Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-zung ist eröffnet.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigenKabinettssitzung mitgeteilt: deutsches Stabilitätspro-gramm 2011.Das Wort für den einleitenden Beitrag, der fünf Minu-ten dauern soll, hat der Bundesminister der Finanzen,Herr Dr. Wolfgang Schäuble.Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-zen:Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DieBundesregierung hat in ihrer heutigen Kabinettssitzungdie Aktualisierung des deutschen Stabilitätsprogrammsfür 2011 beschlossen. Sie wissen: Ein Bericht über die-ses Stabilitätsprogramm ist gemäß dem europäischenStabilitäts- und Wachstumspakt jährlich zu erstatten. Da-rin ist darzulegen, wie die Verpflichtungen des Stabili-täts- und Wachstumspakts eingehalten werden.Nach Überschüssen auf gesamtstaatlicher Ebene inredswsvRsgWssüAvwdkrerePmhRedetden Jahren 2007 und 2008 – im Zusammenhang mit demeuropäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt geht es jaum das gesamtstaatliche Defizit bei Bund, Ländern, Kom-munen und den gesetzlichen Sozialversicherungen – ha-ben wir in Deutschland im Jahr 2009 den Referenzwertfür die Neuverschuldung in Höhe von 3 Prozent desBruttoinlandsprodukts infolge der schweren Finanz- undWirtschaftskrise überschritten; 2010 haben wir ihn miteinem gesamtstaatlichen Defizit von 3,3 Prozent nocheinmal überschritten. Anfang des letzten Jahres wurde jaerwartet, dass wir ein gesamtstaatliches Defizit von5,5 Prozent haben. Insofern waren wir bei der Reduzie-rung des zu hohen Defizits im vergangenen Jahr schonziemlich erfolgreich.Wir können den europäischen Institutionenteilen – das haben wir beschlossen –, dass wizitgrenze von 3 Prozent des Bruttoinlandspr
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11876 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011
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Wir leisten zweitens unseren Beitrag zur Stabilität un-serer europäischen Währung, wozu neben dem Stabili-täts- und Wachstumspakt auch andere Maßnahmen ge-hören: die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und derEuropäische Stabilisierungsmechanismus.Indem wir die Stabilität unserer Währung verteidigenund uns für sie einsetzen, leisten wir im Übrigen denwichtigsten Beitrag für nachhaltige, soziale Gerechtig-keit und auch dafür, dass unsere Fähigkeit zu Wachstum,das auf dem Außenhandel beruht und damit auf eine sta-bile Währung angewiesen ist, nachhaltig gewährleistetist. Dazu hat Deutschland als größtes Land in Europaeine besondere Verpflichtung.Wir erfüllen zugleich auch eine Ankerfunktion: In-dem wir unseren Verpflichtungen für nachhaltigesWachstum und nachhaltige Stabilität nachkommen, kön-nen wir zugleich glaubwürdig dafür eintreten, dass dasüberall in Europa geschieht.
Die erste Frage kommt von Kollegen Kindler.
Sehr geehrter Herr Bundesminister! Bei meiner Frage
geht es um den Komplex Bundesagentur für Arbeit. Es
ist ja wichtig, dass die Bundesregierung die Schulden-
bremse einhält und gleichzeitig ein deutsches Stabilitäts-
programm auflegt. Wie erklärt es sich die Bundesregie-
rung, dass der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit
sagt, dass wir in den nächsten Jahren aufgrund vermehr-
ter Belastung, auch durch den neuen ALG-II-Kompro-
miss, ein Defizit von bis zu 10 Milliarden Euro haben
werden, während das BMF davon spricht, dass das nicht
zu erwarten sei und die Bundesagentur eine schwarze
Null schreiben könne?
Herr Minister.
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:
Die Haushaltsplanung für die Bundesagentur für Ar-
beit ist innerhalb der Bundesregierung zwischen dem
Bundesfinanzministerium und dem Arbeitsministerium
abgestimmt. Sie ist im Übrigen auch mit der Führung der
Bundesagentur für Arbeit besprochen und abgestimmt
worden. Im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Ar-
beit gibt es allerdings drei Bänke: Deren Vertreter
verhalten sich gelegentlich in ihren öffentlichen Äuße-
rungen so, wie sich auch die Vertreter anderer Interes-
senverbände in unserer pluralistischen Gesellschaft ver-
halten. Die von diesen verbreiteten Zahlen entsprechen
aber nicht immer der Realität. Die tatsächlichen Zahlen
werden innerhalb der Bundesregierung und am Ende
durch den Haushaltsgesetzgeber – das ist der Deutsche
Bundestag – beschlossen.
Herr Schneider, bitte.
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beleuchtet und ein Land als vorbildlich dargestellt. Daswar die Bundesrepublik Deutschland. Ich muss da mei-nen europäischen Partnern nicht viel sagen. Wenn ichmehr sagen würde, entstünde eher die Sorge, dass wirDeutschen uns zu sehr auf die Schulter klopfen, wasauch nicht hilfreich wäre.Die Zahlen sprechen für sich. Wenn sich alle die deut-schen Zahlen zum Vorbild nehmen, ist mir um die Stabi-lität der gemeinsamen europäischen Währung nichtBange.
Herr Schwanitz, bitte.
Herr Minister, ich möchte eine Frage zum Bereich der
sozialen Sicherungssysteme stellen. Ich habe noch ein-
mal in das Stabilitätsprogramm von 2010 geschaut, das
noch im Januar aktualisiert worden ist. Dabei habe ich
einen ausdrücklichen Hinweis zur finanziellen Ausge-
staltung der Pflegeversicherung gefunden, nämlich dass
für die Pflegeversicherung eine ergänzende Kapital-
deckung eingeführt werden soll. Ich möchte Sie fragen,
ob dieses Projekt auch noch im Stabilitätsprogramm
2011 enthalten ist und, wenn ja, was hierzu geplant ist.
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:
Herr Kollege Schwanitz, ich muss ein bisschen um
Nachsicht bitten, wenn ich nicht alle Fragen zu allen
Themen mit der Verlässlichkeit, die Sie als Parlamenta-
rier zu Recht an Antworten der Bundesregierung stellen,
beantworten kann.
Derzeit befinden wir uns in Diskussionen – innerhalb
der Bundesregierung und auch im Parlament – über die
weitere Ausgestaltung der Pflegeversicherung. Wir sind
nicht am Ende aller Arbeiten für diese Legislaturperiode.
Dem kann ich jetzt nicht vorgreifen, zumal ich mich
auch mit dem Kollegen Rösler abstimmen muss.
Herr Kindler.
Herr Minister, die Bundesregierung plant ja, ab 20122 Milliarden Euro aus der Finanztransaktionsteuer ein-zunehmen. Jetzt frage ich Sie, wie der Verhandlungs-stand zwischen den europäischen Partnern ist und wannes konkrete Maßnahmen und Schritte gibt, damit diesesGeld im Haushalt 2012 realisiert werden kann.Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-zen:Herr Kollege, Sie erinnern sich vielleicht – was Sienicht müssen, Sie können es auch in den Protokollen desDeutschen Bundestages nachlesen –, dass ich bei ver-schiedenen Gelegenheiten wieder und wieder darauf hin-gewiesen habe, dass wir in der Tat ab 2012 in unsererFinanzplanung Einnahmen von 2 Milliarden Euro jähr-liickdngkvpEdsZhresspVFsdKR2ztiLnbd–mesmsgTfrlim2vsegwaEJHaanfo
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11878 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011
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derzeit trotzdem in der Lage, den Verpflichtungen, diesich aus der Schuldenbremse des Grundgesetzes unddem Stabilitäts- und Wachstumspakt ergeben, gerecht zuwerden; aber wir treten mit aller Kraft und mit aller Ent-schiedenheit für eine Regelung ein.
Frau Kollegin Kudla, bitte.
Herr Bundesfinanzminister, können Sie bitte einige
Ausführungen zu der sogenannten 1/20-Regel machen.
Was bedeutet diese Regel, die künftig beim Schuldenab-
bau gilt, mittelfristig für Deutschland?
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:
Die Regelungen zur Verschärfung des Stabilitäts- und
Wachstumspaktes, die im Oktober des vergangenen Jah-
res vom Europäischen Rat beschlossen wurden als Kon-
sequenz der Krise um den Euro, die von Griechenland
ausgegangen ist – die sogenannte Van-Rompuy-Task-
force hat diese Beschlüsse vorbereitet –, enthalten als ein
Element zur Stärkung des Stabilitäts- und Wachstums-
paktes die Bestimmung, dass nicht nur die jährliche De-
fizitgrenze von 3 Prozent, sondern schon im Zusammen-
hang mit den präventiven Komponenten des Stabilitäts-
und Wachstumspakts auch der Gesamtschuldenstand
berücksichtigt wird, und zwar in der Form, dass, wenn
ein Land eine Gesamtverschuldung von 60 Prozent des
Bruttoinlandsproduktes überschreitet, korrigierende
Maßnahmen ergriffen werden müssen.
Die Regelung sieht so aus: Der Teil der Gesamtver-
schuldung eines Landes, der 60 Prozent des Brutto-
inlandsprodukts überschreitet, muss innerhalb von
zwanzig Jahren in gleichen Teilen zurückgeführt wer-
den. Die Bundesrepublik Deutschland wies Ende des
vergangenen Jahres einen Gesamtschuldenstand von
83,2 Prozent aus, weil – das habe ich bereits erwähnt –
die Maßnahmen, die wir im Zusammenhang mit der Ban-
kenrettung unternommen haben, nach den Regeln von
Eurostat auf den Gesamtschuldenstand angerechnet wer-
den. Der Gesamtschuldenstand der Bundesrepublik
Deutschland liegt also etwas mehr als 20 Prozentpunkte
über der 60-Prozent-Grenze. Geteilt durch 20 bedeutet
das: Wir müssen unseren Schuldenstand jährlich um
1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts reduzieren.
Auf Basis der finanzpolitischen Vorausschau, die wir
heute beschlossen haben, erfüllen wir diese Anforderun-
gen. Wir reduzieren den Schuldenstand sogar um mehr als
1 Prozent jährlich, sodass wir am Ende des Zeitraums, für
den wir eine Prognose abgeben müssen – Ende 2015 –,
bei einer Gesamtverschuldung von – ich muss nach-
schauen – 75 Prozent ankommen. Innerhalb von vier
Jahren kann die Gesamtverschuldung also immerhin um
8 Prozentpunkte zurückgeführt werden.
Wenn wir unterstellen, dass wir 2016 den Normal-
zustand, den die Schuldenbremse des Grundgesetzes
vorsieht, erreicht haben und einhalten, nämlich eine jähr-
liche Neuverschuldung in Höhe von maximal 0,35 Pro-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 11879
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Mehrheit, sondern eine Entscheidung des DeutschenBundestages. Ich bin dafür, dass wir als Mitglieder einesVerfassungsorgans die Institutionen unserer Verfassungsorgfältig behandeln und nicht im politischen Meinungs-streit diskreditieren. Wir alle werden einen Schadendavontragen, wenn wir mit den Institutionen unsererVerfassung nicht sorgfältig umgehen. Das Budgetrechtist das vornehmste Recht des Parlamentarismus; damithat der Parlamentarismus in der westeuropäischen Ge-schichte einmal angefangen.
In der Bundesagentur für Arbeit gibt es in der Tat einenVerwaltungsrat, in dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer unddie öffentliche Hand vertreten sind. Es gibt nun einenBrief, der die Unterschriften von zwei Mitgliedern trägt,und zwar von Herrn Clever und von Frau Buntenbach.Darauf hat sich meine Bemerkung bezogen, dass sich dieBeteiligten im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Ar-beit in öffentlichen Äußerungen so verhalten, wie esauch viele Vertreter von Verbänden und Institutionen zurWahrnehmung ihrer berechtigten oder nichtberechtigtenInteressen tun. Das ist so im Pluralismus einer freiheitli-chen Demokratie; aber das hat nichts mit der Verbind-lichkeit von Entscheidungen von Verfassungsorganen zutun. Der Haushalt 2011 ist festgestellt, und die Bundes-regierung wird den Haushaltsentwurf für den Haushalt2012 im Juli dieses Jahres aufstellen. Über den Entwurfwird innerhalb der Regierung sorgfältig beraten. DasBundesministerium für Arbeit und Soziales ist hierbeifür den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit federfüh-rend.Meine Bemerkung bezog sich nun darauf, dass diemittelfristigen Linien, die wir bei der Klausurtagung desBundeskabinetts im Juni des vergangenen Jahres zurVorbereitung des Zukunftspaktes beschlossen haben, inAnwesenheit des Bundesministers für Arbeit und Sozia-les und des Präsidenten der Bundesagentur für Arbeit be-sprochen wurden. Ein Einvernehmen darüber brauchenwir nicht, sondern wir brauchen Entscheidungen des fürden Haushalt zuständigen Gesetzgebers. Die Bundes-regierung legt Entwürfe vor, der Bundestag berät sie,streitet darüber, und am Schluss entscheidet er mit Mehr-heit. Dies sind dann verbindliche Entscheidungen, nichtder Mehrheit, sondern des Deutschen Bundestages; nichtmehr und nicht weniger.
– Ihre Frage werden wir im Zuge der Haushaltsberatun-gen zum Haushalt 2012 behandeln. Am 16. März 2011haben wir nur die Eckwerte aufgestellt. Diese habe ichim Haushaltsausschuss des Bundestages mitgeteilt.Der parlamentarischen Beratung führen wir einenHaushaltsentwurf zu. Diesen stellt die Bundesregierung,wenn sie pünktlich ist, Anfang Juli eines Jahres auf.Heute ist der 13. April. Wir haben den Haushalt für 2012noch nicht vorgestellt. Die mittelfristige Finanzplanungschreiben wir im Zuge der Haushaltsaufstellung fort.DHfofadwLedgNnsIcrezwzdWZWLsddgLüsadZPudrevVwÜm
Wenn es nun um das Euro-Plus-Paket zur Herstellunger Wettbewerbsfähigkeit in anderen Ländern Europaseht, zeigen Sie mit dickem Finger auf diese Länder. Imationalen Reformprogramm Deutschland ist aber alseue Maßnahme struktureller Art nur folgender Vor-chlag enthalten: die Liberalisierung der Fernbuslinien.
h würde gern wissen, ob dies alles ist, was die Bundes-gierung zu tun beabsichtigt, um die Binnennachfrageu stärken und auch Deutschland ein Stück weit wettbe-erbsfähiger zu machen.Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-en:Herr Kollege Schneider, der Spaß wird ja dadurch,ass er wiederholt wird, nicht größer.Es ist so: Beim Pakt für den Euro zur Steigerung derettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsländer der Euro-one geht es vor allen Dingen darum, die Länder, derenettbewerbsfähigkeit nicht so hoch ist wie die andereränder, ein Stück weit zu stärken; das ist sein Ziel. Vieleagen, ein Problem unserer gemeinsamen Währung sei,ass sich nicht alle Länder an die Leitlinien der verabre-eten Finanzpolitik halten. Ich sage deswegen: Es istut, dass sich die Bundesrepublik Deutschland an dieseeitlinien hält und die Bundesregierung heute ein soberzeugendes Stabilitätsprogramm, das ich dem Deut-chen Bundestag nun vorstellen kann, beschlossen hat.Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass wir unsuch der Herausforderung, die Wettbewerbsfähigkeit an-erer Länder zu verbessern, stellen müssen. Zu diesemweck haben wir einen Vorschlag gemacht. Er sieht imrinzip vor, dass jedes Land selbst geeignete Vorschlägenterbreitet und umsetzt und sich im nächsten Jahr anen Ergebnissen messen lässt.Ich habe allerdings auch eine andere Debatte zu füh-n. Ich musste beim Treffen der EU-Finanzminister amergangenen Wochenende in Gödöllö wieder einmalersuche abwehren, die darauf zielen, dass Ungleichge-ichte, die daraus resultieren, dass manche Länder einenberschuss und andere Länder ein Defizit haben, sym-etrisch behandelt werden. Es gibt eine Reihe von euro-
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11880 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
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päischen Ländern und Institutionen, die Ungleichge-wichte am liebsten gleichbehandeln würden. Dies würdeallerdings bedeuten, dass Deutschland als Land mitÜberschuss genauso behandelt würde wie Länder, fürdie Deutschland aus seinem Überschuss – in richtig ver-standener Solidarität – Hilfeleistungen geben muss. Dieskann nicht richtig sein. Deswegen haben wir Wert daraufgelegt, dass Überschussländer, von denen letzten Endesdie Leistungsfähigkeit der Euro-Zone insgesamt ab-hängt, und Defizitländer im Zuge der Imbalances bei denDefiziten in Europa nicht gleichbehandelt werden.Wenn sich das so verhält, wäre im Rahmen des Paktsfür den Euro zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeitallerdings auch nicht in erster Linie die BundesrepublikDeutschland gefordert. Denn Deutschland verzeichnetbereits einen relativ großen Überschuss, der in anderenZusammenhängen teilweise sogar als problematisch be-trachtet und hinterfragt wird.
Ich glaube, dass wir die Anforderungen im Sinne einerrealistischen Betrachtungsweise nicht überspannen soll-ten.Die Binnennachfrage ist ein ganz anderes Thema. Esgeht um Folgendes – das werde ich meinen Partnern imRahmen der IWF- und der G-20-Tagung morgen wiedereinmal sagen können und müssen –: Die bestehendenUngleichgewichte führen auch in einem Überschusslandwie Deutschland dazu, dass die Binnennachfrage gestei-gert wird, und zwar auf marktwirtschaftlich einwand-freie Art und Weise.Wenn Sie das Jahresgutachten des Sachverständigen-rates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent-wicklung vom Ende vergangenen Jahres lesen, dannstellen Sie fest, dass dort für 2011 prognostiziert wird,dass das Wachstum in diesem Jahr – wir alle sind im Au-genblick zuversichtlich und gehen davon aus, dass esnoch ein bisschen höher ausfallen wird als Anfang desJahres vorhergesagt – zu 90 Prozent durch eine Steige-rung der Binnennachfrage getrieben wird. Die aktuellenEntwicklungen im Rahmen der Tarifverhandlungen– wir verteidigen gemeinsam die Tarifautonomie – spie-geln dies ja auch wider.Schauen Sie sich etwa an, was wir heute auch im Ka-binett beraten und behandelt haben – Sie haben von Lor-beeren früherer Regierungen gesprochen; ich habe derletzten Regierung angehört; auch Sie waren als haus-haltspolitischer Sprecher Ihrer Fraktion, also in einerwichtigen Funktion, daran beteiligt –: Wir haben in derletzten Legislaturperiode im Zuge der Rentenanpassungdie Rentenformel ein Stück weit, wenn Sie so wollen,ausgesetzt, indem wir gesagt haben: Wir wollen alsFolge des schweren wirtschaftlichen Einbruchs keinenRückgang der Renten haben, sondern die Rentenformelwird bei null gekappt. Aber der Rückgang, der den Rent-nern nach der Rentenformel eigentlich hätte zugemutetwerden müssen, wird nachgeholt, sobald wir wiederRentensteigerungen haben. – In diesem Jahr sind wir inder erfreulichen Lage, dass wir dies nachholen könnenund es trotzdem zu einer Rentensteigerung um knapp1büdliuwdEstukSVdzzcsLcdsashkShSbrudazduRhRwterehbale
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 11881
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ministers ist, dass er sich auf seine Zuständigkeit be-schränkt.Wenn Sie bei nächster Gelegenheit mit der Kolleginvon der Leyen, der Arbeitsministerin, über die Einzel-heiten der Arbeitsmarktpolitik reden, wird sie Ihnen si-cher darlegen können, dass die Tatsache, dass wir jetzteher bei 3 Millionen als bei 5 Millionen Arbeitslosensind, zwangsläufig und glücklicherweise erhebliche Ent-lastungsspielräume für die Beitragszahler, aber auch fürdie Steuerzahler mit sich bringt. Das ist eine Politik, dienicht in dieser Legislaturperiode begonnen wurde; da hatder Kollege Schneider recht. Jede Regierung und jedeLegislaturperiode steht im Übrigen im Guten wie imSchlechten auf dem, was in früheren Legislaturperiodengewesen ist. Wir sind bei allem Neuen und Vorhersehba-ren in einer Kontinuität von politischen Entwicklungen.Das alles ist in Ordnung.Es ist schon richtig, dass sich die Vertreter von Ar-beitgebern und Arbeitnehmern in der Bundesagentur fürArbeit für die Interessen der Beitragszahler einsetzen. Inder Bundesagentur für Arbeit ist aber auch die öffentli-che Hand vertreten. Sie muss zum Beispiel die Interes-sen der Arbeitslosen vertreten – das sind nicht Beitrags-zahler, sondern Dritte –, und sie muss die Interessen derSteuerzahler vertreten. Durch eine ordnungspolitischrichtige Arbeitsmarktpolitik müssen wir dafür sorgen,dass wir denjenigen, die Hilfe brauchen, auch Hilfe leis-ten. Zugleich müssen wir die Anreizwirkung aber so ge-stalten, dass es zu möglichst viel Beschäftigung kommt.Ich glaube, in dieser Richtung sind wir in den andert-halb Jahren seit der Bildung dieser Bundesregierungnoch erfolgreicher als in früheren Legislaturperioden ge-wesen. Die Zahlen am Arbeitsmarkt sprechen in dieserHinsicht jedenfalls eine eindeutige Sprache. Sie sind einZeichen dafür, dass unsere Finanz- und Wirtschaftspoli-tik den Menschen in diesem Lande nützt, und das ist dasZiel unserer Politik.
