Protokoll:
17146

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 146

  • date_rangeDatum: 1. Dezember 2011

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 22:46 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/146Inhaltsverzeichnis Wahl des Abgeordneten Patrick Döring als stellvertretendes Mitglied im Stiftungsrat der „Stiftung Berliner Schloss – Humboldt- forum“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . Begrüßung des Präsidenten des Parlaments der Republik Kosovo, Herr Dr. Jakup Krasniqi . . . Tagesordnungspunkt 3: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Verbesse- rung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversiche- Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Wirksame Strukturreformen für eine patien- tenorientierte Gesundheitsversor- gung auf den Weg bringen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Kathrin Vogler, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Morato- rium für die elektronische Gesund- heitskarte (Drucksachen 17/3215, 17/7190, 17/7460, 17/8005) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . 17315 B 17315 C 17317 A 17317 B 17317 D 17318 A Deutscher B Stenografisch 146. Sitz Berlin, Donnerstag, den I n h a l Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Dr. Heinz Riesenhuber . . . . . . . . . . . . Wahl des Abgeordneten Dr. Andreas Schockenhoff als ordentliches Mitglied in den Verwaltungsrat des Deutsch-Französi- schen Jugendwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl der Abgeordneten Caren Marks als stellvertretendes Mitglied in den Verwal- tungsrat des Deutsch-Französischen Ju- gendwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl des Abgeordneten Michael Groß als or- dentliches Mitglied im Stiftungsrat der Bun- desstiftung Baukultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl des Abgeordneten Lars Lindemann als ordentliches Mitglied im Stiftungsrat der „Stiftung Berliner Schloss – Humboldtfo- rum“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b 17315 A 17315 B 17315 B 17315 B 17315 B rung (GKV-Versorgungsstrukturge- setz – GKV-VStG) (Drucksachen 17/6906, 17/7274) . . . . 17317 B undestag er Bericht ung 1. Dezember 2011 t : – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (Drucksache 17/8005) . . . . . . . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/8006) . . . . . . . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Agnes Alpers, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wirk- samere Bedarfsplanung zur Siche- rung einer wohnortnahen und be- darfsgerechten gesundheitlichen Versorgung – zu dem Antrag der Abgeordneten 17317 C 17317 C Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Zöller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 17319 B 17320 C II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr, Bundesminister BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Lothar Riebsamen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: a) Antrag der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben), Anette Kramme, Elke Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: UN-Konvention jetzt umsetzen – Chancen für eine inklusive Gesellschaft nutzen (Drucksache 17/7942) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Sabine Zimmermann, Dr. Ilja Seifert, Dr. Martina Bunge, weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion DIE LINKE einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Neunten Buches Sozial- gesetzbuch – Gesetzliche Fristen für die Feststellung der Behinderung und die Erteilung des Ausweises (Drucksache 17/6586) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Martina Bunge, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Behindern ist heilbar – Un- ser Weg in eine inklusive Gesellschaft (Drucksache 17/7872) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Martina Bunge, Agnes Alpers, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Teilhabesicherungsgesetz vorle- gen (Drucksache 17/7889) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Fritz Kuhn, Katrin Göring-Eckardt, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Neuntes Buch Sozialgesetzbuch im Sinne des Selbstbestimmungsrechts der Menschen mit Behinderung weiterentwickeln (Drucksache 17/7951) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit T A O H ti r (D E D D G M M S H D P U M G T a b c 17322 B 17323 C 17325 C 17327 C 17328 D 17329 C 17332 B 17333 B 17334 C 17335 D 17337 B 17337 C 17337 D 17338 A 17338 A agesordnungspunkt 20: ntrag der Abgeordneten Gabriele Hiller- hm, Elvira Drobinski-Weiß, Hans-Joachim acker, weiterer Abgeordneter und der Frak- on der SPD: Tag des Barrierefreien Tou- ismus auf der ITB unterstützen rucksache 17/7827) . . . . . . . . . . . . . . . . . . lke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . abriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . arkus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ilvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . einz Golombeck (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . aul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . lla Schmidt (Aachen) (SPD) . . . . . . . . . . . . arlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . abriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU) . . . . . . . agesordnungspunkt 39: ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die geodätischen Referenzsys- teme, -netze und geotopographischen Referenzdaten des Bundes (Bundesgeo- referenzdatengesetz – BGeoRG) (Drucksache 17/7375) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Düngegesetzes, des Saatgutverkehrsgesetzes und des Lebensmittel- und Futtermittelgesetz- buches (Drucksache 17/7744) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Protokoll vom 17. Mai 2011 zur Änderung des Abkommens vom 3. Mai 2006 zwischen der Bundesrepu- blik Deutschland und der Republik Slo- 17338 B 17338 B 17339 C 17341 A 17342 C 17343 D 17346 A 17347 A 17348 A 17348 D 17350 B 17351 C 17352 C 17354 C 17356 A 17356 D 17358 A 17358 C 17359 A 17359 D 17359 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 III wenien zur Vermeidung der Doppelbe- steuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Drucksache 17/7917) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Herbert Behrens, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Ergebnisse öffentlicher Forschung für alle zugänglich machen – Open Access in der Wissenschaft unter- stützen (Drucksache 17/7864) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Neue Impulse für die Sportboot- schifffahrt (Drucksache 17/7937) . . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Martin Gerster, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Förderung eines offenen Umgangs mit Homosexualität im Sport (Drucksache 17/7955) . . . . . . . . . . . . . . . . g) Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Valerie Wilms, Hans-Josef Fell, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schlechte Treibhausgasbilanz von Kraftstoffen aus Teersanden bei der Umsetzung der Kraftstoffqualitätsrichtlinie berück- sichtigen (Drucksache 17/7956) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Bettina Herlitzius, Stephan Kühn, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bedarfsfestlegung des Baus oder Ausbaus von Bundesfern- straßen (Drucksache 17/7885) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Rüdiger Veit, Gabriele Fograscher, Petra Ernstberger, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Schaffung einer aufenthaltsrechtlichen Bleibe- rechtsregelung (Drucksache 17/7933) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier, Willi Brase, Petra Crone, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Klassische Schweinepest zeitge- mäß bekämpfen – Impfen statt Töten (Drucksache 17/7958) . . . . . . . . . . . . . . . . d T a c d Z B s to – 17360 A 17360 A 17360 B 17360 B 17360 B 17360 C 17360 C 17360 D ) Antrag der Abgeordneten Willi Brase, Klaus Barthel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gleichwertigkeit von Berufs- bildung und Abitur sichern (Drucksache 17/7957) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 40: ) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP einge- brachten Entwurfs eines Zweiten Geset- zes zur Neuregelung energiewirtschafts- rechtlicher Vorschriften (Drucksache 17/7632) . . . . . . . . . . . . . . . Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie (Drucksache 17/7984) . . . . . . . . . . . . . . . ) Beratung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses: zu dem Streitverfah- ren vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 1/11 (Drucksache 17/7986) . . . . . . . . . . . . . . . ) – k) Beratung der Beschlussempfehlung des Pe- titionsausschusses: Sammelübersichten 346, 347, 348, 349, 350, 351, 352 und 353 zu Petitionen (Drucksachen 17/7876, 17/7877, 17/7878, 17/7879, 17/7880, 17/7881, 17/7882, 17/7883) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 3: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- rsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, Sabine Stüber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Ord- nungsrahmens für den Bodenschutz und zur Änderung der Richtlinie 2004/ 35/EG (KOM [2006] 232 endg.; Rats- dok. 1388/06) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Bodenschutz europaweit stärken 17360 D 17361 A 17361 A 17361 B 17361 C IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 – zu dem Antrag der Abgeordneten Dorothea Steiner, Cornelia Behm, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Blockade beim Bodenschutz aufgeben – EU-Bodenschutzrahmenrichtlinien vo- ranbringen (Drucksachen 17/7024, 17/3855, 17/7503) . . . Tagesordnungspunkt 17: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott, Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Klima- konferenz Durban: 10 Punkte für ein besseres Klima (Drucksache 17/7828) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Andreas Jung (Konstanz), Marie-Luise Dött, Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Michael Kauch, Horst Meierhofer, Angelika Brunkhorst, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Die UN-Klimakonferenz in Dur- ban – Vertrauen schaffen, konkrete Er- gebnisse erzielen (Drucksache 17/7936) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Frank Schwabe, Dirk Becker, Gerd Bollmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Klimakonferenz in Durban zum Er- folg führen – Kyoto-Protokoll verlän- gern, Klimaschutz finanzieren und Cancún-Beschlüsse umsetzen (Drucksache 17/7938) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Eva Bulling- Schröter, Dorothée Menzner, Sabine Stüber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Nur konsequenter Klimaschutz führt aus der Sackgasse der UN-Klimaverhandlungen (Drucksache 17/7939) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wahl der Mitglieder des Kuratoriums der „Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“ (Drucksache 17/7935) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weltklima- konferenz in Durban – Klimapolitik am Scheideweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F A D M E D D D B J D D U D T – – J U R W O D N E 17362 C 17362 D 17362 D 17363 A 17363 A 17363 B 17363 B rank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ndreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . r. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . va Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . r. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . irk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) . . . . . . ärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . osef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . r. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . r. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 6: Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streit- kräfte bei der Unterstützung der ge- meinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Verein- ten Nationen und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrages sowie der Reso- lutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen (Drucksachen 17/7743, 17/7995) . . . . . . . Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/8002) . . . . . . . . . . . . . . . oachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lla Schmidt (Aachen) (SPD) . . . . . . . . . . . . obert Hochbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . mid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . amentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . rgebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17363 C 17364 C 17365 D 17366 D 17368 A 17369 A 17370 A 17371 A 17372 A 17373 D 17374 D 17375 D 17377 C 17378 D 17380 A 17380 A 17380 B 17381 A 17382 B 17383 B 17384 A 17385 A 17386 A 17387 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 V Tagesordnungspunkt 7: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordne- ten Petra Pau, Jan Korte, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Mindestens 137 Todesopfer rechter Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland seit 1990 (Drucksachen 17/5303, 17/7161) . . . . . . . . . . Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Ope- ration Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkom- mens der Vereinten Nationen von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1897 (2009) vom 30. November 2009, 1950 (2010) vom 23. November 2010 und nachfolgender Resolutionen des Si- cherheitsrates der Vereinten Nationen in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. November 2008, dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2009, dem Beschluss 2010/ 437/GASP des Rates der Europäischen Union vom 30. Juli 2010 und dem Be- schluss 2010/766/GASP des Rates der Europäischen Union vom 7. Dezember 2010 (Drucksachen 17/7742, 17/7996) . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/8004) . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . F J K B H B H W H N E T a b c d K R 17386 A 17386 B 17389 B 17390 D 17391 B 17392 B 17393 B 17394 C 17395 B 17396 A 17396 B 17396 C 17397 A lorian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . an van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Torsten Staffeldt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . erstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . urkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . . . ans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . urkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . . . artwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . artwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . amentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . rgebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 9: ) Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Private Sicherheitsfirmen umfassend regulieren und zertifizieren (Drucksache 17/7640) . . . . . . . . . . . . . . . ) Beratung der Großen Anfrage der Abge- ordneten Katja Keul, Tom Koenigs, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Regulierung privater Militär- und Si- cherheitsfirmen (Drucksachen 17/4573, 17/6780) . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Nichtstaatliche mi- litärische Sicherheitsunternehmen re- gistrieren und kontrollieren (Drucksachen 17/4198, 17/7998) . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Vorlage eines Gesetzentwurfes zur Ratifizierung der „Internationalen Konvention gegen die Anwerbung, den Einsatz, die Finanzierung und die Aus- bildung von Söldnern“ der Generalver- sammlung der Vereinten Nationen (Drucksachen 17/4663, 17/5799) . . . . . . . atja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . oderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . 17398 B 17399 B 17400 A 17400 D 17402 A 17402 D 17403 A 17403 B 17404 B 17404 C 17404 C 17407 C 17404 D 17405 A 17405 A 17405 A 17405 B 17406 B VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . . Robert Hochbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Ope- ration „ALTHEA“ zur weiteren Stabili- sierung des Friedensprozesses in Bos- nien und Herzegowina im Rahmen der Implementierung der Annexe 1-A und 2 der Dayton-Friedensvereinbarung so- wie an dem NATO-Hauptquartier Sara- jevo und seinen Aufgaben, auf Grund- lage der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 1575 (2004) und Folgeresolutionen (Drucksachen 17/7577, 17/7997) . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/7999) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Groschek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Annette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Beyer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig), Gabriele Fograscher, Dr. Hans- Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Rechtsextremismus vor- beugen – Unsere Demokratie braucht gute politische Bildung und eine starke Bundes- zentrale für politische Bildung (Drucksache 17/7943) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Agnes Alpers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Agnes Alpers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . K M T B d a G (D M W M R J P O S K S D F K F T A B o A V m B a (D U T S D V 17409 B 17411 A 17412 A 17412 D 17414 B 17414 C 17414 D 17416 A 17417 A 17418 A 17419 A 17420 A 17421 A 17423 C 17421 B 17421 C 17425 B 17427 A 17427 D 17428 B ai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Hendricks (SPD) . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 12: eschlussempfehlung und Bericht des Vertei- igungsausschusses als 1. Untersuchungs- usschuss gemäß Artikel 45 a Absatz 2 des rundgesetzes rucksache 17/7400) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . ichael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . ainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . oachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . mid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . atja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Hans-Peter Bartels (SPD) . . . . . . . . . . . . lorian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . atja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lorian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 13: ntrag der Abgeordneten Uta Zapf, Doris arnett, Dr. h. c. Gernot Erler, weiterer Abge- rdneter und der Fraktion der SPD sowie der bgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, olker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bre- en), weiterer Abgeordneter und der Fraktion ÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die OSZE usbauen und stärken rucksache 17/7824) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ta Zapf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . homas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . tefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . r. Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . iola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17429 B 17430 B 17431 A 17432 D 17432 D 17434 D 17435 A 17435 B 17437 A 17438 B 17440 A 17441 C 17442 D 17443 A 17443 B 17443 C 17445 A 17446 B 17446 C 17446 D 17446 D 17448 A 17449 B 17450 A 17451 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 VII Tagesordnungspunkt 18: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Aufhebung von Sperrregelungen bei der Be- kämpfung von Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen (Drucksache 17/6644) . . . . . . . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommuni- kationsnetzen (Drucksache 17/776) . . . . . . . . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jörn Wunderlich, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung von Zu- gangsbeschränkungen in Kommuni- kationsnetzen (Drucksache 17/646) . . . . . . . . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Geset- zes zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhal- ten in Kommunikationsnetzen und Änderung weiterer Gesetze (Drucksache 17/772) . . . . . . . . . . . . . . – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache 17/8001) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Burkhard Lischka, Lars Klingbeil, Christine Lambrecht, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Zugangserschwerungsgesetz aufheben – Verfassungswidrigen Zustand beenden (Drucksachen 17/4427, 17/8001) . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . T A D A D k li (D D R M D L T – – T B s n g F d M v je (D D F R D D S 17451 D 17452 A 17452 A 17452 A 17452 B 17452 B 17452 C 17453 B 17455 A 17457 A 17457 D agesordnungspunkt 15: ntrag der Abgeordneten Richard Pitterle, r. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, weiterer bgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: eutsch-französische Initiative zur Be- ämpfung der Euro-Krise und zur Regu- erung der Finanzmärkte starten rucksache 17/7884) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . alph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . anfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . isa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 19: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer Visa-Warndatei und zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes (Drucksache 17/6643) . . . . . . . . . . . . . . . Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses (Drucksache 17/7994) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 24: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Bildung, Forschung und Tech- ikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Ab- eordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef ell, Krista Sager, weiterer Abgeordneter und er Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: oratorium jetzt – Dringliche Klärung on Fragen zu Mehrkosten des ITER-Pro- kts rucksachen 17/6321, 17/7934) . . . . . . . . . . r. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . lorian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . ené Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Peter Röhlinger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . r. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . ylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17459 C 17459 C 17460 C 17463 C 17465 C 17466 D 17468 A 17469 A 17469 C 17469 D 17470 A 17470 B 17471 B 17472 B 17473 B 17473 D 17474 C VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für die Angelegenheiten der Euro- päischen Union – zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU und FDP: Einvernehmensherstel- lung von Bundestag und Bundesregie- rung zum Beitrittsantrag der Republik Montenegro zur Europäischen Union und zur Empfehlung der EU-Kommis- sion vom 12. Oktober 2011 zur Auf- nahme von Beitrittsverhandlungen hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 10 des Ge- setzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bun- destag in Angelegenheiten der Europäi- schen Union – zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Ein- vernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zur Empfehlung der EU-Kommission vom 12. Oktober 2011 zur Aufnahme von Beitrittsver- handlungen mit Montenegro hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 10 des Ge- setzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bun- destag in Angelegenheiten der Europäi- schen Union – zu dem Antrag der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zur Empfehlung der EU-Kommission vom 12. Oktober 2011 zur Aufnahme von Bei- trittsverhandlungen mit Montenegro hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 10 des Ge- setzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bun- destag in Angelegenheiten der Europäi- schen Union (Drucksachen 17/7768, 17/7809, 17/7769, 17/8012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Optimierung der Geldwäscheprävention (Drucksache 17/6804) . . . . . . . . . . . . . . . . – P In B R D T a b D D K M H T T – – T B s to te K 17476 A 17476 C Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (Drucksachen 17/7950, 17/8043) . . . . . . . eter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . go Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . jörn Sänger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . r. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 22: ) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für eine Normalisierung der Beziehungen der Europäischen Union zu Kuba (Drucksachen 17/3188, 17/4273) . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Ulrich Maurer, Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Freilassung der „Miami Five“ (Drucksache 17/7416) . . . . . . . . . . . . . . . r. Egon Jüttner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . r. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . laus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . arina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . eike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . om Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 21: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedergewährung der Sonderzahlung (Drucksache 17/7631) . . . . . . . . . . . . . . . Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses (Drucksache 17/8007) . . . . . . . . . . . . . . . Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/8011) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 28: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- rsicherheit zu dem Antrag der Abgeordne- n Dorothea Steiner, Stephan Kühn, Undine urth (Quedlinburg), weiterer Abgeordneter 17476 C 17476 D 17478 C 17479 D 17480 D 17481 D 17482 D 17483 A 17483 A 17484 A 17485 B 17486 B 17487 C 17488 A 17489 A 17489 A 17489 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 IX und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Elberaum entwickeln – Nachhaltig, zukunftsfähig und naturverträglich (Drucksachen 17/4554, 17/7681) . . . . . . . . . . Ulrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Stüber (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Drucksache 17/6764) . . . . . . . . . . . . . . . . – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (Drucksache 17/7991) . . . . . . . . . . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/8003) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Antrag der Abgeordneten Sabine Leidig, Caren Lay, Dr. Kirsten Tackmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bahnpreiserhöhung stoppen (Drucksache 17/7940) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Martin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parla- ments und des Rates über ein Gemeinsa- mes Europäisches Kaufrecht (KOM [2011] 635 endg.; Ratsdok. 15429/11) hier: Stellungnahme gemäß Protokoll Nr. 2 zum Vertrag über die Europäische Union und zum Vertrag über die Arbeitsweise der E G h (D D T B M R In T A D o s n Z n (D A E R K D N U T B s p in 17489 C 17489 D 17491 D 17493 A 17493 D 17494 C 17495 C 17495 C 17495 C 17495 D 17496 A 17497 A 17498 A 17498 C 17499 B 17500 A uropäischen Union (Anwendung der rundsätze der Subsidiarität und der Ver- ältnismäßigkeit) rucksachen 17/7713 Nr. A.5, 17/8000) . . . r. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . . . homas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . urkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . arco Buschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . aju Sharma (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . grid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 30: ntrag der Abgeordneten Niema Movassat, r. Petra Sitte, Kathrin Vogler, weiterer Abge- rdneter und der Fraktion DIE LINKE: For- chungsförderung zur Bekämpfung ver- achlässigter Krankheiten ausbauen – ugang zu Medikamenten für arme Regio- en ermöglichen rucksache 17/7372) . . . . . . . . . . . . . . . . . . nette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . berhard Gienger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . ené Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . arin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . . . r. Peter Röhlinger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . iema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . we Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 27: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für die Angelegenheiten der Euro- äischen Union – zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Der Mehr- jährige Finanzrahmen der EU 2014–2020 – Ein strategischer Rah- men für nachhaltige und verantwor- tungsvolle Haushaltspolitik mit eu- ropäischem Mehrwert – zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Für einen progressiven europäi- schen Haushalt – Der Mehrjährige Finanzrahmen der EU 2014–2020 (Drucksachen 17/7767, 17/7808, 17/8013) Verbindung mit 17501 A 17501 B 17503 B 17504 D 17505 D 17506 B 17507 A 17507 D 17508 A 17509 A 17509 D 17510 C 17511 B 17511 D 17512 D 17513 D X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Lisa Paus, Viola von Cramon-Taubadel, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Ein starker Haus- halt für ein ökologisches und solidarisches Europa – Der Mehrjährige Finanzrahmen 2014–2020 (Drucksache 17/7952) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Link (Heilbronn) (FDP) . . . . . . . . . . Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Seefi- schereigesetzes und des Seeaufgaben- gesetzes (Drucksache 17/6332) . . . . . . . . . . . . . . . . – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz (Drucksache 17/7992) . . . . . . . . . . . . . . . . Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Holger Ortel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einrichtung und zum Betrieb eines bundesweiten Hilfetele- fons „Gewalt gegen Frauen“ (Hilfetele- fongesetz – HilfetelefonG) (Drucksache 17/7238) . . . . . . . . . . . . . . . . – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drucksache 17/8008) . . . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . . S C M T A (B w C D S n fr M d (D W D A D D C N B A L A M H W d A P A E N m O g 17514 A 17514 B 17515 B 17516 D 17518 A 17520 D 17521 C 17523 A 17523 A 17523 A 17524 D 17526 C 17527 B 17528 B 17529 B 17529 C 17529 C 17530 C 17531 D ibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . ornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . . onika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 32: ntrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen önstrup), Peter Altmaier, Dorothee Bär, eiterer Abgeordneter und der Fraktion der DU/CSU sowie der Abgeordneten r. Claudia Winterstein, Burkhardt Müller- önksen, Gabriele Molitor, weiterer Abgeord- eter und der Fraktion der FDP: Barriere- eies Filmangebot umfassend ausweiten – ehr Angebote für Hör- und Sehbehin- erte rucksache 17/7709) . . . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . orothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . ngelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . r. Claudia Winterstein (FDP) . . . . . . . . . . . r. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . laudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . erichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 ündliche Frage 98 arald Weinberg (DIE LINKE) iederherstellung der Fusionskontrolle er Krankenkassen ntwort eter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 3 rklärung nach § 31 GO des Abgeordneten orbert Schindler (CDU/CSU) zur Abstim- ung über den Entwurf eines Gesetzes zur ptimierung der Geldwäscheprävention (Ta- esordnungspunkt 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17532 C 17533 A 17534 A 17535 A 17535 B 17537 A 17537 C 17538 C 17539 B 17540 B 17541 C 17541 A 17543 A 17543 D 17544 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 XI Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Die OSZE ausbauen und stärken (Tagesordnungspunkt 13) Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – Einvernehmensherstellung von Bundes- tag und Bundesregierung zum Beitritts- antrag der Republik Montenegro zur Euro- päischen Union und zur Empfehlung der EU-Kommission vom 12. Oktober 2011 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlun- gen hier: Stellungnahme des Deutschen Bun- destages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 10 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesre- gierung und Deutschem Bundestag in An- gelegenheiten der Europäischen Union – Einvernehmensherstellung von Bundes- tag und Bundesregierung zur Empfehlung der EU-Kommission vom 12. Oktober 2011 zur Aufnahme von Beitrittsverhand- lungen mit Montenegro hier: Stellungnahme des Deutschen Bun- destages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 10 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesre- gierung und Deutschem Bundestag in An- gelegenheiten der Europäischen Union – Einvernehmensherstellung von Bundes- tag und Bundesregierung zur Empfehlung der EU-Kommission vom 12. Oktober 2011 zur Aufnahme von Beitrittsverhand- lungen mit Montenegro hier: Stellungnahme des Deutschen Bun- destages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 10 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesre- gierung und Deutschem Bundestag in An- gelegenheiten der Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 14) Thomas Dörflinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Peter Beyer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oliver Luksic (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . T M A Z d e A R S R H U M A Z d w p A S M D P D A Z d d u p M O D M M 17544 D 17546 A 17547 A 17548 A 17549 A homas Nord (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . anuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 6 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung iner Visa-Warndatei und zur Änderung des ufenthaltsgesetzes (Tagesordnungspunkt 19) einhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . tephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . üdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . artfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . lla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . emet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 7 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederge- ährung der Sonderzahlung (Tagesordnungs- unkt 21) rmin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . tephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . ichael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . r. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . etra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 8 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Än- erung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch nd anderer Gesetze (Zusatztagesordnungs- unkt 5) ax Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ttmar Schreiner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . atthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . arkus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17550 A 17551 A 17552 A 17553 B 17554 B 17555 A 17555 D 17556 D 17557 D 17558 C 17559 B 17559 D 17560 D 17561 A 17562 A 17563 A 17564 A 17564 D 17565 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17315 (A) ) )(B) 146. Sitz Berlin, Donnerstag, den Beginn: 9.0
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    Berichtigung S i g m 141. Sitzung, Seite 16809 B, erster Absatz, erster atz ist wie folgt zu lesen: „Wenn ich die Studie richtig m Kopf habe, dann enthält sie hinsichtlich der Betriebs- rößen eine Staffelung: ganz kleine weniger, mittlere ehr, ganz große noch weniger Antibiotika.“ Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17543 (A) ) )(B) Anlagen überhaupt befürwortet? Bundesministers für Wirtschaft und Technologie mit dem Bundesminister für Gesundheit und dem Bundeskartellamt Anfang Dezember 2011 (FAZ vom 23. November 2011, Seite 12) um die Ausgestaltung der Umsetzung, oder will sie zunächst prüfen, ob sie die Wiederherstellung der Fusionskontrolle Lindemann, Lars FDP 01.12.2011 Möller, Kornelia DIE LINKE 01.12.2011 Anlage 1 Liste der entschuldigte A d A (1 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 01.12.2011 Beckmeyer, Uwe SPD 01.12.2011 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 01.12.2011 Brehmer, Heike CDU/CSU 01.12.2011 Dittrich, Heidrun DIE LINKE 01.12.2011 Dyckmans, Mechthild FDP 01.12.2011 Edathy, Sebastian SPD 01.12.2011 Friedhoff, Paul K. FDP 01.12.2011 Dr. Friedrich (Hof), Hans-Peter CDU/CSU 01.12.2011 Funk, Alexander CDU/CSU 01.12.2011 Gabriel, Sigmar SPD 01.12.2011 Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 01.12.2011 Goldmann, Hans- Michael FDP 01.12.2011 Granold, Ute CDU/CSU 01.12.2011 Hoff, Elke FDP 01.12.2011 Höger, Inge DIE LINKE 01.12.2011 Dr. h. c. Kastner, Susanne SPD 01.12.2011 Dr. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 01.12.2011 Kossendey, Thomas CDU/CSU 01.12.2011 Kurth (Quedlinburg), Undine BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.12.2011 Leutheusser- Schnarrenberger, Sabine FDP 01.12.2011 M N N O P P R R S S D S S D W Z A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht n Abgeordneten nlage 2 Antwort es Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Frage des bgeordneten Harald Weinberg (DIE LINKE) 45. Sitzung, Drucksache 17/7901, Frage 98) Möchte die Bundesregierung geschlossen die von dem ak- tuellen Urteil des hessischen Landessozialgerichts verunmög- lichte Fusionskontrolle der Krankenkassen durch das Bundes- kartellamt wiederherstellen, und geht es bei dem Treffen des ovassat, Niema DIE LINKE 01.12.2011 iebel, Dirk FDP 01.12.2011 ietan, Dietmar SPD 01.12.2011 rtel, Holger SPD 01.12.2011 etermann, Jens DIE LINKE 01.12.2011 olenz, Ruprecht CDU/CSU 01.12.2011 eiche (Potsdam), Katherina CDU/CSU 01.12.2011 oth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.12.2011 cheel, Christine BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.12.2011 chlecht, Michael DIE LINKE 01.12.2011 r. Schwanholz, Martin SPD 01.12.2011 enger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 01.12.2011 teinbrück, Peer SPD 01.12.2011 r. Westerwelle, Guido FDP 01.12.2011 olff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 01.12.2011 immermann, Sabine DIE LINKE 01.12.2011 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 17544 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 (A) ) )(B) Die Bundesregierung wird die Auswirkungen des Ur- teils des Landessozialgerichts Hessen auf die Fusions- kontrolle bei gesetzlichen Krankenkassen auch im Hin- blick auf eventuell bestehenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf sehr sorgfältig prüfen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Norbert Schindler (CDU/ CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Optimierung der Geldwäscheprä- vention (Tagesordnungspunkt 16) Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesre- gierung soll der Wirtschaftsstandort Deutschland wirk- samer vor Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ge- schützt werden. Dazu wenden hier die von der Financial Action Task Force on Money Laundering, FATF, im Deutschland-Bericht vom 19. Februar 2010 identifizier- ten Defizite im deutschen Rechtssystem bei der Be- kämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzie- rung beseitigt und weitere Anpassungen an EU- Verordnungen vorgenommen. Dies ist insgesamt zu be- grüßen, auch weil sich die veranschlagten Bürokratie- kosten und die Informationspflichten für Wirtschaft, Bürger und Verwaltung im Rahmen halten. Absolut inakzeptabel ist für mich jedoch die Absen- kung des Schwellenwertes für Bareinzahlungen von Nichtkunden auf Konten anderer Banken. So unterliegen Barzahlungen bis 15 000 Euro, zum Beispiel beim Kauf eines Autos, nicht der besonderen Sorgfaltspflicht des Verkäufers, während Bareinzahlungen bei einer anderen Bank als der eigenen schon bei einer Summe von 1 000 Euro einer besonderen Überprüfung bedürfen. Die Absenkung des Schwellenwertes für Bareinzah- lungen von 15 000 Euro auf 1 000 Euro von Nichtkunden auf Konten bei anderen Kreditinstituten in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GwG hat nämlich einen erheblichen Mehr- aufwand zur Folge. Entgegen der Gesetzesbegründung hat die Absenkung des Schwellenwerts nicht nur deklara- torischen Charakter, wie in der Begründung der Forde- rung des Bundesrats zur Streichung dieser Änderung er- sichtlich ist: Während die EG-Geldtransferverordnung eine auf die wesentlichen Auftraggeberdaten beschränkte Identifizierung zulässt, erfordert die geldwäsche- rechtliche Identifizierung die Erhebung zahlreicher zusätzlicher Kundendaten sowie die Feststellung und Verifizierung sämtlicher wirtschaftlich Berech- tigter, die Abklärung politisch exponierter Personen etc. Die Feststellung dieser Daten müsste vor bzw. gleichzeitig mit dem Geschäft durchgeführt wer- den. Dies stellt eine in zahlreichen Praxisfällen nicht zu erfüllende Anforderung dar. In den übrigen Fällen wird hierdurch die Wirtschaftlichkeit solcher Transaktionen nachhaltig infrage gestellt. Daher ist damit zu rechnen, dass nicht wenige Kreditinstitute als Reaktion auf eine solche Neuregelung das Zahl- scheingeschäft ganz oder für Transaktionsbeträge Z s re fü D s z s w s k k P w in n te re ß b K le e A tr G b n tr N S s d k O s n K e s s (C (D ab 1 000 Euro einstellen werden. Dies dürfte insbe- sondere auch Auswirkungen auf öffentliche Institu- tionen ohne eigene Kassen und Spendenorganisa- tionen haben. Die zur Abstimmung stehende Neuregelung ist eine umutung insbesondere für kleine Banken und Sparkas- en und deren Kunden, die meist jahrzehntelang, basie- nd auf gewachsenem Vertrauen, Bareinzahlungen auch r Dritte oder bei Fremdbanken vornehmen konnten. iese Kunden, wie der Leiter einer Drogeriefiliale, der eine Bareinnahmen bei der nächstgelegenen Bank ein- ahlen muss, oder die Oma, die ihrem Enkel Bargeld auf ein Konto bei einer anderen Bank einzahlt, werden im ahrsten Sinne des Wortes bis auf die Unterhose ge- cannt, obwohl sie den Bankangestellten jahrelang be- annt sind. Die Bank muss bei jeder Bareinzahlung auf Fremd- onten einen Auftraggeberdatensatz anlegen, um ihren rüf- und Datenerhebungspflichten nachzukommen. Dies iderspricht eklatant der Aussage der Bundesregierung der Vorbemerkung des Gesetzentwurfs, dieser leiste ei- en wichtigen Beitrag zum Ziel, die bürokratischen Las- n aus gesetzlich veranlassten Informationspflichten zu duzieren. Abschließend noch eine Nebenbemerkung: Die gro- en Gauner, um die es bei Geldwäsche und Terrorismus- ekämpfung geht, finden sicherlich andere Wege als leinstbeträge bar auf institutsfremde Konten einzuzah- n. Aus den genannten Gründen kann ich diesem Gesetz- ntwurf nur mit Bauchgrimmen zustimmen. nlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Die OSZE ausbauen und stärken (Tagesordnungspunkt 13) Manfred Grund (CDU/CSU): Der vorliegende An- ag weist ein grundlegendes Defizit auf: Er geht über emeinplätze nicht hinaus. Er erschöpft sich darin, alt- ekannte Probleme zu beschreiben, bietet aber keine euen Lösungen. Das ist zu wenig für einen solchen An- ag. Dabei handelt es sich um ein wichtiges Thema. ach wie vor ist die OSZE die einzige umfassende icherheitsorganisation im euroatlantischen Raum. Als olche ist sie bislang unentbehrlich. Daher können wir er grundsätzlichen Intention, die OSZE wieder zu stär- en, nur zustimmen; denn es ist ja richtig, dass sich die SZE in einer latenten Krise befindet. Zwar leistet die OSZE in ihrer humanitären Dimen- ion und besonders mit ihren Wahlbeobachtungsmissio- en eine wichtige Funktion. Doch den nach dem Kalten rieg in der Charta von Paris formulierten Anspruch, ine funktionierende Sicherheitsarchitektur in Europa zu chaffen, hat die OSZE nicht erfüllen können. Die chwelenden Konflikte um Abchasien und Südossetien, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17545 (A) ) )(B) Berg-Karabach und Transnistrien hat sie nicht überwin- den können. Auch die Rüstungskontrolle befindet sich vorerst in einer Sackgasse: Aufgrund der fortdauernden russischen Truppenpräsenz in Georgien und Moldau hat die NATO die Ratifikation des AKSE-Vertrages abgelehnt. Russ- land hat im Gegenzug die Anwendung des KSE-Vertra- ges ausgesetzt. Wenn es um die Sicherheit in Europa geht, ist die OSZE heute weitgehend nur noch ein ge- meinsames Forum. Deshalb ist es auch nicht ganz unver- ständlich, wenn Russland und einige andere Länder an der OSZE eine zu einseitige Orientierung auf die huma- nitäre Dimension kritisieren. Im Dezember fand der Gipfel von Astana statt. Das war immerhin das erste Gipfeltreffen der OSZE seit mehr als zehn Jahren. Der Gipfel von Astana sollte der OSZE neues Gewicht verleihen. Er war auch kein Miss- erfolg. Denn trotz der langjährigen Kontroversen um die Ausgestaltung der humanitären Dimension haben die Mitgliedstaaten den gesamten Rechtsbestand der OSZE, einschließlich der menschrechtlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien, ausdrücklich bestätigt. Doch die Verständigung auf einen Aktionsplan zur Re- form der OSZE ist zunächst gescheitert – vor allem an Differenzen über die schwelenden Konflikte. Nach wie vor haben wir im Bereich der zwischen- staatlichen Sicherheit ein starkes Integrationsgefälle in Europa. Wir haben eine enge sicherheitspolitische Zu- sammenarbeit in der NATO und zunehmend auch in der EU. Die osteuropäischen Länder und gerade auch Russland sind in diese Sicherheitsarchitektur aber nur unzureichend eingebunden. Es ist berechtigt, dass Russland diese mangelnde Einbindung kritisiert. Präsi- dent Medwedew hat deshalb seinen Vorschlag für ei- nen neuen Sicherheitsvertrag vorgelegt. Der vorliegende Antrag weist nicht zu Unrecht darauf hin, dass der russi- sche Vertragsentwurf keine befriedigende Antwort zur Rolle der NATO und der EU in einer künftigen europäi- schen Sicherheitsarchitektur bietet. Im Übrigen bietet er auch keine Antwort zum Verhältnis zwischen der huma- nitären und der zwischenstaatlichen Dimension von Si- cherheit. Diese wichtige Frage beantwortet aber auch der vorliegende Antrag nicht. Er übergeht sie einfach. Aber das bedeutet sicher nicht, dass wir die Vorschläge des russischen Präsidenten abtun sollten. Präsident Medwedew hat eine Diskussion begonnen, und er hat dabei zunächst vor allem die russischen Interessen for- muliert. Das ist auch völlig legitim. Wir sollten diese Diskussion mit Russland ernsthaft führen. Die OSZE hat sie im sogenannten Korfu-Prozess aufgenommen. Sie muss aber auch mit den anderen sicherheitspolitisch relevanten Organisationen in Europa geführt werden. Der vorliegende Antrag betont das Erfordernis, den Dialog über die künftige Sicherheits- architektur mit Russland auch im NATO-Russland-Rat zu führen. Zugleich aber wird die Rolle der EU dabei mit Schweigen übergangen. Dabei liegt mit der Meseberger Initiative inzwischen ein gemeinsamer Vorschlag von Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Medwedew vor, e S la te T a e k s w s a D Z s g n A (C (D inen institutionalisierten Dialog über die künftige icherheitsarchitektur auch zwischen der EU und Russ- nd aufzunehmen. Als Voraussetzung wollen beide Sei- n zunächst gemeinsam Fortschritte bei der Lösung des ransnistrien-Konfliktes erreichen. Sicherlich wird sich uch dieses Ziel nicht einfach und von heute auf morgen rreichen lassen. Trotzdem erscheint mir dieser Weg, bei onkreten Problemen anzufangen, der richtige Weg zu ein. Allein mit neuen oder geänderten Verträgen werden ir noch keine bessere Sicherheitsarchitektur in Europa chaffen, keine nachhaltige Stärkung der OSZE und uch keine bessere Einbeziehung Russlands erreichen. afür müssen wir vielmehr eine Agenda gemeinsamer iele entwickeln. Wir müssen die Fähigkeit zur prakti- chen Zusammenarbeit erproben. Anders als der vorlie- ende Antrag hat die Meseberger Initiative dafür einen euen Ansatz eröffnet. nlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zum Beitrittsantrag der Republik Montenegro zur Europäischen Union und zur Empfehlung der EU-Kom- mission vom 12. Oktober 2011 zur Auf- nahme von Beitrittsverhandlungen hier: Stellungnahme des Deutschen Bundes- tages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grund- gesetzes i. V. m § 10 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union – Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zur Empfehlung der EU-Kommission vom 12. Oktober 2011 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Montenegro hier: Stellungnahme des Deutschen Bundes- tages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grund- gesetzes i. V. m § 10 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union – Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zur Empfehlung der EU-Kommission vom 12. Oktober 2011 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Montenegro hier: Stellungnahme des Deutschen Bundes- tages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grund- gesetzes i. V. m § 10 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und 17546 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 (A) ) )(B) Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 14) Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Wer in diesen Ta- gen eine Suchmaschine im Internet mit dem Begriff „Eu- ropa“ füttert, wird über das Ergebnis nicht sonderlich überrascht sein. Neben einer definitorischen Beschrei- bung Europas und der Website der Europäischen Union finden sich die weiteren Treffer in folgenden Stichwor- ten zusammengefasst: Schuldenkrise, Ratingsenkung, Schuldenfalle, Abwertung, Euro-Angst und manches mehr in dieser Richtung. Wenn wir heute über die Frage debattieren, wie sich der Deutsche Bundestag zur mögli- chen Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Monte- negro verhält, dann ist – bevor ich zur Sache selbst komme – eines klar: Europa hat nach wie vor eine enorme Anziehungskraft, wird in seiner Bedeutung viel- leicht von unseren Nachbarn außerhalb der Europäi- schen Union noch klarer als Chance begriffen, und Eu- ropa ist seit mehr als 60 Jahren Garant für Frieden, Freiheit und Wohlstand auf diesem Kontinent. Wir soll- ten uns dies angesichts der Tatarenmeldungen, die einan- der durch die Schlagzeilen zu jagen scheinen, wieder einmal ins Gedächtnis zurückrufen, ohne dass wir die Probleme und Herausforderungen, vor denen wir gegen- wärtig stehen, kleinzureden. Ich will eine zweite Vorbemerkung machen: Wenn wir die hinter uns liegenden Beitrittsverhandlungen ehr- lich ansehen, müssen wir zugeben, dass da nicht alles optimal gelaufen ist, um es einmal vorsichtig zu formu- lieren. Nicht von ungefähr hat die Europäische Kommis- sion in ihrer jüngsten einschlägigen Mitteilung vom 12. Oktober vorgegeben, zukünftig die Kapitel 23 (Judi- kative und Grundrechte) und 24 (Justiz, Freiheit und Si- cherheit) als erste Kapitel in den Beitrittsverhandlungen abarbeiten zu wollen. Die Erfahrungen aus den Beitritten Griechenlands, Rumäniens und Bulgariens, aber auch die Begegnung mit letzten Stolpersteinen in den gerade zu Ende gegangenen Beitrittsverhandlungen mit Kroa- tien machen dies notwendig, und die CDU/CSU-Bun- destagsfraktion begrüßt diese Ankündigung der EU- Kommission mit Nachdruck. Ich rate dazu, Realismus und Ehrlichkeit auch als Leitschnur zu wählen, wenn es um die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit Montenegro geht. Nach un- serer Ansicht bleibt der Fortschrittsbericht der Kommis- sion an vielen Stellen zu vage und gibt die tatsächliche Situation nicht in ausreichendem Maße wider. Auch wenn wir durchaus anerkennen, dass Montenegro in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht Fortschritte er- zielt hat, was vor knapp zwei Jahren zur Aufhebung der Visumpflicht für die montenegrinische Bevölkerung bei der Einreise in den Schengen-Raum führen konnte, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass in vielen Berei- chen noch sehr, sehr viel tun ist, bis die Kopenhagener Kriterien als erfüllt angesehen werden können. Ich will einige wenige Punkte exemplarisch nennen: Erstens. Die Funktionsfähigkeit des Parlaments, ein Punkt, der uns als Deutscher Bundestag in besonderem M D n w tr n m u o d n h w d s V h m d d w s s g S e s z s A s b n B ta d d E a s s d u e m A fo h ti a a m Q (C (D aße zu interessieren hat, ist nicht ausreichend gegeben. ie Ausstattung mit qualifizierten Mitarbeitern und dem ötigen technischen Equipment muss deutlich verbessert erden, damit die Kolleginnen und Kollegen ihrer Kon- ollfunktion gegenüber der Regierung auch tatsächlich achkommen können. Zweitens. Die Verwaltung muss dahin gehend opti- iert werden, dass beschlossene Reformvorhaben auch mgesetzt werden. Erste Erfolge in der Bekämpfung von rganisierter Kriminalität und Korruption dürfen nicht en Blick darauf verstellen, dass diese Probleme einer achhaltigen Entwicklung Montenegros (mindestens bis- er) deutlich entgegenstehen. Drittens. Damit einher müssen die Anstrengungen auf irtschaftlichen Gebiet gehen. Wir anerkennen aus- rücklich das Ziel der Regierung von Montenegro, chon 2012 die Stabilitätskriterien aus dem Maastricht- ertrag einzuhalten, machen aber gleichwohl schon eute darauf aufmerksam, dass hierzu auch weitere Be- ühungen um Diversifizierung der Wirtschaft und bei er Privatisierung von Staatsbetrieben notwendig sind. Viertens. Wir sehen deutliche Defizite auf dem Gebiet er Meinungs- und Pressefreiheit. Bedrohungen und An- endung von Gewalt gegen journalistisch Tätige müs- en nicht nur ordnungsgemäß untersucht, sondern auch trafrechtlich verfolgt werden. Ich will in diesem Zusammenhang nicht verschwei- en, dass ich mir gewünscht hätte, wenn der Antrag der PD – die Grünen nehme ich da aus – auch wenigstens in bisschen kritische Selbstreflexion hätte erkennen las- en. Die Beitritte von Rumänien und Bulgarien und die iemlich schlampig geführten Beitrittsverhandlungen ind genauso ein Produkt ihrer Regierungszeit wie die ufnahme Griechenlands in die Euro-Zone. Die Folgen ind ja nun hinlänglich bekannt. Ich halte es für ein Ge- ot der Redlichkeit, bestehende Defizite offen zu benen- en, und dies zu einem Zeitpunkt vor der Aufnahme von eitrittsverhandlungen, auch und gerade um der Akzep- nz willen, die dieser Schritt auch in der Bevölkerung er Bundesrepublik Deutschland braucht. Ein weiterer Punkt: Wir haben in unserem Antrag eutlich gemacht, dass uns die Fortschrittsberichte der U-Kommission an einigen Stellen zu undifferenziert usgefallen sind. Daher unser Vorschlag, sich in den an- tehenden Beitrittsverhandlungen nicht nur auf die Zwi- chenberichte der EU-Kommission zu verlassen, son- ern die Bundesregierung in die Pflicht zu nehmen, nter Einbeziehung der deutschen Auslandsvertretung igene Berichte an den Deutschen Bundestag zu über- itteln. Wer, wenn nicht die deutschen Vertretungen im usland, können uns besser und fortlaufend darüber in- rmieren, wie die Vorgaben umgesetzt werden. Wir tun gut daran, vor Aufnahme der Beitrittsver- andlungen eines deutlich zu machen: Es gibt keine poli- schen Rabatte bei der Übernahme des Aquis, es darf uch keine Kopplungsgeschäfte geben. Wir dürfen uns uch nicht unter Zeitdruck setzen lassen oder uns wo- öglich selbst unter Zeitdruck setzen. Gerade hier gilt: ualität geht vor Schnelligkeit. Jedem muss klar sein: Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17547 (A) ) )(B) Ein Beitrittskandidat kann die einmal aufzunehmenden Verhandlungen über einen Beitritt selbst beschleunigen, indem er bereits vor Verhandlungsbeginn daran geht, die nötigen Reformen einzuleiten und auch umzusetzen. Is- land hat da in der jüngsten Vergangenheit ein gutes Bei- spiel gegeben. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stimmt der Auf- nahme von Beitrittsverhandlungen zwischen der Euro- päischen Union und Montenegro zu. Wir werden diesen Prozess konstruktiv wie kritisch begleiten. Peter Beyer (CDU/CSU): Weshalb befürworten wir eine positive Stellungnahme des Deutschen Bundestages zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Monte- negro? – Weil es zum jetzigen Zeitpunkt sachlich richtig ist. Der jüngste Fortschrittsbericht der EU-Kommission betont an verschiedenen Stellen, dass die Republik Mon- tenegro noch große Anstrengungen unternehmen muss, um EU-Standards zu erreichen. Das ist sicherlich eine zutreffende Aussage. Doch es ist immer gut, sich nicht auf die alleinige Lektüre von Berichten zu verlassen. Aus diesem Grunde ist eine sogenannte Fact-Finding- Mission, bestehend aus den Berichterstattern unserer Fraktion, wiederholt nach Montenegro gereist, um sich ein eigenes Bild zur Vorbereitung der Entscheidung des Deutschen Bundestages zu machen. Es ist sachlich ge- rechtfertigt und richtig, dass wir jetzt der Republik Mon- tenegro ein Datum für die Aufnahme von Beitrittsver- handlungen nennen. Ich komme deshalb zu diesem Ergebnis, weil ich als Leiter der erwähnten Fact-Finding-Mission die Gelegen- heit hatte, mich in einer Vielzahl von Gesprächen mit Vertretern von Regierung, Opposition, der Zivilgesell- schaft, Nichtregierungsorganisationen und den Medien in der montenegrinischen Hauptstadt, Podgorica, selbst zu informieren. Exemplarisch möchte ich anhand von zwei Kernbereichen schildern, wie sich die aktuelle Si- tuation in Montenegro darstellt. Zunächst nenne ich den Bereich der organisierten Kri- minalität und der Bekämpfung derselben mit den Mitteln staatlicher Strafverfolgungsmittel. Im September 2010 ist eine neue Strafprozessordnung in Kraft getreten. Nicht nur die Juristen unter uns wissen, dass eine wohl- strukturierte Strafprozessordnung den Staatsanwälten diejenigen Instrumente mit an die Hand gibt, die benö- tigt werden, um kriminelle Strukturen effizient zu be- kämpfen. Bei der Generalstaatsanwaltschaft ist ein Son- derdezernat eingerichtet worden. In diesem haben spezialisierte Staatsanwälte mit ihren Mitarbeiterstäben den Kampf gegen das organisierte Verbrechen aufge- nommen. Konkrete Erfolge konnten erzielt werden, und das nicht selten nach verhältnismäßig kurzer Ermitt- lungsdauer. So wurden zum Beispiel Verhaftungen vor- genommen und Vermögen im Wert von über 50 Millio- nen Euro aus nachweislich illegalen Geschäften konfisziert. Dies ist für ein kleines Land wie Montene- gro, in dem circa 625 000 Einwohner leben, eine beacht- liche Summe. Man geht noch weiter: Im Wege einer Be- weislastumkehr müssen die Beschuldigten den legalen E d d n P d m s F d m e te v Z F m S ru Im d u te d J s b A m fe n w ic c M d n ru d e d fi k M d d R e h ti E tr W d p s Z a (C (D rwerb von konfiszierten Vermögen nachweisen, bei em nicht klar ist, ob es legal oder illegal erworben wor- en ist. Gelingt den Beschuldigten dieser Nachweis icht, bleibt das Vermögen konfisziert. Ich stelle diesen unkt deshalb prominent heraus, weil der Kampf gegen as organisierte Verbrechen eines der Kernthemen ist, it denen die Republik Montenegro umgehen muss. Um beim Justizwesen zu bleiben, nenne ich aus die- em Bereich einen weiteren Punkt: Im bereits erwähnten ortschrittsbericht der EU-Kommission ist die Rede avon, dass erst noch Strukturen geschaffen werden üssen, um bei Richtern und Staatsanwälten eine an uropäischen Rechtsnormen orientierte Aus- und Wei- rbildung sicherzustellen. Dieser Informationsgehalt ist eraltet; erfreulicherweise möchte ich hinzufügen. In der wischenzeit ist die montenegrinische Regierung dieser orderung nämlich nachgekommen und hat eine Akade- ie zur Aus- und Weiterbildung von Richtern und taatsanwälten errichtet. Hier werden die genannten Be- fsgruppen insbesondere auch im EU-Recht geschult. Rahmen eines Twinning-Projekts mit Frankreich be- ient man sich zur Aus- und Weiterbildung von Richtern nd Staatsanwälten darüber hinaus fachkompetenter Un- rstützung. Als zweiten Beispielbereich möchte ich die Situation er Medien in der Republik Montenegro herausgreifen. a, es stimmt, dass bei der Eigentümerstruktur der Pres- elandschaft, der Qualität der Berichterstattung und auch ei der Freiheit der Presseberichterstattung noch große nstrengungen unternommen werden müssen. Ich habe ich auch mit einer Reihe von Pressevertretern getrof- n, die den kritischen oppositionellen Medien zuzuord- en sind. Als ich dieselben Journalisten letztes Jahr traf, urde mir noch ein recht düsteres Bild gezeichnet. Als h sie erneut Anfang November, und zuletzt diese Wo- he traf, hatte sich das Bild erfreulicherweise aufgehellt. an brachte das in Zusammenhang mit der Übernahme er Regierungsgeschäfte durch den jetzigen Premiermi- ister Igor Luksic. Auch die Vertreter von Nichtregie- ngsorganisationen bestätigten diesen Eindruck. Es fin- et nunmehr eine engere Einbindung statt. Man verspürt in ernsthaftes Interesse und Bemühen, gemeinsam mit er Zivilgesellschaft einen guten Weg für das Land zu nden, was nicht zuletzt der EU-Annäherung zugute- ommt. Die Regierung, Nichtregierungsorganisationen und edien sehen sich heute als Partner, beispielsweise bei er Ausarbeitung von Gesetzen und beim Kampf gegen ie organisierte Kriminalität. Die Dynamik, die in der epublik Montenegro festzustellen ist, wollen wir durch in positives Votum für die Aufnahme von Beitrittsver- andlungen nunmehr unterstützen und sodann konstruk- v, aber auch kritisch begleiten. Montenegro gehört zu uropa, nicht nur geografisch. Die Aufnahme von Bei- ittsverhandlungen begründet keinen Automatismus. ir werden sehr genau und streng darauf achten, dass ie Republik Montenegro nicht nur formal auf dem Pa- ier Gesetze verabschiedet, sondern dass diese umge- etzt, angewendet und durchgesetzt werden. Zu diesem wecke wird sich die Unionsfraktion auch künftig nicht llein auf Berichte von dritter Seite verlassen, sondern 17548 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 (A) ) )(B) sieht es als ihre Pflicht an, sich auch weiterhin vor Ort selbst zu informieren. Zudem haben wir in unserem An- trag berücksichtigt, dass nicht nur die EU-Kommission, sondern auch die deutsche Regierung dazu verpflichtet ist, ein eigenes Monitoring der Fortschritte durchzufüh- ren und uns, den Parlamentariern im Bundestag, darüber zu berichten. Damit haben wir ein Instrument der größt- möglichen Kontrolle geschaffen, um den weiteren EU- Annäherungsprozess Montenegros kritisch und kon- struktiv zu begleiten. Im Übrigen gilt auch für Monte- negro: Wer beitritt, muss beitragen. Josip Juratovic (SPD): Gerade in Zeiten der Fi- nanz- und Währungskrise ist es wichtig, dass wir uns da- rauf zurückbesinnen, weshalb es die Europäische Union eigentlich gibt. Dafür eignet sich die heutige Debatte über die europäische Integration von Montenegro. Die Europäische Union ist das Produkt von europäi- scher Friedenspolitik. Durch die europäische Einigung wurden vor allem die Kriegsgegner Deutschland und Frankreich so eng miteinander verbunden, dass ein neu- erlicher Krieg undenkbar ist. Die Europäische Union ist also der Garant für Frieden in Europa. Dieser Gedanke begleitete auch den weiteren Beitrittsprozess, oder bes- ser: die Beitrittspolitik der Europäischen Union! Für Griechenland, Spanien und Portugal war die euro- päische Perspektive ein stabilisierender Faktor für die Zeit nach den jeweiligen Diktaturen. Diese jungen De- mokratien konnten durch die EU-Mitgliedschaft gestärkt werden. Auch nach Ende des Kalten Krieges warb die Euro- päische Union für ihr Friedensmodell und konnte mit ei- ner ersten Erweiterung in Richtung Osten und Südosten zu Stabilität in den neuen Mitgliedsländern beitragen. Im Nachhinein können wir sicher feststellen, dass mancher Beitritt aus wirtschaftlichen Aspekten vielleicht zu früh war. Und wir konnten lernen, dass die neuen Mitglied- staaten nicht automatisch Demokratien nach deutschen Maßstäben wurden. Aus politischen Aspekten und zur Friedenssicherung war dieser Beitritt der 10 im Jahr 2004 und der beiden Nachzügler Bulgarien und Rumä- nien jedoch äußerst wichtig! Bei allen notwendigen Re- lativierungen hat sich nämlich wiederum gezeigt, dass das EU-Modell ein Erfolgsmodell für Frieden unter den Völkern ist. Wir haben aber auch gelernt, dass der Um- bau der Justiz und der staatlichen Institutionen sehr schwierig ist, viel Engagement erfordert und nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen ist. Das Beispiel Zypern zeigt uns, dass territoriale Kon- flikte nicht unbedingt einfacher gelöst werden können, sobald ein Land einmal EU-Mitglied ist. Die Frage der Situation von Minderheiten ist eine riesige Herausforde- rung, mit der auch langjährige Mitgliedstaaten ihre Pro- bleme haben. Doch wir haben daraus gelernt und bereits für Kroatien einen neuen und schwierigeren Weg zur EU-Mitgliedschaft gefunden, der dem Land mehr abver- langt. Ich bin mir sicher: So gut wie Kroatien war bisher kein anderer Staat auf die EU-Mitgliedschaft vorberei- tet! s b e d d S te s W tr p d U s s d h e w e E g w b v K z L M fo h a h D D g k fa K n li K a b s te 1 N w p is e (C (D Und dennoch haben wir auch im Fall Kroatien festge- tellt, dass die schwierigsten Kapitel, die erst am Ende ehandelt wurden, eine lange und ausführliche Beratung rfordern. Deswegen ist es richtig, dass die Kommission ie Kapitel 23 und 24 zum Rechtstaat bereits zu Beginn er Verhandlungen mit Montenegro öffnen will. Zu Recht ist man von der Idee abgekommen, dass alle taaten des Westbalkans zu einem Termin der EU beitre- n könnten. Die Staaten auf dem Balkan sind unter- chiedlich weit von der Europäischen Union entfernt. ir werden ihnen nicht mit einem gemeinsamen Bei- ittstermin gerecht, sondern mit einer klaren Beitritts- erspektive für jeden einzelnen Staat. Wir sollten denen, ie besonders weit sind, nicht den Weg zur Europäischen nion versperren; gute Arbeit darf nicht bestraft werden. Andererseits denke ich auch an die Menschen im Ko- ovo und in Bosnien und Herzegowina. Ich weiß, dass ie unsere besondere Aufmerksamkeit benötigen und ass sie nicht weiter abgehängt werden dürfen, als sie es eute schon sind. Für sie gilt: Wir müssen ihnen eine uropäische Perspektive geben. Und diese Perspektive ird ihnen auch dadurch gegeben, wenn sie sehen, dass rfolgreiche Arbeit in anderen Staaten auch von der uropäischen Union honoriert wird! Erfolgreiche Arbeit hat Kroatien in den letzten Jahren eleistet. Innerhalb kürzester Zeit konnten wir zusehen, ie sich ein Land verändert, das den Willen dazu auf- ringt! Wir konnten sehen, wie sich durch die Beitritts- erhandlungen eine enorme Dynamik entfaltete. Und: roatien hat mit Ivo Josipovic den richtigen Präsidenten ur richtigen Zeit. Auch Montenegro hat mit Premierminister Igor uksic einen reformorientierten und zudem sehr jungen ann an der Spitze des Landes. Montenegro hat sich er- lgreich und kontinuierlich an die Europäische Union erangearbeitet. Deswegen muss der Europäische Rat m 9. Dezember auch der Aufnahme von Beitrittsver- andlungen zustimmen, und wir können hierfür heute im eutschen Bundestag unsere Unterstützung bekunden. ie Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Montene- ro ist ein Signal an alle anderen Staaten des Westbal- an, dass sich harte Arbeit auszahlt! Ich appelliere an die Bundesregierung: sorgen Sie für ire Verhandlungen mit Montenegro. Fair heißt: Die openhagener Kriterien und die institutionelle Auf- ahmefähigkeit der Europäischen Union sind maßgeb- ch. Die für alle beitrittswilligen Staaten aufgestellten riterien sind Punkt für Punkt zu erfüllen, aber es darf uch keine neuen, darüber hinausgehenden Hürden ge- en. Der Beitrittsprozess ist kompliziert, deswegen müs- en wir Politiker ihn so transparent wie möglich gestal- n. Die Situation auf dem Westbalkan ist stabiler als vor 0 Jahren, aber die Konflikte im Nordkosovo und die ichtexistenz einer Regierung in Bosnien und Herzego- ina halten uns vor Augen, dass gerade auch die euro- äische Perspektive ein Aspekt zur Friedenssicherung t, der nicht aufgegeben werden darf. Montenegro ist in einzelner Beitrittskandidat, doch weitere beitrittswil- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17549 (A) ) )(B) lige Staaten schauen ganz genau auf Montenegro, und darauf, wie die Europäische Union mit Montenegro um- geht. Wir Sozialdemokraten haben einen Antrag einge- bracht, um mit der Bundesregierung das Einvernehmen über die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit Mon- tenegro herzustellen. Ich bitte Sie um Unterstützung un- seres Antrags. Zugleich freue ich mich, dass wir uns hier im Deutschen Bundestag in dieser Angelegenheit weit- gehend einig sind. Die Anträge der Koalition und der Grünen sind in ihren Forderungen nahezu deckungs- gleich mit unserem Antrag. Wir stimmen deswegen dem Antrag der Grünen zu und enthalten uns beim Antrag der Koalition. Oliver Luksic (FDP): Wir erleben die größte Krise seit Jahren – und die Anziehungskraft der Europäischen Union scheint ungebrochen. Das ist ein deutliches Er- folgszeichen der EU-Erweiterungspolitik. In den alten Mitgliedstaaten treten Errungenschaften, die wir der EU zu verdanken haben, zunehmend in den Hintergrund. Die Kandidatenländer zeigen uns, welche Anstrengun- gen die Mitgliedschaft in der EU wert ist. Die Krise zeigt auch, dass die Einschätzung der EU als „wirtschaftlicher Riese und politischer Zwerg“ nicht mehr gilt. Der Bei- trittsprozess zeigt viel eher die politische Gestaltungs- macht, die die EU entfalten kann. Die EU-Mitgliedschaft, das ist für die Bevölkerung auf dem Westbalkan gleichbedeutend mit wirtschaftli- chem Wohlstand, politischen Werten, persönlichen Frei- heiten und kulturellen Begegnungen. Der Eiserne Vor- hang wird erst so endgültig zur Seite geschoben. Frieden, Freiheit und Wohlstand auf dem Balkan beru- hen auch auf der europäischen Perspektive. Sie ist von zentraler Bedeutung für eine stabile Region. Aus den letzten Beitrittsrunden haben wir die Erfah- rung mitgenommen, dass individuelle Reformfort- schritte entscheidend sein müssen für die Annäherung an die EU. Wir sprechen hier vom Regattaprinzip. Es wird bei zukünftigen Beitritten keine politischen Rabatte und zeitlichen Automatismen mehr geben, stattdessen ist die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien für die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten entscheidend. Wenn diese erfüllt sind, ist es eine Frage der Glaub- würdigkeit der EU, weitere Fortschritte im Prozess der Annäherung an die EU nicht aufzuhalten. Die Glaubwür- digkeit ist das entscheidende Element: Zwar sollen Re- formen in den Kandidatenländern nicht um der EU willen erfolgen, sondern es sollte klar sein, dass die Länder selbst das größte Interesse an ihrer Umsetzung haben – Reformkräfte müssen aber nicht unnötig geschwächt werden, indem gemachte Zusagen nicht eingehalten wer- den. Dazu gehört auch, dass Fortschritte auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft nicht zur Verhandlungsmasse für die Fortschritte anderer Kandidaten gemacht werden. So dürfen die Fortschritte Montenegros nicht an den Kandi- datenstatus für Serbien gekoppelt werden. Generell gilt: Die FDP steht zur Thessaloniki-Agenda von 2003 und damit zum langfristigen Ziel eines EU-Bei- tr s s d is fl d d v d G d te e d g d le s in in fe V p fu d s d s b s s w s fü s m ü w n H g n re fu in w s v s R n W g 2 h (C (D itts der Länder des Westbalkans, die ein Teil Europas ind. Das tun wir nicht aus altruistischer Großzügigkeit, ondern mit klaren Interessen im Blick: Der Westbalkan arf keine Insel innerhalb Europas werden. Montenegro t dabei ein Vorbild für die gesamte Region. Grenzkon- ikte oder ethnische Spannungen sind nicht vorhanden, amit ist Montenegro ein wichtiger Stabilitätsfaktor in er Region. Die Regierung von Premierminister Luksic erfolgt einen klaren Kurs Richtung Europa und hat in en letzten Jahren enorm wichtige Reformen angestoßen. erade die jüngere Generation in Montenegro setzt auf ie europäische Zukunft ihres Landes und steht voll hin- r den Reformen. Diesen Pro-Europa-Kurs gilt es anzu- rkennen. Bei allen noch bestehenden Defiziten hat Montenegro ie für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen nöti- en Fortschritte gemacht: Es hat gute Fortschritte bei en politischen Kriterien und insgesamt zufriedenstel- nde Ergebnisse erzielt, besonders im Hinblick auf die ieben Schlüsselprioritäten. Der Rechtsrahmen und der stitutionelle Rahmen wurden verbessert, um die Arbeit zahlreichen Bereichen zu verbessern, so bei der Pro- ssionalisierung und Entpolitisierung der öffentlichen erwaltung, der Unabhängigkeit und Rechenschafts- flicht des Gerichtswesens, der Korruptionsbekämp- ng, der Medienfreiheit und der Zusammenarbeit mit er Zivilgesellschaft. Auch im wirtschaftlichen Bereich ehen wir gute Fortschritte, ebenso was die Übernahme es Acquis angeht. Hier regen wir als FDP-Fraktion zu- ätzlich die Einführung einer nationalen Schulden- remse an, um den Konsolidierungskurs nachhaltig zu tärken. Aber wir dürfen auch bestehende Defizite nicht ver- chweigen, auch das gehört zur Glaubwürdigkeit. Daher eisen wir ausdrücklich darauf hin, dass wir den Fort- chrittsbericht der Europäischen Kommission in Teilen r zu optimistisch halten. Erhebliche Anstrengungen ind noch nötig, was die Funktionsfähigkeit des Parla- ents angeht, damit es seine Kontrollfunktion gegen- ber der Regierung ausüben kann. Die Verwaltung muss eiter gestärkt werden, und zudem sind Verbesserungen ötig auf dem Gebiet der Presse- und Meinungsfreiheit. ier bestehen nach wie vor Defizite. So werden Drohun- en und Gewaltanwendungen gegenüber Journalisten och immer nicht ordnungsgemäß untersucht oder straf- chtlich verfolgt. Auch in den Bereichen der Bekämp- ng von Korruption und organisierter Kriminalität und den zentralen Bereichen Justiz, Recht und Inneres ird über die nächsten Jahre die Umsetzung der verab- chiedeten Reformen entscheidend sein. Daher befürworten wir die Eröffnung von Beitritts- erhandlungen unter der Maßgabe, dass ein Rahmen ge- chaffen wird, der die nachhaltige Implementierung von eformen garantiert. Das heißt, die Reformen dürfen icht nur auf dem Papier bestehen, sondern müssen in irklichkeit umgesetzt werden. Wir sehen den Kommissionsvorschlag dazu als ein eeignetes Instrument: Die kritischen Bereiche – Kapitel 3 und 24 –, also Justiz, Grundrechte und innere Sicher- eit, sollen zu Beginn des Verhandlungsprozesses ange- 17550 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 (A) ) )(B) gangen werden. Dazu werden Aktionspläne erstellt, die klare Fristen und Zielvorgaben für die einzelnen Berei- che enthalten und von denen die Öffnung neuer Ver- handlungskapitel abhängig gemacht wird. Auch diese neue Vorgehensweise zeigt, dass wir aus den Erfahrun- gen der letzten Beitritte gelernt haben. Wir erwarten dazu zusätzliche Berichte der Europäischen Kommission und fordern auch die Bundesregierung auf, die Fort- schritte auf dem Weg zum Beitritt zu bewerten. Die FDP steht für eine glaubwürdige Erweiterungs- politik, für die die individuellen Fortschritte in den Kan- didatenländern der Maßstab sind. Sind die Kopenhage- ner Kriterien erfüllt, sehen wir die Zukunft der Länder des westlichen Balkans klar in der EU. Montenegro hat einen deutlichen Schritt gemacht, jetzt muss auch ein deutlicher Schritt vonseiten der EU erfolgen, um die Glaubwürdigkeit der Erweiterungspolitik nicht aufs Spiel zu setzen. Thomas Nord (DIE LINKE): Montenegro stellte am 15. Dezember 2008 einen Antrag auf Beitritt zur Euro- päischen Union. Seit dem 17. Dezember 2010 ist der Balkanstaat offizieller Beitrittskandidat der EU. Die Kommission hat in ihrer Erweiterungsstrategie am 12. Oktober 2011 die Aufnahme von Beitrittsverhand- lungen mit Montenegro empfohlen. Nach dem Zerfall Jugoslawiens am Beginn der 1990er-Jahre ist die Möglichkeit des EU-Beitritts für alle Länder des Westbalkans eine Perspektive auf dauerhaf- ten Frieden. Das haben wir immer betont, und hier besteht Einvernehmen zwischen allen Fraktionen im Bundestag. Die Linke begrüßt die Empfehlung der Kom- mission zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Montenegro. Gleichwohl muss ich einige kritische Bemerkungen formulieren. Wir stimmen in dem Punkt überein, dass der Bericht der Europäischen Kommission zu optimis- tisch formuliert ist. Daher teilen wir die Meinung, dass Monitoring-Prozesse vor der Aufnahme als Vollmitglied in die EU notwendig sind. Die Erfahrungen mit den Bei- trittsprozessen in Bulgarien und Rumänien dürfen sich nicht wiederholen. Im Rahmen der Verhandlungen dür- fen allein die Kopenhagener Kriterien gelten. Die Linke lehnt zusätzliche und beliebig formulierbare Kriterien, die sich von Beitrittskandidat zu Beitrittskandidat än- dern, ab. Als besonders problematisch sehen wir es, dass die Bedingungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes für Montenegro zur Auflage gemacht werden, bevor es offi- ziell der Währungsunion angehört. Vor der Krise lagen die Wachstumsraten bei 5 Prozent bis 6 Prozent, für das Jahr 2012 liegt die Prognose aktuell bei 2,1 Prozent. Die- sen Blick blendet der ansonsten eher umsichtige Antrag der Grünen erstaunlicherweise aus. Wenn nun eine strikte Einhaltung der zwei Maastricht-Kriterien verlangt wird, besteht die ernsthafte Gefahr, dass die wirtschaft- liche Entwicklung in Montenegro vollständig abgewürgt wird. g tu A e k k d M h h d V k z K g S u d g 1 b C ti h P ti z g a h d p d fu W A a M a ra ih in fü k W le w W p g s p (C (D Ein weiterer Punkt: Bekanntlich sind die Beziehun- en zwischen Montenegro und Serbien nach der Abspal- ng Montenegros angespannt. Durch die relativ frühe nerkennung des Kosovo durch Montenegro ist es zu iner weiteren Verschärfung der politischen Lage ge- ommen. Fünf Mitgliedstaaten der EU – Zypern, Slowa- ei, Rumänien, Spanien und Griechenland – erkennen as Kosovo aus Sorge vor Nachahmung durch ethnische inderheiten in ihren eigenen Ländern nicht als unab- ängigen Staat an. Wenn die EU nun die Beitrittsver- andlungen mit Montenegro eröffnet und von Serbien ie Anerkennung des Kosovo zur Vorbedingung für die erleihung des Status eines Beitrittskandidaten macht, ann das zu weiteren Spannungen auf dem Westbalkan, um Beispiel in Bosnien-Herzegowina, aber auch im osovo-Konflikt führen. Deshalb ist es mehr als fraglich, ob mit den vorlie- enden Anträgen „die politische und wirtschaftliche tabilisierung der Region weiterhin mit hoher Priorität nd nachhaltig“ vorangetrieben wird, wie es im Antrag er SPD heißt. Die Leistungen der Bundesregierungen erade am Beginn des Zerfalls von Jugoslawien in den 990er-Jahren sind hier doch deutlich kritischer zu ilanzieren. In dem vorliegenden Antrag von CDU/ SU und FDP wird Montenegro als „aus der Födera- on mit Serbien entlassen“ bezeichnet. Dies ist eine er- ebliche Schönfärberei der tatsächlich abgelaufenen rozesse. Erstens hat Montenegro den Sezessionsprozess ini- iert, und außerdem ist das Referendum mit 55,49 Pro- ent oder 230 661 Stimmen angesichts der von der EU eforderten Mindestzahl von 55 Prozent äußerst knapp usgegangen. Die politischen Spannungen sind auch eute noch allgegenwärtig. Zweitens wird in dem Antrag er Regierungsfraktionen der Weg der Haushaltsdiszi- lin, der Privatisierung und der Deregulierung gelobt, en Montenegro gegangen ist. Zu den sozialen Verwer- ngen, die damit einhergegangen sind, findet sich kein ort. Die Linke hat die Deregulierung und die neoliberale usrichtung der EU immer kritisiert. Diese Kritik gilt uch im Falle von Montenegro und für den Weg, den ontenegro gegangen ist. Übrigens wird unsere Kritik n der neoliberalen Agenda der Lissabonner Verträge ge- de jeden Tag aufs Neue bestätigt. Auch das kann ich nen nicht erlassen. Im Dezember 2009 ist der Vertrag Kraft getreten, im April 2010 wurde er das erste Mal r die Rettung von Börsen und Banken gebrochen. Wir brauchen in der Europäischen Union Kapitalver- ehrskontrollen und keine Kapitalverkehrsfreiheiten. ir wollen eine europäischen Bank für öffentliche An- ihen. Die Finanzierung der Staaten muss von den frei uchernden Kapitalmarktzinsen abgekoppelt werden. ir wollen eine soziale Fortschrittsklausel in der Euro- äischen Union verankern. Nur dann, wenn diese Punkte eändert werden, gibt es für Montenegro eine echte Per- pektive für den Beitritt zu einer dauerhaft stabilen Euro- äischen Union. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17551 (A) ) )(B) Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Am 19. Dezember wird Kroatien den Beitrittsvertrag zur Europäischen Union unterschrieben. Damit ist ein sechs- jähriger Prozess auf der Zielgeraden angekommen, der einmal mehr gezeigt hat, welche Transformationskraft der Beitrittsprozess freisetzen kann. Montenegro steht heute in den Startlöchern dieses Prozesses. Den Verlauf hat Montenegro erfolgreich ab- solviert. Montenegro hätte sicher eine bessere Leistung zeigen können, aufgrund des ambitionierten Schluss- spurts können wir aber heute sagen, dass Montenegro für den anstehenden Prozess bereit ist. Montenegro hat ge- zeigt, dass es willens ist, auch schwierige Hürden zu nehmen. Diesen Willen wird es auch weiterhin brau- chen. Wir entscheiden heute nicht über den Beitritt Monte- negros zur Europäischen Union. Wir entscheiden einzig über die Aufnahme von Verhandlungen. Beitreten wird Montenegro erst, wenn es alle notwendigen Reformen umgesetzt und alle Anforderung für eine EU-Mitglied- schaft erfüllt hat. Montenegro kann also erst beitreten, wenn es auf der Zielgeraden angekommen ist und die Ziellinie überquert. Vor Montenegro liegt ein langer und schwerer Weg. Große Herausforderungen warten in den Bereichen Jus- tiz und Grundrechte sowie Recht, Freiheit und Sicher- heit. Weitgreifende Reformen sind insbesondere bei der Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kri- minalität sowie der Antidiskriminierung notwendig. Es ist gut und richtig, dass die EU-Kommission diese Schlüsselbereiche so früh wie möglich angehen will, um innerhalb der Verhandlungen auch überzeugende Er- folgsbilanzen zu ermöglichen. In diesem Punkt hat die Kommission aus dem Beitrittsprozess Kroatiens die richtigen Schlüsse gezogen. Wir halten außerdem die Entpolitisierung von Justiz und Verwaltung, die Sicher- stellung einer starken Meinungs- und Pressefreiheit so- wie die Stärkung der Zivilgesellschaft für zentrale He- rausforderungen. Hier liegen die Grundvoraussetzungen für eine funktionierende Demokratie. Schließlich spielt auf dem gesamten westlichen Bal- kan die Frage der Minderheiten eine wichtige Rolle. Ich denke dabei vor allem an die schwierige Situation der Roma. Sie leben vielerorts in Zuständen, die Menschen nicht würdig sind. Sie sehen sich Diskriminierung aus- gesetzt, ihnen werden noch immer soziale und wirt- schaftliche Rechte vorenthalten. Diese Probleme muss Montenegro, wie auch alle anderen Staaten des westli- chen Balkans, so schnell wie möglich angehen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Europäische Union nach wie vor ein Problem im Umgang mit den Minder- heiten hat. Ich erinnere nur an den Umgang mit Roma in Frankreich im letzten Jahr und in Ungarn, in der Slowa- kei und in Tschechien in diesem Jahr. Ungarn hat wäh- rend seiner Ratspräsidentschaft einen Rahmen für natio- nale Strategien zur Integration der Roma vorgelegt. Die EU muss diesen guten Ansatz konsequent weiterverfol- gen und auch die Staaten des westlichen Balkans früh- zeitig einbeziehen. fr s U g g is a K g e R s w a b fo s d u lu z S R n w tr n la B R Z e K D a fü v m d b – M a z A n c a k m z g Is s d (C (D Ich möchte auch noch ein paar Worte zur Umwelt- age im Beitrittsprozess sagen: Wir Grüne setzen uns eit jeher dafür ein, dass der Zustand der Umwelt, hohe mweltstandards und vor allem deren Einhaltung eine ewichtige Rolle in Beitrittsverhandlungen spielen. En- agement in Bezug auf Natur und natürliche Ressourcen t dabei nicht einfach nur ein Selbstzweck, sondern uch eine Frage der Selbstbehauptung gegen mangelnde orruptionsbekämpfung in künftigen EU-Staaten. Es ibt kaum einen anderen Bereich, der mit Korruption so ng verbunden ist, wie Umweltverschmutzung oder aubbau an der Natur, sei es bei Bauvorhaben, Infra- trukturprojekten oder der öffentlichen Vergabe. Wenn ir Korruption als eine der großen Herausforderungen uf dem westlichen Balkan bekämpfen wollen, dann rauchen wir gute und hohe Umweltstandards und Re- rmen, die die Einhaltung dieser Standards auch sicher- tellen. Wir glauben, dass Montenegro es schaffen kann, iese Herausforderungen erfolgreich zu bestehen. Wir nterstützen daher die Aufnahme von Beitrittsverhand- ngen mit Montenegro. Zum Schluss möchte ich noch einmal auf den Prozess urückkommen und auch ein paar Worte zu den anderen taaten des westlichen Balkans sagen. Die Beitritte von umänien und Bulgarien haben gezeigt, wie Beitritte icht ablaufen dürfen. Bei Rumänien und Bulgarien urde die Strecke kurzerhand verkürzt und darauf ver- aut, dass die Länder auch nach Überquerung der Zielli- ie noch bis in den ursprünglichen Zielbereich weiter- ufen. Das hat nicht funktioniert, Rumänien und ulgarien haben sich nach dem Beitritt ausgeruht, der eformeifer ist schnell erlahmt. Daraus hat die EU gelernt: Vor Überschreitung der iellinie musste Kroatien die Kopenhagener Kriterien rst vollständig erfüllen bzw. die Erfüllung absichern. roatien musste die vollständige Strecke zurücklegen. iese Anforderungen legen wir auch an Montenegro und lle anderen künftigen Beitritte an. Beitritt erst nach Er- llung aller Kriterien. Das Reformtempo muss das indi- iduelle Beitrittstempo jedes einzelnen Staates bestim- en. Diese harte Konditionalisierung ist richtig, sie stellt en westlichen Balkan aber auch vor ein großes Pro- lem. Die Staaten werden nicht gleichzeitig am Ziel also in der EU – ankommen. Kroatien ist schon da, ontenegro startet, Serbien wird bald die Verfolgung ufnehmen. Wann das Kosovo, wann Bosnien und Her- egowina an den Start gehen, ist noch völlig offen. Die ufnahme der Verhandlungen mit Mazedonien sind auf icht absehbare Zeit durch den Namensstreit mit Grie- henland blockiert. In dieser Ungleichzeitigkeit steckt ber eine große Gefahr. Daher gilt es, parallel zu den ünftigen Beitrittsverhandlungen auch Wege und For- en zu finden, das Kosovo und Bosnien nicht zurück- ulassen. Wir müssen diese Staaten mitnehmen. Die un- leichzeitige europäische Integration darf nicht die olierung anderer Staaten bedeuten. In dieser Frage ind wir dem westlichen Balkan noch Antworten schul- ig. 17552 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 (A) ) )(B) Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer Visa-Warndatei und zur Än- derung des Aufenthaltsgesetzes (Tagesord- nungspunkt 19) Reinhard Grindel (CDU/CSU): Mit dem Gesetz über die Visa-Warndatei ziehen wir endlich Konsequen- zen aus den Ergebnissen des Visa-Untersuchungsaus- schusses, der im Jahre 2005 seine Arbeit beendet hat. Zu Recht kann man die Frage stellen: Warum werden diese Konsequenzen erst sechs Jahre später 2011 gezogen? Ich könnte Ihnen eine Reihe von Adressaten nennen, an die man diese Frage stellen könnte, mit Sicherheit aber nicht an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Wir sind froh, dass jetzt endlich ein zustimmungsfähiger Gesetzent- wurf auf dem Tisch liegt. Die Visaaffäre liegt also schon etwas zurück, und des- halb lohnt es sich, noch einmal in Erinnerung zu rufen, um welchen Sachverhalt es sich eigentlich handelt. Im Kern geht es um das Phänomen einer illegalen Einreise mit formal legalen Papieren. Illegale Einreise stellt man sich so vor, dass in der Dunkelheit der Nacht Menschen, geführt von Schleppern und Schleusern, die Neiße durchwaten und so in unser Land gelangen. Das gibt es auch heute noch, aber das ist nicht der Sachverhalt, um den es hier geht. Hier geht es darum, dass vieltausendfach Menschen mit einer Legende in unser Land geschleust wurden. Da gab es eine ganze Latte von Reisebüros, geführt von Kri- minellen, die Busreisen aus der Ukraine, Russland oder anderen Ländern zu den Burgen am Rhein oder anderen Zielen organisierten, deren Teilnehmer dann nicht selten auf Großbaustellen landeten, übrigens nicht nur in Deutschland. Manche Busreise mit einem deutschen Schengen-Visum endete in Portugal, wo es ganze Dörfer gibt, deren Einwohner zum überwiegenden Teil ukraini- scher Abstammung sind. Da gab es Volkstanzgruppen, die nicht bei einem bestimmten Trachtenfest ankamen, sondern wo die nahezu ausschließlich weiblichen Grup- penmitglieder am Ende als Zwangsprostituierte in Bor- dellen anschaffen mussten. Da gab es die beiden russischen Schachspieler und ih- ren Trainer mit tschetschenischen Wurzeln, die angeb- lich an einem internationalen Turnier in Düsseldorf teil- nehmen wollten und in Wahrheit zum familiären Umfeld eines in Deutschland aufhältigen Terroristen gehörten. Und da gab es die Handballnationalmannschaft von Sri Lanka, die sich zu einem Trainingslager in Bayern ange- meldet hatte. Der bayrische Handballverband war glück- lich, mit seiner Auswahl ein Freundschaftsspiel mit exo- tischem Flair veranstalten zu können. Das Einzige, was in Bayern nie ankam, waren die Handballer, weil Sri Lanka alles Mögliche hat, aber eben keine Handball- nationalmannschaft. Alle illegalen Zuwanderer verfügten über legale Visa, die sie sich erschlichen hatten, gerade auch durch die Unterstützung von kriminellen Einladern oder Verpflich- tu d s d s fa v M k F a la d s a v a v p w d le b fa a s n V s s s e D c v K w b R g m g k d ih a B A m s n b V h e (C (D ngsgebern, also denjenigen, die hier in Deutschland für ie Finanzierung des Aufenthalts bürgen. Deshalb ist es o wichtig, dass sich die Warndatei gerade nicht nur auf ie Antragsteller bezieht, die wir meistens nicht kennen, ondern auf die Personen in Deutschland, zu denen sie hren wollen oder die für die Kosten ihres Aufenthalts orgeben, aufkommen zu wollen. Warum konnten die itarbeiter der Visastellen diesen Missbrauch nicht be- ämpfen? Erstens weil die Erlasslage des damals von Joschka ischer geführten Auswärtigen Amts sie gezwungen hat, uch bei Zweifelsfällen ein Visum zu erteilen. Diese Er- sslage hat sich mittlerweile geändert. Zweitens ist aber as große Problem, dass viele Mitarbeiter in den Visa- tellen zwar vor Ort einen Zettelkasten haben, in dem lle die zu finden sind, bei denen im Rahmen von Visa- erfahren schon einmal etwas schiefgelaufen ist. Es gibt ber keine Vernetzung mit Daten in Deutschland oder on anderen Visastellen. Wenn also jemand als unseriöser Einlader oder Ver- flichtungsgeber in St. Petersburg aufgefallen ist, dann eiß das die Visastelle in Moskau nicht, erst Recht nicht ie in Kiew. Wenn ein Einlader in Deutschland wegen il- galer Beschäftigung verurteilt worden ist, dann blinkte isher in Baku oder Ulan-Bator keine Warnleuchte auf, lls dieser Einlader in einem dortigen Visumverfahren ngegeben wurde. Genau diese Defizite werden jetzt be- eitigt. In die Visa-Warndatei werden Personen aufge- ommen, die in Zusammenhang mit einer für das isumverfahren relevanten Katalogstraftat wie Schleu- ung, illegale Beschäftigung, Menschenhandel oder chwerste Betäubungsmitteldelikte verurteilt worden ind. Es geht also nur um solche Straftaten, die klassisch inen Bezug zum grenzüberschreitenden Verkehr haben. arüber hinaus werden Warndaten von Personen gespei- hert, die sich im Visumverfahren selbst rechtswidrig erhalten haben, also die falsche Angaben gemacht oder osten nicht übernommen haben. Ich will auch auf den großen Sicherheitsgewinn ver- eisen, der mit der Einführung der Visa-Warndatei ver- unden ist. Wir erinnern uns an die beiden sogenannten ucksackbombenattentäter, die im Ruhrgebiet zwei Re- ionalzüge in die Luft sprengen wollten. Da hieß es im- er, die seien den Sicherheitsbehörden völlig unbekannt ewesen und man hätte ihre Einreise nicht verhindern önnen. Das ist so nicht richtig. Sie selbst waren zwar en Sicherheitsbehörden nicht bekannt und Einlader für ren Aufenthalt waren die Universitäten, in denen sie ngeblich studieren wollten. Aber in einem Fall war den ehörden der Verpflichtungsgeber bekannt, der für ihren ufenthalt als Bürge auftrat, weil dieser in einem Isla- istenverfahren bereits abgeurteilt worden war. In die- em Fall wäre die Warnlampe angegangen. Das will ich an dieser Stelle auch noch einmal erwäh- en, weil es immer wieder falsch dargestellt wird. Wir eschließen über eine Visa-Warndatei, nicht über eine isaverbotsdatei. Wenn das System anschlägt, dann eißt das erst einmal nichts anderes, als dass sich der ntsprechende Mitarbeiter mit dem Visaantrag näher be- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17553 (A) ) )(B) fassen wird. Es bedeutet nicht, dass damit die Erteilung des Visums automatisch ausgeschlossen ist. Wir wissen doch alle, dass das Visageschäft ein Mas- senverfahren ist. Deshalb wünscht sich das Auswärtige Amt auch Mechanismen, um zu einer Beschleunigung zu kommen, wie etwa den verstärkten Einsatz von priva- ten Dienstleistern. Dagegen ist grundsätzlich nichts ein- zuwenden. Das setzt aber voraus, dass es in diesem Mas- senverfahren illegalen Zuwanderern und Kriminellen nicht leicht gemacht werden darf, wie Fische im Wasser einfach mit durch die Kontrollen durchzuschwimmen. Wir müssen ein Sicherheitsnetz spannen. Deshalb hat die Visa-Warndatei eine doppelt positive Wirkung. Diejenigen, bei denen ein Missbrauch befürch- tet werden muss, werden herausgefiltert und alle anderen dürfen davon ausgehen, dass ihre Visaanträge in Zukunft schneller bearbeitet werden als in der Vergangenheit. Deshalb geht auch die Kritik des Bundesverbandes der Deutschen Industrie an unserem Gesetzentwurf in die völlig falsche Richtung. Da wird kritisiert, dass künftig Unternehmen als Antragsteller im Visumverfahren ge- speichert werden, wenn sie falsche Angaben gemacht haben, weil diese Angaben auch auf Informationen von Dritten beruhen und dafür die Unternehmen nichts könn- ten. Erstens bedeutet die Visa-Warndatei ja nicht, dass in Zukunft von diesem Unternehmen ein Angestellter oder Geschäftspartner kein Visum mehr erhält, und zweitens sollten die Unternehmen gerade dankbar sein; denn mit der Visa-Warndatei werden sie dazu veranlasst bei dem Dritten, der falsche Angaben gemacht hat, ebendas nächste Mal besser hinzugucken, und genau das soll die Warndatei auch bewirken. Peinlich ist es geradezu, dass der BDI uns in Zusam- menhang mit Verpflichtungsgebern zwingen will, sehen- den Auges Lücken im Gesetz zuzulassen. Ich sage es ganz klar: Der BDI erhebt Forderungen, die ganz klar il- legale Zuwanderung nach Deutschland erleichtern wür- den. Das halte ich für völlig inakzeptabel und mit den Compliance-Grundsätzen, zu denen sich viele Unterneh- men in Deutschland verpflichtet haben, nicht vereinbar. Deshalb will ich auch ausdrücklich hervorheben: Mit der CDU/CSU ist genau aus diesen Gründen die Einführung einer Visafreiheit für die Ukraine oder Russland nicht zu machen. Das sage ich gerade auch im Lichte des Prozes- ses gegen Frau Timoschenko, der mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nichts zu tun hatte. Ich will schließen mit einem ausdrücklichen Dank an alle Mitarbeiter unserer rund 200 Visastellen in aller Welt, die einen ganz schweren Job machen, der nichts mit dem Vorurteil über die meist cocktailschwenkende Prägung der Arbeit im Auswärtigen Amt zu tun hat. Diese Mitarbeiter haben einen Anspruch darauf, dass wir ihnen Instrumente zur Verfügung stellen, die ihre Arbeit erleichtern. Die Visa-Warndatei leistet dazu einen guten Beitrag. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Der Miss- brauch von Visa kann in vielfältigen Konstellationen er- folgen. So befinden sich unter den aufgedeckten Fällen der letzten Jahre nicht nur Verbrechen des Menschen- u s n S te ri re 4 D k z N in H a g B s e d n le A la g m a le tr A d b E re d E ro e te im fu D D V te e V U D d d (C (D nd Kinderhandels, sondern vor allem auch „Einschleu- ungen“ von islamistischen Hass- und Gewaltpredigern ach Deutschland. Aber auch folgende Fallkonstellation ist leider keine eltenheit: Letzte Woche kontrollierten Bundespolizis- n am Flughafen München eine 22-jährige Brasiliane- n, als diese nach São Paulo fliegen wollte. Bei der Aus- isekontrolle fiel den Beamten auf, dass die junge Frau 5 Tage länger als die erlaubten, visafreien 90 Tage in eutschland war. Bei ihrer Befragung gab die Südameri- anerin an, sie sei von einem ihr bekannten Portugiesen um Arbeiten nach Deutschland eingeladen worden. achdem sie hier ankam, habe sie sich bei einer Familie Hannover um den Haushalt kümmern müssen und das aus nur in Begleitung verlassen dürfen. Die Frau war llerdings für touristische Zwecke nach Deutschland ein- ereist. Die Bundespolizei ermittelt nun gegen alle eteiligten wegen unerlaubter Arbeitsaufnahme, Ein- chleusung, unerlaubter Einreise und unerlaubten Auf- nthalts. Schließlich hätte sich die junge Frau bereits vor er Einreise ein Visum besorgen und eine Arbeitserlaub- is beantragen müssen. Der Fall zeigt, dass oftmals die Kriterien für die Ab- hnung eines Antrages nicht zwingend in der Person des ntragstellers, sondern vielmehr in der Person des Ein- ders begründet sind. Dies kann jedoch erst durch gezo- ene Quervernetzungen infolge eines Datenabgleichs it problematischen anderen Visumantragstellern bei nderen Auslandsvertretungen belegt werden. Umso wichtiger ist daher die Schaffung einer zentra- n Visa-Warndatei, auf die die deutschen Auslandsver- etungen Zugriff haben. Aber nicht nur die deutschen uslandsvertretungen sollten Zugriff auf die Visa-Warn- atei haben, sondern auch die deutschen Sicherheits- ehörden. Schließlich ist die Vergabe von Visa, die zur inreise nach und zum Aufenthalt in Deutschland be- chtigen, immer noch einer der sensibelsten Punkte für ie Sicherheit unseres Landes. Sie stellt ein potenzielles infallstor nicht nur für kriminelle, sondern auch für ter- ristische Aktivitäten dar. Es ist daher konsequent, dass der vorliegende Gesetz- ntwurf auch ein Verfahren zum Datenabgleich beinhal- t. Damit wird er den sicherheitspolitischen Interessen Visumverfahren zumindest in Bezug auf die Bekämp- ng des internationalen Terrorismus gerecht. Nach ihrer Errichtung sollte auch die gemeinsame atei über rechtsextremistische Gewalttäter in diesen atenabgleich einbezogen werden. So wird es möglich, künftig die Daten aus dem isumverfahren mit bestimmten Daten aus der Anti- rrordatei automatisiert abzugleichen. Dies ermöglicht ine Rückmeldung der Sicherheitsbehörden an die isumbehörden, wenn Personen aus dem terroristischen mfeld beabsichtigen, nach Deutschland einzureisen. ie Einreise kann dann kurzfristig verwehrt werden. Die Visa-Warndatei trägt damit auch bereits dem Ge- anken der besseren Vernetzung der Sicherheitsbehör- en Rechnung. 17554 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 (A) ) )(B) Die schrecklichen und abscheulichen Ereignisse rund um die Zwickauer Zelle haben uns deutlich vor Augen geführt, dass gerade eine bessere Zusammenarbeit und Vernetzung der Sicherheitsbehörden notwendig ist, um schlimmste Verbrechen aufzuklären und geplante zu ver- hindern. Die zentrale Visa-Warndatei legt den Grundstein hier- für, indem sie durch die Informationen aus den Aus- landsvertretungen, der Bundespolizei, den Staatsanwalt- schaften und den Ausländerbehörden gespeist wird. Der von mir eingangs geschilderte Fall zeigt, dass oft- mals die Zuständigkeiten von mehreren Behörden be- troffen sind, wenn es um den Missbrauch von Visa geht. Die Visa-Warndatei hilft, solche Zusammenhänge herzu- stellen. Insbesondere können Netzwerke der organisier- ten Kriminalität früher aufgedeckt und gefährliche Be- drohungen rechtzeitiger erkannt werden. Darüber hinaus fördert der Informationsaustausch die Zusammenarbeit und Kooperationsbereitschaft zwischen den betroffenen Behörden. Eine Minimierung der Risiken durch den Visamiss- brauch in Deutschland ist dringend erforderlich. Die Visa-Warndatei stellt eine erhebliche Verbesse- rung für die Arbeit der Auslandsvertretungen und der mit dem grenzüberschreitenden Verkehr beauftragten Behörden dar. Bestehende Lücken werden durch sie ge- schlossen und die Lage der inneren Sicherheit in Deutschland verbessert. Dies verdient eine breite Unter- stützung in diesem Hohen Hause. Rüdiger Veit (SPD): Bereits anlässlich der ersten Lesung am 21. September 2011 habe ich in meiner – ebenfalls zu Protokoll gegebenen – Rede mit selbstkri- tischem Blick auf die Entstehungsgeschichte dieses Ge- setzgebungsvorhabens mit Charles-Louis Montesquieu zusammengefasst: „Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, ist es unbedingt notwendig, ein Gesetz nicht zu erlassen.“ Das hat sich durch die öffentliche Anhörung der Sachverständigen am 24. Oktober 2011 und in den ges- trigen Beratungen des Innenausschusses auch nicht ge- ändert, sondern verstärkt: Mit Ausnahme der Sachverständigen von der Bundes- polizei und vom Bundeskriminalamt – Herrn Polizeidi- rektor Carsten Glade und Herrn Vizepräsidenten Jürgen Maurer – haben die Sachverständigen mehr oder weni- ger eindeutig ihre Zweifel zum Ausdruck gebracht, ob es eines solchen Gesetzes denn überhaupt bedarf; das heißt, sie haben genau wie wir von der SPD-Fraktion schon in Zweifel gezogen, ob es überhaupt erforderlich und ge- eignet ist, ganz zu schweigen von der Frage, ob es sich dabei um verhältnismäßige Eingriffe in die persönliche Freiheit bzw. das Recht auf informelle Selbstbestim- mung handeln würde. Denn zur Verhinderung unerwünschter Visaerteilun- gen kann schon heute auf eine Vielzahl der verschie- densten Dateien zurückgegriffen werden: das Bundes- zentralregister für Strafsachen, das Ausländerzentral- re le fo d d e z li g E s w R to e c w e s te m V la W w R k w z ih ri s v e b ti z – a te d d n k d G p W m z ru d g B s e h w (C (D gister, die Antiterrordatei, das Gewerberegister, vor al- m aber jetzt auf europäischer Ebene das EU-Visa-In- rmationssystem, VIS. Außerdem wurde im Rahmen er Sachverständigenanhörung auch das Problem über- eutlich, dass ein wie auch immer gearteter Eintrag in ine Visa-Warndatei mehr oder weniger zwangsläufig ur Versagung des Visums führen wird und es womög- ch ein sehr dornenreicher und jedenfalls sehr langwieri- er Weg für die betroffenen Antragsteller oder auch ihre inlader sein kann, festzustellen, aufgrund welcher Tat- achen, Vermutungen oder in Dateien aufgefundener Er- ähnungen die Visaversagung erfolgt ist. In der ersten Lesung des Gesetzentwurfes haben die edner der Koalition, also von CDU/CSU und FDP, be- nt, dass eine derartige Visa-Warndatei zur Beseitigung rheblicher Sicherheitsmängel, wie sie im Visa-Untersu- hungsausschuss deutlich geworden seien, notwendig äre. Sie vergaßen und vergessen dabei völlig, dass es ben gerade nicht nur das Verschulden der Visaantrag- teller selbst oder der Einlader war, die zur unerwünsch- n Visaerteilung geführt haben, sondern vor allem auch indestens rechtswidriges, wenn nicht gar kriminelles erhalten von einigen wenigen Mitarbeitern der Konsu- rabteilungen. Diese würden sich aber wohl auch über arnsachverhalte – in welcher Datei auch immer – hin- eggesetzt haben. Außerdem hatte ich schon in meiner ede anlässlich der ersten Lesung versucht, Folgendes larzumachen: Von einem gewissen zusätzlichen Wert äre eine eigene nationale Warndatei nur für circa 7 Pro- ent Langzeitvisa. Gerade diese Antragsteller oder auch re Einlader werden nun aber jenseits des sonstigen tou- stischen Massengeschäftes sicherlich eingehender und orgfältiger geprüft, und gerade in diesem Personenkreis erbirgt sich schon deswegen kaum derjenige, der letzt- ndlich zu nichtlegitimen Zwecken in die Bundesrepu- lik einreisen will. Sollte es neben dem Visa-Informa- onssytem auf europäischer Ebene aber doch noch einen usätzlichen Nutzen für eine nationale Warndatei geben also für jene 93 Prozent kurzfristige Visa –, könnten lle diejenigen mit nichtlegitimen Anliegen oder Absich- n die nationale Warndatei ja problemlos umgehen: urch die Beantragung eines Schengen-Visums in einem er anderen EU-Staaten, mit dem sie dann ohne weitere ationale Prüfung ohnehin nach Deutschland einreisen önnen. Ein Weiteres kommt hinzu: Man muss ja feststellen, ass die Politik der Bundesregierung auch auf diesem ebiet wenig innere Logik hat. Denn wie passt eine ge- lante Verschärfung des Verfahrens durch die Visa- arndatei mit anderen außenpolitischen Initiativen für ehr Visafreiheit – gerade in osteuropäischen Ländern – usammen? Wie passen Pläne zur teilweisen Privatisie- ng des Konsularbereichs – und man kann sich doch enken, wie leicht es dann erst zu Korruption und der- leichen kommen kann – mit den ansonsten von der undesregierung propagierten und angestrebten ver- chärften Sicherheitsmaßnahmen zusammen? Unter allen erdenklichen Gesichtspunkten ist also ine eigene nationale Regelung – wenn sie denn über- aupt je einen Mehrwert hätte, was ich bestreite – völlig irkungslos, zumindest widersprüchlich und jedenfalls Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17555 (A) ) )(B) überflüssig. Mit dem schon erwähnten Satz des guten al- ten Montesquieu könnten Sie von der Koalition also alle weiteren Bemühungen ad acta legen, bevor Sie – Sie von der Koalition tun dies ohnehin offenbar nicht – oder aber andere – beispielsweise unsere Sachverständigen in der Anhörung – zusätzliche Überlegungen zur Verhältnismä- ßigkeit oder zum Datenschutz anstellen. Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Schon in der 15. Wahlperiode wurde im Bundestag als Mittel zur Un- terstützung unserer Behörden eine Visa-Warndatei für sinnvoll erachtet. Es war immer klares Ziel, dass das Visa-verfahren die Einreise von Schwerstkriminellen verhindern soll. Derzeit haben deutsche Behörden nicht die Möglich- keit, bei Visumanträgen die beteiligten Personen auf rechtswidriges Verhalten im erforderlichen Ausmaß zu überprüfen. Deshalb musste eine Lösung her, die sowohl den Bedürfnissen des internationalen Reiseverkehrs, der Abwehr von Verbrechern, aber auch dem Datenschutz und den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfah- ren gerecht wird. Die Koalition aus FDP und Union schafft nun diese Visa-Warndatei. Der Visamissbrauch wird durch diese Datei eingedämmt werden; die Rechtssicherheit für die Anwender wird erhöht. Die am Visumantrag beteiligten Personen sollen gezielt auf rechtswidriges Verhalten im Zusammenhang mit Delikten wie Terrorismusbezug, Menschenhandel, Straftaten nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz überprüft werden. Durch die Einführung der Visa-Warndatei werden die Visumbehörden in ihrer Arbeit unterstützt. Bisher haben Auslandsvertretungen lediglich separat Daten über die am Visumverfahren beteiligten Personen gespeichert. Im Ver- dachtsfall müssen diese dann jeweils bei einzelnen ande- ren Auslandsvertretungen oder Behörden nachfragen. Die Visa-Warndatei hilft, diese Lücke zu schließen. Dort wer- den zentral Angaben von Personen gespeichert werden, die rechtskräftig wegen Straftaten mit Bezug zum Visum- verfahren oder sonstigen Auslandsbezug verurteilt wur- den; darunter fallen schwere Straftaten, insbesondere Menschenhandel und Verstöße gegen das Schwarzar- beitbekämpfungsgesetz. Weiter werden am Visumverfah- ren beteiligte Personen, etwa Antragsteller und Einlader, gespeichert, wenn sie falsche Angaben gemacht haben oder ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachkom- men. Der FDP ist in diesem Zusammenhang der zurückhal- tende Umgang mit Datentransfers wichtig. Die Daten- speicherung ist auf das Nötigste begrenzt. Gespeichert wird nur ein Datensatz pro Person bzw. Organisation, nicht jeder einzelne Visumantragsvorgang. Das ist geeig- net, erforderlich und angemessen. Die Speicheranlässe sind eng umgrenzt und abschlie- ßend nummerisch aufgezählt. Die zugriffsberechtigten Behörden sind nur die am Visumverfahren beteiligten Behörden: Auswärtiges Amt, Auslandsvertretungen, Ausländerbehörden und Behörden, die mit der polizeili- c a d e tu n b s m m s L g fe v A T k g g fe s te w c g s e fü J b w b d e d n D J s z g u T S d g n d w b w (C (D hen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs be- uftragt sind. Die Informationen in der Visa-Warndatei ienen den Behörden für die Sachverhaltsaufklärung und rmöglichen ihnen eine umfassende Sachverhaltsbewer- ng. Eine Speicherung hat nicht automatisch die Ableh- ung eines Visumantrags zur Folge, vielmehr soll der etroffenen Behörde eine alle wichtigen Aspekte umfas- ende Ermessensentscheidung ermöglicht werden. Sie uss wissen, an welcher Stelle sie weiter nachfragen uss. Die Rechte der Betroffenen sind zentral berück- ichtigt durch Protokollierungs-, Datensicherungs- und öschungsvorschriften sowie den Auskunftsanspruch. In Ergänzung zu dieser Visa-Warndatei wird eine Or- anisationseinheit beim Bundesverwaltungsamt geschaf- n, wo einzelne Daten von Personen aus dem Visum- erfahren mit einem sehr eng begrenzten Teilbereich der ntiterrordatei abgeglichen werden. Damit sind auch op-Gefährder identifizierbar. Durch dieses Vorgehen ann sicherheitsrelevanten Interessen Rechnung getra- en werden, ohne durch einen unkontrollierten Datenab- leich unverhältnismäßig in die Schutzrechte der Betrof- nen einzugreifen. Eine anlasslose Speicherung der Daten findet nicht tatt. Vielmehr wird ein besonderes Verfahren eingerich- t. Wenn beim Abgleich an neutraler Stelle festgestellt ird, dass die betreffende Person in der Datei gespei- hert ist, wird die Sicherheitsbehörde, die die Daten ein- estellt hat, darüber informiert. Das bedeutet „Rechts- taatlichkeit durch Verfahren“. Freiheit und Sicherheit mit menschlichem Gesicht in iner Gesellschaft des Miteinanders. Das ist das Leitbild r die innenpolitischen Herausforderungen der nächsten ahre. Der vorliegende Gesetzentwurf wird dem auf vor- ildliche Weise gerecht. Wir erleichtern so den für ein eltoffenes Industrieland wie Deutschland unverzicht- aren internationalen Reiseverkehr und stärken zugleich ie Sicherheit unseres Landes – ohne ausufernde Daten- rfassung. Die FDP sorgt in der gemeinsamen Koalition afür, dass Freiheit und Sicherheit in einem angemesse- en, ausgewogenen Verhältnis bleiben. Wir setzen die inge um, die mit SPD-Regierungsbeteiligung über ein ahrzehnt liegen geblieben waren. Ulla Jelpke (DIE LINKE):Wir beraten heute ab- chließend über den Gesetzentwurf der Bundesregierung ur Einrichtung einer sogenannten Visa-Warndatei. An- eblich sollen so vermeintlicher Visummissbrauch, die nerkannte Einreise von Kriminellen und potenziellen erroristen verhindert werden. Dafür sollen Daten über traftaten mit Bezug zum Ausland und Daten von Einla- ern und Bürgern, die in der Vergangenheit falsche An- aben gemacht haben oder anderen Verpflichtungen icht nachgekommen sind, gespeichert werden. Außer- em soll ein Abgleich mit der Antiterrordatei stattfinden, ie er heute schon bei einigen ausgewählten Staaten ins- esondere im Nahen und Mittleren Osten durchgeführt ird. 17556 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 (A) ) )(B) Ich habe für die Fraktion Die Linke schon in der ers- ten Lesung kritisiert, dass die Bundesregierung jeden Beweis für die Erforderlichkeit dieser Datei schuldig bleibt. Nach den Beratungen im Ausschuss und einer öf- fentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf muss ich hier feststellen: Die Bundesregierung bleibt diesen Beweis auch weiter schuldig, und das, obwohl die Koalitions- fraktionen sich mal wieder nicht zu blöd waren, einen Beamten der Bundespolizei und des Bundeskriminalam- tes als vermeintlich unabhängige Sachverständigen zu benennen. Aber selbst von ihnen gab es keine Zahlen zur vermeintlichen Bedrohung durch Visummissbrauch. Deutlich weniger als 2 000 Personen sind in diesem und im vergangenen Jahr an der Grenze abgewiesen worden, weil bei der Einreise festgestellt wurde, dass sie im Vi- sumverfahren falsche Angaben gemacht hatten. Wohlge- merkt, diese vermeintlichen Visumerschleichungen sind auch mit dem bestehenden Instrumentarium festgestellt worden, eine Datei mit allerlei Daten war dazu nicht er- forderlich. Die sonstigen Sachverständigen in der Anhörung des Innenausschusses haben die Erforderlichkeit der Datei vehement bestritten. Die Bundesregierung hat schon in der Gesetzesbegründung verpasst, etwas dazu zu sagen. Bundesregierung und Koalition konnten auch in der ers- ten Debatte hier im Haus keine Argumente vorbringen, warum die Einrichtung dieser Datei erforderlich sein soll. Und nun ist es auch in der Anhörung nicht gelungen überzeugend darzulegen, wozu eine solche Datei erfor- derlich ist. Dies gilt vor allem für den pauschalen Ab- gleich der Visumdaten mit der Antiterrordatei. In der Gesetzesbegründung findet sich dazu rein gar nichts, da wird lediglich der technische Mechanismus des Abglei- chens beschrieben. Auch in der Anhörung wurde rein gar nichts an Argumenten vorgebracht, die für einen pauschalen Abgleich der Daten aus einem Visumverfah- ren mit der Antiterrordatei sprechen würden. Ganz im Gegenteil. Der Landesdatenschutzbeauftragte für Schles- wig-Holstein, Thilo Weichert, hat sogar davon gespro- chen, dass dieser Abgleich verfassungsrechtlich hoch problematisch sei. Schließlich sollen hier Hunderttau- sende Menschen pro Jahr durchgerastert werden, ob bei ihnen Bezüge zum internationalen Terrorismus bestehen. Bislang gibt es keinerlei Hinweise, dass mutmaßliche Terroristen oder Unterstützer das Visumverfahren nut- zen, um in die Bundesrepublik zu gelangen. Insofern fehlt es auch hier an der Erforderlichkeit der Regelung. Ich habe aber den Eindruck, dass das die Koalition ohnehin nicht juckt. Selbst der Sachverständige des Bun- desverbandes der Deutschen Industrie, benannt von der FDP-Fraktion, hat deutliche Kritik an einem Aspekt der Datei geäußert. Ich spreche von der Speicherung von Personen, die bei der Einladung falsche Angaben ge- macht haben oder ihren Verpflichtungen aus der Bürg- schaft für die Eingeladenen nicht nachkommen konnten. Der Gesetzentwurf sieht nicht vor zu prüfen, ob für diese geringen Verfehlungen im Visumverfahren ein Vorsatz vorliegen muss. Es kann sich also einfach mal jemand vertun, und schon landet er in dieser Datei und ist auf Jahre hinaus gebrandmarkt. Er muss damit rechnen, dass zukünftig Einladungen an Verwandte, Freunde oder Ge- s e d s g b M te P w v d S c g tr d d fü u p u d M w d ra s le e d g s h S 2 ri d fü V re a d B te h D e s te B M (C (D chäftspartner aufgrund dieses Eintrags scheitern. Denn s ist ja klar, dass ein Treffer in der Visa-Warndatei in er Behördenlogik zur Versagung des Visums führt, onst brauchte man so eine Datei ja gar nicht. Von Re- ierung und Koalition wird zwar tapfer das Gegenteil ehauptet, aber das ist in hohem Maße unglaubwürdig. Schon heute wird ja bei dem kleinsten Verdacht auf issbrauch ein Visum verweigert. Mit der Visa-Warnda- i legen Sie den Grundstein für eine noch restriktivere raxis bei der Erteilung von Einreiseerlaubnissen. Sie ollen Visumantragsteller, Einlader, Bürgen und weitere erfahrensbeteiligte Personen auf eine Art und Weise urchleuchten, wie sie in der EU einmalig sein dürfte. ie wollen Daten in einer Datei ein weiteres Mal spei- hern, die längst schon woanders – im Bundeszentralre- ister, im Ausländerzentralregister, bei den Auslandsver- etungen und nicht zuletzt im Visainformationssystem er EU – gespeichert sind. Am Schluss will ich noch auf einen Punkt eingehen, er für die Einführung einer solchen Datei ins Feld ge- hrt wurde und den ich bedenkenswert finde. Es geht m die Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangs- rostitution. Wenn Sie den Opfern von Menschenhandel nd Zwangsprostitution helfen wollen, dann müssen Sie en Opferschutz verbessern. In einer Anhörung des enschenrechtsausschusses gestern wurde vorgetragen, as dazu nötig wäre: Erteilung von Aufenthaltstiteln für ie Opfer ohne Vorbedingungen, Verbesserung von Be- tungs- und Hilfsangeboten, Zugang zu psychologi- cher Hilfe und Therapie auch über das Asylbewerber- istungsgesetz, Aufenthaltserlaubnis zum Einklagen von ntgangenem Lohn und Schadensersatz. Das wird von er Union alles rundweg abgelehnt. Wenn Sie hier vor- eben, Menschenhandel bekämpfen zu wollen, ist das chlicht zynische Heuchelei. Wir werden dieses Vorge- en nicht mittragen und lehnen den Gesetzentwurf ab. Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die achverständigenanhörung des Innenausschusses am 4. Oktober 2011 hat unsere ablehnende Haltung zur Er- chtung einer Visawarndatei nochmals verstärkt. Fünf er sieben Sachverständigen hielten die Visa-Warndatei r nicht erforderlich. Das verwundert nicht: Denn erstens werden die in der isa-Warndatei zu speichernden Daten überwiegend be- its in einer Vielzahl von anderen Dateien gespeichert, uf die die Visumbehörden Zugriff haben. So werden ieselben Daten bereits im Ausländerzentralregister, im undeszentralregister sowie im Visa-Informationssys- m, VIS, erfasst. Warum kleinere Erweiterungen an diesen Dateien insichtlich des Datenumfangs oder einer erleichterten atenabfrage nicht ausreichen, sondern eine technisch norm aufwendige neue Struktur eingerichtet werden oll, hat die Bundesregierung bis heute nicht beantwor- t. Erstaunlich in diesem Zusammenhang ist, dass die undesregierung noch nicht einmal bereits bestehende öglichkeiten nutzt, die Kommunikationswege zwi- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17557 (A) ) )(B) schen den Sicherheitsbehörden zu verbessern. So kön- nen nach Art. 3 des Beschlusses des Rates aus dem Jahr 2007 über den Zugang von Polizei und Nachrichten- diensten zum VIS (EU-Ratsdok. Nr. 11077/1/07 vom 11. Oktober 2007) die Mitgliedstaaten selbst bestimmen, welchen nationalen Sicherheitsbehörden sie einen Onli- nezugriff auf das VIS ermöglichen. Bislang hat die Bun- desregierung von ihrem Recht, der Polizei, den Strafver- folgungsbehörden und den Nachrichtendiensten den Zugriff auf das VIS zu gewähren, nicht Gebrauch ge- macht. Zweitens ist eine Visa-Warndatei nicht erforderlich, weil 93 Prozent der Visumsanträge Schengen-Visa und lediglich 7 Prozent nationale Langzeitvisa betreffen. Für 93 Prozent aller Visaverfahren steht mit dem VIS also eine hinreichende Datenbank zur Verfügung. Daten über den Missbrauch von Langzeitvisa sind dagegen nicht be- kannt, eine Datenbank für solche Visaverfahren also auch nicht erforderlich. Drittens ist die Bundesregierung nicht einmal in der Lage, darzulegen, wie hoch die Missbrauchszahlen über- haupt sind, die durch die Warndatei verhindert werden sollen. Nachdem der Polizeidirektor der Bundespolizei in seiner schriftlichen Stellungnahme zunächst 1 686 Fälle der Visaerschleichung im Jahr 2010 zählte, musste er in der Anhörung eingestehen, dass ihm die Zahl gerichtlich festgestellter Straftaten nicht bekannt ist. Erhoben würden lediglich Fälle, die sich für die Bun- despolizei beim Aufgreifen als Visaerschleichung dar- stellten. Das ist offensichtlich keine seriöse Grundlage um den tatsächliche Missbrauchsgefahr einordnen zu können. Die Sachverständigen bestätigten des Weiteren unsere Auffassung, dass die Visawarndatei nicht verhältnismä- ßig ist. Problematisch ist, dass der Gesetzentwurf für das einen Eintrag auslösende Verhalten keine Mindest- schwelle vorsieht noch es einer Vorsatzschuld bedarf. Der einzige Anknüpfungspunkt für die Speicherung der Daten ist die Einschätzung des Sachbearbeiters, dass eine falsche Angabe vorliegt. Damit wird jede vermeint- liche, auch geringfügige und unwissentliche Falschan- gabe Anlass zur Speicherung in der Visa-Warndatei. Die größte Gefahr birgt die Visa-Warndatei jedoch deshalb, weil zu befürchten ist, dass jeder Eintrag in der Visawarndatei zu einer automatischen Ablehnung des Visumantrags führen wird. Zwar behauptet die Bundes- regierung Gegenteiliges, das ist aber nicht realistisch. Durchschnittlich haben die Sachbearbeiter in den Aus- landsvertretungen ein bis zwei Minuten Zeit, um über ei- nen Visumantrag zu entscheiden. Es ist also eine Wunschvorstellung, dass bei einem Eintrag in der Visa- Warndatei die Auslandsvertretungen den Einzelfall nä- her prüfen, geschweige denn die Betroffenen anhören werden. Es wird darauf hinauslaufen, dass versehentlich falsch abgegebene Erklärungen oder gar Falscheintra- gungen zu einer monatelangen Einreisesperre führen werden. Da die Verteidigungsmittel gegen eine nicht ge- rechtfertigte Visumablehnung insbesondere aus dem Ausland nur spärlich und wenig effizient sind, kann es fü k d K R A R fe S A g w v a te h a u M ih in d li rü s s e B d e E te h o o p B w s A d S s u z le L (C (D r die Betroffenen zu erheblichen Einschränkungen ommen. Selbstverständlich unterstützen wir Grünen das Ziel er Bundesregierung, Visummissbrauch und schwerer riminalität mit Auslandsbezug entgegenzuwirken. Die egierung geht aber einen falschen und voreiligen Weg. us vermeintlichen Sicherheitsgründen versucht sie, die echte der am Visumverfahren Beteiligten zu unterlau- n. Sie missachtet das Grundrecht auf informationelle elbstbestimmung, das auch für Ausländerinnen und usländer gilt und den Staat verpflichtet, personenbezo- ene Daten sparsam zu erheben, und zwar nur dann, enn ein übergeordnetes öffentliches Interesse besteht. Noch viel problematischer als die Warndatei ist der orgeschlagene Abgleich mit der Antiterrordatei. Anders ls bei der Warndatei erfolgt ein Abgleich mit der Anti- rrordatei nicht nur bei Personen, die in der Vergangen- eit auffällig geworden sind, sondern bei ausnahmslos llen Personen, die am Visumverfahren beteiligt sind nd keinen Anlass für eine Überprüfung gegeben haben. it dieser Regelung werden friedliche Menschen, die re Verwandten für einen Besuch einladen oder sich an ternationalen Jugend-, Wissenschafts- und Studieren- enaustauschprogrammen beteiligen, pauschal als mög- che Terroristen verdächtigt. Es ist bezeichnend für die ckwärtsgewandte Politik der Bundesregierung, dass ie immer noch meint, Ausländerinnen und Ausländer eien grundsätzlich ein Sicherheitsrisiko. Abgesehen von der negativen Signalwirkung, die von iner solchen Sicherheitsmaßnahme ausgeht, hat die undesregierung auch hier nicht aufgezeigt, warum iese stigmatisierende Maßnahme erforderlich sein soll. Es ist völlig unklar, warum die Bundesregierung mit inem halbgaren Gesetzentwurf vorprescht, anstatt die rfahrungen mit dem Visainformationssystem abzuwar- n, um dann zu prüfen, ob weitere Maßnahmen über- aupt notwendig sind. Ein nationaler Alleingang wird hnehin die Sicherheit in unserem Land angesichts des ffenen Schengen-Raums und des gemeinsamen euro- äischen Visasystems nicht verbessern. Mit der von der undesregierung vorgeschlagenen Abschottungspolitik ird höchstens der Ruf Deutschlands im Ausland ge- chädigt. nlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedergewährung der Sonderzahlung (Tages- ordnungspunkt 21) Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Mit em heute vorgelegten Gesetz zur Wiedergewährung der onderzahlung werden wir das Weihnachtsgeld für Be- oldungs- und Versorgungsempfänger des Bundes, also nsere Beamten, Richter, Soldaten und Ruheständler, um 1. Januar 2012, drei Jahre vorfristig, wiederauf- ben lassen. Hierüber freue ich mich sehr, nicht in erster inie wegen der damit verbundenen finanziellen Verbes- 17558 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 (A) ) )(B) serungen für unsere Beamten und Versorgungsempfän- ger. Die wichtigere Botschaft, die von diesem Gesetz ausgeht, ist ganz sicher, dass sich diese Regierung der besonderen Leistungsfähigkeit seiner Beamten bewusst ist und dass wir unsere gegebenen Versprechen einhal- ten. Für die Opposition sind das natürlich schlechte Nach- richten. Sie, meine Damen und Herren, müssen ihre be- amtenpolitischen Drehbücher umschreiben. Die Insze- nierung mit dem angeblichen Vertrauensbruch der Regierung kann leider nicht noch drei Jahre aufgeführt werden. Die Beamtinnen und Beamten werden mit die- sem Gesetz letztlich viel mehr Vertrauen in unser Regie- rungshandeln gewinnen, als Sie es ihnen gerne noch eine Weile eingeredet hätten. Ich habe genau an dieser Stelle am 30. September 2010 die Verlängerung der Aussetzung der Sonder- zahlung mit den gravierenden haushaltspolitischen Zwängen erklärt. Es war schon damals ein von vielen unterschätztes, aber letztlich sehr wichtiges Verhand- lungsergebnis unserer Fraktion, dass die Sonderzahlung nicht wie ursprünglich von der Regierung vorgesehen, komplett gestrichen, sondern nur um weitere vier Jahre suspendiert wurde. Und genau deshalb konnte ich sei- nerzeit versprechen, dass wir diese Zeit nutzen werden, um die Wiedergewährung schnellstmöglich zu bewerk- stelligen. Ebenso habe ich schon damals beteuert, dass die Suspendierung der Sonderzahlungen nur so lange aufrechterhalten wird, wie es finanzpolitisch unbedingt nötig ist. Diese Zusage halten wir heute ein, und ich darf Ihnen versichern, die Entscheidung war nicht leicht. Die Son- derzahlung drei Jahre früher wieder aufleben zu lassen, kostet immerhin 1,5 Milliarden Euro. Deshalb ist die eigentliche Botschaft heute, dass der öffentliche Dienst, auch mit seinen Sorgen und Nöten, für uns kein unscheinbarer Dienstleister ist, der selbstverständlich zu funktionieren hat. Regierung wie Fraktion sind sich darüber im Klaren, wie stark die Belastungen der ver- gangenen Jahre waren. Die eine oder andere rote Linie wurde dabei sicher unterschritten, auch zu Zeiten der SPD, Herr Hartmann. Was beweist das? Unser Beamten- tum steht eben nicht unter staatlicher Patronage und wird auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten nicht von Kon- solidierungsmaßnahmen verschont. Aber sobald sich die finanziellen Spielräume ergeben, müssen auch im öffent- lichen Dienst die hervorragenden Leistungen adäquat vergütet werden. Um dieses „atmende“ System beneiden uns viele europäische Nachbarn. Diese finanzpolitische Seriosität ist einer der Gründe dafür, weshalb wir stärker aus der Krise herausgekommen sind, als wir hineinge- gangen sind. Wir in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind stolz darauf, bereits in der vergangenen Wahlperiode und mit der christlich-liberalen Koalition auch in dieser Legisla- tur, das Dienst- und Besoldungsrecht entscheidend fort- entwickelt zu haben. Wir sind noch lange nicht am Ende: So werden wir zum Beispiel die Richtlinien für Sonder- urlaub und Erschwerniszulagen für Schicht- und Wech- seldiensttätige verbessern. te g 2 v z G a fe w z k ß w S w a D m d z W q u u E tr tr n re p ru N m a ru b B b w o Z is b W u L d k v c z b ru n (C (D Gerne hätten wir heute auch noch in zweiter und drit- r Lesung das Gesetz zur Unterstützung der Fachkräfte- ewinnung im Bund verabschiedet, ein Gesetz mit über 0 Punkten zur Attraktivitätssteigerung in der Bundes- erwaltung, also ein Anreizprogramm für Fachkräfte um Einstieg in den öffentlichen Dienst. Dass wir das esetz dringend und schnellstens benötigen, ist jedem ußer der SPD klar. Mit der von Ihnen beantragten öf- ntlichen Anhörung verzögern Sie unverständlicher- eise die in den Behörden dringend erwartete Inkraftset- ung. Ich bin gleichwohl optimistisch, dass wir das Fach- räftegewinnungsgesetz noch in diesem Jahr beschlie- en werden. Die Leistungsfähigkeit und der Leistungs- ille des öffentlichen Dienstes sind ein unschätzbarer tandortvorteil Deutschlands im weltweiten Wettbe- erb. Das wurde insbesondere in Europa nie deutlicher ls zur Zeit. Mit dem Fächer an bereits beschlossenen ienst- und Besoldungsrechtsreformen, mit der Zustim- ung zum heute vorgelegten Gesetz und in Erwartung er nächsten bereits in der Pipeline befindlichen Geset- esvorhaben sichern wir uns diesen Wettbewerbsvorteil. ir modernisieren damit den öffentlichen Dienst konse- uent weiter, und wir würdigen damit die Leistungen nd das Vertrauen unserer Beamten, Richter, Soldaten nd Versorgungsempfänger in besonderer Weise. Am nde lohnt es sich wie immer, der CDU/CSU zu ver- auen. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Das zen- ale Anliegen der Haushaltsbeschlüsse in der vergange- en Woche war es, die Neuverschuldung zurückzufüh- n. Dabei ist es der christlich-liberalen Koalition in den arlamentarischen Beratungen gelungen, die im Regie- ngsentwurf des Bundeshaushalts 2012 vorgesehene ettokreditaufnahme von 27,2 Milliarden Euro noch um ehr als eine weitere Milliarde auf 26,1 Milliarden Euro bzusenken. Die heute zu beschließende Wiedergewäh- ng der Sonderzahlung ist angemessen und wurde dabei ereits berücksichtigt. Mit dem Gesamtvolumen des undeshaushalts werden dennoch weiterhin die Vorga- en der Schuldenbremse übererfüllt. Dies ist auch des- egen von Bedeutung, weil nur auf der Grundlage ge- rdneter Staatsfinanzen der Bund jetzt und in der ukunft seine Personalausgaben bestreiten kann. Deutschlands leistungsfähige öffentliche Verwaltung t ein wichtiger Standortvorteil im internationalen Wett- ewerb. Das Berufsbeamtentum bietet in besonderer eise Garantie für die rechtsstaatliche, unparteiische nd wirksame Ausführung der Gesetze. Um diese hohe eistungsfähigkeit zu erhalten, gilt es, die Attraktivität es Berufsbeamtentums für qualifizierte Nachwuchs- räfte nicht aus den Augen zu verlieren. Denn für die ielfältigen und anspruchsvollen Aufgaben des Öffentli- hen Dienstes des Bundes wird gut ausgebildetes und um Teil hoch spezialisiertes Personal benötigt. Dass dieser Trend in Zukunft weiter anhalten wird, elegen beispielsweise auch die gestiegenen Anforde- ngen an Ermittlungsbeamte, die gegen Internetkrimi- alität vorgehen. Sie müssen über ein vertieftes techni- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17559 (A) ) )(B) sches Verständnis verfügen und dies kontinuierlich auffrischen, um den perfiden und täglich wechselnden Tatvarianten auf die Schliche zu kommen. Dass solche Kenntnisse natürlich auch in der Wirtschaft hoch begehrt und dementsprechend gut vergütet werden würden, ist offensichtlich. Es sind dabei grundsätzlich die gleichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, die für den ge- samten Arbeitsmarkt gelten. Ein wichtiger Bestandteil zum Erhalt der Attraktivität ist neben den vielfältigen Möglichkeiten für einen beruf- lichen Aufstieg und zur Weiterbildung daher auch eine angemessene und leistungsbezogene Vergütung der Tä- tigkeit. Die christlich-liberale Koalition hat daher zu Recht beschlossen, die Sonderzahlung für Bundesbeamte wieder auf 60 Prozent zu erhöhen. Mit der Erhöhung stei- gern wir jedoch nicht nur die Attraktivität und Wettbe- werbsfähigkeit des Berufsbeamtentums. Die christlich-li- berale Koalition bringt hierdurch auch ihre Wert- schätzung und Anerkennung für die von den Beamten in den vergangenen Jahren geleisteten Sparbeiträge zur Konsolidierung des Haushaltes des Bundes zum Aus- druck. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten haben die Beam- ten mit ihrem Sparbeitrag in erheblicher Weise zur Kon- solidierung der Staatsfinanzen beigetragen und damit eine Vorreiterrolle übernommen. Die vorgenommenen Einsparungen waren wichtig, um die Grundlagen für die zukünftige Einhaltung der Schuldenbremse nach Art. 109 GG zu schaffen. Aufgrund der verbesserten wirtschaftlichen Lage ist es jedoch angemessen, die be- stehende Sonderzahlung wieder auf das Niveau des Jah- res 2005 zu erhöhen. Genau dies wird durch den vorlie- genden Gesetzentwurf umgesetzt. Es wäre das völlig falsche Signal an die Beamtinnen und Beamten des Bun- des gewesen, wenn wir trotz der überwundenen Krise und erholter Konjunktur die angekündigte Wiederbele- bung der Sonderzahlung nicht bereits für das Jahr 2012 umgesetzt hätten. Die Schuldenbremse und der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt verpflichten uns auch weiterhin zu einer schrittweisen Konsolidierung des gesamten Bun- deshaushalts in den kommenden Jahren. Beide Mecha- nismen dienen der Einhaltung der Generationengerech- tigkeit, zu der sich die christlich-liberale Koalition verpflichtet hat. Die heute zu beschließende Erhöhung der Sonderzahlung widerspricht diesen Vorgaben nicht; denn sie stellt einen angemessenen und gerechten Aus- gleich für die bereits erbrachten Einsparungen durch die Beamten zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes dar. Dies verdient eine breite Unterstützung. Michael Hartmann (SPD): Nur zu gerne hätten wir heute Abend nicht nur über die Sonderzahlungen bei den Bundesbeamtinnen und -beamten beraten und beschlos- sen, sondern zugleich das Gesetz über die Fachkräftege- winnung verabschiedet. Doch das soll nun nicht sein. In einem ungewohnten Akt plötzlicher Handlungsfä- higkeit wurde zu dem aus unserer Sicht eigentlich unpro- blematischen Paragrafenwerk klammheimlich in einem Änderungsantrag eine Ungehörigkeit eingebaut: Den p d s T v p w d o w g rü im F te k d a g G z ih m b ru n G fa d d u d G S U w d W c d d W s S B w w n s n w s (C (D olitischen Beamten soll es besser gehen, wenn sie in en einstweiligen Ruhestand geschickt werden. Da die- er nach dem bevorstehenden Regierungswechsel in der at da und dort drohen kann, ist diese Fürsorge für die erbliebenen Anhänger der Koalition im Regierungsap- arat verständlich, hinzunehmen ist sie aber nicht. Deshalb wollen wir in einer Anhörung geklärt wissen, as in aller Welt die verfeindeten Partner dazu treibt, em Bundestag den goldenen Handschlag für jene ganz ben im Beamtenapparat klammheimlich unterjubeln zu ollen, während der Vertrauensbruch beim Weihnachts- eld mit gedrechselten Begründungen heute endlich zu- ckgenommen wird. Besser wird dadurch nichts. Sie wissen nicht, was Sie an den deutschen Beamten Bundesdienst haben. An die ganz oben denken Sie in ürsorge für den Tag danach. Wir reden hier über Minis- rialdirektoren und Staatssekretäre, denen immer schon lar war, dass sie in den Status des politischen, also je- erzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzbaren Be- mten wechseln. Diese kassieren ein monatliches Grund- ehalt von rund 9 500 beziehungsweise 11 500 Euro. eht es nach der Koalition, könnten diese unterfinan- ierten Staatsdiener dann um bis zu 635 Euro monatlich re Versorgung erhöhen. Erklären Sie das doch bitte al einem Polizeiobermeister der Bundespolizei, der le- enslang in A8 festhängt und keine Chance auf Beförde- ng hat. Es wird Ihnen nicht gelingen. Vielleicht ist Ih- en der Schaden gleichgültig oder nicht bewusst. utmachen werden Sie ihn jedenfalls nicht mehr. Während großzügig mit den politischen Beamten ver- hren werden soll, ist auch jetzt keinerlei Bewegung bei er Mitnahmefähigkeit der Versorgung beim Wechsel in ie Privatwirtschaft erkennbar. Diesem Vorschlag von ns und allen berufsständischen Vereinigungen wie auch en Gewerkschaften stellen Sie sich entgegen. In der roßen Koalition hat der damalige Innenminister chäuble im letzten Moment auf die Bremse getreten. nd Schwarz-Gelb zeigt so gar keine Bewegung. Dabei äre dies ein wirkliches und wirksames Instrument mo- erner Gesetzgebung in Zeiten des demografischen andels, das jungen Menschen den Weg in den öffentli- hen Dienst offen hielte. Es wird Zeit, dass die Beschäftigten des Bundes wie- er wertgeschätzt werden. Mit dieser Regierung wird ies aber nichts mehr. Dr. Stefan Ruppert (FDP): Mit dem Gesetz zur iedergewährung der Sonderzahlung, das wir heute be- chließen, führt die Koalition zum 1. Januar 2012 die onderzahlung für Beamte, Soldaten und Richter des undes auf 60 Prozent der Monatsbezüge zurück. Damit ird das Niveau von 2004 drei Jahre früher als geplant ieder erreicht. Mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2006 war das Weih- achtsgeld um die Hälfte reduziert worden mit der Aus- icht, dass die Zahlung ab Januar 2011 wieder aufge- ommen werden sollte. Als dann 2010 beschlossen urde, dass die zweite Hälfte der Sonderzahlung, die eitdem auf die monatlichen Bezüge angerechnet wurde, 17560 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 (A) ) )(B) noch bis 2015 ausgesetzt bleiben würde, führte das bei vielen Beamten zu Enttäuschung und Frustration. So verständlich diese Reaktionen sein mögen, die Ko- alition steht zu der Entscheidung, die 2010 mit dem Bun- desbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz ge- troffen wurde und die zum damaligen Zeitpunkt richtig war. Deutschland hatte mit einer äußerst hohen Staats- verschuldung zu kämpfen. Wir befanden uns infolge der Finanzkrise im schlimmsten Konjunkturtief der Nach- kriegsgeschichte. Daher steht außer Frage, dass der öf- fentliche Dienst seinen Sparbeitrag zu leisten hatte in ei- nem Zeitraum, in dem auch in der freien Wirtschaft Weihnachts- und Urlaubsgelder gekürzt und Arbeitneh- mervergünstigungen eingespart wurden. Das Beamten- tum kann in solchen Situationen nicht abgekoppelt von der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gesamtent- wicklung behandelt werden. Die Bundesverwaltung hat ihren Sparbeitrag in den letzten Jahren erbracht. Durch Maßnahmen wie die Kür- zung der Sonderzahlung und des Urlaubsgeldes – um nur einige zu nennen – konnten rund 3 Milliarden Euro ein- gespart werden. Vor diesem Hintergrund ist es angemes- sen, die Kürzung zum 1. Januar 2012 anstatt erst 2015 wieder zurückzunehmen. Die Wirtschaft entwickelt sich momentan viel besser als gedacht. Zur Zeit stehen wieder viele Tariferhöhun- gen in der Industrie an. Zudem können wir deutliche Steuermehreinnahmen verbuchen, sodass die Ausgaben von circa 500 Millionen Euro jährlich, die mit der Wie- dergewährung der Sonderzahlung verbunden sind, trotz des Sparzwangs vertretbar bleiben. Die Einhaltung der Schuldenbremse wird dadurch nicht gefährdet. Bundes- wirtschaftsminister Rösler sprach in einer Pressemel- dung am Mittwoch von einer „breit angelegten und auch gefestigten Binnenkonjunktur“ und wies darauf hin, dass Deutschland für das Winterhalbjahr gute Voraussetzun- gen vorzuweisen hat, um die weltwirtschaftliche Flaute gut zu überstehen. Skeptikern gegenüber kann man nicht genug betonen, wie wichtig es ist, im öffentlichen Dienst Anreize zu schaffen und an den Beschäftigungsbedingungen weiter zu arbeiten. Spricht man mit Beamten des Bundes, dann hört man leicht die Unzufriedenheit über wachsende Ar- beitsbelastung durch Stelleneinsparungen und über Be- soldung und Versorgung heraus, die hinter der allge- meinen Einkommensentwicklung zurückbleiben. Der Fachkräftemangel ist kein Thema, das uns in ferner Zukunft tangieren wird. Schon heute gibt es einen Be- darf an gut ausgebildetem Personal im öffentlichen Dienst, der über das Angebot auf dem Arbeitsmarkt hinausgeht. Es reicht einfach nicht mehr, die Beamten mit dem Hinweis auf ihren sicheren Arbeitsplatz zu be- schwichtigen. Ingenieure mit Fachhochschulabschluss zum Beispiel können in der freien Wirtschaft vielfach höhere Gehälter erzielen als mit einem Einstieg in den öffentlichen Dienst. Aus diesem Grund wählen sie oft die auf Anhieb lukrativer erscheinende Karriere. Regie- rung und Gesetzgeber bleiben gefragt, auf Dauer die At- traktivität des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber zu erhalten und zu steigern. te b v d w m d 1 s J g ö tä b d d te d m h S d p h a a s ru B jä Z la K s fa d u e g lu in g a fü p R s n ti e E u z (C (D An dieser Stelle setzt die Koalition mit dem Fachkräf- gewinnungsgesetz an, das ebenfalls heute im Plenum eschlossen werden sollte. Wir haben im Gesetzentwurf erankert, dass Ingenieursanwärter mit A11 eine Besol- ungsstufe höher eingestuft werden können als bisher, enn der jeweilige Dienstherr diesen Anreiz für ange- essen hält. Außerdem sind Stellenzulagen im Bereich er Bundeswehr betroffen, sowie eine Prämie von 25 Euro monatlich für Soldaten auf Zeit, die sich zwi- chen Anfang 2011 und Ende 2013 um mindestens zwei ahre weiterverpflichten. Wichtig ist auch ein Personal- ewinnungszuschlag für Beamte und Soldaten, den der ffentliche Dienst des Bundes dringend zur Attraktivi- tssteigerung in der Anwerbung von Fachkräften raucht. Auch soll die Möglichkeit geschaffen werden, ie Verringerung von Bezügen bei zum Bund wechseln- en Landesbeamten auszugleichen. Auf diese und wei- re Verbesserungen werden Beamte und Soldaten nun ank der SPD höchstwahrscheinlich noch länger warten üssen. Sie hat zum Gesetzentwurf eine öffentliche An- örung mit Sachverständigen gefordert. Aus meiner icht wird hier ein sinnvolles parlamentarisches Mittel er Informationsgewinnung instrumentalisiert, um den arlamentarischen Prozess unnötig in die Länge zu zie- en und der Koalition Steine in den Weg zu legen. Die Leistung der Beamten des Bundes, ob in Hinsicht uf ihren Sparbeitrag oder auf ihre Arbeitsleistung, muss ngemessen gewürdigt werden. Wir freuen uns, gemein- am mit dem Koalitionspartner mit der Wiedergewäh- ng der Sonderzahlung einen Erfolg zu erzielen. Petra Pau (DIE LINKE): Über Jahre hinweg wurden eamtinnen und Beamten sowie Richtern und Soldaten hrliche Sonderzahlungen gekürzt. Bekannter sind diese uwendungen als „Weihnachtsgeld“. Nun sollen die seit ngem ausgesetzten Bezüge ab 1. Januar 2012 wieder in raft treten. So weit der gute, oder sagen wir, der bes- ere Teil der Botschaft der nun vorliegenden Beschluss- ssung. Worum geht es? Einem Polizeikommissar der Bun- espolizei im gehobenen Dienst wurden zwischen 2003 nd 2010 über 8 000 Euro gestrichen. Das ist schon eine rkleckliche Summe. Bei Beamtinnen und Beamten mit eringeren monatlichen Bezügen waren zwar die Ver- ste geringer. Dafür schlug das Minus bei ihnen heftiger s Kontor. So oder so, ihnen wurden soziale Härten zu- emutet. Und das alles bei derselben Arbeit, die ihnen bverlangt wurde. Oder einfacher gesagt: Weniger Lohn r die gleiche oder sogar für mehr Arbeit! Das war die olitische Linie, die dahinter steckte. Deutschland ist das einzige EU-Land, in dem die eallöhne in den zurückliegenden Jahren nicht stiegen, ondern fielen. Bundesbeamte gehören zu den Betroffe- en. Die Linke hat das immer abgelehnt. Neben der poli- schen, der finanziellen und der sozialen Dimension gibt s aber auch noch eine moralische. Ich erinnere an eine inschätzung des Vorsitzenden vom Beamtenbund dbb nd der Tarifunion. Peter Heesen bezeichnete die Kür- ung der Sonderzahlungen schlichtweg als „glatten Ver- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17561 (A) ) )(B) trauensbruch“, Vertrauen, das Bundesregierungen na- hezu aller Couleur verspielt haben. Der vorliegende Gesetzentwurf beziffert die jährli- chen Kosten für die Wiedereinführung der sogenannten Sonderbezüge mit 500 Millionen Euro. Er verschweigt, wie viel den Beamten vorenthalten wurden. Deshalb werden Sie einen Vorwurf so schnell auch nicht wieder los. Sie haben Beamte um 3 Milliarden geschröpft, Mul- timillionäre um zig Milliarden entlastet und Banken Hunderte Milliarden hinterher geworfen. Mein letzter Punkt: Die Sonderzahlungen sollen ab 2012 auf dem Niveau von 2006 wieder gewährt werden. Das heißt, sie orientieren sich linear am Gehalt der je- weiligen Beamtinnen und Beamten. Wer also mehr be- zieht, bekommt noch mehr dazu. Ich halte das nicht für allzu sozial und solidarisch. Vielmehr sollten Angehö- rige des einfachen und mittleren Dienstes besser behan- delt werden, sagt die Linke. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Diese schwarz-gelbe Regierung ist leider nicht der Weihnachtsmann, auch wenn sie in den letzten Mo- naten versucht, sich ein rotes Mäntelchen überzuwerfen. Der von der schwarz-gelben Koalition eingebrachte Ge- setzentwurf zur Aufhebung der Kürzung von Sonderzah- lungen für Beamtinnen und Beamte ist kein Geschenk, sondern die seit Jahren überfällige Rücknahme von Kür- zungen am falschen Ende. Denn die Beamtinnen und Beamten sind keine in ihrer Gesamtheit hoch besoldete Gruppe. Allein in der Besoldungsgruppe A unterschei- den wir gesetzlich 14 verschiedene Besoldungsgruppen für den einfachen, mittleren, gehobenen und höheren Dienst. Die Aufgaben der Bundesbeamten sind den Be- soldungsgruppen entsprechend vielfältig und anspruchs- voll. Nicht nur die Bundespolizei arbeitet im Schichtdienst und nicht nur Soldatinnen und Soldaten, aber vor allem sie traf in den letzten fast 15 Jahren eine Realität, aus der hohe Belastungen in Verantwortung für unseren Staat folgten. Besonders die Beamtinnen und Beamten im ein- fachen und mittleren Dienst haben die Einsparmaßnah- men hart getroffen. Diese wurden bereits unter der von CDU und SPD geführten Regierungskoalition, unter dem damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, beschlossen. Wenn jetzt die SPD hier einwendet, in der Sache durchaus zu Recht, dass die schwarz-gelbe Regierung ei- nen Zickzackkurs fährt, sollte sie auch ihre eigene Ver- antwortung bei den Kürzungen der Beamtenbesoldung vor Augen haben. Denn während der Großen Koalition wurde zulasten der Beamtenschaft ein Konsens aufge- kündigt, den zuvor die rot-grüne Regierungskoalition in einem die Betroffenen, insbesondere die Gewerkschaf- ten, einbeziehenden Verfahren beschlossen hatte. Dieser umfasste unter anderem auch den grundsätzli- chen Ansatz, dass Wettbewerb der Beamtinnen und Be- amten untereinander kein Allheilmittel im Staatswesen sein kann. Denn die Staatsbediensteten nehmen gesetz- lich definierte Aufgaben wahr, für deren Erfüllung die M g W n d 1 ö im E ö a K S V a z E G E J -b e G w n p D F re ä g re F m g re fü g n h n h d a u fo h B m s h s s w te B ö m (C (D echanismen der Wirtschaft nicht ohne Weiteres über- estülpt werden können. Die Kürzung des sogenannten eihnachtsgeldes als Sonderzahlung von 60 Prozent auf ur noch 30 Prozent war im Übrigen auch ein Beschluss er Großen Koalition. Die jetzige Regierungskoalition hat die in der 6. Wahlperiode beschlossenen Einsparmaßnahmen im ffentlichen Dienst nicht nur aufrechterhalten, sondern Juni 2010 im Rahmen ihres vorgeblich 80 Milliarden uro enthaltenden Sparpakets nochmal Kürzungen im ffentlichen Dienst von insgesamt zwei Milliarden Euro ngekündigt. Deshalb beschloss die CDU/CSU-FDP- oalition vor einem guten Jahr auch, die Kürzungen für onderzahlungen bis zum Jahr 2015 beizubehalten. Vom erfahren her, insbesondere auf Wahlkampfversprechen, ber auch auf den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz be- ogen, war dies ein bemerkenswerter Vertrauensbruch. s mutet jetzt fast ein wenig populistisch an, wenn der esetzentwurf zum Weihnachtsgeld zeitlich fast mit der röffnung aller Weihnachtsmärkte zusammenfällt. Das ahr 2011 ist praktisch rum, den Bundesbeamtinnen und eamten kommen die höheren Sonderzahlungen daher rst ab 2012 zugute. Für das Jahr 2011 also wird das eld nicht ausgeschüttet. Inhaltlich begrüßen wir gleich- ohl diesen Gesetzentwurf als eine notwendige und ei- en seit Jahren überfälligen Schritt. Durch die Hintertür soll nun aber ein Geschenk an olitische Beamtinnen und Beamte gemacht werden. er Änderungsantrag zum Gesetz zur Unterstützung der achkräftegewinnung im Bund und zur Änderung weite- r dienstrechtlicher Vorschriften ist am Dienstagabend ußerst kurzfristig eingebracht worden. Die Bundesre- ierung will den politischen Beamten, folglich auch ih- n eigenen Staatssekretären, unter dem Deckmantel der achkräftegewinnung eine Versorgungserhöhung von onatlich bis zu 635 Euro gewähren. Das ist in der Tat ein Geschenk. Die erhöhten Versor- ungsbezüge folgen rechnerisch daraus, dass sie wäh- nd des drei Jahre möglichen, vorläufigen Ruhestands r politische Beamtinnen und Beamte in die Versor- ungsberechnung einbezogen werden. Als die CDU och eine Volkspartei war (zu Zeiten Helmut Kohls), atte sie in Koalition mit der FDP genau diese Berech- ungsgrundlage für ungerechtfertigt erachtet und des- alb abgeschafft. Das wirft erneut die Frage auf, ob es en Bestrebungen dieser Regierung im Dienstrecht nicht n jeder klaren Linie fehlt. Hier möchten meine Fraktion nd ich darauf hinweisen, dass bei einer Dienstrechtsre- rm auch die immer schwerer begründbare Ungleichbe- andlung der öffentlichen Angestellten gegenüber den eamtinnen und Beamten gründlich überdacht werden uss. Sicher sehen auch wir den Reformbedarf ange- ichts der schweren Schieflage der öffentlichen Haus- alte. Gerade deshalb fordern wir keinen Zickzackkurs, ondern ein durchdachtes, langfristig angelegtes Grund- atzkonzept für den öffentlichen Dienst. Neben dem ichtigen Gesichtspunkt der Entlohnung müssen wei- re, für die Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit von eamtinnen und Beamten sowie von Angestellten des ffentlichen Dienstes ebenso wichtige berufliche Rah- enbedingungen einbezogen werden. Hierzu zählen Fa- 17562 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 (A) ) )(B) milienfreundlichkeit, die Versetzungspolitik, die Organi- sation des Schichtdienstes, die Übertragung von mehr Eigenverantwortung und vieles mehr. All das fordern wir hier heute erneut ein. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Vierten Geset- zes zur Änderung des Vierten Buches Sozialge- setzbuch und anderer Gesetze (Zusatztagesord- nungspunkt 5) Max Straubinger (CDU/CSU): Der vorliegende Ge- setzentwurf verfolgt das Ziel, mit zahlreichen Änderun- gen des Sozialgesetzbuches vornehmlich die technischen Verfahrensweisen effizienter zu gestalten. Zum Beispiel soll auf den Versand einer Rentenan- passungsmitteilung verzichtet werden, wenn sich bei der jährlichen Rentenanpassung der aktuelle Rentenwert nicht erhöht. Es werden die gesetzlichen Voraussetzungen für eine erweiterte Datenübermittlung zwischen den Melde- behörden und der gesetzlichen Rentenversicherung ge- schaffen. Insbesondere durch die Übermittlung von Da- ten über Wiederverheiratungen soll künftig verhindert werden, dass Hinterbliebenenrenten zu lange gezahlt werden. Es wird aber auch der Sozialschutz ausgeweitet. So wird unter anderem die Versicherungspflicht von Teil- nehmern an dualen Studiengängen einheitlich für alle geregelt. Besonders wichtig ist uns die Regelung für Ehrenbe- amte, die eine Aufwandsentschädigung und eine vorge- zogene Altersrente erhalten. Für sie wird eine fünfjäh- rige Übergangsregelung geschaffen, damit sich die Aufwandsentschädigung nicht als Hinzuverdienst nach- teilig auf die Rente auswirkt. Diese Vertrauensschutz ge- währende Regelung für die Vergangenheit ist durch ein Sozialgerichtsurteil notwendig geworden, um die An- rechnung auf die Rente zu verhindern. Im Rentendialog wird über eine unbefristete Regelung debattiert werden. Der einzig erkennbar gangbare Umsetzungsweg wäre derzeit jedoch, die Aufwandsentschädigung nicht mehr steuerpflichtig und damit auch nicht mehr abgabepflich- tig zu stellen. Dies käme jedoch der Schaffung eines Sonderrechtes für Ehrenbeamte gleich. Die von uns eingebrachten Änderungen beruhen auch auf Vorschlägen aus dem Bundesrat. Folgende in der Kabinettsfassung vorgesehenen Regelungen werden ergänzt bzw. modifiziert: Erstens. Ich begrüße es außerordentlich, dass die Bei- träge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung bei Bezug von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld künftig direkt an das Versicherungsunternehmen überwiesen werden sollen. Die privaten Krankenkassen haben diese Lösung ermöglicht, indem sie säumigen Bedürftigen im Basistarif ihre Beitragsschulden erlassen wollen. Ein ja re li fo V re re w k d w h m fü ti v g s s e g g ru d g d n re d s im Z v b ri z s 2 ru ö A p n ra k n z h e d S v d e d (C (D hrelanger politischer Streit ist endlich beigelegt. Meh- re Tausend bedürftige Privatversicherte können end- ch aufatmen; sie sind nicht mehr mit Beitragszahlungs- rderungen konfrontiert. Es geht hier nicht darum, Bedürftige gegenüber der ersicherung zu outen. Vielmehr werden die fristge- chte Beitragszahlung und damit die dauerhafte Auf- chterhaltung des vollen Versicherungsschutzes ge- ährleistet. Auch die Beitragszahlung von gesetzlich rankenversicherten Bedürftigen wird unmittelbar mit em Versicherer abgewickelt. Das Verfahren hat sich be- ährt. Wir erstatten den Sozialversicherungsträgern die bis- er erbrachten Beitragszahlungen für Eingliederungs- aßnahmen im Eingangs- und Berufsbildungsbereich r behinderte Menschen für die Vergangenheit. Zukünf- g sind die Rentenversicherungsbeiträge von den Sozial- ersicherungsträgern zu zahlen. Zweitens. Wir haben die in der Kabinettsfassung vor- esehene Verlängerung des Moratoriums über die Zu- tändigkeit der Unfallversicherungsträger für rechtlich elbstständige Unternehmen der öffentlichen Hand noch inmal überdacht. Es handelt sich um die zweite Verlän- erung, ohne dass bisher in der Sache nennenswerte Er- ebnisse erzielt worden sind. Mit einer Fristverlänge- ng weit in die nächste Legislaturperiode hinein wären ie bestehenden Wettbewerbsverzerrungen zulasten der ewerblichen Wirtschaft weiter verfestigt worden, die araus resultieren, dass im Wettbewerb stehende Unter- ehmen derselben Branche unterschiedlichen beitrags- chtlichen Belastungen unterliegen. Diese Auswirkung es Moratoriums ist bereits mehrfach von der Europäi- chen Kommission kritisiert worden. Wir sind daher zu der Überzeugung gekommen, dass Gesetz sicherzustellen ist, dass eine Lösung der uständigkeitsfrage schneller, als im Kabinettsentwurf orgesehen, umgesetzt werden muss. Statt der in der Ka- inettsfassung vorgesehenen Verlängerung des Morato- ums bis Ende 2014 wird das Moratorium daher bereits um 31. Dezember 2012 auslaufen. Die Deutsche Ge- etzliche Unfallversicherung ist beauftragt, bis Ende Mai 012 ein Konzept zur Neuregelung der Unfallversiche- ngsträger für rechtlich selbstständige Unternehmen der ffentlichen Hand vorzulegen. Drittens. Damit eine längere Freistellung aus einem rbeitszeitkonto nicht zum Verlust der Versicherungs- flicht und des Versicherungsschutzes führt, haben wir eu geregelt, dass bei einer Freistellung für einen Zeit- um von mehr als einem Monat aus einem Arbeitszeit- onto die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ach drei Monaten endet. Bislang sieht das Gesetz expli- it nur dann das Fortbestehen des Beschäftigungsver- ältnisses vor, wenn während der Freistellung Arbeits- ntgelt aus einem Wertguthaben fällig ist. Daraus ziehen ie Spitzenverbände der Sozialversicherung den chluss, dass bei einer Freistellung für einen Zeitraum on mehr als einem Monat aus einem Arbeitszeitkonto ie sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nach inem Monat endet. Diese Auslegung führt zum Wegfall es Sozialversicherungsschutzes für den betroffenen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17563 (A) ) )(B) Beschäftigten. Um den Sachverhalt rechtssicher zu re- geln, wird die Grenze künftig gesetzlich auf drei Monate festgelegt. Ottmar Schreiner (SPD): Wie von der Bundesregie- rung gewohnt, wurde auch der vorliegende Gesetzent- wurf zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze im Eilverfahren als Zusatzpunkt auf die heutige Tagesordnung gesetzt. Das Jahresende naht, Altlasten müssen schnell und ohne Rücksicht abgearbei- tet werden. Verluste gibt es überall, so könnte man dieses Vorgehen interpretieren. Der Schwerpunkt der geplanten Gesetzesänderungen liegt nicht so sehr im SGB IV, sondern in „anderen Ge- setzen“, wie im Titel des Regierungsentwurfs jedoch verharmlost genannt wird. Zum einen soll die Finanzie- rung von Rentenversicherungsbeiträgen für Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen im sogenannten Eingangs- und Berufsbildungsbereich geändert werden. Um behinderten Menschen eine angemessene Rente zu sichern, werden die Beiträge zur Rentenversicherung aufgestockt. Bund und Länder übernehmen je zur Hälfte diese Aufwendungen. Das ist richtig und wurde bisher nicht infrage gestellt, weil es sich um eine gesamtgesell- schaftliche Aufgabe handelt. Die jetzige Bundesregierung sieht diesen Sachverhalt jedoch anders und wollte die geltende Rechtslage sogar rückwirkend ab 2008 ändern. Das Bundearbeitsministe- rium hatte schon im Jahr 2007 der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Deutschen Rentenversicherung eine Weisung erteilt, nach der die Rentenversicherungsbei- träge aus Beitragsmitteln zu finanzieren seien. Daraufhin hatte die BA beim Bayerischen Landessozialgericht eine Klage eingereicht. Das entsprechende Gerichtsurteil des Landessozialgerichts München zeigt, dass weder für die Bundesagentur für Arbeit noch für die Deutsche Renten- versicherung nach Wortlaut des geltenden Gesetzes eine Erstattungspflicht besteht. Die Bundesregierung interessiert das nicht. Sie ist nämlich der Meinung, dass „eine Erstattungspflicht des Bundes an die Träger der Einrichtungen im Wesentli- chen nur für die im Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt tätigen behinderten Menschen (§ 41 SGB IX) bestehe. Für das Eingangsverfahren und den Berufsbil- dungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen werde deshalb ausdrücklich klargestellt, dass die Reha- bilitationsträger die gesamten Beiträge zu erstatten ha- ben“. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf will die Bundesregierung demnach die geltende Rechtslage än- dern und damit ihr Vorgehen legitimieren. Das ist eine unsachgemäße Verschiebung finanzieller Lasten vom Steuer- zum Beitragszahler. Dies wird meine Fraktion nicht mittragen. Unser diesbezüglicher Ände- rungsantrag, der eine Beibehaltung der geltenden Rechtslage fordert, wurde gestern im Ausschuss für Ar- beit und Soziales von der Regierungskoalition abge- lehnt. Ein weiteres Vorhaben, mit dem der Bund finanziell entlastet werden soll, betrifft das Entschädigungsrenten- g w D la d n w z re U g g L A S 3 k c g ti h g d s a s g S s h d z lo b 7 E m d M d h in L im A re b d s G te s d d B g (C (D esetz. Die Bundesregierung will die Erstattung der Auf- endungen für Opfer des Nationalsozialismus an die eutsche Rentenversicherung durch den Bund entfallen ssen. Auch hier handelt es sich um einen Sachverhalt, er gesamtgesellschaftlich geschultert werden muss und icht einseitig der Versichertengemeinschaft aufgebürdet erden kann. Auch bei der Bereinigung von nationalso- ialistischem Unrecht will sich die Bundesregierung ih- r gesamtgesellschaftlichen Verantwortung entziehen. nser Änderungsantrag in dieser Sache wurde auch ab- elehnt. Ein weiterer für meine Fraktion wichtiger Punkt wäre ewesen, eine Verlängerung der Aufbewahrungsfrist von ohnunterlagen in DDR-Betrieben durchzusetzen. Die ufbewahrungsfrist ist Regelungsbestandteil des GB IV. Nach geltendem Recht läuft diese Frist zum 1. Dezember 2011 wegen Untätigkeit der Regierungs- oalition aus. Nach Angaben der Deutschen Rentenversi- herung Bund ist aber auch nach nunmehr 20 Jahren eine roße Anzahl der Versichertenkonten von DDR-Beschäf- gten mit rund 12 Prozent ungeklärt. Der Fristablauf ätte zur Folge, dass die Betroffenen mit Rentenkürzun- en konfrontiert werden. Aber auch hier folgt die Bun- esregierung nicht unserem Änderungsantrag. Schließlich hat der Deutsche Gewerkschaftsbund in einer Stellungnahme zum vorliegenden Gesetzentwurf uf eine Regelungslücke im Arbeitnehmer-Entsendege- etz in Verbindung mit dem Arbeitnehmerüberlassungs- esetz hingewiesen und einen Vorschlag für deren chließung unterbreitet, den wir nachdrücklich unter- tützen und in unserem Änderungsantrag auch gefordert aben. Ich möchte das bestehende Problem wie folgt ver- eutlichen: Ein Gebäudereiniger wird als Leiharbeiter um Beispiel in ein Hotel entliehen. Wie sieht die Ent- hnung aus? Erhält der Gebäudereiniger nun als Leihar- eiter den Tariflohn der Leiharbeit in Höhe von ,60 Euro oder wird er auf Basis des im Arbeitnehmer- ntsendegesetz (AEntG) bestehenden Gebäudereiniger- indestlohns in Höhe von 8,40 Euro vergütet? Das Bun- esarbeitsgericht hat hierzu entschieden, dass der als aler eingesetzte Leiharbeiter nur dann Anspruch auf en tariflichen Mindestlohn des Maler- und Lackierer- andwerks gemäß AEntG hat, wenn der Entleihbetrieb den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt. Um die öhne zu drücken, entscheiden sich die Entleiher daher mer mehr für Leiharbeiter. Die Folge ist ein weiteres bsinken des Lohnniveaus. Daher besteht die völlig be- chtigte Forderung, diese Rechtsunsicherheit aufzuhe- en. Um diesen Umgehungstatbestand zu beseitigen, be- arf es einer kleinen Änderung im AEntG: Der Verleiher oll dem Leiharbeitnehmer, dessen Tätigkeiten in den eltungsbereich eines für allgemeinverbindlich erklär- n Tarifvertrages nach dem AEntG fallen, den nach die- em Tarifvertrag geltenden Lohn zahlen. Dies gilt auch ann, wenn der Entleiher nicht in den Geltungsbereich ieses Tarifvertrags fällt. Aber auch hier zeigte sich die undesregierung leider beratungsresistent. Die überwie- enden Stellungnahmen der Sachverständigen im Rah- 17564 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 (A) ) )(B) men der Anhörung zu diesem Gesetzentwurf Ende Okto- ber waren in vielen Punkten vernichtend. Aber die Bundesregierung erweist sich als beratungsresistent. Meine Fraktion hat zu dem Vierten SGB-IV-Ände- rungsgesetz einen Änderungsantrag eingebracht, der un- erwünschte Folgewirkungen vermieden hätte. Die Koali- tionsparteien haben dies abgelehnt und einen eigenen Änderungsantrag vorgelegt, der sich fast nur auf redakti- onelle Änderungen beschränkt. Aus diesem Grund wer- den wir den Gesetzentwurf ablehnen. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Der Entwurf eines Vier- ten Gesetzes zur Änderung des „Vierten Buches Sozialge- setzbuch und anderer Gesetze“ (4. SGB-IV-Änderungsge- setz) ist ein klassisches Omnibusgesetz, wie es sie am Ende eines Jahres des Öfteren gibt. Und dieser „Omni- bus“ hat viele Passagiere, deren Ankunft mehr oder min- der stark herbeigesehnt wird. Er ist jetzt auch schon eine ganze Zeit unterwegs, und da ist es gut, dass er nun – noch rechtzeitig vor Jahresschluss – sein Ziel, das Bundesge- setzblatt, ansteuert. Leitgedanken dieses Gesetzes sind Bürokratieabbau, Effizienzsteigerung und praxisnahe Regelungen. Dazu gehören die Entlastung von Kleinst- und Kleinunterneh- men durch die freiwillige Teilnahme an der elektroni- schen Betriebsprüfung, die Reduzierung von Meldeko- pien für Unfallversicherungsmeldungen, die Korrek- turen bei der Gewährung von Zuschlägen zur Witwen- rente und der Vorschriften zum Rentensplitting sowie die Befreiung von sogenannten „BIWAQ“-Beschäftigungen von der Versicherungspflicht zur Arbeitsförderung. Diese vorgeschlagenen Gesetzesänderungen entlasten die Sozialversicherungen und erleichtern die Betrieb- spraxis. Dies begrüßen wir sehr. Dazu gehört aber auch, dass wir Vorschläge der Jus- tiz-, Arbeits- und Sozialminister der Länder aufgreifen, um der stetig steigenden Zahl von Verfahren vor den So- zialgerichten besser begegnen zu können. Eine funktio- nierende Sozialgerichtsbarkeit ist der Grundstein des Vertrauens der Bürger in unseren Rechts- und Sozial- staat. Deshalb ist es auch hier wichtig, effizient zu arbei- ten, ohne das Gerichtssystem durch Kürzungen zu belas- ten. Praxisnähe zeigt auch die Klarstellung des Zuschuss- charakters der Arbeitgeberzahlung an berufsständische Versorgungswerke, damit die bewährte Beitragseinzugs- praxis der Versorgungswerke beibehalten werden kann. Allerdings hatte die FDP-Bundestagsfraktion auch ei- nige kritische Fragen zum ursprünglichen Entwurf. Des- halb begrüßen wir ausdrücklich, dass das Moratorium der Zuständigkeit der öffentlichen Unfallkassen für rechtlich selbstständige Unternehmen der öffentlichen Hand nur um ein Jahr verlängert wird. Nach sechs Jah- ren, die ergebnislos verstrichen sind, sind wir der Mei- nung, dass es jetzt höchste Zeit ist, dass die zuständigen Stellen zeitnah Vorschläge für eine Neuregelung vorle- gen. Wir sind ferner froh, dass gesetzlich klargestellt wird, dass auch eine längere Freistellung aus einem Arbeits- z d a w g k lo g b c H B c Z fa p fü e w u d s k s u s G ic G W fü d g F fü ru b s ti e k ir R s ß m w d R m E 2 b (C (D eitkonto nicht zum Verlust der Versicherungspflicht und es Versicherungsschutzes führt. Diese Regelung geht uf die Lebenswirklichkeit und unterschiedliche Er- erbsbiographien der heutigen Zeit besser ein. Wir be- rüßen, dass die Beiträge (Zuschüsse) zur privaten Kran- en- und Pflegeversicherung bei Bezug von Arbeits- sengeld II und Sozialgeld zukünftig von den zuständi- en Sozialleistungsträgern nicht mehr an den unmittel- ar Leistungsberechtigten, sondern direkt an das Versi- herungsunternehmen überwiesen werden sollen. ierdurch werden Fehlsteuerungen vermieden, und das eitragszahlungsverfahren auch bei privat krankenversi- herten Leistungsbeziehenden nach dem Zweiten und wölften Buch Sozialgesetzbuch wird erheblich verein- cht. Wir haben uns darum bemüht, bei der Erstattungs- flicht für Rentenversicherungsbeiträge an die Träger r anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen ine angemessene Regelung zu finden. Dass die Rück- irkung aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurde, war ns aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ganz beson- ers wichtig. So oder so beinhaltet der vorliegende Ge- etzentwurf eine Summe von Einzelregelungen, die eine lare Tendenz aufweisen und unter dem Strich ein wirk- amer Beitrag zur Reformpolitik dieser Bundesregierung nd der sie tragenden Fraktionen sind. Viele Kollegen auch der Opposition haben im Aus- chuss zu verstehen gegeben, dass sie einige Punkte des esetzentwurfs sehr unterstützen. Diesen Kollegen rufe h zu: Geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie dem esetzentwurf zu! Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Vor gut fünf ochen, am 24. Oktober 2011, hatten wir im Ausschuss r Arbeit und Soziales eine Anhörung zum vorliegen- en Gesetzentwurf. Deren Ergebnisse haben den Kolle- innen und Kollegen aus den Fraktionen von Union und DP zumindest an einer Stelle zu denken gegeben. Es geht um die geplante Änderung, dass die Beiträge r die Rentenversicherung für Menschen mit Behinde- ng, die im Eingangsverfahren oder im Berufsbildungs- ereich von Werkstätten für behinderte Menschen tätig ind, nicht mehr vom Bund, sondern von den Rehabilita- onsträgern DRV und BA an die Träger der Werkstätten rstattet werden sollen. Diese Regel sollte auch rückwir- end gelten. Auf meine Frage in der Anhörung, ob denn gendwer aus dem Kreis der Sachverständigen dieser ückwirkung zustimme und zu rechtfertigen wisse, hat ich niemand auch nur ansatzweise zustimmend geäu- ert. Nicht einmal der vom Kollegen Schiewerling noch- als gezielt gefragte Vertreter des Bundesrechnungshofs ollte sich dazu positiv äußern. Wir können also festhalten: Niemand aus dem Kreis er Sachverständigen konnte oder wollte sich für eine egelung aussprechen, die rechtsstaatlich hoch proble- atisch gewesen wäre und zudem die rechtskräftigen ntscheidungen des Landessozialgerichts München vom 5. Februar 2010 und des Bundessozialgerichts ausgehe- elt hätte. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17565 (A) ) )(B) Auch wenn die Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP erst auf den Druck der Fachleute und nicht zu- letzt den der Linken wieder auf den Weg der Rechts- staatlichkeit zurückgekehrt sind, ist es gut, dass Sie letzt- endlich die Rückwirkung doch noch aus dem Gesetzentwurf gestrichen haben. Sie tun damit das rechtsstaatlich Zwingende, scheuen aber davor zurück, das politisch Notwendige auch gleich noch zu erledigen: Denn es ist und bleibt falsch, die Kosten für gesamt- gesellschaftliche Aufgaben auf die Deutsche Rentenver- sicherung und die Bundesagentur für Arbeit, also letzt- endlich auf die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler abzuwälzen. Stehen Sie zu den Zusagen, die sie auch der Deutschen Rentenversicherung schriftlich gegeben ha- ben: Akzeptieren Sie das Urteil des Landessozialgerichts Bayern und verzichten Sie auch für die Zukunft auf die Abwälzung der Beiträge auf die Bundesagentur und die Rentenversicherung. Zwei Aspekte sind mir noch wichtig: Erstens. Sowohl der DGB als auch der Spitzenver- band der Gesetzlichen Krankenversicherung haben ge- fordert, die dual Studierenden in puncto Versicherungs- pflicht mit Azubis gleichzustellen. Die Fraktion Die Linke teilt diese Position. Deshalb begrüßen wir diesen Aspekt des Gesetzentwurfs ausdrücklich. Zweitens. Hartz IV ist ein dreifach schlechtes Gesetz: Es verfolgt die falschen Ziele, denn es bedeutet Armut per Gesetz. Es ist zudem handwerklich schlecht gemacht und wird oftmals schlecht in der Verwaltung umgesetzt. Das führt zu vielen Klagen vor den Sozialgerichten, die die Gerichte, vor allem aber auch die Betroffenen belas- ten. Deshalb fordern Sozialrichter und Sozialrichterin- nen, dass die Jobcenter wieder an den entstehenden Jus- tizkosten beteiligt werden müssen. Die Linke hält diesen Vorschlag für gut und für machbar. Bis vor fünf Jahren waren die Jobcenter mit einer Pauschgebühr an den Pro- zesskosten beteiligt. Genau diese Pauschgebühr müsste und könnte wieder eingeführt werden. Leider hat es die Bundesregierung versäumt, dies mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zu regeln. Weil also der vorliegende Gesetzentwurf mehr aus Tiefen denn aus Höhen besteht, Letztere genau genom- men fast nicht zu finden sind, lehnt die Linke den Ge- setzentwurf ab. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es verlässt bekanntlich kein Gesetz den Bundestag so, wie es eingebracht wurde. Dies gilt auch im vorliegenden Fall des heute abzustimmenden Gesetzentwurfes zur Än- derung des „Vierten Buches Sozialgesetzbuch und ande- rer Gesetze“. Es hätte jedoch weitergehender Verände- rungen bedurft, um aus diesem Gesetz ein wirklich gutes zu machen. Zwar haben die Koalitionsfraktionen von Union und FDP die rückwirkende Zahlung der Sozial- versicherungsbeiträge für die Werkstattbeschäftigten im Eingangs- und Berufsbildungsbereich durch die zustän- digen Sozialversicherungsträger zurückgenommen. Dies ist ebenso begrüßenswert wie die Änderungen bezüglich des Moratoriums in der Unfallversicherung. Aber diese Schritte reichen nicht aus. b e g „ e b g fü g tr A E e M B g v re R D B d H li d te a w L ru re s N d n K II K k s s s fe g tu u V v B d b F fä m s s fo re (C (D So verdeutlichte die öffentliche Anhörung des Ar- eits- und Sozialausschusses am 24. Oktober 2011, dass s zusätzlicher Änderungen bedurft hätte, um dem selbst esteckten Ziel der schwarz-gelben Bundesregierung, die Sozialverwaltungs- und Sozialgerichtsverfahren ffizienter zu gestalten sowie Vereinfachungen für Ar- eitgeber einzuführen“ auch nachzukommen. Deutlich kritisiert wurde in der Anhörung die Verla- erung der Kosten für die Sozialversicherungsbeiträge r Werkstattbeschäftigte auf die Sozialversicherungsträ- er. Dies bedeutet eine jährliche Mehrbelastung der Bei- agszahler von 120 Millionen Euro (Bundesagentur für rbeit) bzw. 32,5 Millionen Euro (Rentenversicherung). inhellige Meinung der Sachverständigen war, dass es ine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, behinderte enschen gegen Altersarmut abzusichern. Anstatt die eschäftigungschancen von Menschen mit Behinderun- en zu verbessern, komme es lediglich zu einer Kosten- erschiebung. Man kann von der Systematik des Sozial- chts zwar durchaus begründen, warum die zuständigen ehabilitationsträger auch Kostenträger sein sollen. och in der jetzigen Situation der Unterfinanzierung der undesagentur für Arbeit werden Menschen mit Behin- erung so in die Rolle des Kostenfaktors gedrängt. Der aushalt der Bundesagentur für Arbeit, BA, ist schließ- ch ohnehin stark belastet. Die Übernahme der Kosten er Grundsicherung im Alter durch den Bund geht zulas- n der BA. Ihre Einnahmen werden ab 2014 um mehr ls vier Milliarden Euro pro Jahr gesenkt. Bedenklich ist zudem, dass mit der neuen Direktüber- eisung der Krankenversicherungsbeiträge von SGB-II- eistungsempfängern an die privaten Krankenversiche- ngen nicht auch andere Mängel des Gesetzes neu ge- gelt und behoben wurden. So kritisierte das Bundes- ozialgericht etwa die Regelungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 r. 1 SGB II als verfassungswidrig, wonach der zustän- ige Träger den Betrag zu zahlen habe, der auch für ei- en Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen rankenversicherung zu tragen sei. Wenn also die SGB- -Träger künftig den vollen Beitragssatz an die privaten rankenversicherungen zahlen, müsste das im Um- ehrschluss – unter Beibehaltung des erwähnten Halb- atzes – wohl auch für die gesetzlichen Krankenver- icherungen der Fall sein. Ob das im Interesse der chwarz-gelben Bundesregierung liegt, mag ich bezwei- ln. Problematisch ist ferner, dass sich die Bundesre- ierung mit der Entscheidung, die Beiträge für Leis- ngsempfänger mit privater Krankenversicherung nmittelbar an den Versicherer zu überweisen, in ihrer erhandlungsposition gegenüber der privaten Kranken- ersicherung geschwächt hat. So antwortete uns die undesregierung auf eine Kleine Anfrage (17/7452), ass sie seit geraumer Zeit in Gesprächen mit dem Ver- and der Privaten Krankenversicherung bezüglich eines orderungsverzichts für die sogenannten Altschulden- lle (ALG-II-Empfänger mit Beitragsrückständen von ehr als drei Monaten) sei. Die Bundesregierung muss ich nun die Frage gefallen lassen, welches Druckmittel ie noch in der Hand hat, um diese Gespräche zum Er- lg zu bringen. Am Gesetzentwurf ist weiter das Vorhaben zu kritisie- n, Aufwandsentschädigungen für kommunale Ehren- (A) ) )(B) V beamte sowie für ehrenamtlich in kommunalen Vertre- tungskörperschaften Tätige oder für Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane, Versichertenälteste oder Ver- trauenspersonen der Sozialversicherungsträger nach einem Bestandsschutz bis zum 30. September 2015 als rentenschädlichen Zuverdienst anzusehen (Art. 4 Nr. 27 und 38 des Gesetzentwurfes). Dies gilt zumindest für den steuerpflichtigen Anteil der gezahlten Aufwandsent- schädigung über 2 100 Euro im Jahr. Mit diesem Schritt folgt die Bundesregierung ihrer Logik aus dem Rechts- kreis des SGB II. Auch dort werden pauschale Aufwands- entschädigungen oberhalb einer Jahressumme von 2 100 Euro als Einkommen berücksichtigt. Ich halte eine solche Rechtsauslegung bzw. -änderung für falsch. Ge- rade ehrenamtliches Engagement in der Kommunalpoli- tik, in der Rechtspflege und in öffentlich-rechtlichen Körperschaften wie der Selbstverwaltung der Sozialver- sicherung muss besonders anerkannt werden. Es bildet gewissermaßen das Wurzelwerk der Institutionen unse- res Rechts- und Sozialstaats. Nicht hinreichend sind die im Gesetzentwurf vorge- schlagenen Änderungen für eine effizientere Verwal- tungs- und Sozialgerichtspraxis. In der Ausschussanhö- rung zum Gesetz bezifferte etwa Herr Helbig, Vizepräsident des Berliner Sozialgerichts, eindrücklich den enormen Anstieg sogenannter Hartz-IV-Klagen an den Sozialgerichten. So sei die Zahl der Klagen im Be- reich SGB II und SGB XII von 7 000 im Jahr 2005 auf 32 000 Klagen im Jahr 2010 gestiegen. Ursächlich für die hohe Klagequote seien insbesondere mangelhafte Bescheide sowie Probleme des materiellen Rechts. Eine wirklich substanzielle Entlastung des Sozialgerichts sei nicht über eine Einschränkung des rechtlichen Zugangs herstellbar, wie dies insbesondere einige CDU-geführte Bundesländer immer wieder forderten. Vielmehr sei es geboten, eine vorgerichtliche Klärung durch Anhörungs- möglichkeiten der Betroffenen herbeizuführen. Explizit sprach sich Herr Helbig für die Wiedereinführung der Pauschgebühren für SGB-II-Träger aus. Solch grund- sätzlicher Vorschläge scheint sich die schwarz-gelbe Bundesregierung jedoch zu verschließen. Wir sind der Meinung, dass es notwendiger Änderun- gen des materiellen Rechts in den jeweiligen Büchern des Sozialgesetzbuches (siehe hierzu etwa Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Bundestagsdrucksache 17/3207 oder 17/3435) bedarf. Außerdem muss endlich ein mo- dernes Patientenrechtegesetz her, das die weit verstreu- ten Rechtspositionen von Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und Ärzten sowie anderen Heilbehandlerin- nen und -behandlern zusammenführt (siehe Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, 17/6348). Und gleich- zeitig gilt es, die Verfahrens-, Leistungs- und Partizipa- tionsrechte der Nutzerinnen und Nutzer sozialer Leistun- gen sozialgesetzbuchübergreifend zu stärken. Bündnis 90/ Die Grünen haben hierzu einen Antrag verabschiedet, der die individuellen und kollektiven Rechte von Nutze- rinnen und Nutzern sozialer Leistungen stärkt und mit- hin zu weniger Streitverfahren führt (17/7032). Zum jetzigen Zeitpunkt für nicht sonderlich sinnvoll erachten wir die im Gesetzentwurf vorgesehene Zuord- nung bestimmter Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zum V Z U m d re D G d n V v s v te d d k n m R n h b T S s d M e is m d im b U S S S u A 1 d s N g re b li 1 s g te z d h n g Offsetdrucker ertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln (C (D ertragsarztrecht, Art. 8 Nr. 1 des Gesetzentwurfes. war ist es richtig, die umstrittenen Abgrenzungen und nsicherheiten zwischen den Zuständigkeiten der Kam- ern für Angelegenheiten der Sozialversicherung und er Kammern für Angelegenheiten des Vertragsarzt- chts klären zu wollen. Vielmehr sollte jedoch, wie es der eutsche Richterbund vorschlägt, die Entscheidung des roßen Senats des Bundessozialgerichts abgewartet wer- en. Auch die im Änderungsantrag der Koalitionsfraktio- en vorgenommene Präzisierung ändert daran nichts. Lassen Sie mich zudem noch etwas zur geplanten erschiebung der Festlegung des aktuellen Rentenwertes om 31. März auf den 30. Juni des jeweiligen Jahres agen. Eine solche Verschiebung des Rentenwertes wird on grüner Seite, genauso wie im Übrigen von der Ren- nversicherung Bund, abgelehnt. Von der Festlegung es aktuellen Rentenwertes bis zum Zeitpunkt, an dem ie Mitteilungen über Rentenanpassungen in den Brief- ästen der Rentnerinnen und Rentner liegen, vergeht otwendigerweise eine gewisse Zeit. Unser Ziel ist eine öglichst frühzeitige und umfassende Information der entnerinnen und Rentner. Positiv hervorzuheben ist die geplante Änderung, wo- ach künftig Teilnehmer von dualen Studiengängen ein- eitlich sozialversichert werden sollen. In der Gesetzes- egründung heißt es hierzu: „Die Regelung trägt der atsache Rechnung, dass einheitliches Merkmal dualer tudiengänge die enge Verzahnung zwischen theoreti- chem Unterricht an der Hochschule oder Akademie und er praktischen Phasen im Ausbildungsbetrieb, das hohe aß an Praxisphasen sowie typischerweise die Zahlung iner Vergütung vom Arbeitgeber an die Studierenden t. Diese Umstände rechtfertigen es, die Studienteilneh- er sozialversicherungsrechtlich so zu behandeln wie ie zur Berufsausbildung Beschäftigten, mit denen sie Übrigen auch in wirtschaftlicher Hinsicht vergleich- ar sind.“ Hintergrund der Regelungsänderung ist ein rteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2009 zur ozialversicherungsfreiheit „praxisintegrierter dualer tudiengänge“. Um dieses Urteil umzusetzen, verfassten der GKV- pitzenverband, die Deutsche Rentenversicherung Bund nd die Bundesagentur für Arbeit ein Rundschreiben zur ufhebung der Versicherungspflicht mit Wirkung zum . Oktober 2010. Die Entscheidung des Gerichts stand er Auffassung der Spitzenorganisationen der Sozialver- icherung eigenen Angaben zufolge allerdings entgegen. ach Ansicht der Spitzenorganisationen sei es vielmehr erechtfertigt, „die Studienteilnehmer versicherungs- chtlich so zu behandeln wie Arbeitnehmer oder Auszu- ildende, mit denen sie im Übrigen auch in wirtschaft- cher Hinsicht vergleichbar sind“. Die Bundesregierung plant, die Neuregelung zum . Januar 2012 umzusetzen. Auf meine Frage in der Aus- chussanhörung am 24. Oktober zu möglichen Über- angsfristen antwortete der Vertreter der Deutschen Ren- nversicherung, dass die vorgesehene Regelung bereits um 1. Januar 2012 technisch kein Problem sei. Da auch ie Bundesregierung keinen Änderungsbedarf sieht, ge- en wir davon aus, dass dem Anliegen der Bundesverei- igung der Deutschen Arbeitgeberverbände nach einem eringen Aufwand bei der Umstellung entsprochen wird. 17566 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 ei, Bessemerstraße 83–91, 1 , Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 146. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3 Gesundheitliche Versorgung TOP 4, 20 Rechte von Menschen mit Behinderung TOP 39, ZP 2 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 40, ZP 3 TOP 17 Abschließende Beratungen ohne Aussprache TOP 5Wahl Magnus-Hirschfeld-Stiftung ZP 4 Aktuelle Stunde zur Weltklimakonferenz TOP 6 NATO-Operation Active Endeavour TOP 7Rechte Gewalt seit 1990 TOP 8 EU-Operation Atalanta TOP 9 Private Sicherheits- und Militärunternehmen TOP 10EU-Operation ALTHEA TOP 11Politische Bildung TOP 12Bericht des Untersuchungsausschusses „Kunduz“ TOP 13OSZE TOP 18Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen TOP 15Initiative zur Finanzmarktregulierung TOP 19Visa-Warndatei TOP 24Mehrkosten des ITER-Projektes TOP 14Beitrittsverhandlungen mit Montenegro TOP 16Optimierung der Geldwäscheprävention TOP 22Beziehungen der EU zu Kuba TOP 21Wiedergewährung der Sonderzahlung TOP 28Entwicklung des Elberaumes ZP 5 Sozialversicherungsrecht TOP 26Bahnpreiserhöhungen TOP 25Europäisches Kaufrecht TOP 30Zugang zu Medikamenten für arme Regionen TOP 27, ZP 6Finanzrahmen der EU 2014 - 2020 TOP 29Seefischerei und Seeaufgaben TOP 31Hilfetelefongesetz TOP 32Barrierefreies Filmangebot Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714600000

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.


(Zurufe von der SPD: Guten Morgen, Herr Präsident!)


– Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
freue mich, dass Sie heute offenkundig besonders gut
gelaunt zur 146. Sitzung des Deutschen Bundestages er-
schienen sind, zu der ich Sie alle herzlich begrüße.

