Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-zung ist eröffnet.Vorweg: Die Fraktionen haben sich, abweichend vonunserem sonst üblichen Verfahren, auf eine besondereGestaltung der später stattfindenden Fragestunde ver-ständigt: Zunächst stehen etwa 30 Minuten für dringli-che Fragen zu Libyen zur Verfügung, danach etwa30 Minuten für dringliche Fragen zur Dissertation desBundesministers der Verteidigung. Anschließend behan-deln wir die übrigen mündlichen Fragen wie üblich.Die beiden erstgenannten Themen sind ebenfalls Ge-genstand von Aktuellen Stunden. Die Fraktionen derSPD und des Bündnisses 90/Die Grünen haben für heuteim Anschluss an die Fragestunde eine Aktuelle Stundezur Dissertation des Bundesministers der Verteidigungverlangt. Gegenstand der morgigen Aktuellen Stunde aufVerlangen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP ist dieEskalation der Gewalt in Libyen.Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? –Das ist der Fall. Dann verfahren wir so.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-dDbEhSmehzEraistrimehRedetgebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes-serung der Bekämpfung von Geldwäsche und
– Drucksache 17/4802 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
Auswärtiger AusschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschussEine Aussprache ist für heute nicht vorgesehen. Wirkommen daher gleich zur Überweisung.Interfraktionell wird Überweisung deswurfs auf Drucksache 17/4802 an die in dernung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlage
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nach dem Insolvenzantrag genommen. Der Ansatz „Sa-nierung vor Liquidierung“ wird aber nur gelingen, wennUnternehmen früher Anträge auf Insolvenz stellen. DerGesetzentwurf unterstützt sie darin, diesen zugegebener-maßen schwierigen Schritt zu wagen, bevor die letzteMasse verbraucht und die letzte Chance auf eine Sanie-rung vertan ist.Die Aussichten, dass Deutschland gestärkt aus derFinanz- und Wirtschaftskrise hervorgeht, stehen gut. DieZahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland istwegen des erfreulich kräftigen Aufschwungs stark ge-sunken. Anders als noch 2009 gab es 2010 praktischkeine spektakulären Großinsolvenzen. Die Anzahl derInsolvenzen von Unternehmen mit einem Umsatz vonmehr als 100 Millionen Euro hat sich um zwei Drittel re-duziert. Die Verfahren waren insgesamt deutlich wenigerumfänglich als zuvor. Dies zeigt sich auch in dem erheb-lichen Rückgang der insolvenzbedingten Arbeitsplatz-verluste. Der heute beschlossene Regierungsentwurf un-terstützt diese erfreuliche Entwicklung und wird dieSanierungschancen von Unternehmen weiter verbessern.Damit stärken wir die Insolvenzordnung und den Stand-ort Deutschland insgesamt.Auf der zweiten Stufe der Reform werden wir noch indiesem Jahr eine Änderung des Verbraucherinsolvenz-rechts auf den Weg bringen. Gescheiterte Gründer, aberauch überschuldete Verbraucher sollen schneller eineChance für einen Neustart erhalten. Im Interesse der For-schung werden wir Lizenzen, also Rechte des geistigenEigentums, in der Insolvenz sicherer ausgestalten. Wirprüfen den Bedarf für die Sanierungsverfahren schon imVorfeld der Insolvenz.Das Insolvenzrecht ist und bleibt ein zentrales Re-formvorhaben der Bundesregierung im Wirtschaftsrecht.Ich freue mich auf die Beratungen im Plenum des Bun-destags und in den Ausschüssen.Vielen Dank.
Ich bitte darum, zunächst Fragen zu dem Themenbe-
reich zu stellen, der soeben behandelt wurde. – Das Wort
hat zunächst Kollegin Voßhoff.
Frau Ministerin, vielen Dank für Ihre Ausführungen.
In der Tat ist dieser Reformentwurf von grundsätzlicher
wirtschaftlicher Bedeutung. Die christlich-liberale Ko-
alition zeigt damit einmal mehr, dass sie die wirtschaftli-
che Entwicklung positiv flankiert. Das zeigen auch die
Erfahrungen mit der Insolvenzordnung der vergangenen
Jahre.
Sie erwähnten die einzelnen Stichworte. Dazu habe
ich eine Nachfrage. Bestandteil des Reformvorhabens ist
auch der Ausbau und die Straffung des Insolvenzplan-
verfahrens, eine sehr wichtige Einzelposition im Re-
formvorhaben. Wie soll das erfolgen? Welche Wirkung
verspricht sich die Bundesregierung davon?
Frau Ministerin.
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verwalter beim Insolvenzgericht vorgeschlagen hat,diese Person dann aber schon deshalb, weil der Vor-schlag von einem Gläubiger kam, als befangen und da-mit als nicht geeignet angesehen wurde. Deshalb wollenwir den vorläufigen Gläubigerausschuss stärker einbe-ziehen, wenn es zu einer einstimmigen Einigung auf denVorschlag einer Person kommt. Natürlich muss das In-solvenzgericht aber noch einen eigenen Entscheidungs-spielraum im Hinblick auf Eignung und Qualifikationhaben.Wir erhoffen uns, dass dies ein besseres Verfahrensein wird, um das Insolvenzverfahren – auch das Insol-venzplanverfahren – mit qualifizierten Persönlichkeitenzu gestalten.
Danke schön. – Die nächste Wortmeldung ist von
Kollegen Christian Ahrendt.
Frau Ministerin, Sie haben eben schon in der Antwort
auf die Frage von Kollegin Voßhoff ausgeführt, dass das
Insolvenzplanverfahren im Rahmen des Gesetzgebungs-
verfahrens überarbeitet und verbessert wird. Ein wesent-
licher Punkt in der Vergangenheit ist immer gewesen,
dass das Insolvenzplanverfahren gar nicht erst erreicht
wird, weil die Hürden dafür sehr hoch sind und die
Schuldner, die eine Sanierung ihres Unternehmens an-
streben, oftmals vor den damit verbundenen Schwierig-
keiten zurückschrecken. Frage eins: Welche gesetzlichen
Verbesserungen sehen Sie vor, damit Schuldner, die ihr
Unternehmen ernsthaft sanieren wollen, das Insolvenz-
planverfahren besser erreichen können?
Frage zwei: Sie haben eben den Gläubigerausschuss
angesprochen. Welche Mitglieder sind im Gläubigeraus-
schuss vertreten? Ein wichtiger Punkt ist immer die
Sicherung von Arbeitsplätzen. Finden Arbeitnehmer in
den Gläubigerausschüssen künftig bessere Berücksichti-
gung?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:
Herr Kollege Ahrendt, zu Ihrer zweiten Frage: Jawohl,
Arbeitnehmer finden sich, weil sie als Gruppe zusammen-
gefasst werden können, im vorläufigen Gläubigeraus-
schuss wieder, und darin liegt auch eine verbesserte Mög-
lichkeit für sie, ihre berechtigten Anliegen einzubringen.
Das ist ausdrücklich so vorgesehen.
Ihre erste Frage bezieht sich letztlich darauf, wie man
Blockadepotenzial verhindern kann, das dazu führt, dass
das unter anderem in § 217 – der wird durch unseren Ge-
setzentwurf geändert – geregelte Insolvenzplanverfahren
gar nicht erst angewandt wird. Wir wollen die Koopera-
tion der Anteilseigner im Insolvenzplanverfahren stär-
ken. Wir wollen, dass auch einzelne Gesellschafter ihren
Beitrag zur Sanierung leisten müssen. Sie werden im In-
solvenzplanverfahren künftig nicht mehr dem Gesell-
schaftsrecht unterstellt, sondern den Vorschriften über
den gestaltenden Teil des Insolvenzplanverfahrens unter-
worfen. Das insolvenzrechtliche Obstruktionsverbot gilt
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berücksichtigen, die dagegen vorgebracht werden. Des-halb ist das so nicht in diesem Gesetzentwurf enthalten.
Nun erteile ich das Wort Kollegin Gitta Connemann
zu einer Frage.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, im
Bereich der Insolvenzverfahren kommt den Amtsgerich-
ten eine Schlüsselrolle zu, da die Insolvenzgerichte dort
angesiedelt sind. Aufgrund vielerlei Erfahrungen, die ich
in meinem Wahlkreis gesammelt habe, ist mir bewusst,
dass es sehr stark darauf ankommt, dass bei den Amts-
gerichten Kompetenz in diesen Fragen angesiedelt ist,
damit die Unternehmer bei ihrem Ziel einer erfolgrei-
chen Unternehmenssanierung unterstützt werden können.
Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie um Information, in-
wiefern Sie diesbezüglich Pläne oder Vorstellungen in
Ihrem Gesetzentwurf verankert haben, wohl wissend,
dass die Organisationsfrage in der Zuständigkeit der
Länder liegt.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:
Liebe Frau Connemann, es ist wirklich ganz entschei-
dend, dass die Kompetenz für Insolvenzverfahren bei
den Amtsgerichten gestärkt wird. Deshalb sehen wir
zum einen in unserem Gesetzentwurf vor, dass § 2 der
Insolvenzordnung so gefasst wird, dass die Zuständig-
keit auf ein Amtsgericht in einem Landgerichtsbezirk
konzentriert werden kann. Das soll die Möglichkeit er-
öffnen, dass dort Erfahrungen mit Insolvenzverfahren
gesammelt werden. Dabei geht es darum, dass die Quali-
fikation verbessert wird, dass mehr Erfahrungen im Um-
gang mit der Vielgestaltigkeit dieser Verfahren gesam-
melt werden können und es entsprechend erfahrene
Richter gibt. Derzeit ist es teilweise so, dass an einem
Gericht ein einziger Richter mit all diesen Fragen befasst
ist, er daneben aber auch noch viele andere Dinge, die in
seinen Kompetenzbereich fallen, zu erledigen hat. Ich
glaube, der Erfolg der Insolvenzverfahren, die nicht das
Ziel der Liquidierung haben, hängt entscheidend davon
ab, dass erfahrene Insolvenzrichter frühzeitig die Mög-
lichkeiten ergreifen, die ihnen mit diesem Gesetzentwurf
geboten werden.
