DIW aufgrund der an-
haltend hohe Arbeitslosigkeit und der Absenkung des
Rentenniveaus die Altersbezüge für künftige Rentnerin-
nen und Rentner massiv zu sinken. Natürlich reicht eine
Verlängerung der Aufbewahrungszeiten für die Lohnun-
terlagen als Maßnahme gegen Altersarmut nicht aus,
sondern wir brauchen insbesondere für den Osten eine
Garantierente, die über dem durchschnittlichen Grund-
sicherungsniveau liegt. Die Garantierente kann und soll
aber eigene Ansprüche nicht ersetzen. Deswegen gilt es
jetzt sicherzustellen, dass die am 31. Dezember 1991 im
Beitrittsgebiet vorhandenen Entgeltunterlagen mindes-
tens bis zum 31. Dezember 2016 vom Arbeitgeber aufbe-
wahrt werden.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714930900

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für

Arbeit und Soziales empfiehlt in seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 17/8045, den Antrag der Frak-
tion Die Linke auf Drucksache 17/7486 abzulehnen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind die
Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! – Das sind die Oppo-

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(C (D itionsfraktionen. – Enthaltungen? – Keine. Die Bechlussempfehlung ist angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dorothea Steiner, Jerzy Montag, Ingrid Hönlinger, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen nach der EG-Richtlinie 2003/ 35/EG – Drucksache 17/7888 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Rechtsausschuss Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die eden zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolleinnen und Kollegen liegen dem Präsidium vor. Wir behandeln heute einen Gesetzentwurf der Frak on Bündnis 90/Die Grünen, der die Klagebefugnisse er Umweltverbände im deutschen Umweltrecht auswein soll. Worum geht es im Kern? Der Europäische Ge ichtshof hat am 12. Mai 2011 in einem Grundsatzurteil stgestellt, dass Umweltverbände grundsätzlich in eiem gerichtlichen Verfahren die Verletzung aller für die ulassung eines Vorhabens maßgeblichen Umweltvorchriften, die auf europäischem Recht basieren, geltend achen dürfen. Den Umweltverbänden werden demach wesentlich mehr Klagerechte eingeräumt, als das erzeit geltende deutsche Recht ihnen zubilligt. Nach eltendem deutschen Recht sind Umweltverbände bisng weitestgehend klagebefugten Personen gleichge tellt. Beeinträchtigungen der Umwelt als solche können ie allerdings nur eingeschränkt gerichtlich prüfen lasen. Der EuGH leitet aus der Umweltverträglichkeitsichtlinie 85/337/EWG des Rates über die Umweltveräglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und rivaten Projekten, allerdings umfassendere Möglicheiten für die Umweltverbände ab. Vor diesem Hinterrund ist das deutsche Recht anzupassen. Ein entsprehender Gesetzentwurf befindet sich bereits in der essortabstimmung. Wir werden uns also in absehbarer eit mit der Thematik nochmals im Parlament befassen. Das Gericht hat klargestellt, dass die entsprechende uropäische Richtlinie unmittelbare Anwendung findet. ie anerkannten Umweltverbände können sich also bis um Inkrafttreten der Gesetzesänderung – zur Begrünung ihrer Klagerechte – unmittelbar auf das Gemeinchaftsrecht berufen. Selbstverständlich müssen die europarechtlichen Voraben in nationales Recht umgesetzt werden. Dies weren wir tun, so auch in diesem konkreten Fall. Hier geht s darum, den Umweltverbänden hinreichende Klagebegnisse einzuräumen. Es gilt jedoch bei der konkreten usgestaltung auch zu beachten, dass sich die Rahmenedingen bei Vorhaben, wie zum Beispiel Infrastruktur )

Dr. Thomas Gebhart (CDU):
Rede ID: ID1714931000

(A) )

projekte im Energie- oder im Verkehrsbereich, nicht so
verändern, dass diese sich kaum noch durchsetzen las-
sen. Darauf wird zu achten sein. Ich will noch auf einen
Punkt hinweisen: Es wäre wünschenswert, wenn wir
künftig stärker am Anfang eines Entscheidungsprozesses
hinsichtlich Infrastrukturvorhaben die Bürgerinnen und
Bürger einbinden würden. Ich bin sicher, dass sich da-
durch etliche Klagen am Ende eines Prozesses vermei-
den ließen. Dort müssen wir ansetzen.


Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1714931100

Im November 2006 haben wir in der Großen Koali-

tion das Umwelt-Rechtsbehelfs-, das Öffentlichkeitsbe-
teiligungs- und das Aarhus-Übereinkommen-Gesetz ver-
abschiedet. Diese Gesetze sollten zu mehr Transparenz
bei Planungs- und Genehmigungsverfahren und zu
einem verbesserten Rechtsschutz für die Umweltver-
bände führen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat diesen
Gesetzentwürfen seinerzeit zugestimmt, nicht zuletzt
weil bereits ein Vertragsverletzungsverfahren anhängig
war und die Zeit für die Umsetzung der jeweiligen EU-
Richtlinien und des Aarhus-Übereinkommens drängte.

Allerdings wies die Arbeitsgruppe Umwelt der SPD-
Bundestagsfraktion – und so auch ich – bereits damals
in einer Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des
Deutschen Bundestages darauf hin, dass das Umwelt-
Rechtsbehelfsgesetz in der vorliegenden Fassung nach
unserer Einschätzung nicht den Vorgaben gerecht wird,
die durch das Aarhus-Übereinkommen und in der EG-
Richtlinie zu den Rechtsbehelfen gefordert werden. Wir
waren der Auffassung, dass das europarechtliche Ziel,
der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu
den Gerichten zu gewähren, nur durch ein unbeschränk-
tes Verbandsklagerecht umgesetzt werden kann. Genau
dies sah der Gesetzentwurf aber nicht vor – und genau
deswegen ist Deutschland jetzt vom Europäischen
Gerichtshof verklagt worden.

Bitte machen Sie sich Folgendes bewusst: Ursächlich
für das mangelhafte Umsetzen der EU-Vorgaben war die
Angst vor dem Bürger in den Reihen der Union sowie in
Teilen der Ministerien und der Bundesländer. Aber auch
die Wirtschaftsverbände waren gegen den weiten Zu-
gang zu Gerichten, wie es das Aarhus-Übereinkommen
und europäisches Recht vorsahen. Es wurde das
Schreckgespenst der Klageflut heraufbeschworen und
davor gewarnt, dass in Deutschland Bau- und Infra-
strukturprojekte überhaupt nicht mehr oder bestenfalls
nach jahrelangem Rechtsstreit und zu gestiegenen Kos-
ten realisiert werden können. Mittlerweile stellt sich
heraus, dass vielmehr das Gegenteil der Fall ist: Nur
mit einer zeitnahen und umfangreichen Beteiligung kön-
nen kostspielige Auseinandersetzungen erst vermieden
werden.

Leider ging auch der damalige Referentenentwurf des
Innenministeriums zur Vereinheitlichung und Beschleu-
nigung von Planfeststellungsverfahren in die falsche
Richtung. Der Gedanke hinter diesem Referentenent-
wurf war es, den Bürger möglichst aus dem Planfeststel-
lungsverfahren herauszuhalten, weil dies angeblich zu
einer Beschleunigung des Verfahrens führen würde. Spä-

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Zu Protokoll ge

(C (D stens nach Stuttgart 21 ist nun völlig klar, dass dieses enken nicht mehr in die politische Landschaft passt. er Bund Deutscher Verwaltungsrichter und Verwalngsrichterinnen sowie der Deutsche Anwaltsverein aben daher auch diesen Referentenentwurf in ihren tellungnahmen verrissen – abgesehen davon, dass er Nachhinein ohnehin EU-rechtswidrig war. Nach meiner festen Überzeugung sollten wir „mehr emokratie wagen“, wie bereits Willy Brandt 1969 in einer ersten Regierungserklärung forderte. Dazu ehört, die Bürgerinnen und Bürger mir ihren Anliegen rnst zu nehmen und sie in transparenten Planungsverhren umfassend und fair zu beteiligen. Dies wird nstatt zu einer Klageflut zu einer Verfahrensverkürzung hren, weil es weniger Klagen gegen Entscheidungen eigentlichen Planungsverfahren geben wird. Auch ie selbstbewussten Forderungen nach Beteiligung von ürgerinitiativen und Vereinen sind keine Hindernisse Verfahren, sondern eine Bereicherung für eine bür ernahe Planung und bedarfsgerechte Konzeption. Auch ie schwarz-gelbe Bundesregierung sollte mittlerweile ingesehen haben, dass Investitionen und Infrastruktur ur mit, aber nie gegen den Bürger wirklich zum Erfolg hren. Ich hoffe sehr, dass Sie die Blockade einer zeit emäßen Bürgerbeteiligung endlich aufgeben und eine U-rechtskonforme Überarbeitung vorlegen. Die SPD-Bundestagsfraktion wird demnächst ihr Konzept für Bürgerbeteiligung und Planungsbeschleuigung“ veröffentlichen, in dem die Bürgerinnen und ürger von Anfang an und umfassend in die Planungen inbezogen werden und vor allem, und das halte ich für bsolut entscheidend für eine ehrliche Auseinandersetung, mit ihren Anliegen und Ängsten wirklich ernst enommen werden. Wir werden dieses Konzept gerne reit mit den Regierungsfraktionen diskutieren, und ich iete Ihnen schon jetzt unsere tatkräftige Hilfe bei der msetzung zukunftsweisender Regelungen an. Der vorliegende Gesetzentwurf auf Drucksache 7/7888 ist abzulehnen. Mit Urteil vom 12. Mai 2011 hat der Europäische Geichtshof emöglichkeiten anerkannter Umweltverbände aus der ichtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 ber die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten ffentlichen und privaten Projekten in der durch die ichtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments nd des Rates vom 26. Mai 2003 geänderten Fassung onkretisiert. Anerkannten Umweltverbänden ist danach Umweltangelegenheiten ein weiter Zugang zu den erichten zu gewähren. Derzeit ist in § 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes, mwRG, bestimmt, dass den Umweltverbänden nur ann ein eigenes Klagerecht zusteht, wenn sie Vorschrifn rügen, die dem Umweltschutz dienen, Rechte Einzeler begründen und für die Entscheidung von Bedeutung ein können. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17931 Dr. Thomas Gebhart gebene Reden )

Judith Skudelny (FDP):
Rede ID: ID1714931200

(A) )

Damit sind die Klagemöglichkeiten für Umweltver-
bände nach geltendem deutschen Recht auf drittschüt-
zende, und auf Europarecht basierende, Normen be-
schränkt. Dies ist nach dem genannten EuGH-Urteil
europarechtswidrig. Es bedarf somit einer Anpassung
des deutschen Rechts an die europarechtlichen Vorga-
ben.

Hieraus ergibt sich Handlungsbedarf für den deut-
schen Gesetzgeber. Denn die Grundsätze der EuGH-
Entscheidung gelten bereits jetzt unmittelbar für alle
laufenden und zukünftigen gerichtlichen Verfahren.

Des Weiteren hat sich das EuGH-Urteil nur zur Rüge-
fähigkeit von umweltbezogenen Vorschriften des EU-
Rechts geäußert. In Bezug auf rein nationale Umwelt-
vorschriften besteht daher auch nach dem EuGH-Urteil
Rechtsunsicherheit bezüglich des Umfangs der Rüge-
pflicht.

Die Koalitionsfraktionen haben daher bereits gehan-
delt und einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den
Weg gebracht. Dieser befindet sich derzeit noch in der
Ressortabstimmung und wird voraussichtlich im Früh-
jahr nächsten Jahres in den Bundestag eingebracht wer-
den.

Der vorliegende Gesetzentwurf der Grünen gibt als
Grund für den Änderungsbedarf auch eine solche An-
passungsnotwendigkeit an die europarechtlichen Vorga-
ben an. In Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung ent-
fällt daher in § 2 Abs. 1 und Abs. 5 die Beschränkung auf
die Schutznormlehre, indem die Worte „Rechte Einzel-
ner begründen“ gestrichen werden.

Im Weiteren und in seinen Forderungen geht der Ge-
setzentwurf jedoch deutlich über die mit dem EuGH-Ur-
teil vorgegebenen Anpassungsnotwendigkeiten hinaus.
Diese weitergehenden Forderungen halten wir für unbe-
gründet und lehnen den Gesetzentwurf der Fraktion der
Grünen daher ab.

Denn als liberale Partei wollen wir in Deutschland
Vorhaben verwirklichen und nicht ausbremsen. Schon
jetzt dauern Genehmigungsverfahren in Deutschland zu
lange. Durch die in dem Gesetzentwurf der Grünen ge-
forderten Änderungen würden die Klagemöglichkeiten
deutlich ausgeweitet.

Gestrichen wird – über das Urteil des EuGH hinaus-
gehend –, dass die dem Umweltschutz dienenden Vor-
schriften „für die Entscheidung von Bedeutung sein
können“. Dieser Vorschlag geht deutlich über den Um-
setzungsbedarf, der sich aus der EuGH-Entscheidung
ergibt, hinaus.

Ebenso ohne Veranlassung durch das EuGH-Urteil
wird der bisherige § 4 „Fehler bei der Anwendung von
Verfahrensvorschriften“ geändert, indem der Begriff
„wesentliche Verfahrensvorschriften“ in Satz 1 einge-
fügt wird und in Satz 2 erläutert wird, welches diese
„wesentlichen Verfahrensvorschriften“ sind. Die dort
genannten Ziffern 1 und 2 sind jedoch mit der geltenden
Fassung identisch.

Außerdem fordert der Gesetzentwurf, ebenfalls über
die europarechtlichen Forderungen hinaus, neben den

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Zu Protokoll ge

(C (D nerkannten Verbänden auch die Anerkennung von Stifngen als Klageberechtigte. Diese Änderungen bzw. Ergänzungen folgen weder us dem EuGH-Urteil, noch sind sie sonst europarechtch vorgegeben. Sie würden dazu führen, dass die Geehmigungsdauer für Projekte noch weiter zunimmt und ußerdem die Kosten für diese weiter steigen. Darüber inaus helfen sie auch nicht dem Umweltschutz. Dadurch würde Deutschland ein erheblicher Wettbeerbsnachteil entstehen. Wir als Liberale wollen, dass orhaben auch weiterhin in Deutschland verwirklicht erden. Wir wollen Arbeitsplätze in Deutschland halten nd auch neue schaffen. Dazu benötigen wir Vorhabenäger, die auch weiterhin in den Standort Deutschland vestieren. Was wir nicht brauchen, sind Gesetzentürfe wie die der Grünen, die den Wirtschaftsstandort eutschland und damit Arbeitsplätze gefährden. Das bedeutet nicht, dass wir die demokratischen Mitirkungsrechte der Bürger beschneiden wollen. Die He ausforderungen beispielsweise der Energiewende woln wir nicht gegen die Bevölkerung durchsetzen, ondern mit ihr umsetzen. Die bestehenden Klagemögchkeiten haben sich als ausreichend und angemessen rwiesen. Eine über die Vorgaben des EuGH hinausgeende Erweiterung der Klagemöglichkeiten ist nicht errderlich und führte außerdem zu einer Blockade zahlicher dringend notwendiger Projekte. Dabei geht es nicht nur um Vorhaben wie Automobilbriken, Stahlwerke oder Kohlekraftwerke, sondern uch um den dringend notwendigen Ausbau der Strometze und Speicherkraftwerke. Wenn man wie die Grüen mit Nachdruck den Ausstieg aus der Atomkraft und ie Energiewende gefordert hat, dann muss man jetzt uch ehrlich zu den Bürgern und konsequent im Haneln sein. Ein Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, das, wie von den rünen gefordert, die Klagemöglichkeiten noch weiter usdehnt, blockiert den dringend notwendigen Netzausau und damit die Energiewende und den Wirtschaftstandort Deutschland. Man kann nicht auf der einen eite sagen, wir wollen keine Atomkraftwerke, und auf er anderen Seite den Ausbau der Trassen, den wir für en Anschluss und die Leitung des Stroms aus erneueraren Energien brauchen, blockieren. Ziel muss es sein, ein ausgewogenes Maß an demoratischen Mitwirkungsrechten der Bürger auf der einen eite und die Umsetzbarkeit von notwendigen Vorhaben ie den Netzausbau und den Bau von Speicherkraftweren auf der anderen Seite zu gewährleisten. Das besteende Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz leistet hierzu einen ichtigen Beitrag und ist im Folgenden an die europachtlichen Vorgaben anzupassen. Der Gesetzentwurf er Grünen wird diesen Anforderungen jedoch nicht gecht. Ich weiß nicht, was Ihnen zuerst einfällt, wenn Sie eispielsweise an Gorleben, an Stuttgart 21 oder an den roßflughafen Berlin-Schönefeld denken? Die Reihe 17932 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Judith Skudelny gebene Reden )

Sabine Stüber (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714931300

(A) )

der Beispiele ließe sich fortführen – mir fallen da als
Erstes die Bürgerproteste ein. Oft handelt es sich dabei
um überregionale Großvorhaben, die sehr viel Geld kos-
ten, meistens die volle Unterstützung der jeweiligen
Landesregierung haben und häufig auch von Bundesin-
teresse sind. In der Bevölkerung sind sie dagegen oft
umstritten; denn trotz langer Planungsverfahren haben
die Menschen vor Ort dabei nicht wirklich viel zu sagen.
Deshalb gehen Bürgerinnen und Bürger immer öfter auf
die Straße, um gegen so riesige Vorhaben, die ihr Um-
feld und ihre Umwelt, also ihr Leben, ihren Alltag verän-
dern werden, zu protestieren. Es sind keine Wutbürgerin-
nen und Wutbürger, wie sie so gerne etwas abfällig
genannt werden. Nein das sind Menschen, die wissen
wollen: Was, warum, wann und auch wie?

In unserem Land wird viel über die Beteiligung der
Öffentlichkeit gesprochen. In Genehmigungsverfahren
für Vorhaben mit Umweltauswirkungen ist sie sogar ge-
setzlich vorgeschrieben. Aber so, wie das bisher in
Deutschland abläuft, funktioniert das nicht. Der Öffent-
lichkeit und den Umweltverbänden werden die bereits
fertigen Planungen vorgelegt. Dann bleiben einige Wo-
chen Zeit, um alles zu begutachten und gegebenenfalls
Kritikpunkte einzubringen. Ein Beispiel ist der Ausbau
des Flughafens Berlin-Schönefeld. Hier wurden den
Bürgerinnen, Bürgern und Umweltverbänden 37 prall
gefüllte Aktenordner mit Planungsunterlagen auf den
Tisch gestellt. Eine Begutachtung in den gesetzten Fris-
ten war daher fast aussichtslos. Bei dieser Art öffentli-
cher Beteiligung ist der Gang vor Gericht praktisch vor-
programmiert. Klagen durfte aber lange Zeit nur, wer
sich direkt in seinen Persönlichkeitsrechten einge-
schränkt sah.

Mehr öffentliche Beteiligung zur Teilhabe und Mitge-
staltung der Gesellschaft, das stand in der EU schon
2005 auf der Tagesordnung. Nach europäischem Recht
ist seitdem nicht nur eine umfassende und frühzeitige In-
formation der Öffentlichkeit bei Großvorhaben Pflicht,
sondern es kann auch eine umfassende gerichtliche
Kontrolle der Genehmigungen von Umweltverbänden
eingeklagt werden.

Auch wenn die Bundesregierung immer so tut, als
hätte sie die Beteiligung der Zivilgesellschaft erfunden,
hinkt sie dem EU-Recht hinterher. Umweltverbände dür-
fen in Deutschland zwar gegen die Verletzung von Vor-
schriften zum Schutz der Bevölkerung klagen, aber im-
mer noch nicht zum Schutz der Natur selber.

Ein armes Land wie Ecuador dagegen hat den Schutz
der Natur in die Verfassung aufgenommen. Dort ist fest-
gelegt, dass die Bevölkerung in einer „gesunden und
ökologisch ausgeglichenen Umwelt“ leben soll; zudem
wird der Schutz und Erhalt der Umwelt als „öffentliches
Interesse“ anerkannt. Und wir in unserem reichen
Deutschland haben es nicht einmal in sechs Jahren ge-
schafft, die EU-Richtlinie in nationales Recht umzuset-
zen. Der Europäische Gerichtshof hat jetzt den Umwelt-
verbänden recht gegeben. Auch Deutschland muss die
gerichtliche Prüfung der Genehmigung von Großvorha-
ben auf ihre Naturverträglichkeit zulassen.