Um gleich mit einem Höhepunkt unserer heutigen
Befassung anzufangen: Der Kollege Dr. Heinz
Riesenhuber feiert heute seinen 76. Geburtstag.


(Beifall)


Herzliche Gratulation! Alle guten Wünsche des ganzen
Hauses begleiten ihn in das neue Lebensjahr.

Meine Damen und Herren, wir müssen vor Eintritt in
die Tagesordnung noch eine Reihe von Wahlen durch-
führen.

Für die neue Amtsperiode des Verwaltungsrats des
Deutsch-Französischen Jugendwerks schlägt die Frak-
tion der CDU/CSU als ordentliches Mitglied den Kolle-
gen Dr. Andreas Schockenhoff und die SPD-Fraktion
als stellvertretendes Mitglied die Kollegin Caren Marks
vor. Können Sie diesem Vorschlag zustimmen? – Das ist

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so. Dann sind die Kollegen in den Verwaltungsrat des
Jugendwerks gewählt.

Die SPD-Fraktion hat mitgeteilt, dass der Kollege
Michael Groß für den Kollegen Sören Bartol neues or-
dentliches Mitglied im Stiftungsrat der Bundesstiftung
Baukultur werden soll. Können Sie auch diesem Vor-
schlag etwas abgewinnen? – Das ist so. Dann ist der
Kollege Groß in den Stiftungsrat gewählt.

Schließlich hat die FDP-Fraktion mitgeteilt, dass der
Kollege Lars Lindemann für den Kollegen Patrick
Döring neues ordentliches Mitglied im Stiftungsrat der
Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum und der
Kollege Döring für den Kollegen Lindemann neues
stellvertretendes Mitglied werden soll. Darf ich auch für
diese gewaltige Rochade Ihr Einvernehmen feststellen? –
Das ist im Ergebnis offensichtlich der Fall. Dann sind

(C (D ung 1. Dezember 2011 0 Uhr ie Kollegen in ihren neuen Funktionen in den Stiftungst gewählt. Interfraktionell ist vereinbart worden, die Tagesordungspunkte 23 und 40 b abzusetzen, die Tagesordnungsunkte 4 und 20 zusammen zu beraten, den Tagesordungspunkt 17 zusammen mit Tagesordnungspunkt 40 nd Zusatzpunkt 3 aufzurufen und die Tagesordnung um ie in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweirn: P 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Standort Deutschland sichern – Stuttgart 21 zügig umsetzen und geplante Mehrbelastung für den Mittelstand durch grüne Steuerpolitik verhindern P 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren Ergänzung zu TOP 39 a)


(siehe 145. Sitzung)

Dr. Anton Hofreiter, Bettina Herlitzius, Stephan
Kühn, weiteren Abgeordneten und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Bedarfsfestlegung des

Baus oder Ausbaus von Bundesfernstraßen

– Drucksache 17/7885 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Rüdiger
Veit, Gabriele Fograscher, Petra Ernstberger, weite-
ren Abgeordneten und der Fraktion der SPD
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Schaffung einer aufenthaltsrechtlichen Bleibe-
rechtsregelung

– Drucksache 17/7933 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss

17316 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)

Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Wilhelm Priesmeier, Willi Brase, Petra
Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD

Klassische Schweinepest zeitgemäß bekämp-
fen – Impfen statt Töten

– Drucksache 17/7958 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Willi
Brase, Klaus Barthel, Dr. Ernst Dieter Rossmann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Gleichwertigkeit von Berufsbildung und Abi-
tur sichern

– Drucksache 17/7957 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

ZP 3 Weitere abschließende Beratung ohne Aus-
sprache
Ergänzung zu TOP 40

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-
Schröter, Ralph Lenkert, Sabine Stüber, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

zu dem Vorschlag der Europäischen Kom-
mission für eine Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates zur Schaffung ei-
nes Ordnungsrahmens für den Bodenschutz
und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/

(KOM 06)


hier: Stellungnahme des Deutschen Bundes-
tages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grund-
gesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes
über die Zusammenarbeit von Bundesregie-
rung und Deutschem Bundestag in Angele-
genheiten der Europäischen Union

Bodenschutz europaweit stärken

– zu dem Antrag der Abgeordneten Dorothea
Steiner, Cornelia Behm, Ulrike Höfken, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Blockade beim Bodenschutz aufgeben – EU-
Bodenschutzrahmenrichtlinien voranbrin-
gen

– Drucksachen 17/7024, 17/3855, 17/7503 –

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(C (D Berichterstattung: Abgeordnete Ulrich Petzold Ute Vogt Judith Skudelny Eva Bulling-Schröter Dorothea Steiner P 4 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weltklimakonferenz in Durban – Klimapolitik am Scheideweg P 5 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Drucksache 17/6764 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales – Drucksache 17/7991 – Berichterstattung: Abgeordneter Markus Kurth – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)


– Drucksache 17/8003 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)

Bettina Hagedorn
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Gesine Lötzsch
Priska Hinz (Herborn)


P 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Manuel
Sarrazin, Lisa Paus, Viola von Cramon-Taubadel,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Ein starker Haushalt für ein ökologisches und
solidarisches Europa – Der Mehrjährige Fi-
nanzrahmen 2014–2020

– Drucksache 17/7952 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Tourismus

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17317

Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)

Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

ZP 7 Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundeskanzlerin

zum Europäischen Rat am 9. Dezember 2011
in Brüssel

ZP 8 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE
LINKE:

Auswirkungen der deutlich gestiegenen deut-
schen Rüstungsexporte auf die internationalen
Beziehungen

Wie üblich soll von der Frist für den Beginn der Bera-
tungen, soweit erforderlich, abgewichen werden. Da-
rüber hinaus kommt es zu den in der Zusatzpunktliste
dargestellten weiteren Änderungen des Ablaufs.

Schließlich mache ich auf eine nachträgliche Aus-
schussüberweisung im Zusammenhang mit der Zusatz-
punktliste aufmerksam:

Der am 10. November 2011 überwiesene nachfol-
gende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zur
Mitberatung überwiesen werden:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durch-
führung der Internationalen Gesundheitsvor-
schriften (2005) und zur Änderung weiterer
Gesetze

– Drucksache 17/7576 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? –
Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so vereinbart.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Besuchertri-
büne hat der Präsident des Parlaments der Republik
Kosovo, Herr Dr. Jakup Krasniqi, mit seiner Delega-
tion Platz genommen, den ich herzlich begrüße.


(Beifall)


Ich bin zuversichtlich, dass die ebenso freundschaftli-
chen wie offenen Gespräche, die Sie in diesen Tagen in
Berlin mit vielen Mitgliedern des Deutschen Bundesta-
ges und anderen Repräsentanten unseres Landes führen,
einen Beitrag leisten zur weiteren Entwicklung Ihres
Landes für demokratische Strukturen und zur Festigung
rechtsstaatlicher Entwicklungen. Alle guten Wünsche!

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkt 3 a und b auf:

a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungs-
strukturen in der gesetzlichen Krankenversi-

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u
ti

(C (D cherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz – GKV-VStG)


– Drucksachen 17/6906, 17/7274 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Gesundheit (14. Ausschuss)


– Drucksache 17/8005 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Jens Spahn
Dr. Marlies Volkmer
Heinz Lanfermann
Dr. Martina Bunge
Dr. Harald Terpe


(8. Ausschuss)


– Drucksache 17/8006 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Alois Karl
Ewald Schurer
Otto Fricke
Michael Leutert
Katja Dörner

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(14. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina
Bunge, Agnes Alpers, Karin Binder, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Wirksamere Bedarfsplanung zur Sicherung
einer wohnortnahen und bedarfsgerechten
gesundheitlichen Versorgung

– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Harald
Terpe, Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Wirksame Strukturreformen für eine pa-
tientenorientierte Gesundheitsversorgung
auf den Weg bringen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina
Bunge, Kathrin Vogler, Jan Korte, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Moratorium für die elektronische Gesund-
heitskarte

– Drucksachen 17/3215, 17/7190, 17/7460,
17/8005 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Jens Spahn
Dr. Marlies Volkmer
Heinz Lanfermann
Dr. Martina Bunge
Dr. Harald Terpe

Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen
in Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU
nd FDP sowie ein Entschließungsantrag der SPD-Frak-
on vor.

17318 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Niemand
wehrt sich. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst dem Kollegen Heinz Lanfermann für die FDP-
Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Heinz Lanfermann (FDP):
Rede ID: ID1714600100

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Heute ist ein wichtiger Tag für das
deutsche Gesundheitswesen, für alle Patienten, Versi-
cherten, die darauf warten, dass die Politik aktiv wird,
um gegen die Entwicklungen vorzugehen, die es vor al-
lem aufgrund des demografischen Wandels, aber auch
aufgrund vieler – ja, man muss es so nennen – Fehlsteue-
rungen, Verkrustungen und Bürokratisierungen in den
letzten Jahren in unserem Gesundheitssystem gegeben
hat. Unser Gesundheitssystem ist nach wie vor gut; es
könnte aber noch besser sein.


(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Sehr richtig!)


In wichtigen Punkten nehmen wir nun einen behutsa-
men, aber ebenso konsequenten Umbau vor.

Wir haben das in den ersten zwei erfolgreichen Jahren
der christlich-liberalen Gesundheitspolitik schon bewie-
sen. Wir hatten ein Defizit in Höhe von 11 Milliarden
Euro geerbt; dies haben wir in ein Plus verwandelt.


(Elke Ferner [SPD]: Das war kein Defizit!)


– Lesen Sie die Zeitung, und quaken Sie nicht immer da-
zwischen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP und der SPD – Beifall des Abg. Rainer Brüderle [FDP])


Wir haben mit dem Arzneimittelmarktneuordnungs-
gesetz faire Bedingungen geschaffen und das Preisdiktat
abgeschafft. Jahrzehntelang wurden in Deutschland
Preise verlangt, ohne dass über diese verhandelt wurde.
Damit haben wir Schluss gemacht und nicht etwa Vor-
gängerregierungen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben neue Hygienestandards gesetzt. Kranken-
hauskeime haben es jetzt wesentlich schwerer in
Deutschland. Wir haben die Selbstverwaltung gestärkt,
und wir haben in den Bereichen des Gesundheitswesens,
in denen es sinnvoll und richtig ist, mehr Wettbewerb
eingeführt, und zwar zum Vorteil der Patienten.

Wir bringen jetzt mit dem GKV-Versorgungsstruktur-
gesetz eine ganze Reihe von Regelungen auf den Weg,
die sich als sehr segensreich erweisen werden. Wir tun
etwas gegen den drohenden Ärztemangel insbesondere
im ländlichen Raum, und zwar über Anreize und nicht
mit Zwang, nicht mit Planwirtschaft und nicht mit Büro-
kratie, wie es die Vorschläge der Opposition vorsehen.

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(C (D ir wollen junge Ärzte gewinnen. Sie sollen nicht ins usland gehen, sondern hier studieren und dann hier vor rt für die Bevölkerung da sein. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Wo steht das denn?)


(Zuruf von der LINKEN)


Wir ermöglichen eine zielgenauere Bedarfsplanung,
exiblere Ansätze und eine stärkere Selbstverwaltung.
ir heben die Residenzpflicht auf – und zwar, ohne dass

ie Notfallversorgung gefährdet wird –, damit Ärzte hin-
ichtlich ihrer Arbeit und ihrer Familie flexibler sein kön-
en. Familie ist ein gutes Stichwort: Wir verbessern die
ereinbarkeit von Familie und Beruf in ganz entscheiden-
en Punkten. Wir fördern den Ausbau moderner und
novativer Versorgungskonzepte. Wir wollen – dazu ste-

en wir – Leistungen von Ärzten, die in strukturschwa-
hen Gebieten tätig sind, grundsätzlich von der Abstaffe-
ng bei der Vergütung ausnehmen.

Es gibt eine ganze Reihe von guten Punkten in diesem
esetz – man kann sie gar nicht alle aufzählen –: Wir tun

um Beispiel etwas für Patienten mit Grauem Star, die
isher, wenn sie sich einer entsprechenden Operation un-
rziehen mussten, damit konfrontiert waren, dass sie,
enn sie eine bessere, für sie verträglichere Linse haben
ollten, nichts mehr von der Krankenkasse ersetzt be-
ommen haben, sondern die Kosten komplett selber tra-
en mussten. Das haben wir jetzt geändert. Die betroffe-
en Patienten zahlen jetzt das, was es mehr kostet – daher
er Name „Mehrkostenregelung“ –, aber das, was die
asse ohnehin zahlen müsste, zahlt weiterhin die Kasse.
s hat viele Jahre gedauert, um dieses liberale Ansinnen
urchzusetzen.


(Beifall bei der FDP – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Mehr Zuzahlungen!)


Wir tun etwas gegen die Bürokratie, indem wir die
mbulanten Kodierrichtlinien, die allen Ärzten drohten,
estoppt haben. Wir haben dafür gesorgt, dass in über-
ersorgten Gebieten in Zukunft Arztsitze durch die Kas-
enärztliche Vereinigung aufgekauft, sozusagen vom
arkt genommen werden können. Im Bereich der Richt-

rößen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen erfolgen mehr
lexibilisierungen. Wir schaffen mit der spezialfachärzt-
chen Versorgung ein neues Element zur besseren Zu-
ammenarbeit zwischen stationärer und ambulanter Ver-
orgung. Dazu gehört natürlich auch eine Verbesserung
es Entlassungsmanagements.

Ich habe nur fünf Minuten Redezeit; sonst würde ich
nen noch viel mehr Wohltaten vortragen.


(Beifall der Abg. Volker Kauder [CDU/CSU] und Rainer Brüderle [FDP] – Zurufe von der SPD: Oh!)


chauen Sie in den Entschließungsantrag der Koalition.
eine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Opposi-

on, schauen Sie nicht so verbissen, wenn so viel Gutes
uf Sie zukommt.


(Lachen der Abg. Elke Ferner [SPD])


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17319

Heinz Lanfermann


(A) )


)(B)

Man sah es auch gestern im Ausschuss, dass verkniffene
Lippen es nicht schaffen, dieses Gesetz zu loben. Sie
sollten es aber tun. Es lohnt sich wirklich.

Schließen Sie sich uns an – das soll mein letzter Ge-
danke sein – in dem Appell an die Länder, dass sie – das
ist ihr Zuständigkeitsbereich, in den wir uns nicht einmi-
schen wollen, abgesehen davon, dass wir ab und zu Geld
gegeben haben – mehr Studienplätze schaffen. Jede Be-
hebung des Ärztemangels fängt mit mehr Studienplätzen
an.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Länder sollten zur Verbesserung der Ausbildung das
tun, was sie tun können. Sie müssen auch da mitarbeiten.

Es sind noch mehr Menschen, die gefragt sind, auch
auf der kommunalen Ebene, wo viele sehr bemüht sind.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714600200

Herr Kollege.


Heinz Lanfermann (FDP):
Rede ID: ID1714600300

Auch die Ärzteschaft und die Krankenkassen sind na-

türlich aufgerufen: Arbeiten Sie mit uns gemeinsam an
der Verbesserung der Situation, zugunsten der Patienten,
der Bürger in Deutschland.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714600400

Die Kollegin Elke Ferner guckt so fröhlich, wie der

Kollege Lanfermann das ausdrücklich eingefordert hat,


(Heiterkeit)


und bekommt jetzt für die SPD-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)



Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1714600500

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kollegen und

Kolleginnen! Wissen Sie, Herr Lanfermann, gut gemeint
ist noch lange nicht gut gemacht. Zu diesem Gesetz
muss man sagen: Es mag zwar gut gemeint gewesen
sein, aber es ist einfach schlecht gemacht, und gute Ab-
sichten ersetzen eben keine gute Politik.


(Beifall bei der SPD)


Es gibt in unserem Gesundheitswesen gute und sehr
gute Elemente. Vor allen Dingen verdanken wir das den
hochmotivierten Frauen und Männern in den Praxen, in
den Krankenhäusern, in den Heimen, bei den Pflege-
diensten. Das verdient, denke ich, unseren Respekt.

Aber es gibt trotzdem Probleme, die auf dem Tisch
liegen. Wir haben Unterversorgungen in den Flächenlän-
dern, in den ländlichen Regionen, aber auch in städti-
schen Bereichen wie beispielsweise hier in Berlin in
Neukölln, und wir haben Überversorgungen in Freiburg,
in München und beispielsweise auch in Berlin-Zehlen-

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(C (D orf. Das wissen mittlerweile alle. Deshalb brauchen wir nktionierende Lösungen. Das Gesetz gibt darauf keine ntworten. Der Kollege Spahn hatte ja zum Ende letzten ahres die Weihnachtspause genutzt, um alle möglichen eilsversprechungen zu verkünden, wovon nicht wirkch etwas umgesetzt worden ist. Schauen wir uns einmal an, wie Sie die Unterversorung bekämpfen wollen. Es ist zwar richtig, dass Sie ein rößeres Honorarvolumen für Ärzte in unterversorgten ereichen zur Verfügung stellen, aber Sie tun überhaupt ichts, um die Überversorgung abzubauen. Das eine ann aber nur mit dem anderen zusammen funktionien, liebe Kollegen und Kolleginnen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Alles!)


Sie haben das Thema der besseren Vereinbarkeit von
amilie und Beruf für junge Ärztinnen, aber auch für
nge Ärzte angesprochen. Ich kann nicht verstehen, wa-
m Sie die Bedingungen ausgerechnet für die Organisa-

onsformen, in denen viele jüngere Ärzte und Ärztinnen
eber arbeiten möchten als in den bisherigen niederge-
ssenen Praxen, verschlechtern. Sie nehmen hier im
rinzip Einschränkungen vor. Sie monopolisieren die
VZ. Zusätzlich schaffen Sie das Problem, dass diejeni-

en, die schon ein MVZ gegründet haben, zumindest
ann, wenn es um Erweiterungen geht, unter das neue
egime fallen und sich damit nicht weiter verbessern
önnen. Das alles, was Sie da vorgelegt haben, ist nicht
irklich ausgegoren. Vor allen Dingen führt dies – um es
och einmal am Beispiel der MVZ deutlich zu machen –
u dem Ergebnis: Das, was jetzt im Gesetz steht, ist im
rinzip das glatte Gegenteil von dem, was Sie zu Beginn
es Gesetzgebungsverfahrens wollten.


(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Vielleicht sollten Sie es mal lesen!)


Im Gegensatz zu Ihnen habe ich es gelesen, Frau Kol-
gin.


(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Merkt man aber nicht!)


Das ist typisch das, was Schwarz-Gelb die ganze Zeit
acht: Sie versprechen etwas. Sie versuchen nicht, den
enschen die Augen zu öffnen, sondern Sie versuchen,
nen Sand in die Augen zu streuen. Im Ergebnis kommt

ann etwas ganz anderes heraus als das, was Sie verspre-
hen. Sie werden damit keinen Erfolg haben. Wir wer-
en nach 2013, nach der Bundestagswahl, ein Versor-
ungsgesetz vorlegen, das diesen Namen auch wirklich
erdient und das die Probleme, die wir haben, auch wirk-
ch angeht.


(Beifall bei der SPD)


Sie machen auch nichts, um die strukturellen Pro-
leme unseres Gesundheitswesens zu beseitigen. Es gibt
eispielsweise Fehlanreize bei der Finanzierung der
rankenhäuser. Wir haben in der Großen Koalition

chon einmal den Versuch unternommen, hier etwas zu

17320 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Elke Ferner


(A) )


)(B)

verändern – das ist am Widerstand der Länder geschei-
tert –, aber Sie haben noch nicht einmal einen Versuch
unternommen.

Sie tun keinen einzigen Schritt, um die überholte Tren-
nung von GKV und PKV aufzuheben. Auch das ist eines
der Probleme, das wir in unserem Gesundheitswesen ha-
ben. Warum müssen denn so viele gesetzlich versicherte
Patienten und Patientinnen auf Termine beim Facharzt
oder bei der Fachärztin warten? Das liegt nicht daran,
dass es zu wenige Fachärzte gibt – in den überversorgten
Gebieten kann man besichtigen, dass es genügend gibt –,
sondern schlicht und ergreifend daran, dass für PKV-Ver-
sicherte bei gleicher Leistung deutlich höhere Honorare
als für gesetzlich Versicherte gezahlt werden. Daran
müssten Sie eigentlich arbeiten, anstatt dieses Reförm-
chen zu machen, das Sie heute auf den Weg bringen wol-
len.


(Beifall bei der SPD)


Darüber hinaus kostet das Ganze auch ein bisschen
Geld. Auch da gehen die Meinungen auseinander: Der
Finanzminister hat schon deutlich gemacht, dass er die
Schätzungen des Gesundheitsministers nicht teilt. Er hat
gesagt: Wenn das so ist, dann schieben wir das Ganze
auf den Sozialausgleich. Indem wir weniger für den So-
zialausgleich tun, finanzieren wir die Mehrkosten, die
durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz möglicher-
weise entstehen. – Das ist schon ein bisschen verrückt.
Vor allen Dingen: Die gesetzlichen Krankenversicherun-
gen sagen voraus, dass die entstehenden Mehrkosten
durchaus im Milliardenbereich liegen könnten. Wir wer-
den sehen, was dann passiert.

Herr Lanfermann, noch einmal: Sie mögen das noch
so oft wiederholen; Lügen werden durch Wiederholun-
gen nicht wahrer.


(Rainer Brüderle [FDP]: Was? Lügen? – Heinz Lanfermann [FDP]: Na, na, na!)


Sie haben einen Überschuss übernommen, als Sie an die
Regierung gekommen sind.


(Lachen bei der FDP)


Im darauffolgenden Jahr sind Sie auf ein Defizit zuge-
steuert und haben erst einmal ein Dreivierteljahr die
Hände in den Schoß gelegt und nichts unternommen, um
dem Defizit, das vorauszusehen war, zu begegnen.


(Beifall bei der SPD – Heinz Lanfermann [FDP]: Ach was! Das war jetzt gerade eine Lebenslüge!)


Durch die Ausweitung der kollektivvertraglichen Re-
gelungen und die Einengung der einzelvertraglichen
bzw. selektivvertraglichen Regelungen beschränken Sie
die Möglichkeiten der Hausärzte. Sie schwächen also
– vielleicht wollen Sie das ja – wieder einmal die Haus-
ärzte. Beispielsweise haben Sie keine Regelung getrof-
fen, um die hausarztzentrierte Versorgung zu stärken.
Die Entwicklung geht vielmehr in die Gegenrichtung.

Ein bisschen merkwürdig ist, dass ausgerechnet dieje-
nigen, die mit ihren Planungen bisher nicht dafür sorgen
konnten, dass Überversorgung abgebaut und Unterver-

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(C (D orgung vermieden wird, durch dieses Gesetz jetzt auch och gestärkt werden. Ich kann Ihnen nur sagen: Das Gesetz, das Sie hier nd heute mit Ihrer Mehrheit auf den Weg bringen, wird icht zu dem führen, was Sie angekündigt haben. Es ird nicht zu einer besseren Versorgung auf dem Land hren. Es wird nicht zu einem nennenswerten Abbau er Überversorgung führen. Es wird vielleicht dazu fühn, dass sich ein paar mehr Ärzte und Ärztinnen in unrversorgten Gebieten niederlassen werden. Aber mehr ersorgungsangebote im ländlichen Raum werden nicht ntstehen, auch nicht dort, wo MVZ wirklich Sinn mahen würden. Insofern werden wir Ihren Gesetzentwurf blehnen und nach der Regierungsübernahme 2013 anz schnell alle erforderlichen Maßnahmen in die Wege iten, um die Situation zu verbessern. Schönen Dank. (Beifall bei der SPD – Heinz Lanfermann [FDP]: Traumtänzerin!)


(Zurufe von der FDP: Oh! Oh!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714600600

Wolfgang Zöller ist der nächste Redner für die Frak-

on CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Wolfgang Zöller (CSU):
Rede ID: ID1714600700

Grüß Gott, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Frau Kollegin Ferner, Ihre Äußerungen zu un-
erem Gesetzentwurf waren nicht fern, sie waren ferner.


(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Oh! Er kann auch Wortspiele!)


Gesetzentwurf steht nämlich etwas anderes als das,
as Sie hier verkündet haben.


(Jörg van Essen [FDP]: Ja! Aber wenn man nicht im Ausschuss ist, kann man das schlecht wissen!)


Ich war in den letzten Jahren auf zig Veranstaltungen
u Themen wie „Ein Land ohne Ärzte“, „Zu lange War-
zeiten“ oder „Was passiert nach der Entlassung aus
em Krankenhaus?“. Ich muss sagen: Die meisten
riefe, die mich zurzeit erreichen, sind ebenfalls einer
ieser Kategorien zuzuordnen.

Wie ist es dazu gekommen? Sie alle wissen: Die Zahl
hronischer Erkrankungen und die Multimorbidität neh-
en zu; dies führt zu einem steigenden Bedarf an medi-

inischen Leistungen. Gleichzeitig sinkt das Nach-
uchspotenzial in medizinischen und pflegerischen
erufen.

Was waren bisher die Antworten der Politik? Wenn
ir ehrlich sind, ging es nie um die Qualität unseres Ge-

undheitswesens, sondern bei allen Reformen ging es
eistens um das Ziel, die Stabilisierung des Beitragssat-

es zu gewährleisten – mit den Nebenwirkungen: Ein-
chränkungen der Leistungen und Erhöhung der Zuzah-
ngen. Fest im Blick waren dabei immer die

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17321

Wolfgang Zöller


(A) )


)(B)

vorhandenen Strukturen und die Frage, wie man sie er-
halten und finanzieren kann. Theoretisch hieß es immer,
die Reform stelle den Patienten in den Mittelpunkt. Nach
der Reform hatte man aber den Eindruck, dass der Pa-
tient allen im Wege stand.

Die bürgerlich-liberale Koalition hat mit der Gesund-
heitsreform 2011 das Gesundheitssystem dauerhaft auf
ein solides finanzielles Fundament gestellt


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


und damit auch Planungssicherheit für alle Beteiligten
geschaffen. Nur auf dieser Basis sind wir in die Lage
versetzt worden, einen Gesetzentwurf zu verabschieden,
der die Bedürfnisse der Patienten in den Mittelpunkt
stellt.

Ab Januar werden endlich die Strukturen an die Be-
dürfnisse der Menschen angepasst und nicht umgekehrt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Oh, ab Januar gibt es keine Unterversorgung mehr!)


Mit dem Versorgungsstrukturgesetz sind wir auf dem
richtigen Weg, eine flächendeckende, wohnortnahe me-
dizinische Versorgung sicherzustellen.

Auch hierüber sollten wir offen diskutieren: Es wird
keinen Königsweg geben können. Mit den vielen Einzel-
maßnahmen werden wir den regionalen Besonderheiten
aber am ehesten gerecht.

Ein ganz wesentlicher Punkt wird hier zum Beispiel
die flexible Ausgestaltung der Bedarfsplanung sein. Pla-
nungsbereiche müssen künftig nicht mehr, wie bisher,
den Stadt- und Landkreisen entsprechen. Wer wie ich
aus einem Flächenlandkreis kommt, weiß, dass aufgrund
der Landkreisgrenzen oft Regionen entstehen können, in
denen man zum Beispiel den nächsten Augenarzt 40 Ki-
lometer und mehr entfernt findet. Dies werden wir än-
dern.

Von den Versicherten wird auch immer wieder be-
klagt, dass es insbesondere beim Übergang von der
haus- zur fachärztlichen Versorgung zu längeren Warte-
zeiten kommt. Mit den Maßnahmen in diesem Gesetz
werden sich die Wartezeiten besonders auch bei der
fachärztlichen Versorgung verkürzen, und die Versor-
gungsrealität der Patienten wird nachhaltig verbessert.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie denn?)


Der sogenannte Landarzt kann, wenn die neuen viel-
fältigen Möglichkeiten genutzt werden, wieder zu einem
Beruf werden, der mehr Freude macht. Auch der Tatsa-
che, dass immer mehr Frauen den Arztberuf ergreifen,
wird durch frauen- und familienfreundlichere Regelun-
gen Rechnung getragen.

Insbesondere wird die Anerkennung von Praxisbe-
sonderheiten vereinheitlicht und erleichtert. Vertrags-
ärzte sollen die medizinisch notwendigen Leistungen
verordnen können, ohne befürchten zu müssen, hierfür
in Regress genommen zu werden.

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(C (D Die Sicherstellung des Notdienstes wird erleichtert, um Beispiel durch Kooperationen mit Krankenhäusern der durch Notfallpraxen an den Krankenhäusern. Mobile Versorgungskonzepte werden gefördert. Mit er Lockerung der Zweigpraxenregelung und der Aufheung der bislang geltenden Residenzpflicht haben Ärzte udem die Möglichkeit, eine Praxis im ländlichen Raum uch von einem Wohnort in der Stadt aus zu betreiben der zum Beispiel mehr als eine Praxis zu unterhalten, m den Wegeaufwand für alle Beteiligten zu reduzieren. Weiterhin wird die Möglichkeit zum Betrieb von Eieneinrichtungen durch kommunale Träger geschaffen. as heißt, die Kommunen können sich auch an dieser aseinsvorsorge beteiligen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen erhalten die öglichkeit, aus den Mitteln einzurichtender Strukturnds die Neuniederlassung von Ärzten in Gebieten, in enen eine Unterversorgung oder ein lokaler Versorungsbedarf besteht, gezielt zu unterstützen. Die Delegation ärztlicher Leistungen und die Telemeizin werden gefördert. Eine langjährige Forderung der Betroffenen wird umesetzt: die ambulante spezialfachärztliche Versorgung. amit erhalten Menschen mit schweren Erkrankungen ie Aids, Krebs und Multiple Sklerose oder mit besoners seltenen Erkrankungen eine reibungslose, ineinanergreifende stationäre und ambulante Behandlung. Das Entlassungsmanagement nach einem Krankenausaufenthalt wird wesentlich verbessert und wird eine erbindliche Leistung der Krankenkassen. Daneben werden noch andere Dinge geregelt. Zum eispiel dürfen Kliniken nicht mehr überhöhte Entgelte gerade bei Beihilfeempfängern – verlangen. So manher Patient hat hier in der Vergangenheit beim Öffnen er Rechnung eine Überraschung erlebt. Wir werden eine bundeseinheitliche Rufnummer für en ärztlichen Bereitschaftsdienst, die 116 117, einrichn. Für Menschen mit Behinderung wird die zahnmediziische Versorgung wesentlich erleichtert und verbessert. ie elektronische Patientenquittung wird patienteneundlich gestaltet. Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit schafn wir endlich die dringend benötigten gesetzlichen rundlagen für eine gute, wohnortnahe und flächende kende Versorgung der Menschen mit medizinischen eistungen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Zuruf der Abg. Elke Ferner [SPD])


Ich bin lange genug im Gesundheitswesen, in diesem
aifischbecken, tätig. So weiß ich auch, dass sich nun
arantiert viele sogenannte Berater auf den Weg machen
erden, um aus diesem Gesetz den größten Nutzen
sprich: viele Euros – herauszuschlagen, sei es für Kas-

en, Krankenhäuser, bestimmte Arztgruppen usw. All
ne, die aus Gewohnheit dieses Gesetz wieder so ausle-

17322 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Wolfgang Zöller


(A) )


)(B)

gen, dass Patienten nur als Mittel zum Zweck im Ge-
sundheitssystem degradiert werden, möchte ich warnen:
Bei der Umsetzung dieses Gesetzes werden wir sehr ge-
nau hinschauen, damit bei demjenigen, für den all diese
Regelungen geschaffen wurden, die Verbesserungen
auch ankommen – beim Patienten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir wollen eine wirklich konsequente Orientierung
am Patienten. Nach der Gesundheitsreform 2011 zur
nachhaltigen Finanzierung, nach dem AMNOG mit sei-
ner Kosten-Nutzen-Bewertung für Arzneimittel, nach
der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland für
bessere Informationen, nach dem Krankenhaushygiene-
gesetz zum Schutz vor Infektionen folgt jetzt das Versor-
gungsstrukturgesetz, das den Patienten und die von ihm
benötigten Strukturen in den Mittelpunkt stellt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Auf diesen Satz werden Sie bestimmt warten: Danach
wird natürlich konsequenterweise das Patientenrechtege-
setz vorgelegt,


(Elke Ferner [SPD]: War das nicht schon im Sommer vorgesehen?)


welches Patientenrechte weiterentwickelt, verständlich
zusammenfasst und dadurch auch einen Beitrag dazu
leistet, das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Pa-
tient zu stärken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Diese Gesetze sind Ausdruck einer erfolgreichen bür-
gerlichen Gesundheitspolitik, die den Patienten stärkt
und ihn damit zum Partner und nicht zum Bittsteller in
diesem Gesundheitssystem macht.

Heute ist ein guter Tag für die Patienten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714600800

Martina Bunge ist die nächste Rednerin für die Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714600900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nun wollen Sie es verabschieden, Ihr sogenanntes Ver-
sorgungsstrukturgesetz.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Werden wir!)


Dringender Handlungsbedarf besteht, um die gesund-
heitliche Versorgung überall, in Stadt und Land, für jede
und jeden, die oder der Hilfe braucht, wirklich flächen-
deckend zu sichern.

Doch was folgt aus dem heutigen Gesetz, beispiels-
weise für den ländlichen Raum,


(Karin Maag [CDU/CSU]: Nur Gutes!)


wo sich Omi und Opi fragen: Mein Arzt geht in Rente;
wohin gehe ich? Ebenso schaut die junge Lehrerin, die
mit Mann und den Lütten ein Bauernhaus am Rande des

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(C (D orfes ausbauen will, darauf, ob Kindergarten, Schule nd Arztpraxis vorhanden sind. Was kommt für die Errankten heraus, die derzeit im Ruhrgebiet 17 Wochen nd in Mecklenburg-Vorpommern gar 18 Wochen auf in Erstgespräch bei einem Psychotherapeuten warten? as kommt heraus für Menschen mit Behinderungen, eispielsweise die junge Frau mit geistiger Behinderung, ie ohnehin vor Männern in weißen Kitteln einen Horror at und nun noch beim Zahnarzt den Mund aufmachen oll? Leider kommt dabei wenig zur Lösung dieser Proleme heraus. Der vorliegende Gesetzentwurf ist alles andere als ein roßer Wurf. Das Gesetz beinhaltet erste klägliche chritte eines notwendigen Marathons. Kein Grund, sich u rühmen! Sie rühmen sich damit, wie es eingangs Herr anfermann wieder getan hat, erstmalig kein Kostenämpfungsgesetz gemacht zu haben. Ja, Ihr Gesetz ringt Mehrkosten in noch unkalkulierbarer Höhe mit ich. Diese nehmen Sie einfach hin. Warum? Sie nehmen iese Mehrkosten hin, nachdem Sie mit Zusatzbeiträgen, er Kopfpauschale durch die Hintertür, dafür gesorgt haen, dass alle Ausgabensteigerungen allein von den Vericherten getragen werden müssen: Arbeitgeber und taat sind von den Zahlungsverpflichtungen ausgenomen. Da lassen sich leicht Regelungen für Zuwächse eim Honorar der Ärzte und Zahnärzte machen. chlimm dabei ist, dass Ihr Honorarplus nicht einmal die rztinnen und Ärzte erreicht, die es wirklich brauchen. as alles hat mit Gerechtigkeit nichts zu tun. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der LINKEN)


Kommen wir zurück zu den Regelungen. Viele Be-
fsgruppen scheinen diese Bundesregierung gar nicht

u interessieren. Sie scheinen gar nichts mit gesundheit-
cher Versorgung zu tun zu haben. Kein Wunder, dass
ir haufenweise Briefe von Physio-, Ergo- und Psycho-
erapeuten erhalten. Kein Wunder, dass sich die Pflege-

erbände fragen, ob denn die Pflege neuerdings nicht
ehr zur Versorgungsstruktur zählt.

Aber auch die ärztliche und psychotherapeutische
ersorgung der Bevölkerung wird sich mit diesem Ver-
orgungsgesetz nicht ausreichend verbessern. Sie wird
amit auch nicht zukunftssicherer. Nach wie vor wissen
ir nicht, wie viele Ärztinnen und Ärzte, wie viele Psy-

hotherapeutinnen und Psychotherapeuten wir eigentlich
rauchen. Es hätte Mut erfordert, die Bedarfsplanung
ndlich vom Kopf auf die Füße zu stellen. Aber Mut hat
iese Bundesregierung nicht.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Heinz Lanfermann [FDP])


ir haben mit unserem Antrag gezeigt, worum es geht:

Alle Gesundheitsberufe müssen in die Bedarfspla-
ung einbezogen werden, auch die Pflegeberufe, auch
ie Heilberufe, auch die Hebammen. Gesundheitsversor-
ung ist mehr als ärztliche Versorgung. Fehlanzeige bei
nen!

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17323

Dr. Martina Bunge


(A) )


)(B)

Die Ermittlung des gesundheitlichen Bedarfs muss
auf eine wissenschaftliche Basis gestellt werden, statt
bei den Ärzten Zufallszahlen aus dem Jahre 1993 und to-
tal unterdeckte Zahlen bei den Psychotherapeuten aus
dem Jahre 1999 einfach fortzuschreiben. Fehlanzeige bei
Ihnen!

Es muss endlich sektorenübergreifend geplant und
versorgt werden. Was nützt eine gut durchgeführte Ope-
ration im Krankenhaus, wenn die Nachsorge im Wohn-
umfeld nicht gesichert ist? Fehlanzeige bei Ihnen!


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Quatsch! Was haben Sie denn gelesen?)


Wir müssen endlich dafür sorgen, dass das Geld dahin
fließt, wo der Bedarf am größten ist, und nicht dorthin,
wo die meisten Ärzte sind.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nur so könnte es gelingen, bei der Attraktivität struktur-
schwachen Regionen einen Schub zu geben und eine
einheitliche Entwicklung in unserem Land zu befördern.

Thema Barrierefreiheit. Auch bei der gesundheit-
lichen Versorgung von Menschen mit Behinderungen
herrscht trotz der eingefügten Miniregelung letztendlich
Fehlanzeige. Es lagen gute Vorschläge vor, endlich die
zum Teil beschwerliche ärztliche und schlechte zahn-
ärztliche Versorgung von Menschen mit Behinderungen
zu verbessern. In der UN-Behindertenrechtskonvention
wird gefordert, hier etwas zu tun. Beschämend, dass
Deutschland mit dieser Bundesregierung nicht schneller
vom Fleck kommt.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich kann nur wiederholen, was wir seitens der Oppo-
sition schon bei der Verabschiedung des letzten Gesetzes
gesagt haben –


(Heinz Lanfermann [FDP]: Weil Sie zu jedem Gesetz dasselbe sagen!)


das bekommen wir auch allabendlich bei Gesundheits-
veranstaltungen immer wieder zu hören –: Das Beste an
dem Gesetz ist, dass es keinen dauerhaften Schaden ver-
ursacht.

Gut, dass es ab 2013 die Chance gibt, die Versorgung
ordentlich zu regeln. Wenn dann für eine optimale ge-
sundheitliche Versorgung der Bevölkerung und für gute
Arbeitsbedingungen aller im Gesundheitssystem Be-
schäftigten wirklich mehr Geld erforderlich sein sollte,
wäre durch Einführung einer solidarischen Bürgerinnen-
und Bürgerversicherung finanzieller Spielraum vorhan-
den, und zwar gerecht von allen getragen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714601000

Das Wort erhält nun der Kollege Harald Terpe für

Bündnis 90/Die Grünen.

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(C (D Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tagtäglich leisten Tausende von Pflegern und Pflegerinnen, von Ärzten und Ärztinnen, von Arzthelferinnen und Arzthelfern, von Physiotherapeuten, Psychotherapeuten, Ergotherapeuten und Angehörige vieler anderer Berufsgruppen ihre Arbeit. itat des Bundesgesundheitsministers aus der ersten Leung des vorliegenden Gesetzentwurfs. – Richtig. Wir lle haben Grund, uns bei den vielen für die geleistete rbeit zu bedanken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714601100

Ich zitiere weiter:

Für die Leistung, die in den Gesundheitsberufen
tagtäglich erbracht wird, braucht es Motivation,
Vertrauen und Anerkennung. Genau das ist das Ziel
des Versorgungsstrukturgesetzes.

o bitte findet sich die Anerkennung der Pflegeberufe
ußer im Kontext ärztlicher Entlastung, ganz zu schwei-
en von Regelungen zur Beseitigung des Pflegenot-
tands in den Kliniken?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


tattdessen werden vorrangig Partikularinteressen be-
ient. Bei mir zu Hause würde man sagen: Da will uns
iner ein X für ein U vormachen.

Aber vielleicht ist das nur im Überschwang des Eigen-
bs herausgerutscht. Im Problemaufriss des Gesetzent-
urfs wird die nachhaltige und sozial ausgewogene
inanzierung der GKV gepriesen, um sich dann weiter
inten im Gesetzentwurf zugunsten von ärztlichen und
ahnärztlichen Honorarsteigerungen notfalls unter Preis-
abe des Sozialausgleichs der sozialen Tarnung völlig zu
ntledigen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Ich empfinde das als Vorsatz für die zweite dreiste
mverteilung zulasten der finanziell Schwächeren. Es
ird uns von dieser Regierung immer wieder ein X für

in U vorgemacht. Irreführendes politisches Marketing
nd schillernde Ankündigungen einerseits,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist bei der Bürgerversicherung so!)


ber keine oder minderwertige Lieferung andererseits:
as ist das Markenzeichen der Koalition.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: 17 Punkte habe ich genannt!)


Ich muss an dieser Stelle auch mit dem Selbstlob im
esetzentwurf aufräumen, es gäbe keinen Sparzwang.
h schicke vorweg: Ich finde einen verantwortlichen

17324 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Dr. Harald Terpe


(A) )


)(B)

Umgang mit finanziellen Ressourcen generell richtig.
Aber wer die Beitragssätze in so klarer Weise erhöht und
Zusatzbeiträge eingeführt hat und damit im Grunde ge-
nommen die Krankenkassen unter Spardruck setzt und
ihnen die Möglichkeit nimmt, innovative Ansätze zu för-
dern oder in diese zu investieren, schafft nichts weiter
als einen Sparzwang durch die Hintertür.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Zweifelsohne steht unser Gesundheitswesen vor gro-
ßen Herausforderungen. Eine älter werdende Bevölkerung
und die damit einhergehende Zunahme von chronischen
und Mehrfacherkrankungen verlangen grundlegende
strukturelle Veränderungen in der gesundheitlichen Ver-
sorgung, und das umso mehr, je weniger und später wir
die Gesundheitsförderung und Prävention vorantreiben.

Diagnostik und Heilung von Krankheiten wird zuneh-
mend von kontinuierlicher Betreuung und Begleitung
zur Sicherung der Lebensqualität der Betroffenen flan-
kiert. Dieser Wandel der Morbidität führt zwangsläufig
zu einem häufigeren Wechsel der Patientinnen und Pa-
tienten zwischen den Sektoren des Gesundheitssystems
und zieht auch schon aktuell eine multiprofessionelle
Behandlung nach sich.

Umso bedauerlicher ist, dass der Gesetzentwurf nach
den vielen Anregungen und Diskussionen im parlamen-
tarischen Prozess die strukturellen Erfordernisse so we-
nig verfolgt. Der Koalition ist es nicht gelungen, ihre
arzt- und sektorenzentrierte Sichtweise zu relativieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


In ihrer Gesundheitspolitik geht die Bedienung der Parti-
kularinteressen in der Ärzteschaft, zum Beispiel durch
die Stärkung der Leistungserbringer im G-BA oder die
kostentreibende Honorarreform, mit einer Schwächung
der Kassen und letztendlich der Patienteninteressen ein-
her. Wir werden das nicht widerstandslos akzeptieren.

Mit unserem Antrag „Wirksame Strukturreformen für
eine patientenorientierte Gesundheitsversorgung auf den
Weg bringen“ setzen wir eine klare Botschaft, wohin die
Reise mit den Bündnisgrünen in Sachen Strukturreform
geht. Unser Ziel ist eine sektorenübergreifende und pro-
fessionenübergreifende Versorgung. Dabei soll die Pri-
märversorgung deutlich aufgewertet werden. Sie ist für
uns mehr als eine hausärztliche bzw. hausarztzentrierte
Versorgung. Es bedeutet nämlich eine teamorientierte
Zusammenarbeit der unterschiedlichen Gesundheitspro-
fessionen mit neugestalteter Aufgabenverteilung. Ärz-
tinnen und Ärzte als verantwortungsvolle Teamplayer
sind nicht nur eine schöne Vision, sondern es gibt sie
auch schon heute – trotz der Fehlanreize und berufsstän-
dischen Zementierungen, durch die ihre Arbeit immer
wieder erschwert wird.

Sucht man in Ihrem Gesetzentwurf nach Regelungen
zu nichtärztlichen Gesundheitsberufen, so stößt man auf
die in § 28 vorgesehene Regelung, nach der delegations-


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(C (D hige Leistungen zur Entlastung der Ärztinnen und rzte festgelegt werden sollen. (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Gerade die, die es mit Enthusiasmus machen, bekommen das Geld nicht!)


ber das hat nichts mit dem notwendigen strukturellen
andel infolge der Veränderung der Morbiditätsstruktur

u tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


ort geht es um die notwendige Stärkung eigenständiger
ichtärztlicher Kompetenz – ein völlig anderer Horizont
ls Ihrer.

Lassen Sie mich kurz die wenigen Ansatzpunkte einer
ektorenübergreifenden Versorgung bewerten.

Zunächst die spezialfachärztliche Versorgung: Sie
urde als eigenständiger Sektor und mit eigenständigen
ergütungstatbeständen konzipiert. Das ist – entgegen
einer Hoffnung in der ersten Lesung – kein Start in die

ektorenübergreifende Versorgung, weil nunmehr die
inengung der im Leistungskatalog vorgesehenen Maß-
ahmen zwar die Kostenexplosion bremst, aber natürlich
novative Ansätze ebenfalls ausbremst. Es wäre besser

ewesen, klare Regelungen zu Organisation und Umfang
er Versorgung ins Gesetz zu schreiben. Ich glaube, dass
adurch jetzt eher eine Konkurrenzveranstaltung zweier
ektoren organisiert wird, wenn auch mit Kooperations-
ebot und vermutlich der Entstehung zusätzlicher Ver-
orgungskapazitäten für seltene und besondere Erkran-
ungen – das sei Ihnen zugestanden; das ist eine
erbesserung. Aber ich glaube, Chancen und Risiken der
egelung dürften relativ dicht beieinander liegen, auch
eshalb, weil dadurch ein Run zulasten anderer Fach-
rztgruppen droht.

Besonders auffällig an Ihrem Gesetzentwurf ist die
öllige Ausblendung des Krankenhaussektors, so, als ob
ukunftsweisende sektorenübergreifende Strukturverän-
erungen ohne Krankenhäuser denkbar wären. Das ist
r mich auch ein fatales Signal, besonders an die klei-

en Krankenhäuser in strukturschwachen Regionen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Lassen Sie mich noch auf zwei von der Koalition ge-
etzte zentrale Botschaften eingehen.

Erstens zur Novellierung der Bedarfsplanung: Hier
ndet sich in Ihrem Gesetzentwurf nach unserer Auffas-
ung keine nachhaltige Reform der Bedarfsplanung, um
um Beispiel auf der Grundlage verbindlicher Analysen
en künftigen Versorgungsbedarf besser ermitteln und
lanen zu können. Obwohl die Möglichkeit eines ge-
einsamen Landesgremiums geschaffen wird und im
-BA den Ländern Mitspracherechte bei den Bedarfs-
lanungsrichtlinien eingeräumt werden, fehlt es an der
urchsetzung einer sektorenübergreifenden Versor-
ungsplanung, die insbesondere auch in strukturschwa-
hen Regionen zusätzliche Versorgungskapazitäten, bei-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17325

Dr. Harald Terpe


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)(B)

spielsweise aus dem Krankenhausbereich, mobilisieren
könnte.

Die zweite Botschaft war die Schaffung eines Land-
arztgesetzes.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Schon ganz vergessen!)


Unter diesem Deckmantel bringen Sie eine erneute
Reform der vertragsärztlichen Vergütung auf den Weg.
Angeblich sollen die regionalen Verantwortlichkeiten
gestärkt werden. In der Praxis wird Ihre Reform aber
eher dazu führen, dass wieder diejenigen bei der Hono-
rarverteilung das Rennen machen, deren Einfluss am
weitesten reicht. – Willkommen in der Vergangenheit!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Das ist gewiss nicht im Interesse der Patientinnen und
Patienten, sondern es ist der Abschied vom Bekenntnis
zur schrittweisen Konvergenz mit dem Ziel, vergleich-
bare Leistungen auch gleich zu honorieren. Das ist in der
Diskussion im Ausschuss ja auch klar geworden.

Das Problem der Unterversorgung und der Niederlas-
sungsunwilligkeit ist unserer Überzeugung nach allein
mit der Zahlung eines Sicherstellungszuschlags und des
vermeintlichen Wegfalls von Mengenbegrenzungen
nicht zu lösen, zumal es bei den Hausärzten auf dem
Land eine Begrenzung im relevanten Umfang gar nicht
gegeben hat und von der Neuregelung jetzt Fachärzte in
Regionen profitieren, die gar keine Unterversorgung ha-
ben.


(Zuruf von der LINKEN: So ist das!)


Insbesondere auch deshalb wird dieses Problem
dadurch nicht gelöst, weil in gut versorgten Metropol-
regionen infolge einer größeren Zahl an und höheren
Vergütung durch Privatpatienten ohnehin bessere Hono-
rarsituationen bestehen. Sie verweigern eine Honorarre-
form, die die PKV letztendlich einbezieht. Das ist ganz
klar zu kritisieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Bei der Abstimmung über Ihren Entschließungsantrag
– er enthält Forderungen an die Länder, die wir durchaus
teilen – werden wir uns enthalten müssen, da Sie es sich
im Feststellungsteil nicht verkneifen konnten, Ihr Ver-
sorgungsstrukturgesetz zu beweihräuchern.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Die Forderungen sind aber sehr halbherzig!)


Ich komme zu dem Schluss, dass dieser Gesetzent-
wurf nicht geeignet ist, die notwendigen strukturellen
Reformen, die sich aus der veränderten Morbiditäts-
struktur und dem demografischen Wandel ergeben, ein-
zuleiten. Wir lehnen diesen Gesetzentwurf deshalb als
unzureichend ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714601200

Das Wort erhält nun der Bundesgesundheitsminister.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1714601300

Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen

nd Kollegen! Heute ist Welt-Aids-Tag. Wir tragen aus
olidarität mit Menschen, die an einer lebensbedrohli-
hen Krankheit leiden, heute diese Aidsschleife. Dabei
aben wir in Deutschland im Vergleich zu vielen ande-
n Ländern seit Jahren durch unsere Arbeit die nied-
gste Neuinfektionsrate der Welt. Gegenüber 2006, als
ir 3 400 Aids-/HIV-Neuinfizierte hatten, ist es uns ge-
ngen, diese Zahl 2011 nochmals zu senken: auf 2 700.
as ist ein großer Erfolg der gemeinsamen Präventions-

rbeit im Kampf gegen HIV und Aids, die wir in
eutschland seit vielen Jahren leisten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


s zeigt uns auch, dass die Versorgung von HIV-Infizier-
n mittlerweile immer besser geworden ist, dass HIV-
fizierte mit dieser nicht heilbaren Krankheit dennoch

o behandelt werden können, dass sie am gesellschaftli-
hen Leben teilhaben.

Warum erzähle ich das ganz bewusst am Anfang mei-
er Rede? Weil auch das GKV-Versorgungsstrukturge-
etz Antworten auf die Sorgen und Nöte dieser Men-
chen bietet, nämlich eine gute medizinische Versorgung

Alltag zu erleben. Das Versorgungsstrukturgesetz
chafft für Krankheiten mit besonders schwerem Verlauf
ie HIV/Aids, wie Multiple Sklerose und wie andere

eltene Erkrankungen extra eine spezialfachärztliche
mbulante Versorgung. Damit erreichen wir, dass end-
ch die starren Sektoren zwischen dem Krankenhausbe-
ich und den niedergelassenen Ärzten überwunden wer-

en, dass die Behandlung der Patienten bestmöglich – in
er Regel in Kooperation zwischen Krankenhaus und
iedergelassenen Fachärzten – gelingt. Das ist eine deut-
che Verbesserung für die Versorgung der Menschen,


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


erade derer, die aufgrund einer Krankheit mit besonders
chwerem Verlauf oder einer seltenen Erkrankung darauf
ngewiesen sind, dass sie die bestmögliche Versorgung
on Spezialisten bekommen.

Wir, die CDU/CSU-FDP-Koalition, haben die Priori-
ten in der Gesundheitspolitik in Deutschland verän-
ert.


(Elke Ferner [SPD]: Das stimmt wohl!)


ährend lange Jahre in Deutschland mehr Geld für Arz-
eimittel als für die ambulante Versorgung ausgegeben
urde, können wir nun feststellen, dass in Deutschland
ieder mehr Geld für die ambulante Versorgung als für
ie Arzneimittel ausgegeben wird. Das ist ein Erfolg un-

17326 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Bundesminister Daniel Bahr


(A) )


)(B)

serer Politik, unserer Gesetze; denn wir haben mit dem
Arzneimittelgesetz Einsparungen vollzogen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Die Menschen wissen, dass sie sich in Deutschland
auf ein Gesundheitswesen verlassen können, das seines-
gleichen sucht. Die Herausforderung ist, dieses Gesund-
heitssystem so zu erhalten, wie die Menschen es zu
schätzen wissen. Wir gewährleisten, dass im Krankheits-
fall jede Bürgerin und jeder Bürger unabhängig von Ein-
kommen, Alter, Geschlecht, Herkunft oder Vorerkran-
kung die medizinische Behandlung und Betreuung
erhält, die notwendig ist.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Mit Praxisgebühr und Zuzahlungen!)


Dazu zählt eben auch, dass sich die Menschen auf das
verlassen können, was andere Länder so nicht kennen:
freie Arztwahl, freie Krankenhauswahl, freie Kranken-
versicherungswahl und Therapiefreiheit. Das sind Frei-
heiten, die Menschen in anderen Ländern, insbesondere
mit staatlichen Gesundheitssystemen, von denen Sie uns
immer so gerne erzählen und die Sie uns hier empfehlen
wollen, nicht erleben. Dort erleben sie Mangelverwal-
tung, die längsten Wartezeiten und die schärfsten Unter-
schiede aufgrund einer Zweiklassenmedizin. Wir in
Deutschland können stolz darauf sein, dass unser Ge-
sundheitssystem so leistungsfähig ist. Zu dessen Erhal-
tung wollen wir mit diesem Gesetz beitragen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Sie regieren zum Glück noch nicht so lange! – Zuruf der Abg. Elke Ferner [SPD])


– Liebe Frau Ferner, liebe Frau Rawert, Sie krakeelen ja
schon wieder herum. Herr Lanfermann hat allerdings
recht: Das Dazwischenrufen macht es nicht besser.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Er ist heute sehr ruhig! Normalerweise ist er derjenige!)


Es scheint ja wehzutun, was ich gesagt habe.

Ihr Entschließungsantrag zeigt die Ideologie, die Ihre
Gesundheitspolitik prägt.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Jawohl!)


Sie versuchen die Interessen derjenigen, die im Gesund-
heitswesen tätig sind, die Belange der Leistungserbrin-
ger, gegen die Interessen der Patienten zu stellen. Liebe
Kolleginnen und Kollegen, hören Sie endlich damit auf,
zu glauben, dass der Patient besonders gut bedient ist,
wenn der Arzt demotiviert ist. Nein, wir brauchen An-
reize, damit der Leistungserbringer motiviert ist, damit
er Spaß an der Arbeit hat!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wie soll denn ein Patient besser versorgt werden, wenn
der Arzt mit Bürokratie überlastet ist, wenn er das Ge-
fühl hat, er bekomme keine leistungsgerechte Vergü-
tung? Meinen Sie, dadurch werde eine bessere Versor-
gung für den Patienten gewährleistet? Das liegt doch im
gemeinsamen Interesse; der Patient profitiert doch da-
von, wenn auch der Arzt ein Interesse daran hat, die

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(C (D estmögliche Versorgung für den Patienten zu erbringen. h kann dieses Gegeneinanderstellen nicht mehr verste en. Deswegen sorgen wir mit den richtigen Anreizen nd eben nicht mit Zwang dafür, dass die wohnortnahe ersorgung für die Menschen gerade in der Fläche geährleistet ist. Wenn es etwas gebracht hat, dass die FDP im Bundesesundheitsministerium ist und Sie in der Opposition ind, dann ist es offensichtlich eines: dass wir heute über inen drohenden Ärztemangel reden und endlich Schritte iskutieren, wie dieser drohende Ärztemangel angeganen wird. ie haben noch vor zwei Jahren, als wir die Regierung bernommen haben, geleugnet, dass uns in Deutschland in Ärztemangel droht. (Elke Ferner [SPD]: Herr Bahr, Sie lügen, ohne rot zu werden!)


(Zuruf der Abg. Elke Ferner [SPD])


ie haben gesagt: Wir haben genügend Ärzte; die müs-
en nur zwangsweise aufs Land verteilt werden. Mit
wang werden Sie aber keine jungen Mediziner motivie-
n, in der Fläche tätig zu sein. Wir setzen die richtigen
nreize.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Jetzt reden Sie immer von Unterversorgung und
berversorgung. Selbstverständlich gibt es auch Über-
ersorgung in Deutschland. Es gibt Über-, Unter- und
ehlversorgung in Deutschland. Wir gehen das mit einer
exiblen Bedarfsplanung an. Die Bedarfsplanung, die
ir heute haben, entspricht doch gar nicht dem Bedarf.
ie ist auf den Stand Anfang der 90er-Jahre aufgesetzt,
ls man einfach alle vorhandenen Ärzte gezählt hat. Die-
en Bestand hat man dann festgeschrieben und ihn als
edarfsplan bezeichnet.


(Zurufe von der LINKEN)


Wir ändern das, weil wir endlich dafür sorgen, dass in
en Regionen, in den Landkreisen genau geschaut wird,
o Bedarf besteht, wo ein zusätzlicher Psychologe, ein

usätzlicher Neurologe, ein zusätzlicher Dermatologe
ebraucht wird. Das heißt, wir geben die Flexibilität, um
enau zu schauen: Wo besteht Bedarf? Wo besteht viel-
icht eine Überversorgung, die abgebaut werden muss?
uch das ist nämlich bei uns enthalten: Die Kassenärzt-
chen Vereinigungen erhalten die Möglichkeit, dort, wo
nbegründet eine Überversorgung besteht, wo die Ver-
orgung nicht dem Bedarf entspricht, frei werdende
rztsitze aufzukaufen. Das – und nicht das, was Sie for-
ern – ist ein nachhaltiger Abbau der Überversorgung.

Das, was Sie fordern, ist doch nichts anderes als mo-
ernes Robin-Hood-Gehabe. Sie sagen, Überversorgung
erde abgebaut, wenn man jene Ärztinnen und Ärzte be-

traft, die sich vor 10 oder 20 Jahren entschieden haben,
einem Ballungsraum eine Arztpraxis mit viel Geld

ufzubauen. Glauben Sie, dass irgendein Arzt aus Ham-
urg seine Praxis schließt und eine neue Praxis an der
chlei eröffnet, nur weil Sie ihm Honorarkürzungen von
Prozent oder 10 Prozent verordnen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17327

Bundesminister Daniel Bahr


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(Zurufe von der SPD)


Diese Regelung stand jahrelang im Gesetz, und Sie ha-
ben sie unter Ihrer Führung nicht angewandt. Das zeigt
uns doch, dass dieses Instrument dem Abbau der Über-
versorgung nicht gerecht wird, sondern nur einen Vertei-
lungskampf in die Ärzteschaft hineinträgt. Damit ver-
bessern wir die Versorgung der Menschen in den
Ballungsräumen und in der Fläche keineswegs.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Interessant ist, dass die Ländergesundheitsminister
dort, wo Sie – Linke, Grüne, SPD – Verantwortung tra-
gen, sagen, der Bund müsse etwas für den Abbau der
Überversorgung tun. Landtagsfraktionen von Union und
FDP haben einmal vor Ort nachgefragt. Plötzlich stellen
wir fest, dass diese Ländergesundheitsminister, wie zum
Beispiel die Gesundheitssenatorin in Hamburg, leugnen,
dass es bei ihnen eine Überversorgung gibt.


(Zurufe von der SPD)


Dann kritisieren Sie die langen Wartezeiten, und wir
fragen: Wie sähe es denn aus, wenn in Hamburg Arzt-
praxen geschlossen würden, wenn Überversorgung ab-
gebaut werden würde? Was würde das für die Wartezei-
ten bedeuten? Und schon wieder stellen wir Unlogisches
fest. Schon wieder stellen wir fest, dass Sie offensicht-
lich nur bei Allgemeinplätzen verharren und die Pro-
bleme und Sorgen der Menschen nicht lösen. Wir ma-
chen das.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


Viele junge Mediziner haben Sorge, dass sie, wenn sie
sich in der Fläche niederlassen, doppelt bestraft werden;
nämlich mit immer mehr Patienten. Deswegen sorgen
wir dafür, dass die Mengenabstaffelung in der Fläche ab-
geschafft wird, dass es Zuschläge geben kann, damit die
jungen Mediziner, die in die Fläche gehen, auch die Per-
spektive haben, dass sie dort eine leistungsgerechte Ver-
gütung bekommen. Wir schaffen die Residenzpflicht ab.
Wir lockern die Regelungen zu Zweitpraxen. Wir geben
die Möglichkeit einer Eigeneinrichtung dort, wo sich
kein Arzt findet, und wir bauen die Sorgen vor Regress-
forderungen ab, damit der Arzt, der viele Patienten zu
betreuen hat, keine Angst haben muss, für zu viele Arz-
neimittelverschreibungen in Haftung genommen zu wer-
den. Auch das ist ein wichtiger Bereich.

Außerdem sorgen wir dafür, dass der gesellschaftliche
Wandel im Gesundheitswesen ankommt; denn wir wis-
sen, dass die Medizin immer weiblicher wird und dass
junge Männer wie Frauen heute eine andere Einstellung
zum Beruf haben. Auch auf diesen gesellschaftlichen
Wandel müssen wir Antworten finden. Die Vereinbarkeit
von Familie und Gesundheitsberuf ist uns ein ganz wich-
tiges Anliegen in diesem Gesetzentwurf,


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Schöne Worte!)


weil der Arztberuf leider noch auf einem alten Gesell-
schaftsbild in den Strukturen von Krankenhäusern und
Kassenärztlichen Vereinigungen aufbaut.

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(C (D Insofern: Dies ist ein gutes Gesetz, und damit werden ndlich die Probleme der Menschen vor Ort angepackt, ie sich sorgen: Habe ich morgen noch eine wohnortahe Versorgung? Kann ich mich darauf verlassen, dass s in der Fläche noch Ärzte gibt? Wir sorgen dafür, dass ie Menschen den Landarzt nicht nur aus einer idyllichen Vorabendserie kennen, sondern ihn auch weiterhin al erleben. Wir sorgen dafür, dass sie sich auf das bestögliche Gesundheitswesen in Deutschland verlassen önnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Nächster Redner ist der Kollege Karl Lauterbach für ie SPD-Fraktion. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen nd Kollegen! Herr Brüderle, ich saß vor einigen Jahren it einem Ihrer Vorgänger in der Businessclass. (Zurufe von der FDP: Oh! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie hätten in der Economyclass sitzen sollen!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714601400

(Beifall bei der SPD)

Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Rede ID: ID1714601500

ir hatten damals über Gesundheitsreformen verhan-
elt. Damals habe ich mich bitter beschwert, dass die
eform wieder einmal an der FDP gescheitert ist. Da

eufzte der Kollege und meinte: Im Gesundheitsbereich
das gebe ich zu – sitzen bei uns die falschen Leute. Zu
iel Lobbyismus war damals unser Thema: zu viel Lob-
yismus, zu wenig Wettbewerb. Wissen Sie, was die
ede des Kollegen Bahr gerade gezeigt hat? Bis heute

itzen im Gesundheitsbereich bei Ihnen die falschen
eute. Der Lobbyismus ist Ihnen wichtiger als der Wett-
ewerb, Herr Kollege Brüderle.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich will versuchen, das darzustellen. Womit haben wir
s jetzt zu tun? Das Gesetz ist ein Versorgungsgesetz.
ber um welche Versorgung geht es denn? Es geht doch
icht um die Versorgung der Patienten oder der Versi-
herten. Es geht um die Ärzteversorgung. Das Gesetz
üsste korrekterweise Ärzteversorgungsgesetz heißen

der noch präziser: Gesetz zur Stärkung der Kassenärzt-
chen Vereinigungen. Das entspricht doch dem, was be-
chlossen wurde. Sie haben von allen Maßnahmen, die
ie Versorgung der Patienten verbessert hätten, Abstand
enommen, beispielsweise von der ungleichen Honorie-
ng durch gesetzlich Versicherte und Privatpatienten.
ies ist einer der wichtigsten Gründe, weshalb die Ärzte

uf dem Land für wenig Geld lange arbeiten müssen und
den Großstädten zum Teil mit wenig Patienten gut

erdienen.


(Beifall bei der SPD)


ieses Problem haben Sie überhaupt nicht anzugehen
ewagt. Die FDP steht dafür, dass die gleiche medizini-

17328 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Dr. Karl Lauterbach


(A) )


)(B)

sche Leistung vom Privatpatienten teurer bezahlt werden
muss. Was ist denn das für ein Wettbewerb, Herr
Brüderle? Das ist doch ein Witz. In Wirklichkeit ist es
so: Der Hauptgrund für die Fehlverteilung der Ärzte
wird nicht beseitigt.

Der zweite Punkt. Auch hier werden allein die Vor-
stellungen der Kassenärztlichen Vereinigungen berück-
sichtigt. Wer wird demnächst die präzise regionalisierte
Honorarverteilung vornehmen? Nicht die Patientenver-
treter, sie erfolgt auch nicht über den Wettbewerb der
Krankenkassen, sondern sie wird durch die Kassenärztli-
chen Vereinigungen vorgenommen, also genau durch die
Einrichtung, die die Fehlverteilung, die der Minister be-
klagt, verursacht hat. Es ändert sich nichts. Es wird de
facto nichts geändert.

Der einzige Punkt, der geändert wird, ist: Die Ärzte
auf dem Land, die ohnedies überlastet sind, die bis acht
Uhr abends arbeiten, deren Praxen total voll sind, be-
kommen ein bisschen mehr Geld. Das gönne ich den
Ärzten – damit wir uns nicht falsch verstehen –, aber
diese Ärzte können keine zusätzlichen Patienten behan-
deln.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Somit wird nichts anderes gemacht, als die bestehende
Fehlversorgung aufrechtzuerhalten. Die überlasteten
Ärzte bekommen ein bisschen mehr Geld.

Sie hätten dafür sorgen müssen, dass in den überver-
sorgten Gebieten die frei werdenden Praxen aufgekauft
werden – es geht ja nicht um den Kauf von Praxen, die
nicht frei werden – und auf dem Land neue eröffnet wer-
den. Das war die Maßnahme, die wir alle für richtig hiel-
ten. Vor dieser Maßnahme haben Sie Angst gehabt, weil
Ihnen die Kassenärztlichen Vereinigungen dieses nicht
erlaubt haben. Sie sind eingeknickt vor den Lobbyisten
der Kassenärztlichen Vereinigungen. Daher wird dieses
Gesetz zum Schluss keine Verbesserung der Versor-
gungsstruktur bringen.


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/ CSU: Sie malen ein Zerrbild!)


– Nein, es ist kein Zerrbild.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist von vorgestern!)


– Das ist nicht von vorgestern.

Ich nenne ein weiteres Beispiel. Sie bauen eine neue
Doppelstruktur auf. Sie bauen eine spezielle fachärzt-
liche Versorgung auf. Der Minister hat die Chuzpe be-
sessen und das sogar im Zusammenhang mit der verbes-
serten Aidsvorbeugung hier vorgetragen. Die Aids-
vorbeugung, die wir alle gemeinsam beschlossen haben,
hat mit dieser Art der Versorgung überhaupt nichts zu
tun. Sie, Herr Minister, haben das Vorbeugegesetz, das
während der Großen Koalition in der Schublade lag, ein-
gesackt; das war Ihre erste Amtshandlung. Sie haben für
die Vorbeugung – das ist doch unstrittig im Haus – bis-
her gar nichts gemacht.

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(C (D (Beifall bei der SPD – Elke Ferner [SPD]: Mittel gestrichen!)


ie machen nichts für die Vorbeugung und nennen aus-
erechnet das Beispiel Aids.

Das einzige, was Sie machen, ist der Aufbau einer
euen Versorgungsstruktur, die spezielle fachärztliche
ersorgung. Die speziellen Fachärzte werden aber mit
en Hausärzten konkurrieren. Somit wird es letztendlich
eniger Hausärzte geben. Eine junge Ärztin, die sich
ach dem Studium entscheiden muss, wohin sie geht und
as sie macht, hat eine weitere Option, die mit der
ausarztversorgung nichts zu tun hat: Sie kann sich als

pezialärztliche Versorgerin in der Stadt niederlassen.
as führt dazu, dass wir weniger Hausärzte haben und
icht mehr.

Die bestehende Versorgung wird teurer, auf der
rundlage der Einschätzung der Krankenkassen um

twa 2 Milliarden Euro. Die Versorgung wird aber in der
ualität nicht besser. Die Kassenärztlichen Vereinigun-
en werden gestärkt. Und das Ganze wollen Sie uns ver-
aufen als ein Gesetz, mit dem die Versorgung der Pa-
enten verbessert wird? Ich bitte Sie! Das gelingt noch
icht einmal Herrn Lanfermann, bei dessen Rede die
nion nicht geklatscht hat. Bei allem Selbstlob, für das
ie bekannt sind, Herr Lanfermann, dieses Gesetz wird
ie Versorgungsstruktur in Deutschland nicht verändern.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714601600

Lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lotter

u?


Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Rede ID: ID1714601700

Ja.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714601800

Bitte schön.


Dr. Erwin Lotter (FDP):
Rede ID: ID1714601900

Lieber Herr Kollege Lauterbach, stimmen Sie mir ers-

ns zu, dass Hausärzte für andere Krankheitsbilder zu-
tändig sind als spezialfachärztlich tätige Ärzte und dass
s insofern zu keiner Konkurrenzsituation kommen
ann, sondern es sich um eine Ergänzung handelt?

Stimmen Sie mir zweitens zu, dass Ärzte, die ge-
wungen werden sollen, in unterversorgte Gebiete zu ge-
en, dann eher den Weg in die Schweiz oder nach Skan-
inavien wählen?


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Kann man mit Ja beantworten!)



Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Rede ID: ID1714602000

Zum ersten Punkt. Ich habe bereits ausgeführt – ich

enke, das war leicht verständlich –, dass wir zu wenige
ediziner haben. Wenn diese wenigen Mediziner sich

wischen einer schlecht bezahlten Hausarzttätigkeit auf
em Land und einer gut bezahlten Facharzttätigkeit in
er Stadt entscheiden können, dann wird es noch weni-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17329

Dr. Karl Lauterbach


(A) )


)(B)

ger Mediziner geben, die sich für die Hausarzttätigkeit
entscheiden. Somit werden noch weniger Ärzte in der
Hausarztversorgung und noch mehr Ärzte in der Fach-
arztversorgung tätig sein. Sie verschlimmern ein beste-
hendes Problem.


(Elke Ferner [SPD]: Genau!)


Zum zweiten Punkt. Niemand geht ins Ausland, wenn
die Rahmenbedingungen in Deutschland stimmen. Das
heißt, egal ob es um gesetzlich Versicherte oder Privat-
versicherte geht, Ärzte müssen durch Bürokratieabbau
entlastet und auskömmlich bezahlt werden. Die Vorbeu-
gung muss besser bezahlt werden. Wir brauchen mehr
Wettbewerb und mehr Transparenz. Wir brauchen all
das. Aber das Gesetz leistet dazu keinen Beitrag. Das ist
doch der Grund, weshalb es sich immer weniger lohnt,
als Arzt in Deutschland tätig zu sein.


(Beifall bei der SPD – Heinz Lanfermann [FDP]: Und das machen Sie alles ohne Alterserkrankungen!)


– Wir werden das machen. Ich gehe in der Tat fest davon
aus, dass wir Sie ab 2013 bei dieser Aufgabe entlasten
können.


(Beifall bei der SPD)


Ich möchte darauf hinweisen: Dieses Gesetz – da
stimme ich der Kollegin Bunge nicht zu – kann man
nicht abtun als ein Gesetz, das zwar nichts bringt, aber
keinen dauerhaften Schaden anrichtet. Dem ist, glaube
ich, nicht so. Für all die Probleme, die wir jetzt nicht lö-
sen, gilt: Uns läuft die Zeit weg. Sie müssen bedenken:
Heute zahlen die Menschen in den unterversorgten Ge-
bieten den gleichen Beitrag wie die Menschen in den
Städten – zum Teil mehr – für eine Versorgung, die sie
de facto nicht haben. Die Menschen auf dem Land zah-
len den gleichen Beitrag, die gleichen Zusatzbeiträge
und Sonderbeiträge für eine Leistung, die sie nur bekä-
men, wenn sie umziehen würden. Wir schulden den
Menschen in den unterversorgten Gebieten schon seit
Jahren eine Verbesserung ihrer Versorgung; denn sie
zahlen voll, bekommen aber weniger. Im Hinblick da-
rauf haben Sie in diesem Gesetz nichts geleistet. Sie sind
vor den Lobbyisten eingeknickt. Das ist insbesondere für
die FDP eine Schande; denn die FDP muss in diesen
Zeiten gegen den Ruf kämpfen, nichts anderes zu sein
als eine reine Klientel- und Lobbyistenpartei.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das sagt der Oberlobbyist!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714602100

Das Wort erhält nun der Kollege Jens Spahn für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! err Kollege Lauterbach, erste Klasse fliegen, aber Apoget der Zweiklassenmedizin sein – das ist eine gewisse unst, die Sie uns hier präsentiert haben. m Beispiel eines Fluges in der ersten Klasse kann man underschön deutlich machen, wo Ihr Problem in der rgumentation besteht. (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Dummes Geschwätz!)

Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1714602200

(Zurufe von der SPD: Oh!)


ntscheidend bei einem Flug ist, dass Sie sicher von A
ach B kommen, dass die entsprechenden Sicherheitsan-
rderungen erfüllt sind, dass der Pilot die entsprechende
usbildung hat, dass Sie angenehm sitzen können. Derje-
ige, der dann zusätzlich etwas will – meinetwegen die
chokolade bei der Landung –, gönnt sich die Business-
lass. Genau das ist unser Verständnis von Gesundheits-
olitik. Wir wollen eine Grundversorgung, die sicherstellt,
ass jeder – unabhängig vom Alter, vom Einkommen,
om sozialen Status und davon, wo er lebt – die notwen-
ige medizinische Versorgung auf dem aktuellen Stand
on Technik und Wissenschaft bekommt. Wer sich aber
ehr leisten will, soll das auch tun können. Beim Flie-

en den Wettbewerb und die Differenzierung selbst nut-
en und die erste Klasse genießen, in der Gesundheits-
olitik aber Wettbewerb und Differenzierung nicht
ulassen – das ist doppelzüngig, lieber Herr Kollege
auterbach. Das ist heute deutlich geworden wie selten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben in Deutschland – das ist ohne Zweifel so;
er Herr Minister hat darauf hingewiesen – eines der
esten Gesundheitssysteme der Welt. Schauen Sie auf
ie Wartezeiten und die flächendeckende Versorgung. Es
utzt Ihnen nichts, wenn es Spitzenmedizin in London
der New York gibt, sondern es ist entscheidend, dass
ie – wie es in Deutschland der Fall ist – eine gute Ver-
orgung in der Fläche haben. Jedoch steht auch das beste
esundheitssystem der Welt vor Herausforderungen,
eränderungen und Problemen. Mit diesem Versor-
ungsstrukturgesetz gehen wir die Probleme im Versor-
ungsalltag der Menschen an, die uns ganz konkret
auch in den Bürgersprechstunden im Wahlkreis sowie

ei Veranstaltungen – nahegebracht werden. Wir greifen
ie auf und wollen sie mit einem Bündel verschiedener

aßnahmen lösen. Deswegen ist das – der Patientenbe-
uftragte hat das schon zu Recht gesagt – heute ein guter
ag für die Patientinnen und Patienten in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieses Gesetz reiht sich nahtlos ein in die Gesund-
eitsgesetzgebung der christlich-liberalen Koalition. Wir
aben mit dem GKV-Finanzierungsgesetz eine solide
asis für die gesetzliche Krankenversicherung geschaf-
n. Eines der größten Defizite, das für 2011 in der Ge-

chichte der gesetzlichen Krankenversicherung erwartet
urde, haben wir mit kurzfristigen Maßnahmen, vor al-
m aber auch mit einem Konzept zur langfristigen
inanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ab-

17330 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Jens Spahn


(A) )


)(B)

gewendet. Die Finanzierung erfolgt nicht mehr nur lohn-
abhängig, sondern – gerechter – über einen steuerfinan-
zierten Sozialausgleich bzw. über den Zusatzbeitrag.


(Elke Ferner [SPD]: Das ist kein Gesetz, sondern eine Katastrophe!)


Die gesetzliche Krankenversicherung befindet sich – mit
so vielen Rücklagen und so vielen Möglichkeiten wie
noch nie – in einer guten Lage. Zum einen ist das ein
Verdienst derjenigen, die ihren Beitrag leisten mussten:
der Apotheker, der Pharmaindustrie, der Ärzte und der
Krankenhäuser. Sie werden in den Jahren 2011 und 2012
weniger haben, als eigentlich geplant war. Zum anderen
ist es dem Beitrag der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber
geschuldet. Es ist aber auch ein großer Erfolg christlich-
liberaler Gesundheitspolitik. Darauf sind wir auch ein
Stück weit stolz.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Neben der Frage der Finanzierung gibt es ein zweites
entscheidendes Qualitätsmerkmal des deutschen Ge-
sundheitswesens, nämlich den Zugang zu Innovationen.
Auf der gesamten Welt findet man im Grunde kein ande-
res gesetzliches Gesundheitssystem, in dem beispiels-
weise Arzneimittel direkt ab Zulassung erstattungsfähig
sind und bezahlt werden. Das gibt es nur in Deutschland.
Wir haben aber gesagt: Es kann nicht sein, dass die jahr-
zehntelange Praxis in Deutschland fortgesetzt wird,
unabhängig vom tatsächlichen Zusatznutzen, also unab-
hängig von der Frage, ob ein neues Medikament tatsäch-
lich mehr Nutzen bringt und eine Verbesserung darstellt,
und dass wir jeden Preis zahlen, der verlangt wird. Wir
haben mit dem sogenannten Arzneimittelmarktneuord-
nungsgesetz die Balance zwischen dem Bedürfnis der
Patienten nach Hilfe – denn mit neuen Medikamenten ist
auch viel Hoffnung auf Leidminderung, etwa bei der
Krebstherapie, verbunden – und dem Bedürfnis nach an-
gemessenen Preisen hinbekommen. Sie haben jahrelang
davon geredet, wir haben es jetzt vernünftig umgesetzt.
Das ist es doch, was Sie so wurmt, liebe Kolleginnen
und Kollegen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das Versorgungsstrukturgesetz passt nahtlos zum
dritten Qualitätsmerkmal des deutschen Gesundheitswe-
sens, das darin besteht, eine flächendeckende Versor-
gung bei hoher Qualität sicherzustellen. Wir haben damit
begonnen, mit dem Krankenhausinfektionsschutzgesetz
den Versorgungsbereich in den Blick zu nehmen. Dabei
geht es um die Frage der Hygiene in den Krankenhäu-
sern. Das ist ein Thema, welches die Menschen – leider
auch immer wieder wegen trauriger Vorfälle wie jetzt in
Bremen – zu Recht massiv bewegt. Sie wollen nicht
kranker aus den Krankenhäusern kommen, als sie hi-
neingegangen sind. Wir haben da bundesgesetzlich gere-
gelt, was zu regeln war. Jetzt sind die Länder gefragt –
übrigens auch Bremen. Wir wollen Anfang nächsten
Jahres den Entwurf eines Patientenrechtegesetzes vorle-
gen.

Im Kern der Überlegungen zur Versorgungsstruktur
steht für uns aber das Versorgungsstrukturgesetz. Ein
Kernelement dieses Gesetzes ist, die flächendeckende

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(C (D ersorgung – insbesondere die flächendeckende ärztlihe Versorgung – in den Blick zu nehmen. Ich selber omme vom Land, aus dem Münsterland. Da ist es heute chon so, dass es für uns in den kleineren Orten nahezu nmöglich ist, einen Nachfolger für jemanden zu finden, er seine Praxis aufgibt. Es wird inseriert, um einen achfolger zu finden. Aber es ist nahezu unmöglich, jeanden dazu zu bewegen, eine Praxis auf dem Land zu bernehmen, egal ob im Münsterland, in der Eifel, in ecklenburg-Vorpommern oder im Bayerischen Wald. as gleiche Problem besteht übrigens auch – es ist schon arauf hingewiesen worden; es ist wichtig, zu differenieren – in manchen großstädtischen Stadtteilen wie in erlin-Neukölln, in Köln-Chorweiler und im Essener orden. Auch hier ist es schwierig, Ärzte zu finden, die ereit sind, dorthin zu gehen; denn die Arbeit dort ist chwerer. Wir gehen an das Problem heran, indem wir zum eien eine kleinräumigere Bedarfsplanung durchführen. ir schauen uns kleinere Einheiten an – nicht mehr nur anze Landkreise oder Großstädte –, um festzustellen, o die Versorgung gut ist und wo nicht. Wir wollen difrenzieren. Wenn wir wissen, wo die Versorgung gut ist nd wo zusätzlicher Bedarf an Ärzten besteht, wollen ir zum anderen Anreize setzen, indem wir etwa ein höeres Honorar zahlen und das Honorarsystem so veränern, dass es attraktiver wird, sich um die schwierigeren älle zu kümmern, und indem wir die Regelung zur Reidenzpflicht so ändern, dass der Arzt nicht mehr dort ohnen muss, wo er seine Praxis hat. Wir sorgen also für ehr Flexibilität. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Herr Kollege Lauterbach, eines unterscheidet uns
rundsätzlich – das stört mich schon den ganzen Morgen
ier in der Debatte, auch das, was Sie hier gesagt ha-
en –: Wir wissen, dass man eine gute Versorgung der
enschen im Land nur mit den Ärzten und nicht gegen

ie schafft;


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ie wollen da mit dem Hammer ran. Wir hatten hier im
eutschen Bundestag schon Anträge vorliegen, in denen
ie gefordert haben: Wer als Facharzt nicht innerhalb
on zwei oder drei Wochen einen Termin ermöglicht, der
oll 10 000 oder 15 000 Euro Strafe zahlen. – Sie wollen
it dem Hammer ran; Sie wollen mit Zwang arbeiten;
ie wollen Sanktionen. Das ist nicht unser Weg; denn er
hrt am Ende nicht zu einer guten Versorgung, sondern

u Frustration.


(Zuruf von der SPD: Bei den Patienten auf jeden Fall!)


eswegen arbeiten wir mit Anreizen, mit den Ärzten,
icht gegen sie, für eine gute Versorgung der Menschen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Menschen haben ein gutes Gespür für das, was
otwendig ist. Sie wissen natürlich, dass die Debatte
ber die flächendeckende medizinische Versorgung,
ber die Verteilung der Ärzte, eine Vorbotendebatte über

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17331

Jens Spahn


(A) )


)(B)

die anderen Fragen der Versorgung ist. Deswegen stellen
wir das in den Mittelpunkt. Da, wo kein Arzt ist, wird
auf Dauer auch kein Apotheker existieren können. Eine
Apotheke ohne Rezept, das ist auf Dauer schwierig. Phy-
siotherapeuten zum Beispiel werden sich auf Dauer nicht
dort niederlassen, wo es keine Ärzte gibt, weil sie dort
nicht überleben können.

Unsere Vorbotendebatte geht übrigens mit anderen
Diskussionen über die Infrastruktur im ländlichen Raum
einher. Wir haben Debatten darüber, ob Schulen vor Ort
bestehen bleiben können oder wie es mit dem Einzelhan-
del vor Ort weitergeht. Selbst Kirchengemeinden müs-
sen fusionieren. Da ist es für die Menschen gerade im
ländlichen Raum ein entscheidendes Thema, ob es noch
einen Arzt, einen Hausarzt oder einen Facharzt vor Ort
gibt. Deswegen greifen wir dieses zentrale Thema auf;
es bewegt die Menschen. Es ist fast ein höhnischer
Schlag in die Gesichter der Menschen, wenn man hört,
wie Sie hier und heute mit diesem Thema umgehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es steht noch deutlich mehr in diesem Gesetz. Wir
wollen das Thema des sogenannten Entlassmanagements
angehen. Wenn ein Patient am Freitagnachmittag nach
einer Hüftoperation aus der Klinik entlassen wird: Hat
sich jemand darum gekümmert, was anschließend pas-
siert? Wurde darauf geachtet, ob ambulante oder statio-
näre Pflege nötig ist, ob eine Familie da ist, die den Pa-
tienten auffängt, oder ob jemand alleine lebt? Wurde
vorab mit dem Arzt, der weiterbehandelt, gesprochen?
Das passiert heute teilweise schon, aber viel zu selten.
Deswegen wollen wir das verbessern.

Wir greifen das Thema der spezialfachärztlichen Ver-
sorgung auf – es ist schon angesprochen worden –, um
gerade bei schwierigen Erkrankungen – im Bereich der
Onkologie, bei der Behandlung von Krebs, bei der Be-
handlung von MS und Parkinson, im Bereich der Bra-
chytherapie – höchste Qualitätsstandards und eine
Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und nieder-
gelassenen Ärzten zu erreichen, weil es im Interesse der
Menschen liegt, dass etwas für eine gute Versorgung ge-
tan wird. Herr Kollege Terpe, die Veränderungen, die
wir bei der spezialfachärztlichen Versorgung vorneh-
men, gehören zu den grundlegendsten Strukturverände-
rungen, die es in den letzten Jahren im deutschen Ge-
sundheitswesen gegeben hat. Deswegen gehen wir sie
voller Überzeugung im Sinne der Patienten an.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen setze ich mich ja so kritisch damit auseinander!)


Das Gleiche gilt im Übrigen auch für die Zusammen-
arbeit der Gesundheitsberufe. Sie haben jetzt wieder, wie
schon gestern im Ausschuss, mehrfach behauptet, es
gehe nur um die Ärzte. Das stimmt so pauschal nicht.
Wir wollen ganz bewusst die Zusammenarbeit zwischen
niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern verbes-
sern, aber auch zwischen Ärzten und Apothekern. Bei-
spiel Medikationskatalog: Es gibt in Deutschland immer
mehr Menschen, die zum Teil 10, 15 oder 20 unter-

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(C (D chiedliche Arzneimittel pro Tag bekommen, weil sie erschiedene chronische Erkrankungen haben. Es bedarf iner besseren Abstimmung zwischen Ärzten und Apoekern, wenn es darum geht, was wem verschrieben ird. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen ohne orge und ohne Angst – auch ohne Angst vor dem, was Beipackzettel steht – die Medikamente nehmen, die ötig sind. Deswegen wollen wir eine bessere Zusamenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern. Wir erpro en mehrere Modelle, um das zu ermöglichen. Das Gleiche gilt auch – Sie haben es angesprochen – r die Zusammenarbeit mit den Pflegeberufen. Die so enannte Delegation ärztlicher Leistung bedeutet, dass mand aus einem anderen Gesundheitsberuf, zum Bei piel eine Pflegekraft – das berühmteste Beispiel ist das odellprojekt „Gemeindeschwester AGnES“ –, Haus esuche übernimmt, um zu sehen, wie es den Patienten or Ort geht. Er steht in ständigem Kontakt zum zustänigen Hausarzt und hält Rücksprache mit ihm. Er überrüft, ob es notwendig ist, dass auch der Hausarzt den atienten besucht. Hat der Routinebesuch ergeben, dass s nicht nötig ist, muss der Hausarzt nicht extra komen. Die Zusammenarbeit zwischen dem ärztlichen Beruf nd den anderen Gesundheitsberufen zu befördern, das reifen wir ganz bewusst in diesem Gesetzentwurf auf. enn wir wissen: Für eine gute Versorgung der Men chen braucht man nicht nur Ärzte. Man darf nicht veressen, dass Ärzte mit Vertretern anderer Gesundheitserufe eng zusammenarbeiten und kommunizieren üssen. Die Ärzte sind in dieser Beziehung mittlerweile eutlich weiter als vielleicht noch vor einigen Jahren. ir wollen diese Zusammenarbeit in Zukunft befördern. enn wir wissen: Eine gute Versorgung in Deutschland chaffen wir nur, wenn wir alle Gesundheitsberufe und lle anderen, die im Gesundheitswesen tätig sind, in ihr Arbeit miteinander verzahnen. Das wollen wir mit em Gesetz, über dessen Entwurf wir heute abschlieend beraten, leisten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Sie brauchen Ausstattung, sie brauchen Geld! Sie brauchen nicht nur Verzahnung!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es ist schon bezeichnend, dass Ihnen nicht viel mehr
infällt als die lahme Kritik, die Sie vorgebracht haben.
er Entschließungsantrag, den Sie heute vorgelegt ha-
en, ist eigentlich ein Aufguss alter, oft gehörter Über-
chriften. Er wird aber nicht besonders konkret, wenn es
m die Verbesserung des vom Patienten erlebten Versor-
ungsalltags geht. Wenn wir uns heute das deutsche Ge-
undheitswesen betrachten, dann stellen wir fest: Wir ha-
en eine solide Finanzlage der Kassen und wachsenden
ettbewerb um die beste Qualität in der Versorgung. In

nserer Gesundheitswirtschaft sind 4,5 Millionen Men-
chen beschäftigt. Es ist übrigens die Branche in
eutschland, die am stärksten wächst. Dieses Wachstum
ollen wir befördern. Deswegen brauchen wir eine an-
ere Finanzierungsgrundlage. Wir haben eine Freiheit
ei der Ärztewahl und eine Therapiefreiheit, wie es sie

17332 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Jens Spahn


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)(B)

kaum in einem anderen Land auf der Welt gibt. Wir ha-
ben eine flächendeckende Versorgung und vor allem
Verständnis für die konkrete Versorgungssituation der
Patienten, für ihre Sorgen und Nöte. Die greifen wir mit
diesem Gesetzentwurf auf.

Christlich-liberale Gesundheitspolitik ist erfolgreich.


(Steffen-Claudio Lemme [SPD]: Nein!)


Sie wird auch erfolgreich bleiben. Das wurmt Sie – das
wissen wir –, weil wir vieles von dem, was Gegenstand
der gesundheitspolitischen Debatte in den letzten Jahren
war, aufgegriffen haben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714602300

Herr Kollege.


Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1714602400

Wir laden Sie dazu ein, diesen Weg mit uns weiterzu-

gehen. Christlich-liberale Gesundheitspolitik ist erfolg-
reich, weil sie gut für die Patientinnen und Patienten in
Deutschland ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – SteffenClaudio Lemme [SPD]: Niemals!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714602500

Das Wort erhält nun die Kollegin Kathrin Vogler für

die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714602600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch beim Versorgungsstrukturgesetz, über das wir
heute abschließend beraten, müssen wir über Demenz
sprechen, und zwar über eine bestimmte Form von poli-
tischem Gedächtnisverlust, die wohl vor allem FDP-Mit-
glieder befällt.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Elke Ferner [SPD])


Anders kann ich mir es nicht erklären, Herr Minister
Bahr, dass Sie jetzt bei der Ausgabe der elektronischen
Gesundheitskarte an die Versicherten den Turbo einle-
gen. Bis Ende 2012 sollen 70 Prozent der Versicherten
mit der E-Card ausgestattet sein, und das, obwohl die
Praxistests reihenweise gescheitert und viele wichtige
Fragen des Datenschutzes, der Selbstbestimmung und
der Freiwilligkeit immer noch völlig ungeklärt sind. Da-
rauf hat zu Oppositionszeiten übrigens nicht zuletzt eine
Fraktion hier im Hause deutlich hingewiesen, und das
war die FDP.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Und wir haben uns angeschlossen!)


Um Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen,
greift jetzt die Linke diese immer noch richtige Kritik
auf. Wir fordern in unserem Entschließungsantrag, die
elektronische Gesundheitskarte auszusetzen, bis all diese
dringenden Fragen geklärt sind, und zwar von unabhän-
gigen Sachverständigen.

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(C (D Sie behaupten nun, Sie hätten die Bestandsaufnahme rfolgreich abgeschlossen. Das eine Übertreibung zu ennen, wäre eine ziemliche Untertreibung; denn diese ogenannte Bestandsaufnahme durch die Betreiberesellschaft Gematik erfolgte unter Ausschluss kriticher Expertinnen und Experten, auch unter Ausschluss es Parlaments. Die geplanten Funktionen, die vorausichtlichen Kosten oder der zusätzliche Verwaltungsaufand in den Arztpraxen, all das blieb im Nebel. Ergebisoffene Prüfungen sehen für mich anders aus. eshalb fordert die Linke heute: Setzen Sie nicht alles uf diese eine Karte! Legen Sie die Bremse ein! Machen ie einen ehrlichen Stresstest, und lassen Sie vor allem uch Alternativen prüfen! Von der SPD haben wir nichts anderes erwartet, als ass sie diesem zweifelhaften Projekt zustimmt; schließch war dies eines der Lieblingskinder der SPD in der eit, als Ulla Schmidt noch Gesundheitsministerin war. ie haben die E-Card jahrelang, und zwar nicht nur wähnd Ihrer Regierungszeit, trotz aller Pleiten und Pannen efördert. Das hat der Kollege Edgar Franke in der Deatte zur Einbringung unseres Antrags bekräftigt. Aber elbst er gibt zu, dass die E-Card so, wie sie jetzt ist, zuächst – ich betone: zunächst – gar nichts besonders eues bringt außer das Foto. Wenn es nach ihm geht, önnen die Pläne für eine elektronische Patientenakte ber gar nicht schnell genug umgesetzt werden. Kollege ranke meint, dass sie schon 2015 kommen soll. Bis dain ist die Karte nur lästig für die Ärztinnen und Ärzte nd teuer für die Versichertengemeinschaft. Ab dann ird es aber riskant für die Sicherheit der sensiblen Ge undheitsdaten der Patientinnen und Patienten und richg interessant für diejenigen, die aus diesen Daten pures apital schlagen wollen. (Lars Lindemann [FDP]: Jetzt reden Sie doch einmal zum Gesetz! – Heinz Lanfermann [FDP]: Heute ist Versorgungsstrukturgesetz!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


Genau. Mit einem Änderungsantrag haben Sie das an-
ehängt. Darf ich Ihrem Gedächtnis auch diesbezüglich
uf die Sprünge helfen?

Der Kollege Stracke von der Union wies uns damals
arauf hin, welche „sehr große Bedeutung“ die Gesund-
eitswirtschaft hat und dass wir uns angesichts dieses
riesigen Wirtschaftsfaktors“ den „Entwicklungen, egal
welchem Bereich, nicht verschließen“ dürften.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


as ist das eigentlich für eine Argumentation? Wir
einen, im Mittelpunkt des Gesundheitswesens müssen
mer zuallererst die Interessen der Patientinnen und

atienten und dürfen eben nicht Wirtschaftsinteressen
tehen.


(Beifall bei der LINKEN)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17333

Kathrin Vogler


(A) )


)(B)

Natürlich wecken die Milliardenbeiträge in der ge-
setzlichen Krankenversicherung Begehrlichkeiten weit
über den Gesundheitssektor hinaus. Wir wollen mit un-
serem Antrag verhindern, dass Interessen von Konzer-
nen und IT-Unternehmen immer mehr Einfluss auf die
Gesundheitspolitik erhalten. In unserem Antrag fordern
wir Sie auf, das Projekt noch einmal auf den Prüfstand
zu stellen. Dafür fehlt Ihnen aber leider der Mut; schließ-
lich geht es um bis zu 14 Milliarden Euro für die IT-
Industrie. Diese Zahl stammt übrigens nicht von den
Kritikerinnen und Kritikern des Projekts, sondern sie
stammt aus einem Gutachten der Gematik, das nicht ein-
mal der Bundestag kennen würde, hätte es damals nicht
der Chaos Computer Club gehackt. Die IT-Industrie
kann trotz erkennbarer Schwächen im Bereich der Da-
tensicherheit mit ihrer Lobbyarbeit offensichtlich ganz
zufrieden sein. Die Zeche zahlen sollen die Versicherten
in der gesetzlichen Krankenkasse mit ihren Beiträgen.
Ob die FDP zu Weihnachten so hübsche Spenden von
IT-Firmen erhalten wird wie damals nach der Hotelsteu-
ersenkung von Mövenpick, das werden nicht nur wir von
der Linken ausgesprochen interessiert beobachten.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich komme zum Schluss. Schon mehr als 750 000
Menschen haben gegen die E-Card unterschrieben. Ge-
meinsam mit ihnen und mit vielen Verbänden und Orga-
nisationen fordert die Linke: Patientendaten gehören in
Patientenhand. Deshalb sagen wir allen, die skeptisch
sind: Kein Foto für die E-Card! In Großbritannien wurde
ein ähnliches Projekt jüngst beerdigt, nachdem es schon
viele Milliarden Pfund verschlungen hatte. In Deutsch-
land erwies sich der elektronische Gehaltsnachweis
ELENA nicht als die Lichtgestalt, als die Sie sie uns ver-
kaufen wollten, sondern als glatter Rohrkrepierer. Bitte
lernen Sie daraus! Bitte schalten Sie Ihr Erinnerungsver-
mögen wieder an! Werfen Sie Ihr Herz über die Hürde,
und stimmen Sie einmal einem Antrag der Linken zu! Es
tut nicht weh.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN – Lars Lindemann [FDP]: Ganz großes Kino! – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Inhaltsleer!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714602700

Maria Michalk hat nun das Wort für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Maria, hilf!)



Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1714602800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Frau Vogler, dass Sie von einem fahren-
den Zug abspringen wollen, das verwundert uns nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Kommen wir zurück zum Versorgungsstrukturgesetz.
Wie wir heute Vormittag merken, ist eine gute, wohnort-
nahe, flächendeckende medizinische Versorgung für alle
Menschen in aller Munde. Dies ist eine berechtigte For-

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(C (D erung von gesunden und erkrankten Versicherten, von ungen und Alten, von Menschen mit und ohne Behindeng, von Männern und Frauen. Alle bewerten unser orbildliches Gesundheitswesen – das kann nicht oft geug gesagt werden – unter dem Gesichtspunkt ihrer erbten Versorgungsrealität. Es gibt in Deutschland die ochleistungsfähige, individuell gestaltete und abgetimmte Versorgung, die auf der ganzen Welt vorbildlich t. Es gibt aber auch lange Wartezeiten, lange Wege und ielleicht auch Doppeluntersuchungen; das mag sein. Das Versorgungsstrukturgesetz wird sich in der Praxis ewähren. Wir haben es intensiv und sehr lange beraten. ber den drohenden und den tatsächlichen Ärztemangel zunehmend mehr Regionen reden wir schon sehr nge. Ich erinnere an meine allererste parlamentarische nfrage 2002 an die damalige Gesundheitsministerin rau Schmidt. Dabei ging es um genau dieses Thema. In er Antwort wurde geleugnet, dass ein Mangel droht, ass vielleicht sogar schon ein Problem besteht. Es hat nge gedauert, bis über dieses Thema ernsthaft in der olitik diskutiert wurde. Bestimmte Länder haben – im Grunde genommen auf estbasis – im Rahmen von Ausnahmeregelungen verchiedene Modellprojekte durchgeführt. Mit Fördermitln wurden zusätzliche ambulante Praxen eingerichtet, m junge Mediziner auf das Land zu holen. Kommunen ahlten Stipendien für junge Medizinstudenten, um sie n die Region und vielleicht auch an die Kommune zu inden. Vor dem Hintergrund der demografischen Enticklung gibt es objektiv die Notwendigkeit, die Unter tützung für Ärzte auf dem Land weiterzuentwickeln. aher müssen alle Verantwortlichen im Gesundheitsesen, auch die kommunalen Verantwortungsträger und ie Landesebene, im Rahmen der kleingliedrigeren Bearfsplanung, die wir heute beschließen, in Zukunft noch esser gemeinsam agieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


s ist die Koalition aus CDU/CSU und FDP, die dieses
roblem ernsthaft angeht.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das muss einmal gesagt werden! – Zuruf von der LINKEN: Ach Gott!)


Ich möchte jetzt auf zwei Punkte etwas genauer ein-
ehen. Mich freut besonders, dass in Zukunft der Aus-
au der Telemedizin im ländlichen Raum durch eine bes-
ere Vergütung gefördert wird. Mein Appell auch an
nsere Wirtschaftsexperten lautet: Vergessen wir dabei
icht, dass der Ausbau der Breitbandversorgung dafür
ine grundsätzliche Voraussetzung ist. Auch im länd-
chen Raum muss es eine ausreichende Breitbandver-
orgung geben und nicht nur in Ballungsgebieten, wo es
ielleicht effizienter ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


e schneller, desto besser. Wir meinen, dass gerade junge
ediziner die Herausforderungen der Telemedizin an-

ehmen werden, weil sie sich im ländlichen Raum im

17334 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Maria Michalk


(A) )


)
Bereich der telemedizinischen Versorgung an innovati-
ven Konzepten erproben und bewähren können. Das ist
eine ganz neue Herausforderung. Dies wird in Zukunft
Kreativität fördern und zu Kostenersparnis führen.

Wir sehen im Gesetzentwurf eine Vielzahl von finan-
ziellen Anreizen für Ärzte in unterversorgten Gebieten
vor. Sie werden von Begrenzungen der Vergütung ausge-
nommen, können Preiszuschläge für ihre Leistungen er-
halten und von den KVen über einen Strukturfonds ge-
fördert werden.

Ich komme zu meinem zweiten Punkt. Es war uns
wichtig, die Zulassungsregelungen für die Medizini-
schen Versorgungszentren zu konkretisieren. Seit ihrer
Einführung im Jahr 2004 beobachten wir die Entwick-
lung der MVZ. Mit rund 8 600 Ärzten in rund 1 650
MVZ sind im Durchschnitt fünf Ärzte pro Einheit tätig,
die meisten im Angestelltenverhältnis. Am häufigsten
sind es Hausärzte und Internisten. Bei der Organisations-
form handelt es sich vorwiegend um GmbH oder GbR.
Der Anteil der Vertragsarztträgerschaft ist höher als der
Anteil der Krankenhausträgerschaft. Bisher gründen sich
MVZ sowohl in städtischen als auch in ländlichen Ge-
bieten, allerdings lässt sich die Mehrzahl der MVZ in
Kernstädten oder in Ober- und Mittelzentren nieder. Im
ländlichen Raum sind es 15 Prozent. Wir schaffen die
Voraussetzungen dafür, dass sich das Bild wandelt und
diese Versorgungsmöglichkeit im ländlichen Raum stär-
ker genutzt werden kann.

Wir haben für bestehende MVZ eine Bestandsschutz-
wahrung festgeschrieben, allerdings mit der Maßgabe,
dass die ärztlichen Leiter eines MVZ in medizinischen
Fragen weisungsfrei sind. Das war uns besonders wich-
tig, weil wir möchten, dass die medizinische Versorgung
im Vordergrund steht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Für bestehende MVZ, die dies nicht einhalten, gibt es
eine Karenzzeit von sechs Monaten, dann muss es gere-
gelt sein.

Die Gründung ist nach § 95 Abs. 1 nur durch zugelas-
sene Ärzte, zugelassene Krankenhäuser gemäß § 108 so-
wie SGB V sowie gemeinnützige Trägerorganisationen,
die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen,
möglich – eine Präzisierung, die wir für wichtig halten.

Wir wollen die Konzentration auf Leistungserbringer,
die den überwiegenden Teil der ambulanten und statio-
nären ärztlichen Versorgung leisten. Deshalb bin ich
froh, dass wir in diesem Gesetz noch eine Ausnahme re-
geln, nämlich für gemeinnützige Trägerorganisationen,
die als Erbringer von nichtärztlichen Dialyseleistungen
an der vertragsärztlichen Versorgung in dieser Form teil-
nehmen können.

Aktiengesellschaften sind an dieser Stelle nicht mehr
zugelassen. Sollte ein Nachbesetzungsverfahren notwen-
dig werden, dann entscheidet der Zulassungsausschuss.

Ich möchte noch einen weiteren Punkt kurz anführen:
Dass wir die aufsuchende medizinische Versorgung ha-
ben, ist selbstverständlich. Hausärzte machen Hausbesu-

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(C (D he. Dass wir jetzt eine aufsuchende zahnmedizinische ersorgung für Menschen, die nicht mobil sind, die wir icht mehr in die Praxis bringen können, die zu Hause der in Heimen krank, pflegebedürftig oder behindert ind, durch zusätzliche Aufwandsentschädigungen für en Leistungserbringer regeln, ist ein guter und ein ichtiger Schritt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Insgesamt ist festzustellen, dass wir viele kleine
unkte aufgeführt haben. Es war eine Fleißarbeit. Ich bin
ir sicher, dass alle Leistungserbringer das zum Wohle

er Versicherten und der Patientinnen und Patienten und
so hoffen wir – im Geiste dieses Gesetzes ausgestalten
erden.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714602900

Das Wort erhält nun die Kollegin Marlies Volkmer für

ie SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Marlies Volkmer (SPD):
Rede ID: ID1714603000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Je

chlechter ein Gesetz ist, umso mehr bedarf es der Nach-
esserung und umso mehr Änderungsanträge müssen
roduziert werden. Wer bei der Anhörung war, der hat
atürlich auch erlebt, wie verheerend diese Anhörung
r die Koalition gewesen ist. Es kamen praktisch Wat-

chen von allen Seiten.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)


Nun haben Sie fleißig – Frau Michalk hat es noch ein-
al gesagt – gearbeitet. Sie haben 125 Änderungsan-
äge produziert.


(Elke Ferner [SPD]: Trotzdem ist es nicht besser geworden!)


ur, wenn ich das in einer Beurteilung ausdrücken
üsste, würde ich schreiben: hat sich stets fleißig be-
üht. – Sie wissen selbst, was das bedeutet.

Durch die Änderungsanträge ändert sich die grund-
ätzlich falsche Ausrichtung dieses Gesetzes überhaupt
icht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as sogenannte Versorgungsstrukturgesetz ändert eben
eine Strukturen. Aber das wäre notwendig gewesen,
eil wir mit dem klassischen Einzelkämpferarzt den An-
rderungen, die vor uns stehen, nicht gerecht werden

önnen.

Wir müssen hinsichtlich der Gewährleistung der ge-
undheitlichen Versorgung nicht vom niedergelassenen
rzt her denken, wie Sie das tun. Bei Ihnen steht dieser
ach wie vor im Mittelpunkt. Sie sagen zum Bespiel, wir

(B)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17335

Dr. Marlies Volkmer


(A) )


)(B)

müssen die Honorare erhöhen, damit Ärzte in die ländli-
chen Regionen gehen.


(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Ja, wir setzen auf Anreize!)


Sie schaffen Voraussetzungen dafür, dass niedergelas-
sene Ärzte zusätzlich im Krankenhaus tätig werden kön-
nen.

Die anderen Leistungserbringer müssen sich, was die
Strukturen betrifft, nach dem niedergelassenen Arzt rich-
ten – sie dürfen ihm quasi nicht in die Quere kommen –,
und die Patientinnen und Patienten, für die diese Versor-
gung eigentlich da ist, müssen sich mit diesen Strukturen
zufriedengeben. Sie müssen quasi damit Vorlieb neh-
men.


(Beifall bei der SPD)


Das kann nicht so bleiben. Wir müssen hinsichtlich der
Gewährleistung der Versorgung vom Patienten her den-
ken. Wir müssen fragen: Was brauchen wir für eine be-
darfsgerechte Versorgung der Patientinnen und Patienten
überall im Land, ganz egal, ob sie in der Großstadt oder
auf dem Dorf leben?

Wir alle wissen: Die Menschen werden immer älter
– der Anteil älterer und hochaltriger Menschen steigt –,
die Zahl der Einpersonenhaushalte nimmt zu, und wir
haben schon heute in vielen Regionen Deutschlands Ver-
sorgungsengpässe. Das alles sind Herausforderungen,
vor denen wir stehen und die wir bewältigen müssen.
Hier ist echte Teamarbeit gefragt, nicht nur zwischen
Hausärzten und Fachärzten, nicht nur zwischen nieder-
gelassenen Ärzten und Krankenhäusern, sondern auch
zwischen Ärzten und nichtärztlichen Gesundheitsberu-
fen. Es gibt im Übrigen viele Ärztinnen und Ärzte, die
das auch so sehen. Aber dieses Gesetz wird diesem An-
spruch nicht gerecht.

Durch das Gesetz zieht sich wie ein roter Faden
Klientelpolitik für Vertragsärzte.


(Lars Lindemann [FDP]: Und für Patienten!)


Es gibt ein tiefes Misstrauen gegenüber modernen Ver-
sorgungsstrukturen wie zum Beispiel Medizinischen
Versorgungszentren. Auch wenn die Medizinischen Ver-
sorgungszentren hier gerade sehr gelobt worden sind,
muss man doch feststellen, dass den Medizinischen Ver-
sorgungszentren mit diesem Gesetz wieder Fesseln an-
gelegt werden.


(Beifall bei der SPD)


Eines muss man der Koalition lassen: Sie ist konse-
quent, wenn es um die Klientelpolitik für niedergelas-
sene Ärzte geht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lars Lindemann [FDP]: Und für Patienten!)


Aber es fehlen der Wille und vielleicht auch der Mut,
konsequent etwas für die qualitätsgesicherte Versorgung
der Patientinnen und Patienten zu tun. Ein Beispiel dafür
ist, dass wir schon ewig auf das angekündigte Patienten-
rechtegesetz warten. Ich bin gespannt, ob es im Frühjahr
nächsten Jahres das Licht der Welt erblicken wird.

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(C (D Ich möchte ein weiteres Beispiel nennen: den Umang mit neuen Medizinprodukten. Verbraucherschützer eklagen, dass zum Beispiel neuartige Endoprothesen der neuartige Stents auf den Markt kommen und den atientinnen und Patienten implantiert werden, obwohl an noch nichts über ihre Qualität und nichts darüber agen kann, ob sie tatsächlich einen Nutzen für die Paentinnen und Patienten bringen. Durch dieses Gesetz ird sich daran leider nichts ändern. Das ist sehr bedau rlich für die Patientinnen und Patienten und natürlich uch für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, die inen Anspruch auf eine qualitätsgesicherte Versorgung aben. Dieses Gesetz ändert trotz seines schönen Namens ichts an den Versorgungsstrukturen. Es verbessert die ersorgung der Patientinnen und Patienten nicht. Aber ines kann man mit Sicherheit sagen: Durch dieses Geetz wird die Versorgung teurer, zum Beispiel deshalb, eil die Honorare für die Ärzte steigen. (Lars Lindemann [FDP]: Sie müssen sich schon mal entscheiden! Wollen Sie sie nun besser bezahlen oder nicht?)


(Elke Ferner [SPD]: Wahrscheinlich nicht!)


er muss das bezahlen?


(Lars Lindemann [FDP]: Sie wollen sie also nicht besser bezahlen, ja? Dann sagen Sie das doch dazu!)


as müssen die Versicherten über Zusatzbeiträge allein
ezahlen; denn diese Regierung hat die Arbeitgeberbei-
äge eingefroren.


(Lars Lindemann [FDP]: Mehr Leistung ohne Anreize wollen Sie! Zwangsarbeit!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie vielleicht
edenken haben, einem Gesetz zuzustimmen, das die
ersorgung nicht verbessert, das Gesundheitssystem
ber teurer macht, dann ermutige ich Sie, unserem Ent-
chließungsantrag zuzustimmen.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714603100

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der

ollege Lothar Riebsamen für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Lothar Riebsamen (CDU):
Rede ID: ID1714603200

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

nd Kollegen! Das Berlin-Institut für Bevölkerung und
ntwicklung wurde gestern in meiner Heimatzeitung mit
lgender Überschrift zitiert: Das Land muss sich neu er-
nden. – Gott sei Dank müssen wir das Gesundheitswe-
en nicht neu erfinden; denn wir haben ein gutes Ge-
undheitswesen.


(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Richtig!)


s ist aber notwendig, dieses Gesundheitswesen weiter-
uentwickeln; das ist wahr.

17336 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Lothar Riebsamen


(A) )


)(B)

Wir müssen auf die demografische Entwicklung re-
agieren. Die Bevölkerung, also auch die Patientinnen
und Patienten, wird erfreulicherweise immer älter, und
auch die Ärztinnen und Ärzte werden erfreulicherweise
immer älter. Durchschnittlich sind sie inzwischen
53 Jahre alt. Damit läuft bereits jetzt eine Welle von In-
ruhestandsetzungen, und es ist keineswegs gewährleis-
tet, dass all diese niedergelassenen Ärzte auch tatsäch-
lich einen Nachfolger finden. Das ist ein Problem.

Ein weiteres Problem ist der Trend, dass die Bevölke-
rung raus aus ländlichen Räumen hinein in die Städte
zieht. Das hat damit zu tun, dass wir zu wenige Kinder
haben. Familien mit Kindern bevorzugen den ländlichen
Raum. Diese werden nun leider weniger, mit der Folge,
dass die öffentliche Infrastruktur, wie Schulen, Kinder-
gärten und anderes mehr, und auch die private Infra-
struktur, wie Geschäfte, Bankfilialen und auch Arzt-
praxen, im ländlichen Raum in Nöte kommen, es hier
Einschränkungen gibt und auch Einrichtungen geschlos-
sen werden.

Die dritte Herausforderung besteht darin, dass die
heutige junge Ärztegeneration eine etwas andere Vor-
stellung davon hat, ihren Beruf zu leben als die Genera-
tion vor 20 oder 30 Jahren. Hier spielen die Vereinbar-
keit von Familie und Beruf, aber auch die Frage, ob man
das Risiko eingehen kann, im ländlichen Raum in eine
neue Arztpraxis zu investieren, eine wichtige Rolle.

Diesem Bündel von Veränderungen stellen wir mit
diesem Gesetzentwurf ein Bündel von Maßnahmen zur
Lösung gegenüber. Wir werden mit diesem Gesetzent-
wurf das Gesundheitsniveau in unserem Land mit wei-
terhin freier Arztwahl, freier Krankenhauswahl und ei-
ner flächendeckenden Versorgung im ambulanten und
stationären Bereich auf hohem Niveau halten.

Bei dieser Problemlage spielt natürlich die Bedarfs-
planung eine herausragende Rolle. Es ist notwendig, die
Bedarfsplanung nicht mehr global, pauschal zu betrach-
ten, sondern sie ganz konkret an den örtlichen Gegeben-
heiten, an den Distanzen bis zum nächsten Facharzt und
bis zum nächsten Hausarzt, an der konkreten Morbidität
und an der konkreten Sozialstruktur auszurichten.

Es ist bei dieser Bedarfsplanung auch notwendig, sek-
torübergreifend vorzugehen – das tun wir mit diesem
Gesetzentwurf –, Krankenhäuser und Rehakliniken mit
einzubeziehen, aus wirtschaftlichem Interesse dafür zu
sorgen, dass Doppelstrukturen abgebaut werden, und im
Interesse der Patienten zu erreichen, dass diese nicht von
Pontius zu Pilatus gehen müssen, sondern die Diagnosen
und Therapien möglichst an einer Stelle erhalten kön-
nen.

Diese Ziele können wir nicht ohne die Ärzte, sondern
nur im Zusammenspiel mit den Ärzten erreichen. Des-
wegen müssen wir Anreize setzen, um den niedergelas-
senen Ärzten vor allem im ländlichen Bereich und in be-
stimmten Stadtbezirken das Leben ein Stück weit zu
erleichtern.

Dazu gehört zum Beispiel die Abschaffung der Resi-
denzpflicht. Wenn beide Partner in verschiedenen Städ-
ten arbeiten, dann muss schon innerhalb der Familie ein

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(C (D ompromiss geschlossen werden. Deswegen ist die Abchaffung der Residenzpflicht wichtig. Es werden größere Notdienstbereiche geschaffen, dait die jungen Arztfamilien die Wochenenden und ihre reizeit besser planen können, und es werden natürlich uch finanzielle Anreize gesetzt. Diese finanziellen Anize sind notwendig, und es ist auch richtig, diese am onkreten Bedarf vor Ort auszurichten, indem die Honore dezentral festgesetzt und Abstaffelungen abge chafft werden. Wenn ein Arzt seine Praxis in einer Geeinde schließt und dort nur noch ein Arzt übrig bleibt, ann kann es nicht sein, dass dieser dafür bestraft wird, ass er mehr arbeitet als bisher. Die richtigen Anreize müssen allerdings – ich erlaube ir, das zu sagen – über diesen Gesetzentwurf hinaus uch im stationären Bereich gesetzt werden. Hier geht es arum, Krankenhäuser in der Fläche zu sichern. Es geht ber auch darum, Überkapazitäten dort, wo sie vorhanen sind, abzuschaffen, und es ist auch nicht unbedingt as richtige Mittel, fehlende Erlöse in den Krankenhäuern permanent durch Mehrleistungen auszugleichen. Deswegen halte ich es für notwendig und richtig, dass ir uns über diesen Gesetzentwurf heute hinaus zeitnah nfang des neuen Jahres über die Erlössituation in den rankenhäusern unterhalten. Dort klafft die Schere zwi chen Einnahmen und Ausgaben – auch mit Blick auf ie Tarifverhandlungen – allzu weit auseinander. Das alte ich für ein wichtiges Ziel dieser Koalition im komenden Jahr, für das ich mich sehr gern einsetzen werde. Mit diesem Gesetzentwurf wird sichergestellt, dass ir die Probleme, die auf uns zukommen, nicht nur pas iv zur Kenntnis nehmen, sondern aktiv darauf reagien. Ich habe mit dem Zitat vom Berlin-Institut für Be ölkerung und Entwicklung begonnen. Wir müssen auf ie Veränderungen, die es nun einmal in der Welt gibt, agieren. Mit diesem Gesetzentwurf schaffen wir Ver esserungen für das System insgesamt, insbesondere ber für unsere Patientinnen und Patienten. Herzlichen Dank. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bunesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Verbesseng der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen rankenversicherung. Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt unter uchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Druck ache 17/8005, den Gesetzentwurf der Bundesregierung uf den Drucksachen 17/6906 und 17/7274 in der Auschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die em Gesetzentwurf in dieser Fassung zustimmen woln, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer nthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter eratung mit den Stimmen der Koalition gegen die timmen der Opposition angenommen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17337 Präsident Dr. Norbert Lammert )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714603300

(A) )

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der
Gesetzentwurf mit den gleichen Mehrheiten angenom-
men.

Wir kommen zur Abstimmung über die Entschlie-
ßungsanträge.

Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktio-
nen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/8009? –
Gegenprobe! – Wer enthält sich? – Auch dieser Ent-
schließungsantrag ist mehrheitlich angenommen.

Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak-
tion der SPD auf Drucksache 17/8010? – Wer stimmt da-
gegen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungsantrag
ist mit Mehrheit abgelehnt.

Unter Tagesordnungspunkt 3 b setzen wir die Abstim-
mung zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für
Gesundheit auf Drucksache 17/8005 fort. Der Ausschuss
empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfeh-
lung die Ablehnung des Antrages der Fraktion Die Linke
auf Drucksache 17/3215 mit dem Titel „Wirksamere Be-
darfsplanung zur Sicherung einer wohnortnahen und be-
darfsgerechten gesundheitlichen Versorgung“. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist die Beschluss-
empfehlung angenommen.

Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ab-
lehnung des Antrages der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen auf Drucksache 17/7190 mit dem Titel „Wirksame
Strukturreformen für eine patientenorientierte Gesund-
heitsversorgung auf den Weg bringen“. Wer stimmt die-
ser Beschlussempfehlung zu? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit
Mehrheit angenommen.

Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe d
der gleichen Beschlussempfehlung die Ablehnung des
Antrages der Fraktion Die Linke auf der Drucksache
17/7460 mit dem Titel „Moratorium für die elektroni-
sche Gesundheitskarte“. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit Mehrheit
angenommen worden.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Aber knapp!)


– Das war schon ziemlich übersichtlich.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a bis e sowie 20
auf:

4 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Silvia
Schmidt (Eisleben), Anette Kramme, Elke
Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD

UN-Konvention jetzt umsetzen – Chancen für
eine inklusive Gesellschaft nutzen

– Drucksache 17/7942 –

(C (D Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales Petitionsausschuss Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Sportausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss b)

Zimmermann, Dr. Ilja Seifert, Dr. Martina Bunge,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE
LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Neunten Buches Sozialge-
setzbuch – Gesetzliche Fristen für die Feststel-
lung der Behinderung und die Erteilung des
Ausweises

– Drucksache 17/6586 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ilja
Seifert, Dr. Martina Bunge, Matthias W.
Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion DIE LINKE

Behindern ist heilbar – Unser Weg in eine in-
klusive Gesellschaft

– Drucksache 17/7872 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Petitionsausschuss
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

17338 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ilja
Seifert, Dr. Martina Bunge, Agnes Alpers, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Teilhabesicherungsgesetz vorlegen

– Drucksache 17/7889 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus
Kurth, Fritz Kuhn, Katrin Göring-Eckardt, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch im Sinne des
Selbstbestimmungsrechts der Menschen mit
Behinderung weiterentwickeln

– Drucksache 17/7951 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

20 Beratung des Antrags der Abgeordneten Gabriele
Hiller-Ohm, Elvira Drobinski-Weiß, Hans-
Joachim Hacker, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der SPD

Tag des Barrierefreien Tourismus auf der ITB
unterstützen

– Drucksache 17/7827 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Tourismus (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache wiederum 90 Minuten vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann können wir offensicht-
lich so verfahren.

Ich eröffne die Aussprache.


(Unruhe)


Sobald man sich auf den Bänken neu sortiert hat, erhält
die Kollegin Elke Ferner das Wort für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1714603400

Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Am

Samstag ist der Welttag der Menschen mit Behinderun-

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(C (D en. Ich muss sagen: Ich freue mich, dass heute in der ebatte auch Frau von der Leyen das Wort ergreift. ach meiner Erinnerung ist es eine Premiere, dass ein itglied der Bundesregierung, zumindest auf der Minisrebene, das Wort ergreift, wenn die Opposition Anäge zu einem Thema einbringt. Ich bin sehr gespannt, rau von der Leyen, welche unserer vorgeschlagenen aßnahmen Sie bereit sind zügig umzusetzen, um den enschen mit Behinderungen entgegenzukommen und ie Situation zu verbessern. Am Samstag werden sich viele mit schönen Worten ur Inklusion bekennen. Aber Menschen mit Behindengen und ihren Angehörigen ist alleine mit Reden, uch wenn sie noch so schön sind, nicht geholfen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ie wollen als selbstverständlicher Teil der Vielfalt einer
esellschaft akzeptiert und respektiert werden. Sie wol-
n nicht als Bittstellerinnen oder Bittsteller am Rande
er Gesellschaft stehen. Sie wollen teilhaben können
nd nicht nur bloß teilhaben dürfen.

Für uns Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen
ilden die gleichberechtigte Teilhabe und die Selbstbe-
timmung aller Menschen, die von gegenseitigem Res-
ekt und von gegenseitiger Solidarität getragen sind, das
undament unserer Gesellschaft. Behindertenpolitik ist
eine Nischenpolitik. Sie ist Menschenrechtspolitik.
olitik für Menschen mit Behinderungen muss immer
olitik zusammen mit den Expertinnen und Experten in
igener Sache sein und keine Politik über sie.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben seit 1998 mit den Grünen viel auf den Weg
ebracht, auch wenn wir noch lange nicht alles erreicht
aben, was man erreichen muss. Wir haben das Behin-
ertengleichstellungsgesetz gemacht. Damit haben wir
rstmals Ansprüche behinderter Menschen auf barriere-
eien Zugang sowohl zu Infrastruktureinrichtungen als
uch zu Informationen und geistiger Teilhabe gesetzlich
erankert. Wir haben mit der Einführung des SGB IX als
rste den Versuch unternommen, das zergliederte Sozi-
lsystem zugunsten von Menschen mit Behinderungen
usammenzuführen. Wir haben in der Großen Koalition
egen die erbitterten Widerstände aus CDU und CSU
as Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auch in
eutschland Wirklichkeit werden lassen. Das sind si-

herlich Meilensteine in der Behindertenpolitik.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


eit 2006 gilt damit erstmals ein eigenes Gesetz, mit
em die Diskriminierung von Menschen mit Behinde-
ngen sanktioniert wird. Davon – das muss man leider

agen – zehren die Koalition und die sie tragenden Frak-
onen immer noch. Bisher sind keine eigenen Initiativen
uf den Weg gebracht worden.


(Beifall bei der SPD)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17339

Elke Ferner


(A) )


)(B)

Wir haben vor zwei Jahren die UN-Behinderten-
rechtskonvention ratifiziert, und die Regierung hat
nichts geliefert. Unser Antrag enthält mehr Forderungen
und Möglichkeiten als das, was Sie in Ihrem doch sehr
zögerlichen Nationalen Aktionsplan geliefert haben. Wir
haben kein Erkenntnisdefizit. Wir haben ein Umset-
zungsdefizit. Deshalb muss ein Aktionsplan mehr als ein
paar Absichtserklärungen und Forschungsaufträge ent-
halten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich muss Ihnen sagen: Mit Ihrer konkreten Politik ge-
hen Sie zurück und nicht voran. Ich will das an ein paar
Beispielen deutlich machen. Das KfW-Programm zur
Förderung von Maßnahmen zum Bau einer barriere-
freien Wohnung läuft aus.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Nein! Das läuft weiter!)


Was machen Sie mit den Teilen der UN-Behinderten-
rechtskonvention, in denen es um Bewusstseinsbildung
und Vorgehen gegen Diskriminierung geht? Die Mittel
für die Antidiskriminierungsstelle werden gekürzt, und
zwar Jahr für Jahr. Sie wollen die Rentenversicherungs-
beiträge von Beschäftigten im Ausbildungsbereich einer
Werkstatt für Behinderte der Verantwortung der Steuer-
zahler entziehen und diese Kosten auf die Rehaträger ab-
laden. Auch in der Novelle des Personenbeförderungs-
gesetzes ist nichts zu umfassender Barrierefreiheit in den
neuen Fernbussen, die bald auf Deutschlands Straßen
unterwegs sein werden, zu finden. All das sind Schritte
zurück und nicht nach vorne.

Der letzte Punkt, den ich im Rahmen der konkreten
Beispiele noch anführen möchte, ist, dass Sie bei der
Neuordnung der Regelsätze Menschen über 25 Jahre un-
gleich behandeln, abhängig davon, ob sie zum Rechts-
kreis des SGB XII oder des SGB II zählen. Damit haben
Sie de facto Leistungen für Menschen mit Behinderun-
gen gekürzt, Frau von der Leyen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie nach der Proto-
kollnotiz, die von der Bundesregierung im Bundesrat ab-
gegeben worden ist, heute ankündigen würden, dass Sie
schnell eine Lösung anbieten werden, statt ellenlange
Briefe zu schreiben und das Ganze auf den Sankt-Nim-
merleins-Tag zu verschieben.

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen. Die Einzel-
heiten werden nachher noch von den anderen Rednern
und Rednerinnen erläutert. Ich glaube, dass wir in der
Behindertenpolitik einen Paradigmenwechsel brauchen.
Wir müssen uns – wir wollen das auch – an den Stärken
und Potenzialen der Menschen mit Behinderungen
orientieren, und wir müssen die bisherige Defizitorien-
tierung endlich überwinden.


(Gabriele Molitor [FDP]: Genau das macht der Aktionsplan!)


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(C (D as macht, glaube ich, auch in der Zukunft den Unterchied aus. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir im Interesse er Menschen mit Behinderungen noch in dieser Wahleriode nennenswerte Fortschritte auf den Weg bringen önnen, auch wenn wir vielleicht nicht in jedem Punkt iner Meinung sein werden. Den Rest – das kann ich Ihen versprechen – machen wir dann zusammen mit den rünen nach dem Jahr 2013. Schönen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1714603500

Das Wort hat nun die Bundesministerin für Arbeit und

oziales, Frau Dr. von der Leyen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
rbeit und Soziales:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau

erner, ich habe die Kritik im Detail gehört. Aber ich
laube, es gibt auch sehr große Gemeinsamkeiten. Ich
öchte zwei, drei Gedanken über diese Gemeinsamkei-
n vorwegschicken. Denn das ist auch der zentrale Leit-
edanke der UN-Behindertenrechtskonvention, der dies
eutlich formuliert, nämlich die Idee der Inklusion.

Unsere Vision, unser Ziel ist die Inklusion. Wir sind
uf dem Weg dorthin, dass wir eines Tages in einer Ge-
ellschaft leben, in der es in Geschäften, auf Straßen, in
otels, in einer Pizzeria, im Fernsehen, bei der Arbeit, in
er Straßenbahn, wo immer wir uns bewegen, Menschen
it unterschiedlichen körperlichen, intellektuellen oder
entalen Voraussetzungen gibt, die mit großer Selbst-

erständlichkeit ohne Trennung miteinander leben, und
ass wir das als selbstverständlich erleben. Das ist der
roße Gedanke der Inklusion der UN-Behindertenrechts-
onvention.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Für uns ist der Auftrag, die UN-Behindertenrechts-
onvention umzusetzen, ein Focal Point. Die Bundesre-
ierung hat den Nationalen Aktionsplan auf den Weg ge-
racht, mit dem wir mit 200 größeren und kleineren
aßnahmen entsprechende Schritte machen. Sie können

ie kritisieren und sagen: Das ist zu wenig. Aber die
onvention sagt zu Recht: Alle – also nicht nur die Bun-
esregierung, sondern auch die Länder, die Kommunen,
ie Wohlfahrtsverbände und die Wirtschaft – sollen sa-
en, was sie dazu beitragen, dass wir in einer inklusiven
esellschaft leben können. Der Gedanke ist, dass jeder

rst einmal selber sagt, was er oder sie für eine inklusive
esellschaft tut, bevor man mit dem Finger auf andere

eigt und sagt: Ihr müsst das tun. Man soll erst einmal
elber sagen: Was können wir beitragen?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


17340 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen


(A) )


)(B)

Ich glaube, das ist ein großartiger Ansatz. Denn es ist
viel schwerer zu sagen: „Das tun wir aktiv“, sei es ein
Verband, ein Wirtschaftszweig, eine Kommune, die
Bundesregierung oder ein einzelnes Bundesland, als zu
sagen, was man von anderen fordert. Bisher hat neben
der Bundesregierung ein einziges Bundesland einen na-
tionalen Aktionsplan vorgelegt; das ist Rheinland-Pfalz.
Andere sind auf dem Weg.

Aber ich freue mich auch, dass mir zum Beispiel ein-
zelne Wohlfahrtseinrichtungen schreiben, die mir den
Aktionsplan für ihre Einrichtung zeigen wollen und mit
mir darüber ins Gespräch kommen möchten. Das ist das
Schneeballsystem. Das ist der große Gedanke der Inklu-
sion, den wir gemeinsam voranbringen wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das ist auch Ausdruck der Ernsthaftigkeit, der Gewis-
senhaftigkeit und des Ehrgeizes, mit dem wir an diese
Aufgabe herangehen.

Wir alle wissen: Es gibt auch die andere Seite. Wir
haben sehr komplexe Strukturen. Wir haben lange auf
Sondereinrichtungen, Sonderlösungen und Sonder-
programme gesetzt und eher auseinandergebracht, was
eigentlich zusammengehört. Es gibt die berechtigte
Sehnsucht nach Unmittelbarkeit, Einfachheit und Au-
thentizität. Das ist, wenn ich es einmal umgekehrt for-
mulieren darf, die Sehnsucht nach einer Gesellschaft, in
der weder Familien noch Klassengemeinschaften daran
zerbrechen, dass ein behindertes Kind in ihnen lebt, in
der ein Unfall mit bleibenden Folgen nicht zwangsläufig
den Verlust von Selbstbestimmung und Unabhängigkeit
bedeutet, in der in Geschäften der Zugang nicht erst
durch eine Verbandsklage erreicht werden kann, in der
Menschen in der Bahn völlig unkompliziert von A nach B
fahren können, um nur einige Gedanken vornewegzu-
schicken. Das heißt, wir müssen jetzt konkret in einzel-
nen, vielleicht kleineren oder auch größeren Schritten
den Weg dorthin gehen.

Beispiel Deutsche Bahn: Früher konnten 1,4 Millio-
nen schwerbehinderte Menschen in einem 50-Kilometer-
Radius um ihren Wohnort kostenlos mit der Regional-
bahn fahren. Für jeden Kilometer darüber hinaus, ab
dem 51. Kilometer, mussten sie ein Ticket lösen. Das be-
deutet für Menschen, die im Rollstuhl sitzen, oder für
Menschen, die blind sind, eine enorme Barriere. Seit
September sind diese Grenzen bei der Bahn gefallen; der
Nahverkehr ist für Menschen mit schwerer Behinderung
in Deutschland unbegrenzt nutzbar.


(Widerspruch des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


Ich finde das großartig von der Bahn, und genau diese
Form der Unterstützung wünsche ich mir auch in ande-
ren Bereichen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Beispiel Arbeit: Die Arbeitslosenzahl bei Menschen
mit Schwerbehinderung liegt bei knapp 174 000. Da wa-
ren wir vor zwei Jahren auch. Im Januar waren wir bei
190 000. Die Zahl ist wieder gesunken, aber wir haben

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(C (D ie schon erreichte Schwelle noch nicht unterschritten. ir wollen besser werden. Wir haben die „Initiative In lusion“, mit 100 Millionen Euro unterfüttert, auf den eg gebracht: für 20 000 schwerbehinderte Schülerin en und Schüler Förderung der Ausbildung, 1 300 beiebliche Ausbildungsplätze zusätzlich, 4 000 neue reuläre Jobs für ältere Schwerbehinderte. Das ist unser eitrag. Noch einmal zur Richtigstellung: In den Werkstätten Rehabereich ändert sich für Menschen mit Behindeng gar nichts, Frau Ferner. (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Das ist aber schlecht!)


ar nichts ändert sich, es wird gezahlt. Auch bei den ar-
eitsmarktpolitischen Instrumenten ändert sich für Men-
chen mit Behinderungen gar nichts. Ich glaube, das
ollte man einfach einmal anerkennen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Es bessert sich also auch nichts!)


Beispiel Gesundheit: Nur 10 Prozent der Arztpraxen
ind vollständig barrierefrei.


(Zurufe von der SPD: Was?)


ir als Bundesregierung setzen uns deswegen mit Ver-
etern des Gesundheitswesens zusammen. Denn für
enschen mit Behinderungen ist die vollständige Bar-

erefreiheit entscheidend, damit sie ihre freie Arztwahl
usüben können; sonst können sie dieses Recht nicht
ahrnehmen. Also ist unser Ziel, in den nächsten zehn

ahren eine deutlich erhöhte Zahl an barrierefreien Pra-
en zu schaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das zeigt: Der NAP ist ein Motor für Veränderungen,
ber kein Gesetzespaket. Diese Debatte zeigt aber auch
da danke ich noch einmal für die Anträge, die ich in
in paar Details unterstütze, in anderen nicht –,


(Elke Ferner [SPD]: In welchen denn?)


ass wir eine große Übereinstimmung bei den Stichwor-
n barrierefreie Arztpraxen, Bildung, Reha, Arbeit und
eschäftigung haben.

Wir haben aber auch eine große Übereinstimmung
insichtlich des Antrages der Fraktion Bündnis 90/Die
rünen zur Weiterentwicklung des SGB IX, zur Stär-
ung des inklusiven Ansatzes. Dazu möchte ich noch
inmal sagen: Wir haben eine Bund-Länder-Arbeits-
ruppe, die sehr systematisch an der Veränderung des
GB IX arbeitet, um einerseits strukturell-inhaltlich die
ielen Brüche und Widersprüche zu eliminieren und an-
ererseits das Kostengerüst für unsere gemeinsamen
orstellungen zu entwickeln. Sie macht eine gute Arbeit
nd ist fast fertig.

Ich sage an dieser Stelle: Ich wünsche mir schlicht
nd einfach – da gibt es einen großen Konsens zwischen
und und Ländern,


(Zuruf des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17341

Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen


(A) )


)(B)

mit den unterschiedlichsten Parteien und den unter-
schiedlichsten Interessen dahinter –, dass wir diesen
Weg gemeinsam weitergehen. Dazu werde ich meinen
Teil beitragen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714603600

Das Wort hat nun Gregor Gysi für die Fraktion Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714603700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich

mich auf diese Rede vorbereitet habe, habe ich mir Ge-
danken darüber gemacht, wie sich mein Verhältnis zu
Menschen mit Behinderung im Laufe der Jahre verän-
dert hat. Wir sprechen hier von Menschen mit bestimm-
ten Behinderungen, ob nun mental, geistig oder körper-
lich behindert – damit es da keine Zwischenrufe gibt und
Sie wissen, wen wir meinen. Seien wir doch einmal ganz
ehrlich: Meine Generation hat eher ein scheues Verhält-
nis zu diesen Menschen. Wir haben als Kinder den sozia-
len Umgang mit ihnen nämlich nicht gelernt. Da gibt es
heute schon deutliche Verbesserungen. Wenn ich Nazis
jetzt einmal weglasse, die solche Leute schlagen – das ist
völlig indiskutabel; darüber müssen wir gar nicht disku-
tieren –, stelle ich fest: Die anderen sind eher nett, aber
eben doch zurückhaltend; sie wollen nicht so viel damit
zu tun haben und denken deshalb nicht daran.

Ich bin ganz sicher: In der Unionsfraktion und in un-
serer Fraktion hat sich dadurch etwas verändert, dass
beide Fraktionen einen Rollstuhlfahrer in ihren Reihen
haben. Ich schildere Ihnen einmal, wie das war: Wir or-
ganisierten eine Veranstaltung. Natürlich hatte keiner an
die Behinderten gedacht. Dann kam Ilja Seifert in den
Veranstaltungsraum nicht hinein, und wir mussten vier
starke Männer organisieren, um das irgendwie zu regeln.
Wir hatten an dieses Problem einfach nicht gedacht. Ich
glaube, dass sich das bei Ihrer Fraktion und bei unserer
Fraktion geändert hat, weil wir einfach gezwungen
waren, daran zu denken.

Ich möchte, dass wir jetzt einmal ehrlich im Umgang
miteinander sind und sagen: Wir müssen uns wirklich
einen Ruck geben; wir müssen ganze Generationen
darauf vorbereiten, dass sie eine gleichberechtigte Teil-
habe dieser Menschen wollen. Sie müssen erkennen,
dass es sie selbst bereichert, wenn sie anders an das
Ganze herangehen.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Für den 2. und 3. Dezember 2011 war eine Begeg-
nung von Bundestagsabgeordneten mit Menschen mit
Behinderung geplant; auch Bundesministerinnen und
Bundesminister sollten daran teilnehmen. – Abgesagt,
ausgeladen!


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Verschoben!)



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(C (D Ja, ja, ich weiß: Sie kommt nächstes Jahr. – Warum? eil über 100 Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer ommen wollten, und dann stellte man fest, dass dieses ebäude, der Reichstag, der zum Teil umgebaute neue undestag, nicht in der Lage ist, diese Rollstuhlfahrer ufzunehmen. Das ist doch eine traurige Erkenntnis. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ir können das nicht anders bezeichnen. Was ist jetzt
nsere Schlussfolgerung, Frau Bundesministerin von der
eyen? Diese Begegnung findet nächstes Jahr mit weni-
er Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern statt.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Ihr Kollege wollte 80 ausladen! Ist das besser?)


as kann doch nicht die Antwort sein. Die Antwort
uss sein, dafür zu sorgen, dass sie alle kommen und
ilnehmen können.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD)


Nun geht es um die UN-Behindertenrechtskonven-
on; sie ist geltendes Recht. Sie ist übrigens die erste
enschenrechtskonvention in diesem Jahrhundert. Die
roße Koalition hat erklärt: Ein Aktionsprogramm ist
ar nicht nötig. Die jetzige Koalition sagt: Wir machen
in Aktionsprogramm. Allerdings müssen Sie doch ein-
umen, Frau Bundesministerin: Fast sämtliche Behin-

ertenbewegungen haben Ihren Aktionsplan kritisiert,
nd zwar aus gutem Grund: weil er eben nicht den
urchbruch bringt, den wir diesbezüglich endlich brau-

hen.

Diese Konvention verlangt eine einkommens- und
ermögensunabhängige Teilhabesicherung. Davon sind
ir aber noch weit entfernt. Ich nenne einmal ein paar
eispiele: ICE – nur zwei Plätze für Rollstuhlfahrerin-
en bzw. Rollstuhlfahrer. Begrenzungen gibt es aber
uch in Kinos, in Theatern, in Stadien. In wie vielen
ebäuden können Behinderte nicht auf Toiletten? Und
wie viele Gebäude kommen sie gar nicht erst hinein?
as gilt auch für Arztpraxen – Sie haben sie genannt; die
ahl 10 Prozent scheint mir übrigens sehr niedrig zu
ein; ich glaube, es sind mehr –, Apotheken, Hotels,
aststätten, Kultureinrichtungen, Kirchen und Wohn-
äuser. Überall müssen wir etwas tun. Es gibt übrigens
uch viele Straßenbahnen, die noch nicht behinderten-
erecht sind, das heißt, sie sind nicht entsprechend aus-
erüstet. Bei der Bahn ist es schon viel besser; aber dort
hlt oft das Personal, vor allen Dingen wenn Menschen
it Behinderung später ein- oder aussteigen wollen.
uch das ist ein Problem. Jetzt beraten wir über ein
eues Fernbus-Gesetz. Frau Bundesministerin, warum
chreiben wir in dieses Gesetz nicht hinein, dass Fern-
usse künftig barrierefrei zu sein haben? Das könnte
och verpflichtend in diesem Gesetz stehen.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe im Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpom-
ern eine Werkstatt für geistig Behinderte besucht. Ich

abe festgestellt, dass diese Menschen mit großer Kon-

17342 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Dr. Gregor Gysi


(A) )


)(B)

zentration arbeiten und immer gleiche Handgriffe
machen, wie ich es überhaupt nicht könnte. Ich habe
festgestellt, dass diese Menschen Dinge können, die ich
nicht kann. Das zu erkennen, ist ungeheuer wichtig.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie können das mit einer Ausdauer, die ich in einem sol-
chen Fall gar nicht an den Tag legen könnte. Aber sie be-
kommen nur ein Entgelt. Schon die Bezeichnung „Ent-
gelt“ finde ich doof. Warum kann diese Arbeit eigentlich
nicht bezahlt werden?

Die Betreuerinnen und Betreuer erzählten mir, dass
sie gerne einmal eine Prämie oder etwas Ähnliches
geben würden, aber dass das nicht gehe, weil das Geld
gleich wieder mit der Grundsicherung verrechnet werde.
Das heißt, sie bekommen es nicht wirklich ausbezahlt.
Mein Gott, warum müssen wir da so kleinkariert sein?
Können wir ihnen nicht einmal eine Anerkennung für
ihre Arbeit und ihre Leistung in Form einer Prämie gön-
nen?


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe es, ehrlich gesagt, nicht verstanden.

Ich sage noch einmal: Es geht nicht zuvörderst – das
natürlich auch – um medizinische und soziale Probleme,
sondern um Menschenrechte. Das müssen wir wirklich
begreifen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Konvention kann nur umgesetzt werden, wenn
alle Fachressorts der Bundesregierung daran mitwirken
– nicht sie allein, das wäre gar nicht zu schaffen; die an-
deren Ressorts müssen ebenfalls beteiligt werden –, aber
auch die Länder, die Kommunen und ebenso – sie sollte
man nicht vergessen – die Wirtschaft, die Wissenschaft
und die Kultur. Letztlich müssen alle Bereiche ein ande-
res Denken an den Tag legen, anders damit umgehen, die
Konvention verinnerlichen und sie dann so schnell wie
möglich umsetzen.

Es gibt noch etwas: Ich möchte nicht, dass über Men-
schen mit Behinderung entschieden oder geredet wird
ohne sie.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie müssen das Recht auf Teilhabe haben, und zwar
auch, wenn Rechtsakte vorbereitet werden. Wir haben
beim Fernbus-Gesetz keine Menschen mit Behinderung
gefragt. Sonst hätten sie gesagt: Denkt doch bitte auch
an die Barrierefreiheit! Also müssen wir im Bundestag
diese Verpflichtung wahrnehmen und immer daran den-
ken. Ilja Seifert hat mich im Laufe der Jahre immer wie-
der dazu gezwungen, sodass ich es inzwischen nicht
mehr vergesse. Das war früher anders; das bestreite ich
gar nicht. Aber, Ilja, du musst zugeben: Ich habe mich
deutlich gebessert.

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(C (D Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen. Ich bin sofort fertig. – Wir haben drei Anträge einge racht, die meines Erachtens sehr sinnvoll sind. Sie solln sie alle annehmen. Es stimmt nämlich: Behinderung t in einem bestimmten Sinne heilbar. Das müssen wir urchsetzen. Der Welttag für die Menschen mit Behinderung ist er 3. Dezember. Wir müssen uns einen Ruck geben und nsere Einrichtungen so ausstatten, dass die Teilhabe der enschen mit Behinderung am politischen, wissen chaftlichen, kulturellen und jedem anderen gesellchaftlichen Leben so weit wie möglich gewährleistet ird. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714603800
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714603900


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714604000

Das Wort hat nun Gabriele Molitor für die FDP-Frak-

on.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Gabriele Molitor (FDP):
Rede ID: ID1714604100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Ich mache es einmal ganz anders: Ich fange mit
twas Schönem an.

Kennen Sie die Band „Seeside“? Oder kennen Sie
SDS? Die Band „Seeside“ hat in dieser Woche den
tegrativen Musikwettbewerb gewonnen. GSDS heißt

Guildo sucht die Super-Band“. Guildo Horn hat diesen
ettbewerb gemeinsam mit der Lebenshilfe ausgerufen.

03 Bands und Musiker haben sich beteiligt. „Seeside“
at den ersten Platz errungen. Bei „Seeside“ musizieren
eistig und körperlich behinderte Menschen gemeinsam.
etzt hat die Band also den Preis errungen und hofft auf
inen Plattenvertrag.

Der Wettbewerb zeigt, was möglich ist, wenn sich
enschen engagieren. Guildo Horn hat in beispielhafter
eise deutlich gemacht, was möglich ist.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


h kann Ihnen nur empfehlen: Schauen Sie sich die
and an. Sie werden unweigerlich mitwippen, weil Sie
ie Lebensfreude erleben, die von diesen Menschen aus-
eht. Genau das brauchen wir. Wir brauchen Menschen
it Behinderung in der Mitte unserer Gesellschaft und

icht am Rand.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es geht aber auch darum, dass behindernde Umstände
erändert werden können und müssen. Das macht auch
ie Kampagne des Bundesarbeitsministeriums „Behin-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17343

Gabriele Molitor


(A) )


)(B)

dern ist heilbar“ deutlich. Auf großen Plakatwänden
wird dieses Motto humorvoll umgesetzt, eben ohne
erhobenen Zeigefinger. Auch dabei geht es darum, dass
wir gesellschaftliche Veränderung brauchen. Die Politik
gibt den gesetzlichen Rahmen vor. Die Menschen sind
es, die das Motto „Behindern ist heilbar“ in die Tat um-
setzen müssen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mit dem Nationalen Aktionsplan stoßen wir einen
Veränderungsprozess an, der selbstbestimmtes Leben
und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Mit über
200 Maßnahmen gehen wir das Ziel einer inklusiven Ge-
sellschaft an. Unabhängig vom Unterstützungsbedarf
muss jeder Mensch das gleiche und volle Recht auf indi-
viduelle Entwicklung und Teilhabe haben. Wie erreichen
wir das? Durch die Richtigstellung der Verantwortlich-
keit. Es geht nicht darum, wie Menschen mit Behinde-
rung sein müssen, damit sie teilhaben können, sondern
es muss um die Frage gehen: Wie muss unsere Gesell-
schaft gestaltet sein, damit jeder Mensch teilhaben kann?


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Genau das ist es, was mit Inklusion gemeint ist. Wenn
aber Treppenstufen, komplizierte Sprache, Bevormun-
dung oder Vorurteile Inklusion behindern, muss etwas
passieren. Es gibt ganz viele Gelegenheiten für Acht-
samkeit. Schulen müssen fragen: Welche Konsequenzen
hat der Lehrplan für einen Schüler mit Downsyndrom?
Verkehrsunternehmen müssen fragen: Werden beim
Fahrkartenautomaten auch die Belange von sehbehinder-
ten Menschen berücksichtigt? Der Unternehmer muss
sich fragen: Kann ich einen Menschen mit Behinderung
einstellen?


(Beifall des Abg. Pascal Kober [FDP])


Nicht behindern, sondern ermöglichen: Das soll die
Grundidee unserer Projekte sein.

Inklusion fällt nicht vom Himmel. Viele Bürgerinnen
und Bürger – das müssen wir leider feststellen – wissen
wenig über die Bedürfnisse von Menschen mit Behinde-
rungen. Dabei ist Behinderung weiß Gott keine Rand-
erscheinung. 10 Prozent der Weltbevölkerung gelten als
behindert. In Deutschland leben 9,6 Millionen Menschen
mit einer amtlich anerkannten Behinderung. Im Übrigen
sind die Wenigsten von ihnen von Geburt an behindert.
Behinderung kann jeden von uns aufgrund eines Unfalls
oder einer Erkrankung treffen.

Mit dem gemeinsamen Antrag von CDU/CSU und
FDP „Barrierefreies Filmangebot umfassend ausweiten –
Mehr Angebote für Hör- und Sehbehinderte“ setzen wir
uns für die kulturelle Teilhabe von Menschen mit Behin-
derung ein. Ich freue mich über diesen Antrag, weil auch
andere Ressorts dieses Thema jetzt bearbeiten und hier
für Verbesserungen sorgen.

Heute Morgen haben wir bei der Debatte über das
GKV-Versorgungsstrukturgesetz festgestellt, dass die
zahnärztliche Versorgung für Menschen mit Behinde-
rung verbessert werden soll. Dies ist ein entscheidender

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(C (D ortschritt: Andere Ressorts kümmern sich um diese hematik. Das ist genau das, was wir brauchen. Eines sollten wir bei der Debatte nicht vergessen: assen Sie uns vorsichtig sein mit dem Vorwurf, man ürde die UN-Behindertenrechtskonvention nicht richg umsetzen oder ihr gar zuwiderhandeln. Deutschland t ein Land, in dem die Gleichstellung schon weit vongeschritten ist. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


ür unsere Behindertenpolitik und unsere Umsetzung
er Konvention erhalten wir international viel Anerken-
ung.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Wo denn?)


iele der 100 Vertragsstaaten haben noch keinen Ak-
onsplan. Wir liegen mit unserer Politik auf dem richti-
en Kurs, und weitere Verbesserungen werden folgen.
ie, sehr geehrte Opposition, sollten zu Engagement er-
utigen, statt zu behindern.


(Zuruf von der LINKEN: Was? – Mechthild Rawert [SPD]: Lesen Sie unseren Antrag! Da steht das drin!)


er Nationale Aktionsplan ist ein Maßnahmenpaket,
ein Gesetzespaket. Das Paket ist nicht fest verschnürt,
ondern offen für weitere Projekte und Ideen. Sie alle
ind eingeladen, mitzumachen, wenn es heißt, die klei-
en und die großen Veränderungen voranzubringen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Jetzt noch ein Wort zu der Veranstaltung im Deut-
chen Bundestag, die eigentlich für diesen Dezember ge-
lant war und die wir auf das nächste Jahr verschoben
aben. Diese Veranstaltung musste zunächst abgesagt
erden, weil Sicherheitsbedingungen nicht erfüllt wer-
en konnten. Für mich als verantwortungsvolle Politike-
n ist Sicherheit das oberste Gebot. Ich werde, gemein-
am mit den anderen Sprechern, alles daransetzen, dass
iese Veranstaltung im nächsten Jahr unter hoffentlich
arrierefreien Bedingungen durchgeführt werden kann.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714604200

Das Wort hat nun Markus Kurth für die Fraktion

ündnis 90/Die Grünen.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714604300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

ntscheidung darüber, mit wem Sie und wie Sie wohnen
ollen, nehmen Sie natürlich für sich ganz selbstver-

tändlich in Anspruch. Sie würden sich dagegen wehren,
enn Ihnen aufgrund einer medizinischen Diagnose ein
rbeitsort und ein Arbeitsplatz quasi zugewiesen wür-

17344 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Markus Kurth


(A) )


)(B)

den. Sie würden es als ungerecht empfinden, wenn Sie
trotz guter oder gar gesteigerter Arbeitsleistung keine
entsprechende Entlohnung erhalten würden. Es würde
Sie empören, wenn Ihnen nach Ihrem ersten berufsbil-
denden Abschluss keine weitere Möglichkeit zur Quali-
fizierung oder Weiterbildung offenstehen würde. Sie
würden sich kaum damit abfinden, wenn Ihnen ein So-
zialrichter erklären würde, zur Teilhabe am gesellschaft-
lichen Leben genüge es vollkommen, sich im Nahbe-
reich der Wohnung bewegen zu können.

Für viele Menschen mit Behinderungen in Deutsch-
land sind solche Erfahrungen jedoch Alltag und rechtlich
festgelegte Wirklichkeit. Es ist das Besondere an der
UN-Behindertenrechtskonvention, dass Rechte und Le-
benschancen, die sogenannte Nichtbehinderte ganz selbst-
verständlich in Anspruch nehmen können, nunmehr den
Status von Menschenrechten für Menschen mit Behinde-
rungen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Mit diesem Status von Menschenrechten obliegt es
also nicht mehr allein den Menschen mit Behinderung,
sich optimal anzupassen und bestmöglich zu integrieren,
sondern es ist Aufgabe von Gesellschaft, Politik und
Wirtschaft, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass
alle Menschen mit ihren jeweiligen körperlichen, seeli-
schen, mentalen und geistigen Besonderheiten zumin-
dest die Möglichkeit haben, gleichberechtigt und selbst-
bestimmt am Leben teilzuhaben und ihr Leben mit
anderen zu gestalten.

Damit schafft die Behindertenrechtskonvention einen
modernen Freiheitsbegriff: Freiheit ist nach diesem in-
klusiven Verständnis nicht nur eine Abwesenheit von
Zwang. Freiheitsrechte sind mehr als Schutzrechte bei
staatlichen Eingriffen oder übermächtigen Kollektiven.
Damit Menschen mit Beeinträchtigungen, Menschen
ohne oder mit wenigen Ressourcen oder Menschen in
Zwangslagen ihre Freiheitsrechte überhaupt erst in
Anspruch nehmen können, braucht es das aktive ermög-
lichende Handeln von Staat und Gesellschaft. Dieser
Freiheitsbegriff weist weit über die eigentliche UN-Kon-
vention hinaus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Er macht diese Konvention nicht nur zu einem bemer-
kenswerten, sondern, wie ich meine, auch zu einem
bahnbrechenden Menschenrechtsdokument.

Angesichts der Größe des Handlungsauftrags, den
sich die Bundesrepublik Deutschland – wir alle hier –
mit der Ratifizierung der Konvention selbst gegeben hat,
ist es allerdings geradezu erschütternd, in welcher Blo-
ckade und Erstarrung sich die Behindertenpolitik in
Deutschland befindet. In diesem Zusammenhang möchte
ich kurz einige Dinge analysieren.

Nach wie vor ist nicht geregelt, dass Teilhaberechte
– die ja zu einem großen Teil im Sozialrecht angesiedelt

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(C (D ind – koordiniert aufeinander abgestimmt umgesetzt erden. Die große Aufgabe, die Rot-Grün mit dem GB IX angegangen ist – übrigens mit den Stimmen von DU/CSU und FDP –, wurde nicht weiterentwickelt. einer Nachfolgeregierung nach Rot-Grün ist es gelunen, in den Strukturfragen weiterzukommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich glaube sogar, nicht zu übertreiben, wenn ich sage,
ass wir gewisse Rückschritte sehen. Rehabilitationsträ-
er – nach meinem Empfinden insbesondere die Kran-
enkassen – streiten einfach ab, dass etwa das Recht auf
eilhabe Vorrang vor den einzelnen Ausführungen der
eistungen hat.


(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: So ist es!)


as Problem ist, dass die Zersplitterung sich teilweise
rtsetzt.

Ich nenne das Beispiel der sogenannten Integrations-
chdienste. Die Integrationsfachdienste als Regelange-

ot – vom Gesetzgeber seinerzeit ins SGB IX gesetzt –
ollen Menschen mit Behinderungen bei der Arbeitsver-
ittlung unterstützen und dann am Arbeitsplatz beglei-
nd zur Seite stehen. Sie sollen Arbeitgeber beraten
der ihnen Hilfestellung beim Umbau des Arbeitsplatzes
isten. Sie sollen also eine Leistung aus einer Hand zur
eilhabe am Arbeitsleben bieten.

Was hat diese Bundesregierung jetzt gemacht? Sie hat
iese einheitliche Leistung, die genau so, wie ich es hier
eschrieben habe, im Gesetz steht, zersplittert. Sie hat
en Teil der Vermittlung jetzt einfach zur Ausschreibung
eigegeben, abgetrennt vom Teil der Begleitung und
eratung der Arbeitgeber.

Das macht natürlich überhaupt keinen Sinn. Arbeitge-
er sagen mir: Wir wollen einen einzigen Ansprechpart-
er. – Es macht natürlich auch keinen Sinn, dass derje-
ige, der die Vermittlung vornimmt, der die Kontakte zu
rbeitgebern hat, nach der Vermittlung aus dem Spiel ist
nd irgendein anderer die Begleitung und Beratung
bernimmt. Das Ganze ist eine Leistung aus einer Hand,
ie, wie gesagt, so im Gesetz formuliert ist. Ich emp-
nde es wirklich als Rückschritt und Defizit, wenn das
tzt wieder auseinandergerissen wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


Weil der Mut zu größeren Veränderungen fehlt, wer-
en Verbesserungen viel zu häufig als Insellösungen vor-
enommen. Ich nenne das Beispiel der „Unterstützten
eschäftigung“, das die letzte Regierung, die Große Ko-
lition, auf den Weg gebracht hat. Vom Ansatz her ist das
rinzip, zuerst zu platzieren und dann zu qualifizieren,
ehr vernünftig; denn auf diese Weise kann sozusagen in-
erbetrieblich gestartet werden, statt dass irgendwelche
aßnahmen in Sondereinrichtungen absolviert werden
üssen. Was aber wird getan, aus Angst, das Ganze

önnte sich jetzt – im Hinblick auf Kosten oder was auch
mer – unabsehbar entwickeln? Das Programm wird

uf den Ausbildungsbereich beschränkt – also auf zwei

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17345

Markus Kurth


(A) )


)(B)

oder maximal drei Jahre –, und es wird keine vernünftige
Nachfolgeregelung entwickelt. Das ist eine reine Insellö-
sung, die nicht in das sonstige Geschehen der Arbeits-
marktpolitik integriert ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit solch fragmen-
tierten, kleinteiligen und nicht wirklich mutigen, sondern
eher ängstlichen Schritten werden wir nicht weiterkom-
men.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


Angesichts der Finanzlagen besteht das Problem, dass
sich alle, aber auch wirklich alle Akteure eingraben. Sie
versuchen erst einmal – wie in alten Zeiten –, Ansprüche
abzuwehren. Aber auch die Leistungserbringer – das
sage ich an dieser Stelle ganz offen – versuchen, ihre
Strukturen zu konservieren. Das gilt selbst für diejeni-
gen, die im Prinzip bereit wären, Dinge zu öffnen und zu
verändern. Sie sagen sich: Wir machen lieber nichts;
denn wenn wir unsere Wirtschaftlichkeitsreserven bzw.
Effizienzpotenziale, die wir vielleicht in unseren Ein-
richtungen haben, offenlegen, wird das möglicherweise
dazu führen, dass uns die Mittel gekürzt werden. – Im
Ergebnis passiert im Moment in dem gesamten Bereich
viel zu wenig.

Wir brauchen dringend mehr Bewegung. Die gesamte
Entwicklung – auch in Bezug auf Fallzahlen und Kosten;
das wird auch in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur
Eingliederungshilfe diskutiert – lässt nicht zu, dass wir
uns hier nicht weiter bewegen. Wir bekommen von kom-
munaler Seite doch allesamt klar zurückgespiegelt, dass
wir etwa im Bereich der Eingliederungshilfe am Ende
der Fahnenstange angekommen sind. Wenn wir nicht
Standards absenken wollen, müssen wir über Struktur-
veränderungen diskutieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Auch der demografische Wandel lässt es nicht zu, dass
wir an dieser Stelle länger warten.

Das Projekt „Inklusiver Sozialraum“ – für die Zu-
schauerinnen und Zuschauer sage ich: Dabei handelt es
sich um das Vorhaben, einen Gemeinderaum bzw. einen
öffentlichen Raum zu schaffen, in dem sich alle mit ih-
ren Beeinträchtigungen bewegen können – stellt in Be-
zug auf die Lebensqualität in unseren Städten und Ge-
meinden eine Zukunftsfrage dar.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


Ich meine, dass in dieser Hinsicht gerade im Bereich der
Kostenträger mehr Kompromissbereitschaft gezeigt wer-
den muss. Wenn wir etwa das sogenannte Budget für Ar-
beit ermöglichen wollen – welches erlaubt, dass Men-
schen aus Werkstätten auch an einem allgemeinen
Arbeitsplatz tätig sein können –, geht das nur mit einem
Nachteilsausgleich auch in Form eines dauerhaften und
regulären Lohnkostenzuschusses. Es kann nicht sein,

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(C (D ass die Träger der Sozialhilfe sagen: Wenn er nicht ehr in meiner Werkstatt ist, dann zahle ich gar nichts ehr. – Ebenso kann es nicht sein, dass die Agentur für rbeit keine Anreize bietet. Wir müssen dort Leistungen ombinieren und sektorenübergreifend Initiativen erreifen; denn sonst werden wir an einen Punkt kommen, n dem wir das, was wir an Standards erreicht haben, icht mehr aufrechterhalten können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe jetzt über
en erweiterten Menschenrechtsbegriff bzw. darüber ge-
det, was wir in Bezug auf Ermöglichung an Teilhabe

m gesellschaftlichen Leben brauchen. Lassen Sie mich
um Schluss auch noch etwas zur Notwendigkeit der
anz akuten Verteidigung von unmittelbaren Menschen-
chten sagen. Es gibt eine Studie der Universität Biele-
ld – sie wird in der nächsten Woche bekannt werden –

ur Lebenssituation von Frauen mit Behinderung. Es ist
irklich erschütternd, was in ihr bezüglich der Gewalt-

nwendung gegenüber Frauen in Einrichtungen und Fa-
ilien festgestellt wird.

Eine große Anzahl von Frauen wurde befragt. Durch-
chnittlich ein Drittel dieser Frauen hat körperliche Ge-
alt erfahren. Sexualisierte Gewalt haben 21 bis 44 Pro-

ent der befragten Frauen und Mädchen erfahren,
sychische Gewalt in Kindheit und Jugend mehr als die
älfte. Das sind Zahlen, die uns wirklich alarmieren
üssen.

Gewalt, auch sexualisierte Gewalt, ist nicht nur in den
0er-, 60er- und 70er-Jahren zu verorten, sondern diese
tudie macht sehr deutlich, dass wir auch heute noch da-
it zu kämpfen haben. Auch der Frage von Gewalt in

tationären Einrichtungen der Psychiatrie müssen wir
ns erneut stellen. Wenn man fast 40 Jahre nach der Psy-
hiatrie-Enquete mit Betroffenen redet, stellt man fest,
ass Zwangsmedikamentierungen gegen den eigenen
illen – und zwar über die Maße des sogenannten

elbstschutzes hinaus – an der Tagesordnung sind und
ass auch dort Gewalt – speziell gegen Frauen – weiter-
in ein Ausmaß hat, das wir nicht akzeptieren können.

Insofern hoffe ich, dass wir uns an dieser Stelle dieser
ache noch einmal gemeinsam annehmen und genau
inschauen werden, damit wir später nicht wieder sagen
üssen: Wir haben etwas übersehen. Teilhabe bemisst

ich am erweiterten Freiheits- und Menschenrechtsbe-
riff, aber auch an der ganz konkreten Verteidigung von
enschenrechten im Hier und Jetzt.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714604400

Das Wort hat nun Maria Michalk für die CDU/CSU-

raktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


17346 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011


(A) )


)(B)


Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1714604500

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir führen heute eine Debatte, von der wir uns
lange gewünscht haben, dass sie zu einer so prominenten
Zeit stattfindet.


(Elke Ferner [SPD]: Und wer hat’s gemacht?)


Dafür danke ich auch der Opposition. Sie müssen aber
annehmen, dass wir den Ernst der Lage schon lange ver-
standen haben. Denn was wäre ein deutlicheres Signal
dafür, dass wir diese Debatte sehr ernst nehmen, als dass
unsere Bundesministerin in dieser Debatte das Wort er-
greift?


(Anette Kramme [SPD]: Handeln! Geld ausgeben! Warme Worte nützen nichts!)


Übrigens ist es bisher gerade bei diesem sachlichen
Thema immer üblich gewesen, fraktionsübergreifend
nach Lösungen zu suchen, zum Wohle der Menschen mit
Behinderung. Liebe Frau Ferner, das kann ich Ihnen
nicht ersparen: Wenn diese Debatte mit dem Anwurf
beginnt, dass alles nach unten gehe, dann darf ich mit
dem Argument zurückschießen, dass wir in all den Jah-
ren Ihrer Regierungsherrschaft einen unmöglichen, dif-
fusen, dünnen Bericht bekommen haben.


(Elke Ferner [SPD]: „Herrschaft“? Was ist denn das für ein Vokabular?)


Es ist unsere Ministerin, die die Datenlage und die Be-
richterstattung jetzt in eine qualitative Form bringt, so-
dass wir gut damit arbeiten können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Herr Gysi, es tut mir leid: Ich glaube Ihnen natürlich
sofort, dass sich Ihr Verhältnis zu behinderten Menschen
rapide geändert hat. Wenn Sie ehrlich gewesen wären,
hätten Sie an genau der Stelle sagen müssen, was in den
letzten 20 Jahren im Bereich der Behindertenpolitik ge-
rade in den neuen Bundesländern passiert ist, welche
Aufbauleistung zum Wohle der Menschen vollzogen
wurde.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das streitet keiner ab, Frau Michalk!)


Sie wissen, dass die Behindertenpolitik in der DDR-Zeit
eine Wegsperrpolitik war, dass SED-Genossen und
Staatsträger ihre behinderten Kinder lieber in Klöster
gegeben haben, weil sie wussten, dass sie dort gut auf-
gehoben sind. Das gehört zur Ehrlichkeit.

Ich finde es ziemlich unverschämt, dass Sie mit Ihrer
Kritik die Verschiebung unserer gemeinsamen Aktion,
bei der sich behinderte Menschen mit dem Parlament
treffen sollten, hier kurz vor dem Internationalen Tag der
Behinderten, an dem die Aktion stattfinden sollte, instru-
mentalisieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sie wissen, dass auch Ihr Kollege, Herr Seifert, nach ei-
nem langen, intensiven Beratungsprozess, in dem wir
alle möglichen Alternativen geprüft haben, zugestimmt
hat.

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(C (D (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht! – Diana Golze [DIE LINKE]: Er hat nicht zugestimmt!)


s war Ihr Kollege, der lieber 80 Rollstuhlfahrer ausla-
en würde, um die Veranstaltung an diesem Wochenende
urchführen zu können.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau so war’s!)


ir haben hier im guten Einvernehmen eine richtige Lö-
ung gefunden, eine richtige Entscheidung getroffen. Ich
erbe hier ausdrücklich um die Akzeptanz dieser Ent-

cheidung. Wir bemühen uns alle nach bestem Wissen
nd Gewissen, diese Veranstaltung nächstes Jahr in guter
ualität durchzuführen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Herr Kurth, Sie haben ein Stück weit die Leistungen
ritisiert. Im Übrigen lobe ich, dass Sie wirklich kon-
truktiv sind. Sie wissen, dass wir die Ausschreibung der

D-Leistungen aus Gründen des europäischen Rechts
urchführen mussten. Sie wissen auch, dass wir uns
erade einvernehmlich darum bemühen, im Vergabe-
cht eine Lösung zu finden, die in Zukunft das umsteu-

rt, was wir alle gemeinsam kritisieren.

Sie haben vom inklusiven Lebensraum gesprochen.
awohl, das ist etwas, was wir alle anstreben: dass alle
iteinander leben. Das gibt mir jetzt die Gelegenheit,
eine sorbischen Freunde aus der Lausitz zu begrüßen:
itaj k nam! Denn dort passiert das schon seit Jahrtau-

enden: Deutsche und Sorben leben in einer Region zu-
ammen. Wir wollen es schaffen, dass Menschen mit
nd ohne Behinderung genauso selbstverständlich mit-
inander leben. Einer hat einmal gesagt: Wenn alle Äpfel
flücken, dann braucht der Kleinwüchsige nur eine Lei-
r; dann kann er es auch. – So einfach ist das eigentlich.

Wir wissen aber – zurück zur Wirklichkeit –, dass uns
ie Wirklichkeit manchmal einholt. Deshalb will ich da-
uf hinweisen, dass wir neben der Ratifizierung der
N-Behindertenrechtskonvention, der breiten Diskus-

ion und den Beschlüssen zum Nationalen Aktionsplan
nd den vielen Aktivitäten, die der Beauftragte der Bun-
esregierung für die Belange behinderter Menschen,
ubert Hüppe – vielen Dank! –, mit dem Inklusionsbei-
t durchführt, weitere Maßnahmen ergreifen. Ich denke

ier an die Länder. Die Bahn wurde schon genannt; viele
nternehmen überlegen, wie sie den inklusiven Gedan-
en umsetzen können. Das zeigt doch, dass wir auf ei-
em guten Weg sind und in unserer Gesellschaft etwas
rreicht wurde: eine stärkere Sensibilisierung für dieses
hema.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das heißt nicht, dass wir die Augen vor Dingen ver-
chließen, die in der Tat ärgerlich sind und die wir verän-
ern wollen. Ich will jetzt einmal einen Punkt heraus-
reifen. Es ist schon gesagt worden: Vor zehn Jahren
aben wir das SGB IX beschlossen. Das ist ein gutes
esetzbuch, dem auch wir damals aufseiten der Opposi-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17347

Maria Michalk


(A) )


)(B)

tion zugestimmt haben. Darin ist auch das Persönliche
Budget geregelt.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714604600

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Seifert?


Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1714604700

Ja. – Bitte schön.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714604800

Frau Kollegin Michalk, Sie haben vorhin wahrheits-

widrig gesagt, ich hätte zugestimmt, dass die Veranstal-
tung abgesagt wird. Sind Sie so freundlich, zuzugeben,
dass ich in der Runde der behindertenpolitischen Spre-
cherinnen und Sprecher gesagt habe, dass wir alles dafür
tun sollten, dass diese Veranstaltung doch stattfindet,
wenn es sein muss, mit der Ausladung einiger,


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von mindestens 80 Leuten!)


und dass ich auch gesagt habe, dass es besser wäre, wenn
wir eine Lösung finden würden, sodass alle hereinkom-
men könnten; denn in einem Jahr ist die Situation in die-
sem Haus sicherlich nicht anders als jetzt. Ich möchte,
dass Sie ausdrücklich bestätigen, dass ich nicht einver-
standen war, dass diese Veranstaltung jetzt abgesagt
wird.


Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1714604900

Herr Kollege Seifert, wir haben sehr lange und mehr-

fach miteinander darüber diskutiert. Wir haben uns von
der Bundestagsverwaltung Alternativen vorlegen las-
sen. Fast alle von uns haben eigene Vorschläge vorgetra-
gen. Es war allen klar – das haben wir ausdrücklich ge-
sagt –, dass wir diese Veranstaltung im Reichstag nicht
mit 130 Rollstuhlfahrern durchführen können, auch
nicht im Paul-Löbe-Haus unter Einbeziehung aller vor-
handenen Räume. Wir haben bewusst beschlossen – Sie
waren auch dabei –, dass wir für diese Begegnung das
Fluidum des Reichstages und nicht das einer Messehalle
möchten.

In diesem Zusammenhang gab es tatsächlich nur die
Alternative, mindestens 80 Rollstuhlfahrer auszuladen.
Dafür haben Sie zunächst votiert. Wir waren uns alle
einig, dass das schwierig wird; denn wer traut sich, den
130 Rollstuhlfahrern zu sagen: Du darfst kommen, du
nicht. – Deshalb haben wir beschlossen, dass es besser
ist, ehrlich zu sagen, dass es so nicht geht und dass wir
ein neues Anmeldeverfahren brauchen. Die Rechnung,
die wir aufgrund der Erfahrungen aufgestellt haben,
nämlich dass es bei solchen Veranstaltungen im Schnitt
10 Prozent Rollstuhlfahrer gibt, ist hier nicht aufgegan-
gen. Das ist eine Tatsache, die wir alle zur Kenntnis neh-
men müssen. Den Brief, den wir dann gemeinsam an die
Teilnehmer geschrieben haben, haben Sie mit unter-
schrieben.


(Widerspruch des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


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(C (D h denke, unsere Lösung ist fair. Ich werbe dafür, dass ir uns hier nicht fetzen, sondern dass wir weiterhin an iner Lösung arbeiten, um diese Veranstaltung so durchhren zu können, wie es ursprünglich geplant war. Ich möchte noch kurz auf das Persönliche Budget einehen. Es ist ein relativ junges Instrument, zehn Jahre lt, und es ist ärgerlich, dass es nicht richtig angenomen wird. Wenn nur in 10 000 bis 15 000 Fällen das Per önliche Budget tatsächlich genutzt wird, dann ist das r unsere Bundesrepublik einfach zu wenig. Deshalb öchte ich auf einige Hintergründe eingehen. Alle bisherigen Erfahrungen belegen, dass das Perönliche Budget die Selbstbestimmung und die Teilhabeöglichkeiten für Menschen mit Behinderung verbessert nd ihr Wahlrecht stärkt, weil sie sich eigenständig oder it Unterstützung die jeweilige Integrationsleistung ein aufen können. Sie bestellen selbst, und sie bezahlen elbst, und zwar von dem Geld, das ihnen der Sozialstaat ur Verfügung stellt. So bietet das Persönliche Budget um Beispiel die Möglichkeit, Menschen mit Behindengen betriebsintegrierte Qualifizierungsangebote zu achen. Potenziellen Nutzern wird der Zugang jedoch viel zu chwer gemacht. Wir kritisieren, dass nur wenige von iesem Instrument profitieren. Defizite in der Beratungsfrastruktur, willkürliche Verfahrensmängel, manchmal uch eine intransparente Bedarfsermittlung und unzureihende Budgethöhen konfrontieren die Menschen mit nzumutbaren Hürden, und sie geben resigniert auf. egional ist das mitunter unterschiedlich. Das ist ein eweis dafür, dass es sehr davon abhängt, in welchem mfang sich die betroffenen Bearbeiter in den Institutioen auf dieses Thema einlassen. Die verhältnismäßig eringe Inanspruchnahme liegt nicht am Instrument elbst – das will ich ausdrücklich betonen –; oft mangelt s an der richtigen Haltung. Der Paradigmenwechsel im SGB IX, der vom Gesetzeber beschlossen und mit der UN-Behindertenrechtsonvention unterstrichen wurde, muss vor Ort gelebt erden. Gerade junge Menschen wünschen sich trotz ihr Behinderung berufliche Teilhabemöglichkeiten auch ußerhalb von Werkstätten für behinderte Menschen. ie Bundesagentur für Arbeit hat es ermöglicht, dass die eistungen des Berufsbildungsbereichs der Werkstätten r behinderte Menschen personengebunden auch in orm Persönlicher Budgets zur Erprobung auf dem allemeinen Arbeitsmarkt eingesetzt werden können. Gede nach der gestrigen Klarstellung des Bundessozial erichts zum Persönlichen Budget ist es mir wichtig, zu agen, dass die Menschen mit Behinderungen damit chnen können, zukünftig Werkstattleistungen ohne nbindung an eine Werkstatt für behinderte Menschen Anspruch nehmen zu können. Diese Klarstellung ist ichtig. 17348 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(A) )


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714605000

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Kurth?


Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1714605100

Bitte schön.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714605200

Frau Michalk, es freut mich sehr, dass Sie das Persön-

liche Budget als eine Möglichkeit, um trägerübergreifend
Leistungen zusammenzuführen, nennen. Aber wie be-
werten Sie die Tatsache – ich frage vor dem Hintergrund,
dass Sie gerade auch über die berufliche Reha gespro-
chen haben –, dass im Haushaltsplan der Bundesagen-
tur für Arbeit beim Persönlichen Budget Folgendes
steht – das wurde auf Seite 64 umfangreich beschrie-
ben, sogar unter Nennung der Rechtsgrundlage –: Ist
2010: 0 Euro; Soll 2011: 0 Euro; Soll 2012: 0 Euro. –
Meinen Sie nicht, dass wir an dieser Stelle Strukturver-
änderungen vornehmen müssen, zum Beispiel, indem wir
eine bewilligende Stelle errichten oder die Gemeinsamen
Servicestellen mit Entscheidungskompetenz ausstatten,
damit solche, sicherlich auch von Ihnen als trostlos emp-
fundene Haushaltsprognosen vermieden werden?


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1714605300

Lieber Kollege Kurth, Sie haben das ja auch in Ihrem

Antrag unter Nr. 9 festgehalten. Da stimme ich Ihnen zu.
Ich habe ja gesagt: Die Bundesagentur für Arbeit hat die
Möglichkeit zur Einrichtung eines Persönlichen Bud-
gets; diese wird zu selten genutzt. Wir haben Vergleichs-
möglichkeiten bzw. deckungsfähige Titel, und wir haben
einen Eingliederungsfonds, dessen Mittel die Mitarbeiter
vor Ort in Eigenverantwortung mit Blick auf die kon-
krete persönliche Situation einsetzen können. Dafür,
dass aus der Null im Soll im Ist etwas mehr wird, plä-
diere auch ich. Es ist aber normal, dass die Haushälter
sagen: Wenn das bisher wenig in Anspruch genommen
wurde, dann setzen wir eine Null. Liebe Haushälter, das
ist jetzt keine Kritik, sondern eine Werbeveranstaltung:
Die neuen Instrumente sollten im Haushalt ihre Entspre-
chung finden. Entscheidend ist aber, dass es vor Ort um-
gesetzt wird, und nicht, dass wir im Haushalt Mittel vor-
sehen, die später nicht genutzt werden.

Noch einmal: Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir
mehr tun müssen, dass wir auch öffentlich mehr Wer-
bung machen müssen. In dieser Woche habe ich ein Ge-
spräch geführt, das mich davon überzeugt hat. Es ist
nachgewiesen, dass mit dem Persönlichen Budget die
betroffenen Menschen glücklicher sind und der Staat
einsparen kann. Das wird deutlich, wenn man den
Aspekt der Integration in den Arbeitsmarkt mit einem
möglichen Dauerarbeitsplatz berücksichtigt.

Noch wichtiger ist für meine Begriffe, gerade für die
Betroffenen, die zum Teil Ängste haben, aus ihrem ge-
schützten Bereich herauszugehen, dass wir die Durchläs-
sigkeit des Systems stärker leben. Das heißt, wenn die

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(C (D tegration in den ersten Arbeitsmarkt bzw. in den Areitsmarkt außerhalb der Werkstätten gescheitert ist, uss die Möglichkeit zur Rückkehr in die Werkstatt öglich sein. Ich denke, es gibt viele Beispiele für eine gute praksche Umsetzung vor Ort. Sie müssen bloß stärker puliziert werden, damit das auch in den Regionen, in deen man sich damit noch schwertut, gelebte Praxis wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Gabriele Molitor [FDP])


Ich will noch die anderen Anträge ansprechen. Ob
ir, wie in den uns vorliegenden Anträgen teilweise ge-
rdert, das SGB weiterentwickeln oder die Diskussion

ber ein Teilhabesicherungsgesetz vertiefen oder die
ingliederungshilfe aus dem SGB XII nehmen und in
eränderter oder unveränderter Kostenträgerschaft im
GB IX verankern, darüber lässt sich trefflich streiten.
h glaube, wir werden uns in der kommenden Aus-

chusssitzung über das Pro und Kontra austauschen. Das
t aber unerheblich. Wir sollten nicht immer suggerie-
n, dass alles mit einer Kostensteigerung verbunden ist.
h erinnere an den Beschluss der Bund-Länder-Kom-
ission zur Eingliederungshilfe, der an dem Grundsatz

er Kostenneutralität festhält. Ich glaube, dass schon vor
rt nachgewiesen wurde, dass die finanziellen Ressour-

en zielgenauer eingesetzt werden müssen.

Meinen Sie nicht auch, dass Teilhabegerechtigkeit ei-
en viel höheren Stellenwert bekommen muss als die so-
enannte Verteilungsgerechtigkeit, weil sie wirklich auf
ie Situation des einzelnen Menschen eingeht und die
klusion letztendlich ermöglicht?

Ich will zum Abschluss etwas zitieren. Wir alle lesen
fleißig die Presse und im Internet. Kobinet ist eine

chöne Homepage, auf der man viel Kritik, aber auch
ob lesen kann. Mich hat beeindruckt, was Frau Sabine
obel dort geschrieben hat:

Ein schöner Traum! Ach wie wäre das schön für
mich als Mensch mit Handicap, in einer Welt leben
zu können, wo ich nicht tagtäglich merke, dass ich
anders als die anderen bin.

as ist ein Appell an uns alle. Ändern wir uns, seien wir
ie alle!

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714605400

Das Wort hat nun Silvia Schmidt für die SPD-Frak-

on.


(Beifall bei der SPD)



Silvia Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1714605500

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

amen und Herren! Vor allen Dingen: Liebe Mitstreiter
uf der Tribüne, schön, dass ihr da seid und die Debatte
eute mitverfolgen könnt.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17349

Silvia Schmidt (Eisleben)



(A) )


)(B)


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sehr verehrter Herr Gysi, diese Gesellschaft muss auf
Menschen mit Behinderungen vorbereitet werden. Das ist
richtig; ich gebe Ihnen grundsätzlich recht. Aber an einer
Stelle haben Sie nicht recht: Schon die Große Koalition,
also auch Olaf Scholz, hat gesagt, dass ein Nationaler
Aktionsplan entstehen muss. Das war auch so festge-
schrieben. – Gestatten Sie mir bitte noch eine Anmer-
kung. Sie sagten, dass Sie in einer Werkstatt für Behin-
derte waren, die dort Entgelt bekommen, und das sei
doof. Ja, darüber kann man streiten.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Nein! Dass es angerechnet wird!)


– Ja, aber ich spreche jetzt über das Wort „doof“. – Ich
würde mich freuen, wenn das Wort „doof“ auch bei einer
Finanzdiskussion fallen würde.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Da wäre es auch angebracht!)


Frau Molitor, Treppensteiger zum Beispiel werden
nach einem Urteil nicht mehr von den Krankenkassen fi-
nanziert. Das verhindert Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben. Das ist ein Rückschritt; das müssen wir festhal-
ten. Das Gesundheitsministerium hat ganz lapidar auf
eine entsprechende Anfrage geantwortet, da müsse man
noch einmal nachfragen bzw. das sei nicht so. Die Men-
schen hängen tatsächlich in der Luft und können nicht
mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.