In diesem Gesetzentwurf sehen wir zum anderen vor
– das ist geboten; das haben wir in anderen Rechtsberei-
chen in dieser Form nicht –, dass der Aus- und Fortbil-
dung ein hoher Stellenwert beigemessen wird. Hier be-
steht ausdrücklich ein Auftrag an die Länder, die das in
ihrer Verantwortung wahrzunehmen haben. Ich glaube,
nur dann kann den berechtigten Anliegen von Unterneh-
men und von Arbeitnehmern zum Erhalt ihrer Arbeits-
plätze Rechnung getragen werden.
Nun Kollege Silberhorn, bitte.
Frau Ministerin, im Zusammenhang mit den Staaten-
insolvenzen, über die wir im Zuge der Stabilisierung des
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Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-inisterin der Justiz:Es ist ja noch Zeit, Herr Trittin. – Herr Ahrendt,ohn- und Gehaltszahlungen, die regelmäßig erfolgenzw. erfolgt sind, können sowieso nicht angefochtenerden, allenfalls Lohnnachzahlungen. Erfolgt die Zah-ng nicht später als 30 Tage nach der Erbringung derrbeitsleistung, so ist eine Insolvenzanfechtung ausge-chlossen. Von daher ist hier mit der Rechtsprechung des
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10353
Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
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Bundesgerichtshofes eine gute und sichere Stellung derArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegeben.
Jetzt hat Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker
noch einmal das Wort zu einer Frage.
Frau Ministerin, im Koalitionsvertrag hat sich die
Koalition vorgenommen, die Rahmenbedingungen für
eine vorinsolvenzliche Sanierung zu verbessern. Nun ha-
ben wir in dem vorgelegten Entwurf durchaus schon
einige Aspekte einer vorinsolvenzlichen Sanierung auf-
gegriffen. Wie beurteilen Sie die Notwendigkeit eines ei-
genständigen vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens
nach der Umsetzung dieses Gesetzentwurfes?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:
Wir haben bewusst einige Möglichkeiten jetzt in das
Verfahren aufgenommen, weil wir so früh wie möglich
versuchen wollen, das Augenmerk auf die Einleitung
von Sanierungsmaßnahmen zu lenken. Dadurch soll ver-
hindert werden, dass eine Insolvenz zwangsläufig zur
Bestattung eines Unternehmens führt. Wir sind deshalb
zurückhaltend hinsichtlich einer möglichen Einführung
eines umfangreichen vorinsolvenzrechtlichen Sanie-
rungsverfahrens; dies wird aber gerade noch sehr inten-
siv mit den Beteiligten erörtert. Wenn wir zu dem Ergeb-
nis kommen, dass Handlungsbedarf besteht, werden wir
dies in einem nächsten Schritt aufgreifen. Ich darf hier
deutlich zum Ausdruck bringen, dass wir in diesem
Punkt sehr zurückhaltend sind und eine zwingende Not-
wendigkeit im Moment nicht besteht.
Danke schön, Frau Ministerin.
Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Ka-
binettssitzung? – Zuerst Kollegin Enkelmann, dann Kol-
lege Beck.
Danke, Herr Präsident. – Am letzten Freitag hat der
Bundesminister der Verteidigung parallel zur Bundes-
pressekonferenz eine nicht ganz unwichtige politische
Erklärung abgegeben und es somit einem Großteil der
Journalistinnen und Journalisten unmöglich gemacht,
bei dieser Erklärung anwesend zu sein. Hat sich das Ka-
binett mit dieser Brüskierung der Bundespressekonfe-
renz befasst und wenn ja, in welcher Art?
Herr von Klaeden, bitte.
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Nun Kollege Beck und anschließend Kollege
ouripour.
Die Bundeskanzlerin legt entscheidenden Wert da-
uf, zwischen dem Doktoranden zu Guttenberg und
em Politiker zu Guttenberg zu unterscheiden. Vor die-
em Hintergrund frage ich Sie, welche Richtlinien zur
erwendung des Briefkopfes eines Ministeriums es in
er Bundesregierung gibt.
Wie ich in der heutigen Bild-Zeitung gelesen habe,
at der Bundesminister der Verteidigung ein Schreiben
n die Universität Bayreuth zur Niederlegung seines
oktorgrades gesandt – ich habe es in Faksimile hier –,
as mit dem Briefkopf des Bundesverteidigungsministe-
ums versehen ist. Da es undatiert ist, kann ich Ihnen
icht sagen, von welchem Tag es stammt. Ich kann mich
llerdings daran erinnern, dass zu Zeiten der Kohl/
enscher-Regierung ein Minister der FDP zurückgetre-
n ist, weil er unbefugt für private Angelegenheiten
riefpapier, das mit dem Briefkopf eines Ministeriums
ersehen war, verwendet hat. Ich möchte wissen, ob in
er Bundesregierung inzwischen andere Richtlinien zur
erwendung amtlicher Briefköpfe existieren.
E
Herr Kollege Beck, zunächst einmal: Ich bin nicht soin eifriger Leser der Bild-Zeitung wie Sie.
Ich kann es von hier nicht erkennen.Falls es solche Richtlinien geben sollte, bin ich gerneereit, sie Ihnen zukommen zu lassen. Der Fall, auf denie möglicherweise anspielen, war aber völlig anders ge-gert.
Das kann ich mir vorstellen; aber es ist trotzdem eineorrekte Antwort.
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10354 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Staatsminister Eckart von Klaeden
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Der nächste Fragesteller ist Kollege Nouripour.
Nach Beendigung der Wehrpflicht wird die Bundes-
wehr etwas für ihre Attraktivität tun müssen. Wir erleben
dieser Tage, dass es das Problem gibt, Nachwuchs zu
generieren. Wir haben erfahren, dass das BMVg deshalb
demnächst eine Anzeigenkampagne schalten wird, in der
Bild-Zeitung, in der Bild am Sonntag und auf
www.bild.de.
War heute im Kabinett ein Thema, warum diese Kampa-
gne nicht in weiteren Medien geschaltet wird und was
sie kostet?
E
Nein, das ist im Kabinett nicht besprochen worden.
Da der Parlamentarische Geschäftsführer Ihrer Fraktion
zu den eifrigen Lesern der Bild-Zeitung gehört, wird es
aber sicher nicht falsch sein, dort solche Anzeigen zu
schalten. Vielleicht können wir ihn ja gewinnen.
Nun Kollegin Haßelmann.
Herr von Klaeden, ich habe Ihnen gerade die Kopie
des Schreibens, das in der heutigen Bild-Zeitung zu le-
sen ist, gegeben. Da sie Ihnen jetzt vorliegt, können Sie
die Frage meines Kollegen Beck nun sicherlich beant-
worten. Von daher würde ich Sie bitten, dies zu tun und
mir die Frage zu gestatten, ob Sie sich heute im Kabinett
darüber unterhalten haben, ob der Minister zur heutigen
Fragestunde erscheinen und selbst Rede und Antwort zu
den dringlichen Fragen stehen wird oder ob er, wie ges-
tern in Agenturmeldungen zu lesen war, zwei Staats-
sekretäre schicken wird.
E
Bezüglich Ihrer zweiten Frage schlage ich vor: War-
ten Sie doch ab. Dann wird die Frage beantwortet.
Was Ihre vorausgehenden Ausführungen angeht, kann
ich nur wiederholen, was ich bereits auf die Frage des
Kollegen Beck geantwortet habe: Falls es solche Richtli-
nien gibt, werde ich sie Ihnen gerne zusenden und dann
auch die Frage in diesem Zusammenhang beantworten.
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Noch einmal Kollege Beck.
Da Sie selbst Mitglied der Bundesregierung sind, ha-
en Sie sich sicherlich schon einmal mit der Frage be-
chäftigt, ob Sie für private Korrespondenz Briefpapier
erwenden, das mit dem Briefkopf des Bundeskanzler-
mtes versehen ist. Herr Kollege von Klaeden, da Sie Ju-
st sind,
age ich Sie: Halten Sie es nach Ihrem juristischen und
ienstlichen Verständnis im Bundeskanzleramt für rich-
g, wenn jemand für private Korrespondenz Briefpapier,
as mit dem Briefkopf des Bundesverteidigungsministe-
ums versehen ist, nutzt, insbesondere dann, wenn es
m private Rechtsakte geht?
E
Wie gesagt, werde ich Ihnen die Frage in Bezug auf
iesen Brief beantworten, und falls es solche Richtlinien
ibt, werde ich auch darauf Bezug nehmen. Was Ihre
inleitung der Frage angeht, muss ich Ihnen auch zu
einem Bedauern mitteilen, dass ich leider nicht Mit-
lied der Bundesregierung bin.
Eine weitere Frage stellt Kollegin Haßelmann.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr von Klaeden,
ich irritiert Ihre Antwort bzw. die Nichtbeantwortung
er Frage; denn es war doch der Presse zu entnehmen,
ass nicht nur das Kanzleramt, sondern auch die Kanzle-
n selbst sehr großen Wert auf die Trennung von Vertei-
igungsminister und Doktortitel legt. Deshalb ist es
icht irgendein Vorgang, wenn der Verteidigungsminis-
r sich heute öffentlich dazu in der Bild-Zeitung äußert;
enn da findet eine Vermischung statt. Daher meine
rage: Wie nehmen Sie es im Kanzleramt und auch in-
erhalb des Kabinetts wahr, wenn die Trennung, die aus-
erechnet die Kanzlerin dezidiert seit Tagen vornimmt,
ier aufgehoben wird?