Frau Hagedorn.
Herr Minister, ich muss auf meine letzte Frage zu-
rückkommen, die Sie leider nicht beantwortet haben.
Diese Frage fällt in Ihre Zuständigkeit.
Herr Minister, ich darf noch einmal kurz darauf hin-
weisen, um was es ging: Es ist objektiv so, dass erst
jetzt, in diesem Jahr, und damit deutlich nach der Auf-
stellung des letzten Finanzplans und nach der Haushalts-
aufstellung entschieden wurde, die Zuschüsse an die
Bundesagentur für Arbeit in der Perspektive bis 2015 im
Umfang von über 4 Milliarden Euro pro Jahr zu kürzen,
sodass sich ihre Finanzsituation verschlechtern wird. Al-
lein aufgrund dieser Beschlusslage vom Februar wird es
bei der Bundesagentur für Arbeit bis 2015 zu einem
Defizit von über 12 Milliarden Euro, also zu einer Weg-
nahme von finanzieller Kapazität, kommen. Dadurch
– diese Situation ist auf Vorschlag des Kabinetts und mit
Ihrer Zustimmung herbeigeführt worden – wird die Bun-
desagentur für Arbeit dauerhaft nicht in der Lage sein,
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ir beschäftigen uns hier mit der Schuldenbremse und
it einem strukturellen Defizit, und wir reden nicht von
inem konjunkturellen Defizit. Herr Minister, ein Darle-
en, das faktisch realistischerweise nicht zurückgezahlt
erden kann, ist eigentlich wie ein Zuschuss zu bewer-
n, womit es relevant für die Schuldenbremse ist.
ierzu habe ich Sie um eine Stellungnahme gebeten.
Ich glaube, diese Frage sollten Sie hier doch noch be-
ntworten.
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
en:
Herr Kollege Koppelin, ich will Sie nicht in die Ver-
uchung bringen, Ihre begrenzten Bezüge zu verschwen-
en, da wir ja eher fürs Sparen sind.
Frau Kollegin Hagedorn, das Problem liegt darin: Sie
aben in Ihrer Frage eine Fülle von Voraussetzungen un-
rstellt und behauptet, dies sei der Sachverhalt. Ich habe
ersucht, Ihnen so höflich und zurückhaltend, wie ich
ur kann, zu sagen, dass ich Ihre Unterstellungen nicht
ile und dass deswegen die Grundlage für Ihre Frage
us meiner Sicht nicht gegeben ist.
Ich habe Ihnen auch gesagt: Die Bundesregierung
ird bei der Aufstellung des Haushalts 2012 darauf ach-
n – da können Sie ganz sicher sein –, dass die Unter-
tellungen, die Sie Ihrer Frage zugrunde gelegt haben,
icht eintreten. Hinsichtlich der Antworten müssen Sie
ich gedulden, bis die Bundesregierung den Haushalt
012 aufgestellt hat. Ich habe darauf hingewiesen: Das
ird Anfang Juli der Fall sein. Wenn der Deutsche Bun-
estag seine Planungen nicht ändert, wird er seine Bera-
ngen darüber im September dieses Jahres aufnehmen.
ann werden wir viel Gelegenheit haben, freundschaft-
ch und kontrovers darüber miteinander zu diskutieren.
Es gibt noch eine Frage des Kollegen Schwanitz zuem Bereich der sonstigen Fragen an die Bundesregie-ng.
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11882 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011
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Meine Frage richtet sich an das Bundeskanzleramt. –
Herr von Klaeden, ich habe eine Frage im Zusammen-
hang mit den Diskussionen über den sogenannten ESM,
den neuen, zu erwartenden Rettungsschirm im Bereich
der Euro-Länder ab 2013.
Ich denke, zu Ihren Aufgaben gehört auch, die Koor-
dinierung zwischen der Bundesregierung und dem Bun-
destag im Blick zu haben. Sie wissen, dass wir im
Bundestag intensiv darüber diskutieren, welche Beteili-
gungsmöglichkeiten das Parlament im Zusammenhang
mit dem neuen Rettungsschirm ab 2013 haben wird.
Deshalb frage ich Sie, ob das Bundeskanzleramt bzw.
die Bundesregierung eine Ausweitung der Beteiligungs-
rechte gegenüber dem bereits bestehenden Gesetz zum
Europäischen Stabilisierungsmechanismus plant und,
wenn ja, in welche Richtung die Überlegungen gehen.
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Herr Kollege Schwanitz, wenn Sie gestatten, wird der
Bundesfinanzminister darauf eingehen.
Herr Finanzminister, bitte schön.
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:
Da nach den Regeln des Grundgesetzes die Mitglie-
der der Bundesregierung ihren Geschäftsbereich inner-
halb der Richtlinien des Bundeskanzlers oder der Bun-
deskanzlerin eigenständig verantworten und für diesen
Bereich der Bundesfinanzminister zuständig ist, habe ich
dem Kollegen von Klaeden angeboten, zuständigkeits-
halber die Frage zu beantworten.
Ich weise darauf hin, dass ich ab 14 Uhr die Freude
habe, an der Sitzung des Haushaltsausschusses dieses
Hohen Hauses teilzunehmen, um über diese Fragen zu
berichten. Wir stehen ganz am Anfang der Beratungen.
Denn wir haben jetzt mit Beschluss des Europäischen
Rates den Rahmen für den Stabilisierungsmechanismus.
Die Einzelheiten, insbesondere die Übergangsrege-
lung – das spielt heute in einer völlig verzerrenden medi-
alen Darstellung eines Gutachtens des Bundesrech-
nungshofs eine gewisse Rolle –, müssen noch in einem
Vertrag ausgehandelt werden, der der Ratifizierung
durch den deutschen Gesetzgeber bedarf. Im Zusam-
menhang mit dem Ratifizierungsverfahren werden wir
auch die Parlamentsbeteiligung bei diesen Beschlüssen
regeln. Dazu wird die Bundesregierung Vorschläge ma-
chen, die sie aber im Vorfeld, vielleicht schon in der Sit-
zung des Haushaltsausschusses, die um 14 Uhr beginnen
soll, mit dem Parlament erörtern wird.
Ich weise darauf hin, dass in dem Bericht, den der
Haushaltsausschuss in der vergangenen Woche vom
Rechnungshof angefordert hat und der inzwischen er-
stattet worden ist, wie man den Medien entnehmen kann,
ausdrücklich empfohlen worden ist, die Regelungen, die
wir für die Parlamentsbeteiligung im Zusammenhang
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 11883
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bruch? Welche Chancen rechnet sie sich dabei aus? –Das ist meine erste Nachfrage. Meine zweite stelle ichspäter.H
Verehrte Frau Kollegin, die Bundesregierung wird die
notwendigen rechtswahrenden Schritte einleiten. Eine
endgültige Klärung zum Förderfondsvertrag wird aber
erst möglich sein, wenn die Entscheidungen über die
Laufzeiten der Kernkraftwerke abschließend getroffen
sind.
Frau Enkelmann, eine zweite Nachfrage.
Gut, da dürfen wir gespannt bleiben. – Aus dem Son-
dervermögen sollten im Jahr 2011 etwa 60 Millionen
Euro für die Gebäudesanierung ausgegeben werden.
Diese Mittel können jetzt offenkundig nicht ausgegeben
werden. Gibt es für die Gebäudesanierung bereits För-
derzusagen der Bundesregierung, die wegen der Nicht-
zahlungen der AKW-Betreiber nicht eingehalten werden
können?
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Davon, Frau Kollegin, geht die Bundesregierung
nicht aus; denn der Fonds verfügt zurzeit über ein Liqui-
ditätspolster. Zum einen haben die Unternehmen bislang
pünktlich gezahlt. Zum anderen sind bislang keine
Fondsmittel abgeflossen. Das liegt daran, dass der Fonds
erst kürzlich gestartet ist und die über den Fonds finan-
zierten Programme vielfach bereits bestehende Pro-
gramme des Bundeshaushalts verstärken sollen. In
diesen Fällen ist geregelt, dass zunächst die im Bundes-
haushalt verfügbaren Mittel einzusetzen sind.
Bitte schön, Herr Kollege.
Wäre es gerade vor dem Hintergrund der Unsicher-
heiten, die jetzt auftauchen – es wird geklagt, weil man
der Auffassung ist, dass die Nichtzahlung nicht in Ord-
nung ist –, vor drei, vier Wochen, als das schreckliche
Unglück in Japan passierte, nicht wichtig gewesen, nicht
ein Moratorium zu beschließen, sondern ein ordnungs-
gemäßes gesetzliches Verfahren durchzuführen? Immer-
hin weiß man aus anderen Bereichen, dass solche gesetz-
lichen Verfahren durchaus innerhalb von vier, fünf
Tagen durchgeführt werden können.
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Herr Kollege, ich bin fest davon überzeugt, dass am
Ende des Moratoriums konkrete Vorschläge, auch Ge-
setzgebungsvorschläge der Bundesregierung, stehen
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ir möchten gerne wissen: Was steht nun tatsächlich in
iesem Geheimvertrag? Was heißt „nach Maßgabe einer
ertraglichen Vereinbarung“? Der Spiegel hat hierzu an-
ere, mehr Informationen als wir. Wie ist es zu verste-
en, dass das Ganze nicht nur am Parlament vorbei be-
chlossen wurde – ein Skandal –, sondern dass offenbar
uch beim Vertragsabschluss geschludert wurde und Sie
och nicht einmal auf der rechtssicheren Seite sind,
enn Sie nun versuchen, die Gelder von den Kernkraft-
erksbetreibern einzutreiben?
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Frau Kollegin, ich möchte für die Bundesregierung
urückweisen, dass dieser Vertrag, wie Sie gesagt haben,
schludriger Weise abgeschlossen worden ist. Ich wie-
erhole: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass
r die Zahlungen bzw. Zuweisungen der Kernkraft-
erksbetreiber zu diesem Fonds eine hinreichend klare
chtliche Grundlage besteht. Die Ankündigung, jetzt
eine weiteren Zahlungen zu leisten, nachdem man bis-
ng seinen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen
t, steht für die Bundesregierung nicht im Einklang mit
iesem Vertrag. Deshalb prüft die Bundesregierung der-
eit die Einleitung rechtswahrender Schritte.
Frau Höger, bitte.
Vielen Dank. – In der Presse konnten wir lesen, dasss Schutzklauseln in dem Geheimvertrag gibt. Verhin-ern die Schutzklauseln, dass die Bundesregierung inerichtlichen Auseinandersetzungen erfolgversprechendandeln kann?
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11884 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011
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Frau Kollegin, ich möchte zurückweisen, dass es sich
hierbei um einen Geheimvertrag handelt. Ich darf noch-
mals sagen: Die Bundesregierung ist der Auffassung,
dass sie diesen Vertrag auf einer einwandfreien Rechts-
grundlage abgeschlossen hat. Das bedeutet, dass das an-
gekündigte Verhalten der KKW-Betreiber nicht dem
Vertrag entspricht. Die Bundesregierung prüft zurzeit,
rechtswahrende Schritte einzuleiten.
Frau Dağdelen, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich möchte die Bun-
desregierung fragen: Mit welchen langfristigen Folgen
für die erneuerbaren Energien rechnen Sie mit Blick auf
das Sondervermögen?
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Frau Kollegin, ich habe schon erläutert, dass dieser
Fonds über ein Liquiditätspolster verfügt.
Zunächst einmal werden entsprechende Programme, die
im Haushalt vorgesehen sind, durchgeführt. Die endgül-
tige Klärung, was den Förderfondsvertrag angeht, wird
erst möglich sein, wenn nach Abschluss des Moratori-
ums Entscheidungen über die endgültigen Laufzeiten
von Kernkraftwerken zu treffen sein werden.
Bitte, Herr Wunderlich.
Herr Koschyk, ich habe noch eine Frage. Sie bestrei-
ten vehement, dass der Vertrag schludrig ist. Im Spiegel
steht: „Regierung schlampt bei AKW-Geheimvertrag“.
Hinsichtlich der Ökoabgabe heißt es, es sei etwas gere-
gelt, dies solle aber nicht so bleiben, da der Strompreis
und damit auch die Marge der Energiekonzerne
schwanke. Im Spiegel heißt es weiter – ich zitiere –:
Also werde die Ökoabgabe ab 2017 angepasst, steht
im Abkommen. Und zwar auf der Basis eines In-
dex’ an der Strombörse EEX: des „German Base-
load Future“. Noch genauer: auf der Basis von des-
sen volumengewichteten 12-Monats-Durchschnitt.
Das klingt erst einmal in sich konsistent. Das Problem
ist nur: Es gibt an der EEX keinen solchen Index; der ist
nicht existent. Eine Sprecherin der Strombörse hat das
mit den Worten kommentiert: Der Begriff ist völlig un-
präzise. – Was sagen Sie denn dazu?
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Ich sage noch einmal: Die Bundesregierung ist der
uffassung, dass die angekündigte Zahlungsaussetzung
er Kernkraftwerksbetreiber nicht mit dem abgeschlos-
enen Vertrag in Einklang steht. Deshalb prüft die Bun-
esregierung die Einleitung rechtswahrender Schritte.
Ich rufe die dringliche Frage 2 der Kollegin Höhn auf:
Wie wirkt sich der Zahlungsstopp der Atomkraftwerksbe-
treiber auf die Leistungsfähigkeit des Energie- und Klima-
fonds aus, und mit Einbußen in welcher Höhe rechnet die
Bitte.
H
Frau Kollegin Höhn, Sie und Kollegin Dr. Enkelmann
aben Fragen zum gleichen Sachverhalt gestellt. Die im
örderfondsvertrag geregelten Zahlungen der Kernkraft-
erksbetreiber basieren auf der gesetzlichen Regelung
er Laufzeitverlängerung. Solange diese noch nicht ge-
etzlich verändert wurde, bleibt die Verpflichtung zur
inzahlung in den Energie- und Klimafonds und damit
as bisher vorgesehene Mittelvolumen bestehen. Ich
abe schon ausgeführt, dass derzeit keine Liquiditätspro-
leme beim Energie- und Klimafonds bestehen.
Frau Höhn, Sie haben eine Nachfrage? – Bitte schön.
Danke schön. – Herr Staatssekretär, die Bundesregie-
ng hatte nach den furchtbaren Geschehnissen in Japan
ffentlich verkündet, dass sie eine wesentlich andere
nergiepolitik, auch Atompolitik, betreiben will. Nun
teht in dem Vertrag, den Sie abgeschlossen haben und
er auch uns vorliegt – er lag am Anfang nicht vor; jetzt
ber liegt er vor –, dass die Vertragspartner ein Kündi-
ungsrecht haben, wenn es zu wesentlichen Änderungen
ommt. Ist denn die Änderung der Atompolitik eine we-
entliche Änderung, die zur Kündigung des Vertrags
hren könnte?
H
Frau Kollegin Höhn, bis jetzt ist es noch nicht zu Än-erungen von Beschlüssen der Bundesregierung oderes Parlaments im Hinblick auf die Laufzeiten vonernkraftwerken gekommen. Deshalb sind wir der Auf-ssung – ich darf das wiederholen –, dass im Hinblickuf die momentane Situation, bei der es keine Rechts-nderung gibt, die Zahlungsaussetzung nicht mit dem
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 11885
Parl. Staatssekretär Hartmut Koschyk
)
)
Vertrag in Einklang steht, weswegen wir die Einleitungrechtswahrender Schritte prüfen.
Sie haben eine weitere Nachfrage, Frau Höhn? – Bitte
schön.
Ich habe noch eine zweite Nachfrage. Aufgrund der
Laufzeitverlängerung wurden den Atomkraftwerkbetrei-
bern zusätzliche Strommengen zur Verfügung gestellt.
Wie sieht das die Bundesregierung? Ist durch die zusätz-
lichen Strommengen ein Eigentumsschutz im Sinne des
Art. 14 Grundgesetz entstanden? Ist Ihnen bekannt, ob
Investitionen vorgenommen worden sind? Sie haben ja
gesagt, man wolle sofort in Sicherheit investieren; nun
ist ein halbes Jahr vergangen. Können aus dem Eigen-
tumsschutz und den möglicherweise getätigten Investi-
tionen Entschädigungsansprüche der Atomkraftwerk-
betreiber erwachsen?
H
Frau Kollegin Höhn, ich bitte um Verständnis. Das ist
eine sehr schwierige Frage, die auch verfassungsrechtliche
Aspekte berührt. Sie fragten nach dem Eigentumsschutz.
Ich muss die Beantwortung dieser Frage nachreichen, weil
sie nicht allein vom Bundesfinanzministerium, sondern
auch in Abstimmung mit anderen Ressorts geprüft und
beantwortet werden müsste. Ich reiche sie aber gern
nach.
Dann rufe ich die dringliche Frage 3 der Kollegin
Höll auf:
Stimmen Meldungen des Wirtschaftsmagazins des Bayeri-
schen Rundfunks Geld & Leben vom 11. April 2011, wonach
der Bund Riester-Zulagen ohne Vorwarnung bei mehr als
1,5 Millionen Vorsorgesparern und Vorsorgesparerinnen in
Höhe von insgesamt einer halben Milliarde Euro zurückgeholt
hat, und wie teilt sich die Anzahl der Rückforderungen auf die
drei möglichen Gründe – vorzeitig gekündigte Verträge, fal-
sche Angaben sowie veränderte Lebensumstände – auf?
H
Frau Kollegin Höll, eine genaue Aufschlüsselung der
Rückforderungsfälle ist nicht möglich. In den allermeis-
ten Fällen erfolgten Rückforderungen von Altersvorsor-
gezulagen in Fällen, in denen der Anleger sein Guthaben
schädlich verwendet hat. Das heißt, der Anleger hat sein
steuerwirksam gefördertes Altersvorsorgevermögen in
diesen Fällen abgehoben und zu anderen als zu Alters-
vorsorgezwecken verwendet, etwa zum Erwerb eines
Kfz oder für eine Urlaubsreise. Die Rückforderung der
Zulagen und der sonstigen steuerlichen Förderung ist in
einem solchen Fall natürlich unausweichlich. Auf sie
kann schon aus Gerechtigkeitserwägungen anderen An-
legern gegenüber nicht verzichtet werden. Unabhängig
vom Grund der Rückforderung der Zulage kann sich der
Anleger gegen die Rückforderung wehren. Er kann eine
Überprüfung der Rückforderung bei der Zulagenstelle
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11886 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011
)
in den Jahren vorher gewesen? Wird das, was geplant ist,auch dafür gelten? Noch steht die Prüfung für das Jahr2008 aus. Mit welcher Gesamthöhe an Rückforderungenrechnen Sie überhaupt?Ich hatte Sie gebeten, in etwa die Größenordnung derFallgruppen zu benennen. Dem sind Sie leider nichtnachgekommen. Die automatische Überweisung und dieautomatische Rückbuchung des Geldes sind im Hinblickauf die dargestellten Fälle – sie können über das Problemder fehlenden Voraussetzungen für die Zahlung der Al-tersvorsorgezulage im Rahmen der Elternschaft hinaus-gehen – schwierig. Die Betroffenen bekommen von derVersicherung, bei der sie einen Riester-Vertrag abge-schlossen haben, einen Brief. Das Geld wird dann ein-fach abgebucht. Diese Menschen haben jetzt überhauptkeine Möglichkeit, selbst zu überprüfen, wo es ihrerseitsFehler gab. Aus all dem ergibt sich die Frage: Fallen fürden, der merkt, dass es einen Fehler gegeben hat und dervielleicht nachzahlen möchte, dann noch einmal Gebüh-ren an? Wie ist das? Maklergebühren sind ja relativhoch. Wie wird das alles überhaupt gehandhabt? Mitwelcher Größenordnung, was die Rückforderungen an-geht, rechnen Sie?H
Frau Kollegin, wir sind zurzeit dabei, Zahlen über
diejenigen Fälle, über die wir gerade diskutieren, zu er-
heben.
Ich darf noch einmal sagen: Wir befinden uns in der
Abstimmung mit dem mitzuständigen Arbeitsministe-
rium und streben eine bürgerfreundliche, kulante Rege-
lung an. Das schließt ein, Frau Kollegin, dass wir ent-
sprechend informieren und dass wir die Handhabbarkeit
für alle Beteiligten so gestalten, dass das Ganze so ein-
fach, bürgerfreundlich und kulant wie möglich ist. Da-
rüber kann ich Ihnen heute noch nicht abschließend be-
richten, weil wir uns noch in Ressortabstimmungen
befinden. Sobald hier Entscheidungen getroffen worden
sind, werden wir die entsprechenden Ausschüsse und da-
mit das Parlament detailgenau unterrichten.