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Zu Protokoll ge

(C (D Genau das will der Antrag von Bündnis 90/Die Grüen mit dem ach so sperrigen Titel „Entwurf eines Geetzes zur Änderung des Gesetzes über ergänzende Vorchriften zu Rechtsbehelfen nach der EG-Richtlinie 003/35EG as unterstützen wir als die Linke aus vollem Herzen. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf werden die Kla erechte von Umweltverbänden endlich im notwendigen aße gestärkt. Zudem wird mit ihm das „Trianel“rteil des Europäischen Gerichtshofs vom Mai dieses ahres umgesetzt. Dies haben Sie von der Bundesregierung bisher ja ider versäumt. Trotz mehrfacher Ankündigungen aben Sie bis heute keinen Gesetzentwurf zur Umsetung des Urteils vorgelegt. Da müssen wir als Parlaent die Initiative ergreifen, damit endlich auch das eutsche Umweltrecht europarechtskonform ist. Jahrelang haben wir Grüne in Deutschland für die usweitung der Klagemöglichkeiten von anerkannten mweltverbänden gestritten. Jahrelang hat Schwarzelb alles unternommen, um im Sinne einzelner Interes engruppen aus der Industrie die Klagemöglichkeiten on Umweltverbänden einzuschränken. Doch Luft, Waser, Boden und die Tierund Pflanzenwelt können sich icht selbst gegen gefährliche Eingriffe und Verletzunen zu Wehr setzen. Dafür braucht es einen Anwalt. Das ind die anerkannten Verbände. Und, meine Damen und erren von CDU/CSU und FDP, haben Sie doch nicht mer solche Angst vor den Bürgerinnen und Bürgern! agen Sie endlich eine umfassende Bürgerbeteiligung! Entgegen Ihren ständig geäußerten Befürchtungen, ies würde nur viele Kosten verursachen, zeigen viele nalysen, dass die Qualität der Projekte sich durch mfassende Beteiligung erhöht – ganz zu schweigen von er Akzeptanz. Das Naturschutzrecht, das ein recht mfassendes Klagerecht enthält, führt nicht etwa zu stänigem Missbrauch und zur reinen Verzögerung von Prokten. Auch wenn manch einer aus den Reihen der Kolitionsfraktionen dies gerne unterstellt, ergeben – leider r Sie – alle Untersuchungen dazu etwas anderes. Vielmehr hat sich die Verbandsklage als ein sehr irksames Mittel bewährt, Vollzugsdefizite im Natur chutzrecht abzubauen. Für uns wenig überraschend ind viele Klagen erfolgreich. Warum? Nun, es scheint infach zahlreiche Verstöße gegen das Umweltrecht zu eben. Ein Grund mehr, umfassende Beteiligungsund uch Klagerechte zu fordern! Wir wollen eine echte Kulr der Bürgerbeteiligung, wir wollen eine wirksame ontrolle des Umweltschutzrechts, und wir wollen ein eutsches Umweltrecht, das europaund völkerrechtsonform ist. Glücklicherweise ist die EU deutlich progressiver bei er Bürgerbeteiligung im Umweltrecht, als wir es in eutschland sind. Die Aarhus-Konvention hat hier aßstäbe gesetzt. Im Jahr 2006 haben CDU/CSU und SPD es leider ersäumt bei der Änderung des Umwelt-RechtsbehelfDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17933 Sabine Stüber gebene Reden 17934 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Dorothea Steiner )

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714931400

(A) )

gesetzes auch im deutschen Umweltrecht hohe Stan-
dards zu setzen. Wir Grüne vermissten schon damals,
dass den Verbänden adäquate Beteiligungsrechte einge-
räumt werden. Wir Grüne haben auch schon damals das
Gleiche gefordert wie heute; der Europäische Gerichts-
hof hat uns recht gegeben. Sie hätten sich viel Ärger
ersparen können, wenn Sie auf uns gehört und eine
umfassende Umsetzung des EU-Rechtes im Sinne der
stärkeren Beteiligung der Öffentlichkeit vorangetrieben
hätten.

Sie wollten sich damals nicht von uns überzeugen las-
sen, was uns nicht überrascht. Aber wären Sie doch der
Empfehlung des Sachverständigenrats für Umweltfra-
gen, des offiziellen Regierungsberatungsgremiums,
gefolgt! Der schrieb damals an den Umweltausschuss:
Der SRU hält den vorliegenden Gesetzentwurf in einem
entscheidenden Punkt für sachlich unbefriedigend und
europarechtlich fragwürdig, nämlich hinsichtlich der
Beschränkung der Verbandsklage darauf, die Verletzung
individueller Rechte geltend machen zu können.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs bestätigte
nun fünf Jahre später diese Einschätzung des Sachver-
ständigenrates für Umweltfragen vollkommen. Das war
mal wieder ein Beweis für die unschätzbare Kompetenz
des SRU. Dass einige Kolleginnen und Kollegen Pro-
bleme haben, den guten fachlichen Rat des SRU anzu-
nehmen, haben insbesondere die Koalitionsfraktionen in
den letzten Tagen wieder in peinlichster Art und Weise
bewiesen.

Aber vergessen wir die Fehler der Vergangenheit!
Lassen Sie uns gemeinsam endlich eine europa- und völ-
kerrechtlich konforme Anpassung des deutschen
Umweltrechts vornehmen! Genau dem dient unser
Gesetzentwurf. Wir hoffen, dass Sie sich einen Ruck
geben und diesen Entwurf konstruktiv mit uns in den
Ausschüssen beraten, damit wir möglichst schnell zu
einer Verabschiedung des Gesetzes kommen. Spätestens
im Mai 2012, zum ersten Jahrestag des „Trianel“-
Urteils, sollte eine entsprechende Gesetzesänderung in
Kraft getreten sein. Das sind wir den Bürgerinnen und
Bürgern, die sich für die Rechte der Umwelt engagiert
einsetzen, schuldig.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714931500

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-

wurfs auf Drucksache 17/7888 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
andere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die
Überweisung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin
Werner, Annette Groth, Wolfgang Gehrcke, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Menschenrechte und Demokratie in den Staa-
ten des Südkaukasus fördern

– Drucksache 17/7645 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und
Humanitäre Hilfe (f)


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(C (D Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die eden zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolleinnen und Kollegen liegen dem Präsidium vor. Der Einsatz für Menschenrechte ist weltweit erforder ch und muss mit konsequenter Beständigkeit betrieben erden. Die Einhaltung der Menschenrechte ist ethi ches Fundament für die demokratische, wirtschaftliche nd kulturelle Entwicklung eines jeden Landes. Das innsive Bemühen für die Anerkennung und Wahrung der enschenrechte ist ein Teil der wertegeleiteten Außen olitik der CDU/CSU. Die drei Staaten des Südkaukaus, denen wir uns in dieser Debatte zuwenden, sind elbstverständlich in diese grundlegenden Aussagen inbezogen. Die Bundesregierung thematisiert die Menschenchtslage in bilateralen Gesprächen mit allen drei Süd aukasusstaaten regelmäßig und erinnert an internatioale Verpflichtungen. Flankiert werden diese Bemühngen durch die Unterstützung im Rahmen der Entwickngszusammenarbeit im Schwerpunktprogramm „Deokratie, Kommunalentwicklung und Rechtsstaat“ urch die Rechtsund Justizberatung in den drei Südaukasusstaaten. Seit dem Ende der Sowjetunion und den nachfolgenen staatlichen Unabhängigkeiten vor 20 Jahren haben rmenien, Aserbaidschan und Georgien Entwicklungen urchlaufen, die von innenpolitischen, sozialen und irtschaftlichen Umbrüchen gekennzeichnet waren. riege und Vertreibungen großer Bevölkerungsgruppen ählten dazu. Im Mai 2009 gründeten die 27 Mitgliedtaaten der Europäischen Union mit sechs Ländern Osturopas und des Südkaukasus die „Östliche Partnerchaft“ im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftsolitik. Unter ihnen sind Armenien, Aserbaidschan, und eorgien. Mit dem Projekt der Östlichen Partnerschaft wird das auptziel verfolgt, die EU und die Partnerländer unter em Dach der europäischen Nachbarschaftspolitik polisch und wirtschaftlich einander anzunähern. Beziehunen sollen in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenchaft und Kultur intensiviert werden. Es geht auch arum, Kontakte zwischen den Menschen in der EU und en Partnerländern zu fördern. Das ist für die Länder, enen keine Beitrittsperspektive in die EU eröffnet wird, in wichtiges Projekt. Denn hier entsteht durch Aususch eine Annäherung an europäische Werte. Dabei pielen die Menschenrechte eine wesentliche Rolle. Der nstoß politischer Reformen in diesen Ländern, die ringend notwendig sind, rangiert weit vor wirtschaftliher Zusammenarbeit zum Beispiel im Bereich der Eneriewirtschaft. Die EU ist der wichtigste Handelspartner r die drei Südkaukasusstaaten. Das steht dem Engageent der EU im Bereich der Menschenrechte in der Reion nicht entgegen, sondern befördert es. )

Erika Steinbach-Hermann (Plos):
Rede ID: ID1714931600

(A) )

Der Aktionsplan, der im Rahmen der Europäischen
Nachbarschaftspolitik mit Aserbaidschan im Jahr 2006
vereinbart wurde, enthält wichtige Reformforderungen
in den Bereichen Justiz und Verwaltung, Bürgerrechte
und demokratische Standards. Dringend notwendig sind
Reformen – das ist besonders hervorzuheben; denn trotz
der nunmehr zehnjährigen Mitgliedschaft der drei Süd-
kaukasusstaaten im Europarat und den damit verbunde-
nen menschenrechtlichen Verpflichtungen, bestehen
große Defizite bei der Umsetzung der Menschenrechte.
So ist Angaben von Menschenrechtsgruppen zufolge von
einer Vielzahl politischer Gefangener in Aserbaidschan
auszugehen. Der Sonderberichterstatter des Europara-
tes für politische Gefangene, der Abgeordnete Christoph
Strässer, erhielt bislang kein Einreisevisum, um prüfen
zu können, inwieweit die Standards der Europäischen
Menschenrechtskonvention eingehalten werden. Inter-
nationale Organisationen und Oppositionelle werfen
der Regierung Aserbaidschans Einschränkungen bür-
gerlicher Grundrechte vor. Presse- und Meinungsfrei-
heit sind ebenso wie Versammlungsfreiheit stark einge-
schränkt. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und
die Freiheit der Medien sind auch in Armenien stark ein-
geschränkt. Kritische Journalisten werden in ihrer Ar-
beit behindert. Eine fehlende Unabhängigkeit der Justiz
ist auch für Armenien zu beanstanden.

In Georgien sind die Demokratieversprechen noch
nicht eingelöst. Deutschland stellte in den vergangenen
sieben Jahren Mittel in Höhe von rund 3 Millionen Euro
für den Aufbau einer rechtsstaatlichen und unabhängi-
gen Justiz zur Verfügung. Die Chancen Georgiens, auf
dem Weg der Reformen im Bereich der Menschenrechte
voranzukommen, erhöhen sich wesentlich durch die eu-
ropäische Politik der „Östlichen Partnerschaft“ und die
im Sommer 2010 aufgenommenen Verhandlungen über
ein Assoziierungsabkommen. Die Menschenrechte und
die Demokratie in den Staaten des Südkaukasus fördern
Deutschland und die Europäische Union bereits vielfäl-
tig. Den vorliegenden Antrag lehnen wir ab, da er in be-
kannter Tradition der Verfasser ein unrealistisches Bild
zeichnet und unterstellt, dass dem nicht so sei.


Ullrich Meßmer (SPD):
Rede ID: ID1714931700

Die Europäische Union bezieht die Länder des Süd-

kaukasus – Armenien, Georgien und Aserbaidschan –
seit 2004 in ihre Nachbarschaftspolitik ein. Bei allen
wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen
Europas gilt es vor allem, die Lage der Menschen in die-
ser Region in den Fokus zu nehmen. Die Forderung
nach einer Förderung von Menschenrechten und Demo-
kratie in den Staaten des Südkaukasus ist daher aus-
drücklich zu begrüßen.

Alle drei Staaten haben – jeweils spezifisch – nach ih-
rer Unabhängigkeit eine Reihe innenpolitischer, wirt-
schaftlicher und sozialer Entwicklungen und Konflikte
durchlaufen, ja sogar Kriege erlebt. Eine vollständige
Stabilität ist noch nicht erreicht, und wir tun gut daran,
diese Länder im Rahmen der Nachbarschaftspolitik wei-
ter auf ihrem Weg zu begleiten, auch weil die Folgen der
Kriege, in erster Linie die Menschenrechtsverletzungen
durch Flucht und Vertreibung, noch aufgearbeitet und

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Zu Protokoll ge

(C (D ie Verantwortlichen teilweise noch zur Rechenschaft ezogen werden müssen. Dabei sind die weitere Entwicklung der Demokratie allen drei Ländern sowie die Förderung der Zivilge ellschaft mit ihren spezifischen Institutionen sowie die inhaltung der Menschenrechte die Richtschnur unserer ooperation. Ich begrüße, dass Sie sich mit Ihrem Antrag für die inaftierten kritischen Journalisten, die Kriegsdienstvereigerer und für Menschenrechtsverteidiger und -verteiigerinnen einsetzen. Und ich stimme Ihnen zu, wenn Sie it Ihrem Antrag fordern, dass den WSK-Rechten der leiche Stellenwert eingeräumt wird wie den bürgerlihen und den politischen Rechten. Menschenrechte, das ird immer wieder deutlich, können nur in ihrer Ge amtheit verwirklicht werden. Sie sind immer unteilbar nd aufeinander bezogen. Diese Interdependenz hat die SPD in allen ihren Anägen, sei es zu Wasserund Sanitärversorgung, sei es u den WSK-Rechten, sei es zu den Guiding Principles der den OECD-Leitsätzen, immer wieder beschrieben. s ist daher selbstverständlich, dass die wirtschaftlihen, kulturellen und sozialen Menschenrechte genauso efördert werden müssen wie die bürgerlichen und die olitischen. Konkret auf die Länder des Südkaukasus bezogen beeutet das, dass Armut und Korruption genauso beämpft werden müssen, wie Meinungsund Pressefreieit garantiert sein muss, dass freier Zugang zu Bildung nd beruflicher Entwicklung Männern wie Frauen gleihermaßen offenstehen muss, ebenso wie gesellschaftlihe Partizipation. Und damit eng verbunden: Es muss in Diskriminierungsverbot und ein Verbot für Kinderrbeit ohne Einschränkungen gelten. Gesundheitsfürorge und soziale Absicherung sind auszubauen, damit ie wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung estützt wird. Aber die Entscheidungshoheit über den Weg dorthin ollte dem jeweiligen Land obliegen. Marktwirtschaftlihe Prinzipien und die Durchsetzung von Menschenchten müssen dabei kein Widerspruch sein. Soziale arktwirtschaft mit funktionierenden Arbeitnehmerchten und starken Gewerkschaften kann im Gegenteil ogar helfen, die Durchsetzung von Menschenrechten zu efördern. Eine funktionierende Wirtschaft wird bei verünftigen Löhnen und umfassender Beschäftigung ein and zu Wohlstand zu führen. Staatseinnahmen – wenn ie zum Wohle der Bevölkerung eingesetzt werden – steiern in der Regel auch die Lebensqualität. Von guter usbildung und Gesundheitsvorsorge wiederum profiert erneut auch die Wirtschaft. Hier bedingen sich der rfolg der Wirtschaft und erfolgreiche gesellschaftliche ntwicklung gegenseitig. Diese Gegenseitigkeit darf nicht zulasten der Arbeitehmer und der Familien gehen, aber wirtschaftliche rosperität widerspricht eben auch nicht per se einer in enschenrechtlicher und demokratischer Hinsicht guten ntwicklung. Demokratie und Menschenrechte sind Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17935 Erika Steinbach gebene Reden )


(A) )

eben auch untrennbar mit dem Begriff der Freiheit ver-
bunden.

Wir lehnen es ab, Festlegungen auf eine bestimmte
Form der Gesellschaft oder Wirtschaft zu betreiben. Un-
ser Maßstab ist die Einhaltung der wirtschaftlichen, so-
zialen und kulturellen Rechte in den Unternehmen und
Staaten.

Lassen Sie uns vielmehr die Länder des Südkaukasus
begleiten und die Gesellschaften der jeweiligen Länder
auf ihrem spezifischen, eigenen Weg zu Demokratie und
Menschenrechten unterstützen. Unser Fokus muss dabei
auf den Menschen und der Zivilgesellschaft liegen; ihre
Interessen und ihre Rechte gilt es im Rahmen der Nach-
barschaftsbeziehungen zu befördern – oder falls not-
wendig: einzufordern.


Marina Schuster (FDP):
Rede ID: ID1714931800

Am 26. Mai 2012 findet in Baku das Finale des Euro-

vision Song Contest statt. Das ist ein Anlass, bei dem
sich Besucher, Reporter und die Öffentlichkeit sicher tie-
fer mit dem Land auseinandersetzen werden. Die parla-
mentarische Versammlung des Europarates, bei der ich
mit großem Herzblut dabei bin, hat in der Junisitzung ei-
nen wichtigen Bericht von meinem sehr geschätzten Kol-
legen Dick Marty angenommen. Er hat dabei den Be-
richt, Dok. 12634, vorgestellt mit dem Titel „The
progress of the Assembly’s monitoring procedure“ und
dabei eine Reihe von Staaten untersucht, nämlich zehn
Staaten, die dem Monitoring unterliegen und vier, die
dem sogenannten Postmonitoring unterliegen.

Dabei stellt sein Memorandum unter Punkt 22 fest,
dass bei den Wahlen in Aserbaidschan im November
2010 eine Reihe von Unzulänglichkeiten aufgetreten ist,
nicht nur am Wahltag selbst. Die notwendigen Voraus-
setzungen für kompetitive Wahlen waren nicht gegeben.
Es gab unter anderem keine ausbalancierte Medien-
berichterstattung und eine Reihe von Hürden bei der
Registrierung von Parteien oder bei der Ermöglichung
eines freien Wahlkampfs. Überdies führt der Bericht aus,
dass es bei den fundamentalen Menschenrechten, insbe-
sondere bei der freien Meinungsäußerung und der Ver-
sammlungsfreiheit „outstanding concerns“, also sehr
große Besorgnis, gibt. Dies wird auch von Amnesty
International bestätigt: Journalisten und zivilgesell-
schaftliche Aktivisten werden Schikanen ausgesetzt.
Nicht nur die Versammlungsfreiheit wird von den aser-
baidschanischen Behörden massiv eingeschränkt.

Die konstante Zunahme von Repressionen gegenüber
Andersdenkenden – im Inland wie im Ausland – ist
besonders auffällig. Ausweislich des Berichts von Am-
nesty International „The Spring That Never Blossomed –
Freedoms suppressed in Azerbaijan“ wurde die Mei-
nungsfreiheit seit 2009 noch weiter eingeschränkt. Wirt-
schaftlicher Wohlstand und relative Stabilität täuschen
nicht darüber hinweg, dass die Regierung in Baku die
Zügel weiter anzieht. Zunehmend richtet sich die Verfol-
gung auch gegen Meinungsäußerungen im Internet, so
der Bericht von Amnesty. Blogger, die zu Protesten auf-
rufen, werden verhaftet und Internetnutzer insgesamt

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Zu Protokoll ge

(C (D ezielt diskreditiert. So hat das staatliche Fernsehen ehrfach Facebook-Nutzer als geisteskrank dargestellt. Neben diesen besorgniserregenden Entwicklungen uss ich hier noch einen mehr als unschönen Sachveralt ansprechen, der die Parlamentarische Versammng des Europarates betrifft. Aserbaidschan ist 2001 em Europarat beigetreten. Mit diesem Schritt ist der eitritt zur europäischen Menschenrechtskonvention erbunden – dazu hat sich Aserbaidschan selbst verflichtet. Es ist mir daher mehr als unverständlich, ieso Aserbaidschan den von der Parlamentarischen ersammlung beauftragten Sonderberichterstatter für olitische Gefangene, Christoph Strässer, der seit März 009 benannt ist, trotz mehrmaliger Aufforderungen ein Visum erteilt hat. Die Vorenthaltung eines Visums r den Berichterstatter Christoph Strässer ist nicht kzeptabel. Doch damit nicht genug. Aserbaidschan verucht sogar noch, Herrn Strässer persönlich zu diskredieren. Dieses Vorgehen kann und will ich nicht hinnehen und akzeptieren. Und das sage ich auch ganz klar: gal wer der Berichterstatter für welches Mandat auch mer wäre oder ist, von welchem Land oder welcher raktion, es gehört zu den elementaren Grundregeln des uroparates, den benannten Berichterstattern Zugang u ermöglichen. Es geht darum, sich vor Ort ein eigenes ild für den Europarat und uns alle machen zu können, wieweit die Standards der Europäischen Menschenchtskonvention eingehalten werden. Deswegen war es ichtig, dass der Ausschuss für Menschenrechte und huanitäre Hilfe des Deutschen Bundestags am 9. Novemer 2011 eine gemeinsame Erklärung, Ausschussdruckache 17(17)116, verabschiedet hat. Dies war ein eutliches und wichtiges Signal an Baku. Aserbaidschan uss sich vorbehaltlos an seinen Verpflichtungen im Euparat messen lassen. Dass sich die Fraktion Die Linke ierbei enthalten hat, ist absolut nicht nachvollziehbar. er sich wie die Linke dieser Forderung nicht nschließt, disqualifiziert sich außenund menschenchtspolitisch. Aber nicht nur die Situation innerhalb Aserbaidchans bereitet mir Sorge. Die Stabilität der gesamten egion muss verbessert werden. Gerade der Konflikt um as Gebiet Nagorny-Karabach und das damit verbunene angespannte Verhältnis zu Armenien haben nmittelbare Auswirkungen auf die gesamte Region im üdkaukasus. Alle Beteiligten sind unbedingt aufgeforert, an konstruktiven Lösungen zu arbeiten und diese uch vorbehaltlos anzugehen. Der Sicherheitsrat der ereinten Nationen verurteilte 1993 in mehreren Resoluonen die Besetzung der mit Bergkarabach benachbarn Regionen Aserbaidschans und forderte den Rückzug er Besetzungstruppen. Schon unmittelbar nach Ausruch der Kämpfe bemühte sich die OSZE in der sogeannten Minsk-Gruppe um Vermittlung. Im Rahmen der uropäischen Nachbarschaftspolitik, insbesondere der stlichen Partnerschaft, werden sich Deutschland wie eine Partner in der Europäischen Union weiterhin für ine konstruktive und nachhaltige Lösung des Konflikts insetzen. Hierbei müssen sich aber Armenien und Aseraidschan ihrer übergeordneten Verantwortung für die esamte Region bewusst sein. 17936 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Ullrich Meßmer gebene Reden )


(A) )

Aber auch ein Blick nach Armenien selbst ist notwen-
dig. So kritisierte Amnesty International die Vorgänge
nach der Präsidentschaftswahl 2008. Infolge von Mas-
senprotesten wegen der umstrittenen Präsidentschafts-
wahl im Februar wurde für 20 Tage der Ausnahmezu-
stand verhängt, woraufhin bürgerliche sowie politische
Rechte für den Rest des Jahres rigoros beschnitten blie-
ben. Die Rechte auf Versammlungsfreiheit und freie Mei-
nungsäußerung waren stark eingeschränkt. Nach ihrem
Besuch in Armenien im September 2010 äußerte sich die
UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen
besorgt über Misshandlungen und Prügel gegen Unter-
suchungsgefangene und Häftlinge. Auch beanstandete
sie, dass Untersuchungsgefangene unter Druck gesetzt
wurden, um ihnen Geständnisse abzupressen. Auch
Armenien gilt also aufgefordert, die Europäische Men-
schenrechtskonvention voll umzusetzen. Im Bericht von
Dick Marty, den ich zu Beginn erwähnt habe, wird
Armenien zudem aufgefordert, gerade im Hinblick auf
die Wahlen im Mai 2012 eine umfassende Wahlrechtsre-
form umzusetzen, mit dem Ziel, faire und gleiche
Bedingungen für alle Wahlbewerber herzustellen und
das öffentliche Vertrauen in den Wahlprozess zu erhö-
hen.