Sehr verehrte Frau Ministerin, wir alle möchten diese
inklusive Welt noch erleben; sie soll nicht erst eines Ta-
ges Realität sein.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Die haben wir doch schon! Das ist ein Prozess!)


Hierbei geht es um ein Menschenrecht für uns alle. Wir
alle profitieren davon. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sa-
gen: Die Aussage über die freie Arztwahl stimmt nicht.
Zum Beispiel in Berlin sind 86 Prozent der Arztpraxen
nicht barrierefrei. Daher gibt es hier keine freie Arzt-
wahl. Wenn man sich in einer Einrichtung befindet, zum
Beispiel in einem Pflegeheim, hat man einen Heimarzt.
Auch das ist keine freie Arztwahl.

In den Werkstätten passiert nichts; das ist ein Problem.
Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben zur Werkstatträ-
tekonferenz eingeladen. Es gibt ein Positionspapier der
Werkstatträte. Sie wollen mehr Mitbestimmung in den
Werkstätten. Das ist ein wichtiger Schritt. Wir müssen die
Mitwirkungsverordnung für Werkstätten ändern.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


Die Bahn tut schon einiges; das ist richtig. Sie ist hier
einen Schritt weiter. Aber wenn man in einem Rollstuhl
sitzt oder wenn man blind oder gehörlos ist, dann kann
man nur sagen: „Gute Nacht, Marie!“, wenn man sich al-
leine auf einem Bahnhof befindet; denn sie sind nicht
überall barrierefrei. Ein Rollstuhlfahrer muss erst einmal
telefonieren, bevor er überhaupt eine Reise antreten

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(C (D ann. Ich kann mich einfach in den Zug setzen, ein Rolltuhlfahrer kann das nicht so einfach. Er muss sich anelden und warten, und wenn er Glück hat, kommt er ran und darf mit der Bahn fahren. Das würde uns allen issfallen. Ich bitte um noch eines. Sehr verehrte Frau Ministen, Sie sagten, dass es schon Inklusionskonzepte bei den weiligen Wohlfahrtseinrichtungen gibt. Ich bitte, die etroffenen dabei mitzunehmen. Die Betroffenen sind ie Experten in eigener Sache. Wir haben damals geeinsam das Motto geprägt: nichts über uns ohne uns. – as ist eine ganz wichtige Feststellung, und das sollten ir nicht aus dem Auge verlieren. Die Betroffenen müs en verstärkt einbezogen werden. Das hat die SPD-Bundestagsfraktion gemacht. Wir aben über Monate hinweg ein Positionspapier mit Menchen mit Behinderung erarbeitet. h möchte mich ganz herzlich bedanken bei ForseA, eibernetz, bei den Verbänden von psychisch kranken enschen, beim Gehörlosen-Bund, beim Blindenund ehbehindertenverband, bei „Gemeinsam leben – Geeinsam lernen“, beim Studentenwerk, bei Gewerkschafn, Wissenschaftlern, beim Landkreis, bei der Lebensilfe. Wir haben an einem Tisch gesessen, haben onatelang diskutiert und gemeinsam ein Positionspapier ntwickelt. Aus diesem Positionspapier ist der heutige ntrag entstanden. Das war für uns selbstverständlich. as war der Geist des SGB IX, das wir gemeinsam, alle, ie wir hier sitzen, damals beschlossen haben. So muss es uch weitergetragen werden. (Beifall bei der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das waren nur ein bisschen viel Prüfaufträge!)


(Beifall bei der SPD)


(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Vorbildhaft!)


Gestatten Sie mir, noch etwas zu sagen – ich habe nicht
ehr viel Zeit – zur Reform der Eingliederungshilfe bzw.

enerell zur Eingliederungshilfe. Es ist schon angedeutet
orden: Ob ich Akademiker bin oder in einer Werkstatt
eschäftigt bin, wenn ich Leistungen zur Teilhabe brauche
Assistenz oder was auch immer –, muss ich zum Sozial-
mt gehen, und dann werde ich automatisch zum Sozial-
ilfeempfänger. Ein Mensch geht aufgrund seiner Behin-
erung zum Sozialamt und wird aufgrund seiner
ehinderung – das muss man sich bitte vorstellen – zum
ozialhilfeempfänger und hat keine Chance mehr, aus
ieser Situation herauszukommen. Ich halte das für men-
chenverachtend. Hier muss sehr schnell etwas getan wer-
en.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE] und Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Vielleicht noch eine Anmerkung: Die Vermögens-
zw. Einkommensprüfung, die stattfindet, bringt im Jahr
ngefähr 12 Millionen Euro – ForseA hat dazu ein Pa-
ier herausgegeben –; dem stehen 500 Millionen Euro
erwaltungskosten gegenüber. So viel Unsinn können
ir nun wirklich nicht gebrauchen. Vor allen Dingen:

17350 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Silvia Schmidt (Eisleben)



(A) )


)(B)

Welche Belastung das für Menschen mit Behinderung
bedeutet, das wissen wir doch alle hier. Das heißt, diese
Prüfung gilt es so schnell wie möglich auszusetzen.
Auch das steht nicht in Ihrem Aktionsplan.


(Beifall bei der SPD)


Markus Kurth hat vorhin die Studie über Frauen mit
Behinderung aufgegriffen, die sexuell missbraucht oder
generell Gewalt ausgesetzt werden. Bitte lassen Sie uns
nicht wieder in die Vergangenheit reisen. Es findet in
den Institutionen, also in den Einrichtungen und in den
Werkstätten, statt.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur! In der Familie leider auch!)


Ich fordere Sie auf: Nehmen Sie Geld in die Hand, und
sagen Sie, dass Frauenbeauftragte in die Einrichtungen
gehören, damit nicht wieder so etwas passiert, was wir
jetzt sehr schwer und sehr langsam aufarbeiten! Wir ha-
ben das 2008 gemeinsam auf den Weg gebracht. Unter-
stützen Sie diese Frauen! Ich bitte Sie darum.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714605600

Das Wort hat nun Heinz Golombeck für die FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Heinz Golombeck (FDP):
Rede ID: ID1714605700

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Kolleginnen und Kollegen! Die UN-Behindertenrechts-
konvention gilt als Meilenstein und politischer Impuls-
geber für Menschen mit Behinderung nicht nur bei uns
in Deutschland, auch in der internationalen Politik. Dis-
kriminierung von Menschen mit Behinderungen in allen
Lebensbereichen wird durch die Konvention verboten.
Bürgerliche, politische, wirtschaftliche und soziale Men-
schenrechte werden garantiert. Dadurch können Men-
schen mit Behinderung in ihrer Andersartigkeit als
gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft geachtet
und als Teil der menschlichen Vielfalt akzeptiert werden.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Maria Michalk [CDU/CSU])


Im Zentrum steht dabei das Ziel, die gleichberechtigte
Chance zur gesellschaftlichen Teilhabe in allen Lebens-
phasen zu verwirklichen – angefangen vom gemeinsa-
men Besuch des Kindergartens, der Schule bis zur
Schaffung von Arbeitsplätzen, auf denen Menschen mit
und ohne Behinderungen gemeinsam arbeiten.

Die Konvention verlangt von allen Vertragsstaaten
und auf allen Ebenen, die in ihr verankerten Rechte plan-
mäßig in der Politik zu verfolgen. Neben dem Bund sind
also auch Länder und Kommunen zu einer erkennbaren
Umsetzung der Konvention aufgefordert.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Viele Inhalte der Konvention haben wir schon durch inzelgesetze geregelt. Dazu gehören das Behindertenleichstellungsgesetz, das Allgemeine Gleichbehandngsgesetz und das Neunte Buch Sozialgesetzbuch, das GB IX. Das Benachteiligungsverbot wird durch Art. 3 es Grundgesetzes umfassend garantiert. Positiv hervoreben möchte ich, dass der von der Bundesregierung orgelegte Nationale Aktionsplan die Behindertenfrage u einer Menschenrechtsfrage gemacht hat und Deutschnd hier eine Vorreiterrolle spielt. Der Nationale Aktionsplan macht deutlich, dass die msetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und ie damit verbundene Behindertenpolitik in Deutschland ls Querschnittsaufgabe begriffen werden. Behinderten enschen und den sie vertretenden Organisationen wer en dadurch in allen Politikfeldern Mitwirkungsmöglicheiten eröffnet, und in unserer Gesellschaft etabliert sich ehr und mehr eine Kultur der Nichtdiskriminierung zu unsten behinderter Menschen. Besonders erfreulich ist, ass sich bereits viele Organisationen aus dem Bereich er Zivilgesellschaft mit der UN-Behindertenrechtskonention identifizieren und sich im Rahmen des Nationan Aktionsplans engagiert haben. Die bundesweiten Enticklungen geben Hoffnung auf einen noch besseren eg in eine inklusive Gesellschaft. Sie verdeutlichen ei en aktiven Bewusstseinswandel in Politik und Gesellchaft. Unser Ziel ist es, diesen Aktionsplan kontinuierlich uf den Prüfstand zu stellen und entsprechend neuere Erenntnisse weiterzuentwickeln. Dazu brauchen wir eien ständigen Dialog mit denjenigen, die Behinderungen ufweisen, um herauszufinden, wo Teilhabe noch nicht nktioniert. Nicht nur Deutschland startet die Umsetzung der UNehindertenrechtskonvention. Das Europäische Parlaent hat gerade letzte Woche die „Europäische Strategie ugunsten von Menschen mit Behinderungen 010–2020“ beschlossen. Wir begrüßen die Ratifizieng der UN-Behindertenrechtskonvention auf europäi cher Ebene. Die Aktionslinien lassen sich mit den Artieln der UN-Behindertenrechtskonvention weitgehend Einklang bringen. Ziel ist ein wirklich barrierefreies uropa für Menschen mit Behinderungen im Jahr 2020. ie Strategie zeigt auf, was vonseiten der EU und ihrer itgliedstaaten zu tun ist, damit Menschen mit Behindengen ihre Rechte uneingeschränkt wahrnehmen kön en. In der EU leben über 80 Millionen Menschen mit Beinderungen. Mehr als jeder Dritte der über 75-Jährigen at ein körperliches Handicap, das ihn in seinem Alltag eeinträchtigt. Folge des demografischen Wandels ist ine immer älter werdende Gesellschaft. Es ist also daon auszugehen, dass der Anteil von Bürgerinnen und ürgern mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen steien wird. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben getaltet sich dann umso schwieriger. Wir unterstützen daer das Vorhaben der EU-Kommission, die auf eine uropaweite Räumung der bestehenden Barrieren zielt Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17351 Heinz Golombeck )


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(A) )

und die Rechte von Menschen mit Behinderungen in
ganz Europa stärken möchte.

Umfassende Barrierefreiheit ist Grundvoraussetzung
für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Be-
hinderungen am gesellschaftlichen Leben; denn der All-
tag von Menschen mit Behinderungen ist voller Heraus-
forderungen und Tücken. Eine U-Bahn-Haltestelle ist
für einen Rollstuhlfahrer ohne Aufzug kaum erreichbar.
Baustellen sind ohne fremde Hilfe schwer zu überbrü-
cken. Das Wohnen zu Hause bereitet Schwierigkeiten.
Menschen mit Behinderungen haben kaum Chancen auf
dem Arbeitsmarkt.

In Planung sind ganz konkrete Maßnahmen wie die
Verbesserung der Anerkennung von Behindertenauswei-
sen, und zwar EU-weit.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Ja! Dafür habt ihr unseren Gesetzentwurf!)


Durch die Verleihung eines europäischen Preises für gut
zugängliche Städte oder durch eine gezielte Berücksich-
tigung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Ge-
währung staatlicher Beihilfen soll die Öffentlichkeit für
Behinderungen und behindertengerechte Einrichtungen
sensibilisiert werden. Dienstleistungsangebote und Ge-
räte für Behinderte sollen EU-weit verbessert werden.
Diese europäische Strategie ergänzt und unterstützt die
Maßnahmen der Mitgliedstaaten und bestätigt unsere
Behindertenpolitik.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sind aufgerufen, im Rahmen dieser Strategie zu-
sammenzuarbeiten, um ein barrierefreies Europa für alle
zu schaffen. Insgesamt müssen wir dabei gewährleisten,
dass Vorgaben von der EU-Ebene in den Kommunen vor
Ort umgesetzt werden.

Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, Menschen
mit Behinderung wie allen anderen Menschen auch ein
freies und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Ne-
ben Gesetzen, Strategien und Aktionsplänen ist auch der
Zusammenhalt in unserer Gesellschaft sehr wichtig. Wir
benötigen die innere Einstellung, dass Vielfalt zu unserer
Gesellschaft gehört und jeden bereichert.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714605800

Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.


Heinz Golombeck (FDP):
Rede ID: ID1714605900

Ich komme zum Schluss. – Ich glaube, dass Inklusion

nur gelingen kann, wenn jeder seinen Beitrag dazu leis-
tet,


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


angefangen mit den kleinen Dingen im Alltag, wie mehr
Zuwendung und Aufmerksamkeit gegenüber den Men-
schen mit Behinderung.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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(C (D Das Wort hat nun Ilja Seifert für die Fraktion Die inke. Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle en! Meine Damen und Herren! Heute wäre eigentlich ie Stunde für eine Regierungserklärung der Bundesanzlerin gewesen. nscheinend passen Menschen mit Behinderung aber icht unter Ihre komischen Rettungsschirme. Da gehön sie aber hin. (Dr. Peter Tauber [CDU/CSU]: Ach, unmöglich!)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714606000

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714606100

(Beifall bei der LINKEN)


Lassen Sie mich doch erst einmal weiterreden. – Die
anzlerin hat ja nicht einmal zur Kenntnis genommen, dass

m vergangenen Wochenende viele Menschen, die Opfer
es Conterganskandals geworden sind, um „5 vor 12“ vor
rem Kanzleramt standen und dort eine Petition überge-

en wollten, damit ihnen endlich ein würdevolles Leben
rmöglicht wird. Aber: Fehlanzeige!

Der Geist der UN-Behindertenrechtskonvention,
ämlich die Betroffenen ernst zu nehmen und zu beteili-
en, ist in dieser Regierung nicht angekommen. Liebe
rau von der Leyen, das muss ich Ihnen auch sagen:
ehlanzeige! Warum haben Sie denn nicht einmal den
ogenannten Nationalen Aktionsplan dem Parlament als
nterrichtung zugeleitet, damit wir uns hier einmal ge-
einsam darüber unterhalten und damit befassen kön-

en? Über hundert Unterrichtungen gibt es von der Re-
ierung, diese aber nicht.

Frau von der Leyen, Sie sagen jetzt: Inklusion ist das
chlüsselwort. – Wenn dem so sein sollte: Warum über-
ehmen Sie dann nicht die Schattenübersetzung und er-
lären sie zur offiziellen Übersetzung? In Ihrer offiziel-
n Übersetzung kommt das Wort „Inklusion“ nämlich
ar nicht vor. Sie haben sogar dagegen gekämpft, als wir
s aufgenommen haben wollten.

Diese Regierung hat überhaupt nicht begriffen, wo-
m es geht und dass es alle betrifft. Wo ist denn von
errn Ramsauer, von Herrn Schäuble und von Herrn
ösler das Konjunkturprogramm „Deutschland barriere-
ei“ zur Beseitigung bestehender Barrieren? Es gibt den
orschlag, hierfür ein Konjunkturprogramm zu machen.
as ist Wirtschaftsförderung! Zehn Jahre lang jedes Jahr
indestens 1 Milliarde Euro nur zur Beseitigung beste-

ender Barrieren im Baubereich, das wäre Wirtschafts-
rderung vor Ort.


(Beifall bei der LINKEN)


Ihre Kollegin Frau Schröder sagte auf die Frage, wo
ihrem Ressort überhaupt Geld für die Umsetzung der
N-Behindertenrechtskonvention eingestellt ist: Das ist
ei uns nicht ressortiert, das macht alles Frau von der
eyen, ich bin nicht zuständig. – Das Bundesministe-
um für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist nicht

17352 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Dr. Ilja Seifert


(A) )


)(B)

zuständig für die Umsetzung der UN-Behindertenrechts-
konvention?! Wo wohnen wir denn überhaupt?

Herr Bahr hat hier heute über die Verbesserung im
Gesundheitswesen geredet. Wo ist denn das Konzept,
mit Geld unterlegt, zur Schaffung barrierefreier Arztpra-
xen?


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir können ja gerne über zahnärztliche Behandlungen
reden. Wie kommt ein Rollstuhlfahrer überhaupt auf den
Stuhl? Hier haben wir wirklich noch viel zu tun.

Frau Schavan, wo ist denn die behindertenpolitische
Kompetenz bei zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern,
bei Architekten, bei Ingenieuren?


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD)


Wieso gibt es denn da kein Curriculum, keine Pflicht,
das zu lernen?

In Karlsruhe wird demnächst der letzte Lehrstuhl für
hörbehinderte Menschen aufgelöst und nicht wieder neu
besetzt. Was hat das mit Inklusion und mit Umsetzung
der UN-Konvention zu tun?

Sie von der FDP: Wo ist denn von Ihren Ministern
Westerwelle und Niebel das Programm zur Einbezie-
hung von Menschen mit Behinderung in jegliche Aktivi-
täten in Bezug auf Entwicklungszusammenarbeit?

Wir fordern mit dem Antrag, den wir eingereicht ha-
ben, einen einkommens- und vermögensunabhängigen
Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile durch ein
Teilhabesicherungsgesetz.


(Beifall bei der LINKEN)


Da kann man den betroffenen Organisationen – ForseA,
dem Forum behinderter Juristinnen und Juristen, dem All-
gemeinen Behindertenverband in Deutschland usw. – dan-
ken, dass dafür schon seit Wochen, seit Monaten und zum
Teil seit Jahren Konzepte vorliegen. Sie greifen die nicht
auf; wir bringen sie ins Parlament, damit etwas passieren
kann.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Anträge der SPD unterstützen wir. Das passt zu-
sammen. Als ihr noch die Denkschrift unterschrieben
habt, habt ihr eine ganz andere Position vertreten. Inso-
fern ist durchaus ein Fortschritt erkennbar.

Frau von der Leyen, Sie machen eine große Kampa-
gne, die „Behindern ist heilbar“ heißt. Einverstanden!
Fangen wir doch bei der Regierung an! Falls Sie einen
Therapeuten brauchen sollten, stelle ich mich zur Verfü-
gung. Dann würden wir die UN-Konvention zum Regie-
rungsprogramm machen. Das wäre eine gute Tat für
Deutschland.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

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(C (D (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714606200

Das Wort hat nun Paul Lehrieder für die CDU/CSU-

raktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1714606300

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!

iebe Kollegen! Mit dem Nationalen Aktionsplan, den
ie Bundesregierung im Juni dieses Jahres auf den Weg
ebracht hat, sorgen wir für eine umfassende Umsetzung
er UN-Behindertenrechtskonvention. Frau Ministerin
on der Leyen hat in ihrer Rede bereits darauf hingewie-
en, dass immerhin circa 200 Einzelmaßnahmen bereits
tzt enthalten sind. Es ist ein lernendes und sich fortent-
ickelndes System. Natürlich wird das eine oder andere
och ergänzt und fortgeschrieben werden können. Das
uss uns natürlich klar sein: Es ist ein Thema, das die
esellschaft dauerhaft – über die nächsten Jahre und

ahrzehnte – beschäftigen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Gitta Connemann [CDU/ CSU]: Das ist auch gut so!)


Mit dem Nationalen Aktionsplan gehen wir einen
roßen und entscheidenden Schritt auf dem Weg zu einer
klusiven Gesellschaft voran – einige Vorredner haben

ereits darauf hingewiesen – und regen einen Prozess an,
er in den kommenden zehn Jahren das Leben von rund
,6 Millionen Menschen mit Behinderung in Deutsch-
nd maßgeblich verbessern und beeinflussen wird.

Es liegt mir sehr am Herzen, Menschen mit Behinde-
ng eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teil-

abe mitten in der Gesellschaft zu ermöglichen. Wir ha-
en zwar bereits viel erreicht, aber wir sind noch längst
icht am Ziel angelangt. Bei der Entwicklung des Ak-
onsplans war es wichtig, die gesamte Zivilgesellschaft
inzubinden. Es wurden Wünsche und Visionen von
enschen mit Behinderung, ihren Angehörigen und ih-
n Verbänden berücksichtigt. Schließlich sollte der Plan

erade keine Auflistung über wünschenswerte Verände-
ngsvorschläge und Lebensrealitäten werden, sondern

in Aktionsplan, der den Alltag für Behinderte in
eutschland nachhaltig und bewusst verändern und in
er Praxis umgesetzt und gelebt werden soll.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Genau so ist es!)


Es freut mich sehr, dass ich bereits wenige Monate
ach Inkrafttreten von ersten Erfolgen berichten kann.
as Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat mit
er Deutschen Bahn AG vereinbart, die 50-Kilometer-
egelung nach § 147 Abs. 1 SGB IX für schwerbehin-
erte Menschen bereits zum 1. September 2011 aufzuhe-
en. Damit wird für schwerbehinderte bzw. schwer
riegsbeschädigte Reisende durchgängig eine bundes-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17353

Paul Lehrieder


(A) )


)(B)

weite kostenfreie Nutzung der Nahverkehrszüge der DB
Regio AG gewährleistet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ein großer Erfolg! – Anette Kramme [SPD]: Wenn sie denn in den Zug reinkommen!)


Wenn Kollege Seifert gerade eben unseren Verkehrs-
minister Peter Ramsauer angesprochen und ausgeführt
hat, der Nationale Aktionsplan müsste auch im Bereich
Verkehr fortentwickelt werden, so möchte ich ausdrück-
lich darauf hinweisen, dass wir derzeit mit der Bahn AG
und dem Verkehrsministerium den Umbau einer Vielzahl
von Bahnhöfen mit Bundesmitteln forcieren und för-
dern, um eine behindertengerechte Ausgestaltung von
Bahnanlagen zu ermöglichen.

Auch in meinem Wahlkreis in Würzburg ist ein Bahn-
hof, der noch längst nicht behindertengerecht ist und von
dem ich hoffe, dass bis 2018 ein Rollstuhlfahrer oder
eine Mutter mit Kinderwagen den Bahnsteig ohne
fremde Hilfe erreichen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Gitta Connemann [CDU/ CSU]: Genau so ist es!)


Nehmen Sie das als Beispiel, Herr Kollege Seifert,
dafür, dass diese Querschnittsaufgabe in vielen Ministe-
rien angekommen ist und dass in vielen Facetten und mit
vielen Puzzlesteinen bereits jetzt an einer inklusiven Ge-
sellschaft gearbeitet wird.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Wo denn im Haushalt?)


Die Kampagne „Behindern ist heilbar“, die über zahl-
reiche Medien derzeit zu sehen ist, kommt Art. 8 der
Konvention nach, ein gesamtgesellschaftliche Bewusst-
sein für dieses Thema zu schaffen. Sie alle werden das
Bild kennen, auf dem ein in 2,30 Meter Höhe angebrach-
ter Geldautomat von niemandem zu erreichen ist, weder
von dem Behinderten, dem Kleinwüchsigen, noch von
den normal Gewachsenen. Da ist Behinderung für alle
bemerkbar. Der erste Schritt muss sein, Aufmerksamkeit
zu erzeugen, Menschen für das Thema Behinderung und
für alles, was damit zusammenhängt, zu sensibilisieren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Lieber Herr Kollege Gysi, ich habe noch nicht vieles
von dem, was Sie hier an diesem Mikrofon von sich ge-
geben haben, unterschreiben können, aber heute haben
Sie in vielen Punkten recht gehabt.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Gysi, Sie haben am Beispiel des Kollegen Seifert
ausgeführt, dass wir schlichtweg oft nicht an die Belange
behinderter Menschen denken. Ich habe selber ein Déjà-
vu-Erlebnis gehabt, ähnlich wie Sie bei Ihren Organisa-
tionen: Ich habe als junger Bürgermeister die Gestaltung
eines Parkplatzes im Innerortsbereich in Gaukönigsho-
fen vorgenommen: Es handelte sich um eine Böschung
mit einer dreistufigen Treppe. Ich bin am Schluss, nach
dieser Baumaßnahme, mit einem Rollstuhlfahrer, der
durch einen Unfall an den Rollstuhl gebunden war, die
Strecke abgefahren. Er hat mich darauf hingewiesen und

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(C (D ir schlichtweg die Augen geöffnet, was wir einfach bersehen haben, weil das für uns kein Hindernis ist. Es ist gut, rechtzeitig, vielleicht sogar vor der Plaung, stärker die Personen mit Handicap einzubeziehen, m solche Fehler oder Nachbesserungen zu vermeiden. ir konnten alles nachbessern. Wir konnten Hochbordehsteige absenken und das Ganze mit einer Rampe beindertengerecht ausgestalten. Aber Sie haben recht geabt, Herr Dr. Gysi: Wenn man rechtzeitig hinschaut, ann man manches erleichtern. Dazu kommt: Wenn man as rechtzeitig macht, kostet das relativ wenig Geld. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Erste Berührung mit dem Thema und umfassende In-
rmation dazu schaffen die Basis, um Toleranz zu ent-
ickeln und schließlich im nächsten Schritt eine inklu-

ive Gesellschaft zu erreichen. Es reicht nicht, Menschen
ur zu akzeptieren, sondern sie müssen auch eingebun-
en werden, sowohl im öffentlichen als auch im privaten
ereich.

Es ist erschreckend, dass laut der Antidiskriminie-
ngsstelle des Bundes Behinderung mit 25 Prozent der
eistgenannte Diskriminierungsgrund ist. Bei Mehr-
chdiskriminierungen werden die Kombination Behin-

erung und Alter mit 17 Prozent sowie Behinderung und
eschlecht mit 7 Prozent am häufigsten genannt. Dies
ilt sowohl für den öffentlichen als auch für den privaten
ereich.

Ich möchte an dieser Stelle das C im Namen unserer
raktion hervorheben.


(Elke Ferner [SPD]: Oh je!)


ie zentrale Botschaft vieler Weltreligionen, nicht nur
er christlichen, ist es, nach dem Prinzip der Nächsten-
ebe zu leben. Nur so kann ein gleichberechtigtes Zu-
ammenleben innerhalb eines Völkerbundes und darüber
inaus erreicht werden. Deshalb öffnet der Nationale
ktionsplan mit folgender Vision eine Zukunftsgesell-
haft: Menschen akzeptieren Menschen so, wie sie sind. –
it der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans sind
ir hier auf dem besten Weg.

Die Bertelsmann-Stiftung veröffentlichte Ende letzten
ahres eine Studie zur Inklusion, in welcher insbeson-
ere Handlungsbedarf an den Schulen festgestellt wurde.
ie inklusive Bildung der Kinder endet laut Studie nach
er Kita. Während in der Kindertageseinrichtung noch
0 Prozent der Kinder mit Förderbedarf gemeinsam mit
nderen spielen und lernen, sind es in der Grundschule
erade noch 34 Prozent. Beim Übergang in die weiter-
hrende Schule müssen dann viele Kinder aus Mangel

n inklusiven Bildungsangeboten an eine Förderschule
echseln. Mit dem Nationalen Aktionsplan wird
chulen die Möglichkeit gegeben, ihre Arbeit und ihre
ngebote individuell auf die Bedürfnisse der Kinder zu-

uschneiden. Förderschulen dürfen keine Abschiebe-
chulen sein.

Wir werden über die Finanzierung der Schulbegleiter
iskutieren. Mit den Kommunen werden wir uns zusam-
ensetzen und regeln, wer welche Aufgabe in diesem

17354 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Paul Lehrieder


(A) )


)(B)

Bereich schultern kann und schultern muss. Hier wird in
Zukunft mehr Geld erforderlich sein. Da brauchen wir
uns gar nichts vorzumachen.

Es gilt aber auch, physische Barrieren abzubauen, wie
beispielsweise der vorhin bereits angesprochene nicht
abgesenkte Bordstein, fehlende Aufzüge in öffentlichen
Gebäuden, fehlende Lichtanlagen für hörbehinderte
Menschen, fehlende Lautsignale für sehbehinderte Men-
schen. Ein weiteres Thema wird die Elektromobilität
sein. Hier wird eine zusätzliche akustische Wahrneh-
mung für Menschen mit Handicap erforderlich sein:
Wenn ein Elektroauto sehr viel leiser als ein Benziner
ist, ist die Sorge der Betroffenen, dass sie das Fahrzeug
überhören können. Wir müssen uns überlegen, wie wir
diese Fahrzeuge entsprechend ausstatten können.

Es geht aber auch um jene Barrieren, die in den Köp-
fen sitzen und die Integration und Berührungen mit
Menschen mit Behinderung verhindern.

Umfassende Barrierefreiheit ist ein zentrales Element
im Nationalen Aktionsplan und auch wesentlicher Inhalt
des Art. 9 der UN-Behindertenrechtskonvention. Die so-
ziale Wohnraumförderung unterstützt als eine Maß-
nahme im Nationalen Aktionsplan, die ich beispielhaft
herausgreifen möchte, sowohl Mietwohnraum als auch
die Bildung von selbst genutztem Wohneigentum. So
können insbesondere für Menschen mit Behinderung
barrierefreie Wohnungen und die barrierefreie Moderni-
sierung von Altbauten gefördert werden.

Darüber hinaus werden Beratungs- und Informations-
angebote über die behindertengerechte Gestaltung von
Wohnraum und Umbauten ausgebaut und weiterentwi-
ckelt. Es ist wichtig, dass sich diese nicht nur auf bauli-
che Vorhaben bezieht, sondern auch auf barrierefreie
Kommunikation, barrierefreies Film- und Fernsehange-
bot und barrierefreies Internet. Auch hier sind wir bereits
aktiv. Die Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung,
BITV 2.0, soll gewährleisten, dass öffentlich zugängliche
Internetdienste und Angebote der Bundesverwaltung von
Menschen mit Behinderung uneingeschränkt genutzt
werden können.

Meine Damen und Herren, selbstverständlich wäre es
wünschenswert, alle Punkte der umfangreichen UN-Be-
hindertenrechtskonvention sofort komplett umzusetzen.
Es ist aber wichtig, die Umsetzung als Prozess zu sehen.
Nur so kann sie wirkungsvoll sein und auch nachhaltig
in den Köpfen stattfinden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir können beispielsweise von einem mittelständi-
schen Unternehmen nicht fordern, von heute auf morgen
sein komplettes Gebäude mit automatischen Türen aus-
zustatten und eine feste Anzahl von Menschen mit Be-
hinderung einzustellen. Dieser Zwang würde sicherlich
nicht zur Integration der Mitarbeiter führen, sondern
wäre in vielen Bereichen wohl kontraproduktiv.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es würde aber schon reichen, wenn es ein betriebliches Eingliederungsmanagement gibt!)


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(C (D s muss das Bewusstsein gestärkt werden – Sie haben cht, Herr Kurth –, dass in den 8,7 Millionen Menschen it Behinderung – das sind mehr als 10 Prozent aller ürgerinnen und Bürger unseres Landes – ein gewalties Potenzial schlummert. Wir brauchen diese Menchen: Wir brauchen sie im Hinblick auf den demografichen Wandel; wir brauchen sie im Hinblick auf den achkräftemangel; wir brauchen sie aber auch als Menchen unter uns. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Das Wort hat nun Ulla Schmidt für die SPD-Fraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! eine sehr geehrten Damen und Herren! Die Umset ung der UN-Behindertenrechtskonvention ist eine roße Chance für unser Land. Denn in ihrer auf Inkluion ausgerichteten Konzeption ist sie ein Angebot an lle, unabhängig von ihren Fähigkeiten oder Beeinträchgungen und unabhängig von ihrer sozialen, ethnischen der kulturellen Herkunft gleichberechtigt an Ausbilung, am Berufsleben, an der gesellschaftlichen Enticklung und am politischen Leben teilhaben zu könen. Darin steckt die große Chance, mit der Umsetzung er UN-Behindertenrechtskonvention einen neuen Geellschaftsvertrag auf den Weg zu bringen und damit uch neue Impulse für mehr Gleichheit und für mehr ahrung der sozialen Chancen des Einzelnen zu setzen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714606400

(Beifall bei der SPD)

Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1714606500

Frau Ministerin, der Schlüssel zu dem, was getan
erden muss, findet sich in der Präambel der Behinder-
nrechtskonvention. Ich zitiere daraus, weil ich bei Ihrer
ede nicht sicher war, ob Sie das so gelesen haben.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Also nein! Das ist eine Unverschämtheit!)


arin heißt es – Zitat –,

dass alle Menschenrechte und Grundfreiheiten all-
gemein gültig und unteilbar sind, einander bedin-
gen und miteinander verknüpft sind und dass Men-
schen mit Behinderungen der volle Genuss dieser
Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung garan-
tiert werden muss …

h betone das Wörtchen „garantiert“. „Garantiert“ heißt
icht, dass Sie sich hier hinstellen und sagen: Jeder ist
efordert;


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das stimmt ja auch!)


orderungen an die Regierung reichen nicht. Bringen
ie doch einmal Ihre Vorschläge ein!

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17355

Ulla Schmidt (Aachen)



(A) )


)(B)


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Sie waren auch mal zuständig!)


– Wir haben auch vieles gemacht, liebe Frau Michalk.

Garantie heißt: Das ist Ihre Verantwortung! In einer
Demokratie und einem Rechtsstaat ist die Exekutive da-
für verantwortlich, dass die Einzelrechte umgesetzt und
die Rechtsansprüche der Menschen verwirklicht werden
können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Deswegen wundert es mich nicht, dass der Aktionsplan
heute nicht zur Debatte steht. Wir brauchen nicht mehr
darüber zu reden, was wir denn noch alles prüfen sollten
oder tun könnten. Es geht vielmehr darum, in einem
nachvollziehbaren, transparenten Plan darzulegen: Was
sind die nächsten Schritte, die wir angehen? Wie sieht
unser Zeithorizont aus? Wie verbindlich setzen wir die
Rechte von Menschen mit Behinderungen in diesem
Lande endlich um? Um nichts anderes geht es.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Und deswegen: Wir haben in unserem Antrag eine
Reihe von ganz konkreten Vorstellungen dargelegt. Über
die können wir diskutieren; denn sie heben darauf ab,
dass die Behindertenrechtskonvention zwar auf die
Rechte von Behinderten fokussiert ist, aber in dem Zu-
sammenhang noch mehr verwirklicht werden kann. Sie
bietet die Chance, dass wir nicht nur die Barrierefreiheit
umsetzen, wenn es um behinderte Menschen geht – das
müssen wir –; vielmehr bedeutet das auch Barrierefrei-
heit für Familien mit Kindern, Barrierefreiheit für die
Arbeitswelt und Barrierefreiheit für ältere Menschen.
Wir sollten jetzt damit anfangen; denn wir müssen in den
nächsten zehn Jahren die grundlegenden Voraussetzun-
gen dafür schaffen, wie wir mit dem veränderten Alters-
aufbau in unserer Gesellschaft umgehen wollen.

Deshalb geht es jetzt darum, wie verbindlich und wie
schnell wir die Dinge regeln können. Wir müssen uns
gemeinsam als Ziel setzen, durch diese Aktionen und
unser Handeln darauf hinzuwirken, dass auch in den
Köpfen der Menschen die Barrieren überwunden wer-
den. Dazu gibt es eine ganze Menge, das man schnell
machen kann.

Ihre Kolleginnen und Kollegen weisen doch nichts
Konkretes – auch nicht in den Anträgen, die wir heute
diskutieren – zum Kulturbereich auf. Warum können
nicht alle Fördermittel, die von der öffentlichen Hand
gezahlt werden, nur dann zur Verfügung gestellt werden,
wenn Barrierefreiheit garantiert wird?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Warum gibt es Filmförderung nicht nur noch dann, wenn
untertitelt wird, oder nur dann, wenn Audiodeskription

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(C (D öglich ist? All das sind die Dinge, die wir auf den Weg ringen müssen. Ich muss sagen: Es gibt Dinge, die kosten gar nichts. an glaubt es nicht, aber es gibt in unserem Land noch enschen, die eine Oper oder ein Theater nicht besu hen können, weil sie dorthin den Blindenhund nicht itnehmen dürfen. Das muss sofort verboten werden! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Elke Ferner [SPD]: Genau!)


enn uns zwingt auch niemand, unsere Augen an der
ür abzugeben, aber wir zwingen die Blinden, ihren
lindenhund abzugeben.

Ich möchte noch zwei Punkte nennen, die wichtig
ind und bei denen Sie auch eine Verantwortung haben:
er erste betrifft den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff,
ei dem Sie in der letzten Legislaturperiode verhindert
aben, dass die Beschlüsse dazu weiter gefasst wurden.


(Elke Ferner [SPD]: Genau!)


enschen mit Behinderung sagen mir: Es ist nicht
chlimm, blind zu sein; darauf kann man sich einstellen.
chlimm ist es, blind zu sein, alt zu werden und dadurch
ndere Behinderungen mit dazuzubekommen. Damit
ommen wir nicht mehr zurecht. – Da wäre der neue
flegebedürftigkeitsbegriff genau der richtige Ansatz zu
agen, wie wir damit eigentlich umgehen wollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Zweite ist die Regelbedarfsstufe 3. Sie haben die
ittel in diesem Bereich einfach um 20 Prozent gekürzt.

Behindern ist heilbar!“, diesen Satz kann man auf schö-
en Plakaten überall sehen. Dass Sie aber einem Men-
chen, der dauerhaft erwerbsunfähig ist, der entweder
lt, behindert oder krank ist – sonst wäre er als junger
ensch nicht dauerhaft erwerbsunfähig –, sagen: „Wenn

u aufgrund deiner mangelnden Fähigkeit, allein zu le-
en, in der Wohnung und im Haushalt deiner Eltern
bst, dann wirst du behandelt wie ein Ehepartner!“, das
erstößt gegen die Würde von erwachsenen Menschen,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


ie auch dann, wenn sie in der Wohnung ihrer Eltern le-
en müssen, ein Recht darauf haben, dass sie ihre eigene
entität haben und ihr eigenes Leben leben können. Sie

rauchen dann vielleicht einen eigenen Fernsehapparat
der einen eigenen Kühlschrank. Von Ehepartnern kann
an vielleicht verlangen, dass sie Tisch und Bett teilen,

ber nicht von erwachsenen Menschen, die mit ihren El-
rn im gleichen Haushalt leben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


17356 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011


(A) )


)(B)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714606600

Das Wort hat nun Marlene Mortler für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Marlene Mortler (CSU):
Rede ID: ID1714606700

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-

nen und Kollegen! Wer diese Debatte von Anfang an mit
verfolgt hat – ich war wirklich von Beginn an mit
dabei –, der muss den Eindruck gewinnen, wir, die wir
Regierungsverantwortung haben, würden beim Thema
Inklusion bzw. UN-Behindertenrechtskonvention bei
null anfangen. Er muss außerdem den Eindruck bekom-
men


(Elke Ferner [SPD]: Sie fangen nicht bei null an, aber Sie haben null getan! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Berühmt ist das nicht!)


– Moment! –, als ob wir in der Regierung alles verhin-
dern würden.

Liebe Frau Schmidt, hätten Sie doch in Ihrer Regie-
rungszeit so laut geschrien und gehandelt,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Haben wir!)


wie Sie das gerade hier getan haben!


(Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Das können Sie doch gar keinem draußen erklären! Wir haben!)


– Ich kann das deshalb erklären, weil ich schon den Ein-
druck gewonnen habe, dass sich aufseiten der Opposi-
tion einige zum ersten Mal überhaupt mit diesem Thema
beschäftigt und versucht haben,


(Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Nicht bei uns!)


alle Register zu ziehen, die es gibt – und das ist unfair.


(Elke Ferner [SPD]: Sie reden den größten politischen Müll!)


Ich weiß, wovon ich rede; denn mein Zwillingsbruder
und ich haben mit dreieinhalb Jahren – jetzt werde ich
leiser – Kinderlähmung bekommen. Wir sind schwer er-
krankt. Damals gab es keine Pflichtimpfung. Ich hatte
Glück. Man sieht mir diese Behinderung heute nicht
mehr an. Mein Bruder hingegen leidet bis heute. Für
mich war ab diesem Zeitpunkt, 1958, klar: Ich habe zu
helfen. Ich habe zu unterstützen, in der Schule, im Be-
rufsleben, wo auch immer. Ich sehe dieses Thema seit
dieser Zeit grundsätzlich mit anderen Augen.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Genau das ist der Punkt!)


Meine Eltern – die anderen Kinder durften mit dem
Bus in die Schule fahren – haben uns jeden Tag ohne Un-
terstützung des Staates vom Dorf in die Schule – sie war
eine Ortschaft weiter – gefahren; das war ganz selbstver-
ständlich. Wenn wir ehrlich sind: Heute ist in meinem

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(C (D andkreis, in euren Landkreisen, bayernweit, bundesweit as Thema Inklusion doch von großer Bedeutung – jeden ag, jede Woche. Ich selber stehe hier, um über den Antrag der SPDraktion „Tag des Barrierefreien Tourismus auf der ITB nterstützen“ zu reden. Ich sage hier als Tourismuspolikerin ganz klar: Unser Motto ist „Teilhabe für alle, barerefreier Tourismus für alle“. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ganz richtig!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


azu fordern wir ständig auf, und genau darauf zielt ja
uch Ihr Antrag ab. Als Tourismuspolitikerin sage ich
benfalls ganz deutlich: Wir unterstützen die Forderung,

Rahmen der ITB, der Internationalen Tourismus-
örse, einen Tag des barrierefreien Tourismus einzurich-
n.


(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Sehr gut, Frau Mortler!)


ber wir fordern nicht, dass ein solcher Tag ab sofort
ine Dauereinrichtung wird, sondern wir erwarten, dass
as Ganze zunächst einmal bewertet wird.


(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Dann können Sie unserem Antrag auch zustimmen!)


Das hat eindeutige Hintergründe. Gleichzeitig gibt es
ine Aktion der NatKo, der Nationalen Koordinierungs-
telle Tourismus für Alle. Diese Koordinierungsstelle
acht übrigens sehr gute Arbeit. Sie hat im Rahmen der
B ein Projekt gestartet und mittlerweile konzeptionell
rtiggestellt. Erst danach, also im Nachhinein, ist sie an

as BMWi herangetreten und hat gefragt, ob sie Geld da-
r erhalten kann. Das ist zwar legitim, aber da hier

eute ständig so viel Offenheit und Transparenz einge-
rdert werden, würde ich mir schon wünschen, dass Ak-
ure wie die NatKo die Regierung im Vorhinein einbin-
en, damit sie weiß, worüber sie zu entscheiden und was
ie im Falle des Falles zu finanzieren hätte.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714606800

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

ollegin Kramme?


Marlene Mortler (CSU):
Rede ID: ID1714606900

Ja, bitte.


Anette Kramme (SPD):
Rede ID: ID1714607000

Vielen Dank, Frau Mortler. – Sie haben gesagt, Sie

ätten ein behindertes Familienmitglied. Ich denke, in
iesem Fall müssten Sie in besonderer Weise nachvoll-
iehen können, welche Probleme dies mit sich bringt.
h bin in einer ähnlichen Situation: Auch ich habe bzw.

atte drei schwerstbehinderte Familienmitglieder. Meine
rage geht dahin: Was tun Sie konkret in Richtung des
arrierefreien Tourismus?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17357

Anette Kramme


(A) )


)(B)

Ich mache es einmal an einem einfachen Beispiel fest:
Mein Vater ist Rollstuhlfahrer. Wir waren in einem Hotel
in der Pfalz, und dieses Hotel war als barrierefrei ausge-
wiesen. Wir kamen dorthin: ein wunderbares Hotelzim-
mer, tatsächlich barrierefrei. Wir gingen hinüber in den
eigentlichen Hotelkomplex und versuchten, zu Abend zu
essen. Dort gab es leider drei Stufen.

Was machen Sie in Sachen Siegel? Was machen Sie,
damit Menschen sich bei den vorhandenen Einrichtun-
gen tatsächlich darauf verlassen können? Ich weiß, dass
Menschen mit Behinderung nur mit großer Angst und
Sorge verreisen. – Erste Frage.

Eine zweite Frage in diese Richtung: Was geben Sie
mit dem Aktionsplan tatsächlich an Geldern frei, um
Barrierefreiheit in der Bundesrepublik Deutschland zu
erreichen? Ich kann nämlich Ihre Auffassung nicht tei-
len, dass die Situation in der Bundesrepublik Deutsch-
land befriedigend ist. Sie wissen es selber: Ganz gleich,
wohin ich komme, ganz gleich, ob ich in eine Metzgerei
gehen will, ob ich einen Arzt aufsuche, ob ich in die
Kneipe will, ob ich ins Restaurant will – ich stoße auf
Barrieren. Ich denke, es geht um einen erheblichen
finanziellen Einsatz.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir diese beiden
Fragen beantworten könnten.


Marlene Mortler (CSU):
Rede ID: ID1714607100

Der Tourismusausschuss ist ein Querschnittsaus-

schuss, und ein Querschnittsausschuss bearbeitet viele
Themen bzw. hat viele Schnittstellen. Das heißt, unter
dem Strich ist nicht nur unser Ausschuss gefordert, nicht
nur die Bundesregierung ist gefordert, sondern alle sind
gefordert, so wie es die Ministerin gerade gesagt hat.

Die Frage lautete: Was tun Sie konkret? Erstens. Be-
wusstsein schaffen. Diesbezüglich ist jeder von uns ge-
fordert. Zweitens hat das Bundeswirtschaftsministerium
Studien dazu gemacht und große Veranstaltungen durch-
geführt, um das Bewusstsein zu vertiefen. Drittens ist
bereits im Oktober ein Projekt angelaufen, in dem es da-
rum geht: Wir brauchen in Zukunft eine einheitliche
Kennzeichnung, damit der behinderte Mensch sofort er-
kennen kann, ob er an einen bestimmten Ort kommt oder
nicht. Das steht für mich an erster Stelle. Wir wollen in
diesem Projekt die Leistungsträger qualifizieren. Wir
wollen quasi Schulungsmaßnahmen durchführen. In die-
sem Projekt werden wir auch eine Internetplattform er-
richten, auf der der gehandicapte Mensch barrierefreie
Angebote bzw. Dienstleistungen gebündelt finden kann.

Das sind doch alles tolle Wege und Beispiele. Wir tun
immer so, als ob jetzt alles und auf einmal umgesetzt
werden müsste. Bei allem Respekt: Wenn wir ehrlich
sind, ist dies immer mit einem bestimmten Geldbetrag
verbunden. Auf der anderen Seite gibt es auch Unterneh-
mer, Reiseveranstalter, die bewusst für sich dieses
Thema entdeckt und gesagt haben: Ich springe in diese
Lücke; die Anzahl der Menschen mit Behinderung wird
größer – Stichwort „demografischer Wandel“. Frau Ulla
Schmidt hat die Vielfalt von Behinderungen selber ange-
sprochen: Familie mit Kindern, mit Kinderwagen,

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(C (D orübergehend Behinderte, dauerhaft Behinderte. Dies lles sind Zielgruppen und Menschen, die entsprechende ngebote brauchen. Am 8. Februar werden wir – übrigens auf meine Angung hin – einschlägige Experten zum Thema „Barriefreier Tourismus“ öffentlich anhören. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Anette Kramme [SPD]: Das hat es schon gegeben! Sie sagen: „Das hat es schon gegeben.“ Das ist eine lle Antwort! Aber weil es das schon gegeben hat, sage h doch nicht: Das braucht es nicht mehr zu geben. (Elke Ferner [SPD]: Das ist doch kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsdefizit!)


s geht um einen permanenten Prozess.


(Anette Kramme [SPD]: Wie viel Geld geben Sie konkret?)


um einen ist es ein Umsetzungsproblem; wir sind aber
icht bereit, irgendwelche Gesetze zu stricken und damit
wang auszuüben. Vielmehr sagen wir: Auch die Privat-
irtschaft, die Tourismusbranche, muss die Chance ha-
en, die Dinge in die Hand zu nehmen.


(Anette Kramme [SPD]: 95 Jahre!)


ualitätstourismus im Bereich Barrierefreiheit ist unser
iel, liebe Frau Kollegin Kramme.


(Anette Kramme [SPD]: Wie viele der großen Anbieter machen barrierefreie Angebote außerhalb von Spezialreisen?)


Wir sollten uns nicht ständig schlechter reden, als wir
ind, liebe Frau Kollegin Kramme.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich komme zum Schluss: Wir als CDU/CSU-Bundes-
gsfraktion setzen im Deutschland-Tourismus auf das
ualitätsmerkmal Barrierefreiheit. Denn uns ist voll-
ommen bewusst, dass dies die Grundvoraussetzung für
elbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe und am
nde auch ein Gewinn für alle ist. Meine Damen und
erren, sorgen wir also alle dafür, dass Barrierefreiheit
icht nur anlässlich des Internationalen Tags der Men-
chen mit Behinderung am Samstag oder im Rahmen der
ternationalen Tourismus-Börse in Berlin, sondern

tändig, nämlich jeden Tag, im Fokus der Öffentlichkeit
t!

Ich glaube, ich habe deutlich gemacht: Aus persön-
cher Erfahrung, aber auch aus Überzeugung muss und
erde ich meinen Beitrag weiterhin dazu leisten.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714607200

Das Wort hat nun Gabriele Hiller-Ohm für die SPD-

raktion.


(Beifall bei der SPD)


17358 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011


(A) )


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Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1714607300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Frau Mortler, wie sieht es tatsächlich mit Barriere-
freiheit im Tourismus aus? Auch dazu verpflichtet uns
die UN-Behindertenrechtskonvention. Ich habe in mei-
nem Wahlkreis mit behinderten Menschen gesprochen
und sie gefragt: Wie macht ihr Urlaub? Ich muss Ihnen
sagen: Es war erschreckend, was ich da erfahren habe.
Noch immer gibt es viel zu wenig Reiseangebote. Nur
ein winziger Bruchteil der Hotels und Gaststätten ist in
Deutschland, in unserem Reiseland Nummer eins, tat-
sächlich barrierefrei. Oft scheitert der Urlaub aber schon
an der Anreise. Gehörlose und blinde Menschen haben
immer noch große Schwierigkeiten, sich auf unseren
Bahnhöfen zurechtzufinden. Herr Lehrieder, kostenfreie
Beförderung nützt gar nichts, wenn die Menschen über-
haupt nicht in die Züge hineinkommen.


(Beifall bei der SPD)


Für Rollstuhlfahrer sind Busse, Züge und vor allem
Flugzeuge in der Regel entweder gar nicht oder nur mit
ganz großen Schwierigkeiten zu nutzen. Das müssen wir
ändern; denn das ist beschämend.


(Beifall bei der SPD)


8 Millionen Menschen sind betroffen. Das entspricht
der Einwohnerzahl von New York oder der achtfachen
Einwohnerzahl von Köln. Diese Menschen haben ein
Recht, zu reisen und Urlaub zu machen, wie alle anderen
Menschen auch.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Tourismuswirtschaft scheint dieses Potenzial über-
haupt noch nicht für sich entdeckt zu haben. Wie sonst
lassen sich die bestehenden Mängel erklären? 5 Milliar-
den Euro zusätzlicher Umsatz wären möglich. 90 000
Vollzeitarbeitsplätze – das entspricht fast der Einwoh-
nerzahl einer Großstadt – könnten geschaffen werden.
Für uns alle wären weniger Hindernisse hilfreich.

Was tut die Bundesregierung für barrierefreien Tou-
rismus? Ich habe in Ihren Nationalen Aktionsplan ge-
schaut und gelesen, dass erst einmal die Länder, Städte
und Gemeinden zuständig sind. Einfacher geht es wohl
nicht.


(Beifall bei der SPD)


Die Regierung schiebt den Schwarzen Peter den Län-
dern, Städten und Gemeinden zu. Die sollen etwas tun.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und
der FDP, liebe Bundesregierung, ich fordere Barriere-
freiheit in Ihren Köpfen. Es gibt doch auch auf Bundes-
ebene nun wirklich genug Baustellen, an die wir heran-
müssen.


(Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Soll der Bund das bezahlen?)


Unsere Vorschläge für barrierefreies Reisen liegen
seit langem auf dem Tisch. Wir wollen erstens einen um-
fassenden Masterplan, zweitens Barrierefreiheit im
Schienenfernverkehr inklusive Umbau aller Bahnhöfe,

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(C (D rittens ein Programm für barrierefreie Gaststätten und otels, viertens ein bundesweites, qualitätsgeprüftes Güsiegel „Barrierefreier Tourismus für alle“. Wir müssen alle Zuständigen an einen Tisch holen nd für Barrierefreiheit begeistern. Ein tolles Signal äre hier ein „Tag des barrierefreien Tourismus“ auf der ternationalen Tourismus-Börse, der ITB. Frau Mortler at dies angesprochen. Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des ollegen Fricke? Das würde Ihre Redezeit verlängern, ie gerade zu Ende gegangen ist. – Bitte schön. Frau Kollegin Hiller-Ohm, ich habe erstens vernom en, dass nach Ihrer Meinung der Bund hier mehr tun ollte. Zweitens habe ich Ihre Punkte vernommen. Ich bin ja nur ein schlicht gestrickter Haushälter, der ann nach Zahlen fragt. Deshalb würde ich erstens gerne issen: Wie viele Millionen oder Milliarden Euro fehlen rer Meinung nach, die der Bund mehr einsetzen üsste? Zweitens würde ich gerne wissen: Welche Anäge dieser Art haben Sie im Haushaltsverfahren getellt? (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Keinen einzigen! Keinen einzigen!)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714607400
Otto Fricke (FDP):
Rede ID: ID1714607500


Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1714607600

Lieber Herr Kollege, wir müssen gemeinsam fest-

gen, welche Schritte getan werden sollen. Das ist
chon mehrfach gesagt worden.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Jetzt rudern Sie gerade zurück!)


s gibt einen Aktionsplan, das ist richtig. Dieser Plan
etzt aber keine Prioritäten, was zuerst abgearbeitet wer-
en soll. Das vermisse ich seitens der Bundesregierung.


(Beifall bei der SPD)


iese Schritte müssen natürlich im Haushalt verortet
erden. Das ist zunächst einmal Ihre Zuständigkeit. Wir
aben unsere Forderungen auf den Tisch gelegt. Sie aber
ind an der Regierung; Sie müssen handeln.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Haben Sie einen Antrag gestellt? – Gegenruf der Abg. Anette Kramme [SPD]: Frau Connemann, bei Ihnen Anträge zu stellen, ist sowieso sinnlos!)


ie müssen die Prioritäten aufzeigen, wie Sie den
ktionsplan, den Sie auf den Weg gebracht haben, ab-

rbeiten wollen. Das vermisse ich. Das passiert bei Ihnen
ider nicht.


(Beifall bei der SPD)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17359


(A) )


)(B)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714607700

Frau Kollegin, es gibt noch einen Wunsch nach einer

Zwischenfrage, und zwar vom Kollegen Scheuer.


Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1714607800

Das ist ja enorm, was hier alles gefragt wird.


(Heiterkeit bei der SPD)



Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1714607900

Frau Kollegin, wollen Sie bitte akzeptieren und es

näher ausführen, dass die Bundesregierung seit Jahren
für den barrierefreien Ausbau der Bahnhöfe einen drei-
stelligen Millionenbetrag zur Verfügung stellt und dabei
zusammen mit den Behindertenverbänden aussucht,
welche Bahnhöfe realisiert werden?


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun sie gerade nicht!)


Wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass gerade
diese christlich-liberale Koalition dem Einzelplan 12 des
Bundesverkehrsministeriums zusätzlich für die Bundes-
schienenwege noch einmal 100 Millionen Euro bereitge-
stellt hat, um die Bahnhöfe sauberer, sicherer und schö-
ner zu gestalten, aber vor allem auch, um das Thema der
Barrierefreiheit in dieses Programm zu stellen?


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das dauert noch Jahrzehnte, bis die Bahnhöfe barrierefrei sind!)


Welche Aktivitäten und Unterstützungen haben wir
dafür in den letzten Wochen von Ihrer Fraktion bekom-
men?


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1714608000

Herr Kollege, es ist richtig, dass es das Programm zur

Umgestaltung der Bahnhöfe für mehr Barrierefreiheit
gibt. Das gilt aber nur für die großen Bahnhöfe. Die klei-
neren sind davon gar nicht erfasst.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)


Auch in meinem Wahlkreis wurde der Bahnhof ent-
sprechend umgebaut. Ich musste aber leider feststellen,
dass die Standards, die von der Bahn gesetzt werden,
nicht dem entsprechen, was Menschen mit Behinderun-
gen brauchen.


(Beifall bei der SPD)


So sind zum Beispiel die Fahrkartenautomaten für Roll-
stuhlfahrer überhaupt nicht benutzbar. Es gibt aber
angeblich keine Fahrkartenautomaten anderer Art, die
für Rollstuhlfahrer unterfahrbar wären. Das ist eine
Schwachstelle. Da muss nachgearbeitet werden.


(Anette Kramme [SPD]: Züge, die ungeeignet sind!)


Ich gebe Ihnen insofern recht, als dass es das Pro-
gramm gibt. Das Programm allein reicht aber noch nicht
aus. Es muss mehr getan werden, damit die Menschen
reisen können, damit sie die Bahnhöfe benutzen können.

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(C (D a gibt es einfach noch zu viele Schwachstellen. Da üssen wir weiterarbeiten, und da haben Sie auch un ere Unterstützung. Ich komme zurück zum „Tag des barrierefreien Tousmus“ auf der ITB. Aber vor allem müssen Sie zum Schluss kommen, ebe Kollegin. Ja, ich komme zum Schluss. – Es wäre toll, wenn wir r dieses Projekt Ihre Unterstützung hätten. Ich fordere errn Minister Rösler, der leider nicht da ist, und Frau inisterin von der Leyen auf: Unterstützen Sie dieses lle Leuchtturmprojekt! Das wäre eine echte Aktion für ren bisher recht schlappen Nationalen Aktionsplan. Liebe Kolleginnen und Kollegen, – Aber Frau Kollegin! – es gibt eine ganz einfache Erfolgsformel: Barriere eiheit ist für 10 Prozent der Bevölkerung unentbehrch, für 40 Prozent hilfreich und für 100 Prozent komrtabel. Wir wollen 100 Prozent. Danke schön. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf en Drucksachen 17/7942, 17/6586, 17/7872, 17/7889, 7/7951 und 17/7827 an die in der Tagesordnung aufgehrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein erstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweiungen so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 39 a bis g sowie en Zusatzpunkt 2 a bis d auf: 39 a)


(Beifall bei der SPD)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714608100
Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1714608200
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714608300
Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1714608400

(Beifall bei der SPD)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714608500
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
geodätischen Referenzsysteme, -netze und geo-
topographischen Referenzdaten des Bundes

(Bundesgeoreferenzdatengesetz – BGeoRG)

– Drucksache 17/7375 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än-
derung des Düngegesetzes, des Saatgutver-
kehrsgesetzes und des Lebensmittel- und Fut-
termittelgesetzbuches
– Drucksache 17/7744 –

17360 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Pro-
tokoll vom 17. Mai 2011 zur Änderung des
Abkommens vom 3. Mai 2006 zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Repu-
blik Slowenien zur Vermeidung der Doppelbe-
steuerung auf dem Gebiet der Steuern vom
Einkommen und vom Vermögen

– Drucksache 17/7917 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Petra
Sitte, Herbert Behrens, Agnes Alpers, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Die Ergebnisse öffentlicher Forschung für alle
zugänglich machen – Open Access in der Wis-
senschaft unterstützen

– Drucksache 17/7864 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Kultur und Medien

e) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP

Neue Impulse für die Sportbootschifffahrt

– Drucksache 17/7937 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Tourismus

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Martin
Gerster, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Petra
Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der SPD

Förderung eines offenen Umgangs mit Homo-
sexualität im Sport

– Drucksache 17/7955 –
Überweisungsvorschlag:
Sportausschuss (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Oliver
Krischer, Dr. Valerie Wilms, Hans-Josef Fell,

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(C (D weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schlechte Treibhausgasbilanz von Kraftstoffen aus Teersanden bei der Umsetzung der Kraftstoffqualitätsrichtlinie berücksichtigen – Drucksache 17/7956 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union P 2a)

Dr. Anton Hofreiter, Bettina Herlitzius, Stephan
Kühn, weiteren Abgeordneten und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Bedarfsfestlegung des
Baus oder Ausbaus von Bundesfernstraßen

– Drucksache 17/7885 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Rüdiger Veit, Gabriele Fograscher, Petra
Ernstberger, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Schaffung einer aufenthaltsrecht-
lichen Bleiberechtsregelung

– Drucksache 17/7933 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Wilhelm Priesmeier, Willi Brase, Petra
Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD

Klassische Schweinepest zeitgemäß bekämp-
fen – Impfen statt Töten

– Drucksache 17/7958 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Willi
Brase, Klaus Barthel, Dr. Ernst Dieter Rossmann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Gleichwertigkeit von Berufsbildung und Abi-
tur sichern

– Drucksache 17/7957 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach-
n Verfahren ohne Debatte.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17361

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist of-
fensichtlich der Fall. Dann sind die Überweisungen so
beschlossen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 40 a, 40 c bis
k, dem Zusatzpunkt 3 sowie dem Tagesordnungs-
punkt 17 a bis d. Es handelt sich um die Beschlussfas-
sung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgese-
hen ist.

Zunächst rufe ich Tagesordnungspunkt 40 a auf:

Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Ent-
wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung
energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften

– Drucksache 17/7632 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(9. Ausschuss)


– Drucksache 17/7984 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Thomas Bareiß

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie emp-
fiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache
17/7984, den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/7632 in
der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim-
men wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in
zweiter Beratung mit den Stimmen der beiden Koali-
tionsfraktionen und der Grünen gegen die Stimmen der
Linken bei Enthaltung der SPD angenommen.

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
wurf ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie zu-
vor angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs-
antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/7989. Wer
stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag
ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen ge-
gen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von Linken
und Grünen abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 40 c:

Beratung der Beschlussempfehlung des Rechts-
ausschusses (6. Ausschuss)


zu dem Streitverfahren vor dem Bundesver-
fassungsgericht 2 BvE 1/11

– Drucksache 17/7986 –

Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung, im Verfahren eine Stellungnahme abzuge-

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(C (D en und den Präsidenten zu bitten, Professor Dr. Frank chorkopf als Prozessbevollmächtigten zu bestellen. er stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun en? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen er beiden Koalitionsfraktionen und der SPD bei Enthalng von Linken und Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 40 d: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 346 zu Petitionen – Drucksache 17/7876 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalngen? – Die Sammelübersicht 346 ist einstimmig an enommen. Tagesordnungspunkt 40 e: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 347 zu Petitionen – Drucksache 17/7877 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalngen? – Die Sammelübersicht 347 ist mit den Stimmen on CDU/CSU, FDP und SPD gegen die Stimmen der inken bei Enthaltung der Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 40 f: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 348 zu Petitionen – Drucksache 17/7878 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalngen? – Die Sammelübersicht 348 ist einstimmig an enommen. Tagesordnungspunkt 40 g: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 349 zu Petitionen – Drucksache 17/7879 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalngen? – Die Sammelübersicht 349 ist mit den Stimmen on CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen gegen die Stimen der Linken angenommen. Tagesordnungspunkt 40 h: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 350 zu Petitionen – Drucksache 17/7880 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalngen? – Die Sammelübersicht 350 ist mit den Stimmen on CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen von inken und Grünen angenommen. 17362 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse )


(A) )

Tagesordnungspunkt 40 i:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 351 zu Petitionen

– Drucksache 17/7881 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Die Sammelübersicht 351 ist mit den Stimmen
von CDU/CSU, FDP und Linken gegen die Stimmen
von SPD und Grünen angenommen.

Tagesordnungspunkt 40 j:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 352 zu Petitionen

– Drucksache 17/7882 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Die Sammelübersicht 352 ist mit den Stimmen
von CDU/CSU, FDP und Grünen gegen die Stimmen
von SPD und Linken angenommen.

Tagesordnungspunkt 40 k:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 353 zu Petitionen

– Drucksache 17/7883 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Die Sammelübersicht 353 ist mit den Stimmen
der beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der
drei Oppositionsfraktionen angenommen.

Zusatzpunkt 3:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-
Schröter, Ralph Lenkert, Sabine Stüber, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

zu dem Vorschlag der Europäischen Kom-
mission für eine Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates zur Schaffung ei-
nes Ordnungsrahmens für den Bodenschutz
und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG

(KOM [2006] 232 endg.; Ratsdok. 1388/06)


hier: Stellungnahme des Deutschen Bundes-
tages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grund-
gesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes
über die Zusammenarbeit von Bundesregie-
rung und Deutschem Bundestag in Angele-
genheiten der Europäischen Union

Bodenschutz europaweit stärken

– zu dem Antrag der Abgeordneten Dorothea
Steiner, Cornelia Behm, Ulrike Höfken, weite-

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(C (D rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Blockade beim Bodenschutz aufgeben – EUBodenschutzrahmenrichtlinien voranbringen – Drucksachen 17/7024, 17/3855, 17/7503 – Berichterstattung: Abgeordnete Ulrich Petzold Ute Vogt Judith Skudelny Eva Bulling-Schröter Dorothea Steiner Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner eschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der raktion Die Linke auf Drucksache 17/7024 zu dem Vorchlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie es Europäischen Parlaments und des Rates zur Schafng eines Ordnungsrahmens für den Bodenschutz und ur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG mit dem Titel Bodenschutz europaweit stärken“. Wer stimmt für diese eschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Entaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen er drei Oppositionsfraktionen angenommen. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Frakon Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/3855 mit em Titel „Blockade beim Bodenschutz aufgeben – EUodenschutzrahmenrichtlinien voranbringen“. Wer stimmt r diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – nthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den timmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen er Oppositionsfraktionen angenommen. Tagesordnungspunkt 17 a: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott, Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Klimakonferenz Durban: 10 Punkte für ein besseres Klima – Drucksache 17/7828 – Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dageen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen er beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von PD und Grünen bei Enthaltung der Linken abgelehnt. Tagesordnungspunkt 17 b: Beratung des Antrags der Abgeordneten Andreas Jung Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Michael Kauch, Horst Meierhofer, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Die UN-Klimakonferenz in Durban – Vertrauen schaffen, konkrete Ergebnisse erzielen – Drucksache 17/7936 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17363 Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse )


(A) )

Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposi-
tionsfraktionen angenommen.

Tagesordnungspunkt 17 c:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Frank
Schwabe, Dirk Becker, Gerd Bollmann, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Die Klimakonferenz in Durban zum Erfolg
führen – Kyoto-Protokoll verlängern, Klima-
schutz finanzieren und Cancún-Beschlüsse
umsetzen

– Drucksache 17/7938 –

Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen
der beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von
SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 17 d:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Eva
Bulling-Schröter, Dorothée Menzner, Sabine
Stüber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Nur konsequenter Klimaschutz führt aus der
Sackgasse der UN-Klimaverhandlungen

– Drucksache 17/7939 –

Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen
der beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der
Linken bei Enthaltung von SPD und Grünen abgelehnt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN

Wahl der Mitglieder des Kuratoriums der
„Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“

– Drucksache 17/7935 –

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Es liegt ein gemeinsamer Wahlvorschlag aller Frak-
tionen auf Drucksache 17/7935 vor. Wer stimmt für die-
sen Wahlvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Der Wahlvorschlag ist einstimmig
angenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun rufe ich den
Zusatzpunkt 4 auf:

Aktuelle Stunde

auf Verlangen der Fraktionen SPD und BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Weltklimakonferenz in Durban – Klimapolitik
am Scheideweg

Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegen
Frank Schwabe für die SPD-Fraktion das Wort.

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(C (D Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Es ist irklich absurd: Die Situation des Klimawandels wird eltweit immer dramatischer. Die Prognosen zu den uswirkungen des Klimawandels in Zukunft werden imer dramatischer. Die Treibhausgasemissionen steigen ramatisch. Dramatisch ist aber vor allem auch die Lüke zwischen dem, was wir wissen, und dem, was wir n, auf der ganzen Welt und hier im Deutschen Bundesg. Es ist absurd, dass sich kurzfristige Lobbyinteressen egenüber dem durchsetzen, was eigentlich notwendig t. Es ist absurd, dass uns ständig erzählt wird, was alles icht geht, statt darüber zu reden, was geht. Ich stelle fest: Wir befinden uns in einer Legitimaonskrise des UN-Prozesses. Es sind nicht nur Politiker nd Wirtschaftsvertreter, sondern es ist die gesamte enschheit gefragt. Auch die Menschen draußen an den ernsehern können und sollen sich für mehr Klimachutz einsetzen. Wenn hier in Berlin Demonstrationen um Klimaschutz möglich wären wie zum Atomaustieg, dann würde sich, da bin ich mir sicher, in Deutschnd und auch bei dieser Bundesregierung viel mehr beegen. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


(Beifall bei der SPD)

Frank Schwabe (SPD):
Rede ID: ID1714608600

Wir befinden uns in einer Glaubwürdigkeitskrise des
esamten Prozesses, am Ende aber auch in einer Glaub-
ürdigkeitskrise einer demokratisch legitimierten Poli-
k, die sich dieser Herausforderung nicht ausreichend
tellen kann. Ich habe keine Lust mehr, hier im Deut-
chen Bundestag darüber zu diskutieren, was China, die
SA, Indien oder wer sonst alles nicht tun.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Dann lassen Sie es halt! Dann gehen Sie nach Hause!)


ir sind hier im Deutschen Bundestag. Herr Umwelt-
inister, Sie können sich sicher sein – das können wir

usagen –, dass wir in Durban gemeinsam für eine deut-
che Position streiten werden. Das wird uns auch gelin-
en, aber hier im Deutschen Bundestag müssen wir über
as diskutieren, was Europa und Deutschland in dieser
rise tun bzw. was sie eben nicht tun.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Herr Umweltminister, ich kann mir schon denken,
as jetzt gleich kommt. Es wird eine schöne Rede kom-
en mit Textbausteinen, die ich bald alle auswendig

enne.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Dann gehen Sie halt nach Hause!)


as ist alles talkshowtauglich, aber es ist eben nicht re-
ierungstauglich. Sie müssen schon sagen, was die Bun-
esregierung tut bzw. tun will und wo Deutschland steht.


(Beifall bei der SPD – Ulrich Kelber [SPD]: Butter bei die Fische!)


17364 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Frank Schwabe


(A) )


)(B)

Das bereitet mir Sorge. Die taz hatte in der letzten Wo-
che die Überschrift „Rösler auf Chinakurs“. Die Finan-
cial Times Deutschland hatte die Überschrift „Minister
für Ineffizienz“. Damit ist Herr Rösler gemeint, aber
auch Sie, Herr Röttgen, sind damit gemeint; denn das be-
trifft das Thema Energieeffizienz. Wir lesen über „Solar-
deckel“ und anderes. Sie sind nicht in der Lage, das Kli-
maschutzziel der Europäischen Union zu verschärfen.
Sie sind ausdrücklich auch persönlich dazu nicht in der
Lage.

Deutschland war einmal Vorreiter, da sind wir uns alle
einig. Ich glaube, dass Deutschland in den letzten Mona-
ten und Jahren eher Nachreiter geworden ist. Mittler-
weile sind wir zum Bremser innerhalb der Europäischen
Union verkommen.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Herr Schwabe, Sie haben keine Ahnung! Keine Ahnung haben Sie! Ahnungslos!)


Sie sprechen von einer Vorreiterrolle, die uns auf inter-
nationalen Konferenzen zugestanden wird. Das ist aber
eher ein Nachhallen einer Politik von früher, eine gute
Nachrede, die Sie noch ereilt, aber mit der heutigen
Rolle Deutschlands in der Europäischen Union hat das
nichts mehr zu tun.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich weiß nicht, ob man das darf, aber ich habe eine
Grafik mitgebracht, die ich Ihnen gerne zeigen würde.
Das ist eine Grafik, die die Entwicklung des Emis-
sionshandelspreises seit einem Jahr darstellt. Wissen Sie,
was das bedeutet? Die Deutsche Bank hat das vor zwei
Tagen deutlich gemacht. Es bedeutet, dass die Deutsche
Bank erwartet, dass wir im zweiten Halbjahr 2012 einen
Emissionshandelspreis von 5 bis 7 Euro sehen werden.
Wenn die europäische Politik nicht verändert wird, wer-
den wir ab dem Jahr 2013 einen Preis von unter 10 Euro
sehen. Das ist das Gegenteil von dem, was vor allen Din-
gen Politiker von der Koalition im Rahmen der Atom-
ausstiegsdebatte in Deutschland behauptet haben. Es
wurde damals beschrien, der Preis steige von 15 Euro
auf 16,50 Euro, die Industrie müsse Deutschland verlas-
sen. Jetzt liegt der Preis bei 8 Euro, und von Herrn
Fuchs, Herrn Pfeiffer und Herrn Bareiß höre ich zu die-
ser dramatischen Entwicklung der letzten Wochen und
Monate überhaupt nichts mehr.

Ich frage mich wirklich, wie Sie da noch von einer
Vorreiterrolle sprechen können. Alle wissen, dass wir in
der Europäischen Union die Treibhausgasemissionen um
30 Prozent senken müssen. Wenn wir das nicht errei-
chen, dann gibt es für die nächsten sieben, acht Jahre
keinen Anreiz für eine Klimaschutzpolitik in der Euro-
päischen Union. Wir haben kein Geld mehr für Klima-
schutzmaßnahmen. Ihren Energie- und Klimafonds kön-
nen Sie vergessen. Am Ende wird kein Geld drin sein.
Wir können für uns erst recht keine internationale An-
treiberrolle mehr reklamieren.

Vorreiterrolle bedeutet doch, vorne zu stehen im
Kampf für die Senkung der Emissionen in der Europäi-

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(C (D chen Union um 30 Prozent. Wenn es Länder gibt, die eiter sind – wie Großbritannien, Dänemark und andere, o gerade die Diskussion geführt wird – und Deutschnd eben nicht vorne ist, dann heißt das für mich: Sie önnen die Vorreiterrolle für sich und Ihre Politik nicht ehr reklamieren und damit leider auch nicht für die undesrepublik Deutschland. Herr Röttgen, Sie haben in Durban zweifellos die Unrstützung der Opposition. Wir werden dort gemeinsam uftreten. Sie hätten die Unterstützung der Opposition uch für eine gute und konsistente Klimaschutzpolitik in eutschland. Das würde aber bedeuten, dass Sie das ort Vorreiterrolle nicht nur in den Mund nehmen, son ern es auch mit realer Politik füllen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714608700

Das Wort hat Andreas Jung für die CDU/CSU-Frak-

on.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1714608800

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Es ist mir ein Anliegen, in dieser Aktuellen
tunde unsere Gemeinsamkeiten in der Klimapolitik zu
etonen. Zunächst will ich aber ein Wort zu den Ausfüh-
ngen des Kollegen Frank Schwabe sagen: Selbstver-

tändlich ist die Bundesrepublik Deutschland Vorreiter,
nd selbstverständlich wird die Bundesrepublik Deutsch-
nd international weiterhin als Vorreiter wahrgenom-
en.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Deswegen beschließen wir die 30 Prozent auch nicht im Deutschen Bundestag! – Gegenruf des Abg. Dr. Christian Ruck [CDU/ CSU]: Hör auf, zu krakeelen!)


Durban wird es um das Verhandeln gehen. Wir zeigen
ier durch Handeln, dass wir dieser Vorreiterrolle ge-
cht werden. Es gibt kein anderes Land, das ein so am-

itioniertes Ziel wie unser 40-Prozent-Reduktionsziel –


(Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Großbritannien, na klar!)


as gilt für Deutschland unbedingt – beschlossen hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Aber es ist nicht mehr hinterlegt mit Programmen!)


Das ist mit Programmen hinterlegt. – Wir zeigen mit
er Energiewende, mit dem Ausbau der erneuerbaren
nergien zum Beispiel und mit unseren Anstrengungen
Bereich der nachhaltigen Mobilität, dass wir das um-

etzen. Wir zeigen damit, dass wir Vorreiter sind, und
ir laden andere zum Mitmachen ein.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17365

Andreas Jung (Konstanz)



(A) )


)(B)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Aber die Wissenschaftler sagen Ihnen etwas anderes!)


Wahr ist, dass wir eine Diskussion in Europa führen.
Ich will auf einen Satz in dem Antrag, den die Koali-
tionsfraktionen in diesem Zusammenhang eingebracht
haben, der gerade beschlossen wurde, hinweisen. Es
wird auf unser unkonditioniertes 40-Prozent-Ziel ver-
wiesen, zu dem sich die Bundeskanzlerin in ihrer Haus-
haltsrede übrigens glasklar bekannt hat. Sie hat gesagt:
Das wird eingehalten; daran halten wir fest. – In unse-
rem Antrag heißt es:

Es ist anzustreben, dass die EU und die anderen
Mitgliedstaaten sich zu vergleichbar ambitionier-
ten Reduktionszielen wie Deutschland verpflichten.

Ich verstehe das ganz persönlich als Auftrag, weiterhin
für das 30-Prozent-Ziel in Europa zu werben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wahr ist auch – auch das hat Kollege Frank Schwabe
gesagt –, dass der internationale Klimaprozess in einer
schwierigen Situation ist. Wir haben gemeinsam ein kla-
res Ziel: Wir wollen ein verbindliches, umfassendes Ab-
kommen, wie das 2-Grad-Celsius-Ziel erreicht werden
kann. Wir wissen schon heute: Auch in Durban wird es
leider nicht zu einem Durchbruch auf diesem Weg kom-
men. Deshalb gibt es die eine oder andere Stimme, des-
halb gibt es hier und da Gegrummel, nach dem Motto:
Dann könnt ihr es auch bleiben lassen. Warum fahrt ihr
da überhaupt hin?

Ich finde, als Deutscher Bundestag müssen wir dem
ein entschiedenes Nein entgegenstellen. Natürlich geht
das zu langsam. Natürlich sind die Schritte zu klein, und
natürlich gibt es Rückschläge. Aber die Frage ist doch:
Was wäre die Alternative? Es gäbe nur eine Alternative:
aufgeben. Aufgeben dürfen wir aber nicht. Deshalb muss
dieser Weg unter dem Dach der Vereinten Nationen wei-
tergeführt werden. Die Verhandlungen müssen weiterge-
hen. Wir werden uns engagiert einsetzen und einbringen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Gerade jetzt ist es notwendig, dass diese Konferenz
stattfindet, weil sich jetzt, vor dem Jahr 2012, die Frage
stellt, was passieren würde, wenn im Jahr 2012 das Kioto-
Protokoll ohne Anschlussregelung auslaufen würde. Gäbe
es dann überhaupt keinen internationalen Klimaschutz
mehr? Würden wir dann vor einem Scherbenhaufen ste-
hen? Deshalb ist es jetzt notwendig, Folgendes deutlich zu
machen:

Erstens. Es muss bei den flexiblen Mechanismen des
Kioto-Protokolls bleiben, weil sie einen Weg für einen
effizienten Klimaschutz auf marktwirtschaftlicher Basis
darstellen, weil sie den Entwicklungsländern nutzen und
uns global voranbringen.

Zweitens. Wir sind bereit, auch weiterhin Verantwor-
tung zu übernehmen und uns verbindlich zu Minde-
rungszielen zu bekennen. Wir werben dafür bei den

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(C (D isherigen Partnern des Kioto-Protokolls, bei den bishegen Partnern für internationalen Klimaschutz. In Durban wollen wir aber auch sagen: Wir brauchen inen umfassenderen Ansatz. Wir müssen das, was in ancún mit der Vereinbarung des 2-Grad-Celsius-Ziels egonnen wurde, unter der Klimarahmenkonvention rtführen. Wir wollen, dass es einen konkreten Fahrplan it konkreten Zielen, konkreten Maßnahmen und Min erungsverpflichtungen unter dem Dach der Klimarahenkonvention gibt. Das bedarf der Einbeziehung aller, uch der USA und Chinas. Wir dürfen sie und die großen chwellenländer nicht aus der Verantwortung herauslasen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Oliver Luksic [FDP])


Die Konferenz ist auch abgesehen von den Verhand-
ngen über die Minderungsziele notwendig, weil es da-
m geht, die Maßnahmen, die in Cancún beschlossen

nd auf den Weg gebracht wurden, zu operationalisieren
nd umzusetzen. Es geht um Maßnahmen im Bereich
aldschutz, um Anpassungsmaßnahmen und um Maß-

ahmen im Bereich der Technologiekooperation, weil
urch all das Klimaschutz sichtbar wird, weil wir mit
onkreten Projekten und konkreten Maßnahmen in den
ereichen Klimaschutz und Klimaanpassung vorankom-
en und weil dadurch auch die Glaubwürdigkeit ge-

tärkt wird.

Es wird auch darum gehen – Stichwort: Glaubwürdig-
eit –, die Finanzierung sicherzustellen, und zwar die
urzfristige, aber auch die langfristige Finanzierung.
eshalb muss darüber geredet werden, wie die Zusage
er Industriestaaten, 100 Milliarden US-Dollar bis 2020
ereitzustellen, mit öffentlichen Mitteln, aber eben auch
nter Einbeziehung privater Mittel umgesetzt werden
ann.


(Ulrich Kelber [SPD]: Was ist denn der Vorschlag der Bundesregierung dazu?)


abei muss es auch wieder um die Frage der Einbezie-
ung des Flugverkehrs in den Emissionshandel gehen.
ir brauchen hier globale Fortschritte und keine euro-

äischen Rückschritte.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714608900

Vielen Dank, Kollege Jung. – Nächster Redner für die

raktion Bündnis 90/Die Grünen ist unser Kollege
r. Hermann Ott. Bitte schön, Kollege Dr. Ott.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist

chön, dass wir diese Debatte hier noch bei Tageslicht
hren können; doch es ist schon etwas irritierend, dass
ir sie nicht auf Antrag der Koalition führen. Tatsache
t: Wenn es die Opposition nicht gäbe, dann würde über
ie zukunftsentscheidende Klimakonferenz in Durban in
iesem Hause gar nicht diskutiert und dann könnten Sie

17366 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Dr. Hermann E. Ott


(A) )


)(B)

Ihren Antrag dazu nicht zur Sprache bringen. Meine Da-
men und Herren von der Union und von der FDP, es ist
erschreckend und beschämend, wie wenig ernsthaft Sie
mit einem so wichtigen Thema umgehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Leider ist das nicht das einzige Indiz dafür, welch ge-
ringen Stellenwert die internationale Klimapolitik bei Ih-
nen hat. Die deutsche Klimadiplomatie, früher das Para-
depferd unserer Umweltaußenpolitik, steht, bildlich
gesehen, kurz vor dem Abdecker. Sie haben keine neuen
Ideen, wie mit dem Desaster von Kopenhagen umgegan-
gen werden soll, keine strategischen Ansätze, um die
festgefahrenen Verhandlungen wieder flottzumachen.
Herr Röttgen, es tut mir leid, aber Sie sind mithilfe Ihrer
tüchtigen Beamten im BMU nicht mehr als eine Art Ver-
weser der Politik Ihrer Vorgänger Trittin und Gabriel;
dies gilt auch für Frau Merkel.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Töpfer!)


Viel zu sehr schauen Sie und die EU noch immer auf
die Blockierer im Verhandlungsprozess, vor allem auf
die USA. Nach mittlerweile 16 Vertragsstaatenkonferen-
zen und nach 100 vorbereitenden Konferenzen muss
man doch realisieren, dass von den USA auch bei der
kommenden 17. Klimakonferenz in Durban nichts ande-
res als in der Vergangenheit zu erwarten ist. Ja, mittler-
weile geht es gar nicht mehr darum, ob sich die USA
konstruktiv beteiligen oder nicht. Man muss ja schon
hoffen, dass sie eine Einigung nicht torpedieren. Dass
der amerikanische Kongress es den Fluglinien in den
USA verboten hat, am Emissionshandel der EU teilzu-
nehmen, ist ein direkter Hieb gegen die Klimapolitik und
übrigens auch ein Affront sondergleichen gegen die Eu-
ropäische Union.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Weil das so ist, fordern wir einen Strategiewechsel.
Diese neue Strategie nennen wir KLUG: Klimapolitik der
unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Diese Strategie er-
kennt die Realität an, nämlich dass die beste Lösung, also
ein Abkommen mit allen großen Verschmutzern, nicht
möglich ist. Die Strategie folgt der Erkenntnis, dass es
wichtig sein kann, letztlich alle ins Boot zu holen, aber
dass nicht unbedingt alle zur gleichen Zeit in das Boot
einsteigen müssen. Es ist politisch und völkerrechtlich
möglich, auf Grundlage der Klimarahmenkonvention oder
des Kioto-Protokolls einen Folgevertrag auszuhandeln,
der nicht von allen Staaten gebilligt werden muss.

Ein schönes Beispiel dafür ist die Seerechtskonven-
tion der Vereinten Nationen. Sie wurde von den USA bis
heute nicht ratifiziert, aber sie halten sich an die Regeln.
Genau die Industrien, die sich zu Anfang vehement ge-
gen dieses Seerechtsübereinkommen gestellt haben, for-
dern heute dessen Ratifizierung, weil es in ihrem Inte-
resse ist, weil es Rechtssicherheit verspricht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D as einst als Belastung empfunden wurde, ist heute ein ewinn. So wird es auch bei der Klimapolitik sein. In Durban müssen Deutschland und die EU einen amitionierten Fahrplan für den Kioto-Folgevertrag auf den eg bringen. Wenn sich die USA sträuben, muss ihnen eundlich, aber unmissverständlich klargemacht weren, dass sie die anderen nicht am Klimaschutz hindern ürfen. Dann muss eine Allianz ohne die USA gebildet erden. Wir haben diese Woche einen Zehn-Punkte-Plan in en Bundestag eingebracht. Diese zehn Punkte kann an jetzt angehen; man muss dafür nicht auf ein neues bkommen warten. Dadurch kann das Klima natürlich icht gerettet werden, aber es können wichtige Fortchritte beim Klimaschutz erzielt werden. Zu diesen ehn Punkten gehören folgende Forderungen: ein natioales Klimaschutzgesetz, der Abbau klimaschädlicher ubventionen, ein Programm für den Aufbau erneuerbar Energien in den Entwicklungsländern und konkret ie Umsetzung von Projekten wie SARI in Südafrika nd Yasuní-ITT in Ecuador, Projekte, die den weltweiten limaschutz mit bahnbrechenden Ideen voranbringen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Herr Röttgen, meine Damen und Herren von der Ko-
lition, ich habe eben, vielleicht aus Gründen der Rheto-
k, etwas übertrieben. Das Paradepferd der deutschen
limaaußenpolitik lahmt zwar, aber etwas gute Pflege
ann es schnell wieder auf die Beine bringen. Dazu
rauchen Sie nichts als guten Willen und natürlich den
ut, die Einflüsterungen der Lobbyisten von der Un-
öglichkeit eines Strategiewechsels als das zu nehmen,
as sie sind: der hinterhältige Versuch, das fossile Sys-
m zu retten und die Lebensinteressen von jetzt 7 Mil-
arden Menschen zu opfern. Lassen Sie, lassen wir das
icht zu!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Denn in der Klimapolitik, meine Damen und Herren,
t es doch wie in der Politik allgemein: Man muss das
n, was richtig ist, nicht das, was die anderen einen tun
ssen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714609000

Vielen Dank, Kollege Dr. Ott. – Jetzt für die Fraktion

er FDP unser Kollege Michael Kauch. Bitte schön,
ollege Michael Kauch.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1714609100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kli-

aschutz hat auch in der Finanzkrise nicht an Bedeutung

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17367

Michael Kauch


(A) )



(B)

verloren. Er ist weiterhin eines der zentralen Zukunfts-
felder der deutschen Politik. Ich muss sagen, dass ich
großes Vertrauen in die Politik von Bundesumweltminis-
ter Röttgen und Bundesentwicklungshilfeminister
Niebel habe,


(Frank Schwabe [SPD]: Und Herr Rösler?)


die entscheidend dazu beitragen, dass Deutschland auf
der internationalen Bühne weiterhin eine Vorreiterrolle
zugeschrieben wird.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dieses Oppositionsgenöle, Deutschland und die EU
seien ja nicht mehr Vorreiter, seit Sigmar Gabriel nicht
mehr Umweltminister ist,


(Frank Schwabe [SPD]: Es ist aber so! – Ulrich Kelber [SPD]: Es war selbst unter Merkel besser und unter Töpfer noch besser!)


diese Platte kann man als Opposition immer auflegen.
Das würde ich an Ihrer Stelle wahrscheinlich auch tun.
Aber dann erklären Sie mir doch einmal: Wer in der
G 20 ist denn mehr Vorreiter als die Europäische Union,


(Ulrich Kelber [SPD]: Großbritannien!)


mehr Vorreiter als Deutschland und Großbritannien?
Etwa China, etwa Saudi-Arabien oder etwa die USA?
Sie werden in der G 20 keine Länder finden, die beim
Klimaschutz stärker als die Europäische Union vorange-
hen.


(Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die anderen sind noch viel schlechter! Das reicht nicht!)


Deshalb sollten Sie den Leuten hier nichts vormachen.
Wir sind Vorreiter im Klimaschutz in der G 20.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, einfach immer nur mehr
Ziele zu fordern, ist ja leicht.


(Ulrich Kelber [SPD]: Wir wollen mehr Instrumente in Deutschland!)


Da Sie Großbritannien angesprochen haben: Ich schätze
Großbritanniens Engagement sehr. Großbritannien ist
für die internationale Verhandlungslinie der Europäi-
schen Union von herausragender Bedeutung. Aber ich
muss auch deutlich sagen: Großbritannien ist ein Land,
das sich in den letzten Jahrzehnten deindustrialisiert hat.


(Frank Schwabe [SPD]: Aber doch nicht wegen des Klimaschutzes! – Ulrich Kelber [SPD]: Wegen der Marktliberalen!)


Das Geld wird bei den Banken und im Dienstleistungs-
sektor verdient.

Wir in Deutschland sind sehr froh, dass wir unseren
industriellen Kern erhalten haben; denn das hat dazu ge-
führt, dass wir glimpflich durch die Finanzkrise gekom-
men sind.

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(C (D (Frank Schwabe [SPD]: Trotz FDP! Das hat doch mit dem Klima nichts zu tun!)


ieses Wachstum von morgen dürfen wir nicht aufge-
en. Wir als Liberale, als christlich-liberale Koalition
ollen die industriellen Kerne Deutschlands erhalten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Sie waren doch für den politischen Weg als FDP! Das kann man nachlesen!)


as gilt sowohl für neue als auch für alte Technologien.
enn wir müssen Wertschöpfungsketten insgesamt im
and erhalten und dürfen sie nicht über die Grenze, zum
eispiel nach China oder in die Ukraine, treiben, wo
ann mit möglicherweise noch mehr Emissionen die
leichen Produkte hergestellt werden, aber dann eben
hne Arbeitsplätze in Deutschland.

Deshalb finde ich es sehr legitim, dass der Bundes-
irtschaftsminister, der für die Wirtschaft in Deutsch-
nd zuständig ist, ein waches Auge darauf hat, ob Indus-
iearbeitsplätze in Deutschland überfordert werden oder
icht. Wir stehen für eine Balance, dafür, dass der indus-
ielle Kern Deutschlands nicht beschädigt wird und wir
ugleich Klimaschutzvorreiter in der Welt bleiben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie nutzen die Chancen nicht! Sie schaden den kleinen und mittelständischen Betrieben!)


Meine Damen und Herren, Cancún war ein Teilerfolg.
ir haben es geschafft, dass das 2-Grad-Ziel internatio-

al anerkannt worden ist. Wir haben für die Entwick-
ngsländer Finanzierungsentscheidungen getroffen. Wir

aben die Schwellenländer dazu gebracht, dass sie ei-
ene Minderungsbeiträge zugesagt haben.

Die Aufgabe, die wir jetzt in Durban haben, ist, deut-
ch zu machen, dass die Minderungsbeiträge noch nicht
usreichend sind, um das vereinbarte 2-Grad-Celsius-
iel tatsächlich zu erreichen. Das werden wir im We-
entlichen dadurch erreichen, dass wir in der Klima-
iplomatie darauf setzen, dass die Staaten, die koopera-
v sind, weiterhin das Kioto-Protokoll einhalten. Wir als
hristlich-liberale Koalition wollen eine Verlängerung
es Kioto-Protokolls, auch wenn wir noch kein globales
bkommen hinbekommen. Wir wollen mit den Schwel-
nländern, die kooperativ sind, vorangehen. Deshalb ist

s richtig, dass wir uns als Europäische Union und als
eutsche Regierung auch auf die Frage konzentrieren:
ie ist in der Klimadiplomatie unser Verhältnis zu
hina, Brasilien und Mexiko?

In einem Punkt gebe ich Herrn Ott recht: Wir können
nd dürfen nicht auf die Vereinigten Staaten von Ame-
ka warten. Wenn die USA nicht mitmachen, dann muss
ie EU mit anderen Teilen der Welt vorangehen, und
ann müssen sich die USA fragen, ob sie sich nicht zu-
ehmend isolieren, auch in der Außenpolitik und in an-
eren Feldern der Politik.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD])

)

17368 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Michael Kauch


(A) )


)(B)

Meine Damen und Herren, wir müssen praktisch vo-
rangehen. Mit seinem Energiekonzept ist Deutschland
im Hinblick auf erneuerbare Energien so ambitioniert
wie kein anderes Industrieland auf der Welt. Wir inves-
tieren über die Etats des Umwelt- und des Entwicklungs-
hilfeministeriums mehr als 1 Milliarde Euro im Jahr in
den Waldschutz und in Klimaanpassungsmaßnahmen.
Wir werden die Energiekooperation mit den Entwick-
lungsländern vorantreiben.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714609200

Das wäre doch ein schöner Schlusssatz.


Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1714609300

Dirk Niebel beispielsweise hat gerade erst eine Ver-

einbarung über den Bau einer Solarfabrik in Marokko
unterzeichnet. Das ist der Weg, auf dem wir praktisch in
das neue Energiezeitalter gehen werden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714609400

Vielen Dank, Kollege Michael Kauch. – Jetzt für die

Fraktion Die Linke unsere Kollegin Frau Eva Bulling-
Schröter. Bitte schön, Frau Kollegin.


(Beifall bei der LINKEN)



Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714609500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In

Durban wird es kein umfassendes internationales Klima-
schutzabkommen geben, bestenfalls Verhandlungsman-
date auf dem Weg dorthin. Ich halte das angesichts des
drohenden Klimakollapses für erbärmlich – für richtig
erbärmlich – und sehr traurig.

Wir wissen ebenfalls: Die angestrebte Minimallö-
sung, nämlich die Verlängerung des Kioto-Protokolls bis
2015, wird eine leere Hülle sein: ohne neue Minderungs-
pflichten und ohne Einbindung der USA und Chinas.
Das ist nicht mehr als ein Platzhalter, eine Brücke hin zu
einem umfassenden Abkommen, damit nicht auch die
wenigen Mechanismen für die Industrieländer entsorgt
werden. Die Bilanz ist ernüchternd. Ich kann die Wut
verstehen, die die Menschen, die vom Klimawandel be-
troffen sind, haben – aber nicht nur die, sondern auch die
Menschen in unserem Land, die endlich etwas tun wol-
len.


(Beifall bei der LINKEN)


Es nützt auch nichts, auf dem bevölkerungsreichen
China herumzuhacken, wie es viele zurzeit tun. Die Pro-
Kopf-Emissionen Chinas liegen deutlich unter denen der
EU und erst recht unter denen der USA, die sich seit
Jahrzehnten nicht um den Klimaschutz kümmern und
lieber Kriege anzetteln, statt Zukunft zu gestalten. Natür-
lich müssen beide Länder mit ins Boot; das ist für mich
gar keine Frage. Sonst machen internationale Abkom-
men keinen Sinn; das wissen wir.

Ja, die Wachstumsraten beim CO2-Ausstoß in den
Schwellenländern sind beängstigend. Das gibt allerdings

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(C (D or allem deshalb Probleme, weil die Atmosphäre beits voll ist. Dieses Problem wurde nicht von den Enticklungsländern, sondern von uns, den Industrielänern, verursacht. Nicht etwa die Chinesen jetten zweimal Jahr nach Mallorca oder haben einen Zweitwagen in er Garage; das sind ganz andere. Ich möchte jetzt nicht chlaumeiern, wie China oder die USA zu einem anden Verhalten gebracht werden können. Klar ist aber: In urban müssen endlich die Weichen für ein umfassenes Post-Kioto-Abkommen gestellt werden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


h sage Ihnen: Das sind wir unseren Enkeln und vielen
nderen auch schuldig.

Die Konferenz muss die Absichtserklärungen von
openhagen und Cancún mit Leben füllen. Das heißt
es wurde angesprochen –, man muss Vertrauen schaf-
n und gegenseitige Blockaden aufbrechen. Es ist

atürlich die vordringlichste Aufgabe der EU, endlich
as 30-Prozent-Ziel zu diskutieren und dann natürlich
uch zu beschließen; wir reden die ganze Zeit darüber.
ir sind uns einig, andere – natürlich die Wirtschafts-

olitiker und die Industriebosse – blockieren das.


(Dr. Thomas Gebhart [CDU/CSU]: Und Gewerkschaften!)


Wir brauchen eine entsprechende Finanzierung und
erbindliche Geldzusagen. Wir brauchen frisches Geld
nd keine aufgewärmten alten Versprechen. Ich sage Ih-
en: Den Banken schmeißen Sie es in den Rachen, aber
r die betroffenen Leute ist kein Geld da.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Blödsinn!)


h möchte Sie daran erinnern: Nur ein Fünftel der Mit-
l im Bundeshaushalt ist dafür zusätzlich veranschlagt.
as halte ich für einen Witz. Für diese Menschen muss
tzt endlich Geld her.

Letzte Bemerkung. Deutschland ist ein Industrieland,
as fähig ist, die Energieversorgung zügig auf eine rege-
erative Basis umzustellen. Wir können ein Vorbild da-
r sein, wie das ohne Verlust an wirklicher Lebensquali-
t geht. Allerdings müssen wir das Tempo erhöhen
das wurde schon angesprochen –, das heißt: Halbie-
ng des CO2-Ausstoßes bis 2020 und 50 Prozent des

troms aus erneuerbaren Energien. Das ist möglich, aber
as wird nur dann gelingen, wenn die Kosten nicht allein
ie Privathaushalte und die kleinen Betriebe tragen müs-
en. Die Bundesregierung schont energieintensive Indus-
ien und große Kraftwerksbetreiber. Das, was Herr
auch gesagt hat, ist eben nicht richtig.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Doch! In dem Fall hat er recht!)


Schauen wir uns die EEG-Umlage und den Emis-
ionshandel an. Hier werden Gewinne eingefahren. Das
ann man berechnen und beweisen. Es geht hier nicht
arum, dass wir irgendwelche Arbeitsplätze abbauen
ollen, sondern wir wollen, dass fair bezahlt wird; denn

lles andere ist absurd. Die energieintensiven Industrien

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17369

Eva Bulling-Schröter


(A) )


)(B)

und die großen Kraftwerksbetreiber erhalten leistungslos
Geld.

Es geht in Deutschland nicht allein um ein paar Pro-
zentpunkte mehr beim Minderungsziel. Es geht darum,
dass das Energiesystem auf komplett neue Grundlagen
gestellt wird, nämlich: erneuerbar, demokratisch und so-
zial. Wenn wir das durchsetzen, dann können wir auch
international etwas bewegen.


(Beifall bei der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714609600

Vielen Dank, Frau Kollegin Bulling-Schröter. – Jetzt

für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege
Dr. Thomas Gebhart. Bitte schön, Kollege Dr. Gebhart.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Thomas Gebhart (CDU):
Rede ID: ID1714609700

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Viele fragen in diesen Wochen in der Tat: Was brin-
gen eigentlich diese Klimakonferenzen? Lohnt der Auf-
wand? Ist es nicht grotesk, dass die Warnungen vor den
Folgen des Klimawandels zunehmen, dass wir bei den
Treibhausgasemissionen im letzten Jahr historische Re-
kordwerte erreicht haben und dass gleichzeitig die Er-
wartungen an die jetzige Konferenz eher mäßig sind? Ja,
aber deswegen die Klimakonferenzen grundsätzlich in-
frage zu stellen, wäre sicherlich ein Fehler; denn am
Ende gibt es keine vernünftige Alternative dazu.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Warum ist dies so? Der Klimawandel ist ein klassi-
sches globales Problem, und es ist klar, dass wir für die-
ses Problem weltweite Lösungen brauchen. Die Staaten
müssen miteinander kooperieren. Dort, wo es möglich
ist, müssen wir unter dem Dach der Vereinten Nationen
miteinander reden, verhandeln und das, was möglich ist,
vereinbaren. Ich hoffe, dass wir in Durban zum Beispiel
Entscheidungen treffen, die zumindest die Grundlage für
weltweit verbindliche Vereinbarungen über die Mengen-
begrenzung der Treibhausgasemissionen schaffen.

Deutschland wird dabei weiterhin engagiert für mehr
Klimaschutz werben. Deutschland steht zu seinen ambi-
tionierten Zielsetzungen. Wir wollen die Treibhausgas-
emissionen bis 2020 um 40 Prozent reduzieren. Dies ist
Teil unserer Verantwortung. Dies ist der Beitrag, den wir
leisten. Es ist gut, dass es dazu einen breiten Konsens
gibt. Den sollten wir auch heute nicht zerreden.

Ich bin überzeugt: Es gibt am Ende keine vernünftige
Alternative zu diesen Klimakonferenzen und zu diesen
Verhandlungen. Ich bin aber in gleicher Weise fest davon
überzeugt, dass diese Verhandlungen – so notwendig sie
sind – am Ende alleine nicht reichen werden. Warum?
Wenn wir heute die Situation weltweit betrachten, stellen
wir fest, dass wir nach wie vor ein Wachstum der Welt-
bevölkerung erleben. Auch jene, die nicht so leben wie
wir in den westlichen Industrieländern, streben verständ-
licher- und berechtigterweise nach Wohlstand und
Wachstum. Die große Herausforderung besteht also da-

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(C (D n, dass es uns gelingt, Wohlstand und Wachstum mit er Ressourcenschonung und dem Klimaschutz in Einlang zu bringen. Der Schlüssel dazu liegt in neuen Technologien, in ffizienztechnologien, erneuerbaren Energien und viem mehr. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann tun Sie doch mal was! Hauen Sie doch mal Ihrem Wirtschaftsminister auf die Finger!)


Wir tun sehr viel. Wir sind in Deutschland auf dem
eg. Wir bauen die Energieversorgung zu einer nach-

altigen Energieversorgung um. Viele schauen in diesen
onaten auf Deutschland und fragen: Schafft ihr das?
h bin mir sehr sicher: Wir werden es schaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen Sie mal in die Enquete! Das reicht nicht aus!)


Je besser uns dieser Umbau gelingt, desto attraktiver
ird am Ende dieser Weg auch für andere Länder wer-
en – auch weil sie erkennen, dass darin wirtschaftliche
hancen liegen.


(Zurufe von der CDU/CSU: Genau!)


Je besser uns dieser Umbau gelingt, desto mehr tragen
ir am Ende zum Klimaschutz insgesamt bei.


(Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie das machen würden, hätten Sie uns doch dabei!)


eshalb: Durban ist wichtig; aber das, was danach
ommt, ist mindestens genauso wichtig.

Ich will noch einen Punkt aufgreifen. Die Schulden-
rise überlagert im Moment viele andere Themen. Auch
er Klimawandel ist in der öffentlichen Wahrnehmung
in ganzes Stück weit nach hinten gerutscht. Wenn wir
s aber genau betrachten, dann sind Schuldenkrise und
limawandel im Grunde zwei Seiten der gleichen Me-
aille; denn beide haben die gleiche Ursache: Ein Teil
es Wohlstands von heute wird zulasten künftiger Gene-
tionen erwirtschaftet.


(Beifall des Abg. Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


Gerade die Schuldenkrise lehrt uns, dass es vernünftig
t, frühzeitig und rechtzeitig den Weg zu einer nachhal-
gen Wirtschaftsweise und Politik einzuschlagen und
icht erst dann, wenn es unvermeidlich ist; denn dann
ird die Anpassung am Ende umso härter ausfallen.
leiches gilt für den Klimawandel.

Also überzeugen wir möglichst viele, mit uns gemein-
am diese Herausforderung anzugehen, und zwar jetzt!

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


17370 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011


(A) )


)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714609800

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Gebhart. – Jetzt für die

Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Dirk
Becker. Bitte schön, Kollege Dirk Becker.


(Beifall bei der SPD)



Dirk Becker (SPD):
Rede ID: ID1714609900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Gebhart, ich muss schon sagen: Sie haben beim
Umweltminister gelernt, wie man ein Thema würdevoll
vorträgt. Sie haben viel Richtiges gesagt. Entscheidend
ist aber, dass die Taten, die Ihre Regierung vornimmt,
auch diesen Aussagen entsprechen. Da ist es leider so,
dass Sie bei vielen energiepolitischen Weichenstellun-
gen der letzten Monate das Gegenteil tun.

Herr Kauch hat vorhin gesagt, wir sollten den Leuten
nichts vormachen. Das kann ich an Ihre Adresse zurück-
geben. Es wurde auch Sigmar Gabriel angesprochen. Ich
greife den Ball gern auf: Bei der Klimakonferenz auf
Bali im Jahr 2007 war es Sigmar Gabriel, der als erster
Umweltminister eines Industrielandes mit einem Ener-
gie- und Klimaprogramm aufgetaucht ist, in dem man
nachlesen konnte, an welchen Stellen die deutsche Re-
gierung wie viel Prozent CO2- bzw. Treibhausgasemis-
sionen nachweisbar und nachprüfbar einsparen will, um
so das 40-Prozent-Ziel zu erreichen.


(Beifall bei der SPD)


Wenn Sie sagen, dass Sie weiter sind, dann muss ich Sie
enttäuschen.

Auch wenn die damalige Opposition erklärt hat, das
gehe nicht weit genug: Eines lag dem zugrunde, nämlich
eine Liste, mit welchen Maßnahmen man was erreichen
will. Ich will nur drei oder vier Punkte des damaligen
Energie- und Klimaprogramms aufgreifen.

Ich beginne mit der Novelle des Erneuerbare-Ener-
gien-Gesetzes. Man wollte mit dem Ausbau erneuerbarer
Energien 54 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Diese
Bundesregierung hat auf der Basis von Studien zur Lauf-
zeitverlängerung die Ausbauphase erneuerbarer Energien
verlängert. Es sollte also einen verlangsamten Ausbau
geben, weil Sie die Kernenergie wollten. Als Sie Ihren
Beschluss zur Laufzeitverlängerung rückgängig machten,
haben Sie im Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht nachge-
bessert. Das heißt, Sie haben das Vorgehen verlangsamt.
Sie werden mit diesem EEG die Ziele zur Senkung der
Treibhausgasemissionen nicht erreichen.

Zweitens haben Sie gesagt, Sie wollten durch Effizi-
enzmaßnahmen Stromeinsparungen in großem Umfang
erreichen. Doch wo bleiben die Taten? Wir können es
nachlesen: Herr Rösler blockiert die Festlegung verbind-
licher Effizienzvorgaben an allen Ecken und Enden. Wir
werden durch Effizienzmaßnahmen die 25 Millionen
Tonnen, die als Ziel hinterlegt sind, dank Ihrer Politik
nicht erreichen. Herr Rösler bremst und blockiert auch
hier beim Klimaschutz.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Wir wollten des Weiteren durch das Marktanreizproramm im Wärmemarkt rund 10 Millionen Tonnen CO2 insparen. Was ist denn Gegenstand Ihrer Politik? Die örderung durch das Marktanreizprogramm wurde wieer und wieder eingeschränkt. Es gibt auf dem Wärmearkt einen totalen Stillstand. Das heißt, auch hier wer en wir die CO2-Minderungsziele aufgrund Ihrer Politik erfehlen. Der letzte Punkt: Meisterstück ist eigentlich das Geäudesanierungsprogramm. Während wir noch zu Zeiten er Großen Koalition verlässlich und verbindlich ,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt haben, in der irtschaftskrise sogar 2,2 Milliarden Euro, weil der dama ge Finanzminister den Zusammenhang zwischen energetiher Sanierung und der wirtschaftlichen Bedeutung er annt hat, nehmen Sie dieses Programm komplett aus dem aushalt und verschieben es stattdessen in einen Energiend Klimafonds, der niemals über die entsprechenden Mitl verfügen wird, weil es zu den Einnahmen, die Sie unterellen, nicht kommen wird. (Michael Kauch [FDP]: Woher wissen Sie das?)


Woher ich das weiß? Das kann man mathematisch lö-
en. Sie unterstellen Einnahmen, die auf einem Zertifika-
preis von 33 Euro basieren. Heute liegt der Preis, eben
achgesehen, bei knapp unter 9 Euro.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Das ist falsch! Herr Becker, Sie haben keine Ahnung! – Gegenruf des Abg. Frank Schwabe [SPD]: Lesen Sie einmal bei der Deutschen Bank nach!)


err Frank Schwabe hat es eben vorgetragen: Die Deut-
che Bank rechnet damit, dass der Preis weiter sinken
ird. Dieser Fonds ist ein Flop. Mit diesem Flop floppt

uch der Klimaschutz.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dann kommt die dreisteste Nummer, die ich mir vor-
tellen kann: Sie zeigen jetzt mit dem Finger auf die
undesländer, weil sie beim Thema Steuerentlastungen
lockieren.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Völlig zu Recht!)


Zu Recht? Sie lassen den Umweltminister hier sagen,
as diese Regierung alles für den Umweltschutz tut. Die
inanzierung aber schaffen Sie sich vom Hals. Weil Sie
der letzten Woche ohnehin schon eine hohe Neuver-

chuldung durchs Parlament jagen mussten, haben Sie
ie Förderung der Gebäudesanierung komplett aus dem
aushalt herausgenommen und auf die Länder übertra-
en. Die Länder sollen also dafür bezahlen, dass Herr
öttgen hier eine schöne Rede halten kann.


(Ulrich Kelber [SPD]: Und auch die Kommunen! – Andreas Jung [Konstanz] [CDU/CSU]: Das ist falsch!)


uch die CDU-geführten Bundesländer lehnen das zu
echt ab.

(B)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17371

Dirk Becker


(A) )


)(B)


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Sie haben keine Ahnung!)


Sie machen sich hier einen schlanken Fuß, verschieben
die Finanzierung in die Bundesländer und belassen es
hier bei warmen Worten und schönen Reden. So funktio-
niert der Klimaschutz nicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist der Grund, warum die Vorreiterrolle Deutsch-
lands in der Welt nicht mehr wahrgenommen wird. Herr
Jung, ich gebe Ihnen recht. Ich glaube Ihnen, dass Sie
die Ziele ernst meinen. Das stelle ich überhaupt nicht in-
frage. Aber die Taten fehlen. Solange die Taten fehlen,
wird Deutschland nicht mehr Vorreiter beim Klima-
schutz sein können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714610000

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Jetzt für die

Fraktion der FDP unsere Kollegin Frau Dr. Christiane
Ratjen-Damerau. Bitte schön, Frau Kollegin.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP):
Rede ID: ID1714610100

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und
Herren! Wenn Sie heute nach draußen schauen, werden
Sie sehen, dass es bewölkt ist. Wie auch für mich ist für
die meisten von uns die Frage nach dem Wetter eine
Frage nach dem eigenen Wohlbefinden. Tatsächlich stel-
len aber Wetter und Klima für die meisten Menschen auf
dieser Welt eine Frage von Leben und Tod dar.

Der weltweite Ausstoß von Kohlendioxid hat einen
neuen Rekordwert erreicht. Wir haben zurzeit den größ-
ten CO2-Anstieg aller Zeiten zu verzeichnen.

Die Folgen dieses dramatischen Anstiegs des klima-
schädlichen Treibhausgases in der Atmosphäre sind
durch den Klimawandel messbar und spürbar geworden.
Ganz besonders betroffen sind die Menschen auf der
südlichen Halbkugel dieser Erde und damit genau die
Menschen, die nicht das Glück haben, auf dieser Seite
der Erde, nämlich in den reichsten Ländern der Welt, ge-
boren zu sein.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Diese Menschen tragen die Hauptlast des Klimawandels,
obwohl sie am allerwenigsten dazu beitragen.

Die schwierigen Klimabedingungen der letzten Jahre
führen zum Beispiel in Nigeria dazu, dass Flüsse austrock-
nen und viele Wasserquellen versiegen. Allein die Wasser-
menge des Lake Chad ist in den vergangenen Jahren um
60 Prozent zurückgegangen. Als Folge der schwer vorher-
sehbaren Wetterbedingungen in diesem Land kommt es
immer öfter zu Bodenerosion und Überschwemmungen.

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(C (D ichtige Straßen und Wege, die Lebensadern für die dort benden Menschen sind, werden zerstört. In Papua-Neuguinea steigt der Meeresspiegel. Überchwemmungen sind die dort spürbaren Auswirkungen es Klimawandels. Ganze Dörfer verschwinden unter em Meeresspiegel, und Ernten werden vernichtet. Frauen sind von den Auswirkungen des Klimawanels am stärksten betroffen. Sie sind für die Ernährung on Familien zuständig. Wasserknappheit oder die Vernreinigung des Wassers durch Überflutungen führen azu, dass Frauen immer weitere Wege gehen müssen, m sauberes Wasser oder Feuerholz zu finden. Für sie ird es daher immer schwieriger, sich und ihre Familien u ernähren. Für die westliche Welt steht die Minderung der Treibausgase im Vordergrund. Die globale Temperaturerhöung soll auf maximal 2 Grad begrenzt werden. Die Ausgangslage in den Entwicklungsländern ist ine erheblich andere: Sie sind nur zu einem geringen rozentsatz Verursacher des Klimawandels; doch sie ind es, die die Hauptlast der Klimaveränderung tragen üssen. Ihre Küsten werden überschwemmt, ihre Landirtschaft wird zerstört, und ihre Ernährungsgrundlage t von Dürren und Flutkatastrophen akut bedroht. Die Menschen in den Entwicklungsund Schwellenndern haben ebenso wie wir ein Recht auf Entwicklung nd Wohlstand – und dies fordern sie auch von uns ein. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


mgekehrt ist eine nachhaltige wirtschaftliche und so-
iale Entwicklung weltweit, ohne dass klimafreundliche
ntwicklungspfade beschritten werden, nicht möglich.
aher müssen wir die Menschen in den Entwicklungs-
nd Schwellenländern auf dem Weg zum globalen Kli-
aschutz begleiten.

Unsere Partnerländer in der Entwicklungszusammen-
rbeit brauchen bei der Wiederaufforstung, bei der Ver-
inderung der Wüstenausdehnung und bei dem Schutz

er Biodiversität unsere Unterstützung. Das Bundes-
inisterium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
ntwicklung gibt mehr als 1 Milliarde Euro pro Jahr für
iese Projekte. Hinzu kommen Mittel aus dem Energie-
nd Klimafonds.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Insbesondere mit den Schwellenländern müssen wir
en Dialog verstärken. Gemessen an ihrer wirtschaftli-
hen Größe und ihrem Einfluss in der Welt müssen sie
ren Beitrag leisten. Ohne sie und ihr Mitwirken ist der
limaschutz nicht zu machen. In Durban muss die inter-
ationale Gemeinschaft den Weg für ein rechtsverbindli-
hes Klimaabkommen im Rahmen der Vereinten Natio-
en ebnen. Dabei gilt es besonders, die Ambitionen der
änder in Bezug auf ihre Emissionsminderungsziele zu
tärken und eine faire Aufteilung zwischen den Staaten
nd ihren Verpflichtungen zu schaffen. Wir werden die
ereinigten Staaten und die großen Schwellenländer da-

17372 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Dr. Christiane Ratjen-Damerau


(A) )


)(B)

bei unterstützen, auch ihre Ambitionen beim Klima-
schutz rechtsverbindlich auszugestalten.

Im Jahr 2010 hatten wir den größten Anstieg aller
Zeiten beim Ausstoß von Kohlendioxid zu verzeichnen.
Ich wünsche der deutschen Delegation viel Erfolg bei
der Konferenz in Durban. Ich hoffe sehr, dass weitere
Rekordausstöße von Kohlendioxid mit den Ergebnissen
der Konferenz in Zukunft zu verhindern sind.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714610200

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächste Rednerin für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist unsere Kollegin
Frau Bärbel Höhn. Bitte schön, Frau Kollegin Höhn.


(Beifall des Abg. Ulrich Kelber [SPD] – Ulrich Kelber [SPD]: Ich finde das immer doof, dass Sie nicht klatschen! – Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das finde ich auch! – Beifall des Abg. Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714610300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

möchte noch einmal an das Thema erinnern, um das es
hier geht, und dabei die Rolle Deutschlands beim Kampf
gegen die Klimakatastrophe beleuchten.

Deutschland hat im Klimaschutz international in den
letzten Jahrzehnten immer eine sehr aktive Rolle ge-
spielt. Ich finde es auch richtig, deutlich zu sagen: Das
war nicht das Anliegen einer einzigen Fraktion, sondern
das war das Anliegen vieler Umweltminister aus vielen
verschiedenen Fraktionen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es hat mit Klaus Töpfer angefangen, der 1992 viel dazu
beigetragen hat, dass wir die Konferenz in Rio hatten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist weitergegangen mit der Umweltministerin Angela
Merkel.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Und es ist – ich hoffe, dass jetzt auch alle wieder klat-
schen – mit Jürgen Trittin und Sigmar Gabriel weiterge-
gangen. Ich bitte jetzt auch um Beifall!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


– Danke schön!

Wenn wir heute vor Durban die Situation haben, dass
man sagt: „Durban steht unter keinem guten Stern“,
dann müssen wir auch fragen: Welche Rolle spielt dabei
eigentlich Deutschland? Bisher gingen vor jeder Klima-

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(C (D onferenz von der Bundesregierung immer Initiativen us: Da gab es Impulse, da sind wir mit neuen Ideen zu en Klimakonferenzen gegangen. Mein Vorwurf ist, dass diesem Jahr, vor Durban, keine solchen Initiativen on der Bundesregierung kommen. Das muss sich änern, sonst werden wir diese Vorreiterrolle verlieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Deshalb gibt es auch die Idee einer Klimapolitik der
erschiedenen Geschwindigkeiten; wir wollen – ich
enne es einmal so – eine Koalition der Willigen. Aber
enn man eine Koalition der Willigen schaffen möchte,
eil man die großen Emittenten nicht mit ins Boot be-
ommt, dann muss man auch vor Ort, hier in Deutsch-
nd, zeigen, dass man willig ist und dass der Klima-

chutz hier bei uns eine Rolle spielt. Da vermisse ich das
ngagement der Bundesregierung. Das, was Sie hier bie-
n, ist mir zu wenig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Wir haben alle gemeinsam, der ganze Bundestag
das war eine gute Sache –, beschlossen: 40 Prozent
O2-Reduktion bis zum Jahr 2020. Wir wissen aber alle,
ass dieses Ziel mit den jetzigen Maßnahmen nicht er-
icht werden wird.


(Zuruf von der LINKEN: So ist es!)


m Ende landet man vielleicht bei 30 oder 35 Prozent,
icht aber bei 40 Prozent CO2-Reduktion. Ich sage des-
alb: Meine Damen und Herren, lassen Sie uns endlich
emeinsam ein Klimaschutzgesetz verabschieden, da-
it wir jedes Jahr überprüfen können, ob wir uns von

iesem Ziel entfernen oder nicht, damit wir rechtzeitig
gieren können, damit wir hier nicht nur große Predigten
nd Reden halten, sondern auch handeln. Klimaschutz
bt vom Handeln!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dazu gehört auch, dass Deutschland nicht nur im ei-
enen Land aktiv ist, sondern vor allen Dingen Deutsch-
nd auch in Europa aktiv ist. Noch vor der Konferenz in
ali ist eindeutig und klar gesagt worden: 30 Prozent
O2-Reduktion – wenn die anderen mitmachen. Das war
amals etwas Neues. Heute muss man sagen: 30 Prozent
O2-Reduktion in Europa – ohne Wenn und Aber. Eine

olche Ansage hätte ich von der Bundesregierung erwar-
t.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Es ist doch eine logische Folge von zu viel ausgege-
enen Zertifikaten, dass der Preis der Zertifikate jetzt
nter 9 Euro liegt. In den Haushaltsplan sind für die Zer-
fikate 17 Euro eingestellt.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Richtig! Nicht 33 Euro!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17373

Bärbel Höhn


(A) )


)(B)

Das heißt doch umgekehrt, dass wir ehrgeiziger sein
müssen. Wir müssen den CO2-Ausstoß begrenzen, damit
wir überhaupt bei 17 Euro landen können. Deshalb müs-
sen wir uns in Europa ehrgeizigere Ziele zur Reduktion
des CO2-Ausstoßes setzen. Wir müssen auf jeden Fall
den CO2-Ausstoß in Europa um 30 Prozent reduzieren.
Das ist das Ziel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Röttgen muss sich einmal durchsetzen!)


Das Zeitfenster für eine solche Forderung schließt
sich. Denn wenn Sie diese 17 Euro pro Zertifikat nicht
bekommen – und danach sieht es aus; ursprünglich lag
das Ziel sogar bei über 30 Euro –, dann heißt das, dass
Sie mit der derzeitigen Konstruktion Ihres Klimafonds
die Energiewende nicht durchsetzen können. Die Zahl
der Gebäudesanierungen bei uns ist doch eingebrochen,
weil die Einnahmen aus den Zertifikaten nicht mehr
stimmen. Wir alle wissen, die Gebäudesanierung ist ei-
ner der wichtigsten Bereiche, durch den wir CO2 einspa-
ren können. Hier müssen wir Klimaschutz betreiben.
Deshalb sage ich Ihnen: Werden Sie ehrgeiziger beim
Klimaschutz, damit wir die Energiewende hier in
Deutschland hinbekommen!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Eines muss ich wirklich sagen: Ich ärgere mich ex-
trem über Wirtschaftsminister Rösler. Was ist das für ein
Wirtschaftsminister, der wirklich wichtige Bereiche der
Wirtschaft brachliegen lässt? Maßnahmen der Energie-
effizienz beinhalten ein Potenzial zur Schaffung von
250 000 Arbeitsplätzen. Das hat der Bundesumweltmi-
nister gesagt. Ich vertraue ihm einmal an diesem Punkt.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der hat doch gute Leute!)


Herr Röttgen, dann bringen Sie endlich einmal den Wirt-
schaftsminister Rösler dazu, dass er diese Vorhaben
nicht immer blockiert. Es darf doch wohl nicht sein, dass
ein Minister die Schaffung solcher Arbeitsplätze in klei-
nen und mittelständischen Unternehmen blockiert!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Er betreibt diese Politik aus ideologischen Gründen; er
spricht ja von Planwirtschaft. Er hat noch gar nicht ver-
standen, worum es hier geht. Solche Potenziale einfach
brachliegen zu lassen, geht nicht.

Ja, wir sind bereit, fraktionsübergreifend zu arbeiten.
Da sollte man sich nicht verweigern; dazu ist die Auf-
gabe viel zu groß.

Ich komme zum Schluss. Ich sage noch einmal sehr
deutlich: Die EU muss sich verbindlich auf eine CO2-
Reduktion um 30 Prozent einigen. Zusätzlich muss die
Effizienzrichtlinie der EU-Kommission unterstützt wer-
den. Bringen Sie endlich den Wirtschaftsminister dazu,

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(C (D iese Unterstützung zu leisten. Stoppen Sie den Wirtchaftsminister dabei, die Entwicklung der erneuerbaren nergien immer wieder zu hemmen. Daran, dass sich elbst Herr Kauch für die erneuerbaren Energien einsetzt nd so versucht, den Wirtschaftsminister zu stoppen, ieht man, wo die Koalition steht. Es geht auch darum, dass wir mit dem Abbau klimachädlicher Subventionen wirklich ernst machen müsen. Sie haben mir versprochen, zum Schluss zu kommen. Jetzt schaffen Sie wieder Ausnahmen für energiein nsive Unternehmen. Das geht nicht. Diese Unternehen bekommen 8 bis 9 Milliarden Euro an Zuschüssen. Sie müssen zum Schluss kommen. Ich komme zum Schluss. – Mit diesen Subventionen hne Gegenleistung muss Schluss sein. Wir brauchen ine Gegenleistung, auch von diesen Unternehmen. Nur dann, wenn wir bei all diesen Punkten ernst mahen, können wir in Deutschland Vorreiter sein und die nderen dafür begeistern, dasselbe zu tun. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714610400
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714610500
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714610600
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714610700


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714610800

Vielen Dank. – Nächster Render in unserer Debatte ist

r die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Josef
öppel.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Josef Göppel (CSU):
Rede ID: ID1714610900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

reife den Vorschlag auf, Frau Kollegin Höhn, gemein-
am das Thema Klimaschutz zu behandeln. Man ist ja
irklich versucht, zu glauben, dass die Grenzlinien nicht

wischen den Parteien, sondern innerhalb von Parteien
erlaufen. Allein die Präsenz heute hier in diesem Saal
der Debatte zu diesem Punkt zeigt, dass die Umwelt-

olitiker wieder einmal fast unter sich sind. Das ist nicht
ut.


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind alle Umweltpolitiker! Damit haben Sie recht! – Ulrich Kelber [SPD]: Bei uns: Umweltpolitiker und NRW!)


17374 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011


(A) )


)(B)


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714611000

Das wollen wir jetzt natürlich nicht abfragen, Herr

Kollege.


Josef Göppel (CSU):
Rede ID: ID1714611100

Ich beginne mit der Festlegung von Frau Merkel in

ihrer Haushaltsrede am 23. November 2011:

Unsere Reduktionsziele stehen fest. Diese werden
wir nicht ändern.

Dafür danke ich der Kanzlerin, und ich unterstütze sie
ausdrücklich. Diese Unterstützung hat sie sicherlich
auch nötig; denn offenkundig gibt es Kräfte, die den
Rückzug aus dem weiteren Ausbau von erneuerbaren
Energien, vom weiteren Klimaschutz und von mehr Kli-
maeffizienz wollen. Diese Beharrungskräfte richten sich
nach meiner Meinung gegen deutsche Interessen. Denn
die Modernisierung unserer Volkswirtschaft durch Kli-
maschutz und energetische Erneuerung ist eine wesentli-
che Triebfeder für unseren Erfolg auf den Weltmärkten.
Der deutsche Erfolg ist das beste Verhandlungsargument
auf den Klimakonferenzen.

Ich stimme den Rednern der Opposition nicht zu, die
behaupten, dass wir in diesem Bereich ins Hintertreffen
geraten werden. Ganz im Gegenteil: Es ist so, dass die
Vertreter der anderen Länder darauf schauen, wie den
Deutschen ihre mutigen Schritte „Abschaltung der
Atomkraftwerke in den nächsten zehn Jahren“ und „Ein-
leitung einer Energiewende hin zu einer kohlenstoff-
freien Energieversorgung“ gelingen. Wir sind im Blick-
feld der Weltöffentlichkeit. Ich möchte hier ausdrücklich
die Grundannahme von Minister Röttgen unterstützen,
dass wir mit entschlossenen Klimaschutzmaßnahmen
unseren wirtschaftlichen Erfolg stärken, weil wir so un-
ser Land modernisieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man von die-
ser Grundannahme ausgeht, dann ist es falsch, das ei-
gene Handeln immer vom Handeln der anderen Akteure
in Europa abhängig zu machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)


Wenn wir der Meinung sind, dass unser entschlossener
Klimaschutz zu Modernisierung und wirtschaftlichem
Erfolg führt, müssen wir in der Tat den Abwehrring des
Beharrens und Abwartens durchbrechen.

Frau Kollegin Höhn, ich stimme Ihnen zu: Wir brau-
chen eine Koalition der Willigen. Es sind zusammenge-
rechnet etwa 120 Staaten, die man zu dieser Konferenz
der Willigen bringen kann. Ich möchte auch ausdrück-
lich dafür werben, meinem Kollegen Gebhart zuzustim-
men, der sagt: Es ist richtig, zu diesen Konferenzen zu
gehen, weil nur dort den vielen kleinen Ländern eine
Plattform geboten wird, auf der sie agieren können. –
Auch nach meiner Meinung wäre es völlig falsch, diese
Beratungen auf die G 20 zu beschränken und alle ande-
ren auszuschließen.

Aber unser eigenes Handeln ist Maßstab für unsere
Glaubwürdigkeit. Mit den Beschlüssen im vergangenen

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(C (D ommer wurde ein gewaltiger Schritt nach vorn getan. h habe das Gefühl, dass hinterher der eine oder andere rschrocken ist. Bei großen Entscheidungen überlegt an sich ja oftmals, was man denn eigentlich mitbe chlossen hat. Wir können auf diese Energiewende verauen und sie vorantreiben, weil sich bereits in der wirtchaftlichen Krise der beiden letzten Jahre gezeigt hat, ass der Erfolg Deutschlands zu einem großen Teil auf en Ausbau der erneuerbaren Energien und auf die Moernisierung unserer Volkswirtschaft im energetischen ereich zurückgeht. Ich kann auch das Argument nicht akzeptieren, dass ieser Teil unserer Wirtschaft über die EEG-Umlage in öhe von 3,5 Cent subventioniert werde. Wenn man sich nschaut, welch riesige Lasten die alten Formen der nergieversorgung unseren Nachkommen noch aufbüren, dann, so denke ich, relativiert sich das sehr schnell. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


ir dürfen nicht in alte und neue Energien trennen, son-
ern wir müssen den Übergang entschlossen angehen.
as ist die Chance für unser Land. Damit geben wir

uch auf den internationalen Konferenzen ein gutes Bei-
piel.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714611200

Vielen Dank, Kollege Josef Göppel. – Jetzt folgt für

ie Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege
r. Matthias Miersch. Bitte schön, Herr Dr. Miersch.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1714611300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ass die Stenografen eben sehr genau hinschauen muss-
n, wo geklatscht wurde, war symptomatisch. Lieber

osef Göppel, ich denke, du hast uns – jedenfalls uns, die
ir auf der von mir aus gesehen linken Seite dieses Par-
ments sitzen – allen aus dem Herzen gesprochen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Andreas Jung [Konstanz] [CDU/CSU]: Auch uns!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Organisation
ermanwatch stellt in ihrem Hintergrundpapier ein Zitat
on Nelson Mandela heraus; dieses lautet:

Es scheint immer so lange unmöglich, bis es wirk-
lich getan ist.

Wir haben in dieser Legislaturperiode des Parlaments
rlebt, dass ein längst beschlossener Atomausstieg rück-
ängig gemacht wurde und dass dann nach einem be-
timmten Ereignis wiederum eine Kehrtwende zuguns-
n der Erneuerbaren vollzogen und der Ausstieg erneut

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17375

Dr. Matthias Miersch


(A) )


)(B)

beschlossen wurde. Das zeigt, dass politisch ganz viel
möglich ist. Deswegen finde ich, Herr Kollege Gebhart,
Sie haben völlig recht: Es kann jederzeit passieren, dass
sich weltweit die Einsicht durchsetzt, dass eine interna-
tionale Klimaschutzkonferenz Erfolg haben muss. Des-
wegen ist es wichtig, diesen internationalen Kontext,
diese internationalen Verhandlungen nie aus den Augen
zu verlieren.

Aber zugleich und zu Recht haben Sie auch darauf
hingewiesen, dass es dabei nicht bleiben darf, sondern
dass wir hier unsere Hausaufgaben machen müssen. Da-
ran, lieber Herr Kollege Röttgen, krankt es im Moment.
Denn seit über zwei Jahren erleben wir, dass hier an die-
sem Pult gut geredet, aber in keiner Weise gehandelt
wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Da Sie nach mir reden, möchte ich Ihnen die Gelegen-
heit geben, heute zu einer Sache ebenfalls Stellung zu
nehmen. Es ist eine Woche her, da hatte ich Sie von die-
sem Pult aus darauf angesprochen, wie es um die Ver-
handlungen zwischen Rösler, Röttgen, Pofalla und
Ramsauer über Maßnahmen zur Energieeffizienz steht.
Daraufhin haben Sie erklärt – ich zitiere –:


(Frank Schwabe [SPD]: Wahrheitswidrig!)


Das werden wir – darüber sind sich der Bundeswirt-
schaftsminister, die Bundesregierung und der Bun-
desumweltminister einig – natürlich nur mit der
verbindlichen Zielsetzung durchsetzen können, …


(Josef Göppel [CDU/CSU]: So war es an dem Abend! – Zuruf des Abg. Frank Schwabe [SPD])


Lieber Herr Kollege Röttgen, es dauerte keine 24 Stun-
den, bis wir in der Zeitung lesen konnten, dass Sie sich
nicht einig sind, dass Sie wieder gegen verbindliche Re-
gelungen sind. Das ist unglaubwürdig.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daran krankt es, und daran merken die Leute: Dahin-
ter steckt nicht viel. Deswegen gebe ich Ihnen die Gele-
genheit, nach mir sehr deutlich zu sagen: Ja, ich kämpfe
dafür, aber ich habe in dieser Bundesregierung keine
Mehrheit. Ich habe keine Rückendeckung von Herrn
Pofalla, von der Kanzlerin und von Herrn Rösler.


(Beifall bei der SPD)


Das, was Sie sich dort leisten, leisten Sie sich auch
auf internationaler Ebene. Wir haben hier letzte Woche
den Haushalt beraten. Wir haben beraten, was es mit den
in Kopenhagen zugesagten Fast-Start-Mitteln auf sich
hat. Wir haben festgestellt, dass diese Zusagen, die wir
den Staaten anderer Kontinente gegeben haben, nicht
eingehalten wurden. Auch das müssen wir hier benen-
nen; denn es führt nicht zu der Glaubwürdigkeit und
schafft nicht das Vertrauen, die gerade auf internationa-
ler Ebene notwendig sind.

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(C (D (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dann möchte ich gemeinsam mit Ihnen zum Schluss
berlegen, ob die Taktik, mit der wir nach Durban fah-
n, eigentlich richtig ist. Wir warten darauf, wie sich die

nderen verhalten. Aber ist es nicht vielmehr sinnvoll, zu
berlegen, was wir verlieren, wenn wir vorangehen?
as verlieren wir, wenn wir unserer Industrie vorschrei-

en, effizient zu werden? Es ist nicht nur so, dass es um
limawandel geht, sondern es geht auch um urökonomi-

che Fragen. Es geht zum Beispiel um die Frage: Welche
aschinen wird man weltweit in den nächsten Jahren

och verkaufen können? Das werden die Maschinen
ein, die am wenigsten Energie verbrauchen.

Das, was wir hier machen, ist also viel mehr als Um-
eltpolitik: Es geht um Gesellschaftspolitik und um ele-
entare Fragen der Gerechtigkeit; es geht um urökono-
ische Fragen. Wir vergeben uns nichts, wenn wir zwei
chritte weiter sind als die anderen. Deswegen brauchen
ir deutlichere Signale hier in Berlin, aber auch in Brüs-

el.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714611400

Vielen Dank, Kollege Dr. Matthias Miersch. – Jetzt

r die Bundesregierung Herr Bundesminister
r. Norbert Röttgen. Bitte schön, Herr Bundesminister.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
aturschutz und Reaktorsicherheit:
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Erlauben Sie mir, dass ich zu Beginn meiner Rede
arauf eingehe, worum es bei dieser Konferenz geht;
enn einige Redner hatten das nicht im Zentrum ihrer
ede. Es geht darum, dass der Klimawandel voran-

chreitet, dynamischer als gedacht, mit all seinen Fol-
en, und dass demgegenüber die Handlungsfähigkeit der
ternationalen Politik stagniert oder vielleicht sogar ab-

immt.


(Ulrich Kelber [SPD]: Ja, das teilen wir!)


as heißt, die Schere geht auseinander. Das kann man
onkret aufzeigen.

Wenn die Schere auseinandergeht, dann hat das für
iele Menschen existenzielle Folgen. Frau Kollegin, Sie
aben das bereits ausgeführt und von einer Frage von
eben oder Tod gesprochen – und das völlig zu Recht.
as hat dramatische wirtschaftliche Konsequenzen bis
in zur Zerstörung der Lebensgrundlage von vielen Mil-
onen Menschen. Es hat Auswirkungen auf Flüchtlings-
tröme, es begünstigt die Entstehung von Konflikten,
ielleicht sogar Kriegen, um Wasser und Weideland.
iese drohen immer öfter.

17376 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Bundesminister Dr. Norbert Röttgen


(A) )


)(B)

Letztendlich geht es um eine elementare Frage der
Menschheit, nämlich um Gerechtigkeit. Wenn wir diese
Entwicklung nicht stoppen und sie weitergeht, dann
kommt es zu einer großen Menschheitsungerechtigkeit;
denn durch unsere Wirtschaftsweise – das liegt in unse-
rer Verantwortung – tragen wir dazu bei, dass ganze Ge-
nerationen und Hunderte von Millionen, vielleicht Mil-
liarden Menschen niemals eine Chance in ihrem Leben
erhalten. Das ist die globale Menschheitsdimension des
Themas.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Darum erlauben Sie mir, dass ich einmal zugebe, wo-
rüber ich mich ärgere. Ich ärgere mich darüber, dass bei
diesem Thema – ich habe keinen Zweifel daran, dass es
nicht einen gibt, der das nicht so sieht – sehr viele, wenn
auch nicht alle, aus den Oppositionsfraktionen kleinka-
riert, relativ provinziell, nicht über den Tellerrand hi-
nausschauend debattieren, indem sie zum Beispiel über
energetische Gebäudesanierung sprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD)


Bei aller Liebe: Die energetische Gebäudesanierung ist
wichtig. Ich kann auch gleich etwas dazu sagen. Man
muss sich aber auch einmal Herausforderungen einer an-
deren Dimension stellen. Wir dürfen nicht immer nur die
kleinkarierten Debatten von gestern und vorgestern füh-
ren, nicht nur weil es intellektuell wirklich langweilig
ist, sondern weil wir alle Verantwortung haben, und zwar
nicht nur die Regierung und die Koalitionsfraktionen,
die diese Regierung tragen. Sie sollten sich an Ihrer eige-
nen Verantwortung messen lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Aufgabe, um die es geht, ist klar zu beschreiben.
Was ist unser Ziel? Das Ziel bleibt ein globales Rechtsab-
kommen. Wir wollen, dass es zu einem Klimaschutzre-
gime kommt – rechtlich verbindlich und angemessen in
der Ambition –, das es ermöglicht, mindestens das 2-Grad-
Ziel zu erreichen. Bei diesem Ziel, ein globales Rechtsab-
kommen zu erwirken, bleibt es. Das ist das Ziel deutscher
Klimaschutzpolitik, und es ist genau das richtige Ziel.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber der falsche Weg!)


Wie aber kommen wir dahin? Die außenpolitische
Lage ist kompliziert. Sie können ja einmal außerhalb
dieses Saales, außerhalb Ihrer eigenen Fraktionen, fra-
gen, ob irgendeiner glaubt, dass Deutschland oder Eu-
ropa das Problem seien. Nein, Deutschland oder Europa
sind nicht das Problem, weil wir dieses Abkommen wol-
len, und zwar problemadäquat. Was aber ist das Pro-
blem? Das Problem ist, dass die großen Emittenten – im
Wesentlichen China, USA und Indien – noch nicht bereit
sind, sich auf den Weg hin zu einem solchen internatio-
nal verbindlichen Regime zu machen. Das ist das Pro-
blem; denn ohne den Beitrag der Verursacher können wir
das Problem nicht lösen. Wir müssen einen Weg finden,
diese Großemittenten und -verursacher in das gemein-
same Boot zu holen. Das ist die außenpolitische und kli-

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(C (D aschutzpolitische Aufgabe, der wir uns zu stellen haen. Daraus leite ich die Strategie ab. Um es klar zu sagen: as ist das Ziel für Durban? Wir können niemanden zu twas zwingen; das haben wir in Kopenhagen erleiden nd erlernen müssen. Deshalb muss das Ziel für Durban ein, auch die anderen Großemittenten – insbesondere ie USA und China – auf einen Fahrplan bzw. ein Manat zu verpflichten, sodass es zu einem Rechtsabkomen kommt, das im Ziel von rechtlicher Verbindlichkeit nd von einem hinreichenden Ambitionsniveau geprägt t. Das 2-Grad-Ziel muss mindestens erreicht werden. nser Ziel ist es, die großen Emittenten – die Schwellennder und die USA – auf diesen Fahrplan zu verpflichn. Dieses Ziel wollen wir erreichen, und daran arbeiten ir mit allen Kräften. Unser Ziel ist es selbstverständlich auch, Europa dazu u bewegen, sich noch stärker einzubringen. Die Euroäer machen weiter; sie sind zur Verbindlichkeit bereit, nd zwar im eigenen Interesse und aus Verantwortung eraus. Es gilt aber einen ernsten Punkt außenpolitischer bwägung und Analyse zu bedenken: Ein Kioto-Protooll mit einer zweiten Verpflichtungsperiode, bei dem an sich damit abfindet, dass es noch weniger Teilneherstaaten hat als das jetzige Kioto-Protokoll – Kanada, ussland und Japan haben glasklar erklärt, dass sie aus teigen –, das nur noch 15 Prozent der globalen Emissioen erfasst und das die USA und die Schwellenländer it zunehmenden Emissionen außen vor ließe, würde die nzulänglichkeit der internationalen Bemühungen geraezu zementieren; davon sind wir in der Bundesregierung berzeugt. Wenn man sich damit abfindet, dass Kioto II ur noch ein EU-Abkommen ist, das im Ergebnis weniger ringt als der heutige EU-Rechtszustand, leistet man eben einen Beitrag zum Klimaschutz. Damit dürfen wir uns icht zufriedengeben. Wir brauchen mehr als Kioto II. as ist die unverzichtbare Position, für die wir eintreten nd zu der wir uns verpflichten. Kioto II darf nicht zeentieren, dass 85 Prozent der Emissionen keinem Re ime unterworfen werden. Vielmehr müssen wir die anden ins Boot holen und selber selbstverständlich bereit ein – das sind wir –, eigene Verpflichtungen zu erfüllen. as ist das Ziel. Darüber hinaus dürfen wir die anderen Themen nicht ergessen. Über die ist heute, glaube ich, kaum gesprohen worden. Dabei geht es unter anderem um Klimananzierung. Die Struktur des diesbezüglichen Fonds uss dort beschlossen werden. Das Ziel von Cancún leibt: 100 Milliarden Dollar ab 2020. Wir erfüllen unere Verpflichtungen. ir sind dabei, an der Struktur zu arbeiten. Über die roße Frage dürfen wir aber die kleinen Schritte nicht us dem Auge verlieren, die elementar wichtig sind. Das icht von der Technologiekooperation und der verlässchen Finanzierung – da sind die Industrieländer in der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17377 Bundesminister Dr. Norbert Röttgen )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Lachen des Abg. Ulrich Kelber [SPD])


(A) )

Verantwortung – bis hin zum Waldschutz. Auch da wer-
den wir Leistungen erbringen.

Ich komme zur Frage: Was ist eigentlich unser Bei-
trag? Er besteht darin, dass wir in unserem Land und in
Europa so handeln, wie wir international reden. Das ist
die Basis der Glaubwürdigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich frage mich manchmal, in welchem Land Sie eigent-
lich leben. Es macht keinen Sinn, wenn die Opposition
immer so tut, als wären Entscheidungen gar nicht getrof-
fen worden. Fällt es Ihnen so schwer – nur weil diese
Entscheidungen von einer anderen Koalition, aber nicht
von Ihnen getragen werden –, die Fortschritte im Land
anzuerkennen? Die Politik dieser Bundesregierung be-
steht darin, ein unkonditioniertes Reduzierungsziel von
40 Prozent zu erreichen. Freuen Sie sich darüber, weil es
für das Land gut ist und weil es für den Klimaschutz gut
ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Aber welche Maßnahmen machen Sie?)


Es müsste Ihnen doch möglich sein, zur Kenntnis zu
nehmen, dass außerhalb der kleinen Gruppe der Opposi-
tion hier in Deutschland – das hat, glaube ich, Josef
Göppel so gesagt, und das ist keine Übertreibung – die
ganze Welt auf die deutsche Energiewende schaut. Sie
fragt sich: Bekommen die das hin? Schaffen die das?


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen das doch gerade kaputt! – Dr. Matthias Miersch [SPD]: Herr Töpfer sagt Nein!)


Genau das ist der Maßstab, an dem wir gemessen wer-
den. Es wird gefragt: Schaffen die das, was sie beschlos-
sen haben? – Wir haben es jedenfalls beschlossen. Sie
haben damit ein parteipolitisches Problem, dass wir die
richtige Politik machen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Herr Töpfer ist neuerdings Sozialdemokrat?)


Das kann aber nicht der Maßstab für uns sein. Wir ma-
chen trotzdem die richtige Politik weiter, auch wenn Sie
keine Themen mehr haben und Ihre Einfallslosigkeit in
allen umwelt- und klimapolitischen Debatten hier sehr
deutlich zum Ausdruck kommt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich bleibe bei dem, was als Maßstab eigentlich von al-
len Koalitionsrednern formuliert worden ist: Der wich-
tigste Beitrag, den wir als Bundesrepublik Deutschland
leisten können und werden, besteht darin, dass wir bewei-
sen, dass ein großes Industrieland – das größte in Europa –
erfolgreich in der Lage ist, sowohl wirtschaftliches Wachs-
tum, industrielle Modernisierung und Innovationen zu
schaffen als auch gleichzeitig ökologische bzw. klima-
schutzpolitische Ziele zu erreichen. Dieser Beitrag besteht
auch darin, dass wir gerade dadurch, dass wir uns zum Er-
reichen dieser Ziele verpflichten, Technologien entwi-
ckeln, Innovationen schaffen und so Wachstum erzeugen.
Den Beweis, dass beides zusammen geht, ja dass es nur

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(C (D usammen geht, will Deutschland in Europa erbringen. as ist der wichtigste Beitrag, den wir international leisten önnen. Es wird auch eine wirtschaftliche Erfolgsgechichte sein, wenn wir das Klima schützen und die Natur ewahren. Das ist unser Ansatz. Mit dem sollten Sie sich wenn Ihnen noch irgendetwas zu dem Thema einfällt – ielleicht irgendwann auch einmal inhaltlich auseinanderetzen. Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Nächster Red er in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der ozialdemokraten unser Kollege Ulrich Kelber. Bitte chön, Kollege Ulrich Kelber. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her n! Herr Bundesminister Röttgen, Handeln statt Reden inzufordern, ist nicht kleinkariert. Es ist das, was endch – nach zwei Jahren salbungsvoller Reden von Ihrer eite aus – notwendig ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714611500

(Beifall bei der SPD)

Ulrich Kelber (SPD):
Rede ID: ID1714611600

ie haben auch deutlich am Thema vorbeigeredet. Heute
eht es nicht darum, dass wir uns alle noch einmal bestä-
gen, dass Klimaschutz wichtig ist. Das haben wir oft
enug in allen Konstellationen gemacht. Die Frage heute
utet: Welchen Beitrag leistet Deutschland auf der Kli-
aschutzkonferenz und zum nationalen Klimaschutz?
azu haben wir wieder nichts gehört.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dabei haben Sie als schwarz-gelbe Bundesregierung
ine einmalige Chance, die in den letzten 15 Jahren ei-
entlich keine Regierung vor Ihnen hatte, nämlich dass
ie gesamte Opposition Sie bei Maßnahmen zum Klima-
chutz unterstützt. Ich erinnere mich an die Große Koali-
on, als die FDP in der Opposition war, und an die rot-
rüne Regierung, als CDU/CSU und FDP in der Opposi-
on waren. Da war das anders. Der heutige Bundesum-
eltminister hat damals gegen die ökologische Steuer-
form, gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz, insge-

amt gegen 19 von 20 Klimaschutzinstrumenten ge-
timmt. Das war in den ersten zehn Jahren dieses Jahr-
underts. Heute haben Sie eine Opposition, die möchte,
ass Sie mehr machen. Diese Opposition unterstützt Sie
der Bevölkerung. Sie würde Sie auch verteidigen,
enn Sie handeln würden. Nutzen Sie das doch einfach

us!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie haben in den letzten Tagen immer wieder davon
esprochen, dass die internationale Klimadiplomatie ein

17378 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Ulrich Kelber


(A) )


)(B)

Marathonlauf ist. Ich finde diese Bildsprache richtig.
Wenn wir sie verwenden, dann müssen wir sagen:
Deutschland ist nicht mehr der Topläufer; Deutschland
ist langsamer geworden und bleibt immer wieder stehen.
Die Läufer Röttgen und Rösler haben sich zwar zum
Ausgleich knallbunte neue Sportkleidung gekauft, mit
der man schon im Stehen verdammt schnell aussieht.
Aber sie veröffentlichen Fanmagazine und Websites und
streiten sich am Straßenrand darüber, ob man loslaufen
sollte und in welche Richtung, ob man nicht nur so
schnell laufen sollte wie die langsamsten Läufer, anstatt
einfach einmal loszulaufen und das Ganze zu gewinnen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Röttgen und Rösler sind ein Bild des Jammers. Das sa-
gen doch längst nicht nur die Umweltverbände, die das
alles heftig kritisieren. Besuchen Sie doch einmal die
Konferenzen der Wirtschaftsverbände! Dann erfahren
Sie, dass Versäumnisse beim Klimaschutz auch ver-
passte wirtschaftliche Chancen sind. Wenn Sie zu VKU-
Konferenzen, zur Handelsblatt-Jahrestagung oder zu an-
deren Tagungen gehen, dann stellen Sie fest: Man lacht
da über den Wirtschaftsminister. Es tut sogar einem Op-
positionspolitiker weh, wenn über eine Regierung nur
noch gelacht wird. Die Ankündigungen des Umweltmi-
nisters beziehen sich immer nur auf Ziele; Maßnahmen
bleiben aus. Diese Ankündigungen werden dort nicht
mehr ernst genommen.

Schauen wir einfach auf die Maßnahmen, die notwen-
dig wären: Energieeffizienz. Minister Röttgen stellt sich
hier morgens hin und erzählt uns, die Regierung habe
sich geeinigt, und es komme zu verbindlichen Energie-
effizienzvorgaben. Aber schon am Nachmittag lesen wir,
dass der Wirtschaftsminister dem Umweltminister wi-
derspricht. Bis heute wissen wir nicht, worüber in der
Europäischen Union verhandelt wird, obwohl doch
Deutschland das Land wäre, das die meisten entspre-
chenden Technologien liefern könnte. Weil man auf we-
nige Lobbyisten hört, nimmt man uns ein großes wirt-
schaftliches Betätigungsfeld weg. Was ist die Linie der
Bundesregierung?

Ausbau der Energienetze. Auch da werden keine Ent-
scheidungen getroffen. Die Smart-Grid-Technologien
entstehen im Augenblick in anderen Ländern. Wir
schauen zu, wie uns andere überholen, obwohl wir tech-
nologisch einmal die Vor-Läufer waren.

Seit 2009 könnten die Bedingungen für die Förderung
hochflexibler, sauberer Kraftwerke definiert werden; seit
2009 erlaubt das die Europäische Union. Bis heute liegt
eine solche Definition nicht vor. In der Folge unterblei-
ben milliardenschwere Investitionen in Kraftwerke.

Bei den erneuerbaren Technologien gibt es ständig
Verunsicherung durch Briefe der Koalitionsfraktionen
und Äußerungen von Fraktionsvizevorsitzenden. Sie
müssten mir irgendwann einmal erklären, warum 2013
die Förderung im Photovoltaikbereich zurückgefahren
und die Förderung im Offshorebereich hochgefahren
werden soll, obwohl 2013 die Kilowattstunde Strom aus
Photovoltaik nach den Berechnungen Ihrer eigenen Re-

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(C (D ierung billiger sein wird als die Kilowattstunde aus der ffshoretechnologie. Welcher Sinn steckt dahinter, die illigere Technologie zu blockieren und die andere mit och mehr Geld zu füttern? Das soll ein Kostenargument ein? Das kann ich nicht verstehen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Förderprogramme werden angehalten und dann zeit-
eise wieder aufgelegt. Solche Programme können hei-
ische Anbieter nicht nutzen; denn sie sind auf einen

tetigen heimischen Markt angewiesen. In der Folge
ird nach Deutschland geliefert, was in anderen Län-
ern Überschuss ist. In den Jahren, in denen es hier keine
örderung gibt, wird der Markt völlig trockengelegt. Das
rleben wir jetzt seit zwei Jahren: hü und hott in der
echnologieförderung.

Der letzte Punkt ist das Fast-Start-Programm. Ich
omme da zum Marathon zurück: Die Bundeskanzlerin
at den ärmsten Läufern versprochen, im Rahmen des
ast-Start-Programms die Schuhe zu bezahlen. Was
acht sie jetzt? Im Haushalt sind keine Mittel mehr für

ie Schuhe eingestellt. Es wird jetzt das Mittagessens-
eld verwendet, um die Schuhe zu kaufen, weil man der
uckligen Verwandtschaft das Betreuungsgeld und die
teuersenkungen finanzieren muss.


(Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Ja, ja! Die Räuber!)


amit nimmt sich Deutschland die Glaubwürdigkeit;
ber Glaubwürdigkeit ist die Währung in der internatio-
alen Klimaschutzdiplomatie.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714611700

Vielen Dank, Kollege Ulrich Kelber. – Letzter Redner

unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der
DU/CSU Dr. Christian Ruck. Bitte schön, Kollege
uck.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1714611800

Lieber Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen

nd Herren! Am Schluss der Debatte möchte auch ich
ekräftigen, dass wir zwar in einer sehr schwierigen
hase der Klimaverhandlungen sind, dass nicht viele
ptimismus ausstrahlen, wir aber trotzdem nicht die
linte ins Korn werfen dürfen, sondern kämpfen müs-
en; denn das, was wir heute nicht tun, müssen zukünf-
ge Generationen teuer bezahlen. Deswegen stärken wir
llen aus diesem Hause, die nach Durban fahren
Minister Röttgen und allen Politikern der Koalition

nd der Opposition –, auch mit dieser Debatte den Rü-
ken und wünschen ihnen viel Glück.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich glaube, dass Durban auch deswegen wichtig ist,
eil sich die Länder die Meinung sagen und darüber

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17379

Dr. Christian Ruck


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sprechen müssen, dass führende Industrienationen wie
die USA und Japan, aber auch andere politisch sehr am-
bitionierte Staaten wie China und Russland derzeit völlig
unangemessen auf die dramatisch schlechter werdenden
CO2-Bilanzen reagieren. Wir müssen ihnen sagen, dass
sie so ihrem Führungsanspruch nicht nur in der Welt,
sondern auch gegenüber ihren eigenen Bürgern nicht ge-
recht werden.

Ich möchte betonen, was Entwicklungspolitiker und
Minister Röttgen heute über die auseinandergehende
Schere gesagt haben. Die Folgen des Klimawandels sind
in der Tat regional sehr unterschiedlich. Viele Länder in
den gemäßigten Zonen, auch Deutschland, können – so
die Wissenschaft – den Klimawandel durchaus verkraf-
ten. Aber das Problem ist, dass es ganze Erdteile gibt,
deren Bevölkerung den Klimawandel nicht verkraften
wird. Das wird dann ein Desaster nicht nur für die be-
treffenden Regionen in den Entwicklungsländern, son-
dern auch für uns und zum Beispiel für die Amerikaner
werden, auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Wir werden
ein riesiges Migrationsproblem und letztendlich auch ein
Sicherheitsproblem bekommen. Das müssen wir in Dur-
ban deutlich machen.

Ich bin der Meinung, dass wir uns als Deutsche
durchaus zum Anwalt für die Entwicklungsländer ma-
chen sollten, deren Existenz in den nächsten Jahrzehnten
auf der Kippe steht. Herr Kelber, Sie haben hier – entwe-
der bewusst oder unbewusst – die Unwahrheit über die
Fast-Start-Initiative gesagt.


(Ulrich Kelber [SPD]: Vorsicht! Man könnte nachrechnen!)


– Ich habe die Zahlen dabei. Ich gebe sie Ihnen gerne.


(Ulrich Kelber [SPD]: Ja!)


Ich gebe Ihnen gerne Informationen darüber, was sich in
BMZ und BMU abspielt.


(Ulrich Kelber [SPD]: Neue und zusätzliche Mittel!)


Wir werden neue Zusagen zum Sockelbetrag in Höhe
von 894 Millionen Euro machen.


(Frank Schwabe [SPD]: Da weiß doch jeder Mensch, dass das nicht stimmt!)


Das haben wir entweder schon ausgegeben oder einge-
stellt. Wir werden das Plansoll erfüllen. Ich gebe Ihnen
das gerne zur Kenntnis.


(Ulrich Kelber [SPD]: Aber das sind doch keine neuen und zusätzlichen Mittel! Das ist die internationale Zusage!)


– Herr Kelber, Sie haben keine Ahnung, tut mir leid.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Bis heute Abend legen Sie die Zahlen vor, ja? Neu und zusätzlich! – Frank Schwabe [SPD]: Wollen wir den Check machen?)


Der Schutz der Wälder als CO2-Senken ist für uns ein
wichtiger Punkt. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um

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(C (D uf etwas aufmerksam zu machen, das man in Durban nsprechen muss, nämlich die Tragödie, die sich in Brailien andeutet. Wenn in Brasilien das neue Forstgesetz tsächlich in Kraft tritt, dann wird es zu einem Verlust on bis zu 76 Millionen Hektar Wald kommen. Das entpricht einer Freisetzung von umgerechnet 28 Milliarden onnen CO2. Das ist das 30-Fache des deutschen Jahresusstoßes. Auch das muss man in Durban besprechen. (Ulrich Kelber [SPD]: Wer hat denn nicht verhindert, dass dafür deutsche Hermesbürgschaften gegeben werden?)


Kleinkariert, Herr Kelber, furchtbar!


(Ulrich Kelber [SPD]: Sie finanzieren das, was Sie ablehnen! Das ist kleinkariert?)


Niemand braucht nächstes Jahr zur Rio-Konferenz zu
hren, wenn die Brasilianer mit diesen Schätzen derma-

en schlecht umgehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Die Bundesregierung finanziert den Raubbau doch!)


Zu all dem, was der Bundesregierung vorgeworfen
urde, wenn es darum geht, was wir im eigenen Land
n, kann ich Ihnen nur die Lektüre des neuesten Gut-

chtens von Ernst & Young empfehlen. Dort steht:

17,3 Milliarden investiert Deutschland derzeit im
Kampf gegen den Klimawandel. Das ist im interna-
tionalen Vergleich das größte Budget – in absoluten
Zahlen und im Verhältnis zum Gesamthaushalt.


(Ulrich Kelber [SPD]: Private Investitionen!)


it ungeahnten Steigerungen der Mittel für das BMZ,
it Steigerungen der Mittel für die Energieforschung

nd mit dem EEG, mit dem unsere Bundesregierung ge-
de in den letzten Jahren gigantische, positive Erfolge

rzielt hat, haben wir innerhalb von zwei Jahren den An-
il, der von erneuerbaren Energien beim Stromver-
rauch gedeckt wird, von 16,3 Prozent auf über 20 Pro-
ent steigern können. Das ist unser Erfolg. Das lassen
ir uns von Ihnen nicht kleinreden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Und wann sind die Anlagen geplant worden?)


Wir können über vieles reden. Wir haben noch viele
ausaufgaben zu machen, insbesondere im Bereich der
nergieeffizienz. Das ist vollkommen klar. Ich habe aber
uch die Hoffnung, dass wir mit unserer Energiewende
Deutschland einen Technologievorsprung erreichen,

er uns einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Ich habe
ie Hoffnung, dass dieser Wettbewerbsvorteil einen Do-
inoeffekt auslöst und uns in die richtige Richtung
hrt. Ökonomie erzwingt Ökologie. Das ist genau das,
as wir uns für die nächsten Jahre erhoffen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie mal loslaufen!)


17380 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011


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Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714611900

Vielen Dank, Kollege Dr. Ruck. – Mir liegen keine

weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle
Stunde beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:

– Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)


Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deut-
scher Streitkräfte bei der Unterstützung der
gemeinsamen Reaktion auf terroristische An-
griffe gegen die USA auf Grundlage des Arti-
kels 51 der Satzung der Vereinten Nationen
und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrages
sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373

(2001) des Sicherheitsrates der Vereinten Na-

tionen

– Drucksachen 17/7743, 17/7995 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Philipp Mißfelder
Dr. Rolf Mützenich
Dr. Rainer Stinner
Wolfgang Gehrcke
Dr. Frithjof Schmidt

– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung

– Drucksache 17/8002 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Frankenhauser
Klaus Brandner
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Michael Leutert
Sven-Christian Kindler

Ich darf Ihnen mitteilen, dass wir über die Beschluss-
empfehlung später namentlich abstimmen werden.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Sie sind da-
mit einverstanden. Dann ist dies so beschlossen.

Darf ich Sie bitten, die Plätze einzunehmen? – Wir
wollen dem ersten Redner dieser Debatte zuhören.

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist für die
Fraktion der FDP unser Kollege Joachim Spatz. Bitte
schön, Kollege Joachim Spatz.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Joachim Spatz (FDP):
Rede ID: ID1714612000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Bundesregierung legt Ihnen einen Antrag auf Verlänge-
rung des Einsatzes im Rahmen der Operation Active
Endeavour vom 1. Januar bis zum 31. Dezember nächs-
ten Jahres vor. Die vorgesehene Höchstzahl der Solda-
tinnen und Soldaten, die zum Einsatz gebracht werden
dürfen, liegt bei 700.

Um es gleich vorwegzunehmen: Natürlich gibt es un-
terschiedliche Meinungen darüber, ob die in dem Man-

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(C (D at aufgeführte Begründung noch ausreichend für einen olchen Einsatz sein kann. Wir stellen fest, dass alle ich betone: alle – anderen NATO-Partner das als ausichend ansehen. Gerade diejenigen – ich sage das vor llem in Richtung SPD –, die immer anmahnen, wir ürften uns nur ja nicht isolieren, sollten sich zu Gemüte hren, dass die Verbündeten dieser Meinung sind. Desegen unterstützt auch die Bundesrepublik Deutschland ies. Die Bundesregierung versucht weiterhin, dieses andat in eine Standing Maritime Operation, also in ine dauerhafte maritime Operation im Mittelmeer, zu berführen. Das ist bedauerlicherweise aber noch nicht elungen. Deswegen schließen wir uns der Meinung der nderen NATO-Partner an. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Im Übrigen möchte ich zu Bedenken geben, dass die
ufgaben, die speziell für die deutsche Marine vorgese-
en sind – militärische Präsenz im Mittelmeer zeigen,
r Aufklärung und Überwachung sorgen und ein ge-
einsames Lagebild erstellen –, auch in der Vorstufe

iner ständigen maritimen Operation mehr als Sinn ma-
hen; denn der Umbruch in der arabischen Welt, der be-
rüßenswert ist – wir unterstützen all jene, die sich in der
emokratiebewegung engagieren –, birgt auch Risiken,
ie man heute noch nicht abschließend bewerten kann.
er Ausgang dieses Prozesses ist offen. Wir können ihn
eute noch nicht endgültig feststellen. Eingedenk der Ri-
iken macht natürlich die Präsenz unserer deutschen Ma-
ne dort im Rahmen der NATO mehr als Sinn.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Marine ist dort nicht – das ist im Ausschuss un-
rstellt worden – als potenzielle Eingreiftruppe im nörd-
chen Afrika eingesetzt. Wer das unterstellt, ist schief
ewickelt. Das ist überhaupt nicht der Fall. Sie lenken
it dieser Unterstellung ein weiteres Mal davon ab, dass
ir in der Südflanke der NATO zur Überwachung und
icherstellung des ordentlichen Seeverkehrs schlicht und
rgreifend weiterhin gefordert sind.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


ie gesagt, leider erfolgt das noch nicht im Rahmen ei-
er ständigen Präsenz der NATO, sondern aufgrund der
erlängerung des Mandats, das seinerzeit kurz nach 9/11
rstmalig erteilt worden ist. Wir setzen diesen Einsatz in
ieser Struktur fort. Wenn man Active Endeavour in eine
tändige Mission überführen will, kommt man natürlich
m eine Beschreibung der zugrunde liegenden Szenarien
icht herum.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das geht doch gar nicht!)


h gebe den Rat, bei der Beschreibung konkreter Szena-
en sehr vorsichtig zu sein. Es wäre aus diplomatischer
icht sinnvoll, sich hierbei am schon erteilten Mandat zu
rientieren.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17381

Joachim Spatz


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Vor dem Hintergrund der bestehenden sicherheitspoli-
tischen Herausforderungen und aufgrund der Einbin-
dung in das Bündnis – alle anderen Partner im Bündnis
sehen es genauso – halten wir es für geboten, den Ein-
satz um ein weiteres Jahr zu verlängern. Wir sollten uns
bemühen, es langfristig in eine Standing Maritime Ope-
ration zu überführen.

Danke schön.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714612100

Vielen Dank, Kollege Joachim Spatz. – Jetzt für die

Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin Ulla
Schmidt. Bitte schön, Frau Kollegin Ulla Schmidt.


(Beifall bei der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1714612200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit

2003 war das Mandat zur Beteiligung an der US-geführ-
ten Operation Active Endeavour im Mittelmeer stets mit
der Beteiligung an der US-geführten Operation Enduring
Freedom verbunden. Bei Enduring Freedom sind Sie im
vergangenen Jahr zu der Entscheidung gekommen, dass
sich die Aktionsformen des internationalen Terrorismus
verändert haben und dass aus diesem Grund eine weitere
Beteiligung an der Operation nicht mehr gerechtfertigt
ist. Deshalb wurde beschlossen, dieses Mandat nicht zu
verlängern.

Bei der Einbringung des Antrags zur Verlängerung
dieses Mandats hat Herr Außenminister Westerwelle da-
rauf hingewiesen, dass auch die Legitimation dieses
Mandats schwindet. Außenminister Westerwelle hat im
letzten Jahr bei der Einbringung des Antrags und der
Mandatsverlängerung gesagt, dass er die Zeit nutzen
will, um ein neues Konzept und eine neue Legitima-
tionsbasis zu entwickeln. Wir hätten uns gewünscht,
dass er dies auch getan hätte. Wir Sozialdemokratinnen
und Sozialdemokraten hätten sehr gerne daran mitgear-
beitet.

Wer die Missionen vergleicht, der sieht, dass die Ope-
ration Enduring Freedom darauf abzielte, Terroristen
ausfindig zu machen, gefangen zu setzen und zu be-
kämpfen. Wir sind dort ausgestiegen, weil die Legitima-
tion nicht mehr gegeben ist. Die Operation Active
Endeavour ist hingegen eine reine Beobachtungs- und
Überwachungsmission. Trotzdem ist im Antrag der Bun-
desregierung weiterhin von einer Bekämpfung von Ter-
roristen die Rede; weiterhin wird die Operation Active
Endeavour mit einem robusten Mandat für den Einsatz
von bis zu 700 Soldatinnen und Soldaten ausgestattet. Es
fällt mir schwer, zu verstehen und logisch nachzuvollzie-
hen, warum man zur Beobachtung und zum Austausch
von Informationen ein solch robustes Mandat braucht.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Frau Kollegin Ulla Schmidt, gestatten Sie eine Zwi chenfrage des Kollegen Joachim Spatz? Eigentlich möchte ich jetzt weiterreden. Wir hatten eute schon so viele Zwischenfragen. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen Sie ich einmal an, was die Bundesregierung selbst zur Terrgefahr im Mittelmeerraum sagt: Sie sieht selber doch chon seit langem keine neue Terrorgefahr oder terrorisschen Aktivitäten mehr. Ich muss auch einmal sagen – Herr Kollege Spatz, Sie aben das auch wieder aufgebracht, und der Herr Staatsekretär Kossendey hat das bei der Einbringung gesagt –: s kann doch nicht sein, dass man jetzt als Argument für as robuste Mandat einfügt, dass sich die Lage wegen der mbrüche, der Freiheitsbewegungen und der vielen Akvitäten in den Ländern Nordafrikas verändert hat. Hier das wissen wir doch alle – haben wir keine militäri chen Aufgaben zu erfüllen und geht es nicht um Terrosmusbekämpfung, sondern hier – dafür haben wir auch ie Programme – haben wir herausragende gesellschaftsolitische und zivile Aufgaben zu erfüllen. Es geht nicht m Terrorismusbekämpfung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Robert Hochbaum [CDU/CSU]: Auch!)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714612300
Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1714612400

Auch der Außenminister hat bei der Einbringung da-
uf hingewiesen, dass es Unsicherheiten gibt. Zu den
nsicherheiten sage ich einmal Folgendes. Viele von
ns schauen dorthin und insbesondere auf die Demokra-
ebewegungen dort. Wir wissen, dass das kein Prozess
t, der in 1, 2 Jahren beendet ist, sondern bei dem unsere
nterstützung in den nächsten 10 oder 20 Jahren gefor-
ert ist, damit die Möglichkeit gegeben ist, dass dort sta-
ile und demokratische Regierungen eingesetzt werden.
ber da geht es nicht um Terrorismus.

Seit Beginn des Mandats vor zehn Jahren wurden im
ittelmeerraum keine terroristischen Aktivitäten festge-

tellt. Wir Sozialdemokraten können absolut nicht sehen,
ass sich das mit dem arabischen Frühling geändert
ätte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zehn Jahre nach den
nschlägen von New York und Washington ist das
echt zur kollektiven und individuellen Selbstverteidi-
ung eine äußerst fragwürdige Begründung. Trotzdem
rgumentiert die Bundesregierung immer wieder und so
uch in diesem Antrag mit Art. 5 des Nordatlantikvertra-
es und mit Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen.
h glaube, dass das nicht mehr trägt.

Dazu, dass von manchen das Argument kommt, dass
ier die Bündnistreue gefordert ist,


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Das ist sie auch, Frau Schmidt!)


uss ich sagen: Es ist schon ein bisschen dünn, von
ündnistreue zu reden, wenn die Legitimation und die

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Ulla Schmidt (Aachen)



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Begründung für ein Mandat nicht mehr da sind. Bünd-
nistreue hat von uns auch niemand eingefordert, als wir
im letzten Jahr gesagt haben: An der Operation Enduring
Freedom beteiligen wir uns nicht mehr. – Aber ich gebe
zu, für mich ist es manchmal nicht nachvollziehbar,
wann dem Außenminister die Bündnistreue wichtig ist
und wann nicht. Aber darüber können wir ja ein anderes
Mal streiten.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Ha, ha!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, zusammenfassend
lässt sich festhalten: Es gibt keine aktuelle Terrorgefahr
oder terroristischen Aktivitäten im Mittelmeer, die über
dieses Mandat bekämpft werden müssen. Es gibt auch
keine Terroristen, die aufgespürt werden müssen, und
keine Terrorcamps, die vernichtet werden müssen.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Abschreckung!)


Vielmehr gibt es ein auch in den Reihen der Bundesre-
gierung und natürlich, wie wir wissen, in den Reihen der
Koalitionsfraktionen erkanntes Legitimationsproblem für
ein robustes Mandat nach Art. 5 des Nordatlantikvertrags
und Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen. Deswe-
gen sagen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokra-
ten Ja zu Aufklärung und Überwachung sowie dem Sam-
meln von Informationen, aber Nein zu dem vorliegenden
Antrag, und zwar ein klares Nein zu der unklaren Formu-
lierung und zu der erneuten Vermischung von Operation
Active Endeavour und Operation Enduring Freedom im
Mandat und in der Begründung.

Die Bundesregierung hat leider die Chance vertan,
sich mit uns gemeinsam für ein neues Konzept einzuset-
zen, für eine sinnvolle Gestaltung und Einbettung des
Mandats auch im Sinne der Strategie der NATO. Deswe-
gen, meine Damen und Herren, stimmen wir nicht zu.

Danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714612500

Vielen Dank, Frau Kollegin Ulla Schmidt. – Jetzt

spricht für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege
Robert Hochbaum. Bitte schön, Kollege Hochbaum.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Robert Hochbaum (CDU):
Rede ID: ID1714612600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Am 11. September 2001 um 8.46 Uhr amerika-
nischer Zeit geschah das Unfassbare: 2 977 Menschen,
darunter 30 Deutsche, starben bei dem bisher perfidesten
Terroranschlag, den die Welt je gesehen hat. Wir alle sa-
ßen damals fassungslos vor den Bildschirmen, und uns
allen sind sicherlich die apokalyptischen Bilder der ein-
stürzenden Türme, der schreienden Menschen und der
weinenden Mütter und Kinder noch deutlich vor Augen.
Es sind Bilder des Terrors, die wir nie vergessen werden.
Diese Bilder sind unter anderem der Anlass, warum wir
heute erneut für eine Verlängerung der Operation Active
Endeavour stimmen. Denn das, was am 11. September

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(C (D 001 geschah, war ein Angriff auf die gesamte freie Welt, er nie wieder geschehen darf. Lassen Sie mich anhand von vier Begriffen darstellen, arum der Einsatz auch nach zehn Jahren aktuell ist und nsere Zustimmung verdient, liebe Frau Schmidt. Erstens: unsere Sicherheit. Das Mittelmeer, in dem ie Operation durchgeführt wird, ist nicht nur eine auptader des internationalen Seeverkehrs. Nein, es hat uch eine Scharnierfunktion und eine strategische Beeutung, weil es zwischen den Kontinenten liegt. Die akelle Lage im nordafrikanischen Raum und die Umbrü he in der arabischen Welt zeigen uns gerade heute die stabilität dieser Region auf. Instabilität – das hat uns ie Vergangenheit gezeigt – ist oft Nährboden für Terrosmus. Darum ist es auch wichtig, dort schnell zu sichen demokratischen Strukturen zu kommen, die eine sol he terroristische Gefahr in Zukunft verhindern. Wer aber glaubt, diese Gefahr sei schon gebannt, der frikanische Kontinent in Gänze friedlich und ohne terristische Gefahr, der handelt meiner Meinung nach iemlich blauäugig und gefährdet die Sicherheit Europas nd damit natürlich auch die Sicherheit Deutschlands. icht zuletzt deshalb ist der Auftrag, dem sich die Opetion Active Endeavour widmet – ich wiederhole es ehr gerne: Prävention durch Kontrolle, Abschreckung, formationsgewinnung und Informationsverarbeing –, von essenzieller Bedeutung für die Sicherheit un eres Landes. (Zuruf von der SPD: Das wurde doch alles schon gesagt!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Zweitens: die Bündnissolidarität. Frau Schmidt, die
peration Active Endeavour ist die Art.-5-Operation der
ATO. Aus dieser internationalen Verantwortung heraus

tehen wir natürlich auch fest an der Seite unserer Part-
er.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ür die Beendigung dieses Bündnisfalles wäre es übri-
ens notwendig, dass die Mitgliedstaaten der NATO
ststellen, dass von diesem Gebiet keine Gefahr mehr

usgeht und für dieses Gebiet keine Gefahr mehr be-
teht. Das, meine Damen und Herren, ist aber, wie ich
ingangs bereits erläutert habe, sicherlich nicht der Fall.
eswegen halten die NATO-Partner an einer Weiterfüh-
ng des Mandates fest, was wir hier und heute mit einer

roßen Mehrheit ebenfalls tun sollten. Im Übrigen unter-
treichen die kürzlich erneut verabschiedeten Resolutio-
en des UN-Sicherheitsrates abermals die Notwendig-
eit dieses Einsatzes. Was will man da mehr, liebe Frau
chmidt?

Drittens: die kooperative Sicherheit. Die Operation
istet einen hervorragenden Beitrag nicht nur zur Zu-

ammenarbeit der NATO-Staaten, sondern auch zur Zu-
ammenarbeit mit Nicht-NATO-Staaten. Das ist ein sehr
ichtiger Punkt. Länder wie Russland, die Ukraine und
arokko nehmen an der Operation teil. Das ist ein deut-

ches Signal und unterstreicht, dass es auch um die Si-
herheit von Staaten außerhalb der NATO geht.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17383

Robert Hochbaum


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Als vierten und letzten Punkt möchte ich auf die Man-
datierung eingehen und mich abermals an die Opposition
wenden. Dort hört man in letzter Zeit von Einzelnen, für
eine solche Aufgabe brauche man ja eigentlich gar kein
Mandat. Ich will Ihnen sagen: Sie wissen nicht, was Sie
wollen. Das eine Mal rufen Sie, wenn irgendwo ein Sol-
dat mit einen Gewehr auftaucht, sofort nach einem Man-
dat, und hier wollen manche ohne Mandat Kriegsschiffe
im Mittelmeer patroullieren lassen, immer nach dem
Motto: Wie es uns gerade gefällt. Ich wünsche mir da
sehr oft eine klarere Linie. Für uns ist es selbstverständ-
lich: Für diesen Auftrag, den wir für richtig und notwen-
dig halten, benötigen wir ein Mandat des Deutschen
Bundestages.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Abschließend möchte ich es nicht versäumen, Dank
zu sagen: Dank an all unsere Soldatinnen und Soldaten,
die durch ihren Einsatz im Mittelmeer für die Sicherheit
unseres Landes, ja, für die Sicherheit aller friedfertigen
und friedliebenden Menschen sorgen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714612700

Vielen Dank, Kollege Hochbaum. – Jetzt spricht für

die Fraktion Die Linke unser Kollege Wolfgang
Gehrcke. Bitte schön, Kollege Gehrcke.


(Beifall bei der LINKEN)



Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714612800

Danke sehr. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Ich finde es schon bedrückend, dass man,
wenn man auf die heutige Tagesordnung des Bundesta-
ges schaut, sieht: Wir sollen heute drei Mandate für Aus-
landseinsätze der Bundeswehr verlängern. Wenn man
das hier vor ein paar Jahren gesagt hätte, dann wäre man
als Spinner und absurder Denker bezeichnet worden.
Das ist aber die Realität geworden. Sie können es be-
fremdlich finden, aber ich bin nach wie vor froh darüber,
dass meine Fraktion die Bundeswehr aus allen Auslands-
einsätzen zurückholen will. Das ist meine politische
Position, und ich halte sie auch für begründet.


(Beifall bei der LINKEN)


Beim Mandat für die Operation Active Endeavour
geht es ja um den Krieg gegen den Terror. Deswegen
lohnt es sich, besonders hinzuschauen. Ich halte die Au-
ßenpolitik der Bundesregierung für leichtgewichtig, aber
ich nehme sie trotzdem ein Stück weit ernst, und ich will
das auch mit diesem Mandat tun.

Die erste Begründung für das Mandat ist, dass der
Krieg gegen den Terror fortgeführt werden muss und
dass die Gefahr der terroristischen Anschläge von 2001
bis heute so erhalten geblieben ist. Das steht wörtlich in
der Mandatsbegründung. Sie können doch nicht ernst-
haft davon ausgehen, dass sich bis jetzt, im elften Jahr,
überhaupt nichts geändert hat und dass die Vereinten Na-
tionen nicht handlungsfähig sind. Sie tun so, als ob die

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(C (D elt stehen geblieben ist. Das ist niemals eine vernünfge Politik, und damit können Sie das Mandat nicht beründen. Ich sage Ihnen dazu aber auch: Sie drücken sich auch avor, sich den Krieg gegen den Terror einmal genauer nzuschauen, der ja unter Bush und anderen vorangetrieen worden ist. Wir haben immer gesagt: Der Kampf geen den Terror kann gewonnen werden, der Krieg gegen en Terror aber niemals. Wenn Sie sich die Hauptberündungen für diesen Krieg anschauen, dann sehen Sie, ass nichts eingelöst wurde. Fragen Sie doch ganz einch: Ist die Gefahr terroristischer Anschläge durch den rieg gebannt worden oder nicht? Sie ist nicht gebannt orden. Damit argumentieren Sie ja selber. (Robert Hochbaum [CDU/CSU]: Wir haben doch keine Alternative!)


(Beifall bei der LINKEN)


h frage Sie ganz einfach: Wurde mit dem Krieg gegen
en Terror die Abrüstung vorangebracht? Auch das
icht! Die Gefahr, die von Massenvernichtungswaffen
usgeht, ist heute größer denn je. Ich frage Sie: Hat der
rieg gegen den Terror wirklich zu mehr Demokratie
eführt, oder sind wir durch den Krieg gegen den Terror
o verändert worden, dass es weniger Demokratie gibt?
h glaube, Letzteres ist der Fall. Das heißt, mit Ihrer Be-

ründung zeigen Sie: Der Krieg gegen den Terror ist ein
inziges Desaster. Man darf kein Mandat erteilen, das
arauf beruht.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich will Ihnen noch zwei andere Argumente vortra-
en, weil die Bundesregierung das Parlament und die
ffentlichkeit mit ihren Anträgen ja immer täuscht.

Sie werden mit darüber entscheiden müssen, ob Art. 5
es Nordatlantikvertrages – Bündnisfall – weiterhin so
ehandhabt wird wie derzeitig. Sie wussten nicht, wie
an in den Bündnisfall einsteigt, und Sie wissen nicht,
ie man aus dem Bündnisfall aussteigt. Das ist doch in-

kzeptabel, und jetzt wollen Sie hier noch einmal die
erlängerung beschließen. Ich nenne Ihnen einen ganz
infachen Weg: Wenn Deutschland feststellt, dass der
ündnisfall nicht mehr gegeben ist, dann ist nach den
ATO-Vereinbarungen der Bündnisfall aufgehoben. So

infach kann das gehen, und zwar durch einen Beschluss
ieses Parlaments. Nur erklären müssen Sie es!


(Beifall bei der LINKEN)


Zum Schluss will ich Ihnen doch noch einmal sagen:
ich hat die ganze Begründung für diesen Mittelmeer-

insatz sehr bedrückt. Es wird jetzt auch davon gespro-
hen, dass mit dem Mandat nebenbei eine neue NATO-
trategie „Mittelmeer“ implementiert werden soll. Sie
ollen hier über etwas entscheiden, was hier kein Abge-
rdneter kennt. Entspricht es Ihrem parlamentarischen
erständnis, dass man über etwas entscheiden soll, was
an nicht kennt? Ich sage Ihnen: Wenn ich über das Mit-
lmeer nachdenke, dann wird mir klar, dass das Mittel-
eer für mich nicht mehr das Meer des Friedens, son-

ern ein Meer ist, in dem über 14 000 Menschen beim
ersuch, nach Europa zu kommen, ertrunken sind.

17384 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Wolfgang Gehrcke


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Das müssen Sie doch bedenken. Sie wollen mit die-
sem Mandat im Mittelmeer eine neue Militäraktion –
auch als Antwort auf den arabischen Frühling – in Gang
setzen. Das ist doch alles unverantwortlich. Deswegen
kann ein verantwortungsvoller Abgeordneter nur gegen
dieses Mandat stimmen.

Schönen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714612900

Der nächste Redner in unserer Debatte ist für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege Omid
Nouripour. Bitte schön, Herr Kollege Nouripour.


Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714613000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, auch

zehn Jahre nach 9/11 gibt es eine terroristische Bedro-
hung. Ja, diese Bedrohung betrifft auch das Mittelmeer.
Ja, man muss dagegen etwas tun.

Trotzdem ist die Auslandsmission, über die wir heute
hier abstimmen, diejenige in der Geschichte der Bundes-
wehr, über die am kontroversesten diskutiert wird. Es
gab noch nie die Situation, dass die Regierung ein Man-
dat tatsächlich gegen die Stimmen der Opposition durch-
drücken musste. Da stellt sich die Frage, warum das
diesmal so ist.

Sie bringen drei Argumente für dieses Mandat.

Argument eins: Die USA stehen seit zehn Jahren kon-
tinuierlich unter Angriff. – Da scheinen Sie in den letz-
ten vier oder fünf Jahren etwas erlebt zu haben, was wir
anscheinend verpasst haben. Das ist schlicht absurd.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das zweite Argument ist nicht absurd, das ist krude:
Sie sagen, es gibt nun einmal einen arabischen Frühling.
Wir haben zwar zu dem entscheidenden Zeitpunkt im Ja-
nuar, als es darum ging, sich auf die Seite der Menschen
auf dem Tahrir-Platz zu stellen, das nicht gemacht, aber
jetzt brauchen wir etwas anderes, also schicken wir Fre-
gatten.