Sie haben eine weitere Nachfrage, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, ich bitte um eine zeitnahe Unter-
richtung bezüglich des Zeitraums 2008; denn da ist die
Anzahl der abgeschlossenen Riester-Verträge um ein
Drittel gestiegen.
Sie sagen, Sie wollen für eine bürgerfreundliche Re-
gelung sorgen. Dies war allerdings schon immer Ihr An-
sinnen. Das Wollen ist das eine, das Tun das andere. In
der Financial Times Deutschland ist eine grundsätzliche
Bewertung nachzulesen. Dabei geht es nicht um die
hohe Anzahl der fehlerhaft ausgefüllten Anträge; viel-
mehr liegt der Fehler offensichtlich im System der
Riester-Rente. Wie verhalten Sie sich dazu? Ich glaube,
mit einem bisschen Nachbessern – so gut es für die ein-
zelnen Betroffenen ist – wird das Problem des riesigen
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 11887
)
und Bürgerfreundlichkeit die Möglichkeit, bei dieserVielzahl von Fällen im Wege einer Billigkeitsprüfungauf Rückzahlungsforderungen zu verzichten, geradeauch angesichts des bürokratischen Aufwandes?H
Ich habe gerade angedeutet, Herr Kollege, dass wir
für diese Fallkonstellation, die im Fokus der Bericht-
erstattung des Bayerischen Rundfunks stand – Mütter
und Väter haben fälschlicherweise angenommen, über
ihre Ehegatten mittelbar zulagenberechtigt zu sein und
keine eigenen Beiträge leisten zu müssen –, für die Zu-
kunft eine bürgernahe und für die Vergangenheit eine
kulante Regelung anstreben.
Verehrter Herr Kollege, ich habe auch darauf hinge-
wiesen – ich möchte das unterstreichen –, dass diese
Fallkonstellation nach unserer bisherigen Kenntnis nur
bei einem kleinen Teil der von den Rückzahlungsforde-
rungen betroffenen Fällen gegeben ist, dass es sich in der
Masse um Fälle handelt, in denen Versicherte ihr
Riester-Konto für nicht der Altersvorsorge dienende
Maßnahmen im wahrsten Sinne des Wortes zweckent-
fremdet haben. Ich sage noch einmal: Es kann nicht hin-
genommen werden, schon allein aus Gerechtigkeitsgrün-
den, dass jemand staatlich geförderte Altersvorsorge für
Urlaubsreisen oder einen Kfz-Kauf verwendet.
Es kann keine Kulanz geben, wenn staatlich geförderte
Altersvorsorge zweckentfremdet worden ist.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes. Die Kollegin Staatsministerin Cornelia Pieper
steht für die Beantwortung zur Verfügung.
Die dringliche Frage 4 stellt der Kollege Günter
Gloser:
Welche vorherige Kenntnis hatte die Bundesregierung ge-
nau von der Reise des ehemaligen Staatsministers und Ge-
heimdienstkoordinators Bernd Schmidbauer letzte Woche
nach Libyen, und welche Konsequenzen wird die Bundes-
regierung aus den Ergebnissen seiner Gespräche ziehen?
C
Lieber Kollege Gloser, ich möchte Ihre dringliche
Frage wie folgt beantworten: Herr Schmidbauer hat die
Regierung lediglich telefonisch über seine Absicht in
Kenntnis gesetzt, nach Tunesien, nach Djerba, zu reisen,
wo er sich mit im Einzelnen nicht bekannten Libyern
treffen wollte. Er hat seine Reise auf eigene Initiative
unternommen. Er ist nicht im Auftrag der Bundesregie-
rung oder nach irgendeiner Art inhaltlicher Abstimmung
mit der Bundesregierung gereist. Daraus ergibt sich, dass
es eine Antwort auf Ihre Frage nach Konsequenzen nicht
geben kann.
Herr Gloser, Sie haben eine Nachfrage. Bitte schön.
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11888 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011
)
in dieser Woche dazu geäußert, dass wir uns über denBesuch kein Urteil erlauben werden, da es sich um einenprivaten Besuch handelt. Ich ergänze, dass es lediglicheine Nachfrage von Herrn Schmidbauer am Flughafen inDjerba in Tunesien bezüglich logistischer Unterstützunggab. Darüber hinaus hat es keinen Kontakt mit der Bun-desregierung gegeben.Was sich aus dem Besuch von Herrn Schmidbauer inLibyen im Weiteren ergibt, kann ich Ihnen an dieserStelle nicht sagen. Sie als Abgeordneter, der verantwor-tungsbewusst im Auswärtigen Ausschuss arbeitet, wis-sen, dass Informationen, wenn es denn welche gibt, ver-traulich behandelt werden und von Abgeordneten in derGeheimschutzstelle des Bundestages eingesehen werdenkönnen.
Herr Kollege Ströbele, bitte.
Frau Staatsministerin, wie kommen Informationen
über die Reise der Privatperson Schmidbauer in die Ge-
heimschutzstelle des Deutschen Bundestages, und über
wen? Wem hat er etwas mitgeteilt, oder welche Stelle
der Bundesregierung oder der Bundesregierung nachge-
ordnete Stelle hatte Kenntnisse darüber, die jetzt in der
Geheimschutzstelle niedergelegt worden sind? Warum
können Sie uns hier nicht sagen, erstens, mit wem er ge-
redet hat, und zweitens, was er geredet hat, wenn auch
nicht im Detail? Das würde mich interessieren.
C
Lieber Herr Kollege Ströbele, das würde uns wahr-
scheinlich alle sehr interessieren, welche Gespräche er
geführt und welche Informationen er erhalten hat. Ich
kann nur immer wieder sagen: Wenn es diese gibt, sind
sie vertraulich zu behandeln, und Sie können sie bei der
Geheimschutzstelle erhalten. Mehr kann ich dazu nicht
sagen.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Dr. Christoph Bergner
zur Verfügung.
Ich rufe die dringliche Frage 5 des Kollegen Wieland
auf:
Wird die Bundesregierung die anlässlich des in dieser Wo-
che stattfindenden EU-Justiz- und Innenministerrates vorge-
tragene Bitte des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 11889
)
ihre Bereitschaft erklärt haben, Flüchtlinge, die zurzeitin Libyen sind, aber ursprünglich aus anderen afrikani-schen Ländern stammen, aufzunehmen?D
Es haben bereits im Vorfeld des Rates Mitgliedstaa-
ten, in denen es Neuansiedlungsprogramme gibt, ihre
Aufnahmebereitschaft im Rahmen der von ihnen vor-
gegebenen Quoten erklärt. Das sind Schweden mit
200 Personen, Belgien mit 25 Personen und die Nieder-
lande mit circa 40 Personen.
Mir war es zunächst einmal wichtig, mit meiner Ant-
wort zu verdeutlichen, dass unsere Zurückhaltung nicht
etwa auf Ignoranz gegenüber den humanitären Heraus-
forderungen zurückzuführen ist. Wir geben aber gegen-
wärtig einer Lösung in der Region selbst den Vorrang.
Eine weitere Nachfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, Sie gehen auch bei den Flüchtlin-
gen, die es nach Lampedusa geschafft haben, davon aus,
dass es nicht nur vorrangige, sondern alleinige Aufgabe
des italienischen Staates sei, diese Flüchtlinge unter-
zubringen und zu versorgen. Welche Haltung nimmt da
eigentlich die Bundesregierung ein? Ihre Nachbarin auf
der Regierungsbank, Frau Pieper, hat nämlich exakt das
Gegenteil erklärt, indem sie die Behandlung der Flücht-
linge in Italien zu einer europapolitischen Frage und zu
einer Menschenrechtsfrage gemacht hat. Der Menschen-
rechtsbeauftragte der Bundesregierung, Herr Löning,
ging sogar noch weiter und machte den Vorschlag, für
zwei Jahre den Flüchtlingen den Aufenthalt in Europa
und eine Ausbildung zu ermöglichen.
Der Innenminister, wie ein Elefant im europäischen
Porzellanladen, macht Italien-Bashing; Italien ist immer-
hin ein Signatarstaat der Römischen Verträge. Er mus-
kelt auf und sagt, Italien solle gefälligst selbst damit
klarkommen. Das Auswärtige Amt sagt: Eigentlich gibt
es hier eine Zuständigkeit Europas. Wir müssen hier so-
lidarisch sein. – Welche Haltung hat denn nun die Bun-
desregierung?
D
Ich will erstens die Diskussionslage im JI-Rat dahin
gehend beschreiben, dass Italien, was seinen Umgang
mit diesem Problem angeht, innerhalb der Mitgliedstaa-
ten isoliert war.
Zweitens. Es gibt keine Diskrepanz zu der Feststel-
lung, dass es sich hier um eine europäische Herausforde-
rung handelt, dahin gehend, dass Italien vom Europäi-
schen Flüchtlingsfonds Mittel beantragt hat und sie nach
meiner Kenntnis in Höhe von 9 Millionen Euro erhalten
hat. Vor diesem Hintergrund erscheint es allerdings ver-
wunderlich, dass sich Italien zu einer Lösung versteigt,
den betroffenen Flüchtlingen gewissermaßen nationale
Aufenthaltsdokumente zu erteilen, die teilweise auch
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Frau Müller, bitte.
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Also, selbst das Innenministerium ist der Meinung,
ass es europäische Solidaritätspflichten gibt; hört, hört!
Es gibt auf europäischer Ebene eine Richtlinie, die er-
öglicht, Bürgerkriegsflüchtlinge vorübergehend aufzu-
ehmen. Lege ich die Analyse des Ministeriums Ihrer
achbarin auf der Regierungsbank zugrunde, herrscht in
ibyen ein Bürgerkrieg. Ich frage jetzt die Bundesregie-
ng, warum sie sich auf dem JI-Rat nicht dafür einsetzt,
ass sich die EU zur Aufnahme von Kontingenten im
ahmen eines solchen Bürgerkriegsstatus oder zur vo-
bergehenden Schutzgewährung bereit erklärt. Das
äre europäische Lastenteilung. Sie haben hier nur von
umanitärer Hilfe geredet. Das ist ein ganz anderes Ka-
itel.
D
Ich will zunächst einmal sagen, dass die Diskrepanznerhalb der EU-Mitgliedstaaten über das sogenannteesettlement-Programm darin besteht, ob die Aufnahmeon Flüchtlingen auf der Basis vorfestgelegter Quotenwas nicht die Meinung von Deutschland ist – oder aufer Basis von Ad-hoc-Entscheidungen erfolgen soll –as die Position Deutschlands und, wenn ich es richtigehe, der Mehrheit der Mitgliedstaaten ist. Ich halte denexiblen Umgang, der auf der Basis von Ad-hoc-Ent-cheidungen erfolgt, für den angemesseneren Umgangit der Vielfalt der unterschiedlichen zu erwartendenrobleme.Ich sage noch einmal: Ich halte es für absolut unange-essen, der Bundesregierung aufgrund dieser gegenwär-gen Position – ich habe darauf hingewiesen, dass dieeitere Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit ver-
Metadaten/Kopzeile:
11890 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011
Parl. Staatssekretär Dr. Christoph Bergner
)
)
folgt wird – gewissermaßen Ignoranz gegenüber derhumanitären Herausforderung zu unterstellen.
Frau Dağdelen, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – In der letzten Woche
– wir haben das schon vorher erfahren – konnte man in
der Presse nachlesen, dass die EU im Ministerrat im
schriftlichen Verfahren einen Vorratsbeschluss zu einer
Militäroperation der Europäischen Union, EUFOR
Libya, gefasst hat. Zunächst einmal soll eine Anfrage
des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung
humanitärer Angelegenheiten unter Herrn Ban Ki-moon
abgewartet werden. Dies wurde zur Voraussetzung für
die Mission erklärt. In diesem Zusammenhang wurde
bereits im Vorfeld, aber auch danach seitens der Bundes-
regierung erklärt, dass dieser Vorratsbeschluss zur Un-
terstützung der humanitären VN-Hilfeleistungen gefasst
worden ist, zum Teil auch als Beitrag zum sicheren
Transport und zur Evakuierung von Flüchtlingen.
In diesem Zusammenhang möchte ich Sie gern fra-
gen: In diesem Krisenmanagementkonzept für die Mis-
sion ist eine enge Kooperation mit Einsätzen von Fron-
tex als notwendig erachtet worden. Das Anhalten, Entern
und Durchsuchen von Schiffen ist vorgesehen. Für wie
vereinbar halten Sie eigentlich die Unparteilichkeit als
wichtigstes Prinzip humanitärer Hilfe – auch laut Ärzte
ohne Grenzen – damit, dass Sie auf der einen Seite Sol-
daten hinschicken werden und auf der anderen Seite vor-
geben, Flüchtlingen in Libyen und den humanitären
Hilfsorganisationen, die dort im Moment helfen, huma-
nitäre Hilfe zu leisten?
D
Frau Kollegin, zunächst einmal folgender Hinweis:
Ich behandle die Frage nach dem EUFOR-Einsatz und
dem entsprechenden Votum nur aus der begrenzten Per-
spektive des von mir zu vertretenden Ressorts.
Ich will darauf aufmerksam machen, dass gerade die
angesprochene Entscheidung als ein Zeichen der Bereit-
schaft zu werten ist, sich auch im Falle einer weiteren
Zuspitzung für den humanitären Einsatz, wenn nötig,
auch mit einer entsprechenden militärischen Absiche-
rung, einzusetzen. Das heißt: Gerade diese Entscheidung
belegt, dass wir die humanitären Herausforderungen, die
im Zuge der Entwicklungen in Libyen einstweilig auftre-
ten, ernst nehmen und angemessen darauf reagieren wol-
len.
Herr Ströbele, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben die Frage der Kollegin
Müller leider nicht beantwortet. Deshalb frage ich nach:
Ist die Bundesregierung bereit, ein bestimmtes Kontin-
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Herr Kollege Ströbele, ich mache Sie darauf aufmerk-
am, dass die rechtlichen Voraussetzungen des § 23 Auf-
nthaltsgesetz eine Einbeziehung der Bundesländer not-
endig macht; diesen Hinweis wollte ich geben.
Ansonsten glaube ich, die Frage mit dem Satz, den
h gern wiederhole, beantwortet zu haben: Nach Auf-
ssung der Bundesregierung soll die humanitäre Hilfe
r die Flüchtlinge zunächst in der Region erfolgen. Das
t keine Antwort nach dem Ja-oder-Nein-Schema; aber
s ist trotzdem eine Antwort auf die gestellte Frage.
Der Kollege Schmidt, bitte.
He
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn Italien Reisedokumente
r Flüchtlinge ausstellt, könnten wieder Kontrollen an
en deutschen Grenzen eingeführt werden. An den
renzen zu welchen Ländern gedenkt die Bundesregie-
ng gegebenenfalls solche Kontrollen einzuführen: an
en EU-Binnengrenzen zu Frankreich oder Tschechien
der an der Grenze zur Schweiz? Gibt es schon Gesprä-
he mit den betroffenen Ländern darüber, dass man das
tzt – ich sage einmal: mitten in der Osterreisezeit – er-
ägt?
D
Zunächst einmal ein Hinweis: Sie berufen sich auf die
ußerungen eines Landesinnenministers.
Ich betrachte die Einführung von Grenzkontrollen in-
erhalb des Schengen-Raums als eine Ultima Ratio, für
ie gegenwärtig kein Anlass besteht. Die Bundespolizei
rbeitet mit erhöhter Aufmerksamkeit. Ansonsten wis-
en wir angesichts der engen Regelungen des Schenge-
er Durchführungsübereinkommens, dass wir nicht von
iner dauerhaften Wiedereinführung eines Grenzregimes
usgehen können.
Herr Kollege Fischer, bitte.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 11891
)
)
Herr Staatssekretär, die Innenminister der EU sollen
Gespräche mit dem Übergangsrat in Tunesien zu einem
möglichen Rückführungsabkommen geführt haben, da
es sich in dem Bereich weitestgehend um Wirtschafts-
flüchtlinge handelt. Können Sie etwas über den Stand
dieser Verhandlungen sagen?
D
Mir ist bekannt, dass mit Italien, dem hauptsächlich
betroffenen Land – in Lampedusa sind überwiegend tu-
nesische Flüchtlinge angekommen –, ein Rückübernah-
meabkommen geschlossen wurde, das die Rückführung
von 60 Flüchtlingen pro Tag vorsieht. Dies kann im Rah-
men der EU-rechtlichen Voraussetzungen getan werden.
Ich will darauf aufmerksam machen, dass es sich hier
vielfach um Personen handelt, bei denen zu erwarten ist,
dass sie nach den erfolgreichen revolutionären Bewe-
gungen in Tunesien für den Aufbau des demokratischen
Gemeinwesens vor Ort gebraucht werden.
Frau Keul.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Ich möchte auf
die EU-Richtlinie zurückkommen, die die Kollegin
Müller vorhin erwähnt hat. Nach dieser Richtlinie ist es
möglich, Ausländern vorübergehend Schutz in Europa
zu bieten. Ich möchte Sie fragen: Was sind denn die ma-
teriell-rechtlichen Voraussetzungen für einen solchen
Schutz? Sind sie in diesem Falle nicht gegeben und
wenn nein, warum nicht?
D
Sie wissen, dass es über diese Frage Diskussionen
gibt. Die Voraussetzungen sind letztlich diejenigen, die
in der Flüchtlingskonvention niedergelegt sind. Die Ent-
scheidung über die Aufnahmequote liegt beim jeweili-
gen Mitgliedstaat.
Frau Jelpke, bitte.
Danke, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, wie
wollen Sie als unparteiisch gelten und als humanitärer
Helfer wahrgenommen werden, wenn Sie Soldaten nach
Libyen schicken und gleichzeitig in der Grenzregion
Frontex einsetzen? Gerade das sind doch Symbole der
Abschottung.
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inen Blick in die Regelungen des Schengener Durch-
hrungsübereinkommens.
h kann Ihnen versichern, dass wir uns an diese Regelun-
en gebunden fühlen. Da sind die Voraussetzungen und
ie Zeitdauer für die Einführung von Grenzkontrollen in-
erhalb des Schengen-Raumes sehr eng definiert. Insofern
ind manche der Äußerungen, die in diesem Zusammen-
ang getan werden, und auch die Spekulation, die in Ihrer
rage liegt, aus meiner Sicht völlig unbegründet.
Frau Scheel, bitte.
Metadaten/Kopzeile:
11892 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011
)
)
Herr Staatssekretär, was der Kollege Ott Sie gerade
gefragt hat, ist mehr als begründet, und zwar deswegen,
weil Ihr Minister in den letzten Tagen mehrmals im Zu-
sammenhang mit dem Schengener Abkommen öffent-
lich darüber gesprochen hat, Grenzkontrollen einzufüh-
ren. Dadurch zwingt sich regelrecht der Eindruck auf,
dass sich der Minister von der einen oder anderen Über-
legung, die im Schengener Abkommen formuliert ist,
distanziert hat.
Zur konkreten Frage. Sie sprachen von Grenzkontrol-
len nur als Ultima Ratio, einen Halbsatz später hieß es
aber, dass Grenzkontrollen nicht dauerhaft eingesetzt
werden sollen. Deswegen würde uns in diesem Zusam-
menhang interessieren, inwieweit die Bundesregierung
zum einen derartige Grenzkontrollen erwogen hat und
ob sie uns zum anderen jetzt endlich einmal sagen kann,
wie sie sich im Zusammenhang mit den Flüchtlingen
überhaupt verhalten will.
D
Frau Kollegin, zunächst einmal: Für vertiefende Aus-
künfte empfehle ich das Gespräch mit Ihren Kolleginnen
und Kollegen aus dem Innenausschuss. Der Innenminis-
ter hat erst vor einer Stunde im Innenausschuss hierzu
Rede und Antwort gestanden.
Ich denke, jeder, der ihn gehört hat, weiß, dass er gegen-
wärtig nicht von der Einführung von Grenzkontrollen
ausgeht.
Gleichwohl bestand im Innenausschuss Einigkeit da-
rüber – und ich hatte den Eindruck, fraktionsübergrei-
fend –, dass das Verhalten der italienischen Regierung in
dieser Frage nicht akzeptabel ist und dass es geeigneter
Instrumente braucht, darauf hinzuweisen.
Man kann seinen Verpflichtungen gegenüber Flücht-
lingen nicht dadurch gerecht werden, dass man ihnen
plötzlich Aufenthaltstitel gibt und die Weiterreise inner-
halb des Schengen-Raums empfiehlt. Das ist unange-
messen und entspricht nicht den Loyalitätsverpflichtun-
gen innerhalb der Europäischen Union. Die eine oder
andere Äußerung, die als Reaktion darauf in der Öffent-
lichkeit festzustellen ist, deute ich in dieser Hinsicht. Es
gibt aber keine ernsthafte Absichtsbezeichnung des Bun-
desinnenministers, unmittelbar jetzt Grenzkontrollen im
Schengen-Raum einzuführen.
Jetzt bitte der Kollege Schick.