Zum Schluss erlauben Sie mir, dass ich noch kurz auf
Georgien eingehe. Ausführlich werden wir dies im Aus-
schuss tun. Wir wissen, dass der Aufarbeitung der Ver-
stöße gegen das humanitäre Völkerrecht, die während
des Kriegs zwischen Georgien und Russland im August
2008 und unmittelbar danach begangen wurden, eine
ganz entscheidende Rolle zukommt; denn es gibt eine
Reihe von Nachwirkungen. Die EU hat seit dem geor-
gisch-russischen Krieg eine wichtige Rolle bei der Kon-
fliktlösung, unter anderem durch die EU-Beobachter-
mission EUMM. Zu den Eckpfeilern der EU-Politik
gehören die territoriale Integrität und Souveränität Ge-
orgiens, die Ablehnung des Aufbaus russischer Militär-
basen in Abchasien und Südossetien und der Aufruf zur
friedlichen Konfliktlösung unter Nutzung der EU-ge-
führten Genfer Gespräche. Die Probleme des Südkauka-
sus sind vielfältig. Die bislang ungelösten Regionalkon-
flikte in der Region bereiten weiterhin Grund zur Sorge.
Sie haben unmittelbaren Einfluss auf die Menschen-
rechtslage und damit die Lebenssituation der Menschen
vor Ort. Daher ist das abgestimmte Vorgehen der Bun-
desregierung mit seinen Partnern in EU und OSZE wei-
terhin fortzusetzen und zu begrüßen.


Katrin Werner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714931900

Die Europäische Union verhandelt gegenwärtig mit

den Staaten des Südkaukasus über den Abschluss von
Assoziierungsabkommen für umfassenden Freihandel.
Die Linke interessiert sich dafür, wie sich die bisherige
Nachbarschaftspolitik der EU auf die Menschenrechts-
situation in den Südkaukasusländern ausgewirkt hat. Es
muss geprüft werden, ob die Politik der Bundesregie-
rung und der EU überhaupt der Förderung von Demo-
kratie zugutekommt oder ob damit vor allem eigene Inte-
ressen verfolgt werden.

Die EU-Nachbarschaftspolitik im Südkaukasus trägt
in erheblichem Maß dazu bei, dass die Entwicklung von

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(C (D enschenrechten und Demokratie stagniert. Im Kern ersucht die EU nichts anderes, als unter dem Deckmanl von „guter Regierungsführung“ ihre neoliberalen irtschaftsinteressen durchzusetzen. Die EU will priär einen ungehinderten Zugang zu den dortigen Märkn, um die Südkaukasusländer mit den eigenen, technogisch höher entwickelten und wettbewerbsfähigeren xportprodukten zu überschwemmen. Der Handelsvoril liegt somit eindeutig aufseiten der EU. Vor allem eorgien und Armenien bleibt aufgrund fehlender Roh toffressourcen nichts anderes übrig, als sich auf wenige reisgünstige Nischenprodukte zu spezialisieren, die sie xportieren können. In Aserbaidschan liegen die Dinge nders: Das Land erzielt mit dem Verkauf von Erdöl und rdgas hohe Einnahmen und investiert stattdessen in die odernisierung seiner Binnenwirtschaft. Da sich die errschenden Eliten in Georgien und Armenien den eoliberalen Marktöffnungsdiktaten bislang nicht wiersetzt haben, fällt die Menschenrechtskritik der EU ehr leise aus. Aserbaidschan wird demgegenüber ween ständiger Menschenrechtsverletzungen angepranert, vor allem im Europarat ist dies häufig der Fall. enn die EU von der aserbaidschanischen Regierung ine verbindliche Zusage für die Nabucco-Pipeline beäme, würde die Kritik wohl schnell verstummen. Die Linke fordert die Bundesregierung auf: Beenden ie ihr doppeltes Spiel in Menschenrechtsfragen! Songe bei uns selbst menschenrechtlich skandalöse Zu tände wie Kinderund Altersarmut, millionenfache preäre Beschäftigung, Ausgrenzung von Flüchtlingen und azi-Terror gegen Migrantinnen und Migranten herr chen, steht es Deutschland nicht zu, mit erhobenem Zeiefinger andere Länder zurechtzuweisen. Aktuell beabichtigt die EU mit Unterstützung der Bundesregierung ogar, mit Armenien und Aserbaidschan Verhandlungen ber Rückübernahmeabkommen aufzunehmen. Das pricht Bände. Erst wenn die Bundesregierung und die U ihre Politik der Doppelstandards aufgeben, sind sie Fragen von Menschenrechten und Demokratie gegen ber anderen Ländern überhaupt glaubwürdig. Die inke fordert, dass die Bundesregierung in der Menchenrechtspolitik den wirtschaftlichen, sozialen und ulturellen Rechten die gleiche Bedeutung einräumt wie en bürgerlichen und politischen Rechten. Menschrechte ind universale Rechte und unteilbar. Politische und soiale Rechte sind zwei Seiten derselben Menschenrechtsedaille. Selbstverständlich ist uns die politische Menschenchtssituation in den Südkaukasusländern nicht egal. s grenzt aber schon an Realitätsverweigerung, dass ahezu ausschließlich Aserbaidschan mit einer zum Teil aßlos überzogenen Kritik an den Pranger gestellt ird. Ich will dies am Bespiel der sogenannten politi chen Gefangenen verdeutlichen. Dem Human Rights entre in Tbilisi zufolge gibt es in Georgien 50 bis 0 Personen, die aus politischen Gründen inhaftiert ind. In Armenien sitzen laut Amnesty International dereit allein 73 Wehrpflichtige, die den Kriegsdienst aus ewissensgründen ablehnen, unter erschwerten Bedinungen in Haft. In Aserbaidschan sind derzeit zwischen und 17 Oppositionelle inhaftiert. Diese GrößenunterDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17937 Marina Schuster gebene Reden )


(A) )

schiede sind schon beachtlich. Dennoch sagt die Linke:
Jede und jeder Oppositionelle in Haft ist eine bzw. einer
zu viel. Alle haben ein Recht auf faire Gerichtsverfahren
und müssen gegebenenfalls freigelassen werden.

Die Presse- und Meinungsfreiheit ist in allen drei
Ländern nicht frei von politischer Bevormundung durch
staatliche Stellen. Armenien hat in diesem Bereich in
den letzten Jahren aber Verbesserungen erzielt. Aus die-
sem Grund möchte ich mit Nachdruck an die armenische
Regierung appellieren, auch das Einreiseverbot gegen
den bekannten Journalisten André Widmer aufzuheben,
der kritisch über die Situation in den armenisch besetz-
ten Gebieten in Aserbaidschan berichtet hat.

Bei den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Rechten nimmt Aserbaidschan den Spitzenplatz ein. Bei
der Religionsfreiheit und den Rechten von Minderheiten
kann das Land auf eine lange historische Tradition der
gesellschaftlichen Toleranz zurückblicken, von der auch
manche EU-Staaten lernen könnten. Zudem hat der
Staat mittels einer aktiven Umverteilungspolitik und
massiver staatlicher Infrastrukturinvestitionen die vor-
mals hohe Massenarmut und Massenerwerbslosigkeit
nachhaltig abgebaut. Die grundsätzliche Entwicklungs-
richtung stimmt, auch wenn noch finanzielle Spielräume
für die Steigerung der Masseneinkommen und für stär-
keren sozialen Ausgleich bestehen. Die erzielten Erfolge
sollten allerdings gewürdigt werden, dies gehört aus un-
serer Sicht zu einer ehrlichen Menschenrechtsbilanz
dazu.

In Georgien und Armenien ist die soziale Situation
dagegen sehr angespannt und von dauerhafter Massen-
armut geprägt. Den dahinterliegenden Zusammenhang
kennen wir auch aus dem eigenen Land: Durch unge-
hemmten Marktradikalismus werden Menschen ihrer so-
zialen Rechte beraubt und materiellen Existenznöten
ausgesetzt. Wenn der Staat hingegen wirtschaftlich in-
terveniert, können soziale Rechte gesichert oder vielfach
erst durchgesetzt werden.

Die Entwicklung von Menschenrechten und Demo-
kratie erfordert ein stabiles gesellschaftliches Umfeld
und geeignete politische Rahmenbedingungen. Ein
großes Hindernis sind hierbei die territorialen und zwi-
schenstaatlichen Konflikte im Südkaukasus. Insbeson-
dere der Konflikt zwischen Armenien und Aserbai-
dschan um Berg-Karabach droht in jüngster Zeit wieder
aufzuflammen. Verletzungen des Waffenstillstands an
der sogenannten Kontaktlinie sind eher die Regel als die
Ausnahme. Im Frühjahr 2011 wurde der erst neunjäh-
rige Fariz Badalov von einem mutmaßlichen Scharf-
schützen getötet, und vor wenigen Tagen verloren erneut
zwei junge Soldaten ihr Leben.

Die Linke fordert einen absoluten Gewaltverzicht und
die friedliche Lösung des Konflikts. Der Konflikt muss
auf Basis des Völkerrechts gemäß den Beschlüssen der
UNO und den Vereinbarungen der Minsker Gruppe der
OSZE gelöst werden. Die Linke hat einseitige Sezessio-
nen stets abgelehnt und verteidigt die Prinzipien der ter-
ritorialen Integrität und staatlichen Souveränität. Zwi-
schen dem Selbstbestimmungsrecht und der territorialen
Integrität besteht kein zwangsläufiger Widerspruch. Das

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(C (D elbstbestimmungsrecht lässt sich auch im Rahmen eier innerstaatlichen Autonomie verwirklichen. Ebenso önnen Gebietsaustausche im gegenseitigen Einvernehen durchgeführt werden. Dies bedeutet konkret, dass rmenien die Besetzung von Staatsgebieten Aserbaischans beenden muss. Die Flüchtlinge und Binnenveriebenen auf beiden Seiten haben ein Recht darauf, in re früheren Wohnorte zurückzukehren. Die Linke fordert die Bundesregierung auf, in der insker Gruppe der OSZE aktiv mitzuarbeiten und sich tärker für die friedliche Konfliktbeilegung zu engagien. Dies wäre für die Situation der Menschen und die emokratieentwicklung in den Südkaukasusländern eitaus wichtiger als neue Freihandelsabkommen, von enen nur europäische Großkonzerne und die politichen Eliten profitieren. Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Europa und besonders auch Deutschland widmen der

egion Südkaukasus zu wenig Aufmerksamkeit. Der
aukasus wird im Allgemeinen nur als Transitstrecke
r Pipelines wahrgenommen. Oder er gerät in die

chlagzeilen, wenn es richtig kracht, wie bei der kriege-
ischen Auseinandersetzung zwischen Georgien und
ussland im August 2008. Deshalb freue ich mich, dass
ie Linken einen Antrag zu den Menschenrechten im
üdkaukasus vorgelegt haben. Auch wir Grünen be-
chäftigen uns intensiv mit den Staaten im Südkaukasus.
h selbst bereiste in den letzten beiden Jahren alle drei
änder und führte ausführliche Gespräche sowohl mit
ffiziellen Vertreterinnen und Vertretern als auch mit
ichtregierungsorganisationen.

Zunächst zur Außenpolitik. Bereits im Mai 2009 ha-
en die Mitgliedstaaten der EU im Rahmen der Europäi-
chen Nachbarschaftspolitik, ENP, das an die regiona-
n Bedingungen angepasste Programm der Östlichen
artnerschaft, ÖP, aufgelegt. Das übergeordnete Ziel
ieser Partnerschaft lautet, durch die Förderung von
arktwirtschaft und Demokratie die östlichen Nachbar-

taaten der EU nachhaltig zu stabilisieren. Mithilfe der
tzt aufgelegten Neuausrichtung sollen mittels einer

tärkeren Konditionalisierung von EU-Hilfen demokra-
sche Reformprozesse gestärkt werden. Bei Nichteinhal-
ng von Menschenrechts- und Demokratiestandards

ollen EU-Finanzhilfen gekürzt werden und möglicher-
eise auch Sanktionen greifen. Das heißt umgekehrt,
ass die Umsetzung der Reformschritte durch die Part-
erländer durch eine zielgerichtete Erhöhung der EU-
nterstützung belohnt wird.

„Die Menschen in den Partnerstaaten müssen direkt
om politischen Wandel in ihrem Land profitieren“, so
ntwortete die Bundesregierung in unserer Kleinen An-
age zur Neuausrichtung der Europäischen Nachbar-

chaftspolitik. Wir fordern daher die Stärkung der Zu-
ammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.

Ich beginne mit Georgien. Ich stimme den Kollegin-
en und Kollegen der Linksfraktion in einem Punkt zu:
ie Menschenrechtslage in Georgien hat sich in den
tzten Jahren leider verschlechtert. Wir bewerten die
17938 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Katrin Werner
gebene Reden

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17939

Viola von Cramon-Taubadel


(A) )


)(B)

autoritären Tendenzen des Saakaschwili-Regimes sehr
kritisch. Die Bereitschaft des Präsidenten Saakaschwili,
für seinen Machterhalt auf repressive Mittel zurückzu-
greifen, erregt große Besorgnis. Die Schere zwischen
Arm und Reich ist größer geworden. Die Regierung ig-
noriert die sozialen Fragen weitgehend. Anzuerkennen
sind die Erfolge, die Saakaschwili in der Korruptionsbe-
kämpfung erzielt hat. So liegt Georgien jetzt auf
Platz 68, nachdem es 2005 noch auf Platz 130 von
178 bewerteten Ländern lag. Aber dieser Erfolg kann
nicht davon ablenken, dass soziale Mindeststandards
und Umverteilungsinstrumente fehlen. Die Arbeitslosig-
keit liegt bei etwa 17 Prozent, und etwa 30 Prozent der
Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Wir for-
dern die Bundesregierung auf, sich gegenüber der geor-
gischen Regierung für mehr Vielfalt in der politischen
Landschaft und vor allem auch für die Freilassung aller
politischen Gefangenen einzusetzen.

Die Lage der Binnenflüchtlinge ist noch immer unbe-
friedigend. 60 Millionen Euro erhält Georgien im Zeit-
raum 2011 bis 2013 aus dem Nachbarschafts- und Part-
nerschaftsinstrument der EU. Diese Mittel sollen nach
Auskunft der Bundesregierung unter anderem für die
Verbesserung der Lebensbedingungen der Binnenver-
triebenen aufgewendet werden.

Armenien, das kleinste der drei südkaukasischen
Staaten, kämpft nicht erst seit der Wirtschaftskrise 2008
ums wirtschaftliche Überleben. Die Industrie ist unter-
entwickelt, investiert wurde vor allem im Bausektor, die
Abhängigkeit von Überweisungen aus der Diaspora ist
immens. Ebenso verhindern Nepotismus, Korruption
– Armenien nimmt nach Transparency International im
Jahr 2010 Platz 134 von 178 ein – und ein ineffizientes
Steuersystem eine positive Wirtschaftsentwicklung. Der
Ombudsmann für Menschenrechte beklagt eklatante
Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Misshandlun-
gen auf Polizeiwachen, in Gefängnissen und der Psychi-
atrie. Seine Berichte führen leider kaum zu Veränderun-
gen.

Aserbaidschan ist das größte und bevölkerungs-
reichste Land des Südkaukasus. Die aserbaidschanische
Wirtschaft hängt an der Erdöl- und Erdgasindustrie.
Das ist der Grund für eine beeindruckende Wirtschafts-
entwicklung und positive Außenwirtschaftsdaten. Die
Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion loben
Aserbaidschan, weil die Regierung viel Geld in Sozial-
programme pumpt. Es ist sicher richtig, dass die Armut
in Aserbaidschan aufgrund der Einnahmen aus Öl und
Gas geringer ist als in Georgien oder Armenien, aber
sehr viel Geld fließt in die Aufrüstung, alleine 2010 sind
es knapp 1,5 Millionen US-Dollar. Präsident Ilham
Alijew regiert autokratisch. Die starke Einschränkung
von Medien- und Versammlungsfreiheit in Aserbai-
dschan beeinträchtigt die demokratische Chancen-
gleichheit. Die seit langem verzögerte Umsetzung von
eigens unterschriebenen Vorgaben des Europarates, ins-
besondere hinsichtlich der Medienfreiheit, muss scharf
kritisiert werden. Eine ganze Reihe führender Mitglieder
von Oppositionsparteien sowie weitere Aktivisten sitzen
in Untersuchungshaft. Blogger werden bedroht und ver-
folgt.

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(C (D Daher schließe ich mich den Forderungen des Auschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des eutschen Bundestages an und setze mich innerhalb der arlamentarischen Versammlung des Europarates dafür in, gegenüber Aserbaidschan darauf hinzuwirken, sich n die selbst auferlegten Standards als Mitglied des uroparates zu halten und umfassende Maßnahmen zur inhaltung der Europäischen Konvention zum Schutz er Menschenrechte und Grundfreiheiten einzuleiten. in wichtiger Schritt wäre in diesem Zusammenhang vor llem, Christoph Strässer, dem Beauftragten für Politiche Gefangene im Europarat, endlich – nach über zwei ahren Wartezeit – ein Visum für seine Fact-finding-Mision in Aserbaidschan zu erteilen. „Die Menschen in den Partnerstaaten im Südkaukaus müssen von den Reformen profitieren.“ Lassen Sie ns gemeinsam daran arbeiten, unter dem Dach einer eu ausgerichteten Europäischen Nachbarschaftspolitik en Menschen vor Ort eine Perspektive zu geben. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf rucksache 17/7645 an die in der Tagesordnung aufgehrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sie sind damit ein erstanden? – Widerspruch erhebt sich nicht. Dann ist as so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses dem Antrag der Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Volker Beck rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Qualität der Integrationskurse verbessern – Drucksachen 17/7639, 17/8179 – Berichterstattung: Abgeordnete Reinhard Grindel Daniela Kolbe Serkan Tören Ulla Jelpke Memet Kilic Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die eden zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolleinnen und Kollegen liegen dem Präsidium vor. Sprache ist ein Schlüssel zur erfolgreichen Inte ration. Deshalb wurde mit Inkrafttreten des Zuanderungsgesetzes ein Mindestrahmen staatlicher Ingrationsangebote geschaffen, dessen Kern der tegrationskurs ist. Inzwischen haben seit dem Jahr 005 mehr als 700 000 Zuwanderer an den Kursen teilenommen. Die hohe Nachfrage der vergangenen Jahre eigt: Das Modell der Integrationskurse ist eine Erfolgseschichte. Das sollten wir uns nicht zerreden lassen, ie es die Damen und Herren Kollegen von den Grünen dem Antrag, der diesem Tagesordnungspunkt ugrunde liegt, erneut versuchen. )

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714932000
Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1714932100

(A) )

Die Behauptung, die Teilnehmerzahlen seien infolge
von Sparmaßnahmen gesunken, ist falsch. Die Zahl der
Teilnehmer ist zwar in der Tat leicht rückgängig. Das ist
aber auf gesunkene Neuzuwandererzahlen zurückzufüh-
ren. Zudem ist die Zahl der bereits länger in Deutsch-
land lebenden Migranten mit eigenem Teilnahmeinte-
resse gesunken, da die Kurse bereits seit einigen Jahren
laufen. Darüber hinaus wird das Angebot an Kursen
inzwischen bedarfsgerechter ausgebaut, erkennbar zum
Beispiel an den Frauen- und Elternintegrationskursen.
Lassen Sie mich festhalten: Jeder Teilnahmeberechtigte
kann heute damit rechnen, innerhalb von circa vier Wo-
chen nach Antragstellung seinen Kurs zu beginnen.

Lassen Sie mich nun auf die einzelnen vermeintlichen
Missstände, die im Antrag aufgeführt werden, eingehen:
Bei den Integrationskursen der Bundesregierung wird
nicht gespart – und das trotz der angespannten Haus-
haltslage. Im Gegenteil: Die Mittel für die Kurse werden
im kommenden Jahr sogar noch einmal erhöht, und
zwar um weitere 6 Millionen Euro auf insgesamt
224 Millionen Euro.