(Joachim Spatz [FDP]: So ein Quatsch!)


Das ist krude.

Das dritte Argument, das Sie nennen, lautet: Sie sind
gescheitert. Herr Spatz hat mehrfach gesagt: Wir wollten
dies, wir wollten jenes, wir wollten das Mandat so nicht,
aber auf uns hört halt niemand. – Dieses Mandat ist ein
Zeugnis des Scheiterns dieser Bundesregierung im
Bündnis und in der gesamten Außen- und Sicherheits-
politik. Deswegen können wir dem nicht zustimmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


700 Soldatinnen und Soldaten und zwei Fregatten für
die Überwachung im östlichen Mittelmeer inklusive ei-
nes Kombattanten-Mandats – das macht überhaupt kei-
nen Sinn. Es macht auch keinen Sinn, U-Boote zu schi-
cken, um Ausbildungslager der Terroristen zu zerstören.

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(C (D h verstehe das nicht einmal technisch. Ich glaube, dass ie es selbst auch nicht verstehen. Angesichts dessen brauchen Sie sich aber auch nicht u wundern, dass Sie bei der Abstimmung über ein solhes Mandat keine Zustimmung über die Fraktionsgrenen hinweg bekommen; dann brauchen Sie sich nicht zu undern, wenn es eine Polarisierung gibt, die die Buneswehr und die Menschen, die wir dorthin schicken, icht verdient haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Frage ist: Wann kommt die Bundesregierung
azu, die Außen- und Sicherheitspolitik in Form konkre-
r Gestaltungen voranzutreiben? Wann gibt es Vor-

chläge der Bundesregierung für eine Weltsicherheitsar-
hitektur in einem neuen Zeitalter? Es ist immer wieder
ie Rede von der Standing Defense Structure. Darüber
ann man reden, aber wo wird der Vorschlag eigentlich
orangebracht?

Herr Kollege Gehrcke, die Frage, wie man den Bünd-
isfall aufhebt, ist ziemlich einfach zu beantworten: ein-
timmig beschlossen muss einstimmig wieder aufgeho-
en werden. Dafür muss aber irgendjemand die Stimme
rheben. Irgendjemand muss in den NATO-Rat gehen
nd sagen: Wollen wir nicht einmal darüber nachden-
en? Sie tun es nicht, obwohl Sie es besser wissen, weil
ie ganz genau wissen, dass in der Allianz und in der
estlichen Welt niemand mehr auf Sie hört und niemand
ehr Ihre Außenpolitik ernst nimmt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


eshalb kommen Sie mit keinem einzigen konkreten
orschlag, wie man an dieser Stelle vorankommen kann.

Das Problem ist, dass es nicht nur im Bündnis so ist.
s ist auch innerhalb der eigenen Koalition so. In der
tzten Woche sagte der Außenminister, dass eine Militär-
ption gegenüber dem Iran nicht existiere. Heute sagt
er außenpolitische Sprecher der Mehrheitsfraktion ex-
kt das Gegenteil. Gibt es da ein Widerwort? Nein, er
ann sich das erlauben, weil die Stimme dieses Außen-
inisters sowieso kein Gewicht mehr hat, also sowieso

iemand mehr auf das hört, was er sagt. Das ist im Au-
enblick das Besorgniserregende, dass nur derjenige,
essen Stimme das kleinste Gewicht hat, einen solchen
ilitärschlag ausschließt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Die Stärkung des internationalen Rechts ist der größt-
ögliche Beitrag, den auch die Bundesrepublik Deutsch-
nd im Kampf gegen den internationalen Terrorismus
isten kann. Mit einem Mandat auf so – milde gesagt –
ackligen rechtlichen Beinen tun Sie genau dieses nicht,

ondern Sie beschädigen das Rechtssystem auf interna-
onaler Bühne. Damit verhindern Sie, dass es hier ein
reiteres Mandat für diese Mission gibt. Wir können dem
icht zustimmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Unruhe)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17385


(A) )


)(B)


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714613100

Vielen Dank. – Bevor ich dem letzten Redner in unse-

rer Debatte das Wort erteile, darf ich darum bitten, dass
wir auch ihm die notwendige Aufmerksamkeit schen-
ken. Das Wort für die Fraktion der CDU/CSU hat unser
Kollege Dr. Wolfgang Götzer. Bitte schön, Kollege
Götzer.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Wolfgang Götzer (CSU):
Rede ID: ID1714613200

Herr Präsident, vielen Dank für diese vorausgeschick-

ten Worte. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die in-
ternationale Staatengemeinschaft hat die Operation
Active Endeavour der NATO als Reaktion auf den
11. September 2001 ins Leben gerufen. Dieser terroristi-
sche Angriff auf die USA hat bekanntlich erstmals seit
Bestehen der NATO den Bündnisfall gemäß Art. 5 des
Nordatlantikvertrages ausgelöst.

Der deutsche Beitrag zur OAE besteht in der Unter-
stützung der Seeraumüberwachung und der Terrorismus-
bekämpfung im Mittelmeer durch Einheiten der deut-
schen Marine. Auch nach zehn Jahren ist OAE für
Frieden, Sicherheit und Stabilität in der derzeit instabi-
len Mittelmeerregion unverzichtbar. Daher stimmen wir
einer Verlängerung der Operation bis zum 31. Dezember
2012 zu.

Seit nunmehr zehn Jahren leistet die Bundeswehr im
Rahmen von OAE einen wichtigen Beitrag zur mariti-
men Sicherheit im Mittelmeerraum. Im Einsatz sind
meistens Fregatten, aber auch U-Boote und AWACS.
Die Zahl unserer Soldatinnen und Soldaten beträgt der-
zeit insgesamt bis zu 700. Allen, die dort bereits Dienst
geleistet haben oder Dienst leisten, möchte ich an dieser
Stelle einmal mehr unseren Dank aussprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Einen Einsatz über ein Jahrzehnt in diesen Dimensio-
nen zu unterstützen, zeugt von unserer Solidarität mit
der NATO und den Vereinigten Staaten. Mit OAE sen-
den wir nicht nur ein wichtiges Signal an die NATO,
dass wir für kollektive Verteidigung nach Art. 5 des
Nordatlantikvertrages bereitstehen, und zwar nicht nur
kurzfristig, sondern eben auch, wenn es die Umstände
erfordern, über ein Jahrzehnt hinweg. Mit OAE zeigen
wir des Weiteren auch den USA, dass wir auch zehn
Jahre nach den verheerenden Anschlägen bereit sind, un-
serem transatlantischen Partner im Kampf gegen den
Terror zuverlässig zur Seite zu stehen.

Terrorismus ist weiterhin eine der größten Herausfor-
derungen für die internationale Staatengemeinschaft.
Seit 2001 hat der Sicherheitsrat in Resolutionen regel-
mäßig die Notwendigkeit betont, den internationalen
Terrorismus umfassend zu bekämpfen. Diesen Kampf
können wir nur gemeinsam gewinnen und nur – das ist
leider so – unter Einbeziehung militärischer Kräfte.

Die OAE ist dazu ein wichtiger Beitrag. Durch den
fortgesetzten Einsatz von See- und Seeluftstreitkräften
wehrt OAE terroristische Aktivitäten ab und schafft zu-
gleich die Voraussetzungen zu deren effizienter Bekämp-

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(C (D ng. Dabei begegnet die NATO dem internationalen Terrismus durch einen zunehmend netzwerkbasierten nsatz mit einem Schwerpunkt auf Informationsgewinung und Informationsverarbeitung. Als letztes Mittel sieht das OAE-Mandat auch den insatz von militärischer Gewalt vor. Gemäß dem Parlaentsbeteiligungsgesetz ist für diesen Einsatz unsere ustimmung nötig. Mit unserem Votum für eine erneute andatsverlängerung müssen wir auch die Verantworng für etwaige Fälle, in denen ein Einsatz militärischer ewalt unerlässlich ist, übernehmen. Wir tun dies, damit AE auch in Zukunft Stabilität im Mittelmeer gewähristen kann. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Aktuell ist der Beitrag der Operation insbesondere
or dem Hintergrund der schwierigen Sicherheitslage an
en Küsten Nordafrikas unverzichtbar. Darüber hinaus
at OAE während des NATO-Einsatzes gegen das
addafi-Regime einen wichtigen Beitrag zur Unterstüt-

ung der NATO-Operation Unified Protector zum
chutz der libyschen Zivilbevölkerung durch Bereitstel-
ng von Informationen und Sicherung des freien See-

erkehrs leisten können. Somit ist OAE ein zuverlässi-
er Garant von Sicherheit und Stabilität in Zeiten des
mbruchs in der arabischen Welt. Darüber hinaus ist
AE offen für die Beteiligung von Drittstaaten, vor al-
n Dingen den Partnerstaaten des Mittelmeerdialogs der
ATO, wie beispielsweise Marokko.

Für die Zukunft ist zu prüfen, ob OAE im bisherigen
ahmen weitergeführt werden soll oder in ständige
ATO-Operationen überführt werden kann. Dies erörtert
ie Bundesregierung zurzeit mit den NATO-Bündnis-
artnern. Bis zu einer Entscheidung hierüber ist die Fort-
hrung der Operation auf Grundlage des aktuellen
andats aus bündnispolitischen und aus sicherheitspoli-

schen Erwägungen aus unserer Sicht notwendig. Des-
alb werden wir der Verlängerung zustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714613300

Vielen Dank, Kollege Dr. Wolfgang Götzer.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
mpfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An-
ag der Bundesregierung zur Fortsetzung des Einsatzes
ewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung
er gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe
egen die USA. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be-
chlussempfehlung auf Drucksache 17/7995, den Antrag
er Bundesregierung auf Drucksache 17/7743 anzuneh-
en.

Wir werden nun über die Beschlussempfehlung na-
entlich abstimmen.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
orgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an

17386 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Vizepräsident Eduard Oswald


(A) )


)(B)

den Urnen alle besetzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne
ich die Abstimmung.

Ich frage jetzt, nachdem ich ein Signal erhalten habe,
dass möglicherweise schon alle abgestimmt haben: Ist
noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.

Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftfüh-
rerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekannt gegeben.1)

Ich darf Sie bitten, Ihre Plätze wieder einzunehmen.
Wir wollen schließlich allen folgenden Rednern die not-
wendige Aufmerksamkeit schenken.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten
Petra Pau, Jan Korte, Sevim Dağdelen, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Mindestens 137 Todesopfer rechter Gewalt in
der Bundesrepublik Deutschland seit 1990

– Drucksachen 17/5303, 17/7161 –

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin in unserer
Debatte ist für die Fraktion Die Linke unsere Kollegin
Petra Pau. Bitte schön, Kollegin Pau.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714613400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

habe noch die entsetzten Gesichter in Erinnerung, als die
Nazi-Mordserie der sogenannten Zwickauer Zelle publik
wurde. Entsetzen auch hier im Bundestag, quer durch
alle Fraktionen. Wir sollten uns dieses Innehalten be-
wahren und nicht gleich wieder ins politische Klein-
Klein verfallen.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ich finde, das sind wir auch allen Opfern und ihren An-
gehörigen schuldig, zumal viele Fragen weiterhin offen
sind. Deshalb hat die Linke diese Debatte heute auf die
Tagesordnung setzen lassen.

Es geht um die Frage, wie viele Menschen in
Deutschland seit 1990 von Nazis getötet wurden. Die
Recherche seriöser Journalisten belegt 138 Todesopfer.
Hinzu kommen aktuell die 10 Morde der Nazi-Zelle; da-
mit sind es also insgesamt 148. Das sind erschreckende
Zahlen.

Die Bundesregierung verharrt auf Nachfrage der Lin-
ken bei der Aussage: 48 Todesopfer. Diese Differenz ist

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(C (D ravierend. Die Bundesregierung verweist in ihrer Antort lapidar auf die Angaben der Landesregierungen. ie könnte auch auf die Berichte aller Ämter für Verfasungsschutz verweisen. Stets wurde verneint, dass es ystematische rechtsextreme Gewalt oder gar Nazi-Terr gebe. All das gehört mit zum Problem. Wir haben offenbar eine gravierende Fehlstelle in der ffiziellen Wahrnehmung rechtsextremer Gewalt. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


as wiederum bedeutet: Ist die Analyse falsch, dann ist
uch alles falsch, was darauf fußt.

Deshalb wiederholt die Linke ihre Forderung: Wir
rauchen endlich eine parteipolitisch unabhängige Beob-
chtungsstelle gegen Rechtsextremismus, Rassismus
nd Antisemitismus.


(Beifall bei der LINKEN)


Zu den übergeordneten Fragen gehört auch die nach
er Rolle der V-Leute und damit nach dem Beitrag des
taates bei der Duldung oder gar Unterstützung rechts-
xtremer Strukturen und gewalttätiger Nazis. Spätestens
tzt dürfte doch klar geworden sein: V-Leute sind keine
etten Informanten, sondern gekaufte Spitzel und ge-
alttätige Täter. Deshalb fordert die Linke: V-Leute sind

bzuschalten, und zwar unverzüglich und alle.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die offenen Fragen betreffen nicht nur Versäumnisse
der Beihilfen von Landesbehörden in Thüringen, Sach-
en, Niedersachsen oder Hessen, sondern auch von Bun-
esbehörden. Auch diese Fragen müssen geklärt werden,
llerdings nicht durch ein handverlesenes Trio des Bun-
esinnenministers. Das nährt nur den Verdacht, dass et-
as vertuscht oder verdrängt werden soll. Die Aufklä-
ng muss unvoreingenommen, transparent und radikal

rfolgen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch deshalb sollten endlich zivilgesellschaftliche
itiativen zurate gezogen werden. Sie sind offensicht-

ch kompetenter als die meisten Behörden. Wir sollten
ie endlich stärken und nicht länger verprellen. Der
ampf gegen Rechtsextremismus wird in der Zivilge-

ellschaft gewonnen – oder verloren. Da hilft auch kein
d-hoc-Aufstand. Dazu gehört ein langer Atem aller
nständigen und aller Zuständigen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein letzter Satz, Herr Präsident. Es gibt inzwischen
en Bericht einer unabhängigen Expertenkommission
um Antisemitismus. Darin kommt man zu dem Schluss:
s fehlt an einem politischen Gesamtkonzept im Kampf
egen Antisemitismus. Das gleiche Manko haben wir
eim Rechtsextremismus. Die falschen und auch vereng-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17387

Petra Pau


(A) )


)(B)


Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl Rudolf HenkeMichael Hennrich

Ingbert Liebing
Matthias Lietz

Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)

Dirk Fischer (Hamburg)


Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung (Konstanz)

Dr. Egon Jüttner

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r. Jan-Marco Luczak
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r. Michael Luther
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r. Thomas de Maizière
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ndreas Mattfeldt
tephan Mayer (Altötting)

r. Michael Meister
aria Michalk
r. h. c. Hans Michelbach
r. Mathias Middelberg
hilipp Mißfelder

Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt (Fürth)

Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön (St. Wendel)

Dr. Kristina Schröder
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Johannes Selle
Reinhold Sendker
Helmut Brandt Jürgen Herrmann Dr. Carsten Linnemann Norbert Schindler
ten Zuständigkeiten der Bunde
Kurzum, diese großen Fragen
Antworten, jedenfalls vertragen
ten, wie es die Antwort der Bu
Große Anfrage ist.


(Beifall bei der LINKEN neten der SPD und des BÜ GRÜNEN)


Vizepräsident Dr. h. c. Wo
Liebe Kolleginnen und Kolle

ten Redner aufrufe, möchte ich

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 559;
davon

ja: 306
nein: 253

Ja

CDU/CSU

Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Börnsen


(Bönstrup)

Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig

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sregierung gehören dazu.
verlangen nach anderen
sie nicht kleine Antwor-
ndesregierung auf unsere

sowie bei Abgeord-
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lfgang Thierse:
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Ihnen bekannt geben das

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r. Thomas Gebhart
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(VillingenSchwenningen)


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r. Hermann Kues
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(Heidelberg)

ndreas G. Lämmel
r. Norbert Lammert
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(C (D Schriftführern ermittelte hrten namentlichen Abpfehlung zu dem Antrag ng des Einsatzes bewaffder Unterstützung der geristische Angriffe gegen tikels 51 der Satzung der ikels 5 des Nordatlantikn 1368 Vereinten Nationen“: abhaben gestimmt 307, mit altungen keine. Die Benommen. ietrich Monstadt arlene Mortler r. Gerd Müller tefan Müller r. Philipp Murmann ichaela Noll r. Georg Nüßlein ranz Obermeier duard Oswald enning Otte r. Michael Paul ita Pawelski lrich Petzold r. Joachim Pfeiffer ibylle Pfeiffer eatrix Philipp onald Pofalla hristoph Poland ckhard Pols homas Rachel r. Peter Ramsauer ckhardt Rehberg othar Riebsamen sef Rief laus Riegert r. Heinz Riesenhuber hannes Röring r. Norbert Röttgen r. Christian Ruck rwin Rüddel lbert Rupprecht nita Schäfer r. Annette Schavan 17388 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse )


(A) )

Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg (Hamburg)

Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew

SPD

Hans-Ulrich Klose
Marianne Schieder


(Schwandorf)


FDP

Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine Aschenberg-

Dugnus
Daniel Bahr (Münster)

Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Rainer Erdel


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r. Edmund Peter Geisen
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r. Christel Happach-Kasan
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r. Werner Hoyer
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r. Lutz Knopek
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r. Heinrich L. Kolb
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r. h. c. Jürgen Koppelin
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atrick Kurth (Kyffhäuser)

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r. Martin Lindner (Berlin)

ichael Link (Heilbronn)

r. Erwin Lotter
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etra Müller (Aachen)

urkhardt Müller-Sönksen
r. Martin Neumann

(Lausitz)

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(Frankfurt)


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r. Christiane Ratjen-
Damerau
r. Birgit Reinemund
r. Peter Röhlinger
r. Stefan Ruppert
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hristoph Schnurr
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r. Erik Schweickert
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r. Hermann Otto Solms
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r. Max Stadler
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r. Rainer Stinner
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lorian Toncar
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(Lüdenscheid)

r. Daniel Volk
r. Claudia Winterstein
r. Volker Wissing
artfrid Wolff (Rems-Murr)


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(Hildesheim)


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r. Peter Danckert
artin Dörmann

lvira Drobinski-Weiß
arrelt Duin
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iegmund Ehrmann
r. h. c. Gernot Erler
etra Ernstberger
arin Evers-Meyer
lke Ferner
abriele Fograscher
r. Edgar Franke
agmar Freitag
ichael Gerdes
artin Gerster
is Gleicke
ünter Gloser
lrike Gottschalck
ngelika Graf (Rosenheim)

erstin Griese
ichael Groschek
ichael Groß
olfgang Gunkel
ans-Joachim Hacker
ettina Hagedorn
laus Hagemann
ichael Hartmann

(Wackernheim)

ubertus Heil (Peine)

olf Hempelmann
r. Barbara Hendricks
ustav Herzog
abriele Hiller-Ohm
etra Hinz (Essen)

rank Hofmann (Volkach)

r. Eva Högl
hristel Humme
sip Juratovic
liver Kaczmarek
hannes Kahrs
lrich Kelber
ars Klingbeil
r. Bärbel Kofler
aniela Kolbe (Leipzig)

ritz Rudolf Körper
nette Kramme
icolette Kressl
ngelika Krüger-Leißner

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(C (D te Kumpf hristine Lambrecht hristian Lange r. Karl Lauterbach teffen-Claudio Lemme urkhard Lischka abriele Lösekrug-Möller irsten Lühmann aren Marks atja Mast ilde Mattheis etra Merkel llrich Meßmer r. Matthias Miersch ranz Müntefering r. Rolf Mützenich ndrea Nahles anfred Nink homas Oppermann ydan Özoğuz einz Paula hannes Pflug achim Poß r. Wilhelm Priesmeier lorian Pronold r. Sascha Raabe echthild Rawert tefan Rebmann erold Reichenbach r. Carola Reimann önke Rix ené Röspel r. Ernst Dieter Rossmann arin Roth ichael Roth arlene Rupprecht nton Schaaf xel Schäfer erner Schieder lla Schmidt ilvia Schmidt arsten Schneider ttmar Schreiner wen Schulz wald Schurer rank Schwabe olf Schwanitz tefan Schwartze ita Schwarzelühr-Sutter r. Carsten Sieling onja Steffen r. Frank-Walter Steinmeier hristoph Strässer erstin Tack r. h. c. Wolfgang Thierse ranz Thönnes olfgang Tiefensee üdiger Veit te Vogt r. Marlies Volkmer ndrea Wicklein eidemarie Wieczorek-Zeul r. Dieter Wiefelspütz ta Zapf agmar Ziegler anfred Zöllmer rigitte Zypries Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17389 Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse )


(Tuchenbach)


(A) )

Nun erteile ich dem Parlame
Ole Schröder das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP Dr. Ole Schröder, Parl. Sta minister des Innern: Herr Präsident! Meine seh Herren! Wir alle sind noch imm uns in Deutschland möglich w mistische Terrorzelle zwischen lich zehn Morde beging und w Menschenleben gefährdet hab wenn Menschen zur Projekti schen, menschenverachtenden es macht uns sprachlos, wenn Leben lassen müssen. Eines is uns ebenfalls alle einig –: Unab über die wir heute sprechen, ist mer Gewalt eines zu viel. (Beifall im ganz Die Linke versucht nun, zu u antwortlichen in den Ländern u men kleinrechnen oder gar ver die die offiziellen Stellen von 2011 gezählt haben – mittlerw ntarischen Staatssekretär der CDU/CSU und )


atssekretär beim Bundes-

r verehrten Damen und
er betroffen, dass es bei

ar, dass eine rechtsextre-
2000 und 2007 mutmaß-
eitere Taten verübte, die
en. Es ist abscheulich,
onsfläche eines rassisti-
Weltbildes werden, und
Menschen deswegen ihr

t klar – darüber sind wir
hängig von der Statistik,
jedes Opfer rechtsextre-

en Hause)

nterstellen, dass die Ver-
nd im Bund das Phäno-

schleiern. 47 Todesopfer,
1990 bis zum 31. Januar
eile sind es aufgrund der

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euesten Erkenntnisse 58 Tode
esopfer rechtsextremer Gewal
ournalisten der Zeit und de
bergestellt.

Ich möchte hier noch einma
ieser Statistik nicht die zehn
erden, die es nach den neueste
üssen jetzt natürlich auch in
en werden.

Dabei zeigt das nur eines: B
ung eines solchen Phänomens
ösung. Keine Statistik ist in d
ngreifbares Bild zu zeichnen.


(Josef Philip Winkler [ GRÜNEN]: Das ist aber ei renz!)


Derzeit ist bei der Erfassun
levant. Das Erfassungssystem

er damaligen rot-grünen Reg
ereinbart worden. Es wird sei
er wieder evaluiert und ange

ei mit einer Eingangsstatistik z
amit den Sicherheitsbehörden
elchen Straftaten wir es zu tun

tatistik kann dann im Laufe d
nd auch durch die Erkenntniss
sopfer –, werden 137 To-
t nach der Zählweise von
s Tagesspiegels gegen-

l erwähnen, dass auch in
Todesopfer mitgezählt
n Erkenntnissen gab; sie

die Statistik aufgenom-

ei der statistischen Erfas-
gibt es nie die richtige
er Lage, ein objektiv un-

BÜNDNIS 90/DIE
ne sehr große Diffe-

g das konkrete Tatmotiv
ist übrigens 2001 von

ierung mit den Ländern
tdem so fortgeführt, im-
passt. Wir haben es hier-
u tun. Das ist notwendig,
sofort bekannt ist, mit
haben. Diese Eingangs-

er weiteren Ermittlungen
e, die im Gerichtsverfah-

(D DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Harald Koch Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Cornelia Möhring Wolfgang Nešković Thomas Nord Petra Pau Richard Pitterle Yvonne Ploetz Paul Schäfer Dr. Ilja Seifert Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Sahra Wagenknecht Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich B D M V C B V E K H H D K K B B P D B In U K M S M U T S O A F S (CÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN arieluise Beck olker Beck ornelia Behm irgitt Bender iola von Cramon-Taubadel kin Deligöz atja Dörner arald Ebner ans-Josef Fell r. Thomas Gambke ai Gehring atrin Göring-Eckardt ritta Haßelmann ettina Herlitzius riska Hinz r. Anton Hofreiter ärbel Höhn grid Hönlinger we Kekeritz atja Keul emet Kilic ven-Christian Kindler aria Klein-Schmeink te Koczy om Koenigs ylvia Kotting-Uhl liver Krischer gnes Krumwiede ritz Kuhn tephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Agnes Malczak Jerzy Montag Kerstin Müller Beate Müller-Gemmeke Ingrid Nestle Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler 17390 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder )


(A) )

ren zutage treten, korrigiert werden. Deshalb sind jetzt
auch die neuen Erkenntnisse in die Statistik mit einge-
flossen.

Der Grund für ein solches System zur Analyse des
konkreten Tatmotivs liegt vor allem darin, dass eine
reine Zuordnung des Täters zu einem bestimmten Mi-
lieu, zum Beispiel zum rechtsextremen Milieu, keine
eindeutigen Schlüsse zulässt. Denn gerade in diesem
braunen Milieu, um das es in dieser Anfrage geht, haben
wir es eben auch mit erheblicher Allgemeinkriminalität
zu tun. Im Bereich rechtsmotivierter Straftaten sind über
50 Prozent der Täter vorher schon durch allgemeinkrimi-
nelle Delikte aufgefallen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns deshalb die
Beurteilung der Bekämpfung von rechtsextremer Gewalt
nie allein an Statistiken festmachen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Vor allem muss es darum gehen, das hinter diesen er-
schreckenden Zahlen stehende Phänomen zu erkennen,
zu verstehen und zu bekämpfen. Darauf kommt es an. Es
geht darum, dass jeder Mensch in unserem Land, unge-
achtet seiner Hautfarbe, seiner Religion, seiner politi-
schen Einstellung und seiner sexuellen Ausrichtung, vor
solch verabscheuungswürdiger Gewalt sicher ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deshalb ist es wichtig, dass Erkenntnisse über gefähr-
liche Personen und Gruppen künftig systematisch ausge-
tauscht werden können, dass Ermittlungen besser koor-
diniert werden können, dass wir die Szene und ihre
Protagonisten noch genauer auf mögliche Gewaltpoten-
ziale hin durchleuchten können. Nur so können wir die
Informationsverluste und die Koordinierungsprobleme,
die jetzt bei den Ermittlungen zutage getreten sind, künf-
tig verhindern, und nur so können wir rechtsextreme Ge-
walt konsequent verfolgen oder – noch besser – verhin-
dern.

Dafür ist es auch wichtig, dass wir den Sicherheitsbe-
hörden die notwendigen Instrumentarien an die Hand ge-
ben. Wir sind schon einige Schritte weiter. Wir wollen
die Führungskompetenz des Bundesamtes für Verfas-
sungsschutz, wie wir es bereits im Bereich des islamisti-
schen Terrorismus haben, weiter stärken. Wir wollen
eine Gesetzesänderung dahin gehend auf den Weg brin-
gen, dass weitergehende Informationen über Rechts-
extremisten eingestellt und abgerufen werden können,
und dies eben nicht nur bei gewaltbereiten, sondern auch
bei sonstigen. Wir brauchen eine Verbunddatei, damit
keine einzige Information verloren geht. Deshalb brau-
chen wir auch ein gemeinsames Abwehrzentrum, wie
wir es bereits im Bereich des islamistischen Terrorismus
haben.

Meine Damen und Herren, keine Information darf bei
der Verfolgung von solchen abscheulichen Straftaten
verloren gehen.


(Zuruf der Abg. Monika Lazar [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


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(C (D eshalb ist es wichtig, dass wir auch die Hürden, die es Bereich des Föderalismus gibt, überwinden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


ber natürlich ist es auch wichtig, dass wir dieses Phä-
omen in Statistiken sehr deutlich erfassen. Das machen
ir weiterhin. Wir analysieren natürlich auch die Dinge,
ie jetzt zutage treten, und prüfen, ob sie Auswirkungen
uf notwendige Korrekturen haben.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714613500

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

D
Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1714613600

Was aber überhaupt nicht weiterhilft, ist der gegensei-

ge Vorwurf, dass die jeweils andere Seite irgendetwas
erschleiern wolle. Wichtig ist, dass wir das Phänomen
chtig beschreiben und gemeinsam dagegen vorgehen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714613700

Das Wort hat nun Gabriele Fograscher für die SPD-

raktion.


(Beifall bei der SPD)



Gabriele Fograscher (SPD):
Rede ID: ID1714613800

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

rundlage der Großen Anfrage der Linken sind die in
er Zeit und im Tagesspiegel veröffentlichten Zahlen der
pfer rechter Gewalt. Dabei handelt es sich nicht nur um

ine Aufzählung, um Statistik, sondern es ist die Be-
chreibung von brutalen Angriffen, von Gewaltexzessen,
on Tötung und Mord quer durch die Republik.

137 Menschen sind von 1990 bis September 2010
rausam umgebracht worden. Mut-gegen-rechte-
ewalt.de nennt 182 Opfer, bei denen die Täter rechts-
xtremistische Motive hatten. Die polizeiliche Kriminal-
tatistik nennt für den gleichen Zeitraum die schon ge-
annten 48 Opfer. Diese Differenz, Herr Schröder, haben
ie zwar zu erklären versucht; aber Sie haben nicht ge-
agt, dass man sie auch so weit wie möglich reduzieren
uss.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Spätestens seitdem bekannt ist, dass eine rechte Ter-
rzelle über zehn Jahre lang unentdeckt gemordet und

eraubt hat, müssen wir feststellen, dass wir keine realis-
sche Lageeinschätzung rechtsextremistischer Bedro-
ungen haben, weder bei den Sicherheitsbehörden noch
der Öffentlichkeit noch in der Politik. Wir müssen da-

on ausgehen, dass das Dunkelfeld rechter Gewalt noch
rößer ist; denn nicht jeder Angriff geht tödlich aus,
icht jede Einschüchterung und Bedrohung wird zur An-
eige gebracht. Trotz Anpassung und Differenzierung
er Kriterien für die Einstufung als Straftaten mit rechter
otivation bleibt – das beschreiben Sie richtig in der

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17391

Gabriele Fograscher


(A) )


)(B)

Anfrage – der rechtsextremistische Hintergrund einer
Tat oft im Dunkeln, weil die Motive verschleiert werden,
weil sich das Motiv erst im Laufe der Ermittlungen zeigt
oder weil die Tat falsch zugeordnet wird.

Zu lange ist verharmlost worden, ist man von verwirr-
ten Einzeltätern ausgegangen, ist die zugrunde liegende
Ideologie nicht ernst genommen worden. Diese zu-
grunde liegende Ideologie rechter Gefahr und Gewalt ist
die Ideologie der Ungleichwertigkeit von Menschen.
Diese Ideologie ist es, die zu Fremdenhass, Rassismus,
Antisemitismus, gruppenbezogener Menschenfeindlich-
keit und Gewalt führt. Diese Ideologie wird im Internet,
in Musiktexten, in Flugblättern, in Parolen verbreitet.
Sie kursiert in der rechtsextremistischen Szene, in Ka-
meradschaften und in der NPD. Sie zeigt sich bei Auf-
märschen, Demonstrationen und leider auch in einigen
Landtagen. Sie macht sich eben nicht nur in den Rand-
gruppen breit, sondern, wie Studien von Heitmeyer und
der Friedrich-Ebert-Stiftung belegen, auch in der Mitte
der Gesellschaft.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Es geht um mehr als die statistische Erfassung von
Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund. Wir
brauchen eine Strategie des Zurückdrängens, der Äch-
tung und der Abgrenzung zu rechtsextremen Einstellun-
gen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir brauchen die lückenlose Aufklärung der Ermitt-
lungspannen, der Fehleinschätzungen und Konsequen-
zen aus der fehlenden Kooperation zwischen den Sicher-
heitsbehörden. Wir brauchen eine Demokratieoffensive
mit Verstetigung und Nachhaltigkeit von Programmen
zur Demokratieförderung. Wir brauchen eine Stärkung
und Unterstützung der Kommunen und Regionen, in de-
nen Neonazis Alltag und Meinungsführerschaft bestim-
men. Wir brauchen eine Verständigung über eine
Gesamtstrategie gegen Rechtsextremismus und men-
schenfeindliche Einstellungen, die Bund, Länder, Kom-
munen, Behörden, Kirchen, Parteien, Gewerkschaften,
Arbeitgeberverbände und die Zivilgesellschaft mit ein-
bezieht. Dafür brauchen wir einen langen Atem. Wir
müssen daran arbeiten, auch wenn die Berichterstattung
in den Medien sich längst wieder anderen Themen zu-
wendet.

Danke.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714613900

Das Wort hat nun Hartfrid Wolff für die FDP-Frak-

tion.


(Beifall bei der FDP)


Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ent-

hüllungen in den letzten Tagen haben das Vertrauen der

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(C (D evölkerung in die Arbeit der Sicherheitsbehörden achhaltig geschädigt. Es gab bereits – vornehmlich in t-grüner Regierungszeit – erkennbare erhebliche, fast nfassbare Fehler und Versäumnisse der Sicherheitsbeörden. Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch uf eine lückenlose politische Aufklärung dieses brauen Sumpfes. Der Generalbundesanwalt hat richtigereise die Ermittlungen über Ländergrenzen hinweg an ich gezogen. Er ermittelt zentral die gesamten Zusamenhänge. Neben der juristischen und kriminalistischen Aufkläng brauchen wir aber auch die Aufklärung durch eine emeinsame politische Stelle, die eine politische Bewerng vornimmt und das Ganze kontrolliert. Die Bürgennen und Bürger erwarten, dass wir das hier im eutschen Bundestag tun. Aufgrund der fehlenden Kordination haben die Länder nebeneinanderher gearbeit. Es ist deshalb geradezu unverantwortlich, wenn sich ie Innenminister der Länder nun weigern, ihren Beitrag ur politischen Aufarbeitung zu leisten. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Darüber hinaus stellt sich im konkreten Fall die Frage
ach der besseren Vernetzung der Sicherheitsbehörden.
eshalb weisen die Vorschläge des Bundesinnenminis-
rs in Bezug auf ein gemeinsames Abwehrzentrum und
ie Zusammenführung von Daten durchaus in die rich-
ge Richtung. Das Nebeneinander der Sicherheitsbehör-
en und die unverhohlene Verteidigung von Ressort-
goismen müssen der Vergangenheit angehören.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


ir brauchen eine neue Sicherheitsarchitektur unter Ein-
eziehung der Länder.

Meine Damen und Herren, die Linke geht in ihrem
ntrag aus meiner Sicht unseriös mit den Zahlen um und
gt bei ihren Bewertungen keine rechtsstaatlichen Maß-

täbe zugrunde. Nur so kommt sie auf eine Zahl von
ber 100 Extremismusopfern in den vergangenen mehr
ls zwei Jahrzehnten. Die Bundesregierung zählt nur die
traftaten als rechtsextrem, die gerichtlich als solche
erurteilt wurden.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur die!)


ie Linken wollen stattdessen ein Gesinnungsdenun-
iantentum, das die linke Szene anhand der rechtsextre-
en Straftaten hoffähig machen soll.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist peinlich! Unverschämt! In dieser Situation!)


as bestätigt noch einmal mehr: Antifaschismusarbeit
t seit jeher Kernelement linksextremistischer Aktivität.


(Widerspruch bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Rebmann [SPD]: Da schießen Sie aber weit über das Ziel hinaus! Peinlich!)


17392 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Hartfrid Wolff (Rems-Murr)



(A) )


)(B)

Es gibt viele seriöse unabhängige Organisationen ge-
gen den Rechtsextremismus. Diese unabhängigen Orga-
nisationen, wie zum Beispiel die Kirchen, müssen wir
stärken. Aber der Kampf der Extremisten der einen Seite
hat schon immer den Extremisten der anderen Seite als
Vorwand und Rechtfertigung gedient.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie merken es gar nicht! – Zuruf von der SPD: Schämen Sie sich gar nicht?)


Demokraten sollten – und das zeigt Weimar – auf keiner
der beiden Seiten zum Trittbrettfahrer werden.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der LINKEN: So ein Dummgeschwätz!)


Wir brauchen keine linksextreme Unterstützung im
Kampf gegen Rechtsextreme.


(Beifall bei der FDP – Michael Groschek [SPD]: Das ist eine Beleidigung, die Rede! – Michael Leutert [DIE LINKE]: Das ist unglaublich! Das ist unerhört!)


Es hat keinen Sinn, rechten gegen linken oder musli-
misch motivierten Extremismus auszuspielen.


(Zuruf von der SPD: Das machen Sie aber gerade! – Michael Groschek [SPD]: Dafür sind Sie der Leithammel! – Stefan Rebmann [SPD]: Das ist eine Schande!)


Ich würde es begrüßen, wenn Demokraten jeglicher
Couleur gemeinsam gegen Extremismus jeglicher Cou-
leur zusammenstünden und die gleichen Maßstäbe auf
alle Gegner unserer Verfassung anwenden würden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Deshalb gehen die Liberalen unter!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714614000

Das Wort hat nun Monika Lazar für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen.


Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714614100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

muss sagen: Mir hat es nach Ihrem Redebeitrag die Spra-
che verschlagen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Das ist bodenlos! In der aktuellen Situation und nach der
guten Debatte vor einer Woche hier im Bundestag dis-
kreditiert das nicht nur Sie und Ihre Fraktion, sondern
alle, die genauso denken.


(Zuruf von der FDP: Ach!)


Es ist unmöglich! Wie können Sie sich hier hinstellen
und so etwas sagen? Ich bin ebenso wie alle hier für ein
breites Bündnis aller Demokraten. Vor einer Woche ha-
ben wir es geschafft: in Form eines gemeinsamen An-
trags mit allen Fraktionen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


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(C (D etzt versuchen Sie wieder, die Demokraten zu spalten, nd das in dieser Situation. Ich finde das unverantwortch! In der Öffentlichkeit sind unterschiedliche Zahlen geannt worden: Die Amadeu-Antonio-Stiftung spricht on 182 Toten, die Zeit und der Tagesspiegel sprechen on 148 Toten. Das alles sind gut recherchierte Zahlen. ie können nicht einfach unterstellen, dass das von irendwelchen antifaschistischen Extremisten kommt. as ist wirklich – wie gesagt, mir fehlen die Worte – (Gabriele Fograscher [SPD]: Dummes Zeug! – Sönke Rix [SPD]: Unerhört!)


infach unerhört.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Die Bundesregierung kommt auf 48 Opfer und hat
tzt die 10 dazugezählt; es sind jetzt also 58. Bei Ihrem
edebeitrag hat man gemerkt, dass man sensibilisiert

ein muss.


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Eindeutig!)


enn die Sensibilität fehlt, werden die Zahlen nicht an-
rkannt. Deshalb ist es wichtig, dass alle Stellen, die da-
it zu tun haben – das gilt auch für Sie –, geschult wer-

en,


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD – Beifall bei der LINKEN)


amit sie erfahren, wie es in Bezug auf dieses Gedan-
engut vom Denken zum Handeln kommt. Wie gesagt,
h bin wirklich erschüttert.

Insbesondere im Hinblick auf die Zwickauer Zelle
da sind wir uns wahrscheinlich einig – muss es Aufklä-
ng geben. Dabei nützen aber solche Ausführungen,
ie Sie sie hier kundgetan haben, überhaupt nichts.
icht nur die Rechtsextremisten, sondern insbesondere
ie Rechtspopulisten verschärfen das Problem. Ihre
ede ging ganz klar in diese Richtung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Ach was! Das kann ja wohl nicht wahr sein! Das ist Blödsinn! – Gegenruf von der SPD: Unwürdig!)


Doch, das ist so. Ich empfinde es so. Sie lenken von
em Problem ab, und Sie verhöhnen die Opfer.

Zum Abschluss möchte ich noch einige Beispiele aus
einem Heimatland Sachsen nennen: Am 1. Mai 2008
urde eine Gruppe alternativer Jugendlicher in Stolpen
der Sächsischen Schweiz angegriffen. Mehrere Neo-

azis verletzten sie schwer mit Knüppeln und Faust-
chlägen. Bis heute – dreieinhalb Jahre nach dem
ngriff – ist keiner von ihnen vor Gericht gekommen,
bwohl allesamt bekannte Neonazis sind. Einer der An-
reifer, Mirko H., war bis mindestens 2002 V-Mann des
erfassungsschutzes. Er ist ein maßgeblicher Führungs-
ader des Netzwerkes „Hammerskins“, hat eine Firma

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17393

Monika Lazar


(A) )


)(B)

namens „Hate Records“ und vertreibt Hass-CDs. Vermu-
tet wird, dass er auch mit dem Terrortrio aus Zwickau in
Verbindung stand. Es ist beschämend, dass die Täter im-
mer noch frei herumlaufen, während sich die Opfer auch
heute noch unwohl und unsicher fühlen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


In Leipzig gab es vor einem Jahr einen rassistischen
Mord an einem jungen Iraker namens Kamal K. Es dau-
erte eine ganze Weile, bis auch die Justiz anerkannte,
dass er Opfer rassistischer Gewalt wurde. In der Urteils-
begründung wurde angeführt: „Er hat das Opfer nicht als
Mensch gesehen, sondern als Ausländer, den man töten
kann.“

Lebenslange Haft bekam auch der Mörder von
Marwa al-Schirbini aus Dresden. Dieser tragische Vor-
fall ist Ihnen allen sicherlich noch in Erinnerung. Marwa
al-Schirbini hatte den Täter, der sie beschimpft hatte,
wegen Beleidigung verklagt. Sie wurde im Gericht er-
stochen, und ihr Ehemann wurde lebensgefährlich ver-
letzt.

Es ist traurig, dass die Debatte immer nur dann wie-
deraufgenommen wird, wenn etwas so Furchtbares ge-
schieht. Ich finde es wichtig, dass wir unsere Arbeit in
der Demokratie auf möglichst breiter Basis voranbrin-
gen. Wir sollten eine nachhaltige bundesweite Gesamt-
konzeption entwickeln. Dazu gehört auch, dass die
Reform der Ermittlungsbehörden unter die Lupe genom-
men wird. Nicht förderlich ist es, die zivilgesellschaftli-
chen Initiativen, die wir mehr denn je brauchen, weiter-
hin mit der Extremismusklausel, die von Ministerin
Schröder und anderen Unbelehrbaren immer noch auf-
rechterhalten wird, zu knebeln.

Weiterhin ist es wichtig, dass wir jeder Form von Dis-
kriminierung und Menschenfeindlichkeit besonders in
der Mitte der Gesellschaft entgegentreten. Wir brauchen
mehr Aufklärung, Prävention und Kooperation. Das sind
wir dem Schutz unserer Demokratie und dem Schutz der
Menschenwürde schuldig.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714614200

Das Wort hat nun Helmut Brandt für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Helmut Brandt (CDU):
Rede ID: ID1714614300

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Mehrfach ist schon dargestellt wor-
den, weshalb wir uns heute hier unterhalten. Es geht tat-
sächlich um eine große Diskrepanz – das ist unbestreit-
bar –, was die Zahlen angeht. Nach meiner Auffassung
ist in der Antwort der Bundesregierung auf die Große
Anfrage schon hinreichend deutlich geworden, woran
dies liegt. Der Staatssekretär hat eben schon darauf hin-
gewiesen, dass die Kriterien, die den offiziellen Zahlen

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(C (D ugrunde liegen, seinerzeit von Rot-Grün so festgelegt orden sind. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit den Ländern zusammen! Da waren Schwarz und Gelb auch dabei!)


ereinfacht gesagt, ergibt sich die große Differenz da-
urch, ob die Beurteilung, wie in dem einen Fall, aus-
chließlich anhand des Kriteriums erfolgt, ob der Täter
em rechten Milieu zuzuordnen ist, oder ob, wie in dem
nderen Fall, sich aufgrund des Ermittlungsverfahrens
nd der Feststellungen der Gerichte hat manifestieren
ssen, dass die Gesinnung des Täters bei der Tat aus-

chlaggebend war.

Ich möchte aber gar nicht mit Ihnen darüber streiten,
b die eine oder die andere Zahl die richtige ist. Ich bin
it Ole Schröder der Auffassung: Jedes einzelne Opfer
t ein Opfer zu viel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


h denke, dass wir darin übereinstimmen. Die unsägli-
he Mordserie der Neonazi-Bande aus Thüringen ist für
ns alle erschütternd. Es trifft uns in besonderer Weise,
ass solch verabscheuungswürdige Taten gerade in unse-
m Land passieren. Dabei wurde in den letzten Wochen,

atürlich immer vorschnell, von interessierter Seite zu-
indest unterschwellig die Behauptung aufgestellt, un-

ere Behörden seien auf dem rechten Auge blind. Das
uss ich allerdings mit Entschiedenheit zurückweisen.
den letzten Jahrzehnten haben gerade wir in der Bun-

esrepublik alles getan, um unsere Vergangenheit aufzu-
rbeiten, aber insbesondere auch, um den Rechtsextre-
ismus in seine Schranken zu weisen. Es ist nicht

estreitbar, dass dies nicht vollumfänglich gelungen ist.
In der letzten Sitzungswoche – das ist hier eben zu

echt erwähnt worden – haben wir uns in einer gemein-
amen Erklärung aller fünf Fraktionen ausdrücklich ge-
en den Extremismus ausgesprochen. Meine sehr ver-
hrten Damen und Herren von links bis rechts, ich
eine, wir sollten dieses Einvernehmen gerade in dieser
rage nicht aufgeben.


(Zuruf von der LINKEN: Wer hat das denn aufgekündigt?)


Wichtig ist im Augenblick, dass die Mordtaten um-
ssend aufgeklärt werden und eine umfassende Fehler-

nalyse vorgenommen wird. Ich danke hier ganz aus-
rücklich dem Innenminister, der hier besonnen, aber
uch mit großer Bestimmtheit nicht nur Konsequenzen
us diesen Taten gefordert hat, sondern auch unverzüg-
ch Arbeitskommissionen eingesetzt hat. Inzwischen
egt der Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung einer
erbunddatei zum Erfassen der Rechtsextremisten in
eutschland bereits vor.
Die Erkenntnisse, die sich hier ergeben, müssen über

ie Fehleranalyse hinaus zu konkreten Schritten führen.
abei müssen auch die Länder positiv mitwirken, wenn

ich herausstellen sollte, dass die bisherigen Strukturen
u Fehleinschätzungen geführt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


17394 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Helmut Brandt


(A) )


)(B)

Wie sonst sollte man sich erklären, dass noch im Verfas-
sungsschutzbericht 2010 davon die Rede ist, dass auch
im vergangenen Jahr „in Deutschland keine rechtsterro-
ristischen Strukturen feststellbar“ waren! Diese grobe
Fehleinschätzung, die nur wenige Monate nach der Ver-
öffentlichung des Verfassungsschutzberichtes erkennbar
wurde, ist nicht hinnehmbar.

Wenn Straftaten aus niederen Beweggründen heraus
begangen werden, wenn Menschen lediglich aufgrund
ihrer Hautfarbe, Herkunft oder sonstiger Merkmale getö-
tet werden, so muss dies Gründe haben. Für mich ist die
entscheidende Frage: Wie kann man mithin diesen geis-
tigen Sumpf austrocknen, der zu solchen Straftaten
führt?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich habe bereits auf den Verfassungsschutzbericht
2010 hingewiesen. Daraus möchte ich zitieren. Ich habe
mir lange überlegt, ob ich dieses schier unsägliche Zitat
überhaupt verwenden sollte. Ich meine aber, dass die Öf-
fentlichkeit wissen muss, dass es so etwas in unserem
Land tatsächlich gibt. Im Verfassungsschutzbericht ist
von „rechtsextremistischen Bands und Liedermachern“
die Rede. Es ist auch die Rede davon, dass im Jahr 2010
„mehrere deutsche Tonträger mit strafbaren Inhalten“ er-
schienen sind. Die Musikgruppe Braunau hat auf einem
Tonträger mit dem Titel Unsere Lösung heißt Gewalt ein
Lied mit folgendem Text veröffentlicht – ich zitiere
wörtlich –:

Man sieht sie überall im Land, ein Mischlingskind
an jeder Hand. Sie präsentieren die häßlichen Krö-
ten, mit denen sie unsere Rasse töten. … man
müßte ihnen in die Fresse rotzen. Sie rücksichtslos
zusammenschlagen und sie samt ihrer Brut aus
Deutschland jagen.

Meine Damen und Herren, es macht mich fassungslos
– das muss ich Ihnen ganz offen sagen –, dass so etwas
in unserem Land präsentiert wird.


(Beifall im ganzen Hause)


Wer solche Musik verbreitet oder unterstützt, wer es
zulässt, dass im Umfeld seiner politischen Tätigkeit
Konzerte von Musikgruppen stattfinden, die solche und
ähnliche Texte verwenden, wer mithin dazu beiträgt,
dass Menschen aufgestachelt werden, brutalst gegen
Mitmenschen vorzugehen, der macht sich mitverant-
wortlich für das, was in den letzten 20 Jahren seit der
Wiedervereinigung in Deutschland passiert ist.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Volksverhetzung – um solche handelt es sich hier – ist
strafbar. Die Justiz ist gefordert, diese Straftaten auch
mit Nachdruck zu verfolgen.

Wenn bekannt ist, dass im Umfeld der NPD und in
der NPD selbst Funktionäre und Unterstützer existieren,
die Konzerte mit solchem „Liedgut“ veranstalten und
besuchen, so gibt es für mich keinen Zweifel daran, dass
die NPD nicht nur eine verfassungsfeindliche Partei ist.
Nein, sie ist auch eine Partei, die unseren Staat, unsere

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(C (D rundrechte, unsere Freiheit bekämpft. Damit liegen ach meiner Auffassung die Kriterien für ein Verbot vor. ir sollten alles daransetzen, die notwendigen Voraus etzungen für ein Parteiverbot zu schaffen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714614400

Das Wort hat nun Sönke Rix für die SPD-Fraktion.


Sönke Rix (SPD):
Rede ID: ID1714614500

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und

ollegen! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr
olff, zunächst einmal muss ich es im Namen der SPD

eutlich zurückweisen, wenn Sie den politischen Extre-
ismus und den Antifaschismus auf eine Stufe stellen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


erade für die Sozialdemokraten als älteste demokrati-
che Partei, die auch darunter gelitten hat, von politi-
chen Extremisten verfolgt worden zu sein, unter ande-
m wegen antifaschistischer Arbeit, ist das eine be-

chämende Äußerung.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Das habe ich nicht getan! Hören Sie doch zu!)


Grundsätzlich gibt es beim Umgang mit dem Thema
echtsextremismus zwei Strategien. Zum einen gibt es
ie Strategie für eine offene, demokratische und tole-
nte Gesellschaft, die wir unterstützen und fördern müs-

en. Zum anderen gibt es die Strategie, die besagt: Dort,
o rechtsextreme Strukturen vorhanden sind, müssen
ir ordnungspolitisch, also mit Polizei und den zuständi-
en Organen, dagegen angehen. Wir wollen hier auch
icht differenzieren, in dem Sinne, dass die eine Strate-
ie wichtiger als die andere ist; beides ist notwendig.

Besonders wichtig ist es, zu wissen, dass der Boden
es Rechtsextremismus dadurch gegeben ist, dass wir in
inigen Bundesländern mehr als nur einen kleinen Anteil
on NPD-Wählern oder von Nazis, die auf die Straße ge-
en, haben. Wir haben leider das Problem, dass Rassis-
us und Fremdenfeindlichkeit bis in die Mitte unserer
esellschaft reichen. Das ist der Boden für solche extre-
istischen Bewegungen. Das müssen wir anerkennen.
enn wir glauben, das sei nur eine Randerscheinung

nd kein Problem der Mitte unserer Gesellschaft, dann
önnen wir nicht mit zivilgesellschaftlichen und demo-
ratischen Aktionen dagegen vorgehen. Deshalb ist es
ichtig, dass wir die Zivilgesellschaft beim Kampf ge-
en Rechtsextremismus, aber vor allem bei ihrer Arbeit
r mehr Toleranz und Demokratie unterstützen.


(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


azu gehört die politische Bildung; aber dazu gehört
uch, entsprechende Strukturen in den Kommunen vor-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17395

Sönke Rix


(A) )


)(B)

zuhalten, damit sich solche Szenen nicht bilden können,
damit wieder anerkannt wird, dass die Demokratie das
bessere System ist. Es darf nicht wieder solche dramati-
schen Untersuchungen geben, in denen behauptet wird,
die Demokratie bringe uns nichts. Daran sollten wir alle
gemeinsam arbeiten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte noch etwas zur Statistik anmerken. Es ist
schon fragwürdig – es sind ja keine unseriösen Medien
und auch keine unseriösen Vereine und Verbände, die die
Statistik aufgestellt haben –, warum es eine solche Diffe-
renz zwischen der offiziellen Statistik und der durch die
Zivilgesellschaft und durch die Medien erarbeiteten Sta-
tistik gibt. Mich hätte gefreut, wenn vonseiten der Regie-
rungskoalition geäußert worden wäre: Ja, es gibt eine
dramatische Differenz, und die gilt es aufzuarbeiten.
Diese Aussage habe ich, so deutlich formuliert, leider
nicht gehört.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Selbstverständlich ist jedes Todesopfer, egal aus wel-
chem Grund getötet wurde, ein Opfer zu viel. Letztend-
lich kann man natürlich sagen: Das ist nur eine Statistik.
Es macht aber einen Unterschied, wenn ich als Angehö-
riger eines Opfers höre, dass ein Familienmitglied, zum
Beispiel mein Ehepartner, infolge eines Streits über eine
banale Sache Opfer einer Gewalttat wurde und die Ge-
walttat keinen rassistischen Hintergrund hat. Gerade das
zeigen ja die sogenannten Döner-Morde. In diesen Fäl-
len wurde immer davon ausgegangen, dass es keinen
rassistischen Hintergrund gibt. Es ist wichtig, dass der
rassistische Hintergrund deutlich gemacht wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der FDP)


Wir können nur dann dagegen vorgehen, wenn wir den
rassistischen Hintergrund anerkennen. Ich glaube, wir
alle gemeinsam sind es den Angehörigen dieser Opfer
schuldig, zu sagen: Ja, wir überarbeiten die Kriterien
dieser Statistik gemeinsam. Wir sollten den Angehörigen
der Opfer sagen: Ja, euer Angehöriger ist Opfer rechter
Gewalt geworden.


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Opferentschädigung!)


Danke schön.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714614600

Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich Kol-

legen Stefan Ruppert für die FDP-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Stefan Ruppert (FDP):
Rede ID: ID1714614700

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Dieser Tage waren Vertreter der Grünen und der
FDP-Fraktion bei einer Veranstaltung des Deutschen

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(C (D nwaltvereins, die ich sehr interessant fand. Journalisten aben das Ganze aufgearbeitet und erklärt, wie es zu den ifferenzen in den Statistiken über rechte Gewalt ommt. Ich glaube, es ist unser aller Anliegen – es muss unser ller Anliegen sein –, dass jedem einzelnen dieser Fälle einer Andenkensund Gedenkenskultur ausreichend latz eingeräumt wird. Wir sind uns bewusst, dass jeder ensch, der durch rechten Terror gestorben ist, unser edenken verdient und wir keinen dieser Menschen veressen dürfen. (Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Alexander von Brünneck hat ein Buch über die Justiz
der frühen Bundesrepublik geschrieben. Er hat deswe-

en selbst Probleme bekommen. Er ist der Frage nachge-
angen, wie man in der frühen Bundesrepublik mit poli-
schen Prozessen umgegangen ist. Er hat gezeigt, dass
amals in der Tat eine Einseitigkeit bei der politischen
ewertung vorherrschte und man oft nicht genau hinge-

chaut hat, wenn es Vorfälle von rechts gab. Ich bin al-
rdings der Meinung, dass wir seitdem eine viel reifere
esellschaft geworden sind. Ich glaube, wir alle kennen
olizistinnen und Polizisten, aber niemand von uns
ürde ihnen unterstellen, dass sie Taten, die hier von
chter Seite begangen wurden, vertuschen oder auch

ur verharmlosen wollen. Diesbezüglich sind wir heute
iel weiter als in der frühen Bundesrepublik.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich finde die Art, in der Frau Pau das hier thematisiert
at, vollkommen richtig. Natürlich ist es ein Stachel in
nserem Fleisch, wenn ein Fall in unserer Statistik nicht
okumentiert ist. Wir müssen darüber nachdenken, wa-
m dieser Fall nicht dokumentiert wurde. Wir müssen

ei jedem einzelnen Fall fragen: Wie konnte es dazu
ommen? Wir sollten aber nicht so tun – das haben Sie
uch nicht getan –, als ob dahinter ein bösartiger Kom-
lott steht.

Insofern bitte ich alle Beteiligten, den Schmerz, den
ieser Rechtsextremismus uns allen als Demokraten zu-
gt, noch eine gewisse Zeit so zu empfinden. Wir soll-
n nicht so schnell nach Lösungen suchen, sei es das
PD-Verbot, seien es konkrete Gesetze oder andere
inge. Wir sollten den Schmerz einfach noch ein biss-

hen aushalten. Wir müssen uns der Sache zivilgesell-
chaftlich nähern und sollten nicht zu schnell vermeint-
che Lösungen präsentieren; denn wir alle müssen, so
laube ich, registrieren, dass es angesichts dieses Phäno-
ens eine einfache Antwort nicht gibt. Deswegen brau-

hen wir mehr Ermittlungen. Wir müssen jedem einzel-
en Fall nachgehen. Unterstellungen wie die meinem
ollegen Wolff gegenüber sind der Sache sicherlich
icht dienlich.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Sie haben sich doch auch geschämt für die Rede! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


17396 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Dr. Stefan Ruppert


(A) )


)(B)

Ich glaube, wir sollten hier gemeinsam vorgehen und
nicht schon jetzt Differenzen suchen, wo eigentlich
keine sind.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714614800

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs-
antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/7990.
Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungs-
antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ge-
gen die Stimmen von Linken und Grünen bei Enthaltung
der SPD abgelehnt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:

– Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)


Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
scher Streitkräfte an der EU-geführten Opera-
tion Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie
vor der Küste Somalias auf Grundlage des
Seerechtsübereinkommens der Vereinten Na-
tionen von 1982 und der Resolutionen 1814

(2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom

2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008,
1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1897

(2009) vom 30. November 2009, 1950 (2010)

vom 23. November 2010 und nachfolgender
Resolutionen des Sicherheitsrates der Verein-
ten Nationen in Verbindung mit der Gemein-
samen Aktion 2008/851/GASP des Rates der
Europäischen Union vom 10. November 2008,
dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates der
Europäischen Union vom 8. Dezember 2009,
dem Beschluss 2010/437/GASP des Rates der
Europäischen Union vom 30. Juli 2010 und
dem Beschluss 2010/766/GASP des Rates der
Europäischen Union vom 7. Dezember 2010

– Drucksachen 17/7742, 17/7996 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Philipp Mißfelder
Dr. Rolf Mützenich
Dr. Rainer Stinner
Wolfgang Gehrcke
Kerstin Müller (Köln)


– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung

– Drucksache 17/8004 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Frankenhauser
Klaus Brandner
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Michael Leutert
Sven-Christian Kindler

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(C (D Über die Beschlussempfehlung werden wir später naentlich abstimmen. Zudem liegt ein Entschließungsanag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre azu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegen oachim Spatz für die FDP-Fraktion das Wort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Joachim Spatz (FDP):
Rede ID: ID1714614900

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

en! Auf der Grundlage der einschlägigen Beschlüsse
es UN-Sicherheitsrates empfiehlt die Bundesregierung
ie weitere Teilnahme an der gemeinsamen EU-geführ-
n Mission Atalanta zur Gewährung der Sicherheit auf
en Seewegen am Horn von Afrika. Dabei ist festzustel-
n, dass dieses Mandat bisher erfolgreich ist. Seit sei-
em Bestehen wurden circa 100 Schiffstransporte im
uftrag des Welternährungsprogramms durchgeführt
nd circa 700 000 Tonnen Nahrungsmittel zuzüglich an-
erer Versorgungsgüter erfolgreich nach Somalia ge-
racht. Genauso ist festzustellen, dass es im letzten Jahr
eniger erfolgreiche Kaperungen durch Piraten gab. Das
eißt, erstmals war die Zahl der erfolgreichen Übergriffe
uf zivile Schiffe rückgängig. Ich denke, das spricht da-
r, dass dieses Mandat verlängert werden sollte.

Auch die deutsche Hilfe bei der Ausbildung somali-
cher Truppen in Uganda sollte fortgesetzt werden; denn
ines ist klar: Wir betreiben durch die Sicherung der
eewege nur Symptombekämpfung. Das heißt, parallel
u dem Mandat muss die Übergangsregierung in Soma-
a weiterhin politisch unterstützt werden. Uns wird im-
er wieder vorgeworfen – Herr van Aken, ich weiß, Sie
erden es wieder tun –, dass wir eine Regierung unter-

tützen, die nicht vollständig von der Bevölkerung getra-
en wird. Das ist uns wohl bewusst. Aber diese Regie-
ng – eine Übergangsregierung in einem völlig

errütteten Staatswesen – wird von der Afrikanischen
nion und der zuständigen Regionalorganisation für
stafrika unterstützt. Letztendlich ist sie die einzige
offnung darauf, dass man dort irgendwann zu geordne-
n staatlichen Strukturen zurückkehrt. Auf jeden Fall
auen wir der Afrikanischen Union und ihrer Regional-
rganisation eher zu, das zu beurteilen, als Ihnen.

Wir verfolgen insofern einen Ansatz mit zwei Zielen:
ir sichern durch den Einsatz unserer Schiffe, soweit
öglich, die Seewege und somit die humanitäre Versor-

ung der Menschen im Land; dies ist in der letzten Zeit
ichtiger und nicht unwichtiger geworden. Gleichzeitig
nterstützen wir einen politischen Prozess, der irgend-
ann hoffentlich zum Wiederaufbau geordneter staatli-

her Strukturen führt. Deshalb kommen wir zu dem
chluss, dass dieser Einsatz aus humanitären und aus
olitischen Gründen weiterhin geboten ist und dass das
andat verlängert werden muss.

Danke schön.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17397

Joachim Spatz


(A) )


)(B)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714615000

Das Wort hat nun Karin Evers-Meyer für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Karin Evers-Meyer (SPD):
Rede ID: ID1714615100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch im dritten Jahr der Mission Atalanta bleibt die See-
fahrt vor Somalia gefährlich. Über 90 Prozent aller Pira-
tenübergriffe weltweit konzentrieren sich auf diese
Region. Im vergangenen Jahr gab es allein vor der soma-
lischen Küste fast 50 Schiffsentführungen. Über 1 000
Seeleute wurden zu Geiseln der Piraten, und es ist nicht
anzunehmen, dass es 2011 besser sein wird. Das heißt
für uns: Atalanta bleibt eine notwendige Mission. Ata-
lanta bleibt ein wichtiger Bestandteil des Maßnahmenpa-
kets, das notwendig ist, um das Sicherheitsproblem vor
der somalischen Küste zu lösen.

Sicherheit vor der Küste Afrikas zu schaffen, ist ein
zentraler Beitrag, um die dringend notwendige humani-
täre Hilfe für Somalia zu gewährleisten. Es geht darum,
die Lieferungen von Hilfsgütern des Welternährungspro-
gramms nach Somalia sicherzustellen. Wie uns die Hun-
gerkatastrophe in diesem Jahr beweist, ist die Bevölke-
rung von Somalia dringend darauf angewiesen, und es
ist in unserem Interesse, dass wir Hunger und Not vor
Ort lindern. Denn Hunger und Not sind die bitteren
Nachschubgaranten für die kriminellen Banden, die vor
der somalischen Küste ihr Unwesen treiben.

Über 4 Millionen Menschen in Somalia sind abhängig
von Hilfen der internationalen Gemeinschaft. Diese
Hilfe läuft eben vor allem über See. Daher bleibt es rich-
tig, die Hilfstransporte nach Somalia auf dem Seeweg
abzusichern. Seit es den Geleitschutz für die Hilfsgüter
nach Somalia gibt, wurde kein Schiff mehr von Piraten
überfallen. Über 700 000 Tonnen Nahrungsmittel konn-
ten so im letzten Jahr ihr Ziel erreichen. Das ist ein ech-
ter Erfolg, über den wir eigentlich viel zu wenig spre-
chen, wenn wir über den Sinn von Atalanta reden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das humanitäre Interesse an dieser Mission steht zu
Recht im Vordergrund. Es gibt für unser Land aber auch
ein wirtschaftliches Interesse. Deutschland ist, wie wir
alle wissen, ein äußerst erfolgreiches Exportland. Das
soll ja auch so bleiben. Gerade deswegen brauchen wir
nicht nur gute Produkte; wir sind auch auf sichere Han-
delswege angewiesen. Diese Handelswege sind eben im
Falle Deutschlands zu über 90 Prozent Seewege. Die
Route durch den Suezkanal und den Golf von Aden ist
einer dieser wichtigen Handelswege. Als Exportnation
haben wir ein fundamentales Interesse daran, dass dieser
Weg sicher bleibt. Daher muss eines ganz klar sein: Wir
werden uns sehr konsequent für die Sicherheit unserer
Handelswege nicht nur mit militärischen Mitteln, aber

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(C (D ben im Ernstfall auch mit militärischen Mitteln einseten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Die Mission Atalanta sorgt also seit 2008 dafür, dass
ir am Golf von Aden inzwischen eine weitgehend sta-
ile Situation haben. Ein Teil der Angriffe hat sich aber
or die Ostküste Somalias verlagert. Das macht noch
inmal klar, dass der Kampf gegen die Piraterie vor So-
alia noch nicht vorbei ist. Für die Stabilität und Sicher-

eit der Seewege und natürlich auch für die Sicherheit
erer, die diese Wege befahren, brauchen wir weiterhin
ie Unterstützung durch die Marine. Atalanta wird wei-
r benötigt. Deshalb wird meine Fraktion dem Mandat

ustimmen.

Wir wollen aber natürlich auch die Defizite der deut-
chen Politik in diesem Bereich deutlich benennen. So
hlt bis heute ein stringentes Konzept der Bundesregie-
ng, wie sie denn gemeinsam mit unseren Partnernatio-

en die Piraterie vor Somalia nachhaltig bekämpfen will.
h habe es schon gesagt: Die Ursachen für die Piraterie
egen an Land. Wir werden die Mission Atalanta erst
eenden können, wenn die Ursachen für die Piraterie be-
eitigt sind.


(Beifall bei der SPD)


eder, der sich die Bilder der kleinen Piratenboote an-
ieht, von denen aus auf hoher See die Handelsschiffe
ngegriffen werden, bekommt eine Vorstellung davon,
elches Elend und welche Armut an Land herrschen
üssen, um die Piraten zu solchen waghalsigen Angrif-
n zu treiben. Im Mandatstext führen Sie zwar einige
aßnahmen auf, die dabei helfen sollen, die Ursachen

er Piraterie zu bekämpfen – diese Schritte sind richtig –;
ber das sind viel zu kleine Schritte, und sie sind zu zö-
erlich.

Mir ist natürlich klar, dass es unglaublich schwierig
t, in diesem zerrütteten Land so etwas wie staatliche
trukturen aufzubauen und zu fördern. Genauso schwie-
g ist es sicherlich, dort eine vernünftige wirtschaftliche
ntwicklung in Gang zu bringen. Aber dass es schwierig
t, kann doch nicht bedeuten, dass wir so gut wie gar
ichts vor Ort unternehmen. Es wäre aus meiner Sicht an
er Zeit, dass wir die Unterstützung für ein Land wie So-
alia gemeinsam mit unseren internationalen Partnern

rganisieren. Wir Deutschen sind nicht die Einzigen, die
in Interesse an stabilen Verhältnissen dort haben. Dazu
ndet sich im Mandatstext aber so gut wie nichts. Ich
ill von Ihnen wissen, welche Schritte die Bundesregie-
ng hier unternehmen will und – vor allem – ob sie da-

ei auf unsere internationalen Partner zugehen will.

Ein ganz wichtiges Thema ist die Strafverfolgung.
ie wollen wir das regeln? Wir können dieses Thema ja

icht irgendwelchen exotischen Inseln überlassen. Die
oote der Piraten zu zerstören, ist auch nicht der Weis-
eit letzter Schluss. Also: Die Pirateriebekämpfung ist
tückwerk. Neben Atalanta gibt es Missionen der USA,
er NATO, Russlands und Indiens. Außerdem haben
hina, einige arabische Staaten und Japan Schiffe vor
ie somalische Küste entsandt. Das zeigt, wie viele Län-

17398 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Karin Evers-Meyer


(A) )


)(B)

der diese Bedrohung ernst nehmen. Aber es wäre besser
und sehr wahrscheinlich auch effektiver, wenn man
diese Einsätze bündeln würde; es liegt ja auch ein ent-
sprechender Beschluss des UN-Sicherheitsrates vor.
Deswegen regen wir an, eine gemeinsame UN-Mission
zur Bekämpfung der Piraterie vor Somalia einzurichten.
Das wäre dann auch die Chance, die Bekämpfung der
Piraterie an Land auf eine breitere Grundlage zu stellen.

Es ist höchste Zeit, dass sich die Bundesregierung mit
mehr Engagement als bisher daranmacht, die Ursachen
gemeinsam zu bekämpfen. Denn wenn wir die Zustände
in Somalia nicht in den Griff bekommen, werden wir
auch die Situation vor Somalia nicht in den Griff bekom-
men. Ein Dauermandat für unsere Marine vor der soma-
lischen Küste kann nicht unser Ziel sein. Ein solches
Mandat wird es mit uns auch nicht geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte
daran erinnern, dass bis zu 1 400 deutsche Soldatinnen
und Soldaten bis 2012 im Rahmen von Atalanta einge-
setzt sein werden. Damit ist diese Mission, anders als
etwa UNIFIL, personell gut ausgestattet. Im Namen mei-
ner Fraktion danke ich von hier aus allen Soldatinnen
und Soldaten, die bei Atalanta eingesetzt sind, für ihren
Einsatz. Die Fregatte Köln hat das Einsatzgebiet vor ge-
nau einer Woche verlassen und befindet sich auf Heimat-
kurs in Richtung Wilhelmshaven. Ich denke, es ist im
Sinne des ganzen Hauses, den Soldatinnen und Soldaten
der Fregatte Köln von hier aus eine gute Heimkehr zu
wünschen und ihnen stellvertretend für alle anderen, die
an diesem Einsatz beteiligt sind, für ihr Engagement zu
danken.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist eine besondere Herausforderung, unter diesen
schwierigen klimatischen Bedingungen Tausende Kilo-
meter von Deutschland entfernt Dienst zu tun, einen
Dienst, der große Aufmerksamkeit erfordert und die Fä-
higkeit, innerhalb weniger Minuten die richtige Ent-
scheidung zu treffen. Die deutschen Einheiten haben das
bisher gut hinbekommen und bei Atalanta wirklich gute
Arbeit geleistet. Das wird allseits anerkannt. Ich bin mir
sicher, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714615200

Das Wort hat nun Florian Hahn für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Florian Hahn (CSU):
Rede ID: ID1714615300

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle-

gen! Piraterie ist ein Verbrechen und wird international
geächtet. Sie muss global verfolgt werden; denn sie fügt
auch der internationalen Gemeinschaft erheblichen
Schaden zu. Die Piraterie am Horn von Afrika ist nichts
anderes als organisierte Kriminalität. Sie richtet sich
nicht nur gegen Waren, sondern auch gegen Menschen.

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(C (D ier kämpfen nicht nur ein paar arme Fischer darum, re Familien ernähren zu können. Nein, wer mit Granaterfern oder AK-47 bewaffnet und unter Einsatz moernster Kommunikationsmittel wie Sattelitentelefonen nd GPS-Systemen große Schiffe kapert, der ist weit eg von unserer romantischen Vorstellung von einem obin Hood der Meere. Die Akteure machen sich die Lage in Somalia, einem and, das über keine funktionierenden staatlichen Strukren verfügt, zunutze, um von dort aus der internationan Gemeinschaft zu schaden. Sie schaden dabei nicht ur uns, sondern insbesondere auch dem somalischen olk. Daher hat die somalische Übergangsregierung vor rei Jahren den UN-Sicherheitsrat gebeten, Hilfe zu leisn. Mit unserem Einsatz schützen wir die Hilfsschiffe es World Food Programme und helfen so dem somalichen Volk im Kampf gegen den Hunger. Außerdem bedrohen Piraten Schiffe deutscher Reedeien und das Leben deutscher Seeleute. Im Oktober 010 wurden zwei Schiffe mit deutschen Besatzungen ekapert. Die Beluga Fortune ist bereits am nächsten ag freigekommen; dies war vor allem aufgrund des umichtigen Handelns der Besatzung und des Eingreifens nglischer Marineeinheiten möglich. Der 68-jährige eutsche Kapitän des Tankers York und seine Besatzung aren aber über Monate, bis zum März 2011, in den änden der Piraten. Die Erfolgsquote der Piraten ist in den vergangenen ahren zum Glück deutlich gesunken. Dennoch erreichte ie Zahl der Piratenüberfälle nach Angaben des Internaonalen Schifffahrtsbüros in diesem Jahr – alleine bis eptember waren es 352 – einen neuen Höchststand. Wir müssen in Somalia weiter den internationalen eeverkehr und die Bemühungen des Welternährungsrogramms schützen, und wir dürfen im gleichen Beenntnis auch unseren Anspruch verankern: Freie Seeandelswege sind im Interesse unseres Landes. Denn enn unsere Unternehmer in der maritimen Wirtschaft rbeitsplätze schaffen sollen, dann brauchen sie sichere eehandelswege – und das weltweit. 20 Prozent des eutschen Außenhandels erfolgten 2008 allein auf dem eeweg. Unternehmer in der maritimen Wirtschaft geen knapp einer halben Million Menschen in Deutschnd Arbeit. Diese 500 000 Menschen sind von freien andelswegen mit abhängig. Die Piraten schaden Deutschland und seiner Wirtchaft. Sie bedrohen – und das ist das Schlimmste – tagglich Menschenleben. Ralf Nagel, der Hauptgeschäftshrer des Verbandes Deutscher Reeder, sagte: Die Piraterie im Indischen Ozean und im Golf von Aden … stellt eine tägliche Lebensbedrohung für unsere Seeleute dar. Wir nehmen die Sorgen der Reeder und ihrer Seeleute rnst. Die Bekämpfung der Piraterie auf See geht einher it der Bemühung um den Staatsaufbau an Land. Bis eute hat die EU mehr als 760 Millionen Euro investiert, m die Not zu lindern. In den Schlussfolgerungen des ates hat die EU am 14. November dieses Jahres eine Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17399 Florian Hahn )


(A) )

Strategie für das Horn von Afrika verabschiedet. Sie hat
damit klargemacht, dass wir das Ziel von Frieden, Si-
cherheit und guter Regierungsführung nicht aus den Au-
gen verlieren werden.

In der gestrigen Sitzung des Rats für Außenbeziehun-
gen in Brüssel wurde noch einmal über die derzeitige Si-
tuation beraten. Ich begrüße es, dass die Bundesregie-
rung eine Erweiterung des Mandats bis an die Strände
Somalias prüfen wird. Sofern diese Prüfungen positiv
ausfallen, müssten wir das Mandat im Frühjahr nächsten
Jahres gegebenenfalls anpassen.

An dieser Stelle möchte ich den 558 Frauen und Män-
nern der Bundeswehr, die derzeit ihren Dienst am Horn
von Afrika leisten, meine Anerkennung und meinen
Dank aussprechen und weiterhin Gottes Segen wün-
schen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Insbesondere möchte ich hierbei die Fregatte Bayern er-
wähnen, in deren Freundeskreis ich Mitglied bin. Mit
großem Interesse verfolge ich die Berichte von Bord, die
alle paar Wochen zu uns kommen. Es freut mich, zu hö-
ren, dass wir hier eine ausgezeichnete Crew und eine
gute Führungsriege an Bord haben, die mit viel Elan und
Einsatz die tagtäglichen Herausforderungen in ausge-
zeichneter Weise meistern. In wenigen Tagen wird die
Bayern heimkehren – nicht an den Tegernsee, das ist
klar, aber nach Hause.


(Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Bayern ist in Deutschland zu Hause! – Michael Groschek [SPD]: Dahin kehrt jemand anderes zurück!)


Meine Damen und Herren, unser Kompass ist klar: Es
gilt, zu helfen, wo die Werte des Völkerrechts bedroht
sind. Wir stimmen für die Verlängerung des Atalanta-
Mandats.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714615400

Das Wort hat nun Jan van Aken für die Fraktion Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714615500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie wollen

heute zum dritten Mal die Beteiligung am Militäreinsatz
Atalanta verlängern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich frage mich die ganze Zeit: Warum eigentlich?

Die Menschen in Somalia leben immer noch in bit-
terster Not, sie leiden unter Armut und einem Bürger-
krieg, der die Entwicklung in dem Land seit Jahren be-
hindert. In den letzten Jahren, seit es Atalanta gibt, hat
sich die Situation immer weiter verschlechtert. Jetzt
kommt auch noch diese Dürrekatastrophe dazu: 4 Mil-

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(C (D onen Menschen sind in Somalia im Moment vom Hunertod bedroht. Jetzt werden Sie sagen: Sehen Sie, genau dafür brauhen wir Atalanta. – Genau damit liegen Sie komplett lsch. talanta ist kein humanitäres Hilfsprojekt, und Atalanta t auch keine politische Strategie. Atalanta ist doch einch nur eine rein militärische Bekämpfung von Symptoen. Mit Kriegsschiffen können Sie die Armut nicht be ämpfen, mit Kriegsschiffen können Sie auch keinen ürgerkrieg bekämpfen, und mit Kriegsschiffen können ie auch das Problem der organisierten Kriminalität icht lösen, die hinter der Piraterie steckt. (Beifall bei der LINKEN – Joachim Spatz [FDP]: Das behauptet auch keiner!)


(Beifall bei der LINKEN)


Das Problem der Piraterie – das sagen Sie alle – lässt
ich nur an Land bekämpfen, nur mit einer politischen
trategie. Hier würde mich doch wirklich einmal interes-
ieren: Was haben Sie in den letzten drei Jahren für eine
olitische Lösung getan? Was haben Sie getan, um den
ürgerkrieg zu deeskalieren? Was haben Sie getan, um
ndlich eine Waffenruhe und Verhandlungen zu ermögli-
hen? Was haben Sie getan, um die Einmischung der
achbarstaaten zu beenden? Und was haben Sie getan,
m endlich eine lokale wirtschaftliche Entwicklung zu
rdern? Nichts, nichts und wieder nichts.

Gestern im Ausschuss habe ich Herrn Westerwelle
enau das gefragt: Was haben Sie konkret getan, außer
riegsschiffe zu schicken? Wissen Sie, was er geantwor-
t hat? Er hat geantwortet: Ich kann Ihnen gerne unser
onzept für Somalia vorstellen. – Konzepte kann er

chreiben, wenn er in der Opposition ist, aber als Außen-
inister muss er doch handeln.


(Beifall bei der LINKEN)


infach nur Kriegsschiffe schicken und nicht eine ein-
ige Sache für die Menschen in Somalia zu tun, finde ich
nverantwortlich.

Sie haben bis heute einfach keine politische Strategie.


(Zurufe von der FDP: Machen Sie mal einen Vorschlag! – Wie ist denn Ihr Vorschlag?)


re Fixierung auf das rein Militärische kann nichts zu
em dringend notwendigen Friedensprozess beitragen.

Gegenteil: Sie unterstützen völlig einseitig eine Par-
i im Bürgerkrieg. Sie bilden deren Soldaten noch aus,
nd dann wundern Sie sich, dass die Gewalt immer wei-
r eskaliert. Das ist genau der falsche Weg.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714615600

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus

en Reihen der FDP?


Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714615700

Gern.

17400 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011


(A) )


)(B)


Torsten Staffeldt (FDP):
Rede ID: ID1714615800

Herr van Aken, Sie behaupten, dass für das humani-

täre Engagement in Somalia nichts getan wird. Sind Sie
in der Lage, nachzuvollziehen, dass das Atalanta-Man-
dat unter anderem die wesentliche Aufgabe hat, die Nah-
rungsmitteltransporte nach Somalia zu beschützen, um
so zu helfen, dass die Menschen dort nicht verhungern?


(Beifall bei der FDP)



Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714615900

Das ist das, was Sie jetzt sagen. Wo, bitte sehr, treiben

sich die manchmal bis zu 46 Kriegsschiffe denn herum?
Begleiten diese 46 Kriegsschiffe ausschließlich die
Schiffe des World Food Programme? Das ist eben nicht
der Fall. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Sie suchen
hier händeringend nach einer Entschuldigung, nach ei-
nem Grund, nach irgendeiner guten Nachricht, weil Sie
genau wissen, dass Sie nichts für eine politische Lösung
im Land tun. Herr Westerwelle stellt sich immer hin und
sagt: „Es kann nur im Land gelöst werden“, tut aber
nichts. Dann finden Sie etwas und ignorieren, dass die
meisten dieser Kriegsschiffe in dem ganzen großen Ge-
biet eingesetzt werden – fernab von den Hilfsschiffen
des World Food Programme. Deswegen ist es eine völlig
scheinheilige Argumentation von Ihrer Seite.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir sind deshalb der Meinung – damit Sie den Kon-
flikt nicht weiter eskalieren –, dass Sie die Ausbildung
somalischer Soldaten einstellen und endlich damit auf-
hören sollten, die wahnsinnig großen Herausforderungen
in dieser Region immer nur durch die militärische und
polizeiliche Brille zu sehen.

Das gilt auch für den Militäreinsatz Atalanta. Ver-
meintliche Piratenschiffe werden nicht nur beschossen,
sondern auch versenkt – ohne jeden Beweis. Der bloße
Verdacht genügt. Herr Stinner von der FDP hat es ges-
tern im Ausschuss noch bestritten. Herr Stinner, ich
muss Ihnen sagen, Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht
gemacht. Jede Woche bekommen wir Meldungen von
der Bundesregierung über die verschiedenen Militärein-
sätze. Wenn Sie sich die genau durchlesen, stellen Sie
fest, dass dort beispielsweise steht: Auftrag, die beiden
Motorboote zu zerstören, oder: Motorboote durch Be-
schuss versenkt, usw. Die Bundesmarine hat haufen-
weise Boote versenkt. Sie sind der Einzige in Ihrer Frak-
tion, der überhaupt ein bisschen über dieses Mandat
Bescheid wissen müsste. Wenn nicht einmal Sie wissen,
was vor Ort passiert, wie können Sie dann guten Gewis-
sens einem solchen Mandat zustimmen?


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: Sie haben von Booten gesprochen, nicht von Schiffen!)


Machen Sie das nächste Mal bitte Ihre Hausaufgaben!

Die Piraterie bekämpfen Sie mit der Methode jeden-
falls nicht. Sie sorgen doch einfach nur dafür, dass auf
See immer weiter aufgerüstet wird. Deshalb lehnen wir
diesen Antrag ab.

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(C (D Jetzt noch ein Wort zur aktuellen humanitären Situaon in Somalia. Vor einigen Tagen hat die Miliz al-Schaab verschiedene Hilfsorganisationen aus dem Gebiet, as sie kontrolliert, ausgewiesen. Das verurteilen wir usdrücklich. Der humanitäre Zugang zur notleidenden evölkerung muss überall, in allen Gebieten, möglich ein. Es kann aber auch nicht sein, dass internationale ilfe auf bestimmte kleine Gebiete beschränkt wird. Wir issen zum Beispiel von den Amerikanern, dass sie ilfe nur im Gebiet der Übergangsregierung zulassen, nd all die hungernden Menschen in anderen Gebieten erden alleingelassen. Das geht genauso wenig. Wir saen ferner, dass die kenianischen und äthiopischen Trupen das Land verlassen müssen; denn sie schneiden den lüchtigen den Weg in die rettenden Flüchtlingslager ab. a muss unbedingt etwas passieren. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland eine Waffen mehr exportieren sollte. Im letzten Jahr hat eutschland beispielsweise zwei Drittel seiner Rüsngsexporte an Staaten der EU bzw. der NATO geliert. Mit diesen Waffen führt die NATO jetzt Krieg, nicht ur in Afghanistan oder im Irak, sondern auch vor Soalia im Rahmen von Atalanta. Das lehnen wir ab. Ich bedanke mich. Das Wort hat nun Kerstin Müller für die Fraktion ündnis 90/Die Grünen. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es t richtig: Seit der letzten Verlängerung des Mandats talanta hat sich die Lage am Horn von Afrika noch einal dramatisch verschärft. Auch ich meine damit nicht ie Piratenüberfälle, sondern die Hungerkatastrophe in er Region. Rund 4 Millionen Menschen hungern alleine Somalia, 250 000 Menschen sind akut vom Hungertod edroht, und 2,5 Millionen Menschen sind auf der lucht. Der gescheiterte Staat Somalia kann diesen Menchen nicht helfen. Daher ist hier die internationale Geeinschaft klar in der Pflicht. Herr van Aken, dass man vor dem Hintergrund einer olchen Situation behauptet, man brauche die Atalanta ission nicht, finde ich wirklich absurd. Sie haben ichts, aber auch gar nichts dazu gesagt, wie Sie denn iese Menschen versorgen wollen. Es sind, wie gesagt, Millionen. Diese Antwort sind Sie schuldig geblieben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Widerspruch des Abg. Jan van Aken [DIE LINKE])


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714616000
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714616100

iese Menschen können nur von See her versorgt wer-
en; das wurde auch von Ihnen nicht bestritten. Die
chiffe auf See werden aber von Piraten bedroht. Das
eißt, ohne den sicheren Geleitschutz für die Schiffe des

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17401

Kerstin Müller (Köln)



(A) )



(B)

Welternährungsprogrammes können wir die Menschen
in Somalia nicht mit Nahrungsmitteln versorgen. Genau
das leistet Atalanta. Deshalb ist es richtig, diesem Man-
dat zuzustimmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Zuruf der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE])


– Rufen Sie hier nicht rein! Machen Sie einen Vorschlag.
Sie haben keinen Vorschlag dazu gemacht, wie Sie diese
4 Millionen Menschen versorgen wollen, genauso wie
beim letzten Mal. Sie sprechen von der Ursachenbe-
kämpfung. Das ist richtig.


(Karin Binder [DIE LINKE]: Ja, genau!)


– Ja, das wollen wir alle. Aber wissen Sie was? Sie wis-
sen genau, dass das nicht von heute auf morgen geht. So-
malia ist seit mehr als 20 Jahren ein gescheiterter Staat.


(Karin Binder [DIE LINKE]: Warum denn?)


Es wird hier keine schnellen Lösungen geben. Auch das
haben Sie verschwiegen. Das finde ich unverantwort-
lich; denn es ist nicht so einfach, eine friedliche Lösung
für Somalia und das Horn von Afrika zu finden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Wenn man all das macht, was Sie vorgeschlagen ha-
ben – es sei dahingestellt, ob das vernünftig ist –, stellt
sich die Frage: Was passiert in der Zwischenzeit? Wollen
Sie die Menschen verhungern lassen, bis diese Lösungs-
ansätze greifen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das
Ihr Ernst ist.

Wenn Sie sagen, dass nicht Atalanta oder andere mul-
tilaterale Organisationen dort tätig sein sollen: Was ist
dann die Alternative? Die Alternative ist, dass die Black-
waters dieser Welt auf Container- und Getreideschiffen
künftig für Sicherheit sorgen. Ich frage Sie: Wollen Sie
das? Wir wollen das nicht, weil wir das für eine gefährli-
che Militarisierung der zivilen Schifffahrt halten. Genau
das wollen wir nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Auch das ist für uns ein Grund, diesem vernünftigen
Mandat zuzustimmen.

Die Hungerkatastrophe wird noch dadurch verschärft,
dass die al-Schabab-Milizen die humanitäre Hilfe poli-
tisch instrumentalisieren. Am Montag wurden 16 Büros
wichtiger Hilfsorganisationen zur Versorgung der Hun-
gernden durch die al-Schabab geplündert und geschlos-
sen. Darunter sind UNICEF, WHO und die GIZ. Das
zeigt noch einmal ganz klar, wie skrupellos bestimmte
al-Schabab-Milizen ihren Krieg führen. Ich will hier
sehr deutlich sagen: Wir verurteilen das auf das
Schärfste. Das ist absolut zynisch! Das ist absolut inak-
zeptabel! Wir fordern, dass die Schließung der Büros
dieser Hilfsorganisationen sofort wieder rückgängig ge-
macht wird.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Leider ist zu befürchten – das möchte ich hier anspre-
hen –, dass dies auch eine Reaktion auf die militärische
tervention Kenias ist. Ich finde es ziemlich befremd-

ch, meine Damen und Herren von der Bundesregie-
ng, dass wir hierzu bis heute nichts Kritisches gehört

aben. Nicht nur, dass dieser Schritt nicht mit der soma-
schen Übergangsregierung abgesprochen war – der
räsident der TFG hat protestiert –, sondern er ist auch
ehr riskant für Somalia und das Horn von Afrika.

Wenn wir im Sinne echter Krisenprävention nicht
chtzeitig gegensteuern, können der zusätzliche Ein-
arsch äthiopischer Truppen, die Waffenlieferungen an

l-Schabab aus Eritrea, also das Wiederaufflammen des
wigen Stellvertreterkrieges zwischen diesen beiden
ändern, zu einem Flächenbrand am gesamten Horn von
frika führen. Das dürfen wir nicht zulassen. Diese mili-
rische Intervention ist für die Lage der Flüchtlinge und
ungernden verheerend. Statt Schutz und Nahrung zu

rhalten, geraten sie noch einmal zwischen die Kriegs-
onten.

Wenn wir den Menschen langfristig helfen wollen
das heißt hier, das eine tun, ohne das andere zu lassen –,
ann brauchen wir jetzt einen Strategiewechsel in der
uropäischen und internationalen Somalia-Politik. Ich
eine, dass man auf Distanz zu der korrupten und unfä-

igen Übergangsregierung gehen muss. Sie haben ge-
agt, Herr Kollege Spatz, die AU arbeite mit ihr zusam-
en. Die AU ist nicht die einzige und letzte Instanz, die
r uns einziges Kriterium sein darf.


(Joachim Spatz [FDP]: Nennen Sie eine bessere Alternative!)


enn die Afrikanische Union hat schon oft versagt, zum
eispiel in Libyen, wo sie bis zuletzt an Gaddafi festge-
alten hat.

Die Übergangsregierung hat bisher versagt. Das ist
iemlich klar. Wir müssen daher viel stärker auf den
ufbau lokaler und auch regionaler Strukturen setzen,
ie es gibt. Dazu gehört auch – das sage ich offen –, ei-
en Dialog zumindest mit den gesprächsbereiten Teilen
er al-Schabab zu versuchen, ohne den es keine Versöh-
ung geben wird. Das sagen alle Fachleute, und das for-
ern auch die erfahrenen NGOs vor Ort, sofern sie noch
ort sind.

Also: Eine Friedenslösung für Somalia ist nicht ein-
ch. Aber ich meine, dass die Bundesregierung
Deutschland hat einen Sitz im Sicherheitsrat – den da-

insiechenden Friedensprozess etwas mutiger voranbrin-
en muss. Denn die Menschen in Somalia brauchen eine
ukunft. Auch da haben wir eine Verantwortung.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

)

17402 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011


(A) )


)(B)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714616200

Das Wort hat nun Burkhardt Müller-Sönksen für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Burkhardt Müller-Sönksen (FDP):
Rede ID: ID1714616300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Mission Atalanta ist ein Erfolg; sie ist ein Erfolg für die
Bevölkerung von Somalia. In diesem Jahr hat jedes der
Schiffe des Welternährungsprogramms, das in die soma-
lischen Häfen geschickt wurde, diese auch erreicht. Das
ist der Beweis, Herr van Aken, dass Sie nicht recht ha-
ben und dass Atalanta ein Erfolg ist.

Die Mission Atalanta ist auch ein wichtiger Baustein
zur Verbesserung der Sicherheit der Handelsschifffahrt
am Horn von Afrika. Auch wenn die Zahl der Angriffe
weiterhin auf demselben Niveau wie im Vorjahr geblie-
ben ist,


(Jan van Aken [DIE LINKE]: Falsch, Herr Müller-Sönksen! Die ist gestiegen!)


hat sich die Zahl der erfolgreichen Entführungen hal-
biert.

Um der Piraterie zu begegnen, braucht es eine umfas-
sende Strategie, die weit über den militärischen Bereich
hinausreicht. Wir stärken durch eine Vielzahl von Maß-
nahmen die staatlichen Institutionen vor Ort, in der Re-
gion. Ziel ist es, dass sie immer stärker auch selbst gegen
die Piraterie vorgehen können.

Eines sage ich ganz deutlich, weil es in den Debatten
von den Linken, wie auch heute wieder von Ihnen, Herr
van Aken, immer wieder bestritten wird: Piraterie ist
mitnichten ein Ausdruck des Protests der notleidenden
somalischen Bevölkerung.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714616400

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Ströbele?


Burkhardt Müller-Sönksen (FDP):
Rede ID: ID1714616500

Nein. – Piraterie ist eine der schwersten Formen orga-

nisierter Kriminalität.


(Jan van Aken [DIE LINKE]: Ich habe von organisierter Kriminalität gesprochen!)


Die Piraten und ihre Hintermänner nehmen Mord, Tot-
schlag und Entführung billigend in Kauf.

In den letzten Monaten wurde häufig über die Mög-
lichkeit diskutiert, Soldaten an Bord deutscher Schiffe
zu nehmen. Bei jährlich mehr als 3 000 Schiffen allein
unter deutscher Flagge sind solche Vorschläge illuso-
risch. Um den Schutz der Besatzungen weiter zu erhö-
hen, ist es notwendig, die Sicherheitsmaßnahmen an
Bord laufend zu verbessern. Die Reeder leisten hierbei
unter anderem mit der Einrichtung von Schutzräumen ei-
nen wichtigen Beitrag.

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(C (D Ich begrüße es auch sehr, dass auf Initiative des Marimen Koordinators der Bundesregierung, des Kollegen ans-Joachim Otto, ergebnisoffen geprüft wird, inwieeit und in welchem Rahmen private Sicherheitskräfte um Schutze der Besatzungen eingesetzt werden könen. In dieser – ich gebe zu: in diesem Hause kontroveren – Frage dürfen wir allerdings nicht die Relation aus en Augen verlieren: Jeder Geldtransport in Deutschnd, der die Tageseinnahmen von Supermärkten abholt, ird von bewaffneten privaten Sicherheitskräften beleitet. In diesen Fällen würde – zu Recht – niemand von iner täglichen Unterhöhlung des staatlichen Gewaltmoopols sprechen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Für uns als FDP ist in der Frage des Einsatzes privater
icherheitskräfte ein Punkt nicht verhandelbar: Mit uns
ird es keine Kriegswaffen in privaten Händen an Bord
eben.

Die Mission Atalanta leistet einen wichtigen Beitrag
icht nur für die maritime Sicherheit, sondern dient vor
llem auch der Verbesserung der Situation der somali-
chen Bevölkerung. Damit diese wichtige Arbeit fortge-
etzt werden kann, bitte auch ich Sie um Zustimmung
ur Verlängerung des Mandats.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714616600

Zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegen Hans-

hristian Ströbele das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Herr Kollege, trotz der Nichtzulassung meiner Frage

ommen Sie nicht drum herum, meine Meinung zu hö-
n. Sie können sich dann auch dazu äußern.

Sie haben gesagt, Aufgabe sei die Sicherung der Lie-
rungen des World Food Programmes, des Welternäh-
ngsprogramms. Sie haben hinzugefügt, es sei aber

uch Aufgabe der Kriegsschiffe der kriegsführenden
taaten dort, die Handelswege zu sichern.

So etwas Ähnliches habe ich vorhin schon von der
ollegin von der SPD, Frau Evers-Meyer, gehört. Für
ich stellt sich deshalb die Frage: Ist es nun tatsächlich

ach Auffassung des Deutschen Bundestages – derer, die
ier zustimmen –, Aufgabe der Bundeswehr, in Zukunft
andelswege für die deutsche Exportnation zu sichern?
ann sollte man das auch laut so sagen.

Ich erinnere mich daran, dass der frühere Bundesprä-
ident aufgrund einer Interviewäußerung, in der er das
hnlich in den Raum gestellt hat, Veranlassung gesehen
at, sein Amt abzugeben. Deshalb stellt sich doch ernst-
aft die Frage – die müssen Sie gegenüber der deutschen
evölkerung beantworten –: Ist es Aufgabe der Bundes-
ehr, einer Bundeswehr, die jetzt nicht mehr aus Wehr-
flichtigen besteht, in Zukunft die Handelswege für die
xportnation Deutschland zu sichern? Wenn das so ist

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17403

Hans-Christian Ströbele


(A) )


)(B)

– und das hört sich hier heute so an –, dann schreiben Sie
das auch in den Auftrag hinein, damit die Bevölkerung
weiß, wofür sie entweder zur Bundeswehr geht oder wo-
für sie Steuern für die Bundeswehr zahlt.

Meiner Meinung nach darf das nicht Aufgabe der
Bundeswehr sein, zumal wenn – wie auch in diesem Fall
an der Küste von Somalia – es Alternativen gibt und der
Einsatz der Bundeswehr bzw. der Einsatz der Atalanta-
Truppen eben nicht das letzte Mittel, sondern ein Mittel
lange vor dem letzten Mittel ist.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714616700

Bitte schön, Herr Kollege.


Burkhardt Müller-Sönksen (FDP):
Rede ID: ID1714616800

Herr Kollege Ströbele, vielen Dank. – Ich will es kurz

machen. Einmal verweise ich auf das Weißbuch und zum
anderen auf Nr. 2 b) des Mandates, des Antrags der Bun-
desregierung. Ich zitiere:

… b) aufgrund einer Einzelfallbewertung der Erfor-
dernisse Schutz von zivilen Schiffen in den Gebie-
ten, in denen sie im Einsatz ist; …

Dazu gehören selbstverständlich auch die deutschen
Schiffe, von denen ich gerade gesprochen habe.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714616900

Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich Kol-

legen Hartwig Fischer für die CDU/CSU-Fraktion das
Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Hartwig Fischer (CDU):
Rede ID: ID1714617000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Ströbele, vielleicht schauen Sie auch ein-
fach einmal auf die Homepage des Bundesverteidi-
gungsministeriums. Der können Sie entnehmen:

Auftrag der Mission

Neben dem Schutz der Handelsschifffahrt im Golf
von Aden und entlang der somalischen Küste beste-
hen deren weitere Aufgaben im Schutz der Schiffe
des Welternährungsprogramms für Hilfslieferungen
nach Somalia.

Das ist also keine geheime Kommandosache oder Ähnli-
ches.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich empfehle sowieso vielen Mitgliedern dieses Hau-
ses, insbesondere auf der linken Seite, doch einmal nur
die Stichworte „Somalia“, „Versorgung“, „Einwohner“,
„Sterblichkeitsrate“ in eine Suchmaschine im Internet
einzugeben. Dazu können die Menschen alles bei
Google finden und nachlesen. Diejenigen, die sich mit

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(C (D ieser Frage befassen, sollten das zumindest gelesen haen. Es gibt dort 9,9 Millionen Einwohner, von denen Millionen nicht versorgt werden können, von denen Millionen von Hunger bedroht und von medizinischer ersorgung ausgeschlossen sind und deren Lebensrwartung unter 50 Jahre liegt. 44 Prozent der Bevölkeng ist unter 14 Jahre alt. Wer sich die Leistungen von „Ärzte ohne Grenzen“, er SOS-Kinderdörfer oder CARE anguckt, die trotzdem diesem Gebiet arbeiten, muss größte Hochachtung vor en NGOs, den Entwicklungshelfern und denen haben, ie sich dort für die Menschen einsetzen. Wir haben hier gemeinsam ein Mandat beschlossen, m wenigstens die Grundversorgung in einem geringen mfang sicherstellen zu können. Wir sind nicht in dem Land. Herr van Aken, Sie sagen ie Unwahrheit – Sie sagen bewusst die Unwahrheit –, enn Sie ausführen, dass wir uns ausschließlich militäsch engagieren. Wir sind es, die für Somalia Polizisten usbilden, weil es grundsätzlich notwendig ist, dass ein taat auch für Sicherheit und Ordnung sorgt, zum Beipiel die TFG, die derzeitige Übergangsregierung. Wir können nicht akzeptieren – das ist vollkommen lar –, dass diese Regierung jetzt aufgrund des Einmarches von Kenia wichtige Einrichtungen geschlossen at, gerade die SOS-Kinderund Frauenklinik in dem lüchtlingslager Badbado. 5 000 Flüchtlinge sind dort nversorgt. Da finden auch auf diplomatischer Ebene espräche statt. Es ist unverantwortlich, solche Dinge uf dem offenen Markt auszutragen. Wenn Sie sich die Informationen des Außenministeums ansehen, erkennen Sie: Es geht darüber hinaus. nser Max-Planck-Institut ist dabei, den Entwurf für ine Verfassung mit den Menschen im Land zu erarbein. Wir sind es, die Teile von AMISOM unterstützt haen. Das heißt, wir arbeiten mit an den begleitenden aßnahmen, um wieder zu Rechtsstaatlichkeit zu komen. Jetzt erfahren wir: 500 000 Flüchtlinge aus Somalia ind nach Dadaab gegangen, und seit dem 15. November t dort Cholera ausgebrochen. Wir wissen nichts über ie Situation in den Flüchtlingslagern in Somalia, weil ie Rebellen dort, wo sie noch die Macht haben, keinen ugang gewähren. Dort findet das Sterben unter Auschluss der Öffentlichkeit statt. Wir kennen aber Zahlen, ie besagen, dass dort in etwa jedes fünfte Kind das ritte Lebensjahr nicht erreicht, weil es unter Hunger, nter einem Mangel an sauberem Wasser und Ähnlihem zu leiden hat. Deshalb ist es notwendig, nicht nur talanta, sondern auch die begleitenden Maßnahmen zu tärken. Deshalb ist es richtig, dass in diesem Zusamenhang das Entwicklungsministerium sagt: Wir versu hen punktuell, fragilen Staaten entsprechend zu helfen. as geschieht ja bei Somaliland. Dort hat man eine nktionierende Übergangsregierung, die Menschen aus omalia können sich orientieren und erkennen, dass 17404 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Hartwig Fischer )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(A) )

man, wenn man mit den Rebellen nicht zusammenarbei-
tet, eine Perspektive hat.

Herr van Aken, die Art und Weise, wie Sie hier auf-
treten, ist für mich militante Menschenverachtung


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Karin Binder [DIE LINKE]: Militant sind doch wohl Sie!)


und keine Rücksichtnahme auf diejenigen, die keine
Chance haben, sich selbst zu helfen, sondern die auf die
Weltgemeinschaft angewiesen sind, damit sie im Kampf
ums Überleben unterstützt werden. Ich bitte die große
Mehrheit dieses Hauses, diesem Antrag zuzustimmen.

Ich habe eine weitere Bitte an die Grünen. Die Grü-
nen haben ja einen Entschließungsantrag vorgelegt. Ich
möchte Sie bitten, mit den anderen Fraktionen zu reden,
bevor Sie einen solchen Entschließungsantrag vorlegen.
Ich sehe in diesem Entschließungsantrag sehr viele gute
Ansätze; ich könnte sie Punkt für Punkt zitieren. Ich
glaube, gerade die Stabilisierung Somalias ist ein
Thema, an dem wir gemeinsam arbeiten können, weil es
viele Gemeinsamkeiten gibt. Die wenigen trennenden
Punkte sollten beiseitegeschoben werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darauf kommen wir zurück!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714617100

Zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegen

Gehrcke das Wort.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714617200

Schönen Dank, Herr Präsident. – Ich weiß, Sie wollen

abstimmen; es ist ja auch das Recht und die Verpflich-
tung des Parlaments, abzustimmen.

Ich möchte nicht stehen lassen, dass meinem Kolle-
gen van Aken „militante Menschenverachtung“ vorge-
halten wird.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich bitte Sie: Überlegen Sie sich einmal, was Sie hier
ausführen. Sie können die Güte, die Korrektheit unserer
Konzepte bezweifeln. Sie können zur Kenntnis nehmen,
dass wir selber darüber nachdenken, was möglich und
was nicht möglich ist; dass wir skeptisch sind, ob es
wirklich so ist, dass nicht Militär, sondern zivile Hilfe
und die politische Auseinandersetzung und Dialog die
Probleme lösen. Aber eines können Sie nicht machen:
Sie können uns nicht vorhalten, dass irgendjemand bei
uns menschenverachtend ist.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Menschenverachtend sind immer Krieg und Kriegs-
einsätze; das ist die Wahrheit. Wenn wir uns in der Aus-
einandersetzung über die beste Lösung quälen, sollten
Sie uns dabei unterstützen und uns nicht solche Vorhal-
tungen machen.


(Beifall bei der LINKEN)


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1)

(C (D Kollege Fischer, bitte. Herr Kollege Gehrcke, was mich bestürzt, ist, dass es ngesichts der Bilder von sterbenden Kindern in den lüchtlingslagern, die wir sehen, möglich ist, auszublenen, was notwendig ist, um Hilfstransporte durchzuseten – und das bezeichne ich so, wie ich es vorhin getan abe. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714617300
Hartwig Fischer (CDU):
Rede ID: ID1714617400


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714617500

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
mpfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An-
ag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteili-
ung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-
eführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Pira-
rie vor der Küste Somalias.

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
ng auf Drucksache 17/7996, den Antrag der Bundesre-

ierung auf Drucksache 17/7742 anzunehmen. Wir stim-
en nun über die Beschlussempfehlung namentlich ab.
h bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die

orgesehenen Plätze einzunehmen. – Das ist offensicht-
ch erfolgt. Dann eröffne ich die Abstimmung.

Die obligatorische Frage: Haben alle anwesenden
itglieder des Hauses ihre Stimme abgegeben? – Das ist

ffensichtlich der Fall. Dann schließe ich die Abstim-
ung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
it der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ih-

en später bekannt gegeben.1)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, Platz
u nehmen; denn wir kommen nun zur Abstimmung
ber den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/
ie Grünen auf Drucksache 17/8014. Wer stimmt für
iesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? –
nthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit den
timmen der beiden Koalitionsfraktionen und der Lin-
en gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung der
PD abgelehnt.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 9 a bis d auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja
Keul, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck

(Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Private Sicherheitsfirmen umfassend regulie-
ren und zertifizieren

– Drucksache 17/7640 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Innenausschuss

Ergebnis Seite 17407 C

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17405

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

b) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten
Katja Keul, Tom Koenigs, Omid Nouripour, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN

Regulierung privater Militär- und Sicherheits-
firmen

– Drucksachen 17/4573, 17/6780 –

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)


Nichtstaatliche militärische Sicherheitsunter-
nehmen registrieren und kontrollieren

– Drucksachen 17/4198, 17/7998 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Roderich Kiesewetter
Dr. Rolf Mützenich
Dr. Bijan Djir-Sarai
Jan van Aken
Kerstin Müller (Köln)


d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(12. Ausschuss)

Höger, Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Vorlage eines Gesetzentwurfes zur Ratifizie-
rung der „Internationalen Konvention gegen
die Anwerbung, den Einsatz, die Finanzierung
und die Ausbildung von Söldnern“ der Gene-
ralversammlung der Vereinten Nationen

– Drucksachen 17/4663, 17/5799 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Henning Otte
Michael Groschek
Joachim Spatz
Paul Schäfer (Köln)

Katja Keul

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann haben wir das so beschlos-
sen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin
Katja Keul für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das
Wort.


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714617600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die Debatte um die Fortsetzung des Atalanta-
Einsatzes hat gerade noch einmal deutlich gemacht, dass
wir uns stärker als bisher mit der Tätigkeit privater Si-
cherheitsfirmen beschäftigen müssen. Die Bundesregie-
rung empfiehlt mittlerweile deutschen Reedereien, ihre
Handelsschiffe durch private Sicherheitsteams schützen

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(C (D u lassen, und kündigt dabei ein Zertifizierungssystem n, das die Seetauglichkeit der Dienstleistung absichern oll. Damit widerspricht sie ihrer Antwort auf unsere roße Anfrage, in der sie immer noch behauptet, es gebe rundsätzlich keinen Regelungsbedarf in diesem Beich. Derzeit gibt es in Deutschland über 3 000 Unternehen des Bewachungsgewerbes. Wer hier ein solches Unrnehmen anmelden will, muss lediglich die erforderli hen Mittel nachweisen und eine Unterrichtung der dustrieund Handelskammer über sich ergehen lassen. ine Prüfung wird nicht verlangt. Damit gehört Deutschnd in Europa zu den Schlusslichtern, was die Zulas ungshürden in diesem Gewerbe angeht. Selbst der Bunesverband der Sicherheitswirtschaft hält diese Situation ittlerweile für untragbar. Allein die FDP ist immer och der Auffassung, das sei alles ausreichend, und verindert damit ein fraktionsübergreifendes Vorgehen. Wir fordern mit unserem Antrag strengere Anfordengen an die Zulassung von Sicherheitsfirmen, unab ängig davon, ob sie ihre Tätigkeiten im Inland oder im usland anbieten. Die Tätigkeit deutscher Sicherheitsrmen im Ausland möchte die Bundesregierung nicht gulieren, aus Angst, damit erst Interesse an diesem Ge chäftsfeld zu wecken. Das ist Vogel-Strauß-Politik nach em Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir können aber nicht abwarten, bis sich dieses unregu-
erte Geschäftsfeld im Graubereich von selbst etabliert.
rst im letzten Jahr hat uns der Fall der Firma Asgaard be-
chäftigt, die mit einem somalischen Warlord vertraglich
ereinbarte, seine Kämpfer auszubilden und weitere mili-
rische Dienstleistungen zu erbringen. Glücklicherweise
ilt im Falle Somalias ein Embargo, gegen das die Firma
uf diese Weise verstoßen hatte. Nur auf dieser Grundlage
onnte die Staatsanwaltschaft Münster strafrechtliche Er-
ittlungen aufnehmen. Ohne dieses Embargo hätte der

eutsche Staat keine Handhabe gegenüber der Firma ge-
abt.

Wir fordern mit unserem heutigen Antrag, die Erbrin-
ung von Sicherheitsleistungen im Ausland an die stren-
en Genehmigungsvoraussetzungen des Außenwirt-
chaftsgesetzes für Rüstungsexporte zu binden. Die
riterien der Rüstungsexportrichtlinien müssen nicht
ur für die Waffe selbst gelten, sondern auch für die
and, die die Waffe führt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit dem Antrag der SPD stimmen wir in vielen Punk-
n überein. Probleme habe ich allerdings mit dem unbe-

timmten und weiten Begriff der „Militärdienstleister“.
ier muss eine klare Linie gezogen werden. Der Kern-
ereich militärischen Handelns ist nicht zu regulieren,
ondern muss Privaten schlicht verboten sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE])


17406 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Katja Keul


(A) )


)(B)

Weder Kampfhandlungen noch Ausbildung von Streit-
kräften gehören als Aufgabe in private Hände. Gleiches
gilt für den Besitz und die Nutzung von Kriegswaffen.
Da uns diese rote Linie im Antrag der SPD nicht deut-
lich genug ist, werden wir uns an dieser Stelle enthalten.
Einig sind wir uns in der Forderung nach einer transpa-
renten Übersicht über die in Deutschland ansässigen Si-
cherheitsfirmen. Eine Registrierungspflicht ist dafür un-
abdingbar. Auch die Forderung nach internationalen
verbindlichen Normen teilen wir mit der SPD.

Auf internationaler Ebene tritt die Bundesregierung
leider auf die Bremse. Es ist beschämend, dass Deutsch-
land sich den Verhandlungen im UN-Menschenrechtsrat
über die Regulierung privater Sicherheitsfirmen verwei-
gert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn Sie meinen, dass das nicht das richtige Forum ist,
dann zeigen Sie wenigstens anderswo Initiative, anstatt
einfach gar nichts zu tun. Die Regierung unterstützt
nicht einmal den freiwilligen Verhaltenskodex der inter-
nationalen Sicherheitsbranche. Das Auswärtige Amt hat
weltweit über 140 Sicherheitsfirmen unter Vertrag. Auf
die Unterzeichnung dieser Selbstverpflichtung wird bei
der Auftragsvergabe aber kein Wert gelegt. Dabei hat
sich die Bundesrepublik im Dokument von Montreux
vom September 2008 sogar verpflichtet, innerstaatliches
Recht zur effektiven Bindung privater Sicherheitsfirmen
an das humanitäre Völkerrecht zu erlassen.

Auch das Europäische Parlament hat bereits konkrete
Vorschläge unterbreitet. Der Europäische Gerichtshof
hat mehrfach erklärt, dass die Europäische Union auf
dem Gebiet des Sicherheitsgewerbes auch selbst tätig
werden kann. Gehen Sie endlich voran, und legen Sie
konkrete Vorschläge vor, bevor es andere tun!

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714617700

Das Wort hat nun Roderich Kiesewetter für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1714617800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben
dieses Thema nicht umsonst bereits in der zweiten Le-
gislaturperiode auf der Tagesordnung. Seit dem Ende
des Kalten Krieges hat es im Bereich der Sicherheits-
politik gravierende Änderungen gegeben, nicht nur im
militärischen Bereich, sondern auch im gesellschaftli-
chen, ökonomischen, ökologischen und kulturellen Be-
reich. All diese Entwicklungen bestimmen die Sicher-
heitspolitik. Wir stehen außerdem vor außerordentlich
gravierenden Achsverschiebungen, die auch Auswirkun-
gen auf unsere strategischen Koordinaten haben.

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(C (D Unsere strategischen Sicherheitspartner – allen voran rankreich, die EU-Länder und die Vereinigten Staaten on Amerika – sind bislang immer auch unsere strategichen Handelspartner gewesen. Wenn wir jetzt aber auf chwellenländer oder auf China schauen, stellen wir st, dass sich in den letzten zehn Jahren der Handel mit eutschen Firmen verfünffacht hat. China ist mittlereile unser drittwichtigster Handelspartner. Wir blicken also in eine Zukunft, in der unsere strateischen sicherheitspolitischen Interessen und unsere andelsinteressen möglicherweise erstmals auseinanerklaffen können. Mit zunehmendem Einfluss von hina, Indien und einigen anderen Staaten ergibt sich ine Gleichgewichtsverschiebung, die nach neuer Bance strebt. Dabei knirschen und knarren einige Achsen. Sie knarn und knirschen, weil wir im Umbruch sind. Unser ichtigster Partner, die Vereinigten Staaten von Amerika, rientiert sich verstärkt in den pazifischen Raum. Die uropäische Union erarbeitet sich zurzeit außenpolitische andlungsfähigkeit, ist aber genauso wie die Vereinigten taaten von Amerika momentan vor allem mit sich selbst eschäftigt. Die Finanzkrise hält uns in Atem. Diese Verschiebungen und finanziellen Zwänge haben uch Auswirkungen auf unsere Sicherheitspolitik. Der erteidigungshaushalt der USA wird nach dem Scheitern es Super Committees – verteilt über die nächsten zehn ahre – um 950 Milliarden Dollar gekürzt. In Afghanistan nd im Irak setzten die USA parallel zu staatlichen Sichereitskräften bereits massiv private Sicherheitsunternehmen in, weil ihre staatlichen Sicherheitskräfte überdehnt wan. Ich sage ganz offen: Wir von der Union stehen zum taatlichen Gewaltmonopol. Auch wir Deutsche reforieren unsere staatlichen Sicherheitskräfte, auch wir üssen einerseits sparen und zugleich verantwortungs ewusste Sicherheitspolitik gewährleisten. Unsere Buneswehr steht vor der größten Reform ihrer Geschichte, nsere Länderpolizeien sind immer stärker in der Extreismusabwehr eingebunden. Für uns gilt deshalb das taatliche Gewaltmonopol als unverzichtbar. Aber – in diesem Punkt muss ich den Antragstellern cht geben –: Vor allem international ist ein Trend zu ehr Privatisierung erkennbar. Angesichts begrenzter taatlicher Ressourcen, fortschreitender Spezialisierung nd Technologisierung werden wir – das beobachten wir ternational sehr genau – eine erhöhte Nachfrage nach eistungen privater Sicherheitsdienste zu verzeichnen aben. Gerade wir von der Union müssen die Entwickng vor allem unter dem Aspekt betrachten, dass wir err des staatlichen Gewaltmonopols bleiben. Schauen wir einmal auf unsere Seewege. Die letzte ebatte hat uns gezeigt: Sichere Seewege sind für unser and als Welthandelsnation unverzichtbar. Piraten am orn von Afrika – über die Ursachen haben wir schon ebattiert – dehnen ihren Aktionsradius weiter aus. Das t ein Problem, das uns intensiv in Mitleidenschaft ieht. Eine Bewachung einzelner Schiffe durch Bundesolizisten oder die Bundeswehr ist auch weiterhin nicht Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17407 Roderich Kiesewetter )


(A) )


nicht ausreichend. Wir werden sie deshalb ablehnen.
– ich verkürze, es ist ein viele Zeilen langer Titel – mit-
Sicherheitskräften zurückziehen oder nichtstaatliche Un-
ternehmen einbinden, sehen wir als Union einen Hand-

4
B

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 547;
davon

ja: 472
nein: 63
enthalten: 12

Ja

CDU/CSU

Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Börnsen


(Bönstrup)


Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)


(Karlsruhe Land)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Michael Frieser
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis

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(D 72, mit Nein haben gestimmt 63, Enthaltungen 12. Die eschlussempfehlung ist damit angenommen. lois Gerig berhard Gienger ichael Glos sef Göppel eter Götz r. Wolfgang Götzer te Granold einhard Grindel ichael Grosse-Brömer arkus Grübel anfred Grund onika Grütters lav Gutting lorian Hahn r. Stephan Harbarth rgen Hardt erda Hasselfeldt r. Matthias Heider elmut Heiderich echthild Heil rsula Heinen-Esser rank Heinrich udolf Henke ichael Hennrich rgen Herrmann nsgar Heveling rnst Hinsken eter Hintze hristian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen Schwenningen)

Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Hartmut Koschyk
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Ich halte deshalb fest: Dort, wo sich Staaten mit ihren teilen: Abgegebene Stimmen 547. Mit Ja haben gestimmt
machbar. Wir stellen fest: Mehr
der greifen deshalb schon heute
Sicherheitskräfte zurück. Hier b

Es gibt eine weitere Herau
Anträgen nicht deutlich wird,
Soldaten im Ausland mehr un
cherheits- und Militärunternehm
ren werden. In Afghanistan und
private Sicherheitskräfte einge
der sich auch künftig fortsetzen
es – hat nicht nur positive Kons

Ich ziehe für unsere Fraktion
tens. Wir brauchen eine Regelu
gehen, wenn deutsche Firmen im
cherheits- und Militärunter
Zweitens. Wir haben einen Reg
sen wir definieren – für deutsc
kräfte im Ausland, wenn unse
private Unternehmen der Par
Kräfte treffen.

Dies ist übrigens in einer A
dieses Jahres zusammen mit de
macht habe, von fünf teilnehme
nehmlich bestätigt worden.

Die Anträge der Opposition
und mehr deutsche Ree-
auf den Schutz privater
esteht Handlungsbedarf.

sforderung, die in Ihren
nämlich dass deutsche
d mehr mit privaten Si-
en der Partner kooperie-
im Irak haben die USA

setzt. Das ist ein Trend,
wird. Das – wir wissen
equenzen.

zwei Folgerungen: Ers-
ng darüber, wie wir vor-
Ausland auf private Si-

nehmen zurückgreifen.
elungsbedarf – den müs-
he staatliche Sicherheits-
re Sicherheitskräfte auf

tner statt auf staatliche

nhörung, die ich im Juni
m Koalitionspartner ge-
nden Ministerien einver-

sind in diesem Bereich

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ngsbedarf. Auch wenn wir De
altmonopol stützen und förd
icht immer der Fall. Das Probl
ch komplexer, als in den Anträ

Wenn Staaten ihre Aufgabe
rund von Haushaltszwängen
en, dann muss man über die K
ativen nachdenken dürfen.

Ich sage abschließend: Wir
uffassung, dass die Behandlun

herheits- und Militärunterneh
atten wir bereits einen Runden
en, wir bleiben am Thema dran
ng im zuständigen Unterauss
n auf Bewegung.

Herzlichen Dank für die Auf


(Beifall bei der CDU/C Vizepräsident Dr. h. c. Wo Bevor ich dem nächsten Red h das von den Schriftführeri rmittelte Ergebnis der vorh hen Abstimmung über die B uswärtigen Ausschusses zum ng „Fortsetzung der Beteiligu treitkräfte an der EU-geführte (Cutsche das staatliche Geern, ist das international em ist allerdings wesentgen dargestellt. n einschränken, sie aufauch einschränken müsonsequenzen und Alter von der Union teilen die g des Themas private Simen drängend ist. Dazu Tisch. Ich versichere Ih. Ich schlage eine Anhö chuss dazu vor. Wir hof merksamkeit. SU und der FDP)


lfgang Thierse:
ner das Wort erteile, will
nnen und Schriftführern
ergehenden namentli-
eschlussempfehlung des
Antrag der Bundesregie-
ng bewaffneter deutscher
n Operation Atalanta …“

17408 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)

Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers


(Heidelberg)

Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Dr. Michael Meister
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller (Erlangen)

Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann (Bremen)

Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht (Weiden)

Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski

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hristian Schmidt (Fürth)

atrick Schnieder
r. Andreas Schockenhoff
adine Schön (St. Wendel)

r. Kristina Schröder
r. Ole Schröder
ernhard Schulte-Drüggelte
we Schummer

(Weil am Rhein)

hannes Selle
einhold Sendker
r. Patrick Sensburg
ernd Siebert
homas Silberhorn
hannes Singhammer
ns Spahn
arola Stauche
r. Frank Steffel
rika Steinbach
hristian Freiherr von Stetten
ieter Stier
ero Storjohann
tephan Stracke
ax Straubinger
arin Strenz
homas Strobl (Heilbronn)

ena Strothmann
ichael Stübgen
r. Peter Tauber
ntje Tillmann
r. Hans-Peter Uhl
rnold Vaatz
olkmar Vogel (Kleinsaara)

tefanie Vogelsang
ndrea Astrid Voßhoff
r. Johann Wadephul
arco Wanderwitz
ai Wegner
arcus Weinberg (Hamburg)


eter Weiß (Emmendingen)

abine Weiss (Wesel I)

go Wellenreuther
arl-Georg Wellmann
eter Wichtel
nnette Widmann-Mauz
laus-Peter Willsch
lisabeth Winkelmeier-
Becker
r. Matthias Zimmer
olfgang Zöller
illi Zylajew

PD

grid Arndt-Brauer
ainer Arnold
einz-Joachim Barchmann
oris Barnett
r. Hans-Peter Bartels
laus Barthel
ören Bartol
ärbel Bas
irk Becker
erd Bollmann
laus Brandner
ernhard Brinkmann

(Hildesheim)


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arco Bülow

etra Crone
r. Peter Danckert
artin Dörmann

lvira Drobinski-Weiß
arrelt Duin
go Egloff

iegmund Ehrmann
r. h. c. Gernot Erler
etra Ernstberger
arin Evers-Meyer
lke Ferner
abriele Fograscher
r. Edgar Franke
agmar Freitag
ichael Gerdes
artin Gerster
is Gleicke
ünter Gloser
lrike Gottschalck
ngelika Graf (Rosenheim)

erstin Griese
ichael Groschek
ichael Groß
olfgang Gunkel
ans-Joachim Hacker
ettina Hagedorn
laus Hagemann
ichael Hartmann

(Wackernheim)

ubertus Heil (Peine)

olf Hempelmann
ustav Herzog
abriele Hiller-Ohm
rank Hofmann (Volkach)

r. Eva Högl
hristel Humme
sip Juratovic
liver Kaczmarek
hannes Kahrs
lrich Kelber
ars Klingbeil
ans-Ulrich Klose
r. Bärbel Kofler
aniela Kolbe (Leipzig)

ritz Rudolf Körper
nette Kramme
icolette Kressl
ngelika Krüger-Leißner
te Kumpf
hristine Lambrecht
hristian Lange (Backnang)

r. Karl Lauterbach
teffen-Claudio Lemme
urkhard Lischka
irsten Lühmann
aren Marks
atja Mast
ilde Mattheis
etra Merkel (Berlin)

llrich Meßmer
r. Matthias Miersch
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r. Rolf Mützenich
anfred Nink

homas Oppermann
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(C (D einz Paula hannes Pflug r. Wilhelm Priesmeier lorian Pronold r. Sascha Raabe echthild Rawert tefan Rebmann erold Reichenbach r. Carola Reimann önke Rix ené Röspel r. Ernst Dieter Rossmann arin Roth ichael Roth arlene Rupprecht nton Schaaf xel Schäfer arianne Schieder erner Schieder lla Schmidt ilvia Schmidt arsten Schneider ttmar Schreiner wen Schulz wald Schurer rank Schwabe olf Schwanitz tefan Schwartze ita Schwarzelühr-Sutter onja Steffen r. Frank-Walter Steinmeier hristoph Strässer erstin Tack r. h. c. Wolfgang Thierse ranz Thönnes olfgang Tiefensee üdiger Veit te Vogt r. Marlies Volkmer ndrea Wicklein eidemarie Wieczorek-Zeul r. Dieter Wiefelspütz ta Zapf agmar Ziegler anfred Zöllmer rigitte Zypries DP ns Ackermann hristian Ahrendt hristine AschenbergDugnus aniel Bahr lorian Bernschneider ebastian Blumenthal laudia Bögel icole Bracht-Bendt laus Breil ainer Brüderle ngelika Brunkhorst rnst Burgbacher arco Buschmann ylvia Canel elga Daub einer Deutschmann r. Bijan Djir-Sarai Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17409 Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse )


(Tuchenbach)


(Schwandorf)


(A) )


Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer (Lüdenscheid) Josef Philip Winkler

Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Holger Krestel
Patrick Kurth (Kyffhäuser)

Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-

Schnarrenberger
Lars Lindemann
Dr. Martin Lindner (Berlin)

Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller (Aachen)

Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann


(Lausitz)

Hans-Joachim Otto


(Frankfurt)

Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Christiane Ratjen-

Damerau
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz

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Nun erteile ich dem Kollege
SPD-Fraktion das Wort.


(Beifall bei de Sehr geehrter Herr Präsident Kollegen! Ich glaube, es besteh tag – ich hoffe, auch bei der Bu nehmen, dass wir es hier mit ein r. Claudia Winterstein r. Volker Wissing artfrid Wolff ÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN arieluise Beck olker Beck ornelia Behm iola von Cramon-Taubadel kin Deligöz arald Ebner ans-Josef Fell r. Thomas Gambke ai Gehring atrin Göring-Eckardt ritta Haßelmann riska Hinz ärbel Höhn grid Hönlinger atja Keul te Koczy om Koenigs liver Krischer ritz Kuhn tephan Kühn enate Künast arkus Kurth r. Tobias Lindner icole Maisch rzy Montag erstin Müller grid Nestle r. Konstantin von Notz mid Nouripour riedrich Ostendorff r. Hermann Ott rigitte Pothmer N D Ja A D H K M C E D R D W K W N D A D H D D A U D H K C S R M S U D T U n Rolf Mützenich für die r SPD)

Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1714617900

! Liebe Kolleginnen und
t im Deutschen Bundes-
ndesregierung – Einver-
em Thema zu tun haben,

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ei dem es weiteren Handlungs
ffen darüber diskutieren. Das d
es Ungefähren bleiben. Ich g
eitergehende Informationen d

Wir haben mittlerweile –
iesewetter hier beschrieben –

herheitspolitik, der zunehmen
t. Insbesondere treten offe
kteure auf, die einer großen

(D rank Tempel r. Axel Troost lexander Ulrich athrin Vogler hanna Voß alina Wawzyniak arald Weinberg atrin Werner rn Wunderlich ÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN ettina Herlitzius onika Lazar isa Paus ans-Christian Ströbele nthalten PD etra Hinz ÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN atja Dörner r. Anton Hofreiter we Kekeritz emet Kilic ven-Christian Kindler aria Klein-Schmeink ylvia Kotting-Uhl gnes Krumwiede gnes Malczak eate Müller-Gemmeke r. Wolfgang StrengmannKuhn bedarf gibt. Wir müssen arf nicht in einer Nische laube insbesondere, dass ringend notwendig sind. das hat der Kollege einen Trend in der Si d neue Facetten beinhalnsichtlich neue, private Nachfrage von Staaten Heiner Kamp Dr. Daniel Volk Dr. Kirsten Tackmann Patrick Döring Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel T K M E D D D D M Jü D W D (Cabea Rößner rista Sager anuel Sarrazin lisabeth Scharfenberg r. Gerhard Schick r. Frithjof Schmidt orothea Steiner r. Harald Terpe arkus Tressel rgen Trittin aniela Wagner olfgang Wieland r. Valerie Wilms Dorothee Menzner Cornelia Möhring Wolfgang Nešković Thomas Nord Petra Pau Richard Pitterle Yvonne Ploetz Paul Schäfer Dr. Ilja Seifert Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke 17410 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Dr. Rolf Mützenich )


(A) )

– offensichtlich aber auch von privaten Gewaltakteuren –
nachkommen. Ich glaube, wenn wir eine verantwortliche
Außen- und Sicherheitspolitik machen wollen, sollten
wir uns im Deutschen Bundestag schon Gedanken da-
rüber machen, wie wir bei diesem Thema entsprechende
Regelungen einführen können.

Ich will einen zweiten Punkt benennen – auch er
sollte der Bundesregierung Sorge machen –: Diese
Akteure höhlen das staatliche Gewaltmonopol aus. Es
handelt sich dabei aus meiner Sicht – neben anderen Be-
reichen – um einen Eckpfeiler der europäischen Frie-
densordnung, der im Grunde genommen dieses Europa
so einzigartig gemacht hat. Schlimme Erfahrungen ha-
ben zu der Erkenntnis geführt, das staatliche Gewaltmo-
nopol – dies ist auch gelungen – im Innern, aber auch
nach außen hin zu sichern. Das wird möglicherweise
durch diesen internationalen Trend mehr und mehr aus-
gehöhlt. Deswegen ist es, glaube ich, die Aufgabe von
Politik, sich insbesondere mit diesen Herausforderungen
zu beschäftigen und nicht nebenher zu erwähnen, dass es
keine Rolle spiele.

Genau das ist, glaube ich, die Frage, welche heute ins-
besondere die Bundesregierung umtreiben muss. Die
Antwort auf die Große Anfrage der Grünen hat doch ge-
zeigt, dass zwar einerseits an der einen oder anderen
Stelle gesagt wird, dass es Handlungsbedarf gibt, wir an-
dererseits im Grunde genommen aber keine Vorschläge
dazu haben. Wir beteiligen uns nicht an einer Debatte,
die unbedingt notwendig ist.

Ich bin der festen Überzeugung: Dieser Bereich ist zu
wenig kontrolliert. Wir wissen zu wenig darüber. Weil er
global organisiert ist, müssen wir versuchen, nicht nur
national zu handeln, sondern global letztlich unsere Vor-
schläge in die Debatte einzuführen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deswegen haben wir, die Sozialdemokratinnen und So-
zialdemokraten, schon vor zehn Monaten einen Antrag
vorgelegt – nachdem es bereits in der letzten Legislatur-
periode einen Antrag dazu gegeben hatte –, in dem wir
uns mit diesem Phänomen auseinandergesetzt und auch
Vorschläge unterbreitet haben. Ich hatte schon ein wenig
die Hoffnung – nachdem wir in den vergangenen Mona-
ten mit Herrn Kiesewetter, aber auch mit anderen Kolle-
ginnen und Kollegen gesprochen hatten; Herr Mißfelder
hat in der letzten Woche, als wir über Atalanta sprachen,
gerade auf die Bedeutung des staatlichen Gewaltmono-
pols hingewiesen –, dass wir zu einer gemeinsamen Lö-
sung im deutschen Parlament kommen würden. Das ist
nicht gelungen. Ich bedauere das. Auch bin ich letztlich
sehr enttäuscht darüber.

Herr Kiesewetter, wenn ich Ihre Rede richtig verstan-
den habe, war sie weniger ein Appell an die Fraktionen
auf der linken Seite, sondern offensichtlich mehr an Ih-
ren Koalitionspartner, zumindest eine gewisse Bewe-
gung zu unternehmen. Wir unterstützen Sie darin.

Ich will auf den Antrag hinweisen, der zwischen na-
tionalem und internationalem Handlungsbereich unter-
scheidet. Wir sprechen von einer „Registrierungspflicht


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(C (D r private Sicherheitsfirmen und Militärdienstleister“. h glaube, das ist dringend notwendig, weil wir zu we ig darüber wissen, was sich in Deutschland und darüber inaus tut. Wir haben über ein „Lizenzierungssystem für ilitärische Dienstleistungen“ gesprochen, denn das ist in wichtiger Punkt, der in der Debatte, die der Staatsseretär Otto im Hinblick auf die maritime Begleitung anestrebt hat, offensichtlich eine Rolle spielt. Wir wollen ier im Deutschen Bundestag jährliche Berichte diskueren. Wir wollen auch eine Offenlegung von entsprehenden Verträgen der Bundesregierung mit privaten Siherheitsfirmen, die über eine bestimmte Summe inausgehen, damit der Deutsche Bundestag darüber Becheid weiß. Wir haben Sie zu all dem in unserem Anag aufgefordert. Frau Keul, wenn es von Ihnen oder auch von anderen ritik gegeben hätte, dann wären wir immer dazu bereit ewesen, diesen Antrag zu verändern; stattdessen führen ie sozusagen auf den letzten Metern neue Anträge in ie Debatte ein. Wir haben ebenso für den internationalen Bereich orderungen aufgestellt. Wir haben gesagt, dass die Rafizierung der internationalen Konvention dringend notendig ist, weil es um ein internationales Handlungsfeld eht, auf dem es internationaler Anstrengungen bedarf. ir wollen aber gleichzeitig eine Konkretisierung der onvention und langfristig eine eigenständige völkerchtliche Regelung. Die Umsetzung all dieser Forderungen wäre dringend otwendig. Sie haben die Punkte in der Antwort auf die roße Anfrage angesprochen. Der Kollege Hoyer möge s mir – bei aller Sympathie und allen guten Wünschen r die weitere Arbeit – verzeihen, dass ich ihn damit onfrontiere: Ich bin schon ein wenig enttäuscht, dass ie Bundesregierung auf die Frage, inwiefern sie sich inrnational daran beteiligt, diesen Verhaltenskodex nicht ur zu ratifizieren, sondern ihn auch auszuarbeiten, gentwortet hat – hier zitiere ich aus der Antwort auf die roße Anfrage –: Die Bundesregierung hat sich nicht aktiv bei der Ausarbeitung des Verhaltenskodex engagiert, diesen Prozess aber … beobachtet. err Kollege Hoyer, ich finde, das ist zu wenig. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ei diesem Phänomen, das nicht nur für Sie von der
undesregierung, sondern auch für das Parlament im
inblick auf die internationale Situation eine Herausfor-
erung darstellt, hilft es nicht weiter, nur zu beobachten.
ir müssen hier gestalten. Die Bundesregierung hätte

as tun können.

Sie sind jetzt Mitglied im Sicherheitsrat. Sie hätten
ie Initiative an sich ziehen können. Sie hätten in Genf
ei der Lösung dieser Fragen eine wichtige Rolle spielen
önnen. Leider kam nichts. Das hat auch der Bundes-
ußenminister offenbart, als wir ihn gestern im Auswär-
gen Ausschuss gefragt haben: Was passiert denn ei-
entlich in diesem Bereich? Er wusste keine Antwort.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17411

Dr. Rolf Mützenich


(A) )


)(B)

Ich finde das schwierig; ich finde das schlecht für die
deutsche Außenpolitik.

Ich hoffe, dass in nächster Zukunft etwas getan wird,
nicht nur im Rahmen des Sicherheitsrats, sondern auch
im Rahmen der Europäischen Union; auch hier ist ein
Handlungsfeld gegeben. Die Regelungen sind dringend
notwendig, weil die Herausforderungen für Deutschland,
aber auch für die internationale Gemeinschaft sehr groß
sind. Deswegen werden auch wir, Frau Kollegin Keul,
uns nicht entmutigen lassen; wir werden weiterarbeiten.
Herr Kiesewetter, ich warte schon mit Spannung darauf,
wie Sie in dieser Legislaturperiode mit Ihrem Koali-
tionspartner – wenn Sie wollen, auch mit uns; wir wären
dabei – eine gemeinsame Regelung vorlegen wollen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714618000

Das Wort hat nun Bijan Djir-Sarai für die FDP-Frak-

tion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Bijan Djir-Sarai (FDP):
Rede ID: ID1714618100

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Die Debatte um private und militärische Sicher-
heitsunternehmen ist in den letzten Jahren besonders
aufgrund der internationalen Berichterstattung wieder
ins Rollen gekommen. Das Unternehmen Blackwater
Worldwide dürfte allen Kollegen ein einschlägiger Be-
griff sein. Auch mir sind die fragwürdigen Methoden
dieses Unternehmens unangenehm aufgefallen. Die
Schlagzeilen, die der Einsatz dieses Unternehmens ge-
macht hat, haben zu einer starken Verunsicherung in der
Bevölkerung sowie bei Regierungen und Parlamenten
geführt. Unkontrollierte Handlungen von privaten und
militärischen Sicherheitsunternehmen in jedem Fall zu
verhindern, ist daher das große Thema, das große Ziel.
Daher sehe ich es genauso wie Sie, meine Damen und
Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir bei
diesem Thema gar nicht so weit auseinanderliegen: Nie-
mand will, dass die Sicherheit in nicht stabilen Ländern
oder Regionen durch solche Tätigkeiten zusätzlich be-
droht wird. Trotzdem kann ich den vorliegenden Anträ-
gen an dieser Stelle nicht mehr als eine gute Intention
abgewinnen. Problematisch sind mehrere rechtliche wie
auch tatsächliche Aspekte.

Ganz zu Beginn stellt sich die Frage, wie überhaupt
private und militärische Sicherheitsunternehmen in Zu-
kunft verbindlich definiert werden. In den meisten Fäl-
len ist eine Vielzahl unterschiedlicher Tätigkeitsfelder
betroffen, die sogar im sogenannten Montreux-Doku-
ment nicht abschließend aufgeführt werden. Laut Mon-
treux-Dokument werden zivile und militärische Aktivi-
täten sogar auf einer Ebene angesiedelt. Es kann nicht
sein, dass sogar Unternehmen, die zivile Hilfstätigkeiten
ausführen, unter die Rubrik „privates und militärisches
Sicherheitsunternehmen“ fallen, nur weil sie für eine Si-
cherheitsbehörde arbeiten.

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(C (D In Bezug auf die nationale Ebene möchte ich erwähen, dass deutsche Unternehmen im Ausland für die undeswehr ausschließlich logistische und technische ufgaben übernommen sowie nichtmilitärische Überwa hung durchgeführt haben. Auch in Zukunft sind Einätze von privaten und militärischen Sicherheitsunterehmen nicht vorgesehen. Das Gewaltmonopol soll und uss daher beim Staat bleiben; so sieht das übrigens uch die Bundesregierung. Des Weiteren gibt es keine Kenntnisse darüber, dass eutsche Sicherheitsunternehmen bislang militärische eistungen im Ausland erbracht haben. Ich weiß nicht, o Sie ihre konkreten Beispiele herholen. (Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Das wird auch so bleiben!)


Herr Kollege, das habe ich ja auch gesagt. – Aus die-
em Grunde ist die Diskussion zumindest auf nationaler
bene derzeit nicht zielführend. Die Regulierung sorgt
um jetzigen Zeitpunkt nur für eines, nämlich für mehr
ürokratie. Im schlimmsten Fall könnte durch Zertifizie-
ng und Regulierung sogar ein Anreiz für Unternehmen

eschaffen werden, sich in diesem Bereich erst recht zu
ngagieren. Das ist mit Sicherheit nicht wünschenswert,
nd das will auch niemand in diesem Haus.


(Beifall bei der FDP)


Lässt man diese beiden großen Punkte weg, bleibt im-
er noch die Frage, wie die Arbeit dieser Unternehmen
Ausland überhaupt überprüft werden soll.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU])


as stelle ich mir ebenfalls sehr schwierig vor, wenn es
icht sogar unmöglich ist. Auf europäischer Ebene rei-
hen zum heutigen Zeitpunkt entsprechende Vorschrif-
n des Sanktionsrechts, des Gewerberechts und des Au-
enwirtschaftsrechts völlig aus, um Gefahren durch
ilitärische Sicherheitsunternehmen entgegenzutreten.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Johannes Selle [CDU/CSU])


Vor einigen Monaten ist ein weiterer Aspekt dieses
hemas näher diskutiert worden: Wie kann im mariti-
en Bereich stärker mit privaten und militärischen Si-

herheitsunternehmen zusammengearbeitet werden, um
as sehr hartnäckige Problem der Piraterie zu lösen? Die
undesregierung überprüft in diesem Zusammenhang
erzeit mögliche Regelungen zur Zertifizierung von Un-
rnehmen, die für Sicherheit auf deutschen Schiffen

orgen. Das ist ebenfalls eine interessante Diskussion,
ie ein selbstbewusstes Parlament zum gegebenen Zeit-
unkt führen muss.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1714618200

Das Wort hat nun Paul Schäfer für die Fraktion Die

inke.


(Beifall bei der LINKEN)


17412 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011


(A) )


)(B)


Paul Schäfer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714618300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fügt

sich in der Tat gut, dass wir die Debatte über private Si-
cherheitsdienstleister im Anschluss an die Debatte über
das Mandat für die Operation Atalanta diskutieren. Da-
mit ist klargestellt: Wir diskutieren nicht im luftleeren
Raum, sondern es geht um sehr praktische Dinge. Am
Horn von Afrika wird seit Jahren versucht, das Problem
der Piraterie mit militärischen Mitteln in den Griff zu be-
kommen. Ein durchschlagender Erfolg ist das nicht. Jetzt
sollen private Sicherheitsfirmen Abhilfe schaffen, die
man als Wach- und Begleitschutz einsetzen will. Das
folgt der sattsam bekannten Logik, Gewalt mit Gewalt
zu bekämpfen. Das Problem wird dabei nicht gelöst.

Was aber die Gewaltlogik im Fall der Privatisierung
angeht, haben wir das besondere Problem, zu klären, wie
die Wahrung rechtlicher Normen, klare Verantwortlich-
keiten sowie die Vermeidung unkontrollierbarer Eskala-
tion möglich sein sollen. Die Befürworter – oder zumin-
dest jene, die sagen, es geht nicht anders, als das
staatliche Gewaltmonopol aufzuweichen – führen ins
Feld, man wolle die Privaten klaren Regeln unterwerfen.
Aber ja doch: Auf dem Papier dürfte vermutlich stehen,
welche Waffen eingesetzt werden und welche Vorschrif-
ten für die Anwendung von Gewalt einzuhalten sind.
Solche Papiere, sprich: Verträge, gab es aber auch schon
beim Einsatz von Blackwater im Irak und in Afghanis-
tan. Wenn es dann Anwürfe, Klagen gibt, dann wird ein
solches Unternehmen kurzerhand dichtgemacht, es löst
sich in Luft auf, wird umbenannt und neu gegründet.
Blackwater heißt heute Xe Services. Das verweist doch
darauf, dass es überhaupt keine Garantien geben wird,
dass die rechtlichen Grenzen eingehalten werden und
dass es klare Verantwortlichkeiten gibt. Das spricht ge-
gen die Notwendigkeit, solche Gewaltbefugnisse an pri-
vate Firmen zu übertragen. Die Gefahr, dass ethische,
moralische und rechtliche Standards bröckeln, ist riesen-
groß. Warum sollte man eine Gefahr lostreten, wenn
man sie abwenden kann?


(Beifall bei der LINKEN)


Transparenz ist natürlich sinnvoll. Die öffentliche Re-
gistrierung und Zertifizierung von Sicherheitsunterneh-
men ist nicht von Übel. Wer wollte dem widersprechen?
Das fordert die SPD in ihrem Antrag. Abgesehen davon
muss man sagen, dass die demokratische Kontrolle in
diesem Milieu verdammt schwierig ist. Das zeigt der
Blick auf den Rüstungssektor und die Waffengeschäfte.
Das ist bei kommerziell ausgerichteten Söldner- oder Si-
cherheitsfirmen noch schwieriger. Sie haben keine Pro-
duktionsstandorte, die man kontrollieren könnte, und
überwiegend freie Mitarbeiter mit kleinem Handgepäck.
Das tödliche Know-how steckt im Kopf.

Entscheidend ist Folgendes – das werden wir in unse-
rem grundsätzlichen Antrag schreiben; darauf kommt es
nämlich an –:

Erstens. Die Bundeswehr soll keine Aufträge an aus-
ländische Unternehmen wie Xe Services zu militäri-
schen Unterstützungsleistungen vergeben.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Zweitens. Deutschen Firmen soll gesetzlich untersagt erden, Leistungen der Gefechtsunterstützung, der milirischen Beratung und Informationsbeschaffung und er Gewährleistung militärischer Sicherheit zu erbrinen. Das sind konkrete Forderungen. Darauf kommt es an; enn noch gibt es keine deutschen Großfirmen – diesbeüglich hat der Kollege Bijan Djir-Sarai recht –, die, wie yncorp, solche Dienstleistungen im Ausland anbieten. och kann man die Tür also zuhalten, und genau darauf ommt es an. Wir wollen die Tür nicht durch Zertifizieng aufstoßen, sondern wir wollen sie zuhalten. ir wollen auch ein klares Zeichen setzen und die interationale Debatte von Deutschland aus beeinflussen. Klar, das ist kein temporäres Einzelphänomen mehr das macht das Problem aus –, aber sich jetzt damit ein urichten, das wäre Fatalismus. Da gehen wir nicht mit. h glaube, die Frage muss anders beantwortet werden: a, wir wollen diese moderne Form des Söldnertums icht, und ja, wir wollen diese Fehlentwicklung zurückrehen. s kann doch schlicht und einfach nicht sein, dass Siherheit nur unter ökonomischen Kostengesichtspunkten esehen wird. Staaten sind doch keine Diskos, die Türteher anstellen. Staaten sind auch keine Läden, die ihre innahmen vom Wachdienst abholen lassen. Irak und in Afghanistan wurden einschlägige Erfahngen gemacht, die von der Politik endlich einmal kon equent verarbeitet werden müssen. Ein letzter Satz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es äre ein erster symbolischer Schritt, wenn Deutschland ie Internationale Konvention gegen die Anwerbung, en Einsatz, die Finanzierung und die Ausbildung von öldnern ohne Wenn und Aber umgehend ratifizieren ürde. Dazu fordern wir Sie heute auf. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Das Wort hat der Kollege Robert Hochbaum für die DU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714618400


Robert Hochbaum (CDU):
Rede ID: ID1714618500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ir beraten heute Anträge, die zumindest teilweise in

ie richtige Richtung gehen, bei genauerer Betrachtung
r uns jedoch leider nicht zustimmungsfähig sind.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17413

Robert Hochbaum


(A) )


)(B)

Lassen Sie mich zunächst auf die Anträge der SPD
und der Grünen eingehen. Hier ist unter anderem als Be-
gründung zu lesen, dass die Reduzierung der Bundes-
wehr zu einer verstärkten Inanspruchnahme privater mi-
litärischer Sicherheitsunternehmen führen kann – ich
betone: kann – und deshalb eine Zertifizierung notwen-
dig ist. Auch lese ich von umfangreichen Berichten, die
gefordert werden. Sie können doch nicht tatsächlich er-
warten, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt ein neues büro-
kratisches Monstrum schaffen. Ein solches fordern Sie
ein, wenn Sie es auch nicht wahrhaben wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Natürlich sehen auch wir Handlungsbedarf, jedoch
nicht so, wie von Ihnen hier im Einzelnen dargestellt.


(Beifall bei der FDP)


Es kann doch nicht sein, dass Sie, obwohl wir immer für
einen Abbau der Bürokratie kämpfen, an dieser Stelle
vehement nach Bürokratie rufen. Wenn wir uns diesem
Thema nähern – das müssen wir in naher Zukunft; das
haben wir heute schon gehört –, sollten wir gerade da-
rauf besonders achten.

Sie begründen Ihren Antrag mit Negativbeispielen
aus anderen Staaten. Da stellt sich für mich natürlich die
Frage, ob Sie die Unternehmen in Deutschland sozusa-
gen prophylaktisch mit in Haftung nehmen wollen, ob
Sie alle erst einmal unter Generalverdacht stellen, um sie
dann einer Prüfung zu unterziehen. Meiner Meinung
nach ist das nicht der richtige Weg. Was in anderen Län-
dern schiefgegangen ist, sollte nicht automatisch auf
Deutschland übertragen werden. Wir brauchen eigene
Lösungen.

Ich unterstelle Ihnen, meine Damen und Herren von
der SPD und von den Grünen, dass Sie es gut gemeint
haben. Ich glaube aber nicht, dass Sie der Sache, zumin-
dest in der vorliegenden Form, einen Gefallen getan ha-
ben. Wie sieht es denn in Wirklichkeit aus? Wenn es tat-
sächlich sogenannte schwarze Schafe bei den privaten
Sicherheitsunternehmen gibt, werden sich diese sicher-
lich nicht in Deutschland zertifizieren lassen. Sie agieren
dann durch Firmenneugründungen oder Zweitniederlas-
sungen in anderen, problematischen Staaten. Man findet
in Ihren Anträgen keine Vorschläge, wie man einer sol-
chen Problematik Herr werden kann.

Nur um den Versuch zu unternehmen, dem einen Rie-
gel vorzuschieben, müsste weltweit überwacht und kon-
trolliert werden. Ganz zu schweigen davon, dass dies nur
sehr schwer möglich wäre, müsste verhindert werden,
dass die Kosten einer solchen gigantischen Aufgabe aus-
ufern. Letztendlich müsste wieder einmal der deutsche
Steuerzahler die Zeche zahlen. Dem können und wollen
wir auf gar keinen Fall zustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714618600

Möchten Sie die Zwischenfrage der Kollegin Keul

zulassen?

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(C (D Nein, ein anderes Mal. Das ist also nicht der Fall. Abschließend lässt sich zu den Anträgen der SPD und er Grünen sagen, dass wir in Deutschland bereits anere Regelungswerke haben, zum Beispiel das EUanktionsrecht, das Gewerberecht oder das Außenwirtchaftsrecht, um falschen oder korrupten Entwicklungen ntgegenzuwirken. Diese und andere rechtliche Regengen sollten wir erst einmal auf ihre Wirksamkeit prün. Erst danach sollten wir überlegen, ob wir neue Re elungen brauchen. Nun noch einige Worte zum Antrag der Linken. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Der ist gut, oder?)

Robert Hochbaum (CDU):
Rede ID: ID1714618700
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714618800
Robert Hochbaum (CDU):
Rede ID: ID1714618900

icht nur, dass Ihr Antrag – zumindest in der schriftli-
hen Form – ein wenig lieblos mit kaum einer Begrün-
ung daherkommt, er zielt eigentlich darauf ab, ein ge-
erelles Verbot von privaten Sicherheitsfirmen im
uslandseinsatz zu erwirken.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der LINKEN: Genau! Das ist richtig so!)


as halten wir für wenig sinnvoll.

Sicherlich ist ein Söldnereinsatz in Krisengebieten
bzulehnen,


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wo ist denn ein Söldnereinsatz nicht abzulehnen?)


ber es gibt heute durchaus sinnvolle Sicherheitspartner-
chaften mit privaten Dienstleistern, beispielsweise bei
umanitären Einsätzen oder bei der Ausbildung lokaler
icherheitskräfte. Es soll sogar zivile Aufbauhelfer ge-
en, die einen Schutz durch solche Sicherheitsfirmen be-
orzugen, um nicht zu eng mit militärischen Kräften zu
perieren. Also, auch private Dienstleister sorgen somit
nter Umständen aktiv für Sicherheit und Frieden.

Ebenso ist es wenig zielführend, dieses Thema so ver-
ürzt zu betrachten, wie Sie es getan haben, und nicht
etailliert auf die mit Sicherheit wichtigen Probleme und
rsachen einzugehen. Ich kann dazu nur sagen: Thema
erfehlt! Wir lehnen auch diesen Antrag ab.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Sehr geehrte Damen und Herren, mein Blick geht in
ichtung SPD und Grüne. Ich sagte schon zu Beginn
einer Rede: Ihre Anträge, denen wir in der vorliegen-

en Form nicht zustimmen können, weisen zumindest
ilweise in die richtige Richtung. Darum – ich kann hier
atürlich nur für die CDU/CSU sprechen – sind die Türen
u weiteren Verhandlungen von unserer Seite nicht ver-
chlossen. Die Messlatte liegt jedoch hoch. Sie liegt,
enn es an der Zeit ist, bei einer kostengünstigen, prakti-

17414 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Robert Hochbaum


(A) )


)(B)

kablen, nicht überbürokratisierten und rechtlich sicheren
Lösung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714619000

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/7640 an die Ausschüsse vorgeschlagen,
die Sie in der Tagesordnung finden. Damit sind Sie ein-
verstanden? – Dann ist das so beschlossen.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Auswärti-
gen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD
mit dem Titel „Nichtstaatliche militärische Sicherheits-
unternehmen registrieren und kontrollieren“. Der Aus-
schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 17/7998, den Antrag der Fraktion der SPD
auf Drucksache 17/4198 abzulehnen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Was macht die Linke?


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wir haben zugestimmt! Wir waren die Ersten, die zugestimmt haben!)


– Sorry, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.


(Heiterkeit)


Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen bei
Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen und die
Linke. Die SPD hat dagegen gestimmt. Bündnis 90/Die
Grünen hat sich enthalten.

Beschlussempfehlung des Verteidigungsausschusses
zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel
„Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Ratifizierung der ‚In-
ternationalen Konvention gegen die Anwerbung, den
Einsatz, die Finanzierung und die Ausbildung von Söld-
nern‘ der Generalversammlung der Vereinten Nationen“.
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 17/5799, den Antrag der Fraktion Die
Linke auf Drucksache 17/4663 abzulehnen. Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist
angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfrak-
tionen; abgelehnt haben die Oppositionsfraktionen.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 10 auf:

– Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)

zu dem Antrag der Bundesregierung

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
scher Streitkräfte an der EU-geführten Opera-
tion „ALTHEA“ zur weiteren Stabilisierung
des Friedensprozesses in Bosnien und Herze-
gowina im Rahmen der Implementierung der
Annexe 1-A und 2 der Dayton-Friedensverein-
barung sowie an dem NATO-Hauptquartier
Sarajevo und seinen Aufgaben, auf Grundlage
der Resolution des Sicherheitsrates der Ver-

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(C (D einten Nationen 1575 tionen – Drucksachen 17/7577, 17/7997 – Berichterstattung: Abgeordnete Philipp Mißfelder Dr. Rolf Mützenich Dr. Rainer Stinner Sevim Dağdelen Marieluise Beck – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung – Drucksache 17/7999 – Berichterstattung: Abgeordnete Herbert Frankenhauser Klaus Brandner Dr. h. c. Jürgen Koppelin Michael Leutert Sven-Christian Kindler Über die Beschlussempfehlung werden wir später naentlich abstimmen. Hierzu ist verabredet, eine halbe Stunde zu debattien. – Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann t das so beschlossen. Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Rainer Stinner r die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1714619100

Frau Präsidentin! Auch nach 16 Jahren Engagement

der Region, um die es nun geht, müssen wir feststel-
n: Der militärische Einsatz, den wir damals begonnen
atten, war notwendig. Im Rückblick können wir sagen:
r war außerordentlich erfolgreich.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Na ja!)


r hat dazu geführt, dass die grausamen Bilder, die wir
lle noch in Erinnerung haben, der Vergangenheit ange-
ören, dass die Situation in Bosnien-Herzegowina we-
entlich besser geworden ist und wir jetzt von einem
iedlichen Umfeld reden können.

Erinnern wir uns daran: Wir hatten ursprünglich über
0 000 Soldaten in der Region. Jetzt sind es noch einige
undert, vielleicht tausend. Insgesamt sind gegenwärtig
ur noch vier deutsche Soldaten in Bosnien-Herzego-
ina stationiert – nur noch vier.

Aber natürlich ist es auch weiterhin wichtig und rich-
g, dass wir als Europäer in diesem geschundenen Land
ilitärische Präsenz aufrechterhalten, und zwar aus

ymbolischen Gründen. Wir wollen deutlich machen,
ass wir nicht gewillt sind, eine Rückkehr in alte Zeiten
uzulassen, dass wir nicht gewillt sind, dass wieder Bür-
erkriegssituationen entstehen.

Aus diesem Grunde umfasst das Mandat auch die Er-
ächtigung, dass wir neben den Soldatinnen und Solda-
n vor Ort ein Reservebataillon vorhalten – „over the

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17415

Dr. Rainer Stinner


(A) )


)(B)

horizon“, nennt man das –, das bei Bedarf eingeflogen
werden kann, um eventuell notwendige Maßnahmen
dort durchzuführen. Das ist völlig richtig; das ist wich-
tig. Aus diesem Grunde ist auch die Obergrenze des
Mandats mit 800 Soldaten völlig richtig. Wir erinnern
uns: Ein Bataillon hat circa 600 Leute, mit Unterstüt-
zung circa 700 Leute. Das Mandat ist völlig richtig zuge-
schnitten.

Aber natürlich wissen wir alle, dass das nur eine Seite
der Medaille ist. Worauf es auch hier wieder ankommt
– wir können zu diesem Bereich ähnliche Reden halten
wie zuvor –: Es ist uns klar: Das Militär ist nur ein Teil
der Problemlösung gewesen. Die wesentliche Problem-
lösung muss natürlich auch in Bosnien-Herzegowina auf
der politischen Ebene erfolgen. Hier sehen wir leider bis
zum heutigen Tag nicht die Erfolge, auf die wir alle ge-
wartet haben und die dringend notwendig sind, um das
Land zu befrieden, um das Land vor allen Dingen inner-
lich zu befrieden, um das zu erreichen, was wir ja wol-
len: im Sinne des europäischen Lebensgefühls gute
Nachbarschaft hervorzurufen. Von guter Nachbarschaft
ist man bedauerlicherweise in Bosnien-Herzegowina
heute nach wie vor meilenweit entfernt. Das bedauern
wir außerordentlich.

Aus diesem Grunde ist auch weiterhin internationale
Unterstützung, internationale Präsenz in diesem Land
politisch notwendig.

Jetzt kommt routinemäßig, liebe Frau Beck – ich kann
es uns beiden nicht ersparen –, unsere Auseinanderset-
zung über die Rolle des OHR. Ich bin nachhaltig dafür
– die Bundesregierung ist es auch –, dass die Rolle des
OHR überflüssig geworden ist und deshalb abgeschmol-
zen werden soll.

Wir haben mittlerweile einen europäischen SR, einen
europäischen Special Representative, Herrn Sörensen.
Er hat seine Arbeit gerade aufgenommen, und ich höre,
dass er in der Region sehr gut ankommt und sehr gut an-
genommen wird, dass er mit dem richtigen Ton, mit der
richtigen Intention in die Region hineingeht. Genau das
muss die Richtung sein: mit europäischen Instrumenten,
mit europäischen Wertehaltungen das Land näher an die
Europäische Union zu bringen.


(Beifall bei der FDP – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU/CSU klatscht nicht!)


Wir alle wissen aber auch: Mit dem Rahmen, den wir
geben, sowohl durch die Bereitschaft, militärisch noch
präsent zu sein, wenn es denn notwendig ist – zum
Glück war das ja schon lange nicht mehr der Fall –, als
auch durch die Bereitschaft, politisch flankierend tätig
zu sein, können wir nur eine Hilfestellung geben. Die
Botschaft an das Land Bosnien-Herzegowina muss ein
weiteres Mal lauten: Die Tür nach Europa steht offen.
Durch die Tür müsst ihr, muss Bosnien-Herzegowina,
selber gehen. Dabei können wir euch nur unterstützen.
Aber den Weg müsst ihr selber beschreiten, so schwer er
auch sein mag.

Wir erleben im Augenblick die Situation, dass Bos-
nien-Herzegowina anderthalb Jahre nach der Wahl noch

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(C (D eine Regierung hat. Das ist auch in einem anderen Land Europa der Fall. Natürlich ist das auf Dauer nicht ünschenswert. Deshalb: Da das so ist und wir eine anere Situation nicht erzwingen können – wie sollten wir as auch tun? –, müssen wir versuchen, um eine Regieng herum zu helfen. Das heißt, wir müssen versuchen, n konkreten Projekten zu arbeiten und so Unterstützung u geben, damit die Lebenswirklichkeit der Menschen nd die wirtschaftliche, die gesellschaftliche und die echtssituation in Bosnien-Herzegowina verbessert weren, sodass die Leute merken, dass es Fortschritte gibt nd diese Fortschritte durch unsere Hilfe zustande komen. Das betrifft zum Beispiel den Justizdialog und den ufbau eines Justizwesens. Hier können wir Projekte nstoßen und durchführen, ohne dass wir unbedingt auf ine Regierung – es wäre natürlich besser, wenn es eine äbe – eingehen müssen. Wir wissen natürlich auch, welche Blockaden es in osnien-Herzegowina gibt. Wir sind uns sehr einig auch wir beide, Frau Beck –, wenn ich sage, dass Herr odik ein Störfaktor erster Ordnung ist und dass mittlereile auch die Kroaten – Herr Covic – alles andere als ine positive Rolle spielen, wenn es darum geht, einen emeinsamen Staat aufzubauen. Wir sagen aber sehr eutlich, auch hier und heute: Wir werden nicht erlauen, dass hier Desintegrationstendenzen Platz greifen, ondern wir erwarten, dass Bosnien-Herzegowina geeinsam den Weg nach Europa gehen kann. Andernfalls ird dieser Weg für dieses Land außerordentlich schwieg sein. Es gibt allerdings eine weitere Möglichkeit, mit dieser ituation umzugehen. Wenn es nicht möglich ist, dass osnien-Herzegowina die Reformen, die notwendig ind, von sich aus in Angriff nimmt, dann müssen wir afür sorgen, dass um Bosnien-Herzegowina herum ein ordon von Staaten entsteht, die schrittweise näher an uropa herankommen. Das Thema Montenegro haben ir diese Woche behandelt. Was Serbien betrifft, gibt es egenwärtig Schwierigkeiten. Ich gehe zum jetzigen eitpunkt davon aus, dass wir dem Land am 9. Dezemer dieses Jahres in Brüssel nicht den Kandidatenstatus erleihen können. Wir haben den Serben in ganz einfahen, platten Worten gesagt: Wenn sich nichts ändert, ndert sich nichts. – Hier muss an die Serben appelliert erden, dass sie weitere Schritte unternehmen. Wenn sie eine signifikanten Fortschritte machen, dann müssen ir sagen: Liebe Leute, wir können euch diesen Status tzt noch nicht geben, obwohl wir bereit sind, diesen eg mit euch gemeinsam zu gehen. Das gilt auch für andere Länder, zum Beispiel für Maedonien; auch hier müssen wir etwas tun. Ich glaube, iesen Weg sollten wir gehen. Wir müssen das Commitent, das wir 2003 gemeinsam gegeben haben, einhalten nd deutlich machen: Der westliche Balkan ist Teil Eupas, und er soll Teil einer friedlichen, demokratischen nd rechtsstaatlichen Europäischen Union sein. Diesen eg wollen wir gehen und unterstützen. Ein Beitrag dazu ist die Verlängerung des Mandats, ie wir heute beschließen. Meine Fraktion wird der Ver 17416 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Dr. Rainer Stinner )


(A) )

längerung des Mandats heute ein weiteres Mal zustim-
men.

Schönen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714619200

Michael Groschek spricht jetzt für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Michael Groschek (SPD):
Rede ID: ID1714619300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Ja, auch wir werden der Mandatsverlängerung
zustimmen. Ein ehemals sehr großes europäisches Mili-
tärengagement wird jetzt im Grunde in eine Ausbil-
dungsmission umgewandelt, bei der das Militär nur noch
der kleinste Teil, der zu mandatierende Teil ist.

Althea ist ein gutes Beispiel für eine funktionierende
zivil-militärische Kooperation und ein gutes Beispiel für
eine funktionierende Kooperation zwischen NATO und
EU und zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten der EU.
Es war nicht selbstverständlich, dies zu prognostizieren;
denken Sie nur an den Beginn der Mission. Aber seit
2004, als durch den Einsatz von 7 000 Militärs aus SFOR
EUFOR wurde, ist dieses Mandat einem Wandel unterzo-
gen worden, der noch im letzten Jahr zu heftigen Aus-
einandersetzungen zwischen der Kollegin Beck und dem
Kollegen Stinner geführt hat. Vor einem Jahr ging es um
die Frage: Rückzug und Wandel – ist das Flucht aus der
Verantwortung? Das war jedenfalls – zugespitzt – die
Formulierung der Kollegin Beck. Der Vorwurf war, die
Darstellung der Beendigungsperspektive in Bezug auf
das Mandat sei pure Schönrednerei, weil sie in Deutsch-
land zwar innenpolitisch notwendig, aber angesichts der
Sicherheitslage außenpolitisch verantwortungslos sei.

Ich glaube, wir sind heute einen Schritt weiter. Die mili-
tärische Sicherheitslage in Bosnien-Herzegowina ist
durchaus als solide zu bezeichnen. Politisch gibt es we-
sentlich größere Probleme. Diese hat die CDU/CSU auch
auf den Punkt gebracht. In der Sitzung des Verteidigungs-
ausschusses haben die Kolleginnen und Kollegen der
CDU/CSU sehr deutlich gemacht, dass militärische Prä-
senz nicht die Ausrede für außenpolitische Orientierungs-
und Ratlosigkeit sein darf.

Diesen Vorhalt können wir nur teilen. Wir glauben,
dass unter anderem auf dem Balkan die Orientierung der
deutschen Außenpolitik verloren gegangen ist und dass
hier deshalb im Grunde über ein Mandat diskutiert wird,
ohne eine klare Orientierung dafür zu haben, was wir
jenseits dieser Mandatierung wollen und wie wir die
Einladung, die 2003 ausgesprochen wurde – im Hause
Europas sind noch Zimmer frei –, in die Tat umsetzen
wollen. Hier würden wir uns eine aktivere deutsche au-
ßenpolitische Rolle wünschen. Hier können wir Sie,
liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU, nur un-
terstützen, sich in der Koalition durchzusetzen.


(Beifall bei der SPD)


Seit 2003 gilt: Der Westbalkan gehört zu Europa.
Auch Serbien gehört zu Europa, aber Serbien hat eine

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(C (D oppelte Verantwortung: sowohl für Bosnien-Herzegoina als auch für den Kosovo und den Norden des Ko ovo. Serbien muss wissen, dass aggressive Rhetorik, ationalismus und Revanchismus kein Schlüssel für den eitritt in das Haus Europa sein kann und dass es durch in solches revanchistisches Verhalten und das Fördern on Nationalismen keine Eintrittskarte für die Europäiche Union erhält. Deshalb kann man an Serbien nur apellieren, sich zu besinnen, dass es eine Einheit – auch ine serbische Einheit – nur bei einer europäischen Eineit geben kann. Serbischer Großnationalismus wird ich in Europa nicht durchsetzen. Deshalb brauchen wir ine andere Perspektive in der serbischen Politik. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Michael Brand [CDU/CSU] und Dr. Rainer Stinner [FDP])


Das führt dazu, dass wir über die Wölfe im Schafspelz
den müssen. Wir haben unter anderem von General
ühler aktuell gehört, dass manches, was als ethnische
entität dargestellt wird, im Grunde nur eine Verklei-

ung für Korruption und Mafia ist.


(Beifall der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut! Der Mann weiß, wovon er redet!)


as muss man dann allerdings schon so präzise benen-
en, damit deutlich wird, dass vernetzte Sicherheit neben
er militärischen Komponente im zivilen Bereich vor al-
n Dingen eines gewährleisten muss: eine konsequente
trafverfolgung. Das ist die Voraussetzung für ein Si-
herheitsgefühl, auf das die Menschen Anspruch haben.
ur wenn es gelingt, nach der militärischen Sicherheit

uch juristische und polizeiliche Sicherheit zu gewähr-
isten, werden wir Erfolg dabei haben, den Menschen
as Gefühl zu geben: Der staatliche Aufbau und die
echtsstaatlichkeit machen Fortschritte.

Deshalb abschließend: Ja, die deutsche Außenpolitik
räuchte einen neuen Schwung. Wenn Sie die Debatten
on heute Nachmittag Revue passieren lassen, dann er-
ennen Sie, dass in jeder Debatte ein ähnliches Element
orkam, nämlich die Kritik daran, dass unsere Außen-
olitik orientierungslos geworden ist und dass sie eben
icht die klaren Perspektiven bietet, die nottäten. Das
ilt auch im Zusammenhang mit Bosnien-Herzegowina
nd dem westlichen Balkan.

Deshalb ermutigen wir Sie von der Union: Machen
ie Ihrem Koalitionspartner Dampf, solange das noch
otwendig ist. Es werden andere Zeiten kommen,


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das kann aber lange dauern!)


denen die Außenpolitik nach innen und außen wieder
erlässlich und Berechenbarkeit ein Gütesiegel dieser
olitik wird.


(Beifall bei der SPD)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17417


(A) )


)(B)


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714619400

Philipp Mißfelder hat das Wort für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Philipp Mißfelder (CDU):
Rede ID: ID1714619500

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich auf unsere
Verantwortung hinweisen – auch Kollege Stinner hat dies
sehr eindringlich getan –, die wir bei dieser Entscheidung
haben. Vor 16 Jahren ereignete sich das eigentlich für un-
möglich Gehaltene mitten in Europa, nämlich dass wir
Krieg und Zerstörung nach so langer Zeit wieder in Eu-
ropa akzeptieren mussten.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir mussten es nicht akzeptieren, wir haben es akzeptiert!)


– Wir wollten es nicht akzeptieren. Dies alles hat trotz-
dem vor unserer Haustür stattgefunden, und zwar wegen
der Unfähigkeit der europäischen Gemeinschaft, dieses
Problem in Europa zu lösen.

Deshalb muss man natürlich an dieser Stelle sagen,
dass auch nach so langer Zeit dem NATO-Einsatz und all
denjenigen ein großer Dank gebührt, die überhaupt bereit
gewesen sind, vor allem die Amerikaner, die Verantwor-
tung, der wir Europäer allein nicht gerecht geworden sind,
zu übernehmen und letztendlich für Frieden und Sicher-
heit in Europa zu sorgen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das Problem und damit auch die größte Herausforde-
rung für die Zukunft sind natürlich, einen dauerhaften
Frieden in Europa zu implementieren. Dazu gehört auch
diese Region, selbst wenn die Länder im Westbalkan
nicht Teil der Europäischen Union sind. Wir müssen so-
wohl politisch als auch wirtschaftlich dort, wo es not-
wendig ist, sehr viel Engagement daransetzen. Wir spre-
chen in diesem Rahmen auch über ein militärisches
Mandat, um durch das militärische Engagement deutlich
zu machen, dass wir als Europäische Union ein großes
Interesse daran haben, diese Probleme vor unserer Haus-
tür – nein, eigentlich in Europa – selbst zu lösen.

Es ist seit 1995 sehr viel Erfreuliches passiert. Slowe-
nien ist 2004 Mitglied der EU geworden, Kroatien steht
nach dem aktuellen Fortschrittsbericht vor einer Auf-
nahme. Die Länder des westlichen Balkans, auch Bos-
nien und Herzegowina, sehen ihre Zukunft eindeutig in
Europa. Die EU ist für Bosnien und Herzegowina der
mit Abstand wichtigste Handelspartner. Diese Länder
dauerhaft an uns zu binden, ist natürlich ein viel wichti-
gerer Schritt als das militärische Engagement, auf das
wir auch nicht den Schwerpunkt legen, selbst wenn wir
hier über ein Mandat der Bundeswehr diskutieren. Es ist
hier schon sehr deutlich geworden – auch durch die Bei-
träge der Vertreter der Koalitionsfraktionen –, dass wir
eine politische Lösung anstreben und dass das militäri-

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(C (D che Engagement nur eine Komponente der größeren olitischen Lösung sein soll. Die Operation Althea der EUFOR ist die bislang rößte militärische Operation der Europäischen Union. er Einsatz ist durch das Völkerrecht legitimiert und om Sicherheitsrat mandatiert. Althea ist ein Einsatz mit roßer Verantwortung. Die größte Kontingentstärke der undeswehr betrug 1 139 Soldaten. 2007 beschlossen ie EU-Verteidigungsminister, die Truppenstärke in vier tufen von 6 000 Soldaten auf die heutige Gesamtstärke on 2 000 Mann zu verringern, was zunächst einmal eine ute Entwicklung ist. Nichtsdestotrotz, gerade auch aus ktuellem Anlass im Zusammenhang mit anderen Manaten, bleibt diese Region eine große, auch militärische erausforderung. Deshalb ist dieses Mandat auch weirhin notwendig. Ich möchte auch bei dieser nicht einfachen Mission auch wenn sie nicht vergleichbar ist mit anderen aktu llen Einsätzen der Bundeswehr –, wie es eigentlich mer bei diesen Debatten der Fall sein sollte, den Bun eswehrangehörigen, den Frauen und Männern der deutchen Bundeswehr, gerade jetzt in der Adventszeit herzch für ihren großen Einsatz danken, den sie im Rahmen ieser EUFOR-Mission leisten. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was tun die Männer und Frauen der Bundeswehr, was
n wir in Bosnien-Herzegowina im Rahmen von Althea?
ie sorgen für die Einhaltung des Friedensvertrages von
ayton. Sie stellen sicher, dass sich internationale Orga-
isationen und NGOs in Bosnien frei bewegen können,
m ihre Arbeit zu tun, und sie überwachen die Einhal-
ng des Rüstungskontrollabkommens. All das sind keine

infachen Aufgaben.

Dies entbindet nicht davon, politisch auch weiterhin
ktiv zu sein und daran zu arbeiten, dass sich gerade
uch im zivilen Bereich Strukturen herausbilden können,
ie dauerhaft selbst und eigenständig für eine funktionie-
nde Polizei und für Militärstrukturen sorgen können.
azu gibt es natürlich nach wie vor große offene Fragen,
ie wir auch diskutieren müssen. Außerhalb dieses Man-
ats geht es natürlich darum, welche Möglichkeiten die
uropäische Union überhaupt hat, dort stabilisierend
inzugreifen und auf welche Strukturen und Institutio-
en man sich überhaupt verlassen kann.

Unser Kompass ist dabei klar: Wir übernehmen Ver-
ntwortung für Frieden und Sicherheit in Europa und
ollen das auch weiterhin tun. Wir arbeiten an einem

tabilen und sicheren Bosnien. Wir wollen vor diesem
intergrund zwar diesen militärischen Beitrag so schnell

s geht beenden, aber da er zurzeit noch notwendig ist,
ird unsere Fraktion heute für eine Verlängerung dieses
insatzes stimmen.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714619600

Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage der

ollegin Marieluise Beck zulassen?

17418 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011


(A) )


)(B)


Philipp Mißfelder (CDU):
Rede ID: ID1714619700

Nein. Ich bin schon fertig.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714619800

Es wäre jetzt eine Kurzintervention möglich.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie hat doch gleich noch das Wort!)


Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Nein, keine Kurzintervention.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714619900

Dann gebe ich der Kollegin Annette Groth für die

Fraktion Die Linke das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Annette Groth (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714620000

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Wieder einmal soll der Einsatz deutscher Streit-
kräfte in Bosnien verlängert werden. 6,8 Millionen Euro
sollen im nächsten Jahr für diesen sinnlosen Einsatz aus-
gegeben werden. Während andere europäische Staaten
ihre Truppen abziehen, will die Bundesregierung ein
Mandat für den Einsatz von 800 Soldaten.

Dieser Militäreinsatz ist nicht nur sicherheitspolitisch
fragwürdig. Viele unabhängige Beobachter meinen so-
gar, er blockiere geradezu jeglichen politischen Fort-
schritt.


(Dr. Rainer Stinner [FDP]: Wer sagt das?)


Nehmen Sie sich ein Beispiel an anderen europäischen
Staaten! Ziehen Sie endlich die deutschen Truppen vom
Balkan ab!


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke steht im Gegensatz zu allen anderen Fraktio-
nen für die Beendigung dieses Einsatzes.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Lage in Bosnien-Herzegowina ist katastrophal.
Daran haben auch die deutschen Truppen nichts geän-
dert. Es ist verheerend, welche Signale die deutsche
Balkanpolitik aussendet. Ihre völkerrechtswidrige Aner-
kennung der einseitigen Unabhängigkeitserklärung des
Kosovo fällt in Bosnien auf fruchtbaren Boden. Mit die-
ser Anerkennung haben Sie kroatischen, serbischen und
bosniakischen Nationalisten in Bosnien geradezu in die
Hände gespielt. Die Linke dagegen steht gegen diese
völkerrechtswidrige Anerkennungspolitik.


(Beifall bei der LINKEN)


Diese Politik schürt immer nur neue Konflikte. Mit
welchem Recht wollen Sie dem Anspruch der bosni-
schen Serben oder der serbischen Kosovaren auf einen
eigenen Staat entgegentreten, wenn Sie gleichzeitig die

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(C (D inseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo anerennen? (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Das haben Sie immer noch nicht verstanden!)


Es ist auch beschämend, dass die Bundesregierung
ichts, aber auch gar nichts für den sozialen Zusammen-
alt von Bosnien-Herzegowina getan hat. Statt beispiels-
eise einen öffentlichen Dienst in Bosnien zu fördern,
er diesen Namen auch verdient, wurde eine Privatisie-
ngspolitik gefördert, von der vor allem die nationalisti-

chen Kräfte aller Seiten profitiert haben. Die Linke
teht gegen diese Förderung des Nationalismus. Es ist
in Skandal, dass von den Milliarden an Hilfsgeldern für
osnien so wenig bei der Bevölkerung ankommt.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie beschwören in Bosnien geradezu das völkerrecht-
che Prinzip der territorialen Integrität, welches Sie zu-
leich im Kosovo mit Füßen treten. Sie warnen vor Se-
aratisten und ethnischen Einzelinteressen in Bosnien
nd lassen keine Gelegenheit aus, um sich über die UN-
esolution 1244 oder die souveränen Grenzen Serbiens
inwegzusetzen, notfalls auch durch Gewaltanwendung
er KFOR oder durch tatkräftige Unterstützung der Poli-
isten von EULEX.

Die Linke steht dagegen für die Verteidigung des Völ-
errechts.


(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Da müssen Sie selber lachen!)


ie Linke kämpft gegen Ihre Politik der doppelten Stan-
ards,


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Doppelte Standards machen Sie sonst nur gegenüber Israel!)


ie schon so viel Unheil angerichtet hat. Die Linke ist
uch gegen eine Politik der militärischen Lösungen und
er Militärprotektorate. Deshalb lehnen wir diesen Bun-
eswehreinsatz ab.


(Beifall bei der LINKEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Wissen Sie eigentlich, wie viele Soldaten die Bundeswehr dorthin entsendet?)


Während Sie gegenüber Serbien die Anerkennung der
inseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovo zur
edingung für einen EU-Beitritt machen, hofieren Sie
utmaßliche Kriegsverbrecher, wie diese Woche im
undestag den Chef einer kosovarischen Todesschwa-
ron, Xhavit Haliti.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Wer war denn eigentlich damals bei Milosevic?)


as wollen Sie den Menschen auf dem Balkan damit si-
nalisieren?

Ich komme zum Schluss.


(Peter Beyer [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17419

Annette Groth


(A) )


)(B)

Die deutsche Balkanpolitik nach dem Prinzip „Teile und
herrsche!“ ist an Heuchelei nicht zu überbieten. Die
Linke will, dass deutsche Außenpolitik endlich wieder
Friedenspolitik wird. Setzen Sie dafür ein Zeichen! Zie-
hen Sie die Bundeswehr aus Bosnien ab! Beenden Sie
Ihre Politik der doppelten Standards!

Danke.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714620100

Marieluise Beck hat jetzt das Wort für Bündnis 90/

Die Grünen.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Bitte gestatten Sie mir, eine Minute über ein anderes
Land zu sprechen, bevor wir zu Bosnien kommen, näm-
lich über Belarus. Gestern sind in Minsk gegenüber
Dmitrij Konowalow und Wladislaw Kowaljow Todesur-
teile ergangen, von denen wir nicht wissen, ob sie nicht
vielleicht schon heute vollstreckt worden sind – zwei To-
desurteile nach völlig zweifelhaften Prozessen nach ei-
nem ominösen Anschlag in der U-Bahn im vergangenen
Frühjahr, von dem niemand weiß, ob die Spuren nicht
eher zum KGB und in den Präsidentenpalast führen als
zu diesen beiden Männern. Es gibt niemanden, der ir-
gendeine Verbindung zu diesen beiden jungen Männern
hat, die nach zwölf Stunden gestanden haben sollen.

Ich möchte zunächst meinem Entsetzen über dieses
Urteil Ausdruck verleihen, gegen das keine Revision zu-
gelassen wurde, und außerdem von dieser Stelle für den
Deutschen Bundestag Präsident Lukaschenko dringlich
auffordern, von den Hinrichtungen abzusehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Nun zu Bosnien: Wir sprechen heute über ein Man-
dat. Auch die Grünen werden der Verlängerung dieses
Mandates, das immer mehr auch eine symbolische Funk-
tion bekommt, zustimmen. Ich möchte aber auch auf die
Stimmen aus Bosnien selber hinweisen, die uns davor
warnen, dass wir zugunsten der innenpolitischen Bot-
schaft, dass wir ein Mandat zu Ende bringen können, da-
rüber hinwegsehen, dass die Situation krisenhafter ist,
als wir es manchmal wahrhaben wollen. Das ist in etwa
das, was ich schon vor einem Jahr gesagt habe. Der Ko-
sovo zeigt uns, wie schnell in einer Situation, die wir für
einigermaßen beruhigt halten, der Konflikt wieder auf-
brechen kann. Insofern ist das Vorhalten einer gewissen
Zahl militärischer Kräfte durchaus sinnvoll.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Wichtiger aber ist es, über die Politik in dem Land
und über das zu sprechen, was notwendig ist. Wir hören
ständig, es gehe um vermeintliche Konflikte zwischen
drei Ethnien. Das erzählen uns vor allem immer wieder
diejenigen, die von genau diesem Narrativ leben: die

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(C (D ührer der nationalistischen Parteien bzw. diejenigen, ie nur davon leben, zu reklamieren, dass ihre Ethnie aus ngst vor der anderen Ethnie Schutz durch eine eigene ntität und durch eigene Staatsstrukturen brauche. Diese önnten deshalb niemals akzeptieren, dass es gemeiname gesamtstaatliche Strukturen geben könnte. Denn as würde bedeuten, dass ihre Ethnie wieder untergebutrt würde und nicht mehr zum Zuge käme. Wir sind gerade in Cadenabbia mit Vertretern dieser arteien zusammengetroffen. Mich beschleicht zunehend das Gefühl, dass wir aufhören müssen, immer wie er denen eine Bühne zu geben, die von genau diesem arrativ leben. Die Macht dieser selbsternannten ethni chen Führer liegt darin, dass sie Nationalismus propaieren und damit darüber hinweggehen, dass es in Bosien viele Menschen gibt, die sich nicht ethnisch uordnen wollen und dies auch nicht können, weil sie ar keiner Ethnie angehören. Ich glaube, wir wären gut eraten, endlich den Kräften unsere Aufmerksamkeit zu chenken, die sich aus dem Würgegriff des Nationalisus befreien wollen, und ihnen zu sagen, dass Europa eine weiteren Grenzen bedeutet, sondern dass es Viellt in demokratischen Staaten mit Gleichheit aller Bür erinnen und Bürger statt ethnischer Zuordnung, verbunen sogar mit dem Recht, sich gar keiner Ethnie oder eligion zuzuordnen, und natürlich auch die Überwinung nationaler Grenzen bedeutet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ich habe gestern Vertreter der Initiative K 143 getrof-
n. Sie heißt K 143, weil sie aus NGOs besteht, die für

ie 143 bosnischen Kommunen stehen. Ihre Mitglieder in-
ressieren sich nicht mehr für diese Debatte der ethni-

chen Führer; vielmehr fordern sie den Aufbau kommuna-
r Strukturen und von Institutionen, die Entscheidungen
llen, wirtschaftliche Entwicklung und den Wiederauf-

au der Landwirtschaft und Ausbildungsmöglichkeiten
nd Perspektiven für ihre Jugend. Sie wollen also eine
esamtstaatliche Funktionalität und keinen ethnischen
ationalismus, verbunden mit dem Zwang, sich zu defi-
ieren. Das ist die Zukunft Bosniens. Auf diese jungen
eute sollte die Europäische Union ihr Augenmerk rich-
n und nicht auf die nationalistischen Führer.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Jetzt noch ein Wort zum OHR, weil alle auf diesen
auerbrenner, die entsprechende Debatte zwischen
errn Stinner und mir, warten. Es ist richtig, dass die
erformance des OHR nicht immer überzeugend ist.
ber es sollte uns doch stutzig machen, dass es gerade
ie Separatisten, Präsident Dodik und Herr Mitrovic,
ind, die die Auflösung des OHR fordern, und nicht die
ngen Leute von der Initiative K 143. Genau das sollte

ns wirklich stutzig machen. Was haben wir denn noch
der Hand, wenn der OHR nicht mehr existiert, wenn
ir – wie es die deutsche Diplomatie anstrebt – ihn

weghauen“ und wir dann nichts mehr über die „Bonn
owers“ durchsetzen können?