Ich würde gern auf Ihre Antwort auf die Frage des
Kollegen Fischer zurückkommen, auch wenn die Frage,
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stimmten Situationen solche Regelungen vornehmen zumüssen.Ich sage aber noch einmal: Das Schengener Überein-kommen setzt einen engen Rahmen, und wir haben nichtdie Absicht – ich sprach von der Ultima Ratio –, diesenRahmen in irgendeiner Weise zu verletzen. Wir habennicht die Absicht, uns in irgendeiner Weise nicht kon-form zum Schengener Übereinkommen zu verhalten.
Frau Haßelmann zur Geschäftsordnung.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär
Bergner, insbesondere Ihre Antworten auf die Fragen
nach der Konkretisierung des Flüchtlingsstatus, zur Be-
reitschaft Deutschlands zur Aufnahme von Flüchtlingen
sowie zu den Quoten und Ihre Antwort, was das Schen-
gener Durchführungsübereinkommen und die Grenz-
kontrollen angeht – Sie haben sich diesbezüglich öffent-
lich hinreichend geäußert –, machen uns deutlich, dass
Sie nicht in der Lage oder nicht bereit sind, die Fragen
meiner Kolleginnen und Kollegen zutreffend und um-
fangreich zu beantworten. Deshalb beantrage ich gemäß
Anlage 5 Nr. 1 Buchstabe b unserer Geschäftsordnung
unter anderem wegen der Aktualität des Themas eine
Aktuelle Stunde nach § 106 Abs. 1.
: Das wusstet ihr
vorher schon!)
– Er hätte uns ja überzeugen können!
D
Frau Kollegin!
Entschuldigung, das war ein Beitrag zur Geschäfts-
ordnung. Insofern ist das jetzt mein Part. Aber Sie kön-
nen auch gerne etwas dazu sagen. Sie können sich gerne
zu Wort melden, wenn Sie das möchten.
D
Ich will bloß sagen, dass mich dieser Antrag nicht
überrascht.
Das entspricht den Richtlinien für die Aktuelle
Stunde. Das entspricht, wie deutlich gemacht, Anlage 5
Nr. 1 Buchstabe b unserer Geschäftsordnung. Die Aus-
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Malta ankommenden Flüchtlingen, und ist sie dazu bereit, die
Rückschiebungen von Asylsuchenden nach Malta im Rahmen
des Dublin-II-Verfahrens auszusetzen?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bitte.
D
Herr Kollege Kilic, ich beantworte Ihre Frage wie
lgt: Bund und Länder sind bereit, 100 Flüchtlinge, die
ich derzeit auf Malta aufhalten, zu übernehmen.
arüber hinaus sind derzeit keine weiteren Übernahme-
ktionen geplant. Im Rahmen der Anwendung der
ublin-Verordnung wird bereits seit 2009 zugunsten be-
onders schutzbedürftiger Personen, für die eine Zustän-
igkeit Maltas gegeben ist, vom Selbsteintrittsrecht Ge-
rauch gemacht. In den vergangenen 15 Monaten
urden lediglich 13 Personen nach Malta überstellt.
ine Aussetzung von Überstellungen nach der Dublin-
erordnung ist vor dem Hintergrund der geringen Fall-
ahl nicht angezeigt. Die Bundesregierung beobachtet
ie Lageentwicklung in Malta weiterhin mit großer Auf-
erksamkeit.
Herr Kilic, Sie haben eine Nachfrage?
Frau Präsidentin, ich habe eine Nachfrage.
Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, manchmal ist auch eine nicht ge-ebene Antwort eine Antwort, so in diesem Fall.
Ich war im Mai 2010 mit Kolleginnen und Kollegenom Innenausschuss in Libyen und Malta, um Flücht-ngsströme zu beobachten und Gespräche zu führen.amals haben wir Verbindungsbeamte vom Bundesamtr Migration und Flüchtlinge in Malta getroffen. Sieagten, dass man zur Notlinderung 100 Flüchtlinge ausalta aufnehmen wolle. Da Ihre Antwort nicht konkretar, gehe ich davon aus, dass Deutschland immer nochabei ist, dieses alte Versprechen einzulösen und00 Flüchtlinge aufzunehmen. Ich frage konkret: Wieiele Asylsuchende wurden in den Jahren 2007 bis 2010on Deutschland im Rahmen des Dublin-II-Verfahrensn Malta rücküberstellt?
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11894 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011
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Herr Kollege Kilic, ich kann Ihnen die Zahl nennen,
die in meiner Antwort steht. In den vergangenen
15 Monaten handelte es sich um 13 Personen. Ich bin
gern bereit, Ihnen, wenn Sie die Jahre 2007, 2008 und
2009 in den Blick nehmen wollen, schriftlich eine Aus-
kunft darüber zu geben.
Ich sage noch einmal: Zur solidarischen Lösung des
Problems in Malta muss man, glaube ich, zwei Instru-
mente betrachten. Das eine ist der Selbsteintritt, den wir
mit der Übernahme der 100 Personen ausüben, das an-
dere ist die Dublin-Verordnung, die ein prinzipielles Ver-
fahren zur Aufnahme von Asylsuchenden vorsieht und
nach Auffassung der Bundesregierung keinen Vertei-
lungsmechanismus für Asylsuchende innerhalb der
Europäischen Union vorsieht. Aus diesem Grunde kann
ich auf Ihre Nachfrage – ich glaube, dass meine Antwort
gerade deutlich genug war – nur noch einmal antworten,
dass wir im Rahmen des Selbsteintritts 100 Personen
aufnehmen und dass wir die Dublin-Regelung nicht aus-
setzen wollen. Dazu sehen wir jedenfalls gegenwärtig
keinen Anlass.
Herr Kilic, Sie haben noch eine weitere Nachfrage? –
Bitte sehr.
Ich habe eine weitere Nachfrage, Herr Staatssekretär.
Haben sich andere Mitgliedstaaten der EU bereit erklärt,
Flüchtlinge aus Malta aufzunehmen? Wenn ja, welche
Staaten und welche Anzahl?
D
Ich habe in meinen Unterlagen keine Angaben über
die Aufnahmebereitschaft anderer Staaten. Auch das
müsste ich Ihnen schriftlich nachliefern.
Danke.
Nach den dringlichen Fragen rufe ich jetzt die Fragen
auf Drucksache 17/5421 in der üblichen Reihenfolge
auf.
Zunächst kommen wir zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie.
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staats-
sekretär Ernst Burgbacher bereit.
Die Fragen 1 und 2 des Kollegen Garrelt Duin werden
schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 3 der Kollegin Wicklein:
Welche konkreten Ergebnisse haben der „Neun-Punkte-
Plan für den Mittelstand“ sowie die Initiative für den Mittel-
stand „Auf den Mittelstand setzen: Verantwortung stärken –
Freiräume erweitern“ gebracht?
Bitte schön.
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men sehr wichtig ist. Bis jetzt ist eine Umsetzung ausge-blieben, und es gibt verschiedene Aussagen von Mit-gliedern der Regierungsfraktionen, die sich gegenseitigwidersprechen. Die Forschungspolitiker sagen, dass siean diesem Vorhaben festhalten; andere sagen, dass essich dabei um Subventionen handelt, die man abbauenwill. Mich würde interessieren, wie die Haltung der Bun-desregierung zu diesem aus meiner Sicht sehr wichtigenInstrument ist.E
Frau Kollegin Wicklein, eine ganz klare Aussage: Wir
haben zu diesem Thema im Koalitionsvertrag eine Ver-
einbarung getroffen. Die Bundesregierung hat deutlich
gemacht: Oberste Priorität hat die Haushaltskonsolidie-
rung. Sie alle kennen die angespannte Finanzlage und
die Sondertatbestände, die so nicht zu kalkulieren waren.
Deshalb haben wir klar festgelegt: Oberste Priorität hat
die Haushaltskonsolidierung. Wenn sich im Rahmen der
Haushaltskonsolidierung Freiräume ergeben, dann wer-
den andere Themen wie die steuerliche Entlastung und
die steuerliche Forschungsförderung wieder auf den Plan
kommen. Im Augenblick aber hat die Haushaltskonsoli-
dierung, wie gesagt, Vorrang, weil unsere Zukunftsfähig-
keit insgesamt dadurch am ehesten garantiert werden
kann.
Sie haben keine weitere Nachfrage zu dieser Frage.
Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Wicklein auf:
Mit welchen konkreten Maßnahmen will die Bundesregie-
rung die innovativen Gründungen in Deutschland unterstüt-
zen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
E
Frau Kollegin Wicklein, mit der Initiative „Gründer-
land Deutschland“ des Bundesministeriums für Wirt-
schaft und Technologie setzt sich die Bundesregierung
dafür ein, dass mehr Menschen in Deutschland den
Schritt in die Selbstständigkeit wagen und die Grün-
dungskultur in Deutschland gestärkt wird. Im Rahmen
dieser Initiative kommt innovativen Gründungen eine
besondere Bedeutung zu. Die Maßnahmen der Bundes-
regierung zur Unterstützung innovativer Gründungen
konzentrieren sich auf einen erleichterten Zugang dieser
Unternehmen zu Finanzierungen.
Ich möchte zwei Bereiche ansprechen.
Erstens. Das Programm „Existenzgründungen aus der
Wissenschaft“, abgekürzt EXIST, hat zum Ziel, das
Gründungsklima und den Gründungsprozess an Hoch-
schulen und Forschungseinrichtungen in Deutschland zu
verbessern. Mit den entsprechenden Teilmaßnahmen zur
Unterstützung von Ausgründungen mobilisiert das BMWi
im Jahr gut 200 Ausgründungsprojekte mit einem Volu-
men von gut 20 Millionen Euro pro Jahr. Ergänzend
richtet sich die Maßnahme „GO-Bio“ des Bundesminis-
teriums für Bildung und Forschung an gründungsbereite
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Trägern der Sozialhilfe. Das sind im Regelfall die Kreiseoder kreisfreien Städte.Zur dritten Kategorie: Die für die Kinderzuschlags-und Wohngeldbezieher zuständigen Stellen müssen vonden jeweiligen Ländern benannt werden. Dies ist im Au-genblick zum Teil noch nicht geschehen. Daher gibt eshier zur Erleichterung eine Sonderregelung. Bis zum31. Mai 2011 können Kinderzuschlags- und Wohngeld-bezieher die Anträge auf Leistungen aus dem Bildungs-paket bei ihrer örtlich zuständigen Familienkasse bean-tragen. Diese leitet die Anträge an die zuständige Stelleweiter.Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber noch auf et-was Grundsätzliches hinweisen. Der Staat erwartet vomBürger nicht, dass er diffizile Kenntnisse in Bezug aufdie Frage hat, wo er einen Antrag zur Erreichung einerSozialleistung stellen soll. Deshalb gibt es eine Grund-satznorm, die sich im Sozialgesetzbuch I § 13 ff. befin-det. Diese Norm besagt, dass ein Antrag, der an einenichtzuständige Stelle geleitet wird, unverzüglich vondieser Stelle an den zuständigen Leistungsträger weiter-zugeben ist. Oder der Antragsteller muss ersatzweiseeine Auskunft erhalten, wer die zuständige Stelle ist undwo sie sich befindet. Insoweit ist gesichert, dass der Bür-ger nicht alleingelassen wird.Sie haben noch eine zweite Frage zu Informationengestellt. Die beantworte ich später. Auf jeden Fall ist dieGrundlage gegeben, dass auch zum jetzigen Zeitpunktfür alle Betroffenen eine Anlaufstelle gesichert ist.
Frau Dittrich, Sie haben eine Nachfrage.
Vielen Dank. – Herr Staatssekretär Fuchtel, ich habe
mich gefreut, dass Sie eine so ausführliche Beantwor-
tung vornehmen konnten. Auch hoffe ich, dass viele
Bürger nun in Bezug auf Staatsbürgerkunde gelernt ha-
ben. Man kann also bei jeder Behörde, auch wenn sie
nicht zuständig ist, einen Antrag – notfalls auch formlos –
abgeben. Das finde ich gut.
Ich habe aber noch eine Frage: Müssen für die rück-
wirkende Nachzahlung ab 1. Januar von den Menschen
gesonderte Nachweise erbracht werden? Es war ja ein-
mal eine Behauptung Ihres Ministeriums, dass dem so
sei. Die Arbeitslosengruppen der Gewerkschaften haben
gesagt, das sei nicht der Fall. Was sagen Sie denn dazu?
H
Ich kann nur darauf hinweisen, dass die Antragsunter-
lagen natürlich schlüssig sein müssen. Wenn sie nicht
vollständig sind, dann werden, wie bei all diesen Fällen,
entsprechende Nachfragen gestellt. Die Anträge müssen
dann vervollständigt werden.
Sie haben eine weitere Nachfrage, Frau Dittrich.
Bitte.
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Wenn Sie das genau wissen wollen: Das habe ich jetzterade noch kurz im Internet ermittelt.Im Übrigen möchte ich generell darauf hinweisen,ass die Bürgerinnen und Bürger im Lande, die Informa-onen benötigen, dieses Bürgertelefon auch für andereragen zur Sozialpolitik nutzen können, für die dasMAS zuständig ist. Wenn ich das richtig in Erinnerungabe, gab es im letzten Jahr 700 000 Anrufe. Daraus istrsichtlich, dass wir mit diesem Bürgertelefon eine sehrichtige Aufgabe erfüllen.Darüber hinaus sind wir natürlich auch im Internetktiv. Unter www.bildungspaket.bmas.de können Sieich ebenfalls die entsprechenden Informationen besor-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 11897
Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel
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gen. Daneben haben wir für die verschiedenen Zielgrup-pen Informationsmaterialien entwickelt, die nicht nurheruntergeladen, sondern auch bestellt werden können.Diese Materialien werden auch über die Verantwortli-chen für die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepa-kets vor Ort als Erstinformation kostenlos angeboten.Darüber hinaus hat das BMAS am 29. März 2011 ineiner Pressemitteilung nochmals auf die Möglichkeit derAntragstellung und die Ende April ablaufende Frist fürdie rückwirkende Beantragung hingewiesen und aufdiese Weise in den Medien umfassend darauf aufmerk-sam gemacht.Ähnliche Informationen gibt es auch noch bezüglichder anderen beiden Segmente, die ich vorhin angespro-chen habe. Kinderzuschlags- und Wohngeldbezieher in-formiert das Bundesministerium für Familie, Senioren,Frauen und Jugend in Broschüren, in Infobriefen undüber das Serviceprotal www.familien-wegweiser.de überdie Leistungen. Darüber hinaus informieren die zustän-digen Familienkassen im Rahmen des Verwaltungsvoll-zugs zum Kinderzuschlag über die Möglichkeit, vor derendgültigen Feststellung der zuständigen Stellen durchdie Länder übergangsweise bis zum 31. Mai 2011 beiden örtlich zuständigen Familienkassen Anträge einzu-reichen. Bezieher von Kinderzuschlag und Wohngeldwerden auch über das Informationsmaterial des BMASangesprochen.Das sind alle Kategorien, die ich am heutigen Tage zubenennen habe.
Ihre Nachfrage. – Sie werden sicherlich prüfen, in-
wieweit die Telefonnummer, die der Staatssekretär ange-
geben hat, richtig ist. Bitte teilen Sie ihm auch mit, wie
oft aus der Fraktion angerufen wurde.
Bitte schön.
Vielen Dank, dass Sie mich für so gründlich halten.
Ich hoffe, auch die Arbeitslosengeldempfänger werden
zu schätzen wissen, was Herr Fuchtel ausgeführt hat.
Meine Frage ist: Wenn das Gesetz erst Ende März öf-
fentlich bekannt gegeben worden ist, halten Sie dann
trotz aller Informationsversuche durch Internet und
Presse die Fristen von einem Monat für die einen bzw.
bis Ende Mai für die anderen nicht für etwas kurz? Hal-
ten Sie sie nicht gerade für diejenigen, die das Geld am
dringendsten brauchen, nämlich die Arbeitslosengeld-II-
Empfänger und die Empfänger der Grundsicherung
– das sind oft Frauen mit Kindern unter drei Jahren, die
nicht arbeiten gehen können und dies auch nicht müs-
sen –, für sehr kurz?
In diesem Zusammenhang habe ich einen Verbesse-
rungsvorschlag. Wäre es nicht besser, allen Leistungs-
empfängern, die ohnehin halbjährlich überprüft werden,
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Zunächst möchte ich sagen, dass die Bundesregierung
merhin die gesamte Jobcenterreform in sehr kurzer
eit realisiert hat. In den Jahren zuvor gab es ja lange
iskussionen ohne Ende.
Zweitens ist die Hartz-IV-Reform inklusive Bildungs-
aket in einer sehr kurzen und intensiven Beratungszeit
ewältigt worden. Das Verfahren im Vermittlungsaus-
chuss hat das Ganze eher in die Länge gezogen. Ande-
nfalls wäre der Vorlauf zur Umsetzung größer gewe-
en.
Drittens sind, denke ich, durch die Beratung die neu
eschaffenen Möglichkeiten bis in jeden Haushalt hinein
ekannt geworden. Wenn ich als Abgeordneter in meiner
prechstunde mit diesem Thema zu tun habe, stelle ich
mer wieder fest, dass die Betroffenen sehr gründlich
formiert sind.
Im Übrigen arbeiten wir in unserem Hause daran, wie
ir die weitere Entwicklung möglichst unbürokratisch,
hne zusätzlichen Aufwand und möglichst bürger-
eundlich gestalten können. Dazu sind alle Vorschläge
uf dem Tisch, die es abzuwägen gilt. Dazu gehören
uch die von Ihnen jetzt gemachten Vorschläge.
Insoweit ist das keine völlig neue Erkenntnis. Aber es
t zu begrüßen, wenn sich Mitglieder des Parlaments
it konkreten Vorschlägen an die Regierung wenden.
Wie ich nicht nur Ihrem Gesichtsausdruck entnehme,ind Sie mit der Antwort des Parlamentarischen Staats-ekretärs zufrieden.Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-inisteriums für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-raucherschutz. Zur Beantwortung steht der Parlamenta-sche Staatssekretär Peter Bleser zur Verfügung.Die Frage 9 des Kollegen Rolf Schwanitz und dieragen 10 und 11 der Kollegin Sabine Zimmermannerden schriftlich beantwortet.
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11898 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011
Vizepräsident Eduard Oswald
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Wir kommen damit zur Frage 12 der Kollegin RitaSchwarzelühr-Sutter:Wie viele Referenten sind im Bundesministerium für Er-nährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit der Erar-beitung einer Strategie zur Eindämmung von Spekulationenmit Agrarrohstoffen beschäftigt, und hält die Bundesregierungdiese personelle Ausstattung für ausreichend?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Pe
Vielen Dank. – Frau Kollegin Schwarzelühr-Sutter,
Ihre Frage beantworte ich natürlich gerne. Es geht um
Spekulationen auf den Agrarrohstoffmärkten und darum,
welche personellen Konsequenzen die Bundesregierung
daraus zieht.
Mit der Erarbeitung einer Strategie zur Eindämmung
von Spekulationen mit Agrarrohstoffen sind im BMELV
abteilungsübergreifend mehrere Organisationseinheiten
befasst. Da sich in den betroffenen Organisationseinhei-
ten mehrere Referentinnen und Referenten mit unter-
schiedlichen Zeitanteilen mit diesem Thema beschäfti-
gen, kann eine präzise Stellenzahl nicht genannt werden.
Die Aufgabe kann grundsätzlich unter Einbindung des
Forschungsbereichs mit dem vorhandenen Personal be-
wältigt werden.
Zusätzlich wird derzeit eine externe Ausschreibung
zur befristeten Einstellung einer Referentin/eines Refe-
renten durchgeführt. Die Referentin/der Referent soll
über wissenschaftlich-theoretische und berufspraktische
Erfahrungen im Bereich Warenterminmärkte und Deri-
vatehandel verfügen. Damit soll die Fachkompetenz im
Referat „Strategie und Koordinierung“ der Abteilung
„Ländliche Entwicklung, Agrarmärkte“ verstärkt wer-
den. Dieses Referat ist mit der Erarbeitung von Strate-
gien und Analysen der Agrarmärkte befasst.
Eine Nachfrage, bitte schön.
Se
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weiß man, wie viele
Experten außerhalb der Ministerien, also aus der Wirt-
schaft, mitarbeiten?
Pe
Selbstverständlich werden alle möglichen Experten,
deren Rat wir einholen können, befragt. Diese Rat-
schläge werden in die Bewertung aufgenommen.
Zusatzfrage.
Ja. – Sind denn auch aus den Finanzmärkten bzw. aus
dem Bankenbereich Experten mit dabei?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 11899
)
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Das alles hört sich
leider sehr vage an. Alles wird auf die nächste Förder-
periode der EU geschoben. Was den zweiten Teil der
laufenden Förderperiode betrifft, scheint es keine Re-
aktion zu geben. Wir beobachten nicht nur, dass sich
strukturschwache ländliche Räume entleeren, sondern
auch, dass sich der Bevölkerungsanteil der älteren, der
ärmeren und der bildungsfernen Menschen erhöht.