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Ich glaube, dass es nicht Aufgabe der Bundesregie-ng ist, die Berichterstattung der Bild-Zeitung zu kom-entieren.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10355
Staatsminister Eckart von Klaeden
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Sie haben gerade auf die Vermischung in der Bericht-erstattung hingewiesen, und ich sage: Diese Bericht-erstattung wird ebenso wie die Berichterstattung andererMedien nicht kommentiert.
Eine weitere Frage stellt die Kollegin Ulla Schmidt.
Darüber können wir gerne reden. – Aber ich habe eine
Frage an den Kollegen Klaeden. Hat die Bundesregie-
rung die Bestimmungen vielleicht geändert? Zu der Zeit
der Großen Koalition war das ganz eindeutig geregelt:
Privates nur mit privatem Briefkopf und Dienstliches mit
dienstlichem Briefkopf.
– Die Dinge sind alle geklärt. – Hat es dort eine Ände-
rung gegeben?
E
Frau Kollegin Schmidt, ich beantworte die Frage so,
wie ich sie eben auch schon beantwortet habe: Ich werde
mich erkundigen, ob es solche Richtlinien gibt, und
werde Ihnen dann davon Kenntnis geben.
Eine weitere Frage stellt der Kollege Beck.
Ich möchte die Frage der Kollegin Haßelmann in
Erinnerung bringen. Es ging nicht um die Berichterstat-
tung der Bild-Zeitung, sondern es ging um den Brief des
Bundesverteidigungsministers an die Universität Bay-
reuth. In diesem Brief dementiert der Bundesverteidi-
gungsminister die von der Bundeskanzlerin vorgenom-
mene Trennung zwischen dem Doktoranden, dem
Bundesverteidigungsminister und dem Abgeordneten,
indem er alles in eins setzt und es aufs Amt zieht, ähn-
lich wie er es am Freitag mit der Pressekonferenz zu dem
privaten Vergnügen einer Dissertation vor handverlese-
nen Journalisten gemacht hat,
organisiert von der Pressestelle des Bundesverteidi-
gungsministeriums, durchgeführt im Bundesverteidi-
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en Bezug, den Sie hier gerade unterstellen, hat der Un-
rzeichnende jedenfalls in dem Schreiben, das mir in
opie vorgelegt worden ist, nicht hergestellt.
Eine weitere Frage stellt Kollegin Haßelmann.
Herr Präsident, vielen Dank. – Vielen Dank auch für
ie Geduld der Kollegen, die sich anscheinend strapa-
iert fühlen.
Herr von Klaeden, noch eine Frage: Wie stehen Sie
enn als Bundesregierung zu der von der Bundeskanzle-
n vorgenommenen Trennung der akademischen Lauf-
ahn vom Amt des Verteidigungsministers – daran gibt
s ja wohl keinen Zweifel, weil das durch mehrere Zitate
elegt ist – und der Nennung des Verteidigungsministers
ei der Verzichtserklärung in der heutigen Ausgabe der
ild-Zeitung?
E
Zum zweiten Teil der Frage kann ich nur erneut sa-
en, dass ich die Berichterstattung der Bild-Zeitung oder
nderer Medien hier nicht kommentiere.
Zum ersten Teil der Frage: Es ist selbstverständlich,
ass die Bundeskanzlerin die volle Unterstützung der
undesregierung in Bezug auf ihre Äußerungen hat.
Ich sehe, Sie haben keine weiteren Fragen mehr. Da-it beende ich die Befragung der Bundesregierung.
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10356 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
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Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:Fragestunde– Drucksachen 17/4638, 17/4812, 17/4834 –Wir kommen zunächst zu den dringlichen Fragen. Ichwill noch einmal daran erinnern, dass wir uns daraufverständigt haben, eine halbe Stunde für den Themen-komplex „Libyen“ und eine halbe Stunde für den The-menkomplex „Bundesminister zu Guttenberg“ zu ver-wenden.Zur Beantwortung der dringlichen Fragen 1 und 2steht die Staatsministerin Cornelia Pieper zur Verfügung.Ich rufe die erste dringliche Frage des KollegenSchockenhoff auf:Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das ge-waltsame Vorgehen des libyschen Regimes am vergangenenWochenende gegen friedliche Demonstranten sowie die Zahlder Todesopfer, und wie bewertet die Bundesregierung die Si-tuation in Libyen?Bitte schön, Frau Staatsministerin.C
Herr Präsident, wenn Sie erlauben, würde ich die bei-
den Fragen im Zusammenhang beantworten.
Ich erlaube es und rufe auch die dringliche Frage 2
des Kollegen Schockenhoff auf:
Für wie belastbar hält die Bundesregierung Aussagen von
Vertretern des libyschen Regimes am Montag, dem 21. Fe-
bruar 2011, hinsichtlich Reformen wie die Erarbeitung einer
Verfassung sowie Änderungen im Strafgesetz und bei der Re-
glementierung der Medien?
C
Danke schön. – Ich bedanke mich ausdrücklich beim
Abgeordneten Schockenhoff für diese hochaktuellen und
sehr brisanten Fragen, auch deshalb, weil sich das
Kabinett heute sehr intensiv mit diesem Thema befasst
hat – auch im Zusammenhang mit der Situation in Nord-
afrika bzw. im Nahen Osten –, und beantworte sie wie
folgt: Die Bundesregierung ist über die aktuelle Lage in
Libyen und Berichte über gewaltsames und brutales Vor-
gehen von Kräften des Regimes höchst besorgt. Sie hat
das Vorgehen wiederholt mit deutlichen Worten verur-
teilt und die libysche Regierung aufgefordert, die Gewalt
gegenüber den Bürgern ihres eigenen Landes sofort zu
stoppen.
Auch die Außenminister der Europäischen Union ha-
ben die Gewalt mit klaren Worten verurteilt. Ebenso hat
sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der ver-
gangenen Nacht in einer auch von uns geforderten offi-
ziellen Sitzung auf ein eindeutiges Statement geeinigt.
Er verurteilt die Gewalt und die Unterdrückung, appel-
liert an die Einhaltung der Menschenrechte und des in-
ternationalen Rechts und fordert den Schutz ausländi-
scher Staatsangehöriger.
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über der Gaddafi-Familie und dem Einfrieren von Aus-landskonten derzeit gegen die Führung Libyens erwo-gen? Um welche Auslandskonten würde es sichhandeln? Wie möchte die Bundesregierung nach demitalienischen Veto gegen Sanktionen weiter vorgehen?C
Wie Sie wissen, hat der Bundesaußenminister gestern
bewusst das Thema Sanktionen ins Gespräch gebracht.
Wir setzen uns in der Europäischen Union für eine ra-
sche Prüfung aller Sanktionsmöglichkeiten ein. Dazu ge-
hören auch die von Ihnen genannten. Das Thema steht
im Übrigen auf der Tagesordnung des Politischen und
Sicherheitspolitischen Komitees in Brüssel.
Was die Konten anbelangt, kann ich jetzt keine kon-
kreten Angaben machen. Ich werde aber versuchen, sie
nachzuliefern.
Noch eine Nachfrage? – Bitte schön.
Wie steht die Bundesregierung zur Forderung nach ei-
ner Suspendierung der Mitgliedschaft Libyens im UN-
Menschenrechtsrat?
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Ich glaube, die Tatsache, dass in Libyen gravierende
Menschenrechtsverletzungen vorgenommen worden
sind und dass ein Diktator wie Gaddafi sein eigenes Volk
bei friedlichen Demonstrationen niedermetzeln lässt,
gibt jede Begründung für die Forderung, die Sie gerade
angesprochen haben, Herr Abgeordneter.
Vielen Dank.
Das Wort zu einer Nachfrage hat nun Kollege Rolf
Mützenich.
Vielen Dank. – Ich wollte mich auch beim Kollegen
Schockenhoff bedanken, ihm aber auch, wenn ich das
nach den parlamentarischen Regeln darf, zu seinem heu-
tigen Geburtstag gratulieren.
Ich hoffe, Sie sind nicht böse mit mir, wenn das nicht
den Richtlinien entspricht.
Fr
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ist die Bundes-
regierung bereit, möglicherweise international straf-
rechtliche Maßnahmen und Konsequenzen gegenüber
dem libyschen Regime und auch konkret gegenüber dem
jetzigen Machthaber, der offensichtlich noch im Amt ist,
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können. Das werden wir auch weiterhin tun, weil es da-durch einfacher ist, die Evakuierungsaktion durchzufüh-ren.Hinzu kommt, dass die libysche Verwaltung zum Teilvollständig weggebrochen ist, sodass es gar nicht so ein-fach ist, Genehmigungen für Transall-Flüge zu bekom-men. Deswegen möchte ich der Lufthansa an dieserStelle noch einmal ausdrücklich dafür danken, dass sieso schnell und unkompliziert reagiert und die Deutschenaus Libyen herausgeholt hat. Ich glaube, das war ganzwichtig. Sie wissen, es geht da zurzeit drunter unddrüber, wenn man das überhaupt so salopp formulierenkann. Es ist eine gefährliche Situation in Libyen. Des-wegen ist es ganz wichtig, dass die Deutschen sehrschnell aus Libyen herauskommen. Im Moment befin-den sich noch ungefähr 130 bis 140 – so sind unsereSchätzungen – Deutsche in Libyen, aber eben nicht nurin den Städten, sondern verstreut im Land, sodass mannicht sagen kann, dass bis zu einem bestimmten Zeit-punkt in dieser Woche alle Deutschen das Land verlas-sen haben werden. Wir setzen in dieser wirklich prekä-ren und gefährlichen Situation jedenfalls alles daran,dass als Erstes das Leben von Deutschen und anderenEU-Bürgern geschützt wird.
Nun Kollege Wolfgang Götzer.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Sehr verehrte Frau Staatsministerin, welche Erkennt-
nisse hat die Bundesregierung über den derzeitigen Auf-
enthaltsort Gaddafis?