17420 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011


(A) )


)(B)


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714620200

Frau Kollegin.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Was wollen wir tun, wenn zum Beispiel Herr Dodik,
wie angekündigt, ein Referendum durchführt?


(Beifall des Abg. Michael Brand [CDU/CSU])


Ich warne vor dieser risikoreichen Strategie. Lassen Sie
uns nicht etwas „weghauen“, bevor wir eine gute und
überzeugende Alternative haben. An dem Punkt sind wir
noch nicht.

Schönen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714620300

Jetzt hat der Kollege Peter Beyer für die CDU/CSU-

Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Peter Beyer (CDU):
Rede ID: ID1714620400

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz oder
auch gerade wegen der Routine, die bei der alljährlichen
Debatte über die Verlängerung des Althea-Mandats ein-
gekehrt ist, bleibt es geboten und unsere Aufgabe, die
Notwendigkeit der weiteren Beteiligung an diesem Ein-
satz immer wieder aufs Neue zu hinterfragen und auch
neu zu begründen. Denn unser Ziel muss es sein, dass
die Operation Althea keine Dauereinrichtung wird. Es
sollte absehbar das Jahr kommen, in dem eine weitere
Mandatsverlängerung entbehrlich wird und wir uns eine
Debatte, wie wir sie heute führen, ersparen können.

Staatssekretär Kossendey hat an dieser Stelle vor drei
Wochen den sicherheitspolitischen Rahmen für diesen
Einsatz ausführlich skizziert und begründet. Das möchte
ich hier jetzt nicht wiederholen. Ich erlaube mir einer-
seits, das bisher Erreichte kurz zu bilanzieren, und ande-
rerseits, auch einen Blick nach vorn zu werfen.

Welche Situation treffen wir heute also in Bosnien
und in Herzegowina an? Was hat die Operation Althea
erreicht? Kurz: Wo stehen wir?

Um einen sogenannten Frozen Conflict handelt es
sich bei dem Konflikt in Bosnien-Herzegowina glückli-
cherweise nicht. Denn die militärische Karte ist für keine
der im Land Einfluss ausübenden Gruppen eine Option.
Das ist zu einem erheblichen Anteil ein Erfolg der EU,
die sich nachhaltig engagiert und um Krisenbewälti-
gung, Stabilitätstransfer und Konfliktbewältigung ge-
kümmert hat. Dennoch ist die Lage im Land kompliziert,
politisch instabil und auch festgefahren. In der Aus-
einandersetzung zwischen den Gruppen und Lagern do-
miniert kraftvolle Rhetorik.

Der Frieden selbst kann in Bosnien-Herzegowina nur
von innen heraus wachsen. So weit ist das Land heute,

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(C (D uch 16 Jahre nach Kriegsende, leider immer noch nicht. nere Zerrissenheit und ethnische Spannungen gehören ach wie vor nicht der Vergangenheit an. Bis heute onnten über 100 000 Flüchtlinge nicht in ihre Heimatrte zurückkehren. Die Kriegszeit, die ethnischen Säubengen – ein unschönes Wort –, die Not in den Flücht ngslagern – all das ist immer noch sehr präsent. Das gesellschaftliche Gefüge in Bosnien-Herzegoina ist noch heute zuweilen sehr schwierig. Das zeigt xemplarisch der bisher gescheiterte Versuch der Akadeie der Wissenschaften und Künste in Sarajevo, ein iersprachiges Lehrbuchprojekt voranzubringen, an dem 0 Autoren aus drei verschiedenen Ländern mitarbeiten. Ziel dieses Vorhabens ist es, die wunden Punkte der uvor unter einem Dach lebenden Völker durch Dialog u überwinden. Bisher haben die Bildungsministerien er Nachfolgestaaten Jugoslawiens Schulbücher immer ur dann genehmigt, wenn sie ihre eigene völkische entität bestätigten. Objektive Geschichtsforscher ha en es daher nach wie vor schwer, gegen die verbreitete rhöhung der eigenen Nationalität anzukämpfen. Noch wird Althea also in Bosnien-Herzegowina geraucht. Auch wenn die Kontingente sehr viel kleiner erden: Die Mission behält eine erhebliche symbolische edeutung für die Bürgerinnen und Bürger des Landes. ie manifestiert das Interesse der Staatengemeinschaft, ie Präsenz zeigt und sich engagiert. Meine Damen und Herren, die Frauen und Männer er Bundeswehr erledigen ihre wichtigen Aufgaben sehr ut. Gerade die Bundeswehrangehörigen genießen im and – das hört man in den Gesprächen immer wieder – inen hervorragenden Ruf. Darauf können und dürfen ie stolz sein, und ihnen gebührt unser aller Dank. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wie geht es nun weiter in Bosnien-Herzegowina?
elchen Weg wird das 4,5-Millionen-Einwohner-Land

uf dem westlichen Balkan nehmen? Das liegt – wie
önnte es anders sein? – zuvörderst in den Kräften vor
rt. Nur sie selbst können wirkliche und nachhaltige
ortschritte erzielen. Wir können sie dabei begleiten.
ukunftsfest müssen sie das Land selbst machen. Die
olitischen Eliten sind dabei gefordert, eine gemeinsame
altung zu entwickeln; denn bisher endet die politische
lockade immer erst dann, wenn das Büro des Hohen
epräsentanten eine Entscheidung auferlegt. Diese Pra-
is stellt keine tragfähige Strategie da. Im Gegenteil: Die
olitischen Akteure sehen es nur zu gern, wenn ihnen
er Hohe Repräsentant die unpopuläre Kompromiss-
uche abnimmt.

Aus unserer Sicht ist und bleibt es daher wünschens-
ert, dass am Ende des Prozesses die Mitgliedschaft
osnien-Herzegowinas in der Europäischen Union steht.
an kann allerdings zuweilen Zweifel daran haben, ob

ie maßgeblichen politischen Kräfte des Landes noch
rnsthaft hinter dem Projekt EU-Beitrittsperspektive ste-
en. Dass der Beitritt allerdings baldmöglichst erfolgen
ollte, sehen wir so nicht. Bosnien-Herzegowina muss
ie Effizienz seiner Strukturen und der bisher komple-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17421

Peter Beyer


(A) )


)(B)

xen Entscheidungsverfahren erheblich verbessern. Denn
am Ende des Tages gelten für Bosnien-Herzegowina wie
übrigens für alle anderen EU-Beitrittsaspiranten die glei-
chen Kriterien: Kein Beitrittsland darf zeitlich bevorzugt
werden. Einen EU-Beitritt gibt es nur bei strikter und voll-
ständiger Erfüllung sämtlicher Kriterien. – Das ist die Vo-
raussetzung. Es gilt der Leitsatz: Wer beitritt, muss bei-
tragen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714620500

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp-

fehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der
Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaff-
neter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Opera-
tion Althea. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 17/7997, den Antrag der
Bundesregierung auf Drucksache 17/7577 anzunehmen.
Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung na-
mentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schrift-
führer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.

Sind alle Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der
Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das noch
keine Möglichkeit hatte, seine Stimmkarte abzugeben? –
Das ist nicht der Fall. Nachdem nun auch die letzte Urne
gefüllt ist, schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-
lung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später be-
kannt gegeben.1)

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Daniela
Kolbe (Leipzig), Gabriele Fograscher, Dr. Hans-
Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der SPD

Rechtsextremismus vorbeugen – Unsere De-
mokratie braucht gute politische Bildung und
eine starke Bundeszentrale für politische Bil-
dung

– Drucksache 17/7943 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

Hierzu ist verabredet, eine halbe Stunde zu debattie-
ren.


(Unruhe)


– Damit das möglich wird, bitte ich all jene, die sich
noch mehr für andere Dinge interessieren, den Plenar-
saal zu verlassen, all jene, die zuhören wollen, sich zu
setzen, und all jene, die miteinander reden wollen, dies

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1) Ergebnis Seite 17423 C

(C (D nderswo zu tun. Es wäre sehr nett, wenn die Kollegen ort hinten neben der Regierungsbank es ermöglichten, ass hier weitgehend nebengeräuschfrei debattiert weren kann. (Michael Groschek [SPD]: Sie knobeln gerade den Außenministerposten aus!)


Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die
PD-Fraktion die Kollegin Daniela Kolbe.


(Beifall bei der SPD)



Daniela Kolbe (SPD):
Rede ID: ID1714620600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

en und Kollegen! Es ist eine spannende Debatte. Es
eht um politische Bildung. Man kann auf jeden Fall et-
as lernen und wird nicht dümmer.

Am Freitag, dem 11. November, hat die letzte Kurato-
umssitzung der Bundeszentrale für politische Bildung
tattgefunden, sehr früh am Morgen in der Dependance
er Bundeszentrale in Berlin. Wir haben uns über Web-
.0-Angebote und über die Angebote unterhalten, die die
undeszentrale für politikferne Schichten anbietet. Die
bendige Debatte hat gezeigt: Eigentlich wünschen wir
ns mehr solcher Angebote und nicht weniger.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir haben auch über die Haushaltsdebatte gespro-
hen. Die Bereinigungssitzung war gerade vorbei, und
aktionsübergreifend mussten wir alle die schmerzhafte
rfahrung machen, dass sich trotz des einstimmigen Ap-
ells des Kuratoriums die Koalitionsfraktionen nicht er-
eichen ließen und dramatische Kürzungen beschlossen
aben. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich
ei allen Kuratoriumsmitgliedern bedanken. Ich emp-
nde die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit als
ehr gut, sehr tiefgründig und auf wirklich hohem Ni-
eau. Vielen Dank dafür.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Im Laufe des 11. November geschieht dann Unglaub-
ches. Es wird bekannt, dass in einer angezündeten
ohnung in Zwickau eine Waffe gefunden wird, eine
eska. Es wird bekannt, dass diese Waffe die Waffe war,
it der neun Morde an ausländischen Kleinunterneh-
ern begangen wurden. Die Erkenntnis, dass 13 Jahre
ng eine rechtsterroristische Zelle unentdeckt durch
eutschland ziehen und Menschen erschießen konnte,
ifft uns alle wie ein Schlag. Zehn Tote gehen auf das
onto dieser Rechtsterroristen. Ich persönlich war an
iesem Wochenende wie in Schockstarre, aber allmäh-
ch ist bei mir die Erwartung gewachsen: Jetzt werden
ie Fraktionen doch erkennen, dass sie die Mittel für die
undeszentrale nicht in dieser Weise kürzen können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


17422 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Daniela Kolbe (Leipzig)



(A) )


)(B)

Immerhin gab es neue Erkenntnisse, und es ist etwas
eingetreten, was niemand so erwartet hatte. An anderer
Stelle hat das – ich nenne hier Fukushima – doch auch zu
einer Änderung Ihrer Position geführt. Ich hätte mir ge-
wünscht, dass in der zweiten und dritten Lesung des
Haushaltes auch bei Ihnen eine solche Änderung der
Haltung eingetreten wäre.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir hätten Ihnen Applaus gespendet für diesen Erkennt-
nisgewinn. Da können Sie sicher sein.

Die Bundeszentrale ist die Instanz, die sich massiv
und nachhaltig für eine lebendige Demokratie und für ei-
nen lebendigen demokratischen Diskurs in unserem
Land einsetzt. Wer wollte in diesen Tagen bestreiten,
dass wir einen solchen Diskurs und eine solche leben-
dige Demokratie dringend brauchen? Sie setzt sich ex-
plizit gegen Rassismus und Rechtsextremismus ein bzw.
arbeitet diese Themen auf, und zwar in beiden Säulen.
Es gibt ja das Haupthaus, die Zentrale, und es gibt die
Trägerförderung.

Ich habe Ihnen ein Beispiel mitgebracht, das auf mei-
nem Schreibtisch lag, als ich an meiner Rede gearbeitet
habe. Es ist ein Abreißblock der Bundeszentrale zum
Thema Vorurteile; er ist für Lehrer gemacht. Man kann
ihn super verwenden.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr richtig! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aktueller geht es nicht!)


Schauen Sie ins Internet. Dort gibt es eine wunder-
bare Seite zum Thema Rechtsextremismus von der Bun-
deszentrale.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für CDU-Kollegen sehr geeignet!)


Dort publizieren, auch wenn es Sie im Moment nicht in-
teressiert, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von
der Union, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler,
die Ihnen nahestehen. Das können Sie dort nachlesen.

Die Bundeszentrale hat auch infrastrukturell sehr
wichtige Projekte auf den Weg gebracht, nicht nur den
Wahl-O-Mat.

Ich nenne das Beispiel „Schule ohne Rassismus“. Das
ist ein ganz spannendes


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wichtiges!)


Projekt. Es wurde von der Bundeszentrale entwickelt
und wird glücklicherweise auch im Jahr 2012 noch
finanziert, und zwar – das war eine sehr kurzfristige Ent-
scheidung – aus Restgeldern des Bündnisses für Demo-
kratie und Toleranz.

Mitfinanziert wird auch jugendschutz.net. Dort gibt
es ein Monitoring von Rechtsextremismus in unserem
Land. Das kommt auch den Ermittlungsbehörden zu-
gute. Die Frage ist: Kann das die Bundeszentrale noch

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(C (D eiter mitfinanzieren angesichts der vorgenommenen ürzungen? Auch die mehr als 430 geförderten Träger der politichen Bildung beschäftigen sich mit dem Thema Rechtsxtremismus. Hierzu zählen nicht nur die, die Sie als die blichen bezeichnen würden. Ein Beispiel: Die politiche Bildungsstädte Helmstedt – das ist ein Träger, der nen sehr nahe stehen dürfte – hat dieses Jahr das Semi ar „Rechtsextremismus – Gefahr für Gegenwart und ukunft?“ veranstaltet, und zwar in Kooperation mit em Reservistenverband, Kreisgruppe Harz. Das heißt, as Thema wird breit diskutiert. Es wird breit von der undeszentrale gefördert. Der Umfang solcher Aktivitäten ist durch die massien Kürzungen, die Sie vornehmen, infrage gestellt. Im ächsten Jahr sind es insgesamt 3,5 Millionen Euro weiger. Damit stehen fast 13 Prozent weniger bei der Zenale selbst für Bücher, Veranstaltungen und dergleichen nd fast 20 Prozent weniger bei der Trägerförderung zur erfügung. Ich kann nur an Sie appellieren: Nehmen Sie diese ürzungen zurück! (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ie Kürzungen waren schon vor Bekanntwerden des
echtsterrorismus komplett unverständlich und kontra-
roduktiv. Jetzt kann man sie nur noch als brandgefähr-
ch und peinlich für Sie bezeichnen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Gestern in der Fragestunde klang dann durch: Das ist
och nicht so schlimm; dann muss die Bundeszentrale
ben umschichten; dann wird eben bei anderen Stellen
ekürzt als beim Rechtsextremismus. – Ich finde das,
hrlich gesagt, ziemlich naiv. Die Bundeszentrale hat na-
rlich noch ganz andere Aufgaben als nur die Rechts-

xtremismusprävention. Sie soll die Euro-Krise erklären.
ie soll die Finanzkrise verständlich machen. Sie soll de-
okratischen Diskurs initiieren. Wo soll sie denn sparen

ngesichts der Kürzungen, die schon in den letzten Jah-
n vorgenommen wurden? Soll sie weniger im Internet

räsent sein? Soll sie weniger Bücher oder „Schwarze
efte“, die viele von Ihnen vielleicht noch aus dem Stu-
ium kennen, auflegen? Soll sie sich weniger um die bil-
ungsfernen Schichten kümmern oder weniger Projekte
r Menschen mit Migrationshintergrund entwickeln?

oll es weniger Veranstaltungen zu aktuellen Themen
eben? Soll sie vielleicht nicht ganz so professionell
der nicht ganz so unabhängig sein, wie sie es bisher
ar? Wo soll die Bundeszentrale bei der Trägerbezu-

chussung sparen? Das wären gravierende Einschnitte.
oll sie bei Schülerseminaren in der Gedenkstätte Ho-
enschönhausen oder bei Seminaren zur Integration und
ur demokratischen Teilhabe sparen? Glauben Sie mir:
iese Kürzungen werden zu ganz schmerzhaften Ein-

chnitten führen, die wir alle – auch Sie – spüren wer-
en. Tolle Träger der politischen Bildung werden von
er Landkarte verschwinden – auch solche, die Ihnen na-
estehen, und auch solche aus Ihren Wahlkreisen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17423

Daniela Kolbe (Leipzig)



(A) )


)(B)



(Reutlingen)

Manfred Behrens (Börde)


Ute Granold
Reinhard Grindel

Ewa Klamt
Volkmar Klein

Dr. Philipp Murmann
Bernd Neumann (Bremen)

Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Wolfgang Börnsen


(Bönstrup)

Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist

Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum

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artmut Koschyk
ichael Kretschmer
unther Krichbaum
r. Günter Krings
üdiger Kruse
ettina Kudla
r. Hermann Kues
ünter Lach
r. Karl A. Lamers

(Heidelberg)

ndreas G. Lämmel
r. Norbert Lammert
atharina Landgraf
lrich Lange
r. Max Lehmer
aul Lehrieder
r. Ursula von der Leyen
gbert Liebing

Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Eckhard Pols
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Veronika Bellmann Michael Grosse-Brömer Jürgen Klimke Michaela Noll
Ich kann nur sagen: Wir brau
sche Bildung und nicht weniger


(Beifall bei der SPD, der BÜNDNIS 90/DIE Dazu brauchen wir Ressourcen sicherheit. Das gilt auch für das halt durch Teilhabe“, das Sie i extremismus in den neuen L zentrale angedockt haben. Die F aus. Auch hier brauchen wir P für die Träger brauchen wir zwar im Hinblick auf Finanzen müssen endlich kommen. Im H stellbar. Es sind ja auch „nur“ Einzige, was dem entgegensteh hier auch –, ist das fehlende Pr nem Großteil der Koalition. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 535; davon ja: 469 nein: 59 enthalten: 7 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck E In H A D K M E H In D N A E M Jo P D chen derzeit mehr politi. LINKEN und dem GRÜNEN)


. Wir brauchen Planungs-
Programm „Zusammen-
m Kampf gegen Rechts-
ändern bei der Bundes-
inanzierung hierfür läuft
lanungssicherheit. Auch
Planungssicherheit, und
und neue Richtlinien; die
aushalt wäre all das dar-
3,5 Millionen Euro. Das
t – das sieht und hört man
oblembewusstsein bei ei-

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artwig Fischer (Göttingen)


(KarlsruheLand)

r. Maria Flachsbarth
laus-Peter Flosbach
ichael Frieser

rich G. Fritz
ans-Joachim Fuchtel
go Gädechens
r. Thomas Gebhart
orbert Geis
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berhard Gienger
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r. Wolfgang Götzer

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(Beifall bei der SPD, der BÜNDNIS 90/DIE Vizepräsidentin Katrin Gö Bevor wir in der Debatte fo as von den Schriftführerinnen lte Ergebnis der namentli annt. Es ging um die Fortsetz affneter deutscher Streitkräf peration Althea zur weiteren ensprozesses in Bosnien und H er Implementierung der Annex riedensvereinbarung sowie an er Sarajevo und seinen Aufg esolution des Sicherheitsrates 575 577 und 17/7997. Abgegeben it Ja haben gestimmt 469 Ko it Nein haben gestimmt 59, en arl Holmeier ranz-Josef Holzenkamp achim Hörster nette Hübinger homas Jarzombek ieter Jasper r. Franz Josef Jung ndreas Jung r. Egon Jüttner artholomäus Kalb ans-Werner Kammer lois Karl ernhard Kaster iegfried Kauder (VillingenSchwenningen)


olker Kauder
r. Stefan Kaufmann
oderich Kiesewetter
ckart von Klaeden

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(C (D LINKEN und dem GRÜNEN)


ring-Eckardt:
rtfahren, gebe ich Ihnen
und Schriftführern ermit-
chen Abstimmung be-
ung der Beteiligung be-

te an der EU-geführten
Stabilisierung des Frie-
erzegowina im Rahmen
e 1-A und 2 der Dayton-
dem NATO-Hauptquar-
aben, auf Grundlage der
der Vereinten Nationen
ionen, Drucksachen 17/
wurden 535 Stimmen.
lleginnen und Kollegen,
thalten haben sich 7.

atthias Lietz
r. Carsten Linnemann
atricia Lips
r. Jan-Marco Luczak
aniela Ludwig
r. Michael Luther
arin Maag
r. Thomas de Maizière
ans-Georg von der Marwitz
ndreas Mattfeldt
tephan Mayer (Altötting)

r. Michael Meister
aria Michalk
r. h. c. Hans Michelbach
r. Mathias Middelberg
hilipp Mißfelder
ietrich Monstadt
arlene Mortler
r. Gerd Müller

17424 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt


(A) )


)(B)

Erwin Rüddel
Albert Rupprecht (Weiden)

Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt (Fürth)

Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön (St. Wendel)

Dr. Kristina Schröder
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg (Hamburg)

Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew

SPD

Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel

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ören Bartol
ärbel Bas
irk Becker
erd Bollmann
laus Brandner
ernhard Brinkmann

(Hildesheim)


delgard Bulmahn
arco Bülow

etra Crone
artin Dörmann

lvira Drobinski-Weiß
arrelt Duin
go Egloff

iegmund Ehrmann
r. h. c. Gernot Erler
etra Ernstberger
arin Evers-Meyer
lke Ferner
abriele Fograscher
r. Edgar Franke
agmar Freitag
ichael Gerdes
artin Gerster
is Gleicke
ünter Gloser
lrike Gottschalck
ngelika Graf (Rosenheim)

erstin Griese
ichael Groschek
ichael Groß
olfgang Gunkel
ans-Joachim Hacker
ettina Hagedorn
laus Hagemann
ichael Hartmann

(Wackernheim)

ubertus Heil (Peine)

olf Hempelmann
ustav Herzog
abriele Hiller-Ohm
rank Hofmann (Volkach)

r. Eva Högl
hristel Humme
sip Juratovic
liver Kaczmarek
hannes Kahrs
lrich Kelber
ars Klingbeil
ans-Ulrich Klose
r. Bärbel Kofler
aniela Kolbe (Leipzig)

ritz Rudolf Körper
nette Kramme
icolette Kressl
ngelika Krüger-Leißner
te Kumpf
hristine Lambrecht
hristian Lange (Backnang)

r. Karl Lauterbach
teffen-Claudio Lemme
urkhard Lischka
irsten Lühmann
aren Marks
atja Mast
etra Merkel (Berlin)

llrich Meßmer
r. Matthias Miersch

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r. Rolf Mützenich
anfred Nink

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r. Wilhelm Priesmeier
lorian Pronold
r. Sascha Raabe
echthild Rawert

tefan Rebmann
erold Reichenbach
r. Carola Reimann
önke Rix
ené Röspel
r. Ernst Dieter Rossmann
arin Roth (Esslingen)

ichael Roth (Heringen)

arlene Rupprecht

(Tuchenbach)

xel Schäfer (Bochum)

arianne Schieder

(Schwandorf)

erner Schieder (Weiden)

lla Schmidt (Aachen)

ilvia Schmidt (Eisleben)

arsten Schneider (Erfurt)

ttmar Schreiner
wen Schulz (Spandau)

wald Schurer
rank Schwabe
olf Schwanitz
tefan Schwartze
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r. Frank-Walter Steinmeier
hristoph Strässer
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r. h. c. Wolfgang Thierse
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r. Marlies Volkmer
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eidemarie Wieczorek-Zeul
r. Dieter Wiefelspütz
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anfred Zöllmer
rigitte Zypries

DP

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hristian Ahrendt
hristine Aschenberg-
Dugnus
aniel Bahr (Münster)

lorian Bernschneider
ebastian Blumenthal
laudia Bögel
icole Bracht-Bendt
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(C (D elga Daub r. Bijan Djir-Sarai atrick Döring ainer Erdel rg van Essen lrike Flach tto Fricke r. Edmund Peter Geisen einz Golombeck iriam Gruß achim Günther r. Christel Happach-Kasan einz-Peter Haustein anuel Höferlin irgit Homburger r. Werner Hoyer einer Kamp ichael Kauch r. Lutz Knopek ascal Kober r. Heinrich L. Kolb udrun Kopp r. h. c. Jürgen Koppelin ebastian Körber olger Krestel atrick Kurth einz Lanfermann ibylle Laurischk arald Leibrecht abine LeutheusserSchnarrenberger ars Lindemann r. Martin Lindner r. Erwin Lotter liver Luksic orst Meierhofer atrick Meinhardt abriele Molitor n Mücke etra Müller urkhardt Müller-Sönksen r. Martin Neumann ans-Joachim Otto ornelia Pieper isela Piltz r. Christiane RatjenDamerau r. Birgit Reinemund r. Peter Röhlinger r. Stefan Ruppert jörn Sänger hristoph Schnurr mmy Schulz arina Schuster r. Erik Schweickert erner Simmling dith Skudelny r. Hermann Otto Solms achim Spatz r. Max Stadler orsten Staffeldt r. Rainer Stinner tephan Thomae lorian Toncar erkan Tören Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17425 Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt )


(Lausitz)


(Frankfurt)


(A) )

Tom Koenigs
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Fritz Kuhn

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Wir kommen zurück zu unse
Wort dem Parlamentarischen St
Bergner.

Dr. Christoph Bergner, P
Bundesminister des Innern:

Frau Präsidentin! Meine Dam
Frau Kolbe, es sei mir gestattet
fahrensproblem aufmerksam z
der letzten Woche den Haushalt


(Monika Lazar [BÜNDN NEN]: Da hätten Sie ja un stimmen können!)


Sie thematisieren jetzt einen T
rende Kürzungen schnellstmö
ohne irgendeinen haushaltstec
machen,


(Kai Gehring [BÜNDNIS In den letzten Jahren lagen anträge vor! Sie haben alle aus dem hervorgeht, wie Sie sic schiedung des Haushalts vorste Ich möchte – wenn Sie ges samkeit schenken – deutlich m n van Aken gnes Alpers r. Dietmar Bartsch erbert Behrens C W T P rer Debatte. Ich gebe das aatssekretär Dr. Christoph arl. Staatssekretär beim en und Herren! Verehrte , am Anfang auf ein Veru machen. Wir haben in 2012 verabschiedet. IS 90/DIE GRÜseren Anträgen zu itel und fordern, verheeglich zurückzunehmen, hnischen Vorschlag zu 90/DIE GRÜNEN]: ständig Haushalts abgelehnt!)


h das Ganze nach Verab-
llen.

tatten und mir Aufmerk-
achen, dass der Anlass,

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ornelia Möhring
olfgang Nešković
homas Nord
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er zu dieser Debatte führt, uns
chten über rechtsterroristisch
erne die Gelegenheit, um für
lares Bekenntnis zur politisch
en und zur Arbeit der Bundesz
ung im Besonderen abzugeben


(Zuruf von der SPD: Nicht Taten!)


Für die Bundeszentrale für p
ktive Auseinandersetzung mit
zw. dem politischen Extremism
ge, eine wesentliche Dauerau
chtung fragt sie nach Bildung
ntstehen extremistischer Einst
altungen. Sie fragt nach prä

xtremistische Einstellungen z
ungswegen, um verfestigte e
u verändern, sowie nach Bildun
esellschaftliche Kräfte, um die
xtremistischen Einstellungen u
v und erfolgreich zu bestehen.


(Kai Gehring [BÜNDNIS Warum kürzen Sie er Fachbereich Extremismus eitsfeld in enger Verzahnung (D eate Müller-Gemmeke r. Wolfgang StrengmannKuhn ans-Christian Ströbele alle umtreibt: die Nache Aktivitäten. Ich nutze die Bundesregierung ein en Bildung im Allgemeientrale für politische Bil. nur Worte, sondern olitische Bildung ist die dem Rechtsextremismus us insgesamt eine wichfgabe. Als Bildungseinszusammenhängen beim ellungen, Weltbilder und ventiven Möglichkeiten, u vermeiden, nach Bilxtremistische Haltungen gsmöglichkeiten für zivil Auseinandersetzung mit nd Handlungen konstruk 90/DIE GRÜNEN]: denn dann?)


widmet sich diesem Ar-
mit weiteren Fachberei-
Ute Koczy Dorothee Menzner Monika Lazar
Johannes Vogel

(Lüdenscheid)


Dr. Daniel Volk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)


BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Cornelia Behm
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Harald Ebner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Priska Hinz (Herborn)

Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Sven-Christian Kindler

Stephan Kühn
Renate Künast
Markus Kurth
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller (Köln)

Ingrid Nestle
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann E. Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler

Nein

DIE LINKE

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(Carin Binder atthias W. Birkwald hristine Buchholz va Bulling-Schröter r. Martina Bunge oland Claus r. Diether Dehm erner Dreibus laus Ernst olfgang Gehrcke icole Gohlke iana Golze nnette Groth r. Gregor Gysi eike Hänsel r. Rosemarie Hein r. Barbara Höll ndrej Hunko lla Jelpke r. Lukrezia Jochimsen arald Koch atrin Kunert aren Lay abine Leidig alph Lenkert ichael Leutert tefan Liebich lla Lötzer r. Gesine Lötzsch homas Lutze lrich Maurer Richard Pitterle Yvonne Ploetz Paul Schäfer Dr. Ilja Seifert Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich Enthalten SPD Petra Hinz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Maria Klein-Schmeink Sylvia Kotting-Uhl 17426 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Parl. Staatssekretär Dr. Christoph Bergner )


(A) )

chen innerhalb, aber auch außerhalb der Bundeszentrale
für politische Bildung.

So weit das klare Bekenntnis zu den Aufgaben, wel-
che die Bundesregierung für wichtig und zentral erachtet
und die im Lichte der Ereignisse, die uns umtreiben, eine
besondere Bedeutung bekommen.

Daneben ist ein zweiter Gesichtspunkt zu berücksich-
tigen. Das ist die Notwendigkeit der Haushaltskonsoli-
dierung, der wir uns im Jahr 2010 bei den Haushaltspla-
nungen – mit Blick auf die vom Verfassungsgesetzgeber
eingeführte Schuldenbremse – zu stellen hatten.


(Zuruf von der SPD: Aber Steuererleichterungen machen!)


Meine Damen und Herren, ich darf darauf aufmerksam
machen, dass die SPD in den Haushaltsberatungen ge-
rade mit Blick auf die Einhaltung der Vorgaben der
Schuldenbremse – ich erinnere an die Reden von Carsten
Schneider – eher mehr als weniger Konsequenz in Bezug
auf Einsparungen gefordert hat.


(Michael Groschek [SPD]: Politische Bildung ist Betreuungsgeld für die Demokratie!)


Sie können davon ausgehen, dass wir uns im Bundesin-
nenministerium dieser Aufgabe mit großem Verantwor-
tungsbewusstsein gestellt und die Kuratoriumsvoten


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ignoriert haben!)


mit entsprechender Aufmerksamkeit und Sorgfalt ge-
prüft haben. Ich warne davor, so zu tun – das wird auch
in Ihren Zurufen deutlich –, als ob die nominelle Höhe
des Haushaltstitels der Bundeszentrale für politische Bil-
dung als ein gewissermaßen schlüssiger und abschlie-
ßender Indikator für die Bedeutung der politischen Bil-
dung gerade auch mit Blick auf die Extremismus-
bekämpfung betrachtet werden könnte. Ich empfehle Ih-
nen, sich die Haushaltspläne seit 1998 und die Planun-
gen für die zukünftigen Jahre anzuschauen. Dabei wer-
den Sie feststellen, dass zwischen 1999 und 2000 – es ist
bekannt, wer damals politische Verantwortung trug – der
Titel von umgerechnet 41 Millionen Euro auf 36,8 Mil-
lionen Euro abgesenkt wurde. Ich behaupte nicht, dass
die politische Bildung in der damaligen Situation als
Beitrag zur Extremismusbekämpfung weniger ernst ge-
nommen wurde. Wir können aber nicht seriös diskutie-
ren, ohne andere Programme zu berücksichtigen, die da-
mals in anderen Häusern ins Leben gerufen wurden.
Auch Umstrukturierungen müssen dabei berücksichtigt
werden, die in einem Bereich wie dem der politischen
Bildung immer wieder erforderlich sind.

Ich weise darauf hin, dass wir – verbunden mit den
Haushaltsentscheidungen, die Sie kritisieren – versucht
haben, die Bundeszentrale für politische Bildung auch
dadurch zu stärken, dass wir die Regiestelle des Bundes-
programms „Zusammenhalt durch Teilhabe“ unter das
Dach der Bundeszentrale für politische Bildung gestellt
haben. Dabei geht es um insgesamt 18 Millionen Euro,
die in die Arbeit der Bundeszentrale fließen. Schließlich

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(C (D aben wir hier auch die Geschäftsstelle des „Bündnisses r Demokratie und Toleranz“ mit Blick auf Synergieefkte eingegliedert. Ich möchte dazu einladen, über die robleme fair und in gemeinsamer Verantwortung für ie Bekämpfung des politischen Extremismus zu diskueren. Lassen Sie mich auf drei der in Ihrem Antrag formuerten Forderungen konkret eingehen. Erster Punkt. Sie fordern die Überprüfung der Koppng der Höhe des Budgets der Bundeszentrale für politi che Bildung an die Höhe des Budgets der parteinahen tiftungen. Verehrte Frau Kolbe, ich mache Sie darauf ufmerksam, dass die Budgets der parteinahen Stiftunen in den letzten Jahren regelmäßig im parlamentarichen Verfahren geändert wurden (Daniela Kolbe [Leipzig] [SPD]: Aber nach oben!)


nd dies keine Frage ist, die die Bundesregierung bei ih-
n Haushaltsansätzen zu berücksichtigen hat. Vielleicht

prechen Sie mit den Kollegen Ihrer Fraktion, die ein
ntsprechendes Votum abgegeben haben.

Zweiter Punkt. Sie fordern ein Anschlussprogramm
r das Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“. Ich

ersönlich stehe dieser Forderung sehr aufgeschlossen
egenüber, will aber darauf aufmerksam machen, dass es
och zu früh ist, um über die Fortsetzung eines Program-
es zu sprechen, das 2013 ausläuft. Ich betrachte diese
orderung aber auch als ein Kompliment für die Gestal-
ng dieses Programmes.

Schließlich fordern Sie, „neue Richtlinien für die Trä-
erförderung der BpB“ zu erlassen und „Rechtssicher-
eit hinsichtlich der Umsatzsteuer“ zu schaffen. Ich
ann Ihnen sagen, dass die neue Richtlinie für die Trä-
erförderung vorliegt und im Einvernehmen mit dem
undesrechnungshof und dem Bundesfinanzminister er-

tellt wurde. Wir gehen davon aus, dass sie die rechtli-
hen Unsicherheiten bei der Umsatzsteuererhebung be-
eitigt. Diese Richtlinie muss nun allerdings mit den
ändern abgestimmt werden, die für den Steuervollzug
uständig sind. Ich hoffe, dass das so erfolgreich gelingt
ie mit dem Bundesrechnungshof und dem Bundes-
nanzministerium, sodass dieser Forderung spätestens
b Januar 2013 nachgekommen wird.

Ich hoffe, ich habe verdeutlicht, dass wir das Anlie-
en, das Sie vorgetragen haben, durchaus ernst nehmen.
h möchte Sie dazu einladen, darüber nicht in der Eng-
hrung zu diskutieren: Wie hoch ist der Haushaltstitel?
ie ernst wird das politische Anliegen genommen?
ichtig ist, dass man auch in Zeiten der Haushaltskon-

olidierung politisch gestaltet.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und nicht am falschen Ende sparen!)


as wollen wir gemeinsam tun.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17427


(A) )


)(B)


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714620700

Agnes Alpers hat jetzt für die Fraktion Die Linke das

Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Agnes Alpers (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714620800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 5 Millionen
Euro sollen jetzt bei der Bundeszentrale für politische
Bildung gekürzt werden: Millionen Euro weniger für
Projekte, die die Teilhabe an Demokratie stärken, Millio-
nen Euro weniger für Projekte, die aufklären und Zivil-
courage stärken, gerade auch in den Regionen, in denen
sich der braune Sumpf breitgemacht hat. Ich meine, das
ist einfach nur skandalös.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Bergner, zur Klarstellung: Alle Oppositionsfrak-
tionen haben Vorschläge für den Haushalt gemacht.
Noch im Februar waren sich alle Mitglieder des Kurato-
riums der Bundeszentrale für politische Bildung einig
– das sind Abgeordnete aller Bundestagsfraktionen –:
Demokratie braucht politische Bildung. – Deshalb waren
wir alle noch im Februar einstimmig gegen die Kürzun-
gen.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich erinnere an die Entschließung des Kuratoriums:

Gerade in Deutschland sollte man nicht vergessen,
dass die Demokratie … tagtäglich neu gelehrt und
gelernt, gestaltet und bewahrt werden muss.

Wie wahr, meine Damen und Herren! Aber wie viel ist
der Bundesregierung diese grundlegende politische Ein-
sicht wert? Nichts, wie sich gleich zeigt. Denn Bundes-
innenminister Friedrich sagt: Auch die Bundeszentrale
für politische Bildung muss ihren solidarischen Beitrag
zur Einhaltung der Vorgaben der Schuldenbremse leis-
ten; die Aufgaben der Bundeszentrale sind keine Pflicht-
leistung des Staates; die Kürzungen kann man nicht zu-
rücknehmen, weil dies sonst negative Auswirkungen auf
den Sicherheitsbereich hat. – Herr Friedrich, wie blind
und ignorant muss man eigentlich in der gegenwärtigen
Situation sein, um solche Aussagen zu treffen?


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Tag für Tag gibt es Nachrichten über Nazi-Morde. Tag
für Tag wird aber auch der Ruf nach einer stärkeren Zi-
vilgesellschaft lauter. Wie soll es nun weitergehen? Es
kann jedenfalls nicht weitergehen, indem man die einsei-
tig gescheiterte V-Männer-Strategie weiter verfolgt, zu-
mal wir jetzt hören, dass die V-Leute in der rechten
Szene Nazis sind.

Die Gelder, die Herr Bergner gerade im Zusammen-
hang mit der Haushaltskonsolidierung angesprochen hat,
wurden bei der Bundeszentrale gekürzt. Aber sie wurden

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(C (D icht für die Einhaltung der Vorgaben der Schuldenremse genutzt. Vielmehr flossen diese Gelder nacheislich direkt in den Topf für innere Sicherheit, und aus iesem Topf wurden und werden auch V-Männer beahlt. Herr Bergner, das ist doch völlig paradox. us diesem Grunde fordern wir: Stoppen Sie den Wahninn! Schalten Sie endlich die V-Männer ab, und zwar ofort! Bringen Sie das Geld wieder dorthin, wohin es ehört – in die politische Bildung, in die Prävention und ufklärung –, damit sich braunes Gedankengut nicht eiter breitmachen kann. Wenn Sie wie vorhin mit dem Argument kommen, ass man – ich zitiere aus Ihrer Antwort auf unsere leine Anfrage – „mit reduzierten Mitteln eine seriöse nd qualitativ hochwertige … Bildungsarbeit“ machen ann, dann zeigt das nur, dass Sie einfach keine Ahnung aben. Wir als Linke bleiben dabei: Gute Bildung raucht auch eine gute Ausstattung. Vor welchen Herausforderungen steht jetzt die Buneszentrale mit ihren 430 Bildungseinrichtungen? Bei achsenden Aufgaben müssen sie mit weniger Mitteln urechtkommen. Was sollen sie streichen: die Materiaen für die Schulen, das neue Projekt für Menschen, die enig Zugang zu Bildung haben, oder das Angebot, dass an über Facebook politische Fragen stellen kann? Bei en kleinen Bildungsträgern läuten die Alarmglocken, eil sie nicht wissen, ob es sie im nächsten Jahr noch geen wird. Ich meine, wir sollten uns bei allen Mitarbeitennen und Mitarbeitern für ihre gute und wichtige Areit bedanken. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Bundesinnenminister Friedrich, im Namen aller
emokratinnen und Demokraten fordere ich Sie auf,

ndlich Verantwortung zu übernehmen. An politischer
ildung darf nicht gespart werden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714620900

Das Wort hat der Kollege Dr. Stefan Ruppert für die

DP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Stefan Ruppert (FDP):
Rede ID: ID1714621000

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

erren! Wir alle stehen unter dem Eindruck dieser
rchterlichen rechtsterroristischen Taten. Natürlich
agt man sich in solchen Momenten: Woran lag es? Was
ätten wir tun können? Was hätten Behörden tun kön-
en? Was hätten andere Demokraten tun können? Was
ätte man strukturell aufarbeiten können? Wo liegen die
efizite? Diese Fragen sollten wir nicht zu schnell zu
en Akten legen, sondern wir sollten darauf achten, dass

17428 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Dr. Stefan Ruppert


(A) )


)(B)

wir eine genaue Aufklärung der Ursachen betreiben. Ich
befürchte, wir werden dann aber feststellen, dass die Be-
antwortung dieser Fragen relativ schwierig ist.

Es ist eben nicht so monokausal, wie es hier eben an-
klang: Ein bisschen mehr Bildung hier, ein bisschen
mehr Unterstützung freier Träger dort, ein bisschen mehr
Aufklärungsarbeit an dieser oder jener Stelle, und dann
wird uns das Problem nicht wieder begegnen. Ein laten-
ter Antisemitismus, der in Teilen der Bevölkerung in un-
serem Land leider nach wie vor herrscht, ist eben nicht
dadurch zu bekämpfen, dass man an einzelnen Stellen
etwas mehr draufsetzt.


(Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Man hätte es sich einfach machen und sagen können: Ja,
das war ein Fehler. Wir hätten etwas anderes machen
müssen. – Aber ich sage Ihnen: Nein, die Bürgerinnen
und Bürger in unserem Land erwarten von uns allen,
dass wir Geld sparen.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber an der richtigen Stelle! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sparen Sie doch beim Betreuungsgeld!)


Viele Menschen sagen mir: Ihr müsst das Problem der
Haushaltsverschuldung – es war unter anderem Peer
Steinbrück, der uns Schulden in Höhe von 86 Milliarden
Euro hinterlassen hat – lösen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Diese Menschen hätten wenig Verständnis dafür, wenn
wir wie Ihr Kollege Schneider abstrakt sagten: „Wir
müssen sparen“, aber bei jedem Einsparvorschlag fest-
stellten, dass es gerade an dieser Stelle doch nicht geht. –
Ich mache es mir bewusst nicht einfach. Ich sage: Ja,
auch das BMI musste sparen. Wir haben nicht nach der
Rasenmähermethode gespart. Wir haben die freien Trä-
ger anders behandelt als die Bundeszentrale. Insofern
können wir, glaube ich, zu dieser Entscheidung selbstbe-
wusst stehen.


(Beifall bei der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714621100

Die Kollegin Alpers würde Ihnen gerne eine Zwi-

schenfrage stellen. Möchten Sie sie zulassen?


Dr. Stefan Ruppert (FDP):
Rede ID: ID1714621200

Gerne.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714621300

Bitte schön.


Agnes Alpers (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714621400

Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich habe folgende

Nachfrage: Sie haben gerade gesagt, dass wir konsoli-
dieren müssen, dass wir die Vorgaben der Schulden-
bremse einhalten müssen, dass wir sparen müssen. Aus
der Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine An-
frage wissen wir – das habe ich gerade schon erwähnt –,

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(C (D ass dieses Geld nicht zur Einhaltung der Vorgaben der chuldenbremse genutzt worden ist, sondern direkt von er Bundeszentrale für politische Bildung in den Bereich er inneren Sicherheit verschoben wurde. Was ist denn a eingespart worden? Lieber Herr Kollege, das stimmt achweislich. Ich bitte Sie, dazu Stellung zu beziehen. Frau Kollegin, das Bundesministerium des Innern ins esamt musste einen Sparbeitrag leisten. Diesen hat das undesministerium des Innern geleistet. Man kann jetzt arüber reden, ob die Einsparungen an der richtigen oder n der falschen Stelle vorgenommen wurden. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darüber reden wir ja gerade! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falsche Stelle!)

Dr. Stefan Ruppert (FDP):
Rede ID: ID1714621500

ir sind der Meinung: Das war die richtige Stelle. Sie
ind der Meinung: Das war die falsche Stelle. Sie sollten
ber nicht so tun, als ob wir durch entsprechende Mit-
laufwendungen dieses gravierende Problem, das wir in
eutschland haben, auch nur ansatzweise hätten lösen
önnen.


(Beifall bei der FDP – Sönke Rix [SPD]: Darum verschärfen Sie es?)


Man sollte auch nicht so tun, als ob der Bund an die-
er Stelle nicht tätig wäre. Wir haben mehrere Pro-
ramme aufgelegt, zum Beispiel das Programm „Zusam-
enhalt durch Teilhabe“. Bei vielen Antiextremismus-

rogrammen ist es notwendig, zu schauen, ob sie so
nktionieren, wie wir uns das vorstellen. Man schaue

ich die Programme vom Anfang der 90er-Jahre an: Vie-
s von damals wirkt aus heutiger Sicht ein wenig hilf-
s, weil man keine klare Vorstellung vom Extremismus

atte, weil man nicht genau wusste, was man bekämpft.
erade bei der Arbeit gegen Extremismus ist es wichtig,
mer wieder zu evaluieren und dann festzustellen, wel-

he Tätigkeiten sinnvoll und welche nicht so sinnvoll
ind. Wir stehen zu diesem Programm. Wir setzen große
offnungen in dieses Programm. Wir wollen es evaluie-
n, wenn es dazu an der Zeit ist, und dann – hoffentlich –
rtführen.

Ich bitte alle hier vertretenen Fraktionen, nicht zu
chnell einzelne Lösungsansätze zu favorisieren; ich
abe das heute schon einmal gesagt. Einige sagen, dass
ns das NPD-Verbotsverfahren entlasten würde. Ich
ann Ihnen aufgrund meiner Beschäftigung mit dem
PD-Verbotsverfahren als wissenschaftlicher Mitarbei-
r am Bundesverfassungsgericht sagen, dass sich die
ediale Aufmerksamkeit nach Stellung des Verbotsan-
ags erst einmal verringert hat. Das habe ich damals
ehr genau verfolgt. Es war nicht so, dass die Menschen
esagt haben: Jetzt, da der Antrag gestellt ist, sind wir
otiviert; wir engagieren uns weiter und stärken die Zi-

ilgesellschaft. – Man hatte manchmal sogar das Gefühl,
ass der eine oder andere den Eindruck hatte, dass es
ich um einen symbolischen Akt handelt und man des
roblems schon Herr werden könnte. Dabei gehen die
robleme in der Tat viel tiefer.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17429

Dr. Stefan Ruppert


(A) )


)(B)

Aus meiner Sicht brauchen wir eine bessere Analyse,
eine bessere strafrechtliche Verfolgung, bessere Struktu-
ren und eine bessere Zusammenarbeit zwischen den
Landesämtern für Verfassungsschutz und dem Bundes-
amt für Verfassungsschutz. Wenn wir wissen, woran es
liegt, können wir Instrumente entwickeln, die dem ent-
gegenwirken.


(Daniela Kolbe [Leipzig] [SPD]: Das passiert seit Jahren!)


Das ist aber nicht so einfach, wie Sie es uns heute hier
suggerieren wollen.


(Beifall bei der FDP)


Am Ende sage ich ganz persönlich: Wenn wir in der
Tat feststellen sollten, dass die Bundeszentrale für politi-
sche Bildung die zentrale Schaltstelle für die Bekämp-
fung des Rechtsextremismus ist, dann werden wir uns ei-
ner zusätzlichen Mittelaufwendung sicherlich nicht in
den Weg stellen. Zuerst kommt aber die Analyse, und
diesbezüglich stehen wir meiner Meinung nach erst ganz
am Anfang. Darauf sollten wir mehr Zeit verwenden.


(Daniela Kolbe [Leipzig] [SPD]: Das stimmt!)


Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714621600

Kai Gehring hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die

Grünen.


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714621700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich muss wirklich sagen: Ich habe selten so einen Unsinn
gehört. Wenn es um die Analyse politischer Bildung
geht, dann ist normalerweise völlig unstrittig, dass sie
ein wesentliches Präventivmittel gegen Extremismus ist
und der Demokratieförderung dient. Deshalb muss man
den Bereich der politischen Bildung ausbauen, anstatt an
dieser wichtigen Stelle zu knausern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Sie nehmen milliardenschwere Steuersenkungen vor,
laufen allen Lobbyisten


(Gisela Piltz [FDP]: Was ist mit der Solarlobby, Herr Kollege?)


dieser Republik hinterher, aber knausern an dieser Stelle
im Etat des Innenministeriums, an der es um 3,5 Millio-
nen Euro geht. Das ist die völlig falsche Stelle. Es kann
nicht sein, dass sich die Schuldenbremse letztlich als
Bildungsinvestitionsbremse entpuppt. Das geht so nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Sie haben am meisten gekürzt in Ihrer Regierungszeit!)


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(C (D Die unfassbare Mordserie der Neonazi-Terrorzelle ist in erneuter schockierender Beleg für die aggressive enschenfeindlichkeit des rechtsextremen Mobs in die em Land. Es ist beschämend, dass konservative Politier, allen voran Frau Ministerin Schröder, jahrelang – und uch heute noch – tausendfache Übergriffe durch Rechtsxtreme verharmlost haben und verharmlosen und die icherheitsbehörden auf dem rechten Auge blind waren. (Michael Brand [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


ine solche Gefährdung des friedlichen und freiheitlich-
emokratischen Zusammenlebens darf sich nie wieder-
olen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Agnes Alpers [DIE LINKE] – Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Sie haben schon das NPD-Verbotsverfahren verhunzt!)


Demokratiefeindliche Ideologien, die Fremdenfeind-
chkeit, Rassismus und gruppenbezogene Menschen-
indlichkeit propagieren, müssen offensiv bekämpft
erden. Zur Bekämpfung brauchen wir einen Ausbau

ämtlicher präventiver Mittel. Dazu gehören nicht nur
ie Programme gegen Rechtsextremismus – wir haben
ie Aufstockung der entsprechenden Mittel gefordert;
ber auch das hat Schwarz-Gelb leider abgelehnt –, son-
ern auch die politische Bildung aller Generationen.
olitische Bildung ist Zukunftsvorsorge für unsere De-
okratie.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Agnes Alpers [DIE LINKE])


Wer dem braunen Mob den Nährboden entziehen
ill, muss politische Bildung systematisch stärken. De-
okratisches Bewusstsein fällt nicht vom Himmel, son-

ern muss dauerhaft gefördert werden. Alle Erfahrungen
nd Studien zeigen, wie gut politische Bildung funktio-
iert, um Menschen über den demokratischen Prozess zu
formieren, sie zu aktivieren, am Gemeinwesen, am de-
okratischen Handeln zu partizipieren, gesellschaftliche
ielfalt als Chance zu schätzen, politische Zusammen-
änge und gesellschaftliche Debatten zu reflektieren.
olitische Bildung ist auch immer ein Seismograf für ge-
ellschaftliche Entwicklungen. Aus all diesen Gründen
t politische Bildung für unsere Demokratie systemrele-
ant.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich möchte Ihnen, Herr Staatssekretär, und dem
inister noch einmal in Erinnerung rufen, dass alle Op-

ositionsfraktionen hier seit Jahren in Anträgen in den
aushaltsberatungen fordern, die Kürzung der Mittel zu-
ckzunehmen. Es ist eine Frage des politischen Willens,

b diese Haushaltskürzungen zurückgenommen werden
der nicht. Es ist gelogen, wenn die Bundesregierung be-
auptet, beim Kampf gegen Rechtsextremismus werde
icht gekürzt. Sie wollen nur davon ablenken, dass Bun-

17430 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Kai Gehring


(A) )


)(B)

desinnenminister Friedrich im Windschatten von Minis-
terin Schröders Dauerdilettantismus die Axt an den Etat
der Bundeszentrale für politische Bildung gelegt hat.
Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Bei den fraktionsübergreifenden Arbeiten im Kurato-
rium für politische Bildung haben wir alle gemeinsam
gesagt, dass es keine Kürzungen der Mittel im Bereich
der politischen Bildung geben darf. Daher muss man
hier in der Plenardebatte umso deutlicher machen, dass
Schwarz-Gelb der Bundeszentrale mit den massiven
Kürzungen in den Rücken fällt. Es kann nicht sein, dass
dieser Etat um 21 Prozent, um 3,5 Milliarden Euro, ge-
kürzt wird. Das sind 3,5 Millionen Euro weniger für Bil-
dungsangebote. Das ist in diesen Zeiten noch unanstän-
diger, als es ohnehin schon wäre.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Nur Sie haben noch mehr gekürzt!)


Ich fordere Sie deshalb auf, diese Kürzungen
schnellstmöglich zurückzunehmen; denn sie würden sich
negativ auch auf die bundesweite Infrastruktur, auf die
rund 430 Träger politischer Bildung, die überparteilich
wertvolle politische Bildungsarbeit vor Ort fördern, aus-
wirken. Wir brauchen eine systematische Aufwertung
der politischen Bildung, nicht nur hinsichtlich der jun-
gen Generation, sondern auch hinsichtlich der Erwach-
senen. Denn die Themen Rechtsextremismus, Men-
schen- und Demokratiefeindlichkeit gehen uns alle an.
Ich wünsche mir, dass von dieser Debatte ein geschlos-
senes Signal ausgeht, zumindest von den Mitgliedern
des Kuratoriums der Bundeszentrale, –


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714621800

Herr Kollege.


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714621900

– aber eben auch von möglichst vielen Fraktionen,

dass die politische Bildung gestärkt werden muss und
die Kürzungen bei nächster Gelegenheit zurückgenom-
men werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714622000

Der Kollege Michael Frieser hat jetzt das Wort für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1714622100

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Dass man über politische Bildung spricht, ist
grundsätzlich gut, auch wenn für die Debatte nur eine

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(C (D albe Stunde angesetzt ist. Ich will nur sagen: Schade an er heutigen Diskussion ist, dass der Anlass, der uns alle icht nur nachdenklich stimmt, sondern der in allen Polikbereichen dafür sorgt, dass wir uns Gedanken, notendigerweise Sorgen um die Organisation, die Schlagräftigkeit und die Wehrhaftigkeit der Demokratie achen, mit Blick auf die Funktion der heutigen Debatte chon ein bisschen als Hebel herhalten muss. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir diskutieren das schon sehr lange!)


h darf vielleicht auch sagen: Man tut sich überhaupt
einen Gefallen, wenn man diesen Ort und dieses Pult in
ieser Art und Weise zur Plattform der Agitation macht,
m gegen oder für etwas oder was auch immer – was
icht ganz klar ist – zu sein. Aber in jedem Falle geht
ines nicht: die Fakten aus der Debatte über den Haus-
alt der Bundeszentrale für politische Bildung herumzu-
rehen und zu sagen, diese Bundesregierung hätte tat-
ächlich in der Frage der Extremismusbekämpfung
espart – das ist definitiv nicht wahr –; einmal abgese-
en von den Vorwürfen, die Sie an Ministerin Schröder
der an Minister Friedrich richten.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die waren alle richtig!)


s ist in keinster Weise wahr, dass Aufwendungen für
ie Bekämpfung des Extremismus zurückgefahren wor-
en wären. Auch das Kleinreden trifft nicht zu.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Schröder hat mehr Angst vor Deutschenfeindlichkeit als vor Rechtsextremismus!)


Ich will auch zu dieser Fehleinschätzung, der Bundes-
nenminister hätte hier eine Aufrechnung zwischen in-

erer Sicherheit und politischer Bildung vorgenommen,
agen: Ist das Budget beschlossen, dann muss der Minis-
r für Deckung sorgen. In dieser Frage muss ich deut-
ch sagen – –


(Abg. Dr. Barbara Hendricks [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Die Frau Kollegin möchte gern eine Zwischenfrage
tellen. Frau Kollegin, ich würde diesen Gedanken gern
rst zu Ende führen. Vielleicht finden wir dann noch
aum für die Zwischenfrage.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714622200

Heißt das: im Moment nicht, aber dann vielleicht? –

ie geben ein Zeichen.


Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1714622300

Wenn man das Budget des Haushalts des Innenminis-

riums beschließt, man dann aber einen Austausch vor-
ehmen möchte, muss man deutlich sagen, welche Haus-
altmittel wofür genommen werden. Das kann ich
ewusst falsch verstehen, wenn ich will. Ein solches
erhalten dient aber einem Ziel nicht, nämlich der Un-
rstützung der politischen Bildung.

Frau Kollegin, bitte.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17431


(A) )


)(B)


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714622400

Frau Hendricks, das wäre jetzt der passende Zeitpunkt

für Ihre Fragen. Bitte schön.


Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1714622500

Danke schön, Frau Präsidentin. Danke schön, Herr

Kollege Frieser. – Wir wollen doch bitte noch einmal ge-
meinsam den Gang der Geschichte darlegen. Im Februar
dieses Jahres, also völlig unabhängig von dem Bekannt-
werden der erschreckenden Mordtaten der Nazis, hat das
gesamte Kuratorium der Bundeszentrale für politische
Bildung einen Appell an die Mitglieder des Haushalts-
ausschusses und an die Bundesregierung gerichtet, keine
weiteren Kürzungen vorzunehmen, denn schon für das
Jahr 2011 waren Haushaltskürzungen zulasten der Bun-
deszentrale für politische Bildung vorgenommen wor-
den.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch damals haben wir protestiert!)


Die Mitglieder des Kuratoriums wollten parteiübergrei-
fend Vorsorge treffen, dass dies nicht wiederum gesche-
hen würde.

Die Mitglieder des Kuratoriums haben dafür im
Haushaltsausschuss bei der Mehrheit der schwarz-gel-
ben Koalition keinen Rückhalt gefunden, und zwar auch
bevor diese erschreckenden Mordtaten bekannt wurden.
Denn die Beratungen zum Haushalt des Bundesinnen-
ministeriums waren ja schon vorher im Gange. Zugege-
ben, die allerletzte Bereinigungssitzung war später, aber
die Beratungen waren natürlich längst im Gange.

Im Übrigen: Wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen,
Herr Kollege Frieser, dass von Ihrer Koalition und auch
von der Bundesregierung schon beabsichtigt war, die
Mittel zur Bekämpfung des Rechtsextremismus – also
nicht nur die Mittel für die Bundeszentrale für politische
Bildung, sondern auch die Mittel zur Bekämpfung des
Rechtsextremismus – zurückzufahren?


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat er schon wieder vergessen!)


Im Gespräch der Fraktionsvorsitzenden nach Be-
kanntwerden dieser schrecklichen Mordtaten hat dann
Ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Kauder, eingelenkt.


(Zurufe von der CDU/CSU: Fragen!)


Der Antrag der SPD lag schon vor; es war dann nicht
mehr nötig, ihn zu stellen, weil Ihr Fraktionsvorsitzender
nach Bekanntwerden der Mordtaten eingelenkt hatte.

Wollen Sie dann bitte im Übrigen zur Kenntnis neh-
men, dass die Oppositionsfraktionen im Innenausschuss
– wie sich das gehört – selbstverständlich auch Vor-
schläge zur Deckung einer Erhöhung der Mittel auf die
Höhe, wie sie bis 2011 zur Verfügung standen, gemacht
hatten?

Wollen Sie weiter zur Kenntnis nehmen, dass mehr
als 400 freie Träger auf diese Mittel angewiesen sind
und dass diese mehr als 400 freien Träger einen breiten
gesellschaftlichen Konsens darstellen – über die Kir-
chen, die Gewerkschaften, die parteinahen Stiftungen

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(C (D nd wen Sie sich alles vorstellen können? Bleiben Sie hig am Pult. Sie können mir ja gleich antworten. Frau Kollegin Hendricks, auch Zwischenbemerkun en, die keine Fragen beinhalten, sind keine eigene ede. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714622600

s wäre mir recht, wenn Sie das berücksichtigen wür-
en.


Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1714622700

Ja. Das Problem ist, dass der Kollege zwar vom Pult

eggehen, aber auch seine Ohren zumachen kann; das
ann ich nicht verhindern. Aber so, wie Sie es dargestellt
aben, Herr Kollege Frieser, trifft es einfach nicht zu.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1714622800

Frau Kollegin Hendricks, lassen Sie mich bitte sagen:

enn Sie Redezeit haben wollen, dann bewerben Sie
ich in Ihrer Fraktion um Redezeit bei diesem Thema.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Genau!)


ann können wir über diese Frage ordnungsgemäß dis-
utieren.


(Zurufe von der SPD: Antwort!)


Ich habe darauf hingewiesen, dass es im Eindruck
ieser wirklich niederschmetternden Erkenntnisse und
orkommnisse durchaus einen politischen Konsens gab,
as die Ausstattung freier Träger betrifft. Ich glaube,
ns kann niemand vorwerfen, dass wir vonseiten der
DU/CSU-Fraktion und der Koalition hier in irgend-
iner Art und Weise auf dem falschen Dampfer gewesen
ären.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Das wart ihr!)


Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass der Haushalt des
undesministeriums des Innern natürlich gegen

chmerzliche Widerstände so gestaltet worden ist.


(Sönke Rix [SPD]: Ja, ja! Das sagen Sie!)


lauben Sie denn, wir als diejenigen, die in diesem
uratorium Verantwortung tragen, hätten uns nicht mit
en Kollegen auseinandergesetzt? Ich bitte Sie, in Ihren
eiträgen darauf zu achten, dass Sie nicht den Eindruck
rwecken, es gehe hier ausschließlich um das Herunter-
hren der Mittel zur Extremismusbekämpfung.


(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Nein, nein, nein! Das habe ich nicht gesagt! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch um Demokratieförderung!)


as ist definitiv nicht der Fall. Ich bitte Sie, durch Ihre
ortbeiträge auch nicht diesen Eindruck zu erwecken.

17432 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Michael Frieser


(A) )


)(B)

Ich will auf die Schwerpunkte der Arbeit der Bundes-
zentrale für politische Bildung hinweisen. Sie bestehen
darin, politische Sachverhalte aufzuklären und zu för-
dern, die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stär-
ken und das demokratische Bewusstsein zu festigen. Das
sind die zentralen Punkte.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Aber dann dürfen Sie da doch nicht kürzen! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Sie kürzen also bei der Stärkung des demokratischen Bewusstseins, ja?)


Ich bin dem Kollegen Ruppert dankbar, dass er deutlich
gemacht hat: Es ist nicht die Bundeszentrale für den
Kampf gegen Extremismus.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Das sagt doch niemand!)


Diesen Eindruck sollten wir auch nicht erwecken.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte darauf hinweisen, dass man im Hinblick
auf das Budget der Bundeszentrale für politische Bil-
dung natürlich die Prioritäten ändern kann.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden am Thema vorbei!)


Man kann auch einmal die Frage stellen, wo Umschich-
tungen machbar sind und ob man angesichts der ziem-
lich großen Veranstaltungsdichte nicht auch den einen
oder anderen Beitrag erwarten kann.


(Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie es doch! Meine Güte!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714622900

Herr Kollege, es gäbe jetzt noch eine Zwischenfrage

des Kollegen Lemme.


Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1714623000

Nein, danke. Ich würde diesen Gedanken gerne zu

Ende führen.

Ich bitte Sie, zu beachten, dass man in der gesamten
Diskussion unter keinen Umständen den Eindruck erwe-
cken sollte, als könne man Terroristen durch politische
Bildung von ihren Taten abhalten.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer sagt denn so etwas? – Sönke Rix [SPD]: Nein! Aber man kann dazu beitragen, dass der Boden nicht so fruchtbar ist!)


Ich will deutlich sagen, dass politische Bildung Sensibi-
lisierung der Öffentlichkeit ist. Dies ist nicht nur ein
wesentlicher Faktor der Aufklärung, sondern betrifft vor
allem auch den Blick auf politisch Verirrte. Wir sollten
unter keinen Umständen den Eindruck erwecken, als
seien wir durch das, was der Staat im Bereich politischer
Bildung tun kann, in der Lage, terroristische Anschläge
zu verhindern.

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(C (D (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten eigentlich wissen, was bei der Bundeszentrale gemacht wird! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich erkläre Ihnen mal, wie das zusammenhängt!)


Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen des gesamten
auses, die organisatorischen Voraussetzungen, vor allem
ie der Dienste und der Sicherheitskräfte, zu stärken, um
u einem guten Ergebnis zu kommen, zur Aufklärung
eizutragen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Man
ollte an dieser Stelle nicht den Fehler machen, zu versu-
hen, den Menschen etwas Sand in die Augen zu
treuen. Man sollte auch nicht versuchen, diese Debatte
u einem falschen Ergebnis zu führen,


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Daran sollten Sie wirklich mal denken! – Sönke Rix [SPD]: Haben Sie schon einmal etwas von Nährboden gehört?)


ur weil sie im Augenblick zur richtigen Diskussion
asst. Damit tun wir der politischen Bildung und der Ex-
emismusbekämpfung mit Sicherheit keinen Gefallen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben von politischer Bildung ja gar keine Ahnung! – Sönke Rix [SPD]: Das kann man nicht voneinander trennen!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714623100

Es ist verabredet, die Vorlage auf Drucksache 17/7943

n die Ausschüsse, die Sie in der Tagesordnung finden,
u überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist
ffensichtlich der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Verteidigungsausschusses als 1. Unter-
suchungsausschuss gemäß Artikel 45 a Absatz 2
des Grundgesetzes

– Drucksache 17/7400 –

Es ist vorgesehen, hierzu eine Stunde zu debattieren. –
azu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann ver-
hren wir so.

Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort dem
ollegen Michael Brand für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Michael Brand (CDU):
Rede ID: ID1714623200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ir sprechen hier heute über ein Thema, das mit vielen

oten und Verletzten sowie viel Trauer bei den Angehö-
gen der Opfer verknüpft ist. Dem sollten wir in der De-
atte auch gerecht werden.

Das Thema Luftschlag Kunduz ist wie der gesamte
insatz in Afghanistan oder auch aktuell im Kosovo
atürlich stark mit der sehr grundsätzlichen Frage ver-
nüpft, wie und inwieweit wir unserer Bundeswehr in

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17433

Michael Brand


(A) )


)(B)

einem lebensbedrohlichen Einsatz Möglichkeiten ein-
räumen, um sich gegen unmittelbar drohende Gefahren
für Leib und Leben der Soldatinnen und Soldaten schüt-
zen und nötigenfalls Gewalt dabei anwenden zu können.
Der Ernst der Frage und die Schwere des Vorfalls gebie-
ten es, dieses Thema hier im Hohen Haus in aller Ruhe
und aller Sorgfalt und auch im Respekt vor den Toten
und im Respekt vor der Lage der Bundeswehr in einem
schweren Einsatz zu erörtern.

Für die Bundeswehr und ihren Einsatz in Afghanistan
– das gilt für Einsätze generell – ist dieser Vorfall sicher
in gewissem Ausmaß eine Zäsur. Nie zuvor haben Bun-
deswehrangehörige einen solchen Luftangriff befohlen,
und nie zuvor ist ein solches Ausmaß an unschuldigen
Toten zu beklagen gewesen. Dabei muss hier zweifels-
frei klargestellt werden: Der Einsatz der Bundeswehr in
Afghanistan ist vom Völkerrecht gedeckt.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ha!)


Die Afghanen sind dankbar für den Schutz durch die
Bundeswehr, die Bundeswehr hat das Recht und die
Pflicht, ihren Schutzauftrag in Bezug auf die in Afgha-
nistan zu leistende Aufgabe durchzusetzen, und sie hat
das Recht und die Pflicht, Mörder, Terroristen und At-
tentäter von ihrem mörderischen Tun abzuhalten – und
das auch mit militärischen Mitteln.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Unmittelbar nach dem Luftschlag in Kunduz haben
die Bundeskanzlerin, der damalige Außenminister
Steinmeier und der damalige Verteidigungsminister
Franz Josef Jung den zivilen Opfern und deren Familien
auch hier vor dem Hohen Haus ihre aufrichtige Anteil-
nahme ausgedrückt. Die Bundeskanzlerin hat in einer ei-
genen Regierungserklärung eine umfassende Aufklärung
des Vorgangs angekündigt – und sie hat Wort gehalten.

Wir als Deutscher Bundestag haben uns ebenso in der
Pflicht gesehen, die Umstände eingehend zu untersu-
chen. Der Beschluss zur Einsetzung eines Untersu-
chungsausschusses erfolgte aus gutem Grund im Kon-
sens aller Fraktionen dieses Hauses.


(Rainer Arnold [SPD]: Weil die Kanzlerin nicht aufgeklärt hat!)


Der Ausschuss hat zentrale Fragen gestellt und beant-
wortet. Einige will ich herausgreifen.

Die Fragen waren unter anderem: Wie sind die Re-
geln im Einsatz? Welche Regeln sind bei internationalen
Einsätzen zu beachten? Was ist nachzujustieren? Hier
gab es unmittelbar nach dem Luftschlag bereits Verände-
rungen, und es hat Klarstellungen gegeben.

Es gab weitere Fragen: Wie kommen wir an verlässli-
che Daten? Wie sichern wir möglichst fehlerfreie Ab-
läufe, vor allem beim Einsatz von schweren Waffen?
Hier hat sich gezeigt, dass wir beim Thema Aufklärung
in technischer und personeller Hinsicht einen klaren
Nachholbedarf haben.

Zudem war die Frage zu untersuchen: Wie kam es zu
der tragischen Fehlinformation, dass die Personen um
die gewaltsam gekaperten Tanklaster nicht ausschließ-

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(C (D ch gewaltund terrorbereite Taliban waren? Es ist narlich nie auszuschließen, dass es im Zusammenhang it den menschlichen Quellen vor Ort, den einheimi chen Spähern, auch das Risiko der Fehlinformation ibt. Dabei – auch das will ich sagen – bleibt diese Inforationsgewinnung für die Beurteilung unerlässlich. eim Luftschlag im September 2009 schien die Lage indeutig. Es wurde mehrfach geprüft. Dass die Informaonen dennoch falsch blieben, hat zu einer nochmaligen berprüfung und Schärfung der Regeln und der internen bläufe geführt. Wir haben im Untersuchungsausschuss auch die interen Kommunikationswege vom Einsatzort bis in die pitze der zuständigen Ressorts, des Außenministeums, das damals in SPD-Hand war – Frank-Walter teinmeier –, und des Verteidigungsministeriums, unterucht. Hier ist es bekanntlich zu Fehlern gekommen, die uch zu entsprechenden Konsequenzen und Veränderunen in den Abläufen geführt haben. Nicht zuletzt waren der Fragenkomplex Einhaltung ilitärischer Vorgaben durch die Bundeswehr und das usammenwirken mit den afghanischen Partnern und en Partnern in der NATO und in der Schutztruppe ISAF on großer Bedeutung. Wir müssen ein klares Wort an den damaligen ISAFommandeur richten. Ich will das tun: Es wäre richtiger ewesen, den ISAF-Partner Bundeswehr intensiver an er Aufklärung zu beteiligen. – Es war richtig, dass der amalige deutsche Verteidigungsminister Franz Josef ung und auch die Bundeskanzlerin mit deutlichen Worn vor einer Vorverurteilung warnten. Gerade in solch chweren Fällen muss gelten: erst aufklären, dann urtein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können festhal-
n: Der Ausschuss hat sich die Arbeit nicht leicht ge-
acht. Trotz aller teils harter und auch polemischer Aus-

inandersetzungen und trotz massiver Kritik vor allem
m Verhalten der SPD im Ausschuss nehme ich die SPD
eim Wort. Es gilt das Wort des Kollegen Arnold, der
inngemäß formuliert hat: Wir wollen der Bundeswehr
icht in den Rücken fallen.

Wenn das so ist, lieber Herr Arnold, und wenn das
on weiten Teilen von SPD und Grünen so mitgetragen
ird, können wir von hier aus den Soldatinnen und Sol-
aten im Einsatz zusichern, dass sie sich gerade auch
ann auf dieses Parlament verlassen können, wenn die
ituation kritisch wird. Wir lassen sie nicht im Stich, und
ir werden uns nicht auf ihre Kosten profilieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir haben im Ausschuss vor allem die Frage unter-
ucht, wie es trotz der obersten Priorität der Bundes-
ehr, nämlich Zivilisten nicht zu schädigen, genau dazu
ommen konnte. Oberst Klein hat im Untersuchungsaus-
chuss die dramatisch verschärfte Sicherheitslage klar
ezeichnet. Er hat überzeugend das damalige Risiko be-

17434 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Michael Brand


(A) )


)(B)

schrieben, dass der gekaperte Tanklaster als rollende
Megabombe gegen die Bundeswehr genutzt werden
könnte. Dazu lagen auch im Vorfeld klare Warnungen
vor. Zudem wurde er mit einer kriegerischen Lage kon-
frontiert, in der die Bundeswehr in Gefechten gebunden
wurde. Es gab Gefallene und Verletzte. Die Zahl der
Kämpfe war massiv angestiegen. Viele im Ausschuss
– auch ich persönlich – waren sehr beeindruckt bis scho-
ckiert über die Kriegsrealität, die sich in den deutschen
Medien so nicht wiederfand und auch in den Lagebildern
der militärischen Führung bis dahin nicht immer in der
Deutlichkeit dargestellt wurde. Wie einfach machen es
sich die, die Tausende Kilometer entfernt, von der war-
men Stube aus, im Nachhinein alles besser wissen.


(Zuruf von der FDP: So ist es!)


Oberst Klein hat in seinen Handlungen und in seinem
Vortrag einen integeren und sehr verantwortungsvollen
Eindruck hinterlassen. Er ist auch ein Beleg für das hohe
Maß an Umsicht und Verantwortungsgefühl, das die
Kommandeure der Bundeswehr im Einsatz – von Afgha-
nistan bis hin zum Kosovo – zeigen. Sie räumen sowohl
dem Schutz der eigenen Truppe als auch dem Schutz der
Zivilisten oberste Priorität ein.


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Zynismus!)


Bei aller Tragik der Ereignisse können wir im Ergeb-
nis festhalten: Selbst in diesem schweren Einsatz – ich
sage bewusst: unter Kriegsbedingungen – zeigt sich die
Bundeswehr als eine hochverantwortliche, moderne Ar-
mee, die den hohen Ansprüchen an eine Einsatzführung
gerecht wird, die wir als Deutscher Bundestag auch zu
Recht anlegen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dabei gilt der Grundsatz: Wer angreift, um zu töten, der
muss mit unserer Verteidigungsbereitschaft rechnen.


(Zuruf von der LINKEN)


Wer die Lage in Afghanistan und in Pakistan analy-
siert, wer die Lage in Teilen Ostafrikas und vor der
ostafrikanischen Küste betrachtet, der weiß: Sicherheit
kann im Zeitalter des internationalen Terrorismus nicht
mehr nur auf dem heimatlichen Territorium verteidigt
werden. Auch das hat etwas mit unserem Einsatz in Af-
ghanistan und mit dem Luftschlag und seiner ganzen
Vorgeschichte zu tun.

Viel ist im Untersuchungsausschuss über Themen und
Nebenthemen geredet worden, die nichts mit dem Auf-
trag zu tun hatten. Auch das ist wahr. Ich will nur kurz,
aber dafür umso klarer das Lieblingsthema der Opposi-
tion aufgreifen – ein Thema, das mit dem Luftschlag
nichts, aber auch gar nichts zu tun hatte –: die Angriffe
auf den Minister, der zum Zeitpunkt des Luftschlags gar
nicht im Amt war. Dazu stellen wir klipp und klar fest:
Wer die Bundeswehr in den Einsatz schickt, der steht in
der Verantwortung – auch in der Opposition.


(Zuruf von der LINKEN: Vorerst gescheitert!)


Wer dann auf der innenpolitischen Bühne – Tausende
Kilometer vom Einsatz entfernt – ein unwürdiges Schau-

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(C (D piel abzieht, der hat einen Großteil seiner außenund siherheitspolitischen Glaubwürdigkeit verspielt. (Dr. Hans-Peter Bartels [SPD]: Reden Sie über Guttenberg?)


Wir haben trotz dieser Obstruktion durchgesetzt, die
chtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Wir können mit
iniger Genugtuung festhalten, dass nach fast zwei Jah-
n Ausschussarbeit wesentliche Teile der Forderungen

ereits sehr zeitnah nach dem Luftschlag umgesetzt wor-
en sind.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714623300

Herr Brand, Herr Gehrcke wollte Ihnen gerne eine

wischenfrage stellen.


Michael Brand (CDU):
Rede ID: ID1714623400

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum

chluss.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714623500

Aber Sie haben mich gehört?


Michael Brand (CDU):
Rede ID: ID1714623600

Ich komme jetzt zum Schluss.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Lassen Sie die Frage zu?)


Für die CDU/CSU, für die Koalition und sicher auch
r die große Mehrheit hier in diesem Haus stelle ich
st: Die Bundeswehr kann sich als Parlamentsarmee bei
ren gefährlichen und verantwortungsvollen Einsätzen
r Sicherheit und Frieden auf die Unterstützung des

arlaments verlassen. Das gilt von Afghanistan über So-
alia bis hin nach Bosnien und in das Kosovo. Wir ste-

en zu unseren Soldaten. Wir sagen ihnen auch heute
ank für ihre zum Teil sehr gefährlichen Einsätze. Das
erdienen die Männer und Frauen, die im Einsatz sprich-
örtlich Leib und Leben für unsere Sicherheit riskieren.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Hervorragend!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714623700

Der Kollege Gehrcke bekommt das Wort zu einer

urzintervention.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714623800

Schönen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Brand, ich

abe bis zum Schluss gewartet, ob Sie ein Wort, einen
atz, einen halben Gedanken der Trauer oder des Mit-
ids für die Opfer dieses Bombenangriffs finden,


(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Sie waren am Anfang noch nicht da! – Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Waren Sie am Anfang noch nicht da?)


b nicht von diesem Parlament aus endlich ein Signal an
ie Menschen in Afghanistan gehen kann, deren Ange-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17435

Wolfgang Gehrcke


(A) )


)(B)

hörige umgekommen sind: Wir trauern mit euch. Wir
entschuldigen uns für das, was passiert ist.

Sie haben kein einziges Wort für die Opfer gefunden.


(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! Sie haben nicht zugehört!)


Das finde ich schändlich. Das finde ich bedauerlich. Das
entspricht auch nicht der Würde dieses Parlaments.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714623900

Herr Brand, möchten Sie antworten? – Bitte schön.


Michael Brand (CDU):
Rede ID: ID1714624000

Herr Kollege Gehrcke, ich möchte Ihre Äußerung als

unwahr zurückweisen. Sie waren ganz offensichtlich zu
Beginn dieser Rede nicht anwesend.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Doch!)


Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen – wenn Sie es
schon nicht im Plenarsaal tun, dann lesen Sie es im Pro-
tokoll nach –, dass ich mit einer sehr differenzierten
Position und auch mit dem Benennen der Opfer und mit
Worten der Trauer der unschuldigen Opfer gedacht habe.

Herr Gehrcke, Sie zeigen exemplarisch, was die
Linkspartei in den letzten zwei Jahren in diesem Aus-
schuss veranstaltet hat. Ihnen ging es nicht um die Sa-
che. Ihnen ging es um Propaganda.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714624100

Jetzt hat Rainer Arnold das Wort für die SPD-Frak-

tion.


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1714624200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In der Tat, das war der folgenschwerste Waffeneinsatz
der Bundeswehr, seit die Bundeswehr in unserem Auf-
trag bei internationalen Einsätzen engagiert ist: über
60 erwachsene Zivilisten und über 20 tote Kinder. Das
ist eine Tragödie, Herr Kollege Brand, über die wir nicht
mit diesem schneidigen, rechthaberischen und forschen
Ton hinweggehen können und dürfen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jedes Menschenleben in Afghanistan ist so viel wert
wie jedes Menschenleben der Welt. In diesem Sinn und
mit diesem Maßstab haben Sozialdemokraten und auch
andere in dem Ausschuss ihre Aufklärungsarbeit betrie-
ben. Dies heißt auch im Sinn einer Parlamentsarmee,
Herr Kollege Brand: Man fällt den Soldaten nicht in den
Rücken, wenn man Fehler sorgfältig untersucht, auswer-
tet


(Michael Brand [CDU/CSU]: Genau das haben wir getan! Da gibt es keinen Widerspruch!)


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(C (D nd daraus die Konsequenzen zieht und wenn man lsch als falsch benennt. Sie sind dazu nicht in der age. Dies wird den Opfern dieser tragischen Nacht icht gerecht. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Haben Sie nicht zugehört?)


Übrigens hat Ihre Kanzlerin damals am 8. September
009 versprochen – ich zitiere –:

Die lückenlose Aufklärung des Vorfalls … und sei-
ner Folgen ist für mich und die ganze Bundesregie-
rung ein Gebot der Selbstverständlichkeit.

ichts ist passiert.


(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


eine Aufklärung durch die Bundesregierung, nicht ein-
al die angemessene Entschädigung für die Opfer, wie

ie in Afghanistan üblich ist.


(Michael Brand [CDU/CSU]: Das ist unwahr!)


Deshalb war es notwendig, dass der Untersuchungs-
usschuss seine Arbeit geleistet hat, dass wir dort aufge-
rbeitet haben, wo die Regierung versagt hat. Das ging
ber viele Stunden. Das war eine große, auch nervliche
elastung für uns alle. Wir müssen das machen, das ist
nsere Aufgabe. Ich möchte aber ein ausdrückliches
ankeschön an unsere Mitarbeiter und vor allen Dingen

uch an alle Mitarbeiter im Ausschusssekretariat richten,
ie über viele Stunden, über 200, zusätzlich gearbeitet
aben.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dieser Einsatz wurde von der Spitze des Ministe-
ums als „militärisch-operativ angemessen“ bezeichnet.
aben Sie, die Kollegen von der Koalition, nicht reflek-
ert, dass das ein gesuchter Begriff im Sinne von Schutz
r Oberst Klein war? Dafür habe ich Verständnis. Ich

rwarte sogar von der Führung, dass sie sich schützend
or ihre Untergebenen stellt. Das ist die eine Seite.

Auch mir geht es so. Ich empfinde so, wie es in einem
chönen Satz im Talmud geschrieben ist: Verurteile nie-
anden, bevor Du in seiner Lage warst. – Niemand
ollte in dieser Nacht in der Lage von Oberst Klein ge-
esen sein. Deshalb geht es nicht um Verurteilen. Aber,
ebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben als Parlamen-
rier die Verpflichtung, diesen schwerwiegenden Ein-

atz zu beurteilen, die Fakten, auch wenn sie schmerzhaft
ind, zu benennen. Dabei gibt es nichts herumzureden.

Dieser Einsatz war ein schwerer Fehler. Er beruhte
uf Fehleinschätzungen, was die Gefährdung durch die
anklastzüge und eine Gefahr für das Camp angeht, die
icht bestanden hat. Schwere Regelverstöße waren ak-
nkundig, was in den Befragungen deutlich wurde. Das

teht außer Frage. Es ist auch klar geworden: Ohne die

17436 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Rainer Arnold


(A) )


)(B)

Regelverstöße hätte Oberst Klein nicht die Legitimation
zur Anforderung der Flugzeuge gehabt.

All dies muss gesagt werden. Das heißt nicht, den
Soldaten in den Rücken zu fallen; es ist vielmehr unsere
Aufgabe, seriös aufzuklären. Im Gegensatz zu Ihnen ha-
ben die Grünen und wir den Begriff „lessons learned“
sehr ernst genommen und auf einigen Seiten in dem
500 Seiten langen Bericht festgehalten, welche politi-
schen Konsequenzen und operativen Folgerungen not-
wendig sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Parlamentarier
haben allerdings nicht die Aufgabe, militärisch-operativ
zu beurteilen. Wir haben die Aufgabe, nach politischen,
ethischen und strategischen Maßstäben unser Urteil zu
finden. Es geht nicht an, dass eine Bundeskanzlerin fast
zwei Jahre nach dem schweren Vorfall in der Zeugenbe-
fragung immer noch sagt: Ob er richtig oder falsch war,
kommt auf den Blickwinkel an.


(Michael Brand [CDU/CSU]: Zitieren Sie die Kanzlerin bitte richtig!)


Nein, es gibt hier nur den politischen Blickwinkel. Dafür
sind wir als Abgeordnete gewählt. Wir brauchen die
Kraft und den Mut, dies auch deutlich zu sagen.

Es geht noch weniger an, Herr Kollege Brand, dass
der ehemalige Verteidigungsminister zu Guttenberg, vor
den Sie sich gerade wieder schützend gestellt haben, das
noch weiter auslegt, indem er sagt: Auch ohne Regelver-
stöße wäre der Einsatz zwingend gewesen.


(Michael Brand [CDU/CSU]: Dazu habe ich gar nichts gesagt!)


Er hat dazu von niemandem Rat eingeholt. Im Gegenteil:
General Schneiderhan hat ihn sogar gewarnt, ein biss-
chen vorsichtiger zu sein, und darauf hingewiesen, dass
die Dinge wahrscheinlich komplizierter sind als ange-
nommen.

Er musste nachher sein Urteil korrigieren, weil der öf-
fentliche Druck und auch der Druck aus dem Parlament
größer wurden; denn jeder, der den ISAF-Abschlussbe-
richt lesen konnte – auch zu Guttenberg sagt, er habe ihn
gelesen –, kann zu keiner anderen Erkenntnis kommen,
als dass der Einsatz falsch war und es schwere Regelver-
stöße gab. Dass Sie sich heute noch vor den Minister
stellen, finde ich außerordentlich bemerkenswert. Denn
die Geschichte in den letzten zwölf Monaten hat gezeigt:
Es gibt Zweifel an der Seriosität, Wahrhaftigkeit und der
Bereitschaft, Verantwortung gegenüber den beiden Per-
sonen zu übernehmen, nämlich Generalinspekteur
Schneiderhan und Staatssekretär Wichert, die er entlas-
sen hat. An den beiden gibt es keinen Zweifel.

Es würde sich für Sie anbieten, zu lesen, was Volker
Rühe, Ihr ehemaliger CDU/CSU-Verteidigungsminister,
zu diesen Vorgängen festgestellt hat. Sie haben nichts
davon aufgenommen. Sie haben Ihren Abschlussbericht
so geschrieben, Herr Brand, dass ich den Eindruck habe,

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(C (D ie sind ein Ultrafan von zu Guttenberg im Parlament. onst könnte man heute nicht so urteilen, wie Sie es tun. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Sie haben meiner Rede gar nicht zugehört!)


Lassen Sie mich noch einige Sätze zu der Verantwor-
ng des damaligen Ministers Jung sagen. Um es gleich

orweg klar zu artikulieren: Die Haltung von Minister
ung war letzten Endes konsequent. Sie verdient zumin-
est Respekt. Er hat angesichts der großen Dramatik und
es Leids, das in Afghanistan geschehen ist, vergleichs-
eise kleine Fehler begangen. Er hat die Öffentlichkeit
icht schnell genug informiert. Vielleicht hat er auch
icht die Kraft gehabt, zu sagen: „Das ist politisch bri-
ant; ab jetzt laufen alle Fäden bei mir zusammen“, statt
lle Abteilungen vor sich hinarbeiten zu lassen. Das wa-
n seine Versäumnisse. Dafür hat er die Verantwortung

bernommen. Dies halten wir ausdrücklich für in Ord-
ung.

Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Spiegel-
triche zum Thema „lessons learned“ anmerken.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714624300

Bei „ein paar Spiegelstrichen“ werde ich unruhig.


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1714624400

Ich nenne nur noch einen Punkt, der uns als Sozialde-

okraten besonders wichtig ist. Wir werden uns damit
eschäftigen müssen, ob das deutsche Recht in allen Be-
ichen zu unseren Soldatinnen und Soldaten im Einsatz

asst. Wir werden uns auch damit beschäftigen müssen,
b die Arbeit der menschlichen Quellen, die der Arbeit
es Bundesnachrichtendienstes sehr nahe ist, von der
undeswehr so weiter geleistet werden soll und welche
arlamentarische Kontrolle dafür notwendig ist.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714624500

Herr Kollege.


Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1714624600

Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Arbeit ist

ichtig. Die Frage ist aber, wie sie gemacht wird.

Wir haben also mit dem heutigen Abschlussbericht
einen Schlussstrich zu ziehen. Mit dem heutigen Ab-
chlussbericht sagen wir vielmehr: Vor uns liegt noch
iel Arbeit in dem Sinne, aus Fehlern zu lernen, damit
ich so etwas nach menschlichem Ermessen nicht mehr
iederholt.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714624700

Der Kollege Joachim Spatz hat jetzt das Wort für die

DP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17437


(A) )


)(B)


Joachim Spatz (FDP):
Rede ID: ID1714624800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In der Tat stellte das Einsatzjahr 2009 mit den eigenen
Opfern im April und den bedauernswerten zivilen Op-
fern am Kunduz-Fluss am 4. September 2009 einen Ein-
schnitt in der Geschichte der Bundeswehr und auch der
Bundesrepublik Deutschland dar. Spätestens mit diesem
Einsatzjahr war klar, dass wir uns in Afghanistan – man
kann das jetzt juristisch formulieren, aber ich sage es
einmal so, wie es der normale Mensch empfindet – im
Krieg befinden.

Ich denke, vieles was danach an Konsequenzen
folgte, bis hin zur Bundeswehrreform in der Gestalt, wie
sie jetzt angegangen wird, ist der Tatsache geschuldet,
dass man sich diesen Realitäten unausweichlich hat stel-
len müssen.

Zur Beurteilung des Vorfalls am Kunduz-Fluss war es
unumgänglich, einen Untersuchungsausschuss einzu-
richten. Deshalb wurde er auch – der Kollege Brand hat
darauf hingewiesen – einstimmig eingesetzt. Als öffent-
liche Einrichtung muss sich die Parlamentsarmee genau
wie die Polizei bei der Wahrnehmung ihrer Machtmittel
einer kritischen Prüfung unterziehen. Deshalb bekennen
wir uns auch dazu, dass sich das Handeln in diesem Fall
der kritischen Prüfung durch einen Untersuchungsaus-
schuss zu unterziehen hatte.

Dabei hat aber nicht nur die Bundesregierung, son-
dern auch das Parlament die Aufgabe, diese Prüfung vor
dem Hintergrund ihrer Verantwortung wahrzunehmen.
Dazu muss ich schon sagen – da teile ich die Bewertung
des Kollegen Brand –, dass das nicht in jedem Fall die
alleinige Richtschnur gewesen sein kann, an der sich die
Opposition orientiert hat. Bei uns standen auf jeden Fall
die Sachaufklärung und das, was wir an Folgerungen für
die weitere Tätigkeit der Bundeswehr daraus zu ziehen
haben – mit dem Stichwort „lessons learned“ wurde das
schon erwähnt –, im Vordergrund.

An der Stelle sei auch einmal erwähnt, dass die Koali-
tion gemeinsam mit SPD und Grünen im Feststellungs-
teil unseres Berichtes einen Weg gefunden hat, wenigs-
tens die Sachaufklärung auf einen gemeinsamen Stand
zu bringen. Eigentlich war bis zum Schluss auch die
Linke mit dabei, die sich dem dann aber ganz kurz vor
Toresschluss entzogen hat. Als Beweggründe dafür eig-
nen sich – darauf komme ich später bei einzelnen Punk-
ten noch zurück – wohl nur andere als die gemeinsame
Sachaufklärung. Hier hat anscheinend die Regie aus dem
Backoffice dominiert.

Wir als Koalition haben uns die Bewertung der Tätig-
keit oder der Entscheidungen des Oberst Klein an die-
sem Tag nicht leichtgemacht. Wir sind zu dem Ergebnis
gelangt, dass man nach Abschluss aller Untersuchungen
zu dem Schluss kommen muss, dass die Entscheidung
zwar militärisch nicht angemessen war – dazu bekennen
wir uns auch –, dass er aber nach bestem Wissen und Ge-
wissen und zum Wohle der Soldatinnen und Soldaten,
die ihm genauso unterstellt waren wie die zivilen Be-
diensteten, die im Lager dabei waren, gehandelt hat. Wie
gesagt: Im Nachhinein, nach Vorliegen aller Informatio-

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(C (D en und mit großer Distanz kann man dieses Urteil fäln. Wenn es zu einer Fehlentscheidung gekommen ist, ann auch deshalb, weil damals die Aufklärungs-, Fühngsund Wirkmittel nicht zur Verfügung standen, die inem Kommandeur in Kunduz heute zur Verfügung steen. Auch das ist klar: Hier wurde unmittelbar und chnell gehandelt. Der Vorwurf der parteipolitischen Inszenierung, Kolginnen und Kollegen von der Opposition, muss Ihnen atürlich gemacht werden, nachdem der verantwortliche inister, Dr. Jung, sehr zügig zurückgetreten ist. Da urch, dass Sie sich nach diesem Rücktritt auf den ehealigen Minister zu Guttenberg konzentriert haben, ist re eigentliche Absicht doch mehr als offensichtlich. ie Bewertung des Vorganges rund um den ehemaligen eneralinspekteur Schneiderhan und den ehemaligen taatssekretär Wichert zeigt doch, wes Geistes Kind Ihre ewertung ist. Ich kann nur sagen: Den Eindruck, den ie beiden Zeugen im Untersuchungsausschuss gemacht aben, jedenfalls auf mich, hat sehr glaubwürdig ercheinen lassen, was der Zeuge zu Guttenberg ausgesagt at. Da der Name Volker Rühe und der seines Nachfolgers efallen sind, verbitte ich mir schon, dass sich Leute ein rteil erlauben, die mit dem Untersuchungsausschuss nd dem Untersuchungsgegenstand in keiner Weise zu n hatten. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


owenig wie wir an dieser Stelle ein Werturteil über die
ersonen oder deren Lebensleistung abgegeben haben,


(Michael Brand [CDU/CSU]: So ist es!)


o wenig kann ich diejenigen ernst nehmen, die sich ein
rteil über ein Verhalten in dieser konkret angesproche-
en Sachlage herausnehmen,


(Michael Brand [CDU/CSU]: Genau! Es ging nur um den Fall Kunduz!)


bwohl sie in keiner Weise daran beteiligt waren. Das
ill ich hier schon noch einmal klarstellen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Jetzt zu etwas anderem; das ist vor allem an die Linke
erichtet. Es geht um den Versuch, die Bundeswehr,
tichwort „Task Force 47“, in eine bestimmte Richtung
u rücken, wodurch nahegelegt wird, dass sie gewisser-
aßen Listen von Targets abarbeitet oder Beihilfe zu
eheimoperationen leistet. Dergleichen ist noch nicht

inmal im Ansatz belegbar gewesen. Es ist ein Unding,
ass Sie das offensichtlich weiterhin behaupten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Michael Brand [CDU/CSU]: Das ist die Strategie von Diffamieren und Propaganda!)


17438 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Joachim Spatz


(A) )


)(B)

Es gab nicht einmal einen Anfangsverdacht. Das Ganze
ist nichts anderes als Diffamierung. Auch hier wird wie-
der der Versuch deutlich, diesen Einsatz, die Bundes-
wehr und ihre Führung an dieser Stelle zu diskreditieren.
Man tut so, als ob sich unsere Soldatinnen und Soldaten
zu solchem Tun – Geheimdienstoperationen entweder
aus eigenem Antrieb oder im Auftrag anderer abzuarbei-
ten – hergeben. Das ist nicht der Fall.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es gab nicht einen einzigen Hinweis darauf, dass es an-
ders gewesen ist.

Zu Ihrer Behauptung, der Luftschlag sei völkerrechts-
widrig gewesen, kann ich nur sagen: Die deutsche Justiz,
die über die Anklage gegen Oberst Klein zu entscheiden
hatte, ist schlicht und ergreifend anderer Meinung.


(Lachen des Abg. Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE])


– Da können Sie lachen. Bei juristischen Meinungen gibt
es natürlich immer unterschiedliche Auffassungen. Es
gibt ja den Spruch: Drei Juristen, fünf Meinungen.


(Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Falsch!)


Wenn es bei solchen Fragen von den zuständigen Institu-
tionen eine Entscheidung gibt, ist es Aufgabe des Parla-
ments, das nicht zu ignorieren und nicht weiterhin zu be-
haupten, dass man völkerrechtswidrig unterwegs ge-
wesen ist.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Alles in allem kann man sagen, dass die Tätigkeit des
Untersuchungsausschusses diejenigen Dinge zutage ge-
fördert hat, die wir ändern mussten, sowohl im Einsatz-
gebiet selbst als auch in der Kommunikation des Bun-
desministeriums der Verteidigung; denn auch da waren
offenkundig Unzulänglichkeiten vorhanden. Diese Än-
derungen sind weitgehend geschehen. Die Versuche, so-
wohl den Einsatz wie auch handelnde Personen in Miss-
kredit zu bringen oder gar zu diffamieren, sind gescheitert.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714624900

Das Wort hat der Kollege Paul Schäfer für die Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Paul Schäfer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714625000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der

Bombenangriff von Kunduz am 4. September 2009 war
eine Zäsur in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Dass
ein Bundeswehroberst den Befehl zu einem Luftangriff
gibt, bei dem über 100 Menschen, darunter überwiegend
unschuldige Zivilisten, umkommen sollten, lag außer-
halb des Denkhorizonts der deutschen Öffentlichkeit.
Das hat viele aufgeschreckt, viele entsetzt, und es ist gut,
dass sich die Deutschen auch über 60 Jahre nach dem

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(C (D nde des Zweiten Weltkriegs so schwertun, einer Politik u folgen, die uns wieder zu militärischen Tätern macht. Man hat das auch „Kultur der Zurückhaltung“ geannt. Für mich schließt das den Begriff der Empathie in, das Mitgefühl mit den Opfern, deren Angehörigen nd Freunden. Deshalb stand für uns, die Linke, aber uch für viele andere neben der Pflicht zur Aufklärung mer auch im Zentrum, dass die afghanischen Opfer er Bomben nicht vergessen werden, dass ein Schuldeineständnis durch die Verantwortlichen erfolgt – bis heute icht geschehen – und dass die betroffenen Familien, die großer Armut leben, angemessen entschädigt wer en – bis heute nicht geschehen. Leider wurde auch uner Vorschlag, am Jahrestag der Bombennacht von unduz hier im Bundestag der Toten zu gedenken, abgehnt. Diese Wunde bleibt. Was die Öffentlichkeit damals aufgewühlt hat, waren icht nur die Bomben, die Toten, Menschen, die sich uasi in Luft aufgelöst hatten, sondern es war auch der mgang mit diesem Ereignis. Es war doch damals mit änden zu greifen, dass die Wahrheit immer nur scheib henweise ans Licht gekommen ist, dass Dinge vorentalten werden sollten. Der Versuch, möglichst rasch zur agesordnung überzugehen, wäre auch fast gelungen, enn nicht Nachrichtenmedien Ende Oktober mit neuen nthüllungen nachgelegt hätten. Man muss sich daran och einmal erinnern. Die Bundeskanzlerin hatte am 8. September 2009 hier Bundestag versprochen, rückhaltlos und vollständig ufzuklären. Dieses Versprechen ist bis heute nicht einelöst. (Michael Brand [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


(Beifall bei der LINKEN)


Wir sind durch die Arbeit des Untersuchungsaus-
chusses zu klaren Bewertungen gekommen. Wir sind
avon überzeugt, dass der Luftangriff vom 4. September
009 gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen hat
nd dass er deshalb nie hätte stattfinden dürfen.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Michael Brand [CDU/CSU]: Sie wollen die Bundeswehr abschaffen! Das ist es doch!)


berst Klein hätte alles tun müssen, um definitiv auszu-
chließen, dass sich am Angriffsort Zivilisten befinden.
avon kann aber keine Rede sein. Schon allein die Frage
ach dem Verbleib des besonders schutzbedürftigen,
eil verschleppten Lkw-Fahrers zu ignorieren, war fahr-
ssig.


(Michael Brand [CDU/CSU]: Das ist zynisch, was Sie hier erzählen!)


ber auch das stete Kommen und Gehen einer großen
ahl von Menschen, die Benzin aus dem Tanklastwagen
bzapfen wollten, sprach gegen die Annahme, dies seien
eine Zivilisten. Oberst Klein hätte vor dem Angriffsbe-
hl zwingend Tiefflugaktionen der Piloten anordnen
üssen – ich rede vom Bürgerrecht –, um die Zivilisten

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17439

Paul Schäfer (Köln)



(A) )


)(B)

auf der Sandbank vor einem Luftangriff zu warnen und
ihnen die Gelegenheit zu geben, den Ort unverzüglich zu
verlassen. Das sind völkerrechtliche Gebote. Das ist
nicht geschehen, weil es ja gerade das Ziel des Bomben-
angriffs war, den lokalen Taliban-Führern und den ver-
meintlichen Aufständischen einen – so hieß es ja – „ver-
nichtenden Schlag zu versetzen“. Das war das Kalkül.
Dass sich die Bundeswehrführung intern und in ihrer Be-
ratung des damaligen Ministers dieses Kalkül zu eigen
gemacht


(Michael Brand [CDU/CSU]: Sie wollen doch die Bundeswehr madig machen!)


und damit den Luftschlag gerechtfertigt hat, hat die Sa-
che wahrlich nicht besser gemacht, im Gegenteil. Das
haben wir im Untersuchungsausschuss auch herausge-
funden.

Wir konnten uns auch in dieser Bewertung nicht zu-
letzt auf den NATO-Untersuchungsbericht stützen. Er
enthält alle wesentlichen Fakten, auch klare Hinweise
auf die gravierenden Regelverstöße durch Oberst Klein,
und er macht keinen Hehl daraus, dass der Angriffsbe-
fehl ohne unmittelbare Gefahr für die Bundeswehr und
auch für afghanische Zivilisten sowie ohne ausreichende
Klärung, wer durch die Bomben getroffen werden
würde, nicht hätte gegeben werden dürfen.


(Michael Brand [CDU/CSU]: Zitieren Sie ihn bitte richtig!)


Es ist ein Trauerspiel, dass dieser COMISAF-Bericht
weiter topsecret ist, lieber Kollege Brand. Die Bundesre-
gierung hat lange mit dem Finger auf die NATO gezeigt.
Peinlich nur, dass durch den Untersuchungsausschuss
herauskam – man kann es nachlesen –, dass das deutsch
geführte PRT Kunduz auch daran beteiligt war, an der
Geheimeinstufung festzuhalten. Das ist doch bemer-
kenswert.

General Ramms, zeitweilig ranghöchster deutscher
Offizier bei der NATO, war einer der Zeugen. Er hat aus-
gesagt, seine Schlussfolgerung nach der Lektüre des
COMISAF-Berichts habe gelautet: Ich empfehle die ge-
richtliche und disziplinarische Untersuchung des Vor-
falls. – Das war die Meinung eines führenden Militärs.


(Joachim Spatz [FDP]: Das ist doch gemacht geworden! – Michael Brand [CDU/CSU]: Genau das ist passiert! Meine Güte! Sie haben doch ein Brett vor dem Kopf!)


Wie ist die Bundesregierung damit umgegangen? Vor
dem Hintergrund der sich verschärfenden Kämpfe und
dieses Ereignisses am Kunduz-Fluss hat man die Weich-
spülterminologie aufgegeben. Seit Oktober 2009 spre-
chen wir von Krieg in Afghanistan.

Man mag das als Anerkennung der Realitäten anse-
hen, aber es geht um mehr: Krieg und Kriegsopfer gehö-
ren zusammen, und wenn schon Krieg ist, dann ist auch
mehr erlaubt, also auch verschärfte Angriffshandlungen.
Einen Oberst, der gegnerische Kombattanten nach sei-
nen eigenen Worten vernichten will, zu belangen, wird
schwierig. Man konnte davon ausgehen, dass eine auch

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(C (D olitisch aufgestellte Generalbundesanwaltschaft – daor brauchen wir die Augen nicht zu verschließen – chon für den Rest sorgen und hilfreich zur Seite stehen ürde. Genau das ist in dem vorliegenden Fall passiert. as Verfahren wurde nach fünf Wochen eingestellt. (Joachim Spatz [FDP]: Ja und? – Michael Brand [CDU/CSU]: Was soll das denn heißen? Was wollen Sie denn unterstellen?)


Die Bundeswehr hat gegen Oberst Klein ein förmli-
hes Disziplinarverfahren erst gar nicht eingeleitet. Hier
cheint ein Grundmuster auf, das überaus kritikwürdig
t. Es mag sein, dass eine Staatsanwaltschaft der Mei-
ung ist, eine strafrechtliche Verurteilung sei nicht zu er-
arten. Aber die disziplinarische Würdigung ist etwas

nderes, und sie darf nicht einfach an eine unterblei-
ende Strafverfolgung angehängt werden. Gravierende
erstöße gegen NATO-Regeln zum Beispiel – die liegen
indeutig vor – sind zu ahnden, wenn man nicht riskie-
n will, dass das schlechte Beispiel Schule macht.


(Beifall bei der LINKEN)


s kann doch nicht sein, dass schlampiges Waffenreini-
en geahndet wird


(Michael Brand [CDU/CSU]: Was für eine Verharmlosung! Zynisch!)


nd ein tödlicher Waffeneinsatz, der in der heutigen
undeswehrführung als Riesenfehler eingestuft wird,
it Beförderung belohnt wird. Das kann nicht sein.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Bundeskanzlerin hat am 8. September 2009 da-
on gesprochen, dass durch Kunduz „wie in einem
rennglas“ die „grundsätzlichen Fragen sichtbar“ wer-
en, „die wir uns seit Beginn des Einsatzes der Bundes-
ehr in Afghanistan immer wieder stellen müssen“.
ohl wahr. Dazu gehört auch die Frage, ob sich die
undeswehr an einer solchen Form der offensiven Auf-

tandsbekämpfung beteiligen soll, wie sie im Norden
tattfindet. Man hat seit Beginn 2009 gesagt, man müsse
ich jetzt wehren. Dann kam Kunduz. Für die politischen
ntscheidungsträger schien es dann vor allem darum zu
ehen: Wie kann man den allzu bohrenden Fragen nach
er Sinnhaftigkeit des Einsatzes an der Heimatfront
egegnen? Das ist der kritische Punkt. Wenn die
auptsorge ist, ob die Truppe noch angemessen kriege-
sch funktioniert, und dies die Bedenken, ob die völker-
chtlichen und rechtlichen Schranken zur größtmögli-

hen Schonung der Zivilbevölkerung auch strikt
eachtet werden, in den Hintergrund drängt oder überla-
ert, dann sind wir auf der schiefen Ebene. Deshalb gilt
s an dieser Stelle, innezuhalten und umzukehren. Genau
as ist es, was gemacht werden muss.

Die entscheidende Schlussfolgerung, die die Linke
us dem 4. September 2009 zieht, lautet: Krieg darf kein
ittel der Politik mehr sein.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN)


17440 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011


(A) )


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Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714625100

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kol-

lege Omid Nouripour das Wort.


Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714625200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir wis-

sen nicht genau, wie viele Menschen am 4. September
2009 zu Schaden gekommen sind. In den Berichten gibt
es variierende Zahlen: bis zu 142. Wir wissen aber, dass
viele Zivilistinnen und Zivilisten darunter waren und
dass auch Kinder dort versehrt worden sind. Das ist der
Grund, warum wir heute zu Recht sagen, dass es eine
Zäsur war, nicht nur in der Geschichte der Bundeswehr,
sondern auch beim Einsatz in Afghanistan, und das ist
der Grund, warum es einen Untersuchungsausschuss ge-
geben hat.

Wir fragen: Wie konnte es dazu kommen, dass ein
solches Fehlurteil gefällt wurde? Wie ist die Politik da-
nach mit diesem Fehler umgegangen? Welche Lehren
ziehen wir daraus? Diese Fragen haben wir sehr lange
miteinander erörtert. Es war nicht immer einfach. Aber
ich finde unter dem Strich, dass dieser Ausschuss vieles
erreicht hat. Wir haben viel über den Einsatz in Afgha-
nistan gelernt, wir haben viel über Afghanistan selbst ge-
lernt, und wir haben sehr viel über die Bundeswehr und
das Bundesministerium der Verteidigung gelernt.

Vieles war schleppend. Bei den meisten Akten war es
am Anfang nicht einfach, sie zu bekommen. Die Bun-
desregierung hat aus unserer Sicht vieles nicht oder nur
sehr langsam geliefert. Wir haben immer wieder mit der
Mehrheit zu kämpfen gehabt. Nicht alle Auseinanderset-
zungen, die wir im Ausschuss hatten – ich schließe an die-
ser Stelle keine Fraktion aus –, waren sachlich. Ich finde,
dass vieles nicht ernsthaft genug diskutiert wurde – ich
persönlich meine, vor allem vonseiten der Koalition. Ich
fand es auch nicht gut, wenn erst gesagt wurde, dass be-
stimmte Sitzungen öffentlich sein sollen, dann aber aus
Gründen, die ich bis heute nicht nachvollziehen kann,
anders entschieden wurde. Das zeugte nicht von Zuver-
lässigkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber noch einmal: Wir haben es geschafft, miteinan-
der zu einem gemeinsamen Feststellungsteil zu kom-
men. Das ist gut. Das ist etwas mehr gewesen, als ich am
Anfang erwartet hatte.

Trotzdem kommen wir bei der Frage, wen man ent-
lasten kann, zu einem anderen Ergebnis als die Aus-
schussmehrheit. Franz Josef Jung hat der Öffentlichkeit
tagelang die Wahrheit verschwiegen, dass es zivile Opfer
gegeben hat, obwohl das bereits am 4. September in in-
ternationalen Nachrichten bekannt geworden war. Be-
reits am 4. September gab es Meldungen über Kinder in
Krankenhäusern in Kunduz.

Die Bundeskanzlerin hat nicht widersprochen. Sie ist
zwar für die Richtlinienkompetenz zuständig; sie ist aber
in der Wahlkampfsituation abgetaucht. Sie hat verspro-
chen, dass es ihrerseits vollständige Aufklärung geben
werde. Ich selbst habe sie im Ausschuss gefragt, was nun
ihr persönlicher Beitrag zur Aufklärung sei. Ihre Ant-

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(C (D ort war: Ich habe die Akten gelesen. – Ich finde, das ist r eine Bundeskanzlerin nicht besonders viel. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


as Auswärtige Amt hat nicht widersprochen, sich aber
enigstens von den Äußerungen von Franz Josef Jung
lug distanziert.

Herr Kollege Spatz, bei Karl-Theodor zu Guttenberg
llt mir nur ein: ein Minister, drei Meinungen.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


nfangs gab es eine Bewertung, in der es hieß: militä-
sch angemessen und zwingend. Danach hieß es: Nein,
as war falsch. Später hieß es: Es war politisch nicht an-
emessen, aber militärisch doch. – Wie er zu diesen
einungswechseln kam, ist bis heute nicht wirklich klar.

r konnte uns das nicht sagen; er hatte halt den Über-
lick verloren. Die Herren Wichert und Schneiderhan
önnen wir Grüne auch nicht entlasten. Sie sind Opfer
ines Systems geworden, das sie jahrelang selbst im
inisterium installiert haben.

Erlauben Sie mir bitte, noch einige Sätze zu Oberst
lein zu sagen. Er hat in einer unglaublich schwierigen
ituation Fehler gemacht. Er hat in dieser Situation ge-
en Einsatzregeln verstoßen und das völkerrechtlich ver-
nkerte Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht eingehal-
n.

Nun hat natürlich auch die Politik, die Soldaten und
oldatinnen entsendet, eine Fürsorgepflicht. Verehrte
olleginnen und Kollegen der Union, ich finde, es ist
ein richtiges Verständnis von Fürsorge, wenn man Feh-
r einfach nicht benennt. Hinsichtlich des Disziplinar-
erfahrens würde ich mir nicht anmaßen, ein Ergebnis
orwegzunehmen. Das Problem ist jedoch die Begrün-
ung des BMVg. Die Begründung für die Einstellung
es Disziplinarverfahrens lautete: Anhaltspunkte für ein
ienstvergehen haben sich nicht ergeben. – Das ist

chlicht falsch. Für eine Beurteilung muss man die inter-
ationalen Berichte lesen, man muss die NATO-Ergeb-
isse lesen – und dann muss man einfach zu einem ande-
n Ergebnis kommen.

Im Untersuchungsausschuss waren einige Menschen
it goldenen Sternen auf der Schulterklappe als Zeugen,

ei denen ich mich gefragt habe, ob sie sich einfach im-
er wieder weggeduckt haben. Wir hatten aber auch

ehr viele Soldaten als Zeugen im Ausschuss, die ein
usterbeispiel für Innere Führung waren. Die Frage ist:
elches Signal sendet die Führung des Ministeriums in
ichtung der eigenen Soldatinnen und Soldaten aus,
enn es darum geht, was eigentlich Innere Führung ist?
in permanentes Wegdrücken von Fehlern und die Hal-
ng, auch das, was international bekannt ist, nicht zu
ematisieren, ist kein gutes Beispiel, wenn man das
rinzip der Inneren Führung verankern will.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17441

Omid Nouripour


(A) )


)(B)

Die Koalitionsfraktionen wollten den Ausschuss be-
reits nach drei Monaten beenden. Zu dem Zeitpunkt war
die Bundeskanzlerin noch gar nicht als Zeugin vernom-
men worden. Wir hatten viel Ärger miteinander. Nun
kann man sagen, es sei ein bekanntes Spiel in Untersu-
chungsausschüssen, dass sich Koalition und Opposition
auch in den Formalitäten beharken.

Das Problem aber ist Folgendes: Wir haben am Ende
mehrfach angeboten, uns gemeinsam hinzusetzen und
einmal aufzuschreiben – der Kollege Arnold hat es ge-
sagt –, was wir denn eigentlich aus dem Ganzen gelernt
haben, damit wir schließlich gemeinsame Empfehlungen
abgeben können. Sie haben sich diesem Gespräch ver-
weigert.


(Michael Brand [CDU/CSU]: Stimmt nicht!)


Das ist sehr bedauerlich und zugleich ein Bärendienst,
nicht nur für die Akzeptanz der Truppe, sondern auch für
die Akzeptanz des Einsatzes in Afghanistan.

Erlauben Sie mir, einige wenige Lektionen vorzutra-
gen, die wir – Sozialdemokraten und Grüne – aufge-
schrieben haben:

Die Einsatzregeln der ISAF müssen den Soldatinnen
und Soldaten im Einsatz konsequent und systematisch
vermittelt werden. Das gilt erst recht im Hinblick auf das
Völkerrecht und die Konsequenzen, die sich daraus erge-
ben können.

Die Struktur der Feldlager, also der PRTs, kann so
nicht mehr aufrechterhalten werden. Es kann nicht sein,
dass es formal eine Doppelspitze gibt, bei der allerdings
der militärische Führer 1 000 Menschen unter sich hat,
der zivile hingegen nur zwei. Hier muss die zivile Seite
deutlich mehr tun, damit eine Doppelspitze auf gleicher
Augenhöhe agieren kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Bundeswehr braucht mehr Aufklärungsmittel. Es
geht natürlich auch darum, dass Quellen anders geführt
werden, auch beim Einsatz in Afghanistan. Es geht in
erster Linie darum, dass das Prinzip der Inneren Führung
konsequent vermittelt wird. Wenn Soldatinnen und Sol-
daten der Meinung sind, dass ein Befehl, der ihnen erteilt
worden ist, nicht regelkonform ist – sei er völkerrecht-
lich zweifelhaft, sei er mit den Einsatzregeln nicht zu
vereinbaren –, dann müssen sie dem wie selbstverständ-
lich widersprechen. Das ist nicht immer selbstverständ-
lich; das muss es aber werden.

Im Ministerium gab es – der Kollege Spatz hat das zu
Recht gesagt – eine mangelnde Krisenkommunikation.
Sie sagten, dass es danach Änderungen gegeben habe;
alles sei besser geworden. In dem Zusammenhang
möchte ich an den Fall der Gorch Fock erinnern, bei dem
man nicht das Gefühl hatte, dass irgendetwas gelernt
worden war. Da hat man den Fehler, nämlich erst einmal
alles beiseitezudrücken, was es an Fehlern gab, wieder-
holt. Wichtig wäre, dass die Bundeskanzlerin oder ab
2013 der nächste Bundeskanzler – meines Wissens sind
bisher alle Gegenkandidaten Männer –


(Joachim Spatz [FDP]: Ihr habt noch keinen!)


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(C (D erantwortung für die Einsätze übernehmen. Die Buneskanzlerin hat in der letzten Legislaturperiode – das ilt bis zu diesem Tag – das Wort „Afghanistan“ hier im eutschen Bundestag nur einmal verwendet. Das ist icht ausreichend und kein Fall von Richtlinienkompenz. Wichtig ist aber, dass der Einsatz – auch das hat der ollege Arnold zu Recht gesagt – auf klarere rechtliche rundlagen gestellt wird. Wir plädieren für ein Streiträfteeinsatzgesetz. Bei der Beratung darüber werden ir uns wiedersehen. Wir haben nämlich Konsequenzen us dem gezogen, was wir gelernt haben, und werden as Parlament in dieser Legislaturperiode weiterhin dait beschäftigen. Ich hoffe, dass wir dabei zu besseren emeinsamen Ergebnissen kommen werden. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714625300

Das Wort hat der Kollege Siegfried Kauder für die

nionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/
SU):
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ein Untersu-

hungsausschuss ist ein Hilfsinstrument für das Parla-
ent zur Sachaufklärung eines skandalisierten Sachver-

alts. Er ist aber auch politisches Kampfmittel. Wir
tellen fest, dass Untersuchungsausschüsse in letzter Zeit

mer mehr zu einem politischen Kampfmittel und im-
er weniger zu einem Aufklärungsinstrument geworden

ind. Wenn Sie es mir nicht glauben, kann die SPD das
Buch von Wiefelspütz auf Seite 30 nachlesen. Den

inken empfehle ich Badura in der Festschrift für Helm-
ch, Seite 191.


(Michael Brand [CDU/CSU]: Ordentlich zitiert!)


Im Rahmen einer politischen Kampfstimmung ist es
ormal, dass man sich einmal im Ton vergreift, dass man
it Unterstellungen und subtilen Behauptungen, die sich

icht bewahrheiten lassen, argumentiert und dass man
us diesen Unterstellungen Schlussfolgerungen zieht,
ie ebenfalls nicht stimmen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714625400

Kollege Kauder, gestatten Sie eine Frage oder Bemer-

ung der Kollegin Keul?

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/
SU):
Nein, sie kann eine Kurzintervention machen. –
eine Damen und Herren, ich habe Verständnis dafür,

ass man im politischen Meinungskampf mit Unterstel-
ngen arbeitet. Jedoch habe ich überhaupt kein Ver-

tändnis dafür, dass man glaubt, die Generalbundes-
nwältin attackieren zu müssen,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


17442 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)



(A) )


)(B)

mit den ungehörigsten Argumentationen, die ich jemals
erlebt habe. Die Linken haben der Bundesregierung un-
terstellt, sie habe gewissermaßen Einfluss auf die Gene-
ralstaatsanwaltschaft genommen, damit diese das Ver-
fahren einstelle.


(Zuruf von der LINKEN: Ist das nicht so?)


Da hört es auf. Eine objektive Behörde muss sich nicht
gefallen lassen, dass behauptet wird, sie sei von einer
Bundesregierung determiniert. Das stimmt nicht. Sie
können es nicht beweisen, und deshalb dürfen Sie es
auch nicht behaupten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, es ge-
hört sich auch nicht, der Generalbundesanwaltschaft zu
unterstellen, sie habe oberflächlich gearbeitet und kei-
nerlei militärpolitische Kenntnisse.


(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Was ist denn mit den Zeugen, die vernommen worden sind, oder mit den Zeugen, die nicht vernommen worden sind?)


Deshalb rate ich jedem, bei den Aufgaben eines Untersu-
chungsausschusses zu bleiben.

Wir haben in diesem Untersuchungsausschuss durch-
aus etwas gelernt. Ein hohes Gericht hat Ihren Plan eines
Showdowns durchkreuzt. Eine Gegenüberstellung von
Guttenberg, Schneiderhan und Wichert, wie Sie sie woll-
ten, ist von uns abgelehnt worden. Das Gericht hat uns
recht darin gegeben, dass es sich nicht um ein Minder-
heitenrecht handelt, sondern dass die Mehrheit das ab-
lehnen kann. Wir wollen keinen Showdown in Untersu-
chungsausschüssen.

Ich empfehle, dass die Opposition in sich geht und da-
rüber nachdenkt, ob es nicht besser ist, aus einem Unter-
suchungsausschuss wieder das zu machen, was eigent-
lich vorgesehen war, nämlich ein Instrument der
Sachaufklärung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dieser Untersu-
chungsausschuss hat wieder einmal bestätigt: Wir müs-
sen das parlamentarische Untersuchungsausschussrecht
reformieren. Es gibt da zu viel Leerlauf, und es wird zu
viel unnütz gemacht.


(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Das ist richtig!)


Man kann da einiges verbessern. Ich habe einen Gesetz-
entwurf in der Tasche; jeder kann daran mitarbeiten.


(Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das nenne ich Hybris!)


Es ist nämlich eine Aufgabe des Parlaments, sich funk-
tionierende Regeln zu geben. Es darf nicht sein, dass
Zeugen vernommen werden und am Ende in deren Aus-
sagen etwas hineininterpretiert wird, was diese nicht her-
geben.

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(C (D (Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Wir brauchen mehr Öffentlichkeit! Dann kann man das nachlesen!)


Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wer liest
enn diese über 300 Seiten Abschlussbericht?


(Michael Brand [CDU/CSU]: 580 Seiten!)


580 Seiten, sagt der Kollege. Vielleicht kommen wir
inmal dazu, das präziser und knapper zu formulieren,
inen Bericht hinzubekommen und Sondervoten abzuge-
en, die Hand und Fuß haben.

Nehmen Sie sich ein Beispiel am Bündnis 90/Die
rünen. Ein Kompliment: Sie haben ein Sondervotum

bgegeben, das zwar nicht unsere Meinung widerspie-
elt, aber sauber aufgebaut ist, im Ton moderat ist und
inen Sprachgebrauch pflegt, wie wir ihn im Parlament
nd im Plenum gewohnt sind: nicht unter der Gürtelli-
ie. Daraus können die anderen Fraktionen nur lernen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714625500

Kollege Kauder, gestatten Sie eine Frage oder Bemer-

ung der Kollegin Hänsel?

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/
SU):
Bitte schön.


(Markus Grübel [CDU/CSU]: Das ist jetzt ungerecht!)



Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714625600

Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Kauder, Sie

aben sich gefragt: Wer liest eigentlich diesen Untersu-
hungsbericht? Sind Sie sich eigentlich dessen bewusst,
ass die Menschen in Afghanistan sehr genau schauen,
as hier passiert, wer Verantwortung übernimmt und
ie mit der ganzen Situation umgegangen wird? Wissen
ie eigentlich, dass immer mehr Menschen in Afghanis-
n auf die Straße gehen, um sich gegen genau solche
ombardierungen zu wehren, weil sie feststellen, dass
ichts passiert und es nicht einmal einen Aufschrei gibt?
s ist nicht egal, was in diesem Untersuchungsbericht
teht. Immer mehr Menschen in Afghanistan wenden
ich gegen ein solches Vorgehen.

Ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen, dass
eute hier oben auf der Besuchertribüne ein junger Af-
hane sitzt, der solche Demonstrationen organisiert und
agt: „Wir wehren uns gegen diese Bombardierungen“,
er mitbekommt, worüber wir hier diskutieren. Es ist
icht egal, was in einem solchen Bericht steht; es wird
ehr genau auf jedes Wort geachtet, auch auf Ihre Worte
nd darauf, ob es hier ein Stück weit Empathie gibt oder
ie nur sachlich-technisch über diesen Untersuchungs-
usschuss reden. Ich bin froh, dass sich junge Afghanen
agegen wehren, und möchte Said Mahmood Paiz herz-
ch willkommen heißen. Herzlichen Dank, dass du da
ist.


(Beifall bei der LINKEN)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17443


(A) )


)(B)

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/
CSU):

Liebe Kollegin, Sie vermitteln diesen jungen Men-
schen damit allerdings, auch in Deutschland gäbe es
keine rechtsstaatlichen Prinzipien. Denn Sie, die Linken,
waren es, die der Generalbundesanwaltschaft vorgewor-
fen haben, sie habe in einem äußerst bedenklichen, wenn
nicht sogar rechtsstaatswidrigen Vorgang das Verfahren
gegen Oberst Klein eingestellt. Sie dürfen den jungen
Menschen in Afghanistan nicht vermitteln, dass die Ge-
neralbundesanwaltschaft „bedenklich“ und „rechts-
staatswidrig“ vorgeht – das tut sie nicht –; denn diese
jungen Menschen wissen, was es heißt, nicht rechtsstaat-
lich behandelt zu werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie sehen also, dass es durchaus seinen Sinn hat, auch

über Prinzipien zu diskutieren. Vielleicht lernen Sie
noch etwas daraus. Ich würde es mir und uns allen wün-
schen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714625700

Zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Keul das

Wort.


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714625800

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege

Kauder, wir haben heute mehrfach in der Debatte gehört,
dass alle ein Interesse an Sachaufklärung hatten, an einer
öffentlichen Aufklärung, wie sie uns die Kanzlerin ver-
sprochen hatte. Es sah beim Untersuchungsausschuss zu
Beginn auch so aus, als seien wir da auf einem guten
Wege. So hatten wir einen Kompromiss mit den Koali-
tionsfraktionen im Hinblick auf Geheimhaltungsbedürf-
tigkeit und öffentliche Aufklärung gefunden; wir hatten
einen Kompromiss gefunden, welche Zeugen öffentlich
und welche nicht öffentlich vernommen werden sollten.
Das war eine vernünftige Grundlage; sie bestand etwa
zwei bis drei Monate.

Ich möchte Sie heute fragen: Warum war es gerade
Ihnen, die Sie nach zwei bis drei Monaten erschienen, so
besonders wichtig, dafür zu sorgen, dass dieser Aus-
schuss nie wieder öffentlich tagte und sämtliche Verneh-
mungen von Zeugen, egal ob schutzbedürftig oder nicht,
nur noch im Geheimen stattfanden?


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714625900

Sie haben das Wort, Kollege Kauder.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/
CSU):

Frau Kollegin, schlicht und ergreifend deshalb, weil
ich in das Grundgesetz geschaut habe. Schon der Vertei-
digungsausschuss tagt nicht öffentlich, aus gutem
Grund: weil es da um militärische Informationen geht,
die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sein sollen. Liebe
Kolleginnen, liebe Kollegen, wenn im Grundgesetz
steht, dass schon der Verteidigungsausschuss bei solchen
Sachverhalten nicht öffentlich tagt, warum soll dann ein
Untersuchungsausschuss, bei dem es ans Eingemachte
geht, auf einmal öffentlich tagen können?

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(C (D Vielleicht hätten Sie besser ein anderes Thema angeprochen: das ständige Durchstechen von geheimen Inrmationen an die Öffentlichkeit. it der Frage des Geheimnisverrates hat sich hier nieand befasst. Ich habe mir Mühe gegeben, eine Alternave anzubieten, aber Sie ignorieren sie völlig. Ich kann nen sagen: Es kann nicht sein, dass geheimhaltungsbe ürftige Informationen ständig nach außen dringen. Ich habe mich vor zwei Tagen beim Bundesverfasungsgericht dafür rechtfertigen müssen, dass es der eutsche Bundestag nicht schafft, in Ausschüssen die eheimhaltung zu wahren. In Bezug auf das Stabilitätsesetz haben wir uns für ein Neuner-Gremium entschieen, weil wir zu dem Ergebnis gekommen waren, dass 1 nicht dichthalten können. Darüber müssen wir einmal achdenken. Der Kollege Dr. Hans-Peter Bartels hat für die SPD raktion das Wort. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! assen Sie mich nach den durchaus interessanten Rechtabereien des Kollegen Kauder einige Bemerkungen um Untersuchungsausschuss als solchem machen. Es gab in der Öffentlichkeit und auch in der Bundesehr gelegentlich die Meinung, man brauche diese parlaentarische Untersuchung nicht, sie sei Zeitverschwen ung, da werde viel Lärm um nichts gemacht, und am nde komme nichts heraus. Ich stelle fest: Das Gegenteil t richtig. Nach gut anderthalb Jahren Arbeit kann nieand bestreiten, dass dieser Ausschuss notwendig war nd dass der vorliegende Bericht die erste offizielle deutche Darstellung der Ereignisse vom 3. und 4. September 009 und der exekutiven Entscheidungen danach enthält. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714626000

(Beifall bei der SPD)

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
Rede ID: ID1714626100

o etwas gab es nicht von der Bundesregierung, obwohl
ie Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung „lü-
kenlose Aufklärung“ angekündigt hatte. Nichts hat sie
orgelegt. Dafür brauchten wir diesen Ausschuss, dafür
ibt es jetzt diesen Bericht.

Der Anlass war wichtig genug: die folgenschwerste
ilitärische Operation in der Geschichte der Bundesre-

ublik Deutschland mit über 100 Toten, mit Kritik von
ielen NATO-Partnern, mit einer eigenen hochnotpeinli-
hen NATO-Untersuchung, mit einem zur Ruhe gesetz-
n Generalinspekteur, einem entlassenen Staatssekretär
nd zwei verloren gegangenen Bundesministern. Das
ar nicht nichts.


(Michael Brand [CDU/CSU]: Richtig!)


17444 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Dr. Hans-Peter Bartels


(A) )


)(B)

Es war unsere parlamentarische Schuldigkeit, uns hier
an die Arbeit zu machen.

Solche Untersuchungsausschüsse sind aufwendig und
deshalb selten. Aber allein die Möglichkeit, dass es ei-
nen Untersuchungsausschuss geben kann, hat eine Wir-
kung auf die Exekutive. Nicht nur die tatsächliche stän-
dige parlamentarische Kontrolle, sondern die jeder-
zeitige Möglichkeit dieser Kontrolle durch einen beson-
deren Ausschuss sollte als regulative Idee nicht unter-
schätzt werden. Gerade wenn wir immer von der Bun-
deswehr als Parlamentsarmee sprechen, sollten wir uns
nicht vor der zusätzlichen Arbeit scheuen, und wir haben
das auch nicht getan.

Der nun vorliegende dicke Bericht enthält tatsächlich
eine gemeinsame Bewertung: Der Luftschlag von Kun-
duz war ein schwerer Fehler; es hätte nicht dazu kom-
men dürfen. – Ich gebe zu, dass ich im Begründungsteil
die Argumentation meiner Fraktion, der SPD, etwas
schlüssiger finde als die Logik der Koalitionsmehrheit
von CDU/CSU und FDP.


(Michael Brand [CDU/CSU]: Das überrascht mich aber!)


Die lautet etwa so: Der Bombenabwurf war falsch; aber
alles, was dazu geführt hat, war richtig. Das klingt etwas
paradox.


(Michael Brand [CDU/CSU]: Da haben Sie nicht richtig gelesen!)


Aber ich will hier gar nicht unterschlagen, dass es gute
Gründe dafür gibt, sich nicht immer ganz so sicher zu
sein.

Oberst Klein hat als Zeuge auf die Schwierigkeit hin-
gewiesen, militärische Entscheidungen auf der Grund-
lage eines niemals vollständigen Lagebildes treffen zu
müssen. Er hat vor dem Ausschuss ausgesagt und hinter-
her noch einmal zu den Fraktionsvoten Stellung genom-
men. Damit hat er in jeder Weise die Aufklärungsarbeit
unterstützt. Ich will das betonen, weil es wichtig ist für
das Vertrauensverhältnis zwischen Armee und Parlament
nicht nur im Alltag, sondern auch, wenn tragische Ereig-
nisse aufzuarbeiten sind.


(Beifall bei der SPD)


Am Ende seiner Stellungnahme schreibt Oberst Klein:

… vor dem Hintergrund der heutigen Kenntnisse
muss ich die Folgen meiner Entscheidung als ver-
hängnisvoll bezeichnen.

So ist es, und soweit besteht gewissermaßen Überein-
stimmung zwischen Militär und Politik.

Zum Schluss noch ein Wort zum zurückgetretenen
Verteidigungsminister, der gerade jetzt wieder in die
deutsche Öffentlichkeit drängt. Er hatte sich ja ursprüng-
lich dazu verstiegen, zu sagen, es habe so oder so zu dem
Luftschlag kommen müssen. Im Ausschuss hat er zu
Protokoll gegeben, er habe vorher selbst den geheimen
NATO-Untersuchungsbericht durchgearbeitet. – Das
geht nicht zusammen. Die NATO kommt zu dem Ergeb-
nis, dass der Bombenbefehl nicht mit der Weisungslage

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(C (D nd auch nicht mit der neuen Strategie der NATO in Afhanistan vereinbar gewesen ist. Hätte man aus dem OMISAF-Bericht zitieren dürfen, wäre das Gerede des inisters schnell ad absurdum geführt worden. Aber: eheim! Auch andere hüten heute noch Guttenberg-Geheimisse, auch manche Medien. Ich zitiere aus dem handchriftlichen Brief des entlassenen Staatssekretärs ichert an seinen Minister vom 30. November 2009 Zitat –: Im heutigen Spiegel und in anderen Presseorganen werden über General Schneiderhan und mich Lügen verbreitet. Besonders ärgerlich ist, dass dies unter Berufung auf Ihr „Umfeld“ geschieht. (Michael Brand [CDU/CSU]: Ihre Äußerungen zeigen, dass es nur um die Sache geht, nicht um den Minister!)


arauf antwortet Guttenberg am 2. Dezember 2009,
benfalls handschriftlich – Zitat –:


(Florian Hahn [CDU/CSU]: Meinen Sie, dass das jetzt noch jemanden interessiert?)


Sehr geehrter, lieber Herr Dr. Wichert, offenbar gibt
es interessierte Kreise, die mit Setzen von ver-
meintlichen Zitaten und gezielten Unwahrheiten
Unfrieden, ja Zwietracht säen wollen.

Am 18. Dezember 2009 schreibt er noch einmal an
ichert – Zitat –:

Mein bisheriges Verständnis war, dass über den In-
halt unseres persönlichen Gesprächs am 25. No-
vember 2009 keine Information der Öffentlichkeit
erfolgt.

Ausschuss hat der Zeuge Guttenberg in der ihm eige-
en Art die Frage offengelassen, wer den Spiegel über
en Verlauf des vertraulichen Gesprächs in seinem Büro
formiert hat. Der Spiegel selbst weiß das natürlich, hat

s aber damals nicht geschrieben.

Dafür finden wir diese Woche dort einen schönen
atz. Er ist so schön, dass ich damit schließen will:

Im Buch sagt er …

Guttenberg –

sein Verhalten in der Kunduz-Affäre sei von „abso-
luter Wahrhaftigkeit“ geprägt gewesen, im Berliner
Regierungsviertel gibt es wahrscheinlich keine fünf
Leute, die das genauso sehen.

on diesen fünf – das füge ich hinzu – arbeitet keiner
ehr im Spiegel-Büro. So gibt es überall Fortschritt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714626200

Als letzter Redner in dieser Debatte hat der Kollege

lorian Hahn für die Unionsfraktion das Wort.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17445

Vizepräsidentin Petra Pau


(A) )


)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Florian Hahn (CSU):
Rede ID: ID1714626300

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Der Untersuchungsausschuss sollte die Umstände
des Luftschlages vom 3. und 4. September 2009 auf zwei
Tanklastwagen aufklären, bei dem es zum tragischen
Tod vieler Zivilisten kam, was wir immer bedauert ha-
ben. Das zu bezweifeln, ist, finde ich, unanständig.
Ebenso ging es darum, die diesbezügliche Aufklärungs-
und Informationspraxis der Bundesregierung und die
Vereinbarkeit der gewählten Vorgehensweise mit natio-
nalen und multinationalen politischen, rechtlichen und
militärischen Vorgaben für den Einsatz zu untersuchen.

Diese Aufklärung haben wir durch intensive Beweis-
aufnahme, durch Zeugeneinvernahme und detaillierte
Informationskenntnisse erreicht. Im Ergebnis kann fest-
gehalten werden, dass Oberst Klein auf Basis der damals
vorliegenden Faktenlage nachvollziehbar gehandelt hat.
Seine Entscheidung diente dem Schutz der ihm anver-
trauten Soldatinnen und Soldaten. Daran habe ich, vor
allem mit Blick auf die Sicherheitssituation damals und
mit Blick auf seinen Auftritt im Ausschuss, keinen
Zweifel. Keinen Zweifel habe ich zudem, dass es unter
anderem nie zu diesem Luftschlag gekommen wäre,
wäre erkennbar gewesen, dass so viele Zivilisten bei den
Lastzügen gewesen sind. Oberst Klein hat sogar zu je-
dem Zeitpunkt versucht, zivile Opfer zu vermeiden. Da-
rin liegt die besondere Tragik in diesem Fall. Die ver-
schiedenen Verfahrensfehler und Verletzungen von
Einsatzrichtlinien sind heute bekannt. Deshalb muss aus
heutiger Sicht der Einsatz als nicht angemessen bezeich-
net werden. Er hätte nicht durchgeführt werden dürfen.

Es bleibt zudem festzustellen, dass sich die Bundesre-
gierung korrekt verhalten und sich unverzüglich um die
Aufklärung der Lage vor Ort gekümmert hat.


(Beifall des Abg. Michael Brand [CDU/CSU])


Darüber hinaus haben die Kanzlerin, der Minister sowie
die Bundesregierung von Anfang an ihr Bedauern und
ihren Respekt gegenüber den unschuldigen Opfern zum
Ausdruck gebracht. So weit zu den Fakten.

Auch ich darf an dieser Stelle ein Dankeschön sagen
an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschuss-
sekretariats und des Ministeriums für die Vor- und Auf-
bereitung der Sitzungen und der Sitzungsunterlagen.


(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geheimschutzstelle!)


Sie haben noch ein Stück mehr gearbeitet als wir. Ein
herzliches Dankeschön!


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Abgesehen von der Faktenlage gibt es immer auch
eine persönliche Bewertung eines solchen Untersu-
chungsausschusses. Hierbei kann ich meinen Ärger da-
rüber nicht ganz verhehlen, dass wir uns in diesen
bewegten Zeiten, in denen unsere Soldatinnen und Sol-

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(C (D aten großen Gefahren ausgesetzt sind und sich die Buneswehr in der größten Reform ihrer Geschichte befinet, über fast zwei Jahre in 79 Sitzungen durch knapp 50 Aktenordner zum Teil regelrecht gequält haben, (Dr. Hans-Peter Bartels [SPD]: War das Zeitverschwendung, oder was?)


nd das oftmals nur, weil die Opposition es nicht lassen
onnte, auch unter den kleinsten Stein mindestens fünf-
al zu schauen, um zum Teil abstruse und abenteuerli-

he Theorien zu verfolgen. Wir hätten uns viele Sitzun-
en sparen können; denn das Ergebnis, das jetzt vorliegt,
ar schon lange absehbar. Das geringe Medieninteresse
den letzten Monaten ist ein Beleg dafür.

Ich sage ganz klar: Als Demokrat und Parlamentarier
abe ich vollstes Verständnis für die Notwendigkeit von
ntersuchungsausschüssen. Ich halte sie für ein wichti-
es Minderheitenrecht und für unverzichtbar. Aber
ieses politische Instrument droht dann Schaden zu neh-
en, wenn der Untersuchungsgegenstand in den Hinter-

rund und parteipolitisches Taktieren den Maßstab bil-
et.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Hans-Peter Bartels [SPD]: Was soll das denn jetzt?)


Wir müssen uns auch fragen, ob es nicht beschämend
ar, wenn wir bei Zeugenbefragungen junge Soldaten
anchmal stundenlang nicht nur befragt, sondern regel-
cht ins Kreuzverhör genommen haben. Dieses Verhal-
n, das wir Parlamentarier dabei gezeigt haben, ist
ahrlich keine Auszeichnung. Ich hoffe, dass dies das
ild, das die Soldaten von ihrem Parlament haben, nicht
achhaltig prägen wird.

Beschämend fand ich auch den öffentlichen Umgang
it der Person Oberst Klein. Ich hoffe, dass es nicht
sus in unserem Land wird, dass wir militärische Führer

uf diese Art und Weise an einen Pranger stellen und
orverurteilen. Ich hoffe, dass sich jetzige und künftige
ilitärische Entscheidungsträger davon nicht abschre-

ken lassen und ihre Entscheidungen weiterhin so tref-
n, wie es die Situation erfordert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Erschreckend war meines Erachtens auch, im Zuge
es gesamten Verfahrens erleben zu müssen, was man-
he Kolleginnen und Kollegen unter Geheimhaltung ver-
tehen. Nicht selten war die Sitzung noch in vollem
ange, da konnte man schon über die Ticker Details der
efragungen lesen.


(Michael Brand [CDU/CSU]: Das war schlimm!)


ies ist nicht nur unredlich und geschmacklos, sondern
ann auch Zeugen gefährden. Ein verantwortungsvoller
mgang mit dem Instrument Untersuchungsausschuss

ieht wahrlich anders aus.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


17446 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011


(A) )


)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714626400

Kollege Hahn, gestatten Sie eine Frage oder Bemer-

kung der Kollegin Keul?


Florian Hahn (CSU):
Rede ID: ID1714626500

Das kann die Kollegin Keul am Schluss meiner Rede

gerne machen.

Fernab von den warmen Sitzungszimmern hier in
Berlin befinden sich unsere Soldatinnen und Soldaten in
einem Einsatz, der sie oftmals an die Grenzen ihrer
Kräfte bringt und in dem sie großen Gefahren ausgesetzt
sind. Vielleicht werden dort Entscheidungen unter ande-
ren Voraussetzungen als im sicheren Büro getroffen. Ich
will nichts verteidigen und nichts beschönigen; aber un-
sere Truppen haben ein Anrecht darauf, dass wir hinter
ihnen stehen, dass wir Verständnis für ihre Anliegen und
ihre Sorgen zeigen und dass wir uns in ihre Lage verset-
zen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dass wir uns stärker in ihre Lage versetzen können,
das haben der tragische Vorfall in Kunduz und die Dis-
kussion darüber bewirkt. Deutschland musste plötzlich
der Realität ins Auge sehen und erkennen, dass es sich
hier um einen Einsatz handelt, in dem es tagtäglich zu
Kampfhandlungen kommt. Karl-Theodor zu Guttenberg
konnte daraufhin die Neubewertung des Einsatzes vor-
nehmen. Seither sprechen wir unter anderem von einem
kriegsähnlichen Zustand. Es ist wichtig, dass wir das
Kind nun beim Namen nennen. Auch das gehört zu einer
verantwortungsvollen Politik gegenüber den Soldatinnen
und Soldaten, aber auch gegenüber der Gesellschaft.

Im Bewusstsein dessen, dass nicht jeder das bevorste-
hende Weihnachtsfest im Kreise seiner Familie feiern
kann, dass viele Soldatinnen und Soldaten im Einsatz
sind, wünsche ich ihnen und ihren Familien an dieser
Stelle alles Gute und Gottes Segen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714626600

Ich schließe die Aussprache.

Entschuldigung, ich habe die Kurzintervention der
Kollegin Keul vergessen. Die Aussprache ist geschlos-
sen; aber bevor wir zur Abstimmung kommen, hat zu ei-
ner Kurzintervention die Kollegin Keul das Wort.


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714626700

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Hahn,

Sie haben eben die Indiskretion bzw. die Weiterleitung
von Informationen an die Presse angesprochen. Haben
Sie irgendeinen Anhaltspunkt dafür, dass diese Indiskre-
tion aus dem Kreis der Kollegen – Sie haben uns als
Kolleginnen und Kollegen angesprochen – gekommen
ist? Die Staatsanwaltschaft hat das Strafverfahren wegen
Geheimnisbruch immerhin mit der Begründung einge-
stellt, dass im Verteidigungsministerium und darum he-
rum so viele Menschen Zugang zu diesen Akten haben,
dass es aus Sicht der Staatsanwaltschaft schlicht nicht

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(C (D öglich war, herauszufinden, wo das Leck ist. Haben ie einen einzigen Anhaltspunkt dafür, dass diese Indisretion aus dem Kreise der Parlamentarier gekommen t? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714626800

Der Kollege Hahn hat das Wort.


Florian Hahn (CSU):
Rede ID: ID1714626900

Liebe Frau Kollegin Keul, vielleicht ist es naiv, aber

ie Tatsache, dass wir Meldungen zeitgleich oder – sa-
en wir einmal – mit einer Verzögerung von fünf
inuten in den Untersuchungsausschuss während einer

eheimen Sitzung zum Teil mit Zitaten von Befragten
ereingereicht bekommen haben, ist für mich Beweis
enug, dass es eine solche Indiskretion von den Kolle-
innen und Kollegen – entweder den Parlamentariern
der denen, die mit in diesem Raum saßen – gegeben ha-
en muss. Anders kann ich mir das nicht vorstellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714627000

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Be-

chlussempfehlung des Verteidigungsausschusses als
. Untersuchungsausschuss. Der Ausschuss empfiehlt in
einer Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/7400,
en Bericht des Verteidigungsausschusses als 1. Unter-
uchungsausschuss zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt
r diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
er enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist ein-

timmig angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Uta
Zapf, Doris Barnett, Dr. h. c. Gernot Erler, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie
der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel,
Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Die OSZE ausbauen und stärken

– Drucksache 17/7824 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
einen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
in Uta Zapf für die SPD-Fraktion.


Uta Zapf (SPD):
Rede ID: ID1714627100

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

erren! Ich freue mich, dass wir endlich einmal über die
SZE diskutieren; denn ich hatte ein bisschen das Ge-
hl, sie ist in Vergessenheit geraten. Dabei haben uns

iele Ereignisse in der letzten Zeit gezeigt, dass es drin-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17447

Uta Zapf


(A) )


)(B)

gend erforderlich ist, die OSZE wieder zu stärken und zu
befördern.

Die Geschichte der OSZE bzw. des Vorläufers KSZE
bis hin zur Schlussakte von Helsinki im Jahr 1975 und
darüber hinaus ist die Geschichte von Bemühungen, den
Kalten Krieg zu überwinden. Auf Helsinki folgten fünf
weitere Gipfel, die die KSZE und später die OSZE wei-
terentwickelten. Aber, liebe Freunde, seit 1999, nach
dem Gipfel von Istanbul, stagnierte die Weiterentwick-
lung der OSZE. Vor mehr als einem Jahr, als wir uns in-
tensiv mit den Vorbereitungen zu dem Gipfel von Astana
beschäftigt haben, hatten wir einen gewissen Optimis-
mus bezüglich der Weiterentwicklung. Es gab Hoffnun-
gen auf einen erneuerten Prozess, der die OSZE stärken
und beleben könnte, indem ein Aktionsplan verabschie-
det würde, der in der Tat sehr ambitioniert war.

Die Gipfelerklärung von Astana erschien uns als
Lichtblick, bestätigte sie doch die Grundsätze der OSZE
in allen Dimensionen. Die Schlussakte von Helsinki, die
Charta von Paris und die Charta für europäische Sicher-
heit und damit die Grundprinzipien der drei Dimensio-
nen der OSZE wurden bekräftigt. Einige von uns hatten
das in der Klarheit sicherlich gar nicht erwartet.

Die politisch-militärische Dimension sollte zu einer Si-
cherheitsgemeinschaft gefestigt werden. Vertrauensbil-
dung, Transparenz, Abrüstung und die im sogenannten
Korfu-Prozess diskutierten Vorschläge des russischen
Präsidenten Medwedew sollten zu einem europäischen
Sicherheitsvertrag fortentwickelt werden. Aus dem
Kreis der Mitgliedstaaten kam im Vorfeld eine wirklich
beeindruckende Fülle von Vorschlägen, um diesen Ak-
tionsplan, auf den ich angespielt habe, zustande zu brin-
gen. Dies ließ in der Tat einen positiven Schub zur Stabi-
lisierung, zur Stärkung und zum Ausbau der OSZE
erwarten. Allerdings ist es anders gekommen. Der Ak-
tionsplan wurde nicht beschlossen. Damit war der Gipfel
von Astana für mich ein ziemlicher Reinfall. Der bevor-
stehende Ministerrat im Dezember dieses Jahres sollte
die Implementierung dieses Aktionsplans überprüfen.
Bisher sieht es aber nicht so aus, als würde dies gesche-
hen. Es sieht auch nicht so aus, als würde dort viel wei-
terentwickelt.

Heute, kurz vor dem Ministertreffen der OSZE in Vil-
nius, wollen wir mit dem Antrag, den wir eingebracht
haben, an die damalige Hoffnung anschließen. Wir for-
dern die Bundesregierung auf, sich für die Umsetzung
des in Astana vorgelegten Aktionsplans einzusetzen. Es
geht tatsächlich um nichts Geringeres als um eine neue
Sicherheitsarchitektur für Europa. Zweifelsohne hat die
sicherheitspolitische Dimension bis 1999 die größten Er-
folge für Stabilität und Sicherheit bewirkt. Vertrauens-
bildende Maßnahmen, Manöverbeobachtungen und
schließlich die konventionelle Rüstungskontrolle führten
in Europa zu einer Stabilität und Sicherheit, die den Kal-
ten Krieg überwunden hatte. Der KSE-Vertrag von 1990
führte zu substanziellen Abrüstungsschritten. Die Verifi-
kationsmaßnahmen waren ein großer Beitrag zur Ver-
trauensbildung. In Istanbul wurde 1999 der neue, ange-
passte KSE-Vertrag, der sogenannte AKSE-Vertrag,
beschlossen. Diesen haben allerdings nur Russland,

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(C (D eißrussland, Kasachstan und die Ukraine ratifiziert, ber kein einziger NATO-Staat. Es geht in Vilnius nicht nur um die Einigung über die erstärkung der Krisenprävention. Es geht nicht nur um rühwarnung, frühes Handeln und Mediation oder um trategien der OSZE nach Konflikten. Nein, es geht ittlerweile auch darum, zwischen den Ländern der ATO und Russland und den Postsowjetstaaten wieder rundsätzlich Vertrauen zu schaffen, Vertrauen, dass an den schwer erarbeiteten Grundsatz der gemeinsaen Sicherheit wiederherstellen will. Was brauchen wir dazu? Der KSEund der AKSEertrag sind tot. Im Übrigen scheint auch der Openkies-Vertrag bedroht zu sein. Russland hat im Hinblick uf den KSE-Vertrag schon 2007 den Informationsaususch eingestellt, und zwar aus Frust über die Nichtratizierung des AKSE-Vertrages von 1999, über die Ereiterung und Nichteinbeziehung der baltischen Staaten den Vertrag im Zusammenhang mit der Erweiterung er NATO, über die Pläne, neue NATO-Stützpunkte in ulgarien und Rumänien einzurichten, und – sicher auch in gewichtiges Motiv – wegen der geplanten US-Rakenabwehr. Jetzt, Mitte November dieses Jahres, haben uch die NATO-Staaten die Implementierung des KSEertrages gegenüber Russland ausgesetzt. Willkommen urück im Kalten Krieg? Das hoffe ich nicht, liebe Kolginnen und Kollegen. Aber es ist sicher überaus drinend, das Vertrauen wiederzugewinnen. Im Entwurf zum Aktionsplan steht an erster Stelle die bsicht, eine euroatlantische und eurasische Sicherheitsemeinschaft zu etablieren. Größere militärische Stabilit, Transparenz und Verlässlichkeit, Stärkung des Verauens und der Sicherheit werden eingefordert. Wir agen die Bundesregierung: Was tun Sie, um den sogeannten Korfu-Prozess wiederzubeleben? Was tun Sie, m neue Lösungen bei der konventionellen Rüstungsontrolle zu beschleunigen? Es genügt nicht, damit zufrieden zu sein, dass durch en KSE-Vertrag von 1990 die Obergrenzen für die Anahl offensiver Waffensysteme auf ein niedriges Niveau esenkt wurden und bis heute auf einem noch niedrigen Niveau geblieben sind. Es genügt auch nicht, dass ich Westeuropa nicht bedroht fühlt. Es geht darum, llen Teilnehmerstaaten gleiche Sicherheit zu bieten. Wir müssen verhindern, dass die Standards der konentionellen Rüstungskontrolle absinken. Heute sind iese Standards zum Beispiel durch die ungelösten Konikte im OSZE-Raum in Gefahr, wenn etwa Aserbaischan und Armenien diese zulässigen Obergrenzen egen des Bergkarabach-Konflikts überschreiten und ufrüsten. Wir verpassen eine große Chance, wenn wir ie Gelegenheit versäumen, das Wiener Dokument über ertrauensund sicherheitsbildende Maßnahmen zu odernisieren, insbesondere durch die Einbeziehung euer Kategorien wie Trägermittel – zum Beispiel Drohen –, Rapid Reaction Forces – schnell verlegbare Trupen – und Marinestreitkräfte. Nach dem OSZE-Gipfel in Astana wurde dies alles ifrig diskutiert. Heute ist nicht viel davon übrig. Lassen 17448 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Uta Zapf )


(A) )

Sie uns also nicht die Chance eines intensiven Dialogs
mit Russland verspielen. Dieser Dialog darf natürlich
nicht nur in der OSZE, sondern er muss auch woanders
stattfinden, zum Beispiel im NATO-Russland-Rat. Wir
müssen über Militärdoktrinen und Verteidigungsplanun-
gen sowie über die Frage reden, wie wir gemeinsame
Sicherheit wiederherstellen. Die Erkenntnis, dass Sicher-
heit nicht gegeneinander, sondern nur miteinander ge-
wonnen werden kann, muss wieder Platz greifen.
Sicherheit kann nicht militärisch gesichert werden.

Alle drei Dimensionen der OSZE gehören dazu. Las-
sen Sie uns weiter daran arbeiten, dass die schönen Vor-
gaben des Astana-Aktionsplanes doch noch umgesetzt
werden können.

Danke sehr.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714627200

Das Wort hat der Kollege Thomas Silberhorn für die

Unionsfraktion.


Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1714627300

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die OSZE ist immer noch auf der Suche nach
ihrer Rolle. Sie ist eines der wichtigsten Foren für
Sicherheit und Zusammenarbeit und umfasst ganz
Europa. Ihre Reichweite erstreckt sich auf immerhin
56 Staaten und geht von Vancouver bis nach Wladi-
wostok.

Nach der Auflösung der Blockbildung in Ost und
West, die auch ein Ergebnis der Arbeit der OSZE war,
hat die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit
in Europa mit den sogenannten drei Dimensionen – der
politisch-militärischen Dimension, der wirtschaftlich-
ökologischen Dimension und der menschlichen Dimen-
sion – ihre Aufgaben erweitert. Die Diskussion über die
Modernisierung der OSZE ist also in Gang gekommen.
Das Problem besteht ein bisschen darin, dass sie noch
immer in Gang ist.

Die OSZE hat 17 Feldoperationen und sich dadurch
insbesondere bei der Konfliktprävention, beim Krisen-
management, bei der Überwachung von Menschen- und
Minderheitenrechten, von Pressefreiheit und Rechts-
staatlichkeit und bei der Wahlbeobachtung Verdienste
erworben. Deshalb wird sie auch weiter gebraucht.

Bei dem Gipfel in Astana auf der Ebene der Staats-
und Regierungschefs im letzten Jahr wurden die Grund-
lagen der OSZE nochmals bekräftigt. Darüber hinaus
wurde der Begriff „Sicherheitsgemeinschaft“ eingeführt
und versucht, Antworten auf neue Herausforderungen
und Gefahren, wie den internationalen Terrorismus oder
die Cybersicherheit, zu geben. Dieses Fernziel der
Sicherheitsgemeinschaft müssen wir jetzt durch kon-
krete Schritte angehen.

Ich sehe in diesem Zusammenhang vor allem Bedarf
an einer stärkeren Koordinierung der OSZE mit den

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(C (D ichtigsten anderen internationalen Organisationen, die icherheit im euro-atlantischen und im eurasischen aum gewährleisten, also mit EU, NATO und Europarat. ir müssen neben dieser Koordinierung allerdings arauf achten, dass wir uns keine Duplizierung von trukturen leisten. Die Sicherheitsorganisationen müsen komplementär arbeiten. Dabei muss der Grundsatz elten: Die Stärkung der OSZE darf bei aller Wertschätung ihrer Arbeit nicht zur Schwächung der NATO fühn. Die NATO bleibt für Deutschland der zentrale icherheitsanker und das Bindeglied der transatlanschen Bündnispartner. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Die NATO will die Zusammenarbeit mit der OSZE in
rei Bereichen stärken. Es geht darum, den Ansatz ver-
etzter Sicherheit zu etablieren, neue sicherheitspoliti-
che Herausforderungen anzunehmen – internationaler
errorismus, Cybercrime, Proliferation von Massenver-
ichtungswaffen oder Energiesicherheit –, und es geht
arum, Erfahrungen im Bereich der Konfliktprävention
nd des Krisenmanagements auszutauschen. Der NATO-
eneralsekretär hat dazu praktische Vorschläge zur Zu-

ammenarbeit gemacht. Diese Ansätze sollten weiter
erfolgt werden.

Mit Blick auf die besondere Rolle der NATO für die
eutsche Außen- und Sicherheitspolitik kann allerdings
ie OSZE nicht der richtige Ort sein, um über Militär-
oktrinen oder Verteidigungsplanung zu diskutieren.
as muss militärischen Bündnispartnern vorbehalten
leiben. Wir werden eine bessere Zusammenarbeit der
erschiedenen Sicherheitsorganisationen nur dann errei-
hen, wenn wir die Kernkompetenzen jeder Organisation
tärken. Das ist der Weg, um Synergieeffekte zu erzie-
n.

Die Europäische Union ist auf das Engste mit der
SZE verbunden. Die Mitgliedstaaten der EU stellen die
älfte der OSZE-Mitglieder. Sie leisten zwei Drittel der
SZE-Beitragszahlungen. Es besteht eine enge Zusam-
enarbeit bei Konfliktprävention und in vielen anderen
ereichen. Einige Programme der OSZE werden ge-
einsam von OSZE und EU finanziert, beispielsweise in

er Wahlbeobachtung. Die Europäische Union ist in vie-
n Bereichen, etwa beim sicherheitspolitischen Dialog,
nerhalb der OSZE engagiert.

Frau Kollegin, Sie haben angesprochen, dass die
uropäische Union in Astana die Verabschiedung eines
ktionsplans angestrebt hat. Das ist am Dissens über
egionalkonflikte gescheitert. Dennoch kann dieser EU-
ktionsplan Grundlage für die Weiterentwicklung zu
em Fernziel einer Sicherheitsgemeinschaft sein.

Meine Empfehlung für die Zusammenarbeit zwischen
SZE und Europäischer Union ist, weitere Anstrengun-
en zu unternehmen, um die diplomatischen Mittel der
uropäischen Union mit denen der OSZE zu bündeln,
sbesondere mit Blick auf diese regionalen Konflikte.
enn wenn Sicherheit unteilbar ist, dann muss es mög-
ch sein, Konflikte wie in Transnistrien, Georgien oder

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17449

Thomas Silberhorn


(A) )


)(B)

Bergkarabach zu lösen, zum Beispiel auch mit einer
OSZE-Präsenz vor Ort.

Vielfältige Anknüpfungspunkte für eine Zusammen-
arbeit mit der OSZE bietet auch der Europarat. Seit 2004
besteht bereits eine gemeinsame Koordinierungsgruppe
für Maßnahmen in den Bereichen Terrorismusbekämp-
fung, Kampf gegen den Menschenhandel, Schutz natio-
naler Minderheiten und Förderung von Toleranz und
Nichtdiskriminierung. Es gibt durchaus Potenzial, die
Zusammenarbeit auf weitere Bereiche zu erstrecken. Ich
nenne hier nur Menschenrechtsschutz, Konfliktpräven-
tion und -nachsorge, stärkere Abstimmung der Feldmis-
sionen beider Organisationen.

Ich habe versucht, aufzuzeigen, wie man den Auftrag
des letzten OSZE-Gipfels praktisch umsetzen könnte,
eine Sicherheitsgemeinschaft zu bilden. Das kann gelin-
gen, indem man an bestehende euro-atlantische Struktu-
ren anknüpft, indem man die jeweiligen Stärken der be-
treffenden Organisationen akzentuiert und indem man
gemeinsame Aufgaben und gemeinsame Handlungsfel-
der identifiziert. Eine engere Kooperation von OSZE,
EU, NATO und Europarat ist möglich, wenn jede Orga-
nisation ihre Kernkompetenzen einbringen kann.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714627400

Das Wort hat der Kollege Stefan Liebich für die Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714627500

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa führt ein Schattendasein. Das hat sie eigentlich
nicht verdient. Wir begrüßen daher den Antrag von
Bündnis 90/Die Grünen und SPD; denn er bietet uns die
Möglichkeit, dass wir diese wichtige Organisation heute
thematisieren, auch ganz offen und ehrlich über deren
Probleme reden und Signale zu ihrer Stärkung aussen-
den. Deshalb wird unsere Fraktion diesem Antrag auch
sehr gern zustimmen.

Ich möchte an die Gründungsidee der KSZE erinnern;
Frau Zapf hat darauf schon hingewiesen. Im Sommer
1973: Bruno Kreisky, Erich Honecker,


(Zuruf von der FDP: Der Name musste fallen!)


Helmut Schmidt, Gerald Ford – alle sitzen an einem
Tisch und unterschreiben die Schlussakte von Helsinki.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Das ist eine Mischung!)


Damals war der Gedanke, dass man Frieden durch Ver-
trauensbildung erhalten möchte, auch über Systemgren-
zen hinweg. Man hat ferner seinen Willen zur Abrüstung
demonstriert, um Kriegsgefahren zu vermeiden und
Geldverschwendung zu begegnen. Frieden und Sicher-
heit durch Abrüstung und Vertrauensbildung nicht nur
unter Verbündeten, das ist auch heute noch richtig.

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(C (D Ich möchte deshalb auch an die „Charta von Paris für in neues Europa“ erinnern. Im November 1990 hatte an den Versuch unternommen, mit dem Ende des Kaln Krieges die KSZE nunmehr in eine Organisation, die SZE, umzuwandeln und das gemeinsame Haus uropa, wie es damals euphorisch hieß, zu gestalten. Die politische Linke, also nicht nur unsere Partei, atte damals durchaus die Erwartung, dass mit dem nde des Warschauer Vertrags auch dessen Pendant, die ATO, überflüssig wird. Hier ist auch ein Unterschied, er nicht überraschend ist, zum Kollegen Silberhorn: Ich laube das immer noch. Die NATO als Militärbündnis es Westens, ausgedehnt bis an die Grenzen Russlands, chafft nicht mehr Sicherheit, im Gegenteil. Es kam leider anders. In den 90er-Jahren ist statt einer riedensdividende eine neue weltweite Rüstungswelle estartet worden, und nach 9/11 ist leider vergessen woren, dass Sicherheit gegenseitige Sicherheit ist und dass ertrauensbildung auch vertrauensvolle Angebote raucht. Dabei ist die OSZE Opfer dieser Entwicklung eworden. Aktuell – auch darauf hat Frau Zapf Bezug enommen – muss man schon auf die Entscheidungen KSE-Prozess hinweisen, also die kontroverse Debatte ber den Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in uropa. Wir haben die Bundesregierung in einer Kleinen Anage gefragt, was sie da eigentlich tut. Ich finde es nicht chtig, dass die Bundesregierung Vorreiter bei diesem rozess geworden ist, auf den eben hingewiesen wurde. ass 14 NATO-Staaten die Aussetzung der KSE-Verflichtungen gegenüber Russland erklären, würde ich icht Kalten Krieg nennen, aber es ist zumindest eine rotzreaktion ohne Not zum Schaden der Abrüstung. Trotzdem macht die OSZE weiter wichtige Arbeit: ahlbeobachtungen, Einsatz für Menschenrechte und einungsfreiheit. Sie hat als zentrales Instrument zur onfliktverhütung die Langzeitmissionen, die etwas mitärisch „Feldmissionen“ genannt werden, bei denen ber 2 000 Menschen im Südkaukasus und in Zentralsien aktiv sind. All das ist wichtig und gut. Die OSZE sollte sich wieer stärker den großen Fragen widmen. Die Medwedewitiative zu einem neuen Sicherheitsvertrag für eine chte, neue europäische Sicherheitsarchitektur, im orfu-Prozess aufgenommen, ist dafür ein guter Anlass nd sollte nicht versanden. Der Astana-Gipfel – ich habe das bei mehreren Geleenheiten erwähnt und meine Meinung dazu nicht geänert – hat, ehrlich gesagt, außer Nursultan Nasarbajew, em Staatschef von Kasachstan, niemandem genützt. Ich offe, dass wir tatsächlich neue Impulse erreichen. Vielicht leistet der vorliegende Antrag dazu einen kleinen eitrag. Der Ausbau und die Stärkung der OSZE als zentraler esamteuropäischer Sicherheitsorganisation mit Potenial für Frieden und Konfliktprävention von Wladi 17450 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Stefan Liebich )


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(A) )

wostok bis Vancouver ist weiter ein wichtiges und gutes
Ziel. Deshalb stimmen wir Ihrem Antrag zu.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714627600

Der Kollege Dr. Djir-Sarai hat für die FDP-Fraktion

das Wort.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Bijan Djir-Sarai (FDP):
Rede ID: ID1714627700

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Hier liegt uns ein Antrag vor, der viele gute
Ideen und Maßnahmen aufzeigt; das möchte ich an die-
ser Stelle ganz klar betonen.

„Die OSZE ausbauen und stärken“, das ist ein Ziel,
das dem gesamten Deutschen Bundestag am Herzen lie-
gen sollte. Die Organisation für Sicherheit und Zusam-
menarbeit in Europa hat sich zu einem sehr wichtigen
Forum für die gesamteuropäische Sicherheitszusammen-
arbeit entwickelt. Viele erfolgreiche Instrumente der
zivilen Krisenprävention sind aus ihr hervorgegangen.

Aber – da machen wir uns nichts vor – das sind häufig
Erfolge der Vergangenheit. Der zweitägige Gipfel in
Astana im vergangenen Jahr war seit elf Jahren wieder
ein erstes großes und wichtiges Treffen. Trotzdem hat
diese Konferenz die Krise der Organisation nicht auf-
gehalten. Der Gipfel in Astana hat den Sinkflug in die
Bedeutungslosigkeit, wenn überhaupt, nur wenig aufge-
halten. Darüber müssen wir uns Gedanken machen.

Als die Organisation für Sicherheit und Zusammenar-
beit vor nunmehr 36 Jahren gegründet wurde, war
Europa eindeutig in Ideologien und Allianzen geordnet.
Heute hat jeder Staat seine eigenen Sicherheitsvorstel-
lungen. Für die OSZE ist diese Entwicklung eine enorme
Herausforderung.

Die Diskussion über neue Sicherheitsstrukturen ist
immens wichtig für das Überleben der Organisation. Sie
ist aber auch eine große Chance, ihre alte Rolle zurück-
zugewinnen. Die Herausforderungen und Gefahren, die
in heutiger Zeit lauern, brauchen diese Debatte. Sie brau-
chen einen neuen Sicherheitsdialog in der OSZE. Nur so
kann sich die OSZE wieder zu einem wesentlichen Ele-
ment gesamteuropäischer Sicherheit entwickeln. Ich
stimme den Antragstellern in dieser Einschätzung voll-
kommen zu.

Ich bin genau wie die Antragsteller der Meinung, dass
eine stabile Sicherheit nicht ohne die Achtung der Men-
schenwürde und intakte demokratische Institutionen aus-
kommen kann. Ich bin sehr froh, dass der Gipfel in
Astana wenigstens eines erreicht hat: Alle Staaten haben
sich erneut klar zu den Prinzipien der OSZE bekannt,
und alle haben sich auch explizit zu der eben schon an-

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(C (D esprochenen menschlichen Dimension der OSZE beannt. Manche sagen, dass bei dem Gipfel viele Gelegenhein verpasst wurden. Das mag so sein. Wenn wir realissch sind, dann hat Astana gezeigt, dass immer noch iele Probleme tiefgründig verwurzelt sind. Russland ünscht sich Sicherheit, am besten unter eigener Regie, nd verdächtigt die OSZE bis heute, über Menschenchtspolitik vielschichtige westliche Interessen durch usetzen. Wir sehen die Lage zu Recht völlig anders: Bei zähbigen Kleinkonflikten wie in Nagorny Karabach ist ein iel größeres Maß an Kompromissbereitschaft notwenig. Sicherheit und Stabilität funktionieren nur im Einlang mit Freiheit und Demokratisierung. Es war zu erwarten, dass sich beim ersten OSZE-Gipl seit elf Jahren nicht alle Widersprüche direkt auflösen ürden. Neue Gremien, neue Satzungen und neue Aus chüsse werden dabei die Probleme mit Sicherheit nicht sen. Es wird sich jetzt zeigen müssen, ob alle Staaten tatächlich hinter den Werten stehen, zu denen sie sich beannt haben. Die OSZE darf nicht die Organisation der chönen Worte bleiben. Auch in der Realität müssen Deokratie, die Achtung der Menschenrechte und das iedliche Beilegen von Konflikten ernst genommen erden. Diese Werte dürfen nicht machtpolitischen Kalülen untergeordnet werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zukunft kann für die OSZE nur bedeuten, dass sich
lle Staaten mit Einsatz hinter diese Ziele klemmen.
ann muss es auch endlich vorangehen mit der Lösung
on Gebietskonflikten, der Abrüstung und den Men-
chenrechten. Dazu sind Offenheit und ein fairer Dialog
otwendig, der auch aufmerksames Zuhören einschließt.

Die jetzige leichte Dynamik müssen wir in Richtung
onkreter und zukunftsfähiger Schritte lenken. Wir brau-
hen Impulse für einen spürbaren Sicherheitsfortschritt
Europa, Impulse, die wir jedoch nicht allein durch An-
äge im Parlament bekommen, welche die Bundesregie-
ng zu Handlungen auffordern, die bereits im Gange

ind.

Gerade Deutschland kann und wird seinen Beitrag zu
ieser Diskussion weiter leisten. Gerade Deutschland
ird seinen Beitrag leisten, wenn es um die Stärkung der
SZE geht. Deutschland wird das politische Ziel der
SZE als einer Sicherheitsgemeinschaft nachdrücklich
nterstützen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714627800

Das Wort hat die Kollegin Viola von Cramon-

aubadel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17451


(A) )


)(B)


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben bereits
mehrmals gehört: Wer sich heutzutage noch mit der
OSZE beschäftigt, bekommt meist die Frage gestellt:
Hat sich das Thema nicht längst erledigt? Hat die OSZE
noch eine Zukunft? Von Berlin über London bis
Washington bekommt man immer wieder denselben Ein-
druck: Die Daseinsberechtigung der OSZE wird infrage
gestellt.

Was wollten wir mit unserem Antrag erreichen? Wir
wollten sagen, dass sich auf jeden Fall diese Frage für
uns nicht erledigt hat. Wir würden sie mit einem klaren
Ja beantworten: Die OSZE hat nach wie vor ihre Da-
seinsberechtigung. Wir möchten das kurz erläutern.

Die Institution der OSZE ist trotz der Auflösung der
klassischen Blocksituation, die wir in den 70er- und
80er-Jahren hatten, wichtiger denn je. Aus den Nachfol-
gestaaten der Sowjetunion sind mittlerweile Mitglieder
der OSZE geworden. Einige von ihnen sind dieser Orga-
nisation aber nicht freiwillig beigetreten, sondern haben
die Mitgliedschaft qua Unabhängigkeit geerbt. Diese
Staaten langfristig einzubinden, ist und bleibt eine der
Kernaufgaben der OSZE.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir haben eben über Kunduz gesprochen. Wir sagen:
Angesichts der Krise in Afghanistan, angesichts der un-
sicheren Lage in Pakistan, der permanent rivalisierenden
und auseinanderdriftenden Kräfte in Zentralasien stellt
die OSZE eine der stabilisierenden Institutionen in der
Region dar.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die OSZE – das ist interessant – als inter- und intrare-
gionales Sicherheitskonstrukt dient derweil auch ande-
ren Regionen als Vorbild für vertrauensbildende Maß-
nahmen. So spielen beispielsweise die Anrainerstaaten
im südchinesischen Meer mit dem Gedanken, den gro-
ßen Nachbarn China in Form einer OSZE-Struktur ein-
zubinden, um dessen wachsende Vorherrschaft in dem
gesamten Raum multipolar aufzufangen. Ich denke, die-
ses Beispiel zeigt, wie sinnvoll und nach wie vor aktuell
diese Struktur ist. Deswegen müssen wir sie stärken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Uns Grünen liegt es allerdings nicht nur am Herzen,
die sicherheitspolitische und damit die politisch-militäri-
sche Dimension der OSZE herauszustreichen, sondern
wir haben in dem Antrag insbesondere die menschliche
Dimension unterstrichen und wollen diese weiterentwi-
ckeln.

Wir wollen deswegen das ODHIR-Büro, das Büro für
demokratische Institutionen und Menschenrechte, stär-
ken und möchten vor allem für die Beauftragte für Me-
dien- und Pressefreiheit ungehinderten Zugang zu allen

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(C (D taaten sowie allen Einrichtungen in diesen Staaten geährleisten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Für uns stellt die OSZE nicht nur eine Sicherheits-,
ondern vor allem eine Friedensgemeinschaft dar, deren
ufgaben, Abrüstung und Rüstungskontrolle, nicht ohne
eiteres durch andere Institutionen, wie zum Beispiel

ie NATO, übernommen werden können. Es geht längst
icht mehr nur um Abschreckung und Aufrüstung, son-
ern um ein kooperatives Sicherheitssystem. Daher wer-
en wir für eine starke OSZE, damit zum Beispiel die
ussische Föderation mit den USA und anderen westli-
hen Partnern auf Augenhöhe verhandeln kann, und
war im Sinne einer gesamteuropäischen Sicherheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Wir haben eben auch schon gehört, dass viele der seit
ngem schwelenden Konflikte, also der Konflikt in Na-
orny Karabach und um die Regionen Südossetien und
bchasien, ohne einen konstruktiven Beitrag Russlands
icht zu lösen sind. Wer also für eine friedliche Bei-
gung dieser Konflikte und die Schließung dieser im-
er noch offenen Wunden eintritt – das wird uns wahr-

cheinlich noch einige Zeit begleiten –, benötigt die
SZE heute dringender denn je.

Ich habe mich gefreut, dass Sie alle diese Punkte in
nserem Antrag herausgestrichen haben. Wir würden
ns natürlich freuen, wenn wir diesen interfraktionellen
ntrag noch etwas „aufhübschen“ könnten. Sie sind
erzlich eingeladen, sich noch weiter zu beteiligen. Wir
ehmen auch Sie gern noch mit auf den Antrag drauf.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714627900

Den Beitrag des Kollegen Manfred Grund aus der

nionsfraktion nehmen wir zu Protokoll.1)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
raktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf
rucksache 17/7824 mit dem Titel „Die OSZE ausbauen
nd stärken“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer
timmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist
it den Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-Frak-
on gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion
ie Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab-
elehnt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 a und b auf:

a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines

Anlage 4

17452 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Vizepräsidentin Petra Pau


(A) )


)(B)

Gesetzes zur Aufhebung von Sperrregelun-
gen bei der Bekämpfung von Kinderporno-
graphie in Kommunikationsnetzen

– Drucksache 17/6644 –

– Zweite und dritte Beratung des von der Frak-
tion der SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzes zur
Bekämpfung der Kinderpornographie in
Kommunikationsnetzen

– Drucksache 17/776 –

– Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Jörn Wunderlich, Dr. Petra Sitte,
Agnes Alpers, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Aufhebung von Zugangs-
beschränkungen in Kommunikationsnetzen

– Drucksache 17/646 –

– Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Dr. Konstantin von Notz, Volker
Beck (Köln), Birgitt Bender, weiteren Abge-
ordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzes zur
Erschwerung des Zugangs zu kinderporno-
graphischen Inhalten in Kommunikations-
netzen und Änderung weiterer Gesetze

– Drucksache 17/772 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)


– Drucksache 17/8001 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Ansgar Heveling
Burkhard Lischka
Christian Ahrendt
Halina Wawzyniak
Ingrid Hönlinger

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Burkhard Lischka,
Lars Klingbeil, Christine Lambrecht, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Zugangserschwerungsgesetz aufheben – Ver-
fassungswidrigen Zustand beenden

– Drucksachen 17/4427, 17/8001 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Ansgar Heveling
Burkhard Lischka
Christian Ahrendt
Halina Wawzyniak
Ingrid Hönlinger

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

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(C (D Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Bundesinisterin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
inisterin der Justiz:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

en und Kollegen! Man kann es nicht oft genug betonen:
arstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern gehö-
n zu den abscheulichsten Inhalten im Internet. Herstel-
ng, Verbreitung, Erwerb und Besitz sind unter Strafe

estellt. Diese widerwärtigen Abbildungen müssen aus
em Internet verbannt werden – dauerhaft und nachhal-
g.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Hinter jeder Darstellung stehen eine reale Misshand-
ng von Kindern, fürchterliches Leiden und Schmerz.
ie Bundesregierung hat sich deshalb dazu entschlossen,
iese Inhalte vorbehaltlos zu löschen, national und in in-
rnationaler Zusammenarbeit, und auf Löschen statt
perren zu setzen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf
erden die in der letzten Legislaturperiode verabschiede-
n Sperrregelungen des Zugangserschwerungsgesetzes

ufgehoben.


(Beifall bei der FDP)


Wir ziehen damit die Konsequenzen aus einer sehr in-
nsiv geführten Debatte zur Wirkung und Auswirkung
on Netzsperren. Die heutige Entscheidung, die hier auf
orlage eines Gesetzentwurfes der Bundesregierung ge-
offen wird, ist ein wichtiger Bestandteil der Netzpolitik
ieser Regierung. Selbstregulierung und Transparenz
tatt einer hochproblematischen Sperrinfrastruktur sind
r uns die richtigen Antworten.


(Beifall bei der FDP)


Die Erfolge geben uns Recht: In Deutschland werden
iese Inhalte heute binnen weniger Stunden gelöscht. Im
usland tritt der Erfolg nach wenigen Tagen ein. 90 Pro-

ent der kriminellen Seiten liegen auf Servern in den
ereinigten Staaten von Amerika, in der Russischen Fö-
eration, in den Niederlanden und in Großbritannien.
ber die Ergebnisse in den Vereinigten Staaten von
merika, wo sehr viele dieser scheußlichen Seiten ge-
ostet werden, konnte ich mich selbst vor kurzem bei
einem Besuch des National Center for Missing & Ex-

loited Children in Washington überzeugen. Dort wird
tensiv am Löschen gearbeitet, und zwar mit Erfolg.
ie Zusammenarbeit dort ist gut. Genau das machen wir
Deutschland auch. In Deutschland ist es durch das Zu-

ammenwirken der verschiedenen Stellen, die sich auf
iesem Gebiet einsetzen, gelungen, dass innerhalb von
iner Woche 70 Prozent der Inhalte gelöscht sind, nach
wei Wochen über 80 Prozent und nach vier Wochen na-
ezu alle.

Die statistischen Angaben werden von Beschwerde-
tellen, die einen ganz wesentlichen Beitrag leisten, und

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17453

Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(A) )


)(B)

auch vom Bundeskriminalamt unterschiedlich erhoben
und sind deshalb auch nicht vollständig vergleichbar.
Aus den Jahresberichten des internationalen Beschwer-
destellennetzwerks Inhope ergibt sich, dass 75 Prozent
der gemeldeten Seiten, wie eben gesagt, innerhalb von
sieben Tagen gelöscht werden. Auch eco, der Verband
der deutschen Internetwirtschaft, hat eine hervorragende
Bilanz vorgelegt: Er weist für 2010 eine Löschquote von
bis zu 91 Prozent innerhalb von zwei Wochen aus.

Deshalb: Löschen statt Sperren ist der richtige Weg.
Wir haben ihn in monatelangen Verhandlungen in der
Europäischen Union durchgesetzt. Auch dort gibt es
jetzt keine verpflichtenden Netzsperren, sodass wir nicht
mehr befürchten müssen, eine solche EU-Richtlinie um-
setzen zu müssen. Der von der Bundesregierung ge-
wählte Weg ist damit frei.

Die intensive Debatte der letzten Monate hat ergeben,
dass Sperren gerade in technischer Hinsicht die schlech-
teren Lösungen sind: erstens, weil sie den Blick auf das
eigentliche Ziel, nämlich die Löschung der Inhalte an
der Quelle, vernebeln; zweitens, weil die kinderporno-
grafischen Inhalte noch vorhanden, die Sperren aber
leicht und ohne vertiefte technische Vorkenntnisse zu
umgehen sind, und drittens, weil immer auch legale In-
halte versehentlich mit gesperrt werden können, weil
also eindeutig über das Ziel hinausgegangen wird. Des-
halb sind Sperren kein wirkungsvolles Instrument im
Kampf gegen diese Darstellung sexuellen Missbrauchs
von Kindern, gegen diese kinderpornografischen Abbil-
dungen.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie ausnahmsweise mal recht!)


Sie setzen ein netzpolitisch völlig falsches Signal.
Einmal aus möglicherweise nachvollziehbaren Gründen
eingerichtet, kann eine solche Sperrinfrastruktur dann
aber natürlich auch für andere Zwecke eingesetzt wer-
den.

Ich bin froh, dass wir jetzt mit diesem Gesetzentwurf
nach intensiver, nicht leichter Debatte mit einem intensi-
ven Austausch der unterschiedlichen Argumente und
Standpunkte zu einem richtigen Ergebnis gekommen
sind und dass diese Sperrregelungen mit der heutigen
Beschlussfassung aufgehoben werden. Das ist ein großer
Erfolg und zeigt auch einen realistischen Blick für eine
gute und ausgewogene Netzpolitik.

Vielen Dank.