Hinzu kommt, dass der Anteil der Kranken steigt. Es ist
eine Abwehrpolitik nötig, um das Auseinanderdriften
der Lebensverhältnisse in diesen Regionen zu verhin-
dern. Eine Anpassungspolitik genügt nicht. Deswegen
frage ich Sie: Wie sind denn die Empfehlungen der inter-
ministeriellen Arbeitsgruppe zur ländlichen Entwicklung
aus der letzten Legislaturperiode dazu von den Ländern
aufgenommen worden? Sind sie schon in den Förderka-
non der GAK eingebaut worden?
Pe
Sehr verehrte Frau Kollegin Behm, insbesondere
Finanzierungsinstrumente wie Regionalbudgets oder re-
volvierende Fonds können eine ergänzende Möglichkeit
für Landkreise oder Kommunen sein, öffentliche Mittel
für eine nachhaltige und zielgerichtete regionale Ent-
wicklung einzusetzen. Sie können dazu beitragen, das
finanzielle Engagement auch von Unternehmen, Stiftun-
gen oder Verbänden zu steigern. Über die Anwendung
dieser Instrumente entscheiden natürlich die Länder. Ich
weise darauf hin, dass dies ein Prozess ist, der gemein-
sam mit den Ländern und Kommunen in Gang gesetzt
werden muss. Die Beachtung des Grundsatzes „Innen-
entwicklung vor Außenentwicklung“ und die Schaffung
einer wirtschaftlichen Existenz für die Bürger in den
ländlichen Räumen sind die entscheidenden Vorausset-
zungen dafür, um die Menschen vor Ort zu halten.
Sie haben eine Nachfrage, Frau Kollegin Behm.
Da haben Sie meines Erachtens ganz recht, aber das
Instrument wird bisher unzureichend eingesetzt. Es gibt
schon die Möglichkeit, Regionalbudgets einzusetzen.
Wir hatten unlängst in der Fraktion dazu ein Fachge-
spräch. Es hat sich gezeigt, dass das relativ wenig ge-
nutzt wird. Deswegen eine weitere Frage zu Ihren Ge-
sprächen mit den Ländern: Wie verliefen diese in Bezug
auf die Frage, wie man den Regionen im Rahmen der
GAK mehr Entscheidungskompetenz und vor allen Din-
gen mehr Finanzhoheit übertragen kann?
Pe
Frau Kollegin Behm, Sie wissen, dass die Verteilung
der GAK-Mittel an die entsprechenden Interessenten
über die Länder erfolgt. Dort ist auch die Gestaltung der
Programme vorzunehmen. Wir stellen lediglich einen
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11900 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011
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Nachfrage, Herr Kollege?
Eine Nachfrage: Ist diese Maschine nach Ihrem jetzi-
gen Erkenntnisstand auf einer genehmigten Flugroute
unterwegs gewesen, oder etwa nicht?
C
Herr Kollege Schäfer, ich muss Sie bezüglich dieser
Frage, die – mittelbar oder unmittelbar – für die Unfall-
ursache relevant sein kann, darauf verweisen, dass ich
Ihnen noch keine gefestigten Informationen vortragen
kann. Ich möchte auch darauf verzichten, in halbspeku-
lativer Art und Weise zu berichten oder zu räsonieren.
Ich bitte darum, dass wir dann, wenn der Bericht vor-
liegt, die entsprechende Information nachreichen dürfen,
soweit das nicht sowieso Gegenstand von Berichterstat-
tungen im Bundestag sein wird.
Es gibt eine weitere Zusatzfrage. Bitte schön, Frau
Kollegin Höger.
Herr Staatssekretär Schmidt, können Sie ausschlie-
ßen, dass dieses Flugzeug im Rahmen des NATO-Ein-
satzes in Libyen unterwegs war?
C
Frau Kollegin, ich liebe Fragen, die mit „Können Sie
ausschließen, dass …“ beginnen. Wir haben keinerlei
Erkenntnisse dazu. Sie wissen, dass Flugzeuge des Typs
A-10 Thunderbolt – das referiere ich jetzt aus meiner ei-
genen Kenntnis – sehr niedrig fliegende Erdkampfflug-
zeuge sind, die vulgär mit dem Namen „Warzen-
schwein“ belegt werden und für Langstreckenflüge,
soweit mir das bekannt ist, nicht geeignet sind. Aber das
ist mein persönlicher Informationsstand.
Sie wollten noch eine Nachfrage stellen? – Das ist
nicht der Fall.
Dann ist rufe ich jetzt die Frage 20, ebenfalls vom
Kollegen Paul Schäfer, auf:
In welcher Form ist die Bundesregierung bzw. sind Bun-
desbehörden an der Untersuchung der Absturzursache und der
Beseitigung der verursachten Schäden beteiligt?
Bitte, Herr Staatssekretär.
C
Nach der NATO-STANAG 3531 – das sind standardi-
sierte Vereinbarungen über alle technischen und organi-
satorischen Vorgänge in der NATO – ist in Verbindung
mit der ZDv – Zentrale Dienstvorschrift – 19/6 der Bun-
deswehr – diese betrifft die Behandlung von Unfällen
und Zwischenfällen mit militärischen Luftfahrzeugen –
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 11901
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Wir haben die Auskunft der zuständigen Dienststelleder US-Luftstreitkräfte – das ist in diesem Fall der 52ndFighter Wing in Spangdahlem – erhalten. Wir hattenKontakt mit einem Ingenieur der Umweltabteilung des52. US-Jagdgeschwaders. Von den Proben, die entnom-men worden sind, ist uns berichtet worden. Das Bepro-ben der kontaminationsverdächtigen Flächen fällt nichtmehr in die Zuständigkeit der US-Streitkräfte; das istvielmehr Landesangelegenheit.Ich darf darauf hinweisen, dass die Absicherung derAbsturzstelle nicht Angelegenheit der amerikanischenStreitkräfte, sondern der deutschen Seite ist. Diese Absi-cherung ist vorgenommen worden. Der Zugang zur Un-fallstelle ist ausschließlich mit deutschen Absicherungs-kräften geregelt worden. Wir haben bisher keinerleiVeranlassung, an der vertrauensvollen Zusammenarbeitbei der Aufklärung der Umstände des Unfalls zu zwei-feln.Die Auskunft wird erteilt. Wenn die Proben entspre-chend ausfallen, können erforderliche Leistungen, wieetwa die Dekontaminierung, durch die Landesbehördenselbst erbracht werden. Gegebenenfalls können Gegen-proben entnommen werden. Bisher haben wir da keineDiskrepanzen, von denen ich Ihnen berichten kann.
Herr Schäfer, möchten Sie eine Zusatzfrage stellen?
Ja, ich möchte eine Zusatzfrage stellen.
Bitte schön.
Wir werden die Materie ja gleich weiter vertiefen
können.
Mir ist bekannt, dass deutsche Behörden an der Absi-
cherung der Unfallstelle beteiligt waren. Ich verstehe,
weshalb der Zugang zu dem US-Flugzeug sehr exklusiv
ist. Meine Frage ist – Sie haben das Thema Kontamina-
tion angesprochen –, ob ein deutscher Experte direkt an
der Unfallstelle Ermittlungen aufnehmen konnte, ja oder
nein.
C
Die Untersuchung kann von den Landesbehörden
vorgenommen werden. Es entzieht sich meiner Kennt-
nis, in welchem zeitlichen und inhaltlichen Rahmen das
de facto in diesem konkreten Fall stattgefunden hat.
Auch dieses müsste ich nachliefern, wobei ich darauf
hinweisen möchte, dass wir, da es eine Landesangele-
genheit ist, einer entsprechenden Information durch das
Land Rheinland-Pfalz bzw. der zuständigen Behörden
dort bedürfen.
Wenn ich noch etwas ergänzen darf, Herr Präsident:
Ich habe die Frage, die Herr Kollege Schäfer gestellt hat,
nämlich wer denn eigentlich Zugang hat, nicht in in con-
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11902 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011
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Das ist, bei allem Respekt, Angelegenheit der Vorsorgeund der Arbeit der zuständigen Landesbehörden. Ichmuss deswegen darauf verweisen, dass wir uns diese In-formationen geben lassen müssen. Es ist aber auch mög-lich, dass sie nicht erbracht werden können. Dies istdann eine Thematik in Rheinland-Pfalz bzw. im KreisBernkastel-Wittlich.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Frau Höger. Die
Wortmeldung der Frau Kollegin Dağdelen habe ich no-
tiert. – Bitte schön, Frau Kollegin Höger.
C
Entschuldigung, ich würde gern noch etwas ergänzen. –
Es gab die Frage: Wer hat die Munition gesichert? Das
war nicht Munition, sondern Übungsmunition. Nach In-
formation der Amerikaner befand sich ausschließlich
Übungsmunition an Bord des Flugzeuges. Sie ist durch
den Kampfmittelräumdienst der US-Airbase Spangdah-
lem sichergestellt worden. Das ist ein Standardverfah-
ren. Verunglückte Luftfahrzeuge werden zuerst entmuni-
tioniert. Das ist eine aus nachvollziehbaren Gründen
geübte Praxis.
Jetzt die Nachfrage.
Es bestand der Verdacht, dass sowohl DU-Munition
als auch, wie ich eben sagte, das Flugbenzin, das eben-
falls hochtoxisch ist, an Bord war. Wie wollen Sie dafür
sorgen, dass Menschen und Umwelt im Falle des Ab-
sturzes eines solchen Flugzeugs geschützt werden?
C
Die bisherigen Ergebnisse der wissenschaftlichen Un-
tersuchungen haben keinen Hinweis auf eine relevante
Gefährdung von Mensch und Umwelt durch unbeschä-
digte Munition mit abgereichertem Uran, die geräumt
worden ist, ergeben. In Bezug auf die allgemeinen Rege-
lungen darf ich darauf hinweisen, dass der Einsatz von
Munition mit abgereichertem Uran auf Truppenübungs-
plätzen und Luftbodenschießplätzen in Deutschland
nicht erlaubt ist, auch nicht amerikanischen Streitkräf-
ten.
Vielen Dank. – Als Nächste hat Frau Kollegin
Dağdelen eine Nachfrage. Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär
Schmidt, Sie sagten auf die Frage meines Kollegen
Herrn Paul Schäfer, dass Sie nicht wissen, ob das Land
Rheinland-Pfalz, das den Zugang zur Absturzstelle si-
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Ich gehe davon aus, dass die Proben von den zuständi-
en Stellen, wohl auch von den Landesbehörden, ge-
ommen worden sind. Aber ich werde Ihnen das nach-
efern.
Das ist eine gute Regelung.
Damit der Sinnzusammenhang gewahrt bleibt, rufe ich,
evor wir diesen Geschäftsbereich und auch die Frage-
tunde beenden, noch die Frage 22 der Kollegin Höger auf:
Welche Informationen liegen der Bundesregierung über den
Umfang der von US-amerikanischen und britischen Streitkräf-
ten in Deutschland gelagerten DU-Munition vor, und ist es be-
absichtigt, eine solche Lagerung sowie Flüge mit dieser Muni-
tion im deutschen Luftraum zukünftig zu untersagen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär Schmidt.
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Frau Kollegin, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Esesteht keine Pflicht der mit Einverständnis der Bundes-publik Deutschland im Bundesgebiet stationierten aus-ndischen Streitkräfte, die Bundesregierung nach demertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte iner Bundesrepublik Deutschland über Waffen und Muni-on zu informieren. Ein Verbot der Lagerung oder desberflugs mit solcher Munition ist weder auf der Grund-ge des allgemeinen Völkerrechts noch aus besonderenertragsverpflichtungen heraus geboten. Über die feh-nde Berechtigung zur Nutzung solcher Munition auchuf deutschen Übungsplätzen habe ich Sie bereits infor-iert.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 11903
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Sie haben noch eine Nachfrage. Bitte schön, Frau
Kollegin Höger.
Vielen Dank. – Herr Staatssekretär Schmidt, Sie sa-
gen, es bestehe keine Pflicht der US-amerikanischen
Streitkräfte, die Bundesregierung darüber zu informie-
ren, ob DU-Munition auf deutschem Boden vorhanden
ist oder in Flugzeugen, die hier fliegen, mitgeführt wird.
Sie glauben, dass bei dem Übungsflug des abgestürzten
Flugzeuges keine DU-Munition an Bord war. Haben Sie
unabhängige Informationen, die belegen, dass das wirk-
lich der Fall war?
Wir haben das Problem, dass in der Eifel in den letz-
ten Jahren 50 amerikanische Flugzeuge abgestürzt sind.
Die Bevölkerung ist aufgrund der Explosionen, die es
gegeben hat, sehr beunruhigt. Diese lassen nämlich da-
rauf schließen, dass entsprechende Munition an Bord
war. Es gab in der Folgezeit auch eine Häufung von
Krebserkrankungen, die ebenfalls darauf schließen lässt,
dass DU-Munition an Bord war.
C
Ich kann keinen Beitrag dazu leisten, Ihre Vermutun-
gen zu bekräftigen; denn solche Informationen liegen
nicht vor. Wir haben auch keine Veranlassung, an der
Solidität der Informationen hinsichtlich der Nichtnut-
zung von Übungsmunition mit DU seitens der amerika-
nischen Streitkräfte zu zweifeln. Wenn es Zweifel gäbe,
wäre diesen nachzugehen. Die Informationen hinsicht-
lich des Kampfflugzeugs vom Typ A-10 Thunderbolt,
das am 1. April abgestürzt ist, sind sehr plausibel gewe-
sen.
Sie haben noch eine zweite Nachfrage, bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär
Schmidt, für jeden Gefahrguttransporter gibt es mit
Blick auf mögliche Unfälle umfangreiche Vorschriften
zur Sicherung und zum Schutz der Bevölkerung. Der
Absturz dieses US-amerikanischen Flugzeugs bringt
weitaus höhere Gefahren mit sich. Sie verlassen sich
aber ausschließlich auf die Angaben der US-amerikani-
schen Streitkräfte. Wie sieht es mit einer freiwilligen
Selbstkontrolle aus? Wie will man Schaden für Mensch
und Umwelt zukünftig abwenden?
C
Frau Kollegin, die gesundheitlichen Gefährdungen,
die aus einer Nutzung von bestimmten militärischen
Kampfmitteln entstehen – diese Nutzung ist allerdings
nicht zu erwarten –, waren vor mehreren Jahren Gegen-
stand einer intensiven Erörterung und gründlichen Nach-
forschung. Damals ist bekräftigt worden, diese Munition
auf deutschen Übungsplätzen nicht einzusetzen. Sie wer-
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aber: Wir alle wissen, dass es nicht bei 26 000 bleibenwird. Wir haben eine Umbruchsituation im Norden Afri-kas. Vorher gab es einen fast unanständigen Deal zwi-schen Berlusconi bzw. Italien und Gaddafi, den heutekeiner mehr kennt und keiner getroffen haben will. ImJahr 2010 hatte Italien keine nennenswerten Asylbewer-berzahlen, weil sich Berlusconi dies millionenschwer er-kauft hat. Das muss man kritisch gegenüber Berlusconianmerken. Es ist aber auch zu fragen: Was heißt eigent-lich für uns Flüchtlingspolitik in Europa: Abschottung,die man sehenden Auges hinnimmt? Wir müssen zu-geben, dass die EU ja auch überlegt hat, Geld zu geben,damit die Menschen da bleiben. Diese Art des Außen-grenzenschutzes, diese Abschottung, ist ein großer men-schenrechtlicher Makel der Europäischen Union. DasNein können wir nicht akzeptieren.
Sie haben ein C in Ihrem Parteinamen, Herr Bundes-innenminister Friedrich. Das soll die gesamteuropäischeSolidarität gewesen sein, das Nein im Chor mit den Lan-desinnenministern und am Ende, passend zu Ostern unddem Reiseverkehr, nichts anderes als Abschottung undder fröhliche Hinweis: „Wir setzen Schengen außerKraft und machen Grenzkontrollen“? Ich wünsche guteVerrichtung, Herr Friedrich!Zur FDP kann man hier gar nichts sagen. Sie setztsich sowieso null durch, auch wenn sie hin und wiederden Versuch macht, etwas Humanes zu sagen. Alles, wasdiese Bundesregierung gesamteuropäisch und humanitärzu bieten hat, ist sozusagen zur Kenntnis zu nehmen.Wir lassen uns bei den Umwälzungen feiern, aber Tau-sende von Menschen in ihren überfüllten Booten und inden Lagern in Italien alleine. Ich sage Ihnen: Es ist nichtakzeptabel, sich über Demokratisierungsprozesse zufreuen, aber dann die Folgen nicht tragen zu wollen. Wirverlangen Hilfsbereitschaft.
Ich erwarte das vornean auch von Frau Merkel, die hiergestanden und gesagt hat: Solidarität mit den Flücht-lingen aus Nordafrika. Sie hat es gesagt. Aber wo istdenn diese Solidarität? Wo sind die humanitären Unter-stützungen? Ich sehe davon nichts. Allein damit,100 Flüchtlinge, die in Malta gestrandet sind, hier aufzu-nehmen, ist diesem Versprechen nicht Genüge getan; dasich keine Solidarität. Es geht auch um die Frage, ob manweitere Menschen aus Malta aufnehmen wird.Ich sage Ihnen: Bei 26 000 Flüchtlingen in Italienwird es nicht bleiben. Es sind sicherlich viele Menschendarunter, die sich aus wirtschaftlichen Gründen auf denWeg machen. Aber gehen wir einmal differenziert heran.Was ist mit den mehr als 3 000 Menschen, die aus Eri-trea, aus Äthiopien, aus Somalia und vielen anderenLändern kommen und vorher schon in anderen Ländern,zum Beispiel in Libyen, gestrandet waren? Wie gehenwir mit diesen Menschen um? Wer humanitär vorgehenwill, muss an dieser Stelle sagen: Ja, wir sind zumindestbei diesen Flüchtlingen zu einer europaweiten VerteilungbDwwbNnnAaeMfüQRuQmtuFrustiuumFnHumsaAfeinsicnbinvis1s
Wir erwarten, dass es jetzt endlich Vorschläge gibt,ie wir mit besonders Belasteten umgehen: Wie gehenir mit Frauen und kleinen Kindern um? Gibt es Ange-ote für Kranke? – Wir fordern jetzt, wo die Welt inordafrika im Umbruch ist, dass es Kreativität gibt,icht Abschottung. Das heißt: faire Verfahren für dieje-igen, die tatsächlich Asylsuchende sind. Das heißt:ufbauhilfe für Tunesien und Ägypten. Das heißt aberuch, endlich kreativ zu überlegen: Kann es in Europa sotwas wie eine vorübergehende Anwesenheit für dieseenschen geben, damit sie zum Beispiel in Deutschlandr einen gewissen Zeitraum Ausbildungs-, Arbeits- undualifizierungsmöglichkeiten nutzen und nach ihrerückkehr den Aufbau – wir haben versprochen, ihn zunterstützen – mit mehr Kompetenz und einer besserenualifikation vorantreiben können?Meine Damen und Herren, wir wollen, dass den hu-anitären Worten endlich Taten folgen: nicht Abschot-ng durch Frontex-Einsätze, sondern Rettung vonlüchtlingen, humanitäre Hilfe, gegebenenfalls Gewäh-ng eines vorübergehenden Bleiberechts, keine Rück-chiebungen nach Italien. Es geht hier um wirklich exis-erende Menschen. Die Weise, wie wir jetzt mit ihnenmgehen, beeinflusst nicht nur deren Zukunft, sondernnser aller gemeinsame Zukunft. Wir warten auf den hu-anitären Einsatz der Bundesregierung.
Als Nächster hat Herr Bundesminister Dr. Hans-Peterriedrich das Wort. Bitte schön, Herr Bundesminister.
Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In-ern:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Sehr verehrte Frau Künast, natürlich bewegenns alle die Bilder, die man jeden Abend im Wohnzim-er im Fernsehen sieht. Man erkennt: Diese Menschenind in Not; sie wollen ein besseres Leben haben. Wirlle verstehen das; wir wollen ihnen helfen. Aber dientwort muss sein: Wir können ihnen nur dadurch hel-n, dass wir Nordafrika stabilisieren, dass wir vor Ort, ihren Heimatländern, etwas für den Aufbau der Wirt-chaft und der Demokratie tun. Das ist der Ansatz, denh für dringend notwendig halte.Zuletzt kam es zur Ausreise von etwa 25 000 Perso-en in Richtung Europa; diese Zahl wurde vom UNHCRestätigt. Davon sind etwa 22 000 bis 23 000 Personen Italien angekommen. Man schätzt, dass die Hälfte da-on schon in weitere Länder gereist ist. Das Interessantet: Von den gut 22 000 Personen haben gerade einmal0 Prozent einen Asylantrag gestellt. Das heißt im Rück-chluss: Die anderen wissen möglicherweise von vorn-
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Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich
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herein, dass sie einem Asylantragsverfahren gar nichtstandhalten, sondern gleich zurückgeschoben würden.Man kann also davon ausgehen, dass es sich überwie-gend um Wirtschaftsflüchtlinge handelt.Natürlich ist es richtig, dass auch Wirtschaftsflücht-linge arme Menschen sind, die sich ein besseres Lebenwünschen; das ist keine Frage. Man muss aber ganz klarsagen: Wir können nicht alle Menschen, die irgendwo inder Welt in Not sind, aufnehmen; wir müssen doch ge-meinsam den Ansatz wählen, ihnen dort zu helfen, wosie leben, also in ihren Ländern.