C
Sehr geehrter Herr Abgeordneter, nach dem, was wir
alle und wahrscheinlich auch Sie in den allgemein be-
kannten Nachrichtensendungen wahrnehmen – in den
Medien waren groteske Bilder zu sehen –, gehen wir da-
von aus, dass Gaddafi im Land, in Tripolis, ist.
Eine Nachfrage?
Ja, ich habe eine weitere Frage.
Die erste Frage war ja hinreichend kurz. – Bitte.
Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über
die Landesteile, die nicht mehr unter der Kontrolle des
Regimes sind?
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Ich sagte ja schon, dass die Situation ziemlich zuge-
spitzt ist, dass auch die Kontrolle über bestimmte Lan-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10359
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che und soziale Perspektive aufzuzeigen. Ich halte es fürdringend geboten, dass man versucht, gerade den jungenMenschen in diesem Land und in der Region insgesamt– die Bevölkerung ist sehr jung; der Altersdurchschnittist sehr niedrig – eine Perspektive zu eröffnen. Wie Siewissen, wird das in Ägypten und Tunesien weitaus einfa-cher sein als in Libyen. In Ägypten und Tunesien könnenwir es besser einschätzen. Dort ist die Basis für eine Zi-vilgesellschaft gegeben. Diese kann man stärker unter-stützen, genauso wie die Opposition; das werden wirauch tun. Das alles ist angesichts des Staatssystems inLibyen nicht möglich; das macht es so schwierig.
Eine Nachfrage? – Bitte.
Frau Staatsministerin, Sie sprachen davon, dass der
Herr Außenminister bereit ist, über alle denkbaren Sank-
tionen gegenüber Libyen zu beraten. Meine Frage lautet:
Welche konkreten Sanktionen hat er bei dem Treffen der
EU-Außenminister anzustoßen versucht?
C
Ich sprach davon, Herr Abgeordneter, dass sich der
Bundesaußenminister mit einem Maßnahmenpaket an
die Hohe Vertreterin der Außen- und Sicherheitspolitik
der Europäischen Union, Frau Ashton, gewendet hat. Er
hat konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, die man jetzt
in Nordafrika ergreifen sollte, und deutlich gemacht, wie
man in der Europäischen Union mit einer Transforma-
tionspartnerschaft umgehen sollte. Er sprach auch von
einer Neujustierung der europäischen Nachbarschafts-
politik. Er hat bewusst den Anspruch auf Förderung
demokratischer Werte erhoben, die in Zukunft glaubwür-
diger und effizienter erfüllt werden müssen. Er hat au-
ßerdem den Anspruch erhoben, dass die EU die Stär-
kung der Zivilgesellschaften mehr fokussieren muss und
dass diese in den Austausch mit der Europäischen Union
einbezogen werden müssen. Wie gesagt, setzt der Bun-
desaußenminister sehr stark auf den gesellschaftlichen
Aufbruch und den demokratischen Wandel. Dazu gehört
natürlich als Erstes, dass man soziale Stabilität in diesen
Regionen schafft. Das ist die eine Seite der Medaille.
Die andere Seite der Medaille sind die Sanktionen.
Darüber wird auch in der Europäischen Union beraten
werden. Dazu sage ich – ich will nichts vorwegnehmen –:
Über jede Form der Sanktion muss nachgedacht werden.
Das Wort hat nun Joachim Hörster.
Frau Staatsministerin, hat die Bundesregierung
Kenntnisse über die Zustände in der libyschen Armee?
Es gibt Berichte, dass die libysche Armee zerfalle und
dass Teile des Militärs zu den Demonstranten, den Auf-
ständischen übergelaufen seien. Wissen Sie etwas da-
rüber?
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Zu dem, was Sie als Erstes angesprochen haben, hatder Bundesaußenminister aus meiner Sicht ganz klareWorte gegenüber der italienischen Regierung gefunden.Er hat sich klar distanziert und auch kritisiert, welchefalschen Reaktionen seitens des italienischen Außen-ministeriums gegenüber Libyen zu erkennen waren.Ich will noch einmal sagen: Es ist ganz wichtig, dassder Bundesaußenminister auch auf europäischer Ebeneversucht, sich für diese Region einzubringen und sich fürSanktionen starkzumachen. Darüber wird er natürlichauch mit Italien sprechen. Es ist ganz wichtig, dassDeutschland in Fragen, die Menschenrechtsverletzungenanbelangen, eine Vorreiterposition einnimmt. Wir wer-den großen Wert auf den Kampf gegen Menschenrechts-verletzungen legen. Er muss auch in der zukünftigenPartnerschaftspolitik mit Nordafrika bzw. mit Ländernim Nahen Osten ein ganz wichtiges Kriterium der EU-Politik sein.
Die nächste Frage stellt Kollege Hans-Christian
Ströbele.
Frau Staatsministerin, ich habe mit Interesse zur
Kenntnis genommen, dass jetzt auch Sie den libyschen
Diktator als Diktator bezeichnen; das haben Sie heute
mehrfach getan. Ich hoffe, dass dieser Sprachgebrauch
nun auch in der Europäischen Union und insbesondere
bei Herrn Berlusconi Einzug findet. Aber darauf zielt
meine Frage nicht.
Seit dem Jahr 2009 sind aus der EU, insbesondere aus
Italien, mehr als 2 000 Flüchtlinge, die sich aus Eritrea
und Somalia aus einer sehr schlimmen Situation bis Ita-
lien und in die übrige EU durchgeschlagen haben, zum
Teil unter Zuhilfenahme erheblicher Zwangsmaßnahmen
wieder nach Libyen zurückgebracht worden. Sie vege-
tieren dort in Lagern. Nach Berichten von Menschen-
rechtsorganisationen werden sie dort misshandelt, und
die Frauen werden vergewaltigt. Was tut die Bundes-
regierung – außer dass sie sich um deutsche Staatsange-
hörige und EU-Angehörige kümmert, was sicherlich
richtig, gut und wichtig ist – zum Schutz dieser Men-
schen, die jetzt in dieser Situation besonderen Gefahren
ausgesetzt sind?
C
Herr Abgeordneter, Sie kennen die besondere Situa-
tion in Libyen. Sie wissen, wie schwierig derzeit jegliche
Einflussnahme auf das Geschehen dort ist. Deswegen
– dies möchte ich ausdrücklich betonen – war das erste
Ziel des Bundesaußenministeriums, unsere Landsleute
aus dieser gefährlichen Region herauszuholen, was na-
türlich nicht ausschließt, dass wir die Situation der
Flüchtlinge auch weiterhin im Auge haben werden. Da-
rüber werden wir uns sicherlich auch noch im zuständi-
gen Auswärtigen Ausschuss unterhalten.
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Frau Staatsministerin, vor ungefähr einer halben
tunde habe ich dieselbe Frage – nicht wortgleich, aber
hnlich – im Auswärtigen Ausschuss gestellt. Leider war
ort keine Zeit mehr, die Frage zu beantworten. Deswe-
en habe ich sie Ihnen hier gestellt. Ich möchte die Frage
och intensivieren: Sehen Sie nicht eine besondere Ver-
ntwortung der EU, der auch Deutschland angehört, für
erade diese Flüchtlinge, weil sie vor allen Dingen aus
alien, also aus der EU, nach Libyen gebracht worden
ind? Sie haben gerade nur etwas Allgemeines gesagt.
elche Initiativen – etwa über humanitäre oder andere
rganisationen – gedenkt die Bundesregierung zu er-
reifen, um diesen Menschen zu helfen?
C
In der Tat, Herr Abgeordneter, haben wir die Situation
er Flüchtlinge vor Augen. Uns liegt sehr daran, dass
iese Situation verbessert wird. Über die humanitäre
ilfe gibt es Möglichkeiten – Sie wissen, dass das
chwierig ist –, NGOs zu unterstützen. Das werden wir
der nächsten Zeit sicherlich verstärkt tun. Darauf wird
in besonderes Augenmerk gelegt werden. Dies sollen
ie vorab schon einmal mitnehmen. Sie sollten die Gele-
enheit nutzen, diese Frage in der nächsten Sitzung des
uswärtigen Ausschusses, zu der ich gerne hinzu-
omme, noch einmal gezielt aufzuwerfen.
Jetzt kommt der Kollege Hartwig Fischer.
Frau Staatsministerin, nach unseren Informationen
ind inzwischen einige libysche Botschafter überge-
echselt und haben schwere Vorwürfe gegen Gaddafi
rhoben, so der stellvertretende libysche UN-Botschafter
owie die Botschafter Libyens in Indien und den USA.
aben Sie eine Erkenntnis über die Stellungnahme und
tellung des Botschafters El-Baraq in Deutschland, und
ind Sie darüber informiert, dass die Botschaft hier in
erlin das Auswärtige Amt in der letzten halben Stunde
m Unterstützung gebeten hat, weil versucht worden ist,
ie Botschaft zu stürmen, und weil sie keine Informatio-
en an die Außenwelt geben können?
C
Ich bin gern bereit, mich über die aktuellen Vor-ommnisse zu informieren. Weil ich die letzte halbe
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10361
Staatsministerin Cornelia Pieper
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Stunde hier im Plenum gesessen habe, weiß ich nicht,was gerade vor sich gegangen ist. Aber das werden wirgern sehr schnell klären.
Ich habe noch gefragt nach einer Stellungnahme dazu,
wie der derzeitige libysche Botschafter in der Bundes-
republik Deutschland sich verhält. Die Financial Times
Deutschland meldet nämlich, dass er sich von dem
Regime nicht klar distanziert. Gibt es also Informationen
des Auswärtigen Amtes darüber, ob er sich wie andere
Kollegen, etwa in den USA oder in Indien, klar positio-
niert hat?
C
Mir liegen solche Informationen derzeit nicht vor.