Auch die Mindestvergütung der Lehrkräfte wird zu
Unrecht angegriffen. Zwar lässt sich nach Aussage des
BAMF kein Zusammenhang zwischen der Entlohnung
und der Qualität der Kurse feststellen. Ich halte dennoch
eine angemessene Entlohnung der Kursleiter für wichtig
und selbstverständlich. Hier ist aber die Bundesregie-
rung der falsche Ansprechpartner: Für die Bezahlung
der Lehrkräfte sind allein die zugelassenen Kursträger
verantwortlich. Derzeit gibt es über 1 400 Integrations-
kursträger. Deshalb fällt die Bezahlung der Kursleiter
entsprechend unterschiedlich aus. Der überwiegende
Teil der Kursträger wirtschaftet effizient und verantwor-
tungsvoll mit den Geldern, die zur Durchführung der
Integrationskurse zur Verfügung stehen, und bezahlt
seine Lehrkräfte adäquat. Kursträger, die ihren Lehr-
kräften Dumpinglöhne von unter 18 Euro pro Unter-
richtsstunde bezahlen, erhalten vom BAMF nur noch
Zulassungen für ein Jahr. Dies waren im Jahr 2010 aber
nur 40 Träger.

Ein weiterer Kritikpunkt ist auch, dass die bisherigen
Erhöhungen des Budgets für Integrationskurse inner-
halb der Träger verbleiben und nicht weitergegeben
werden. Hier musste das BAMF in der Tat in der Vergan-
genheit leider wiederholt feststellen, dass Erhöhungen
nicht von allen Kursträgern an ihre Lehrkräfte weiter-
gegeben worden sind.

Unabhängig davon ist das Abhalten von Integrations-
kursen auch nicht als Hauptberuf bzw. einziger Job der
Lehrkräfte angedacht gewesen. Dies zeigen auch die
Daten zu den Kursleitern: Lediglich circa ein Drittel
sind in diesem Gebiet hauptberuflich tätig. Ein weiteres
Drittel sieht in dieser Tätigkeit einen Nebenverdienst;
für das letzte Drittel stellt diese Tätigkeit lediglich eine
Übergangsbeschäftigung dar. Es erscheint somit nicht
unbillig, die Kursleiter analog zu anderen Volkshoch-
schul-Kursleitern zu betrachten, die ebenfalls nicht ein-
zig und allein von ihren Kurshonoraren leben.

Hier spielt aber noch ein anderer Punkt mit hinein:
Wir müssen zwischen Integrationskursen in Städten und

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(C (D ländlichen Raum unterscheiden. Tatsächlich leben ehr als 50 Prozent der Migranten bei uns im ländchen Raum. Dort unterliegt die Durchführung von tegrationskursen besonderen Herausforderungen: ftmals sind die Herkunftsländer so divers, dass nur chwer gemeinsame Gruppen zustande kommen. Auch t der Einzugsbereich für die Kursteilnehmer größer, as zu längeren Anfahrtswegen führt. Oft scheitert das ustandekommen eines Integrationskurses aber auch an angelnder Kooperation zwischen den Kursträgern, twa wenn die Mindestteilnehmerzahl nicht erreicht ist. nter diesen Bedingungen müssen die Integrationskurse ber von den Trägern auch noch wirtschaftlich angebon werden. Daran zeigt sich erneut, dass sich die Forerung nach einer erheblich steigenden Mindestvergüng der Kursleiter nur mit enormem finanziellem ufwand erfüllen ließe. Allerdings wird auch in Zukunft ein bundesweites, ächendeckendes Angebot an Integrationskursen aufrund sinkender Nachfrage oder des demografischen andels nicht im vollen Umfang aufrechtzuerhalten ein. Hier verspielt der vorliegende Antrag die Chance, uf andere Lehrmethoden, wie zum Beispiel den Einsatz on E-Learning und digitale Medien, einzugehen. Was den Besuch von Teilzeit-Integrationskursen aneht, liegt der Antrag erneut falsch: Teilzeitkurse mit indestens 15 Wochenstunden können nämlich ohne inschränkungen durchgeführt werden. Lediglich bei iner Unterschreitung dieser Mindestwochenstundenahlen ist eine Genehmigung durch das Bundesamt rforderlich. Im Jahr 2011 wurden dennoch bisher über 50 solcher Kurse genehmigt, bei denen den Teilnehern aus persönlichen Gründen (zum Beispiel wegen ntgegenstehender Arbeitsverhältnisse)

n einem Kurs mit höherer Wochenstundenzahl nicht
öglich war.

Lassen Sie mich zuletzt noch auf die Kinderbetreuung
ingehen: Die integrationskursbegleitende Kinderbe-
euung ist derzeit zwar nur für Spätaussiedler aus-
rücklich geregelt. Da es aber der Regierung wie dem
AMF ein besonderes wichtiges Anliegen ist, den
ltern, vor allem den Müttern, bei Bedarf durch eine
inderbetreuung die Kursteilnahme zu ermöglichen, hat
as Bundesamt ein entsprechendes Angebot mit Eltern-,
rauen- und Alphabetisierungskursen eingerichtet. Seit
pril 2010 finanziert das Bundesamt Betreuungsmaß-
ahmen, soweit in einer Maßnahme mindestens drei
erechtigte Kinder, das heißt Kinder von Spätaussied-
rn oder von Teilnehmern an Eltern-, Frauen- und
lphabetisierungskursen vorhanden sind. Es ist vorge-
ehen, eine entsprechende Regelung in die Neufassung
er Integrationskursverordnung explizit aufzunehmen.
ber eine über dieses Angebot hinausgehende Kinder-
etreuung wird es in näherer Zukunft nicht geben, da
ies dem Beschluss des Haushaltsausschusses wider-
präche und auch wegen der generellen Zuständigkeit
er Länder und Kommunen nicht vorgesehen ist.

Ich möchte ausdrücklich feststellen: Es ist falsch, wie
ie Möglichkeiten, die deutsche Sprache zu erlernen,
ier von den Grünen allein auf die von der Bundesregie-
17940 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011

Michael Frieser
gebene Reden


(A) )


)(B)

rung angebotenen Integrationskurse reduziert werden.
Es dürfte doch auch Ihnen nicht verborgen geblieben
sein, auf welch vielfältigen Wegen Migranten heute die
Sprache ihres Ankunftslands erlernen. Für die einen ist
das Selbststudium, sei es auf der Grundlage gedruckter
Arbeitsmaterialien, sei es durch Nutzung von Online-
kursen oder E-Learning, der beste Weg. Andere lernen
eher „by doing“, durch intensive kontinuierliche Ge-
spräche in der Familie, im engeren Wohnbereich, in Ver-
einen oder am Arbeitsplatz. Wieder andere gehen in die
heute so zahlreichen Sprachschulen. Wir orientieren
unsere Politik nicht am Stereotyp des Migranten, der
permanenter, allseitiger staatlicher Förderung und Len-
kung bedarf. Eine solche Sicht ist beleidigend für die
große Mehrzahl der Migranten, die nach Deutschland
kommen und mitgestalten sowie aus eigener Motivation
und Kraft vorwärtskommen wollen. Diesen ist mit Res-
pekt und Anerkennung zu begegnen, nicht aber mit
einem Gestus der Betreuungsbedürftigkeit.

Unsere Gesellschaft befindet sich im permanenten
Wandel. Die Migration und Integration von Migranten
sind zentrale Teile dieses Wandels; mit der Migration
werden sich auch kontinuierlich die Anforderungen an
unsere Integrationskurse ändern. Wir müssen natürlich
deren Ergebnisse weiterhin kritisch verfolgen, erkenn-
bar gewordene Schwächen beheben, die Leistungsfähig-
keit der Kurse verbessern. Das ist unbestritten. Bei die-
sem Bemühen um weitere Effizienz sollten wir – auch die
Grünen – aber die Balance halten zwischen der Kritik
des Istzustandes und dem Niveau, das wir schon erreicht
haben. Wir fördern den Spracherwerb von Migranten in-
zwischen Jahr für Jahr mit über 200 Millionen Euro.
Nirgendwo in der Welt wird auf diesem Feld so viel ge-
leistet. Die mit den Sprachkursen erreichten Erfolge
sind schon jetzt unübersehbar.

Aber klar ist auch, dass wir mit diesen Integrations-
kursen nur einen Teil der Integrationsproblematik lösen
können. Richten wir deshalb, statt die Erfolge auf dem
Gebiet der Sprachkurse kleinzureden, den Fokus lieber
auf das weitaus wichtigere ergänzende Feld der Integra-
tionspolitik, auf das Bildungs- und Ausbildungssystem.
Hier wären uns brauchbare Vorschläge, auch der Grü-
nen, viel eher willkommen als auf dem schon recht gut
beackerten Feld der Integrationskurse.


Daniela Kolbe (SPD):
Rede ID: ID1714932200

Vorweg: Die SPD-Bundestagsfraktion teilt und unter-

stützt die Stoßrichtung und die Ziele Ihres Antrags. Dies
haben wir bereits mit unserem Änderungsantrag in den
Haushaltsberatungen zur Durchführung von Integra-
tionskursen deutlich gemacht. Damit bin ich schon bei
einer wichtigen Detailfrage, die unsere Position von Ih-
rem Antrag unterscheidet: Bei der Mindestvergütung für
freiberufliche Lehrkräfte in Integrationskursen haben
wir eine Erhöhung des Integrationskurshaushaltes um
52 Millionen gefordert, mit dem Ziel eine Lohnunter-
grenze von 26 Euro für Freiberufler zu erreichen. Aus
diesem Grunde müssen wir uns zu Ihrem, ansonsten ge-
lungenen Antrag enthalten. Neben dieser trennenden
Detailfrage teilen wir Ihren Ansatz, über die Vergabe-
politik des BAMF die Mindestvergütung zielgerichtet zu

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(C (D teuern. Im Dialog mit Lehrkräften arbeitet unsere raktion derzeit an einem eigenen Antrag, der sich vor llem der Frage der Vergütung der Lehrkräfte widmet. 2005 hat die rot-grüne Bundesregierung mit dem uwanderungsgesetz erstmals das Instrument der Interationskurse eingeführt. Aus gutem Grund: Die Beerrschung der deutschen Sprache ist die Grundlage chlechthin, um sich in der Gesellschaft zurechtzufinen, einen Arbeitsplatz zu finden, die Bildungschancen er Kinder zu unterstützen usw. Die Integrationskurse aren bisher eine Erfolgsgeschichte. Sie sind ein wichties Instrument, ein Angebot des Staates an seine Einanderinnen und Einwanderer. Umso wichtiger ist ein ualitativ hochwertiges und teilnehmerorientiertes ursangebot. Leider nimmt die Bundesregierung dieses wichtige strument nicht ernst. Schwarz-Gelb schafft es nicht ber Lippenbekenntnisse hinaus: Anstatt die Hürden zur eilnahme so weit wie möglich abzusenken, um so vielen teressierten wie möglich einen Kursplatz anbieten zu önnen, hat die Bundesregierung aktiv und kontinuierch neue Zugangshürden eingeführt. Die finanzielle usstattung der Integrationskurse ist ein Dauerthema. ie Unterfinanzierung hat Auswirkungen auf die Qualit der Kurse, für die Vergütung der Lehrkräfte und für en Zugang zu einem Kurs. Das Resultat der Zulasungsauflagen zu Einsparzwecken sind sinkende Teilehmerzahlen, schlechte Abschlussquoten und vermehrt elbstständige Integrationskurslehrer un Integrationskurshrerinnen die um ihre Existenz ringen: Die Teilnehmer ahlen sind alleine in dieser Legislaturperiode alarmiend gesunken. Von 2009 bis 2011 sank die Zahl der eilnehmer insgesamt von 113 000, Drucksache 17/6924, uf 89 000. Die Zahl der Teilnahmeberechtigungen ist ahezu um die Hälfte seit Einführung des Instruments esunken, von 215 000 in 2005 auf 115 000 in 2010. Der ückgang um 20 Prozent bei den Alphabetisierungskuren von 2009 bis 2011 belegt den massiven Rückgang indringlich. Dieser massive Rückgang ist ein integrationspolisches Armutszeugnis der schwarz-gelben Bundesregieung und bedeutet für den Einzelfall eine Verweigerung on Chancen für eine gute Lebensführung. Besonders edauerlich ist der starke Rückgang der freiwillig Intessierten, Menschen, die freiwillig an Kursen teilnehen, sich also zum Großteil schon lange in Deutschland ufhalten, ohne ausreichend Deutsch zu können. Was enden wir denn da für ein Signal an diese Menschen? h finde das einen untragbaren Zustand. Insbesondere zwei Gruppen möchte ich aber hier exmplarisch herausgreifen: Gute Deutschkenntnisse sind r bleibeberechtigte Personen und subsidiär geschützte ersonen mit einem Aufenthaltsrecht ebenso notwendig ie für alle anderen. Wir sollten darüber nachdenken, ren nachrangigen Anspruch zu einem regulären An pruch auf einen Kursplatz hin zu ändern. Zum Zweiten t die Wiederholungsverweigerung für Personen, die as Kursniveau A2 nicht erreichen, für mich absolut icht nachvollziehbar. Hier gilt es doch anzusetzen und in teilnehmergerechtes Angebot zu machen, damit nieDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17941 Michael Frieser gebene Reden )


(A) )

mand zurückgelassen wird. Diese beiden Beispiele zei-
gen eindrücklich, dass die Bundesregierung nur halb-
herzig handelt.

Damit komme ich nun zum letzten Punkt, der Kurs-
qualität und der Vergütung der Kurslehrer. Die Lehr-
kraft in den Integrationskursen ist so etwas wie die Vi-
sitenkarte Deutschlands für die Teilnehmer. Wir, die
SPD-Bundestagsfraktion, setzen uns dafür ein, dass
Lehrkräfte für diese wichtige Arbeit gute Honorare er-
halten, damit sie motiviert qualitativ hochwertigen Un-
terricht anbieten.


Serkan Tören (FDP):
Rede ID: ID1714932300

Die Bundesregierung hat 2005 sehr richtig daran ge-

tan, die quasi kostenlosen und flächendeckenden Inte-
grationskurse einzuführen. Da die Grünen es in ihrem
Antrag versäumen, die weitreichende Bedeutung und die
enorme finanzielle Ausstattung dieser besonderen Kurse
angemessen zu würdigen, möchte ich das an dieser
Stelle kurz nachholen.

Bis heute haben über 700 000 Migranten einen Kurs
besucht. Ursprünglich waren die Integrationskurse des
Bundes als ein Instrument für Neuzuwanderer gedacht.
Aber es kamen insbesondere diejenigen Menschen in die
Kurse, die oft schon jahrzehntelang in Deutschland le-
ben. Die Integrationskurse wurden somit zu einem wich-
tigen Angebot und Instrument der nachholenden Inte-
gration.

Auch die finanzielle Ausstattung und die Rahmenbe-
dingungen für Teilnehmer sind bemerkenswert. Die Teil-
nehmer zahlen maximal 1 Euro pro Kursstunde. Die
restliche Summe übernimmt das Bundesamt für Migra-
tion und Flüchtlinge. Dass ein Staat jährlich über
200 Millionen Euro in Sprachunterricht für Zuwanderer
investiert, ist weltweit einmalig. Daran sollte sich auch
die Opposition dann und wann mal wieder erinnern.
Und entgegen einiger Meldungen wird die christlich-li-
berale Koalition die Mittel hier nicht kürzen. Das Ge-
genteil ist der Fall: Wir werden die Mittel für die Inte-
grationskurse im kommenden Jahr noch einmal um
6 Millionen Euro auf 224 Millionen Euro erhöhen.

Nichtsdestotrotz: Die erfolgreiche Gestaltung der In-
tegrationskurse ist ein Prozess, ein gesellschaftlicher
und politischer. Die Zielgruppen und Anforderungen än-
dern sich, etwa durch variierende Zuwanderungszahlen,
durch den demografischen Wandel oder durch eine sich
verändernde Bildungsstruktur unter Migranten. Das ist
ein natürlicher Prozess. Und daher gilt es für uns, die
tatsächlichen Baustellen zu identifizieren, zu beheben
und die Kurse qualitativ weiterzuentwickeln. Dabei lade
ich die Kolleginnen und Kollegen von der Opposition
herzlich ein, an der Weiterentwicklung konstruktiv mit-
zuwirken. Die teils sehr verzerrte bis falsche Darstel-
lung der aktuellen Lage fällt sicher nicht darunter.

So fordern die Grünen in ihrem Antrag etwa einen
Teilnahmeanspruch für subsidiär geschützte Personen
und Bleibeberechtigte. Diese Forderung geht von einer
falschen Prämisse aus. Denn subsidiär geschützte Per-
sonen und Bleibeberechtigte haben glücklicherweise be-

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(C (D its nach § 44 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz Zugang zu den tegrationskursen. Auch die Forderung nach einer bes eren Vergütung für Lehrkräfte geht erneut von falschen nnahmen aus. Erst einmal gilt festzuhalten: Zum einen ibt es derzeit über 1 400 Integrationskursträger. Die ezahlung der Lehrkräfte ist entsprechend divers, benso die Qualität und Zuverlässigkeit der Kursträger. um anderen hat der Bund sich beim Thema Löhne hier n gewisse rechtliche Grenzen zu halten. Die Vergüngshöhe und die Stundenzahl der Lehrtätigkeit oblie en der individuellen Vertragsgestaltung zwischen der ehrkraft und dem Kursträger. Dieser Umstand wird betändig von der Opposition ignoriert. Aber dennoch: Im ahmen seiner Möglichkeiten macht der Bund zugunsn der Lehrkräfte von seiner ihm nach § 20 Abs. 5 Satz 2 tegrationskursverordnung eingeräumten Möglichkeit ebrauch, die Zulassung mit Auflagen zur Vergütung der ehrkräfte zu erteilen. Und so hat die christlich-liberale oalition für alle Neuund Verlängerungszulassungen r Integrationskursträger am 1. Dezember 2011 die aßgebliche Mindestvergütung von 15 auf 18 Euro eröht. Im Hinblick auf die grundgesetzlich geschützte Beufsausübungsfreiheit der Kursträger wäre eine weiterehende Regelung verfassungsrechtlich bedenklich. Neben diesen teils falschen Darstellungen der Realiten stoße ich mich auch an der Forderung nach einem Handlungskonzept für Alteinwanderer“. Diese Gruppe ei stark rückläufig, so propagieren es die Grünen. Es ist um einen nicht verwunderlich, dass hierzu in dem Grüenantrag keine Zahlen genannt werden, denn die Zahn sind mitnichten so rückläufig wie dargestellt. Richtig t: Die Zahlen gehen leicht zurück. Aber das ist kein chlechtes Zeichen. Denn seit 2005 haben bereits Hunerttausende Alteinwanderer einen Kurs besucht. Rund 8 Prozent der Alteinwanderer, die seit 2005 eine Teilahmeberechtigung erhalten haben, haben bereits einen urs begonnen. Circa 80 Prozent der Teilnahmeberechgten sind SGB-II-Leistungsempfänger. Die Bundesreierung ist hier tätig geworden. Zur Erhöhung der Teilahmequote auf der Grundlage von Verpflichtungen hat ie Bundesagentur für Arbeit eine Arbeitshilfe Deutschförderung“ an die Grundsicherungsstellen und genturen für Arbeit herausgegeben, die mit dem BAMF rstellt worden ist. Der Grund zurückgehender Teilnehmerzahlen ist chlichtweg und vornehmlich auf einen geringeren Bearf zurückzuführen. Das sind gute Nachrichten. Zur ahrheit gehört natürlich, dass bis dato längst nicht alle lteinwanderer erreicht sind. Das ist keine Frage. Aber icht alle Einwanderer haben auch einen Bedarf. Es ieht den Grünen ähnlich, jeden Migranten gleich als edürftig und unselbstständig einzustufen. Auch wenn es außerhalb ihrer Vorstellungskraft lieen mag: Viele Migranten erlernen die deutsche Sprahe auch auf anderen Wegen, durch ein Selbststudium, twa durch die kostenlosen Onlinesprachkurse der eutschen Welle. Oder sie lernen die Sprache mithilfe on Freunden und Familienangehörigen oder nehmen ie Angebote der zahlreichen Sprachschulen in eutschland wahr. Als Liberale trauen wir Migranten twas zu. Das Bild von „dem Migranten“, der grund17942 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Daniela Kolbe gebene Reden )


(A) )

sätzlich besonderer Förderung und Hilfestellungen in
jeder Lebenslage bedarf, ist falsch und respektlos ge-
genüber den vielen Menschen mit Migrationshinter-
grund, die Ehrgeiz, Motivation und Gestaltungswillen
mitbringen, wenn sie nach Deutschland kommen.

Die stetige Überprüfung, Erfolgskontrolle und Ver-
besserung der Kurse hat für die christlich-liberale Ko-
alition hohe Priorität. Die Koalition arbeitet derzeit in-
tensiv an der Überarbeitung der Integrationskursver-
ordnung. Mittels eines neu gestalteten Trägerzulas-
sungsverfahrens soll künftig für eine erhöhte Qualität
des Systems gesorgt werden. Es wird verschärfte Rege-
lungen zur Verhinderung von Abrechnungsbetrug geben.
Es darf nicht sein, dass die überwiegend gute und enga-
gierte Arbeit der Lehrkräfte und Teilnehmer von weni-
gen schwarzen Schafen in Misskredit gebracht wird. Das
gilt im Übrigen auch für die Kursträger, die ihren Lehr-
kräften Dumpinglöhne zahlen. Die Erhöhung der Min-
destvergütung von 15 auf 18 Euro hatte ich eingangs er-
wähnt. Kursträger, die ihren Lehrkräften Dumpinglöhne
zahlen, sollten keine Zulassung mehr erhalten.