Italien hat am Montag im Rat gesagt: „Wir braucheneine Verteilung der Flüchtlinge“. Es gibt einen Ver-teilungsmechanismus nach der sogenannten Massen-fluchtrichtlinie. Nur ist die Massenfluchtrichtlinie zu ei-nem Zeitpunkt erlassen worden, als Hunderttausendevon Flüchtlingen in Europa unterwegs waren. Wir redenjetzt von rund 22 000 Flüchtlingen. Es wäre das falscheSignal, jetzt diese Richtlinie zu aktivieren und damitdeutlich zu machen: Ihr müsst nur irgendwie Europa er-reichen; dann werdet ihr schon verteilt. – Das wäre imÜbrigen eine Aufforderung an alle Schleuserorganisatio-nen, ganz schnell tätig zu werden und ihr Geschäft blü-hen zu lassen.Nein, Italien ist nicht überfordert. Ich will gar nichtdaran erinnern, dass wir 1992 in Deutschland430 000 Flüchtlinge oder mehr hatten. Ich möchte an dieZahlen erinnern, die letztes Jahr im kleinen Land Bel-gien erreicht wurden: In Belgien gab es im letzten Jahr20 000 Asylbewerber. In Italien, einem wesentlich grö-ßeren Land, gab es nur 8 200 Asylbewerber. Das be-deutet, dass Belgien im Jahr 2010, umgerechnet auf dieEinwohnerzahl, zehnmal so stark mit Asylbewerbern be-lastet war wie Italien. Deswegen sagen wir – das habe ichauch meinem Kollegen aus Italien am Montag gesagt –:Solidarität in Europa heißt auch, dass man seiner eige-nen Verantwortung – in diesem Fall Italien – gerechtwird. Auch das gehört zur Solidarität.
Die Italiener haben inzwischen eine Vereinbarung mitTunesien getroffen. Nach dieser Vereinbarung werden60 Personen pro Tag nach Tunesien zurückgebracht.Was die Italiener allerdings auch gemacht haben, was diePartner in Europa unter dem Stichwort Solidarität richtiggegen sie aufgebracht hat, ist, Aufenthaltsgenehmigun-gen zu erteilen, und zwar nicht, damit die Menschen inItalien bleiben, was eigentlich der Sinn von Aufenthalts-genehmigungen wäre, sondern die ihnen nach Schengen-Recht erlauben, in andere Länder zu gehen. Die Art undWeise, mit der Italien hier vorgegangen ist, ist für unsnicht akzeptabel; denn man hat unzulässigerweise ver-sucht, Druck auf die europäischen Partner auszuüben.Auch das ist kein Ausweis von Solidarität.
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Sie haben Malta angesprochen. Malta ist ein kleinesand mit 400 000 Einwohnern. Schon jetzt leben dort000 Flüchtlinge. Ich habe mit meinem maltesischenollegen letzte Woche telefoniert. Er hat mir gesagt: Wiraben überwiegend Flüchtlinge aus Somalia, dem Sudannd aus Eritrea. Zum Teil wurden Asylverfahren durch-eführt, zum Teil noch nicht. – Er hat um Hilfe gebeten.h habe in Absprache mit den Innenministern der Län-er zugesagt, dass wir 100 Flüchtlinge aufnehmen. Wireutschen waren die ersten, die eine solche Zusage ge-acht haben. Das ist für unsere Partnerländer in Europain Signal gewesen. Dieses Signal ist sowohl von derommission als auch vom UNHCR positiv aufgenom-en worden.
h freue mich, dass das vorbildliche Verhalten Deutsch-nds am Montag dazu geführt hat, dass Ungarn und dielowakei spontan erklärt haben, dass auch sie Flücht-nge aufnehmen werden. Wir haben natürlich die Hoff-ung, dass sich andere Staaten anschließen werden.Wichtig ist die humanitäre Hilfe. Sie findet statt. Esind bereits 5 Millionen Euro für Soforthilfe in Libyenereitgestellt. Es gibt ein EU-Programm. Es geht imbrigen nicht um die Finanzierung, sondern darum, obs vor Ort Strukturen gibt, mit denen wir zusammen-rbeiten können, um die Länder aufzubauen und zu sta-ilisieren. Es geht darum, dass wir gemeinsam mit denegierungen Perspektiven erarbeiten. Das ist Sinn undweck aller Verhandlungen, die die Europäische Uniontzt führt.Auf Bitten der Italiener haben wir zugestanden – dast die Schlussfolgerung des Rates –, dass die Europäi-che Union mit Tunesien verhandeln wird, damit Fron-x, die Grenzschutzagentur der Europäischen Union,chon in den Gewässern Tunesiens dafür sorgen kann,ass keine weiteren Wirtschaftsflüchtlinge das Risikouf sich nehmen,
uf das Meer hinauszugehen und sich in Gefahr zu be-eben. Sie sollen sofort auf das tunesische Festland zu-ckgebracht werden. Gleichzeitig soll das Europäischenterstützungsbüro für Asylfragen in Tunesien und auch anderen Ländern seine Arbeit aufnehmen, um Hilfe-edürftige vor Ort aufzunehmen und regionale Schutz-rogramme umzusetzen. Ich glaube, dass das der rich-ge Weg ist.Ich sage es noch einmal: Selbstverständlich verhaltenir uns als Europäer solidarisch und helfen den Kolle-
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Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich
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gen in anderen Ländern, wenn sie überfordert sind. Dassind die Italiener aber nicht.
Das sind die Malteser; deswegen mein klares Angebotan Malta. Aber in allererster Linie muss es darum gehen,dass wir in Afrika den Menschen vor Ort eine Perspek-tive bieten. Das ist der Ansatz der Bundesregierung. Ichhalte das, mit Verlaub, für den richtigen Ansatz.Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Bundesminister. Als Nächster hat
das Wort unser Kollege Rüdiger Veit für die Fraktion der
Sozialdemokraten. Bitte schön, Kollege Rüdiger Veit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Um das vorab klar und deutlich zu sagen: DasBild, das Europa angesichts dieses Flüchtlingselendsbietet, ist erbärmlich,
das Verhalten der Regierung Berlusconi mit Blick aufdie Lega Nord mindestens als schändlich zu bezeichnen,auch angesichts dessen, was vorher von dort aus an Akti-vitäten in Richtung Libyen zum großen Freund Gaddafientfaltet worden ist. Aber auch – ich bitte um Nachsicht –das Verhalten dieser Koalition und der Regierung sowieeiniger CDU-Länderinnenminister ist aus der Sicht vonSozialdemokraten keineswegs immer nur begeisterungs-würdig.
Ich registriere ja, dass wenigstens einige FDP-Politi-ker – dazu gehören der Europaabgeordnete Lambsdorff,der Kollege Wolff, aber auch Frau Pieper – das anderssehen als zum Beispiel die Länderinnenminister HerrSchünemann und Herr Herrmann. Man muss aber aufFolgendes deutlich hinweisen: Wir reden nicht nur inmehr oder weniger abwertender Weise von sogenanntenWirtschaftsflüchtlingen. Im Juni letzten Jahres fand eineDelegationsreise des Innenausschusses nach Libyen undMalta statt, um sich – lange vor der jetzigen Entwick-lung – ein Bild über die örtlichen Verhältnisse zu ma-chen. Von dieser Reise will ich Ihnen berichten und esbeschreiben, obwohl das, was wir dort gesehen haben,fast unbeschreiblich war.In der Nähe von Tripolis haben wir ein gerade einmalanderthalb Jahre altes Flüchtlingslager – man könnteauch Abschiebegewahrsam dazu sagen –, besucht. Dortwaren in einem Raum mit den Abmessungen 10 mal12 Meter, 4 Meter hoch – oben ein Lichtband, die Schei-ben zum Teil zerschlagen – 40 Somalis untergebracht. Indiesem Raum gab es keinen Tisch, keinen Stuhl, keinenStäzsUteHdssnBbDeuBtiggdamjäulemliihzlaSHininIhdsvPoDFnbuImaLknwn
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fertig werden könnte. Die Schwachstelle dieser Richtli-nie liegt in Art. 25 – ich bitte Sie, das nachzulesen –,weil hierin gar kein Verteilungsmechanismus für dieFlüchtlingswellen, die auf uns zukommen werden, ent-halten ist. Es ist vielmehr so, dass die einzelnen Mit-gliedstaaten sagen dürfen, wie viele sie aufzunehmen be-reit sind.Dieses Versagen der EU und der Bundesregierungwiegt für mich umso schwerer, da wir alle, die wir jetztauf den Mittelmeerraum schauen, die Augen lange vorder unverhältnismäßig großen, immensen BelastungGriechenlands verschlossen haben. Es ist richtig, dassGriechenland die Asylverfahren nicht ordentlich bear-beitet. Griechenland, wo wir 2009 zu Besuch waren,sieht sich aber einer riesigen Zuwanderungswelle gegen-über – darunter sind auch viele illegale Flüchtlinge –:Zwischen 500 000 und 1,5 Millionen Menschen sind zu-gewandert, bei einer Bevölkerungszahl von ungefähr11 Millionen. Dieser Welle kann Griechenland nichtHerr werden. Griechenland bemüht sich nach Kräften,die Menschen im Land zu behalten, obwohl es allenGrund hat, zu sagen: Einfach weiter mit ihnen nach Zen-traleuropa.Deutschland und die gesamte EU haben vor dieserverhängnisvollen Entwicklung, die wirklich mit einemMassenzustrom vergleichbar und mit der entsprechen-den Belastung verbunden ist, die Augen verschlossen.Ich wäre allen Beteiligten sehr dankbar, wenn sie endlichbegreifen würden, dass wir eine faire Lastenverteilungbrauchen, dass wir nicht zulassen dürfen, dass einigeStaaten mit ihrer Hausmeisterrolle für Zentraleuropavöllig überlastet werden. Das betrifft im Augenblick undseit Jahren Griechenland. Das wird vermutlich in eben-falls erheblichem Maße Malta betreffen, und das wirdauch Italien betreffen. Es besteht Handlungsbedarf. Ichbitte um mehr Aktivitäten auch seitens der deutschenBundesregierung.Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächster sprichtunser Kollege Hartfrid Wolff für die Fraktion der FDP.Bitte schön, Kollege Wolff.
Hartfrid Wolff (FDP):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Situa-tion der Menschen in Nordafrika bedarf unserer großenAufmerksamkeit. Flüchtlinge dürfen aber nicht zumSpielball innenpolitischer Interessen werden.
Sie haben ein verbrieftes Recht auf ein faires Verfahren.Das Asylrecht steht nicht zur Disposition.eHgÜamkvSregralidsnlidwDAssdDPABßGzbdisNeDMsdRDtide
ber Grenzkontrollen entscheidet die Bundesregierunguf der Basis geltenden Rechts. Das Schengen-Abkom-en sieht die zeitweilige Wiedereinführung von Grenz-ontrollen zu Recht nur unter strengen Voraussetzungenor. Wir haben innerhalb Europas und innerhalb deschengen-Raums eine Reisefreiheit und Freizügigkeits-gelungen, die beachtet werden müssen. Von diesen Re-elungen profitiert insbesondere Deutschland. Die Vo-ussetzungen für Einschränkungen der Reisefreiheitegen nicht vor.Ich empfinde es als außerordentlich unerfreulich, dassie italienische Regierung Berlusconi offensichtlich diechwierige Lage auf Lampedusa für innenpolitische Ma-över nutzt. Eine Überbelastung Italiens ist nicht wirk-ch erkennbar. Laut UNHCR ist im Jahr 2010 die Zahler Asylanträge in Südeuropa um 33 Prozent gesunken,ährend sie in Deutschland um 49 Prozent gestiegen ist.eutschland hat im vergangenen Jahr sechsmal so vielesylbewerber aufgenommen wie Italien. Die italieni-che Regierung ist verpflichtet, den Status dieser Men-chen zu klären und hierzu europäisches Recht anzuwen-en.
ie automatische Erteilung von Durchreisevisa für dieseersonen ist ein klarer Verstoß gegen die europäischenbmachungen. Das ist ein antieuropäischer Affronterlusconis. Wenn die EU-Mitgliedsländer mit EU-Au-engrenzen über einen Fonds Geld erhalten, um dierenzen zu schützen, um Flüchtlinge zu integrieren oderurückzubringen, wird Italiens Verhalten besonders pro-lematisch.
Offenbar ist der Grund für Berlusconis Manöver miten Durchreisevisa eher innenpolitischer Natur. Schadet, dass Links-Grün-Rot ihm bereitwillig folgen will.ationale Egoismen helfen nicht, wenn es darum geht,uropäische Herausforderungen gemeinsam zu lösen.ie FDP meint: Das Schicksal Nordafrikas und derenschen dort darf nicht zum Vorwand für innenpoliti-che Machtspiele werden, weder in Italien noch an-erswo.
Deutschland ist seiner humanitären Verpflichtung imahmen der europäischen Solidarität gerecht geworden.er Bundesinnenminister hat in der letzten Woche rich-gerweise angeboten, 100 Flüchtlinge aus dem beson-ers belasteten Malta aufzunehmen; das sagte er geradeben noch einmal. Dies zeigt, dass Deutschland durch-
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Hartfrid Wolff
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aus sensibel mit dem Thema umgeht. Die EuropäischeUnion sollte aber eine gemeinsame Regelung finden,weil die Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen ankom-men.Eine gerade aus humanitären Gründen notwendige,nüchterne und sachliche Betrachtung ist erforderlich. Esist besser, die Ursachen der Flüchtlingsproblematik vorOrt in den betreffenden Ländern zu bekämpfen, als sichhinterher mit den Folgen auseinanderzusetzen. Die Bun-desregierung hat die notwendigen Schritte eingeleitet,damit mit finanziellen Hilfen vor Ort der Flüchtlings-strom aus Nordafrika verringert werden kann.Die Bundesrepublik wird nach wie vor ihren Teil tun,das Leid der Flüchtlinge zu mildern. Dazu gehört auchdie Aufnahme einer angemessenen Anzahl von Flücht-lingen aus Bürgerkriegsregionen und Flüchtlingen auf-grund politischer Verfolgung. Es kann aber nicht sein,dass sich immer wieder dieselben europäischen Partnerihrer Verantwortung für Europa entziehen und ihre Pro-bleme mit großem Lärm auf die Nachbarn abwälzen. Einsolches Verfahren bringt Europa und auch die betroffe-nen Menschen in Misskredit.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächste spricht un-
sere Kollegin Frau Ulla Jelpke, Fraktion Die Linke. Bitte
schön, Frau Kollegin Jelpke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Hor-rorbilder der Flüchtlingsboote aus Nordafrika und insbe-sondere aus Libyen, die hier schon beschrieben wurden,kennen wir alle. Ich möchte betonen, dass inzwischenmehrere Hundert Menschen dabei ums Leben gekom-men sind. Erst am letzten Wochenende ist ein Boot mit170 Menschen an Bord gesunken; wahrscheinlich sindalle tot.Die meisten Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet steuernderzeit Malta und Italien an. Diese Flüchtlinge kommenmeistens aus Eritrea und Somalia; diese hatte im Übri-gen der Diktator Gaddafi nicht nach Europa durchgelas-sen. Es war das EU-Mitglied Italien, das mit Gaddafieinen schmutzigen Deal zulasten dieser Menschen ge-schlossen hat, und zwar mit dem Segen aller EU-Staaten– das muss man hier einmal ganz deutlich sagen –, dieGaddafi ständig aufgefordert haben, die Flüchtlinge auf-zuhalten, wohl wissend, dass diese Flüchtlinge dann Op-fer von Gewalt und Willkür in den Haftanstalten, die derKollege Veit eben beschrieben hat, würden. Auch ichwar mit in Libyen und konnte sehen, wie dort die Flücht-linge untergebracht wurden. Die EU-Abschottungsagen-tur Frontex hat Italien im Übrigen aktiv dabei unter-stützt. Die Bundespolizei hat sich an diesen skandalösenVerletzungen des internationalen Flüchtlingsrechts betei-ligt.B1EsrinrebissuwshgSu–urudmGdAeghsdmsinszlifodMgdinshmlägJhk
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sen Menschen Arbeit geben und sie so in die Lage ver-setzen, ihre Region zu unterstützen. Dies wäre, abgese-hen von der Aufnahme der Menschen, ein weitererSchritt zur Hilfe.
Die Linke hat in diesem Haus schon vor langer Zeitganz klare Forderungen vorgetragen – es ist von anderenKollegen bereits gesagt worden, dass sie insbesonderevon dieser Regierung ignoriert werden –: Wir wollenendlich ein solidarisches System der Aufnahme und Ver-teilung der Flüchtlinge in der gesamten EU, und zwarnach Wirtschaftseinkommen und Bevölkerungsgröße.Da sieht es nämlich nicht so gut aus, Herr Innenminister;das habe ich Ihnen heute schon im Innenausschuss ge-sagt. Unter den ersten zehn Ländern wird man Deutsch-land nicht finden.Kurz und knapp: Wir fordern offene Grenzen fürMenschen in Not. Das ist, glaube ich, das, was im Mo-ment angesagt ist.Danke schön.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächster hat unser
Kollege Dr. Hans-Peter Uhl für die Fraktion der CDU/
CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen undKollegen! Es ist richtig: Wir waren in Tripolis und habenuns ein Flüchtlingslager angeschaut. Es ist richtig, dassautokratische Regierungen in der arabischen Welt be-kämpft werden – sicher zu Recht bekämpft werden – undvielleicht durch andere Regierungen, von denen wirnoch nicht wissen, wie sie sich entwickeln werden, abge-löst werden. Es ist richtig, dass deswegen die Migra-tionsströme in großem Stil zunehmen werden. Die Frageist: Wie reagieren wir darauf? Was die Linke will, habenwir gerade gehört. Wir sollen die Tore großzügig aufma-chen nach dem Motto: Macht hoch die Tür, die Tormacht weit! Sie sagten: „Wir müssen helfen“ und spra-chen von Humanität und Solidarität.
Es sei doch lächerlich, diesen Menschen hier in Deutsch-land keine Arbeit zu geben.
Es ist gut, dass die Integrationsministerin gerade ge-kommen ist. Die Große Koalition hat nämlich eineMinisterin berufen, die nur eine Aufgabe hat: die Fehl-entwicklungen jahrzehntelanger massenhafter falscherZPd–Jdmdwvuea–zdHDgInbwCdWF
die Kosten belaufen sich auf 218 Millionen Euro imahr –, und wer die Flüchtlinge aus Afrika sieht, die inen Lagern dort warten und natürlich gerne zu uns kä-en, wenn man sie ließe, der weiß, dass wir uns aufiese Weise das nächste Massenproblem verschaffenürden. Wir reden in diesem Haus ununterbrochen da-on, was wir brauchen: hochqualifizierte Fachkräfte fürnsere Wirtschaft. Schauen Sie sich die Flüchtlinge dochinmal an! Es sind Analphabeten und ungelernte Hilfs-rbeiter.
Ich rede von den Flüchtlingen im Lager in Tripolis;
u denen aus Tunesien komme ich später. – Ich rede vonen Flüchtlingen im Lager in Tripolis, die Frau Jelpke,err Veit, andere Kollegen und ich dort gesehen haben.as sind genau die Menschen, denen wir in Deutschlandarantiert keine Arbeit verschaffen können.
sofern hat ein alter Weltreisender – so möchte ich ihnezeichnen – wie Peter Scholl-Latour recht,
enn er angesichts des Elends auf dieser Welt zu deronclusio kommt: Wir können Kalkutta nicht retten, in-em wir Kalkutta zu uns holen. –
ir sagen: Wer wie die Linke und vielleicht auch Sie,rau Künast – –
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noch! – Weiterer Zuruf: Wissen Sie, was einChamäleon ist?)
Wir geben dem Redner eine Chance.
Wenn Sie, Frau Künast, die ganze Welt umarmen
wollen und dabei Ihre eigenen Mitbürger vernachlässi-
gen, versündigen Sie sich an Ihrem eigentlichen Auftrag
als Politikerin in Deutschland. Das ist der Punkt, um den
es geht.
Nein, Solidarität und Humanität müssen in der Re-
gion stattfinden. Es muss Hilfe für die Menschen der Re-
gion sowie eine vernünftige Unterbringung geben.
– Warum plärren Sie denn da so rum?
– Reisen Sie das nächste Mal mit uns, und schauen Sie
sich die Flüchtlingslager an! Dann wissen Sie, wovon
wir reden, Sie aber offensichtlich keine Ahnung haben.
Meine Damen und Herren, wie können wir Tunesien
helfen? In Tunesien ist die Situation völlig anders. Dort
gibt es viele hochqualifizierte junge Menschen, die keine
Arbeitsplätze bekommen. Hier heißt es, in Tunesien zu
helfen. Ich halte es für völlig falsch, jetzt 1 000 Wirt-
schaftsflüchtlinge aus Tunesien aufzunehmen. Wenn
100 000 Deutsche in Tunesien Urlaub machen, helfen
wir Tunesien mehr. Das ist meine Antwort.