Sollte es welche geben, werden auch diese nachgereicht.
Als letztem Fragesteller hierzu erteile ich Günter
Gloser das Wort.
Liegen
der Bundesregierung Hinweise dazu vor, inwieweit das
EU-Mitgliedsland Italien die aufgrund der früheren Ko-
lonialbeziehung zu Libyen vor einiger Zeit zugesagten
Zahlungen einstellen wird?
C
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dazu liegen mir aktuell keine konkreten Hinweise
vor.
Eine Nachfrage, bitte schön.
Nachdem gestern, vorgestern die Arabische Liga
einen ersten Schritt gegenüber ihrem Mitgliedsland
Libyen getan hat, nämlich den Ausschluss von verschie-
denen Sitzungen, lautet meine Frage: Liegen der Bun-
desregierung Hinweise dazu vor, inwieweit die Afrikani-
sche Union gegenüber ihrem Mitgliedsland Libyen
Maßnahmen ergreifen wird?
C
Wir haben außerordentlich begrüßt, dass die afrikani-
sche Region so reagiert hat. Der Bundesaußenminister
hat das in seinem Statement gestern entsprechend formu-
liert. Wir gehen auch davon aus, dass die Afrikanische
Union weitere Schritte gegen Libyen unternehmen wird
und sich auch an Sanktionen beteiligen wird.
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Stellen Sie doch eine sachkundige Frage! –
Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wissen-
schaftliche Leistung!)
Herr Minister, Sie haben das Wort.
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-
inister der Verteidigung:
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Gehring,
ie Frage stellt sich bekanntlich nicht mehr, nachdem ich
ie Universität Bayreuth gebeten habe, die Doktorwürde
urückzunehmen.
Nachfrage, Kollege Gehring? – Bitte.
Herr Dr. zu Guttenberg,
ekanntlich ist es ja so, dass man seinen Doktortitelicht selber abgeben kann;
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10362 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Kai Gehring
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ein solcher Titel wird nur nach den üblichen Regularienaberkannt.Ich möchte das Thema ansprechen, dass Studierende,Promovierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-ler mit sehr scharfen und harten Sanktionen durch ihreHochschule zu rechnen haben, wenn sie, wie Sie, geisti-ges Eigentum abkupfern, wenn sie das Urheberrecht ver-letzen, wenn sie bei Prüfungen schummeln, wenn siesogar, wie Sie es gemacht haben, eine ehrenwörtlicheErklärung falsch abgeben und damit auch gegen Wis-senschaftsethik verstoßen. Gerade vor dem Hintergrunddessen, dass die Bundesregierung diese Täuschung of-fensichtlich als Kavaliersdelikt bagatellisiert, möchte ichSie jetzt auch ganz persönlich fragen, welches Signal Sieals oberster Dienstherr von Bundesuniversitäten an dieSchüler, an die Studierenden, an die Promovierendenund an die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler inunserem Land eigentlich aussenden
– welches Signal Sie aussenden, ist die Frage –, welchesSignal Sie aber auch als oberster Dienstherr von Tausen-den von Untergebenen aussenden. Wir stellen uns auchganz klar die Frage, ob Sie gemessen an Ihren eigenenMaßstäben von Aufrichtigkeit hier weiterhin Vorbild-funktion, Glaubwürdigkeit und Autorität haben,
Ihr Amt als Bundesverteidigungsminister weiter auszu-üben. Wenn Sie die Frage im Zusammenhang beantwor-ten könnten, wären wir Ihnen dankbar.
Herr Minister, bitte.
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-
minister der Verteidigung:
Vielen Dank. – Herr Kollege Gehring, zunächst ein-
mal, was die Signale anbelangt, die der Bundesverteidi-
gungsminister auszusenden hat: Das sind Signale, die
sich an dem Aufgabengebiet des Bundesverteidigungs-
ministers auszurichten haben, und das sind Signale, die
ich weiterhin mit dem Verantwortungsbewusstsein aus-
senden will, mit dem ich das bisher getan habe.
Auf die Frage, was man für ein Signal in die Wissen-
schaftsgesellschaft sendet, wenn man eine offensichtlich
sehr fehlerhafte Doktorarbeit geschrieben hat,
kann ich nur sagen, dass das ein schlechtes Signal ist,
das ich hier gesendet habe, und ein Signal, das als sol-
ches auch nicht aufrechterhalten werden konnte und
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Kollege Trittin zur Nachfrage.
Bitte.
Ich habe bereits dem Kollegen Trittin das Wort gege-
en.
Herr Dr. zu Guttenberg, was haben Sie eigentlich amergangenen Donnerstag der Bundeskanzlerin der Bun-esrepublik Deutschland, Frau Dr. Merkel, angekündigt?aben Sie Frau Merkel
Frau Dr. Merkel – angekündigt, dass Sie, wie amreitag geschehen, auf Ihren Doktortitel vorübergehend ich glaube, ich zitiere da richtig; Sie sagten ja: „ich be-ne: vorübergehend“ – verzichten wollten, oder habenie ihr angekündigt, dass Sie, wie Sie es dann amontag im Hessischen taten, endgültig darauf verzich-n wollten? Ich frage das, weil es ja schon von Interesset, auf welcher Grundlage und Information die Bundes-anzlerin der Bundesrepublik Deutschland ihre Haltungegründet hat. Wie sagte sie doch: Sie habe keine wis-enschaftliche Hilfskraft, sondern einen Bundesverteidi-ungsminister eingestellt.Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-inister der Verteidigung:Vielen Dank, Herr Kollege Trittin. Auch ich hoffe,ass ich damals nicht als wissenschaftliche Hilfskraftum Bundesminister berufen wurde,
ondern um dieses Amt wahrzunehmen und wahrneh-en zu dürfen. Ich bitte um Verständnis, dass der Inhaltines Gespräches, das man unter vier Augen führt, natür-ch auch vertraulich bleiben soll.Aber nachdem Ihre Frage darauf abzielt, was sich vononnerstagabend über den Freitag bis zum Montag hin
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Bundesminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
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zu meiner Entscheidung, dann endgültig auf den Titel zuverzichten, getan hat, kann ich sagen: Ich bin Mittwoch-morgen bzw. Dienstagnachmittag, aber dann Mittwoch-morgen durch die Zeitungsmeldung der SüddeutschenZeitung erstmalig mit den Vorwürfen konfrontiert wor-den.
Es ist bekannt, dass ich am Mittwochnachmittag nachAfghanistan geflogen bin, Mittwoch auf Donnerstag inAfghanistan war. Vor dem Hintergrund, dass wir amFreitag Vorfälle hatten, die ich hier nicht schildern muss,was alles andere als erfreuliche Vorfälle waren, konnteich mich am Wochenende erstmalig mit dieser Arbeit sobefassen
– Moment! – und habe mich befasst mit Blick auf dieVorwürfe, die erhoben wurden. Ich habe bereits amFreitag gesagt, dass die Arbeit Fehler enthält.
Und ich habe über das Wochenende feststellen dürfen,dass die Fehler so gravierend sind, dass ich deswegendie Universität Bayreuth am Montagabend um den be-nannten Schritt gebeten habe.
Nachfrage? – Bitte.
Herr Dr. zu Guttenberg, können Sie dem Hohen Haus
erklären, wie es kommen konnte, dass Sie noch vor Ihrer
Abreise nach Afghanistan die Vorhaltungen in der Süd-
deutschen, dargelegt von einem Professor, als „abstrus“
bezeichnen konnten, am Freitag der Auffassung waren,
dass da wohl doch Fehler drin sein könnten, um dann,
wie Sie eben gesagt haben, nach erstmaliger Beschäfti-
gung mit dieser Arbeit zu erklären, Sie wollten nun doch
endgültig auf Ihren Doktortitel verzichten? War die Be-
wertung angesichts dieser Tatsachen am Mittwoch nicht
eine sehr, sehr voreilige?
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-
minister der Verteidigung:
Nein, sehr verehrter Herr Kollege Trittin. Ich will Ih-
nen auch gern erklären, warum: weil dieser Teil der Er-
klärung
auch weiterhin – bis heute – gilt. Und ich sage Ihnen
auch, warum. Ich habe gesagt, der Vorwurf, dass die Ar-
beit ein Plagiat ist, sei abstrus.
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in Plagiat setzt – wie Sie und wie viele wissen – vo-
us, dass man bewusst und vorsätzlich getäuscht haben
ollte. Und ich habe in all meinen Stellungnahmen deut-
ch gemacht, dass ich weder bewusst noch vorsätzlich
etäuscht habe, aber gravierende Fehler gemacht habe.
iese Unterscheidung ist eine, die man auch anlegen
ollte, wenn man sich Urteile über andere bildet, weil es
in Urteil ist, das natürlich eine strafrechtliche Relevanz
sich tragen könnte. Da muss man aufpassen, dass man
icht in den Bereich kommt, dass man in die üble Nach-
de oder Ähnliches abdriftet. Und das wollen Sie ja si-
her auch nicht.
Das Wort zu einer Nachfrage hat Kollege Hans-Peter
artels.
Herr Minister, haben Sie bei Vorlage Ihrer Disserta-
on eine ehrenwörtliche Erklärung abgegeben, dass Sie
ie Dissertation selbstständig verfasst und keine anderen
ls die von Ihnen angegebenen Quellen und Hilfsmittel
enutzt haben?
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-
inister der Verteidigung:
Ja, Herr Kollege Bartels.
Sie haben dieses Ehrenwort abgegeben?
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-
inister der Verteidigung:
Das ist eine Erklärung, die man abgibt, und kein Eh-
nwort.
Die nächste Frage stellt Kollege Volker Beck.