Auch für die Sicherstellung der Kurse im ländlichen
Raum wollen wir mehr tun. Denn tatsächlich leben mehr
als 50 Prozent der Migranten im ländlichen Raum. Dort
unterliegt die Durchführung von Integrationskursen be-
sonderen Herausforderungen. Oft scheitert dort das Zu-
standekommen eines Integrationskurses an mangelnder
Kooperation zwischen Kursträgern, etwa wenn die Min-
destteilnehmerzahl nicht erreicht ist. Künftig sollen Trä-
ger im Sinne der Teilnehmer zur Kooperation verpflich-
tet werden können. Auch bei den Einstufungstests wollen
wir neue Verfahren einführen, um die Kurse künftig noch
passgenauer und somit erfolgreicher für die Teilnehmer
zu gestalten. Wir werden die Erfolgsgeschichte der Inte-
grationskurse fortschreiben. Unser Ziel ist, aus Migran-
ten Bürger dieses Landes zu machen, Bürger, die sich
verantwortlich fühlen, partizipieren und Deutschland
mitgestalten. Und genau das wollen die meisten Migran-
ten auch.


Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714932400

Integration gibt es nicht zum Nulltarif.

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP
findet sich die Vereinbarung, dass Integrationskurse
„quantitativ und qualitativ aufgewertet“ werden sollen.
Auch im Nationalen Integrationsplan verpflichtete sich
der Bund dazu, das Angebot an Integrationskursen zeit-
nah und flächendeckend auszubauen. Tatsächlich ist
dies auch dringend notwendig. Doch statt der vollmun-
digen Beteuerungen und Ankündigungen gab es infolge
der unzureichenden Finanzausstattung des Integrations-
kurssystems im Jahr 2010 lange Wartelisten bei der
Zulassung zu einem Integrationskurs und zum Teil auch
einen Aufnahmestopp bei Personen ohne einen Rechts-
anspruch auf Teilnahme. Seit Januar 2011 ist der Besuch
eines Integrationskurses zwar wieder weitgehend ohne
Wartezeit möglich, doch sind die durch das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge, BAMF, ergriffenen und
von Sprachkursträgern kritisierten Sparmaßnahmen
immer noch wirksam. Dazu zählen insbesondere Ein-

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(C (D chränkungen bei der Fahrtkostenerstattung und Kinerbetreuung, bei Wiederholungsmöglichkeiten, Alphaetisierungsund Teilzeitkursen. Wie bereits 2010 haben sich auch in diesem Jahr die undesregierung und die Koalitionsfraktionen im Rahen der Haushaltsberatungen geweigert, ausreichende ittel für das Integrationskurssystem zur Verfügung zu tellen. Wenig verwunderlich ist es also, wenn die Zahl er Interessentinnen und Interessenten und der Teilnehenden infolge dieser Sparmaßnahmen zurückgeht. Im ergleich der Jahre 2009 und 2010 gab es einen Rückang um 23,6 Prozent: Statt 116 052 begannen nur noch 8 629 Personen einen Integrationskurs. Auch die Zahl er neu begonnenen Sprachkurse ist im zweiten Halbhr 2010 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um über 0 Prozent gesunken. Obwohl diese Angaben von der undesregierung in ihrer Antwort auf meine Kleine Anage – Bundestagsdrucksache 17/6924 – stammen, beauptet sie tatsachenwidrig, es habe keine Einschränung beim Integrationskursangebot gegeben. Die Linke rdert: Es muss Schluss sein mit diesem Tricksen, Tar en und Täuschen in der Integrationsdebatte! Die Folgen dieser Sparmaßnahmen kritisieren auch ie Grünen in ihrem Antrag. Sie beklagen neben dem ückgang der Teilnehmerzahlen bei Integrationskursen uch die zu geringen Erfolgsquoten bei den Sprachtests nd eine unzureichende Bezahlung der Honorarlehrräfte. So weit, so gut. Diese Kritik teilt die Linke. Wenn un aber die Grünen in ihrem Antrag die Integrationsurse als rot-grüne Errungenschaft darstellen und dabei lle von Rot-Grün zu verantwortenden eklatanten chwächen des Systems rundherum ignorieren, dann tinkt das Selbstlob gewaltig! Das rot-grüne Integraonskurssystem führte im Jahr 2005 wegen der unzureihenden Trägerpauschale zu sinkenden Honoraren der ehrkräfte. Und bereits vor dem Jahr 2005 wurde fachch kritisiert, dass die unterschiedslos für alle geltenden 00 Stunden zur Erreichung des Sprachniveaus B1 des emeinsamen Europäischen Referenzrahmens völlig nzureichend waren. Bei aller Kritik am jetzigen Interationskurssystem: Was Rot-Grün 2005 zu verantworn hatte, war weitaus schlechter! Immerhin gab es mit er Änderung der Integrationskursverordnung im Jahr 007 einige Verbesserungen, etwa in Bezug auf die Difrenzierung des Kursangebots, die Stundenzahl und die inführung einer Wiederholungsmöglichkeit. Das geört zur Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit dazu, liebe Kolleinnen und Kollegen der Grünen. In der Begründung des Antrags finden sich auch einliche Fehler in der Sache: So wird behauptet, dass as von Rot-Grün anvisierte Sprachniveau B1 nicht ericht würde, weil die gegenwärtige Regierung sich vom laren Bewertungsmaßstab des rot-grünen Gesetzgebers erabschiedet habe. Um das zu kaschieren, gelte aneblich seit 2009 auch ein Abschluss auf dem Sprachiveau A2 als erfolgreicher Kursabschluss. Das ist auseislich des § 17 Abs. 2 der Integrationskursverordnung chlicht falsch! Nur ein Abschluss auf dem Niveau B1 ird als erfolgreicher Abschluss gewertet. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17943 Serkan Tören gebene Reden )


(A) )

Es ist vor diesem Hintergrund kein Wunder, dass in
dem Antrag auch jegliche Kritik daran fehlt, dass
Sprachanforderungen im Aufenthaltsrecht zunehmend
als Droh- und Sanktionsmittel eingesetzt werden – etwa
durch die seit dem 1. Juli 2011 geltende Neuregelung des
§ 8 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz. Danach darf eine länger-
fristige Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn
zuvor ausreichende Sprachkenntnisse nachgewiesen
wurden. Die Grünen sind auch nicht grundsätzlich ge-
gen Zwangs- und Sanktionsmittel zur Durchsetzung des
Spracherwerbs. Verpflichtende Sprachkurse wurden
schließlich mit dem rot-grünen Zuwanderungsgesetz
erst eingeführt, und die Grünen halten seitdem im Be-
reich der Integration an der populistischen Ideologie
des angeblichen Förderns und Forderns fest. Dabei hat
sich diese nur scheinbar ausgewogene Formel längst als
Rechtfertigung einer vor allem repressiven Politik ent-
puppt.

Keine Spur von Selbstkritik ist auch bezogen auf die
unzureichenden Finanzmittel in Sicht, die seit der Ein-
führung der Integrationskurse unter anderem von der
Aktion Butterbrot und dem DaZ-Netzwerk kritisiert wur-
den. Diese wandten sich von Anfang an gemeinsam ge-
gen die prekären Arbeitsbedingungen: Private Sprach-
kursträger steigern ihren Profit am leichtesten durch
eine Reduzierung der Honorare. Diese reichen dann für
ein menschenwürdiges und existenzsicherndes Einkom-
men häufig nicht aus. Viele Lehrkräfte im Integrations-
kursbereich sind auf ergänzende Sozialleistungen
angewiesen. Sie erhalten kein Urlaubs- und kein Kran-
kengeld, fürs Alter müssten sie selbst vorsorgen, wofür
aber das Geld fehlt. Notwendig wäre deshalb nach Auf-
fassung von Betroffenen, Gewerkschaften und Verbän-
den – aber auch der Linken – ein Mindesthonorar in
Höhe von 30 Euro pro Unterrichtseinheit, statt der der-
zeit gezahlten etwa 18 Euro.

Das von den Grünen angestrebte Stundenhonorar in
Höhe von 24 Euro ist viel zu gering. Selbst ein Honorar
in Höhe von 30 Euro würde lediglich eine Bezahlung
hochqualifizierter Lehrkräfte mit Zusatzausbildung ver-
gleichbar der Eingangsentlohnung im Schulbereich er-
möglichen. Die berechtigten Interessen der Lehrkräfte
an einer existenzsichernden und fairen Entlohnung ihrer
Arbeit dürfen auch nicht gegen das Ziel eines erweiter-
ten Zugangs zu Integrationskursen ausgespielt werden,
wie es die Grünen in der Begründung tun. Es kann nicht
sein, dass unter dem Vorwand eines vermeintlichen
Sparzwanges ein Ausgleich zwischen berechtigten For-
derungen der Dozentinnen und Dozenten im Integra-
tionskursbereich und der Erweiterung des berechtigten
Teilnehmendenkreises gesucht wird, der den Lehrkräften
weiterhin Dumpinglöhne und Armut trotz arbeitsauf-
wändiger Lehrtätigkeit aufzwingt. Dass dies offenkundig
für die Grünen ein geringeres Problem zu sein scheint,
wird an einer anderen Stelle deutlich. Denn sie fordern
nicht etwa ein Mindesthonorar, sondern lediglich, dass
Sprachkursträgern, die weniger als 24 Euro pro Stunde
zahlen, keine langjährige Zulassung erteilt werden soll.
Dies entspricht der derzeit geltenden, völlig unzurei-
chenden Praxis. Dieses – und damit auch das grüne –
Modell lässt es zu, dass Träger sogar Honorare unter

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Zu Protokoll ge

(C (D 5 Euro pro Stunde zahlen, solange Mindest-Qualitätsnforderungen an den Unterricht erfüllt werden. In neoberaler Manier wollen die Grünen – wie auch die Bunesregierung – aus vermeintlich vergaberechtlichen ründen keinem privatrechtlichen Kursträger eine kon rete Vergütung vorschreiben. Dabei sind nach § 20 bs. 5 der Integrationskursverordnung Auflagen zur ergütung der Lehrkräfte ausdrücklich vorgesehen. Die inke ist gegen diese grüne Dumpinglohnpolitik! Einig werden wir uns mit den Grünen wohl auch nicht ber die neuen Kontrollen der Anwesenheit, die infolge ines Beitrages des ARD-Magazins „Report Mainz“ om 25. Juli 2011 eingeführt wurden. Wir fordern deren nbedingte Rücknahme. In dem Beitrag hat der Kollege oseph Winkler von den Grünen sich für schärfere Konollen ausgesprochen. Doch das Problem ist nicht der rige Weg einer perfekten Kontrolle, sondern eher ein eues Abrechnungssystem für die Integrationskurse, wie 5 Integrationskursträger zu Recht in einem offenen rief an das BAMF Ende November kritisierten. Nach rer Ansicht droht einer Reihe von Kursträgern der bükratische Tod, da sie seit August verpflichtet sind, zu ätzlich zu den üblichen Anwesenheitslisten neue Listen u führen, auf denen die Teilnehmenden mit ihrer Unterchrift bezeugen, dass sie pünktlich zum Unterricht geommen sind und dass sie bis zum Ende geblieben sind. ommen sie mehr als 30 Minuten zu spät, so muss das ermerkt werden. Dies ist ein weiterer Baustein, Interationskurse zu einem Teil einer Integration per Zwang nd mit Sanktionsandrohungen zu machen. Das Angebot ollte dagegen quantitativ und qualitativ so ausgestaltet erden, dass infolge seiner Attraktivität eine Teilnahme esichert ist. Dass es den Grünen nicht um weit mehr als ontrolle, Überwachung und Sanktionen geht, ist wirkch traurig. Die Linke schlägt zur Verbesserung des Angebots und amit der Steigerung der Attraktivität und der damit verundenen Teilnahme an den Kursen zumindest folgende unkte vor: Die Integrationskurse müssen so ausgestalt werden, dass sie auf das Tempo und die Fähigkeiten er Teilnehmenden mehr Rücksicht nehmen. Dazu edarf es auch einer besseren Eingangseinstufung und etzung eines individuellen Ziels, abhängig von den entprechenden Eingangsvoraussetzungen. Eine unabdingare Minimalforderung muss die Rücknahme der Kürungen von 2010 sein, um wieder mehr Teilzeitangebote achen zu können. Insbesondere Erziehende und Ererbstätige, aber auch Lernschwache können diese beanntermaßen besser wahrnehmen. Auch die Gewähristung der Kinderbetreuung ist ein Muss. Genau dafür edarf es aber einer Aufstockung des Etats für die Interationskurse um mindestens 75 Millionen Euro. Doch iese finanzielle Forderung der Linken fand im Bundesg zuletzt leider keine Mehrheit; auch nicht bei den rünen. Die Linke macht sich Gedanken über ein rundlegend anders gestaltetes Integrationskurssystem, as ohne Zwangsmaßnahmen und Drohungen auskommt nd das natürlich auch den engagierten Lehrkräften sihere, am besten sozialversicherungspflichtige Beschäfgungsverhältnisse anbieten muss. Denn Integration ibt es nicht zum Nulltarif. Statt Banken und Konzernen 17944 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Sevim DaðdelenSevim Dağdelen gebene Reden )


(A) )

immer mehr milliardenschwere Geschenke in Form von
Euro-Rettungspaketen zu machen, sollten sich Bundes-
regierung und die Grünen für gute Löhne und gute Inte-
grationskurse einsetzen. Das wäre schon mal ein guter
Anfang.


Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714932500

Die Integrationskurse sind ein maßgeblicher Teil der

Integrationspolitik, werden aber ihrem Anspruch nicht
gerecht. Anstatt die Kurse für interessierte Einwande-
rinnen und Einwanderer attraktiv zu gestalten, unter-
nimmt die Bundesregierung vieles, um einen erfolgrei-
chen Kursabschluss zu verhindern.

Das ist besonders bedenklich, weil der Aufenthalts-
status maßgeblich von den Deutschkenntnissen der Ein-
wanderinnen und Einwanderer abhängt. Erst im März
diesen Jahres hat die Bundesregierung den Erhalt einer
mehrjährigen Aufenthaltserlaubnis noch erschwert:
Nach dem neuen § 8 Abs. 3 AufenthG wird die Aufent-
haltserlaubnis nur für jeweils höchstens ein Jahr verlän-
gert werden, bis die erfolgreiche Teilnahme an einem In-
tegrationskurs nachgewiesen ist. Nur wer also den
abschließenden Test besteht, erhält eine Aufenthaltser-
laubnis mit einer längeren Gültigkeitsdauer. Die Bun-
desregierung unterstellt damit, dass Eingewanderte kein
Interesse am Erlernen der deutschen Sprache hätten,
und versucht sie so als Integrationsverweigerer zu stig-
matisieren. Motivierung sieht wahrlich anders aus.

Bei der Durchführung der Integrationskurse erken-
nen wir drei Hauptprobleme, denen wir mit den in unse-
rem Antrag enthaltenen Vorschlägen entgegenwirken
wollen.

Erstens ist problematisch, dass die Zahl der Teilneh-
mer an den Integrationskursen seit Jahren ganz erheb-
lich sinkt. So sank die Zahl der Teilnahmeberechtigten
von 215 000 im Jahr 2005 auf 115 000 im Jahr 2010.
Das entspricht einem Rückgang von 46 Prozent. Beson-
ders bedenklich ist der überproportionale Rückgang der
Zahl von Personen, die freiwillig an einem Integrations-
kurs teilnehmen. So sank die Zahl der freiwillig teilneh-
menden Alteinwanderer allein von 2009 auf 2010 um
41 Prozent. Allerdings geht die Bundesregierung im
Hinblick auf den Kreis sogenannter Alteinwanderer, die
Interesse am Besuch eines Integrationskurses haben, im-
mer noch von einem „hohen Potenzial“ aus. Diese
Menschen seien aber – so die Bundesregierung –
„schwieriger zu adressieren als in den Anfangsjahren“

(Bundestagsdrucksache 17/7075). Trotz des angenom-

menen Interesses an den Integrationskursen unternimmt
die Bundesregierung keine Anstrengungen, um die Alt-
einwanderer für einen Integrationskursbesuch zu gewin-
nen.

Der zweite unhaltbare Zustand sind die niedrigen Er-
folgsquoten bei den Kursabschlüssen. Nur die Hälfte
aller Teilnehmenden erreicht das für eine Aufenthalts-
verfestigung erforderliche Sprachniveau B1. Seit 2008
beendet mehr als ein Drittel der Teilnehmenden ihren In-
tegrationskurs sogar ganz ohne Abschluss. Die 2010
eingeführte Beschränkung, dass Personen, die ihren In-

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Zu Protokoll ge

(C (D grationskurs auf einem Sprachniveau unter A2 abgechlossen haben, ihren Kurs nicht wiederholen dürfen, ird diesen Trend noch verschärfen. Drittens ist Handlungsbedarf bei der Vergütung der ehrkräfte dringend geboten. Im Hinblick auf vergleichare Berufsgruppen werden die meist freiberuflich tätien Integrationskurslehrkräfte am schlechtesten vergüt. Von 2009 bis 2011 sind ihre durchschnittlichen onorare sogar noch gesunken und liegen im Durch chnitt bei 18 Euro pro Stunde. Die Honorare stehen icht im Einklang mit der wichtigen Aufgabe, die die ber 17 000 Dozenten und Dozentinnen wahrnehmen. ie unangemessene Bezahlung ist nicht nur eine Unzuutbarkeit für die Lehrenden, sondern kann auch Ausirkungen auf die Motivation der Lehrkräfte und damit uch einen ganz erheblichen Einfluss auf die Qualität er Kurse haben. Auch um die Qualität der Kurse zu erbessern, muss die Bundesregierung für eine angeessene Bezahlung der Lehrkräfte sorgen. Zum 1. Dezember 2011 hat das Bundesamt für Migraon und Flüchtlinge, BAMF, den Erstattungsbeitrag pro eilnehmer und Unterrichtseinheit um 19 Cent auf ,54 Euro angehoben und die für eine mehrjährige urszulassung notwendige Mindestvergütung von 15 uf 18 Euro erhöht. Wenn die Information des Bundesinisteriums des Innern vom 18. Oktober 2011 an den ollegen Danckert richtig war, müsste mit einer Erhöung um 19 Cent eine Mindestvergütung von über 0 Euro möglich sein. Es ist nicht verständlich, warum as BAMF die für eine mehrjährige Zulassung notwenige Mindestvergütung dann nicht zumindest auf 0 Euro heraufgesetzt hat. Eine sinnvollere Hebelung ibt es zurzeit nicht. Mit unserem Antrag fordern wir die Bundesregierung rstens auf, ein Handlungskonzept vorzulegen und adquate Finanzmittel bereitzustellen, um Alteinwanderinen und Alteinwanderer vermehrt für den Besuch eines tegrationskurses zu motivieren. Um die Kursqualität und Abschlussquoten zu erhöen, soll die Bundesregierung zweitens die Kursträger urch finanzielle und organisatorische Unterstützung azu befähigen, an den Vorkenntnissen orientierte lernomogene Gruppen in den einzelnen Kursen zu gewähristen. Darüber hinaus müssen die Möglichkeiten einer urswiederholung verbessert werden, die 2010 eingehrte Beschränkung für den Besuch von Teilzeitkursen ieder aufgehoben sowie die qualitative integrationsursbegleitende Kinderbetreuung ausgeweitet werden. Drittens fordern wir die Bundesregierung auf, die für ine mehrjährige Zulassung maßgebliche Mindestvergüng für freiberufliche Lehrkräfte auf 24 Euro anzuhe en. Statt Gesetzesverschärfungen brauchen wir den flähendeckenden Ausbau von Kursangeboten, die sich an en Bedürfnissen von Einwanderinnen und Einwandern orientieren. Diesem Ziel wollen wir mit unserem ntrag einen Schritt näher kommen und bitten um Ihre nterstützung. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17945 Sevim DaðdelenSevim Dağdelen gebene Reden 17946 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 )


(A) )


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714932600

Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschuss

empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 17/8179, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 17/7639 abzulehnen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind die
Koalitionsfraktionen und die Fraktion Die Linke. Ge-
genprobe! – Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? –
Sozialdemokraten. Die Beschlussempfehlung ist ange-
nommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann,
Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion DIE LINKE

Rettung einheimischer Rebsorten durch Er-
haltungsanbau

– Drucksache 17/7845 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus

Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolle-
ginnen und Kollegen liegen dem Präsidium vor.


Alois Gerig (CDU):
Rede ID: ID1714932700

Die von der Fraktion Die Linke auf Drucksache

17/7845 unterbreiteten Vorschläge zur Rettung einhei-
mischer Rebsorten sind zwar gut gemeint, aber letztlich
nicht praktikabel. Die CDU/CSU kann diesem Antrag
nicht zustimmen.

Es ist nicht zu bestreiten, dass der Antrag ein wichti-
ges Thema aufgreift. Im Weinbau wie auch in anderen
Kulturen müssen wir uns um den Erhalt unserer Nutz-
pflanzen kümmern. In der Landwirtschaft konzentriert
sich der Pflanzenbau häufig auf bestimmte Sorten – bei-
spielsweise auf besonders ertragreiche oder gut ver-
marktungsfähige Sorten. So kommt es, dass einige Sor-
ten in Vergessenheit geraten und vom Aussterben
bedroht sind. Das Bundesamt für Landwirtschaft und
Ernährung, BLE, führt eine rote Liste, in der über
900 Sorten als gefährdet eingestuft werden. Das Julius-
Kühn-Institut, JKI, schätzt, dass von den 300 Rebsorten,
die in der Vergangenheit im deutschsprachigen Raum
heimisch waren, heute noch 15 bis 20 klassifiziert sind.