Wir können mit Europa und der GTZ ganz andere
Wege beschreiten, als sie bisher beschritten wurden. Mir
als Innenpolitiker ist auch völlig klar: Durch eine reine
Abschottungspolitik werden wir die Probleme nicht lö-
sen.
Wenn wir aber einen Automatismus der Weiterverteilung
der Flüchtlinge in Europa auf die verschiedenen Mit-
gliedstaaten organisieren, heißt das nichts anderes, als
das kriminelle Werk von Schlepperorganisationen durch
uns zu vollenden. Das ist nicht unsere Aufgabe.
Wir wollen auch nicht an 20 000 Menschen, die hier
angekommen sind, das Signal aussenden: Alles wird gut,
alle werden in Europa weiterverteilt. – Das wird dazu
führen, dass es bald nicht 20 000, sondern 200 000 sein
werden. Wer will das denn außer den Linken? Das kön-
nen auch Sie nicht wollen, Herr Veit. Denn wir können
das Problem nicht lösen. Wir können unseren Wohlstand
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Ich finde es auch nicht richtig und ungerecht, Herr
eit, wie Sie das Flüchtlingslager beschrieben haben. Es
ar eine Station der medizinischen Versorgung, die wir
esucht haben. So etwas haben diese Flüchtlinge in ih-
m Herkunftsland noch nie erlebt. Es gehört dazu, auch
o etwas hier mit zu berichten, wenn man schon einen
eisebericht abgibt.
Nein, meine Damen und Herren, wir werden eine ge-
einsame europäische Lösung finden müssen. Die heißt
inerseits natürlich, den Schlepperorganisationen nicht
u helfen. Andererseits muss es Hilfe in der Region ge-
en. Die Menschen müssen in der Region bleiben. Wir
üssen ihnen dort eine Perspektive bieten. Alles andere
äre eine völlig falsche Reaktion.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächste hat unsere
ollegin Frau Kerstin Griese für die Fraktion der Sozial-
emokraten das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin Kerstin
riese.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ieber Herr Kollege Uhl, ich bin schon ziemlich ent-etzt, welche Bilder Sie malen und welches Bild Sie vonenschen haben, die auf ihrer Flucht und auch vorherchon Schlimmes erlebt haben. Wir sollten uns dochohl einig sein, dass wir hier die Fluchtursachen undicht die Flüchtlinge bekämpfen.
Mit dieser Vereinfachung, bei der Sie alles durchei-andergeworfen haben, kommen wir, glaube ich, nichteiter. Sie haben – auch der Bundesinnenminister hatas am Montag im Kreis der europäischen Innenministeretan – der Idee eine Absage erteilt, in Europa gemein-am Verantwortung für Flüchtlinge zu übernehmen. Wirrleben gerade, wie im nordafrikanischen Raum vielenge Menschen auf die Straße gehen, mutig für Freiheitnd Menschenrechte demonstrieren und, wie sie selberagen, die Mauer der Angst durchbrechen. Sie demons-ieren natürlich für Menschenrechte, aber auch für eineute soziale und wirtschaftliche Entwicklung ihrer Län-er.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 11911
Kerstin Griese
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Es gibt einige Tausend, die aus ihren Ländern fliehen,sei es, weil es Bürgerkriegsflüchtlinge sind, wie ausLibyen, sei es, weil es Flüchtlinge sind, besonders ausEritrea und Somalia, die von Gaddafi äußerst schlimmbehandelt wurden. Es handelt sich aber auch um Leute,die aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen fliehen.Auch das gibt es natürlich. Die werden nicht alle einenAsylantrag stellen. Aber das heißt doch nicht, dass mansich nicht um sie kümmern soll.Die Fluchtursachen zu bekämpfen, heißt doch nicht,das andere – nämlich sich anständig um die Flüchtlingezu kümmern – sein zu lassen.
Ich denke auch, dass wir für viele dieser Flüchtlingegar keine Alphabetisierungsmaßnahmen brauchen; dennsie sind sehr gut ausgebildet. In diesen Ländern sind90 Prozent der 20- bis 30-Jährigen sehr gut ausgebildetund arbeitslos. Sie suchen natürlich nach ganz anderenDingen, zum Beispiel nach Entwicklung. Dabei nehmensie es auf sich, über das Mittelmeer zu fahren, wobeischon Hunderte zu Tode gekommen sind. Deshalb solltees uns auch aus humanitären Gründen beschäftigen, wiewir mit dieser Situation umgehen.Ich glaube, deshalb sind eine differenzierte Betrach-tung der Situation, eine Unterstützung der Demokratie-bewegung in Nordafrika und natürlich auch humanitäreHilfe wichtig. Deswegen muss die europäische Politikgegenüber den arabischen Nachbarn davon geprägt sein,dass wir beim Aufbau der Demokratie mit ihnen zusam-menarbeiten und dass wir die sozialen und wirtschaftli-chen Bedingungen verbessern. Dazu gehört aber eben,dass wir ein offenes Europa brauchen und nicht neueMauern bauen dürfen.Die SPD hat schon sehr früh sehr deutlich gesagt: Derdemokratische Aufbruch in Nordafrika und die Men-schen dort brauchen unsere Unterstützung. Wir habeneine Art Marshallplan für die arabische Welt vorgeschla-gen. Es geht um eine umfassende Förderung von Demo-kratisierung, Modernisierung und wirtschaftlicher Ent-wicklung. Die Stiftung Wissenschaft und Politik hateinen Pakt für Arbeit, Ausbildung und Energie vorge-schlagen. Ich denke, es geht tatsächlich darum, dieFluchtursachen und nicht die Flüchtlinge selbst zu be-kämpfen. Deshalb brauchen wir eine neue Flüchtlings-und Migrationspolitik, um gerade den Menschen zu hel-fen, die sich dort auf den Weg machen.Es ist allerdings reiner Populismus – das haben wirheute wieder gehört; aus den Reihen der CSU haben wirdas öfter gehört –, dass Sie neue Mauern und neueGrenzanlagen aufbauen wollen. Abgesehen davon, dasses praktisch gar nicht geht, ist das reiner Populismus, mitdem Sie den Stammtisch bedient haben.
– Sie haben angekündigt, dass Sie wieder Grenzkontrol-len einführen wollen. Sie haben dann zwar gesagt, dasgbwMLNZgDsdm–ddpeaFcskudEtulebdAaGwdenasbEn
Deshalb sage ich noch einmal deutlich: Unsere Ant-ort auf die Flüchtlinge aus Nordafrika darf keine neueauer sein, sondern muss eine gemeinsame europäischeösung für Hilfen und für den Aufbau der Demokratie inordafrika sein.
Die europäische Nachbarschaftspolitik muss sich zumiel setzen, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Bürger-esellschaft in den Ländern Nordafrikas zu fördern.azu gehört eben auch eine gleichmäßige und solidari-che Verteilung innerhalb der Europäischen Union. Aufer einen Seite müssen wir den Menschen ein Angebotachen, damit sie nicht fliehen wollen oder müssenauch das gibt es ja –, sondern damit sie in ihren Län-ern demokratische Strukturen aufbauen können. Aufer anderen Seite müssen wir aber eine faire innereuro-äische Teilung der Verantwortung für die Flüchtlingermöglichen, die sich in Europa aufhalten. Ja, es gehtuch um Quoten für die Verteilung.
Daneben brauchen wir Resettlement-Programme fürlüchtlingsgruppen aus Nordafrika, damit hilfesu-hende Menschen aus einem Staat, in dem sie Schutz ge-ucht haben, auch in einen anderen transferiert werdenönnen, der ihrer Aufnahme als Flüchtlinge zustimmtnd in dem sie sich dann zeitweise oder dauerhaft nie-erlassen können. Damit können übrigens auch illegaleinwanderung und Schlepper verhindert werden. Die Si-ation, in der sich diese Menschen befinden, ist häufigbensgefährlich.Die Europäische Union braucht aber nicht nur eineessere und gerechte Verteilung von Flüchtlingen, son-ern sie braucht auch gemeinsame Schutzstandards.uch das ist mir ganz wichtig; denn wir haben ja zuletztnhand der katastrophalen Situation für Asylbewerber inriechenland oder auch anhand der Situation in Italien,o es keinerlei soziale Versorgung gibt, gesehen, dassie Schutzstandards nicht angeglichen sind. Auch das istine Aufgabe der Europäischen Union.Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen ein offe-es Europa, eine Partnerschaft mit der Region Nord-frika, die Unterstützung von Demokratie und Men-chenrechten und die Unterstützung beim Austauschesonders von Bildung und Arbeit. Dafür sollte sichuropa einsetzen. Ich denke, das ist allemal besser, alseue Mauern zu bauen und sich politisch abzuschotten.Danke schön.
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Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächster hat unser
Kollege Dr. Djir-Sarai, Fraktion der FDP, das Wort. Bitte
schön, Herr Kollege Dr. Djir-Sarai.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wirhaben die Bilder der Menschen vor Augen, die nach ei-ner leidvollen Reise als Flüchtlinge Europa erreicht ha-ben. Der Bundesregierung nun aber fehlende Solidaritätoder gar fehlende Hilfsbereitschaft oder Nächstenliebevorzuwerfen, ist nicht richtig.
Das zielt auf eine mediale Wirkung, und das ist auchsachlich völlig falsch.
Wenn man so argumentiert, bleibt man an der Ober-fläche der Diskussion über ein komplexes Thema, dasdie gesamte Europäische Union betrifft.Wir als Bundesrepublik Deutschland haben dem StaatMalta spontan und direkt angeboten, Flüchtlinge aufzu-nehmen, Flüchtlinge vor Bürgerkriegen, die einen An-spruch auf internationalen Schutz haben. Wir sind daserste Land gewesen, das ein solches Angebot unterbrei-tet hat. Für die Bundesregierung ist es eine Selbstver-ständlichkeit, dass wir helfen. Ein Flüchtling, der be-droht wird und Unterstützung braucht, wird nichtalleingelassen.Es ist trotzdem wichtig, dass wir sehr genauhinschauen und differenziert diskutieren. Denn über20 000 auf Lampedusa angekommene Menschen sind inerster Linie Wirtschaftsflüchtlinge. Die meisten habenkein Asyl beantragt. Zu einem großen Teil sind es jungeMenschen auf der Suche nach Perspektiven. Es sindjunge Menschen, die völlig falsche Vorstellungen von ei-nem Leben in Europa haben. Sie sind über Schleuserkri-minalität nach Lampedusa gekommen, über Schleuser-banden, die ihnen Wohlstand und Glück in Aussichtgestellt haben.
Wenn wir hier kein Zeichen setzen, wird eine Wellevon Wirtschaftsflüchtlingen auf Europa zurollen. WennItalien Identitätspapiere ausstellt, ist das ein klares Si-gnal an potenzielle Einwanderer: Italien steht als Durch-gangsland in die EU offen. Einen solchen Staubsauger-effekt können und wollen wir uns nicht leisten.
Es ist völlig klar: Italien ist gegenwärtig besondersbeansprucht. Diese besondere Situation wird vermutlichnoch etwas andauern. Das ist völlig richtig; diese Proble-matik müssen wir sehr sensibel handhaben. TrotzdemmdmMdNTli1fa3DasDbsMSgnindeVdzDgsAgtinkDssdTvdulepm
Wir wissen: Wenn wir diese Frage jetzt diskutieren,ann müssen wir die Gesamtlage der Flüchtlinge inordafrika und Europa im Blick haben. So hat das Landunesien in den letzten Wochen über 220 000 Flücht-nge aufgenommen. Das Land Ägypten hat über80 000 Flüchtlinge aufgenommen. Jeden Tag kommenst 2 000 Flüchtlinge nach Ägypten und ungefähr000 nach Tunesien. Hier spielt sich das eigentlicherama ab.Man muss sich die verschiedenen Länder in Nord-frika sehr genau anschauen. Die Situationen sind unter-chiedlich. Gerade Tunesien ist ein sehr gutes Beispiel.ie Menschen dort erleben zum ersten Mal in ihrem Le-en die Freiheit. Das Land ist im Umbruch. Das Landteht vor großen Herausforderungen.Gerade jetzt werden die jungen Tunesier, die jungenenschen vor Ort, zu Hause in ihrem Land gebraucht.ie müssen dieses Land aufbauen. Sie müssen das Landestalten. Ihre Zukunft ist zu Hause, nicht in Italien,icht in Frankreich und nicht in Deutschland. Sie werden Tunesien händeringend gebraucht.
Deshalb bin ich felsenfest davon überzeugt, dass esie richtige Antwort ist, wenn wir ein Hilfsprogramm,in Entwicklungsprogramm – gerade für Tunesien – zurerfügung stellen. Es ist außenpolitisch unsere Aufgabe,ie Bedingungen für die Menschen in dieser Region mitu verändern. Wir müssen den Menschen vor Ort helfen.as Problem der Flüchtlingsströme muss an der Wurzelepackt werden, aber nicht erst dann, wenn es dafür zupät ist. Diese Region selbst unterstützen: Das ist dientwort, statt Wirtschaftsflüchtlinge auf den verdammtefährlichen Weg nach Lampedusa zu schicken.Unsere Hilfe muss viel nachhaltiger sein. Die Situa-on in Tunesien, aber auch in Ägypten und anderenordafrikanischen Ländern ist schwierig. Diese Länderönnen alle den Weg zu Demokratie jetzt intensivieren.as ist eine Chance.Aber genau diese Bewegung müssen wir auch unter-tützen. Wir dürfen nicht wie ein Staubsauger die Men-chen nach Deutschland oder Europa locken. Das wäreie völlig falsche Antwort. Wir müssen in Ländern wieunesien dafür sorgen, dass sich die Situation konkretor Ort verbessert. Deutschland und die EU müssen inen Bereichen Bildung und Arbeit, Wirtschaftsförderungnd beim Aufbau einer rechtsstaatlichen Ordnung Hilfeisten.Es muss durch deutsche Außen- und Entwicklungs-olitik in einem gemeinsamen europäischen Kontextöglich sein, die Bedingungen in dieser Region der
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Dr. Bijan Djir-Sarai
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Welt zu verbessern. Die Jugend in Nordafrika brauchtdas Signal, dass sie von Europa nicht unerwünscht ist,sondern dass wir an ihrer Seite stehen. Dann müssen wiruns aber auch ehrlich über Wege unterhalten, jungeMenschen im Rahmen einer bestimmten Frist auszubil-den, um sie auf die Aufgaben in ihrer Heimat vorzube-reiten.Dann müssen wir uns aber auch ehrlich über Wegeunterhalten, wie wir Erzeugnissen und Waren aus Nord-afrika den Zugang zu europäischen Märkten erleichtern.Ich bin sehr gespannt auf die Diskussion, wenn wir überHandelserleichterungen für Textil- und Agrarprodukteaus Nordafrika in die EU reden.Ich finde es richtig, dass wir uns offen über dieseskomplexe Thema im Deutschen Bundestag unterhalten.Konstruktive Lösungen sind jetzt gefragt.Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächster hat das
Wort unserer Kollege Memet Kilic für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön, Herr Kollege.
Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in euremLande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll beieuch wohnen wie ein Einheimischer unter euch,und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihrseid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland.So spricht das kollektive Bewusstsein der Menschen,weil jeder von uns irgendwann auch ein Flüchtling seinkann. Davor ist keiner gefeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-nen und Kollegen! In dieser Diskussion vermisse ich vonder Regierungsseite den richtigen Fokus auf die Flücht-linge. Ich habe die Sorge, dass, während die Elefantenstreiten, die Flüchtlinge wie zarte Grashalme zertrampeltwerden. Seit Wochen fordert die Bundesregierung laut-hals eine Demokratisierung in Nordafrika und sagt denAufständischen ihre Unterstützung zu. Wenn aber außerschönen Worten praktische Hilfe im Umgang mit Flücht-lingen notwendig wird, will sie nichts mehr von ihrenVersprechen wissen. Das ist nicht gut.
Als Herr Berlusconi mit Herrn Gaddafi eine völker-rechtswidrige Vereinbarung einging, damit Herr Gaddafiden Flüchtlingen den Weg nach Europa versperren kann,war die Bundesregierung mit dieser berlusconischen Lö-sung anscheinend zufrieden. Herr BundesinnenministerFriedrich hat sogar letzte Woche gesagt, dass Italien dieProbleme alleine lösen soll. Anscheinend hoffte HerrFriedrich reflexartig auf eine berlusconische Lösung, mitder auch die Bundesrepublik Deutschland leben kann.DHdurecgGBuDdreruinGiseWinmtreNfesübMFuzgvsÄbsUsssDfldd
Sie haben das zurückgenommen. Herr Wolff hat be-its die rechtlichen Grundlagen erklärt und auch, wa-m das nicht geht. Aber man kann von einem Bundes-nenminister erwarten, dass er zuerst die rechtlichenrundlagen prüft und dann Sprüche klopft. Tatsächlicht es umgekehrt: Er klopft kantige Sprüche und prüftrst dann die rechtliche Grundlage. Das ist der falscheeg. Wir brauchen offenbar einen anderen Bundes-nenminister.
Die Regierung handelt realitätsfern, wenn sie glaubt,it dem Motto „Schotten dichtmachen und Grenzkon-ollen verschärfen“ ließen sich die Probleme lösen. Soinfach ist es nicht. Wir müssen den Flüchtlingen ausordafrika, die sich in größter Not befinden, endlich hel-n. Sie reden davon, Herr Friedrich, dass man den Men-chen vor Ort helfen soll. Ja, gerne! Wir reden aber auchber die Menschen, die nicht mehr vor Ort sind, sondernereits in Europa gelandet sind. Wir müssen auch diesenenschen helfen. Darüber reden wir heute hier.
Unsere größte Sorge gilt den in Libyen gestrandetenlüchtlingen aus Staaten wie Somalia, Eritrea, Sudannd Äthiopien. Sie können nicht in ihre Herkunftsländerurück und sind in Libyen akut bedroht. Es gibt Meldun-en, wonach regelrechte Hetzjagden auf die Flüchtlingeeranstaltet werden. Einigen von ihnen ist es geglückt,ich in Auffanglager an den Grenzen zu Tunesien undgypten durchzuschlagen. Die beiden Nachbarländerefinden sich aber selbst im Umbruch und sind mit die-er Situation völlig überfordert. Sie brauchen dringendnterstützung von europäischer Seite.Wir fordern daher eine humanitäre Evakuierung die-er Flüchtlinge aus Libyen. Die Bundesregierung mussich dafür einsetzen, dass die Menschen sicher europäi-chen Boden erreichen und EU-weit verteilt werden.arüber hinaus muss die EU sicherstellen, dass Boots-üchtlinge nicht zurückgewiesen oder abgedrängt wer-en. Die Menschenrechte gelten an der EU-Grenze, vorer Grenze, in internationalen Gewässern, aber auch in
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Memet Kilic
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den Gewässern von Drittstaaten. Die Flüchtlinge brau-chen eine rechtsstaatliche Prüfung ihrer Asylanliegen.Nur dann können wir feststellen, ob sie Wirtschafts-flüchtlinge oder Asylbewerber sind. Aber das muss ersteinmal geprüft werden.Auf der Tagesordnung steht auch die Übernahme vonFlüchtlingen aus besonders stark betroffenen LändernEuropas wie Malta in andere EU-Staaten. Bisher hat sichdie Bundesregierung lediglich dazu bereit erklärt,100 Flüchtlinge aus Malta aufzunehmen. Gleichzeitigwerden aber im Rahmen des Dublin-II-VerfahrensFlüchtlinge nach Malta zurückgeschickt. Das ist nichtder richtige Weg; das ist falsch. Das ist nur Symbolpoli-tik und schädlich. Wir sollten diese historische Chancewahrnehmen und auf allen Ebenen die Menschen unter-stützen, die versuchen, in ihrem Land demokratische undrechtsstaatliche Strukturen zu schaffen. Dazu gehört dieUnterstützung der Freiheitsbewegung vor Ort, eine ver-antwortungsvolle Entwicklungshilfe, aber auch die Auf-nahme von Flüchtlingen in Europa. Wir als Europäersollten uns unserer Stärke und Aufnahmefähigkeit be-wusst sein und unseren Freunden, die für Menschen-rechte und Demokratie kämpfen, die Hand ausstrecken.Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächster spricht für
die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Reinhard
Grindel. Bitte schön, Kollege Reinhard Grindel.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Kollege Kilic, Sie haben Ihre Rede mit nachdenkli-chen Worten begonnen. Ich finde es aber unfair, denBundesinnenminister anzugreifen, obwohl er exakt dasGegenteil von dem gesagt hat, was Sie ihm hier vorge-worfen haben.
Es wäre anständig, zumindest zuzuhören.