(Anhaltender Beifall bei der FDP – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714628000

Der Kollege Lars Klingbeil hat für die SPD-Fraktion

das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Lars Klingbeil (SPD):
Rede ID: ID1714628100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, das war ja ein

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(C (D eutlicher Beifall. Ich denke, dass wir heute hier im Parment keine Debatte des Fingerzeigs führen sollten, ondern dass wir als Parlament selbst noch einmal reektieren sollten, was wir die letzten zwei Jahre diskuert haben. Es war ein weiter Weg bis zum heutigen Tag, ein weir Weg, bis wir heute hier im Parlament die Aufhebung es Zugangserschwerungsgesetzes beschließen werden. den letzten zwei Jahren haben wir eine intensive De atte geführt. Dies war eine kontroverse Diskussion, die ir häufig sehr emotional geführt haben. Dass heute Eiigkeit unter uns besteht, dass Netzsperren der falsche eg sind, wenn es darum geht, Kinderpornografie im ternet zu bekämpfen, ist ein Erfolg. Diese Debatte das will ich gleich zu Beginn in aller Deutlichkeit sa en – ist aber vor allem von außerhalb des Parlaments ngestoßen worden, durch eine große Onlinepetition mit napp 140 000 Unterzeichnern. Stellvertretend will ich ranziska Heine nennen, die damals diese Petition auf en Weg gebracht hat, und ich will gleich zu Beginn den ielen Unterstützern dieser Onlinepetition Dank sagen, ie uns als Parlamentarier sachlich und fachlich am Ende berzeugt haben. Von diesem Engagement brauchen wir ehr in Deutschland. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir sind uns hier im Parlament darüber einig, dass
er sexuelle Missbrauch und die sexuelle Gewalt an Kin-
ern zu den schlimmsten Verbrechen gehören, die es
ibt. Wir sind uns einig darüber, dass es keine Rechtfer-
gung und keine Entschuldigung für solche Verbrechen,
ass es keine Duldung solcher Verbrechen geben darf.
ir als Parlamentarier sind gefordert, nach den besten
egen zu suchen, wie wir mit diesen Verbrechen umge-

en können und wie wir sie wirksam bekämpfen können.

Das ist auch genau das, worüber wir in den letzten
wei Jahren gestritten haben. Wir haben darüber gestrit-
n, was die besten Wege sind, um mit diesen furchtba-
n Taten umzugehen. Ich sage: Mit der heutigen Ent-

cheidung darf dieser Weg nicht aufhören. Diese Frage
uss uns weiter beschäftigen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ursula von der Leyen war es, die als Ministerin in der
roßen Koalition die Netzsperren durchgesetzt hat. Sie
at das mit Unterstützung meiner Partei getan. Ich will
ier wie auch an anderen Stellen deutlich sagen: Ich bin
ankbar, dass meine Partei erkannt hat, dass es ein Feh-
r war, auf die Netzsperren zu setzen. Wir haben schon
or über einem Jahr einen Aufhebungsantrag für das Zu-
angserschwerungsgesetz in das Parlament eingebracht.
h weiß, dass es nicht an der FDP lag, dass es so lange

edauert hat, und ich bin froh darüber, dass nun die
chwarz-gelbe Koalition, die Regierung, ein Gesetz vor-
gt, dem wir alle zustimmen können und das dafür

orgt, dass Netzsperren hier in Deutschland nicht statt-
nden werden.

Wir haben als Gegner der Netzsperren immer betont,
ass sie vor allem eines sind: Sie sind eine Symbolpolitik.

17454 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Lars Klingbeil


(A) )


)(B)

Ein Stoppschild gegen Kinderpornografie im Internet,
das klingt gut, das lässt sich gut vermarkten. Es hat aber
zwei Jahre, in denen wir argumentiert haben, gedauert,
um zu zeigen, dass dies der falsche Weg ist, und es hat
zwei Jahre gedauert, bis wir eine Mehrheit dafür hatten,
zu zeigen, dass Netzsperren eben keinen wesentlichen
Beitrag zur Bekämpfung der Kinderpornografie im In-
ternet leisten können, dass sie wenig effektiv sind, dass
sie ungenau sind, dass sie sogar kontraproduktiv sein
können, weil sie technisch leicht zu umgehen sind, und
dass nebenbei – die Ministerin hat es angesprochen – eine
Infrastruktur aufgebaut wird, die sogar verfassungsrecht-
lich sehr bedenklich ist.

Als Gegner der Netzsperren haben wir auch immer
deutlich gemacht, dass es Alternativen gibt. Wir haben
immer betont, dass wir einfordern, dass kinderpornogra-
fisches Material im Internet gelöscht wird. „Löschen
statt Sperren“ war die Aussage, mit der viele Menschen
vor zwei Jahren angetreten und in die Debatte eingestie-
gen sind. Heute sehen wir, dass es der richtige Weg war,
nicht auf symbolische Stoppschilder zu setzen, und dass
es richtig war, einzufordern, dass das Material von den
Servern gelöscht wird. Zahlreiche Anhörungen im
Rechtsausschuss, im Unterausschuss „Neue Medien“, in
den Fraktionen, aber auch viele andere Gremien haben
immer wieder bestätigt: Dieser Weg ist richtig.

Es gab aber Argumente, die immer wieder angeführt
wurden. Es gab zum Beispiel das Argument, man könne
das Material nicht löschen, weil sich die Server in Staa-
ten befänden, die weit weg von hier seien und mit denen
wir keine Kooperation hätten. Auch dieses Argument
konnten wir in den zwei Jahren dieser Debatte widerle-
gen. Wir sehen: Die Mehrzahl der Server steht in den
USA, in Russland und in Westeuropa, auch in Deutsch-
land. Da ist es doch für niemanden verständlich, dass es
hier keine internationale Kooperation der Strafermitt-
lungsbehörden gibt. Genau hier haben wir in den letzten
zwei Jahren Druck gemacht. Wir haben darauf gedrun-
gen, dass die Meldeverfahren effizienter und die Lösch-
bemühungen international besser werden. Eco, der Ver-
band der deutschen Internetwirtschaft, sagt heute, dass
innerhalb kürzester Zeit 90 Prozent der Seiten gelöscht
werden können. Das ist auch ein Verdienst von Parla-
mentariern, die immer wieder Druck gemacht haben,
dass der Weg des Löschens gegangen wird.

Auch wenn wir bei über 90 Prozent sind, kann uns das
nicht reichen. Wir müssen weiter Druck machen. Wir
müssen die Löschbemühungen weiter steigern. Ich will
hier etwas Wasser in den Wein gießen; denn ich hätte
mir schon gewünscht, dass die vereinbarte Evaluierung
der Löschbemühungen von der Bundesregierung durch-
geführt worden wäre und dass sie uns Hinweise gegeben
hätte, was man hätte besser machen können, gerade da
wir gemeinsam feststellen, dass unser Weg noch nicht zu
Ende ist und wir noch besser werden müssen, was das
Löschen angeht.

Wir haben in den zwei Jahren einer kontrovers ge-
führten Diskussion viel Zeit verloren. Dabei gibt es viele
Instrumente, die auf der Hand liegen, aber die wir in den

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(C (D tzten zwei Jahren nicht genutzt haben. Wenn es zum eispiel darum geht, dass wir das Löschen verbessern nd dass wir die internationale Kooperation ausbauen, enn es darum geht, unsere Behörden auch mit ausrei hendem Material, technischem Know-how und mehr ersonal auszustatten, und wenn es etwa um Schwerunktstaatsanwaltschaften geht, dann haben wir zwei ahre in der Debatte verloren. Die SPD-Bundestagsfrakon hat einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vorgegt, wie wir den Ursprung des Ganzen, den Missbrauch on Kindern, bekämpfen können. Ich fordere die Regieng auf, aktiver zu werden. Unsere Unterstützung, die nterstützung der SPD-Bundestagsfraktion, werden Sie abei haben. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Am Ende will ich etwas zur generellen Diskussion sa-
en. Ich habe schon zu Beginn gesagt, dass es eine emo-
onale Diskussion war. Ich empfinde keine Genugtuung
m heutigen Tag, aber ich will doch sagen: Vor zwei Jah-
n musste ich mir als Gegner von Netzsperren so man-

he Argumentation anhören, die lautete: Wenn du nicht
r Netzsperren bist, dann unterstützt du Kinderporno-

rafie. Dann willst du nichts gegen Kinderpornografie
achen. – Ich will all denen hier im Parlament, aber

uch außerhalb des Parlaments danken, die immer wie-
er dagegen argumentiert haben. Am Ende haben wir
cht behalten. Mit der heutigen Aufhebung des Zu-

angserschwerungsgesetzes bekommen wir recht. Wir
ollten keine Genugtuung empfinden, aber wir sollten
ns als Parlament fragen, wie wir so manche Debatte in
en letzten zwei Jahren geführt haben und ob so man-
her Populismus angebracht war. Wir werden weitere
iskussionen in den nächsten Monaten haben, etwa
enn es um die Vorratsdatenspeicherung geht. Einige
ennen meine Position dazu. Ich warne aber auch hier:
er gegen die Vorratsdatenspeicherung ist, ist nicht ge-

en eine effiziente Strafverfolgung. Lassen Sie uns in
ns gehen und uns fragen, ob wir nicht gerade netzpoliti-
che Debatten auf einem seriöseren und sachlicheren Ni-
eau führen können.

Ich glaube, die Diskussion über Netzsperren hat uns
ier im Parlament vorangebracht. Das ist so etwas wie
er Startschuss zu einer digitalen Diskussion, die wir
ier im Bundestag begonnen haben. Viele weitere Dis-
ussionen werden folgen. Netzpolitik bedeutet nicht,
witter und Facebook zu benutzen, sondern die Umbrü-
he einer digitalen Gesellschaft zu begreifen. Wenn die
iskussion über Netzsperren in den letzten zwei Jahren
azu beigetragen hat, dass wir in den kommenden Jahren
eriöser diskutieren und andere Argumente ernst neh-
en, dann hat diese ganze Diskussion eine erfolgreiche
eite gehabt.

Ich freue mich, dass wir heute einstimmig das Zu-
angserschwerungsgesetz aufheben, und danke Ihnen
r das Zuhören.


(Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17455


(A) )


)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714628200

Der Kollege Ansgar Heveling hat für die Unionsfrak-

tion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Ansgar Heveling (CDU):
Rede ID: ID1714628300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn ein Gesetz mit einer sehr breiten Mehrheit im Par-
lament verabschiedet wird, so deutet dies auf den ersten
Blick auf einen größtmöglichen Konsens in der Sache
hin. So wie es nach der gestrigen Beschlussfassung im
Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages aussieht,
werden wir gleich im Anschluss an die Beratungen in
zweiter und dritter Lesung mit dieser breiten Mehrheit
das Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes zur Erschwe-
rung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in
Kommunikationsnetzen beschließen.

Wenn also die Sache so läuft, dann empfiehlt es sich
eigentlich tunlichst, nicht aus der Reihe zu tanzen, das
Gemeinsame und Einende zu beschwören, den gemein-
samen Erfolg in den Mittelpunkt zu stellen und dann das
Thema bloß schnell zum Abschluss zu bringen.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Dann machen wir es doch!)


Ich habe mich dennoch bei meinem Wortbeitrag dage-
gen entschieden. Ich habe mich dagegen entschieden,
weil ich zwar glaube, dass der angesprochene Konsens
in dieser Sache von allen wirklich ernsthaft gewollt ist,
ich ihn dennoch an manchen Stellen für etwas vorder-
gründig halte.

Ich habe mich nicht dazu entschieden – das sei vor-
weg gesagt –, weil es noch fundamentale Erwägungen
gibt, die gegen diese konkrete Gesetzesentscheidung
sprechen; auch nicht, weil ich irgendjemandem hier in
diesem Parlament die Bemühungen um den Konsens in
der Sache absprechen möchte. Alle – das meine ich an
dieser Stelle ausdrücklich so – sind um ein gutes Ergeb-
nis bemüht.

Schließlich habe ich mich nicht – eindeutig nicht –
deshalb dagegen entschieden, weil es an diesem Gesetz
irgendein Jota mit Vehemenz zu verteidigen gäbe. Wie
soll ein Parlament auch ein Gesetz verteidigen, das auf
Initiative einer Regierung eingebracht wurde, die kurz
nach dem Abschluss des parlamentarischen Verfahrens
nichts Eiligeres zu tun hatte, als sich schleunigst wieder
davon zu distanzieren?

Insofern bleibt dieses Gesetz ein Lehrstück, ein Lehr-
stück dafür, was passiert, wenn Gesetze im Zuständig-
keitsgestrüpp einer Regierung wachsen. Seinerzeit bei
der Entstehung des Gesetzes hat das eigentlich federfüh-
rende Ministerium nicht die Feder geführt. Ein anderes
Ministerium hat sich dann die Zuständigkeit aus der Ver-
fassung herbeikonstruiert. Schließlich hat ein gänzlich
unzuständiges Ministerium die Debatte beherrscht.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind ja mal erleuchtende Einsichten!)


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(C (D as, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist Murks, nd das muss man auch so bezeichnen dürfen. Vor allem aber zeigt es, dass der alte Grundsatz „Was uch immer du tust, handele klug und bedenke das nde“ dabei von vorne bis hinten außer Acht gelassen urde, mit Folgen über das Gesetzesvorhaben hinausgeend. Das hat der Sache, dem einenden Ziel: Bekämpng von Missbrauchsdarstellungen im Internet, in kei er Weise gedient. Im Gegenteil: Ganz andere Fragen aben die Sache selbst vollkommen aus dem Blick gerängt. Des Weiteren hat es Regierung und Parlament gleihermaßen nicht im besten Licht erscheinen lassen. enn natürlich wirft es über das einzelne Ereignis hiausgehende verfassungsrechtliche Fragen auf, wenn ein on der Regierung eingebrachtes Gesetz, das vom Parlaent beschlossen, im ordnungsgemäßen Verfahren in raft gesetzt und nicht vom Verfassungsgericht aufgehoen worden ist, von der Exekutive nicht angewendet ird. chließlich darf man sich angesichts dessen über entprechende Gegenwehr nicht wirklich wundern. Was ill man anderes erwarten, wenn man den Gegnern urch sein Verhalten zusammen mit einem Gesetz die edienungsanleitung zum Widerstand quasi frei Haus itliefert? Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es ist das ine, das konkrete Gesetz und seine Unzulänglichkeiten u beleuchten. Das alles rechtfertigt – das sei nochmals largestellt – ohne Frage dessen Aufhebung. Dahinter teht aber eigentlich etwas ganz anderes. Das lässt für ich den Eindruck des Konsenses etwas vordergründig rscheinen; vordergründig deshalb, weil wir Gefahr laun, eine andere dringend notwendige Debatte durch die inigkeit heute ein wenig auszublenden, die Frage nämch: Darf sich der Staat, und wenn ja, wie, im Internet ewegen? Die bloße Aufhebung eines Gesetzes gibt dauf keine Antwort. Sie erweckt möglicherweise sogar inen falschen Eindruck, jedenfalls dann, wenn man daus herauslesen möchte, dass das Internet ein eingriffseier Raum zu sein habe. In der Diskussion um das Gesetz zur Erschwerung es Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in ommunikationsnetzen verschob sich jedenfalls schnell er Schwerpunkt der Auseinandersetzung weg von der rage der Bekämpfung von Missbrauchsdarstellungen Internet hin zu viel fundamentaleren Gesichtspunkn. Rasch bekam die öffentliche Diskussion eine Richng, die so gar nichts mit dem Thema Kinderpornograe zu tun hatte. Das Stichwort „Zensur“ rückte in den ordergrund. Dieser Begriff sollte fortan auch die Disussion beherrschen. Man mag an dem Gesetz – vieles auch zu Recht – krisieren, aber mit Zensur hatte es doch nichts zu tun. 17456 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Ansgar Heveling )


(Beifall bei der FDP)


(Zuruf von der SPD: Das stimmt!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(A) )

So bleibt für mich die bange Frage: Welches Staats- und
Gesellschaftsbild haben diejenigen im Kopf, die mit
Verve „Zensur“ gebrüllt haben, um das Gesetz zu Fall zu
bringen? Denn da geht es wohl um mehr als um die
Frage der Tauglichkeit des Mittels Internetsperren. Es
geht offensichtlich um die grundsätzliche Haltung zu
staatlichen Eingriffen zur Abwehr von Straftaten. Ge-
setzmäßigkeit, Rechtsschutzgarantie und Verhältnismä-
ßigkeit, also Geeignetheit, Erforderlichkeit und Ange-
messenheit, sind die klassischen Instrumente des
Rechtsstaates zur Limitierung von Eingriffen. Wer diese
Mechanismen aber aufgeben möchte, redet entweder
dem überstarken Staat das Wort oder einem Staat, für
den unter dem Diktum vorgeblicher „Freiheit“ der Aus-
gleich divergierender Grundrechte – etwa die Schutz-
pflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, für de-
ren Sicherheit zu sorgen – gleichgültig zu sein hat. Das
aber ist meiner Ansicht nach ein Verständnis von Frei-
heit, das mit der Gefahr behaftet ist, sich in letzter Kon-
sequenz gegen sie selbst zu richten.

Heinrich Wefing, der Publizist, hat im Juli 2009, also
auf dem Höhepunkt der Debatte um die Verabschiedung
des Gesetzes, in der Zeit – diese Publikation ist nun voll-
kommen unverdächtig, das Kampfblatt rechtskonservati-
ver Law-and-Order-Sheriffs zu sein – einen bemerkens-
werten Beitrag verfasst. Er schreibt dort unter anderem:

Eine Sperrseite, die den Zugang zu einer Webseite
mit – ohnehin verbotener – Kinderpornografie ver-
hindern oder wenigstens erschweren soll, kann also
juristisch gar keine Zensur sein. Sie ist Teil des Ver-
suchs (wie erfolgversprechend auch immer), die
Verbreitung der gesellschaftlich geächteten Kin-
derpornos zu unterbinden. Hier „Zensur“ zu schreien
ist entweder Ahnungslosigkeit. Oder Polemik. Auf
das grundgesetzliche Verbot der Zensur jedenfalls
kann sich nicht berufen, wer gegen die Internetsper-
ren kämpft.

Aber was tun die Ajatollahs anderes? Die chinesi-
schen Parteikader oder ägyptischen Sittenwächter,
die sich jede Zeile eines Lyrikers vorlegen lassen,
missliebige Webseiten abschalten und jede abwei-
chende Meinung unterdrücken?


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ebendrum!)


Es gehört zum ideologischen Glutkern der Debatte
um die Kinderporno-Sperren, dass deren Kritiker
den kategorialen Unterschied zwischen einem offe-
nen System wie dem der Bundesrepublik und einer
Diktatur wie in China oder Iran partout nicht zur
Kenntnis nehmen wollen. Die Sperrung von Inter-
netseiten, die verbotene Kinderpornografie verbrei-
ten, haben frei gewählte Abgeordnete eines freien
Parlaments beschlossen. Es gibt darüber eine völlig
ungehinderte, vor Emotionen vibrierende, wüst hin
und her wogende Diskussionen in Artikeln, Leser-
briefen und in der Onlinewelt. Und unabhängige
Gerichte werden die Verfassungsmäßigkeit des Ge-
setzes innerhalb kurzer Zeit überprüfen. Nichts da-
von in China, nichts davon in Iran.

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(C (D Genau das ist der Punkt, um den es eigentlich wirkch geht. Das ist die Debatte, die auch wir hier zu führen aben und in der wir klare Standpunkte beziehen müsen. Anbiedern und hinterherlaufen, das ist meiner Anicht nach jedenfalls an dieser Stelle der falsche Weg. Ich darf zur Illustration dazu auf eine Replik zu dem erade zitierten Artikel hinweisen, die meiner Ansicht ach gar keiner weiteren Kommentierung bedarf. In seiem Blog hat der ehemalige Bundesvorsitzende der Piranpartei, Dirk Hillbrecht, Wefings Hinweis auf den undestag als frei gewähltes Parlament mit frei gewähln Abgeordneten entgegengehalten – ich darf das zitien, wobei ich ausdrücklich darauf hinweise, dass ich es itiere und mir keinesfalls zu eigen mache –: Und ich ergänze: „es sind“; gemeint sind wir – ganz ähnliche frei gewählte Abgeordnete eines ganz ähnlichen frei gewählten Parlamentes, wie es 1933 das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ verabschiedet hat. Meine Kolleginnen und Kollegen, das ist es, was mir ngst und Bange macht. Es ist nicht das Internet mit seien tollen Chancen und Möglichkeiten. Es ist vielmehr ie Staatsund Gesellschaftsvorstellung von Menschen, ie die Idee des Internets für eine Ideologie okkupieren ollen, eine Ideologie, mit der – so stand es am verganenen Freitag in der FAZ – „Internet-Anarchisten, jene anatiker von Freiheit und Anonymität, … die aus sträfchem Unwissen oder verantwortungslosem Populismus ie wahre Freiheit zugrunde richten.“ Diese Debatte, ebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir führen. ir müssen sie führen, weil wir jetzt noch Zeit, Geleenheit und Entscheidungsfreiheit dazu haben. Ich mahe mir Sorgen um die Freiheit; ich mache mir Sorgen arum, dass meine Freiheit durch den Staat ausreichend nd vor allem überall gewährleistet wird. Wenn wir die Debatte führen und vor allem wenn wir u der Entscheidung kommen, dass der Staat auf rechtstaatlicher Grundlage in der digitalen Welt genauso andlungsfähig sein muss wie in der analogen, dann önnen wir heute auch das Gesetz zur Aufhebung des esetzes zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornoraphischen Inhalten in Kommunikationsnetzen bechließen. Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Jörn Wunderlich für die raktion Die Linke. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17457 )


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714628400

(Beifall bei der LINKEN)


(A) )


Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714628500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Justizministerin! Es ist schon viel gesagt worden:
Wir entscheiden heute darüber, ein Gesetz aufzuheben,
welches seinerzeit in blindwütigem Aktionismus angeb-
lich – ich betone: angeblich – zum Kampf gegen Kin-
derpornografie und sexuellen Missbrauch von Kindern
erlassen worden ist und über welches gesagt worden ist
– ich mache mir das Zitat zu eigen –:

Deshalb komme ich zu folgendem Schlusssatz …:
Das einzig Gute, was man über Ihr Gesetz sagen
kann, ist, dass es offensichtlich gut gemeint sein
könnte; aber das Zugangserschwerungsgesetz er-
reicht seinen Zweck nicht und enthält Risiken und
Nebenwirkungen, vor denen man nur dringend war-
nen kann.


(Beifall der Abg. Dr. Barbara Höll [DIE LINKE])


Das ist ein Zitat des von mir sehr geschätzten Kollegen
Dr. Stadler, inzwischen Staatssekretär, vom 18. Juni
2009; das ist fast zweieinhalb Jahre her.

Zu den erwähnten „Risiken und Nebenwirkungen“
gehörte die Befürchtung der Einführung einer vom Bun-
deskriminalamt kontrollierten Struktur zur Überwa-
chung des Internets ohne rechtsstaatliche Kontrolle. Das
waren die Befürchtungen: totale Überwachung und
Sperrung von unliebsamen Websites; China ließ grüßen.
Deswegen hat sich Frau von der Leyen letztlich den
Spitznamen „Zensursula“ eingehandelt.

Nachdem das Gesetz dann verabschiedet war und der
Bundespräsident es nach langem Zaudern endlich unter-
schrieben hatte, wurde es per Ministerialerlass nicht an-
gewendet. Ein vom Parlament beschlossenes, verab-
schiedetes Gesetz wurde – auch wenn man noch so viele
Bedenken dagegen hatte – per Ministerialerlass nicht an-
gewendet: ein Zustand, der aus rechtsstaatlicher Sicht
überhaupt nicht haltbar war. Daher hat die Linke, die von
Anfang an gegen dieses, wie wir uns heute alle einig
sind, sinnlose Gesetz war, Anfang 2010 beantragt, dass
höchstumstrittene Gesetz aufzuheben; das ist auch schon
fast zwei Jahre her.

Inzwischen haben auch die anderen Fraktionen der
Opposition entsprechende Anträge eingebracht, um die-
sen rechtswidrigen Zustand zu beenden. Immerhin, Ende
Juli 2011, circa ein Jahr nach der Anhörung im Rechts-
ausschuss zu dieser Rechtslage, legte auch die Bundesre-
gierung einen Gesetzentwurf vor, um dieses vor über
zwei Jahren beschlossene Gesetz endlich aufzuheben. Es
hat anderthalb Jahre gedauert, bis sich die Regierungs-
koalition endlich der Meinung der Linken angeschlossen
hat,


(Lachen bei der FDP)


nicht zuletzt auf Druck der Onlinepetition mit gut
134 000 Mitzeichnungen. Wie oftmals dauert es bei die-
ser Koalition etwas länger. Aber immerhin: Links wirkt.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich denke, unser Antrag, der vorsieht,


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(C (D (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Es drohte gerade langweilig zu werden!)


das ist das Schöne: Wenn Sie hier aufjaulen, dann habe
h den richtigen Ton getroffen,


(Sebastian Blumenthal [FDP]: Sie sind ja auch ein Experte in diesem Bereich!)


einlich würde es, wenn Sie applaudieren würden –, die
erichtspflichten noch genauer zu definieren und enger
inzugrenzen, um die Strafverfolgung der Täter und das
öschen der Seiten noch effektiver zu gestalten und zu
eschleunigen – das muss oder sollte zumindest unser al-
r Ziel sein –, wird über kurz oder lang eine Mehrheit
nden.


(Sebastian Blumenthal [FDP]: Da spricht der Fachmann!)


Ja, ich spreche aus staatsanwaltlicher und aus richterli-
her Sicht, da haben Sie recht. –


(Sebastian Blumenthal [FDP]: Das macht mir Angst! – Heiterkeit bei der FDP)


s dauert halt ein bisschen, bis die Regierung es be-
reift. – Es ist gut, wenn Sie vor Staatsanwaltschaft und
ericht Angst haben.

Aber – jetzt mache ich Ihnen noch mehr Angst – als
berzeugter Lutheraner sage ich:


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Auch das noch!)


ie Linke wirkt, Gott sei Dank!

Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN – Sebastian Blumenthal [FDP]: Gott sei Dank nicht! Unterirdisch! – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Die Zeiten sind vorbei, dass man vor einem Staatsanwalt Angst hat!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714628600

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Kol-

ge Dr. Konstantin von Notz das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

gen! Sehr geehrter Kollege Heveling, ich habe Ihre
achdenklich vorgetragene Rede genau verfolgt. Sie hat-
n zwölf Minuten Zeit; man wird ganz neidisch, wenn

ndere so viel Zeit haben. Ich habe deutlich weniger.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Und verplempern sie gerade!)


r Vortrag relativiert sich leider, wenn Sie die ganze
eit über Sperren und Zensur sprechen, aber die wesent-
che Forderung derjenigen, die sich gegen dieses Gesetz
ewehrt haben, nämlich „Löschen statt Sperren“, einfach
usblenden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


17458 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Dr. Konstantin von Notz


(A) )


)(B)

Wenn diese Worte in zwölf Minuten nicht einmal fallen,
ist der ganze Vortrag leider „Thema verfehlt“. Insofern
kann ich sagen: Sie haben diese zwölf Minuten vergeu-
det.

Heute ist ein guter Tag; denn das Zugangserschwe-
rungsgesetz wird endlich zurückgenommen, wir haben
zwei Jahre darum gerungen. Heute ist aber auch ein
wichtiger Tag für all diejenigen, die sich gegen Netz-
sperren und Stoppschilder, die letztlich ein hoch ineffek-
tives Mittel sind, Herr Kollege, engagiert haben, und
auch für all diejenigen, die für „Löschen statt Sperren“
gekämpft haben, dafür, dass man vor Straftaten keine
spanischen Wände aufstellt, sondern dass man die Seiten
löscht. Deswegen freue ich mich, dass wir dieses Gesetz
zurücknehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Gegner des Gesetzes – deswegen ist das auch de-
mokratietheoretisch ein schöner Tag –


(Ansgar Heveling [CDU/CSU]: Das ist entlarvend!)


haben die besseren Argumente gehabt und sich durchge-
setzt. Zunächst haben sie 134 000 Menschen von Ihren
Argumenten überzeugt – die zweitgrößte Petition in der
Geschichte des Deutschen Bundestages –, und dann ha-
ben sie dafür gesorgt, dass das von der Großen Koalition
verabschiedete Gesetz am Anfang dieser Legislaturpe-
riode ausgesetzt wurde. Man muss an dieser Stelle deut-
lich sagen – ich weiß, dass das viele hier im Haus kri-
tisch sehen –, dass es verfassungsrechtlich ausge-
sprochen problematisch ist, Gesetze par ordre du mufti
auszusetzen. Das ist ein eher untypisches parlamentari-
sches Verhalten.


(Burkhard Lischka [SPD]: Einmalig!)


Letztlich wird es heute zurückgenommen. Deswegen an
dieser Stelle auch von uns einen herzlichen Dank an die
digitale Bürgerrechtsbewegung, allen voran an den AK
Zensur und die Petentin Franziska Heine.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich erspare uns allen eine Wiederholung der Diskus-
sion der letzten zwei bis drei Jahre im Detail, also über
das, was über die Netzsperren gesagt wurde, und all die
Aussagen, dass es sich dabei um eine „Brückentechnolo-
gie“ handelt, und viele haben immer wieder durchschei-
nen lassen, dass man eigentlich doch lieber gegen Urhe-
berrechtsverstöße im Netz vorgehen wollte. Auch auf-
grund des Abstimmungsverhaltens einiger in der Union
gestern in den Ausschüssen und die offenkundige Tole-
rierung dieses Verhaltens durch die Fraktionsspitze kann
ich mir eine Sache aber nicht verkneifen.


(Thomas Silberhorn [CDU/CSU]: Wir sind tolerant!)


Wer im Jahr 2011 im Bereich der Netzpolitik glaubhaft
agieren möchte und gleichzeitig Netzsperren fordert, der
denkt wahrscheinlich auch, Atomkraft sei eine Ökoener-

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(C (D ie. Wir haben viele Anhörungen durchgeführt, in denen ir ganz viele Fachleute angehört haben. Deswegen chmälert Ihr Abstimmungsverhalten – nicht das von aln, aber von einigen – nach all den Anhörungen und gun Argumenten, die wir in den letzten Jahren gehört haen, zwar nicht den Beschluss, den wir heute fassen, ber den Glauben an die Einsichtsfähigkeit zahlreicher ollegen der Union. Ich bin froh, dass wir heute fraktionsübergreifend, uch mit den Stimmen der Union, zur Zurücknahme diees Instruments kommen. Ich möchte darauf hinweisen, ass die Arbeit jetzt im Grunde erst beginnt. Wir wissen us den Anhörungen, was wir tatsächlich brauchen: Wir rauchen erstens ein besseres Zusammenspiel der privatirtschaftlichen Kräfte und der Strafverfolgungsbehören, zweitens eine verbesserte internationale Zusamenarbeit und drittens eine bessere technische und ersonelle Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden; enn unser Ziel muss es sein, dass die staatlichen Stellen enauso schnell und erfolgreich löschen, wie die privan es längst tun. Missbrauch, der im Internet zweifellos uf widerwärtigste Weise dokumentiert wird, findet eben icht im Internet statt. Er findet jeden Tag statt: in Schun, in Internaten, in kirchlichen Einrichtungen, in Sportereinen, aber vor allen Dingen auch im familiären Umld. Wir müssen das Problem dort bekämpfen, wo es ntsteht. Ich kann nur an Sie appellieren, dass wir uns jetzt geeinsam diesen Aufgabenfeldern zuwenden. Die Oppo ition ist voll dabei. Wir haben unsere Hausaufgaben emacht. Wir haben eine mehrdimensionale Strategie efordert und ein Konzept gegen den Missbrauch von indern und Jugendlichen vorgelegt. Ich würde mir sehr ünschen, dass wir in diesem Haus nicht nur diesen Anag gemeinsam beschließen, sondern ab jetzt auch geeinsam diese Konzepte verfolgen. Ganz herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714628700

Lieber Kollege Dr. von Notz, der Präsidentenwechsel

at Ihnen noch ein paar Sekunden Redezeit mehr einge-
racht.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr erfreulich! Herzlichen Dank!)


Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
esregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Aufhe-
ung von Sperrregelungen bei der Bekämpfung von
inderpornographie in Kommunikationsnetzen. Der
echtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be-

chlussempfehlung auf Drucksache 17/8001, den Gesetz-
ntwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/6644
nzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf
ustimmen wollen, um das Handzeichen. – Das sind alle

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17459

Vizepräsident Eduard Oswald


(A) )


)(B)

Fraktionen dieses Hauses. Wer stimmt dagegen? – Eine
Stimme aus den Reihen der Union. Stimmenthaltungen? –
Keine. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung
angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Eine Stimme wie in der vorigen
Abstimmung. Enthaltungen? – Niemand. Der Gesetzent-
wurf ist angenommen.


(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe a
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/8001,
eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Keiner. Enthal-
tungen? – Keine. Somit ist die Beschlussempfehlung
einstimmig angenommen.

Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem
Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Aufhebung des
Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornographie in
Kommunikationsnetzen. Der Rechtsausschuss emp-
fiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 17/8001, den Gesetzentwurf der Fraktion
der SPD auf Drucksache 17/776 für erledigt zu erklären.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegen-
probe! – Keiner. Enthaltungen? – Keine. Somit ist die
Beschlussempfehlung angenommen.

Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion
Die Linke zur Aufhebung von Zugangsbeschränkungen
in Kommunikationsnetzen. Der Rechtsausschuss emp-
fiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 17/8001, den Gesetzentwurf der Fraktion
Die Linke auf Drucksache 17/646 abzulehnen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,
um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion Die Linke.
Wer stimmt dagegen? – Das sind die Koalitionsfraktio-
nen. Enthaltungen? – Sozialdemokraten und Bündnis 90/
Die Grünen. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung
abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsord-
nung die weitere Beratung.

Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem
Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur
Aufhebung des Gesetzes zur Erschwerung des Zugangs
zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunika-
tionsnetzen und Änderung weiterer Gesetze. Der Rechts-
ausschuss empfiehlt unter Buchstabe d seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 17/8001, den Gesetzentwurf
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache
17/772 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? –
Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen
worden.

Wir setzen die Abstimmungen über die Beschluss-
empfehlung des Rechtausschusses auf Drucksache
17/8001 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buch-
stabe e seiner Beschlussempfehlung, den Antrag der
Fraktion der SPD auf Drucksache 17/4427 mit dem Titel


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(C (D Zugangserschwerungsgesetz aufheben – Verfassungswidgen Zustand beenden“ für erledigt zu erklären. Wer timmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenproe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist soit einstimmig angenommen worden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe Tagesordungspunkt 15 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Richard Pitterle, Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Deutsch-französische Initiative zur Bekämpfung der Euro-Krise und zur Regulierung der Finanzmärkte starten – Drucksache 17/7884 – Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre einen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen. Der erste Redner in unserer Aussprache ist für die raktion Die Linke unser Kollege Dr. Axel Troost. – itte schön, Kollege Dr. Axel Troost. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der eutige Tag ist ein historischer und ein guter Tag. Erstals bringen an einem Tag die französischen Linken in er französischen Nationalversammlung und die deutchen Linken im Deutschen Bundestag einen inhaltsgleihen Antrag zur Bekämpfung der Euro-Krise und zu aßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte ein. (Beifall bei der LINKEN – Manfred Zöllmer [SPD]: Plagiate sind nicht zulässig! – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: AxelPlag!)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Axel Troost (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714628800

ieser Antrag wird am nächsten Dienstag, am 6. Dezem-
er, auch noch von den tschechischen Linken im tsche-
hischen Parlament eingebracht werden.


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Oh!)


In der kurzen Redezeit, die ich habe, möchte ich nicht
uf den Feststellungsteil eingehen, in dem wir gemein-
am herausstellen, welchen Anteil die deutsche Wirt-
chaftspolitik mit ihrem Setzen auf Export und Handels-
ilanzüberschüsse an der Euro-Krise hat. Ich will mich
meiner Rede auf die wesentlichen fünf Punkte in un-

erem gemeinsamen Antrag beschränken.


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Sechs!)


Erstens geht es um die Einführung einer Finanztrans-
ktionsteuer. Darauf sollte man nicht bis zum Endlostag
arten. Vielmehr sollten die Länder Frankreich und
eutschland sie schnellstmöglich einführen. Über den
ntrag ist bereits heute Morgen in der Nationalver-

ammlung diskutiert worden. Der für Europapolitik zu-

17460 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Dr. Axel Troost


(A) )


)(B)

ständige Minister Leonetti hat in die Debatte eingegrif-
fen und der französischen Linken gesagt, sie solle uns
ausrichten, wir sollten die Bundesregierung einmal fra-
gen – das tue ich jetzt gerade; vielleicht kann sie auch
zuhören –, was sie davon hält, wenn Deutschland und
Frankreich in einer Koalition der Willigen damit begin-
nen würden. Wahrscheinlich kennt er die deutschen Ver-
hältnisse und hat deshalb gesagt, dass wir die Bundesre-
gierung fragen sollen und nicht die beiden sie tragenden
Fraktionen. Nach der Anhörung gestern im Finanzaus-
schuss zur Finanzmarkttransaktionsteuer kann man nur
vermuten, dass Heckenschützen nach wie vor mit aller
Macht versuchen, die Einführung zu verhindern.

Zweitens geht es um die europaweite Einführung ei-
ner Sondervermögensabgabe für natürliche Personen mit
einem Privatvermögen von mehr als 1 Million Euro.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Hiermit soll sichergestellt werden, dass die Profiteure
der Krise an den entstandenen Kosten beteiligt werden.

Drittens geht es – Herr Kollege Brinkhaus, hier habe
ich in der Tat die Punkte fünf und sechs zusammenge-
fasst –


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ah!)


um die Reregulierung der Finanzmärkte. Um es einfach
zu sagen: Es geht um ein Verbot von ungedeckten Leer-
verkäufen und Kreditversicherungen sowie um ein Ver-
bot des Hochfrequenzhandels. Es geht auch darum, alle
Käufe und Verkäufe von Produkten über geordnete Han-
delsplattformen wie Börsen zu führen und nicht, wie bis-
her, unreguliert zu lassen.


(Beifall bei der LINKEN)


Viertens – das steht insbesondere in Frankreich an,
aber möglicherweise auch in Deutschland – geht es da-
rum: Wenn wir eine Rekapitalisierung der Banken mit
öffentlichen Mitteln brauchen, dann muss sichergestellt
sein, dass für diese öffentlichen Mittel auch eine dauer-
hafte Mehrheitsbeteiligung des Staates am Kapital dieser
Banken gewährleistet wird – damit also nicht das pas-
siert, was in Deutschland bei der Commerzbank passiert
ist – und dass der Staat dann dafür sorgt, dass aus den
Zockerbanken Banken bzw. Dienstleister für die Erspar-
nisbildung und die Kreditvergabe werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Fünftens fordern wir die Einführung eines europäi-
schen Fonds für eine soziale, solidarische und ökologi-
sche Entwicklung, damit die Länder des Südens über-
haupt eine Chance haben, aus der Schuldenkrise
herauszukommen.

Heute Morgen waren im Finanzausschuss Kollegen
aus Griechenland. Es ist völlig klar – dies wird eigent-
lich von niemandem bestritten –, dass diesen Ländern in
einem Prozess von 10 bis 20 Jahren geholfen werden
muss. Das geht nur mit einem solchen Fonds, der dann
auch Zugang zum Geld der Europäischen Zentralbank
hat, um das entsprechend zu finanzieren.

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(C (D Ich glaube, mit dieser Initiative haben wir noch einal einen Maßstab gesetzt. Wir hoffen, dass auch die an eren Fraktionen, was die Zusammenarbeit im europäichen Umfeld angeht, versuchen werden, Kontakt mit ren entsprechenden Parlamentariern aufzunehmen. Danke schön. Herr Kollege Troost, Sie haben Verständnis, dass ich atürlich nicht die Redezeit aus Frankreich oder aus schechien hier mit anrechne. Gut. Nächster Redner für die Fraktion der CDU/CSU uner Kollege Ralph Brinkhaus. – Bitte schön, Kollege rinkhaus. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe tzt ein bisschen mehr Redezeit, (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Dreimal so lange!)


(Beifall bei der LINKEN)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714628900

(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Ich sah es!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ralph Brinkhaus (CDU):
Rede ID: ID1714629000

lso werde ich mich auch eingehend mit Ihrem Antrag
eschäftigen, Herr Troost.

Erst einmal ist es ja zu begrüßen, dass Sie einen An-
ag zusammen mit Ihren Kollegen aus Frankreich ein-
ringen. Sie haben aber leider nicht das Copyright; das
aben die Kollegen von der SPD, die das nämlich auch
chon einmal gemacht haben.


(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Aber an einem Tag parallel diskutiert jeweils im Plenum!)


inmal ganz unabhängig vom Inhalt des Antrags ist das
sofern wirklich eine ganz gute Sache, weil ich glaube,

ass wir uns in dem europäischen Prozess, in dem wir
ns momentan befinden, als deutsches Parlament neu
efinieren müssen. Ich glaube, dass die Rolle der natio-
alen Parlamente in der europäischen Entscheidungsfin-
ung viel zu kurz kommt. Wir müssen uns da mehr ein-
ringen. Wenn wir uns da mehr einbringen wollen, dann
chaffen wir das nur, wenn wir das zusammen machen.
sofern ist dieses Vorgehen gut. Das ist aber auch das

inzig Gute an Ihrem Antrag.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Aber immerhin!)


ie werden verstehen, dass ich den Rest nicht so gut
nde.

Der Antrag ist so gegliedert, wie alle Oppositionsan-
äge gegliedert sind. Im ersten Teil findet sich die übli-
he Regierungsbeschimpfung, bei Ihnen – das ist der
onderfall – noch angereichert mit ein wenig marxisti-
cher Folklore.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Na ja!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17461

Ralph Brinkhaus


(A) )


)(B)

Der zweite Teil enthält dann das Vorschlagspaket. Sie
haben ja schon die Punkte von sechs auf fünf herunterge-
beamt. Der dritte Teil enthält die Begründung. Da ist Ih-
nen die Luft ein bisschen ausgegangen, weil Sie von Ih-
ren sechs Vorschlägen nur drei begründet haben.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


Das mag auch für sich sprechen.

Kommen wir jetzt einmal zu Ihren einzelnen Vor-
schlägen in chronologischer Reihenfolge:

Der erste Vorschlag war, einen Fonds aufzulegen. Da-
rin ist irgendetwas mit Solidarität, Ökologie, Gerechtig-
keit und ähnlichen Geschichten enthalten. Dazu kann
man nur sagen: Gibt es schon. Es gibt mehrere Fonds auf
europäischer Ebene, die sich genau mit diesen Themen
beschäftigen. Ich vermute aber einmal, dass Sie auf diese
untaugliche Weise etwas anderes adressieren wollten, et-
was, was auch uns betrifft, nämlich dass die Konsolidie-
rung in Europa die eine Säule ist, die unsere Zukunft
beeinflussen wird. Die andere Säule ist, dass wir tatsäch-
lich nicht nur über Haushaltskonsolidierung nachdenken
können und müssen, sondern dass wir uns auch damit
beschäftigen müssen, wie die betroffenen Länder wirt-
schaftlich wieder auf die Beine kommen.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, fangen Sie doch mal an, Herr Troost!)


Nur, Herr Troost, liebe Kolleginnen und Kollegen von
der Linken, es ist wahrscheinlich ein untaugliches Mit-
tel, dies mit einem amorph formulierten Fonds anzuge-
hen.

Kommen wir zum zweiten Punkt. Sie möchten, dass
die Banken, die gestützt werden, quasi verstaatlicht wer-
den. Das heißt, dass der Staat eine Mehrheitsbeteiligung
übernimmt und dann – zweiter Schritt – dafür sorgt, dass
sich diese Banken darauf konzentrieren, die Wirtschaft
und die Gesellschaft mit Krediten zu versorgen.

Hier gibt es zwei Fehlannahmen. Die erste Fehlan-
nahme ist, dass staatliches bankliches Handeln nicht un-
bedingt besser ist als privates bankliches Handeln. Das
haben wir am Beispiel der WestLB und auch einiger an-
derer Landesbanken sowie unserer Tochtergesellschaft
IKB gesehen.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Aber die Privaten sind auch nicht besser! Insofern nützt das auch nichts!)


Die zweite Fehlannahme ist, dass es die einzige Auf-
gabe von Banken ist, die Kreditversorgung sicherzustel-
len. Banken haben noch ganz andere Funktionen. Sie
sind Zahlungsmittelversorger, sie führen eine Fristen-
transformation durch, und sie machen vor allen Dingen
eines, was Sie wahrscheinlich als fürchterlich schäbig
erachten: Sie sichern Risiken ab. Dafür braucht man De-
rivate, und zwar aus ganz realwirtschaftlichen Gründen.
Insofern läuft das, was Sie hier fordern, fehl.

Der dritte Punkt ist die Finanztransaktionsteuer. Da
muss man sagen: Wie neu und innovativ ist diese Idee!
Es ist so, dass die Europäische Kommission einen Vor-

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(C (D chlag zur Finanztransaktionsteuer vorgelegt hat. Von er Unionsfraktion wird übrigens ausdrücklich begrüßt, ass das so gemacht wird. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh ja! Das hat man ja in der Anhörung gemerkt!)


llerdings haben wir gestern in der Anhörung erfahren
das hat mit Verschwörungstheorien oder damit, dass da
eckenschützen zugange waren, nichts zu tun –,


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Sie haben nur keinen der Schützen gefragt!)


ass es wohl doch nicht so einfach ist, eine Finanztrans-
ktionsteuer einzuführen, wie Sie es sich immer denken,
ach dem Motto: Wenn wir jetzt die Finanztransaktion-
teuer einführen, ist der Hunger auf der Welt bekämpft,
t der Klimawandel aufgehalten und sind sämtliche
aushalte saniert. Das funktioniert so nicht.


(Nicolette Kressl [SPD]: Hat sich die Unionsfraktion eigentlich inzwischen positioniert?)


Die Finanztransaktionsteuer, meine Damen und Her-
n, hat ganz viel mit Technik zu tun. Man muss sich

ehr viele Fragen stellen und überlegen: Wer ist das
teuersubjekt? Wer ist das Steuerobjekt? Wie sieht es
it der Bemessungsgrundlage aus? Wie sieht es mit den
arifen aus? Wie sieht es mit der Steuererhebung aus?


(Manfred Zöllmer [SPD]: Ja! Dann machen Sie das doch mal!)


ll das sind Fragen, die auch im Vorschlag der Europäi-
chen Kommission noch nicht zufriedenstellend beant-
ortet sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Dafür wollten wir die Anhörung ja haben! – Nicolette Kressl [SPD]: Hat sich die Position der Bundesregierung inzwischen etwa geändert?)


Jetzt kommen wir zum nächsten Punkt in Ihrem Opus
agnum, das Sie auf den Weg gebracht haben. Sie wol-
n eine Vermögensabgabe für Millionäre.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Ja!)


h finde es klasse, dass Sie diese Forderung hier adres-
ieren. Sie haben das wohlgefällige Nicken der Grünen
nd auch der SPD an dieser Stelle vom Rednerpult aus
icherlich zur Kenntnis genommen.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das wusste ich schon vorher!)


enn wir über das Thema Vermögensabgabe reden,
ann sollten wir auch über alle anderen steuerpolitischen
läne reden, die von der linken Seite des Parlaments ver-
lgt werden. Da geht es nicht nur um die Vermögensab-

abe, sondern auch um eine höhere Erbschaftsteuer, eine
öhere Einkommensteuer und eine Substanzbesteuerung

Rahmen der Gewerbesteuer.


(Beifall bei der LINKEN – Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Enteignung! – Manfred Zöllmer [SPD]: Und bei Ihnen sind es höhere Schulden!)


17462 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Ralph Brinkhaus


(A) )


)(B)

Daran zeigt sich wieder einmal: Unsere Seite des Par-
laments steht für eine kontinuierliche, gemäßigte Steuer-
politik.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Oh ja! Genau!)


Ihre Seite des Parlaments steht für eine Steigerung der
Steuereinnahmen bis zum Exzess. Aufgrund Ihres sozia-
listischen Weltbildes kann man vielleicht noch nachvoll-
ziehen,


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Oh ja!)


dass Sie sagen: Die bösen Reichen werden jetzt ge-
schröpft. – Nur, das Problem an der ganzen Sache ist,
dass es nicht nur um die „bösen Reichen“ geht, sondern
dass die meisten Steuern, die ich gerade genannt habe, in
irgendeiner Art und Weise mit Produktivvermögen – das
heißt auch mit Arbeitsplätzen – zusammenhängen.

Erklären Sie uns doch bitte einmal, wie die Liquidität,
die auf diese Art und Weise aus den Betrieben herausge-
zogen wird, ersetzt werden soll, und das in Zeiten, in de-
nen wir von Unternehmen fordern, ihre Eigenkapital-
quoten zu steigern, und in denen die Kreditversorgung
vielleicht nicht mehr so sicher ist, wie sie es einmal war.
Insofern freuen wir uns als christlich-liberale Koalition
wirklich darauf, diese steuerpolitische Auseinanderset-
zung in den nächsten anderthalb Jahren mit Ihnen zu
führen.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Diese Auseinandersetzung führen wir gern!)


Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass die Menschen
in diesem Land sehen, was Sie wirklich wollen. Es ist
eine unheilige Allianz, die auf der linken Seite dieses
Saales sitzt. Insofern ist es gut, dass Sie Ihre Pläne ein-
mal benannt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Kommen wir zu einer weiteren Forderung, die Sie er-
heben. Sie sagen: Wir müssen die Leerverkäufe verbie-
ten. Da frage ich mich, liebe Kollegen von den Linken:
Wo waren Sie im Mai und Juni letzten Jahres, als wir ge-
nau das gemacht haben? Diese christlich-liberale Koali-
tion war die erste Koalition in der Geschichte Deutsch-
lands, die genau dieses Thema angepackt hat, und zwar
sehr umfänglich.


(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Ja! Auch in Europa!)


Wir haben ungedeckte Leerverkäufe von Aktien und
Staatsanleihen verboten. Wir haben dafür gesorgt, dass
Credit Default Swaps, also Kreditversicherungen, nur
genutzt werden, um solche Risiken abzusichern, die tat-
sächlich mit Krediten unterlegt sind;


(Manfred Zöllmer [SPD]: Ja! Die Lage wird ja auch von Tag zu Tag besser!)


das wird von Ihnen, meine Damen und Herren, gemein-
hin unterschlagen. Wir haben der BaFin ein scharfes
Schwert an die Hand gegeben. Wir haben der BaFin
nämlich gesagt: Ihr könnt alle Instrumente vom Markt

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(C (D ehmen, die die Systemstabilität gefährden. – Das ist lso schon gemacht worden, Herr Troost. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: In Frankreich nicht! Das ist ja ein gemeinsamer Antrag!)


In Frankreich nicht.

Jetzt kommen wir zu einem wichtigen Punkt, Herr
roost. Wenn Sie sagen: „In Frankreich nicht“,


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Ja!)


ann könnten Sie in Ihrem Antrag doch vielleicht auch
inmal dezent darauf hinweisen,


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Aber das ist doch ein gemeinsamer Antrag! Das ist ja das Problem!)


ass Deutschland vorangegangen ist und dass sich der
est Europas momentan an der Blaupause, die wir auf
en Weg gebracht haben, orientiert.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Oh! In Europa gibt es eine deutsche Blaupause!)


ementsprechend nehme ich mit Freude zur Kenntnis,
ass Sie in der Sozialistischen Internationale – sorry, in
er Kommunistischen Internationale – in Europa dafür
erben werden, dass dieses Gesetz auch in anderen eu-
päischen Ländern Einzug hält. Ich kann den Kollegen

on der SPD nur empfehlen, sich genauso zu verhalten.
s gibt ja irgendwo auch eine grüne europäische Bewe-
ung; vielleicht bekommen die das auch hin. Manchmal
ann man auch von uns lernen. Das ist eine Sache, die
ns wirklich gut gelungen ist. Sie war bahnbrechend, ge-
auso wie übrigens auch einige andere Gesetze, zum
eispiel das Banken-Restrukturierungsgesetz.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dann haben Sie noch adressiert, dass Sie den Hoch-
equenzhandel bekämpfen müssen. Damit sind Sie auch
in bisschen hinter der Zeit; denn auch dieses Thema ist
icht neu.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Auch alte Sachen müssen bekämpft werden!)


Jetzt komme ich zum letzten Punkt in Ihrem Antrag.
er ist ja geradezu rührend formuliert: Der OTC-Handel

oll geschlossen werden. Die Vorstellung ist: Ich habe
inen Laden und schließe den ab; ich schließe den OTC-
andel. Ganz ehrlich: Der OTC-Handel wird reguliert
erden. Es gibt die EMIR-Initiative auf europäischer
bene. Diese Initiative wird maßgebend von der deut-
chen Bundesregierung unterstützt, ist also auch mit
eutschem Input auf den Weg gebracht worden. Ich
enke einmal, dass wir hier viel weiter sein werden als
iele andere Rechtssysteme in dieser Welt;


(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Wann denn?)


enn in diesen Rechtssystemen gibt es diese Regelung
och nicht. Wir als christlich-liberale Koalition nehmen
ns zusammen mit unseren europäischen Partnern genau
ieses OTC-Handels an, und wir werden dafür sorgen,
ass das transparent ist. Wir werden hier eine Menge er-
ichen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17463

Ralph Brinkhaus


(A) )


)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist ja abenteuerlich!)


Ich komme zu Ihrer letzten Forderung. Das ist das
Rührendste und Naivste, was ich überhaupt gesehen
habe. Sie wollen den Ratingagenturen verbieten, Staats-
anleihen zu raten, nach dem Motto: Das Ergebnis gefällt
uns nicht, deswegen verbieten wir es ihnen. Sie müssen
sich einmal überlegen, ob Rating vielleicht auch etwas
mit Meinungsfreiheit zu tun hat und ob wir nicht in einer
Welt leben, in der sich beispielsweise asiatische oder
amerikanische Investoren fragen, was eine Ratingagen-
tur zu der Staatsanleihe sagt, die sie kaufen wollen. Nach
dem Vorschlag der Linken ist es dann so, dass gesagt
wird: Nein, dazu können wir nichts sagen, weil uns das
verboten worden ist. – Sie glauben doch wohl nicht, dass
es dann noch irgendeinen Investor aus Übersee geben
wird, der in europäische Staatsanleihen investiert. Das
ist der Gipfel der Naivität.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Wollen sie ja jetzt schon nicht! – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Was ist denn jetzt? Die flüchten doch alle!)


Jetzt komme ich langsam zum Ende meiner Ausfüh-
rungen, und ich fasse das Ganze noch einmal zusammen:


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Ach, das muss nicht sein!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, es ist
schön und begrüßenswert, dass Sie europäische Initiati-
ven starten. Es ist auch schön und begrüßenswert, dass
Sie versuchen, auf internationaler Ebene etwas zu errei-
chen. Aber auch für Vorschläge, die man zusammen mit
dem französischen und, wie ich gerade gehört habe, dem
tschechischen Parlament macht, gibt es gewisse Min-
deststandards. Zu diesen Mindeststandards gehört – das
muss man sich vielleicht einmal überlegen –, dass man
seine Vorschläge ordentlich begründet – und das nicht
nur an drei Stellen – und dass man diese ganzen Dinge
auch in einen vernünftigen Zusammenhang stellt.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Was ist mit Ihrem gemeinsamen Antrag?)


Sie wissen, meistens halte ich meine Reden hier ohne
Papier. Das fällt mir normalerweise auch leicht, weil hin-
ter jedem Antrag, der hier eingebracht wird, eine Ge-
schichte, ein Zusammenhang, eine Logik steht. Ich muss
ganz ehrlich sagen: Als ich mich heute Nachmittag auf
diese Rede vorbereitet habe, hatte ich wirklich Schwie-
rigkeiten, ihre zusammenhanglos aneinandergereihten
Vorschläge irgendwie logisch zu ordnen.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das ist doch ganz altes Zeug!)


Dementsprechend war es nicht ganz leicht, diese Rede
hier vorzubereiten, weil kein System ersichtlich ist.

Damit komme ich zu dem, was die christlich-liberale
Koalition macht.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Sie wollten doch zum Schluss kommen!)


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(C (D ir haben ein System und machen systematische Vorchläge. Vor allen Dingen machen wir Kärrnerarbeit, das eißt, wir schauen uns die Gesetze an und beschäftigen ns mit den Details und damit, dass Gesetze im Bereich er Finanzmarktregulierung untereinander abgestimmt ein müssen. Das ist nicht immer populär und viel Areit. Sie von der Opposition machen hier Schauanträge. iese Schauanträge helfen uns überhaupt nicht weiter. as ist Folklore – nichts weiter. Nicht nur weil dieser ntrag schlecht vorbereitet und geschrieben worden ist, ondern weil wir auch inhaltlich nicht mit ihm übereintimmen, werden wir diesen Antrag mit Freuden ablehen. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Die Abstimmung steht heute überhaupt nicht an! – Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Es ist alles gesagt! Wir können zur Abstimmung kommen!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714629100

Vielen Dank, Kollege Ralph Brinkhaus. – Jetzt für die

raktion der Sozialdemokraten Kollege Manfred
öllmer. Bitte schön, Kollege Manfred Zöllmer.


(Beifall bei der SPD)



Manfred Zöllmer (SPD):
Rede ID: ID1714629200

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

amen und Herren! „Und jetzt?“, fragte der Spiegel in
ieser Woche die Bundesregierung im Zusammenhang
it der Euro-Krise. Eine Antwort haben wir bisher nicht

rhalten.


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Morgen früh kommt die Regierungserklärung!)


ines können wir jedenfalls feststellen: Die sogenannte
uro-Krise verschärft sich von Woche zu Woche.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Von Tag zu Tag!)


er ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank
pricht bereits von der größten Krise seit dem Zweiten
eltkrieg. Doch nicht der Euro ist gescheitert, geschei-
rt ist die Krisenstrategie dieser Bundesregierung.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Auf Spiegel Online stellte Herr Münchau, immerhin
in Experte für diese Fragen, in dieser Woche fest – ich
itiere einmal wörtlich –:

Die Chance auf eine bezahlbare Euro-Rettung ist
vertan – und schuld ist die Bundeskanzlerin.
Angela Merkel wird uns alle ruinieren, weil sie mit
ihrem Zaudern die Krise verschärft. Jetzt hat sie nur
noch zwei politische Optionen: Bankrott oder Ruin.

Ich will nicht hoffen, dass Herr Münchau mit seinen
chlussfolgerungen richtig liegt, aber bei der Beschrei-

17464 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Manfred Zöllmer


(A) )


)(B)

bung des Krisenmanagements dieser Bundesregierung
liegt er richtig, da hat er recht.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Diese Bundesregierung lief der Krise immer hinter-
her. Als der Baum schon brannte, räsonierte man immer
noch darüber, ob man nicht lieber elektrische Kerzen
statt Wachskerzen nehmen sollte.


(Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir erinnern uns doch alle noch daran, wie sich die
Bundeskanzlerin von der Bild-Zeitung als eiserne Lady
hat feiern lassen. Ihr Motto: Kein Geld für Griechen-
land! Dann doch Geld für Griechenland. Aber keinen
Cent mehr, so Kollege Fricke von der FDP.


(Harald Koch [DIE LINKE]: Nur einmalig!)


Da hatte er ja völlig recht; denn kurze Zeit später ging es
nun wirklich nicht um Cents, sondern um zusätzliche
Milliarden. Die Halbwertszeit der gebrochenen Be-
schwichtigungssprüche der Bundesregierung liegt schon
jetzt unterhalb von einem Monat. Eine so miserable Kri-
senstrategie hat dieses Land, hat der Euro wirklich nicht
verdient, und diese Stümperei geht leider immer noch
weiter.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Harald Koch [DIE LINKE]: So viel zur Kärrnerarbeit!)


Schauen wir uns ganz kurz die Situation bei der EFSF
an. Hier hieß es zuerst: Niemand hat die Absicht, den
Fonds zu hebeln. Zwei Tage später war klar: Er soll ge-
hebelt werden, und es gab zwei Varianten. Jetzt zeigt
sich, dass man die Rechnung wohl ohne die Investoren
gemacht hat. Sie sind offenkundig nicht bereit, mitzu-
spielen. Diesen Eindruck hatten wir bei dem Besuch des
Finanzausschusses in Luxemburg bereits vor zwei Wo-
chen.

Jetzt haben wir einen Rettungsfonds, der offensicht-
lich seine Aufgabe nicht erfüllen kann, weil zu wenig
Geld im Topf ist. Da fragt man sich: Wo ist eigentlich
der Plan B der Bundesregierung? Gibt es ihn? Man stellt
fest: Es gibt keinen. Alle denkbaren Alternativen werden
von der Bundesregierung mit Ekel, Abscheu und Empö-
rung abgelehnt. Man will nun mit Vertragsänderungen
den Krisenbrand löschen – mit Vertragsänderungen, die
mehrere Jahre zu ihrer Umsetzung brauchen.


(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Leider wahr!)


So wird die Bundesregierung ungewollt zum Totengrä-
ber des Euro.


(Zuruf von der FDP: Also, Herr Zöllmer, entwaffnen Sie mal ein bisschen!)


– Ja, in der Tat, warten Sie ab. Es gibt inzwischen selbst
Minister, die das in Talkshows nicht mehr ausschlie-
ßen. – Die Bundeskanzlerin ist auf dem Weg, zur großen
„Buhfrau“ in Europa zu werden. Das wundert einen auch
nicht angesichts dessen, dass von ihr die Forderung ver-

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(C (D reitet wird: Am deutschen Stabilitätswesen soll die elt genesen. (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal was zu dem Antrag der Linken! – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das wäre nett für Herrn Troost, wenn Sie etwas zu dem Antrag sagen würden!)


Jetzt auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen“,
at Herr Kauder als CDU-Fraktionsvorsitzender freude-
trahlend auf dem CDU-Parteitag verkündet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hatten heute
orgen ein Gespräch mit griechischen Abgeordneten.


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Da ist ja jetzt mal ein aktueller Bezug drin!)


in griechischer Kollege sagte: Wir Deutsche müssten
ns entscheiden, ob wir ein deutsches Europa oder ein
uropäisches Deutschland wollen. Da hat der Mann
irklich recht.


(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Das hat er nicht gesagt! – Ralph Brinkhaus [CDU/ CSU]: Da war ich auch dabei, das ist so nicht richtig! – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das hat er so gesagt!)


Das hat er wörtlich so gesagt.


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ihre Griechischkenntnisse sind wohl nicht so gut, Herr Zöllmer!)


Jetzt wollen wir uns einmal dem Antrag der Linken
uwenden.


(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Ihre Redezeit ist um!)


etzt wollen die Linken eine neue deutsch-französische
itiative, sozusagen „Mercozy reloaded“, Deauville II.
ir haben eben schon einmal gesagt, dass Plagiate unzu-
ssig sind. Das sollten Sie sich eigentlich in diesem Zu-

ammenhang überlegen.

Natürlich ist die deutsch-französische Zusammenar-
eit in Europa von großer Bedeutung. Aber es muss um
usammenarbeit gehen, nicht um Hegemonie und nicht
m Unterordnung.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das stimmt! Das ist richtig!)


Jetzt wenden wir uns dem Antrag der Fraktion Die
inke etwas präziser zu.


(Zurufe von der CDU/CSU: Endlich! – Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Jetzt ist die Redezeit allerdings abgelaufen! – Heiterkeit)


as wollen Sie uns mit diesem Antrag sagen? Meine
hese ist: Sie wollen einfach darüber hinwegtäuschen,
ass Ihre Fraktion in Bezug auf Europa völlig gespalten
t. Wenn man den Antrag liest, wird das sehr schön
eutlich; denn Einleitungsteil und Forderungsteil haben
berhaupt nichts miteinander zu tun. Im Einleitungsteil

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17465

Manfred Zöllmer


(A) )


)(B)

heißt es markig: Der Euro ist gescheitert, und das Six-
pack der EU sei – so wörtlich – „ein nicht hinzunehmen-
der Angriff auf die Grundprinzipien der Demokratie“.

Jetzt würde der kundige Leser natürlich erwarten,
dass die Linken im Rahmen der Forderungen Alternati-
ven zum Euro vorschlagen. Liest man die Forderungen
– der Kollege Brinkhaus hat sie eben hier seziert –, fin-
det man nur das Übliche und in diesem Zusammenhang
gar nichts. Das ist Ihr Problem. Offenkundig haben sich
die Europafeinde im ersten Teil verbal austoben dürfen,
und die Realos haben sich dann im zweiten Teil bei den
Forderungen durchgesetzt.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Nein, es ist noch viel komplizierter! – Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


– Sehr schön. – Wer soll Ihren Antrag eigentlich ernst
nehmen, wenn sich aus Ihrer Analyse überhaupt keine
Schlussfolgerungen ziehen lassen? Man kann zusam-
menfassend sagen: Die Linken wissen nicht, was sie
europapolitisch wollen, aber das mit ganzer Kraft.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Nee, nee!)


Das Gleiche gilt für den Bereich der Krisenursachen-
diagnose. Laut Ihrem Antrag sind die deutschen Exporte
schuld an der Krise. Wörtlich heißt es:

Das bedeutet, dass der deutsche Exportboom und
die wachsenden Schuldenberge in Griechenland …
zwei Seiten derselben Medaille sind.

Herr Kollege Troost, Sie waren doch dabei, als der grie-
chische Kollege heute Morgen gesagt hat: Wir Griechen
haben über unsere Verhältnisse gelebt.


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das hat er jetzt tatsächlich gesagt! – Gegenruf des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das andere hat er auch gesagt!)


– Das hat er gesagt. Das war auch richtig. – Diese Schul-
den ermöglichten es Griechenland, deutsche Produkte zu
kaufen.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Beides!)


Was wollen Sie eigentlich den deutschen Arbeitneh-
mern sagen, deren Arbeitsplätze vom Export abhängen?
Bei mir in der Region wird bis zu 70 Prozent der Pro-
duktion exportiert.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Es geht um Exportüberschüsse!)


– Das ist letztendlich der Export.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Nein, das sind die mangelnden Importe!)


– Herr Kollege Troost, hören Sie doch einmal zu, was
Ihre Parteivorsitzende, Frau Lötzsch, an dieser Stelle in
der letzten Woche in der Haushaltsdebatte ausgeführt
hat. Ich darf wörtlich zitieren:

Deutschland ist auf den Export in andere EU-Län-
der dringend angewiesen. Ein drastischer Rückgang
der Exporte würde uns heute noch härter treffen als
im Jahr 2008.

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(C (D a hat sie recht. Aber was gilt denn nun bei Ihnen? (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das sind auch wieder zwei Seiten einer Medaille! Wir wollen mehr Importe!)


ielleicht können Sie erst einmal intern Ihre Position
lären, bevor Sie uns hier Anträge vorlegen. Machen Sie
och erst einmal Ihre Hausaufgaben, dann können wir
ber die Ergebnisse diskutieren.

Jetzt noch eine Schlussbemerkung an die Adresse der
undesregierung. Es muss endlich Schluss sein mit der
erfehlten Krisenpolitik. Nehmen Sie doch zur Kenntnis,
ass die Politik der kleinen Schritte bei der Euro-Krise
escheitert ist. Was wir brauchen, ist ein vernünftiges
risenmanagement, das den Herausforderungen wirk-
ch gerecht wird.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714629300

Vielen Dank, Kollege Manfred Zöllmer. – Jetzt für

ie Fraktion der FDP unser Kollege Dr. Volker Wissing.
itte schön, Kollege Volker Wissing.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1714629400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Wir erleben jetzt in jeder finanzpolitischen
ebatte, dass sich die Sozialdemokraten hier hinstellen
nd der Bundesregierung vorwerfen, sie hätte von An-
ng an entschlossener bei der Stabilisierung der Euro-
one handeln müssen. Herr Kollege Zöllmer, das, was
ie sagen, wäre erträglich, wenn es nicht ein kleines Pro-
lem in dem Verhalten der Sozialdemokraten in diesem
usammenhang gäbe.

Wir haben, als wir das Euro-Rettungspaket für Grie-
henland geschnürt haben, hier im Deutschen Bundestag
ine sozialdemokratische Fraktion erlebt, die gezaudert
at, die sich nicht zu Europa bekannt hat und die mit
rer kraftvollen Enthaltung nicht wusste, wohin sie will.


(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Oh Gott!)


ls wir die ersten Stabilisierungsmaßnahmen auf den
eg gebracht haben, haben sich die Sozialdemokraten in

anz Europa blamiert.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: 15 Monate dasselbe! – Weitere Zurufe von der SPD)


Sie müssen sich schon die Dinge anhören, die Sie
lsch gemacht haben. – Deswegen sollten Sie sich hier

icht hinstellen und anderen sagen, dass sie engagierter
nd couragierter hätten vorgehen müssen. Sie haben an
er entscheidenden Stelle gezaudert und sich nicht zu
uropa bekannt. Das werden Sie in der Geschichte der
uro-Stabilisierung nicht mehr los.


(Nicolette Kressl [SPD]: So doof!)


17466 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Dr. Volker Wissing


(A) )


)(B)

Zur Steuerpolitik – das ist hier schon angesprochen
worden – haben die Grünen auf ihrem Parteitag erklärt:
Es muss massive Steuererhöhungen geben.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Das war die Rede vom letzten Mal!)


Wir brauchen die Einnahmen aus Steuererhöhungen für
alles Mögliche. Die Sozialdemokraten freut das sehr.
Auch sie klatschen bei Forderungen nach Steuererhö-
hungen starken Beifall. Zugleich beantragen Sozial-
demokraten und Grüne im Bundesrat eine Senkung des
Steuersatzes für Ausflugsschifffahrten.


(Zurufe der Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Sie müssen einmal der Öffentlichkeit erklären, wie das
zusammenpassen soll.

Nun zur Linken. Es ist schon interessant: Wir haben
in Europa eine Staatsverschuldungskrise. Die Haushalte
sind nach dieser schweren Wirtschafts- und Finanzkrise
in einem schrecklichen Zustand.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Nach den Bankenrettungen!)


Die Schuldenstandsquoten liegen jenseits des Erträg-
lichen. Dann sagen die Linken: Wir brauchen in Europa
jetzt keine Haushaltskonsolidierung, sondern wir brau-
chen einen Fonds für soziale, solidarische und ökologi-
sche Entwicklung, der mit neuen Schulden finanziert
werden soll. Sie müssen einmal der Bevölkerung erklä-
ren, wie man in dieser Situation mit einer so albernen
Lösung einen Beitrag zur Stabilisierung leistet.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zurufe des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE])


Auf die Frage, woher das Geld für Ihren merkwürdigen
Fonds kommen soll, bleiben Sie jede Antwort schuldig.
Wollen Sie es sich an den Kapitalmärkten leihen? Wie
wollen Sie mit zusätzlichen Schulden für zusätzliche
Staatsausgaben das Vertrauen in die Euro-Zone zurück-
gewinnen? Das ist völlig irreal.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Es geht nicht um zusätzliche Schulden! Es geht um Umschuldung!)


Ihr Antrag passt eher zu einer Märchenstunde, als
dass er irgendeinen Beitrag zur Stabilisierung der Situa-
tion leistet; der Kollege Brinkhaus hat schon darauf hin-
gewiesen. Wenn Sie behaupten, die Lösung des Pro-
blems der Finanzmärkte könne darin liegen, dass man
private Banken verstaatlicht und zu öffentlichen Banken
macht, ignorieren Sie völlig, dass gerade die öffentlichen
Banken, die Landesbanken in Deutschland, ein größeres
Problem darstellten. Deswegen sollten Sie mit diesem
Märchen aufhören. Das mag zwar zu Ihrer Ideologie
passen, aber es passt nicht in die Realität, liebe Kollegin-
nen und Kollegen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Sie stecken Milliarden in private Banken und lassen die dann mit öffentlichen Geldern weitermachen!)


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(C (D Dann kommen Sie mit dem nächsten Märchen, der inanztransaktionsteuer. Sie können mit einer Finanzansaktionsteuer nicht diese Staatsverschuldungskrise sen. Sie können sie nur lösen, indem Sie die Haus altskonsolidierung vorantreiben und eine neue Stabilitsarchitektur in Europa errichten. Genau das tut die undeskanzlerin mit der vollen Unterstützung der Koalionsfraktionen, und dabei verfolgt sie einen ganz strinenten Kurs, was nicht einfach ist. Wenn Sie sich die ühe machen würden, die schwierigen Verhandlungen uf europäischer Ebene zu verfolgen, statt solche Anäge zu schreiben, dann würden Sie sehen, wie erfolgich die Bundesregierung vorankommt. Das ist nicht infach. Aber mit einem klaren Kompass, einem klaren urs und einem klaren Bekenntnis zu Europa, und zwar inem stabilen Europa, kommt die Bundesregierung herorragend voran. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714629500

Kollege Dr. Wissing, gestatten Sie eine Zwischen-

age der Kollegin Lisa Paus?


(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Die hat doch gleich Redezeit! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt redet sie noch einmal! – Gegenruf der Abg. Nicolette Kressl [SPD]: Sehr demokratisch seid ihr! – Weiterer Gegenruf des Abg. Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Oh! Das um 21.36 Uhr, Frau Kressl!)



Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1714629600

Ja, gerne.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714629700

Bitte schön.


Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714629800

Herr Wissing, Sie haben gerade die Finanztrans-

ktionsteuer angesprochen. Da mir bisher nicht bekannt
t, welche Meinung Sie zu dem vorliegenden Entwurf
er Kommission zur Einführung der Finanztransaktion-
teuer haben, und mir bisher auch nicht bekannt ist, dass
ie sich aktiv dafür einsetzen, dass in Europa eine
inanztransaktionsteuer eingeführt wird, bitte ich Sie,
eine folgenden Fragen zu beantworten: Wie bewerten
ie den aktuell vorliegenden Entwurf? Welche Schritte
üssen Ihrer Meinung nach gegangen werden, damit wir
Europa tatsächlich die Finanztransaktionsteuer be-

ommen? Welchen Beitrag leistet die FDP-Fraktion
azu?


Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1714629900

Zunächst einmal wissen Sie genau, welche Haltung

ie FDP-Fraktion einnimmt. Denn CDU/CSU und FDP
aben im Deutschen Bundestag – ich gehe davon aus,
ass Sie die Themen verfolgen, die hier beraten werden –
inen gemeinsamen Antrag verabschiedet, in dem wir
indeutig sagen, dass wir die Einführung einer Finanz-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17467

Dr. Volker Wissing


(A) )


)(B)

transaktionsteuer auf der Ebene der EU 27 unterstützen.
Das ist die Haltung der FDP-Fraktion.

Jetzt gibt es Vorschläge, die beinhalten, eine solche
Steuer auch unterhalb der Ebene der EU 27 einzuführen.
Wir sind skeptisch, weil wir die Befürchtung haben,
dass, nachdem wir, die CDU/CSU und die FDP, im Ge-
gensatz zu Ihnen in Deutschland eine sehr starke Finanz-
marktregulierung betrieben haben – Sie haben die
Märkte dereguliert –, bei Einführung einer solchen
Steuer die Finanztransaktionen aus Deutschland in weni-
ger regulierte Märkten abwandern. Das kann nicht klug
sein; denn wir sehen voraus, dass wir dann die globalen
Finanzmarktrisiken schnell wieder im eigenen Land hät-
ten. Deswegen ist es wichtig, Frau Kollegin, dass Sie
nicht vorschnell die Einführung einer Finanztransaktion-
steuer nur in wenigen Ländern fordern, beispielsweise in
Deutschland und Frankreich, wie die Linke es tut, und
damit das Risiko eingehen, dass die Finanztransaktionen
vom dank CDU/CSU und FDP regulierten deutschen
Markt


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Ogottogott!)


in weniger regulierte Märkte abwandern.

Sie haben nun darauf gedrungen, dass im Finanzaus-
schuss eine weitere Sachverständigenanhörung zu die-
sem Thema stattfindet. Dort hat man wieder Bedenken
gegen diese Steuer geäußert, weil es administrative
Schwierigkeiten gibt, die Gefahr von Verlagerung be-
steht und viele andere Fragen offen sind.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Weil man was zahlen muss!)


Wenn diese Steuer nicht in allen Ländern eingeführt
wird und die Besteuerung nach dem Sitzlandprinzip er-
folgt, stellt sich beispielsweise die Frage, wie man dann
die Informationen von den Ländern bekommt, in denen
die Transaktionen stattfinden.

Sie machen sich leider nicht die Mühe, die Auswir-
kungen Ihrer Vorschläge auf die Bundesrepublik
Deutschland zu überdenken.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich frage Sie!)


Wir müssen aber verantwortlich handeln.


(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Nachdem uns die Finanzmärkte von Rot-Grün in desola-
tem Zustand hinterlassen worden sind – unter anderem
wegen der von Rot-Grün vorgenommenen Deregulie-
rung –,


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


können wir in Europa leider nicht so holzschnitzartig
Finanzmarktpolitik machen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Deshalb handeln wir genau so, wie wir handeln. Wir ma-
chen das strukturiert und lassen uns auf die komplexen
Dinge ein. Wir setzen nicht wie Sie einen Vorschlag

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(C (D ach dem anderen zu Steuererhöhungen in die Welt. eine seriösen Beiträge zur Haushaltskonsolidierung, ber Steuern erhöhen! (Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie sind doch auch für die Finanztransaktionsteuer! – Zurufe von der SPD)


Zu Ihrer Sondervermögensabgabe, liebe Kolleginnen
nd Kollegen von der Linken. Sie bringen in dieser
rise keinen vernünftigen Vorschlag, wie man auf der
usgabenseite sparen und den Haushalt konsolidieren
ann, aber gleichzeitig einen Vorschlag nach dem ande-
n zu neuen Staatsausgaben, die dann durch zusätzliche
teuereinnahmen finanziert werden sollen. Dazu kann
h nur feststellen: Bei einer Umsetzung Ihrer Vor-

chläge würde alles schlimmer, die Schuldenkrise würde
erschärft, die wirtschaftliche Situation von Unterneh-
en und Privaten in Deutschland würde sich verschlech-
rn und Arbeitsplätze würden gefährdet. Welchen Fort-

chritt das bringen soll, müssen Sie den Menschen in
eutschland und auch den Arbeitnehmerinnen und Ar-
eitnehmern, die Sie gewählt haben, erst noch erklären.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: 300 Milliarden Euro Schuldenzuwachs allein durch die Bankenrettung!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen endlich
uch damit aufhören, die Realität völlig auszuklammern;
as tut leider auch die SPD. Dabei wissen Sie, Herr Kol-
ge Zöllmer, doch, dass CDU/CSU und FDP in
eutschland die Avantgarde bei der Finanzmarktregulie-
ng in Europa darstellen. Wir haben die Dinge sehr

chnell aufgegriffen. Inzwischen folgt uns Europa, und
as ist gut. Wir werden jetzt die Vorschläge abwarten,
ie von der Kommission kommen, und diese dann natio-
al umsetzen.


(René Röspel [SPD]: Wenn Sie Ihre Rede vor einem Jahr gehört hätten! Er wird noch nicht einmal rot!)


enn Vorhaben, die die Kommission aufgegriffen hat
nd derzeit in eine Richtlinie umsetzt, dürfen wir – das
issen Sie ganz genau – national gar nicht mehr aufgrei-
n. Deshalb kommen Sie leider mit Ihrer Forderung, wir

ollten endlich die Finanzmärkte regulieren, zu spät. Wir
aben das schon getan. Das, was Sie sich jetzt an zusätz-
chen Dingen noch haben einfallen lassen, haben wir
chon auf europäischer Ebene vorangetrieben. Wir müs-
en jetzt warten, bis die Richtlinie kommt. Dann werden
ir sie umsetzen.

Wir regulieren die Finanzmärkte in Deutschland. Ihre
interlassenschaften haben wir, soweit es ging, bereits
eseitigt. Wir werden weiter regulieren, nicht nur im
ationalen Alleingang, sondern auch mit unseren euro-
äischen Partnern. Wir haben für Stabilität gesorgt.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Ach ja, das ist Stabilität?)


as, was Sie verursacht haben, wird sich nicht wieder-
olen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


17468 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011


(A) )


)(B)


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714630000

Vielen Dank, Kollege Dr. Volker Wissing. – Nächste

Rednerin in unserer Debatte ist für die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen unsere Kollegin Lisa Paus. Bitte
schön, Frau Kollegin.


Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714630100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr

Wissing, Sie sagten gerade: „Wir haben für Stabilität ge-
sorgt.“ Das kann ich heute, am 1. Dezember 2011, in der
Form nun wirklich nicht feststellen. Im Gegenteil, wir
befinden uns heute wieder in einer sehr zugespitzten
Lage. Wir mussten gestern alle miteinander wahrneh-
men, dass es zur Stabilisierung der internationalen
Finanzmärkte wieder einmal notwendig war, dass die
Zentralbanken eine konzertierte Aktion durchführten.


(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Ja, weil Sie den Stabilitätspakt gebrochen haben! Das ist doch die Basis für alles!)


Offenbar ist es so, dass der Interbankenmarkt schon wie-
der fast vollständig ausgetrocknet ist. Bei der Europäi-
schen Zentralbank werden zurzeit wöchentlich 270 Mil-
liarden Euro geparkt. In normalen Zeiten sind es
10 Milliarden Euro.


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Jetzt kommt die grüne Alternative dazu!)


Heute findet parallel zu der Sitzung hier eine Grund-
satzrede des französischen Präsidenten zur Schulden-
krise statt. Wir stehen am Vorabend einer Regierungser-
klärung der Bundeskanzlerin Angela Merkel – wieder
einmal im Zusammenhang mit einer Zuspitzung der
Krise, wieder einmal in Vorbereitung des nächsten Kri-
sengipfels. Man fragt sich, der wievielte es eigentlich ist.

Wir haben hier eine Debatte, sozusagen einen Schlag-
abtausch, erlebt, der sich im üblichen Rahmen bewegt
hat. Damit will ich mich jetzt nicht mehr aufhalten, zu-
mal ich dazu gar nicht die Zeit habe. Außerdem besteht
morgen früh noch einmal Gelegenheit dazu, die gegen-
sätzlichen Positionen in allen Details auszubreiten. Des-
halb von meiner Seite zu Ihrem Antrag nur so viel: Darin
ist nicht alles falsch, aber, liebe Linksfraktion, wer die
Euro-Krise bekämpfen will, ohne einen einzigen Satz
bzw. einen einzigen Vorschlag zur Senkung der Staats-
verschuldung zu machen, der wird nicht erfolgreich sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ohne Senkung der Staatsverschuldung wird es wohl
nicht gehen, liebe Linkspartei.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das sehen wir anders!)


Das haben wir jetzt noch einmal bestätigt bekommen.
Das ist aber wirklich jenseits der Debatte. Man muss
schon sparen und investieren. An einer Senkung der
Staatsverschuldung kommen wir nicht vorbei.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Kann ich Ihnen auch wissenschaftlich erklären!)


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(C (D Ich möchte trotzdem am Ende dieser Debatte versuhen, zumindest potenzielle Gemeinsamkeiten zu finen. Davon gibt es nicht viele. Schon bei der Überschrift es Antrages könnte man mit der Suche anfangen. rundsätzlich sehe ich zwei Gemeinsamkeiten: Es ist erstens richtig, eine deutsch-französische Initiave zu fordern – ich sage das trotz unserer Kritik an viem, was wir von „Merkozy“ erleben mussten –, da die es Europa nur gerettet werden kann, wenn Frankreich nd Deutschland es gemeinsam vorantreiben; das sollte diesem Hause eigentlich unstrittig sein. Ich verstehe vor diesem Hintergrund nicht, wie Herr auder auf einem CDU-Parteitag sagen kann: Europa pricht ab heute Deutsch. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Dann müssen Sie den zweiten Halbsatz auch sagen! – KlausPeter Flosbach [CDU/CSU]: Also, zweiter Halbsatz!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


eutschland und Frankreich sollten vielmehr an einem
trang ziehen. Dann kommt es zumindest zu Deutsch-
ranzösisch und nicht zu Deutsch allein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Eine zweite Forderung, bei der wir eigentlich an ei-
em Strang ziehen sollten, ist tatsächlich die nach Ein-
hrung einer Finanztransaktionsteuer. Auf diesem Ge-

iet ist lange wenig passiert.


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Noch nie so viel wie mit Wolfgang Schäuble als Finanzminister!)


arüber hat es auch in Frankreich eine durchaus kontro-
erse Diskussion gegeben. Wir von der Opposition hat-
n jedenfalls den Eindruck, dass es im Sommer zu ei-
em Durchbruch gekommen ist. Wir Grüne haben auch
ehr positiv zur Kenntnis genommen, wie die CDU/
SU-Fraktion agiert hat, als Herr Semeta im Finanzaus-

chuss gewesen ist. Wir dachten: Es geht jetzt voran;
tzt gibt es einen konkreten Vorschlag der EU-Kommis-

ion. – Dieses Vorgehen wurde grundsätzlich begrüßt,
nd zwar nicht nur auf Regierungsebene. Erstmals hat
ieses Haus die Bundesregierung nämlich aufgefordert,
iesen Vorschlag aktiv zu unterstützen und dafür zu sor-
en, dass er nicht wieder im Sande verläuft, sondern um-
esetzt wird.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714630200

Frau Kollegin Lisa Paus, der Kollege Dr. Wissing

öchte Ihre Redezeit verlängern. Gestatten Sie eine
wischenfrage?


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Die haben sich vorher abgesprochen!)



Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714630300

Ja, das ist nett.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17469


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)(B)


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714630400

Bitte schön, Herr Dr. Wissing.


Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1714630500

Frau Kollegin Paus, wenn die Öffentlichkeit Ihnen

zuhört, stellt sie sich die Frage, weshalb es zu den Zei-
ten, als die Grünen zusammen mit den Sozialdemokraten
in Deutschland regiert haben, weder einen Vorstoß gab,
die Finanztransaktionsteuer auf nationaler Ebene einzu-
führen, noch einen Vorstoß der rot-grünen Bundesregie-
rung, die EU-Kommission zu veranlassen, Vorschläge
für eine solche Steuer zu machen. Würden Sie der Öf-
fentlichkeit bitte erklären, was die Gründe dafür sind?


Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714630600

Ein Grund war sicherlich, dass wir damals noch nicht

die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/2009 hatten.
Ich kann Sie aber beruhigen: Meine Fraktion, die Frak-
tion der Grünen, hat sich schon damals dafür eingesetzt,
dass die Finanztransaktionsteuer eingeführt wird, und sie
hat diese Forderung auch entsprechend in der Koalition
eingebracht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir dachten jedenfalls, das Ganze sei auf gutem Weg,
und deswegen hatten wir gewisse Hoffnungen an diese
Anhörung gestern geknüpft. Aber wir wurden wirklich
enttäuscht. Das war eine volle Rolle rückwärts der Koali-
tion, und das ist grob fahrlässig. Die Koalition hat nicht
nur fast ausschließlich Gegner der Finanztransaktion-
steuer eingeladen, sondern auch nur diese befragt,


(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Sie haben nur Befürworter eingeladen! Wir haben uns kritisch damit auseinandergesetzt!)


und das in einer Art und Weise – Herr Präsident, ich
komme zum Schluss –, dass ein negativer Standard ge-
setzt wurde.

Die erste Frage von Herrn Flosbach ging an einen
Vertreter der Kreditwirtschaft und lautete: Wie bewerten
Sie den Kommissionsvorschlag? Direkt die Frösche ge-
fragt


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Eine halbe Stunde gefragt!)


und gleich die entsprechende Antwort bekommen: Es
gibt eine Vielzahl von Problemen; das geht gar nicht. –
Aha, was für eine Überraschung!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714630700

Frau Paus, Sie haben mir gerade etwas versprochen;

vielleicht erinnern Sie sich.


Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714630800

Ja. – Mein vorletzter Satz. Die FDP machte in glei-

cher Manier weiter. Sie fragte Professor Kaserer: Ist der
Finanzsektor unterbesteuert? Antwort: Nein. – In dieser
Art und Weise fand die ganze Anhörung statt. Das gibt

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(C (D s eigentlich gar nicht. Das war echte Arbeitsverweigeng. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Nur weil es einem nicht passt, was geantwortet wird! So geht es auch nicht!)


Deswegen fordere ich Sie hier und jetzt noch einmal
uf: Ändern Sie Ihren Kurs! Das, was Sie machen, gibt
ieser Regierung keine Rückendeckung, sondern be-
irkt das Gegenteil. Machen Sie endlich voran! Arbei-
n Sie konkret an der Umsetzung der Finanztransaktion-

teuer!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714630900

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Drucksache
uf Vorlage 17/7884 an die in der Tagesordnung aufge-
hrten Ausschüsse vorgeschlagen. – Widerspruch er-

ebt sich nicht. Sie sind also damit einverstanden. Dann
t dies so beschlossen.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Errichtung einer Visa-Warndatei und zur
Änderung des Aufenthaltsgesetzes

– Drucksache 17/6643 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4. Ausschuss)


– Drucksache 17/7994 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Reinhard Grindel
Michael Hartmann (Wackernheim)

Hartfrid Wolff (Rems-Murr)

Ulla Jelpke
Josef Philip Winkler

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu
iesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu nehmen1). –
ie sind damit einverstanden. Die Namen der entspre-
henden Kolleginnen und Kollegen liegen hier im Präsi-
ium vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschuss
mpfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
he 17/7994, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
uf Drucksache 17/6643 in der Ausschussfassung anzu-
ehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
er Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand-
eichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer
timmt dagegen? – Das sind die Oppositionsfraktionen.
nthaltungen? – Keine. Der Gesetzentwurf ist damit in
weiter Beratung angenommen.

Anlage 6

17470 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Vizepräsident Eduard Oswald


(A) )


)(B)

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Das
sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? –
Das sind die Oppositionsfraktionen. Enthaltungen? –
Keine. Der Gesetzentwurf ist angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-
Uhl, Hans-Josef Fell, Krista Sager, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

Moratorium jetzt – Dringliche Klärung von
Fragen zu Mehrkosten des ITER-Projekts

– Drucksachen 17/6321, 17/7934 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Stefan Kaufmann
René Röspel
Dr. Martin Neumann (Lausitz)

Dr. Petra Sitte
Sylvia Kotting-Uhl

Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolle-
ginnen und Kollegen liegen dem Präsidium vor.


Dr. Stefan Kaufmann (CDU):
Rede ID: ID1714631000

Der vorliegende Antrag ist ein neuerliches Beispiel

für die destruktive Haltung der Grünen. Alles muss erst-
mal gestoppt, verhindert oder beendet werden. Dieses
Vorgehen der Grünen ist bundesweit bekannt. Und auch
heute werden wir uns wieder damit beschäftigen müs-
sen. Ich empfehle Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen
von den Grünen, sich einmal sachlich mit dem Thema
auseinanderzusetzen und eine konstruktiv-kritische Hal-
tung einzunehmen. Dem wird Ihr Antrag nicht gerecht.
Aus folgenden Gründen:

Erstens: Sie fragen in Ihrem Antrag nach den Zeitver-
zögerungen durch Lieferschwierigkeiten in Japan. Die
Antwort: Inzwischen konnte eine Teillieferung der japa-
nischen Komponenten durch Südkorea übernommen
werden. Dies begrenzt die Verzögerung auf ein Jahr. So-
mit wird die Fertigstellung nicht 2019, sondern 2020 er-
folgen. Deshalb das ganze Projekt abzulehnen, ist ab-
surd.

Zweitens: Sie verlangen in Ihrem Antrag Verbesse-
rungen bei den Managementstrukturen der europäi-
schen Agentur Fusion for Energy und eine transparente
Ausschreibungs- und Vergabepraxis. Zu Recht verlan-
gen Sie dies. Die Bundesregierung hat hier den richtigen
Ansatz gewählt und auf Verbesserungen gedrungen.
Mittlerweile wurden, wie Sie in Ihrem Antrag korrekt
schreiben, das Management ausgetauscht und Kontroll-
und Überprüfungsmechanismen installiert. Außerdem
wurde ein Projektbegleiter etabliert, der die Auftrags-
vergabe kontrolliert und auch das Controlling verbes-

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(C (D ert. Insgesamt wurden die Gremien personell erheblich mbesetzt. Die Forderungen der Bundesregierung sind abei weitestgehend umgesetzt worden. Daran müssen ir weiter arbeiten. Ihre pauschale Abschaffungsund erhinderungsstrategie ist dabei wenig hilfreich. Drittens: die Auftragsvergabe. Zu Recht beschweren ie sich in der Begründung Ihres Antrages darüber, dass eutsche Unternehmen bisher nur Aufträge im Wert von 8 Millionen Euro erhalten haben. Auch das ist jedoch ein Grund, das ganze Projekt beenden zu wollen. Im egenteil: Wir müssen uns für mehr Transparenz bei der uftragsvergabe einsetzen und deutsche Unternehmen ur Beteiligung an Ausschreibungen auffordern. Mittlereile gibt es bereits positive Meldungen. So konnten eutsche Unternehmen auch bei Ausschreibungen der ternationalen Vertragspartner, also unabhängig von usion for Energy, erfolgreich Aufträge akquirieren. Viertens: die Kosten. Es ist richtig, die Kosten sind estiegen. Aber: Durch ein Moratorium, wie von Ihnen efordert, würden die Kosten noch weiter steigen. Ein rojekt zu verzögern, spart nie Geld, im Gegenteil: Es ird nur immer teurer. Außerdem müssen wir auch der ealität Rechnung tragen. Natürlich war es sinnvoll, en europäischen Beitrag nicht zuletzt auf Intervention er Bundesregierung auf 6,6 Milliarden Euro zu dekeln. Aber es handelt sich hier schließlich um Spitzenchnologie mit höchsten Qualitätsansprüchen. Was ützt es, wenn wir die Kosten reduziert haben, der Reakr am Ende aber nicht funktioniert? Zur seriösen Debatte um die Kosten gehören selbstvertändlich auch die richtigen Zahlen. Natürlich will ich Ihen nicht unterstellen, dass Sie die Kosten aufbauschen. ber bei dem Finanzierungsvorschlag der Kommission, en Sie in Ihrem Antrag erwähnen, geht es nicht darum, 60 Milliarden Euro aus dem 7. Forschungsrahmenproramm zu nehmen; es geht nur um 460 Millionen. Der nterschied zwischen Milliarden und Millionen sollte Ihen schon bekannt sein. Nur dann kann man sich auch ritisch zu den Kosten äußern. Fünftens: Sie versuchen in der Begründung Ihres Anags, die Kernfusion mit der Kernspaltung gleichzuset en und sprechen auch von einer Endlagerproblematik. uch hier sollten Sie den Unterschied kennen: Kernpaltung und Kernfusion sind zwei völlig unterschiedlihe Technologien bzw. Verfahren. Eine Endlagerprobleatik gibt es bei der Kernfusion nicht. Sechstens: Durch die Entwicklung der Kernfusinstechnologie entstehen Innovationen und Entwicklunen, die ohne diese Forschung kaum zustande gekommen ären. Zahlreiche technologische Nebenprodukte und pin-off-fähige Entwicklungen sind durch die Kernfusion ntstanden. Dazu zählen Entwicklungen im Bereich der upraleiter, der Prallplatten, der Materialforschung, der abrikationsprozesse, der Halbleitertechnologie, der Geundheitsforschung, der Mikrowellentechnologie, der agnettechnologie, der Hochleistungsbremsen, der Luft nd Raumfahrt und vieles mehr. Siebtens: Es handelt sich hier um ein großes internaonales Forschungsprojekt. Beteiligt sind außer der Eu )


(A) )

ropäischen Union auch China, Indien, Japan, Südkorea,
Russland und die USA. Ein Projekt von dieser Größe
und Bedeutung erfordert internationale Zusammenar-
beit. Deshalb ist Verlässlichkeit gegenüber den interna-
tionalen Partnern wichtig.

Im Übrigen wurde der ITER-Vertrag in der rot-grü-
nen Regierungszeit ausgehandelt. Die Grünen hätten
damals die Chance zum Ausstieg gehabt. Zumindest
aber hätten Sie verhindern können, dass der Vertrag gar
keine Ausstiegsmöglichkeiten für Euratom vorsieht.
Stattdessen haben Sie diesem Vertrag zugestimmt. Und
heute wollen Sie davon nichts mehr wissen. So geht es
nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen!

Die wesentlichen im Antrag aufgeworfenen Fragen
sind damit beantwortet. Aus diesem Grund können wir
den Antrag der Grünen gut begründet ablehnen. Die
Strategie der Bundesregierung, die Defizite konstruktiv
zu beseitigen, ist allemal erfolgversprechender als die
Strategie der Grünen, gleich alles hinzuschmeißen. Da-
rüber hinaus möchte ich der Grünen-Fraktion etwas
mehr Technologiebegeisterung nahelegen. Niemand
verlangt von den Grünen, dass sie technikverliebte Pira-
ten werden, aber ein bisschen mehr Offenheit könnte
nicht schaden.

Bei der Kernfusionsforschung handelt es sich um
bahnbrechende Grundlagenforschung. Ich empfehle Ih-
nen daher eine Besichtigung des Versuchsreaktors Wen-
delstein 7-X in Greifswald. Es ist einfach faszinierend,
wie deutsche Forscher hier einen Fusionsreaktor nach
dem Stellarator-Prinzip aufbauen und bei jedem einzel-
nen Schritt auf keinerlei Erfahrung zurückgreifen kön-
nen, weil es noch nie vorher ausprobiert wurde oder
überhaupt möglich war, so etwas aufzubauen. Die fort-
schrittlichste Technologie der Welt verbunden mit
höchster Präzision und begleitet von den besten Wissen-
schaftlern der Welt: Das ist ein faszinierendes Beispiel
für bahnbrechende Forschung. Besuchen Sie Greifs-
wald! Ich kann es Ihnen nur empfehlen. Wir von der
CDU/CSU-Fraktion sind davon überzeugt, dass die Fu-
sionstechnologie viele Zukunftschancen bietet. Lassen
Sie uns deshalb das ITER-Projekt weiterhin konstruktiv,
aber kritisch begleiten!


Florian Hahn (CSU):
Rede ID: ID1714631100

In meinem Wahlkreis in Garching befindet sich seit

1971 die größte Forschungsanlage für Kernfusion in
Europa, das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik,
auch IPP genannt.

Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik ist nicht
nur das größte Forschungsinstitut auf diesem Gebiet, es
bearbeitet im Bereich der deutschen Fusionsforschung
gemeinsam mit den Instituten in Karlsruhe und dem
Forschungszentrum Jülich alle relevanten Fragestellun-
gen, die auf dem Weg zu einem Fusionsreaktor zu lösen
sind.

Alle dort erzielten Ergebnisse fließen in die Planung
des internationalen Testreaktors ITER mit ein. Das IPP
verfügt hier also über ungeheures Wissenspotenial, das
es zu nutzen und zu fördern gilt.

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Zu Protokoll ge

(C (D In Garching arbeiten derzeit 650 hochqualifizierte issenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Auf abe, physikalische Grundlagen zu entwickeln, um nergie aus der Verschmelzung von Atomkernen zu geinnen. Nach dem Vorbild der Sonne wird hier versucht, eine ernfusion von schweren und überschweren Wasser toffkernen zu bewirken. Dabei könnte sehr viel Energie ewonnen werden. Der Vorteil dabei ist, dass die benögte Brennstoffmenge viel geringer ausfallen würde als ei der Kernspaltung. So wäre eine schnelle Abschalng des Reaktors, ohne Kettenreaktion oder ähnlichen eistungsanstieg wie bei der Kernfusion, die zum Durchgehen“ des Kraftwerks führen könnte, gewähristet. Übrig bliebe bei einer Abschaltung das Edelgas elium zurück, das nicht radioaktiv ist und für indusielle Zwecke genutzt werden kann. Die Forschungsanlage in Garching ist für das ITERrojekt Vorreiter. Es hat das „ITER Design“, das heißt –, ie Form und die Magnetfelder des Versuchsreaktors ntwickelt. Das Forschungskraftwerk ITER soll in Zukunft zeien, dass ein Energie lieferndes Fusionsfeuer möglich t und somit die Kernfusion kommerziell nutzbar geacht werden kann. Gelänge dies, könnten wir damit für ie Zukunft auf eine sichere, umweltfreundliche und unrschöpfliche Energiequelle zurückgreifen. Vorteil dabei wäre, dass bei der Kernfusion kein umeltschädliches CO2 und kein radioaktiver Müll entsteen würden. Damit wäre also in der Konsequenz auch as leidige Problem der Endlagerung gelöst. Ein weiter Vorteil: Solche Anlagen nehmen wesentlich weniger latz in Anspruch als Solaroder Windkraftanlagen und ären viel effizienter als alle derzeitigen Szenarien. Fakt ist auch, dass die Fusion das Speicherproblem sen könnte, für das bis heute immer noch keine konruktive Lösung gefunden wurde. Zudem würden Fusionsraftwerke in die vorhandene Struktur der Stromerzeuung passen. Wir haben die Energiewende eingeläutet, nd damit sollten wir auch konsequent und verantworngsvoll in alle Richtungen forschen. Ideologische Scheuklappen, wie sie vorzugsweise die olleginnen und Kollegen der grünen Opposition traen, sind hier fehl am Platz. Die Kernfusion kann hier ls sichere und saubere Alternative dienen. Die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht. Die asiatichen Länder sind auf diesem Gebiet auf dem Vorarsch. In den letzten Jahren wurden neue Fusionsexpe imente in China, Korea, Indien und Japan gebaut. Als ER-Partner haben diese Länder Zugang zu allen echnologien, die beim ITER-Aufbau benötigt und entickelt werden. China beispielsweise plant, bereits im ahr 2016 mit dem Bau eines Fusionskraftwerks zu beinnen. Es soll 2025 in Betrieb gehen und auch die Fianzierung scheint bereits gesichert. Hier dürfen eutschland und Europa auf keinen Fall den technoloischen Anschluss verlieren. Denn Energieforschung ist eitaus mehr als ein Instrument nationaler Politik. Hier ilt es, die europäischen Anstrengungen zu bündeln. Ich Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17471 Dr. Stefan Kaufmann gebene Reden )


(A) )

bin zutiefst davon überzeugt, dass mit der Fusionstech-
nik ein Quantensprung im neuen Energiezeitalter begin-
nen wird.

Kernargument im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen
für ein Moratorium ist die Finanzierung des Projektes.
Die ITER-Finanzierung teilen sich EU, USA, Japan,
Russland, China, Indien und Südkorea. Sie wissen doch,
Forschungsprogramme kosten immer erst einmal Geld,
viel Geld. Das ist überall so. Die Bundesregierung ist
dennoch darauf bedacht, dass die Kosten auf europäi-
scher Ebene nicht aus dem Ruder laufen. Deshalb wur-
den auch die Kosten entsprechend auf 6,6 Milliarden
Euro gedeckelt.

Die Fusionsforschungsarbeiten in Deutschland und
Europa und das Internationale Fusionsexperiment ITER
stehen für eine funktionierende internationale Zusam-
menarbeit in der Energieforschung. Das wollen und
können wir nicht durch ein Moratorium, wie im Antrag
der Grünen gefordert ist, aufs Spiel setzen: erstens weil
wir nicht alleine sind und weil es sich hier um eine inter-
nationale Kooperation handelt, in der wir als zuverläs-
siger Partner nicht wegfallen dürfen. Zum Zweiten ist
Deutschland auch nur mittelbar an dem Projekt betei-
ligt, denn Euratom ist der eigentliche Vertragspartner.
Drittens wären Moratoriumskosten oder gar Ausstiegs-
kosten immens hoch, ohne dass etwas erreicht würde.
Deutschland hätte sich hier einmal wieder ins finan-
zielle und technologische Abseits katapultiert, seinen
technologischen Vorsprung verspielt und wichtige
Standorte verloren. Dies wird es mit uns allerdings nicht
geben. Deutschland muss ein wettbewerbsfähiger Indus-
triestandort bleiben!


René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1714631200

Die Debatte um ITER hat sich im Deutschen Bundes-

tag, wie es die Kollegin Petra Sitte einmal ausdrückte,
zu einem wahren „Dauerbrenner“ etabliert. In regel-
mäßigen Abständen diskutieren wir in diesem Hause die
Themen Fusionsforschung, ITER und seit kurzem auch
vermehrt Euratom.

Bei ITER handelt es sich um ein gemeinsames Projekt
von EU, Japan, Russland, USA, China, Indien und Süd-
korea zum Bau und Unterhalt eines Fusionsforschungs-
reaktors. In diesem Reaktor sollen die Mechanismen, die
die Sonne aus menschlicher Sicht zu einer unerschöpf-
lichen Energiequelle machen, mit einem Fusionsreaktor
auf die Erde geholt werden. Nach aktuellem Stand wer-
den die Baukosten für ITER auf über 15 Milliarden Euro
geschätzt, was eine Verdreifachung der ursprünglichen
Kosten bedeutet. Ein Teil der Mehrkosten ist durch Infla-
tion und steigende Rohstoffpreise bedingt. Weitere
Gründe für die Kostensteigerungen sind neue Erkennt-
nisse, insbesondere zur Steigerung der Sicherheit des
ITER sowie offenbar Missmanagement. Für die EU be-
deutet dies einen Kostenanstieg auf circa 7,2 Milliarden
Euro, im Vergleich zu den 2,7 Milliarden Euro, die bei
Vertragsunterzeichnung vereinbart waren; ein Betrag,
der auf 6,6 Milliarden Euro gedeckelt werden soll.

Heute diskutieren wir den hier vorliegenden Antrag
der Grünen bereits zum zweiten Mal. Seit der ersten

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Zu Protokoll ge

(C (D esung im Juni hat sich leider an der finanziellen Prolematik bei ITER wenig geändert. Die bisherigen Trefn zwischen den Vertretern des Rates und des Europäi chen Parlaments sind ohne Erfolg verlaufen. Der aktuell von der Europäischen Kommission vorgechlagene Finanzkompromiss für die Jahre 2011 bis 013 ist bisher noch strittig. Das Europäische Parlaent vertritt die Position, dass der europäische For chungshaushalt ER belastet werden darf. Diese Meinung teilen wir als PD-Bundestagsfraktion. Neben dem Europäischen arlament haben aber auch im Europäischen Rat mehre Länder ihren Unmut über den Vorschlag geäußert. m heutigen 1. Dezember tagt der sogenannte Trilog ereut zu dem Kompromiss. Ergebnisse sind mir bisher och nicht bekannt. Es bleibt also weiterhin unklar, wie ie fehlende Summe von 1,2 Milliarden Euro für die ächsten Jahre gegenfinanziert werden soll. Wir haben diese Problematik im Ausschuss für Bilung, Forschung und Technikfolgenabschätzung immer ieder gemeinsam diskutiert. Wichtig war für uns ozialdemokraten dabei die klare Aussage der Bundesgierung, dass die Obergrenze der Gesamtkosten von ,6 Milliarden Euro nicht überschritten werden darf. ir erwarten von der Bundesregierung, dass sie in die er Frage nicht einknickt. Weniger vehement verteidigt diese Regierung aber as 7. Forschungsrahmenprogramm, FRP. Nach einem instimmigen Ratsbeschluss können bis zu 660 Millioen Euro durch Umschichtung innerhalb der Rubrik 1 a, us der das Forschungsrahmenprogramm finanziert ird, für ITER eingesetzt werden. In unserem Antrag Für eine Stärkung der breit aufgestellten europäischen rundlagenforschung – Keine finanziellen Einschnitte eim Europäischen Forschungsrat zugunsten des Einelprojekts ITER“ haben wir dafür eine rote Linie gezoen. Nicht gespart werden darf aus unserer Sicht zum eispiel beim Europäischen Forschungsrat oder bei rogrammen für erneuerbare Energien. Welche Projekte ingegen für diese Regierung unantastbar sind, darüber chweigt sie sich bisher leider aus. Die finanzielle Problemlage wird in dem uns vorlieenden Antrag der Grünen ausführlich dargestellt. Dieen Teil der Analyse teilen wir Sozialdemokraten ausrücklich. In meiner Rede vom 30. Juni bin ich auf iesen Teil des Antrages bereits intensiv eingegangen. ber wie in meiner Rede ebenfalls dargestellt, sehen wir ozialdemokraten das Mittel des Moratoriums in diesem all als ein untaugliches Instrument. Denn eine akute efahr für Leib und Leben besteht, anders als beim tommoratorium, bei ITER nicht. Außerdem weiß jeder äuslebauer, dass mit einer Bauunterbrechung leider ein Kostenstopp einhergeht. Verträge müssen vielmehr ingehalten und Gehälter weiter gezahlt werden. Liebe olleginnen und Kollegen der Grünen, aufgrund von ostenexplosionen ein Instrument vorzuschlagen, das eitere Kosten verursacht, macht keinen Sinn. Ein oratorium ist für ITER deshalb das falsche Mittel. ber die gewünschte Diskussion haben Sie ja trotzdem rreicht. 17472 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Florian Hahn gebene Reden )


(A) )

Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch ein
anderes Thema ansprechen. Denn bei den Debatten um
die Fusionsforschung kommen immer wieder Behauptun-
gen und Vergleiche auf, die ich so allerdings auch nicht
stehen lassen möchte. Bei aller gerechtfertigten Kritik an
dem Bau von ITER: Man darf Kernspaltung – gemeinhin
Atomkraft genannt – und Kernfusion nicht in denselben
Topf werfen. Zum Beispiel wäre eine Katastrophe wie in
Fukushima oder Tschernobyl – nach heutigem Wissens-
stand – bei einem Fusionsreaktor nicht möglich. Zur
Fusion benötigt man eine konstant enorm hohe Energie-
zugabe. Diesen Energiefluss lang genug zu halten ist
bisher das technische Problem. Fällt diese Energie-
zuführung weg, zum Beispiel bei einem Unfall, bricht
auch die Fusion ab. Denn anders als bei der Atomkraft
ist bei der Fusionstechnologie eine unkontrollierte Ket-
tenreaktion unmöglich.

Ich sehe deshalb nicht die von Ihnen, liebe Kollegin-
nen und Kollegen der Grünen, beschriebene gesell-
schaftliche Ablehnung – analog zur Atomkraft – bei der
Fusionstechnologie. Wenn man mal nachfragt, wissen
die meisten Menschen noch gar nicht, was sich genau
hinter der Fusionstechnologie verbirgt. Das sollte sich
ändern. Abgelehnt wird das ITER-Projekt bisher vor-
wiegend aufgrund finanzieller Erwägungen. Dies im-
pliziert aber nicht eine grundlegende Ablehnung der
Fusionstechnik.

Als SPD-Bundestagsfraktion sehen wir die Fusions-
forschung als ein spannendes Feld der Grundlagenfor-
schung. Für die notwendige Energiewende wird diese
Technik aber definitiv zu spät kommen. Deshalb treten
wir für eine Deckelung der Kosten und einen Ausbau der
erneuerbaren Energien ein.


Dr. Peter Röhlinger (FDP):
Rede ID: ID1714631300

Alle Jahre wieder beschäftigen wir uns mit dem

Wunsch der Grünen, aus dem ITER-Projekt auszustei-
gen. Im April 2010 haben sie beantragt, den ITER-Ver-
trag zu kündigen. Das hat die Mehrheit des Deutschen
Bundestages vor der Sommerpause 2010 abgelehnt. Im
Juni 2011 haben sie ein ITER-Moratorium gefordert, mit
diesem Antrag beschäftigen wir uns heute nochmals ab-
schließend. Mit einer weiteren Variante im kommenden
Jahr rechnen wir bereits fest. Die Grünen sprechen in
ihren Anträgen aktuelle und wichtige Fragen an, zum
Beispiel die erheblichen Mehrkosten oder die Folgen
der japanischen Erdbebenkatastrophe in Fukushima. Im
Grunde geht es aber immer um ihre grundsätzliche Ab-
lehnung des ganzen Projektes und der Kernfusionsfor-
schung überhaupt. Es ist ihr gutes Recht, dagegen zu
sein. Probleme lassen sich mit dieser Haltung aber eher
nicht lösen.

Die Energieversorgung ist ein drängendes Problem.
Sie ist die Grundlage für die Erhaltung des Lebensstan-
dards, den wir uns in Deutschland erarbeitet haben. Das
Thema Energieversorgung beschäftigt uns seit Jahr-
zehnten, und es ist kein Ende absehbar. Viele Möglich-
keiten wurden erwogen, manche Wege ausprobiert, und
immer wieder zeigt die Erfahrung: Jede Technologie
birgt Chancen und Risiken, jeder Fortschritt zeitigt auch

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Zu Protokoll ge

(C (D nvorhergesehene Folgen, Vorund Nachteile sind die wei Seiten einer Medaille. Es ist so banal, wie es lingt – das gilt auch für ITER. In ihren Anträgen weisen die Grünen auf Fehlenticklungen und Risiken hin. Dass wir darüber debattien, ist richtig und wichtig. Wenn die Kosten explodien, wenn der Zeitplan nicht eingehalten wird, wenn eue technologische oder sicherheitsrelevante Probleme uftreten, müssen wir darauf reagieren, das ist überaupt keine Frage. Das Wichtigste ist aber die Frage nach dem Ziel, enn es geht ja um die Sicherung der Energieversorgung der Zukunft. Die Gretchenfrage lautet deshalb: Kann er Kernfusionsreaktor ITER ein Beitrag zur Sicherung er zukünftigen Energieversorgung sein oder kann er as nicht? Die Grünen verneinen diese Frage und lehen deshalb das ITER-Projekt ab. Wir Liberale halten die Nutzung der Kernfusion zur tromerzeugung im industriellen Maßstab nach wie vor r eine faszinierende und vor allem für eine realisier are Möglichkeit. Nach unserer Überzeugung lohnt es ich, hier weiter zu forschen. Wir gehen davon aus, dass ie Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nacharn sowie mit den USA, mit Russland, Japan, China, dien und Südkorea die beste Gewähr für einen Erfolg ieses Projektes bietet. Wir weisen außerdem darauf hin, ass deutsche Forschungsinstitute an ITER stark beteigt sind, zum Beispiel das Institut für Plasmaphysik in arching, die Max-Planck-Gesellschaft und die Helmoltz-Forschungszentren Karlsruhe und Jülich. Forchungsund Entwicklungsaufträge für die deutsche Inustrie und die deutsche Fusionsforschung sind ein spekt, der auch zu bedenken ist. Die Probleme mit der Finanzierung sind allerdings ravierend. Für die Mehrkosten in den nächsten zwei ahren wird derzeit auf europäischer Ebene eine Lösung usgehandelt, sie werden aber auf jeden Fall aus dem U-Haushalt bestritten. Die Verbesserung von Kontrollechanismen und Managementstrukturen ist auf gutem eg. Ob nach der Katastrophe in Fukushima auch am anzösischen Standort Cadarache Sicherheitskonzepte ngepasst werden müssen, wird von Experten geprüft. Man sieht, die Probleme, die die Grünen in ihrem Anag formulieren, sind bekannt und werden bearbeitet. ir Liberalen plädieren dafür, die Kernfusionsfor chung weiter voranzutreiben und wir setzen uns dafür in, dieses wichtige Projekt zum Erfolg zu bringen. Den orliegenden Antrag lehnen wir daher ab. Die Debatten zum geplanten Fusionsreaktor ITER ommen einem vor wie „Die unendliche Geschichte“. nd wer dieses berühmte Jugendbuch gelesen hat, der eiß, dass die Handlung größtenteils in einer nichtrealen elt namens Fantasien spielt. In einer ähnlichen Welt cheinen die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen zu ben, die immer wieder die heile und vollkommene Welt er Fusionsenergie preisen, so etwa der Kollege r. Murmann in der ersten Debatte zum vorliegenden AnDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17473 René Röspel gebene Reden )

Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714631400

(A) )

trag: „Wenn diese Technik Marktreife erlangt, ist die
Kernfusion eine sichere, saubere, nahezu unerschöpfliche
und nachhaltige Energiequelle, die zudem noch grund-
lastfähig ist.“ Dieser Glaubensgrundsatz gilt bereits seit
den 60er-Jahren, und immer dauert es nur noch 30 bis 40
Jahre bis zur Marktreife der Technologie. Wenn das Wört-
chen „wenn“ nicht wär!

Aber die Frage ist doch nicht, ob wir das Wünschens-
werte ersehnen, sondern ob wir das Notwendige tun,
wenn man sich die äußerst komplizierten Verhandlungen
der Weltklimakonferenz in Durban ansieht, wenn man
sich ansieht, dass wir mit unserer Art der automobildo-
minierten Mobilität zwei Drittel des geförderten Erdöls
einfach verbrennen, dass der Klimawandel zuerst in den
ärmsten Länder der Erde massive Schäden verursacht –
etwa in Bangladesch, Myanmar und Honduras.

Wenn man sich also ansieht, dass die industrialisierte
Welt trotz aller guten Absichtsbekundungen keine wirk-
same Antwort auf das Klimaproblem gefunden hat, dann
muss man ein unsicheres Projekt wie ITER zugunsten
des Notwendigen auf den Prüfstand stellen dürfen.

Nun steht nicht nur die praktische Seite des Projekts
vor immer neuen Hürden, sondern auch die finanzielle.
Vergangene Woche konnten sich Rat und Parlament er-
neut nicht darüber einigen, wie die allein bis 2013 feh-
lenden 1,3 Milliarden Euro aufgebracht werden sollen.
Heute sitzen Vertreterinnen und Vertreter beider Seiten
wieder zusammen. Die Bundesregierung hat sich, so war
es auch in der Presse zitierten internen Berichten zu ent-
nehmen, klar geäußert: Andere Bereiche im EU-Haus-
halt müssen bluten, darunter auch die Etats für For-
schung und Innovation. Bitte sagen Sie, liebe Frau
Forschungsministerin, dann mal konkret, was Sie aus
dem laufenden Forschungsrahmenprogramm für ver-
zichtbar halten, damit Ihre Abwägungsentscheidung
hier im Parlament transparent wird. Sagen Sie bitte
dazu, dass auch deutsche Interessen an einer Rückzah-
lung von Agrarüberschüssen in dieser Entscheidung
eine Rolle spielen.

Die Probleme bei ITER treiben die europäische Ener-
gieforschung insgesamt in eine absurde Schieflage: Der
Europäische Verband für Windenergie rechnete jüngst
aus, dass die Atomenergie, darunter die Fusionstechnik,
mit mindestens 1,3 Milliarden Euro in 2012 durch die
EU gefördert werden soll, während für alle anderen
Energieträger inklusive Kohle lediglich 355 Millionen
zur Verfügung stünden, darunter lächerliche 24 Millio-
nen für die Windenergie. 80 Prozent der Mittel gehen in
risikobehaftete Atomtechnologien.

Ist das die Prioritätensetzung, mit der wir schnell und
nachhaltig einen Ausbau und vor allem die Netzintegra-
tion der erneuerbaren Energien erreichen können? Ins-
besondere im Bereich der Wärmeerzeugung, aber auch
im Verkehrssektor sind wir weit von den angestrebten
Ausbauzielen entfernt. 2050 wollen wir 80 Prozent weni-
ger CO2 ausstoßen. So spannend die Fusionsenergie ist,
sie wird nichts zur Erreichung dieses Ziels beitragen.

Ebenso wenig hilft sie bei der Lösung der Finanz-
und Wirtschaftskrise, die in vielen Ländern Arbeitslosig-

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Zu Protokoll ge

(C (D eit und Armut bringt. Die dezentralen erneuerbaren nergien haben in Deutschland gezeigt, dass sie ein obmotor sein können, wenn sie richtig gefördert weren. Wir wären gut beraten, diese Erkenntnis auch in die eratungen auf der europäischen Ebene einzuspeisen, nstatt immer nur weitere Rettungsschirme und Sparrogramme zugunsten von Kapitalanlegern zu verlanen. Im Buch von der unendlichen Geschichte muss der eld seinen starken Willen einsetzen, um aus der Fanta iewelt in die reale Welt zurückkehren zu können und icht dem Wahnsinn zu verfallen. Dieser starke Wille zur ernunft sollte auch uns leiten. Das Projekt ITER muss er hier geforderten grundsätzlichen und ergebnisoffeen Überprüfung unterzogen werden. Der International Thermonuclear Experimental Re ctor, ITER, ist ein prestigeträchtiges Projekt der rundlagenforschung. Wenn der ITER zur Grundlagenrschung zählt und hier die Freiheit der Wissenschaft Vordergrund steht, ist es unredlich, gleichzeitig damit u werben, man könne mit „ITER unendlich viel Strom roduzieren“. Auch nach intensiven Forschungsbemüungen seit den 1930er-Jahren steht bei der Kernfusion isher in den Sternen, ob mit der Technologie jemals nergie produziert werden kann. Zusätzlich muss bei eier lösungsorientierten Forschung die Frage erlaubt ein, warum am ITER mit Tokamak-Design festgehalten ird, wenn die deutsche Fusionsforschung und die USA eber auf den Stellarator setzen. Die Kosten bei ITER xplodieren. Thomas Klinger, der IPP-Direktor und endelstein-Projektleiter des Fusions-Stellarators in reifswald, attestiert dem ITER eine Neigung zum Plasma-Ausbruch“. Herr Klinger sollte wissen, wovon r redet, schließlich ist Wendelstein 7-X das weltweit rößte und modernste Experiment seiner Art. Auch ohne as Milliardengrab ITER blieben also die Superlative ie auch die Vision von Energie aus irdischer Sonnenraft für die, die glauben, das zu brauchen. Das ITER-Projekt wird keine Lösung für die Energierobleme der Zukunft sein, selbst wenn ITER im Jahr 050 – und das wäre selbst für die Befürworter des Prokts ein optimistischer Zeithorizont – tatsächlich mehr nergie liefern als verbrauchen würde. Denn die Nachaltigkeitsziele, die wir für den Erhalt einer lebenswern Erde bis dahin erreichen müssen, sind heute bereits rmuliert. Für dieses Ziel sind andere Maßnahmen errderlich als ein Versprechen, im Jahr 2050 „unendlich iel Energie“ produzieren zu können. Die Industrienaonen müssen es bis 2050 längst geschafft haben, mit eiem wesentlich geringeren Energiebedarf auszukomen. Die Weichen zum klimaverträglichen Wirtschaften üssen heute gestellt werden. Dazu gilt es die Eneriewende zu realisieren und Wege zu finden, Einsparung nd Energieeffizienz endlich zu praktizieren. Bis 2050 uss eine Umstellung der Energieproduktion auf 00 Prozent erneuerbare Energien erfolgt sein. Haben ir das Ziel erreicht, brauchen wir keine Massen von nergie mehr, die zudem noch immens teuer sein wird. uch für die heutigen Entwicklungsund Schwellenlän17474 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Dr. Petra Sitte gebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17475 Sylvia Kotting-Uhl )

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714631500

(A) )

der ist die Kernfusion mit ihrer reaktorbedingten zentra-
len Struktur keine Option. Die Investitionen für den Bau
der komplizierten Fusionsreaktoren werden sie auch
nicht bezahlen können.

Der ITER bleibt ein Unikum. Einzigartig ist bei ITER
auch die vertraglich vereinbarte Idee, die einzelnen
Komponenten auf verschiedenen Erdteilen produzieren
zu lassen und dann am Standort Cadarache zusammen-
zubauen. Bei allen daraus für die Forschungszusam-
menarbeit resultierenden wertvollen Erkenntnissen ist
zu konstatieren: Was den Zeitplan und den Kostenrah-
men angeht, ist dieses Experiment international bereits
gründlich gescheitert. Anders lassen sich die immensen
Kostensteigerungen des 2007 in Kraft getretenen Vertra-
ges – auf das Dreifache – nicht deuten. Noch ist Zeit, den
Großteil der heute auf 16 Milliarden Euro geschätzten
Baukosten sinnvoller auszugeben. Schließlich ist auch
nach anderthalb Jahren Kenntnis der Finanzierungs-
lücke von „gedeckelten“ 1,3 Milliarden Euro allein für
die Jahre 2012 und 2013 noch nicht klar, wie die Finan-
zierung der Mehrkosten nun erfolgen sollte und welche
Auswirkungen dies auf die nationalen Haushalte und die
Forschungsförderung der EU hätte.

Neuerdings sollen 572 Millionen Euro aus dem Agrar-
etat 2011 für die Bewirtschaftung der natürlichen Res-
sourcen kommen. Auch die Verwaltungsausgaben – Ru-
brik 5 im EU-Haushalt 2011 – sollen um 243 Millionen
Euro geschrumpft werden. Damit bleibt es aber noch im-
mer bei einer Umschichtung von 460 Millionen Euro aus
dem Forschungsetat. Zumindest ist jetzt klar, welche an-
deren Forschungsprogramme darum fürchten müssen,
für ITER um 100 Millionen Euro reduziert zu werden. Es
wird die gemeinsamen Technologieinitiativen treffen.
Gekürzt werden zum Beispiel ARTEMIS, also die For-
schung an intelligenten Kleinstrechnersystemen in
Schlüsselbereichen, ENIAC, also das Forschungs- und
Entwicklungsprogramm der EU für die Nanotechnolo-
gie, Clean Sky, also die Entwicklung von rasch einsetz-
baren umweltfreundlichen Luftfahrttechnologien, SESAR,
also die Forschung für das Flugverkehrsmanagement
der Zukunft und nicht zuletzt die Initiative „Innovative
Arzneimittel“. Zur Einhaltung des Kostendeckels wurde
beteuert, dass man die Managementprobleme bald im
Griff habe. Das Prestigeprojekt ist allerdings auf einer
Ebene angesiedelt, auf der es bisher keine Kontrollme-
chanismen gibt. Es wäre ja widersinnig, wenn das ITER-
Council beschließen würde, sich selbst und seine Auf-
gabe abzuschaffen.

Zumindest die EU versucht, sicherzustellen, dass ef-
fektive Kontrollmechanismen und funktionsfähige Ma-
nagementstrukturen beim gemeinsamen Unternehmen
F4E geschaffen werden. Dazu soll jetzt auch die „Stelle
des Direktors des europäischen gemeinsamen Unterneh-
mens für den ITER und die Entwicklung der Fusions-
energie“ neu besetzt werden. Immerhin besteht die Hoff-
nung, dass, wenn schon Milliarden in ein Experiment
mit ungewissem Ausgang investiert werden, wenigstens
der Rücklauf mit Vertragsabschlüssen für die Industrie
der Mitgliedstaaten klappt. Wir meinen: Forschungs-
und Technologieförderung geht besser und günstiger als

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(C (D ber ITER. Schon aus Haushaltsverantwortung gehört as Projekt begraben. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für ildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung mpfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksahe 17/7934, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die rünen auf Drucksache 17/6321 abzulehnen. Wer timmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind die oalitionsfraktionen. Gegenprobe! – Das sind die Frakon Bündnis 90/Die Grünen und die Linksfraktion. Entaltungen? – Die Fraktion der Sozialdemokraten. Die eschlussempfehlung ist angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union – zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zum Beitrittsantrag der Republik Montenegro zur Europäischen Union und zur Empfehlung der EUKommission vom 12. Oktober 2011 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 10 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union – zu dem Antrag der Fraktion der SPD Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zur Empfehlung der EU-Kommission vom 12. Oktober 2011 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Montenegro hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 10 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union – zu dem Antrag der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Volker Beck Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zur Empfehlung der EU-Kommission vom 12. Oktober 2011 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Montenegro hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 10 des Gesetzes über die 17476 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Vizepräsident Eduard Oswald )

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714631600

(Bremen), weiterer Abgeordneter und der


(A) )

Zusammenarbeit von Bundesregierung und
Deutschem Bundestag in Angelegenheiten
der Europäischen Union

– Drucksachen 17/7768, 17/7809, 17/7769,
17/8012 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Thomas Dörflinger
Peer Steinbrück
Oliver Luksic
Thomas Nord
Viola von Cramon-Taubadel

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu
diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu nehmen.1) –
Alle sind damit einverstanden. Die Namen der Kollegin-
nen und Kollegen liegen dem Präsidium vor.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für die Angelegenheiten der Europäischen
Union auf Drucksache 17/8012 zu drei Anträgen zu Stel-
lungnahmen des Deutschen Bundestages gemäß Art. 23
Abs. 3 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 10 des
Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregie-
rung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der
Europäischen Union.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be-
schlussempfehlung die Annahme des Antrags der
Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksa-
che 17/7768 mit dem Titel: „Einvernehmensherstellung
von Bundestag und Bundesregierung zum Beitrittsantrag
der Republik Montenegro zur Europäischen Union und
zur Empfehlung der EU-Kommission vom 12. Oktober
2011 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen“. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind die
Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! – Das ist die Links-
fraktion. Enthaltungen? – Die Fraktion der Sozialdemo-
kraten und Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussemp-
fehlung ist angenommen.

Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung emp-
fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der
Fraktion der SPD auf Drucksache 17/7809. Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Das sind die Koali-
tionsfraktionen. Gegenprobe! – Die Sozialdemokraten
und Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Die
Linksfraktion. Die Beschlussempfehlung ist angenom-
men.

Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c
seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache
17/7769. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! – Das
sind die Fraktionen der Sozialdemokraten und Bünd-
nis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Die Linksfraktion.
Die Beschlussempfehlung ist angenommen.

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W1) Anlage 5

(C (D Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Optimierung der Geldwäscheprävention – Drucksache 17/6804 – Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses – Drucksachen 17/7950, 17/8043 – Berichterstattung: Abgeordnete Peter Aumer Martin Gerster Björn Sänger Richard Pitterle Dr. Gerhard Schick Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke or. Interfraktionell wurde vereinbart, eine halbe Stunde r die Aussprache vorzusehen. – Sie sind damit einver tanden. Das ist so beschlossen. Ich darf darauf hinweisen, dass wir im Anschluss och eine Reihe weiterer Abstimmungen durchzuführen aben. Ich eröffne die Aussprache. Als Erster in dieser Deatte hat für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege eter Aumer das Wort. Bitte schön, Kollege Peter umer. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsi ent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren eute ein Gesetz, über das im Kern im ganzen Haus Einernehmen besteht. Wir diskutieren über Geldwäsche nd Geldwäscheprävention. Ich glaube, wir haben bei en Debatten im Ausschuss und den Berichterstattergeprächen gemerkt, dass wir uns im Ziel einig sind. Es ibt in dem einen oder anderen Punkt divergierende einungen. Aber das Ziel ist das Gleiche, nämlich dass an den Gefahren der Geldwäsche und der Terrorismusnanzierung entgegenwirkt. Gerade in einer Zeit zunehender Globalisierung und zunehmender Verflechtun en im internationalen Bereich ist es wichtig, dass man egelungen trifft, um die Unterstützung terroristischer aßnahmen durch illegale Finanzierungen zu unterbin en. In diesem Gesetz soll vor allen Dingen auch der Beich der Kriminalität im E-Geld-Geschäft unterbunden erden. Geldwäsche bedeutet, dass illegal erwirtschaftetes eld zum Beispiel aus Drogenhandel in den legalen irtschaftsund Finanzkreislauf fließt oder gar Terrorisus und viele andere kriminelle Aktivitäten finanziert erden. All das wollen wir nicht. Die Bekämpfung der eldwäsche ist etwas, was uns nicht nur in Deutschland int, sondern auch von vielen anderen Staaten in dieser elt mitgetragen wird. Deswegen hat man eine gemein Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17477 Peter Aumer )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Peter Aumer (CSU):
Rede ID: ID1714631700

(A) )

same Organisation gegründet, die FATF, die sich dieser
Problematik im internationalen Bereich annimmt.

Wir diskutieren heute vor allem die Auswirkungen
der Prüfung Deutschlands durch die FATF. Durch diese
Prüfung sind einige Defizite aufgedeckt worden, die wir
in Deutschland beheben müssen. Aus dem FATF-Bericht
habe ich mir zwei Zitate herausgesucht, die verdeutli-
chen, warum wir diesen Gesetzentwurf vorlegen.

Das eine Zitat lautet: Viele Indikatoren deuten darauf
hin, dass Deutschland anfällig für Geldwäsche und Ter-
rorismusfinanzierung ist, auch aufgrund seines großen
Wirtschafts- und Finanzplatzes sowie seiner strategi-
schen Lage in Europa und einer starken internationalen
Verflechtung.

Das zweite Zitat, das einen Lösungsansatz in sich
birgt, lautet: Wichtige Faktoren, dass Deutschland das
Risikoprofil für Geldwäsche reduzieren kann, sind seine
starke rechtliche Tradition, die Rechtsstaatlichkeit, das
politische Umfeld und eine effektive Finanzaufsicht.

Ich glaube, wir haben an vielen Dingen, die ja zum
Teil auch bei der Anhörung genannt wurden, gemerkt,
dass die Schlussfolgerungen der FATF richtig sind. Wir
werden gemeinsam mit großer Mehrheit die Konsequen-
zen aus diesem Bericht ziehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Einige Zahlen, die aktuell vom Bundeskriminalamt
veröffentlicht worden sind, zeigen, wie hoch das Gefah-
renpotenzial der Geldwäsche in unserem Land ist. Im
Jahre 2010 stieg die Zahl der Verdachtsfälle um 22 Pro-
zent auf insgesamt 11 042; das ist vor allem einer ver-
stärkten Sensibilisierung der Betroffenen zu verdanken.
Bei 44 Prozent dieser Meldungen wurden Straftaten kon-
kret nachgewiesen. Etwa 90 Prozent der Verdachtsmel-
dungen wurden von Finanzinstituten gemeldet. Andere
Institutionen und Personen, für die wir heute Regelun-
gen treffen, sind für die Gefahren der Geldwäsche noch
nicht so stark sensibilisiert, vor allem nicht die Güter-
händler.

Ein anderer wesentlicher Punkt: Die Internetkrimina-
lität nimmt verstärkt zu. Allein im Jahr 2010 hatten wir
in Bayern 22 900 Fälle, von denen 500 dem Bereich der
Geldwäsche zugerechnet werden konnten.

Mit diesem Gesetz werden, wie vorher schon ange-
sprochen, die Empfehlungen des FATF-Berichts umge-
setzt. Die Dritte EG-Geldwäscherichtlinie, über die im
Moment in Europa diskutiert wird, wird sicherlich in
dieses Gesetz einfließen. Frau Paus, Sie haben eben das
Zitat von Volker Kauder kritisiert: Europa spricht
deutsch. – Dieses Zitat kann man sicherlich in vielerlei
Facetten deuten. Mit dem Gesetz zur Geldwäsche, das
wir heute beschließen werden, sind wir sicherlich auch
Vorbild in Europa. Zumindest wir in Deutschland ziehen
Konsequenzen und erlassen Regelungen, die schärfer
sind als in anderen europäischen Ländern.

Wir haben das Unsere zu tun und das Ganze umzuset-
zen. Hier hapert es sicherlich noch – deswegen schütteln
Sie sicherlich den Kopf, Herr Dr. Schick –, aber es ist

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(C (D nsere gemeinsame Aufgabe, dieser Umsetzung gerecht u werden und die Feinjustierung vorzunehmen. Zu den wesentlichen Punkten, die wir in diesem Geetz geändert haben – im Vergleich zum Regierungsenturf der Bundesregierung haben wir einige Entschärfunen vorgenommen –, gehören vor allem die Regelungen E-Geld-Bereich. Die Schwellenwerte wurden veränert. Durch die Umsetzung der Zweiten E-Geld-Richtliie ist das in Deutschland bereits Gesetz geworden. Biser galt Null als Schwellenwert. In vielen Gesprächen auch mit Unternehmen aus der Wirtschaft – hat man doch festgestellt, dass man im E-Geld-Bereich die öglichkeit gewährleisten muss, ohne Identifizierun en zu arbeiten. Wir haben uns darauf geeinigt, einen chwellenwert von jeweils 100 Euro pro Monat bei nicht ufladbaren und wiederaufladbaren Karten einzuführen. as ist ein Wert, der nicht geldwäscherelevant ist, der ber trotzdem die Möglichkeit bietet, ohne Identifizieng im Geldverkehr – im Internet und bei anderen Zahngsmöglichkeiten – tätig zu werden. Wir haben durch in Pooling-Verbot sichergestellt, dass mehrere Karten icht zusammengefasst werden können; das birgt sonst in größeres Risikopotenzial in sich. Darüber hinaus haen wir sichergestellt, dass beim Cash-out ab einem chwellenwert von 20 Euro eine Identifizierungspflicht esteht. Der E-Geld-Emittent muss die technische Umsetzbareit dessen gewährleisten, was wir gesetzlich vorgeben. ithilfe der BaFin und der Aufsichtsstrukturen in unsem Land muss dafür gesorgt werden, dass diese Identizierungsvorschriften eingehalten werden. Ein weiterer wichtiger Punkt, der in diesem Gesetz tark verändert worden ist, ist die Bestellung des Geldäschebeauftragten. Hier weichen unsere Änderungsorschläge sehr stark von dem ab, was die Bundesregieng vorgelegt hat. Wir verfolgen natürlich dasselbe iel, für Geldwäsche stärker zu sensibilisieren und das ewusstsein – auch in Unternehmen im Nichtfinanzsekr – zu schärfen. Wir wollen aber nicht, dass in unserem and zusätzliche Bürokratie aufgebaut wird und dass die nternehmen zusätzlich belastet werden. Das ist ein Anegen, mit dem wir als Regierung angetreten sind. Dies ird durch die Änderungen der Regelung zur Bestellung ines Geldwäschebeauftragten gewährleistet. Die bisher orgesehene Regelung, die an die Anzahl der Arbeitneher anknüpft, entfällt. Die Bestellung eines Geldwäschebeauftragten ist bei ichtgüterhändlern nur dann erforderlich, wenn der Verflichtete Finanzunternehmer oder Betreiber einer Spielank ist. Die anderen Verpflichteten werden hiervon rundsätzlich freigestellt. Jedoch obliegt es den Aufichtsbehörden, die Bestellung eines Geldwäschebeaufagten anzuordnen. Das ist vor allem bei den Personenruppen erforderlich, bei denen ein hohes Geldwäschesiko vorhanden ist: bei Edelmetallhändlern, bei Unterehmen, die mit Schiffen, Kfz und Flugzeugen handeln, der in Branchen, bei denen die Aufsichtsbehörden der nsicht sind, dass dort ein Geldwäschebeauftragter in talliert werden sollte. Dem kann nicht nur die christlichberale Koalition, sondern dem können sicherlich auch 17478 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Peter Aumer )


(A) )

die anderen Fraktionen in diesem Hohen Hause zustim-
men.

Weiterhin haben wir Regelungen für sogenannte poli-
tisch exponierte Personen auf den Weg gebracht, also für
Personen, bei denen großes Risikopotenzial besteht. Das
gilt insbesondere für diejenigen, die ihr Amt im Ausland
ausüben. Die Regelung sieht ein zweistufiges System
vor, das normale und erhöhte Sorgfaltspflichten vorsieht.
Normalen Sorgfaltspflichten unterliegen die inländischen
Abgeordneten wie die Bundestagsabgeordneten und die
Europaabgeordneten. Erhöhten Sorgfaltspflichten unter-
liegen diejenigen, die ihr Amt im Ausland ausüben. Sie
werden verstärkt kontrolliert.

Ich möchte noch einmal kurz auf die wesentlichen
Punkte eingehen. Mit diesem Gesetz zur Geldwäsche-
prävention haben wir einen weiteren Schritt getan in
Richtung einer verstärkten, zusätzlichen Optimierung
des Kampfes gegen Geldwäsche, der vor allem der orga-
nisierten Kriminalität vorbeugt, der aber nicht unnötig
Bürokratie schafft. Das ist ein wesentliches Ziel, dem
wir mit dem Gesetz, das wir heute mit großer Mehrheit
dieses Hauses verabschieden werden, sicherlich näher-
kommen werden. Es muss uns gemeinsam gelingen, dass
Bund und Länder verstärkt Maßnahmen zur Bekämp-
fung der Geldwäsche auf den Weg bringen. Wir haben
bei den Berichterstattergesprächen – dabei saßen auch
Ländervertreter mit am Tisch – gemerkt, dass uns das
Ziel eint und wir einen gemeinsamen Weg gehen.

Ein wesentliches Element – das steht zwar nicht im
Gesetz, ist aber vereinbart – ist, dass wir als Bundestag
beim Forum für Geldwäscheprävention mitarbeiten dür-
fen. Das ist uns vom BMF zugesagt worden. Das ist,
glaube ich, ein schönes Signal, gemeinschaftlich dem
Ziel der Geldwäscheprävention näherzukommen. Ein
weiteres zusätzliches Element, das auf Vorschlag der
Oppositionsparteien eingeführt worden ist, besteht darin,
nach drei Jahren eine Evaluierung dieses Gesetzes vor-
zunehmen. Wir wollen uns dann gemeinsam ansehen,
wie die Regelungen wirken und ob man dem Ziel ge-
recht geworden ist, der Geldwäsche in unserem Land
vorzubeugen.

Ich bitte Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren:
Stimmen Sie diesem Gesetz zu, damit wir gemeinsam
dem Ziel, das wir uns gesetzt haben, nämlich der Geld-
wäsche vorzubeugen, gerecht werden können.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Sehr gut zusammengefasst!)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714631800

Vielen Dank, Kollege Peter Aumer. – Als Nächster

hat unser Kollege Ingo Egloff für die Fraktion der So-
zialdemokraten das Wort. Bitte schön, Kollege Ingo
Egloff.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her n! In Sachen Medienaufmerksamkeit ist Geldwäsche icherlich kein Gewinnerthema. Darüber wird eher seln berichtet. Vielleicht ist es auch unangenehm für ein and wie die Bundesrepublik Deutschland, sich damit u befassen. Der Zeitpunkt der Debatte zeigt, dass das teresse wahrscheinlich eher gering ist. Dennoch ist das roblem – darauf hat der Kollege Aumer zu Recht hinewiesen – in Deutschland akut. Die FATF hat uns das s Stammbuch geschrieben. Die Bundesrepublik ist ein konomisches Schwergewicht mit einem starken Fianzsektor, international stark vernetzt und geografisch entral gelegen. Das sind auch aus krimineller Sicht tandortvorteile, um illegales Vermögen anzulegen. Ein Anfang Oktober veröffentlichter Bericht über die rganisierte Kriminalität in der Europäischen Union tellt fest, „dass die organisierte Kriminalität in einigen itgliedstaaten Politik, öffentliche Verwaltung und leale Wirtschaft tiefgreifend und massiv unterwandert at“. Es wird befürchtet, „dass es denkbar ist, dass eine hnliche Unterwanderung auch in den übrigen Ländern er Europäischen Union stattgefunden und dadurch die rganisierte Kriminalität an Macht und Einfluss gewonen hat“. Es wäre naiv, anzunehmen, dass Deutschland icht ebenfalls Ziel derartiger Bestrebungen dieser reise ist. Deswegen ist es, glaube ich, wichtig, heute emeinsam ein Signal zu setzen, dass wir uns mit aller acht dagegen stemmen wollen, dass Deutschland zu inem Ort wird, an dem Leuten, die kriminelle Motive aben, gestattet wird, ihr Geld hier sozusagen sauber zu achen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ingo Egloff (SPD):
Rede ID: ID1714631900

Der Weg zu diesem Gesetz war ein wenig schwierig.
s hat viele Berichterstattergespräche gegeben. Kaum
atte das Vorhaben das Licht der Öffentlichkeit erblickt,
agelte es Kritik aus den Reihen der Wirtschaft, aber
uch von Verbraucherorganisationen und Datenschüt-
ern. Einwände kamen auch aus den Reihen der Länder.
as Problem besteht darin, dass die Länder in erhebli-

hem Maß für die Umsetzung der gesetzlich vorgesehe-
en Aufsicht zuständig sind. Deswegen ist es, glaube
h, gut, dass wir uns Zeit genommen haben, über das
esetz intensiv zu beraten. Außerdem ist es gut – der Ti-
l des Gesetzes lautet ja „Gesetz zur Optimierung der
eldwäscheprävention“ –, dass wir das Wort „Optimie-
ng“ ernst genommen und uns gemeinsam bemüht ha-

en, etwas Sinnvolles hinzubekommen.

An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich beim
ollegen Aumer für die faire und konstruktive Zusam-
enarbeit und beim Bundesfinanzministerium dafür be-

anken, dass es uns jederzeit mit Rat und Tat zur Seite
estanden hat.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Ein auf Prävention angelegtes Gesetz wie das Geld-
äschegesetz kann nur dann Wirkung zeigen, wenn es
elingt, die Menschen auf dem vorgesehenen Weg mit-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17479

Ingo Egloff


(A) )


)(B)

zunehmen und sie zu überzeugen, dass die mit dem Ge-
setz verbundenen Maßnahmen notwendig und effizient
sind; sie müssen auch verständlich und anwendbar sein.
Gerade im Nichtfinanzsektor gibt es hier Defizite. 2010
– darauf hat der Kollege Aumer hingewiesen – gab es
11 000 Verdachtsanzeigen bei der FIU. Davon kamen
92 Prozent aus dem Finanzsektor. Das heißt, nur 8 Pro-
zent kamen aus dem Nichtfinanzsektor. Aber auch Spiel-
bankbetreiber, Makler, Anwälte und Betriebe, die mit
hochwertigen Gütern wie Schmuck, Luxusuhren und
teuren Autos handeln, müssen sich der Tatsache bewusst
sein, dass ihre Geschäfte für Geldwäscher attraktiv sind.
Wenn aus dem zahlenmäßig starken Bereich der Güter-
händler 2010 nur 33 Verdachtsanzeigen gekommen sind,
dann offenbart das meines Erachtens eine gefährliche
Schieflage. Wir haben hier gesagt: Verdachtsanzeigen
sind nicht gleich Strafanzeigen. Ich hoffe, damit haben
wir die Schwelle für diejenigen, die einen Verdacht ha-
ben, herabgesetzt, sodass sie – wozu sie gesetzlich ver-
pflichtet sind – leichter den Weg zu den Behörden finden
und sagen, was vielleicht nicht in Ordnung ist.

Gleichzeitig ist es wichtig, die beschlossenen Rege-
lungen auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen und die
internationalen Standards zielgerichtet weiterzuentwi-
ckeln. Schließlich ist die Umsetzung der Anti-Geldwä-
sche-Richtlinie und des entsprechenden Gesetzes für die
Unternehmen häufig mit arbeits- und kostenintensiven
Prüfverfahren verbunden. Das liegt in der Natur der Sa-
che. Wenn man bestimmte Vorgänge genau analysieren
und Missbrauch verhindern will, dann muss man eben
genauer hinschauen. Deswegen war unser Bestreben bei
diesem Gesetz, einerseits so effektiv wie möglich zu sein
und andererseits überflüssige Bürokratie zu vermeiden.


(Beifall bei der SPD)


Ich denke, es hat durchaus seine Berechtigung, dass
bestimmte Dinge vonseiten der Wirtschaft, der Banken
und der Versicherungen sowie politisch exponierter Per-
sonen kritisiert worden sind. Im Forum für Geldwäsche-
prävention müssen wir auf die Wirksamkeit der Maß-
nahmen achten, aber auch darauf, ob Aufwand und
Output in einem angemessenen Verhältnis stehen. Es
wird in Zukunft unsere Aufgabe sein, gemeinsam mit
dem Ministerium und den entsprechenden Behörden da-
rauf zu achten, dass hier kein Missverhältnis entsteht.
Wir dürfen uns nicht mit der Aussage beruhigen, wir hät-
ten doch alles getan, obwohl die Maßnahmen in Wahr-
heit gar nicht effektiv sind, weil sich überhaupt keine
neuen Erkenntnisse ergeben. Vielmehr verursacht man
dann im Zweifelsfall nur erhebliche Kosten bei den Un-
ternehmen, die diese Maßnahmen umsetzen müssen.

Der Kollege Aumer hat bereits die Bestimmungen
zum E-Geld angesprochen. Ich denke, dass wir mit den
Schranken, die wir eingezogen haben – auch mit der
100-Euro-Grenze – ermöglichen, auch im unteren Be-
reich Geldkarten ohne Identifikation zu nutzen. Der
Schwellenwert von 100 Euro und das damit verbundene
Pooling-Verbot sind unseres Erachtens wirksame Maß-
nahmen, um auf der einen Seite unnötige Bürokratie zu
vermeiden und auf der anderen Seite die Nutzung dieser

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(C (D arten, beispielsweise im Bereich von Sportstadien, uch in Zukunft zuzulassen. Auf die Regelung zur Bestellung eines Geldwäscheeauftragten haben Sie bereits hingewiesen, Herr Kolge Aumer. Es ist richtig, vom Gefahrenpotenzial und icht von der Anzahl der Mitarbeiter auszugehen; denn uch die Geschäfte von Leuten, die vielleicht nur vier itarbeiter beschäftigen, können ein hohes Gefahren otenzial bergen. Uns kommt es darauf an, diesen Gehren zu begegnen. Deswegen ist der Ansatz, den wir ier gemeinsam gefunden haben, richtig. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU])


Lassen Sie mich noch auf Folgendes hinweisen: Der
nlinebereich entwickelt sich weiter. Im nächsten Jahr
ird das Bundesland Schleswig-Holstein Onlineglücks-

piele zulassen. Wir haben im Berichterstattergespräch
uch darüber geredet und sind übereingekommen, dass
ir uns das sehr genau anschauen und hier die Notwen-
igkeit besteht, im Hinblick auf Geldwäsche präventiv
tig zu werden; auch das ist ein Bereich, in dem krimi-
elle Aktivitäten möglich sind. Deswegen sind wir ver-
flichtet, zu kontrollieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, insgesamt handelt es sich
ier, wie immer bei der organisierten Kriminalität, um
as alte Hase-und-Igel-Spiel. Wir müssen versuchen,
orn zu sein. Arbeiten wir weiterhin gemeinsam daran!

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714632000

Vielen Dank, Kollege Ingo Egloff. – Jetzt spricht für

ie Fraktion der FDP Kollege Björn Sänger. Bitte schön,
ollege Björn Sänger.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Björn Sänger (FDP):
Rede ID: ID1714632100

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

n! Ich begrüße auch den Kollegen Fricke auf der Tri-
üne.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714632200

Das heißt, die Abgeordneten stellen 50 Prozent der Zu-

örer.


(Heiterkeit)



Björn Sänger (FDP):
Rede ID: ID1714632300

Vollkommen richtig, Herr Präsident. – Das Thema

eldwäsche erfreut sich zu Recht einer großen Beliebt-
eit, auch zu diesem späten Zeitpunkt am Abend. Das ist
chtig; denn Geldwäsche – es ist mir wichtig, das gleich
u Beginn festzuhalten – ist ein krimineller Akt. Es han-
elt sich dabei um Einnahmen aus dem Bereich der orga-
isierten Kriminalität – zum Teil aus widerlichen Vorta-

17480 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Björn Sänger


(A) )


)(B)

ten wie Drogen- und Menschenhandel sowie Umwelt-
delikten – oder um einen Vorgang, nicht versteuertes
Einkommen weißzuwaschen. Auch das ist ein kriminel-
ler Akt; denn am Ende werden die ehrlichen Steuerzah-
ler belastet. Wenn alle ehrlich ihre Steuern abführen
würden, müssten sie insgesamt weniger entrichten. Des-
wegen ist die Geldwäschebekämpfung notwendig. Da-
rüber besteht im Parlament breiter Konsens. Wir wollen
die Vorgaben der FATF und der EU erfüllen und auch
Schaden von der deutschen Wirtschaft abwenden, damit
unser Land nicht auf bestimmten Listen der OECD er-
scheint.

Gleichzeitig haben wir ein grundsätzliches Problem.
Wir leben in einer Marktwirtschaft mit Bargeldverkehr.
Es gibt Wirtschaftsbereiche, in denen es völlig normal
ist, dass mit Bargeld gezahlt wird. Die entsprechenden
Branchen sind gefährdet. Denn wie soll der Einzelhänd-
ler beispielsweise im Schmuckbereich erkennen, ob vor
ihm ein Geldwäscher steht? Es könnte möglicherweise
auch ein zukünftiger Stammkunde sein,


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und zufällig zahlt er in bar!)


der gerade zum ersten Mal in das Geschäft kommt und
eine hohe Summe in bar zahlt. Es geht darum – die Bun-
desregierung hat das freundlicherweise zugesagt –, wei-
terhin aufzuklären; denn unser Ziel ist es, die Geldwä-
sche zu bekämpfen.

Wir müssen in der Wirtschaft Akzeptanz schaffen.
Das ist uns dahin gehend gelungen, dass wir die sehr bü-
rokratischen Vorgaben zur Bestellung eines Geldwä-
schebeauftragten entschlackt haben. Wir räumen der
Aufsicht nun, was die Gesamtwirtschaft angeht, einen
weiten Ermessensspielraum ein. Sie soll sich an Be-
triebsgröße und Gefahrengeneigtheit des jeweiligen Be-
triebes orientieren. In gefährdeten Branchen – Handel
mit hochwertigen Maschinen, Gebrauchtwagenhandel,
Schmuck- und Juwelenhandel – muss es einen engen Er-
messensspielraum geben. Es ist wichtig, dass die Auf-
sicht ein entsprechendes Fingerspitzengefühl entwickelt.
Ich bin mir sehr sicher, dass die Länder das entsprechend
umsetzen werden. Wir haben mit den Regelungen zur
Bestellung eines Geldwäschebeauftragten gemeinsam
eine sehr gute Lösung erarbeitet.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Das zweite große Problem bei der Bekämpfung der
Geldwäsche stellen die E-Geld-Produkte dar. Dieser Be-
reich ist für Geldwäsche anfällig. Man kann mithilfe der
Cash-out-Funktion zu Bargeld kommen, mit mehreren
Karten Beträge poolen – zumindest bislang – und auch
Mittel ins Ausland abziehen. Aber die E-Geld-Produkte
sind auch ein Teil einer boomenden Wirtschaft, einer di-
gitalen Welt und Ausdruck eines veränderten Konsum-
verhaltens. Es besteht der berechtigte Wunsch der Kon-
sumenten, in der Internetwelt mit einem Produkt, das
ähnlich wie Bargeld funktioniert, zu zahlen und den ei-
nen oder anderen Kauf anonym zu tätigen. Wir haben
eine Lösung gefunden, indem wir die E-Geld-Produkte
gleichstellen. Das heißt, wir unterscheiden nicht mehr

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(C (D wischen aufladbaren E-Geld-Produkten und einmaligen -Geld-Produkten. Wir haben vereinbart: Bei einem aufdbaren Betrag von bis zu 100 Euro pro Kalendermonat ich denke, das ist ein vernünftiger Schwellenwert; uch in der Realwirtschaft werden Rechnungen bis zu ieser Grenze in der Regel mit Bargeld beglichen – muss an sich nicht identifizieren. Man kann dieses Produkt lso flexibel nutzen. Gleichzeitig haben wir ein Poolingerbot vorgesehen. Es gibt keine Möglichkeit mehr, Bareld, das den Schwellenwert von 20 Euro übersteigt, von er Karte herunterzuziehen. Ferner haben wir Level laying Fields für alle Emittenten erreicht. Es gab einen Aufschrei der Lobby. Ich fand es schon utzig, als ich in großen Zeitungen las, dass man aufrund dieser Lösung keine Reise mehr für 1 200 Euro im ternet buchen könne. Man müsse quasi ein Jahr lang onatlich 100 Euro auf die Karte laden und sparen, be or man im Internet eine solche Reise buchen könne. azu muss ich sagen: Diejenigen, die das vortragen, haen es nicht verstanden. Das ist auch intellektuell grenzertig. Erstens. Ich kann mich im Internet ganz einfach entifizieren und kann dann auch mehr als 100 Euro pro alendermonat aufladen. Dann habe ich im Prinzip ein uthabenkonto. Bei jedem normalen Girokonto muss an sich bei der Bank identifizieren. Zweitens. Es wäre lativ blödsinnig, eine Reise anonym im Internet zu bu hen. Der Reiseveranstalter sollte schon wissen, wen er itnimmt. Wenn man die Buchung anonym vornimmt, t das schlechterdings nicht möglich. Fazit: Wir haben mit diesem Gesetz für alle Bereiche ine sinnvolle Lösung gefunden. ir haben einen breiten Konsens. Aufgrund der vorgeehenen Evaluierung – das ist der Ausblick – werden wir ieses Gesetz weiter begleiten, um es noch besser zu mahen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714632400

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner für die

raktion Die Linke ist unser Kollege Richard Pitterle.
itte schön, Kollege Richard Pitterle.


(Beifall bei der LINKEN)



Richard Pitterle (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714632500

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

nd Kollegen! Unter Geldwäsche versteht man die Ein-
chleusung illegal erwirtschafteten Geldes in den legalen

irtschaftskreislauf, erwirtschaftet zum Beispiel durch
rogen-, Waffen- oder Frauenhandel.

Wie sieht es in Deutschland aus? Ich zitiere aus dem
andelsblatt vom 8. November dieses Jahres:

Was die Schweiz und Liechtenstein für Steuerhin-
terzieher sind, ist Deutschland für Geldwäscher: ein
Paradies.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17481

Richard Pitterle


(A) )


)(B)


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Und das um halb elf! Gutenachtgeschichten!)


Das muss sich ändern, schon allein deshalb, weil die Di-
mension immens ist. Geldwäscheexperten gehen davon
aus, dass allein in Deutschland zwischen 40 und 60 Mil-
liarden Euro aus kriminellen Handlungen gewaschen
werden. Dass die Geldwäsche bekämpft werden muss,
steht also außer Frage.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn wir uns bei der Abstimmung über diesen Ge-
setzentwurf enthalten, dann, weil wir ihn für verbesse-
rungsbedürftig halten. Erster Punkt. Nach dem Gesetz-
entwurf sind die Spielgerätebetreiber von den Melde-
pflichten ausgenommen, obwohl uns die Fachleute sa-
gen, dass dort Tag für Tag in großem Stil Geld gewa-
schen wird.

Zweiter und wichtigerer Punkt. Unternehmen, die mit
Gütern handeln, können von Behörden verpflichtet wer-
den, einen Geldwäschebeauftragten zu bestellen; das ist
hier schon gesagt worden. Dieser Beauftragte hat die
Pflicht, den Behörden zu melden, wenn er den Verdacht
hat, dass es im Umfeld seines Betriebes zu Geldwäsche
kommt. Das ist in Ordnung. Nicht in Ordnung ist jedoch,
dass die Koalition im Gesetz dem Beauftragen keinen
Sonderkündigungsschutz gewährt. Mit Sicherheit wird
es passieren, dass der Geldwäschebeauftragte in Loyali-
tätskonflikte gegenüber dem Arbeitgeber kommt. Da hat
er im Betrieb den Verdacht, dass einer der Kunden sein
Geld illegal erwirtschaftet hat und es nun durch Einkauf
von Waren und Dienstleistungen des Betriebes waschen
will. Aber der Geschäftsführer sagt ihm, dass er nichts
melden soll, weil er sonst diesen wichtigen und zah-
lungskräftigen Kunden verliert. Wenn sich der Beauf-
tragte dann so verhält, wie wir es von ihm erwarten, und
den Verdacht meldet, dann muss er um seinen Arbeits-
platz fürchten. Das ist absolut unakzeptabel.


(Beifall bei der LINKEN)


Es geht beim Kündigungsschutz für den Geldwäsche-
beauftragten gar nicht mal so sehr um Arbeitnehmer-
freundlichkeit. Dass ich diesbezüglich von der Koalition
keine Unterstützung erwarten kann, ist mir klar. Aber da
ich unterstelle, dass es uns allen darum geht, ein effekti-
ves Instrument zur Geldwäschebekämpfung zu haben,
geht es doch darum, diesen Beauftragten mit einer Kon-
fliktfähigkeit auszustatten, damit er das leisten kann, was
wir alle von ihm erwarten. Der Abfallbeauftragte, der
Emissionsschutzbeauftragte, der Datenschutzbeauftragte,
alle haben einen Sonderkündigungsschutz, weil der Ge-
setzgeber wusste, dass sie bei ihrer Aufgabenerfüllung in
Interessenkonflikte kommen können, die nicht zulasten
der gesetzlichen Aufgabenerfüllung gelöst werden sol-
len. Warum wollen Sie den Beauftragten für Geldwäsche
schlechterstellen? Dafür gibt es doch überhaupt keinen
Grund. Auch Empfehlung 16 der FATF besagt, dass der
Beauftragte vor negativen Folgen seiner Tätigkeit zu
schützen ist. Daher sagen wir: Ein Sonderkündigungs-
schutz für Geldwäschebeauftrage ist unerlässlich.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Ein gutes Gesetz nutzt nicht viel, wenn nicht sicherestellt ist, dass es zur Anwendung kommt. Auch da egt vieles im Argen. Weniger als 1 Prozent der in eutschland gewaschenen Gelder sind bislang beschlagahmt worden, sagt uns Jürgen Stock, Vizepräsident des undeskriminalamts. Es hapert an der Umsetzung in den ändern. Ich zitiere erneut das Handelsblatt: Auch heute regiert in den Ländern das Chaos: In jedem Bundesland ist eine andere Behörde zuständig. Zudem sind die Aufsichtsbehörden hoffnungslos unterbesetzt. h habe leider nichts dazu gehört, wie Sie das ändern ollen. Wer die Geldwäsche effektiv bekämpfen will, uss mehr tun, als nur Gesetze ändern, er muss auch taatliches Handeln organisieren. Ich werde aufgefordert, zum Schluss meiner Rede zu ommen. Schließen möchte ich mit Johann Wolfgang on Goethe: Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun. Vielen Dank, Herr Kollege Pitterle. – Jetzt für die raktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege r. Gerhard Schick. Bitte schön, Kollege Dr. Gerhard chick. Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! um Abschluss dieser Debatte will ich begründen, wam wir diesem Gesetzentwurf trotz unserer kritischen erspektive auf Ihr Handeln insgesamt in diesem Beich zustimmen. Man muss sich bei einem Gesetz, das eit 18 Jahren nicht umgesetzt wird, fragen, ob eine Verchärfung überhaupt Sinn macht. Denn wenn es in seiner lten Fassung nicht greift, wird es in seiner neuen mögliherweise auch nicht greifen, wenn es erneut Umsetungsmängel gibt. Wir sehen jetzt ein paar Ansatzpunkte afür, bei der Umsetzung ein Stück voranzukommen. ir haben versucht, genau das beim Gesetzgebungspro ess ins Zentrum zu rücken. Wir wollen jetzt die Mögchkeiten schaffen, als Parlamentarier in Zukunft stärker uf die Umsetzung zu achten; denn da besteht eines der rößten Defizite. Ein großes Problem ist, dass auf Landesebene unterchiedliche Institutionen zuständig sind. Nehmen wir als eispiel den Bereich der Immobilienmakler. Hierfür ist Bayern das Innenministerium zuständig, in Badenürttemberg das Regierungspräsidium, in Rheinland falz die Kreisverwaltung und in Berlin die Senatsveraltung für Wirtschaft. In jedem Bundesland ist eine anere Behörde zuständig, sodass niemand weiß, wer wor zuständig ist. Die einzelnen Behörden agieren auch öllig unterschiedlich. Bisher funktioniert die Umsetung des Gesetzes – einige Beispiele, die dies deutlich 17482 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Dr. Gerhard Schick )


(Beifall bei der LINKEN)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714632600
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714632700

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(A) )

zeigen, sind schon genannt worden – insbesondere im
Finanzbereich nicht. Das Gesetz wird kaum angewendet,
weil die einzelnen Verwaltungen kein Interessen daran
haben und weil die verpflichteten Händler bisher über-
haupt nicht aufgefordert werden, systematisch zur Lö-
sung dieses Problems beizutragen; teilweise verfolgen
sie auch entgegengesetzte Interessen.

Wir haben deswegen erstens großen Wert darauf ge-
legt, dass wir als Abgeordnete in dem neu geschaffenen
Geldwäscheforum wirklich mitwirken und darauf achten
können, dass das Nebeneinander und das Nichthandeln
der Behörden an dieser Stelle beendet wird. Wir in
Deutschland müssen Geldwäscheprävention endlich ernst
nehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zweitens ist uns wichtig – auch hier sind wir vorange-
kommen; die Bundesregierung hat uns hierzu im Aus-
schuss Zusagen gemacht –, dass es eine Evaluierung ge-
ben wird, und zwar durch eine Institution, die selber
nicht mit der Umsetzung beauftragt ist. Es wird also je-
mand überprüfen, ob das, was wir hier tun, wirklich
greift. Das wird sehr wichtig sein; denn wir müssen da-
mit rechnen, dass die FATF Deutschland erneut abmah-
nen wird. Nach der schallenden Ohrfeige im letzten Jahr,
wo ganz viele kritische Punkte vor allem aufgrund der
Umsetzungsmängel genannt worden sind, ist nach Ver-
abschiedung des Gesetzentwurfes nicht unbedingt damit
zu rechnen, dass wir sofort ein positives Votum bekom-
men. Vielmehr wird in den nächsten Jahren eine inten-
sive Weiterentwicklung dieses Gesetzes notwendig sein.

Ich will noch kurz auf den Änderungsantrag einge-
hen, den die Linkspartei vorgelegt hat. Ich muss sagen:
Die Tatsache, dass beide Redner von den Koalitionsfrak-
tionen nicht dazu Stellung genommen haben, zeigt – ge-
nauso im Ausschuss –: Ihre Gegenargumente sind denk-
bar schwach. Es ist einfach nicht einzusehen, dass der
Beauftragte für den Datenschutz gesetzlich geschützt ist,
aber beim Geldwäschegesetz ein entsprechender Schutz
verweigert wird. Wenn man die Umsetzung sicherstellen
will, dann muss man dafür sorgen, dass die Zuständigen
ihre Arbeit wirklich machen können. Das verweigern Sie
an der Stelle. Das wird ein Defizit bleiben, an dem wir
nach wie vor dranbleiben müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Trotzdem ist dieses Gesetz ein Schritt in die richtige
Richtung.

Aber ich möchte es hier ganz deutlich sagen: Es ist
ein Schritt, der ein paar Defizite abbaut. Zu einer wirk-
lich konsistenten Gesamtstrategie von Bund und Län-
dern in Deutschland braucht es aber noch wesentlich
mehr, da braucht es eine andere Prioritätensetzung und
auch ein anderes Engagement im Bundesministerium der
Finanzen. Was es an der Stelle jedoch nicht braucht, ist,
dass man an einer anderen Stelle, nämlich zum Beispiel
mit einem Steuerabkommen mit der Schweiz, denjeni-
gen, die in Deutschland Geldwäscheprävention leisten

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1)

(C (D ollen, auch noch die Hände bindet. Dies muss schon zuammenpassen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714632800

Vielen Dank, Kollege Dr. Gerhard Schick.

Ich schließe die Aussprache.

Zur Abstimmung liegt eine Erklärung von unserem
ollegen Norbert Schindler nach § 31 Abs. 1 der Ge-

chäftsordnung des Deutschen Bundestages vor.1)

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
esregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Optimie-
ng der Geldwäscheprävention. Der Finanzausschuss

mpfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf den Druck-
achen 17/7950 und 17/8043, den Gesetzentwurf der
undesregierung auf Drucksache 17/6804 in der Aus-

chussfassung anzunehmen.

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die
inke auf Drucksache 17/8015 vor, über den wir zuerst
bstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? –
as sind die Linksfraktion, die Sozialdemokraten und
ündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Das

ind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? – Keine.
er Änderungsantrag ist abgelehnt.

Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
usschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-

hen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, Sozialdemo-
raten und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dage-
en? – Niemand. Enthaltungen? – Die Linksfraktion.
er Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung ange-
ommen.

Dritte Beratung
nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
as sind die Koalitionsfraktionen, Bündnis 90/Die Grü-
en und Sozialdemokraten. Wer stimmt dagegen? – Nie-
and. Stimmenthaltungen? – Die Fraktion Die Linke.
er Gesetzentwurf ist angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 a und b auf:

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)

Dağdelen, Jan van Aken, Christine Buchholz,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Für eine Normalisierung der Beziehungen der
Europäischen Union zu Kuba
– Drucksachen 17/3188, 17/4273 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Egon Jüttner
Dr. Rolf Mützenich

Anlage 3

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17483

Vizepräsident Eduard Oswald


(A) )


)(B)

Marina Schuster
Sevim Dağdelen
Hans-Christian Ströbele

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrich
Maurer, Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Freilassung der „Miami Five“

– Drucksache 17/7416 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolle-
ginnen und Kollegen liegen hier vor.


Dr. Egon Jüttner (CDU):
Rede ID: ID1714632900

Mit ihrem Antrag „Für eine Normalisierung der Be-

ziehungen der Europäischen Union zu Kuba“ möchte
die Fraktion Die Linke erreichen, die Beziehungen der
Europäischen Union zu Kuba zu normalisieren. Die
erste Lesung zu diesem Antrag fand bereits vor über ei-
nem Jahr statt. Dieses eine Jahr ist für verfolgte und in-
haftierte Menschen und deren Angehörige eine lange
Zeit. Bedauerlicherweise hat sich in dieser Zeit die Si-
tuation der Menschen auf Kuba nicht zum Positiven ge-
ändert. Es besteht daher kein Grund, dem Antrag der
Linken zuzustimmen und unsere Position gegenüber dem
Regime auf Kuba zu ändern.

Wir haben es noch immer mit einem der totalitärsten
Systeme der westlichen Hemisphäre zu tun, in dem die
bürgerlichen und politischen Rechte stark eingeschränkt
sind. Regierungskritiker werden inhaftiert; freigelas-
sene Häftlinge berichten, dass sie während der Haft ge-
schlagen worden seien. Die kubanische Bevölkerung lei-
det nach wie vor unter erheblichen Einschränkungen
ihrer persönlichen Freiheit. Es gibt weiterhin keine
Pressefreiheit. Das Recht auf freie Meinungsäußerung
ist genauso stark beschnitten wie das Recht auf Vereini-
gungs- und Versammlungsfreiheit. Nach wie vor hindert
die Einschränkung der Bewegungsfreiheit Journalisten,
Menschenrechtsverteidiger und politisch engagierte
Bürger an der Ausübung rechtmäßiger und friedlicher
Aktivitäten.

Kurz nachdem wir im Oktober vergangenen Jahres
zum ersten Mal über den Antrag der Linken beraten ha-
ben, fand in Straßburg die Verleihung des vom Europäi-
schen Parlament verliehenen Sacharow-Preises für
geistige Freiheit statt. Preisträger war der unabhängige
Journalist und politische Dissident Guillermo Farinas.
Er war der dritte kubanische Regimekritiker seit 2002,
der diesen Menschenrechtspreis erhielt. Wie im Falle
seiner beiden Vorgänger blieb auch sein Stuhl bei der
Preisverleihung leer, weil die kubanischen Behörden
sich weigerten, ihm die Ausreise zu genehmigen. Meine
Damen und Herren von den Linken, haben Sie dies nicht
zur Kenntnis genommen? Sind Sie sich der Wirkung Ih-
res Antrages auf Menschenrechtsverteidiger in der gan-
zen Welt eigentlich bewusst? Erwarten Sie tatsächlich,

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(C (D ass Menschen, die auf Kuba ihr Leben für ihre Freiheit ufs Spiel setzen, Verständnis dafür haben, dass der eutsche Bundestag ein so undemokratisches und men chenverachtendes System wie das kubanische mit einer Normalisierung der Beziehungen“, wie Sie dies forern, belohnt? In Kuba hat die Bevölkerung keinen Zugang zu unabängigen Informationsquellen. Die Behörden sperren ach wie vor den Zugang zu Internetseiten von Bloggern nd Journalisten, die der Regierung kritisch gegenübertehen. Sobald regierungsabweichende Publikationen Internet erscheinen, werden die Urheber unwürdiger erfolgung ausgesetzt. Ein sehr interessantes Dokument aber hat die staatche Presse der kubanischen Öffentlichkeit nicht vorentalten, nämlich das Geburtstags-Glückwunschschreiben rer beiden Parteivorsitzenden, Gesine Lötzsch und laus Ernst, an den Mann, der die Verantwortung für 0 Jahre Unterdrückung, Folter, wirtschaftlichen Nieergang und Unfreiheit in allen Lebensbereichen trägt. em „lieben Genossen Fidel Castro“ versichern Ihre eiden Spitzengenossen ihre „unverbrüchliche Freundchaft und Solidarität mit dem kubanischen Volk“. Sie prechen von „beispiellosen sozialen Errungenschafn“ und von Kuba als „Beispiel und Orientierungsunkt für viele Völker der Welt“. Wer einen brutalen iktator so verherrlicht, der beleidigt die Tausenden nd Abertausenden Gefangenen und Gequälten dieses ewaltregimes. Mit Kuba als Beispiel und Orientierungspunkt für iele Völker der Welt können Sie bestimmt nicht die araischen Staaten gemeint haben, in denen reihenweise egen diktatorische Herrschaftsstrukturen aufbegehrt urde und noch aufbegehrt wird. Wenn Sie sich auf Läner wie Nordkorea oder einige afrikanische Staaten beiehen, dann geht es den Kubanern vergleichsweise gut. ier muss man sich aber dann die Frage stellen, ob dies er Maßstab eines demokratischen Parlaments, einer emokratischen Regierung und demokratischer Parien sein kann. Motor des Eintauschens des „Gemeinsamen Standunktes“ der Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolik der Europäischen Union gegen ein bilaterales Abommen mit Kuba war die spanische Regierung. Sie tand, wie die Abstimmung im Rat für Allgemeine Angegenheiten und Außenbeziehungen der Union in uxemburg im Oktober des vergangenen Jahres zeigte, amit aber ziemlich allein. Mit der überwältigenden Abahl der Regierung Zapatero am Sonntag vergangener oche hat die kubanische Regierung ihren einzigen ürsprecher unter den Regierungen Europas verloren. Deutschland und die Europäische Union stehen an er Seite des kubanischen Volkes. Das zeigt das vielfälge Engagement der Europäischen Union in Kuba. In en 20 Jahren von 1993 bis 2013 werden insgesamt ehr als 200 Millionen Euro EU-Mittel nach Kuba geossen sein, um die Not der dortigen Bevölkerung zu linern. Die Europäische Union hat sich immer flexibel ezeigt, wenn Naturkatastrophen die Karibikinsel heim )


(A) )

gesucht haben. Ich bin mir sicher, dies wird auch weiter-
hin der Fall sein.

Es ist bedauerlich, dass nicht das gesamte Hohe Haus
an der Seite des notleidenden kubanischen Volkes steht.
Es ist beschämend, wie die Linke sich in Solidaritätsbe-
kundungen mit den politischen Führern des unterdrück-
ten kubanischen Volkes übt.

Wir von der CDU/CSU lehnen den Antrag der Linken
ab und befinden uns damit in guter Gesellschaft mit den
Regierungen in Europa. Wir lehnen es ab, die Situation
auf Kuba schönzureden. Es sind aufseiten Kubas keine
Anhaltspunkte zu erkennen, die ein Entgegenkommen
Europas rechtfertigen würden. Die Menschenrechts-
situation ist nicht besser als vor einem Jahr. Eine Nor-
malisierung der Beziehungen, wie sie in dem Antrag der
Linken gefordert wird, wäre unseres Erachtens das fal-
sche Signal an die kubanische Führung. Wir werden des-
halb dem Antrag der Linken nicht zustimmen.


Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1714633000

Mit ihren Anträgen zu den Beziehungen der Europäi-

schen Union zu Kuba beweist die Fraktion der Linken
wieder einmal mehr, dass sie in der heutigen Zeit noch
nicht ganz angekommen ist. Ohne die Öffnung Kubas
hin zu einem rechtsstaatlichen und demokratischen Sys-
tem werden die existenziellen Probleme dieses Landes
nicht gelöst. Insbesondere die weit verbreitete Armut
und die hohe Zahl der Arbeitslosen im Land können
durch das politisch wie wirtschaftlich gescheiterte kuba-
nische Modell nicht überwunden werden. Zwar sind ver-
einzelt marktwirtschaftliche Ansätze im Wirtschaftssys-
tem Kubas zu verzeichnen. So können in manchen
Bereichen private Investoren eigene Unternehmen grün-
den. Doch sind sie wirklich frei von jeglicher staatlicher
Kontrolle? Wer glaubt, dass sich ein kommunistisches
und planwirtschaftliches System unter Fortdauer dersel-
ben politischen Führung und Ideologie seiner Machtmit-
teln ohne Druck entledigen wird, täuscht sich. Eine Neu-
ausrichtung der kubanischen Politik ist nicht erkennbar.

Die Frage stellt sich also, weshalb die Europäische
Union ihre Politik des gemeinsamen Standpunkts aufhe-
ben sollte. Weil Kuba wieder einmal politische Gefan-
gene freigelassen hat? Dass sowohl die Europäische
Union als auch die Bundesregierung dies begrüßen,
steht außer Frage. Allerdings muss man sich dabei vor
Augen führen, aus welchen Gründen diese Menschen
überhaupt erst inhaftiert wurden und welche Umstände
zu ihrer Freilassung geführt haben. Diese 52 Personen
haben ihre Meinung frei geäußert. Das war ihr „Verge-
hen“. Solche sogenannten Gesinnungshäftlinge gehör-
ten in Kuba schon seit Fidel Castro zum politischen All-
tag. Nun gilt es das schlechte Image des Landes
aufzupolieren und auf dem internationalen Parkett
Schäden zu begrenzen. So will das Land demonstrieren,
dass die Lage der Menschenrechte doch „gar nicht so
schlecht ist, wie immer behauptet wird“. Dieses Mittels
hat sich Kuba in den vergangenen 50 Jahren immer wie-
der bedient, um internationale Spannungen abzubauen.

Hinzu kommt, dass die 52 Dissidenten ja nicht ein-
fach freigelassen wurden. Nein, sie wurden direkt nach

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(C (D panien abgeschoben. Damit verloren sie auch de facto ie kubanische Staatsbürgerschaft. Eine Rückkehr in re Familien ist ihnen also verwehrt. Man muss eben uch einmal hinter die Kulissen schauen, meine Damen nd Herren von der Linkspartei. Dann sieht man auch en Rest der Geschichte. Aber das ist dann das, was man igentlich gar nicht sehen will. Um einen Standpunkt zu ndern, muss man aber zuerst die ganze Wahrheit begutchten. Erst dann ist ein objektives Urteil darüber mögch und sinnvoll. Die Behauptung in Ihrem Antrag, der Gemeinsame tandpunkt der EU aus dem Jahre 1996 verstoße gegen as völkerrechtliche Nichteinmischungsgebot der Charta er Vereinten Nationen, ist natürlich nicht haltbar. Wie iele andere Nationen setzt sich auch Deutschland für ie Demokratie und die Achtung der Menschenrechte in. Das Hauptziel des Gemeinsamen Standpunkts der uropäischen Union gegenüber Kuba, das wir daher ollumfänglich mit befürworten, heißt daher nicht ohne rund: Förderung einer friedlichen Entwicklung zu eier pluralistischer Demokratie, Gewährleistung der enschenrechte und Grundfreiheiten sowie eine nach altige wirtschaftliche Entwicklung. Sie selbst begrüßen in Ihrem Antrag ausdrücklich die reilassung der 52 Dissidenten. Sie wollen sich also eientlich für die Wahrung von Menschenrechten einseten. Wie passt das denn dann zu Ihrer Auffassung, eine orderung nach der Gewährleistung derselben Rechte r alle Menschen sei ein unrechtmäßiger Eingriff in die taatliche Souveränität eines Landes? Ist das nur dann er Fall, wenn eine Regierung dafür eintritt, die nicht on kommunistischen Überzeugungen geleitet wird und eine Glückwunschschreiben an ehemalige Diktatoren chickt? Im Übrigen gilt auch hinsichtlich Ihrer Forderung ach einer Freilassung der sogenannten Miami 5 das ben Gesagte: immer den Gesamtkontext betrachten. ie unter dieser Bezeichnung bekannt gewordenen fünf ubaner wurden inhaftiert. Das ist soweit richtig. Allerings kann man nicht davon sprechen, dass sie in den SA „gefangen gehalten“ werden, um aus Ihrem Antrag u zitieren. Die Betroffenen waren in den USA einem chtsstaatlichem Verfahren unterworfen. Das heißt, sie atten frei gewählte Verteidiger und einen unabhängien Richter. Zudem durchliefen sie ein faires Verfahren it der Möglichkeit, gegen die Urteile in Berufung zu ehen. Nun büßen sie ihre Haftstrafen ab, für die sie ween Spionagetätigkeit und Beihilfe zum Mord verurteilt urden. Ob – im Gegensatz dazu – in Kuba überhaupt chtsstaatlich geführte Prozesse abgehalten werden, nd, wenn ja, wie viele, wäre in diesem Zusammenhang ie spannendere Frage. Ich widme mich jetzt aber abschließend den Bezieungen der Europäischen Union zu Kuba. Diese Bezieungen sind innerhalb der EU am ausgeprägtesten mit panien, was zum einen in der gemeinsamen Geschichte nd Kultur wurzelt, aber auch in verwandtschaftlichen eziehungen. Zum anderen liegt das an wirtschaftlichen teressen. Spanien investiert hauptsächlich in der ku anischen Tourismusbranche. Solche – nennen wir es – 17484 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Dr. Egon Jüttner gebene Reden )


(A) )

Sonderinteressen bestehen bei den anderen EU-Mit-
gliedstaaten nicht oder zumindest nicht in diesem Aus-
maß.

Dennoch ist es auch nicht so, dass die Europäische
Union kein großes Interesse an den Belangen der kuba-
nischen Bevölkerung hätte. Die EU engagiert sich im
Bereich der Entwicklungszusammenarbeit in beachtli-
chem Umfang. Allein für die Jahre 2008 bis 2010 erfolg-
ten finanzielle Hilfen in Höhe von über 57 Millionen
Euro zur Behebung von Schäden nach den Wirbel stür-
men des Jahres 2008 sowie für Vorbeugemaßnahmen.
Diese kamen unterschiedlichen Sektoren zugute, wie
zum Beispiel der Nahrungsmittelversorgung, dem Be-
reich Arbeit und Soziales oder dem Umweltschutz. Für
die Folgejahre 2011 bis 2013 wurden wieder 20 Millio-
nen Euro eingeplant.

Es gibt jedoch keinen Grund, die aktuelle europäi-
sche Haltung zu ändern. Neben den elementaren Grund-
bedürfnissen eines Menschen ist für ihn das Wichtigste
die Respektierung seiner Grundrechte. Die Möglichkeit,
seine Meinung frei zu äußern, sich im eigenen Land und
über die Grenzen hinaus frei bewegen zu können, sich
eine eigene, frei gewählte Lebens- und Arbeitsgrundlage
zu schaffen, ist für jeden Menschen wichtig. Solange ein
Staat diese Rechte seiner Bürger nicht garantieren kann
oder will, existiert für einen demokratisch und rechts-
staatlich ausgerichteten Staatenverbund wie die Euro-
päische Union keine Grundlage für intensivere Bezie-
hungen zu diesem Land.


Klaus Barthel (SPD):
Rede ID: ID1714633100

Der heute zu entscheidende Antrag zu den Beziehun-

gen der EU zu Kuba ist über ein Jahr alt, hat aber leider
kaum an Aktualität eingebüßt. Gleiches gilt für den
neueren Antrag zur Freilassung der „Miami Five“, der
im Grunde nur wiederholt und ausführt, was bereits im
ersten Antrag stand. Deshalb ist die Versuchung groß,
dieselbe Rede wie am 7. Oktober 2010, also vor 14 Mo-
naten, noch einmal zu halten. Alles stimmt noch.

Die Geschichte der „Miami Five“ wartet noch immer
auf ein gutes Ende. Vier der fünf sind noch in Haft, einer
nach langer Haft unter Auflagen entlassen. Alle Solida-
ritätskampagnen, alle Rechtswege, alle Gnadengesuche
blieben erfolglos. Selbst der jedem Schwerstkriminellen
gestattete Kontakt mit Angehörigen war und ist weiter
eingeschränkt und erschwert. Alle, die diese Vorgänge
noch irgendwie rechtfertigen und verteidigen wollen,
frage ich: Was wäre wohl weltweit los, wenn es umge-
kehrt wäre? Wenn US-Amerikaner in Kuba oder sonst
wo derart behandelt würden, wenn rechtsstaatliche
Prinzipien auf diese Art mit Füßen getreten würden?
Keine Frage: Die „Miami Five“ müssen endlich freige-
lassen werden.