Natürlich ist es wichtig, dass sich die pflanzliche Er-
zeugung in der Landwirtschaft an den Märkten ausrich-
tet. Dies bedeutet nicht, dass wir bedrohte Nutzpflanzen-
sorten ihrem Schicksal überlassen sollten. Alle Sorten
sind grundsätzlich schützenwert, weil sie ein Kulturgut
darstellen und gleichzeitig auch Teil der biologischen
Vielfalt sind. Darüber hinaus gilt es, genetische Res-
sourcen zu bewahren, die für die Züchtung neuer Sorten
unerlässlich sind. Züchtungsfortschritte sind auch in Zu-
kunft notwendig, um die Leistungsfähigkeit der Land-
wirtschaft zu steigern und die wachsende Anzahl von

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(C (D enschen auf der Welt ernähren zu können. Außerdem edarf es züchterischer Fortschritte, um Pflanzen an ich ändernde Umweltbedingungen, insbesondere an en Klimawandel, anzupassen. Auch im Weinbau ist der Erhalt von Sorten ein wichges Ziel. Auf der roten Liste des BLE sind neun Rebsorn als gefährdet aufgeführt. Beim Schutz gefährdeter ebsorten ist zu beachten, dass die Weinproduktion trengen gesetzlichen Regelungen unterworfen ist. Im nterschied zum Obstund Gemüseanbau dürfen im einbau nur gesondert zugelassene Rebsorten gepflanzt erden. Im Antrag der Fraktion Die Linke wird von der undesregierung gefordert, Erhaltungssorten zu defiieren und für eine bundesweite Anbaufreigabe zu soren. Dies ist insofern nicht umsetzbar, weil die Zulasung von Rebsorten – und sei es als Erhaltungssorte – in ie Zuständigkeit der Länder fällt. Die Länder legen st, welche Rebsorten in ihren jeweiligen Anbaugebien zugelassen werden. Dies ist sinnvoll, weil die Länder ei der Zulassung am besten die Identität und die spezischen Gegebenheiten ihrer Anbaugebiete berücksichtien können. Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert, enn die Länder Flexibilität schaffen, auch im Erwerbsnbau bedrohte Rebsorten kultivieren zu können. Dies ägt zum Erhalt der Sorten bei und eröffnet dem einen der anderen Winzer die Möglichkeit, eine Marktnische u besetzen. Der Erhalt bedrohter Sorten sollte nicht alin Aufgabe von Züchtern und Forschungsinstituten ein. Eine weitere Forderung im Antrag der Fraktion Die inke ist, die Erhaltungszucht weitgehend von Gebühren eim Bundessortenamt zu befreien. Dem steht entgegen, ass das Bundessortenamt gehalten ist, möglichst kosndeckend zu arbeiten – dies hat der Bundesrechnungsof bereits angemahnt. Auch die Forderung, den Erhaltungsanbau über die llgemeine Strukturförderung im Weinbau zu fördern, ist icht nachvollziehbar. Im Rahmen der Gemeinschaftsufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“, GAK, ist es chon jetzt möglich, Landwirte zu unterstützen, die urch den Anbau gefährdeter heimischer Nutzpflanzen um Erhalt genetischer Ressourcen beitragen. Grundätzlich kann auch der Anbau bedrohter Rebsorten gerdert werden. Nach der roten Liste des BLE sind die eisten als gefährdet angesehenen Rebsorten durch die AK förderfähig. Voraussetzung ist allerdings, dass dies ie zuständigen Länderbehörden befürworten. Die Erhaltung genetischer Ressourcen im Rahmen er GAK-Förderung ist ein wichtiger Baustein der grobiodiversitätsstrategie der Bundesregierung. Ziel er Strategie ist, die genetischen Ressourcen unserer utzpflanzen für die Landwirtschaft wirksam zu schüt en und nachhaltig nutzbar zu machen. Auch der Weinau profitiert von der Strategie: Rebengenetische Resourcen werden systematisch erfasst und in der eutschen Genbank „Reben“ veröffentlicht. Diese Danbank, die beim Institut für Rebenzüchtung des JKI in iebeldingen eingerichtet wurde, dokumentiert nicht nur ie Sortenviefalt im Weinbau, sie liefert auch für die üchtung neuer Rebsorten wertvolle Informationen. )


(A) )

Aufbauend auf der Agrobiodiversitätsstrategie, wur-
den vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz Fachprogramme entwi-
ckelt, mit denen Maßnahmen zum dauerhaften Erhalt
unserer Nutzpflanzen koordiniert und maßgebliche Ak-
teure miteinander vernetzt werden. Die Erhaltung unse-
rer Nutzpflanzen kann die Bundesregierung nicht allein
leisten. Bei der lohnenswerten Aufgabe, unsere vielfälti-
gen genetischen Ressourcen an kommende Generatio-
nen weiterzugeben, sind Bund und Länder, Wissenschaft,
Züchter und Landwirtschaft gleichermaßen gefordert.


Gustav Herzog (SPD):
Rede ID: ID1714932800

Wir beraten heute den Antrag der Fraktion Die Linke

zur Rettung einheimischer Rebsorten durch Erhaltungs-
anbau mit der Drucksache 17/7845. Der Antrag widmet
sich zentral der Erhaltung unserer alten Rebsorten und
damit der Basis unserer Weinbaukultur. Das ist zunächst
einmal eine ganz gute und richtige Sache. Wein wurde
zwar schon von den Kelten angebaut und getrunken,
doch den eigentlichen Durchbruch für unsere ältesten
Anbaugebiete gab wohl der römische Kaiser Probus. Er
hat unter anderem der Region Mosel erlaubt, Reben zu
besitzen und Wein zu erzeugen, worauf ich als Rhein-
land-Pfälzer besonders gerne hinweise. Das war im
dritten Jahrhundert nach Christus, und seither ist eine
Menge geschehen, worauf unsere heutige Weinbaukul-
tur, unsere Kulturlandschaft und unsere Weine basieren.

Über 100 000 Hektar werden in Deutschland mit fast
140 anerkannten Rebsorten bebaut. Das ist schon ein
reicher Fundus. Doch angesichts der weltweit geschätz-
ten fast 10 000 Sorten und der Tatsache, dass über
80 Prozent der deutschen Anbaufläche mit gerade mal
zehn Sorten angebaut werden, wird schnell klar: Wir
müssen etwas tun, um die Vielfalt unseres Kulturgutes zu
schützen. Wir müssen uns auch um die Sorten kümmern,
die unwirtschaftlich sind und deswegen kaum angebaut
werden.

Die größte Anzahl Rebsorten führt ein Nischendasein
in alten Weingärten, Klosteranlagen oder gar unent-
deckt in guten Händen von Weinliebhabern. Für den
kommerziellen Anbau spielen solche Sorten keinerlei
Rolle und daher schwindet ihre Anzahl in zunehmendem
Tempo und mit ihr die Genreserve, die wir brauchen, um
zukünftigen Züchtungsanforderungen möglicherweise
gerecht werden zu können. Alte Sorten müssen wir dau-
erhaft nutzbar erhalten, und dazu brauchen wir einen
Erhaltungsanbau und eine nationale Genbank. Das ist
zwar eine der Kernforderungen des Antrags und ist auch
richtig. Warum können wir diesen Antrag dennoch nicht
unterstützen? Wir haben seit 2010 eine Deutsche Gen-
bank Rebe, die über 2 000 Einträge unter dem Suchbe-
griff „Vitis vinifera L.“ auflistet, fast 500 davon aus
Deutschland. Ein Netzwerk aus sieben rebenerhaltenden
Einrichtungen kümmert sich darum, dass Reben und
Sorteneigenschaften nicht verloren gehen.

Unverzichtbar sind aber auch der Erhaltungsanbau
auf den Betrieben, der nicht nur die Genreserve erhält,
sondern auch die Anbaueigenschaften und Anpassungs-
fähigkeiten an sich ändernde Umweltbedingungen.

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(C (D iese Aufgabe ist schwierig und zeitaufwendig, und ihr teht selten ein wirtschaftlicher Nutzen gegenüber. Daer brauchen wir Instrumente, die Anbauhemmnisse abauen und Mehraufwand ausgleichen, damit auf den Beieben auch die alten Sorten erhalten werden. Dies ist ichtig, doch auch sie gibt es schon. Ein Blick in die ichtlinien der Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur nd Küstenschutz“, GAK, verrät, dass die Länder urchaus die Möglichkeit haben, den Erhaltungsanbau Rahmen ihrer Länderprogramme zu fördern und Konanzierungsmittel zu beanspruchen. In der Praxis wird iese Möglichkeit mit Ausnahme von Brandenburg jeoch nicht in Anspruch genommen. Auch wenn ich dem randenburgischen Weinbau nicht zu nahetreten öchte, eine Hauptrolle spielt er nicht in den deutschen einlanden. Es gibt auch schon eine sogenannte rote Liste für gehrdete Arten, auch dort stehen schon mehrere Rebsorn und es können weitere ergänzt werden. Wir müssen lso keine neuen Instrumente schaffen, sondern uns die rage stellen: Warum werden bestehende nicht genutzt, nd wie bauen wir die Hemmnisse ab? Das ist die arschrichtung, die wir in den kommenden Ausschuss eratungen einhalten sollten, denn ich bin sicher, es ist llen Fraktionen dieses Hauses daran gelegen, hier in er Sache weiterzukommen und etwas für die Zukunft es deutschen Weinbaus zu tun. Wir haben hier einen Antrag vorliegen, dessen Titel icherlich ein ehrenwertes Ziel formuliert. Denn auch h sehe es als ein wichtiges Anliegen an, historische ebsorten zu erhalten. Die Frage ist nur, was dieser ntrag denn nun tatsächlich fordert. So sehr ich hinter iesem Ziel stehe, so sehr muss deutlich gemacht weren, dass dieser Antrag seinem Ziel nicht gerecht wird. Zum Einen: Es wird eine Liste für einheimische utochthone Rebsorten des deutschsprachigen Kulturaums gefordert. Wir leben heute im Informationszeitlter, und da ist es richtig, dass wir keine Liste haben, ber eine offizielle Datenbank haben, die Deutsche Genank Reben. Diese Datenbank verfolgt das Ziel, genetiche Ressourcen von Reben langfristig zu sichern und ie für verschiedene Zwecke wie Forschung, Züchtung nd weinbauliche Zwecke nutzbar zu machen. Bereits vor einem Jahr, am 9. Juli 2010, hat die damage Staatssekretärin Julia Klöckner die Deutsche Genank Reben freigeschaltet. Das dürfte eigentlich auch en Kollegen der Fraktion Die Linke nicht verborgen eblieben sein. Wenn man sich diese Gendatenbank nschaut, die seitens des Julius-Kühn-Institut, JKI, prorammiert worden ist, umfasst diese bereits einen estand von 3 900 Rebsorten und Akzessionen. In einem om Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft nd Verbraucherschutz, BMELV, geförderten Projekt erden auch die rebengenetischen Ressourcen in alten einbergen erfasst und dokumentiert. Aus diesen Grünen ist die Einführung einer Liste völlig obsolet. Zum nderen wird mit dem Antrag der Eindruck erweckt, ass es für Züchter bundesweit große Probleme gäbe, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17947 Alois Gerig gebene Reden )

Dr. Erik Schweickert (FDP):
Rede ID: ID1714932900

(A) )

einheimische Rebsorten zuzulassen. Hier sprechen Sie
mit Ihren Forderungen leider den falschen Adressaten
an. Denn zuständig für die Zulassung in den Anbauge-
bieten ist das jeweils zuständige Bundesland, in dem die
Reben angebaut werden.

Viele Bundesländer sehen der Zulassung alter Reb-
sorten mit großem Interesse entgegen. Hier kann das
Bundesland Hessen vorbildlich genannt werden, wie
man es beispielsweise an der Sorte „Roter Riesling“
jetzt auch erst praktiziert hat. Roter Riesling ist die
Urform des Rieslings und hatte zum Beispiel den Vorteil,
dass Anbautests, die sehr kostenintensiv sind, nicht
durchgeführt werden mussten. Ich bin mir also sicher,
dass die heutige Zulassungspraxis auf Länderebene
auch mit etwas weniger Bürokratie stattfinden konnte.

Wie immer bei einem Antrag der Linken soll alles kos-
tenlos sein. Ich frage mich aber, wie wir einen Wegfall
der Gebühren gegenüber den privaten Züchtern recht-
fertigen würden, die bisher für ihre Züchtung eine
Gebühr zu zahlen hatten.

Insbesondere muss aber ein weiterer Punkt in den
Fokus gebracht werden: Sie führen in Ihrem Antrag an,
dass Biodiversität von Reben ein grundsätzlich gutes
Ziel wäre und diese auch nicht nur im Versuch, sondern
auch im Erhaltungsanbau durchgeführt werden müsste.
Hier muss man insbesondere darauf achten, dass wir
uns durch ein Mehr an Biodiversität nicht Probleme und
Krankheiten einhandeln. Die Reblaus bei wurzelechten
Reben sollte uns eine Warnung sein. Aus diesem Grund
ist mir die Sicherheit für die Weinwirtschaft deutlich
wichtiger als eine zu lasche Zulassung von jedweden
Reben.

Wenn es eine Rebe ist, die für den Ertragsanbau kom-
men soll, dann muss sie sich sowieso rechnen. Denn
Rebsorten sind für den Züchter dann interessant, wenn
auch eine Nachfrage seitens des Konsumenten besteht.
Auch hier kann übrigens auch in Nischen mit autochtho-
nen Rebsorten rentabel gewirtschaftet werden. Das zei-
gen auch die Erfahrungen der alten Rebsorten im
Ertragsweinbau. Die alten autochthonen Rebsorten
Heunisch und Orleans sind ebenfalls in Hessen klassi-
fiziert und werden von einigen Winzern erfolgreich
angebaut. Hier ist die Klassifizierungsverordnung der
Länder verantwortlich dafür, welche Rebsorten als Qua-
litätswein angebaut werden dürfen. Aus diesen genann-
ten Gründen können wir dem Antrag der Linken nicht
zustimmen.


Alexander Süßmair (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714933000

Der Wein spielt seit Jahrtausenden eine bedeutende

Rolle für unsere mediterrane und europäische Kultur.
Wein ist seit Jahrtausenden in Europa Lebensmittel, Ge-
nussmittel, Kultgegenstand und Rauschmittel. Doch um
alte, europäische Rebsorten ist es oft gar nicht gut be-
stellt. Was aber für die vielen kommerziell kaum genutz-
ten Obstsorten geht, sollte auch bei alten Rebsorten
funktionieren: Europa – die Europäische Union – kennt
Richtlinien zum Erhalt alter, gefährdeter Obstsorten, die
in unseren Regionen die Vielfalt der Landschaften und
Speisekarten bereichern. Für deren Erhaltungsanbau

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(C (D ind kostengünstige Lösungen gefunden worden. Für die ebe jedoch fehlt eine europäische Erhaltungsrichtlinie. uch auf nationaler Ebene ist die Rebenzüchtung bisher or allem auf Neuzüchtungen fixiert. Alte, autochthone, lso einheimische, Rebsorten fungieren vor allem als ögliche Pollenspender. Mit drei bis sechs Stock je orte werden sie in Genbanken erhalten, oft in virusrankem Zustand. Viruskranke Reben sind nicht praxisuglich. Kennen Sie Sorten wie Adelfränkisch, Süßschwarz, eunisch, Grüner Franke oder Roter Veltliner? Von über 0 000 weltweit bekannten Rebsorten sind nur 1 000 zugessen und für den Anbau freigegeben. Neben den eben enannten hätten auch weitere mehrere Hundert alte inheimische Rebsorten in Deutschland und Europa ine Freigabe verdient. Der Sortenneueintrag, sprich as Zulassungsverfahren, kostet zurzeit fast 5 000 Euro. er Anbau einheimischer Sorten aber muss hierzulande hne Gebühren und ohne Auflagen ermöglicht werden. enn nur so wird züchterische Arbeit erst wieder attrakv gemacht. So erst könnten die alten Kultursorten wieer Populationsgrößen erreichen, die ein Aussterben nwahrscheinlich machen. Alle halten gerne Sonntagsreden über Biodiversität. enn es denn aber mal konkret wird, dann gilt es als underlich und verschroben, sich für seltene Flederausarten, lokale Apfelsorten oder eben alte Rebsorten tarkzumachen. Wir halten den Sortenerhalt für geboten, m somit vielfältige genetische Ressourcen zu bewahn, die darüber hinaus auch als Frucht der menschli hen Arbeit, als kulturelle Güter, schützenswert sind. Die Linke schlägt daher die Erstellung einer offizieln Liste alter Rebsorten vor. Der Begriff „Erhaltungs orte“ muss geschaffen werden, und alte Rebsorten müsen als Erhaltungssorten klassifiziert werden. Deren nbau muss freigegeben werden. Für Erhaltungszucht ürfen allenfalls marginale Kosten anfallen, denn Züchr alter einheimischer Sorten verfolgen zumeist kein ommerzielles Interesse. Schlussendlich plädiere ich für die Aufnahme des Anaus von Erhaltungssorten in die allgemeine Strukturrderung des Weinbaus auf Landes-, Bundesund EUbene. Wenn Neuanlagen in Steillagen gefördert weren, dann kann man auch die Bepflanzung der Steillagen it Erhaltungssorten bezuschussen. Alte Weinsorten sind kulturelles Erbe ganz Europas. ine europäische Erhaltungsrichtlinie für alte Reborten wäre ein wichtiger Schritt im Rahmen der Bioiversitätsstrategie 2020 der Europäischen Union. Das önnte durch Deutschland angestoßen werden. Dafür ill sich die Linke einsetzten, und wir hoffen auf kon truktive Diskussionen hier im Parlament zu unserem ingebrachten Antrag. Der anhaltende Verlust an Biodiversität ist nicht nur ei entfernten Ökosystemen wie den Regenwäldern zu eklagen, sondern auch in Landwirtschaft und Weinbau or unserer Haustür. Vor 130 Jahren konnten deutsche 17948 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Dr. Erik Schweickert gebene Reden )

Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714933100

(A) )

Winzer noch aus einem Reichtum von über 400 Rebsor-
ten wählen. Heute werden gerade noch 25 Sorten in nen-
nenswertem Umfang angebaut; viele andere sind bereits
unwiederbringlich verloren gegangen. Verantwortlich
dafür ist auch eine falsche Politik, welche zur – prinzi-
piell richtigen – Förderung der Übermengenreduktion
auch die Rodung alter Weingärten finanziell belohnt.
Auch an solchen Details wird deutlich, wie dringend
eine ökologische Reform der Agrarpolitik auf EU-, Bun-
des- und Länderebene angegangen werden muss. Ähn-
lich wie bei historischen Obst- und Gemüsesorten müs-
sen wir auch unsere Anstrengungen deutlich verstärken,
noch existierende alte Rebsorten vor dem Verschwinden
zu bewahren.

Es geht bei diesem Thema zum einen um die Erhal-
tung wertvollen Kulturerbes. Zum Zweiten geht es auch
um aktive Zukunftssicherung durch Bewahrung einer
breiten genetischen Basis für künftige Sortenentwicklun-
gen. Denn eine große Vielfalt an Sorten und Wildarten
ist unverzichtbare Grundlage erfolgreicher Züchtung
und Voraussetzung für die Bewältigung von Herausfor-
derungen wie neuen Schädlingsplagen, Krankheiten und
Auswirkungen des Klimawandels, zum Beispiel stärkere
Trockenheit oder steigende Gefahr von Frostschäden.
Zwei Beispiele belegen diese Bedeutung der Agrobiodi-
versität auch im Weinbau. Die Reblaus hätte den euro-
päischen Weinbau im 19. Jahrhundert zum Erliegen ge-
bracht, wenn es keine resistenten amerikanischen Sorten
als Rebenunterlage gegeben hätte. Heutzutage werden
mit dem Klimawandel und den damit verbundenen stei-
genden Temperaturen Sorten aus der Warmphase wäh-
rend des Mittelalters wieder interessant, die spät ausrei-
fen. Dazu zählen zum Beispiel die fränkische Sorte
Bouquetrebe und die Sorte Gelber Orleans.

Fachexperten und Privatpersonen haben in den ver-
gangenen Jahren mit großem Engagement diese und
viele andere alte Sorten aufgespürt, identifiziert und do-
kumentiert. Ein wesentlicher Beitrag dazu wurde durch
das Projekt „Erfassung rebengenetischer Ressourcen in
Deutschland“ geleistet, in dessen Rahmen 242 histori-
sche Sorten wiedergefunden wurden. Es ist sachlich
nicht nachvollziehbar, warum die Veröffentlichung des
bereits im Herbst 2010 fertiggestellten umfangreichen
Abschlussberichts dieses Projektes sowie ein ergänzen-
des 35-seitiges Strategiepapier zu diesem sehr erfolgrei-
chen Vorhaben bis heute vom Auftraggeber, dem
BMELV, und der ihm unterstellten Bundesanstalt für
Landwirtschaft und Ernährung, verweigert wird. Auch
die Datenbank mit den zugehörigen Analysen, Ergebnis-
sen und Schlussfolgerungen ist der Öffentlichkeit nicht
zugänglich, nur ein sehr knapper Kurzbericht liegt bis-
lang vor. Wir sollten uns unseren Schweizer Nachbarn
als Vorbild nehmen, wo Abschlussberichte im Internet
veröffentlicht werden, wenn das Projekt mit Steuergel-
dern finanziert wurde.