Herr Minister Dr. Freiherr zu Guttenberg, eine Frageum Sachverhalt. Ich würde gerne wissen: Welcheienstleistungen und Dienste des Deutschen Bundesta-es haben Sie für Ihre Doktorarbeit in Anspruch genom-en? Und welche Aufträge haben Sie als Abgeordneter Zusammenhang mit dem Thema bzw. der Themen-tellung Ihrer Doktorarbeit an Dienste des Deutschenundestags erteilt?
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10364 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
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Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-minister der Verteidigung:Herr Kollege Beck, ich nehme dazu gerne und auchausführlich Stellung, weil es auch wichtig ist, das im Zu-sammenhang darzustellen. Das ist im Übrigen ein Fra-genkomplex, der, Herr Präsident, auch von einigen ande-ren in den dringlichen Fragen aufgeworfen wurde.
Das sind die dringlichen Fragen 4, 5 und 6.
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-
minister der Verteidigung:
Kann ich die – insbesondere die Frage von Frau Kol-
legin Sager – bitte aufnehmen?
Damit rufe ich die dringliche Frage 4 der KolleginKrista Sager sowie die dringlichen Fragen 5 und 6 desKollegen Rainer Arnold auf:Wie will die Bundesregierung auf die im Spiegel ver-öffentlichten Vorwürfe
reagieren, dass in der Dissertation des Bundesministers derVerteidigung, Freiherr zu Guttenberg, der Auftrag des Abge-ordneten Freiherr zu Guttenberg an MinisterialratDr. Dr. Ulrich Tammler, Wissenschaftlicher Dienst des Deut-schen Bundestages, „Die Frage nach einem Gottesbezug inder US-Verfassung und die Rechtsprechung des SupremeCourt zur Trennung von Staat und Religion“ in der Länge vonzehn Seiten mit geringsten sprachlichen Abwandlungen voll-inhaltlich ohne Nennung des Verfassers Eingang gefundenhat, und wird die Bundesregierung darauf dringen, dass derBundesminister der Verteidigung zu den im Spiegel erhobe-nen Vorwürfen Stellung bezieht, bevor er am Donnerstag zumvon der Bundesregierung eingebrachten Entwurf zur Ände-rung wehrrechtlicher Vorschriften 2011 sprechen wird?Welche Fehler hat der Bundesminister der Verteidigung– wie von ihm bei seiner Presseerklärung am 18. Februar2011 eingestanden – bei der Erstellung seiner Dissertation ge-macht?Wie und in welchem Umfang hat der Bundesminister derVerteidigung Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes desDeutschen Bundestages in seiner Dissertation verwendet?Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-minister der Verteidigung:Ich habe – bezüglich der Frage von Frau KolleginSager – die entsprechende Ausarbeitung der Wissen-schaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags vom13. Mai 2004 auf den Seiten 373 und 391 ausdrücklichals Quelle benannt. Im Übrigen habe ich, Herr KollegeBeck, vier Ausarbeitungen der WissenschaftlichenDienste, die nach meiner Erinnerung als Primärquelle indie Arbeit eingeflossen sind, in gleicher Weise ausdrück-lich und transparent auch als Quellen genannt.Die Benennungen machen kenntlich, dass es sich umvon mir beauftragte, unter einem bestimmten Datum ver-fasste Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienstehandelt, die im Übrigen meiner Abgeordnetentätigkeitdienten. Ich werde darauf auch noch eingehen. Hätte ichdie Inanspruchnahme der Wissenschaftlichen Diensteverschleiern wollen – so wie das in den letzten Tagenauch zu lesen oder zu hören war –, dann hätte ich diesepräzisen Angaben sicherlich nicht gemacht, weil wennsaQczrereMDmssvWnGegkwlaUbinsUüdaRMmdabüPeMwdDszsn–a
er Mandatsbezug war also ganz klar gegeben bei die-en Ausarbeitungen, die ich angefordert habe. Das Nut-en für die Erstellung der Dissertation erfolgte dann erstpäter.Allerdings sind mir – und das ist wichtig – in der Fuß-otenarbeit
Sie sagen: Sieben Jahre hat es gedauert. Das erklärtuch viele Fehler. –
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10365
Bundesminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
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an zwei Stellen Fehler unterlaufen, die ich auch gar nichtals solche unter den Tisch fallen lassen will. So steht inder Fußnote 1 auf Seite 373:Die folgenden Ausführungen basieren auf einemVortrag des Verfassers in Wilton Park im Mai 2004,für den die Wissenschaftlichen Dienste des Deut-schen Bundestages wichtige Grundlagenarbeit ge-leistet haben.Dann sind die jeweiligen Dokumente genannt. Richtigist, dass die Ausarbeitungen in zahlreiche meiner Vor-träge eingeflossen sind, ich im Mai 2004 in Wilton Parkaber keinen Vortrag gehalten habe. Tatsächlich habe ichim April 2004 und im Januar 2005 in Wilton Park ge-sprochen. Allerdings zu anderen transatlantischen The-men,
wo auch Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Diensteeingeflossen sind. Das mag eine Erklärung für den Feh-ler sein. Ich bitte allerdings um Nachsicht: Zweifelsfreikann ich das aus heutiger Sicht nicht mehr aufklären.Nach fünf Jahren ist das in meinen Augen kaum mehrmöglich.Zum zweiten Fehler, der geschehen ist. Da ist es mirgelungen, das Zustandekommen des Fehlers aufgrundalter Aufzeichnungen aufzuklären, die wir dieser Tagenatürlich entsprechend durchforsten. So beziehe ichmich in Fußnote 564 auf Seite 199 auf Ausarbeitungender Wissenschaftlichen Dienste, die in einem von mir am17. November 2005 in Washington gehaltenen Vortrageingeflossen sein sollen. Richtig ist, dass ich diesen Vor-trag nicht am 17. November, sondern am 7. bzw. am8. Dezember 2005 in Washington gehalten habe. Die be-dauerliche Verwechslung – das wurde bei den Nachfor-schungen deutlich – basiert auf einer heute noch sehrschwer leserlichen Bleistiftnotiz. Auch dafür kann ichnur um Nachsicht bitten.Ich will allerdings hier noch eines deutlich machen,nämlich wie diese Fehler zustande gekommen sind.Auch das sind Fragen, die gestellt wurden – vom Kolle-gen Arnold beispielsweise –: Wie konnte es zu diesenFehlern kommen? Damit befasst man sich in diesen Ta-gen auch mit besonderer Kraft und Vehemenz. LassenSie mich da ganz offen sein, liebe Kolleginnen und Kol-legen. Ich war sicher so hochmütig, zu glauben, dass mirdie Quadratur des Kreises gelingt, und zwar politischeLeidenschaft und Arbeit sowie wissenschaftliche und in-tellektuelle Herausforderungen als junger Familienvatermiteinander in Einklang zu bringen.
Für mich stellte das offenbar eine Überlastung dar.
Ich muss sagen und heute mit Bedauern feststellendas ist kein Grund, dass man hämisch übereinandererfällt, meine Damen und Herren –, dass mir das nichtelungen ist. Dazu stehe ich auch. Genau deswegen habeh die Konsequenzen gezogen und verzichte auf denoktortitel.
as darf an dieser Stelle noch einmal gesagt werden. Ichlaube, es ist kein Grund zur Häme. Man kann auch ver-uchen, das zu verstehen.
Ich habe mich für diesen Umstand vor der deutschenffentlichkeit entschuldigt.
as habe ich getan, auch für diesen Umstand, dass man einer so langen Zeit der Bearbeitung offensichtlichuch an einigen Stellen den Überblick verloren hat.
as mag Begründung für die Fehler sein, die geschehenind und die als solche auch darzustellen sind.Was weiterhin die Fragen der Inanspruchnahme desissenschaftlichen Dienstes anbelangt: Da ich die Aus-rbeitung der Wissenschaftlichen Dienste in den wissen-chaftlichen Kontext meiner Arbeit eingestellt und re-ektiert habe, sah ich meine Arbeit als vom Zitatrechtes Urheberrechts umfasst an. Herr Kollege Gehring,eil Sie vorhin die Frage nach dem Urheberrecht gestelltaben: Wenn man mir heute vorwirft, dass einiges nichtem wissenschaftlichen Kodex entspricht – dazu habeh vorhin auch schon Stellung genommen –, dann ak-eptiere ich das und habe eben auch hier die schmerz-afte Konsequenz gezogen.Auch das war eine Frage, die kam: Auf eine Nennunger jeweiligen Verfasser der Ausarbeitungen der Wissen-chaftlichen Dienste habe ich im Übrigen deshalb ver-ichtet – also nicht auf die Nennung der Wissenschaftli-hen Dienste, nicht auf das Datum und nicht desjenigen,er sie in Auftrag gegeben hat –, weil diese als Ange-tellte der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschenundestages nach meiner Auffassung nicht zusätzlichenannt werden mussten. Das ändert nichts daran, dassh überprüfbar das Datum und den Auftraggeber ge-annt habe.Schließlich die Frage, die auch noch im Raum steht,b man die notwendige Genehmigung der Nutzung die-er Ausarbeitung jeweils erbeten hat und ob diese erteilturde – das ist eine Genehmigung, die seitens des Di-ktors des Deutschen Bundestages zu erteilen ist –: Das
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10366 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Bundesminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
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lässt sich aus heutiger Sicht leider nicht mehr rekonstru-ieren. Ich habe mich aber aus diesem Grund gleichwohlbeim Präsidenten des Deutschen Bundestages für denFall, dass eine solche Genehmigung nicht erteilt wurde,bereits entschuldigt. Ich habe allerdings auch hören dür-fen, dass es kein Einzelfall ist, dass eine solche Geneh-migung nicht eingeholt wurde. Das mag mit Sicherheitein Formfehler sein, wenn es denn so war; das ist aller-dings nicht mehr genau zu rekonstruieren. Vielleichtkann man insgesamt sagen: Das ist etwas, woraus wiralle möglicherweise lernen können. Denn es ist in demText zwar eindeutig beschrieben, aber durch die Öffent-lichkeit dieses Falls wird deutlich, dass man hier auf je-den Fall präziser sein muss und sollte.