Der Appell des Antrags der Linken an die Bundesre-
gierung, sich für die Freilassung der noch vier Gefange-
nen der „Miami Five“ einzusetzen, für die Ausreise des
fünften und für Besuchsrechte, dürfte jedoch kaum zu
realisieren sein. Eine solche Einmischung in die US-Jus-
tiz oder Appelle an den US-Präsidenten kann die
Bundesregierung mit schlichten formalen Vorwänden

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(C (D btropfen lassen. So leicht sollten wir die Sache nicht btun lassen. Politische Wege, die festgefahrene, wenn auch intern mer umstrittenere Kuba-Politik der USA noch weiter u isolieren, stünden der Bundesregierung allerdings urchaus offen. Damit sind wir beim Gemeinsamen tandpunkt der EU zu Kuba. De facto stützt und legitiiert dieser die US-Blockade-Politik, indem er Sanktioen und Boykotte gegenüber Kuba enthält – seit nunehr 15 Jahren. Anlass für diese EU-Sanktionen waren seinerzeit Inaftierungen und verschärfte Repression gegen Opposionelle in Kuba. Konnte man sich schon damals über innhaftigkeit und Angemessenheit dieser Maßnahmen efflich streiten, so ist heute dieser Gemeinsame Standunkt endgültig überholt. Auf Vermittlung der Katholichen Kirche Kubas sind die Inhaftierten mittlerweile ei. Eine Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten – darunter ahlreiche konservativ regierte – drängt schon seit länerem auf eine Korrektur der europäischen Kuba-Polik. Zahlreiche EU-Mitgliedstaaten ignorieren den Geeinsamen Standpunkt und sind mit vielfältigen ktivitäten auf der Insel präsent. Die Bundesrepublik ehört zu den wenigen Staaten, die den Boykott aufchterhalten und gleichzeitig in der EU eine Korrektur es Gemeinsamen Standpunktes blockieren. Inzwischen ist in Kuba ein interessanter „Anpasungsprozess“ im Gang. Beobachter sprechen von relav weitreichenden, vor allem wirtschaftlichen Reforen. Auch wenn ich an dieser Stelle nicht ins Detail ehen kann: Es lohnt sich, diesen Prozess viel stärker zu eachten und zu analysieren. Der Punkt ist: Gerade dienigen, die von der kubanischen Regierung gebetsmühnartig die Freilassung von Gefangenen und innere eformen verlangen, ignorieren die positiven Verändeungen. Sie scheinen damit den Verdacht zu bestätigen, s gehe ihnen weder um Menschenrechte noch Reforen, sondern lediglich um Machtdemonstrationen geen eine missliebige Regierung. Im Ergebnis erweisen sie Kuba und der Bundesrepulik in dreifacher Hinsicht einen Bärendienst: Die wirtschaftliche Entwicklung und die kulturelle ielfalt in Kuba werden gebremst. Bundesregierung und EU lassen diejenigen in Kuba, ie neue Wege gehen wollen und die, wie zum Beispiel uch die Katholische Kirche, den Dialog suchen, im Reen stehen. Die Staaten Lateinamerikas arbeiten gerade an einer tegration Kubas in die regionalen Bündnisse und woln die Isolierung der Insel beenden. Die Bundesrepulik bleibt bei der künftigen Entwicklung Kubas außen or und schadet damit ihrem Ansehen in der gesamten egion. Die SPD-Bundestagfraktion fordert also die Bundesgierung auf, sich innerhalb der EU für eine grundgende Korrektur des Gemeinsamen Standpunktes ein usetzen. Dies wäre auch ein Schritt, die eigene Lateinamerika-Strategie“ irgendwo einmal ernst zu Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17485 Dr. Johann Wadephul gebene Reden )


(A) )

nehmen und mit Leben zu füllen. Dort kann man unter
anderem lesen: „Wir wollen unser Gewicht in die euro-
päisch-lateinamerikanischen Beziehungen einbringen,
um für Kohärenz der europäischen Position zu sorgen
und die strategische Partnerschaft zwischen unseren Re-
gionen zu stärken und lebendig zu halten.“

Und an anderer Stelle heißt es nach einer Aufzählung
der großen politischen und geografischen Vielfalt der
Region: „Nötig sind deshalb auch neue Formate der
politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, tech-
nologischen, ökologischen und entwicklungspolitischen
Zusammenarbeit, die auf die Besonderheiten der einzel-

(Zitate aus „Deutschland, Lateinamerika und die Karibik: Konzept der Bundesregierung“, Berlin 2010)


Überall wimmelt es von Dialog, von Menschenrech-
ten, Zusammenarbeit und wirtschaftlicher Entwicklung.
Von Druck, Boykott, der Hinnahme und faktischen Stüt-
zung von Blockaden lese ich nichts. Wer wirklich mehr
Öffnung und Liberalität, wer die positiven Veränderun-
gen in Kuba unterstützen will, muss den konfrontativen
Geist und die diskriminierende Praxis, die im offiziellen
EU-Standpunkt enthalten sind, aufgeben.

An dieser Stelle sei daran erinnert, dass bereits vor
mehr als einem Jahr die Bundesregierung auf meine ent-
sprechenden Fragen in der Fragestunde vom 10. No-
vember 2010 (Drucksache 17/3619) mitgeteilt hat, dass
es ihre Linie sei, „ergebnissoffen die Optionen einer
Neuausrichtung der EU-Kuba-Politik zu prüfen“. Da-
rüber werde sie dem Bundestag berichten. Da ist doch
nach so langer Zeit die Frage erlaubt: Was ist seither
geschehen, zu welchen Erkenntnissen ist die Bundesre-
gierung im Zuge ihrer Prüfungen gelangt und welche
Schlüsse zieht sie daraus? Vielleicht erfahren wir ja
heute mehr, sonst fragen wir noch einmal in geeigneter
Form nach.

Wir fordern also die Bundesregierung zu nicht mehr
und nicht weniger auf, als das von ihr selbst beschlos-
sene Lateinamerika- und Karibik-Konzept ernst zu neh-
men und umzusetzen.

Zurück zu den Anträgen: Wir halten aber auch die im
„Linken“-Antrag enthaltene unvermittelte Vermischung
von EU-Standpunkt und dem Thema „Miami-Five“ für
verfehlt. Schade, dass die „Linke“ das nicht korrigieren
wollte.

Aus dem hier Dargestellten ergibt sich, dass die SPD-

(EUStandpunkt)

lichen EU-Standpunkt anstreben und den Bilateralismus
überwinden wollen, aber das Grundanliegen teilen.


Marina Schuster (FDP):
Rede ID: ID1714633200

„Entweder wir ändern uns, oder wir gehen unter“ –

so etwa äußerte sich der Staats- und Regierungschef Ku-
bas Raúl Castro im Dezember vergangenen Jahres vor
der kubanischen Nationalversammlung. Selbst Fidel hat
davor einräumen müssen, dass das alte System des ku-
banischen Sozialismus, des Sozialismus unter Palmen,
nicht mehr funktioniert. Gestatten Sie mir, dies aus libe-

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(C (D aler Sicht zu untermauern: Es hat noch nie funktioniert. ber: Einsicht ist bekanntlich der erste Schritt zur Beserung. Im April dieses Jahres hat der jahrelang aufgeschoene VI. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas etagt. Große Reformpläne wurden per Parteibeschluss atifiziert. Vor diesem Hintergrund stellen sich mir drei ragen. Erstens. Wurden auf diesem VI. Parteitag effektive eformen in Gang gesetzt, um das Land zu öffnen oder in den Worten Raúl Castros – um „das sozialistische odell zu aktualisieren“? Zweitens. Sind die angekündigten Reformen nur leere ersprechungen, oder hält Raúl Castro anders als Fidel iesmal Wort und setzt seine Worte in die Tat um? Angeündigt wurden tiefgreifende Veränderungen: mehr arkt und weniger Staat, die Kürzung von Staatsausga en, schmerzhafte Entlassungen, der Abschied flächeneckender Subventionierungen, mehr Raum für Kleingeerbe, mehr Autonomie für Staatsunternehmen sowie r Gewerkschaften und Selbstständige. Die Regierung aúl Castros muss sich an der Durchführung dieser Rermen sowie an dem Erfolg derselben messen lassen. Die dritte Frage ist nun die Wichtigste: Sind die Rermen tiefgreifend genug und werden sie so konsequent urchgeführt, dass eine Änderung der deutschen und uropäischen Linie notwendig ist? Lassen Sie mich die dritte Frage als erste beantworn: Für mich bleibt es beim Nein, auch wenn die Bewerng nach dem VI. Parteitag differenzierter ausfallen uss. Denn – um die erste Frage zu beantworten – es urden zwar tiefgreifende Reformen angekündigt; allerings ausschließlich im wirtschaftlichen und nicht im olitischen Bereich, das heißt bei den politischen und ürgerlichen Freiheiten. Inwiefern die Reformbemühunen umgesetzt werden und in einem weiteren Schritt Erlg haben – um die zweite Frage zu beantworten –, ist um jetzigen Zeitpunkt noch nicht auszumachen. Es wäre deshalb verfrüht, die bilaterale und europäiche Linie, die sich im Gemeinsamen Standpunkt niederchlägt, zu ändern, wie dies im Antrag der Linksfraktion efordert wird. Denn im politischen Bereich sowie im ereich Einhaltung und Durchsetzung von Menschenchten sind keine Änderungen angekündigt und ebenso enig zu erwarten. Und trotzdem, Kolleginnen und Kolgen der Linksfraktion, besteht unsererseits – auch urch den zweigleisigen Ansatz des Gemeinsamen tandpunkts – Bereitschaft zum Dialog, um die schwierien Wirtschaftsreformen zu begleiten und Kuba diesbeüglich zu unterstützen. Gleichzeitig kann und darf aber nicht unser Ziel sein, ie kubanische Führung zu belohnen, indem wir den Geeinsamen Standpunkt aufgeben. Denn der Missstand politischen sowie im menschenrechtspolitischen Beich ist weiterhin gravierend. Oppositionelle werden mer noch schnell als Söldner des Imperialismus diffa iert. Obwohl man die Freilassung der 75 Inhaftierten es Schwarzen Frühlings als positives Zeichen werten arf, sprechen andere Zahlen ganz andere Worte. Im 17486 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Klaus Barthel gebene Reden )


(A) )

September 2011 wurden mehr als 560 Dissidenten vo-
rübergehend festgenommen – die größte Festnahme-
Welle seit 30 Jahren.

Man ist nun nur dazu übergegangen, unterhalb der
Schwelle langer Haftstrafen oder prominenter Fälle, die
international Aufmerksamkeit bewirken, repressive
Maßnahmen durchzuführen. Der autoritäre Charakter
des Systemerhalts durch physische Drangsalierung,
Kurzzeitverhaftungen und Einschüchterung ist dabei
gänzlich unstrittig.

Seit dem arabischen Frühling sind mehr Ressourcen
auf den Repressionsapparat verwendet worden als je-
mals zuvor. Auch das Internet ist Teil davon. An dieser
Stelle möchte ich auch gern nochmals betonen, dass
Freilassung nicht gleichzusetzen ist mit Exil. Letzteres
ist nämlich das Schicksal der politischen Gefangenen
des Schwarzen Frühlings, die in Spanien um Asyl ersu-
chen mussten.

In dem Antrag der Linksfraktion gibt diese an, dass
die Zusammenarbeit mit Kuba ein großes Potenzial
hätte im Bereich Verwirklichung der wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte. Leider ver-
kennt die Linksfraktion die Realität: Kuba hat nicht ein-
mal den internationalen Pakt über bürgerliche und poli-
tische Rechte oder den Pakt über wirtschaftliche, soziale
und kulturelle Rechte ratifiziert. Außerdem hat Kuba
selbst im Jahre 2003 die bilaterale Zusammenarbeit so-
wohl im kulturellen und bildungspolitischen als auch im
entwicklungspolitischen Bereich ausgesetzt.

In ihrem zweiten Antrag fordert die Linksfraktion eine
Freilassung der „Miami Five“, von denen mittlerweile
noch vier in amerikanischer Gefangenschaft sind. René
González war im Oktober mit drei Jahren auf Bewäh-
rung, in denen er die USA nicht verlassen darf, aus der
Haft entlassen worden. Die schwerwiegende Anklage in
den USA lautete für alle fünf auf Spionage. Die fünf An-
geklagten waren 2001 in einem rechtsstaatlichen Ver-
fahren nach internationalen Rechtsstandards in dem
Rechtsstaat USA für schuldig erklärt und rechtmäßig
verurteilt worden. Unmittelbar nach der Freilassung
von René González im Oktober hatte die USA Kuba den
Vorschlag unterbreitet, René González gegen Alan
Gross auszutauschen. Alan Gross war im April von ei-
nem kubanischen Gericht zu 15 Jahren Haft wegen
„Vergehen gegen die Unabhängigkeit und Integrität des
Staates“ verurteilt worden und ist nun in Havanna in-
haftiert. Diesen Vorschlag hatte Kuba ausgeschlagen.

Die USA und Kuba befinden sich in der Frage der
Freilassung bzw. Überstellung von Gefangenen in Kon-
takt. Der Antrag der Linksfraktion ist dahin gehend ob-
solet. In der Frage des Besucherrechts stimme ich je-
doch mit den Antragstellern überein. Dies genügt jedoch
nicht, dem Antrag zuzustimmen.

Uns muss es darum gehen, Kuba auf dem Weg in eine
freie und demokratische Zukunft zu unterstützen, um das
Leid der kubanischen Bevölkerung endlich zu beenden.
Es gilt deshalb, die vorsichtigen positiven Zeichen zu se-
hen, aber gleichzeitig die negativen Signale nicht auszu-
blenden. Der zweigleisige Ansatz, der bereits seit 1996

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(C (D it dem Gemeinsamen Standpunkt auf bilateraler und uropäischer Ebene gefahren wird, folgt genau dieser aßgabe. „Wenn Hilfsorganisationen, Behörden oder die Uno Kampf gegen die Cholera in Haiti mehr Ärzte und rankenschwestern brauchen, rufen sie nicht in ashington oder Brüssel an, sondern in Havanna.“ So teht es im aktuellen Spiegel zu lesen. Es wird ausdrückch das kubanische Engagement in der medizinischen usammenarbeit mit anderen Entwicklungsländern geürdigt und gleichzeitig aber auch auf die ideologische erbohrtheit des Westens hingewiesen, wenn es darum eht, dieses Engagement finanziell zu fördern. Niebel pricht ja gerne von trilateraler EZ und von Süd-Südooperation. Die Linke wirbt dafür, die erfolgreiche üd-Süd-Kooperation Kubas mit anderen lateinamerianischen, afrikanischen und asiatischen Ländern zu nterstützen. Norwegen hat es vorgemacht, als es nach em Erdbeben in Haiti die kubanischen Ärztebrigaden nanziell unterstützt hat, die dort seit vielen Jahren areiten und die wichtiger Anlaufpunkt für Helferinnen nd Helfer aus aller Welt waren. Voraussetzung dafür ist, endlich vom unsäglichen soenannten Gemeinsamen Standpunkt der EU zu Kuba bzurücken. Die EU braucht einen neuen Ansatz, eine chte Kooperation mit diesem Land, das für den Aufruch in Lateinamerika, für die sozialen und demokratichen Fortschritte und für die Integrationsprozesse dort ine wichtige Rolle spielt. Kuba ist nicht mehr der isoerte Paria-Staat. Das heißt nicht – heißt es ja übrigens uch nicht in der Zusammenarbeit mit anderen Ländern –, ass die EU die Augen verschließen soll, wenn bürgerlihe Freiheitsrechte verletzt werden. Das heißt aber urchaus, dass der Einsatz Kubas für die Verwirklihung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte nerkannt und auch unterstützt wird. Die EU kooperiert mit Ländern wie Mexiko und Kombien, in denen Journalisten und Gewerkschafter ihs Lebens nicht sicher sind, wo im Drogenkrieg und bei er sogenannten Aufstandsbekämpfung Tausende ihr eben lassen. Aber mit Kuba wird nicht kooperiert, weil ich das Land beharrlich weigert, sich dem Kapitalisus preiszugeben. Für diejenigen, die in Kuba politi che Repression erleiden, verbessert sich durch die lockadehaltung der EU und der Bundesregierung ichts. Wo hingegen respektvoll verhandelt wird, können erbesserungen erreicht werden, wie das Beispiel der panischen Bemühungen vor einem guten Jahr gezeigt at. Dass die EU und die Bundesregierung mit zweierlei aß an das Thema Menschenrechte und Kuba herange en, zeigt sich auch im Umgang mit den fünf Kubanern, ie seit 1998 in den USA gefangen gehalten werden. Annio Guerrero Rodríguez, Fernando González Llort, erardo Hernández Nordelo, Ramón Labañino Salazar nd René González Sehwerert hatten exilkubanische errorgruppen in den USA infiltriert, um Attentate auf r Land zu verhindern. Dafür gebührt ihnen höchster Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17487 Marina Schuster gebene Reden )

Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714633300

(A) )

Respekt. Die US-Justiz hat sie indes unter dem Vorwurf
der Spionage zu hohen Haftstrafen verurteilt. Wir er-
warten von der Bundesregierung, dass sie sich für die
Freiheit der fünf einsetzt. Aber wir erkennen keinerlei
Bemühungen. Dabei bestätigen weltweit Menschen-
rechtsorganisationen und auch die UNO, dass Verhaf-
tung, Prozessverlauf und Haftbedingungen rechtsstaat-
lichen Standards völlig entgegenliefen. Seit Jahren
dürfen zum Beispiel die Ehefrauen ihre Männer nicht im
Gefängnis besuchen.

Wir freuen uns, dass René González Sehwerert nun
zumindest aus dem Gefängnis entlassen wurde. Dass er
allerdings nach wie vor die USA nicht verlassen und
nicht in sein Heimatland ausreisen darf, ist nicht hin-
nehmbar und eine Verlängerung dieses unfassbaren Jus-
tizskandals. Die Bundesregierung will ihre internatio-
nale Politik an den Menschenrechten ausrichten? Hier
hätte sie etwas zu tun.

Die Fraktion Die Linke fordert gemeinsam mit vielen
Menschen weltweit: Freiheit für Antonio Guerrero
Rodríguez, Fernando González Llort, Gerardo
Hernández Nordelo und Ramón Labañino Salazar und
die freie Ausreise für René González Sehwerert!


Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714633400

Dem Antrag der Linken, den Gemeinsamen Stand-

punkt der EU zu Kuba aufzugeben, kann kein ernsthafter
Menschenrechtsverteidiger zustimmen, auch nicht einer
wie ich, der Kuba und die Kubaner mag. Der Gemein-
same Standpunkt stellt keinen Boykott Kubas dar, wie
die Linke sagt, und er zielt auch nicht auf einen System-
wechsel, obwohl der an der Zeit wäre. Der Standpunkt
beinhaltet keine Sanktionen, wie die Linke behauptet,
sondern fordert eine Intensivierung des Dialogs und der
Zusammenarbeit. Es geht der EU um „Achtung der
Menschenrechte“, „Verbesserung des Lebensstandards
der kubanischen Bevölkerung“ sowie Stärkung von De-
mokratie in Kuba. Vor allem der letzte Punkt sei eine
unrechtmäßige Einmischung in die inneren Angelegen-
heiten eines Staates und ein Bruch der UN-Charta, be-
hauptet die Linke. Zur Erinnerung für die Linke: Nach
§ 1 der kubanischen Verfassung ist Kuba eine Demokra-
tie, nach § 3 geht die Macht vom Volke aus. Wo ist also
der Bruch der UN-Charta, von dem der Antrag fabu-
liert, wenn man Demokraten und Demokratie in Kuba
fördern will? Dass dies Ziele der EU sind – und zwar
nicht nur in den Beziehungen zu Kuba, sondern in allen
auswärtigen Beziehungen –, wird doch hoffentlich in
diesem Haus nicht zur Debatte gestellt.

Die kubanische Regierung macht es sozial engagier-
ten Menschen und Menschenrechtsverteidigern schwer,
aufseiten Kubas zu sein. Ja, die Erfolge in den Bildungs-
und Gesundheitssystemen, der Ausgleich zwischen den
sozialen Schichten, das schnelle und uneigennützige
Engagement der Ärzte Kubas im Ausland, zum Beispiel
in Haiti – so betrachtet wäre Kuba in der Tat ein Vorbild,
nicht nur in der Region. Die durchschnittliche Lebens-
erwartung der Kubaner ist zehn Jahre höher als die der
übrigen Lateinamerikaner, sogar höher als die in den

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(C (D SA. Das sind wichtige Errungenschaften, die man geade in meinem Alter zu schätzen weiß. Auf der anderen Seite steht aber eine massive und lanmäßige Beschneidung der politischen Menschenchte und der Freiheit der Kubaner, stehen willkürliche erhaftungen von Menschenrechtsverteidigern und eine on oben verordnete Erstarrung aller sozialen und polischen Prozesse im Land. Die systematischen Menchenrechtsverletzungen kann man nicht gegen gute esundheitsversorgung aufwiegen. Die sozialen und ulturellen Rechte, um die es in Kuba vergleichsweise ut steht, darf man nicht gegen die politischen und indiiduellen Menschenrechte ausspielen. Menschenrechte ind unteilbar! Kein Staat kann sich auf einzelne Rechte tützen und dann sagen, dass der Rest bei ihm nicht ählt. In Kuba gibt es keine Meinungsfreiheit, keine Presseeiheit, kein Recht auf einen fairen Prozess vor Gericht, eine Versammlungsfreiheit, Menschen werden wegen rer politischen Meinung ins Gefängnis geworfen, die aftbedingungen sind menschenunwürdig. Auch wenn ie Schulen in Kuba gut sind: Die Menschen in Kuba ind nicht frei. Und wer nach Freiheit ruft, wird unterrückt, seiner Würde beraubt und mundtot gemacht. Daan haben auch die jüngsten Entlassungen von politichen Gefangenen nichts geändert. Es ist ja nicht so, als äbe es nun keine politischen Gefangenen mehr: Dissienten werden vielleicht nicht mehr jahrelang, sondern mer nur wieder für kurze Zeit inhaftiert, dann freigessen, dann wieder für einige Tage und Wochen inhafert, wieder freigelassen, inhaftiert und so weiter. Das ermürbt und treibt diejenigen, die sich für Menschenchte und soziale Verbesserungen engagieren, ins Exil. Jetzt wollen die Señores Presidentes Raúl y Fidel astro die Wirtschaft liberalisieren. Sagen sie. Prima. ber eine wirtschaftliche Öffnung ohne Öffnung des olitischen Raums ist kein Fortschritt für die Menschen. uch diese Maßnahme wird die systematische Enttäuchung aller alten und neuen Freunde Kubas nur fortseten. Dass die Regierung dort beharrlich und immer ieder alle Chancen verspielt, das Land freier und leenswerter für die Kubaner zu machen, ist mir unbereiflich. Auch ich habe die kubanische Revolution daals vor mehr als 50 Jahren mit meinen größten offnungen und Idealen begleitet. Che Guevara ist noch eute vielen jungen Menschen Symbol für Solidarität nd selbstloses Eintreten für die Freiheit, auch wenn sie as Leben kostet. Fidel Castro hat die Linke in bewegten Worten zum 5. Geburtstag gratuliert und die „Errungenschaften es sozialistischen Kubas“ gepriesen. Ich sage nicht inder bewegt zu Fidel in Anlehnung an die Worte des enerals Moncada in „Hundert Jahre Einsamkeit“ von abriel García Márquez, einem der getreuesten reunde des Comandante de la Revolución: „Lo que me reocupa es que de tanto odiar a los militares, de tanto ombatirlos, de tanto pensar en ellos, has terminado por er igual a ellos. Y no hay un ideal en la vida que mezca tanta abyección.“ Und ich füge hinzu: „La histo ia no te absolverá.“ 17488 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Heike Hänsel gebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17489 )


(A) )


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714633500

Wir kommen zur Abstimmung. Der Auswärtige Aus-

schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 17/4273, den Antrag der Fraktion Die Linke
auf Drucksache 17/3188 abzulehnen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Das sind die Koalitions-
fraktionen. Gegenprobe! – Die Fraktion Die Linke. Ent-
haltungen? – Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die
Grünen. Die Beschlussempfehlung ist angenommen.

Tagesordnungspunkt 22 b: Interfraktionell wird Über-
weisung der Vorlage auf Drucksache 17/7416 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
gen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:

Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Wiedergewährung
der Sonderzahlung

– Drucksache 17/7631 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4. Ausschuss)


– Drucksache 17/8007 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Armin Schuster (Weil am Rhein)

Michael Hartmann (Wackernheim)

Dr. Stefan Ruppert
Frank Tempel
Dr. Konstantin von Notz

Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung

– Drucksache 17/8011 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider (Erfurt)

Otto Fricke
Roland Claus
Katja Dörner

Alle Reden, die uns hierzu gemeldet worden sind, ge-
hen zu Protokoll.1) Sie sind damit einverstanden? – Wi-
derspruch erhebt sich nicht. Die Namen der Kolleginnen
und Kollegen liegen hier vor.

Wir kommen zur Abstimmung über den von den
Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten
Gesetzentwurf zur Wiedergewährung der Sonderzah-
lung. Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 17/8007, den Gesetzent-
wurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf
Drucksache 17/7631 in der Ausschussfassung anzuneh-
men. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen, die Fraktion der Sozialdemo-
kraten und die Linksfraktion, also alle miteinander. Wer

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e1) Anlage 7

(C (D timmt dagegen? – Niemand. Enthaltungen? – Auch nieand. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung ngenommen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – as sind alle. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Enthalngen? – Niemand. Der Gesetzentwurf ist angenomen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Antrag der Abgeordneten Dorothea Steiner, Stephan Kühn, Undine Kurth terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Elberaum entwickeln – Nachhaltig, zukunftsfähig und naturverträglich – Drucksachen 17/4554, 17/7681 – Berichterstattung: Abgeordnete Ulrich Petzold Dr. Matthias Miersch Horst Meierhofer Sabine Stüber Dorothea Steiner Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die eden zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolleinnen und Kollegen liegen hier vor. Wenn es wirklich das Ziel des Antrags war, eine Elbe trategie unter Einbeziehung aller relevanten gesellchaftlichen Gruppen zu entwickeln, so ist das Ziel meinweit verfehlt worden. Darauf weist schon das bstimmungsergebnis in unserem Ausschuss hin. Letztndlich standen Bündnis 90/Die Grünen mit ihrem Antrag llein da und fanden nicht einmal bei einer einzigen anden Fraktion Unterstützung. Die Absagen waren zwar öflich verklausuliert, ließen aber an Deutlichkeit keine weifel offen. Schon allein dem Anspruch des Antrags, für alle releanten gesellschaftlichen Gruppen zu sprechen, kann an eine gewisse Anmaßung nicht absprechen. Reprä entieren Wirtschaftsund Schifffahrtsverbände sowie ie angrenzenden Landwirte oder gar die Kommunen eine gesellschaftlich relevanten Gruppen? Dass die chifffahrtsverbände, aber auch Wirtschaftsvereinigunen und die IHK eher nicht zu den Ansprechpartnern der rünen gehören, ist mir wohl bewusst. Nur, es geht icht, dass man behauptet, im Namen aller relevanten ruppen zu sprechen, und die Wirtschaftsverbände auen vor lässt. Nun kann man da noch von Berührungsängsten sprehen. Aber dass die Grünen nicht einmal vor solch eiem Antrag mit den betroffenen Kommunen sprechen, rschüttert mich geradezu. Haben denn die Grünen in )

Ulrich Petzold (CDU):
Rede ID: ID1714633600

(A) )

den neuen Bundesländern gar keine kommunalen Wur-
zeln? Sind deren Vertreter in Stadt- oder Gemeinderäten
so wenig relevant, dass mit ihnen nicht mehr gesprochen
wird, oder haben diese Vertreter dort auch schon jegli-
chen Kontakt außerhalb ihrer Klientel verloren? Erlau-
ben Sie mir bitte, dass ich beispielhaft nur einmal die
beiden Anliegerkommunen Aken und Magdeburg he-
rausgreife, um mich nicht dem Geruch der Parteilichkeit
auszusetzen, indem ich mich nur auf Parteifreunde in
meinen Aussagen beschränke.

Mit dem SPD-Bürgermeister Müller aus Aken hat
eine der wesentlichen Autoren des Antrags, unsere Kol-
legin Kurth, wohl kaum gesprochen. Seine wörtlichen
Ausführungen zu dem Antrag möchte ich lieber hier
nicht öffentlich zitieren. Zitieren kann ich aber wohl aus
dem Brief des Beigeordneten für Kommunales, Umwelt
und allgemeine Verwaltung der Stadt Magdeburg, Herrn
Holger Platz, den er uns im Auftrag des SPD-Oberbür-
germeisters Trümper am 14. Oktober geschrieben hat:
„Die Hochwasserpartnerschaft Elbe – ein Zusammen-
schluss mehrerer Kommunen zwischen Geesthacht und

(deutliches Zurückfahren der Unterhaltungsmaßnahmen)

in einzelnen Streckenbereichen das Hochwasserrisiko
deutlich erhöht wird. Insbesondere dort, wo gegenwär-
tig die Unterhaltung durch Entnahme von Geschiebe ge-
währleistet wird, sind Aufsandungen zu befürchten, die
nicht nur der Schifffahrt, sondern auch dem Gewässer-
abfluss nicht zuträglich sind.“

Das Zitat dürfte wohl kaum mit dem Antrag in Über-
einstimmung zu bringen sein. Es ist daher auch nur kon-
sequent, wenn sich die SPD im Ausschuss zu dem Antrag
der Stimme enthalten hat.

Konsequenter wäre natürlich eine Ablehnung gewe-
sen, doch man will wohl dem Lieblingskoalitionspartner
nicht zu große Schmerzen zufügen. Nach dem Debakel
von Stuttgart 21 ist das wohl verständlich. Doch nicht nur
die Abstimmung zu Stuttgart 21 zeigt, wie schief die Grü-
nen damit liegen, wenn sie meinen und öffentlich immer
wieder lautstark proklamieren, die Meinung des Volkes zu
vertreten. Das INFO-Meinungsforschungsinstitut aus
Berlin, das sehr stark mit dem Max-Planck-Institut zu-
sammenarbeitet, hat in Sachsen-Anhalt eine repräsenta-
tive Bevölkerungsbefragung zur infrastrukturellen Ent-
wicklung durchgeführt, zu der mehr als 1 000 Personen
befragt wurden. Erlauben Sie mir, dass ich daraus zitiere:

Drei Viertel der Befragten, genau 74 Prozent sind der
Meinung, dass die Schifffahrt auch künftig für Trans-
porte und Tourismus möglich sein sollte. Nur 21 Prozent
waren der Ansicht, dass die Flüsse renaturiert werden
sollten. Jeweils mehr als drei Viertel der Wähler von
CDU, SPD und Linkspartei geben ein positives Votum
zur Binnenschifffahrt ab, aber auch 65 Prozent der Wäh-
ler von Bündnis 90/Die Grüne.

Selbst bei Ihren eigenen Wählern, meine Damen und
Herren von den Grünen, wollen nur ganze 35 Prozent,
dass unsere Flüsse renaturiert werden.

Eine größere Ohrfeige für einen solchen Antrag und
insbesondere für die Aussage, dass man für alle relevan-

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Zu Protokoll ge

(C (D n Gruppen spricht, kann man wohl kaum bekommen, enn noch nicht einmal die eigene Basis dahinter steht. an kann sich natürlich seine relevanten Gruppen auch elbst wählen und schönreden, doch dann ist man von er Brecht´schen Aussage, dass sich die Regierung ein eues Volk wählen sollte, nicht mehr weit entfernt. Oder ach Pippi Langstrumpf: „Ich bastle mir `ne Welt, so ie sie mir gefällt“. Nun habe ich ja in den Gesprächen, die wir zu dem ntrag seit Februar dieses Jahres geführt haben, und in en Beratungen unseres Ausschusses mehr als genug arauf hingewiesen, dass eine so renommierte Einrichng wie das Biosphärenreservat Mittelelbe bereits in ei em Beitrag von 2009 darauf hingewiesen hat, dass es mweltschonende Möglichkeiten der Unterhaltung der lbe für die Nutzung durch die Schifffahrt gibt, die sogar it ökologischen Verbesserungen verbunden sind. Das Biosphärenreservat weist nach, dass es Möglicheiten gibt, Buhnen so zu rekonstruieren und mit Verbeserungen zu versehen, dass sie sowohl den Bedingungen r eine schifffahrtliche Nutzung als auch ökologischen rfordernissen genügen, dass die Sohlenerosion und soit das Eingraben der Elbe in den betroffenen Gebieten ehr wohl gestoppt werden kann. Dazu muss man jedoch uch Maßnahmen zur Erhöhung der Sohlenrauhigkeit kzeptieren, die durchaus auch der Flussfauna entgeenkommen. Auch Leitwerke können, wie an den Elbeilometern 225, 228 und 251 geschehen, „gut an die ensiblen ökologischen Bedingungen angepasst weren“, wie die Biosphärenreservatsverwaltung bestätigt. as versieht sie mit einem besonderen Dank an das asserund Schifffahrtsamt in Dresden, dem ich mich ier auch noch einmal ausdrücklich anschließen öchte. Wer jedoch aus ideologischen Vorbehalten jeen Stein in der Elbe als „Steinigung“ bezeichnet, hat es mer noch nicht begriffen, dass der ökologische Umau der Unterhaltungsmaßnahmen längst begonnen hat. chon längst arbeiten das Biosphärenreservat und die asserund Schifffahrtsverwaltung Hand in Hand, enn es darum geht, Uferbefestigungen aus Stein dort u entfernen, wo es geht, aber auch dort auszubessern, o es erforderlich ist. Insofern stimmen die Ausführungen der SPD-Frakon in der Berichterstattung auch nicht, dass wir uns um ersten Mal intensiv mit diesem Thema beschäftigen. h persönlich kann Ihnen nur bestätigen, dass ich beits im Jahr 1991 gemeinsam mit dem letzten DDR-Ver ehrsminister Horst Gibtner in der Wasserund Schiffhrtsdirektion Ost hier in Berlin war und hier in erbindung mit dem Bundesverkehrsministerium festgegt wurde, dass es keinen Ausbau der Elbe geben wird. eitdem begleite ich dieses Thema und wundere mich mer wieder über den Unsinn, der scheinbar mit politichem Kalkül und mit konstanter Unkenntnis veröffentcht wird. Das Biosphärenreservat berichtet in der Veröffentlihung aus dem Jahr 2009 auch sehr schön über die hronologie der Veränderungen bei der Wasserstraßennterhaltung an der Elbe: vom Forschungsprogramm Elbeökologie“ aus dem Jahr 1993, der Elbe-Erklärung 17490 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Ulrich Petzold gebene Reden )


(A) )

aus dem Jahr 1996 bis hin zu den Erkenntnissen aus Un-
terhaltungsmaßnahmen, die dann insbesondere nach
1996 gemeinsam von Biosphärenreservat und Wasser-
und Schifffahrtsamt Dresden gewonnen wurden. So
brachte der zweijährige Unterhaltungsstopp nach dem
Elbe-Hochwasser von 2002 keine wirklich neuen Erfah-
rungen, da die seit 2001 arbeitende Bund-Länder-Ar-
beitsgruppe in einem Unterhaltungsplan schon vieles
bedacht hatte.

Auch der Gedanke, die Auswirkungen der Klimaver-
änderung auf die Elbe zu untersuchen, ist beileibe nicht
neu. Das Ministerium für Landesentwicklung und Ver-
kehr des Landes Sachsen-Anhalt hat im November 2009
zwei Unternehmensberatungen damit beauftragt, alle
aktuellen Studien zur Schiffbarkeit von Elbe und Saale
zusammenzutragen und auf eventuelle Defizite in der
Forschungslage zu untersuchen. Die Studie wurde im
Rahmen des Projektes LABEL im Central-Europe-Pro-
gramm von den Unternehmen LUB Consulting GmbH
und Uniconsult durchgeführt.

Es war dabei nicht der Auftrag, zu überprüfen, ob die
Aussagen der begutachteten Studien richtig oder falsch
sind, sondern lediglich zu untersuchen: Mit wie viel
Nachweisen in welcher wissenschaftlichen Qualität sind
welche Aussagen der Studien untermauert? „Politi-
sche“ Dokumente wie Konzepte von Bundes- oder Lan-
desverwaltungen flossen dabei ganz bewusst nicht in die
Untersuchung ein. So wurden insgesamt 69 Studien und
Forschungsprojekte ausgewertet.

Bei der sehr nüchterne Analyse war für mich interes-
sant, dass immer wieder festgestellt wurde: „Die kriti-
schen Aussagen basieren häufig auf aktuellen Daten, ge-
hen jedoch von falschen Annahmen aus…“, „Ein
eindeutiger Trend lässt sich seriöserweise nicht ablei-
ten…“, „Kritische Positionen arbeiten teilweise mit fal-
schen Annahmen oder nehmen bewusst ungünstige
Transportmengenvergleiche vor.“ Dagegen steht dann:
„Gleichwohl wird die Plausibilität der befürwortenden
Aussagen signifikant höher bewertet.“ Waren da viel-
leicht einige Studien nicht doch mit einem klaren politi-
schen Auftrag versehen oder von Auftragnehmern aus-
geführt worden, die von vornherein klar zuzuordnen
waren?

Wenn dann in der Berichterstattung der Grünen be-
sonders darauf abgehoben wird, dass durch den Klima-
wandel bedingt die Unterhaltungsziele nicht erreicht
werden, muss man deutlich sagen, dass von 21 Studien,
die dazu eine Aussage treffen, 14 davon ausgehen, dass
der Klimawandel zu einer Verschlechterung der Schiff-
fahrtsverhältnisse auf der Elbe führt. Jedoch die 7 Stu-
dien, die genau dieser Aussage nicht folgen, weisen durch
umfangreichere Daten, eindeutigere und bessere Quellen
und eine höhere Plausibilität in ihren Schlussfolgerungen
nach, dass die Folgen des Klimawandels nicht so einfach
vorhersehbar und von einem hohen Unsicherheitsfaktor
gekennzeichnet sind. Die Evaluierung aller Studien stellt
dann auch fest: So gehen bei geografisch kleinräumigen
Vorhersagen, wie für das Elbstromgebiet, „die Vorhersa-
gemodelle teilweise sehr weit auseinander und sind daher
nur bedingt als Entscheidungsgrundlage anzusehen.“
Eine so apodiktische Aussage zur Auswirkung des Klima-

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Zu Protokoll ge

(C (D andels auf die Schiffbarkeit der Elbe wie in der Berichtrstattung der Grünen ist dann doch eher unsolide. Als Kind der Region, das in Wittenberg an der Elbe eboren ist, in Magdeburg studiert hat und immer die lbe oder einen ihrer Zuläufe vor Augen hatte, kann ich nen nur sagen: Magdeburg, Dessau/Wittenberg und Dresden/Riesa aren seit Jahrhunderten bedeutende wirtschaftliche äume an der Elbe. Wer diesen Kulturraum Otto des I., ugo Junkers, Martin Luthers und Johann Friedrich öttchers mit der unteren Oder oder dem Bayerischen ald auf die gleiche Stufe stellen und auf Naturtourisus trimmen will, hat kein Gespür für die Region. Es war schon eine große Sorge der Region, dass im ahmen der Neuordnung der Wasserund Schifffahrtserwaltung die Oberund Mittelelbe nur noch in das Eränzungsnetz des Bundeswasserstraßennetzes eingelant werden könnte. Indem jetzt im Gespräch ist, die lbe in die mittlere der vorgesehenen drei Schifffahrtstraßenkategorien einzustufen, kann auch von einer weirhin sachgerechten Unterhaltung ausgegangen weren. So sind die Befürchtungen der Binnenschiffer und er Sportbootbesitzer, aber auch Sorgen um einen ordungsgemäßen Hochwasserabfluss und um eine weitere ohlenvertiefung der Elbe, die mich erreichten, auch geade dank des Einsatzes der Landesregierungen der Elbnrainer wohl endgültig vom Tisch. Vielmehr werden eier strategischen Entwicklungsplanung an der Elbe ichtbare Vorgaben gemacht. Die Elbregion ist längst keine naturbelassene Landchaft mehr, sondern eine Kulturlandschaft, die eigene uristische Konzepte benötigt. Die Tourismusverbände, ie Kommunen, aber auch die Wirtschaftsverbände areiten schon lange an nachhaltigen, naturverträglichen onzepten für die Zukunft der Elbregion. „Das Schöne mit dem Nützlichen verbinden“, diese evise des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau, der durch ein Dessau-Wörlitzer Gartenreich an der Elbe weltbeühmt wurde, ist schon längst der Wahlspruch der Reion und die Grundlage aller – von der Gartenreichserwaltung über das Biosphärenreservat und die ommunen bis hin zu den Wirtschaftsverbänden. Selbsterständlich können auch da die Grünen ihre Ideen einringen, doch sie sollten nicht so tun, als hätten sie das ad neu erfunden. Die Elbe ist einer der schönsten Flüsse Deutschlands, nd ihre Aue ist durch die urigen, großen Feuchtwälder nd eine weitreichende extensive landwirtschaftliche utzung eine Perle im Inventar unserer Naturlandschafn. Gerade die Auwälder sind wichtiger Lebensraum r seltene Pflanzen und Tiere, sie sind geprägt durch ine hohe Artenvielfalt. Ich nenne da nur den Elbebiber, eeadler und den sehr seltenen Schwarzstorch. Auch der eißstorch gehört dazu, sein vermeintlich hohes Vor ommen ist zu großen Teilen den Anstrengungen der ehnamtlich engagierten Naturschützer zu verdanken, die ermanent bemüht sind, diesen Vögeln ihr Habitat zu eralten und zu pflegen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17491 Ulrich Petzold gebene Reden )

Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1714633700

(A) )

In weiten Strecken zeigt die Elbe immer noch den Cha-
rakter eines frei fließenden Flusses mit großem ökologi-
schen Wert. Der natürliche Charakter ist eigentlich ge-
prägt durch ständige Änderungen in seinem Lauf, durch
die Bildung neuer Schleifen, durch Abschneiden alter
Schleifen, die sich in Seen verwandeln. An einer Stelle
bricht Ufer weg, an anderen Stellen werden Sandbänke
angeschwemmt und sind Nahrungs- und Bruthabitate für
Flussregenpfeifer und Co. Dieser grundsätzlichen Bedeu-
tung der Elbe muss immer Rechnung getragen werden.

Dieses Ökosystem ist schon seit langem durch
menschliche Eingriffe geprägt, sie durch eine mensch-
lich geprägte Kulturlandschaft. Sie ist deutlich verkürzt
worden, durch Buhnen und Deiche ist ihr Lauf befestigt
worden, ihre Fließgeschwindigkeit hat sich im Laufe der
Schiffbarmachung erhöht. Damit einhergegangen ist
eine Veränderung der Landschaft und der Lebensräume
entlang der Elbe. Das Flussprofil wurde enger. Das be-
deutet: Ufer wurden steiler, weniger Fläche wird bei
Hochwasser überschwemmt, Nebenarme, Kiesbänke
und Inseln verschwanden. Kurz: Lebensräume haben
sich verändert.

Nach der Vereinigung Deutschlands keimten sofort
Pläne, den lange vergessenen Fluss zur genormten Was-
serstraße weiter auszubauen. Viele Fürsprecher in den
Verbänden verhinderten dies und setzten einen Kompro-
miss durch, der bis heute gehalten hat und für den wir
weiter stehen.

Richtig ist: Die Elberegion profitiert vom Naturraum
Elbe. Der Tourismus ist ein wichtiges Standbein, Ar-
beitsplätze sind im Tourismus entstanden. Richtig ist
aber auch: Die Elbe hat eine Bedeutung als Wasser-
straße, insbesondere als Hinterlandverbindung für den
Hamburger Hafen und im weiteren Verlauf etwa für die
Häfen in Magdeburg, in Roßlau und Bernburg. Die Bin-
nenschifffahrt kann für die Elbe-Region ein Wirtschafts-
faktor sein, wenn es gelingt, die verschiedenen Interes-
sen von Naturschutz, Naherholung und Industrie
zusammenzubringen.

Es stimmt, die reine Menge der transportierten Güter
auf der Elbe nimmt ab. Gleichzeitig ändert sich aber auch
die Art der Güter, die transportiert werden. Neben Mas-
sengüter- und Containerumschlägen nehmen zunehmend
hochwertige Transporte von Sperrgütern einen hohen
Stellenwert ein. Turbinen, Transformatoren, Generatoren,
Kompressoren, Schiffskörper von Küstenmotorschiffen
und Teile für Windkraftanlagen sind als Sondertransporte
kaum anders zu bewegen als über den Verkehrsträger
Wasserstraße.

Es ist klar: Wir stehen dafür, nicht nur den Status quo
zu erhalten. Wir wollen den ökologischen Zustand der
Elbe verbessern, weil wir den Wert des Lebensraumes
Elbe kennen, weil wir ein wirtschaftliches Potential im
Tourismus an der Elbe und weil wir die Ziele und Ver-
pflichtungen der Wasserrahmenrichtlinie hochhalten.
Diese definiert die ökologischen Mindestanforderungen,
sie fordert explizit eine Verbesserung des ökologischen
Zustandes.

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Zu Protokoll ge

(C (D Letztes Jahr wurde im Lödderitzer Forst damit beonnen, Deiche zurückzuverlegen. Der alte Deich soll 00 Meter zurück verlegt werden, auf fast 1 000 Hektar ann sich die Elbe in Zukunft bei Hochwasser ausbrein. Das bringt in diesem Bereich eine neue Zukunft für uwälder, für Auewiesen, für die Artenvielfalt. Insgeamt sollen bis 2020 durch solche Projekte 3 000 Hektar n Überschwemmungsgebiet der Elbe zurückgegeben erden. Dies ist ein wichtiger Schritt. Ziel muss es sein, der lbe mehr Raum zu geben und flachere, heterogene Ufer uzulassen. Dies ist notwendig, um die Elbe dynamicher zu machen, um den Lebensraum Ufer wiederzugeinnen, um Auen zu sichern. Und: Ich glaube auch, dass ir hier noch deutlich ambitionierter werden können. Aber: Ich schließe daraus nicht, dass wir uns von der chifffahrt auf der Elbe verabschieden müssen, auch wenn s die Alternativen Bahn und den Elbeseitenkanal gibt, ber die ernsthaft nachgedacht werden muss und die auch enutzt werden sollten, bevor der Fokus sich auf die Elbe chtet. Es stimmt: Lange Jahre wurden Flüsse unter reinen irtschaftlichen Aspekten gesehen. Sie wurden der chifffahrt angepasst. Wir müssen umdenken: Wenn wir ie Schiffbarkeit der Elbe erhalten wollen, muss sich die chiffbarkeit an den Notwendigkeiten der Herstellung es guten ökologischen Zustandes orientieren. Das ist öglich, daran habe ich keinen Zweifel. Das bedeutet, wir müssen uns genau anschauen: Welhe Güter werden auf der Elbe transportiert? Welche otenziale gibt es? Wo liegen die Engpässe – auf der lbe oder im Hamburger Hafen? Sind die Kanäle eine lternative? Wo gibt es dort Engpässe? Können diese ehoben werden? Können andere Schiffe eingesetzt weren? Wie verändert sich der Fluss im Zuge des Klimaandels, wie viel Wasser wird er in 20 Jahren führen? Wir müssen schauen, wo wir die Flussdynamik veressern können. Wo können wir Deiche zurückverlegen? elche Altwasser können wieder angeschlossen weren? Wo bringen neu entwickelte alternative Buhnen eien Vorteil gegenüber den bereits existierenden? Kann an Buhnen zum Beispiel an den Innenseiten von Flussiegungen zurückbauen? Ich finde die Untersuchungsergebnisse zu den Abenkbuhnen sehr interessant. Diese Buhnen lassen neen der Fahrrinne weitere Strömungskanäle zu. Die Unrsuchungen haben ergeben, dass bautechnisch alisierte Absenkungen im Mittelbereich von Buhnen enauso wie unbeabsichtigte Buhnendurchrisse zu einer essbar größeren Lebensraumvielfalt im Vergleich zur egelbuhne führen. Auch die Heterogenität der Uferböchungen nimmt zu. Auch wenn der Effekt nicht überchätzt werden darf, sollte überlegt werden, wie man iese Erkenntnis für die Elbe nutzen kann. Schifffahrt und Lebensraum Elbe sollten neu zusamengebracht werden. Es geht aus meiner Sicht darum, ie Elbe in einem Zustand zu sichern, der nicht über ein lar definiertes Maß an Schiffbarkeit hinausgeht. Dieses üssen wir klar definieren. Es geht genauso darum, die 17492 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Dr. Matthias Miersch gebene Reden )


(A) )

Naturlandschaften zu erhalten. Es geht darum, die Le-
bensräume für die Kraniche, Störche und andere Popu-
lationen, die in Größenordnungen wieder zurückgekehrt
sind, zu erhalten. Auch das muss in einer Zieldefinition
klar enthalten sein.

Ich weiß um den Spagat, der notwendig ist, die Bin-
nenschifffahrt zu erhalten und gleichermaßen die Natur-
landschaften zu schützen und, wenn möglich, auch wie-
der herzustellen. Dieser Spagat ist nicht einfach. Er ist
aber notwendig. Sowohl im Tourismus als auch in den
Häfen arbeiten Menschen an der Elbe. Lassen Sie uns
diese Arbeitsplätze nicht gegeneinander ausspielen.


Horst Meierhofer (FDP):
Rede ID: ID1714633800

Als Vorsitzender der parlamentarischen Gruppe

„Frei fließende Flüsse“ habe ich große Sympathie für
den Schutz von Flüssen und Auen. Deshalb begrüße ich
grundsätzlich Ihre Initiative.

Das Flussgebiet Elbe ist heute eine der ökologisch
wertvollsten Flusslandschaften, und das, obwohl vor
1990 die Elbe mit der Saale im Wettbewerb um den Titel
„dreckigster Fluss Mitteleuropas“ stand. Mittlerweile
bestehen gerade entlang der Mittelelbe wieder zahlrei-
che Biosphärenreservate, Naturparks oder Naturschutz-
gebiete. Und trotzdem: Die Klassifizierung der mittleren
Elbe in mäßig und stark veränderte Flussabschnitte
zeigt auf, dass noch viel zu tun ist.

Zwischen Saale und Mulde sind viele Altwässer unzu-
reichend an das Elbwasser angebunden. In der Folge
droht vielen Feuchtgebieten die Verlandung. Gerade in
Sommermonaten droht der Sauerstoffgehalt der Elbe zu
kippen. Diese Problematik ist erkannt: Gute Wasserqua-
lität ist nur mit dem Erhalt und der Wiederherstellung
der hydromorphologischen Gegebenheiten erreichbar.
Die starken Schäden durch die letzten Hochwasser sind
noch nicht vollständig beseitigt. Mit dem „Rahmenkon-
zept Unterhaltung“ ist die Bundesregierung hier aktiv.
Es besteht weiter Handlungsbedarf. Schnellschüsse
bringen uns dabei aber nicht weiter. Fluss- und Auen-
schutz kann nur durch jahrelange Kärrnerarbeit erreicht
werden. Hierfür arbeiten wir!

Man muss aber auch konstatieren, dass neben den
Maßnahmen der Bundesregierung auch die Länder ge-
fragt sind. Mit der wasserwirtschaftlichen Unterhaltung
hat der Bund hier eine Verantwortlichkeit, die bereits
weit über verkehrliche Aufgaben hinausgeht. Wir dürfen
von den Bundesländern erwarten, dass die Themen Soh-
lenstabilisierung oder die Errichtung von Längs- und
Querbänken – die notwendig ist für unterschiedliche
Fließgeschwindigkeiten – von den Bundesländer aktiv
betrieben werden. Die Verantwortung für derartige
Maßnahmen liegt klar bei den Ländern.

Ein weiteres Problem stellte auch die 1960 errichtete
Staustufe Geesthacht dar. Die Durchlässigkeit der Stau-
stufe für Fische war und ist umstritten. Mit der neuen
zweite Fischtreppe, die im September des letzten Jahres
fertiggestellt wurde, könnte nun theoretisch sogar der
Stör wieder heimisch werden.

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Zu Protokoll ge

(C (D Wir wollen wie Sie ebenfalls keine weiteren Staustun in der Elbe. Die FDP hat sich bereits in ihrem Wahlrogramm von 2009 dazu klar geäußert. Auch die gelante Staustufe in Tschechien ist nicht im Interesse eutschlands und der Elbe insgesamt. Der Auenschutz ist für die FDP zentral. Erst in der ergangenen Woche hat beispielsweise die bayerische DP beschlossen, in jeder Dekade mindestens ein Auenchutzgroßprojekt mit mindestens zehn zusammenhänenden Flusskilometern zu verwirklichen. Einfach, wirungsvoll und realistisch. Das ist auch die Marschroute r die Elbe. Nicht nur der Naturschutz, auch der Schutz er Menschen vor Hochwassern erfordert gezielte Renarierungsmaßnahmen. Dazu gehören auch Deichrück erlegungsmaßnahmen – wohl wissend, dass diese nur emeinsam mit den Anwohnern möglich sind. In vielen Punkten sind wir also nicht so weit voninander entfernt, auch wenn Ihr Antrag an manchen tellen schwammig oder etwas unrealistisch ist. Ihrem Antrag ist zu entnehmen, dass Sie eine Verbeserung der Schiffbarkeit generell mit Argwohn verfolen. Meines Erachtens kann eine Verbesserung der chiffbarkeit in engem Rahmen durchaus ermöglicht erden, allerdings nur durch Unterhaltungsmaßnahen. Die kategorisierte Kritik an der Schifffahrt ist aus nserer Sicht übertrieben. Auch an anderer Stelle möchte ich auf eine Ungenaukeit hinweisen. Sie sprechen einerseits davon, dass das roblem Wasserknappheit angegangen werden sollte, res Erachtens durch den Stopp von Ausbaumaßnahen. Wasserknappheit ist für die mittlere Elbe ein massives roblem. Die Diagnose ist sicherlich richtig. Sie verkennen beim Stopp von Ausbaumaßnahmen jeoch, dass auch Ausbaumaßnahmen existieren, die im teresse des Flusses, ja sogar lebensnotwendig sind. ie von mir angesprochene Sohlenstabilisierung oder ie Errichtung von Längsund Querbänken sind nur eispiele. Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie saen: Ausbau schlecht, ökologische Unterhaltung gut. Wir müssen uns voraussichtlich darauf einstellen, ass die Elbe nicht dauerhaft einen Mindestwasserstand rreichen wird. Ich glaube, von dieser Zielstellung solln wir absehen. Das Bundesverkehrsministerium wird die Bundesasserstraßen nach Kategorien einteilen und diese nach rem Verkehrsaufkommen bewerten, soweit scheint die achlage klar. Eine Kanalisierung der Elbe steht demach ganz sicher nicht an, und das ist eine gute Nachicht. Die Elbe wird davon profitieren. Erinnern Sie sich noch an das große Elbe-Hochwas er von 2005? Die Dresdner Altstadt stand damals mit ren einmaligen Kulturschätzen unter Wasser. Danach ollte alles anders werden, wie nach jedem der sogeannten Jahrhunderthochwasser, die immer häufiger uftreten. Der Klimawandel hat uns auch mit den FlüsDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17493 Dr. Matthias Miersch gebene Reden )

Sabine Stüber (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714633900

(A) )

sen fest im Griff. Weil wir in den letzten hundert Jahren
die Flüsse immer weiter ausgebaut haben, ist der mate-
rielle Schaden enorm hoch. Dabei ist die Elbe noch ei-
ner der naturnahen Flüsse. Zumindest auf 400 Kilome-
tern im Mittellauf ist sie ohne Kanalisierung und wenig
verbaut. Wer auf dem Elbe-Radweg unterwegs ist, fährt
hier durch die schönste Auenlandschaft.

Die Extremwetterlagen werden in den nächsten Jah-
ren noch weiter zunehmen. Das bedeutet: noch häufiger
Hochwasser. Aber genauso wird es extremes Niedrig-
wasser geben, wie wir es in diesen Tagen gerade erle-
ben. Daran müssen wir uns nicht gewöhnen, daran müs-
sen wir uns anpassen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir
uns generell für eine naturnahe Entwicklung der Flüsse
entscheiden.

Das bedeutet Umdenken. Andere Wege suchen, ist im-
mer ein hartes Stück Arbeit, auch wenn das Ziel klar ist.
Das dauert und braucht Partner. Wenn wir uns die Elbe
ansehen, dann können wir feststellen, dass es schon eine
Menge von Einzelbausteinen gibt. Der Antrag der Grü-
nen tut das Seinige dazu. Da können wir Linken in vie-
lem zustimmen. Aber wir meinen, dass es an der Zeit ist,
das Puzzle zusammenzusetzen.

Ein Flusskonzept, davon war schon nach dem Hoch-
wasser 2005 die Rede. Nun ist es offensichtlich so weit.
Sei einigen Tagen liegen Eckpunkte für ein Gesamtkon-
zept für die Elbe im deutschen Flussraum vor. Jetzt geht
es darum, aus den Eckpunkten ein strategisches Gesamt-
konzept zu entwickeln. Das wird nur mit einem breiten
gesellschaftlichen Beteiligungsprozess gehen. Es gibt
viele verschiedene Nutzungsinteressen. Wir werden si-
cher noch öfter darüber diskutieren.

Vorab zwei Punkte zu den Grünen-Forderungen. Die
Schifffahrt auf der Elbe abzuschaffen, werden wir nicht
unterstützen, aber wir fordern flussangepasste Schiffsty-
pen. Die Bundesregierung hat zwei Investitionsförder-
programme für die Modernisierung der Binnenschiffs-
flotte. Das teilte sie auf unsere Kleine Anfrage hin mit.
So weit, so gut. Aber sie teilte auch mit, dass sie fluss-
angepasste Schiffstypen stärker fördern würde, wenn es
dafür zusätzliches Geld im Haushalt gäbe. Das kann
nicht sein, es dürften nur noch und ausschließlich fluss-
angepasste Binnenschiffe mit öffentlichem Geld geför-
dert werden. Dann wird ein Schuh daraus. In Magde-
burg wurde ein Container-Leichter als Prototyp für die
Elbe entwickelt. Das sind unternehmerische Aktivitäten,
die unterstützt werden sollten.

Im Punkt Hochwasserschutz stimmen wir mit den
Grünen überein. Warum hat der vorbeugende Hochwas-
serschutz für uns Linke eine so hohe Priorität? Der
Hochwasserschutz wird so preiswerter, und gleichzeitig
kann das Ökosystem Flusslandschaft aufatmen. Bei Len-
zen wurde der Elbdeich auf einer Länge von 7,4 Kilome-
tern zurückverlegt. Damit wurden zusätzliche Überflu-
tungsflächen geschaffen und dem Fluss 420 Hektar Aue
wiedergegeben. Der Rhythmus der Elbe hat mit Überflu-
tung bei Hochwasser und Trockenheit bei Niedrigwasser
in wenigen Jahren eine lebendige Auenlandschaft ge-
schaffen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, Kolleginnen

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Zu Protokoll ge

(C (D nd Kollegen: Setzen Sie sich aufs Fahrrad und schauen ie sich das an! Dann wissen Sie, was ich meine. Mit dem vorliegenden Antrag, der nach langer De atte nun endlich hier abschließend behandelt wird, haen wir einen umfassenden Vorschlag für die Entwickng des Elbe-Raums vorgelegt. Die Elbe ist einer der letzten großen freifließenden lüsse Europas, und die Flusslandschaft Elbe ist einzigrtig in ihrer Vielfalt. Der Erhalt dieser besonderen andschaft ist uns ein wichtiges Anliegen. Aber auch die irtschaftliche Entwicklung der Region haben wir im uge. Während viele Politikerinnen und Politiker vor rt vor allem auf Binnenschifffahrt als Wirtschaftsfakr setzen, öffnen wir den Blick und zeigen neue und alrnative Entwicklungsmöglichkeiten auf. Denn für uns at der Schutz der Naturund Kulturlandschaft Elbe berste Priorität. Es darf unter keinen Umständen einen eiteren Ausbau der mittleren und oberen Elbe geben. tatt einseitig weiter darauf zu hoffen, dass ein Ausbau er Elbe endlich den seit der Wiedervereinigung vergebch erwarteten Wirtschaftsaufschwung für die Elbeegion bringt, wie es CDU, FDP und große Teile von PD und Linke tun, müssen endlich die wirklichen Ponziale der Region entwickelt werden. Genau dies tun wir mit unseren Vorschlägen. Wir kizzieren, wie eine nachhaltige, zukunftsfähige und narverträgliche Entwicklung des Elberaums aussehen ann, die Ökonomie und Ökologie zum Vorteil der Reion verbindet. Der wirklich zukunftsfähige Wirtschaftsfaktor der Reion ist die touristische Nutzung der Naturund Kulturotenziale im Elbe-Raum. Schon jetzt hat der Tourismus der Region zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen und och immer gibt es ein großes Entwicklungspotenzial. ür natürlich notwendigen Gütertransport besteht kein angel an alternativen Transportmöglichkeiten. Die chiene bietet eine umweltfreundliche und verlässliche lternative für den Güterverkehr. Im Mittelpunkt der zukünftigen Entwicklung der lbe-Region muss der Erhalt der einzigartigen Flussndschaft mit all seinen positiven Funktionen für ensch und Natur stehen. Hierzu bedarf es eines geeinsamen Vorgehens der Politik in Bund und Ländern nter Einbeziehung aller relevanten gesellschaftlichen ruppen. Auch die Bundesregierung hat vor dem Hintergrund er angestoßenen Diskussion zur Zukunft der Elbe angeündigt, nun endlich eine Gesamtstrategie für den Elbeaum vorzulegen. Das begrüßen wir ausdrücklich. Aber ider gibt es bisher, wie beim Minister Röttgen ja übch, nichts außer schöne Sonntagsreden. Auch auf achfrage ließ sich nichts Genaueres über die Inhalte er Strategie erfahren. Nur Allgemeinplätze wie: „Im esamtkonzept sollen die unterschiedlichen Ansprüche n die Elbe gleichberechtigt einfließen; die schifffahrtche Nutzung des Gewässers weiterhin ermöglicht und ie Grundlagen des Naturhaushaltes weiterentwickelt 17494 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Sabine Stüber gebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17495 Dorothea Steiner )

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714634000

(A) )

und verbessert werden.“ Wahrscheinlich ist auch der
Bundesregierung klar, dass diese Ziele sich zum Teil wi-
dersprechen und es ein starkes Konfliktpotenzial gibt.
Jedoch scheint sie sich, anders als wir, davor zu
scheuen, diese Konflikte zu benennen und Lösungsvor-
schläge zu machen.

Der Staatssekretär im Verkehrsministerium Enak
Ferlemann hingegen erklärt permanent der Binnen-
schifffahrtslobby in Deutschland, aber auch im Nach-
barland Tschechien, welch rosige Zukunft die Binnen-
schifffahrt auf der Elbe hat. Wie er das ohne eine
Vertiefung erreichen will, kann er nicht erklären. Auch
gaukelt er weiter freudig Tschechien vor, dass es kein
Problem sein wird, die versprochene und für die Wirt-
schaftlichkeit der tschechischen Staustufe notwendige
Mindesttiefe von 1,60 m dauerhaft zu erreichen. Dieses
Ziel wird aber seit Jahren deutlich verfehlt. Auf Nach-
fragen von uns muss selbst Ferlemann zerknirscht zuge-
ben, dass eine Mindesttiefe für die Elbe nicht garantier-
bar ist.

Ja, was denn nun, liebe Bundesregierung? – Seien Sie
doch endlich ehrlich und geben Sie das Phantomziel von
1,60 m Mindesttiefe ganzjährig auf! Folgen Sie dem Vor-
schlag ihrer eigenen Experten, die Elbe zukünftig ins
Nebennetz einzuordnen! Da gehört sie nämlich hin.

Wenn Sie sich dazu durchringen können, ist eine gute
Grundlage geschaffen, um gemeinsam Ideen und Kon-
zepte für die Zukunft der Elbe-Region zu diskutieren.
Dazu haben wir erste Anstöße in unserem Antrag gege-
ben. Kern des Antrages ist es, die Entwicklung einer
Strategie unter Einbeziehung aller relevanten Gruppen
anzustoßen. Auch wir haben noch keine abschließende
Patentlösung für die Zukunft des Elbe-Raums. Aber wir
benennen die Konflikte, wir bestimmen die Rahmenbe-
dingungen und Ziele einer solchen Strategie. Die ge-
meinsame Entwicklung von detaillierten Konzepten
muss jetzt folgen.

Für diese Ansätze unseres Antrages gab es ja auch
durchaus viel Lob im Umweltausschuss, mal abgesehen
von der CDU/CSU-Fraktion; viele Kolleginnen und
Kollegen meinten, der Antrag enthalte durchaus sinn-
volle Passagen und man müsse das Thema weiterdisku-
tieren. Leider konnte sich keiner von ihnen zu einer Zu-
stimmung durchringen. Aber wir nehmen das Angebot
zur weiteren Diskussion gerne an. Wir erwarten bald
auch vonseiten der Bundesregierung und aller anderen
Fraktionen im Bundestag entsprechende Vorschläge.
Nur so können wir gemeinsam ein gutes Konzept für eine
nachhaltige Zukunft der Elbe-Region entwickeln.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714634100

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für

Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/7681,
den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 17/4554 abzulehnen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Das sind die Koalitionsfraktio-
nen. Gegenprobe! – Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Enthaltungen? – Sozialdemokraten und Linksfraktion.
Die Beschlussempfehlung ist angenommen.

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1)

(C (D Ich rufe den Zusatzpunkt 5 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Drucksache 17/6764 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales – Drucksache 17/7991 – Berichterstattung: Abgeordneter Markus Kurth Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung – Drucksache 17/8003 – Berichterstattung: Abgeordnete Axel E. Fischer Bettina Hagedorn Dr. Claudia Winterstein Dr. Gesine Lötzsch Priska Hinz Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu iesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben.1)

ie sind alle damit einverstanden. Die Namen der Kolle-
innen und Kollegen liegen hier bei uns vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für
rbeit und Soziales empfiehlt in seiner Beschlussemp-
hlung auf Drucksache 17/7991, den Gesetzentwurf der
undesregierung auf Drucksache 17/6764 in der Aus-

chussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
em Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
ollen, um das Handzeichen. – Das sind die Koalitions-
aktionen. Wer stimmt dagegen? – Das sind die drei Op-
ositionsfraktionen. Enthaltungen? – Keine. Der Gesetz-
ntwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.

Dritte Beratung

nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
as sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? –
as sind die drei Oppositionsfraktionen. Enthaltungen?
Keine. Der Gesetzentwurf ist angenommen.

Tagesordnungspunkt 26:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine
Leidig, Caren Lay, Dr. Kirsten Tackmann, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Bahnpreiserhöhung stoppen

– Drucksache 17/7940 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

Anlage 8

17496 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Vizepräsident Eduard Oswald


(A) )


)(B)

Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolle-
ginnen und Kollegen liegen uns hier vor.


Ulrich Lange (CSU):
Rede ID: ID1714634200

Preiserhöhungen, egal welcher Art, werden von den

Verbrauchern negativ gesehen. Deshalb wurde die
Preiserhöhung der Deutschen Bahn in der Öffentlichkeit
mit Kritik bedacht. Auf diesen Zug will die Linke auf-
springen, ohne wirklich auf Argumente einzugehen oder
die wirtschaftlichen Aspekte zu beleuchten.

Ja, es ist richtig, dass die Deutsche Bahn AG ihre
Preise erhöht, aber dies geschieht nicht überzogen, son-
dern moderat. Nach dem Verzicht auf eine Preiserhö-
hung im Fernverkehr im vergangenen Jahr hebt die
Deutsche Bahn zum 11. Dezember 2011 die Preise im
Fernverkehr um durchschnittlich 3,9 Prozent an.
3,9 Prozent für zwei Jahre – diese Erhöhung bewegt sich
im Rahmen der Inflationsrate. Im Nahverkehr beträgt
die Anhebung durchschnittlich 2,7 Prozent. Auch hier
bewegt sich die DB wiederum im Rahmen der Inflations-
rate. Berücksichtigen wir dann noch, dass der Preisbre-
cher Energie einen großen Teil der Betriebskosten bei
der DB ausmacht, zeigt sich, dass die Erhöhung durch-
aus akzeptabel ist.

Dies zeigt sich auch im Vergleich mit den Nahver-
kehrsverbünden. Hier schneidet die DB mit ihrer Preis-
erhöhung sogar gut ab, da sie sich weit unterhalb der
Preisentwicklung der großen Verkehrsverbünde bewegt
hat. Die Preise bei der DB sind in Summe seit 2002 we-
sentlich geringer gestiegen als bei den öffentlichen Ver-
kehrsverbünden. Während die Preise bei den Verkehrs-
verbünden im Zeitraum von 2002 bis 2012 um
37 Prozent gestiegen sind, sind die Preise bei DB Regio
um circa 30 Prozent und die Preise bei DB Fernverkehr
nur um circa 15 Prozent gestiegen.

Uneingeschränkt zu begrüßen ist die Entscheidung
der DB, Kundengruppen mit kleinem Geldbeutel nicht
stärker zu belasten. Deshalb bleibt die Jugend Bahn-
card 25 mit einer einmaligen Bearbeitungsgebühr von
10 Euro und Gültigkeit bis einschließlich des 18. Le-
bensjahres preisstabil. Das Gleiche gilt auch für die er-
mäßigte Bahncard 25 für Schüler, Studenten und Senio-
ren für 39 Euro in der 2. Klasse. Erfreulich ist auch, dass
im Fernverkehr auf eine Verteuerung der Sparpreise
verzichtet wurde. Somit gibt es den Sparpreis unverän-
dert für die einfache Fahrt ab 29 Euro in der 2. Klasse
und für Kurzstrecken bis 250 Kilometer ab 19 Euro –
gültig für Reisen im ICE oder Intercity/Eurocity.

Der moderate Anstieg der Fahrpreise wird auch künf-
tig dazu führen, dass die Bahn weiterhin allen eine kom-
fortable, umweltgerechte und vor allem preisgünstige
Mobilität ermöglichen wird. Und die Bahn ist und bleibt
sozial. Die DB hat im Vergleich zu anderen touristischen
Anbietern besonders günstige Angebote für Familien.
Im Gegensatz zu den Airlines fahren Kinder bis 14 Jahre
in Begleitung ihrer Eltern bei der DB kostenlos. Pro
Jahr befördert die DB beispielsweise im Fernverkehr
über 4 Millionen Kinder kostenlos.

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(C (D Die Linken führen einen Wust an Zahlen an, um die B bewusst zu diskreditieren. So lässt das in der Dar tellung gewählte Bezugsjahr 2003 völlig außer Acht, ass kurz zuvor im Dezember 2002 im Rahmen der Einhrung des neuen Preissystems die Normalpreise er eblich um circa 12 Prozent gesenkt wurden. Betrachten ir also die Preisentwicklung in der letzten Dekade seit 001, dann ergibt sich eine durchschnittliche Preisenticklung der Bruttopreise von rund 16 Prozent, eine teigerung, die in etwa der Inflation entspricht. Die Linken nehmen in ihrem Antrag nur Bezug auf die reissteigerung beim Normalpreis. Dies bildet aber nur ine geringe Nachfrage im Preisportfolio der DB ab. ie DB Fernverkehr hat seit 2004 den Anteil an hoch abattierten Angeboten durch kontinuierlichen Aufbau er Sparpreise von circa 10 Prozent auf circa 40 Prozent rhöht. In Summe gewährt die DB hohe Ermäßigungen egenüber dem Normalpreis zum Beispiel im Fernverehr von durchschnittlich über 50 Prozent, vor allem für ielgruppen wie Familien und Pendler. Die Linken unterstellen der DB Willkür. Das ist es ber nicht. Die DB hat den Auftrag, ihre Fahrzeugflotte uf einem guten, ja einem erstklassigen Stand zu halten. ass dies in der Vergangenheit nicht immer geklappt at, ist unbestritten. Aber wir müssen der DB doch auch ie Einkommensmöglichkeiten zugestehen, die Gelder inzunehmen, die notwendig sind, ihre Betriebskosten zu ecken und in neue Züge zu investieren. Gerade die Linken als Nachfolger der PDS sollten och wissen, was passiert, wenn nicht ausreichend inestiert wird, wenn nur von der Substanz gelebt wird. ährend der SED-Diktatur wurde die Bahn doch vor die and gefahren und zu einem absolut unzuverlässigen ortbewegungsmittel degradiert. Sie als direkte Nachlgepartei haben mit zu verantworten, dass die Weichen amals in die Sackgasse und nicht auf zukunftsorienerte Investitionen gestellt wurden. Auf der anderen Seite können wir natürlich von der B erwarten, dass die Zuverlässigkeit der Zugverbinungen zunimmt. Seit Dr. Peter Ramsauer das Bundeserkehrsministerium und Dr. Rüdiger Grube den DBonzern übernommen haben, haben sich die Verhältisse bei der Bahn wesentlich verbessert. Die unter Rot-Grün gestarteten Bemühungen, die DB nter allen Umständen gewinnbringend an die Börse zu ringen, hat der Leistungsfähigkeit der Bahn geschadet, at ihrem Ruf geschadet. Unter Schröder und Mehdorn urden alle Reserven abgebaut. Das konnte auf Dauer icht gut gehen. Aber die DB baut langsam die abgebaun Kontrollinstanzen und Reparatureinheiten auf, hat r den zu erwartenden Winter Maßnahmen getroffen, ie zusätzliche Enteisungsanlagen und Sicherungen bei en Weichen. Aber es muss uns klar sein, dass abgeaute Kontrollund Reparatureinheiten nicht von heute uf morgen wieder aufgebaut werden können. Im Bahnereich wird in Jahrzehnten geplant, bestellt und agiert. urzfristige Änderungen sind kaum erfolgreich. Konzernchef Grube hat gezeigt, dass er gewillt ist, ie frühere Leistungsfähigkeit und die geschätzte Zuver )


(A) )

lässigkeit der Bahn wiederherzustellen. Hierfür braucht
er nicht nur ein wenig Zeit, sondern auch die notwendi-
gen Einnahmen. Die von der Bahn durchgeführte Preis-
erhöhung ist moderat und angemessen.


Thomas Jarzombek (CDU):
Rede ID: ID1714634300

Der vorliegende Antrag der Linksfraktion ist schlicht

und ergreifend eines: populistisch.

Mit ihrem Antrag kritisiert die Linksfraktion die An-
kündigung der Deutschen Bahn AG, zum 11. Dezember
2011 die Fahrpreise im Fern- und Nahverkehr zu erhö-
hen. Zudem wird die Bundesregierung aufgefordert, bei
der DB AG auf einen Verzicht auf diese Erhöhung hinzu-
wirken. Natürlich möchte niemand Preiserhöhungen.
Kein Mensch will mehr bezahlen – egal wofür. Doch die
Frage ist hier, um welchen Preis dies möglich wäre.

Denn durch diesen Antrag wird deutlich, welches Ver-
ständnis die Linksfraktion von einer Bahn in Deutsch-
land hat: Die Linke wünscht sich eine Staatsbahn, in der
die Politik die Entscheidungen diktiert – bis hin zur
Festlegung der Fahrpreise. Doch es war immer das Ziel
aller Fraktionen im Deutschen Bundestag, die Bahn aus
dem politischen Geschacher herauszuholen.

Daher hat der Bundestag vor sehr langer Zeit be-
schlossen, aus der Bahn eine Aktiengesellschaft zu ma-
chen. Auch die linke Seite des Plenums hat diese Politik
nicht nur getragen, sondern ist gerade in der Zeit sozial-
demokratischer Verkehrsminister dabei sogar über das
Ziel hinausgeschossen: Die extreme Fokussierung auf
einen Börsengang hat die Bahn viel Reputation gekostet.
Dennoch: Wenn Politik ständig bei der Bahn „hinein-
fummeln“ würde, wäre der Schaden größer als der Nut-
zen.

Auch die öffentliche Anhörung zur Bahnstruktur, wel-
che wir im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung am 19. Oktober 2011 durchgeführt haben, hat deut-
lich belegt: Die Bahnreform von 1994 war die absolut
richtige Entscheidung. Das war auch unter den Sachver-
ständigen unstreitig. Mit Recht genießt die deutsche
Bahnreform international ein hohes Ansehen. Ihr primä-
res Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, hat sie
erreicht, und zudem hat sie auch noch für eine Entlas-
tung des Bundeshaushaltes gesorgt. So stieg etwa die
Verkehrsleistung auf der Schiene im Personenverkehr im
Zeitraum zwischen 1994 und 2010 von gut 65 Milliarden
Personenkilometern auf 83 Milliarden Personenkilome-
ter. Auf der anderen Seite ist im gleichen Zeitraum die
nominelle jährliche Belastung des Bundeshaushaltes
von 20 Milliarden Euro auf etwa 17 Milliarden Euro ge-
sunken. Im Vergleich dazu stieg in Großbritannien der
betreffende Wert im gleichen Zeitraum um 99 Prozent
und in Frankreich um 18 Prozent.

Auch der Wettbewerb funktioniert auf dem deutschen
Schienenmarkt immer besser. Die Bundesnetzagentur
überwacht als unabhängige und mit umfangreichen
Kompetenzen ausgestattete Regulierungsbehörde die
Markteintrittsbedingungen.

Zudem hat die DB AG seit der Bahnreform in der Zeit
von 1994 bis 2010 im Durchschnitt jährlich knapp

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Zu Protokoll ge

(C (D Milliarde Euro an Eigenmitteln in die Infrastruktur inestiert. Unabhängig davon ist Ihr Antrag nicht seriös. Sie beennen als Referenzjahr das Jahr 2003, ohne jedoch zu rwähnen, dass es im Dezember 2002 im Rahmen der inführung des neuen Preissystems eine Absenkung der ahrpreise um rund 12 Prozent gegeben hatte. Richtierweise sollte also der Betrachtungszeitraum auf das usgangsjahr 2001 erweitert werden. Dabei wird deutch, dass die Bruttopreise im Durchschnitt nur um insesamt 16 Prozent gestiegen sind. Diese Entwicklung egt im Rahmen der Inflation. Sie sind mit Ihrem Antrag also haarscharf an der ahrheit vorbeigeschossen, bestimmt nur unabsichtlich nd aus Versehen. In der Sache bietet sich auch ein Vergleich zu den erkehrsverbünden an: Dort sind die Preise zwischen 002 und 2011 um 37 Prozent angestiegen, während die reise bei der DB Regio im gleichen Zeitraum um etwa 0 Prozent und bei der DB Fernverkehr um rund 15 Proent gestiegen sind. Ein weiterer Punkt: Sie nehmen in Ihrem Antrag leiglich Bezug auf die Steigerungen der Normalpreise. amit lassen Sie außer Betracht, dass bereits seit mehren Jahren ein breites Angebot stark rabattierter ahrkarten besteht. Viele der Bahnkunden nutzen diese parpreise, die auch ohne Vorliegen einer Bahncard erfügbar sind. Bei aller auch berechtigten Kritik an der Bahn: Am nde schreiben auch Sie in Ihrem Antrag, dass die Nuterakzeptanz immer weiter gestiegen ist und die Persoenkilometer von Jahr zu Jahr anwachsen. Ich bin gepannt, wie sich die Preiserhöhungen darauf auswirken erden. Denn die Bahn steht sehr wohl im Wettbewerb: icht nur zu privaten Konkurrenten, gerade im Regioalverkehr, sondern auch zum Flugzeug und zum Auto. erade beim Auto gibt es auch immer mehr neuartige ngebote: Man nehme nur die vielen Internetangebote, urch die eine Nutzung von Fahrgemeinschaften sehr iel attraktiver wird. Nicht zuletzt würde aber insbesondere die Freigabe on Buslinienverkehren für viel mehr Wettbewerb im ernverkehr sorgen und vor allem für sozial schwächere enschen ein deutliches Plus an Mobilität bringen. och das blockiert die linke Hälfte dieses Hauses ge ade im Bundesrat. Ich finde das absurd. Ich frage mich, ie Sie Ihren Wählern eigentlich erklären wollen, wa um gerade Sie preiswerte Fernverkehrsangebote verindern. Wohlhabende Menschen haben auch heute chon eine hohe Mobilität. Aber gerade für sozial chwächere bedeuten die preiswerten Buslinienverkehre in echtes Plus an Mobilität. Und dieser intermodale Wettbewerb würde auch ruck auf die Preisgestaltung der Deutschen Bahn AG usüben. Auch das ist unser Modell. Eine kluge Lösung, ei der durch den Staat der richtige Rahmen gesetzt ird. Staatsintervention ist hingegen nicht einmal eine chlechtere Alternative – es ist gar keine. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17497 Ulrich Lange gebene Reden )


(A) )


Martin Burkert (SPD):
Rede ID: ID1714634400

Der 11. Dezember wird ein schwarzer Tag für die Ver-

kehrswende in Deutschland. Denn da erhöht die Deut-
sche Bahn AG die Preise für Fahrkarten im Nah- und
Fernverkehr, für Platzreservierungen über das Internet
sowie für die BahnCards. Sparpreise werden gestrichen,
Bedienzuschläge werden mehr und der Mitfahrerrabatt
wird begrenzt. Für die Bürgerinnen und Bürger ist das
– verständlicherweise – schwer nachzuvollziehen. Ich
nenne nur drei Beispiele:

Da hören sie – erstens –, dass die Deutsche Bahn AG
in diesem Jahr einen Rekordgewinn von mehr als zwei
Milliarden Euro einfahren wird. Warum werden also die
Fahrpreise erhöht, wenn das Unternehmen so viel Ge-
winn macht? Da haben sie – zweitens – das Chaos im
Winter, die kaputten Klimaanlagen im Sommer oder die
Verspätungen und Zugausfälle vor Augen und fragen
sich: Warum werden die Fahrpreise erhöht, wenn die
Qualität nicht gestiegen ist? Und da fragen sich die Bür-
gerinnen und Bürger – drittens –, wie sie ausgerechnet
eine Preiserhöhung dazu motivieren soll, sich nicht für
das Auto oder das Flugzeug zu entscheiden, sondern auf
die Bahn umzusteigen.

Bahnfahren muss billiger werden in Deutschland,
denn die Menschen brauchen Alternativen im Verkehrs-
bereich. Eine Alternative zum Auto ist das Bahnfahren.
Für eine verkehrspolitische Wende muss vonseiten der
Bundesregierung aber wirksam eingegriffen werden: Ich
fordere die Bundesregierung auf, einen Bahngipfel zur
Umsetzung von billigeren Fahrkarten einzuberufen. Da-
rüber hinaus sind weitere Maßnahmen für günstigeren
und zuverlässigeren Schienenverkehr umzusetzen. Als
Eigentümerin der Deutschen Bahn AG ist die Bundesre-
gierung an erster Stelle gefordert.

Wir müssen der Bahn wieder einen Vorrang bei den
Verkehrsträgern einräumen – und zwar in vielen Berei-
chen. Ich möchte an dieser Stelle nur zwei nennen: Wir
müssen endlich mehr in die Infrastruktur investieren. Ich
wünsche mir für eine Verkehrswende ein klares Bekennt-
nis zur Bahn und die Zusage des Bundes, deutlich in die
Infrastruktur zu investieren. Die 100 Millionen Euro zu-
sätzlich für die Schiene sind zu wenig; das ist mehr als
offensichtlich.

Unter Schwarz-Gelb ist der Grundsatz „Schiene vor
Straße“ verloren gegangen. Wir müssen ihn wieder auf-
nehmen und es ermöglichen, dass die Schiene maximal
ausgelastet wird. Wir müssen die Bahn von Steuern ent-
lasten. Da gibt es zwei Ansatzpunkte: Erstens: In keinem
Land der Welt außer in Deutschland zahlt die Bahn den
vollen Mehrwertsteuersatz. Deshalb sind in einem ers-
ten Schritt die Bahnen von der Mehrwertsteuer zu be-
freien. Zweitens: In keinem Land der Welt schlägt die
Mineralölsteuer derart zu Buche wie bei uns. Da gibt es
also auch noch großen Spielraum – und damit auch bei
den Fahrpreisen, die deutlich günstiger werden könnten.
Die Bundesregierung spricht immer viel über Steuer-
erleichterungen. Im Bahnverkehr wären sie sinnvoll, so-
wohl im Personen- als auch im Schienengüterverkehr.
Die Krux ist natürlich: Die Steuervergünstigungen müs-

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Zu Protokoll ge

(C (D en auch beim Fahrgast ankommen. Da sind sowohl die undesregierung als auch die Bahnen in der Pflicht. Von der Politik müssen Impulse für umweltschonende nd vernetzte Verkehrssysteme der Zukunft ausgehen. een und Konzepte sind vorhanden. Jetzt gilt es, diese mzusetzen. Ziel muss es sein, den Personenverkehr ataktiver zu gestalten. Bahnfahren muss billiger werden, amit die Verkehrswende in Deutschland gelingt. Desalb fordere ich die Bundesregierung auf, einen Bahnipfel einzuberufen und die Bahnen von der Mehrwertteuer zu befreien. Von einem Bahngipfel erwarte ich ir die Wende in der Mobilität in Deutschland. Aus dem Antrag der Linken spricht einmal mehr der eist der Vergangenheit. Wie in alten Tagen soll der und als Eigentümer die Preise des Unternehmens deretieren. Das ist schlicht falsch. Man mag zur Preisenticklung bei der Bahn – die übrigens unterhalb der euerung im Individualverkehr liegt – stehen, wie man ill: Die Deutsche Bahn AG ist ein aktienrechtlich orgaisiertes Unternehmen, sein Vorstand ist dem Interesse es Konzerns verpflichtet und trifft eigenständige Entcheidungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Und das t auch gut so! Wohin es führt, wenn die Politik die reise und das Angebot der Bahn diktiert, das haben wir der jüngsten deutschen Vergangenheit gleich zweimal rlebt. Einen ausführlichen Rekurs über die Missstände er Deutschen Reichsbahn will ich Ihnen an dieser telle gerne ersparen. Vielleicht erinnern Sie sich ja einal bei Gelegenheit, liebe Kolleginnen und Kollegen bei en Linken, wie es damals so aussah mit ostdeutschen ügen und dem Verkehrsangebot. Aber auch im Westen hatten wir, wenn auch auf insgeamt besserem Niveau, unsere Bahnkatastrophe. Der geamte Umsatz des Unternehmens reichte nicht einmal us, um die Personalkosten zu decken. Der Anteil am üterverkehr war auf unter 20 Prozent gesunken, die esamtverschuldung auf 34 Milliarden Euro angestieen. Nach damaligen Prognosen hätte sich diese Schulenlast bis 2003 auf unglaubliche 195 Milliarden Euro rhöht. Ein geradezu griechisches Niveau! Allein 1993 etrug der Unternehmensverlust der Deutschen Bundesahn und der Deutschen Reichsbahn 4,8 bzw. 3,1 Milarden Euro. Von dem vollkommen mangelhaften Angeot und Service für die Kunden ganz zu schweigen. Die Bahnreform von 1993/94 hat daraus die Konseuenzen gezogen und die Deutsche Bahn dem politichen Einfluss entzogen. Wenn man sich die Ergebnisge und, bei allen Defiziten, auch die Qualität des eutigen Angebots anschaut, stellt man fest: Diese Entcheidung war richtig und hat dem Unternehmen wie en Kunden genutzt. Die Forderung der Linken, die Sie ier und heute aufmachen, wäre ein großer Schritt zuück hinter diesen vielleicht größten Reformerfolg der eutschen Verkehrspolitik in den letzten dreißig, vierzig ahren. Sie wollen aus der Deutschen Bahn wieder den lten Staatskonzern, eine Behördenbahn machen. Das ann nur schiefgehen. Erlauben Sie mir, Walter Eucken, 17498 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 gebene Reden )

Patrick Döring (FDP):
Rede ID: ID1714634500

(A) )

einen der Väter unserer sozialen Marktwirtschaft, zu zi-
tieren:

Die Verstaatlichung von Monopolen löst das Mono-
polproblem nicht. Staatliche Monopole – zum Bei-
spiel der Eisenbahn oder Elektrizitätswerke – trei-
ben regelmäßig ebenso monopolistische Politik wie
private Monopole. […] Vielfach ist sogar die Nei-
gung, die Monopolposition vollständig auszunut-
zen, bei staatlichen Monopolverwaltungen größer
als bei privaten. Die staatliche Monopolverwaltung
fühlt sich nämlich zu diesem Verhalten berechtigt,
weil die Einnahmen dem Staat oder der Stadt zuflie-
ßen, also eine indirekte Steuer darstellen und nicht
zu privaten Zwecken verwendet werden. Im Übri-
gen fühlt sich der Staat viel sicherer vor einer mög-
lichen Konkurrenz; er kann zum Beispiel aufkom-
mende Substitutionskonkurrenz mit Mitteln der
Gesetzgebung beschränken.

Wenn Sie wirklich für besseren Service und niedrigere
Preise sind, dann sollten Sie sich nicht an Marx und
Lenin, sondern an Walter Eucken und Ludwig Erhardt
orientieren – das heißt, Monopole auflösen und einen
freien, fairen Wettbewerb ermöglichen. Das Problem im
Bahnverkehr ist ja gerade nach wie vor nicht, dass es
dort zu wenig Staat gäbe, sondern dass er zu oft an den
falschen Stellen tätig wird. Der Staat soll in der sozialen
Marktwirtschaft nicht die Preise diktieren, sondern ei-
nen fairen und offenen Wettbewerb um das beste Ange-
bot gewährleisten. Bei diesem Ziel sind wir, vor allem
auch im Personenverkehr, immer noch nicht weit genug
gekommen.

Die FDP-Fraktion hat ihre Haltung in dieser Frage
in der Vergangenheit mehrfach und deutlich dokumen-
tiert. Unser Nahziel ist eine strengere Trennung zwi-
schen der Infrastrukturgesellschaft DB Netz AG und den
Betriebsgesellschaften. Dazu gehört bekanntermaßen
auch die Kappung der Gewinnabführungsverträge.
Dazu haben wir das Nötige im Koalitionsvertrag gesagt.
Als Fernziel muss man auch die Privatisierung zumin-
dest einzelner Sparten im Blick behalten, auch wenn dies
derzeit sowohl aufgrund des Zustands der verschiedenen
Unternehmensteile als auch aufgrund der Bedingungen
an den Finanzmärkten nicht auf der Tagesordnung steht.
Der jetzige Zustand ist und bleibt ordnungspolitisch
nicht zufriedenstellend. Dieses Problem zu lösen, dazu
sollten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Links-
fraktion, einen Beitrag leisten – und nicht die Schlachten
von vorgestern noch einmal schlagen.


Sabine Leidig (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714634600

Bahnfahren wird schon wieder teurer – wie jedes

Jahr. Für uns Bundestagsabgeordnete kein Problem,
weil wir mit der kostenlosen Netzkarte reisen – und zwar
erste Klasse. Aber die allermeisten Leute, die umweltbe-
wusst die Bahn nutzen oder die darauf angewiesen sind,
werden übermäßig zur Kasse gebeten. Und das dürfen
wir nicht zulassen. Konkret steigen die Preise zum Fahr-
planwechsel in diesen Tagen um 3,9 Prozent im Fernver-
kehr und um 2,7 Prozent im Nahverkehr.

Wir haben mal alle Preiserhöhungen der letzten
Jahre zusammengestellt. Eine Grafik dazu finden Sie in

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Zu Protokoll ge

(C (D nserem Antrag. Das Ergebnis ist ein Ohrfeige für alle, ie mehr Reisende von der Straße auf die Schiene brinen wollen: Seit 2003 sind die Preise fürs Bahnfahren m über 31 Prozent gestiegen – das ist doppelt so viel ie die Inflationsrate in diesem Zeitraum; die lag bei 5,4 Prozent. Ungefähr so hoch war auch die Teueungsrate für Autofahrer. Das heißt, dass diejenigen raufzahlen, die sich vernünftig verhalten. Das ist doch esellschaftpolitische Dummheit. Doch damit nicht genug. Neben den offiziellen wirken ich die versteckten Preiserhöhungen noch schlimmer us. Zum Beispiel fallen mit dem diesjährigen Fahrplanechsel die Sparpreise 25 und 50 weg, und Reservierunen im Internet werden 60 Prozent teurer. Der Preis für ie Bahncard 50 wird um 4,3 Prozent angehoben. Damit t der Preis dieser Karte für Vielfahrerinnen seit 2003 m fast 74 Prozent gestiegen. Also die Bahn verschreckt it dieser Preispolitik vor allem ihre besten Kunden. Dazu kommt das Problem, dass das Preissystem der ahn über die Jahre immer unübersichtlicher gemacht orden ist. Inzwischen ist es selbst für eingefleischte ahnfans schwierig, herauszufinden, wie man am günsgsten fahren kann. Nach Untersuchungen von Stiftung arentest schafft das oft nicht einmal das Servicepersoal in den Reisezentren. Bahnfahren wird also immer ehr zum teuren Glücksspiel, und das schreckt die Men chen ab. Nun könnte man ja sagen: Wenn die Bahn immer beser würde, wäre es angemessen, mehr Geld zu verlanen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Die Preise steigen, ber der Bahnservice wird schlechter. Die Zahl der Züge immt ab, und jetzt sollen diese auch noch seltener geinigt werden, um Kosten einzusparen. Noch schlimer: Immer mehr Zugverbindungen im Fernverkehr erden komplett aus dem Fahrplan gestrichen. Wir haen bei widrigem Wetter im Winter chaotische Zustände rlebt und sogar im Sommer. Aber selbst wenn alles noral läuft, sind nur noch zwei Drittel der Fernzüge ünktlich. Das haben Stiftung Warentest und VCD nachewiesen. Oft verpasst man dann den Anschlusszug, und egen 10 Minuten Verspätung kommt man erst ein oder wei Stunden später am Ziel an. Also leider keine besere Bahn, sondern das Gegenteil. Das muss sich aber ndern. Weil die Bahn zu 100 Prozent dem Bund gehört, at auch der Bundestag da eine Verantwortung. Wir brauchen keine Deutsche Bahn AG die 2011 eien Rekordgewinn von über 2 Milliarden Euro anpeilt, enn das zulasten der Qualität und zulasten der Bahnisenden geht. Wir wollen keine Bahn, die sich auf Ge chäftsreisende und Besserverdienende konzentriert. as wir brauchen, ist eine Bahn für alle mit attraktiven ngeboten für die breite Bevölkerung, um allen Menchen ein ökologisches Reisen zu ermöglichen. Der Verkehrsminister sollte sich Rat holen bei der chweizer Bahn: Dort redet niemand von maximalen ewinnen. Dort hat das öffentliche Eisenbahnunternehen klare Vorgaben, welche Angebote nach welchen ualitätskriterien gewährleistet werden müssen. Und as ist auch richtig so. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17499 Patrick Döring gebene Reden )


(A) )

Sorgen Sie dafür, dass Bahnfahren gut und günstig
wird! Mit einem einheitlichen und nachvollziehbaren
Preissystem, das deutschlandweit für den gesamten öf-
fentlichen Verkehr gilt, wie es die Schweiz mit dem „di-
rekten Verkehr“ macht. Mit Preisen, die auch für Men-
schen mit geringerem Einkommen erschwinglich sind,
und mit attraktiven Dauerkarten, um viel mehr Stamm-
kundinnen und Stammkunden für die Bahn zu gewinnen.

Wir fordern die Bundesregierung auf, die Bahnpreis-
spirale zu stoppen. Sorgen Sie dafür, dass die jüngste
Fahrpreiserhöhung zurückgenommen wird – so lange,
bis die Leistung stimmt!


Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714634700

Der Antrag der Linken zu Bahnpreisen greift ein Pro-

blem auf, das viele Menschen täglich trifft. Bahnfahren
ist in den letzten Jahren immer teurer geworden. Treu-
este Bahn-Fans wurden verprellt und steigen um: in Bil-
ligflieger. Vor allem aber spielen auch Pkw eine immer
größere Rolle. Die Nutzung von Mitfahrgelegenheiten
ist zu einem Massenphänomen geworden. Der einzige
Grund, warum sich Menschen für Fahrten quer durch
Deutschland zu dritt auf die Rückbank eines Kleinwa-
gens quetschen, liegt in den hohen Preisen der Bahn.
Viele von ihnen würden viel lieber Bahn fahren, aber bei
oft dreimal höheren Kosten ist der Anreiz einfach nicht
gegeben.

Die Analyse der Fahrtkosten in dem Antrag ist grund-
sätzlich richtig. Sie haben hier das Offensichtliche und
jedem Bekannte noch einmal fein säuberlich aufgelistet.
Leider fehlt diese Sorgfalt für Ihren Politikansatz, wie
Sie dieses Problem lösen wollen, und es werden die fal-
schen Schlussfolgerungen gezogen. Hier wird eine ein-
fache Lösung für ein sehr komplexes Problem vorgegau-
kelt. Das dürfte wahrscheinlich sehr populär sein, geht
aber an den Realitäten vorbei. Auch ich habe natürlich
nichts gegen niedrige Bahnpreise. Die Deutsche Bahn
ist jedoch ein selbstständiges Unternehmen, über das
der Bund als Eigentümer nur in strategischen Grund-
satzentscheidungen im Aufsichtsrat Einfluss nehmen
kann. Ein Eingriff in die Preisgestaltung ab Dezember
gehört hier sicher nicht dazu. Wenn Sie in die Preise der
Bahn eingreifen wollen, dann müssen Sie die gesamte
rechtliche Form des Unternehmens ändern. Wollen Sie
etwa wieder zurück zur Behördenbahn? Mit einem An-
trag zu den Preisen erreichen Sie hier gar nichts, und es
ist falsch, den Menschen in unserem Land etwas anderes
vorzugaukeln.

Auch bleiben Sie völlig unkonkret, was Sie unter einer
Reform des Preissystems verstehen und wie das umge-
setzt werden könnte. Über den Aufsichtsrat werden Sie
nur begrenzt Einfluss nehmen können. Schließlich müss-
ten Sie auch konkretisieren, was Sie mit der „Förderung
und dem Ausbau der Mobilitätskarten BC50 und
BC100“ meinen. Hierzu finden sich in Ihrer Begrün-
dung wieder ausführliche Analysen, aber leider ist nicht
zu erfahren, ob Sie hier eine Förderung aus dem Bun-
deshaushalt meinen, was das eventuell kosten würde und
womit Sie das finanzieren wollen. Dazu erwarte ich kon-

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Zu Protokoll ge

(C (D rete Vorschläge, und ich hoffe, dass Sie die in den Auschussberatungen noch nachliefern können. Wenn Sie wirklich und grundlegend etwas an den reisen der Bahn ändern wollen, ist ein ganz anderer nsatz notwendig: Wir brauchen schlicht und einfach ettbewerb. Ich spreche hier bewusst nicht von mehr ettbewerb – denn es gibt quasi gar keine Konkurrenz ur Bahn im Personenfernverkehr. Jeder weiß, dass ettbewerb zu sinkenden Preisen führt – ich erinnere ur an den Telekommunikationsmarkt – und dass Monoole genau das Gegenteil bewirken. Wer keine Konkurnz hat, hat keinerlei Anlass, seine Preisgestaltung zu ndern. Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie wir zu Wettbeerb im Personenfernverkehr kommen können: Wir üssten konsequent regulieren und Anreize zur Kosteninimierung schaffen – also endlich eine Anreizregulie ung schaffen – sowie schließlich auch darüber reden, ie wir das Schienennetz allen Anbietern zu gleichen edingungen zur Verfügung stellen können. Nur damit önnten sich auch Wettbewerber im Fernverkehr etalieren. Als Eigentümerin des Schienennetzes hat die Deutche Bahn entscheidenden Einfluss, wer zu welchen edingungen die Strecken nutzt. Hier werden Wettbeerber konsequent benachteiligt. Wir kennen die Prolematik aus der Versorgung mit Bahnstrom, wo die onkurrenz der DB etwa viel höhere Energiepreise zu ahlen hat. Und jetzt wird auch noch angekündigt, die rassennutzung als Miete zu deklarieren und zu besteurn – natürlich nur für die Wettbewerber der Deutschen ahn und ausdrücklich weder für die DB selbst oder gar r den Lkw-Verkehr oder den Fernbusverkehr. Wettbeerb wird damit konsequent verhindert. Wer wirklich etwas ändern und für niedrigere Preise orgen will, muss also hier ansetzen. Leider geht die olitik der Linken in eine andere Richtung. Sie wollen as Monopol der Bahn erhalten und mit einer Rückvertaatlichung zementieren. Selbst eine Öffnung des Fernusmarktes lehnen Sie ab, obwohl damit wenigstens twas Bewegung in den Personenfernverkehr kommen ürde. Es immer wieder erstaunlich, dass Sie auf Fragen der ukunft mit den Ideen von gestern antworten. Jahrzehnlang hatten wir in Ost wie West die Behördenbahn, und der weiß, wie unsere Züge und Bahnhöfe früher aussaen. Damals hatte der Staat ein vollständiges Durchriffsrecht – aber leider hat das auch damals nicht zur tets kundenfreundlichen oder pünktlichen Bahn gehrt. Ich kann deswegen nicht nachvollziehen, wie Sie it einer solchen Konstruktion wieder zu einem bessen Bahnangebot kommen wollen. Selbstverständlich bin auch ich mit vielem bei der ahn nicht einverstanden, und ganz sicher sind die ohen Preise ein Grund zur Kritik. Wir müssen hierauf ber neue Antworten finden und dürfen nicht mit den ezepten von vorgestern kommen. Mir ist klar, dass das in steiniger und langer Weg ist. Die Deutsche Bahn ird ihr Monopol verteidigen. Jeder würde das tun. Als 17500 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Sabine Leidig gebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17501 Dr. Valerie Wilms )


(A) )

Politiker haben wir aber die Aufgabe, nicht die Interes-
sen eines Unternehmens zu bedienen, sondern wir müs-
sen die gesamte Gesellschaft im Blick haben.

Insofern fordere ich die Kolleginnen und Kollegen
der Linken auf, konstruktiv an den Ursachen der hohen
Bahnpreise zu arbeiten und für mehr Wettbewerb auf der
Schiene zu sorgen, statt Augenwischerei zu betreiben
und eine einfache Lösung dort vorzumachen, wo ein
dickes Brett zu bohren ist.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714634800

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf

Drucksache 17/7940 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Die Überweisung ist so
beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu
dem

Vorschlag für eine Verordnung des Europäi-
schen Parlaments und des Rates über ein Ge-
meinsames Europäisches Kaufrecht

KOM(2011) 635 endg.; Ratsdok. 15429/11

hier: Stellungnahme gemäß Protokoll Nr. 2
zum Vertrag über die Europäische Union und
zum Vertrag über die Arbeitsweise der Euro-

(Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit)


– Drucksachen 17/7713 Nr. A.5, 17/8000 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Jan-Marco Luczak
Dr. Eva Högl
Burkhard Lischka
Marco Buschmann
Raju Sharma
Ingrid Hönlinger

Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolle-
ginnen und Kollegen liegen hier vor. – Sie sind damit
einverstanden.


Dr. Jan-Marco Luczak (CDU):
Rede ID: ID1714634900

Eines möchte ich gleich zu Beginn meiner Rede beto-

nen: Ich bin von ganzem Herzen überzeugter Europäer.
Die Europäische Union ist Garant für Stabilität und
Frieden, für Wachstum und Wohlstand in Europa – und
das seit über 50 Jahren.

Wenn der Deutsche Bundestag daher heute – zum
zweiten Mal überhaupt – eine Subsidiaritätsrüge gegen
den Verordnungsvorschlag der Kommission für ein Ge-
meinsames Europäisches Kaufrecht erhebt, hat dies rein
gar nichts mit einer europakritischen oder gar europa-
skeptischen Haltung zu tun. Im Gegenteil: Ich bin der
festen Überzeugung, dass Europa nicht nur die Antwort
auf die Schrecken der zwei Weltkriege im letzten Jahr-

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(C (D undert war und ist, sondern dass Europa auch die Löung für die in diesem Jahrhundert anstehenden Heausforderungen ist. Das gilt auch und gerade in der ktuellen Staatsschuldenkrise in Europa. Europa kann aber nur die Lösung sein, wenn die enschen Vertrauen in die europäische Integration ha en, wenn sie den Einigungsprozess akzeptieren. Das ber wiederum setzt voraus, dass Europa die in den Verägen niedergelegten Regeln einhält. Dazu zählt die ahl einer tragfähigen Rechtsgrundlage, die Einhalng des Subsidiaritätsprinzips im engeren Sinne und es Prinzips der Verhältnismäßigkeit. Beim Gemeinsaen Europäischen Kaufrecht bezweifeln wir, dass dies er Fall ist. Die Subsidiaritätsrüge erheben wir daher uch aus prinzipiellen Erwägungen. Lassen Sie mich kurz den Hintergrund beleuchten: eit rund zehn Jahren wird in Europa über ein Europäiches Vertragsrecht diskutiert. Die Kommission meint, iermit Hindernisse für den Rechtsverkehr durch die unrschiedlichen nationalen Vertragsrechte beseitigen zu önnen. Schließlich veröffentlichte die Kommission am Juli 2010 das Grünbuch „Optionen für die Einfüh ung eines europäischen Vertragsrechts für Verbraucher nd Unternehmen“. Vorgeschlagen wurden insgesamt ieben Optionen. Der Deutsche Bundestag hat zu diesem rünbuch und den vorgeschlagenen Optionen ausführch Stellung genommen. Bereits damals haben wir frakonsübergreifend die Einführung eines 28. Regimes bgelehnt und uns stattdessen für eine Toolbox ausgeprochen, die als bindende interinstitutionelle Vereinbaung der gesetzgebenden Institutionen der Europäischen nion für Qualität und Kohärenz der europäischen Ge etzgebung sorgen sollte. Europaweit gingen zu diesem Grünbuch über 00 Stellungnahmen ein – die große Masse der Stellungahmen war kritisch bis ablehnend. Dennoch hat die ommission am 11. Oktober 2011 ihren „Vorschlag für ine Verordnung des Europäischen Parlaments und des ates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht“ orgelegt. Manche Kritikpunkte hat sie aufgegriffen, die eit überwiegende Anzahl indes blieb unberücksichtigt. Bei unserer Subsidiaritätsrüge leiten uns vor allem lgende Gedanken: Wir sind der Auffassung, dass die für die Verordnung ewählte Rechtsgrundlage des Art. 114 AEUV nicht ägt. Sie steht nicht im Einklang mit der Rechtsprehung des EuGH zur Auslegung des Merkmals der „Anleichung“ nationaler Rechtsordnungen. Denn nach weck und Inhalt der Kaufrechts-Verordnung ist eine echtsangleichung gerade nicht beabsichtigt. Das Geeinsame Europäische Kaufrecht soll vielmehr auf freiilliger Basis – also optional – Anwendung finden, enn alle betroffenen Vertragsparteien dies ausdrückch beschließen. Das Europäische Kaufrecht tritt dabei arallel neben die nationalen Rechtsordnungen, ohne iese anzugleichen, zu verändern oder zu ersetzen. Der uGH hat in einer solchen Konstellation – in seinem Uril zu den europäischen Genossenschaften – ausdrückch geurteilt, dass solche optionalen Rechtsinstrumente icht auf Art. 114 AEUV gestützt werden können. )


(A) )

Auch ein systematischer Vergleich mit Art. 118 AEUV
bestätigt dies. Mit dieser mit dem Vertrag von Lissabon
eingeführten Vorschrift können europäische Rechtstitel
über einen einheitlichen Schutz der Rechte des geistigen
Eigentums im ordentlichen europäischen Gesetzge-
bungsverfahren geschaffen werden. Diese Rechtstitel
treten dann neben die entsprechenden Rechtstitel der
Mitgliedstaaten, ohne diese anzugleichen, zu ändern
oder zu ersetzen. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass
nur in diesem begrenzten Bereich die Union die Kompe-
tenz hat, legislative Maßnahmen zu erlassen, die paral-
lel neben die mitgliedstaatlichen Regelungen treten. Das
Gemeinsame Europäische Kaufrecht kann daher nicht
auf Art. 114 AEV gestützt werden.

Dies wurde zuletzt auch durch die Sachverständigen
im Rahmen einer öffentlichen Anhörung des Rechtsaus-
schusses des Bundestages am 21. November 2011 bestä-
tigt.

Diese fehlende Kompetenz kann nach unserem Ver-
ständnis auch im Rahmen der Subsidiaritätsrüge geprüft
und gerügt werden. Dieses weite Verständnis entspricht
mittlerweile auch der weit überwiegenden Auffassung
im Schrifttum. Die Frage der Kompetenz ist eine der
Subsidiarität notwendig vorgelagerte Frage. Eine Klä-
rung durch den EuGH steht freilich noch aus. Falls un-
sere Rüge keinen Erfolg hinsichtlich der Rechtsgrund-
lage haben sollte, könnte im Wege einer Klage dann
auch insofern Rechtsklarheit geschaffen werden.

Ich möchte noch hinzufügen, dass ich mir vorstellen
kann, dass die Kommission diesen – nochmals: nicht
tragfähigen – Weg über Art. 114 AEUV deshalb gewählt
hat, um Mehrheitsentscheidungen bei der Einführung
und der späteren Änderung des Gemeinsamen Europäi-
schen Kaufrechts zu ermöglichen. Bei der als Alterna-
tive in Betracht kommenden Rechtsgrundlage des Art.
352 AEUV wäre nämlich jeweils ein einstimmiges Votum
erforderlich. Durch dieses Prinzip der Einstimmigkeit
im Rat wäre das Vorhaben der Justizkommissarin Re-
ding zur Einführung eines EU-Kaufrechtes aber mit al-
ler Wahrscheinlichkeit gescheitert. Denn sehr viele Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union haben wie wir
erhebliche Bedenken, dass ein einheitliches EU-Kauf-
rechts erforderlich ist. Zu nennen sind hier neben
Deutschland Dänemark, Finnland, Frankreich, Groß-
britannien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Slo-
wenien und die Tschechische Republik. Die Wahl der
Rechtsgrundlage scheint mir also durchaus eine nicht
nur rechtliche, sondern auch politische Dimension ge-
habt zu haben.

Auch in der Sache glaube ich nicht, dass ein Gemein-
sames Europäisches Kaufrecht den grenzüberschreiten-
den Handel entscheidend fördern wird. Das zeigen uns
nicht nur die Erfahrungen mit dem UN-Kaufrecht. In
seltener Allianz der Verbraucher- und der Wirtschafts-
verbände wurde in der durchgeführten Anhörung des
Rechtsausschusses vielmehr bestätigt, dass entschei-
dende Barriere nicht so sehr die Unterschiedlichkeit der
jeweiligen Rechtsordnungen ist, sondern die Sprache
und die schiere räumliche Entfernung und die daraus re-
sultierenden logistischen Probleme. Das ist ein Signal,

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(C (D as auch die Kommission nicht ignorieren sollte: Diejeigen, denen das Gemeinsame Europäische Kaufrecht ienen soll, lehnen es ab. Einen Beleg, dass die unterschiedlichen Vertragschte der Mitgliedstaaten tatsächlich die entscheiden en Handelshemmnisse bei der Wirtschaftstätigkeit im uropäischen Rechtsraum darstellen, bleibt die Komission damit schuldig. Tatsächlich ist es vielmehr so, ass viele Verbraucher in Deutschland – anders als die ommission behauptet – längst grenzüberschreitend inkaufen. Bestes Beispiel ist Amazon – dieses Unterehmen mit Sitz in Luxemburg hat allein 24,7 Millionen eutsche Kunden. Damit kaufen mindestens 30 Prozent ller Deutschen – auch ohne EU-Kaufrecht – grenzüberchreitend im Internet ein. Es fehlt also im Ergebnis an einem Bedarf für ein geeinsames EU-Kaufrecht und damit an der Erforderchkeit der Maßnahme im Sinne des Art. 5 EUV, wenn ie Vielfältigkeit der Vertragsrechtsordnungen in uropa wie dargestellt nur von untergeordneter Bedeung für den grenzüberschreitenden Handelsverkehr ist. Darüber hinaus – und hier blicke ich auf die konkren Normen des Verordnungsvorschlages – zweifeln wir, ass die Kommission ihr eigentliches Ziel, die Angleihung der Zivilrechtsordnungen bzw. der für den Veragsschluss relevanten Normen, mit diesem Verordungsvorschlag überhaupt erreichen kann. Wie soll ein inheitliches EU-Kaufrecht entstehen, wenn wesentliche ragen im Zusammenhang mit dem Zustandekommen ines wirksamen Vertrages nicht im gemeinsamen EUaufrecht geregelt sind, sondern weiterhin dem inner taatlichen Recht unterliegen? Soll sich der deutsche erbraucher vor der Wahl des EU-Kaufrechts darüber formieren, welche Reichweite beispielsweise die Un ültigkeit des Vertrages wegen Geschäftsunfähigkeit, die tellvertretung, die Rechtsund Sittenwidrigkeit des Verages, die Abtretung, die Aufrechnung, die Gläubigernd Schuldnermehrheit und der Parteiwechsel in den 7 Mitgliedstaaten haben? Gerade wegen dieser Zersplitterung wesentlicher eile der nationalen Rechtsordnungen werden die Parien entgegen den Erwägungen der Kommission nicht ie Möglichkeit haben, ihren Vertrag auf der Grundlage ines einzigen, einheitlichen Vertragsrechts zu schlieen. Daher wird die Rechtsunsicherheit und -unklarheit urch die unterschiedlichen Vertragsrechtsordnungen Binnenmarkt für die Vertragspartner durch EU-Kaufcht gerade nicht beseitigt, sondern eher noch vergrö ert. Das aber ist kontraproduktiv für den grenzüberchreitenden Handel. Ein letzter Kritikpunkt: Der Verordnungsvorschlag ird zu einer hohen Rechtsunsicherheit für die Unterehmen führen. Ihre Beratungskosten und damit Transktionskosten werden daher steigen. Es werden eher achteile als Vorteile durch den Entwurf entstehen. Der Verordnungsentwurf enthält zahlreiche unbetimmte Rechtsbegriffe. Das Vertragsrecht ist aber – in eutschland wie auch in vielen anderen Mitgliedstaaten – esentlich durch Richterrecht geprägt und wurde in 17502 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Dr. Jan-Marco Luczak gebene Reden )


(A) )

weiten Teilen erst durch Gerichte herausgebildet. In der
Europäischen Union gibt es aber keine einheitliche Zi-
vilgerichtsbarkeit, die diese Prägung und Fortbildung
vornehmen könnte. Vielmehr würden die unbestimmten
Rechtsbegriffe in den 27 Mitgliedstaaten durch die dor-
tigen nationalen Gerichte zunächst nach den dort herr-
schenden Prinzipien und der dort herrschenden Metho-
dik ausgelegt und angewandt. Hierbei gibt es in Europa
aber erhebliche Unterschiede – das zeigt allein der Ver-
gleich zum Case-Law-System in Großbritannien. Dies
unterscheidet sich wesentlich vom Ansatz kodifizierter
Rechtsordnungen, wie er etwa in Deutschland oder
Frankreich besteht. Folge ist, dass – sicherlich als Ex-
tremfall – ein Begriff des Verordnungsvorschlages in
27 Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt würde.
Klärung könnte nur der Europäische Gerichtshof her-
beiführen. Dieser ist von seiner Funktion, Struktur und
Ausstattung dazu allerdings gar nicht in der Lage. Über-
dies würde ein solcher Prozess – wie wiederum der Ver-
gleich der Entwicklungen der nationalen Rechtsordnun-
gen zeigt – lange Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in
Anspruch nehmen. In dieser Zeit bis zur abschließenden
Klärung würde nicht mehr, sondern weniger Rechtssi-
cherheit bestehen. In dieser Übergangszeit würde der
grenzüberschreitende Handel gerade nicht gefördert. Er
würde vielmehr wegen dieser Rechtsunsicherheit und
der damit einhergehenden höheren Transaktionskosten
gehemmt. Das sehen auch die Unternehmensvertreter so –
ihnen würden Steine statt Brot gegeben. Das wollen wir
nicht.

Lassen Sie mich abschließend festhalten: Der Deut-
sche Bundestag stellt sich nicht gegen die Intention der
Kommission, die Qualität und Kohärenz des europäi-
schen Rechts, namentlich des Kaufrechts, zu verbessern.
Wir glauben aber, dass hier ein falscher – und wenn man
sich das Verfahren genau anschaut: in Teilen auch über-
eilter – Weg gewählt wurde: Es fehlt an einer Kompe-
tenzgrundlage, und auch ein Bedarf für ein Gemeinsa-
mes Europäisches Kaufrecht ist bislang nicht
hinreichend belegt.

Mit unseren Bedenken stehen wir nicht allein: Auch
Großbritannien hat Subsidiaritätsrüge erhoben. Aus Ös-
terreich und Frankreich erhalten wir ähnliche Signale.

Die heute zum Beschluss vorliegende Subsidiaritäts-
rüge wird von allen Fraktionen mitgetragen – das war
uns wichtig, weil wir ein starkes Signal nach Brüssel
senden wollten. Es ist die zweite Subsidiaritätsrüge, die
der Deutsche Bundestag überhaupt erhebt. Das zeigt,
dass der Bundestag seine Mitwirkungsrechte nach dem
Lissabonner Vertrag ernst nimmt. Wir kommen damit
auch unserer Integrationsverantwortung nach, die das
Bundesverfassungsgericht angemahnt hat.

Ich bitte Sie daher um Zustimmung.


Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1714635000

Die Vorschläge der Europäischen Kommission für ein

Gemeinsames Europäisches Kaufrecht haben wir im
Rechtsausschuss außergewöhnlich intensiv erörtert.
Bereits im vergangenen Jahr haben wir bei einer Dele-
gationsreise nach Brüssel das Gespräch unter anderem

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Zu Protokoll ge

(C (D it Justizkommissarin Reding gesucht. Schon damals urde sehr deutlich, dass uns die Beweggründe der ommission – die Stärkung des Verbraucherschutzes inerhalb der Europäischen Union unter gleichzeitiger erminderung von Transaktionskosten im grenzüberchreitenden Verkehr – nicht überzeugen konnten. Unsere Bedenken haben wir im Januar 2011 in Form iner überfraktionellen Stellungnahme des Deutschen undestages zum Grünbuch der Kommission zur Einhrung eines Europäischen Vertragsrechts für Verbrau her und Unternehmen im Einzelnen dargelegt. Der unmehr vorliegende Verordnungsentwurf, der sich auf as Kaufrecht als den praktisch bedeutsamsten Teil des ertragsrechts konzentriert, kann diese Bedenken nicht usräumen. Es ist daher nur konsequent, dass wir heute ie Subsidiaritätsrüge erheben. Es ist übrigens – nach eschlüssen zu Erbsachen und Europäischem Nachlasseugnis sowie zu Einlagensicherungssystemen – die ritte Subsidiaritätsrüge des Deutschen Bundestages eit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, der ns dieses Instrument zur Verfügung stellt. Ich begrüße es ausdrücklich, dass wir uns fraktionsbergreifend einig geworden sind, bei einer solchen beründeten Stellungnahme im Sinne des Subsidiaritätsrotokolls zum Lissabon-Vertrag einen weiten Prüfungsaßstab anzulegen, der sich nicht allein auf die inhaltung des Subsidiaritätsprinzips beschränkt. Vielehr müssen die nationalen Parlamente ebenso die ahl der Rechtsgrundlage und die Beachtung des rundsatzes der Verhältnismäßigkeit prüfen. Insbesonere ist das Bestehen einer Rechtsetzungskompetenz der U eine notwendige Vorfrage für die Anwendung des ubsidiaritätsprinzips. Der Verordnungsentwurf der Kommission stützt sich uf Art. 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Eupäischen Union, der die Rechtsangleichung im Bin enmarkt ermöglicht. Die Verordnung zur Einführung ines Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts sieht alrdings gerade keine Angleichung bestehender Rechtsnd Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten vor, ondern die Einführung eines 28. Regimes neben den 7 nationalen Zivilrechtsordnungen. Es geht also um ine neue, eigenständige europäische Rechtsordnung, ie als optionales Instrument von den Vertragsparteien ewählt werden kann. Wenn aber die Maßnahme des nionsgesetzgebers nicht auf die nationalen Rechtsordungen einwirkt, wird auch keine Angleichung erzielt. Bestätigt wird diese Auslegung des Art. 114 AEUV im ystematischen Zusammenhang mit Art. 118 AEUV. Daach hat die Europäische Union explizit die Kompetenz, arallel neben mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen eupäische Regelungen im Bereich des geistigen Eigenms zu erlassen. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass on Art. 118 AEUV nicht benannte Rechtsbereiche – wie in Europäisches Kaufrecht – nicht über den Umweg des rt. 114 AEUV geregelt werden dürfen. Auch die bisheige Gesetzgebungspraxis in der Europäischen Union hrt zu diesem Schluss. Bemerkenswert ist zudem, dass der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses om 21. November 2011 acht von neun eingeladenen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17503 Dr. Jan-Marco Luczak gebene Reden )


(A) )

Sachverständigen unsere Bedenken zur Nichtanwend-
barkeit von Art. 114 AEUV bestätigt haben.

Wir dürfen in der Europäischen Union nicht länger
zulassen, dass Vorhaben auf den Weg gebracht werden,
weil sie politisch opportun erscheinen, und dann eine
Rechtsnorm „passend gemacht wird“, auf deren Grund-
lage das Vorhaben auf dem vermeintlich einfachsten
Wege realisiert werden kann. Es ist ja auffällig, dass die
Kommission im vorliegenden Fall gerade nicht die na-
heliegende Klausel zur Kompetenzergänzung nach
Art. 352 AEUV heranzieht, weil diese einstimmige Ent-
scheidungen erfordert. Stattdessen wird Art. 114 AEUV
bemüht, der – wie wir alle wissen – Entscheidungen mit
qualifizierter Mehrheit vorsieht. Die Rechtsangleichung
im Binnenmarkt darf aber nicht einfach das Einstimmig-
keitserfordernis des Art. 352 AEUV aushebeln und zu ei-
nem Einfallstor für allerlei Wünschenswertes werden,
für das der EU eine ausdrückliche Kompetenzzuweisung
fehlt.

Doch auch jenseits der gewählten Rechtsgrundlage
haben wir massive Bedenken bezüglich der Vereinbar-
keit des vorliegenden Verordnungsentwurfs mit den
Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit.
Sowohl Verbraucherverbände als auch die Vertreter der
kleinen und mittleren Unternehmen – also ausgerechnet
die Kreise, für die das Europäische Kaufrecht gedacht
ist – haben mehrfach – zuletzt im Rahmen unserer öf-
fentlichen Anhörung – bekräftigt, dass sie keine Notwen-
digkeit für ein Europäisches Kaufrecht sehen. Bei ge-
nauerem Hinsehen offenbaren dies auch die
Eurobarometer-Studien, die die EU-Kommission hierzu
selbst in Auftrag gegeben hat.

Die europäischen Verbraucherverbände befürchten
jedenfalls mittelfristig eine Abschwächung des Verbrau-
cherschutzniveaus. Zudem sehen sie die Gefahr gestei-
gerter Verbraucherverwirrung bei parallel anwendba-
ren nationalen und europäischen Kaufrechtssystemen.
Die kleinen und mittleren Unternehmen betonen, dass
schon heute im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr
keine nennenswerten Schwierigkeiten bestünden. Das
UN-Kaufrecht als bereits vorhandenes optionales Ver-
tragsinstrument habe sich bewährt. Durch die Schaffung
eines zusätzlichen optionalen Instruments in Form des
EU-Kaufrechts sei Rechtsunsicherheit zu befürchten.

Das Zivilrecht ist mit seiner Fülle an unbestimmten
Rechtsbegriffen und Generalklauseln stark richterrecht-
lich geprägt. Dabei bedarf es vieler Jahre, bis ein Be-
griff wie „sittenwidrig“ durch die Rechtsprechung aus-
gefüllt wird. Bei einem Europäischen Kaufrecht müssten
unbestimmte Rechtsbegriffe und allgemeine gesetzliche
Regelungen neu durch die Judikative ausgelegt werden.
Es existiert aber keine einheitliche europäische Zivilge-
richtsbarkeit. Der Europäische Gerichtshof ist für diese
Aufgabe weder ausgelegt noch ausreichend ausgestat-
tet, sodass eine gefestigte Rechtsprechung Jahre oder
gar Jahrzehnte dauern würde.

Hinzu kommt: Die Haupthemmnisse für grenzüber-
schreitende Geschäfte innerhalb der Europäischen
Union sind Sprachbarrieren und räumliche Distanzen.
Diese natürlichen Hindernisse lassen sich auch durch

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Zu Protokoll ge

(C (D in Europäisches Kaufrecht nicht überwinden. Schließch kann die beabsichtigte Rechtsvereinfachung nicht rreicht werden, sofern wesentliche Fragen des Veragsrechts durch das Europäische Kaufrecht nicht abedeckt werden. So sind etwa Geschäftsfähigkeit, Stellertretung und Abtretung von dem Verordnungsentwurf usgenommen. In vielen Einzelfragen müsste deshalb ieder auf die nationalen Zivilrechtsordnungen zurückegriffen werden. Unsere Bedenken werden in zahlreichen EU-Mitliedstaaten geteilt. So hat der Europaausschuss des ösrreichischen Bundesrats gestern eine entsprechende tellungnahme befürwortet, die noch in dieser Woche im undesrat beschlossen werden soll. Das britische Unrhaus bereitet derzeit ebenfalls eine begründete Stelngnahme vor, die einen Verstoß gegen das Subsidiaritsprinzip rügt und die angesprochenen Kritikpunkte ufgreift. Weitere Mitgliedstaaten wie Frankreich, Finnnd und Schweden haben ebenfalls Bedenken angemel et. Im Rat für Justiz und Inneres am 28. Oktober erklärn darüber hinaus die Vertreter Portugals, Sloweniens, er Niederlande und der Tschechischen Republik ihre orbehalte. Die Intention der Europäischen Kommission und des uropäischen Parlaments – dessen müssen wir uns beusst sein – ist klar: Ein Europäisches Kaufrecht soll er erste Schritt zu einer gesamteuropäischen Zivilchtsordnung sein. Doch wenn es der EU darum geht, inen Fuß in die Türe zu bekommen, dann kann erst cht kein Modell hingenommen werden, das auf einer nzureichenden Rechtsgrundlage fußt, das Rechtsunsiherheiten hervorruft und das seine Regelungsziele verhlt. Ohnehin sind Zweifel angebracht, ob eine Vollharonisierung erstrebenswert ist und praktikabel wäre. ür die wachsende Internationalität von Rechtsund eschäftsbeziehungen, die über die EU und ihren Binenmarkt weit hinausreichen, erscheint eine EU-zenierte Perspektive doch als allzu schlicht und eng. Vor kurzem erhielten wir den Kommissionsvorschlag r ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht: ein vereintlich optionales System, das für grenzüberschreinde Fälle greifen soll. Ziel dieses Vorschlags soll sein, ransaktionskosten – insbesondere für kleine und mittre Unternehmen – zu senken und den Handel zwischen en Mitgliedstaaten anzukurbeln. Unsere Fraktion trägt die interfraktionelle Entscheiung, eine sogenannte Subsidiaritätsrüge in Bezug auf en Kommissionsvorschlag zu erheben. Hätte sich der undestag anders entschieden, hätte man der Kommision freie Fahrt gelassen: Die vollumfassende Europäiierung des Privatrechts wäre in einem unauffälligen nd schleichenden Prozess erfolgt. Es ist daher rechtlich nd politisch notwendig, ein klares Zeichen zu setzen. Zu Recht gehen viele Sachverständige davon aus, ass gegen das Subsidiaritätsprinzip auch dann verstoen wird, wenn keine Kompetenz für die Union besteht. ie sonst soll zielführend darüber verhandelt werden, b die Union die Materie besser regeln kann als die Mit17504 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Thomas Silberhorn gebene Reden )

Burkhard Lischka (SPD):
Rede ID: ID1714635100

(A) )

gliedstaaten, wenn die EU doch schon nicht zum Erlass
respektiver Maßnahmen autorisiert ist? Noch letztes
Jahr fand zu diesem Thema eine Sachverständigenanhö-
rung im Bundestag statt, und die Experten und Expertin-
nen befürworteten eine solche umfassende Auslegung
des Rügeumfangs.

Man muss sich insbesondere vor Augen führen, wel-
chen Weg die Kommission eingeschlagen hat: Wider
besseres Wissen – so scheint es mir, nachdem wir die
Sachverständigen zu diesem Thema gehört haben – hat
die Kommission als einschlägige Rechtsgrundlage die
Querschnittskompetenz des Art. 114 AEUV benannt. Da-
nach kann die Union die notwendigen Maßnahmen zur
Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
erlassen, wenn sie die Errichtung und das Funktionieren
des Binnenmarkts zum Gegenstand haben. Nur findet
eben eine solche Angleichung der Rechtsvorschriften
nicht statt. Wir sprechen hier über ein zusätzliches, fa-
kultatives System. Wo liegt da eine Angleichung der na-
tionalen Rechtsvorschriften?

Und ja, es gäbe eine möglicherweise einschlägige
Vorschrift: Art. 352 AEUV. Danach kann der Ministerrat
auf Vorschlag der Kommission die geeigneten Vorschrif-
ten erlassen, wenn ein Tätigwerden der Union im Rah-
men der in den Verträgen festgelegten Politikbereiche
erforderlich erscheint, um eines der Ziele der Verträge
zu verwirklichen. Diejenigen, denen die Vorschrift be-
kannt ist, müssten jetzt aufhorchen; denn zwei bedeu-
tende Verfahrensvoraussetzungen fehlen noch: Erst
nach Zustimmung des Europäischen Parlaments und bei
Einstimmigkeit des Ministerrats ist ein Tätigwerden
nach Art. 352 AEUV möglich. Mit dem Zustimmungs-
recht hat das Parlament weitreichende Einflussmöglich-
keiten auf diejenigen Vorschriften erhalten, die auf der
Grundlage der Flexibilitätsklausel erlassen werden sol-
len. Darüber hinaus darf der deutsche Vertreter im Rat
nur zustimmen, nachdem der Bundestag mit Zustim-
mung des Bundesrates ihn durch ein Gesetz gemäß
Art. 23 Abs. 1 des Grundgesetzes hierzu ermächtigt hat,
§ 8 Integrationsverantwortungsgesetz. Diese Anforde-
rungen sehenden Auges durch die Wahl einer alternati-
ven, aber nicht einschlägigen Kompetenzgrundlage un-
terlaufen zu wollen, lässt dem Deutschen Bundestag nur
eine Möglichkeit: Mit einer Subsidiaritätsrüge klar zu
adressieren, dass sich die deutschen Parlamentarier
nicht auf den Arm nehmen lassen.

Aber auch an der Verhältnismäßigkeit der durch den
Vorschlag verfolgten Regelung bestehen erhebliche
Zweifel. Zwar hat die Sachverständigenanhörung im
Hinblick auf das „Ob“ eines Gemeinsamen Europäi-
schen Kaufrechts keine endgültige Entscheidung ge-
bracht. Das Ziel, den Binnenmarkt anzukurbeln und
Transaktionskosten zu senken, ist zwar begrüßenswert,
nur stellt sich die Frage: Kann und würde dieses Ziel
mithilfe des jetzigen Kommissionsvorschlags erreicht
werden? Hierzu kann ich nur auf die Experten verwei-
sen: In einer bislang ungewohnten Übereinstimmung
sprechen sich die Vertreter der Verbraucher sowie der
Wirtschaft geschlossen gegen den Kommissionsvor-
schlag aus. Für beide Seiten entstünden durch das Ge-
meinsame Europäische Kaufrecht Nachteile. Die eigent-

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Zu Protokoll ge

(C (D chen Handelshemmnisse seien die Sprachenvielfalt, ie gerichtliche Rechtsdurchsetzung im Ausland sowie ie weiterhin erforderliche Rechtsberatung. Auch ein eiteres Vertragswerk würde über diesen Zustand nicht inweghelfen. Rechtsunsicherheit: Mit diesem Schlagwort reagieren iele auf den Kommissionsvorschlag. Was aber genau edeutet dies eigentlich? Um es kurz zu machen: Die erbraucher wüssten nicht, ob für sie im Einzelfall das uropäische Kaufrecht oder das Deutsche Recht sinnoller wäre; Rechtsunsicherheit ist vorprogrammiert. ollten sich doch beide Seiten für das Gemeinsame uropäische Kaufrecht entscheiden, jedoch Uneinigkeit ber die Lieferung der belgischen Pralinen und deren ücknahme bestehen: Welches Gericht sollte dann über iesen Rechtstreit entscheiden, wo es doch keine euroäische Zivilgerichtsbarkeit gibt? Und wie soll die bisng den nationalen Gerichten obliegende Auslegung er Rechtsvorschriften erfolgen? Diese und weitere Fraen müssen geklärt werden, bevor in einem Schnellurchlauf ein zusätzliches Vertragsrecht normiert wird. Es bedarf daher einer gewissenhaften Prüfung der orund Nachteile des vorgeschlagenen Gemeinsamen uropäischen Kaufrechts. Bevor die zutreffende Kompenzgrundlage für ein Tätigwerden der EU nicht benannt t und nicht sämtliche offensichtliche Nachteile für eutsche Verbraucher und kleine und mittlere Unternehen ausgeräumt sind, ist es Aufgabe des Deutschen undestags, die Schritte der Kommission kritisch zu beleiten und dezidierte Erklärungen zu fordern. Mitte Oktober dieses Jahres hat die Europäische ommission ihren Vorschlag für eine Verordnung über in Europäisches Kaufrecht vorgelegt. Damit verfolgt ie Kommission das Ziel, ein fakultatives europäisches ertragsrecht neben dem nationalen Zivilrecht der Mitliedstaaten zu etablieren. Ich stehe diesem konkreten erordnungsvorschlag sehr skeptisch gegenüber und berüße es sehr, dass sich hier im Hause ein interfraktioeller Konsens findet, um eine Subsidiaritätsrüge einzugen. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Zunächst hege ich große Zweifel, dass der uns vorgegte Verordnungsentwurf auf der Rechtsgrundlage von rt. 114 AEUV erlassen werden kann, so wie die Komission dieses beabsichtigt. Die Kompetenzgrundlage ehört nach richtiger Auffassung zum Prüfprogramm er Subsidiaritätsrüge. Mit dieser Ansicht befindet sich er Deutsche Bundestag in bester Gesellschaft. Ein roßteil des Schrifttums zu diesem Thema bejaht dies benfalls. Dass Art. 114 AEUV den Verordnungsvorschlag nicht ägt, folgt zunächst aus der Rechtsprechung des EuGH. r hat bei seiner Entscheidung zur Europäischen Geossenschaft klargestellt, dass ein Gesetzgebungsakt, elcher die nationalen Rechtsvorschriften unverändert sst, keine Angleichung der Rechtund Verwaltungs orschriften der Mitgliedstaaten im Sinne des Art. 114 EUV bezweckt und damit Art. 114 AEUV keine zuläsige Rechtsgrundlage darstellt. Genauso verfährt aber Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17505 Burkhard Lischka gebene Reden )

Dr. Marco Buschmann (FDP):
Rede ID: ID1714635200

(A) )

der Verordnungsentwurf. Er lässt das bestehende Zivil-
recht der Mitgliedstaaten unberührt. Zu diesem Ergeb-
nis gelangte auch die Mehrheit der Sachverständigten in
der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des
Bundestages am 21. November 2011.

Neben der fehlenden Rechtsgrundlage sprechen auch
materielle Argumente gegen den Entwurf. Die Kommis-
sion verfolgt angeblich das Ziel, Handelshemmnisse in
Europa abzubauen. Dazu sollen Transaktionskosten ge-
senkt werden, indem rechtlicher Beratungsbedarf ver-
mindert wird. Der Verordnungsvorschlag löst dieses
Problem aber gerade nicht. Er sorgt nur noch für mehr
Aufwand. Denn im Ergebnis zeugt der Entwurf 27 zu-
sätzliche rechtliche Chimären. Der Entwurf muss näm-
lich wegen seiner fragmentierenden Regelungstechnik
bei Stellvertretung, Geschäftsfähigkeit etc. auf das je-
weilige Rechtssystem der Mitgliedstaaten zurückgreifen.
Der Aufwand für Rechtsberatung wird also nicht ver-
mindert, sondern gesteigert.

Im Übrigen spricht es ja auch Bände, dass alle Frak-
tionen des Deutschen Bundestages diese Skepsis teilen.
Das könnte nicht zuletzt auch mit der Tatsache zu tun ha-
ben, dass die Kommission den Eindruck erweckt, als
wäre sie an einem echten Austausch der Argumente
nicht interessiert. Bereits Anfang des Jahres 2011 haben
wir zu dem vorangegangenen „Grünbuch zur Ein-
führung eines Europäischen Vertragsrechts“ interfrak-
tionell eine kritische Stellungnahme gegenüber der
Kommission abgegeben. Damit standen wir in dem Kon-
sultationsverfahren des Grünbuches keineswegs alleine
da. Über 300 größtenteils kritische Stellungnahmen er-
reichten die Kommission bis zum Ende des Konsulta-
tionsverfahren am 31. Januar 2011. Auch wurde in der
gesamten Bandbreite der Interessengruppen von Wirt-
schaft, Handwerk bis hin zu den Verbraucherschützern
Kritik an dem Vorhaben der Kommission geübt. Dass die
Kommission nur gut neun Monate nach Ende der Kon-
sultation einen Vorschlag vorlegt und damit behauptet,
sie hätte diese 300 Stellungnahmen gewürdigt, ausge-
wertet und den Entwurf daraufhin verbessert, ist
schlicht nicht glaubwürdig.

Daher ist diese Subsidiaritätsrüge auch ein Signal an
die Kommission, mit dem wir zu einer besseren Berück-
sichtigung der Anregungen aus Praxis, Wissenschaft, Zi-
vilgesellschaft und aus den mitgliedstaatlichen Parla-
menten aufrufen.


Raju Sharma (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714635300

Bevor ich mich dem Gemeinsamen Europäischen

Kaufrecht widme, möchte ich noch eine Anmerkung zur
gemeinsamen Entschließung von Union, SPD, FDP und
Grünen zur Sache machen. Diese Entschließung der
Fraktionen im Rechtsauschuss ist inhaltlich sehr sinn-
voll und findet die Zustimmung auch der Linken. Es ist
mir sehr wichtig, das zu erwähnen. Denn es kommt nicht
oft vor, dass gerade aus den Reihen von Union und FDP
derart vernünftige Vorschläge kommen. Mancher wird
sich fragen, warum Die Linke dann die Entschließung
nicht mitgezeichnet hat, wenn sie sich schon inhaltlich
einverstanden erklärt. Der Grund dafür ist einfach:

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Zu Protokoll ge

(C (D DU und CSU sitzen noch immer in den Schützengräen des Kalten Krieges und verweigern der Linken, eine emeinsame Initiative miteinzureichen, die Konsens im anzen Hause ist. Damit konterkarieren CDU und CSU r eigenes Anliegen, weil die beiden Fraktionen partei olitischer Kleingeistigkeit den Vorrang vor einer staren Stimme des gesamten Deutschen Bundestages geen. Dabei wäre ein gemeinsames Agieren des gesamten arlaments wichtig und angezeigt. Die Europäische Kommission will mit ihrem Vorchlag für ein Gemeinsames EU-Kaufrecht ein Problem sen, das es so nicht gibt, und verwendet dazu Instruente, die nicht nur nicht funktionieren, sondern neue robleme schaffen, die wir bisher nicht kennen. Das ngt schon bei der Grundannahme an, dass die Rechts rdnungen der Mitgliedstaaten den Wettbewerb behinern, weil Käufer und Verkäufer gleichermaßen kaum in er Lage seien, die verschiedenen Vorschriften des jeeils national gültigen Kaufrechts zu berücksichtigen. der Folge würden Unternehmen Verträge mit Part ern in den Mitgliedstaaten nur in geringerem Umfang bschließen, als es ansonsten möglich wäre. Ein Geeinsames EU-Kaufrecht, das sagt die Kommission, ürde Abhilfe schaffen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Nicht unterschiedche Rechtsordnungen, sondern ganz handfeste Gründe ie Sprachbarrieren oder auch weite räumliche Entferungen sind die Haupthindernisse für den grenzüberchreitenden Handel. Die Annahme, Käufer und Verkäur würden einen Kaufvertrag allein aufgrund eines emeinsamen Kaufrechts abschließen, ist zudem völlig nrealistisch und zeugt nicht von großem Sachverstand. ie Beschlussempfehlung weist völlig zu Recht auf inerstaatliches Recht hin, das zu beachten ist: Geschäftsnfähigkeit, Sittenund Rechtswidrigkeit, Abtretung und o weiter und so fort. Ich teile die Befürchtung, dass dieses Gemeinsame U-Kaufrecht wahrscheinlich keine Rechtsklarheit, sonern im Gegenteil erhebliche Rechtsunsicherheit chafft. Auch hier weist die Beschlussempfehlung völlig u Recht darauf hin, dass nicht nur in Deutschland, sonern auch in den meisten Mitgliedstaaten das Kaufrecht urch die Rechtsprechung, also durch Richterrecht, gerägt ist. Anders würde es sich bei einem Gemeinsamen U-Kaufrecht auch nicht verhalten: Relevante Regelunen müssten erst noch entstehen. Selbst wenn der Euroäische Gerichtshof in der Lage wäre, durch seine echtsprechung dafür zu sorgen, wären Unternehmen owie Bürgerinnen und Bürger womöglich über Jahrehnte mit einer unklaren Rechtslage konfrontiert. Nieand könnte einschätzen, welche Rechten und Pflichten ich tatsächlich aus einem Vertragsabschluss ergeben. ie Folge wird sein, dass Verträge deshalb gar nicht rst abgeschlossen werden. Das Gemeinsame EU-Kaufcht würde das Gegenteil seines postulierten Zwecks ewirken. Auch deshalb ist es sehr sinnvoll, die Verordnung zum emeinsamen EU-Kaufrecht zwar zur Kenntnis zu nehen, aber – so wie es hier vorgeschlagen ist – eine beründete Stellungnahme nach Art. 6 des Vertrags über 17506 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Marco Buschmann gebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17507 Raju Sharma )


(A) )

die Europäische Union zu verabschieden. Die Linke
wird dem zustimmen; denn anders als die Kalten Krie-
ger der Union nehmen wir unsere Verantwortung ernst.


Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714635400

Die europäische Integration hat mittlerweile eine

langjährige Geschichte. Einer der größten Erfolge der
Europäischen Union ist der gemeinsame Binnenmarkt.
Die Errichtung des europäischen Binnenmarkts hat den
grenzüberschreitenden Handel in der Europäischen
Union enorm erleichtert. Daher ist es grundsätzlich zu
begrüßen, dass die Kommission der Europäischen Union
den Handel im Binnenmarkt weiter ausbauen will. Dies
geschah in der Vergangenheit bereits durch vereinheitli-
chende Maßnahmen im Gesellschaftsrecht, Wettbe-
werbsrecht oder Verbraucherrecht.

Nun soll mit der vorliegenden Verordnung ein Schritt
weiter gegangen werden: Ein Gemeinsames Europäi-
sches Kaufrecht mit hohem Verbraucherschutzstandard
soll Handelshemmnisse im Binnenmarkt beseitigen. Das
Anliegen, durch die Wahl eines Gemeinsamen Kauf-
rechts die Transaktionskosten in der Europäischen
Union zu senken, halten wir generell für sinnvoll. Aber
wir fragen uns: Ist dies der richtige Schritt zur richtigen
Zeit? Sind die Bürgerinnen und Bürger in der Europäi-
schen Union schon so weit, dass sie sich auf ein
Europäisches Vertragsrecht berufen wollen, wenn sie
grenzüberschreitend einkaufen? Und vor allem: Sind es
tatsächlich die Unterschiede in den Vertragsrechten der
Mitgliedstaaten, die die Bürger davon abhalten, Ge-
schäfte in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen
Union zu tätigen?

Wir denken, dass auch viele andere Faktoren den
Handel einschränken, wie zum Beispiel die fremde Spra-
che oder Bedenken bezüglich der Rechtsdurchsetzung in
einem anderen Staat. Erfahrungen mit dem Internatio-
nalen Kaufrecht der Vereinten Nationen haben dies be-
stätigt. Daher ist der Bedarf für eine solche Verordnung
fraglich. Besteht aber kein Bedarf, so ist die Verordnung
kein Instrument, um Handelshemmnisse zu beseitigen.
Das Gemeinsame Europäische Kaufrecht wäre dann
nicht geeignet, den Handel zu fördern.

Weitere Zweifel haben wir in Bezug auf die Wahl der
Rechtsgrundlage, auf die die Kommission ihren Verord-
nungsvorschlag stützt. Die Kommission wählt Art. 114
des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen
Union, AEUV, als Kompetenznorm, eine Vorschrift, die
keine Einstimmigkeit für den Erlass der Verordnung vo-
raussetzt, sondern eine Mehrheitsentscheidung im Rat
der Europäischen Union ermöglicht. Art. 114 AEUV
setzt voraus, dass es sich bei der zu erlassenden Verord-
nung um eine Maßnahme zur Angleichung der nationa-
len Rechtsvorschriften handelt. Von einer Angleichung
kann hier jedoch keine Rede sein, denn die Verordnung
tritt als weiteres Vertragsrecht neben die nationalen Ver-
tragsrechte. Sie bildet ein optionales Instrument, das
Unternehmer den Käufern anbieten können, wenn sie
grenzüberschreitenden Handel tätigen. Die Regelungen,
die in der Verordnung getroffen werden, beschränken

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(C (D ich auch nicht auf das Kaufrecht. Sie regeln darüber hiaus andere wichtige Rechtsbereiche, wie das Anfechngsrecht, die Vertragsauslegung und die Verjährung. iese sind zwar für den Abschluss eines Kaufvertrages on Relevanz, behandeln aber nicht das Kaufrecht im eientlichen Sinne. Nach unserer Auffassung kann eine solch weitreichende erordnung nur auf die Rechtsgrundlage des Art. 352 EUV gestützt werden. Maßnahmen auf dieser Grundge erfordern Einstimmigkeit im Rat der Europäischen nion. Für Deutschland bedeutet dies, dass der deut che Vertreter im Rat nur zustimmen kann, wenn ein arlamentsgesetz erlassen wird, das ihn zur Zustimung ermächtigt. Der Erlass dieses Parlamentsgesetzes t wiederum abhängig von der Zustimmung des Bundesges und des Bundesrates. Wie die Kommission wollen auch wir den Binnenarkt und die europäische Integration fördern, jedoch ur unter angemessener Wahrung der Integrationsverntwortung des Bundestages und des Bundesrates. Daer erheben wir, gemeinsam mit den anderen Fraktioen, die Subsidiaritätsrüge gegen die Verordnung, um nsere Beteiligungsrechte zu wahren. Wir wollen eine eitere europäische Integration nicht aufhalten oder beindern, aber wir wollen, dass diese auf der Grundlage er europäischen Verträge erfolgt. Die Bürger müssen, erade auch in Zeiten der Euro-Krise, erkennen können, ass Demokratie nicht an den Grenzen Deutschlands enet, sondern auch in der Europäischen Union ein zentrar Aspekt ist. Wir kommen zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss mpfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksahe 17/8000, in Kenntnis der Unterrichtung eine Entchließung als Stellungnahme zur Anwendung der rundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigeit gemäß Art. 6 des Protokolls Nr. 2 zum Vertrag über ie Europäische Union anzunehmen. Wer stimmt für iese Beschlussempfehlung? – Das sind alle Fraktionen es Hauses. Vorsichtshalber Gegenprobe! – Keine Geenstimmen. Enthaltungen? – Keine. Die Beschlussemphlung ist einstimmig angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Niema Movassat, Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Forschungsförderung zur Bekämpfung vernachlässigter Krankheiten ausbauen – Zugang zu Medikamenten für arme Regionen ermöglichen – Drucksache 17/7372 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Gesundheit Federführung strittig 17508 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Vizepräsident Eduard Oswald )

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714635500

(A) )

Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolle-
ginnen und Kollegen liegen dem Präsidium vor.


Anette Hübinger (CDU):
Rede ID: ID1714635600

Der vorliegende Antrag beschäftigt sich mit dem

wichtigen Thema vernachlässigter – oft armutsassozi-
ierter – Krankheiten, und es ist wichtig und richtig, dass
sich alle Fraktionen des Deutschen Bundestages mit die-
sem Thema auseinandersetzen. Neben dem Antrag der
Fraktion Die Linke hat sich die SPD mit einem Antrag
zum Thema positioniert, und auch die christlich-liberale
Koalition wird in Kürze einen eigenen Antrag ins parla-
mentarische Verfahren einbringen, um das sehr zu be-
grüßende Engagement der Bundesregierung in diesem
Bereich konstruktiv zu begleiten. In diesem Punkt liegen
sicherlich die größten Unterschiede zwischen unserem
Antrag und den Anträgen der Opposition.

Bezüglich der Analyse der verheerenden Auswirkun-
gen dieser Krankheiten sind wir uns sicherlich einig.
Von vernachlässigten Krankheiten sind weltweit Millio-
nen von Menschen – insbesondere in Entwicklungs- und
Schwellenländern – betroffen. Zwar führen nicht alle
Krankheitsverläufe zwangsläufig zum Tod, doch schrän-
ken die Krankheiten oftmals das Leben der Betroffenen
so stark ein, dass von einer selbstbestimmten, unabhän-
gigen Lebensführung nicht mehr gesprochen werden
kann.

Nicht so eindeutig wird allerdings oft die Frage dis-
kutiert, welche Krankheiten denn eigentlich zu den ver-
nachlässigten Krankheiten zu zählen sind. Einen guten
Anhaltspunkt gibt in dieser Frage die Weltgesundheits-
organisation, die 17 Krankheiten – wie die afrikanische
Schlafkrankheit, Leishmaniose oder Chagas – zu den
vernachlässigten Krankheiten zählt. Strittig ist, ob die
sogenannten großen Drei bzw. großen drei „Killer“
HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose auch dazu gezählt
werden können bzw. müssen. Dafür spricht, dass viele
Millionen Menschen in Entwicklungs- und Schwellen-
ländern von diesen drei Krankheiten betroffen sind. So-
weit vorhanden, sind entsprechende Medikamente zur
Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose oft
sehr teuer und damit für die meisten Menschen uner-
schwinglich.

Dagegen spricht, dass den drei großen „Killern“ eine
wesentlich höhere Aufmerksamkeit als den nach WHO-
Definition ausgewiesenen vernachlässigten Krankheiten
zukommt und große Summen in die Bekämpfung dieser
Krankheiten investiert werden. Doch der Fokus liegt
hier auf den Industrieländern, also auf lukrativen Märk-
ten.

Von vernachlässigt im engeren Sinn kann also bei
HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose nicht so einfach ge-
sprochen werden. Diese Differenzierung kommt im vor-
liegenden Antrag der Linken leider zu kurz. Da in die
Erforschung dieser Krankheiten von deutscher wie von
internationaler Seite schon sehr viel Geld fließt, traf die
Bundesregierung die richtige Entscheidung, sich im
Rahmen des Förderkonzeptes „Vernachlässigte und ar-

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(C (D utsassoziierte Krankheiten“ zu fokussieren und nicht as ganze Thema undifferenziert bedienen zu wollen. Die Begriffe „vernachlässigt“ und „armutsassozirt“ treffen den Kern des Anliegens. Diese Aspekte beeffen nämlich Fragestellungen der Krankheiten, die peziell in Entwicklungsund Schwellenländern von Revanz sind. HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose gehön damit dazu, weil einige Aspekte der drei großen Killer“ durchaus als vernachlässigt angesehen werden önnen bzw. müssen. Außer Frage steht für die christlich-liberale Koalion, dass das deutsche Engagement im Bereich der verachlässigten Krankheiten über die bestehende Fördernie hinaus verstetigt werden muss. Dieses grundgende Anliegen teilen wir. Klar ist aber auch, dass die em Anspruch eine Evaluation der Wirkungen des aktull anlaufenden Förderkonzeptes vorausgehen muss. ie Bundesregierung hat sich mit der Förderung von roduktentwicklungspartnerschaften – kurz PDPs – auf euland begeben. Bevor zusätzliche Instrumente ins piel gebracht werden und mehr Mittel gefordert weren, sollten die Effekte des aktuellen BMBF-Förderkoneptes zu den vernachlässigten und armutsassoziierten rankheiten abgewartet werden. Ansonsten geht man en zweiten vor dem ersten Schritt. Die Förderung von PDPs in Höhe von 22 Millionen uro über einen Zeitraum von vier Jahren ist dabei ein ehr guter erster Schritt. Mittelund langfristig können ns diese Zahlen – gerade im internationalen Vergleich nicht zufriedenstellen. Falsch wäre auch, das Engageent der Bundesregierung in diesem Bereich nur auf die DP-Förderung zu verengen. So ist die Förderung der uropean and Developing Countries Clinical Trials artnership als weiterer wichtiger Baustein zur Beämpfung der vernachlässigten und armutsassoziierten rankheiten im Förderkonzept des BMBF verankert. as BMBF unterstützt darüber hinaus national wie inrnational viele Forschungsprojekte zum Thema HIV/ ids. Der Forderung, zukünftig auch HIV/Aids und Tuberulose in die PDP-Förderung zu integrieren, stehen wir ffen gegenüber. Einen unspezifischen Rundumschlag arf es aber auch da nicht geben. Die Zielvorstellung uss dabei präzise sein, um die gewünschten Ergebnisse u erzielen. Auch sollten wir uns keine Illusionen darüber mahen, dass Deutschland in diesem umfangreichen Forchungsfeld alles leisten kann bzw. nur mit staatlichen itteln die Probleme lösen kann. Nur durch europäische nd internationale Aufgabenteilung sowie die Einbezieung des privaten Sektors werden wir den Herausfordeungen bei der Erforschung vernachlässigter und arutsassoziierter Krankheiten gerecht. In der internatioalen Staatengemeinschaft sollte jeder – auch die privan Pharmaunternehmen – seinen spezifischen Beitrag isten. Aus dem vorliegenden Antrag wird ersichtlich, wie haltlich breit gefächert dieses Thema ist. Es tangiert orschungsfragen, rechtliche Belange hinsichtlich der )


(A) )

Ausgestaltung von Patenten und natürlich auch Fragen
der Entwicklungszusammenarbeit. Dieses breite Spek-
trum ist zwar richtig, allerdings wird bei fast allen ange-
sprochenen Punkten genauso deutlich, dass die Rollen
von Opposition und Regierungsfraktion dann doch sehr
unterschiedlich sind.

Als Beispiel möchte ich den Punkt 7 und die damit
verbundene Forderung nach jährlich 500 Millionen
Euro für die nichtkommerzielle klinische Forschung mit
dem Schwerpunkt vernachlässigte Krankheiten aufgrei-
fen. Bei allem Engagement für das Thema: Realitätssinn
sieht anders aus.

Ich finde es sehr schade, dass die Fraktion Die Linke
mit dem vorliegenden Antrag leider in vielen Punkten ei-
nen realitätsfernen Weg eingeschlagen hat, den wir
– trotz der Wichtigkeit des Themas – so nicht mittragen
können. Rechtliche und fiskalische Fantasterei sowie
Zwangsverpflichtungen helfen uns bei der Bekämpfung
von vernachlässigten und armutsassoziierten Krankhei-
ten nicht weiter.

Ich freue mich aber auf interessante Debatten zum
Thema in den kommenden Monaten und hoffe, dass sich
die Oppositionsparteien unseren bald vorliegenden
– realistischen – Forderungen anschließen werden, um
das Thema mit der gebotenen Ernsthaftigkeit voranzu-
treiben.


Eberhard Gienger (CDU):
Rede ID: ID1714635700

Der Antrag der Linken ist klar abzulehnen, da er halt-

los ist, jeder Grundlage entbehrt und die Tatsachen ver-
dreht. Als Oppositionspartei will sie – wie unter Punkt 7
im Antrag gefordert – „die nichtkommerzielle For-
schung mit einer halben Milliarde jährlich aus Bundes-
mitteln fördern“. Das ist abenteuerlich. Aber von der
Linkspartei kennen wir das nicht anders: Immer voll-
mundig Geld ausgeben wollen, aber nicht sagen, wie es
bezahlt werden soll, wer es bezahlen soll und ob die In-
vestitionsmittel nachhaltig eingesetzt werden.

Etwas Positives gibt es dennoch in diesem Antrag:
Einige Punkte sind tatsächlich eins zu eins aus unserem
Antrag zu Zeiten der großen Koalition übernommen
worden. Diese werden auch schon längst umgesetzt. Das
ist offensichtlich an der Linkspartei vorbeigegangen, da
sie sich mit diesem Thema augenscheinlich nur ober-
flächlich beschäftigt hat.

Ich kann und möchte gar nicht auf alle 26 geforderten
Punkte des Antrages eingehen, aber einige sollen schon
angesprochen werden. Die Erforschung der vernachläs-
sigten und armutsassoziierten Krankheiten müssen wir
weiter fördern, da über eine Milliarde Menschen darun-
ter leiden. Zu diesen Krankheiten mit katastrophalen
Folgen oder gar tödlichem Verlauf zählen: HIV, Mala-
ria, Tuberkulose, Chagas, das Dengue-Fieber oder die
Leishmaniose. Das sind nur einige der 17 vernachläs-
sigten Krankheiten, die die WHO aufführt.

Wir fördern die Grundlagenforschung, die präklini-
sche Forschung und die klinische Phase an vielen uni-
versitären und außeruniversitären Einrichtungen, Ten-
denz steigend. Mit der Gründung eines Deutschen

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(C (D entrums für Infektionskrankheiten haben wir eine gute asis geschaffen, um diese Infektionen zu erforschen nd dadurch den Betroffenen in den Entwicklungsund chwellenländern auch zu helfen. Was wir brauchen sind nicht konzeptionslose Fordeungen, sondern ein Förderkonzept und eine Fördertrategie, die effektiv und nachhaltig ist. Hier hat eutschland eine Vorreiterrolle übernommen. Das BMBF fördert mit 22 Millionen Euro in den Jahn 2011 bis 2014 einen wichtigen Baustein in der Be ämpfung vernachlässigter und armutsbedingter Krankeiten, und zwar durch die Produktentwicklungsartnerschaften, PDPs: Product Development Partnerhips. Das sind gemeinnützige Organisationen, die es sich ur Aufgabe gemacht haben, Präventionsmethoden, Impftoffe, Medikamente, Diagnostika oder Diagnosegeräte u entwickeln und kostengünstig auf den Markt zu brinen. Vorrangiges Ziel ist hierbei die Verbesserung der öfntlichen Gesundheit und nicht die Gewinnschöpfung, elche den Unterschied zur klassischen Pharmafor chung verdeutlicht. Im Übrigen sind erste Produkte aus em PDPs schon auf dem Markt. Das ist gut so. Da die aufkraft in den Entwicklungsländern niedrig ist und ie Gesundheitssysteme stark unterfinanziert sind, beteht für die Industrie kaum ein Anreiz, Produkte speziell r die von Armut betroffene Bevölkerung zu entwickeln. ie PDPs sind daher ein gutes Konzept, Produkte spe iell auf die Bedürfnisse von Menschen in armen Länern zu entwickeln. Viele Menschen dort sind bildungsrn, und es kommt nicht selten vor, dass Medikamente lsch oder/und in falschen Dosierungen eingenommen erden. Im Jahr 2000 formulierten die Vereinten Nationen cht Millenniumsentwicklungsziele mit dem übergeordeten Ziel, die Armut der Welt zu bekämpfen. Die Bunesregierung fokussiert den Einsatz der Mittel vor allem arauf, die Millenniumsentwicklungsziele 4 und 5 zu erichen, und zwar die Kindersterblichkeit zu senken und ie Müttergesundheit zu verbessern, da insbesondere ieser Teil der armen Bevölkerung von den Infektionsrankheiten betroffen ist. Wie Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen der inkspartei, sind wir schon viel weiter, als Sie mit Ihren 6 Punkten in Ihrem Forderungskatalog uns glauben achen wollen. Zweifellos kann man immer mehr tun, nd das wollen wir auch. Wir werden uns für eine Mittelrhöhung im Rahmen des Machbaren einsetzen. Die Thematik der vernachlässigten Krankheiten in ntwicklungsländern hat über lange Zeit leider viel zu enig Beachtung gefunden. Umso erfreulicher ist es, ass die Probleme und Herausforderungen im Zusamenhang mit sogenannten vernachlässigten Krankhein zunehmend ins Interesse der Öffentlichkeit geraten. afür ist auch einer Reihe von Kolleginnen und Kolleen zu danken, die sich überfraktionell für dieses Thema insetzen. Ein Ergebnis ist auch, dass sich der Deutsche Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17509 Anette Hübinger gebene Reden )

René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1714635800

(A) )

Bundestag dieses Themas angenommen und einen Un-
terausschuss „Gesundheit in Entwicklungsländern“
– der sich auch mit den vernachlässigten Krankheiten in
diesen Ländern befasst – eingerichtet hat, der dem
Thema angemessenes Gewicht im parlamentarischen
Raum verleiht.

Dass die Thematik der vernachlässigten Krankheiten
vielschichtig ist und nicht nur die Dimension der Ent-
wicklungspolitik betrifft, sondern auch wichtige Impli-
kationen für die Forschungspolitik in Deutschland mit
sich bringt, wird auch an dem heute zur Debatte stehen-
den Antrag der Fraktion Die Linke deutlich: Die Schaf-
fung von Grundlagen für eine nachhaltige Bekämpfung
der vernachlässigten Krankheiten beschränkt sich nicht
ausschließlich auf unsere Bemühungen in den Ziellän-
dern, sondern hängt auch ganz konkret von forschungs-
politischen Weichenstellungen hier in Deutschland ab.
Das grundsätzliche Anliegen des hier zu debattierenden
Antrags, der Thematik der vernachlässigten Krankhei-
ten auch in der Forschungsförderung des Bundes mehr
Gewicht zu verleihen, können wir nachvollziehen. Dies
wird im Grundsatz auch vonseiten der SPD-Bundestags-
fraktion befürwortet.

Nach eingehender Lektüre des Antrags kommen uns
jedoch erhebliche Zweifel, ob dieser Rundumschlag der
Fraktion Die Linke der Sache bzw. dem Ziel wirklich
dienlich ist. Vielmehr kann man sich des Eindrucks nicht
erwehren, dass dieser Antrag sich auf zahlreichen Ne-
benschauplätzen verliert und zudem mit einer Reihe un-
reflektierter und unrealistischer Forderungen gespickt
ist.

Da wäre zunächst die unter Punkt 7 erhobene Forde-
rung, die nichtkommerzielle klinische Forschung mit
jährlich 500 Millionen Euro zu fördern. Mit einem Blick
auf den Forschungsetat des Bundes, der ein Gesamtvo-
lumen von circa 13 Milliarden Euro umfasst, wird deut-
lich, dass eine Forderung in dieser Größenordnung als
wenig realistisch einzustufen ist. Mit unrealistischen
Forderungen dieser Art ist den Betroffenen in den jewei-
ligen Zielländern nur wenig geholfen: Wie zielführend
ist eine Forderung nach Mitteln, die der Haushalt nicht
hergibt? Zumal eine Förderung von klinischer For-
schung in dieser Höhe einseitig Mittel im Forschungs-
haushalt binden würde. Dies ist weder ausgewogen noch
nachhaltig, zumal eine Mittelaufstockung in diesem Be-
reich unweigerlich Kürzungen an anderer Stelle zur
Folge hätte, etwa im Bereich der Grundlagenforschung.
Auf diese Weise könnte es auch negative Rückwirkungen
auf die Bekämpfung der vernachlässigten Krankheiten
geben: etwa wenn durch eine mangelnde Finanzierung
der Grundlagenforschung die Entdeckung neuer, viel-
versprechender Wirkstoffe gegen vernachlässigte
Krankheiten nicht ermöglicht wird.

Daneben weist der vorliegende Antrag noch zahlrei-
che weitere unreflektierte Appelle auf. Ich will an dieser
Stelle nur auf die Forderung eingehen, die die öffentli-
che Förderung klinischer Studien zwangsläufig an die
Auflage einer Open-Access-Publikation binden möchte.
Ich halte es für richtig, darüber nachzudenken, wie mit
Ergebnissen aus öffentlich finanzierter Forschung um-

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Zu Protokoll ge

(C (D egangen werden kann und soll. Wir haben als SPDraktion in unserem Antrag zum Zweitverwertungsrecht Urheberrecht eine Position dazu formuliert. Wenn ber die Linksfraktion die Bundesregierung auffordert, ie öffentlich finanzierten Forschungsinstitute zu verflichten, bereits vorhandene Patente – sogar wenn sie ichtöffentlich finanziert wurden – in einen noch so innvoll erscheinenden Patentpool zu geben, baut sie otemkinsche Dörfer auf. Dies ist tatsächlich kaum zu alisieren. Diese Liste ließe sich noch erweitern; angesichts der egrenzten Redezeit soll an dieser Stelle jedoch nicht eiter darauf eingegangen werden. Das grundsätzliche roblem der Unausgewogenheit des vorliegenden Forerungskatalogs ist hoffentlich in Teilen herausgearbeit worden. Wie so oft im Leben, so wird auch in diesem all deutlich, dass das Gegenteil von „gut gemacht“ uch „gut gemeint“ sein kann. Armutsbedingte, vernachlässigte Krankheiten sind uch heute noch dafür verantwortlich, dass die Lebensrwartung in den Entwicklungsländern bis zu 30 Jahre nter der in Industriestaaten liegt. Jahr für Jahr sterben Millionen Menschen an Krankeiten, die vermeidbar oder behandelbar wären. Bei ids nimmt die Zahl der Neuinfektionen insgesamt zwar b, liegt aber immer noch bei 2,7 Millionen pro Jahr. irekt in unserer Nachbarschaft, in den ehemaligen US-Staaten, haben wir Steigerungsraten von 250 Pro ent in den letzten zehn Jahren. Trotz eines verbesserten Zugangs zu Medikamenten erden auch heute noch täglich mehr als 1 000 Kinder urch ihre Mütter infiziert. Darauf möchte ich am heutien Welt-Aids-Tag noch einmal aufmerksam machen. Malaria tötet in Subsahara-Afrika alle 30 Sekunden in Kind. Etwa ein Drittel der Weltbevölkerung ist mit Tuberkuse infiziert. Mehr als eine Milliarde Menschen sind on den vernachlässigten Krankheiten, wie Schlafkrankeit oder Wurmerkrankungen betroffen. Etwa ein Drittel er Weltbevölkerung, circa 2 Milliarden Menschen, aben keinen Zugang zu existenziellen Medikamenten. Dies sind die Fakten. Nach den Gesetzen der reinen arktwirtschaft, sind all diese Menschen nicht interes ant, da sich mit der Entwicklung von Medikamenten für ie kein Geld verdienen lässt. Um ihnen dennoch zu ihrem Menschenrecht auf Geundheit zu verhelfen, gibt es verschiedene Instrumente, ie in den vergangenen Jahren entwickelt wurden, so um Beispiel die sogenannten Produktentwicklungsparterschaften, PDP, die Medikamente für die vernachläsigten Krankheiten in Zusammenarbeit mit Industrie und orschung auf Non-Profit-Basis entwickeln. Die Bundesrepublik ist seit diesem Jahr in die Fördeung eingestiegen. Das begrüße ich sehr, auch wenn wir ls SPD uns einen deutlich höheren Förderbeitrag ewünscht hätten. Es ist ein Einstieg, und ich danke 17510 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 René Röspel gebene Reden )

Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1714635900

(A) )

ausdrücklich dem Parlamentarischen Staatssekretär
Dr. Braun im BMBF für sein Engagement. In diesem
Falle hat die Kanzlerin die weise Entscheidung getrof-
fen, dass das BMBF für die PDP zuständig sein soll.
Hätte man dies dem Minister Niebel überlassen, würden
heute vermutlich keine Gelder mehr zur Verfügung ste-
hen. Dies zeigt die Einstellung der Förderung für die
Mikrobizidforschung deutlich.

Wenn jetzt unsere Forderung aus dem vergangenen
Jahr, PDP mit 100 Millionen Euro zu fördern, noch um-
gesetzt wird und dann Förderung auch auf die Bereiche
Aids/HIV und Tuberkulose ausgedehnt würde, wären wir
einen großen Schritt weiter.

Einen großen Schritt können wir auch gehen, wenn
wir endlich eine stärkere Kohärenz zwischen nationalem
und europäischen Handeln in der Forschung erreichen.
Deswegen setzen wir uns für eine Einbeziehung der PDP
in das 8. Forschungsrahmenprogramm der EU ein.

Ein anderer Weg ist das Projekt TBVI, das über Bürg-
schaften durch die Europäischen Mitgliedstaaten die
Finanzierung der Forschung und Entwicklung eines
Impfstoffes gegen Tuberkulose erreichen möchte. Auch
dieses Projekt unterstützen wir ausdrücklich.

Die SPD-Fraktion hat bereits im vergangenen Jahr
einen Antrag vorgelegt, der Maßnahmen zur verbesser-
ten Medikamentenversorgung in den Entwicklungslän-
dern aufzeigt. Dass jetzt ein weiterer Antrag vorliegt,
der unsere Forderungen unterstützt, lässt mich hoffen,
dass sich bald auch die Mehrheit des Hauses für eine
Verbesserung der Forschungs- und Versorgungssitua-
tion mit Medikamenten für die Armen dieser Welt einset-
zen wird.


Dr. Peter Röhlinger (FDP):
Rede ID: ID1714636000

Es wäre sehr schön, wenn alle Menschen weltweit un-

geachtet ihrer Kaufkraft Zugang zu den für sie notwen-
digen Medikamenten und Produkten hätten. So weit sind
wir natürlich noch lange nicht. Wir nähern uns so gro-
ßen Zielen Schritt für Schritt. Einer davon ist das För-
derkonzept für Forschung und Entwicklung zu vernach-
lässigten Krankheiten und zu solchen Krankheiten, bei
denen Armut eine große Rolle spielt. Es sind meist Infek-
tionskrankheiten, und sie führen in Entwicklungs- und
Schwellenländern dazu, dass sehr viele Menschen chro-
nisch krank sind oder früh sterben. Besonders die soge-
nannten Großen Drei – Malaria, HIV/Aids und Tuberku-
lose – haben eine hohe Sterblichkeit zur Folge. An der
Diagnose und Behandlung dieser Krankheiten wird seit
langem und auch erfolgreich geforscht. Die Weltgesund-
heitsorganisation zählt weitere 17 tropische Krankhei-
ten zu den sogenannten vernachlässigten Krankheiten,
für die es bisher keine oder nur unzureichende Behand-
lungsmöglichkeiten gibt.

Sie meinen, der pharmazeutische Markt versage in
der Bereitstellung entsprechender Produkte. Das sehen
wir Liberalen anders. Wenn die Pharmaindustrie sich
auf Medikamente konzentriert, mit denen sich Gewinne
erzielen lassen, ist das kein Versagen und auch nicht
moralisch verwerflich, sondern das ist markt-

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(C (D irtschaftlich erfolgreiches Handeln. Wenn wir Politier erreichen wollen, dass auch vernachlässigte Krankeiten erforscht und Behandlungen ermöglicht werden, o keine Gewinne zu erwarten sind, dann müssen wir nreize schaffen. Das BMBF schafft jetzt solche Anize, indem es die Entwicklung von Produkten zur Prä ention, Diagnose und Behandlung von vernachlässign und armutsassoziierten Krankheiten fördert und nterstützt – mit bis zu 28 Millionen Euro in den Jahren 011 bis 2014. Das Förderkonzept der Bundesregierung hat sehr ohl konkrete Ziele und es stellt Mittel bereit, um diese iele zu verwirklichen. Die Ziele sind Verbesserungen Gesundheitsbereich für Menschen, die bisher keinen ugang zu Behandlung und Medikamenten haben. Im inblick auf die „Großen Drei“ gibt es eine europäischfrikanische Kooperation. Das heißt, in Europa werden pfstoffe und Medikamente erforscht, und in Afrika erden die dazu gehörenden klinischen Studien durcheführt, mit dem Ziel, Malaria, HIV/Aids und Tuberkuse zurückzudrängen. Im Hinblick auf die 17 vernachlässigten Krankheiten ird eine neue Maßnahme erprobt. Es werden nämlich ogenannte Produktentwicklungspartnerschaften, PDP, efördert, das sind Non-Profit-Organisationen, die pfstoffe und Medikamente für diese Krankheiten entickeln und in den Entwicklungsländern den davon Beoffenen – Erwachsenen, aber ganz besonders auch indern – kostengünstig anbieten werden. Damit leistet ie Bundesregierung einen wichtigen Beitrag zur Einämmung von vernachlässigten und armutsbedingten rankheiten. Für diese innovative Maßnahme sind 0 Millionen Euro bis 2014 reserviert. Sie meinen, diese positive Initiative bleibe finanziell eit hinter dem Erforderlichen zurück. Das ist nicht zu estreiten. Aber wir haben leider nicht die Möglichkeit, lles zu finanzieren, was erforderlich und wünschensert wäre. Dass die Bundesregierung in diesen Zeiten ennoch so viel Geld locker macht, um kranken Menchen in armen Ländern zu helfen, verdient Anerkenung. Ihre Forderungen unterstützen wir nicht. Wir meien, dass der Staat weder die Forschung noch die irtschaft zu sehr reglementieren sollte. Wir glauben uch nicht, dass Zwangsmaßnahmen hier zum Erfolg hren. Die Politik ist für die politischen Ziele zuständig. nd wenn die Bundesregierung ein Förderprogramm tartet, um ihre politischen Ziele zu verfolgen und in dieem Fall die Bekämpfung von vernachlässigten und arutsassoziierten Krankheiten zu unterstützen, dann finen wir das richtig und leisten als Abgeordnete unseren eitrag dazu, dass die ergriffenen Maßnahmen zum rfolg führen. Ihren Antrag lehnen wir ab. Das marktwirtschaftliche Prinzip von „Angebot und achfrage“ versagt nirgendwo so kläglich wie bei der ereitstellung lebensrettender Medizin für die Ärmsten ieser Welt. Obwohl Gesundheit ein Menschenrecht ist, terben jedes Jahr Millionen Menschen in den Entwickngsländern an Infektionskrankheiten, für die es keine Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17511 Karin Roth gebene Reden )

Niema Movassat (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714636100

(A) )

adäquaten Behandlungsmethoden gibt. Denn nur zehn
Prozent der globalen Forschungsausgaben fließen in
Krankheiten, die etwa 90 Prozent zur globalen Krank-
heitslast beitragen. Zu den vernachlässigten Krankhei-
ten zählen heute laut der Weltgesundheitsorganisation
WHO vor allem noch Malaria und Tuberkulose sowie
weitere 17 tropische und armutsassoziierte Krankheiten.

Die Pharmaindustrie betreibt indes lieber Wirkstoff-
forschung für Wellnessmedikamente, die später große
Gewinne in den Industrieländern versprechen, anstatt
den lebensnotwendigen Bedarf in den Entwicklungslän-
dern zu bedienen. So forschen Wissenschaftler jahrelang
an einem Wirkstoff gegen Haarausfall, statt einen le-
bensrettenden neuen Tuberkulosetest zu entwickeln.
Kein anderes Beispiel zeigt das ganze Ausmaß des Di-
lemmas deutlicher: Wollen Ärzte heute eine Tuberkulose-
infektion nachweisen, sind sie im Grunde immer noch
abhängig von der Methode, die Robert Koch vor über
100 Jahren entwickelt hat – ein Test, der zudem nicht
sehr genau ist. Infizierte werden so schlussendlich nicht
behandelt und stecken weitere Menschen an.

Unterdessen sind wir auf den Mond geflogen und ha-
ben Atome gespalten. Aber für eine Krankheit, die in nur
einem einzigen Jahr nach Schätzungen der WHO über
1,8 Millionen Menschen tötet, haben wir noch nicht ein-
mal neue Methoden bei der Diagnostik entwickelt! Für
die Menschheit im 21. Jahrhundert ist es ein absolutes
Armutszeugnis, dass die Tuberkulose immer noch die
weltweite Statistik der tödlichen Infektionskrankheiten
anführt.

Gleichzeitig investiert die Pharmaindustrie doppelt
so viel Geld in Marketing wie in Forschung. Durch die
profitgeleitete Schwerpunktsetzung auf unwichtige
Krankheitsbilder und Werbemaßnahmen erzielen die In-
vestitionen heute kaum mehr einen therapeutischen
Mehrwert.

Eine Ausnahme bildet der Kampf gegen HIV/Aids:
Dieser war in den letzten Jahrzehnten in vielen Berei-
chen sehr erfolgreich. Das macht Hoffnung. Die Weltge-
meinschaft hat beweisen, dass sie die notwendigen Res-
sourcen mobilisieren kann, wenn sie will. Wir dürfen
aber in unseren Bemühungen nicht nachlassen. Die
Bundesregierung, und hier namentlich Dirk Niebel, tap-
pen aber blauäugig genau in diese Falle: die mangelnde
finanzielle Unterstützung für den Globalen Fonds zur
Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose genau
in dem Moment infrage zu stellen, wo erste Erfolge zu
verzeichnen sind. Das gefährdet unmittelbar Menschen-
leben. Es ist bedauernswert, dass Schwarz-Gelb trotz
eindringlicher Appelle aller Oppositionsparteien und
mit dem Thema befassten zivilgesellschaftlichen Organi-
sationen diesen Fehler begeht.

Öffentlich geförderte Grundlagenforschung in den
Industrieländern ist häufig die Basis für neue Pharma-
entwicklungen. Die Politik nutzt die ihr dadurch entste-
henden direkten Einflussmöglichkeiten bisher allerdings
kaum.

Wenn ein Pharmakonzern mithilfe von Patenten über-
höhte Preise durchsetzt, behindert dies die weiterge-

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(C (D ende Forschung und verhindert die Versorgung in Enticklungsländern. Wenn dies auch noch auf der Basis ffentlicher Forschung geschieht, also mit Steuergelern finanzierter Innovationen, ist die Allgemeinheit zuunsten der Pharmaindustrie doppelt benachteiligt. Das uss sich ändern. Wir brauchen dringend eine öffentli he Forschungsförderung, die die komplette Kette der esundheitsversorgung abdeckt. Patente sind ein Konzept von gestern. Die Versorgung er Betroffenen muss im Mittelpunkt der Bemühungen tehen, nicht wie bisher Verwertungsinteresse der Pharaunternehmen. Open-Access-Lösungen gehört die Zu unft. Da jeder wissenschaftliche Fortschritt das Ergebis der durch die Öffentlichkeit geförderten Bildung und orschung ist, sollten ihr die Ergebnisse auch wieder ostenfrei zur Verfügung stehen. Im Bereich der Pharaforschung würde dies Innovationen beschleunigen nd Preise senken. Wir müssen den milliardenschweren Ausgaben für obbyarbeit, Beeinflussung und Manipulation zum Trotz em Menschenrecht auf Gesundheit endlich Vorrang erschaffen vor dem Streben nach immer größeren Geinnen der Pharmaindustrie. Mit dem vorliegenden undestagsantrag „Forschungsförderung zur Bekämpng vernachlässigter Krankheiten ausbauen – Zugang u Medikamenten für arme Regionen ermöglichen“ hat ie Linke weitreichende Vorschläge gemacht, wie dies elingen kann. Den Menschen in den Ländern des gloalen Südens gegenüber ist es unsere Verpflichtung, ass wir endlich vorankommen. Heute ist Welt-Aids-Tag. Wir müssen heute investie n, um die Zukunft von morgen gestalten zu können! NAIDS veröffentlichte gerade die neuen HIV-Zahlen – ie Zahl der Neuinfektionen ist auf 2,7 Millionen gesunen. Auch die Zahl der Aidstoten ist leicht gesunken auf ,8 Millionen Menschen. Absolut leben aber mehr Menchen denn je mit dem tödlich Virus, nämlich 34 Millioen, und nicht einmal die Hälfte der Erkrankten kann it entsprechenden Medikamenten versorgt werden. as ursprüngliche Ziel, bis 2010 universellen Zugang u Medikamenten, Behandlung und Betreuung zu chaffen, ist gescheitert. Nichtsdestotrotz, die positiven Erfolge zeigen, dass es erantwortungslos wäre, im Kampf gegen die Krankheit tzt nachzulassen. Daher fordern wir die Bundesregie ung auf, die finanziellen Zusagen insbesondere für den lobalen Fonds einzuhalten. Entwicklungsminister Dirk iebel muss endlich seine Blockadepolitik gegenüber em Globalen Fonds beenden. Zuerst hat er die für 2011 ereinbarten Zahlungen lange zurückgehalten und nun ie für 2012 gemachte Zusagen nicht im entsprechenden aushaltstitel eingestellt. Das ist keine verlässliche artnerschaft, und gerade die brauchen wir in der Enticklungszusammenarbeit. Es ist richtig, dass sich der onds reformieren muss und die Korruptionsfälle lükenlos aufgeklärt werden müssen. Es ist aber nicht richg, das mehr als transparente und kooperative Verhalten es Fonds abzustrafen. 17512 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Niema Movassat gebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17513 Uwe Kekeritz )

Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714636200

(A) )

Vernachlässigte Krankheiten und der universelle Zu-
gang zu Medikamenten ist neben dem Aufbau von sozia-
len Sicherungssystemen ein wichtiges Thema in der
Entwicklungs- und internationalen Gesundheitspolitik.
Krankheiten fördern Armut und haben entscheidende
sozioökonomischen Konsequenzen, ganze Gesell-
schaften sind in ihrer Entwicklung durch die enorme
Krankheitslast gehindert. Vernachlässigte Krankheiten
sind aber ebenso Ergebnis von missachteten Menschen-
rechten. Wir stehen in der Verpflichtung, diese um-
zusetzen, Menschenrechte sind nicht verhandelbar.

Wir Grünen begrüßen in diesem Zusammenhang die
neue Förderungslinie des BMBF für Produktentwick-
lungspartnerschaften im Bereich der vernachlässigten
und armutsbedingten Krankheiten. Allerdings ist die
jährliche Förderungssumme von 5 Millionen Euro nur
ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir Grünen haben da-
her auch in unserem Änderungsantrag zum Haushalt für
diesen Titel einen Aufwuchs von 20 Millionen Euro
gefordert.

Es braucht aber noch mehr, um für die 1,3 Milliarden
Menschen, die von diesen Krankheiten bedroht sind,
eine Perspektive zu schaffen. Gerade die Gelder, die in
die öffentliche Forschung investiert werden, müssen mit
sozialen Kriterien verknüpft werden können. Pri-
vatwirtschaftliche Unternehmen wie Pharmakonzerne,
die die Ergebnisse aus öffentlichen Forschungseinrich-
tungen nutzen, müssen sich der Gesellschaft gegenüber
verantworten und sicherstellen, dass es eine sozialver-
trägliche Verwertung der Ergebnisse gibt.