Der große Erfolg des Projekts mit der Entdeckung
bislang als ausgestorben geglaubter Sorten und sowie
die Richtigstellung von 130 Falschbenennungen in deut-
schen Rebsortenlisten wirft aber auch die Frage auf, ob
die in diesem Bereich tätigen öffentlichen Institutionen
mit den bisherigen Strukturen wirklich effektiv und

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(C (D achhaltig die Rettung alter Sorten betreiben. Der Endericht des Projektes muss auch deswegen veröffentlicht erden, um Defizite in diesem Bereich analysieren und eheben zu können. Züchter und Winzer, die mit historischen Sorten areiten wollen, werden durch Bürokratie und hohe Kosn in ihrer Arbeit behindert und abgeschreckt. Die Retng der Weinbergschätze vergangener Jahrhunderte ird dadurch gefährdet oder sogar verunmöglicht. Viele istorische Rebsorten sind nicht in den entsprechenden isten für die zum Anbau zugelassenen Sorten aufgehrt oder erfüllen nicht starre Vorgaben wie die Min estzahl von 300 Stöcken. Für die Neuregistrierung faln hohe Gebühren an, zum Beispiel 1 500 Euro für die ortenkontrolle und 600 Euro für die jährliche Kontrollebühr. 5 000 Euro werden sogar für die vergleichende ortenprüfung und Neuregistrierung im Bundessortengister verlangt, obwohl die Sorte bereits seit Jahrhun erten angebaut wird und daher auch kein Sortenschutz ls Gegenwert besteht. Diese hohen Kosten stehen also keinem angemessenen Verhältnis zum wirtschaftli hen Nutzen durch die Neuvermarktung und den Anbau lter Sorten, die nur Nischenmärkte besetzen können. er Anbau ist und bleibt aber der beste Weg, eine Sorte ngfristig zu erhalten, weil sie nur so dank stetiger Inraktion mit der Umwelt an die regionalen Standortbeingungen angepasst bleibt. Eine Erhaltung in Genanken mit nur drei Stöcken ist auf Dauer nicht usreichend, um die Praxistauglichkeit und Vielfalt der lone der Mehrheit der autochthonen, bislang nicht lassifizierten Rebsorten zu bewahren. Wenn insgesamt ehr wenige Exemplare an nur einem Standort existien, besteht zudem immer die Gefahr der Vernichtung urch Krankheiten, Unwetter oder andere Kalamitäten. In der Fachwelt ist unumstritten, dass die Rahmenbeingungen für den Erhaltungsanbau den spezifischen nforderungen der alten Sorten Rechnung tragen und aher neu konzipiert werden müssen. Das Konzept der ortenreinheit passt nicht zu manchen alten Sorten, die aditionell in gemischten Rebsätzen und in Klonen mit envariationen angebaut wurden und auf Fremdbestäuung angewiesen sind. In Bezug auf die Problematik, ass von einigen historischen Sorten nur noch virusranke Exemplare erhalten sind, muss für solche Fälle ine praxistaugliche Lösung für eine Sortenprüfung auerhalb des Rebenverkehrsgesetzes gefunden werden. s ist zu prüfen, ob eine gesonderte Liste für Erhalngssorten und autochthone Sorten außerhalb der „Be chreibenden Sortenliste“ des Bundessortenamtes den lten Sorten besser gerecht wird. Die Länder sind aufgefordert, ihren Gestaltungsspielaum beim Weinbaugesetz aufgrund einer fehlenden U-Regelung für diesen Bereich zugunsten des Sornerhalts zu nutzen. Alte Sorten müssen aus öffentli hem Interesse an ihrer Erhaltung in die klassifizierten nbaulisten unbürokratisch und kostenfrei aufgenomen werden. Der Bund muss ebenfalls seine Hausaufgaen machen und entsprechend das Bundessortenamt nweisen, Erhaltungssorten von Gebühren für Registrieung und Sortenprüfung zu befreien. Da auch unsere achbarn vom Aussterben alter Rebsorten betroffen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17949 Harald Ebner gebene Reden 17950 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Harald Ebner )


(A) )

sind, begrüßen wir die im Antrag enthaltene Aufforde-
rung an die Bundesregierung, bei der EU-Kommission
die Ergänzung der EU-Erhaltungsrichtlinie für alte
Rebsorten einzufordern.

Wir dürfen bei der Rettung alter Sorten keine Zeit
mehr verlieren, sonst werden klingende Namen wie Tau-
berschwarz, Blaue Seidentraube und Putzscheere bald
nur noch in der historischen Erinnerung existieren. Von
der Hälfte der alten Sorten, die im Rahmen des Erhe-
bungsprojektes gefunden wurde, existieren nur fünf oder
noch weniger Exemplare. Der Antrag „Rettung einhei-
mischer Rebsorten durch Erhaltungsanbau“ greift die-
ses wichtige Problem auf und enthält viele wichtige An-
satzpunkte und Forderungen, die meine Fraktion im
Wesentlichen teilt. Wir werden daher zustimmen, obwohl
wir bei einzelnen Punkten Änderungsbedarf sehen. So
ist zum Beispiel die Grenze von fünf Hektar Anbaufläche
für die Klassifizierung als Erhaltungssorte viel zu hoch;
0,1 bis 0,5 Hektar reichen vollkommen aus.

Neben politischem Handeln können wir alle auch als
Privatmenschen direkt etwas für den Erhalt der biologi-
schen Vielfalt beim Wein tun. Es gibt einige Projekte und
Winzer, die sich der Rettung historischer Rebsorten wid-
men und unsere Unterstützung verdienen. Diese kann
auch darin bestehen, Wein aus alten Rebsorten gezielt
nachzufragen nach dem Motto „Erhalten durch Genie-
ßen“.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714933200

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf

Drucksache 17/7845 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sie sind damit ein-
verstanden? – Widerspruch erhebt sich nicht. Dann ist
die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald
Ebner, Cornelia Behm, Bärbel Höhn, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Vorsorgeprinzip anwenden – Zulassung des
Pestizidwirkstoffs Glyphosat aussetzen und
Neubewertung vornehmen

– Drucksache 17/7982 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung

Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolle-
ginnen und Kollegen wurden beim Präsidium angege-
ben.


Alois Gerig (CDU):
Rede ID: ID1714933300

Pflanzenschutzmittel sind keine gewöhnlichen Ge-

brauchsgüter: Bei Zulassung und Anwendung ist größte
Sorgfalt geboten, um Menschen und Umwelt vor Risiken

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(C (D u schützen. Erst vor kurzem haben wir im Bundestag ie Pflanzenschutz-Novelle beschlossen, um unter andem zu gewährleisten, dass alles unternommen wird, dait Pflanzenschutzmittel sicher und verantwortungsvoll ingesetzt werden. Zuweilen habe ich den Eindruck, dass das Gefahrenotenzial von Pflanzenschutzmitteln bewusst genutzt ird, um Ängste zu schüren und um die konventionelle andwirtschaft in ein schlechtes Licht zu rücken. Ein eispiel hierfür ist die aktuelle Diskussion um den flanzenschutzwirkstoff Glyphosat. Seitens von Earth pen Source wird behauptet, das Herbizid Glyphosat sei uchtund entwicklungsschädigend. Die NGO verweist uf Studien, nach denen angeblich Fehlbildungen bei ierembryonen durch Glyphosat verursacht werden. mweltverbände und Bündnis 90/Die Grünen nehmen ie Vorwürfe offensichtlich dankbar auf, um die Zulasung des Wirkstoffs, der in wichtigen Pflanzenschutzmitln enthalten ist, grundsätzlich infrage zu stellen. Die CDU/CSU lehnt Schnellschüsse ab. Wir befürorten, dass über die Zulassung und über die Anwenungsbestimmungen von Pflanzenschutzmitteln auf solier wissenschaftlicher Grundlage entschieden wird. as Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR, hat an der ussagekraft der von Earth Open Source angeführten tudien starke Zweifel: Die behaupteten Missbildungen n Kaninchen hätten sich bei qualitativ besseren Studien icht bestätigt, die angeführten Versuche an Froschund ühnerembryonen ließen keine definitiven Rückschlüsse uf gesundheitliche Risiken für den Menschen zu. Das fR sieht keine überzeugenden Hinweise, dass Glyphoat entwicklungstoxische Wirkungen aufweist. Auch die Bundesregierung kommt zu dem Ergebnis, ass der Wirkstoff Glyphosat keine für den Menschen ntwicklungsschädigenden Eigenschaften besitzt. Unrstützt wird diese Einschätzung von der EU, den zu tändigen Behörden in den EU-Mitgliedstaaten und in en USA sowie der Weltgesundheitsorganisation. In der ntwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen führt die undesregierung aus: „Weder aus den zahlreichen Tierersuchen mit dem Wirkstoff (es sind allein sechs Langeitstudien mit Glyphosat an Ratten bekannt)

en Erfahrungen am Menschen auf Basis des jahrzehn-
langen Einsatzes glyphosathaltiger Herbizide oder
us epidemiologischen Studien ergeben sich Hinweise
uf genotoxische oder kanzerogene Risiken von Glypho-
at beim Menschen.“

Aufgrund der eindeutigen Aussagen von anerkannt
ompetenten Stellen hat die CDU/CSU keine Bedenken,
ass zugelassene Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff
lyphosat weiterhin in der Landwirtschaft im Rahmen
er Anwendungsbestimmungen eingesetzt werden. Die

Antrag der Grünen erhobene Forderung, die Zulas-
ung von Glyphosat auszusetzen und eine Neubewertung
es Wirkstoffs vorzunehmen, wird nicht unterstützt.

Die EU, die für die Zulassung von Pflanzen-
chutzwirkstoffen zuständig ist, wird unter Beteiligung
es Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebens-
ittelsicherheit bis 2015 eine Neubewertung von Gly-
hosat vornehmen. Dabei wird der Wirkstoff einer um-


(A) )


)(B)

fassenden Prüfung unterzogen. Derzeit liegen aber keine
gesicherten Erkenntnisse vor, die eine Aussetzung der
Zulassung rechtfertigen würden. Nach dem Stand der
Wissenschaft ist vielmehr davon auszugehen, dass bei
bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung
von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln keine ne-
gativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesund-
heit von Mensch und Tier eintreten.

Neben wissenschaftlichen Erkenntnissen sprechen
auch die Erfahrungen aus der Praxis dafür, Glyphosat
nicht vom Markt zu nehmen. Die Anwendung von gly-
phosathaltigen Pflanzenschutzmitteln hat sich zur Un-
krautbekämpfung im Pflanzenbau sehr bewährt. Ein
Verzicht auf Glyphosat würde zu einem vermehrten Ein-
satz anderer Pflanzenschutzmittel sowie zu einer intensi-
veren Bodenbearbeitung führen. Landwirte in Deutsch-
land sind seit vielen Jahren mit glyphosathaltigen
Pflanzenschutzmitteln vertraut und nutzen diese – wie
andere Mittel im Übrigen auch – in verantwortungs-
voller Weise. Mir liegen keine Hinweise vor, dass hier-
zulande die Anwendung glyphosathaltiger Pflanzen-
schutzmittel in der Landwirtschaft zu unerwünschten
Nebenwirkungen führt. Im Gegenteil: Glyphosat macht
eine ökologisch sinnvolle, nichtwendende Bodenbear-
beitung häufig erst möglich!

Mit Blick nach Nord- und Südamerika bestehen Be-
fürchtungen, dass durch den Anbau von herbizidtoleran-
ten Sojapflanzen glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel
in großen Mengen ausgebracht werden und sich da-
durch überhöhte Glyphosatrückstände in importierten
Sojafuttermitteln ergeben könnten. Aus meiner Sicht ist
es sinnvoll, Futtermittelimporte verstärkten Kontrollen
zu unterziehen. Ich begrüße es, dass in dem von Bund
und Ländern festgelegten „Kontrollprogramm Futter-
mittel für die Jahre 2012 bis 2016“ Glyphosat als ein
vorrangig zu kontrollierender Wirkstoff benannt wird
und Importeure von Futtermitteln in Kontrollen einbezo-
gen werden. In der Vergangenheit wurden bei importier-
ten Futtermitteln keine Überschreitungen der Rück-
standshöchstgehalte festgestellt.

Ich bin überzeugt, dass bei sachgerechter Anwendung
von Glyphosat kein Anlass zur Sorge besteht. Insbeson-
dere sehe ich keinen Grund, Verbraucher und Landwirte
zu verunsichern. Stattdessen gilt es zu betonen: Über die
Zulassung von Pflanzenschutzwirkstoffen wird weiterhin
auf Grundlage strenger wissenschaftlicher Maßstäbe
entschieden, damit der Verbraucher-, Tier- und Umwelt-
schutz gewährleistet ist. Gute Wirkstoffe sind unver-
zichtbar, denn nur so kann der Pflanzenschutz zu hohen
Erträgen und damit zu einer guten Versorgung mit be-
zahlbaren und gesunden Lebensmitteln beitragen.


Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Rede ID: ID1714933400

Die Einhaltung des Vorsorgeprinzips hat für uns So-

zialdemokratinnen und Sozialdemokraten Priorität. Bei
Glyphosat handelt es sich um das weltweit am häufigs-
ten eingesetzte Unkrautvernichtungsmittel. Es wird dort
eingesetzt, wo keine Pflanze überleben soll, zum Beispiel
zur Vorbereitung von Ackerflächen für die Aussaat von

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(C (D ulturpflanzen – der Acker wird damit „geräumt“. Glyhosat wird aber auch noch kurz vor der Ernte genutzt. Die Abtötung aller Grünpflanzen ermöglicht eine chnellere Trocknung, erleichtert die Ernte oder bechleunigt die Reife. Auch lassen sich mit Glyphosat lächen wie Autobahnrandstreifen und Wege freihalten der aber Beete vor dem Anlegen neuer Kulturen abpritzen – daher finden sich zahlreiche Glyphosatproukte in Baumärkten und Gartencentern. Es wird usammen mit gentechnisch veränderten Pflanzen angeendet, die mit einer Resistenz gegen Glyphosat ausge tattet sind – und dies macht den Löwenanteil unter den ngebauten GVO-Pflanzen aus. Durch die wachsenden nbauflächen von genveränderter Soja vor allem in den SA sind die eingesetzten Mengen von Glyphosat stark estiegen. Die Produkte werden nach Europa importiert, m sie hier an Tiere zu verfüttern, die uns wiederum mit ilchund Fleischprodukten versorgen. Dabei ist nicht uszuschließen, dass insbesondere Zusatzstoffe wie OE-Tallowamine, die als Benetzungsmittel dienen, uch in tierische Produkte und damit in unsere Nahungskette übergehen. Auch in Deutschland wird Roundup immer mehr im etreideund Obstanbau sowie in Hausgärten einge etzt. Jährlich werden hierzulande 4 000 Tonnen Glyhosat verspritzt. Zudem drohen auch bei uns Zulassunen für Glyphosat-resistente GVO-Pflanzen – und damit eiter zunehmender Glyphosateinsatz. Vorsorgemaßahmen für Verbraucherinnen und Verbraucher gibt es isher nicht. Umweltschützer fordern inzwischen ein creening von Futterund Lebensmitteln auf Rückstände on Glyphosat sowie auf das Beimittel Tallowamin und as Abbauprodukt AMPA. Zugrunde liegt diesem breiten Einsatz die Einschätung, dass Glyphosat gesundheitlich und ökologisch unedenklich sei. An dieser Einschätzung gibt es aber inwischen Zweifel. Neue Studien geben Hinweise auf rbgutschädigende Wirkungen von Glyphosat. In Versuhen sind Geburtsfehler, Missbildungen und Krebsrkrankungen festgestellt worden. Zudem deutet vieles uf einen Zusammenhang zwischen Glyphosateinsatz nd erhöhter Krankheitsanfälligkeit von Pflanzen und erminderter Nährstoffaufnahme und Bodenfruchtbareit hin. Dem Vorsorgeprinzip folgend, halten wir Sozialdeokratinnen und Sozialdemokraten eine Neubewertung on Glyphosat für dringend erforderlich. Die Zulassung uss überprüft und allen Hinweisen auf Risiken für Ge undheit und Umwelt muss nachgegangen werden. Wir offen auf eine konstruktive Diskussion in den zuständien Ausschüssen, die der großen Verantwortung entpricht, die der Gesetzgeber hier trägt. Aus unserer icht kann am Ende der ernsthaften Auseinandersetzung it diesem Thema nur die gemeinsame Forderung nach iner Neubewertung stehen. Dieser Antrag ist ein weiteres Beispiel für grüne lientelpolitik, die sich naturwissenschaftlicher Fachchkeit verweigert und Vorurteile gegenüber moderner Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17951 Alois Gerig gebene Reden )

Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1714933500

(A) )

Landwirtschaft bedient. Die Grünen betreiben keine am
Schutz der Natur, der Sicherheit unserer Lebensmittel
orientierte Politik. Sie betreiben reine Destruktionspoli-
tik, die Ängste schürt, um daraus politischen Nutzen zu
ziehen. Schon im ersten Absatz wird die Hysterie ange-
facht. Natürlich werden dem Wirkstoff Netzmittel und
andere Zusatzstoffe beigemischt, damit eine verbesserte
und genauere Wirkung erzielt wird. Sie sorgen dafür,
dass das Mittel die Oberfläche der Blätter benetzen und
direkt dort wirken können. Sie verringern damit die für
die gewünschte Wirkung erforderliche Menge an Gly-
phosat. Insofern kann die Toxizität von Formulierungen
unter Umständen erhöht sein, dies wird aber bereits in
Sicherheitshinweisen für die Anwendung berücksichtigt.

Eine falsche sachliche Analyse einer Situation ist un-
geeignet als Vorbereitung für sinnvolle politische
Schlussfolgerungen. Das Strickmuster solcher Anträge
der Grünen ist bekannt: Die Grünen nutzen das Vorsor-
geprinzip als Deckmantel für die unterschiedlichsten
Forderungen nach Verboten, Abgaben, mehr Verordnun-
gen, mehr Bürokratie. Sie diskreditieren Behörden und
wissenschaftliche Einrichtungen, wenn deren wissen-
schaftliche Ergebnisse grüner Ideologie widersprechen.
Die durchaus notwendige politische Diskussion, wie wir
die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Intensi-
vierung der Landwirtschaft in Deutschland gestalten
sollten, wird durch solche Anträge behindert und nicht
befördert.

Der Wirkstoff Glyphosat wird seit den 1970er-Jahren
in Breitbandherbiziden eingesetzt. Er blockiert ein für
Pflanzen lebenswichtiges Enzym, das nur in Pflanzen
vorkommt. Dies begründet seine hohe Wirksamkeit und
breite Anwendung in der Landwirtschaft und die ver-
gleichsweise geringen Effekte bei tierischen Organis-
men oder dem Menschen. Die Wirkung von Glyphosat
auf Nichtzielorganismen wurde umfangreich untersucht,
unter anderem durch die EPA, die WHO, die EU und von
vielen anderen Ländern und Wissenschaftlern. Der wis-
senschaftliche Konsens ist, dass Glyphosat bei ord-
nungsgemäßer Anwendung keine Gesundheitsrisiken
birgt. Bei sachgerechter Anwendung gilt Glyphosat ver-
glichen mit anderen Herbiziden als wenig umweltbelas-
tend; es ist biologisch abbaubar und für Menschen nicht
toxisch. Es gibt umfangreiche epidemiologische Studien
und Fallkontrollstudien aus Regionen, in denen Glypho-
sat in großem Umfang und seit vielen Jahren angewen-
det wird. Dort wurden keine erhöhten Krankheitsraten
gegenüber Kontrollgebieten festgestellt. Demgegenüber
stehen einzelne Studien selbsternannter Experten, deren
Ergebnisse von anerkannten Wissenschaftlern als wenig
brauchbar eingeordnet werden.