Frau Kollegin Künast, bei Ihrer Rede habe ich michan eine andere Rede erinnert, die Sie im Rahmen einerAktuellen Stunde gehalten haben, in der es um Integra-tion ging. Sie haben damals nicht zu Unrecht allen Bun-desregierungen vorgeworfen, dass sie keine hinreichen-den Maßnahmen für die Integration getroffen hätten,dass es Integrationsprobleme gebe und dass wir kraftvolldiejenigen ausländischen Mitbürger, die bei uns sind, in-tegrieren müssten. Glauben Sie ernsthaft, dass wir dieIntegration in Deutschland erleichtern, wenn wir für einevöllig ungesteuerte Zuwanderung zusätzlicher Auslän-der in unser Land sorgen würden? Ich glaube das nicht.Den hier lebenden Ausländern würden wir einen Tort an-tupdW2davAwreZeFFsleVnDeareLmgagdsdinD3DSe
Es ist mehrfach davon gesprochen worden, wir wür-en uns abschotten und es gebe keine Lastenverteilung.ir haben im Jahr 2010 in der Europäischen Union50 000 Asylbewerber gehabt. Knapp 50 000 davon, je-er fünfte, ist nach Deutschland gekommen, er wird hiernständig untergebracht und bekommt ein faires Asyl-erfahren.
ngesichts von knapp 50 000 Asylbewerbern zu sagen,ir als Deutsche würden uns abschotten und unsere ge-chte Last im Rahmen der EU nicht tragen, ist mit denahlen, um die es hier geht, nicht zu vereinbaren. Das istin falscher Vorwurf.
Wir müssen auch einmal differenzieren, über welchelüchtlinge wir reden. Es gibt die Gruppe der politischenlüchtlinge aus Libyen und der Flüchtlinge aus ethni-chen Gründen aus Somalia und Eritrea, die sich vor al-n Dingen in Malta aufhalten. Wir werden unsereerantwortung gegenüber den Freunden in Malta wahr-ehmen. Der Bundesinnenminister hat das vorgetragen.urch sein Vorbild haben andere Innenminister in eineuropäische Lastenverteilung eingewilligt. Ich schließeuch nicht aus, dass wir als Deutsche uns an humanitä-n Aktionen beteiligen, die auf den Personenkreis inibyen abzielen.Auch wenn man die Vergangenheit betrachtet, mussan feststellen: Wir haben Flüchtlinge aus dem Iran auf-enommen, wir haben in großem Umfang Flüchtlingeus dem Irak aufgenommen, und wir haben in der Ver-angenheit nun wirklich unseren Beitrag geleistet, als esarum ging, Flüchtlinge vom Balkan aufzunehmen. In-ofern ist der Hinweis auf Lastenverteilung angesichtser Zahlen wirklich nicht berechtigt.Auch wir haben dieses Wort von der Lastenverteilung der politischen Diskussion gebraucht, Frau Künast.amals haben wir binnen kürzester Frist50 000 Flüchtlinge alleine aus Bosnien aufgenommen.ie Situation damals, gerade für unsere Kommunen undtädte, war eine völlig andere als die, die heute in Italienxistiert.
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Reinhard Grindel
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Eine zweite Gruppe sind die Arbeitsflüchtlinge ausTunesien, die zum überwiegenden Teil gar keinen Asyl-antrag gestellt haben. Eine dritte Gruppe sind die Ar-mutsflüchtlinge aus afrikanischen Ländern wie demSudan, dem Tschad, aus Sierra Leone und vielen anderenLändern. Letztere sind – die Kollegin Griese hat uns in-zwischen verlassen; sie hat das angesprochen – nicht dieÄrmsten der Armen; vielmehr wird im Dorf für diejeni-gen zusammengelegt, die zu den klugen Köpfen gehörenund die die Dörfer, Gemeinden und Regionen voranbrin-gen könnten. Denn nur sie verkörpern die Hoffnung,dass sie nach Europa durchkommen und dann die Fami-lie und womöglich das Dorf ernähren können. Das Geldwird den Schleppern und Schleusern gegeben. MeinenSie, dass es entwicklungspolitisch eine gute Linie ist,wenn wir in dieser Form den Braindrain unterstützenund nebenbei noch das Geschäft der Schlepper undSchleuser befördern? Ich halte das nicht für den richti-gen Weg.
Es gibt in Birmingham mehr Krankenschwestern ausMalawi als in ganz Malawi selbst. Das ist eines derschlechten Beispiele, von denen wir viele bekommenwürden, wenn wir entwicklungs- und flüchtlingspoli-tisch so vorgehen würden. Man kann darüber reden. Siewissen, dass der frühere Bundesinnenminister WolfgangSchäuble in die Diskussion eingebracht hat, innerhalbder EU über zirkuläre Migration nachzudenken.
Aber ich sage Ihnen: Jede Ankündigung, die Grenzenunkontrolliert zu öffnen, eine umfangreiche Lastenver-teilung vorzunehmen, führt nur dazu, dass Schlepper undSchleuser vor Ort sagen können: Es macht wieder Sinn,sich auf den Weg nach Europa zu begeben – mit all dentödlichen Risiken, die das hat. Ich halte das nicht für denrichtigen Weg.Wir müssen vor Ort helfen. Wir brauchen in unseremLand angesichts all der Asylbewerber, Ausländer, dieüber Familienzusammenführungen und vieles andere oh-nehin jedes Jahr zu uns kommen, vor allen Dingen eineAtmosphäre, in der Integration noch möglich ist undauch gelingen kann.Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächste hat das
Wort unsere Kollegin Frau Daniela Kolbe für die Frak-
tion der Sozialdemokraten. Bitte schön, Frau Kollegin
Kolbe.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Verehrte Damen undHerren! Ich gebe zu, mir stecken die Bilder von AnfangAsdAliKusgabawnsafissdzhnasdItmGdaFbEEw–csdgngLAw
Ich finde es auch wichtig, darauf hinzuweisen, dassalien kein unschuldiges Opfer ist, was man sieht, wennan sich anschaut, welchen Deal Herr Berlusconi mitaddafi abgeschlossen hat: 3,6 Milliarden Euro dafür,ass keine Flüchtlinge mehr aus Libyen in Europankommen. Das war sehr erfolgreich. Wo sind dielüchtlinge geblieben? Zum Teil auf dem libyschen Ar-eitsmarkt, aber auch in der Wüste und in Lagern, inrdlöchern, unter unmenschlichsten Bedingungen – unduropa hat weggesehen.In der Gesamtschau muss ich allerdings sagen: Auchenn Italien im Moment noch nicht überfordert istwenn wir uns die Lage in Nordafrika, die Lage in Grie-henland in Richtung Türkei und die Lage in Malta an-chauen –, finde ich, dass es an der Zeit ist, endlich wie-er über faire Lastenteilung in Europa zu sprechen. Dasehört auf der Agenda der Europäischen Union ganzach oben; denn Solidarität ist das Gebot der Stunde. Ichlaube nicht, dass es bei diesen 26 000 Menschen aufampedusa in Italien bleibt.
uch über die Türkei in Richtung Griechenland werdeneiterhin Menschen kommen.
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11916 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011
Daniela Kolbe
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Im Moment regiert aber eher „Jeder ist sich selbst derNächste“, sowohl in Italien als leider auch in Deutsch-land. Das, was wir vom Innenminister aus Bayern hören,ist blanker Populismus und bedient Ängste. Die Forde-rung, wieder Grenzkontrollen einzuführen, geht kom-plett am Thema vorbei und wird definitiv nicht zur Pro-blemlösung beitragen.Noch einmal: Wir brauchen eine faire Lastenteilung;sich abzuschotten, ist der falsche Weg. Wenn wir,Europa, bei unseren hochgehaltenen Werten bleibenwollen – beim Schutz der Menschenrechte, beim Rechtauf Asyl –, wenn wir eine gesteuerte Migration nachEuropa wollen, dann kann Frontex allein sicherlich nichtdie Antwort sein, dann müssen wir endlich Deals wiedie, die zwischen Italien unter Berlusconi und Libyenunter Gaddafi geschlossen worden sind, internationalächten, und wir müssen endlich mit den nordafrikani-schen Ländern auf Augenhöhe sprechen. Wir brauchendabei wirtschaftliche Unterstützung. Die SPD hat dazuVorschläge gemacht.Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die nordafri-kanischen Länder selber durch große Flüchtlingsströmebelastet sind. Eine ganz plausible Möglichkeit der Pro-blemlösung erscheint mir Resettlement: die Aufnahmevon Flüchtlingen, die bereits in einem anderen Land Zu-flucht gefunden haben, um die Zufluchtsländer zu ent-lasten und sie zu befähigen, ein Asylsystem aufzubauenund mit Europa zu kooperieren.Hier ist mehrfach von „Wirtschaftsflüchtlingen“ ge-sprochen worden. Herr Uhl meinte, sie seien alle An-alphabeten.
Wenn man sich die Lage in Nordafrika anschaut, siehtman: Die Arbeitslosigkeit steigt mit dem Bildungsgrad.Das heißt, es gibt dort sehr viele gut ausgebildete jungeLeute, die von Europa träumen – auch wenn sie dortvielleicht nicht dauerhaft bleiben wollen – und die sichderzeit noch auf diese „Seelenfänger“ begeben müssen,weil es keine andere Möglichkeit der legalen Migrationnach Europa gibt.Ich finde, die Frage der legalen Migration nachEuropa gehört wieder auf die Agenda. Wir müssen da-rüber sprechen, wie wir diesen jungen Leuten die Mög-lichkeit geben, gegebenenfalls nach Europa zu kommen,um Geld nach Hause schicken und mit Berufserfahrungzurückkehren zu können. Die Augen davor zu verschlie-ßen, dass diese Menschen – ich habe es eingangs er-wähnt – unbedingt und dringend nach Europa wollen,bedeutet, dass sich immer mehr Menschen auf diese„Seelenfänger“ begeben und im Mittelmeer ertrinken.Hier stehen wir in der Verantwortung. Davor sollte man,gerade wenn das Wort „christlich“ zum Parteinamen ge-hört, nicht die Augen verschließen.
WAdMHtaSudüMSDhmsawVMdhs–sgK
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich geheavon aus, dass kein Einziger in diesem Saal einemenschen, der in Not, in Lebensgefahr geraten ist, seineilfe verweigern oder dafür plädieren wird, dass das ge-n wird. Das unterstelle ich persönlich keinem hier imaal, und ich wünsche gleichzeitig, dass das auch mirnd meiner Regierung nicht unterstellt wird.
Worüber wir hier reden, ist das, was dem folgt, nach-em die Elementarvorsorge bereits geleistet worden ist:ber die Entscheidung, wie es mit den in Not geratenenenschen zukünftig weitergeht. Das ist eine anderetufe der Diskussion. Ich wünsche, dass wir diese beideninge sauber voneinander trennen und unterscheiden.
Ich habe die Debatte von Anfang an verfolgt, auch dieeutige Fragestunde. In mir ist der Wunsch aufgekom-en, dass Sie, meine Damen und Herren von der Oppo-ition, einen Bruchteil der Energie, die Sie für Ihre Kritikn der Bundesregierung verwendet haben, darauf ver-enden, diejenigen mit Ihrer Kritik zu bedenken, dieerhältnisse geschaffen haben, die zur Folge haben, dassenschen flüchten.
Die ganze Sache wird dann unaufrichtig, wenn sieen Schwerpunkt Ihrer Kritik auf diejenigen lenken, dieelfen wollen, und nicht auf diejenigen, die den Not-tand verursacht haben.
Sie haben die Bundesregierung ganz entschieden kriti-iert. Das habe ich doch gehört. Oder war das nicht soemeint? Haben Sie sich vielleicht versprochen, Frauünast?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 11917
Arnold Vaatz
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Der Kollege Veit und die Kollegin Kolbe haben be-rechtigterweise darauf hingewiesen, dass es unannehm-bar ist, wie die Regierung Berlusconi diesen Fall insze-niert, um die Flüchtlinge nach Möglichkeit schnellloszuwerden. Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Dasverurteile ich auch, und ich gehe davon aus, dass diemeisten aus meiner Fraktion, aus unserer Koalition ge-nauso denken.Ich verstehe aber nicht, liebe Kollegen, dass Sie ei-nerseits das Verhalten der Regierung Berlusconi verur-teilen und andererseits von der Bundesregierung verlan-gen, genau dieser Regierung Berlusconi auf den Leim zugehen.
Das verstehe ich überhaupt nicht,
weil Sie nämlich dadurch ein Signal nach Italien senden,sodass man dort sagen kann: Freunde in Europa, waswollt ihr denn? Wir handeln doch genau richtig. Schautnach Deutschland! Lest die Debattenbeiträge der Oppo-sition im Bundestag!
– Ich rede von Italienern. Im Übrigen teile ich nicht dieMeinung, dass alle Flüchtlinge Analphabeten sind. Dashabe ich nicht gesagt, und ich wünsche auch nicht, dassmir Behauptungen, die ich nicht aufgestellt habe, vorge-worfen werden.
Das ist nie geäußert worden. Dass es unter den Flüchtlin-gen Menschen gibt, die Analphabeten sind, dürften auchSie, Frau Künast, nicht bestreiten. Oder doch?In Italien kann die Regierung also sehr gut auf dieseDebatte verweisen und sagen: Freunde, die gesamte Op-position in Deutschland unterstützt unsere Bemühungen,die Flüchtlinge nach Möglichkeit nach Norden weiterzu-leiten.
Das wird man genau in dieser Weise auslegen, und Sietragen dazu bei.
Als Nächstes komme ich zu der Frage: Was ist Solida-rität? Das ist der Punkt, auf den es mir ganz besondersankommt. Meine Damen und Herren, ich halte Ihre Dis-kussion über Solidarität für unaufrichtig. Wir haben aufdem Höhepunkt der Balkankrise – ich war frisch imBundestag – ausführlich darüber diskutiert, wie wir unsaghswDwHhAssfäWEFdslapaDuhsmwsWbdwuV
Solidarität heißt nach meiner Auffassung, dass dertärker Belastete vom weniger Belasteten Hilfe emp-ngt, damit er mit seiner Last besser zurechtkommt.as Sie verlangen, ist genau das Gegenteil. Unter demindruck der Rhetorik in Italien – man spricht von einemlüchtlingstsunami und ähnlich absurden Geschichten,avon, dass das alttestamentarische Ausmaße hat – ver-uchen Sie, Lasten vom im Augenblick relativ wenig be-steten Italien nach Nordeuropa, das in das Flüchtlings-roblem weit stärker involviert ist, zu leiten. Ich denken Belgien, ich denke an Schweden, ich denke aneutschland.
Malta ist eine ganz andere Frage. Zu Malta haben wirns übrigens eindeutig geäußert.Ich will noch einen letzten Punkt ansprechen. Wennier zugerufen wird, dass unsere Position unchristlichei,
uss man erwidern: Unchristlich ist in erster Linie,enn man Signale sendet, dass Flucht ein Allheilmittelein kann.
enn man die Illusion, dass man sich durch Flucht ver-essern kann, in den Menschen immer weiter stärkt, istas unchristlich,
eil man auf diese Weise den Menschen falsche Signalend falsche Ziele gibt und mit dazu beiträgt, dass dieerhältnisse in den Ländern, aus denen diese Menschen
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11918 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011
Arnold Vaatz
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kommen, von Tag zu Tag, von Monat zu Monat und vonJahr zu Jahr unerträglicher werden.
Das erreichen Sie mit der Einladungsrhetorik, die Siehier präsentieren. Ich bin fest davon überzeugt, dass Ih-nen in Deutschland diese Rhetorik niemand mehr abneh-men wird, je schlimmer das Problem für uns alle wird.Vielen Dank.
Der letzte Redner auf unserer Rednerliste ist der Kol-
lege Hartwig Fischer für die Fraktion der CDU/CSU.
Bitte schön, Kollege Hartwig Fischer.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichfinde es einigermaßen enttäuschend, wenn wir bei einemsolch ernsten Thema, bei dem es um Menschenleben, umÜberleben geht,
keine Alternativen aus der Opposition aufgezeigt be-kommen.
Am 17. Dezember 2010 begann die Jasmin-Revolu-tion in Tunesien, am 25. Januar 2011 in Ägypten, im Fe-bruar in Libyen. Wir reden heute über die Flüchtlings-ströme, was auch notwendig ist; aber niemand nimmtzur Kenntnis, was innerhalb dieser kurzen Zeit auch vonder christlich-liberalen Koalition geleistet worden ist,sowohl in der EU als auch in Deutschland.
Es geht nicht um die Anträge, die wir hier verabschie-det haben, sondern es geht ums Handeln. Wir könntenüber den Antrag „Die arabische Welt – Region im Auf-bruch, Partner im Wandel“ der Koalition sprechen. Aberich möchte über die Punkte sprechen, die dem Aufbau inden Ländern dienen sollen. Bei einigen Rednern wurdeja schon deutlich: Es geht darum, den Menschen in ihrerHeimat eine bessere Perspektive zu geben, damit sienicht fliehen.
Wir haben einen Fonds für Demokratie und struktur-und ordnungspolitische Beratung für die reform-orientierten Kräfte aufgelegt. Wir haben den Fonds „Re-gionalvorhaben zur Qualifizierung und Beschäftigungs-förderung Jugendlicher“ für diese Länder aufgelegt. Wirhaben mit 20 Millionen Euro zur Finanzierung einesebmlinVpTtidswSInDreaRWFmregvmjeDteÜOmbslem2epwteaSnDde
enn wir brauchen Möglichkeiten, damit sich die Men-chen dort Existenzgrundlagen schaffen können.Ich möchte einen Punkt ansprechen, den ich für soichtig halte, dass ich die Regierung bitte, dafür einenonderfonds aufzulegen. Wir haben ein hervorragendesformationsinstrument, nämlich die Deutsche Welle.ie Deutsche Welle ist auch in der Maghreb-Region füh-nd beim Rundfunk, insofern er dort alle erreicht, aberuch beim Internet, das bei der Revolution eine großeolle gespielt hat. Ich erwarte, dass wir die Deutscheelle in die Lage versetzen, über die Situation derlüchtling zu sprechen, die aus diesen Ländern stam-en, um den Menschen die Realität vor Augen zu füh-n. Die Schlepperorganisationen gaukeln ihnen ja etwasanz anderes vor, und zwar mit negativen Folgen: Sieerlieren das Hab und Gut der ganzen Familie, weil sieeinen, ins gelobte Land zu kommen.Ich finde es übrigens schlimm, dass sich Frau Künasttzt einfach aus der Diskussion verabschiedet und geht.amit stimmt genau das, was Herr Schily am 27. Sep-mber 2000 gesagt hat: Sie glänzt durch die Pose derberheblichkeit.Meine Damen und Herren, wir brauchen auch in derpposition Freundinnen und Freunde, die diese Projekteitgestalten.
Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, der michetroffen macht. Sie sehen die Bilder, über die wir hierprechen, im Fernsehen; ich habe sie in der Realität er-bt. Ich habe mit meiner Frau Urlaub auf Lanzarote ge-acht. An unserem zweiten Urlaubstag, am 16. Februar009, ist 20 Meter vor dem Urlaubsort Costa Teguise ininer Sturmböe ein Boot gekentert, auf dem 30 Boat-eople aus Afrika waren. Nur sechs haben überlebt, ob-ohl viele Urlauber versucht haben, zu retten. Die meis-n der ums Leben Gekommenen waren Kinder.Das ist das, was wir den Menschen in den Ländern,us denen sie fliehen wollen, deutlich machen müssen:ie dürfen nicht glauben, dass es ihnen, wenn sie zu unsach Europa kommen, hier auf jeden Fall besser geht.as ist keine echte Perspektive. Vielmehr müssen wiren Menschen, die in ihren Heimatländern verbleiben,ine Chance geben, zum Beispiel in Form eines Austau-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. April 2011 11919
Hartwig Fischer
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sches mit unseren Unternehmen, damit sie, hier gebildet,in ihre Heimatländer zurückkehren können.
Wenn wir da gemeinsam an einem Strang ziehen, dannkönnen wir dazu beitragen, dass die Menschen nicht ihreLänder verlassen und sich auf den Weg machen, sondernPerspektiven in ihrer Heimat sehen.
– Herr Kollege, da es in der Aktuellen Stunde keine Zwi-schenfragen gibt, aber ich trotzdem zugehört und noch24 Sekunden Redezeit habe, sage ich Ihnen: Das ist fürmich überhaupt keine Frage. Der Kollege Grindel hatganz klar begründet, dass wir die Asylanträge derjeni-gen, die aus Asylgründen zum Beispiel aus Eritrea oderSomalia über Libyen kommen oder aus dem Bürger-kriegsgebiet Libyen kommen, prüfen. Wir nehmen jaauch 100 auf, die aus diesen Gründen nach Europa ge-kommen sind. Das ist überhaupt keine Frage.Aber ich möchte, dass den Menschen deutlich ge-macht wird, was sie erwartet, wenn sie sich auf dieFlucht begeben. Wir alle sollten die Möglichkeiten nut-zen, ihnen dieses über die Deutsche Welle oder auch di-rekt vor Ort, wenn wir in diese Länder fahren, deutlichzu machen.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Die Aktuelle Stunde ist
damit beendet.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 14. April 2011,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.