Nachdem es wohl viele Fälle gibt, sag ich: Wir alle kön-nen präziser werden. – Vielen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, da jetzt die
Fragen 4, 5 und 6 mit beantwortet wurden, will ich den
Kollegen, die diese Fragen gestellt haben, die Gelegen-
heit zur Nachfrage geben, schon aus Fairnessgründen:
Kollege Arnold, dann auch Kollegin Sager. Bitte sehr.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, was mit den Studie-
renden der Bundeswehruniversitäten passiert, die bei
Magisterarbeiten in weiten Teilen die Kopie eines frem-
den Autors verwenden? Wird mit Blick auf die Konse-
quenzen ein Unterschied gemacht, ob dieses Plagiat wis-
sentlich oder unwissentlich gemacht wurde?
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-
minister der Verteidigung:
Herr Kollege Arnold, ich nehme an, Sie nehmen Be-
zug auf eine Aussage von Professor Elkar über dienst-
rechtliche Konsequenzen bei nachgewiesenen Täu-
schungsversuchen, die in diesen Tagen im Handelsblatt
zu lesen war. Diese Aussage von Professor Elkar ist im
Grundsatz richtig: Es ist richtig, dass speziell an den
Bundeswehruniversitäten nachgewiesene Täuschungs-
versuche von studierenden Soldatinnen und Soldaten
durchaus dienstrechtliche Konsequenzen haben können;
ich darf allerdings auch hier auf die Täuschung und ent-
sprechend auf die Täuschungsabsicht verweisen. Das
liegt an einer Besonderheit beim Status dieser Studieren-
den: Sie erhalten nicht nur Gehalt, sondern leisten
Dienst. Es gelten für sie in diesem Dienst grundsätzlich
die Pflichten des Soldatengesetzes. Werden diese Pflich-
ten schuldhaft verletzt – auch darauf muss man Beto-
nung legen –, stellt dies wie bei anderen Soldaten ein
Dienstvergehen dar, das der disziplinaren Ahndung un-
terliegt.
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h glaube, das gilt für uns alle. Diesen Anspruch stelle
h an mich selbst. Ich habe mehrfach darauf verwiesen,
ass ich ein Mensch mit Fehlern und Schwächen bin und
h mir trotzdem weiterhin den Anspruch setze, weiter-
in als Vorbild – auch was das Eingestehen von und das
ekennen zu Fehlern anbelangt – wirken zu können.
Kollegin Sager.
Herr Minister, ich frage Sie vor dem Hintergrund,ass inzwischen zahlreiche Belege dafür vorliegen, dassie sich aus Texten bedient haben – aus Seminararbei-n, Diplomarbeiten, Hausarbeiten von Studierenden,ssays aus Zeitungen, Texten aus Broschüren und ande-n wissenschaftlichen Arbeiten –
nd diese Texte so benutzt haben, als wenn es Ihre ei-ene wissenschaftliche Leistung wäre; dafür gibt es ge-ügend Belege, das ist mehrfach von verschiedeneneuten nachgeprüft worden. Da können Sie sicher denberblick verlieren, aber Sie können uns hier nicht mehrrzählen, dass Sie nicht gewusst haben, was Sie tun,enn Sie in der Einleitung Ihrer eigenen wissenschaftli-hen Arbeit einen fremden Text einbauen und so tun, alsenn es Ihr eigener wäre.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10367
Krista Sager
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– Ich komme zur Frage. Wenn Sie schon glauben, dassSie die Menschen in diesem Lande, die Sie die ganzenWochen und Monate so sehr bewundert haben,
für dumm verkaufen können: Glauben Sie, dass Sie auchdie Menschen, die sich im wissenschaftlichen Bereichauskennen und selber wissenschaftlich arbeiten oder ge-arbeitet haben, für dumm verkaufen können?
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-minister der Verteidigung:Gerade nicht, Frau Kollegin Sager. Ich würde sie imZweifel – so wie Sie es drastisch ausgedrückt haben –für dumm verkaufen, hätte ich nicht die Konsequenz vonvorgestern gezogen.
Ich würde im Zweifel diese Wirkung auslösen, wennman sich nicht zu dem, was man falsch gemacht hat undwo man Fehler gemacht hat, entsprechend bekennenwürde.Die Einschätzung, die Sie bei mir abfragen, ob manetwas gewusst oder nicht gewusst hat, kann ich nur sobeantworten, wie ich sie bisher beantwortet habe, näm-lich dass ich diese Fehler unbewusst und ohne Täu-schungsabsicht gemacht habe. Diese Beurteilung müs-sen Sie subjektiv dem Menschen überlassen, der überJahre hinweg an dieser Arbeit gearbeitet hat, auch wenner fehlerhaft daran gearbeitet hat.
Eine Nachfrage haben Sie noch?
Ich habe noch eine Nachfrage, die die Auswirkung
auf den Wissenschaftsbereich angeht. Was glauben Sie:
Wie wird Ihr Verhalten bei den vielen Menschen in unse-
rem Land, die im Moment an ihrer Promotion arbeiten
– es sind ungefähr 50 000 bis 60 000 Menschen –, an-
kommen? Jährlich werden 23 000 Promotionen zu Ende
gebracht. Etwa zwei Drittel werden nicht zu Ende
gebracht, weil diese Menschen unter schwierigen finan-
ziellen, familiären und beruflichen Bedingungen arbei-
ten. Wie kommt es bei diesen Menschen an, wenn Sie so
tun, als hätten Sie praktisch aus persönlicher Not heraus
Ihre Täuschungsmanöver durchgezogen?
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h sage das vor dem Hintergrund, dass eine Arbeit im
etz tausendfach korrigiert wurde. Man muss feststel-
n: Das ist ein Novum. Wenn man zu einem späteren
eitpunkt nicht mehr im politischen Geschäft sein sollte,
ann wird das einem sicherlich die Zeit geben, das alles
ufzuarbeiten und seine Fehler zu korrigieren, unabhän-
ig davon, ob die Arbeit letztendlich steht. Ich sage
uch: Es gibt Bereiche in dieser Arbeit, von deren wis-
enschaftlichem Wert und Gehalt ich fest überzeugt bin.
h habe mir sechs, sieben Jahre lang über den wissen-
chaftlichen Gehalt dieser Arbeit Gedanken gemacht.
Die nächste Frage geht an Kollegen Thomas
ppermann.
Herr Minister, ich habe eine Frage, die man mit Ja
der Nein beantworten kann. Können Sie ausschließen,
ass andere Personen als Sie selbst an der Erstellung der
oktorarbeit mitgewirkt haben?
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-
inister der Verteidigung:
Ich habe mehrfach gesagt, dass ich diese Doktorarbeit
ersönlich geschrieben habe.
Ich habe noch eine Zusatzfrage. Sie haben sich nachernsehberichten bei der Veranstaltung im Hessischen,uf die Herr Kollege Trittin schon Bezug genommen
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10368 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Thomas Oppermann
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)
hatte, ausgerechnet in Anwesenheit von Herrn Koch aufdie Bühne gestellt und ausgerufen: „Vor Ihnen steht dasOriginal und nicht das Plagiat.“ Ich möchte Sie fragen,ob Sie in dieser Art von Humor nicht eine schwere Ver-höhnung der Universität Bayreuth,
Ihrer juristischen Fakultät und Ihres Doktorvaters, Pro-fessor Häberle, sehen?
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-minister der Verteidigung:Dieser Einschätzung könnte man sicher nahetreten,Herr Kollege Oppermann, wenn es bei diesem Satz ge-blieben wäre. Dann würde ich Ihnen wahrscheinlich so-gar recht geben. Die Rede ging aber weiter. Ich habe spä-ter in der Rede sehr wohl Bezug auf das genommen, wasfalsch gelaufen ist, wo ich Fehler gemacht habe. Ichhabe darauf hingewiesen, dass dieser Schritt wegen derFehler erfolgt, aber auch um bereits eingetretenen Scha-den von der Universität Bayreuth und meinem überausgeschätzten und honorigen Doktorvater, ProfessorHäberle, abzuwenden. Auch das war einer der Gründe,und das habe ich auch öffentlich kundgetan. Und von da-her ist, glaube ich, der Bezugspunkt, den Sie gerade ge-setzt haben, genau nicht eingetreten.
Es ist mit größter Ernsthaftigkeit darauf hingewiesenworden. Ich kann nur offen sagen: Das ist das Letzte,was einer will, dass man einen wirklich so geschätztenDoktorvater, der einen über Jahre hinweg bei einer sol-chen Arbeit begleitet hat, letztlich auch noch in dieserForm beleidigen würde.
Die nächste Frage geht an Kollegin Enkelmann.
Herr Minister, können Sie sich vorstellen, dass Ihr
Umgang mit den Vorwürfen vor allem der Glaubwürdig-
keit von Politik, Politikerinnen und Politikern einen Bä-
rendienst erwiesen hat?
Meinen Sie nicht, dass es vor allen Dingen deswegen
notwendig ist, die Konsequenz zu ziehen, nämlich zu-
rückzutreten?
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Bitte?
Davon gehe ich fest aus und gratuliere Ihnen auch sehr
erzlich dazu, und zwar ohne jede Ironie, sondern gern.
Sie sehen, dass ich hier stehe, und Sie sehen, dass ich
den letzten Tagen sehr wohl den Folgen auch entspre-
hend Rechnung getragen habe, indem ich auf das Füh-
n des Doktortitels dauerhaft verzichte. Ich kann Ihnen
ur sagen: Das ist ein durchaus schmerzhafter Schritt.
Es gibt gar nichts zu jammern. Man muss doch gar
icht larmoyant sein. Aber ich habe die Konsequenzen
araus gezogen. Vor dem Hintergrund, dass Sie sagen, es
chade der Glaubwürdigkeit: Ich glaube, es hätte der
laubwürdigkeit tatsächlich geschadet, wenn man sich
icht zu seinen Fehlern bekannt hätte.