Alle Pflanzenschutzmittel werden vor ihrer Zulassung
umfassend geprüft. Die Prüfung berücksichtigt mögliche
Auswirkungen auf die menschliche und tierische Ge-
sundheit wie auch auf die Natur. Nur Pflanzenschutzmit-
tel, die höchsten Kriterien genügen, werden in Deutsch-
land und der EU zugelassen. Dabei ist eine Beteiligung
vonseiten des Umwelt- und Naturschutzes durch das
Umweltbundesamt sichergestellt. Alle Zulassungen für
Wirkstoffe sind zeitlich befristet und müssen unter Vor-
lage der neuesten wissenschaftlichen Daten erneut be-

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(C (D ertet werden. Ebenso sind die Zulassungsbehörden erpflichtet, Meldungen über Schäden nachzugehen. Bei estimmungsgemäßer Anwendung ist Glyphosat, wie beits das EPA, die WHO und die EU sowie unsere For chungseinrichtungen festgestellt haben, sicher. Es passt zum gängigen grünen Weltbild, dass in vien Anträgen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen all iejenigen Wissenschaftler diffamiert werden, die nicht eil der grünen Bewegung sind. Die akademische und ehördliche Sicherheitsund Risikoforschung in eutschland ist weltweit spitze. Die Forderungen 8 und des Antrages wirken wie ein Hohn angesichts der Quatät der im Antrag zitierten „Arbeiten“: Der zitierte arentinische Mediziner Professor Dr. Andrés Carrasco at in Tierversuchen Mäusen große Dosen des Wirktoffs Glyphosat gespritzt und negative Wirkungen bei äusen festgestellt. Solche Tierversuche sind jedoch für ie Bewertung der Giftigkeit von Glyphosat ohne Wert, eil bei keiner Anwendung das Spritzen des Wirkstoffs Tiere erfolgt. Es ist nicht mit dem Tierschutzgedanken ereinbar, wenn Tiere für solche von vornherein als nicht ussagekräftig erkennbare Versuche verbraucht werden. er Wissenschaftler weiß dies offensichtlich, denn er at einen mit dem Ausschuss vereinbarten Gesprächsrmin, bei dem Behördenvertreter anwesend sein solln, sehr kurzfristig abgesagt. Das Problem mit den als Benetzungsmittel in betimmten Formulierungen der Herbizide verwendeten ogenannten POE-Tallowaminen ist bekannt. Hier aben Untersuchungen von Behörden und Wissenschaftrn gezeigt, dass eine besondere Schadwirkung eintren kann. Das zuständige Bundesamt für Lebensmittelsi herheit und Verbraucherschutz, BVL, hat die Hersteller eswegen bereits angewiesen, alternative Formulierunen zu entwickeln. Darüber hinaus wurden die Gewäserabstände vergrößert, um schädliche Auswirkungen uf die Natur zu minimieren. Das BVL hat zudem Anfang ezember einige Mittel verboten, und der ehemalige Pantinhaber Monsanto hat beim BVL POE-Tallowamineie Formulierungen zur Zulassung eingereicht. Dies eigt, dass die Pflanzenschutzmittelzulassungspraxis nktioniert, und auch diese Forderung ins Leere läuft. Die Diskussion um Glyphosat hat ihren Hintergrund arin, dass über 70 Prozent der weltweit angebauten ojapflanzen gentechnisch verändert sind und eine Toleanz für Glyphosat besitzen. Als ideologische Gegner ieser Züchtungsmethode haben die Grünen deswegen inen Zulassungsstopp für Glyphosat gefordert, um mitlfristig die gentechnisch veränderte Kulturpflanze mit er größten Verbreitung für den Anbau unattraktiv zu achen. Inzwischen wurden durch kriminelle Feldzer törungen und medienwirksame Proteste einer lautstaren Minderheit der Anbau und die Forschung fast volltändig aus Deutschland vertrieben. Jetzt sollen über ollkommen überzogene Grenzwerte für Lebensund uttermittel auch die Importe solcher Produkte aus rittstaaten unterbunden und die vorteilhafte Nutzung er Züchtungsmethode Grüne Gentechnik ausgebremst erden. Die geltenden Grenzwerte beruhen auf anerannten wissenschaftlichen Fakten, sind weit unterhalb glicher Gefährdungsschwelle und werden von der EU17952 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Dr. Christel Happach-Kasan gebene Reden )


(A) )

Kommission regelmäßig überprüft. Weitere Verschär-
fungen bringen keine zusätzliche Sicherheit für die Ver-
braucherinnen und Verbraucher. Wir lehnen die Forde-
rungen des Antrages entschieden ab.

Untersuchungen der Universität Gießen haben ge-
zeigt, dass ein Verbot von Glyphosat einerseits aus Sicht
des Umweltschutzes völlig kontraproduktiv wäre und
andererseits zu Wohlfahrtsverlusten in Milliardenhöhe
führen würde. Resistenzen und andere Folgen des Herbi-
zideinsatzes lassen sich durch gute fachliche Praxis, ein
modernes Wirkstoffmanagement und weitere Vorsorge-
maßnahmen problemlos lösen, ohne die immer unter-
schätzten negativen Folgen eines Verbotes von Pflanzen-
schutzwirkstoffen in Kauf zu nehmen. Es ist typische
Praxis bei der romantischen Verklärung einer Museums-
landwirtschaft, die möglichen Folgen moderner Technik
drastisch zu überhöhen und gleichzeitig die Konsequen-
zen der Alternative vollkommen auszublenden. Die
grüne Verhinderungspolitik verweigert sich ihrer gesell-
schaftlichen Verantwortung.


Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714933600

„Glyphosat ist das weltweit am häufigsten einge-

setzte Herbizid. Der US-Agromulti Monsanto brachte es
1974 unter dem Namen Roundup auf den Markt“,
schreibt das Umweltinstitut München. Bis vor ein paar
Monaten war die breite Anwendung dieses Pflanzen-
schutzwirkstoffs von Verbraucherinnen und Verbrau-
chern nahezu unbemerkt. Er wird aber schon drei Jahr-
zehnte auf Äckern auch in der Bundesrepublik ver-
wendet.

Die engagierte Aufklärungsarbeit von Umweltschutz-
und Menschenrechtsverbänden hat Glyphosat ins Ram-
penlicht gerückt. Die breite Anwendung von Glyphosat
steht auch im Zusammenhang mit dem umfangreichen
Anbau glyphosatresistenter Gentech-Soja. Berichtet
wird unterdessen über Missbildungen bei Mensch und
Tier, die ursprünglich gar nicht mit Glyphosat in Zusam-
menhang gebracht worden waren, oder über Rückstände
des Planzenschutzmittels in Lebensmitteln. Diese Be-
richte haben klargemacht: Es gibt ein Problem. Von
„Bild“ bis „Zeit“ gab es Artikel. Sucht man „Glypho-
sat“ bei Google, finden sich über 150 000 Einträge. Was
ist also dran am Glyphosat, dass sich nun auch der
Deutsche Bundestag damit befasst?

Glyphosat greift in den Stoffwechsel wachsender grü-
ner Pflanzen ein und führt zu ihrem Absterben. Daher
muss es also entweder so gespritzt werden, dass die
Blätter gewünschter Pflanzen nicht getroffen werden –
es sei denn, sie wurden gegen dieses Gift gentechnisch
resistent gemacht.

Es gibt zwei Problembereiche beim Glyphosat: die
Anwendung glyphosathaltiger Pestizide im Zusammen-
hang mit gentechnisch veränderten Pflanzen – vor allem
in Nord- und Südamerika – und die Anwendung des
Wirkstoffs in Deutschland, zum Beispiel im Obst- oder
Weinbau.

Zum Ersten: Die Agro-Gentechnik wird immer wieder
als Wunderwaffe gegen den Hunger der Welt gepriesen.

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(C (D Wirklichkeit ist sie jedoch vor allem eine der effektivsn Möglichkeiten, den Pestizidabsatz der Agrokonzerne u sichern. Vier von fünf Gentechpflanzen sind so veränert worden, dass sie gegen das hauseigene Pestizid reistent sind. Dieses wird als sogenanntes Totalherbizid ber die Felder gesprüht – meist mit dem Flugzeug – nd tötet alle Pflanzen, die nicht über den künstlich einebauten Schutzmechanismus verfügen. Die Agroindusie kann somit doppelt Geld verdienen, denn die Bäuerin der der Bauer muss sowohl für das patentierte Saatgut, ls auch für das daran gekoppelte Pestizid bezahlen, eispielsweise die RR-Sojabohne von Monsanto, die geen den glyphosathaltigen Unkrautkiller Roundup eady, RR, resistent ist. Auch RR-Baumwolle oder -Mais ind unterdessen weltweit verbreitet. Die Anwendung der Gentechpflanzen und ihres Cheiezubehörs hat wachsende Abhängigkeiten der Bau rnhöfe und zunehmende Umweltverschmutzungen zur olge. Statt Pestizide einzusparen, steigt das Risiko von nkrautresistenzen und damit von sogenannten Supernkräutern. Auf diese Entwicklung wird mit immer komlizierteren und teureren Giftcocktails reagiert. Werden iese Chemie-duschen auch noch aus der Luft ausgeracht, potenziert sich das Risiko gesundheitlicher Ausirkungen auf Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die mitten der grünen Sojawüsten leben. Berichte aus Ar entinien oder Paraguay sind lange bekannt und werden mer wieder mit bedrückenden Bildern belegt. Der Zu ammenhang zwischen Glyphosat und Missbildungen, tembeschwerden oder Kopfschmerzen wurde lange bersehen, es verdichten sich aber die Hinweise auf iese Ursache. Glyphosat steht zudem im Verdacht, das rbgut zu schädigen und krebserregend zu sein. Zweitens: In Deutschland gibt es noch keine Gentechflanzen, welche gegen ein Unkrautvernichtungsmittel sistent sind; „noch nicht“, muss man angesichts der ternationalen Entwicklungen sagen. Das kann sich im aufe der kommenden Jahre schnell ändern. In der EU arten über 100 Gentechpflanzen auf eine Zulassung, ilweise für den Anbau in Europa; viele davon sind herizidresistent. Von den bereits 38 in der EU zugelasseen Gentechveränderungen, events, besitzen 30 eine erbizidresistenz, davon 17 gleichzeitig eine Insektenre istenz. Auch wenn solche Pflanzen bei uns noch nicht um Anbau zugelassen sind, bedeutet das nicht, dass lyphosat in Deutschland nicht verkauft wird. Im Geenteil. Glyphosatresistente Gentechpflanzen würden war die Anwendung von Roundup Ready massiv auseiten, aber schon jetzt geht auch in der Bundesrepublik oundup Ready literweise über den Ladentisch. 4 000 is 8 000 Tonnen des Wirkstoffs Glyphosat sollen es ach Angaben des NABU im Jahr 2010 gewesen sein. ingesetzt werden die glyphosathaltigen Pestizide im bstbau, in Weinbergen und Weihnachtsbaumkulturen, uf Bahnschienen oder auf Bürgersteigen. Erschreckend t, dass trotz des gesundheitlichen Risikos der Absatz on Glyphosat ständig steigt, trotz der negativen Meienberichte. Meiner Meinung nach hat das auch mit er Zunahme der Anwendungserlaubnisse zu tun. Das ift darf in immer mehr Fällen angewandt werden, seit in paar Monaten sogar im Kleingarten. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17953 Dr. Christel Happach-Kasan gebene Reden )


(A) )

Glyphosathaltige Pestizide finden sich in jedem Bau-
und Gartenmarkt und werden eifrig beworben. Im Klein-
garten haben diese Unkrautkiller aber nichts zu suchen,
finde ich. Sie werden gerne benutzt, um im sogenannten
Vorauflauf – also bevor die Nutzpflanze wächst – den
Acker oder das Beet unkrautfrei zu machen. Das ermög-
licht eine pfluglose Bodenbearbeitung, die aus betriebs-
wirtschaftlichen Gründen immer beliebter wird. Dann
ist der Acker sauber, und die gewünschte Kultur kann
zunächst konkurrenzlos aufwachsen. Alle Unkräuter
sind weg. Rainald Grebe singt in seinem Lied „Aufs
Land“ „Das sind doch keine Unkräuter, das sind Bei-
kräuter“ und betont damit die Bedeutung der Ackerbe-
gleitflora. Ist sie erst mal vernichtet, wirkt sich das ne-
gativ auf die Artenvielfalt des Agrarökosystems aus.
Schmetterlinge und andere Insekten finden weniger
Nahrung. Der Einsatz von Totalherbiziden ist daher
ökologisch sehr fragwürdig. Auch nach Ende der Wuchs-
phase wird gerne auf Glyphosat zurückgegriffen. Beim
sogenannten Totspritzen wird die fast reife Ackerfrucht
auf der Zielgeraden unterstützt. Das Gift ermöglicht
eine schnellere Trocknung, erleichtert dadurch die Ernte
oder lässt die Pflanze schneller reifen. Mag sein, dass
sich das ökonomisch für den Betrieb rechnet – für die
Volkswirschaft rechnet sich das nicht. Deshalb müssen
wir andere Wege gehen.

Was tun? Die Forderung eines Verbots von Glyphosat
hört sich logisch an, würde aber aktuell das Problem
nicht lösen. Derzeit sind keine unbedenklicheren Alter-
nativen verfügbar und auch nicht in Sicht. Für eine Neu-
bewertung des Wirkstoffes ist es allerdings höchste Zeit.
Bisher wurde Glyphosat als relativ umweltfreundliches
Pestizid angesehen; das hat sich nun durch seine mas-
senweise Anwendung und die neuen wissenschaftlichen
Berichte geändert. Seine vielfältigen Einsatzmöglichkei-
ten müssen kritisch überprüft werden. Auch die Kombi-
nation von Gentechpflanze und dazugehörigem Un-
krautkiller muss durch die EU viel stärker unter die
Lupe genommen werden.

Die Gentechnikabteilung der Europäischen Behörde
für Lebensmittelsicherheit, EFSA, fühlt sich für die Un-
tersuchung von Pestizidrückständen, Begleit- und Ab-
baustoffen, Metaboliten, nicht zuständig, wenn sie einen
Zulassungsantrag für eine herbizidresistente, HR, Gen-
techpflanze auf dem Tisch hat. Das ist inakzeptabel. So-
wohl im Zulassungsverfahren, als auch im späteren Mo-
nitoring müssen Herbizid und herbizidresistente Pflanze
gemeinsam betrachtet werden. Übrigens ist das Problem
nicht auf Glyphosat beschränkt, sondern betrifft auch
seinen kleinen Bruder Glufosinat aus dem Hause Bayer.

Im Kleingarten gehört Roundup Ready aus Sicht der
Linken verboten, weil dort eine sachgerechte Anwen-
dung mehr als schwierig und damit riskant ist. Nötig ist
der Unkrautkiller dort sowieso nicht. Auch die Belas-
tung von Lebens- und Futtermitteln durch glyphosathal-
tige Pestizide ist stärker zu prüfen. Hier gibt es Defizite
in der Prüfhäufigkeit der Länder und in der Untersu-
chungsdurchführung. Die Linksfraktionen in den Land-
tagen haben dies durch mehrere Kleine Anfragen he-
rausgefunden. Die Abbauprodukte, AMPA, und die
Netzmittel, POE-Tallowamine, der glyphosathaltigen

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(C (D estizide stellen im Vergleich mit dem Wirkstoff das och viel größere Problem dar, sind aber kaum unterucht bzw. greifbar. Die Bundesregierung hat mir auf ine Anfrage Ende November 2011 geantwortet, dass sie ie Zulassung von POE-Tallowaminen noch nicht wierrufen will; sie erwarte eine Bewertung des Bundesmtes für Lebensmittelsicherheit, BVL, in naher Zuunft. Ich auch – und zwar so schnell wie möglich! Deutschland muss sich beim Thema Glyphosat seiner erantwortung stellen, nicht nur für die Anwendung bei ns, sondern auch um den Anforderungen in der EU gecht zu werden. Deutschland ist EU-Berichterstatter r die Neuzulassung von Glyphosat und muss 2012 sei en Bericht nach Brüssel senden. Dort erwarte ich kritiche Worte und einen dem Vorsorgegedanken verpflichten Vorschlag, wie in der EU zukünftig mit Glyphosat mgegangen werden soll. Die Linksfraktion wird das ritisch begleiten. Der Herbizidwirkstoff Glyphosat hat es in diesem ahr zu trauriger Rekordpräsenz in den (Fach-)Medien ebracht. Gleichzeitig rücken die Probleme mit diesem estizidwirkstoff auch räumlich immer näher: Zunächst ing die Diskussion vor allem um den Einsatz von glyhosathaltigen Herbiziden beim Anbau von Gensoja in ordund Südamerika. Die Antwort der Bundesregie ung auf unsere Kleine Anfrage zur Glyphosatanwenung ergab jedoch, dass sich auch in Deutschland der bsatz von Glyphosat seit 1993 mehr als verfünffacht at. Und ganz aktuell sorgen sich viele Bürgerinnen und ürger zum Beispiel im Sauerland, welche Glyphosatisiken sie sich durch den Anbau oder Kauf ihres Weihachtsbaumes mit in die Wohnzimmer holen. Die Auseinandersetzung um Glyphosat ist auch im ontext der Novelle des Pflanzenschutzgesetzes wichtig. auptziel der Novelle war für die Regierungskoalition ach eigenem Bekunden die Beschleunigung der Zulasung von Pestiziden. Kritische Stimmen aus Wissenchaft, Umweltund Verbraucherschutz wurden und erden konsequent ignoriert, wie der Streit um die Einindung des Umweltbundesamtes oder der Ausstieg der mweltund Wasserwirtschaftsverbände aus dem Naonalen Aktionsplan „Nachhaltiger Pflanzenschutz“, AP, belegen. Am Beispiel der glyphosathaltigen Herbi ide lassen sich die Folgen einer derart ideologischen olitik erschreckend deutlich darstellen. Dabei geht es unächst noch gar nicht um toxikologische Details. chon Paracelsus wusste: Dosis sola facit venenum. Alin die Dosis macht das Gift. Und gerade in dieser Hin icht müssen wir feststellen, dass die Menge der global nd bei uns in Deutschland ausgebrachten Glyphosaterbizide wie „Roundup“ in den letzten Jahren massiv estiegen ist. Vor allem in den USA und in Lateinamerika ist die lyphosatanwendung durch den Anbau von gentechisch verändertem Soja, das direkt mit Glyphosat beandelt werden kann, sprunghaft angestiegen, zum Beipiel in Argentinien um 58 Prozent pro Hektar. Von einer eduktion der Anwendung von Pestiziden, wie sie uns 17954 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 Dr. Kirsten Tackmann gebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2011 17955 Harald Ebner )

Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714933700

(A) (C)


von Gentechnikbefürwortern gerne versprochen wird,
sind wir also weiter entfernt denn je.

Angesichts dieser Mengen sollte selbstverständlich
sein, dass Hinweisen auf mögliche Gesundheits- oder
Umweltgefahren von Glyphosat besonders intensiv
nachgegangen wird. Aber genau das ist leider nicht der
Fall. Stattdessen mehren sich beim Blick auf die Zulas-
sungsverfahren unsere Fragezeichen. Schon in der Erst-
bewertung von Glyphosat haben Bundesbehörden Hin-
weise auf Störungen der Embryonalentwicklung durch
Glyphosat ignoriert, obwohl diese Daten nicht etwa von
Umweltverbänden, sondern vom Antragsteller, Mon-
santo, selbst geliefert wurden. Statt diesen Hinweisen
nachzugehen, wurden Schäden, die in der embryologi-
schen Fachliteratur eindeutig als Fehlbildung definiert
werden, einfach als „Entwicklungsvarianten“ relati-

mittel – in die Umwelt auszubringen, an den Beleg einer
entsprechenden Sachkunde gebunden. Allerdings gilt
das nur für den landwirtschaftlichen Bereich. In vielen
Garten- und Baumärkten können Verbraucher verschie-
denste Pestizide für ihre Haus- und Kleingärten er-
werben, darunter zahlreiche Glyphosatprodukte. Ein
Pflanzengift, das alle Arten von Pflanzen abtötet, das
nachgewiesenermaßen problematisch für im Wasser le-
bende Organismen ist und das jetzt auch noch unter
dringendem Verdacht steht, die Embryonalentwicklung
massiv zu stören, darf nicht von Hobbyanwendern in der
Nähe von spielenden Kindern oder Haustieren einge-
setzt werden. Weihnachten ist auch eine Zeit der Wün-
sche, und ich wünsche uns allen deshalb, dass uns die
Kolleginnen und Kollegen der Koalition im Sinne eines
vorsorgenden Verbraucherschutzes dabei unterstützen,
den Einsatz glyphosathaltiger Mittel in Haus- und
viert. Auf die Korrektur dieser offensichtlichen Fehlbe-
urteilung durch die Bundesregierung warten wir bis
heute.

Es muss leider davon ausgegangen werden, dass die
Gesundheits- und Umweltgefahren von Glyphosat bis-
her weder von den Herstellern noch den zuständigen Be-
hörden wirklich mit der erforderlichen kritischen Dis-
tanz bewertet wurden. Daraus ergibt sich zwangsläufig
unsere Kernforderung, die Zulassung von Glyphosat so
lange auszusetzen, bis das Ergebnis einer neuen und um-
fassenden Risikobewertung vorliegt, die diesen Namen
auch wirklich verdient.

Eine wichtige Forderung aus unserem Antrag sehen
wir durch unsere kritischen Fragen bereits umgesetzt:
Zwei Tage nach Einbringung des vorliegenden Antrages
hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebens-
mittelsicherheit, BVL, sechs Zusatzstoffen von glyphosat-
haltigen Pflanzenschutzmitteln die Zulassung entzogen,
in denen POE-Tallowamine enthalten sind. Der Schritt
kommt zwar spät, wird von uns aber ausdrücklich be-
grüßt. Denn es kann nicht toleriert werden, dass toxiko-
logisch bedenkliche Stoffe in großem Umfang in die
Umwelt ausgebracht werden, obwohl es nirgendwo in
Deutschland ein Labor gibt, das diese Tallowamine
überhaupt nachweisen kann.

Im neuen wie im alten Pflanzenschutzgesetz wird die
Erlaubnis, Gifte – nichts anderes sind Pflanzenschutz-

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leingärten zu untersagen.

Gerade Deutschland muss in seiner Rolle als Bericht-
rstatter in der EU für die Glyphosatzulassung jetzt
eine Verantwortung im Sinne einer Risikovorsorge zum
chutz der Menschen und der Ökosysteme wahrnehmen
nd die tatsächlichen Gefahren der Glyphosatanwen-
ung ernst nehmen. Bis eine wirklich gewissenhafte Ri-
ikoprüfung auch im Lichte der neuen Erkenntnisse er-
lgt ist, muss die Zulassung des Wirkstoffs umgehend

usgesetzt werden.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714933800

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf

rucksache 17/7982 an die in der Tagesordnung aufge-
hrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sie sind damit ein-

erstanden? – Widerspruch erhebt sich nicht. Dann ist
ie Überweisung so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie werden es nicht
r möglich halten, aber wir sind am Schluss unserer

eutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Freitag, den 16. Dezember 2011,
Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch
ine gute Nacht.