Vernachlässigte Krankheiten kämpfen vor allem mit
zwei zentralen Problemen: erstens mit einer eklatanten
Forschungslücke und zweitens mit einer großen Versor-
gungslücke. Es gibt zu wenige oder zu wenig geeignete
Medikamente für Krankheiten, die insbesondere in
ärmeren Ländern auftreten. Von 1 556 Neuzulassungen
zwischen 1974 und 2004 gab es nur 21 für vernachläs-
sigte Krankheiten, einschließlich Malaria und Tuberku-
lose. Ebenso ermöglicht das derzeitige Patentrecht den
Pharmaunternehmen Monopolrechte und damit die
Möglichkeit, so hohe Medikamentenpreise zu erheben,
dass viele Menschen – insbesondere in Entwicklungs-
und Schwellenländern – sich das Medikament nicht leis-
ten können. Hier werden falsche Anreize gesetzt. Nicht
die Gesundheitsrendite, also der größtmögliche gesell-
schaftliche und gesundheitliche Nutzen, ist ausschlagge-
bend, sondern die größten Gewinnchancen. Gesundheit
ist aber ein Menschenrecht. Mit der Doha-Erklärung
von 2001 zum WTO-Übereinkommen über handelsbezo-
gene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums, den
sogenannten TRIPS-Abkommen, haben sich die WTO-
Staaten verpflichtet, die öffentliche Gesundheit zu schüt-
zen und den Zugang zu Medikamenten zu fördern. Das
war ein wichtiger Schritt. Allerdings lassen sich die
TRIPS-Flexibilitäten, die die Umsetzung dieser Aspekte
sicherstellen sollen, oftmals nur schwer durchsetzen.
Hinzu kommt, dass wir mittlerweile beobachten müssen,
dass vor allem durch Freihandelsabkommen versucht
wird, TRIPS-Flexibilitäten gravierend einzuschränken
und verschärfte Regelungen in Bezug auf geistiges

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(C (D igentum durchzusetzen. Das ist eine unsägliche Praxis, ie massiv das Menschrecht auf Gesundheit missachtet. Der Antrag der Fraktion Die Linke hat wichtige unkte aufgegriffen, wenngleich wir dem Antrag nicht ustimmen werden. So haben wir Grünen unter anderem Rahmen der Haushaltsberatungen entsprechend dem ntwicklungspolitischen Konsens, das 0,7-Prozent-Ziel mzusetzen, klare finanzielle Aussagen getroffen, die ich nicht mit den Forderungen des uns vorliegenden ntrags decken. Auch einzelne der im Antrag eforderten Modelle schließen andere wichtige Ansätze diesem Bereich aus oder lassen sich nur schwer mit iesen verbinden. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf rucksache 17/7372 an die in der Tagesordnung aufgehrten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist doch strittig. Die Koalitionsfraktionen wünschen die ederführung beim Ausschuss für Bildung, Forschung nd Technikfolgenabschätzung. Die Fraktion Die Linke ünscht die Federführung beim Ausschuss für wirt chaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Ich lasse zuerst abstimmen über den Überweisungsorschlag der Fraktion Die Linke, also Federführung eim Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und ntwicklung. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorchlag? – Das sind die Fraktionen Die Linke und Bündis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Das sind die oalitionsfraktionen und die Sozialdemokraten. Enthalngen? – Keine. Der Überweisungsvorschlag ist abgehnt. Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der raktionen CDU/CSU und FDP – Federführung beim usschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen bschätzung – abstimmen. Wer stimmt für diesen Übereisungsvorschlag? – Das sind die Koalitionsfraktionen nd die Sozialdemokraten. Wer stimmt dagegen? – ündnis 90/Die Grünen und die Linksfraktion. Enthalngen? – Keine. Der Überweisungsvorschlag ist ange ommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 sowie Zusatzunkt 6 auf: 27 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union – zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Der Mehrjährige Finanzrahmen der EU 2014–2020 – Ein strategischer Rahmen für nachhaltige und verantwortungsvolle Haushaltspolitik mit europäischem Mehrwert – zu dem Antrag der Fraktion der SPD Für einen progressiven europäischen Haushalt – Der Mehrjährige Finanzrahmen der EU 2014–2020 – Drucksachen 17/7767, 17/7808, 17/8013 – 17514 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Vizepräsident Eduard Oswald )

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714636300

(A) )

Berichterstattung:
Abgeordnete Bettina Kudla
Peer Steinbrück
Joachim Spatz
Dr. Diether Dehm
Dr. Frithjof Schmidt

ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Manuel
Sarrazin, Lisa Paus, Viola von Cramon-Taubadel,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Ein starker Haushalt für ein ökologisches und
solidarisches Europa – Der Mehrjährige Fi-
nanzrahmen 2014–2020
– Drucksache 17/7952 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

Die Reden werden, wie in der Tagesordnung ausge-
wiesen, zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolle-
ginnen und Kollegen liegen hier bei uns vor.


Bettina Kudla (CDU):
Rede ID: ID1714636400

Wir beraten heute in zweiter Lesung den Antrag der

CDU/CSU und FDP zum Mehrjährigen Finanzrahmen
der EU 2014 bis 2020. Ebenso beraten wir einen Antrag
der SPD zum gleichlautenden Thema. Die Beratungen
sind geprägt von der aktuell schwierigen Situation der
Refinanzierung von Staaten. Die Krise hat zwei Ursa-
chen: zu hohe Staatsverschuldung und mangelnde Wett-
bewerbsfähigkeit. Daher muss die Prioritätensetzung
des Mittelfristigen Finanzrahmens besonders auf dem
Gebiet der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der ein-
zelnen Staaten liegen. Dies ist natürlich leichter gesagt
als getan.

Aber eines ist unstrittig: Investitionen und nicht kon-
sumtive Ausgaben müssen der Schwerpunkt des Finanz-
rahmens sein – und zwar nachhaltige Investitionen. Eine
Investition ist ja immer langfristig angelegt. Dass inner-
halb der Mittelfristigen Finanzrahmens die Schwer-
punkte besonders in den südeuropäischen Ländern in
der Vergangenheit nicht immer richtig gesetzt wurden,
haben Abgeordnete anderer europäischer Parlamente
selbst bestätigt. Folglich gilt es, sowohl Planung als

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(C (D uch die Konditionen der Gewährung von Mitteln zu erbessern. Im Fokus sollte dabei stehen, eine gute Inastruktur zu schaffen, die private Investoren anlockt nd die damit private Investitionen nach sich zieht. Alles dies sollte immer vor dem Oberziel geschehen, ass die Ausgaben der Europäischen Union einen euroäischen Mehrwert haben müssen. Die Schaffung dieses ehrwertes ist Aufgabe des Haushaltes der Europäi chen Union und damit des Mittelfristigen Finanzrahens. Im Mittelfristigen Finanzrahmen liegen daher uch immer enorme Chancen für das weitere Zusamenwachsen und die bessere Verzahnung der Staaten uropas. Energie, Telekommunikation und Verkehr sind ier die Schwerpunkte. Gerade die Mobilität der Menchen erlangt immer größere Bedeutung. Die Bereitstellung von Fördermitteln ist allerdings ur einer von mehreren Aspekten bei einer Investition. rivate Investitionsentscheidungen hängen auch von ielen anderen Faktoren ab, wie zum Beispiel von versslichen Rahmenbedingungen im fiskalen und im ord ungspolitischen Bereich, von der Qualität der verfügaren Arbeitskräfte und der Risikobereitschaft von nternehmern. Folglich muss vor allem auch in die öpfe – in die Ausund Weiterbildung der Menschen – vestiert werden. Die EU-2020-Strategie sieht dies vor, it dem Ziel, die Zahl der Schulabbrecher zu verringern nd die Zahl der Hochschulabgänger zu erhöhen. Allerdings gilt auch die EU-2020-Strategie vor dem intergrund der Subsidiarität. Das heißt, alles, was auf ationaler Ebene geregelt und erledigt werden kann, ist uch dort umzusetzen. Jede öffentliche Investition benögt auch einen Kofinanzierungsanteil. Bisher waren das der Regel 25 Prozent, auch hier sollte weiter Kontinuät herrschen. Eine zu starke Veränderung der Kofinanierungsanteile belastet die öffentlichen Haushalte unötig, da diese ihre Investition gegebenenfalls nicht eiter erhöhen können. Auch sollten keine Brüche in der örderung von Regionen entstehen, die sich in den letzn Jahren gut entwickelt haben. Eine Region, die 5 Prozent des durchschnittlichen Bruttosozialprouktes überschreitet, sollte in ihrer Entwicklung nicht eiter zurückfallen. Die Sicherheitsnetze für die Überangsregionen und auch für die jetzigen Phasing-outegionen sind daher von besonderer Bedeutung. Wie wichtig ein vernünftig gestalteter Agrarsektor, ine Kappung der Strukturfördermittel auf 2,5 Prozent es BIP, eine Schaffung von neuen Investitionsanreizen ind, damit nicht zu hohe nicht ausgeschöpfte Mittel enttehen, und gegebenenfalls eine Neugestaltung des Bemtenstatus. All dies sind wichtige Themen, die wir in nserem Antrag inhaltlich ausgeführt haben, und die gilt s in den kommenden Monaten insbesondere im Europausschuss intensiv weiter zu beraten und zu gestalten. Lassen Sie mich aber noch einen weiteren Punkt esonders betonen: In unserem Antrag lehnen wir ein eienes Erhebungsrecht von Steuern seitens der Europäichen Union ab. Entsprechende Vorschläge der Komission sind zurückzuweisen. Keinesfalls dürfen wir den nschätzbaren Wert, dass der EU-Haushalt, der als eier der wenigen öffentlichen Haushalte der Welt, nicht )


(A) )

verschuldet ist, so einfach aufgeben. Auch dürfen keine
Finanzinstrumente und Fondskonstruktionen eingeführt
werden, die zu einer Verschuldung des europäischen
Haushaltes führen. Deswegen lehnen wir auch in unse-
rem Antrag die Einführung von Euro-Bonds nochmals
strikt ab.

Es verwundert schon sehr, wie leichtfertig die Oppo-
sition hier unserer deutschen Bevölkerung zumuten will,
für Schulden anderer Länder zu haften. Eine solche
Politik wäre völlig verantwortungslos. Sie würde
Deutschland unter Umständen in den Abgrund führen.
Sie würde Deutschland in eine Situation bringen der
übermäßigen Verschuldung – aus einer Situation, aus
der sich auch ein wirtschaftlich starker Staat nicht mehr
befreien könnte. Unserer eigener Wohlstand und auch
damit unserer Sozialsysteme wären gefährdet. Europa
würde nicht weiter zusammenwachsen, sondern eher
auseinanderdriften, da man unserer Bevölkerung das
Projekt Europa dann auch nicht mehr vermitteln könnte,
da es zu erheblichen Ungerechtigkeiten führen würde.

Deutschland hat selbst ein Schuldenstand von rund
80 Prozent des Bruttosozialproduktes. Wir können nicht
noch für Schulden anderer Länder aufkommen. Wir kön-
nen daher auch nicht unsere Nettozahlerposition ver-
schlechtern. Es ist geradezu eine Hybris, wie die SPD in
ihrem Antrag mit dem Steuergeld unserer Bürger um-
geht, indem sie sagt, dass wir quasi Milliarden mehr
zahlen sollen. Die Zukunft Europas liegt darin, dass wir
die Menschen mitnehmen. Die Menschen sind bereit, in
der Krise solidarisch zusammenzustehen und sich als
Europäer zu verstehen. Diesen Vertrauensvorschuss
dürfen wir nicht mit Euro-Bonds, mit nicht abzuschät-
zenden Risiken oder Blankoschecks verspielen.


Alois Karl (CSU):
Rede ID: ID1714636500

Wenn wir uns heute auf Antrag der Koalitionsfraktio-

nen, auf Antrag der CDU/ CSU und der FDP, mit dem fi-
nanziellen Geschehen der Haushaltspolitik in der Euro-
päischen Union befassen, dann sprechen wir ein Thema
an, das auch außerordentlich gut in die innenpolitische
Situation Deutschlands passt. Auch wir haben vor weni-
gen Tagen den Bundeshaushalt 2012 verabschiedet.
Auch wir wollen innerstaatlich bei uns in Deutschland,
sozusagen als Hausaufgabe, nachhaltig haushalten und
verantwortungsvoll unsere Haushaltspolitik umsetzen,
um die Grundpfeiler der Stabilität in Deutschland wie-
der zu gewährleisten.

Diese von uns und für uns vorgegebenen Rahmen-
richtlinien müssen auch für andere gelten. Wir wissen,
dass ausschließlich stabilitätsorientierte Haushaltspoli-
tik und stabilitätsorientiertes Wirtschaften die Schlüssel
für die Zukunft sind. Die jetzige Finanzkrise in Europa
hängt ja großenteils damit zusammen. Es sind in den
letzten Jahren außerordentlich viele Fehler gemacht
worden. Deutschland hat nicht das Recht, mit Fingern
auf andere zu zeigen.

Gerade in der Zeit der rot-grünen Koalitionsregie-
rung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder, unter dem
Vizekanzler Fischer und unter dem sozialdemokrati-
schen Finanzminister Hans Eichel hat Deutschland in

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(C (D en Jahren 2002 und 2003 die nachhaltig stabilitätsorintierte Haushaltspolitik verlassen. Die Maastricht-Kririen wurden geradezu außer Kraft gesetzt, die Ver chuldungsobergrenzen wurden mit einer Lockerheit nd Leichtigkeit verletzt, dass einem heute noch schwinelig werden könnte. Die europäische Haushaltspolitik muss sich nach den eutigen deutschen und auch den stabilitätsorientierten aushaltspolitiken anderer Länder richten. Die Zeit, ass nur gefordert wird, und die Zeit, dass alle europäichen Töpfe im Gießkannenprinzip verteilt werden, muss orbei sein. Wenn für den mittelfristigen Zeitraum von 2014 bis 020, also für den Finanzrahmen dieser sieben Jahre, ie EU-Kommission vorschlägt, die Mitgliedstaaten ollten ihr mehr als 1 Billion Euro zur Verfügung stellen das heißt genau 1 025 Milliarden Euro – und zusätzch weitere 58 Milliarden Euro außerhalb des Haushals, so geht das unserer Meinung nach entschieden zu eit. Der Vorschlag der CDU/CSU im jetzigen Antrag, ie Ausgaben auf höchstens 1 Prozent der kumulierten ruttonationaleinkommen zu begrenzen, trifft in der Tat uch die Intention unserer Bundesregierung. Immerhin ird damit ein Geldvolumen von 971 Milliarden Euro s Werk gesetzt. Das alles muss erst in den einzelnen itgliedschaften erwirtschaftet werden, um nach Brüs el abgeführt werden zu können. Wir sprechen hier nicht ber „Peanuts“. Gewiss hat Deutschland große Vorteile als stärkstes itgliedsland der EU über den Handel, über unsere Au enwirtschaft, über unsere Exporte. Dennoch sind wir nbestritten der größte Nettozahler mit Einzahlungen on 22 Milliarden Euro im Jahr. Gerechterweise wird an hinzufügen müssen, dass natürlich auch wieder ückflüsse nach Deutschland stattfinden. Unbestritten t aber auch, dass ein Nettobetrag von mehr als 8 Milarden Euro pro Jahr zur Zahlung verbleibt. Meiner einung nach muss es damit auch sein Bewenden ha en. Wir machen das in unseren nationalen Haushalten vor: Wirtschaftswachstum, Steigerung der Zahl der rbeitsplätze, nachhaltiges solides Wirtschaften, mehr ls Einhalten der Schuldenbremse. Alles ist durchaus gleichzeitig möglich, wenn nur eine onsequente Politik betrieben wird. Dies muss auch für uropa gelten. Aus diesem Grunde schließen sich auch ebenhaushalte, quasi außerhalb des EU-Haushaltes, us. Uns ist in der Tat an einer lückenlosen Offenlegung er EU-Ausgaben gelegen; eine Kontrolle all der Ausaben ist für uns unabdingbar. In diesen Zusammenhang asst natürlich, dass der Europäische Rechnungshof in einem Jahresgutachten über den EU-Haushalt 2010 stgestellt hat, dass „Zahlungen in wesentlichem Ausaß mit Fehlern behaftet waren“. Es geht uns mit die em Antrag natürlich auch darum, dass die so festgetellten Fehler abgestellt werden, und nicht bloß für das ahr 2010 betrachtet, sondern nachhaltig und daueraft. Allein damit hat die EU es selbst in der Hand, eiene finanzielle Ressourcen zu generieren, die ihr auenblicklich offensichtlich zwischen den Fingern errinnen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17515 Bettina Kudla gebene Reden )


(A) )

Für mich ist unerheblich, ob die Fehlerquellen im
EU-Räderwerk, in Brüssel selbst, ihre Ursache haben
oder nach Zuteilung auf die europäischen Länder. Der
Bericht des Europäischen Rechnungshofes ist geradezu
erschreckend. Gerade bei Ländern, die offensichtlich
sehr leichtfertig mit europäischem Geld umgehen, ist es
unabdingbar notwendig, mit ganz besonderer Akribie
„hinzuschauen“.

Größtes Augenmerk muss dabei auf den EU-Ausga-
benbereich „Kohäsion, Energie und Verkehr“ gelegt
werden. Man muss sich die Zahlen ja geradezu zweimal
anschauen. Beim ersten Lesen meint man, man sei einem
Schreib- oder Lesefehler unterfallen, wenn der Rech-
nungshof angibt, dass von 243 geprüften Zahlungen im
genannten Bereich geradezu die Hälfte fehlerhaft ist,
nämlich 49 Prozent. Diese unglaublich anmutende Feh-
lerquote ist nicht singulär. Schon im Jahr 2009 gab es
ähnliche Beanstandungen.

Jetzt, im Jahr 2010, wird mit einer Gesamtfehlerquote
von circa 7,7 Prozent gerechnet. Aus diesem Grunde ist
es geradezu ein Gebot des Augenblicks, dass insbeson-
dere für Spanien und Italien, also jenen Staaten, die sich
am meisten in unverantwortlicher Weise aus diesen
Haushaltstiteln bedienen, ein Zahlungstopp verordnet
wird. Nach den mir vorliegenden Zahlen schuldet Spa-
nien der EU allein im Kohäsionsbereich 2,9 Milliarden
Euro, Italien 930 Millionen Euro. Alleine an diesen Zah-
len ist erkennbar, dass die EU mit einem auf 1 Prozent
des Bruttonationaleinkommens begrenzten Haushalt
– immer noch eine gigantische Summe von fast 1 Billion
Euro – durchaus auskommen kann, insbesondere dann,
wenn man die eigenen Missstände abbaut.

Die eigenen Versäumnisse aufrechtzuerhalten, um in
das „Fass ohne Boden“ die nationalen Gelder einflie-
ßen zu lassen, das wäre fürwahr die banalste Art. Mit
„Wirtschaften“ im wahrsten Sinne des Wortes hat das
nichts mehr zu tun. Wirtschaften bedeutet, mit knappen
Gütern sinnvoll umzugehen. Sinnvoller Umgang scheint
mir nicht gegeben zu sein.

Die Sache ist für EU-Behörden deshalb einfach, weil
sie mit fremdem Geld, nämlich den Beiträgen aus den
EU-Ländern, in einer nicht zu rechtfertigenden Großzü-
gigkeit umgehen. Auch bei EU-Agenturen müssen wir zu
echter Erfolgskontrolle kommen. All diese 43 Agenturen
müssen einer unmittelbaren politischen Kontrolle unter-
stellt werden.

Auch mit einem anderen Unfug muss aufgehört wer-
den: Geradezu jedes EU-Mitgliedsland, das für ein hal-
bes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft innehatte, hat sich
scheinbar mit der Einrichtung einer „eigenen neuen
Agentur“ bedient, eines zusätzlichen Wasserkopfes, der
wie zum Beispiel die Agentur für Grundrechte in Wien
von den EU-Mitgliedstaaten dauerhaft bezahlt werden
muss.

Wegen der Kürze der Redezeit kann nicht auf jeden
Punkt eingegangen werden. Demnach unterstütze ich
ausdrücklich, dass der Anteil der Agrarpolitik am Ge-
samthaushalt deutlich verringert wird. Der Haushalts-
vorschlag des Bundesministeriums für Ernährung mit

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(C (D 91 Milliarden Euro für den 7-Jahres-Zeitraum scheint öllig ausreichend. Der Ansatz der EU-Kommission mit 97 Milliarden Euro ist überzogen, insbesondere desalb, weil schon wieder 15 Milliarden Euro außerhalb es Agrarhaushaltes, „im Schatten“ des Haushaltes sousagen, mit eingefordert werden. Selbstverständlich begrüßen wir auch eine Novellieung des Beamtenstatuts in der EU. Dennoch möchte ich ur Ehrenrettung auch der Beamten sagen, dass wir narlich auf eine funktionierende, geordnete und rechtseue Verwaltung angewiesen sind. Was eine geordnete erwaltung an Nutzen bringt, das sehen wir an Griehenland, dort, wo eine ordentliche Verwaltung eben hlt. Der Vorschlag der EU-Kommission, dass das Persoal im 7-Jahres-Zeitraum um 5 Prozent abgebaut wird, ird von uns genauso unterstützt wie die Anhebung der öchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden auf 40 Stunen. Auch im Bereich der Gleitzeit muss gerade für Leingspersonal ein korrekter Weg gefunden werden. Auch ie Reduzierung der Sonderurlaubstage ist keineswegs chikane. Auch die Renteneintrittsdaten müssen im uropäischen Kontext angepasst werden. Da gibt es siherlich keine Frage. Ich rege dennoch an, dass die Beoffenen nicht von heute auf morgen mit den Neuerunen und Erschwernissen konfrontiert werden. Wie in eutschland auch müssen durch korrekte Übergangsisten soziale Härten abgemildert werden. Aus all dem Vorgebrachten ist es durchaus richtig, en strategischen Rahmen für nachhaltige und verantortungsvolle Haushaltspolitik in dem Sinne zu ziehen, ie das in unserem Ausschuss erarbeitet worden ist. Ich mpfehle, den Beschluss anzunehmen, so wie er von den oalitionsfraktionen hier vorgelegt wird. Die Europäische Union befindet sich in erheblichen urbulenzen. Seit gut zwei Jahren werden die Tagesordungen der europäischen Ratssitzungen und auch dieses arlamentes immer wieder von der Staatsschuldenkrise er Euro-Zone bestimmt. Ein Ende ist nicht in Sicht. Die ffentlichen Finanzen in der Europäischen Union sind on der Finanzund Wirtschaftskrise stark in Mitleidenchaft gezogen worden. Die Mitgliedstaaten stehen unr erheblichem Konsolidierungsdruck. Von diesen Umständen sind auch die Verhandlungen ber den Mehrjährigen Finanzrahmen der Europäichen Union ab 2014 betroffen. Dabei ist vollkommen lar, dass trotz der Bedeutung der Krise der Staatshausalte in Europa die Aufstellung eines tragfähigen und uf die Bewältigung der zentralen europäischen Heausforderungen ausgerichteten EU-Haushaltes eine er wichtigsten Aufgaben ist, die die Europäische Union den kommenden Monaten zu bewältigen hat. Im Kern eht es um nicht weniger als den finanziellen Rahmen r die Neuaufstellung Europas nach der Krise und die icherung des Voranschreitens des europäischen Interationsprozesses. 17516 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Alois Karl gebene Reden )

Peer Steinbrück (SPD):
Rede ID: ID1714636600

(A) )

Die Debatte über den neuen Mehrjährigen Finanz-
rahmen und den EU-Haushalt müssen wir daher mit
Blick auf die politischen Prioritäten und weniger mit ei-
nem auf Nettozahlungsströme führen. Gerade in der Si-
tuation, in der sich der Prozess der europäischen Inte-
gration befindet, ist das entscheidend.

Wichtig sind Antworten auf die Fragen, was wir mit
dem Budget finanzieren wollen, wo Europa hin will und
was es leisten soll, wie es sich gegenüber anderen auf-
strebenden Mächten in Asien und Südamerika aufstellt
und welches die europäischen Vorhaben sind, die einen
Binnenmarkt mit 500 Millionen Menschen für die Zu-
kunft sichern, Innovationen bereitstellen und Wohlstand
generieren können?

Bei der Beantwortung müssen wir bereit sein, ausrei-
chende Mittel zur Verfügung zu stellen, ohne dabei au-
ßer Acht zu lassen, dass Investitionen in einen Haushalt
auch Wirkung erzielen müssen. Wir müssen über den na-
tionalen Tellerrand das große Ganze, das europäische
Projekt, im Blick haben. Die Aufstellung einer finanziel-
len Grundlage Europas unabhängig von gemeinsamen
politischen Zielen muss Stückwerk bleiben.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen der öffent-
lichen Haushalte weniger Mittel für den EU-Haushalt
bereitstellen zu wollen, ist nachvollziehbar. Wir müssen
nur aufpassen, dass wir nicht über das Ziel hinausschie-
ßen. Bei allen Konsolidierungsanstrengungen muss der
neue Haushalt auch den neuen Aufgaben der EU nach
dem Vertrag von Lissabon gerecht werden. Wir müssen
den Aufgabenbereich Außenpolitik – mit dem Europäi-
schen Auswärtigen Dienst – und den Innen- und Justiz-
bereich angemessen ausstatten. Wir haben es mit erheb-
lichen Herausforderungen im Bereich des Klimawandels
und der Umweltpolitik zu tun, mit der Notwendigkeit in
europäische Infrastruktur zu investieren. Wir müssen au-
ßerdem verhindern, dass die EU-2020-Strategie scheitert
und eine kohärente Wirtschaftspolitik, die zur Erholung
angeschlagener Volkswirtschaften notwendig ist, mög-
lich wird. Dies würde im originären Sinne einen euro-
päischen Mehrwert des Finanzrahmens ausmachen.

Ein wesentliches Ziel muss also die Balance zwischen
einer effizienten Gestaltung der Ausgaben und einer
ausreichenden Ausfinanzierung europäischer Politik
sein. Die Finanzen der EU müssen zu einem glaubwür-
digen und substanziellen Baustein der neuen Wachs-
tumsstrategie „EU 2020“ werden. Sie müssen nachhal-
tiges Wachstum generieren, Beschäftigung fördern und
wichtige Zukunftsfelder, wie Forschung, Innovation und
Energieeffizienz voranbringen. Sie müssten außerdem
behilflich sein, die für die Union schädlichen Wettbe-
werbsunterschiede zu überwinden.

Die Unwuchten des EU-Haushaltes sind historisch
gewachsen und spiegeln schwierige Kompromisse in
den letzten Jahrzehnten wider. Ein Großteil der Mittel
soll auch in der nächsten Periode in die Gemeinsame
Agrarpolitik und die Struktur- und Kohäsionsfonds flie-
ßen. Für die Agrarpolitik sind im Jahr 2020 noch immer
33 Prozent des Budgets vorgesehen. Wir werden es also
mit einem langsamen Abschmelzen zu tun haben, aber
auch 33 Prozent sind für einen Sektor, der keine 3 Pro-

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(C (D ent der Jahreswirtschaftsleistung ausmacht, noch imer zu viel. Wenn wir die Herausforderungen unserer Zeit ernst ehmen und den Mehrjährigen Finanzrahmen als politiches Planungsinstrument gestalten wollen, dann wird ich ein Perspektivwechsel vollziehen müssen: hin zu zuunftsorientierten Haushaltsrubriken, die Wachstum rdern, Innovation und Forschung finanzieren, Bildung rmöglichen, Investitionen in Infrastruktur fördern und achhaltiges Wirtschaften ermöglichen. Um diese Ziele zu erreichen, sind innerhalb der Ausabekategorien Reformschritte zwingend. Im Bereich er Gemeinsamen Agrarpolitik hat die SPD-Bundesgsfraktion weitreichende Vorschläge gemacht. Das isherige Direktzahlungsmodell muss neu strukturiert erden. Zahlungen aus der sogenannten 1. Säule sollten ich auf einen Sockelbetrag konzentrieren, der an die inhaltung von ökologischen und sozialen Produktionstandards gekoppelt ist. Die sogenannte 2. Säule ist inaltlich und finanziell zu einem umfassenden und wirungsstarken Politikansatz zur integrierten Entwicklung ndlicher Räume auszubauen. Die Kohäsionspolitik hat erheblich zum Abbau von isparitäten zwischen den Regionen beigetragen. Die ittel der Strukturund Kohäsionspolitik müssen in eine essere und verbindlichere Abstimmung zwischen der trategie „Europa 2020“ und der Gemeinsamen Agrarolitik einbezogen werden. Außerdem müssen wir daüber nachdenken, ob wir angesichts der krisenhaften ntwicklungen in einigen südlichen Mitgliedstaaten die ofinanzierungsregeln lockern und flexibler gestalten, amit diese Mittel einen Beitrag zu Wachstum, Beschäfgung und Armutsbekämpfung leisten können. Der von der Kommission vorgeschlagene Mittelaufuchs für Bildung, Forschung und Entwicklung wird on meiner Fraktion ausdrücklich unterstützt. Eine anemessene finanzielle Ausstattung von Forschung und ntwicklung ist notwendig, um die enormen Herausforerungen, die vor uns liegen, zu bewältigen. Die Einnahmen der Europäischen Union orientieren ich bisher an der ökonomischen Leistungsfähigkeit der itgliedstaaten. Das System der Übertragungen eines estimmten Anteils des Bruttonationaleinkommens hat ich absolut bewährt. Einer EU-Steuer im Sinne einer igenen Steuererhebungskompetenz der EU sind rechtlihe und politische Hürden gesetzt. Das sage ich unbeommen der Tatsache, dass gegenwärtig niemand eine olche Kompetenzübertragung fordert. Etwas anderes sind Pläne zu einer Erweiterung der innahmequellen. Derartige Überlegungen der Euroäischen Kommission oder des Europäischen Parlaentes sollten zumindest geprüft werden, gerade wenn s sich beispielsweise um eine europäische Finanztransktionsteuer drehen könnte. Mit solchen neuen Einnahequellen müsste allerdings zwingend eine Rückfüh ung der nationalen Überweisungen sichergestellt erden, um eine Balance in der Belastung der Mitglied taaten wahren zu können. Neue Einnahmequellen önnen zudem nur in Betracht kommen, wenn die AusgaDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17517 Peer Steinbrück gebene Reden )


(A) )

benstruktur so ausgerichtet wird, wie ich es eben be-
schrieben habe, also das Budget zu einem Planungs-
instrument zukunftsorientierter Politiken entwickelt
wird.

Ich erwarte mit einiger Spannung, wie sich die Bun-
desregierung bei den Verhandlungen zu den leidigen
Korrekturmechanismen schlagen wird. Der deutsche Ra-
batt auf den Briten-Rabatt läuft aus und das Prinzip der
Beitragsgerechtigkeit könnte auch weiterhin Korrektur-
mechanismen notwendig machen. Dabei ist aus unserer
Sicht ein allgemeiner und deutlich vereinfachter Korrek-
turmechanismus, der ungerechtfertigten Ungleichge-
wichten entgegenwirkt, sinnvoller als Sonderregelungen
für bestimmte Mitgliedstaaten. Bei diesen Gesprächen
wünsche ich den deutschen Vertretern eine gute Reise,
aber dennoch viel Erfolg.

Zum Schluss: Europa steht an einem Scheideweg, so-
wohl in der kurzfristigen Bewältigung der Staatsschul-
denkrise als auch in der Entwicklung einer langfristigen
Vision eines Europas der Zukunft. Mit einem fortschritt-
lichen und ambitionierten Finanzrahmen für die Jahre
2014 bis 2020 hätten wir einen wichtigen Schritt schon
getan. Ich kann daher an die Bundesregierung nur ap-
pellieren, Kleinmut und Zaghaftigkeit für das zentrale
europäische Planungsinstrument hintanzustellen und
politische Prioritäten des reinen Saldos vorzuziehen.
Europa lohnt sich, auch wenn es etwas kostet.


Michael Link (FDP):
Rede ID: ID1714636700

Lassen Sie mich, kurz bevor ich auf die grundlegen-

den inhaltlichen Aussagen unseres Koalitionsantrags
zum Mehrjährigen Finanzrahmen der EU ab 2014 zu
sprechen komme, auf das Verfahren und die frühzeitige
Beratung und Verabschiedung des Antrages eingehen.

Auch mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundes-
verfassungsgerichts zum Euro-Rettungsschirm, in der
das Gericht unterstreicht, dass der Bundestag bei we-
sentlichen haushaltspolitischen Fragen der Einnahmen
und Ausgaben nicht in die Rolle des bloßen Nachvoll-
zugs gedrängt werden darf, freut es mich besonders,
dass dem EU-Haushalt und seiner strategischen Neu-
ausrichtung für die kommenden sieben Jahren erstmals
in der vergangenen Haushaltswoche Platz in der immer
eng getakteten Haushaltsdebatte eingeräumt worden ist.
Denn: Auch wenn ein neuer Eigenmittelbeschluss noch
de jure der nachträglichen Zustimmung des Deutschen
Bundestages bedarf, wissen wir doch alle, dass nach
jahrelangen Verhandlungen, nach schwierigster Kom-
promisssuche und dem für Europa auch wichtigen und
notwendigen Interessensausgleich zwischen großen und
kleinen, neuen und alten, Agrar- und Nicht-Agrarlän-
dern ein Nein de facto dann nicht mehr möglich ist.

Umso wichtiger ist es deshalb, dass sich der Deutsche
Bundestag frühzeitig in die Verhandlungen einbringt
und der Bundesregierung einen klaren Rahmen für ihre
Verhandlungen auf europäischer Ebene in diesem frühen
Stadium mit auf den Weg gibt. Natürlich muss der Deut-
sche Bundestag vor seiner abschließenden inhaltlichen
Bewertung die Vorlage und Beratung aller Legislativ-
vorschläge für die einzelnen Ausgabenbereiche abwar-

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(C (D n und sich gegebenenfalls mit thematischen Folgeeschlüssen der Fachausschüsse einbringen. Dem EUusschuss obliegt es, den Rahmen zu setzen und auch ivergierende Interessen miteinander zu versöhnen und rioritätensetzung anzumahnen und vorzuschlagen. Als Liberale bekennen wir uns klar und deutlich zu uropa. Wir haben den Ausführungen zum Mehrjährien Finanzrahmen, der natürlich auch harte Interessenolitik mit sich bringt, bewusst vorangestellt, dass uropa Deutschlands Zukunft war und bleibt, dass es rieden und Sicherheit gewährleistet und dass Europa nd sein Binnenmarkt die Grundlage unseres Wohlstanes bleiben. Die Europäische Union steht nach Inkrafttreten des ertrags von Lissabon und gerade im Zusammenhang it der Schuldenkrise im Euro-Raum vor neuen Aufgaen und schwierigen Herausforderungen. Die Schuldenrise fordert den Mitgliedstaaten erhebliche, teilweise uch sehr schmerzliche Konsolidierungsmaßnahmen ab. ir sind deshalb zutiefst überzeugt, dass diese Bemü ungen sich auch im EU-Haushalt der kommenden ahre widerspiegeln müssen. Wir müssen neue Herausrderungen auch ohne eine erweiterte Budgetober renze finanzieren. Neue Aufgaben müssen vor allem urch Umschichtungen und nicht durch Erhöhung des aushalts finanziert werden. Die EU benötigt nicht wangsläufig mehr Geld, wenn zunächst die Spielräume enutzt werden, das vorhandene Geld effizienter auszuegeben. Daher treten wir für eine Begrenzung der Ausaben der EU auf 1 Prozent des EU-Bruttonationaleinommens, BNE, ein. Dies hat nichts mit mangelnder europäischer Solidaität oder einer Abkehr von Europa zu tun, im Gegenteil: ir Liberale wollen die EU zukunftsfähig machen und ie Bürger und Steuerzahler dabei so wenig wie möglich elasten. Nur wenn die EU-Ausgaben derart nach oben egrenzt werden, entsteht der notwendige Druck, bisng wenig effizient ausgegebene Mittel einzusparen und ukzessive in Zukunftsbereiche umzuschichten. Wir woln mehr Europa, wo es den Bürgern einen echten Mehrert bringt, zum Beispiel bei transeuropäischen Verehrsnetzen, der Verbesserung der Zusammenarbeit von ustiz und Polizei, Gemeinsamer Außenund Sichereitspolitik, grenzüberschreitender Bildung, Forschung nd Innovation. In der gegenwärtigen Lage müssen alle benen sparen, die lokale und regionale, die nationale nd die europäische. Aus Sicht der Koalition müssen neben den Prinzipien ubsidiarität und europäischer Mehrwert für die Neuusrichtung des Mehrjährigen Finanzrahmens der Geanke der europäischen Solidarität und die Europa020-Strategie Leitlinien sein. Letzteres ist insbesondere ichtig, da die Beseitigung der mangelhaften Wettbeerbsfähigkeit in einigen Mitgliedstaaten neben dem onsequenten Konsolidierungskurs Grundvoraussetung ist, die Verschuldungskrise in Europa nachhaltig zu eseitigen. Zukünftige europäische Förderungen müssen sich lar an diesen Grundsätzen messen lassen, und – das uss auch allen Beteiligten klar sein – jede Förderung 17518 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Peer Steinbrück gebene Reden )


(A) )

aus öffentlichen Mitteln sollte im Prinzip degressiv und
befristet sein. Wir müssen uns ehrlich fragen: Welchen
europäischen Mehrwert und welche Wirkung hat uns
diese oder jene Politik gebracht und was bringt diese
uns für die Zukunft?

Natürlich – und das bedingt auch das Wort Degres-
sion – dürfen Erfolge bei der Förderung nicht durch
plötzliche Brüche gefährdet werden. Deshalb wollen wir
beispielsweise im Bereich der Struktur- und Kohäsions-
politik nicht nur Verbindungen zwischen den Kohäsions-
und Konvergenzzielen sowie dem Ziel der Steigerung
der Wettbewerbsfähigkeit herstellen, sondern gleichzei-
tig die Erfolge der Strukturpolitik in Bezug auf die posi-
tive wirtschaftliche Entwicklung vieler Regionen da-
durch sichern, dass für diejenigen Regionen, die
absehbar aus dem Konvergenzziel herausfallen werden,
sowie für die aktuellen Phasing-out-Regionen ein
Sicherheitsnetz in Höhe von zwei Dritteln der Förderung
aus 2007 bis 2013 etabliert wird.

Dies gilt auch für den zweiten sehr großen Posten im
EU-Haushalt, dem Agrarbereich. Hier ist das Ziel, einen
marktorientierten, wettbewerbsfähigen und umweltver-
träglichen EU-Agrarsektor zu schaffen, was sich dann
auch in einem sinkenden Anteil des Agrarbereichs am
Gesamthaushalt widerspiegeln muss. Dieser weitere Re-
formweg, unter anderem durch den Vollzug der Entkop-
pelung von der Produktionsart auch in allen übrigen
EU-Ländern, ist eine wichtige Voraussetzung, um eine
Absenkung der Direktzahlung fortzuführen, ohne land-
wirtschaftliche Betriebe existenziell zu gefährden – wie
wir dies auch ausführlich in unserem Antrag dargelegt
haben.

Leider bleibt mir nicht genügend Zeit, auf jeden Poli-
tikbereich ausführlich einzugehen. Ich möchte jedoch
unterstreichen, dass für die FDP-Fraktion neben der
allgemeinen Förderung der Wettbewerbsfähigkeit in al-
len Politikbereichen insbesondere die Stärkung der In-
novationskraft der EU als ein Kernelement der Europa-
2020-Strategie die Zukunftsfähigkeit Europas sichert.
Prioritäre Ziel müssen deshalb Forschung und Entwick-
lung, Bildung und der Ausbau grenzüberschreitender In-
frastruktur sein.

Uns als bürgerlich-liberale Koalition ist es gerade in
Zeiten der notwendigen öffentlichen Haushaltskonsoli-
dierung wichtig zu betonen, dass eine ausschließliche
Finanzierung des Netzausbaus mit EU-Haushaltsmitteln
aus ordnungspolitischer Sicht nicht die Lösung sein
kann und zur Realisierung notwendiger Zukunftsinves-
titionen zusätzlich auch privates Kapital mobilisiert
werden muss. Bei der Planung und Finanzierung des
Ausbaus von Energie- sowie Informations- und Kommu-
nikationstechnologienetzen sind wir zudem der Mei-
nung, dass bis auf wenige bestimmte Ausnahmefälle wie
beispielsweise bei der Peripherieproblematik dies Sache
der Privatwirtschaft bleiben muss.

Während wir uns als Koalition privatwirtschaftliche
Projektanleihen zur Erschließung neuer Finanzierungs-
quellen für Infrastrukturprojekte unter bestimmten
Voraussetzungen – keine Erhöhung der mittel- bis lang-
fristigen Finanzierungslasten der nationalen Haushalte,

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Zu Protokoll ge

(C (D ollständige Budgetierung der Garantieübernahmerisien im EU-Haushalt und eine strenge Prüfung auf ökoomische Ertragsfähigkeit und Förderungswürdigkeit – orstellen können, lehnt die FDP die von der Kommision, von der Mehrheit des Europäischen Parlaments, ber auch von den deutschen Sozialdemokraten und rünen propagierten Euro-Bonds klar ab. Durch Euroonds würde Deutschland gesamtschuldnerisch für ämtliche damit aufgenommenen Kredite anderer Staan haften müssen. Die infrage kommenden Staaten haen zur Zeit insgesamt circa 3 900 Milliarden Euro chulden. Ungefähr 700 bis 800 Milliarden Euro an chulden dieser Staaten werden alleine 2012 fällig, derelbe Betrag noch einmal 2013. Angesichts der Dimenion der Verschuldung dieser Staaten wäre das selbst für in wirtschaftlich starkes Land wie Deutschland nicht ehr zu schultern. Unser gesamter Bundeshaushalt beägt circa 300 Milliarden Euro. Würden Euro-Bonds ingeführt, würden sie die wenigen verbliebenen AAAtaaten vollends in den Schuldensumpf hineinziehen. Euro-Bonds wären damit keineswegs eine Lösung der erschuldungskrise, sondern ein Herumkurieren an ymptomen und würden das Problem nur verschleppen. ie Diskussion um Euro-Bonds lenkt von der eigentchen Aufgabe ab: Die Anleger werden den hochverchuldeten Staaten nämlich erst dann wieder Geld zu iedrigeren Zinsen leihen, wenn sie davon überzeugt ind, dass diese Staaten ihre eigenen Hausaufgaben geacht haben. Die verschuldeten Staaten müssen die notendigen und zum Teil schmerzhaften Reformen umset en, damit sich ihre Arbeitsproduktivität wieder erhöht, amit sie konkurrenzfähiger werden, damit die Steueroral wieder steigt und diese Staaten wieder ausrei hend eigene Einnahmen generieren, um ihre Schulden ieder selbst bedienen und auch zurückzahlen zu könen. Staaten wie Lettland oder Irland zeigen, wie das eht. Nach Bürgen wie den Steuerzahlern der wenigen verliebenen AAA-Staaten zu rufen, erscheint einigen narlich als der bequemere Weg. Dieser führt aber alle in en Abgrund untragbarer Überschuldung. Eine Sozialiierung der Haftung führt keineswegs zu mehr Ausgaendisziplin der Schuldner. In einigen südeuropäischen taaten war das sehr schön zu beobachten: Der Reformifer der Regierung stieg linear mit dem Ansteigen der insen und fiel auch wieder, sobald Finanzhilfe von auen geleistet wurde. Euro-Bonds dienen dazu, die Zinsen, die Schuldenünder zahlen müssen, abzusenken. Damit nehmen sie ugleich den Druck, wirksame Reformen vor Ort umzuetzen. Zugleich steigen die Zinsen, die die Geberländer r ihre Staatsschulden zahlen müssen. Damit stiege uch die Zinslast von Bund, Ländern und Kommunen in eutschland. Zudem halten wir Euro-Bonds für verfas ungswidrig, da sie einen unbegrenzten Eingriff in das eutsche Budgetrecht bedeuten und damit das Demoratiegebot verletzt würde. Dass SPD, Grüne und Linksartei immer wieder solche Euro-Bonds fordern und ersuchen, die Bundesregierung als antieuropäisch hinustellen, ist ein trauriges Zeichen von Verantwortungssigkeit dieser Opposition. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17519 Michael Link gebene Reden )


(A) )

Durch diese anderen privatwirtschaftlichen Projekt-
anleihen verbliebe zudem noch mehr Spielraum im
Haushalt, den neu geschaffenen institutionellen Rahmen
der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und
das bisher notorisch unterfinanzierte Auswärtige Han-
deln und die Außeninstrumente der EU angemessen aus-
zustatten.

Auch die künftige EU-Finanzierung im Bereich der
Innen- und Rechtspolitik muss angemessen im Hinblick
auf die Aufgaben und Herausforderungen angepasst
werden. Dazu gehört für uns Liberale beispielsweise bei
der Bekämpfung der illegalen Migration auch die ange-
messene finanzielle Ausstattung bei der Unterstützung
von Drittstaaten bei der Reintegration und der Umset-
zung von EU-Rücknahmeabkommen unter Berücksichti-
gung der national und international geltenden Flücht-
lings- und Menschenrechtsvorschriften.

Während ich bisher schwerpunktmäßig die Ausga-
benstruktur dargestellt habe, lassen Sie mich noch kurz
auf wichtige Prinzipien der Struktur des Haushalts und
vor allem auf die Frage eingehen, wie die Finanzierung
dieser Ausgaben gesichert werden soll.

Als Liberale setzen wir uns mit Blick auf das Gebot
der Haushaltsklarheit und -wahrheit sowie der parla-
mentarischen Kontrolle seit langem für die notwendige
Überführung aller Fonds außerhalb des Finanzrahmens
ein. Deshalb lehnen wir ebenfalls die nun von der Kom-
mission vorgeschlagenen neuen Nebenhaushalte klar ab
und fordern eine Struktur, die Transparenz und eine
lückenlose Prüfungskontrolle der EU-Gelder bietet.

Lassen Sie mich nun zu meinem letzten, aber nicht
minder wichtigen Punkt kommen, zu der Frage der
Finanzierung der Europäischen Union.

Die von der EU-Kommission angestrebte Einführung
von EU-Steuern – namentlich einer EU-Finanztransak-
tionsteuer und einer EU-Mehrwertsteuer – wird auch
von der hiesigen Grünenopposition herzlich willkom-
men geheißen. EU-Steuern widersprechen aber klar ord-
nungspolitischer Vernunft. Der positive Prüfauftrag der
Sozialdemokraten zur Überwindung rechtlicher und
politischer Hürden zur Einführung einer EU-Steuer im
Sinne einer eigenen Steuererhebungskompetenz verwun-
dert deshalb nicht.

Diese Einführung würde weder Transparenz noch Ak-
zeptanz bei den Bürgern schaffen und würde aufgrund
der mangelnden Planbarkeit von Steuereinnahmen die
existierende Nullverschuldung des EU-Haushalts ge-
fährden. Die Zusage der Kommission unter anderem in
Person des Kommissars Lewandowski und die blauäugi-
gen Aussagen von Grünen und SPD, die Zahlungen der
Mitgliedstaaten dann um die Einnahmen aus künftigen
Steuern zu reduzieren, hören sich zwar gut an, werden
sich aber in der Praxis nicht realisieren lassen. Denn
Aufkommensneutralität ist bei einem Übergang zu einem
steuerfinanzierten System nicht sicherzustellen. Diese
Forderung greift ins Leere, da die Nationalstaaten we-
der politisch noch rechtlich gezwungen werden können,
eine Absenkung um bestimmte Prozentpunkte durchzu-
setzen.

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(C (D Dagegen gewährleistete die Praxis der Eigenmittelnanzierung der EU durch vertraglich festgelegte Zahngen der Mitgliedstaaten die Verklammerung von uropäischen und mitgliedstaatlichen Haushaltsprioriten. Diese Klammer würde durch die Steuerpläne der ommission gekappt. Unter dem Gesichtspunkt der Beitragsgerechtigkeit ollte das Bruttonationaleinkommen als Indikator für ie Wirtschaftskraft der einzelnen Mitgliedstaaten zenaler Pfeiler der gemeinsamen EU-Finanzierung bleien, kombiniert mit einem allgemeinen Korrekturmehanismus, um die noch bestehenden Verzerrungen auf er Ausgabenseite so zu kompensieren, dass eine faire astenteilung gemäß dem Beschluss von Fontainebleau wischen den großen Nettozahlern gewährleistet ist, wie ir das auch im Antrag ausgeführt haben. Denn nur auf iese Weise lassen sich die Ansprüche an ein gerechtes, infaches, sicheres, sparsames und nachhaltiges Finanierungssystem erfüllen. Die Mehrheit des Deutschen Bundestages, die bürerlich-liberale Koalition, lehnt deshalb klar die Einhrung einer europäischen Steuer ab – unabhängig da on, ob direkt oder indirekt erhoben. Neben weiteren egativen Auswirkungen, die wir ebenfalls im Antrag erausgearbeitet haben, ist anzuführen, dass diese uneigerlich zu neuen Verzerrungen führen, einzelne Steurzahler übermäßig zur Finanzierung der EU heranzieen und die gebotene Transparenz verletzen würde. Der Koalitionsantrag zum nächsten Mehrjährigen inanzrahmen, MFR, verdeutlicht immerhin: Der Wahninn hat Methode. Allerdings ist methodisches Agieren diesem Zusammenhang ein äußerst schwacher Trost. h bezeichne es als schlicht irrwitzig, wenn demokrasch gewählte Politiker eine Politik betreiben, die sich icht an den Interessen der sie zumindest zum Zeitpunkt er Wahl tragenden Mehrheit orientiert. Statt Regeln für as Gemeinwesen zu setzen, machen Sie sich angeblich lternativlose Forderungen der Konzernund Bankenirtschaft zu eigen. Methode hat der Wahnsinn insofern, ls die Instrumentalisierung des Rechts und die Untererfung des Sozialen unter einen Wirtschaftsliberalisus, der in Deutschland bereits als Konjunkturbremse erfolgreich“ mit der Agenda-Politik praktiziert wurde, uf europäischer Ebene weitergeschrieben werden soll. Die Pervertierung des Solidargedankens, wonach jeer seine Hausaufgaben zu machen habe und sich nicht ur auf die fleißigen und sparsamen Nettozahler verlasen könne, was vor allem Deutschland meint, drückt sich erklärten Ziel von Bundesregierung und Koalition us, den nächsten MFR auf 1 Prozent des Bruttonatioaleinkommens zu deckeln. Diese vergiftete Solidarität ibt sich dann gern noch den Anschein von Verantworngsbewusstsein gegenüber künftigen Generationen, enen sonst nur Schulden blieben. Die Behauptung, dies äre auch eine Frage der Generationengerechtigkeit, t nämlich falsch; denn die Verteilung erfolgt nicht zwi chen den Generationen, sondern innerhalb einer Geneation. Jedem Schuldner steht ein Gläubiger gegenüber. 17520 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Michael Link gebene Reden )

Dr. Jörg-Diether Dehm-Desoi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714636800

(A) )

Nicht nur Schulden, auch Forderungen werden vererbt.
Diese Schuldner sind auch nicht sakrosankt für die He-
ranziehung zur Krisenbezahlung.

Die kenntnislose und ökonomisch falsche Gleichset-
zung von überschuldeten Staats- mit schwäbischen Pri-
vathaushalten, die dem politischen Pennälerniveau der
„Bild“-Zeitung entspricht, und die daran geknüpfte De-
ckelungsforderung ist ja nichts anderes als Austeritäts-
politik – auch so ein Euphemismus: Verarmungspolitik
wäre treffender, aber auch aufscheuchender. Die Aus-
wirkungen der 1-Prozent-Forderung kann man exem-
plarisch bereits an der Einigung auf den EU-Haushalt
2012 beobachten: Mit einer unterhalb der Inflation lie-
genden Steigerungsrate handelt es sich de facto um eine
Schrumpfung. Dann muss die Politik natürlich Farbe
bekennen und sagen, wo sie kürzen will.

Die verordnete Methode ist bekannt: So wie in den
krisengeschüttelten Mitgliedstaaten die Realwirtschaf-
ten geschliffen und die Sozialsysteme gleich ganz zer-
stört werden, zeichnet sich auch in den Ausgabenrubri-
ken des MFR eine ähnliche Schwerpunktsetzung ab.
Beim Instrument für „Heranführungshilfe“, also der
Hilfe für Beitrittskandidaten, wird gekürzt, bei der Ge-
meinsamen Außen- und Sicherheitspolitik hingegen
nicht.

Im Agrarsektor, dem neben der Kohäsionspolitik
größten Posten im Haushalt, sind gerade einmal 2 bis
3 Prozent aller Beschäftigten in der EU tätig. Und diese
ist nicht einem Dreiklang aus sozialen, ökonomischen
und ökologischen Kriterien verpflichtet, sondern die
Kommission redet dezidiert von Ressourceneffizienz und
der Koalitionsantrag will gleich die Entkoppelung der
Direktzahlungen von der Produktionsart. Das nützt viel-
leicht einigen wenigen Großagrariern, aber gewiss nicht
der Mehrheit der EU-Bürger. Hier haben wir es in der
Tat mit einer Frage der Generationengerechtigkeit zu
tun.

Auch die geplante Beteiligung privater Investoren am
Infrastrukturausbau ist sowohl aus grundsätzlichen Er-
wägungen als auch ganz praktischen Erfahrungen nur
als wahnsinnig zu bezeichnen. Mobilität ist ein öffentli-
ches Gut und kein Spekulationssektor.

Wenn der stellvertretende Generaldirektor für For-
schung und Innovation der EU-Kommission, Rudolf
Strohmeier, erklärt, dass der Forschungsetat auf 80 Mil-
liarden Euro aufgestockt werden soll, klingt das ja erst
mal ganz nett. Die Kommission will aber künftig nicht
nur Forschungsprogramme fördern, sondern „die ge-
samte Innovationskette berücksichtigen“. Das heißt
übersetzt, dass nicht mehr nur die Wissenschaft, sondern
auch die Industrie die EU-Forschungsthemen definieren
wird.

Gespart werden soll hingegen in dem Bereich, der
sich direkt auf die Realwirtschaft und die Lebenswirk-
lichkeit der Menschen auswirkt – die Kohäsionspolitik –,
und das, obwohl doch die Kommission selbst bekennt,
dass die Armut in Europa ein „untragbares Maß“ – un-
erträglich ist es im Übrigen auch – erreicht hat. Ist die
Konditionierung der Mittelvergabe auf wirtschaftliche

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(C (D nd institutionelle Reformen bereits demokratisch äuerst fragwürdig, so sind die Pläne zur Umstellung auf volvierende Fonds – deren Ressourcen müssen aus em Erlös der damit zuvor finanzierten Projekte aufgellt werden – entlarvend. Das heißt nämlich im Um ehrschluss, dass, wenn sich Armutsbekämpfung nicht ntiert, sie einfach unterbleibt! Mit den anvisierten fi anziellen Sanktionen im Falle der Nichteinhaltung des tabilitätsund Wachstumspakts schließt sich der Kreis Sinne der eingangs kritisierten und vor allem auch irtschaftspolitisch unsinnigen Austeritätspolitik. Wer onkreten Anschauungsunterricht hierfür benötigt, ichte seinen Blick nach Griechenland, Portugal oder panien – diese Länder kommen aus dem Teufelskreis on durch die Finanzmärkte in die Höhe getriebener erschuldung und verordneter Austeritätspolitik nicht ehr heraus. Das nämlich versteht die Bundesregierung nter Solidarität: Nicht der Starke helfe dem Schwahen, sondern der Schwache helfe sich doch gefälligst elbst. In der Diskussion über den Haushalt der Europäi chen Union können wir die aktuelle Krise nicht auslammern. Wir müssen den künftigen EU-Finanzrahmen ls Möglichkeit begreifen, die aktuelle Krise zu bekämpn und künftigen Krisen vorzubeugen. Wir brauchen ein europäisches Sparschwein, wir brauchen eine Antort auf die Krise. Das muss die Maxime für die ansteenden Verhandlungen sein. Der aktuelle Finanzrahmen, der die EU-Haushalte on 2007 bis 2013 regelt, umfasst 1,12 Prozent der Wirtchaftsleistung der EU. Das ist der Status quo. Die Kolition schreibt jetzt in ihrem Antrag, dass sie den künfgen Haushalt auf 1 Prozent der Wirtschaftsleistung berenzen will. Da können Sie ruhig ehrlich sein: Ein Dekel bei 1 Prozent bedeutet eine drastische Kürzung im ergleich zu heute, eine Kürzung um gut 10 Prozent. Wo ie kürzen wollen, sagen Sie aber nicht. Nein, es kommt och besser: Mittel der Gemeinsamen Agrarpolitik beiehalten, Strukturfonds stärken, Prioritäten bei Wettbeerbsfähigkeit, Forschung und Entwicklung, Bildung nd so weiter. Wie wollen Sie denn da auf 1 Prozent komen? Indem Sie am Beamtenstatut rütteln? Dazu passt, ass die Bundesregierung überhaupt keine Idee hat, wie enn ein EU-Haushalt nach einer Kürzung auf 1 Prozent ussehen soll. Ein entsprechender Vorschlag sei von den inschlägigen Ministerien abgelehnt worden, eine geeinsame Position nicht in Sicht. Ich freue mich, dass err Hintze das gestern so offen im EU-Ausschuss zugeeben hat. Denken Sie daran: Die Rechnung muss am nde auch aufgehen. Ich habe schon gesagt: Ein EU-Sparschwein ist der lsche Weg. Was wir brauchen, ist eine Antwort auf die rise. Wir wollen daher an einem Umfang von 1,12 Pro ent der Wirtschaftsleistung auch in Zukunft festhalten. uropa braucht dieses Geld, um seine Aufgaben und die otwendigen Prioritäten auch erfüllen zu können. Wir agen aber auch ganz klar: Eine Erhöhung kommt zureit nicht infrage. Die Belastungen der Krise sind für iele nationale Haushalte einfach zu hoch. Deswegen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17521 Dr. Diether Dehm gebene Reden 17522 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Manuel Sarrazin )

Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714636900

(A) )

müssen EU-Gelder sinnvoller, zielgenauer und effizien-
ter eingesetzt werden. Wir müssen einen Mehrwert bei
gleichbleibendem Umfang schaffen.

Neben der Höhe unterscheidet sich unser Antrag
auch in der Frage einer EU-Steuer. Meine Kollegin hat
diesen Punkt in der ersten Lesung bereits ausführlich er-
läutert. Daher nur so viel: Wir wollen die Finanztrans-
aktionsteuer als echte EU-Steuer bei gleichzeitiger Zu-
rückführung der Beiträge der Mitgliedstaaten. Wir
wollen keine zusätzlichen Einnahmen für die EU. Das ist
auch nicht der Vorschlag der Kommission. Die Koali-
tion sollte auch damit aufhören, dieses Märchen immer
wieder zu erzählen. Die Finanztransaktionsteuer ist eine
unserer Antworten auf die Krise: Wir beteiligen einen
Bereich, der die Krise mit verursacht hat. Außerdem set-
zen wir in den Mitgliedstaaten Mittel für dringend not-
wendige Investitionen frei.

Es geht aber auch darum, auf der Ausgabenseite eine
Antwort auf die Krise zu finden. Ich möchte das an ei-
nem Beispiel zeigen: Eine Studie des Deutschen Zen-
trums für Luft- und Raumfahrt prognostiziert, dass er-
neuerbare Energien 2050 in Griechenland 144 Prozent
des Strombedarfs abdecken können. Im Fall von Spanien
sind es sogar 473 Prozent. Ähnlich sieht es bei Portugal
und Irland aus. Wir stehen also heute vor der Entschei-
dung, ob wir weiterhin jedes Jahr Milliardenbeträge für
Energieimporte ausgeben wollen oder ob wir das Poten-
zial nutzen, das in Griechenland, Spanien, Portugal und
Irland steckt. Ich finde, wir sollten das Potenzial nutzen
und Energie als den Exportschlager erkennen, mit dem
Länder wie Griechenland ihre Handelsbilanzdefizite zu-
rückfahren können.

Gleichzeitig wird in Brüssel gerade über einen EU-
Haushalt 2012 verhandelt, der 1,3 Milliarden Euro für
den Nuklearsektor vorsieht. Für Windenergie bleiben
unterm Strich 24 Millionen. Noch einmal zum Mitschrei-
ben: 1,3 Milliarden für den Nuklearsektor, 24 Millionen
für Windenergie. Das können und dürfen wir uns in Zu-
kunft nicht mehr leisten. Da müssen wir radikal umsteu-
ern. Ein Großteil der 1,3 Milliarden geht für das Kernfu-
sionsprojekt ITER drauf, ein Projekt, das uns frühestens
2050 Energie liefern wird – wenn überhaupt. Wir wollen
dieses Projekt daher auf Eis legen, um das frei werdende
Geld sinnvoller einsetzen zu können.

Zu den wichtigen Aufgaben für den EU-Haushalt ab
2014 zählen aus unserer Sicht vor allem Forschung und
Entwicklung und die Realisierung des Green New Deals
auf europäischer Ebene. Neben der Förderung der er-
neuerbaren Energien zählt vor allem der Ausbau des eu-
ropäischen Stromnetzes dazu. Die EU muss vor allem
bei grenzüberschreitenden Stromnetzen die notwendigen
Anreize und Impulse setzen, um so die Voraussetzung für
eine Europäische Gemeinschaft für erneuerbare Ener-
gien zu schaffen.

Für die Bewältigung der wichtigen Zukunftsaufga-
ben, die wir in unserem Antrag noch ausführlicher aus-
führen, müssen vor allem die beiden großen Ausgaben-
blöcke Strukturpolitik und die Gemeinsame Agrarpolitik
ihren Beitrag leisten.

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(C (D Neben der inhaltlichen Umsteuerung muss der Hausalt der EU aber auch auf technischer Seite eine Antort auf die Krise finden. Die EU-Kommission hat beits vorgeschlagen, die Kofinanzierungsanteile für itgliedstaaten, die Finanzhilfen erhalten, zeitweise ab usenken. Das finden wir richtig und muss im Finanzahmen ab 2014 fortgeführt werden. Mit dieser Maßahme kann den teilweise geringen Abrufraten der trukturgelder entgegnet werden. Zur Wahrheit gehört ber auch, dass zum Beispiel Griechenland einen Großil seiner Gelder noch nicht abgerufen hat, weil dafür chlichtweg die administrativen Kapazitäten fehlen. iesem Problem muss sich die Kommission in Zukunft tellen: Sie muss die Mitgliedstaaten in die Lage verseten, Gelder abrufen zu können. Im Extremfall muss sie uf Bitten eines Staates auch entsprechende administrave Hilfe zur Verfügung stellen. Das ist aus unserer Sicht die richtige und notwendige ntwort auf die jetzige Krise: Erstens wollen wir mit der inanztransaktionsteuer die Mitverursacher der Krise eteiligen und gleichzeitig Gelder für notwendige Investionen in den Mitgliedstaaten frei machen. Zweitens üssen wir den Haushalt auf die skizzierten Aufgaben usrichten. Drittens müssen wir sicherstellen, dass die orhandenen Mittel auch abgerufen und effizient und innvoll eingesetzt werden. Wenn Europa das schafft, dann haben wir ab 2014 eien starken EU-Haushalt für eine zukunftsfähige Euroäische Union. Wir werden sie auf diesem Weg untertützen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss mpfehlung des Ausschusses für die Angelegenheiten er Europäischen Union auf Drucksache 17/8013. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Bechlussempfehlung die Annahme des Antrags der Frakonen CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/7767 mit em Titel „Der Mehrjährige Finanzrahmen der EU 014–2020 – Ein strategischer Rahmen für nachhaltige nd verantwortungsvolle Haushaltspolitik mit europäichem Mehrwert“. Wer stimmt für diese Beschlussemphlung? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegen robe! – Die drei Oppositionsfraktionen. Enthaltungen? Keine. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung es Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 7/7808 mit dem Titel „Für einen progressiven europäichen Haushalt – Der Mehrjährige Finanzrahmen der U 2014–2020“. Wer stimmt für diese Beschlussemphlung? – Das sind die Koalitionsfraktionen und die inksfraktion. Gegenprobe! – Sozialdemokraten. Entaltungen? – Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussmpfehlung ist angenommen. Zusatzpunkt 6: Interfraktionell wird die Überweisung er Vorlage auf Drucksache 17/7952 an die in der Tagesrdnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind ie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die berweisung so beschlossen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17523 Vizepräsident Eduard Oswald )

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714637000

(A) )

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Seefischereigesetzes und des
Seeaufgabengesetzes

– Drucksache 17/6332 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz (10. Ausschuss)


– Drucksache 17/7992 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Gitta Connemann
Holger Ortel
Dr. Christel Happach-Kasan
Dr. Kirsten Tackmann
Cornelia Behm

Wie in der Tagesordnung bereits ausgewiesen, wer-
den die Reden zu Protokoll genommen. Die Namen der
Kolleginnen und Kollegen liegen hier bei uns vor.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1714637100

„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Nach diesem

Grundsatz handelte die EU und beschloss im September
2008 die EG-Verordnung zur Verhinderung, Bekämp-
fung und Unterbindung der illegalen Fischerei, IUU-
Verordnung. Dieser folgte ein Jahr später die EG-Ver-
ordnung zur Einführung einer gemeinschaftlichen Kon-
trollregelung, Kontrollverordnung.

Die illegale Fischerei ist eine der größten Gefahren
für die lebenden aquatischen Ressourcen. Sie untergräbt
die Grundlage der gemeinsamen Fischereipolitik und
alle internationalen Bemühungen um einen verantwor-
tungsbewussteren Umgang mit den Weltmeeren. Sie be-
droht die biologische Vielfalt der Meere, und sie nimmt
zu – an Ausmaß, aber auch an Spielarten.

Wer illegal handeln will, ist kreativ und dreist. Große
Fahrzeuge fangen unter irgendeiner Drittweltflagge jen-
seits von Quoten und Bewirtschaftungssystemen, die
Fänge werden verarbeitet und dann in die EU verkauft.
Umladungen auf See entziehen sich jeglicher Kontrolle
und sind vor so mancher Küste gängige Praxis, um die
unrechtmäßige Herkunft der Fänge zu verschleiern. Bei
Fischereierzeugnissen, die von Fahrzeugen aus Dritt-
ländern gefangen und in die EU eingeführt werden, war
bislang keine ausreichende Kontrolle gewährleistet.

Die bisherigen Regelungen konnten nicht alle As-
pekte dieses Phänomens erfassen. Als weltweit größter
Markt für Fischereierzeugnisse und Importeur musste
die EU reagieren und neue Vorschriften erlassen. Dies
erfolgte in Gestalt der IUU- und der Kontrollverordnun-
gen.

„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Mit dem vor-
liegenden Gesetzentwurf werden diese Verordnungen in
nationales Recht umgesetzt – und zwar fristgerecht.
Denn die EU hatte den Mitgliedstaaten eine Frist bis
zum 31. Dezember 2011 gesetzt.

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(C (D „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Für die DU/CSU-Fraktion steht fest: Illegale Fischerei muss erfolgt, bekämpft und bestraft werden. Schwarzen chafen muss das Handwerk gelegt werden. Denn sie efährden die Nachhaltigkeit unserer Fischbestände, nd sie verschaffen sich auf verwerfliche Weise einen orteil gegenüber unseren deutschen Fischern. Diese eichnen sich durch besondere Rechtstreue aus und haneln weltweit vorbildlich. Dies zeigen schon die Zahlen. enn faktisch hat es bei uns keine nennenswerten Ver töße gegeben. In Nordund Ostsee wurden kaum chwere Zuwiderhandlungen gegen das Fischereirecht stgestellt. In den Jahren 2009 und 2010 wurde in nur nf Fällen die Schwelle zum schweren Verstoß über chritten. Die Kontrollverordnung verpflichtet die Mitgliedtaaten unter anderem, ein Punktesystem für schwere erstöße gegen Vorschriften der Gemeinsamen Fischeipolitik einzuführen. Dies gilt sowohl für die Inhaber iner Fanglizenz als auch für Kapitäne von Fischereihrzeugen. Es werden insgesamt zwölf schwere Ver töße aufgelistet, für die eine Punktzahl zwischen 3 und Punkten vorzusehen ist. Allerdings enthält das EUecht keine genauere Definition der schweren Verstöße. ies ist Aufgabe der Mitgliedstaaten. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtchaft und Verbraucherschutz hat inzwischen entprechende Definitionen für die zwölf schweren Verstöße rarbeitet. Diese sollen jetzt mit den Bundesländern abestimmt werden, um ein möglichst einheitliches Vorgeen der deutschen Kontrollbehörden sicherzustellen. ach Abstimmung mit den Ländern sollen die Definitioen im Wege von internen Verwaltungsvorschriften festelegt werden. Hierbei wird es Schwellenwerte geben, m Bagatellfälle von vornherein vom Punktesystem aususchließen. Bei der Anhörung, die der Ausschuss für Ernährung, andwirtschaft und Verbraucherschutz am 28. Septemer 2011 zu dieser Gesetzesnovelle durchführte, lag dieer Entwurf einer Seefischereibußgeldverordnung noch icht vor. Es war nicht zu erkennen, ob und wie Bagateln geahndet werden sollten. Die geplante Bußgeldhöhe on 200 000 Euro machte da besondere Angst ebenso ie die neuen Strafvorschriften – und dies alles neben em angedrohten Entzug des Kapitänspatentes. Auch dies führte dazu, dass die Sachverständigen den esetzentwurf nahezu unisono kritisierten. Fast alle saen die Gefahr, dass der Begriff IUU-Fischerei in seiem internationalen Verständnis auf eine geregelte und eldende Fischerei übertragen und damit über das Ziel inausgeschossen werden würde. Es wurde moniert, ass der Gesetzentwurf über die Vorgaben des EUechts hinausgehen würde. Gerade das wäre aber mit uns, der CDU/CSU-Frakon nicht zu machen gewesen. Denn wir wollen EU-Voraben nur eins zu eins in deutsches Recht umsetzen. Uner Anliegen war und ist es, die EU-Vorgaben national o umzusetzen, dass Wettbewerbsverzerrungen für unere heimischen Fischer vermieden werden. )


(A) )

Deshalb haben wir die Kritik der Sachverständigen
auch sehr ernst genommen. Wir haben uns die erforder-
liche Zeit genommen, um in den Beratungen der letzten
Wochen wirksame Veränderungen an dem Gesetzent-
wurf einzubringen. Insoweit richte ich stellvertretend
meinen Dank für die sehr konstruktive und intensive Zu-
sammenarbeit insbesondere mit dem Bundesministerium
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
an den Leiter des Referates für Seefischereimanagement
und -kontrolle, Herrn Walter Dübner. Dank des großen
Engagements aller Beteiligten liegt jetzt ein Gesetzent-
wurf vor, mit dem wir der IUU-Fischerei wirksam entge-
gentreten können und der gleichzeitig die besonderen
Vorleistungen unserer heimischen Fischer berücksich-
tigt.

Dort gab es zum Beispiel spezielle Hinweise wie die
Forderung nach einer Ausnahme von der Wiegever-
pflichtung vor jeder Anlandung. Für unquotierte Arten
macht sie keinen Sinn und schafft nur Bürokratie und
Kosten. Die Krabbenfischerei müsste eine Waage an-
schaffen, warten und den Fang, der ohnehin direkt nach
der Anlandung gesiebt und gewogen wird, vor dem
Transport zur Siebstelle noch zeitaufwändig wiegen.
Deshalb haben wir darauf bestanden, dass in der Ver-
waltungsverordnung zu diesem Gesetz Ausnahmen von
Wiegeverpflichtungen ermöglicht werden, soweit dies
mit dem Fischereirecht der Europäischen Union verein-
bar ist.

Wir haben uns für die Einführung praktikabler Baga-
tellgrenzen eingesetzt. So wurde einer Forderung fast al-
ler Sachverständigen Rechnung getragen. Damit wird
die Verhältnismäßigkeit bei geringfügigen Verstößen ge-
wahrt. Und so konnten wir verhindern, dass unsere
Fischer kriminalisiert werden. Wenn eine einzelne
Scholle einem Dorschfischer in der Ostsee ins Netz geht,
zieht dies keine Konsequenzen nach sich. Vorgesehen ist,
dass ein schwerer Verstoß erst dann vorliegt, wenn die
zulässige Beifangmenge um mehr als 1 Tonne bei einem
Gesamtfang von 5 Tonnen überschritten wird.

Zur Verhältnismäßigkeit gehörte es übrigens auch,
den Bußgeldrahmen von 200 000 Euro auf 100 000 Euro
zu senken.

Auf der anderen Seite mussten wir aber nach intensi-
ver Prüfung auch feststellen, dass manche Kritik nicht
griff. So wurde die Einführung einer Strafvorschrift
durch den Gesetzentwurf scharf angegriffen. Die Sach-
verständigen rügten, dass der Gesetzgeber von der al-
ternativen Möglichkeit der Verhängung von Verwal-
tungssanktionen keinen Gebrauch gemacht habe.

Tatsächlich schreibt Art. 44 Kontrollverordnung vor,
dass ein schwerer Verstoß mit administrativen Sanktio-
nen oder alternativ mit strafrechtlichen Sanktionen ge-
ahndet werden muss. Das deutsche Recht kennt aber
keine Verwaltungssanktionen. Diese wären nach Auffas-
sung des Bundesjustizministeriums auch nicht mit dem
Grundgesetz vereinbar, da eine Sanktion nur nach dem
Schuldprinzip festgelegt werden könne und nicht nach
der Höhe des wirtschaftlichen Wertes eines Verstoßes.
Insoweit bleibt laut Ministerium für Deutschland nur die
Möglichkeit, von der Alternative der Strafvorschriften

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(C (D ebrauch zu machen. Die geforderte Streichung des 19 des Gesetzentwurfs kam damit nicht in Betracht. Einen großen Raum nahm die Diskussion um den Entug des Kapitänspatentes bei schweren Verstößen ein – uch nach der Anhörung. Um unbillige Härten für den apitän in jedem Fall zu vermeiden, sieht der Gesetzenturf ein stufenweises System vor: Beim erstmaligen Erichen von 18 Punkten wird das Patent zwei Monate usgesetzt, beim zweiten Mal vier Monate, beim dritten al acht Monate, beim vierten Mal ein Jahr. Erst wenn er Kapitän zum fünften Mal die Höchstpunktzahl ericht, wird ihm das Patent ganz entzogen. Für uns in der CDU/CSU-Fraktion kam es dabei auf olgendes an: Dem Kapitän muss in diesem Fall die öglichkeit bleiben, eine gleichwertige alternative seeännische Tätigkeit aufzunehmen und seine Existenzrundlage nicht vollständig zu verlieren. Die Festschreiung im Gesetz ist gelungen. Ein Befähigungszeugnis r ein Patent für Handelsschiffe ist zu erteilen. Jetzt ist icherzustellen, dass auch die organisatorischen Voaussetzungen, zum Beispiel in Gestalt entsprechender usbildungsmodule, vorhanden sind. Dies haben wir in inem Entschließungsantrag als Forderung an die Bunesregierung formuliert. In diesem Entschließungsantrag fordern wir auch, ass die Bundesregierung sich auf EU-Ebene für eine chnelle Umsetzung der Verordnungen in allen Mitgliedtaaten, insbesondere in denen mit bedeutender Fischeiwirtschaft, einsetzt und uns darüber in einem Jahr ei en Bericht vorlegt. Denn wie sieht es derzeit bei unseren europäischen achbarn wie zum Beispiel den Niederlanden und Däemark aus? Die Niederlande haben die Verordnungen islang noch nicht umgesetzt. Dort ist dies allerdings chneller als bei uns möglich, da die Umsetzung nicht er Gesetz mit Parlamentsbeteiligung erfolgen muss. In änemark soll das nationale Fischereigesetz zur Umset ung der Verordnungen geändert werden. Auch dort liegt och kein Gesetzentwurf vor. Beide Länder riskieren dait ein Vertragsverletzungsverfahren der EU – anders ls Deutschland. Wir setzen mit der heutigen Entscheiung die Verordnungen fristgerecht um. Unser Augenmerk liegt nun darauf, Wettbewerbsvererrungen im europäischen Markt zu vermeiden. Diese önnten eintreten, da andere EU-Mitgliedstaaten die eupäischen Vorgaben später als wir umsetzen. Deshalb oll der Bericht der Bundesregierung im kommenden ahr auch Angaben dazu enthalten, in welchen Punkten s in anderen Mitgliedstaaten relevante Abweichungen ur deutschen Gesetzgebung gibt. Dies gibt uns dann soweit erforderlich – die Möglichkeit zur Nachjustie ung. Wir werden dies sehr genau beobachten. Getreu em Motto: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Heute verabschieden wir die Änderung des Seefische igesetzes. Wir tun das fristgerecht. Denn bis zum 1. Jauar 2012 müssen alle Mitgliedstaaten die Regelungen us IUUund Kontrollverordnung umgesetzt haben. 17524 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Gitta Connemann gebene Reden )

Holger Ortel (SPD):
Rede ID: ID1714637200

(A) )

Ich möchte aber zunächst sagen: Ich bin der Ansicht,
dass wir das Beste für unsere Fischerei erreicht haben.
Kein Fischer muss nun fürchten, dass ihm bei einem
kleinen Vergehen das Patent entzogen wird. Die Fischer
werden auch nicht an den Pranger gestellt. Wir tun mit
der Änderung des Gesetzes vielmehr etwas gegen die
schwarzen Schafe. Wer hier also tatsächlich Schindluder
treibt, muss sich zukünftig noch wärmer anziehen.

Wir hatten in der Anhörung im Ausschuss für Ernäh-
rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am
28. September 2011 vereinbart, noch etwas länger abzu-
warten, um zu sehen, was die anderen Mitgliedstaaten
machen.

Fakt ist aber: Wir sind bei der Umsetzung ganz vorne,
wie so oft. Wir müssen jetzt hoffen, dass die anderen Mit-
gliedstaaten unserem Beispiel folgen. Wir haben jetzt
über mehrere Monate über schwere Verstöße, Straf-
punkte, Patententzug und Gefängnisstrafen im Zusam-
menhang mit der Fischerei gesprochen. Wir haben auch
eine Anhörung im Ausschuss dazu abgehalten, und of-
fensichtlich haben wir gut daran getan. Zu einigen der
in der Anhörung von Fischereiseite vorgetragenen Kri-
tikpunkte möchte ich gleich noch nähere Ausführungen
machen.

Es gibt viele Umweltverbände, die sich in Zeiten, da
die EU ihre Fischereipolitik reformiert, lautstark enga-
gieren. Beim Seefischereigesetz war das nicht so. Keine
NGO war bereit, einen Sachverständigen zur Anhörung
zu stellen. Wahrscheinlich war das Thema nicht öffent-
lichkeitswirksam genug.

Eines wurde in der Anhörung aber klar: Die Fischer
fühlen sich langsam, aber sicher kriminalisiert. Außer-
dem fürchten die Fischer, dass ihnen in Zukunft schon
bei einem kleinen Vergehen das Patent entzogen wird
oder ihr Schiff an der Kette liegt. Ich möchte an dieser
Stelle den Fischern versichern, dass wir sie keineswegs
für Kriminelle halten. Ich bin mir auch sicher, dass
durch das neue Seefischereigesetz niemand ins Gefäng-
nis wandern oder einem Kapitän das Patent entzogen
wird.

Denn Fakt ist: So gesetzestreu wie der gemeine Deut-
sche, so gesetzestreu sind auch unsere Fischer. Wir ha-
ben uns genau angesehen, welche Verstöße es in der Ver-
gangenheit gegeben hat und wie diese Verstöße unter
dem neuen Regime geahndet worden wären. Es stellte
sich heraus, es wären nur eine Handvoll Punkte verge-
ben worden und niemand hätte sein Patent verloren.

Sollten wir aber doch ein schwarzes Schaf in unseren
Reihen haben, so muss dieser Mensch in Zukunft mit er-
heblichen Strafen rechnen, zusätzlich zu denen aus be-
stehenden Regelungen.

Der Anreiz für deutsche Fischer, schwere Verstöße zu
begehen, ist äußerst gering. Die deutschen Fischer ver-
fügen nämlich über ein sehr günstiges Verhältnis von
Fangmöglichkeit zu Kapazität. Das soll heißen, die
Fischer kommen mit den ihnen zur Verfügung stehen
Quoten ziemlich gut zu recht. In anderen Mitgliedstaa-
ten ist dieses Verhältnis deutlich ungünstiger und dem-

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(C (D ntsprechend der Anreiz zur Gesetzesübertretung weentlich größer. Wie allgemein bekannt ist, ist eines der großen Proleme der Gemeinsamen Fischereipolitik die mangelafte Durchsetzung. Bei Kontrolle und Sanktion gibt es och einige Defizite. Ein Problem ist aber auch, dass trafen für das gleiche Vergehen in verschiedenen Mitliedstaaten unterschiedlich ausfallen. Wir hoffen, dass as in diesem Fall anders ist. Die EU hat in der Kontrollverordnung ein Strafpunksystem für Lizenzinhaber erlassen. Die Vergabe von trafpunkten ist damit europaweit einheitlich geregelt. leichzeitig hat die EU den Mitgliedstaaten die Einfüh ung eines Strafpunktesystems für Kapitäne auferlegt, eil das in der Regelungsgewalt der Mitgliedstaaten egt. Dieses Punktesystem für die schweren Verstöße ist un das Kernstück des Gesetzes. Bei der Einführung des unktesystems war es unser wichtigstes Anliegen, dass ieses Punktesystem in allen Mitgliedstaaten gleich ausieht. Hier darf es aus unserer Sicht zu keinen ungleihen Regeln kommen. Es war aber bislang nur schwer in rfahrung zu bringen, wie die anderen Mitgliedstaaten r Punktesystem für Kapitäne ausgestalten. Wir haben alle relevanten Mitgliedstaaten abgefragt. ir Deutschen sind natürlich mal wieder die Vorreiter. chweden und Großbritannien zum Beispiel lassen sich is Mitte 2012 Zeit. Dänemark hat sich geweigert, auf nsere Anfrage zur Umsetzung der Kontrollverordnung u antworten. Das möchte ich nicht unerwähnt lassen. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir uns bei er Gesetzgebung noch etwas mehr Zeit gelassen, um ns mit anderen Mitgliedstaaten abzustimmen. Dass wir eute trotzdem dem Gesetzentwurf zustimmen können, egt vor allem daran, dass das Punktesystem für chwere Verstöße von Kapitänen in einem Erlass gereelt wird. Dadurch lässt sich das System wesentlich eincher verändern, falls dazu Bedarf besteht. Das Argument der Bundesregierung, Deutschland sei orreiter und die anderen werden sich nach uns richten, ile ich nur bedingt. Deshalb fordern wir die Bundesgierung auch per Entschließungsantrag auf, den Deut chen Bundestag über die Umsetzung des Punktesystems r schwere Verstöße für Kapitäne von Fischereifahrzeu en in den anderen Mitgliedstaaten zu unterrichten. Von der Seite der Fischerei wurde vielfach eine Bagallregelung gefordert. Dem wird mit der Einführung on Bagatellgrenzen in der Durchführungsverordnung echnung getragen. Mit der Änderung des Seefischereiesetzes bestrafen wir aber auch nur die schweren Vertöße. Die grundlegende Kritik der Fischereiverbände an er Einführung eines Straftatbestandes konnten wir leier nicht aufnehmen. Da wir in Deutschland keine Veraltungsstrafen kennen, mussten wir den Straftatbe tand einführen. Man muss sich aber auch ansehen, was ischer tun müssen, um ins Gefängnis zu kommen. Das ind wirklich schwerwiegende Vergehen, die man nicht al eben wegen einer Unachtsamkeit begeht. Dazu geört zum Beispiel das wissentliche Fischen während eiDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17525 Holger Ortel gebene Reden )


(A) )

nes Moratoriums oder eines Fangverbots. Dazu zählt
auch das Fangen ohne Fangerlaubnis. Allerdings geht
es hier nicht um ein paar Kilo Beifang, für den der
Fischer keine Quote hat. Hier geht es um das wissentli-
che Fangen ohne Fangerlaubnis, bei dem der Fischer
aus Gewinnsucht oder gewerbsmäßig handelt. Hier geht
niemand wegen ein paar Kilo Beifang ins Gefängnis.

Gleiches gilt für die Manipulation der Maschine, das
Führen eines Schiffs ohne Flagge oder das Umladen mit
einem bekannten IUU-Schiff. Aber auch hier gibt es
noch eine Hürde, denn der Täter muss sein Handeln be-
harrlich wiederholen.

Diese Beispiele machen deutlich, dass hier niemand
ins Gefängnis muss, wenn er nicht etwas wirklich
Schwerwiegendes getan hat.

In der täglichen Praxis wird sich also bald erweisen,
dass die Ängste auf Fischereiseite unbegründet waren.
Sollte einem Fischer tatsächlich das Patent entzogen
werden, handelt es sich dabei auch nicht um ein Berufs-
verbot. Der Kapitän wird die viel bemühte Barkasse im
Hamburger Hafen fahren können. Damit wurde auch der
Kritik Rechnung getragen, bei den begangenen Verge-
hen handele es ich um fischereiliche Vergehen und nicht
um verkehrsrechtliche.

Ein weiterer Kritikpunkt der Fischer, dem wir nach-
gekommen sind, war die Forderung nach einer einheitli-
chen Anlaufstelle für die elektronische Voranmeldung
und die Anlande- und Umladeerklärung.

Auch wenn die Länder formal die Zuständigkeit für
die Fahrzeuge bis 500 BRZ haben, so macht es doch we-
nig Sinn, dass jedes der drei Küstenländer eine Stelle
hat, die 7 Tage die Woche 24 Stunden besetzt ist.

Ich möchte auch noch etwas zum Bußgeldrahmen sa-
gen. Dieser war im Regierungsentwurf auf 200 000 Euro
für bestimmte Vergehen festgesetzt, die in Art. 90 Abs. 1
der Kontrollverordnung näher benannt werden. Dazu
zählt zum Beispiel das wissentliche Fischen während ei-
nes Moratoriums oder das Einlaufen in einen Hafen
ohne Genehmigung. Letzteres hat es in Deutschland ja
schon mal gegeben.

Ich möchte aber nicht verschweigen, dass der Buß-
geldrahmen für alle anderen Vergehen von bislang
75 000 Euro auf 50 000 abgesenkt wird. Der bisherige
Bußgeldrahmen wurde allerdings auch niemals ausge-
nutzt.

Deshalb ist es richtig, dass wir den Bußgeldrahmen
auf 100 000 Euro festgesetzt haben. Den Fischer, der
sich tagtäglich an Recht und Gesetz hält, betrifft das
aber nicht. Abschließend möchte ich sagen, dass wir so-
wohl den Vorgaben der Europäischen Union Rechnung
getragen als auch die deutschen Fischer vor ungerecht-
fertigten Strafen bewahrt haben.

Wir haben es leider nicht geschafft, Bürokratie zu
verringern. Das Gegenteil ist der Fall. Nichtsdestotrotz
haben wir unter den gegebenen Umständen das Beste
getan. Die SPD stimmt diesem Gesetzentwurf aber zu,
denn wir haben uns aktiv im Gesetzgebungsverfahren

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(C (D eteiligt und wollen nun auch Verantwortung für die gendenen Regelungen übernehmen. Die weltweit in den Meeren gefangene Fischmenge tagniert. Zwei Drittel der Fischbestände im Nordosttlantik, so eine Mitarbeiterin des WWF im Fachgepräch der FDP-Bundestagsfraktion, sind überfischt, ber 55 Prozent der Fischarten fehlen gesicherte Erenntnisse. Mit steigender Weltbevölkerung, für deren iweißversorgung Fischerei und Aquakultur eine große edeutung haben, rückt eine nachhaltige Bewirtschafng der Fischbestände in den Mittelpunkt des Interes es. Die Bestandsaufnahme der EU-Kommission hat rgeben, dass die seit 2003 geltende Gemeinsame Fichereipolitik die heute herrschenden Probleme nicht löen konnte. Mit der Änderung des Seefischereigesetzes und Seeufgabengesetzes werden die von der EU erlassenen erordnungen zur Bekämpfung der illegalen, nicht geeldeten und unregulierten Fischerei und die EU-Konollverordnung zum Schutz der Fischbestände in Nordnd Ostsee in nationales Recht umgesetzt. Während der arlamentarischen Beratungen hat die Koalition geeinsam mit dem zuständigen Ministerium und den ischereiverbänden notwendige Verbesserungen zum rsten Entwurf erarbeitet. In der Anhörung wurde uns von den Experten dargetellt, dass die Strafvorschriften im ersten Entwurf des esetzes bedenklich wären. Es musste geklärt werden, as als schwerer Verstoß zu bewerten ist, und es wurde as Fehlen von Bagatellgrenzen für Ordnungswidrigeiten angemahnt. Ebenso wurde der Verlust des nauschen Patentes als Strafmaß als unverhältnismäßig igestuft. Hier wurde mit dem Vorlegen des neuen unktsystems nachgebessert. Praktikable Bagatellgrenen zum Beispiel bei Abweichung der vorgeschriebenen etzmaschengröße wurden eingeführt. Wir sprechen uns achdrücklich dafür aus, die Strafvorschriften mit den achbarstaaten zu harmonisieren. Im Interesse unserer leinen, mittelständischen Kutterund Küstenfischerei ollten wir uns besser mit den anderen abstimmen, statt Alleingang unsere Fischer unverhältnismäßig zu besten. Der Gesetzentwurf erhielt gestern im zuständi en Ausschuss eine breite Mehrheit. Deutschland geht beim Schutz der Fischbestände in ordund Ostsee voran. Mit der Novellierung des Seeschereiund Seeaufgabengesetzes sind die EU-Vorgaen zur Bekämpfung der illegalen, nicht gemeldeten und nregulierten Fischerei in deutsches Recht umgesetzt. ir sind uns alle bewusst: Nur der Erhalt der Fischbe tände sichert die Zukunft der Fischerei. Jetzt sind auch die anderen Mitgliedstaaten mit beeutender Fischereiwirtschaft in der Pflicht, die Verordung umzusetzen. In unserem auf Initiative der FDP rmulierten Entschließungsantrag wird die Bundesgierung aufgefordert, sich für eine rasche Durchfüh ung des unmittelbar geltenden Unionsrechtes in allen itgliedstaaten einzusetzen und über diese Umsetzung den Mitgliedstaaten dem Bundestag zu berichten. Wir 17526 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Holger Ortel gebene Reden )

Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1714637300

(A) )

wollen dadurch sicherstellen, dass unserer heimischen
Fischerei keine Wettbewerbsnachteile entstehen. Ich
danke für die breite Unterstützung dieses Antrages im
Ausschuss.

Die deutschen Fischer verhalten sich bereits heute
weitgehend vorbildlich. Es gab in den letzten Jahren
keine nennenswerten Verstöße gegen die umfassenden
europäischen und nationalen Regelungen zur Seefische-
rei. Deshalb ist es sachgerecht, den Bußgeldrahmen auf
100 000 Euro zu begrenzen. Der Wunsch der Grünen auf
Beibehaltung eines hohen Bußgeldrahmens, der zu kei-
ner Zeit auch nur annähernd ausgeschöpft wurde, ist
reine Symbolpolitik und ohne praktische Relevanz.

Als Instrument des Schutzes der Fischbestände soll-
ten, dort wo es möglich ist, allein Quoten und nicht zu-
sätzlich Fangaufwandsregelungen verwendet werden.
Ob die EU-Verordnungen einen wirksamen Beitrag zum
Schutz der Fischbestände und zur Nachhaltigkeit der
Fischereiwirtschaft leisten, soll nach drei Jahren eva-
luiert werden. Auch das haben wir in unserem Entschlie-
ßungsantrag festgelegt.

Ebenso sollten offene Fragen zum Datenschutz ge-
klärt werden. Eine lückenlose Videoüberwachung der
Fischer ist unangebracht und lässt sich trotz hoher Kos-
ten von 30 000 Euro pro Boot prinzipiell umgehen. Sinn-
voller wären Inspekteure an Bord, wenn ein begründeter
Verdachtsfall vorliegt.

Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die mel-
depflichtigen Positionsdaten nicht an die Konkurrenz
aus den Nachbarstaaten gelangen kann. Hier müssen
praktikable Durchführungsverordnungen von der Bun-
desregierung vorgelegt werden. Die Fischereiwirtschaft
ist entscheidend abhängig vom Zustand der maritimen
Ressourcen. Gleichzeitig beeinflussen der Klimawandel,
die wirtschaftliche Entwicklung, der gesellschaftliche
Wandel und regionale Entwicklungen die Zukunft der
Fischer in Deutschland und Europa. Nur eine konse-
quente europaweite Umsetzung der IUU-Verordnung
kann eine nachhaltige Bewirtschaftung unserer mariti-
men Ressourcen sicherstellen und gewährleisten, dass
die Bevölkerung ausreichend mit Fischen und Meeres-
früchten versorgt wird, die wirtschaftliche Zukunft der
Fischer gesichert wird und die natürlichen Bestände er-
halten bleiben.


Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714637400

Wenn es um die Ernährung der Welt geht, richten sich

die Blicke meistens auf Wiesen, Weiden und Äcker. Auf
das Meer schaut kaum jemand, doch birgt es unvorstell-
bar große, wenn auch bedrohte Potenziale, nicht nur für
die Ernährung des Menschen, sondern auch für das
Klima und als Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Über
370 Millionen Quadratkilometer der Erdoberfläche sind
Wasser. Das sind circa 71 Prozent. In fast allen diesen
Gewässern darf gefischt werden, angefangen vom klei-
nen Angler bis hin zum großen industriellen Fischtraw-
ler. Egal wo: Entscheidend ist, dass nachhaltig gefischt
wird. Dass heißt: Die Fischerei darf die Fischbestände
nicht gefährden. Das aquatische Ökosystem darf dabei
nicht zerstört werden. Gerade im Bereich der Tiefsee-

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(C (D scherei gibt es hier erhebliche Defizite. Möglichereise werden hier Arten ausgerottet, die wir noch gar icht kennen. Die Fischereipolitik darf sich nicht nur ökologisch usrichten, sie muss auch sozial gerecht sein. Deshalb t es wichtig, dass die Fischereiressourcen der Erde zullererst den an den Küsten wohnenden Menschen und ann den dazugehörigen Nationen zur Verfügung steen. Nur wenn auch nachhaltig noch mehr gefischt weren kann, sollten andere Nationen Fischereirechte ererben können. Als Linke haben wir daher die partnerschaftlichen Fichereiabkommen im Rahmen der externen Dimension er Gemeinsamen Europäischen Fischereipolitik, GFP, ritisch im Blick. Eine nachhaltige Bewirtschaftung der eere setzt zwei Dinge voraus: die verbindliche Eini ung auf wissenschaftlich fundierte Fangmengen auf er Grundlage mehrjähriger Bewirtschaftungspläne nd ihre Einhaltung. Jede Fangbeschränkung wird unlaubwürdig und wirkungslos ohne konsequente Beämpfung der illegalen Fischerei. Wer gegen die Regengen verstößt oder – noch schlimmer – vorsätzlich legal fischt, gefährdet dieses System. Wobei es dabei icht um illegale Fangaktivitäten einheimischer Fischeinnen und Fischer zum Beispiel in Afrika geht; denn re Fangrechte wurden durch Abkommen ihrer Länder it der EU an große Trawler verhökert. Für die Linke ist as nicht akzeptabel. Der Kampf gegen die illegale Fischerei und für eine achhaltige Fischerei ist wichtig. Darum begrüßt die inksfraktion das neue EU-Verordnungsrecht zur Verinderung, Bekämpfung und Unterbindung der illegan, nicht gemeldeten und unregulierten Fischerei und ur Reform des EU-Fischerei-Kontrollsystems. Zudem t das Seefischereigesetz an das geltende EU-Fischereicht anzupassen. Genau das war die Aufgabe des Ge etzentwurfes 17/6332, den die Bundesregierung Anfang eptember in den Bundestag eingebracht hatte. Trotz larem und unstrittigem Ziel war die parlamentarische efassung alles andere als einfach. Zur Anhörung zum Gesetzentwurf Ende September aren mehrheitlich aktive Fischerinnen und Fischer geden. Ihr Urteil war vernichtend. Sie wiesen nicht nur uf erhebliche Unklarheiten und Missstände im Gesetzntwurf hin, sondern verrissen ihn regelrecht. Der Geetzentwurf sei überzogen, realitätsfern und missvertändlich. Die Gleichbehandlung auf See sei durch den esetzentwurf gefährdet. Bagatellgrenzen wurden gerdert. Die Praktikabilität der vorgeschlagenen Lösun en wurde angezweifelt und Datenschutzbedenken geäuert. Nicht nur ich war von der Wucht der Vorwürfe berrascht. Selbst bei der sonst oft beratungsresistenten oalition aus Union und Liberalen hat diese Anhörung ffensichtlich Wirkung hinterlassen. Kritisiert wurde speziell die Einführung eines Punksystems für schwere Verstöße, also quasi ein „Flensurg 2.0 für die Fischerei“. Bei mehr als 18 Punkten soll em Kapitän eines Schiffes das nautische Patent (Befäigungszeugnis für den nautischen Dienst)

erden. Das bedeutet, dass er für einen bestimmten Zeit-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17527

Dr. Christel Happach-Kasan
gebene Reden


(A) )


)(B)

raum als „unzuverlässig“ eingestuft wird und somit kein
Schiff mehr führen darf. Die Linksfraktion will aber wie
die meisten Sachverständigen, dass das Fahren eines
Fischerbootes verboten werden kann, aber die Naviga-
tion eines anderen Schiffes weiterhin erlaubt bleiben
soll. Im Änderungsantrag der Koalition steht nun, dass
der Entzug des Führerscheins verschoben werden kann.
Wir sind mit diesem Kompromiss weiter nicht zufrieden.

Richtig ist, dass Straf- und Bußgeldvorschriften nur
dann Sinn machen, wenn auch was dahinter steht. Daher
ist der Ansatz mit der Punktesammlung angemessen.
18 Punkte sind keine Bagatelle. Aber es ist richtig, dass
der maximale Bußgeldrahmen von 200 000 auf
100 000 Euro wieder herabgesetzt wurde. Bisher gab es
überhaupt noch keine Verurteilungen zu 100 000 Euro.
Deshalb muss man nicht unnötig mit dem Säbel rasseln
und höhere Strafen androhen, wie die Grünen fordern.
Das ist eine unangemessene Drohgebärde gegen die
überwiegend gesetzeskonformen Fischerinnen und
Fischer. Dass sie das auf die Palme bringt, weil sie sich
kriminalisiert und vorverurteilt fühlen, kann ich gut
nachvollziehen. Dazu gehört im Übrigen auch die De-
batte über Kameras oder Kontrolleure an Bord. So rich-
tig Kontrollen sind, so verständlich finde ich Argumente
gegen solche Überwachungsinstrumente. Die Schiffs-
positionen werden sowieso online erfasst, also ist auch
eine gezielte Kontrolle möglich. Eine Kameraüberwa-
chung in den Abgeordnetenbüros würden wir ja auch ab-
lehnen – und nicht nur, weil wir als frei gewählte Abge-
ordnete eine Sonderstellung haben.

Als Linksfraktion begrüßen wir die beiden EU-Ver-
ordnungen; auch den Ansatz des Gesetzentwurfes finden
wir richtig. Die Kritik der Fischerinnen und Fischer in
der Ausschussanhörung hat die Koalition jedoch nur
teilweise durch ihren Änderungsantrag aufgegriffen.
Daher können wir uns beim geänderten Gesetzentwurf
nur enthalten. Dass die Koalition mit dem Ergebnis ih-
rer Nachverhandlungen selbst nicht ganz zufrieden ist,
kann man gut im Entschließungsantrag der Koalition
nachlesen. Wir teilen seinen Inhalt und stimmen zu.


Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714637500

Die IUU-Verordnung und die Fischereikontrollver-

ordnung der EU, die durch das neue Seefischereigesetz
umgesetzt werden, stehen in der Fischereiwirtschaft
vielfach in der Kritik, weil sie ein schwer zu überbli-
ckendes Maß an Regelungen und ein enormes Maß an
zusätzlicher Bürokratie gebracht haben. Diese Kritik ist
sicherlich nicht ganz von der Hand zu weisen. Dennoch
muss man feststellen: Beide Verordnungen sind für die
Bekämpfung der illegalen, unregulierten und ungemel-
deten Fischerei und für die Einhaltung der Rechtsvor-
schriften der EU-Fischereipolitik dringend notwendig
und waren ein enormer Schritt nach vorn.

Ein erfolgreiches Fischereikontrollrecht der EU wird
Dumping-Fischimporte aus der illegalen Fischerei in
den EU-Markt spürbar vermindern. Das dürfte sich für
die rechtstreuen Fischereibetriebe wirtschaftlich positiv
auswirken. Wenn die Fischereikontrolle erfolgreich ist,
dann wird sie auch zur Erholung überfischter Bestände

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(C (D eitragen. Das ermöglicht mittelbis langfristig mehr ischfang bei niedrigerem Aufwand. Auch das wird sich irtschaftlich positiv auf die einheimischen Fischereibeiebe und die deutsche Fischereiwirtschaft auswirken. an darf also nicht nur die Kosten und den Aufwand der ischereikontrolle sehen, sondern auch den Nutzen. Aber: Aufwand und Nutzen müssen in einem angeessenen Verhältnis zueinander stehen. Dies ist die esslatte für die Überprüfung des von der schwarz-gel en Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurfes. Die nhörung der betroffenen Fischer hatte gezeigt, dass er Regierung das an mehreren Punkten nicht gelungen ar. Einige der Kritikpunkte hat die Koalition mit dem Änerungsantrag ausgeräumt. Fakt bleibt aber, dass das esetz kaum lesbar und schwer verständlich ist und urch Verordnungsermächtigungen eine hohe Unüberichtlichkeit schafft. Handwerkliche Mängel und einige weifelhafte Entscheidungen machen uns eine Zustimung zu diesem aus grüner Sicht notwendigen Gesetz denfalls nicht möglich. So ergibt es wenig Sinn, die Zu tändigkeiten so aufzuteilen, dass sowohl Bundesals uch Landesbehörden sich mit den gleichen Aufgaben efassen müssen und Personal ausbilden und vorhalten üssen, je nachdem wie groß die Schiffe sind oder woer sie kommen. Aufgaben sollten entweder vollständig em Bund oder dem Land zugewiesen werden. Dieses roblem hat der Änderungsantrag der Koalition nicht ollständig gelöst. Ich bin gespannt, ob die Bundesläner das akzeptieren werden. Die Koalition verpasst die Gelegenheit, etwas für den rhalt unserer Küstenfischer zu tun. Dazu hätte sie die egelungen zur Aufteilung der Fischfangmengen um ine Klausel ergänzen sollen, die dem Schutz der erhalnswerten Küstenfischerei dient. Die Koalitionsfraktionen haben den Gesetzentwurf so eändert, dass der Entzug des Befähigungszeugnisses r den nautischen Dienst auf Fischereifahrzeugen – wie eim zeitweiligen Entzug des Führerscheins – auf einen päteren Zeitpunkt verschoben werden kann. Was aber ilft dieser Entzug – für zwei Monate bei der erstmaligen rreichung von 18 Punkten –, wenn er in eine Zeit gelegt erden kann, in der sowieso nicht gefischt wird? Damit ird diese Sanktion weitgehend entwertet. Zusätzlich haben die Koalitionsfraktionen die im Geetzentwurf für verschiedene Ordnungswidrigkeiten voresehene maximale Geldbuße von 200 000 auf 00 000 Euro abgesenkt. Da diese in der Praxis nur bei ehr schweren bzw. wiederholten Verstößen verhängt erden kann, fragt man sich, was mit dieser Herabset ung erreicht werden soll. Dass damit bei den Fischern irklich Punkte zu sammeln sind, darf bezweifelt weren. Bereits der Gesetzentwurf war weit davon entfernt, nsere Fischerei zu kriminalisieren. In der Anhörung ist arauf hingewiesen worden, dass angesichts der in den tzten Jahren festgestellten Verstöße gegen das Fischeirecht nur in wenigen Fällen überhaupt Punkte verge en worden wären. Insofern waren die ganze Aufregung 17528 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Dr. Kirsten Tackmann gebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17529 Cornelia Behm )


(A) )

über das Punktesystem und die Furcht vor dem Entzug
von Fanglizenzen und Kapitänspatenten doch ein gewis-
ser Sturm im Wasserglas. Um eine Kriminalisierung un-
serer Fischerei zu verhindern, waren die geringfügigen
Änderungen durch die Koalitionsfraktionen also gar
nicht mehr nötig, auch wenn die sich diesen Erfolg
gerne an die Brust heften wollen.

Zum geforderten Gleichklang der Umsetzung in allen
EU-Mitgliedstaaten bzw. zu der Vermeidung von stren-
geren deutschen Regeln ist zu sagen, dass das nur er-
reicht werden kann, wenn entweder die EU haarklein je-
des Detail vorgibt – was wohl niemand von uns will –,
oder aber, indem sich Deutschland immer nur am nied-
rigsten Standard aller EU-Mitgliedstaaten orientiert. Si-
cherlich ist es richtig, wenn die Bundesregierung dem
Bundestag wie gefordert berichtet, wie die anderen Mit-
gliedstaaten das EU-Fischereikontrollrecht umsetzen.
Es kann aber nicht richtig sein, daraus einen Wettbe-
werb um den niedrigsten gemeinsamen Standard zu ma-
chen. Vielmehr gilt es, alles daran zu setzen, dass die
Kommission auf eine ambitionierte Umsetzung in allen
Mitgliedstaaten drängt. Das hilft dann nicht nur unseren
Fischern, sondern auch dem Erhalt der Fischbestände.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714637600

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Er-

nährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz emp-
fiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 17/7992, den Gesetzentwurf der Bundesre-
gierung auf Drucksache 17/6332 in der Ausschussfas-
sung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz-
entwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um
das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen
und die Fraktion der Sozialdemokraten. Wer stimmt da-
gegen? – Niemand. Stimmenthaltungen? – Bündnis 90/
Die Grünen und Linksfraktion. Der Gesetzentwurf ist
damit in zweiter Beratung angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Das sind die Koalitionsfraktionen und die Sozialdemo-
kraten. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Stimmenthal-
tungen? – Bündnis 90/Die Grünen und Linksfraktion.
Der Gesetzentwurf ist angenommen.

Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 17/7992 empfiehlt der Ausschuss, eine Ent-
schließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Das sind die Koalitionsfraktio-
nen, die Sozialdemokraten und die Linksfraktion.
Gegenprobe! – Niemand. Enthaltungen? – Bündnis 90/
Die Grünen. Die Beschlussempfehlung ist angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 31 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Einrichtung und zum Betrieb eines bun-
desweiten Hilfetelefons „Gewalt gegen
Frauen“ (Hilfetelefongesetz – HilfetelefonG)


– Drucksache 17/7238 –

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(C (D Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Drucksache 17/8008 – Berichterstattung: Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker Marlene Rupprecht Nicole Bracht-Bendt Yvonne Ploetz Monika Lazar Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die eden zu Protokoll genommen. Die Namen der Kolleinnen und Kollegen liegen im Präsidium vor. Die Einrichtung des Hilfetelefons ist ein sehr wich ges Signal an die Frauen in unserem Land, die von ewalt betroffen sind. Es wird ihnen den Zugang zu eratung und Hilfeangeboten deutlich erleichtern. Es ird ein kostenloses Angebot auf Erstberatung und formation über Hilfemöglichkeiten zu allen Formen on Gewalt gegen Frauen vorhalten. Das Hilfetelefon ist amit ein wichtiger Baustein im Bemühen, Gewalt an rauen zu bekämpfen. Ab 2013 wird es möglich sein, das undesweite Hilfetelefon in Betrieb zu nehmen. Damit setzen wir ein zentrales Vorhaben in dieser egislaturperiode im Kontext Gewalt gegen Frauen um. ie christlich-liberale Koalition hält mit der Umsetzung ieses Gesetzes ihr Versprechen, Frauen besser vor Gealt zu schützen. Auch die Verpflichtung durch die neue uroparatskonvention zur Verhütung und Bekämpfung on Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt setzen ir damit um. Eine Studie des BMFSFJ besagt, dass Frauen aller ltersgruppen, Schichten und ethnischen Zugehörigkein in Deutschland in hohem Maße von Gewalt betroffen ind. 40 Prozent der in Deutschland lebenden Frauen aben körperliche oder sexuelle Gewalt mindestens einal im Lebenslauf erlebt, oftmals durch den eigenen ktuellen oder ehemaligen Partner; sie erleben oft chwere oder lebensbedrohliche Gewalt. Es ist wichtig, ass diese traumatisierten, gedemütigten Frauen Hilfe ekommen. Trotz des bestehenden Hilfesystems in Deutschland ommen dort aber nur circa 20 Prozent der Frauen an. in Großteil der Frauen findet im entscheidenden oment keine Hilfe; ein entscheidender Grund ist, dass ie Unterstützersysteme zu wenig bekannt sind oder nur u begrenzten Öffnungszeiten erreichbar. Hier setzt das ilfetelefon an als niedrigschwelliges, jederzeit zu rreichendes Angebot, das 24 Stunden am Tag jederzeit ostenlos und barrierefrei zu erreichen ist. Die Frauen enötigen zur ersten Orientierung häufig eine Stelle, an ie sie sich jederzeit, auch anonym, wenden können. Das Hilfetelefon richtet sich aber nicht ausschließch an Betroffene, sondern ist auch ein Angebot an enschen aus dem Umfeld der betreffenden Frauen, um Beispiel Verwandte, Freunde und Kollegen oder )


(13. Ausschuss)

Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU):
Rede ID: ID1714637700

(A) )

Kinder, die miterleben müssen, wie die Mutter geschla-
gen wird, Menschen, die gewaltbetroffenen Frauen hel-
fen wollen. Auch hier bietet das Telefon Unterstützung.
Das Hilfetelefon ist für alle Menschen zugänglich, die
Frauen in ihrer Notsituation helfen wollen. Das vergrö-
ßert die Chancen, auf den gesamten Kontext der Gewalt
einwirken zu können.

Als eigenes Unterstützungsangebot ergänzt das bun-
desweite Hilfetelefon die Einrichtungen, die auf Länder-
und kommunaler Ebene agieren. Das Hilfetelefon soll
eine Erstanlaufstelle sein und dann eine Lotsenfunktion
übernehmen. Das heißt, der anrufenden Person werden
geeignete Hilfen und Unterstützungsangebote in Wohn-
ortnähe oder, wenn Distanz sinnvoller ist, in ganz
Deutschland angeboten. Es übernimmt damit eine wich-
tige Brückenfunktion in das bestehende Hilfesystem.
Damit werden auch die Beratungsstellen entlastet, weil
die Frau dann direkt bei der richtigen Stelle ankommt.
Damit wird auch die wichtige Rolle der Unterstützungs-
einrichtungen vor Ort gestärkt; es wird sichtbarer wer-
den, was diese leisten. Es ist zu erwarten, dass ein
Erfolg des Hilfetelefons auch eine Steigerung der Nach-
frage nach Unterstützungsangeboten vor Ort hervor-
bringen wird, zum Beispiel auch die Nachfrage nach
Plätzen in Frauenhäusern.

Wir hatten im Koalitionsvertrag deshalb neben der
Einrichtung der bundesweiten Hilfenummer auch einen
Bericht zur Lage der Frauenhäuser vereinbart. Das
Bundesministerium für Familie hat dazu Gutachten in
Auftrag gegeben: zum einen zu einer Bestandsaufnahme
zum bestehenden Hilfesystem und auch zum verfas-
sungsrechtlichen und sozialrechtlichen Hintergrund.
Diese Gutachten werden aller Voraussicht nach bis zum
Ende des Jahres vorliegen. Sobald die Auswertung dazu
erfolgt ist – dies soll nach meiner Information im ersten
Quartal 2012 der Fall sein –, wird die Frage nach einer
nachhaltigen Finanzierung der Frauenhäuser erneut zu
diskutieren sein. Solange es Gewalt gegen Frauen gibt,
brauchen wir Frauenhäuser. Ich hoffe, dass wir zukünf-
tig zu einer Lösung kommen können, die den Frauen-
häusern mehr Planungssicherheit gibt.

Das Thema Gewalt gegen Frauen muss in der gesell-
schaftspolitischen Debatte eine viel größere Rolle spie-
len. Mit dem bundesweiten Hilfetelefon wird ein neues
öffentliches Signal zur Bekämpfung von Gewalt gegen
Frauen gesetzt. Es ist gut, dass das Hilfetelefon mit kon-
tinuierlichen Kampagnen einer bereiten Bevölkerung
bekannt gemacht werden soll und auf diesem Weg öffent-
lichkeitswirksam zur weiteren Enttabuisierung des The-
mas Gewalt gegen Frauen in all ihren Formen beitragen
kann.

Das Hilfetelefon ist mit einem umfassenden Etat aus-
gestattet: 3,1 Millionen Euro sind für den Aufbau des
Hilfetelefons im Jahr 2012 vorgesehen. Für den Voll-
betrieb ab 2013 sind circa 6 Millionen Euro pro Jahr
veranschlagt. Dadurch soll der Bestand auf Dauer ab-
gesichert werden.

Das Hilfetelefon soll unter dem Dach des Bundesam-
tes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben
angesiedelt werden. Hier kann die vorhandene Infra-

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Zu Protokoll ge

(C (D truktur und vorhandenes qualifiziertes Personal für chnische und Verwaltungsaufgaben genutzt werden. ntscheidend für den Erfolg der Helpline ist letztlich die ualität der Beratung, das heißt die Kompetenz der Be aterinnen. Sie müssen sowohl über breite berufliche als uch menschliche Kompetenzen verfügen, um den rauen in ihrer schwierigen Situation weiterhelfen zu önnen. Es wird davon ausgegangen, dass circa 80 bis 0 Stellen für Beraterinnen, Leitung und Verwaltung des ilfetelefons benötigt werden. Alle bisher eingegangenen Stellungnahmen der Facherbände beurteilen den Gesetzentwurf durchweg posiv und signalisieren Unterstützung für die Einrichtung nd den Betrieb des Hilfetelefons. Mit der baldigen Umetzung ist ein weiterer wichtiger Meilenstein im Bemüen, Gewalt an Frauen abzubauen, erreicht. 40 Prozent der in Deutschland lebenden Frauen wer en in ihrem Leben mindestens einmal Opfer körperliher oder sexueller Gewalt. Das ist auch im europäichen Vergleich ein hoher Anteil. Dabei fällt auf, dass estimmte Frauengruppen deutlich stärker von Gewalt etroffen sind als der Durchschnitt der weiblichen Beölkerung in Deutschland. Die Opferschutzorganisation Weißer Ring“ hat ermittelt, dass Migrantinnen, Beohnerinnen von Asylbewerberheimen und Prostituierte höherem Maß der Gewalt ausgesetzt sind als Frauen, ie stärker in unsere Gesellschaft integriert sind. Das kann nicht verwundern. Diese Frauen leben in inem Milieu, in dem Gewalt nicht selten an der Tagesrdnung ist. Gerade deshalb aber müsste die Polizei ier eine größere Präsenz zeigen und stärker durchgrein. Es darf nicht sein, dass Migranten in ihrem Getto ben, in das die staatliche Gewalt nicht hineinreicht. eshalb muss den Migranten klargemacht werden, dass ie in Deutschland leben und nicht in einem Land, in em es keine Besonderheit ist, wenn Männer ihre rauen schlagen. Auch wenn die Scharia Gewalt gegen rauen in bestimmten Fällen zulässt: In Deutschland ilt das Strafgesetzbuch, und danach sind Gewalttaten it Körperverletzung strafrechtlich zu verfolgen. Die Frauen von Migranten müssen sich aber selbst uch stärker zur Wehr setzen. Sie dürfen die Gewalt, die ie erfahren müssen, nicht einfach hinnehmen. Untersuhungen der Universität Ankara habe ergeben, dass rauen türkischer Herkunft eher bereit sind, Gewalt von rem Partner hinzunehmen als deutsche Frauen. Wenn ber eine Frau sich wehrt und Strafanzeige erstattet, uss die Polizei und die Staatsanwaltschaft dieser Sa he auch nachgehen und darf sie nicht als privaten Streit btun. Hier kann das Hilfetelefon große Bedeutung erngen. Solche Frauen wenden sich nicht so schnell an rauenhäuser oder die Behörden. Sie sind aber bereit, as Telefon als ein erstes, anonymes Hilfeangebot anzuehmen. Wir reden viel von Integration. Hier ist ein Ansatzunkt: Den Männern ausländischer Herkunft muss klaremacht werden, dass Gewalt gegen Frauen ein schlimes Vergehen, ja auch ein schweres Verbrechen sein 17530 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Elisabeth Winkelmeier-Becker gebene Reden )

Norbert Geis (CSU):
Rede ID: ID1714637800

(A) )

kann, das entsprechend geahndet werden muss. Nur
wenn solche Gewalttäter erkennen, welche Folgen ihr
Verhalten hat, werden sie umdenken und sich in ihrem
Verhalten anpassen.

Das Gleiche gilt für Prostituierte und Frauen in Asyl-
bewerberheimen, die überproportional oft Gewalttätig-
keit ausgesetzt sind. Auch hier muss die Polizei mehr als
bisher eingreifen und solche Straftaten verfolgen. Die
sozialen Dienste müssen stärker auf solche Vorfälle in
diesem Milieu achten. Gerade für diese Frauen kann das
mehrsprachige Hilfetelefon eine große Hilfe sein. Denn
dort können sie in ihrer Muttersprache ihre Sorgen der
Mitarbeiterin am anderen Ende des Hilfetelefons kund-
tun und ohne Angabe von persönlichen Daten fachkun-
digen Rat erhalten. Auch kann von dort durch entspre-
chende Benachrichtigung der Behörden Unterstützung
herbeigerufen werden.

Gewalt gegen Frauen gibt es aber nicht nur in den
drei vorgenannten Gruppen. Gewalt wird mindestens im
selben Umfang auch gegen deutsche Frauen von deut-
schen Männern verübt, und dies sehr oft in der häusli-
chen Umgebung, in der eigenen Wohnung, also im pri-
vaten, intimen Bereich. In zwei Drittel dieser Fälle, so
sagt uns eine Studie aus dem Familienministerium,
kommt es zu schweren bis lebensbedrohlichen Verletzun-
gen. Opfer sind oft Schwangere, die in einer besonderen
hilflosen Situation sind, aber auch Mädchen mit Behin-
derungen, insbesondere auch geistigen Behinderungen,
die sich nicht wehren können. Die Folgen sind nicht sel-
ten schwere körperliche, aber auch schwere psychische
Schäden.

Meist kommt diese Gewalt im intimen Bereich der
Wohnung von ehemaligen oder auch aktuellen Partnern
vor. Die betroffenen Frauen sind dann nicht selten so
sehr in ihrem Innersten verletzt, so eingeschüchtert,
dass sie außerstande sind, sich selbst aus diesem Teu-
felskreis von Privatheit, Abhängigkeit und Gewalt zu be-
freien. Wegen dieser außerordentlichen Betroffenheit
sind diese Frauen auch gar nicht in der Lage, sich an die
nächstmögliche Einrichtung zu wenden, um Hilfe zu su-
chen – dies, obwohl wir in Deutschland ein dichtes Netz
von entsprechenden Einrichtungen haben. Die von Ge-
walt bedrohten Frauen wenden sich aus den verschie-
densten Gründen nicht an solche Einrichtungen. Sie
schämen sich. Sie wollen nicht, dass ihre Situation be-
kannt wird. Sie haben Angst vor ihrem Partner, er könne
davon erfahren und sie erneut schlagen und quälen und
so ihre Not nur noch vergrößern. Aus all diesen Gründen
nehmen 80 Prozent der betroffenen Frauen die angebo-
tene Hilfe nicht in Anspruch.

Von daher ist es nicht nur richtig, sondern dringend
geboten, ein niederschwelliges Angebot vorzuhalten,
das schnell erreichbar ist. Diese Aufgabe kann das ge-
plante bundesweite Hilfetelefon leisten. Dort können die
Frauen kostenlos, anonym, auch in fremder Sprache,
anrufen und so Hilfe erlangen. Entscheidend ist, dass
dieses Telefon barrierefrei, das heißt kostenlos, jederzeit
und ohne Probleme benutzt werden kann, dass die Tele-
fonnummer bekannt ist und am anderen Ende immer so-
fort abgehoben und von geschultem Personal sofort ent-

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Zu Protokoll ge

(C (D prechend beraten und nach Unterstützung gesucht ird. Bei Gefahr im Verzug kann sofort die Polizei, die euerwehr und der Krankenwagen gerufen und die Jusz verständigt werden. Immer aber muss die Anonymität er Anruferin gewahrt bleiben, und die Daten müssen ieder gelöscht werden, wenn keine Notwendigkeit zur peicherung mehr besteht. Das Hilfetelefon kann auch von den Kindern, von erwandten, Nachbarn, Kollegen und Kolleginnen, Beannten, aber auch Personen beansprucht werden, die anz zufällig von der Gewalt gegen eine Frau Kenntnis rhalten. Auch Personen, die durch ihren Beruf, seien es eraterinnen, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der im medizinischen Dienst, mit Gewalt konfrontiert erden, können das Hilfetelefon beanspruchen und sich at holen. Die Hilfe, die angeboten wird, ist breit gefähert. Das bundesweite Hilfetelefon wird nicht nur techisch, sondern vor allem auch personell hervorragend usgestattet sein. Jährlich sind für das Hilfetelefon rund Millionen Euro veranschlagt. Der Ministerin ist für ihre Initiative sehr zu danken. Entscheidend aber ist, dass sich unsere Gesellschaft urch nachbarschaftliche Hilfe und durch ein größeres ürgerschaftliches Engagement der gefährlichen Tenenz zur Gewalt widersetzt. Die Menschen, in deren ähe sich Gewalt ereignet, dürfen nicht wegschauen. ie müssen private Initiative entwickeln und sofort die olizei rufen. Der Gewalttäter muss spüren, dass er auf ine geschlossene Ablehnung in der Gesellschaft stößt, ie auch zur handfesten Gegenwehr fähig ist. Insbesondere aber muss der Staat in stärkerem Maße ie Gewalt verfolgen. Er muss wegkommen von der Vortellung, wenn der Partner die Partnerin schlägt, hanele es sich um eine Privatangelegenheit und die Staatsnwaltschaft könne ein solches Verhalten auf den rivatklageweg verweisen, weil kein öffentliches Intesse bestehe. Im Gegenteil: Durch solche Gewalttaten ird die öffentliche Ordnung ganz empfindlich verletzt. er Friede in der Gesellschaft und die Rechtsordnung erden dadurch viel stärker gefährdet als durch ein ehlverhalten im Straßenverkehr. Das öffentliche Intesse an der Strafverfolgung ist in solchen Fällen immer egeben. Staatsanwaltschaft und Gerichte müssen desalb einschreiten. Die weitverbreitete Auffassung, es andle sich bei häuslicher Gewalt um ein privates Dekt, das die Öffentlichkeit nichts angehe, ist falsch. Geade Gewalt in der intimen Sphäre der eigenen Wohnung t besonders verwerflich. Hier liegt nicht nur eine Vertzung von Art. 1 und Art. 2 GG vor, sondern auch eine erletzung des hohen Rechtsgutes der eigenen Wohnung. urch solche schweren Verfehlungen wird immer auch er öffentliche Frieden verletzt. Gewalt gegen Frauen ist nicht nur individuelles chicksal, sondern immer auch eine schwere Menschenchtsverletzung. Körperliche, seelische und sexuali ierte Gewalt sind die höchsten Gesundheitsrisiken, mit enen Frauen auf der ganzen Welt konfrontiert sind. In eutschland ist etwa jede vierte Frau im Laufe ihres LeDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17531 Norbert Geis gebene Reden )

Marlene Rupprecht (SPD):
Rede ID: ID1714637900

(A) )

bens Gewalt ausgesetzt. Täter sind häufig Partner, Ehe-
männer oder Menschen aus dem familiären Umfeld. In
besonders hohem Maße sind Frauen und Mädchen mit
Behinderungen gefährdet, Opfer von Gewalt zu werden.
Dies wurde anlässlich des Internationalen Tages gegen
Gewalt an Frauen, den wir letzte Woche begangen ha-
ben, wieder einmal deutlich gemacht.

Wir begrüßen die geplante bundesweite Einführung
des barrierefreien Frauenhilfetelefons ausdrücklich. Ich
freue mich über die Einstimmigkeit, die wir hier bei dieser
Maßnahme zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen er-
zielen. Das Frauenhilfetelefon wird unter einer bundes-
weit einheitlichen Nummer erreichbar und rund um die
Uhr besetzt sein. Die Frauen können sich darauf verlas-
sen, dass ihre Anonymität gewahrt ist, und sie können in
ihrer Muttersprache reden. Das Hilfetelefon stellt keine
Konkurrenz dar zu den bereits bestehenden Einrichtun-
gen, die wichtige und hervorragende Arbeit leisten. Viel-
mehr ist es eine Ergänzung, um noch niedrigschwelligere
Hilfe zu gewährleisten. Die Erstberatung durch das Hilfe-
telefon wird den Frauen eine erste Hilfestellung geben
und ihnen den Weg zu den jeweiligen Unterstützungsein-
richtungen vor Ort weisen helfen.

Der Schutz von Frauen vor Gewalt ist Bestandteil der
sozialen Daseinsvorsorge. Die Beratungsstellen und
Frauenhäuser vor Ort leisten eine unverzichtbare und
wertvolle Arbeit. Sie brauchen endlich eine gesicherte
Finanzierung und bundesweit einheitliche Regelungen.
Hier ist die Bundesregierung gefordert, in Zusammenar-
beit mit den Ländern Lösungen zu finden. Die zu schaf-
fenden und auszubauenden Schutz- und Unterstützungs-
einrichtungen müssen dabei auch die besondere
Situation von Frauen mit Behinderungen, wie bereits
ausgeführt, aber auch die Situation von Migrantinnen
berücksichtigen.

Das Frauenhilfetelefon ist Bestandteil der Umsetzung
europäischer Vorgaben zum Schutz von Frauen vor Ge-
walt. Hier ist viel bereits geschafft worden in Deutsch-
land. Aber es ist auch noch viel zu tun. Besonders der
Europarat – ich bin Mitglied der Parlamentarischen
Versammlung des Europarats – ist bei dem Thema
Schutz von Frauen vor Gewalt vorbildlich aktiv. Er hat
eine Konvention erarbeitet, die inzwischen von 17 Staa-
ten unterzeichnet wurde.

Es wird höchste Zeit, dass Deutschland die Konven-
tion des Europarats gegen Gewalt an Frauen ratifiziert
und umsetzt. Das Abkommen schafft einen übergreifen-
den rechtlichen Rahmen zur Bekämpfung von Gewalt
und beschreibt auch konkrete Maßnahmen.

Der Europarat hat auch eine wie ich finde sehr gute
Kampagne zum Thema Schutz von Frauen vor häusli-
cher Gewalt gestartet. Als Kontaktparlamentarierin der
Kampagne für Deutschland würde ich mich sehr freuen,
wenn wir als Abgeordnete, wenn dieses Parlament die
Kampagne aktiv unterstützen würde.

In Deutschland haben wir schon viel erreicht in Sa-
chen Schutz von Frauen vor Gewalt, sowohl was die Ge-
setzgebung angeht als auch die Arbeit von Beratungs-
einrichtungen und Frauenhäusern vor Ort. Ich danke

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Zu Protokoll ge

(C (D llen herzlich für die gute Arbeit und besonders dafür, ass wir hier parteiübergreifend zusammenarbeiten, im inne der betroffenen Frauen. Am 30. November 2011 haben alle Fraktionen im undestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und ugend geschlossen für das Hilfetelefongesetz votiert. ies ist ein gutes Signal für die Betroffenen und ein ichtiger Schritt, häusliche Gewalt und sexuelle Überriffe gegen Frauen konsequent zu bekämpfen. Mit der inrichtung des bundesweiten Hilfetelefons für von Gealt betroffene Frauen setzen wir nicht nur eine Vereinarung aus dem Koalitionsvertrag um, sondern leisten uch einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung gechlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen. Die Hotline ilft Frauen, die geschlagen und misshandelt oder verewaltigt werden, ihre Sprachlosigkeit zu überwinden. Als Familienanwältin kenne ich die Dimensionen äuslicher Gewalt mit all ihren auch langfristigen Wirungen, nicht nur auf die Frauen selbst, sondern auch uf ihre Kinder. Alle Formen von Gewalt sind mit zum eil erheblichen gesundheitlichen, psychischen und psyhosozialen Folgen verbunden. Dies verursacht erhebche Folgekosten im Gesundheitssystem, in den Sozialystemen, den Einrichtungen der Kinderund ugendhilfe und im öffentlichen Dienst. Opfer häuslicher Gewalt brauchen schnelle, unbüroratische und niedrigschwellige Hilfe, die jederzeit und hne großen Aufwand anonym genutzt werden kann. as zentrale Hilfetelefon wendet sich an gewaltbetrofne Frauen und Personen aus deren sozialem Umfeld, ie durch eine erste Beratung und eine Weitervermittng an Unterstützungseinrichtungen vor Ort Zugang um Hilfesystem erlangen. Mit dem Hilfetelefon werden sbesondere Frauen erreicht, die bisher nicht oder sehr pät in kommunalen Hilfeeinrichtungen angekommen ind. Entscheidend für Frauen in einer Gewaltsituation ist, ass sie sich an eine qualifizierte Vertrauensperson wenen können. In besonderem Maße gilt dies für Opfer von enschenhandel, Zwangsverheiratung und Genitalver tümmelung oder für Frauen, die aufgrund einer Behinerung eingeschränkt sind, aber auch für Migrantinnen, ie der deutschen Sprache nicht oder nicht hinreichend ächtig sind. Diese bestehenden Barrieren halten etroffene Gewaltopfer fast immer davon ab, sich nach ußen zu wenden. Genau dieser schwer erreichbaren Zielgruppe – nämch Frauen mit Behinderung, Migrantinnen oder auch lteren Frauen – wird der Weg ins Hilfesystem durch die arrierefreie, mehrsprachige und standortunabhängige anspruchnahme des Hilfetelefons, das rund um die hr erreichbar ist, geebnet. Untersuchungen zufolge werden circa 80 Prozent der etroffenen von den bestehenden Hilfestrukturen nicht der nicht früh genug erreicht. Sie sind entweder wenig der nicht bekannt oder nur zu begrenzten Öffnungszein erreichbar. Wir müssen nun dafür sorgen, dass das 17532 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Marlene Rupprecht gebene Reden )

Sibylle Laurischk (FDP):
Rede ID: ID1714638000

(A) )

Hilfetelefon mittels nachhaltiger Öffentlichkeitsarbeit
bundesweit bekannt wird. Es darf in Zukunft den Fall
nicht mehr geben, dass eine von Gewalt betroffene Frau
aufgrund der üblichen Öffnungs- und Telefonzeiten von
Unterstützungseinrichtungen vor Ort keine qualifizierte
Hilfe erreicht. Gewaltopfer müssen wissen, dass sie sich
jederzeit, entgeltfrei, mehrsprachig und barrierefrei an
die Hotline wenden können.

Abschließend möchte ich ein mir besonders am Her-
zen liegendes Thema ansprechen: Die Finanzierung von
Frauenhäusern. Das Hilfetelefon ist ein wichtiger erster
Schritt der Kontaktaufnahme und kann somit eine Brü-
cke zu bestehenden Hilfeangeboten bauen. Gerade des-
wegen müssen wir jetzt in besonderem Maße auch diese
Beratungs- und Hilfeeinrichtungen in den Blick nehmen.
Wir müssen, um die kommunalen Angebote zu stärken,
eine Lösung für eine nachhaltige Finanzierung von
Frauenhäusern finden, die bundesweit einheitlich gere-
gelt ist. Opfer von familiärer Gewalt brauchen sichere
Zufluchtsorte. Wir müssen dafür sorgen, dass diese
Schutzräume langfristig finanziell abgesichert werden.


Cornelia Möhring (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714638100

Die Einrichtung eines bundesweit erreichbaren, kos-

tenlosen und rund um die Uhr besetzten Hilfetelefons ist
eine richtige Maßnahme, um möglichst viele Betroffene
an die Hilfeeinrichtungen in Wohnortnähe weiterzulei-
ten. Damit kann eine Lücke im bestehenden Unterstüt-
zungssystem für von Gewalt Betroffene geschlossen wer-
den. Die bedrückende Zahl, dass 80 Prozent der von
Gewalt betroffenen Frauen bisher in keine der bestehen-
den Hilfenetze vermittelt werden können, spricht für sich
selber. Darin sind sich wohl alle hier im Hause ebenso
wie auch die Vertreterinnen der Schutz- und Hilfsein-
richtungen vor Ort einig.

Die Implementierung des Hilfetelefons muss aber von
einer Reihe von Maßnahmen begleitet werden, die in der
vorliegenden Gesetzesvorlage leider nicht vorkommen.
So sollten vor der Inbetriebnahme exakte Standards fest-
gelegt werden, die sich an denen der vorhandenen Not-
rufe orientieren. Denn wenn dieses Hilfetelefon einen
Lotsencharakter haben soll, also an die richtige Stelle
weiterleiten und zugleich für die gesamte Bandbreite der
Gewaltfälle zuständig sein soll, brauchen wir Konkreti-
sierungen und entsprechende Standards.

Das Hilfetelefon soll in folgenden Fällen weiterhel-
fen durch weiterleiten: im Falle häuslicher Gewalt, im
Falle von Gewalt außerhalb von Beziehungen, im Falle
sexualisierter Gewalt, bei Stalking, Zwangsheirat, Ge-
walt im Namen der „Ehre“, Genitalverstümmelung,
Zwangsprostitution, Gewalt an Migrantinnen, an
Frauen mit Behinderungen sowie älteren Frauen und
andere Gewaltfälle gegen Frauen. An das Hilfetelefon
sollen sich sowohl die direkt Betroffenen wenden kön-
nen, aber auch Nachbarn, Familienangehörige, Ärzte,
Lehrerinnen, alle diejenigen, die versuchen zu unterstüt-
zen und dafür Rat brauchen.

Das setzt umfangreiche Datenbanken voraus, damit
die Frauen bei den unterschiedlichen Schutz- und Hilfe-
einrichtungen vor Ort auch tatsächlich ankommen. Die

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(C (D inzustellenden Fachkräfte müssen entsprechend qualiziert sein, Angebote für unterschiedliche Behindeungsarten und mehrere Sprachen abdecken. Da reicht ine Call-Center-Erfahrung nicht aus. Sollten die Anufe den Umfang erreichen, den die Bundesregierung rognostiziert – also 700 täglich –, dann ist uns allen uch jetzt schon klar, dass das heute existierende Hilfeystem finanziell und personell besser ausgestattet weren muss. Es bietet bereits heute nicht genügend Räume, ersonal und Ausstattung, um wirklich allen zu helfen. elden sich mehr, braucht es auch mehr Angebote. Das t eine einfache Rechnung. Ein weiterer Punkt muss in der Umsetzung noch achgebessert werden: die geplanten Sprachangebote. ier will die Bundesregierung der europäischen Richtliie folgen und lediglich Übersetzungen für Englisch, ürkisch und Russisch anbieten. Aber dieses Angebot reift zu kurz. Ich habe eingangs auf die Vielzahl der Gealtformen verwiesen, für die die Notrufnummer zustänig sein soll. Dazu gehört auch Zwangsprostitution, die in besorgniserregendes Ausmaß angenommen hat. In er Bundesrepublik haben wir es mit einer Welle von wangsprostituierten Roma aus Rumänien, Bulgarien nd anderen mittelund osteuropäischen Ländern zu n. Für sie brauchen wir ebenso dringend das Hilfetefon. Ihre Sprachen müssen im Angebot enthalten sein. Auch die Vertreterinnen von Frauen mit Behinderung ußern sich kritisch zum bisherigen Notrufkonzept der undesregierung. Weil für die Umsetzung immer noch nklar ist, ob wirklich alle Frauen mit Behinderungen as Nothilfetelefon auch nutzen können. Dies würde ämlich erfordern, dass für jede Behinderungsart eine däquate Nutzungsmöglichkeit bereitgestellt werden üsste. Es reicht eben nicht, gehörlosen Frauen mitzuilen, sie könnten ja ein Faxgerät benutzen. Es geht außerdem um die Befähigung der Ansprechartner und Ansprechpartnerinnen am Telefon, auf verchiedene Behinderungsarten auch angemessen zu agieren. Einen Schwerpunkt bildet die „einfache prache“ – die Fähigkeit, komplexe Inhalte in einfache prachformen für Menschen mit Lernschwierigkeiten zu übersetzen“. Frauen mit solcher Behinderung sind ähnlich wie gehörlose Frauen – in besonders hohem asse von Gewalt betroffen. Meine Gespräche mit Vertreterinnen der Hilfesysteme aben die Forderungen nach einer begleitenden Evalurung unter Beteiligung der bestehenden Hilfenetze, nter anderem Frauenhäuser, Beratungsstellen, Hilfetefone, bestätigt. Nach einer Anlaufzeit des bundeswein Hilfetelefons, aber nicht später als ein Jahr nach em Start, sollte ein erneuter Bericht der Bundesregieung über die Lage der Schutzund Hilfeeinrichtungen orgelegt werden. Die Einrichtungen vor Ort müssen on Anfang an in die Überlegungen zur Umsetzung des ilfetelefons einbezogen werden. Denn noch einmal: ieses Hilfetelefon wird einen Lotsencharakter haben. ie eigentliche Hilfe muss vor Ort geleistet werden und esichert sein. Innerhalb der EU gibt es die Forderung, dass eine inrnational besetzte, unabhängige Expertengruppe die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17533 Sibylle Laurischk gebene Reden )


(A) )

Umsetzung der Hilfetelefone auf der nationalen Ebene
überwachen soll. Dieser Forderung schließt sich die
Linke an. Nach all dem Gesagten wird deutlich, dass die
im Gesetz vorgesehene Evaluierung des Hilfetelefons
nach fünf Jahren völlig an der Realität vorbei geht. Be-
reits in der Einführungsphase ist eine wissenschaftliche
Begleitung notwendig, damit rechtzeitig Schwachstellen
erkannt und beseitigt werden können. Die Evaluierung
muss sich auf das gesamte Hilfesystem erstrecken und
sollte nicht nur das zentrale Hilfetelefon abdecken.

Die Bundesregierung muss also trotz der im Gesetz-
entwurf erkennbaren guten Absicht noch deutlich nach-
arbeiten. Damit sollte sie schnell beginnen, damit die
dringend nötige Hilfe dann 2013 auch in vollem Umfang
geleistet werden kann.


Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1714638200

Jedes Jahr fliehen in Deutschland etwa 40 000

Frauen und Kinder vor häuslicher Gewalt in eines der
etwa 360 Frauenhäuser. Jede vierte in Deutschland le-
bende Frau hat körperliche oder sexuelle Gewalt durch
aktuelle oder frühere Partner erlebt. 60 Prozent der Be-
troffenen leben mit Kindern zusammen. Häusliche Ge-
walt ist die häufigste Ursache für Verletzungen bei
Frauen, häufiger als Verkehrsunfälle, Überfälle und
Vergewaltigungen zusammen. Diese Zahlen machen
deutlich: Gewalt gegen Frauen ist kein individuelles,
sondern ein gesellschaftliches Problem.

Gewaltfreiheit gehört zu den zentralen Grundwerten
des menschlichen Zusammenlebens. Die Ausübung von
Gewalt verletzt Menschen in ihren verfassungsmäßig
verbürgten Grundrechten und beschränkt sie in ihrer
Entfaltung und Lebensgestaltung. Es ist Aufgabe des
Staates, Gewalt gegen Frauen auch im sozialen Nah-
raum zu verhindern, ihr vorzubeugen und für Schutz und
Hilfe für die Opfer zu sorgen. Wir sind uns einig: Die
Einrichtung des Hilfetelefons ist richtig.

Ich möchte an dieser Stelle jedoch noch einmal da-
rauf hinweisen, dass eine gute Umsetzung nur in Zusam-
menarbeit mit den Fachfrauen aus den bereits bestehen-
den Notrufen und Beratungsstellen gelingen kann. Die
Besetzung des Beirats muss nun zügig angegangen wer-
den, damit die Fachfrauen die Umsetzung des Gesetzes
aktiv mitgestalten können. Es muss abgesprochen wer-
den, wie das Hilfetelefon qualitativ ausgestaltet werden
muss, welche Aspekte die Evaluation beinhalten soll und
wie das Ziel erreicht wird, das Telefon bundesweit be-
kannt zu machen.

Ich finde es richtig, dass der Bund im Sinne der öf-
fentlichen Fürsorge die Kosten der Einrichtung des Hil-
fetelefons übernimmt. Der Bund ist zuständig und darf
die Länder damit nicht alleine lassen. Unklar bleibt bis-
her jedoch, wer die Folgekosten trägt.

Die Schutzräume und Beratungsstellen sind von zen-
traler Bedeutung für den nachhaltigen Erfolg des neuen
Angebots des Hilfetelefons. Die Kommunikation mit den
Ländern muss deutlich verbessert werden, damit es nicht
zu Kürzungen bei den Hilfeeinrichtungen vor Ort
kommt. Lokale Strukturen müssen erhalten bleiben, da

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Zu Protokoll ge

(C (D er Hilfebedarf bei erfolgreicher Umsetzung des Hilfelefonangebots steigen wird. Denn das Bundesangebot t auf eine Erstberatung ausgerichtet, es vermittelt an ie lokalen Angebote. Damit sich die Situation nachhalg verbessern kann, müssen Länder und Kommunen die ittel aufstocken, anstatt etwa mit Verweis auf das vom und geschaffene Angebot Einsparungen vorzunehmen. Der Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt darf icht von Fragen der Finanzierung abhängen. Noch imer sind die Frauenhäuser nicht durchgehend finanziell bgesichert. Das trägt dazu bei, dass Opfern häuslicher ewalt nicht immer und überall ein unmittelbarer und eier Zugang zu einem Frauenhaus gewährleistet weren kann. In schwierigen Haushaltszeiten wird an freiwilligen uschüssen gespart. Dort, wo der Aufenthalt über Taessätze finanziert wird, haben manche Frauen mangels nspruch auf soziale Leistungen nach dem Zweiten Soialgesetzbuch, SGB II, nur unter großem bürokratichem Aufwand Zugang zu einem Frauenhaus. Dies beifft volljährige Schülerinnen, Studentinnen und uszubildende, wenn sie den Tagessatz nicht selbst aufringen können. Auch Migrantinnen mit einer räumlihen Beschränkung müssen viele Barrieren überwinden, m aus einer gewaltvollen Partnerschaft zu flüchten. Die aktuell von der Universität Bielefeld vorgelegte tudie zur Lebenssituation und zu Belastungen von rauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen acht deutlich, dass diese Gruppe von Frauen bislang nzureichend vor Gewalt geschützt wird. Insbesondere rauen, die in Einrichtungen leben, haben es schwer, us Gewaltsituationen zu entkommen. Es bedarf Maßahmen zur Stärkung des Selbstvertrauens, eines repektvollen Umgangs mit beeinträchtigten Frauen durch ersonen in Ämtern und Hilfeeinrichtungen sowie barrirefreier Unterstützungsangebote. Auch die Mitarbeiteinnen des Hilfetelefons müssen für die besonderen Bearfe von Frauen mit Behinderungen geschult werden. ine Erreichbarkeit zu jeder Zeit muss sichergestellt erden, da ein nicht durchgegangener Anruf dazu fühn kann, dass die Frauen keinen zweiten Anlauf nehmen der nehmen können. Wir sind dazu verpflichtet, uns dafür einzusetzen, ass Frauen, die von Gewalt betroffen sind, unmittelare und unbürokratische Hilfen erhalten. Sie dürfen icht von Amt zu Amt geschickt werden, um ihren Leisngsanspruch überprüfen zu lassen. Die Tagessatzfi anzierung ist daher grundsätzlich der falsche Weg der inanzierung für die Frauenhäuser und Schutzeinrichngen. Wir brauchen ein gemeinsames Konzept von Bund, ändern und Kommunen, um bundesweit eine qualitativ ochwertige, bedarfsgerechte Infrastruktur an Hilfeaneboten, zu der alle von häuslicher Gewalt betroffenen rauen freien Zugang haben, sicherzustellen. Dieser ppell richtet sich vor allem an die Regierung. Die Oposition ist seit langem bereit, über eine strukturelle Noellierung der Finanzierung der Frauenhäuser zu sprehen. 17534 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Cornelia Möhring gebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17535 Monika Lazar )


(A) )

Legen Sie den lang angekündigten Bericht zur Lage
der Frauenhäuser vor! Dann können wir gemeinsam ein
Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen
angehen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714638300

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für

Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt in sei-
ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/8008, den
Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache
17/7238 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Ge-
setzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. –
Das sind alle Fraktionen dieses Hauses. Wer stimmt da-
gegen? – Niemand. Enthaltungen? – Niemand. Der Ge-
setzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Das sind alle Mitglieder des Hauses. Wer stimmt dage-
gen? – Niemand. Stimmenthaltungen? – Niemand. Da-
mit ist der Gesetzentwurf angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 32 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang
Börnsen (Bönstrup), Peter Altmaier, Dorothee
Bär, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Claudia
Winterstein, Burkhardt Müller-Sönksen, Gabriele
Molitor, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP

Barrierefreies Filmangebot umfassend auswei-
ten – Mehr Angebote für Hör- und Sehbehin-
derte

– Drucksache 17/7709 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Haushaltsausschuss

Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
Reden zu Protokoll gegeben. Die Namen der Kollegin-
nen und Kollegen liegen dem Präsidium vor.


Wolfgang Börnsen (CDU):
Rede ID: ID1714638400

Kunst und Kultur sind unsere geistige Nahrung. Sie

erweitern den Horizont jedes Einzelnen und tragen zur
Identitätsbildung unserer Bürgerinnen und Bürger und
Gesellschaft bei. Sie bereichern uns mit Lebensmut und
Lebensfreude. Ohne den Zugang zu Kunst und Kultur
wäre das Leben für uns alle ärmer.

Diese Wirkungen gelten ebenso für Menschen mit Be-
hinderungen. In Deutschland leben etwa 9,6 Millionen
Menschen mit einer Behinderung, also mehr als
11,7 Prozent der Bürgerinnen und Bürger. Darunter be-
finden sich circa 1,2 Millionen blinde und sehbehinderte
Menschen sowie weitere Millionen gehörlose, schwer-
hörige und ertaubte Menschen.

Aus Art. 30 der UN-Behindertenrechtskonvention er-
gibt sich für uns – und es sollte selbstverständlich sein:

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(C (D uch Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf ugang zum Angebot an Kunst und Kultur in unserem and, ohne Abstriche! Inklusion bedeutet für uns, dass unst und Kultur sich für Menschen mit Behinderungen hne Hindernisse erschließen lassen sollen. Das chließt den Kinofilm ein. Wir als christlich-liberale Koalition wollen mit unser Initiative, dass Teilhabe behinderter Menschen auch ei Film, Kino und den audiovisuellen Medien nicht nur heorie bleibt, sondern Wirklichkeit wird. Die Behindertenbeauftragte meiner Fraktion, Maria ichalk, hat den Film und das Fernsehen als notwendi en Bestandteil der barrierefreien Organisation unserer esellschaft bezeichnet: „Barrierefreiheit bezieht sich icht nur auf bauliche Vorhaben, sondern auch auf barierefreie Kommunikation, auf ein barrierefreies Filmnd Fernsehangebot sowie ein barrierefreies Internet.“ Für blinde und sehbehinderte Menschen bietet sich ls Instrument der Barrierefreiheit von Kinofilmen die udiodeskription an, für hörbehinderte Menschen die ntertitelung. Die Audiodeskription eines 90-Minuten-Films kostet irca 5 000 Euro. Die durchschnittlichen Untertitengskosten betragen bei einem entsprechenden Film irca 1 000 Euro. Gemessen an den Produktionsbudgets ieler Kinofilme sind dies sehr kleine Summen. Der eutsche Bundestag und die Bundesregierung haben die otwendigkeit der barrierefreien Ausstattung bereits in er Vergangenheit erkannt. Die fünfte Novelle des Filmförderungsgesetzes, FFG, on 2009 sieht Förderungshilfen für Filme mit deutscher udiodeskription und mit deutschen Untertiteln vor, so aben wir es von der Union gewollt. Dadurch sollte ein nreiz für das barrierefreie Abspielen für Sehund Hörehinderte geschaffen werden – § 15 Abs. 1 Nr. 6 lit. h. FG. Die Herstellung einer Endfassung mit einer deutchen Audiodeskription und einer Untertitelung kann als ines von drei notwendigen Kriterien herangezogen erden, die für den kulturellen Eigenschaftstest erfüllt ein müssen. Nach Aussage der Filmförderungsanstalt, FFA, gibt s zu dieser Fördermaßnahme noch keine aussagekräftien Zahlen und keine Nachweise funktionierender Umetzung. Was bisher ermittelt wurde, gleicht mehr einem ullzustand. Der Deutsche Blindenund Sehbehindertenverband tellt hierzu fest: „Die Produzenten von Audiodeskriptioen ... können bisher keinen Auftrag für eine Hörfilmprouktion auf die Novellierung des Filmförderungsgesetes zurückführen, das heißt, dass eine Audiodeskription r einen Film produziert wurde aufgrund der Nennung es Kriteriums 6h beim Filmförderantrag. ... Aus unser Sicht haben die allgemeinen Förderungskriterien des FG keine positive Auswirkung auf eine erhöhte Prouktion von Audiodeskriptionen.“ Über diese Neuerung in der letzten FFG-Novelle hiaus gibt es Fördermöglichkeiten für praktisch alle lieder der Produktionsund Verwertungskette von Fil )


(A) )

men: die Verleihförderung und die Förderung des Video-/
DVD-Bereichs sowie für die Filmtheater.

Was nützt ein barrierefrei ausgestatteter Film, wenn
in den Kinosälen die Kopfhörer für die Übermittlung der
Audiodeskription fehlen?

Zwar hat für Hör- und Sehgeschädigte das Ansehen
von Kinofilmen per DVD oder Video eine besondere Be-
deutung, trotzdem sollen auch sie nach unserer Auffas-
sung am Gemeinschaftserlebnis Kino teilhaben können.

Die Resonanz auf alle diese Förderangebote ist je-
doch verschwindend gering. Es besteht Handlungsbe-
darf. Offensichtlich spielen die Kosten eine entschei-
dende Rolle.

Möglicherweise muss bei allen Akteuren ein entspre-
chendes Problem- und Bedarfsbewusstsein verbessert
werden. Der Film muss sich stärker öffnen für die Hör-
und Sehgeschädigten. Im Präsidium der Filmförde-
rungsanstalt haben wir mehrfach auf diese Problematik
hingewiesen und wiederholt für den Ausbau der barrie-
refreien Angebote plädiert.

Inzwischen haben wir erste positive Resonanzen da-
rauf erhalten.

Wir begrüßen, dass die Allianz Deutscher Produzen-
ten – Film & Fernsehen in einem Rundschreiben bei ih-
ren Mitgliedern dafür geworben hat, dass möglichst
viele Filme entsprechend ausgerüstet werden. Dies lässt
vorsichtig hoffen, dass die Filmwirtschaft nicht nur die
Berechtigung dieses Anliegens von Millionen Hör- oder
Sehgeschädigter im Land anerkennt, sondern dass sie
auch den Nutzen für sich selbst erkannt hat: Sie kann mit
ihren Produktionen deutlich mehr Zuschauer und Zuhö-
rer erreichen. Weitere erste Ansätze gibt es erfreulicher-
weise schon, unter anderem durch die Berlinale, die re-
gelmäßig Wettbewerbsfilme mit Audiodeskription zeigt,
und durch den Deutschen Hörfilmpreis. Beispielgebend
ist der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung: Er
kooperiert seit 2007 mit der Deutschen Hörfilm gGmbH
und bietet hierbei regelmäßig Hörfilme im Kleisthaus in
Berlin an.

Auch die Rundfunkanstalten, vor allem die öffentlich-
rechtlichen, sehen wir in der Pflicht. Die Haushalts- und
Betriebsstättenabgabe, die ab dem Jahr 2013 eingeführt
werden soll, werden auch hör- und sehbehinderte Men-
schen zahlen müssen. Also haben sie auch Anspruch da-
rauf, die öffentlich-rechtlichen Sendungen und Fernseh-
filme rezipieren zu können.

Großbritannien erweist sich hier als vorbildlich. Die
britischen Sender haben sich auf eine Hörfilmquote von
20 Prozent verpflichtet. Wir appellieren an die Bundes-
länder, zusammen mit den Rundfunkanstalten ähnliche
Zielmarken ins Auge zu fassen.

Wir erkennen an, dass es auch hier erste Bewegung
gibt. Die Ankündigung der ARD vom September dieses
Jahres, wonach bis 2013 alle Erstsendungen mit Unter-
titeln versehen werden sollen, werden wir auf ihre Re-
alisierung hin überprüfen.

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(C (D Im Rahmen der bevorstehenden Novellierung des ilmförderungsgesetzes müssen wir ein besonderes Auenmerk auf den barrierefreien Film legen. Es ist zu begrüßen, dass die Bundesregierung im Naonalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindernrechtskonvention bereits eine Prüfung angekündigt at, ob die Erleichterung der Förderbedingungen für arrierefreie Filme zu einer Steigerung des Angebots gehrt hat. Sollte sich in der Tat keine Ausweitung des arrierefreien Angebots zeigen, sind im Gesetzentwurf r die nächste FFG-Novelle entsprechende Konsequen en zu ziehen. Wir haben in unserem Antrag verschiedene Handngsoptionen aufgezeigt. So sollte geprüft werden, ob inos für Investitionen in die barrierefreie Ausstattung rer Säle Ermäßigungen ihrer Abgabe an die Filmför erungsanstalt erhalten können. Außerdem könnten gerderte Filmproduktionen ab einer bestimmten Förder öhe zur barrierefreien Ausstattung des Films erpflichtet werden. Ziel sollte es sein, eine Regelung zu nden, die den Bedürfnissen von sehund hörbehindern Kinobesuchern besser gerecht wird. Darüber hinausgehende Perspektiven zeigt der Beindertenbeauftragte der Bundesregierung Hubert üppe auf: „Neben mehr Hörfilmen im Fernsehen und Kino muss auch das Angebot an Filmen und Sendun en in leichter Sprache und mit Untertitelungen ausgeaut werden. Außerdem sind Angebote in Gebärdenprache immer noch äußerst rar. Wer wirksame Teilhabe Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention will, ann den derzeitigen Zustand nicht einfach akzeptien“. Der Deutsche Blindenund Sehbehindertenverband at im Oktober 2011 unter seiner Präsidentin Renate eymann eine Resolution „Mehr Barrierefreiheit in ilm und Fernsehen“ verabschiedet. Ihre anerkennenserten Vorschläge werden in unsere weiteren Beratunen mit einfließen. Wir betreten mit unserer nationalen Initiative Neund. Denn wir haben eine Rechercheumfrage in einer ielzahl europäischer Staaten unternommen: Diese Umage ergab, dass kein europäisches Land bei der Norm etzung zur barrierefreien Ausstattung von Kinofilmen eiter vorangeschritten ist als Deutschland. Auch die Europäische Union ist über unverbindliche mpfehlungen der EU-Kommission bislang nicht hiausgegangen. Kein akzeptabler Zustand! Mit dem vorliegenden Antrag verfolgen wir das Ziel, lle Beteiligten stärker für die Notwendigkeit der barriefreien Ausstattung von Filmen zu sensibilisieren. Die ilmbranche ist aufgerufen, dem Geist der 2009 in das FG aufgenommenen Förderhilfen stärker gerecht zu erden, den Briefen Taten folgen zu lassen. Der vorliegende Antrag ist auch eine Einladung an ie anderen Fraktionen, dieser Initiative beizutreten, enn warum sollten wir nicht gemeinsam für mehr Parzipation sorgen! 17536 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Wolfgang Börnsen gebene Reden )


(A) )


Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1714638500

„Deutschland wird inklusiv“ – so heißt die Dachkam-

pagne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskon-
vention der Bundesregierung. Das Schwerpunktthema in
diesem Jahr ist Arbeit und Barrierefreiheit.

Die Kampagne macht mit sehr eindrücklichen Bil-
dern zum Beispiel von unerreichbaren Geldautomaten
darauf aufmerksam, dass man „einfach alles erreich-
bar“ machen kann. Alle, die keinerlei Behinderungen
haben, vergessen sehr leicht, wie beschwerlich der Weg
durch eine Stadt mit einem Rollstuhl sein kann. Erst
wenn man Eltern wird, wird man ansatzweise daran er-
innert, steht man mit Kinderwagen und vollen Einkaufs-
taschen vor einer endlosen Treppe.

Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie ich in einer
alltäglichen Situation daran erinnert wurde, wie es ist,
einen wunderbaren Film nicht sehen zu können. Ich be-
gann den Oscar-nominierten Film von Caroline Link
„Jenseits der Stille“ zu Hause an meinem Fernseher an-
zusehen. Die Einstellungen waren aus irgendwelchen
Gründen automatisch so, dass die Audiodeskription ein-
geschaltet war. Im ersten Moment dachte ich, es gehöre
zu dem Film dazu, die Beschreibung der mündlichen
Szenerie war einfach wunderschön und sehr exakt. Nach
einer Weile schaltete ich dann die Audiodeskription aus,
aber ich musste noch oft daran denken, welch einmalige
Filmerlebnisse sehbehinderte Menschen mit anderen
Menschen auch im Kino würden teilen können, gäbe es
nur regelmäßig das Angebot dazu.

Die Digitalisierung der Kinos bietet dazu derzeit eine
einmalige Chance. Ich danke dem BKM, der Filmwirt-
schaft, der FFA, dem Bund und den Ländern ausdrück-
lich für das gemeinsame Förderprogramm zur Digi-
talisierung der Kinos und bitte darum, dass die
Förderungsrichtlinien der Filmförderungsgesellschaf-
ten in dieser Hinsicht um verpflichtende Richtlinien zur

(in Form von Audiodeskription und Untertiteln)

sen, dass hierfür im Jahr 2010, dieses Jahr und auch
2012 jeweils vier Millionen Euro bereitgestellt werden.

Dabei kann auch die technische Voraussetzung für
die Filmvorführungen mit Audiodeskription in Kinos ge-
schaffen werden. Durch diese simple technische Voraus-
setzung (Kopfhörer) und natürlich durch ein großes Film-
angebot mit Audiodeskription würden wir vielen sehbe-
hinderten Menschen ein „inklusives“ Filmerlebnis er-
möglichen. Das ist natürlich nur ein Teil des barriere-
freien Filmangebots. Angebote mit Gebärdensprache
sowie mit deutschen Untertiteln und in einfacher Spra-
che müssen ebenso ausgebaut werden.

Hier sind besonders die öffentlich-rechtlichen Sender
gefordert und kommen dem auch bereits teilweise nach.
Auch durch den einfachen Schritt der Überarbeitung der
Brandschutzverordnungen können wir Rollstuhlfahrern
auch in Gruppen den barrierefreien Kinogenuss ermög-
lichen.

Unser gemeinsames Ziel muss es schlichtweg sein,
mehr Bewusstsein für die Problematik zu schaffen. Der
Zeitpunkt ist durch die Digitalisierung der Kinos und

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(C (D urch die Umstellung auf die Haushaltsund Betriebstättenabgabe günstig. Ich würde mich daher sehr euen, wenn das Haus gemeinsam für unseren Antrag timmen würde, damit Deutschland ein „inklusives“ and wird, das viele gemeinsame (Kino-)Erlebnisse eröglicht. Filme sind ein zentraler Bestandteil unseres kulturel n Lebens. Sie sind Gesprächsstoff am Arbeitsplatz, in er Familie und im Freundeskreis. Mitreden können ber Filme, das wollen auch Menschen, die sinnesbehinert sind. Und dabei handelt es sich nicht um eine kleine inderheit. Bei uns in Deutschland sind circa 1,2 Millionen Menchen sehbehindert oder blind sowie ebenso viele chwerhörig oder gehörlos. Und sie wollen beim Film uch mitfiebern, mitleiden und mitlieben können. Hörlme machen das möglich und Filme mit Untertitelung uch. Aber davon gibt es leider immer noch viel zu weige. Gerade bei den aktuellen Produktionen ist dieser angel zu beklagen. Dieser Situation widerspricht Art. 30 der UN-Behinertenrechtskonvention, die klipp und klar „die volle nd wirksame Teilhabe am kulturellen Leben“ fordert. eute Vormittag haben wir hier bereits über die Forde ung der SPD nach Umsetzung der UN-Konvention in llen Lebensbereichen beraten. Es gibt einige wunderbare Initiativen, wie den allhrlichen Hörfilmpreis, vergeben vom Deutschen Blin enund Sehbehindertenverband. Hier bin ich regelmäig dabei und kann erfahren, mit welcher Begeisterung ie barrierefreien Filmpräsentationen aufgenommen erden. Oder es gibt den LUX-Filmpreis des Europäi chen Parlamentes. Damit ist die Finanzierung der Ertellung einer Fassung für hörund sehbehinderte Menchen verbunden. Jedem Mitgliedsland wird eine ntsprechende Kopie bereitgestellt und die Verbreitung uf DVD gefördert. Der prämierte Film geht anschlieend auf Tournee durch die Mitgliedsländer. Preisträger ar im vergangenen Jahr die herausragende deutsche roduktion „Die Fremde“, die auch den Deutschen ilmpreis bekommen hat. Dieser Film wurde im Sommer Berlin in bearbeiteter Fassung präsentiert. Solche Initiativen sind schon deshalb wichtig, weil sie as Problembewusstsein schärfen und auf den drängenen Handlungsbedarf hinweisen. Als wir vor drei Jahren as Filmförderungsgesetz novelliert haben, haben wir ei der Produktionsförderung im § 15 FFG gemeinsam eschlossen, dass wenigstens eine Endfassung eines gerderten Films in einer Version mit deutscher Audio eskription für Sehbehinderte und mit deutschen Unterteln für Hörgeschädigte hergestellt wird. Allerdings ar dies eine von acht Bedingungen, von denen drei erllt sein müssen, damit Fördergelder fließen. In der raxis haben die Produzenten dann eher andere Vorausetzungen gewählt. Ich hatte da, ehrlich gesagt, auch ein enig darauf gesetzt, dass in der Filmbranche an dieser telle auch ein Stück gesellschaftspolitische VerantworDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17537 gebene Reden )

Angelika Krüger-Leißner (SPD):
Rede ID: ID1714638600

(A) )

tung zugunsten von barrierefreien Filmfassungen wahr-
genommen wird. Bin aber leider enttäuscht worden.

Ich selbst habe mich an den Vorstand der Filmförde-
rungsanstalt gewandt, um zu erfahren, für wie viele
geförderte Filme eine Endfassung mit einer deutschen
Audiodeskription und einer Untertitelung hergestellt
worden sind. Auch wenn es dazu noch keine aussage-
kräftigen Zahlen gibt, deutet doch alles darauf hin, dass
sich kaum ein Produzent für die Bedingung der Erstel-
lung einer barrierefreien Filmfassung entschieden hat.

Hier müssen wir nachlegen. Die Förderbedingung ist
ganz offensichtlich zu weich formuliert. Die SPD-Bun-
destagsfraktion fordert eine klare Regelung, die nicht
mehr zu umgehen ist. Wir werden auch die Länderförde-
rer auffordern, ähnlich zu verfahren. Auch die Förder-
möglichkeiten für Untertitelung und Audiodeskription in
der Verleih- und Videoförderung haben bisher keine
wirkliche Verbesserung der Situation gebracht, weil ein-
fach viel zu wenig Gebrauch gemacht wird davon. Das
Gleiche gilt für Förderung von Modernisierungsmaß-
nahmen im Rahmen der Kinoförderung nach dem FFG.
Danach kann theoretisch der Umbau von Kinos zum
Einbau von Induktionsschleifen für den Einsatz von
Kopfhörern für hörgeschädigte Menschen gefördert
werden. Auch diese Fördermöglichkeit wird kaum ge-
nutzt. Auch hier müssen wir Anreize schaffen, damit
wirklich etwas passiert.

Wenn bisher immer das Kostenargument als größtes
Hindernis vorgebracht wurde, dann eröffnen sich mit
der Digitalisierung doch jetzt ganz neue Möglichkeiten.
Demnächst wird es in der Regel nur noch digitale End-
fassungen von Filmen geben. Mit der digitalen Filmdis-
tribution und digitalen Filmvorführung müssen nicht
mehr aufwendig einzelne barrierefreie Kopien gefertigt
werden, sondern jeder Film kann kostengünstig digital
sowohl mit Audiodeskription als auch Untertitelung ver-
sehen werden. Dieses Angebot kann dann nach Belieben
aktiviert werden. Deshalb fordern wir, dass sich diese
neuen Möglichkeiten auch in den verschiedenen Förder-
richtlinien niederschlagen.

Das neue Filmförderungsgesetz wird ab 2014 in Kraft
treten. Wir bereiten es jetzt vor, aber das dauert. Wir
sollten jetzt prüfen, ob wir nicht schon vorher Über-
gangsregelungen – etwa über untergesetzliche Richt-
linienänderungen – finden können. Ich bin dafür!

Die SPD-Bundestagsfraktion erarbeitet derzeit einen
Antrag, mit dem wir den Handlungsbedarf für den ge-
samten Kultur- und Medienbereich aufzeigen, der sich
aus der UN-Konvention über die Rechte von Menschen
mit Behinderungen ergibt. Darin fordern wir konkrete
Maßnahmen, die einen gleichberechtigten Zugang von
Menschen mit Behinderung zu Kultur, Information und
Kommunikation sicherstellen. Auch unsere Forderungen
zum Filmbereich finden sich hier. Ganz wichtig: Die
nötigen Anpassung gehen über das Filmförderungs-
gesetz hinaus. Denn die Anreize für barrierefreie Filme
müssen sich im gesamten Filmförderungssystem nieder-
schlagen. Auf die Länderförderer bin ich schon einge-
gangen. Auf Bundesebene müssen auch für den Deut-
schen Filmförderfonds die entsprechende Richtlinien

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Zu Protokoll ge

(C (D erbindlich werden. Ebenso muss das in der kulturellen ilmförderung in der Zuständigkeit des Kulturstaatsinisters umgesetzt werden. Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen leibt da viel zu zögerlich. Die Analyse ist zwar richtig, ber die angemessenen Schlussfolgerungen werden icht gezogen. Wenn wir hier wirklich etwas ändern ollen, dann brauchen wir nur zu handeln. Der Koalionsantrag beschränkt sich nur auf das Filmfördeungsgesetz. Wir müssen aber alle Förderungsinstruente in den Blick nehmen. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns in den anschlieenden Ausschussberatungen hier einander annähern. enn im Ziel sind wir uns doch einig: Wir wollen mehr ilme mit Audiodeskription und Untertitelung. Ich wünche mir, dass wir im Interesse unserer sehbehinderten nd hörgeschädigten Mitbürger zu einer gemeinsamen eschlussempfehlung kommen können. Die SPD-Bunestagsfraktion ist dazu bereit. Wir alle sehen gerne Filme. Einige gehen gerne ins ino, andere wiederum genießen Filme zu Hause auf lu-ray, DVD oder im Fernsehen. Circa 1,2 Millionen blinde und sehbehinderte Menchen sowie weitere Millionen gehörlose, schwerhörige nd ertaubte Menschen in Deutschland können das Filerlebnis nur eingeschränkt erleben, da das Angebot on barrierefreien Filmen in Deutschland bisher leider ehr gering ist. Aus Art. 30 der UN-Behindertenrechtsonvention ergibt sich, dass Kunst und Kultur sich ohne bstriche auch für Menschen mit Behinderungen erchließen lassen müssen. Das schließt den Film mit ein. Die technischen Errungenschaften vereinfachen es, ilme teilhabegerecht zu gestalten. Insbesondere die Diitalisierung der Kinos kann dazu beitragen, die Rahenbedingungen für den barrierefreien Film zu verbes ern. Durch den Einsatz von Audiodeskription und ntertitelung können auch Menschen mit Sehund Hörehinderungen am Erlebnis Film teilhaben. Die Audiodeskription ist eine akustische Bildbechreibung, mit deren Hilfe Blinden und sehbehinderten enschen eine verbesserte Wahrnehmung ermöglicht ird. In kurzen Worten werden handlungstragende, visulle Elemente wie Szenerie, Gestik und Mimik beschrieen. Der Text wird sprachlich genau fixiert und in den ialogpausen eingesprochen. Die Untertitelung für ehörgeschädigte beschreibt zusätzlich zu den sprachli hen Inhalten auch Umgebungsgeräusche im Bild. Zuem können durch die Einfärbung der Untertitel die exte den jeweiligen Hauptcharakteren zugeordnet weren. Diese Hilfsmittel können eingesetzt werden, ohne ass die übrigen Kinobesucher davon etwas mitbekomen. Durch eine Kinobrille, welche die Untertitelung es Filmes nur dem Brillenträger anzeigt, oder durch ie Benutzung eines Kopfhörers, der die Audiodeskripon einzig dem Hörer vermittelt, kann auf Sondervortellungen im Kino verzichtet werden. 17538 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 Angelika Krüger-Leißner gebene Reden )

Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1714638700

(A) )

Handlungsbedarf haben der Deutsche Bundestag und
die Bundesregierung bereits in der Vergangenheit gese-
hen. So existiert bereits eine Reihe von Fördermöglich-
keiten für barrierefrei produzierte Filme: Das FFG sieht
Förderungsmöglichkeiten für programmfüllende Filme
mit deutscher Audiodeskription und mit deutschen Un-
tertiteln für Menschen mit Hörbehinderungen vor.
Ebenso sind die Kosten für die Herstellung von ausführ-
licher Untertitelung oder von Audiodeskription sowohl
im Rahmen der Verleihförderung als auch im Rahmen
der Videoförderung nach dem FFG anerkennungsfähig.
Dennoch ist die Anzahl der bisher produzierten barrie-
refreien Filme sehr gering. Auch die Förderungsmittel,
welche für die barrierefreie Ausstattung von Kinosälen
für Hör- und Sehbehinderte gewährt werden können,
sind wenig beantragt worden.

Die gemeinsame Aufgabe liegt nun darin, den barrie-
refreien Film weiterzuverbreiten und ihn aus seiner
Nische hervorzuholen. Einige Institutionen haben die
Bedeutung und das Potenzial bereits erkannt. Die Berli-
nale hat seit 1999 jährlich mindestens zwei Filme, da-
runter auch Wettbewerbsfilme, mit Audiodeskription ge-
zeigt. Insbesondere der Deutsche Hörfilmpreis erbringt
in dieser Hinsicht einen wichtigen Beitrag. Die Deut-
sche Hörfilm gGmbH leistet im Bereich des barriere-
freien Films sehr konstruktive Arbeit.

Mit dem vorliegenden Antrag der christlich-liberalen
Koalition soll bei allen relevanten Akteuren der Film-
branche das schon vorhandene Problem- und Bedarfs-
bewusstsein noch weiter gesteigert werden. Die Bundes-
regierung ist aufgefordert, zu prüfen, ob Kinos für
Investitionen in die barrierefreie Ausstattung ihrer Vor-
führsäle Ermäßigungen ihrer Abgabe an die Filmförde-
rungsanstalt, FFA, erhalten können. Darüber hinaus ist
zu prüfen, ob geförderte Filmproduktionen ab einer be-
stimmten Förderhöhe zur barrierefreien Ausstattung des
Films verpflichtet werden können.

Mit der nächsten FFG-Novelle sollte eine Regelung
gefunden werden, deren Ziel es ist, die Bedürfnisse von
seh- und hörbehinderten Kinobesuchern besser einzube-
ziehen.

Auch die Rundfunkanstalten sehen wir in der Pflicht.
Sie sollen ihr barrierefreies Angebot erweitern. Damit
könnten sie Nutznießer einer wachsenden Zielgruppe
sein.

Die Filmbranche ist aufgerufen, dem Ziel der Förder-
hilfen stärker gerecht zu werden. Unser Ziel ist es, dass
sich mittelfristig Investitionen in die barrierefreie Aus-
stattung von Filmen aus dem Markt refinanzieren lassen.

Wir freuen uns auf die gemeinsame Beratung im Aus-
schuss. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam daran arbei-
ten, dass jeder von uns in Deutschland Filme uneinge-
schränkt erleben kann.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1714638800

Auf meine Frage an die Bundesregierung, welche in

den Jahren 2009 und 2010 mit Bundesmitteln geförderte
Filme barrierefrei – Audiodeskription, Untertitelung
und Gebärdensprache – produziert worden sind und

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(C (D elche nicht, antwortete der Beauftragte der Bundesreierung für Kultur und Medien, Staatsminister Bernd eumann, am 30. Dezember 2010: „Die 2009 und 2010 von der Filmförderungsanstalt, em Deutschen Filmförderfonds und der kulturellen ilmförderung des Beauftragten der Bundesregierung r Kultur und Medien, BKM, geförderten Filme sind um überwiegenden Teil noch nicht fertiggestellt. Erst ie sich an die Fertigstellung anschließende Verleihförerung ermöglicht auch eine direkte Förderung barriefreier Fassungen. Eine genaue Bezifferung der in den ahren 2009 und 2010 mit Bundesmitteln geförderten, arrierefreien Filme ist daher zum jetzigen Zeitpunkt och nicht möglich. Im Bereich der Filmförderung ist uf folgende Maßnahmen der Bundesregierung hinzueisen: Das Fünfte Gesetz zur Änderung des Filmförderungsesetzes, das am 1. Januar 2010 in Kraft getreten ist, ieht auf Initiative des BKM eine Erleichterung der Förerbedingungen für Filme mit Audiodeskription und usführlicher Untertitelung für hörbehinderte Menchen vor. Hierdurch soll ein Anreiz für die Herstellung arrierefreier Fassungen von Kinofilmen geschaffen erden. Da der Großteil der deutschen Filme eine Förerung nach dem Filmförderungsgesetz erhält, geht die undesregierung von einer gesteigerten Verfügbarkeit eutscher Kinofilme mit Audiodeskription und erweiterr Untertitelung aus. Eine verpflichtende Regelung zur erstellung barrierefreier Fassungen aller geförderten ilme wurde auch von den im Rahmen des Gesetzgeungsverfahrens eingebundenen betroffenen Verbänden icht als sinnvoll erachtet. Zudem sind die Kosten für die Herstellung von aushrlicher Untertitelung für hörbehinderte Menschen der von Audiodeskription für blinde und sehbehinderte enschen sowohl im Rahmen der Verleihförderung als uch im Rahmen der Videoförderung nach dem Filmförerungsgesetz anerkennungsfähig. Ein Teil der Kosten r die Erstellung barrierefreier Fassungen von Kinofilen für die Aufführung im Kino oder die Herausringung auf DVD können daher über die Förderung nanziert werden. Als Modernisierungsmaßnahme im ahmen der Kinoförderung nach dem Filmförderungsesetz ist auch der Umbau von Kinos zur Einrichtung on geeigneten Plätzen für Rollstuhlfahrer oder der Einau von Induktionsschleifen für hörgeschädigte Menchen förderfähig. Auch die mit dem Kinoprogrammpreis des Beauftragn der Bundesregierung für Kultur und Medien verbunenen Fördermittel könnten für derartige Maßnahmen ingesetzt werden.“ Das ist also die – öffentlich für alle zugängliche – ntwort der Bundesregierung vor einem Jahr, nun der randiose Antrag der Koalitionsfraktionen mit teilweise örtlichen Übereinstimmungen – hier ist Abschreiben ja urchaus erlaubt – und inhaltlich genauso inhaltslos nd allgemeinkonkret. Da dies der einzige in einen Anag gegossene Beitrag der Koalition am Vorabend des elttages der Menschen mit Behinderungen und des . Jahrestages der Annahme der BehindertenrechtskonDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17539 Dr. Claudia Winterstein gebene Reden )


(A) )

vention in der UNO-Vollversammlung ist, frage ich, in-
wieweit die Koalition den Geist dieser Menschenrechts-
konvention begriffen hat.

Zu Recht verweist die Koalition in ihrem Antrag auf
Art. 30 „Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erho-
lung, Freizeit und Sport“, aber es ist zu dieser Thematik
nicht der einzig wichtige Artikel. Grundlage sind auch
Art. 2 bis 5, 8 „Bewusstseinsbildung“, 9 „Barrierefrei-
heit“, 21 „Recht der freien Meinungsäußerung, Mei-
nungsfreiheit und Zugang zu Informationen“, 24 „Bil-
dung“ und 29 „Teilhabe am politischen und öffentlichen
Leben“. Die Koalition „vergisst“ beim Verweis auf die
UN-Behindertenrechtskonvention, dass zu Beginn jedes
Artikels steht, dass der Staat die nachfolgenden Rechte
zu gewährleisten hat. Es geht also nicht um „sollte“ und
„könnte“, um Prüfaufträge und Bitte-Bitte-Gespräche,
sondern um die Wahrnahme von – spätestens seit dem
26. März 2009 gesetzlich verankerten – Pflichten der
Bundesregierung.

Die Koalition stellt – wie bei allen Maßnahmen für
Menschen mit Behinderungen – auch bei diesem Antrag
unter Punkt II die Formulierung „Der Deutsche Bun-
destag fordert die Bundesregierung auf, im Rahmen der
verfügbaren Haushaltsmittel …“ voran. Nun haben wir
vor einer Woche gerade den Bundeshaushalt 2012 be-
schlossen, und trotz entsprechender Vorschläge von den
Linken wurden zur Umsetzung der UN-Behinderten-
rechtskonvention, auch in den Bereichen Kultur und Me-
dien, keine nennenswerten Akzente gesetzt. Nichts, was
in diesem Antrag steht, steht nicht auch schon im Ak-
tionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-
Behindertenrechtskonvention vom 15. Juni 2011. Wozu
also dieser Antrag? Statt Prüfaufträge brauchen wir
endlich wirksame Maßnahmen. Auch wenn ich mich
wiederhole: Die Linke fordert, dass bei allen Förderun-
gen mit Mitteln der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler
die Barrierefreiheit ein verbindliches Kriterium sein
muss. Das heißt auch: keine Förderung einer Filmpro-
duktion, welche nicht auch mit Audiodeskription, Unter-
titelung und Gebärdensprache produziert wird; keine
Förderung von Filmfestivals und Filmveranstaltungen
mit Filmen, die nicht barrierefrei zur Verfügung stehen,
und keine Förderung von Baumaßnahmen und Investi-
tionen in Kulturstätten, die auch nach der Maßnahme
nicht barrierefrei sind.

Die Linke fordert ein Baurecht in Bund und Ländern,
welches barrierefreies Bauen nicht nur als Empfehlung,
sondern als grundsätzlich zwingende Verpflichtung vor-
sieht. Die Linke fordert, dass Bundestag und Bundes-
regierung bei der Bereitstellung barrierefreier Angebote
an Kultur und Information beispielhaft vorangehen. Das
schließt entsprechende Angebote bei der Übertragung
von Sitzungen des Bundestages – auch wenn sie mal
nicht so kulturvoll und inhaltsreich sind – mit ein.

Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Vor wenigen Monaten hatte ich die große Ehre, der
Jury des Deutschen Hörfilmpreises anzugehören. Dort
habe ich in tief beeindruckender Weise erfahren, welche

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edeutung der barrierefreie Zugang zu Filmen für
linde und sehbehinderte Menschen hat. Die Hörfassun-
en der 2011 mit Preisen ausgezeichneten Filme „Die
äpstin“, „Lippels Traum“ und „Ganz nah bei Dir“ zei-
en beispielhaft, was möglich ist.

Meine erste Reaktion auf diese Juryarbeit war die
rage, warum das Angebot an barrierefreien Filmen in
eutschland immer noch so gering ist – auch im Ver-
leich zu anderen europäischen Ländern. Denn Hörfilm-
ssungen können mit einem relativ geringen Aufwand,
it circa 55 Euro pro Filmminute, erstellt werden. Da-
it lassen sich Zugangsbarrieren für über eine Million
linde und sehbehinderte Menschen absenken und ihre
öglichkeiten der kulturellen Teilhabe deutlich erwei-
rn. Bei der Untertitelung für hörbehinderte Menschen
llen die Kosten sogar noch geringer aus.

Weil das Angebot so unzureichend ist, habe ich mich
März 2011 mit schriftlichen Fragen an die Bundes-
gierung gewandt und wollte unter anderem wissen, ob

ie Erleichterung der Förderbedingungen für Filme mit
udiodeskriptionen für blinde und sehbehinderte Men-
chen und für Filme mit ausführlicher Untertitelung für
örbehinderte, die die letzte Novelle des Filmförderge-

etzes ja vorsieht, zu einer Zunahme des Anteils von bar-
ierefreien Filmen bei den durch Bundesmitteln geför-
erten Filmen geführt hat. Die Bundesregierung konnte
eine Auskunft geben mit dem Hinweis, dass die in den
ahren 2009 und 2010 geförderten Filmen zum überwie-
enden Teil noch nicht fertiggestellt seien.

Diese Antwort halte ich für unzureichend. Die Bun-
esregierung hätte ja bei der FFA oder auch bei Firmen
nd Institutionen, die mit der Herstellung von barriere-
eien Filmen beschäftigt sind, nachfragen können, ob
umindest eine Tendenz abzusehen ist, was die Wirksam-
eit der Neuregelungen im FFG angeht.

Wir haben uns deshalb selbst auf die Suche gemacht –
it einem negativen Resultat. Der Deutsche Blinden-
nd Sehbehindertenverband, der einen guten Überblick
der Sache hat, signalisierte uns, dass so gut wie keine

ositiven Tendenzen abzusehen seien. Die wichtigsten
roduzenten von Audiodeskriptionen – DHG, Bayeri-
cher Rundfunk, Hörfilm e. V. – konnten keinen Auftrag
r Audiodeskriptionen und Hörfilmproduktionen auf

ie Novellierung des FFG und die Einführung des För-
erkriteriums 6 h – Herstellung einer deutschen Audio-
eskription und deutschen Untertitelung – zurückführen.
ei den FFA-Anträgen wird dieses Kriterium wohl auch
ur in ganz wenigen Fällen angekreuzt.

Mit dieser Erkenntnis wandten wir uns dann im Juni
n Herrn Staatsminister Neumann und auch an Herrn
örnsen von der Unionsfraktion – mit einer deutlichen
roblemanzeige und auch dem Angebot, hier gemein-
am nach einer schnellen und sachgerechten Lösung zu
uchen. Ich freue mich, dass die Regierungskoalition mit
rem Antrag, den sie nun einbringt, zumindest andeutet,

ass auch sie hier inzwischen eine Aufgabe sieht und
ich damit – zumindest in der Problemanzeige – in un-
ere Richtung bewegt. Enttäuschend ist aber, dass der
ntrag sich an vielen Stellen nur mit Prüfaufträgen be-
nügt. Statt klare Handlungsaufträge zu erteilen, regiert
17540 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011

Dr. Ilja Seifert
gebene Reden

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 146. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2011 17541

Claudia Roth (Augsburg)



(A) (C)



(D)(B)


über weite Strecken der Konjunktiv. Das ist nicht ausrei-
chend.

Gut wäre es auch gewesen, zwischen den Fraktionen
koordinierter vorzugehen und einen interfraktionellen
Antrag auszuarbeiten – so wie wir das vorgeschlagen
hatten. Wenn es nun Hinweise aus der Koalition gibt,
dass wir in der weiteren Beratung eine gemeinsame Be-
schlussempfehlung erarbeiten können, in die dann auch
weitere Anträge und Überlegungen einfließen, dann ist
das ein gutes Signal und wäre auch für uns ein gangba-
rer Weg. Bedingung wäre allerdings, dass wir bei den
konkreten Handlungsaufträgen weiterkommen.

Wir Grüne wollen rasch mehr barrierefreie Filme –
und das nicht um Jahre aufschieben, bis Regelungen in
einer kommenden FFG-Novelle greifen. Angesichts der
überschaubaren Kosten und nicht zuletzt auch der
Marktchancen für barrierefreie Filme müsste eine sol-
che rasche Ausweitung des Angebots doch möglich sein!
Deshalb von unserer Seite nochmals ein klares Ge-

sprächsangebot und der Wunsch, gemeinsam nach
schnell wirksamen Lösungen zu suchen.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1714638900

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf

Drucksache 17/7709 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sie sind damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie werden es nicht
glauben: Wir sind am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung angelangt. Ich weiß, dass wir alle gemeinsam
noch die Kraft hätten, weiter zu beraten.

Dennoch werde ich die Sitzung jetzt beenden und be-
rufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestag auf
morgen, Freitag, den 2. Dezember 2011, 9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.