Die nächste Frage geht an Kollegin Barbara
endricks.
Es geht ja, Herr Bundesminister, heute und wahr-cheinlich auch in der nächsten Zeit um die Frage, ob Sieber das Maß an Glaubwürdigkeit verfügen, das notwen-ig ist, um auch zukünftig das Amt des Bundesministerser Verteidigung ausüben zu können. Mit Erlaubnis desräsidenten möchte ich zur Einleitung meiner Frage eineurze Textstelle vortragen. Ich zitiere aus „Hinweise zuen ethischen Grundsätzen wissenschaftlichen Arbei-ns“ von Professor Dr. Carlo Masala von der Universi-t der Bundeswehr zu München. Darin heißt es:
selbständig erstellten Arbeit mehr oder wenigergroße nicht explizit ausgewiesene Anteile andererArbeiten enthält, ist kein „Kavaliersdelikt“, sondernein schwerwiegender Verstoß gegen wissenschaftli-che Grundregeln, der den Tatbestand der Täu-schung erfüllt.Mit der beigefügten „Erklärung“ leisten Siedas richtet sich ja an die Studierenden an der Universi-t der Bundeswehr –einen wichtigen Beitrag dazu, die für die Glaub-würdigkeit der Wissenschaft überlebenswichtigen
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10369
Dr. Barbara Hendricks
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ethischen Grundsätze aufrechtzuerhalten. DiePflege dieser Grundsätze schließt ein, dass alle auf-gedeckten Plagiatsfälle dem Prüfungsamt und denmilitärischen Vorgesetzten mitgeteilt werden.Können Sie, Herr Bundesminister, ausschließen, dassin jüngerer Zeit Offiziersanwärterinnen oder Offiziers-anwärter wegen einer wissenschaftlichen Arbeit, dienicht diesen ethischen Grundsätzen entspricht, mit Kon-sequenzen in ihrem militärischen Dienstverhältnis bishin zur Entlassung aus dem Dienst konfrontiert waren?Und welche Maßnahmen beabsichtigen Sie zu ergreifen,sofern Sie Bundesminister der Verteidigung bleiben, da-mit die genannten ethischen Grundsätze wissenschaftli-chen Arbeitens an den Bundeswehrhochschulen zukünf-tig durchgesetzt werden können?
– Nein, das habe ich selber ausgearbeitet.
Herr Minister.
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-
minister der Verteidigung:
Vielen Dank. – Frau Kollegin Hendricks, Ihre Frage,
ob ich es ausschließen kann oder nicht, kann ich nur so
beantworten, dass ich die einzelnen Fälle jetzt nicht
kenne, aber dass man sich sicherlich der einzelnen Fälle,
wenn sie einem zur Kenntnis gebracht werden, anneh-
men wird,
und dass man gleichzeitig natürlich auch Wert darauf
legt, dass die für die jeweiligen Universitäten formulier-
ten Grundsätze tatsächlich eingehalten werden. Ja, das
ist richtig. Man würde ein besonders schlechtes Beispiel
setzen, wenn man selbst bei fehlerhaften Arbeiten sich
auf etwas versteifen oder an etwas festklammern würde,
woran man sich als solches nicht mehr festklammern
sollte.
Deswegen wird den Fällen nachgegangen. Den Fällen
wird man im Einzelnen nachzugehen haben. Man wird
auch da eine Bewertung vornehmen müssen. Insbeson-
dere wird man fragen müssen – auch Sie haben von ei-
nem Plagiat gesprochen –: Was ist ein Plagiat? Was setzt
das an bewusstem Täuschungsvorsatz und Ähnlichem
voraus? Das sind die Dinge, die einer Überprüfung un-
terliegen müssen.
Eine kurze Nachfrage.
Entschuldigung, Sie haben meine Frage nicht beant-
wortet. Ich habe gefragt, wie Sie zukünftig, sofern Sie
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Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-
inister der Verteidigung:
Zunächst einmal, Frau Kollegin Hendricks, obliegt
ie Prüfung der Einhaltung der wissenschaftlichen
rundsätze der Universitäten den Universitäten. Das ist,
laube ich, auch richtig und gut so. Ich gehe davon aus
vielleicht können wir in dieser Hinsicht einmal den
mkehrschluss ziehen –, dass das Beispiel des eigenen
mgangs mit seiner akademischen Arbeit vielleicht
uch beispielgebend sein kann für andere, die sich viel-
icht in einer ähnlichen Situation befinden.
Die letzte Frage kommt von Kollegin Haßelmann.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Dr. zuuttenberg, meine Frage an Sie lautet zum einen, ob nurie vier Gutachten, die Sie gerade zitiert haben, Grund-ge Ihrer Doktorarbeit waren oder ob wir mit weiterenutachten zu rechnen haben.In diesem Zusammenhang möchte ich Sie ergänzendagen: Sie stellen das Ganze so dar, als wären Ihnen dain paar Fehler unterlaufen. Man hat fast das Gefühl,ass wir über Flüchtigkeitsfehler reden. In der Pressend auf Internetseiten – Überprüfungen werden auf derternetseite GuttenPlag Wiki und durch andere vorge-ommen – wird von Übernahmen im Umfang von bis zu3 Prozent und von zehn Seiten, die kopiert wurden, ge-prochen.
Ich habe von Behauptungen gesprochen. Ich frage jaerrn Dr. zu Guttenberg, ob es hier nur um Flüchtigkei-n und ein Verlieren des Überblicks geht.Wenn die Behauptung zutreffen sollte, dass bis zu3 Prozent übernommen bzw. zehn Seiten kopiert wor-en sind, wie bringen Sie das persönlich in Einklang miter Tatsache, dass Sie im Zusammenhang mit Ihrer Dok-rarbeit eine Ehrenerklärung unterschrieben haben? Ichehe davon aus, dass Sie ehrenwörtlich versichert haben,ass Sie alle Zitate angegeben haben und dass Sie dieserbeit selbst angefertigt haben. Was ist in dieser Situa-on von Ihrem Ehrenwort zu halten?
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10370 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
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Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-minister der Verteidigung:Vielen Dank. – Ich glaube, zunächst einmal wird eswichtig sein – das kann man nicht an einem Wochenendemachen; das bedarf einer intensiven Nacharbeit –, aucheinmal all das, was auf dieser bemerkenswerten Seiteeingestellt wurde, daraufhin zu überprüfen, wie relevantes tatsächlich angesichts der Vorwürfe, die daraus ge-strickt werden, ist. Ich habe einige Überprüfungen vor-genommen. Einige der Vorwürfe sind hochrelevant.Sonst hätte ich letztlich nicht zu dieser Entscheidungkommen können oder kommen müssen. Aber es gibt aufdieser Seite auch eine nicht unerhebliche Anzahl vonVorwürfen, die ich als außerordentlich fragwürdig be-zeichne. Diese Stellen kann man sehr wohl mit demwissenschaftlichen Kodex in Einklang bringen. Es istmanchmal natürlich ein bisschen einfacher, auf solchenSeiten zu arbeiten. Einige outen sich mit ihrem Namen,andere schreiben ohne ihren Namen und ähnliche Dinge.Das muss aber wirklich sehr sauber überprüft werden.Das ist eine intensive Quellenarbeit.
– Mit Blick auf den Vorwurf, dass man letztlich eine sol-che Anzahl übernommen habe, ist es, glaube ich, nurfair, dass man demjenigen, dem der Vorwurf gemachtwird, die Möglichkeit gibt, das noch einmal selbst zuüberprüfen. Wenn es der Prüfung einer Universität, derUniversität Bayreuth, unterfallen wäre, dann wäre manja auch zu einem Ergebnis gekommen, und zwar einem,dem ich vertrauen würde und vertraut hätte. Dieser An-satz ist wichtig.
– Ja, gerne. – Ich habe vorhin gesagt, dass ich die vierGutachten, die ich auch als Primärquelle genutzt habe,zu denen ich Ihnen auch sagen kann, welche das sind;Moment – –:
Es waren zwei zum Gottesbezug und eines – Moment,ich muss einmal schauen – zum amerikanischen Einflussauf die europäische Rechtsentwicklung, und es war einweiteres Gutachten, das ich allerdings nicht als Primär-quelle als solche genutzt habe. Dieses Gutachten hat sichwiederum selbst anderer Quellen bedient. Ich habe esinsbesondere im Fußnotenapparat bezüglich der europäi-schen Verfassungsentwicklung extensiv ausgearbeitet,aber auch für die Abgeordnetentätigkeit in dieser Zeit, indiesen Jahren mit genutzt.
Das ist das, was mir vorliegt. Eine Sache, die auchnoch vorliegt und auf die ich vorhin schon hingewiesenhabe, ist eine Übersetzungsleistung des Deutschen Bun-destages.DmhJRm–labsic–uUhdGregtewakdgPlegasmdgPVa
as ist eine Übersetzung, die im Jahr 2004 vorgenom-en wurde – das weiß ich noch –, im Herbst 2004. Esandelt sich um eine Übersetzung eines Artikels vonack Rakove, die für eine Auslandsreise, eine USA-eise, die ich vom 5. bis 8. Dezember 2004 unternom-en habe, angefertigt wurde. Diesen Artikel hatte ichdas weiß ich – über Jahre hinweg mit mir auf Aus-ndsreisen und immer wieder auch bei Textvorlagen da-ei, weil er gerade den europäischen und amerikani-chen Verfassungsprozess mit geschildert hat. Das sageh nur, weil diese Frage am Anfang war.
Nein. – Zwischen den Wissenschaftlichen Dienstennd dem Übersetzungsdienst gibt es, glaube ich, einennterschied. Die Nutzung des Übersetzungsdienstesatte einen mandatsbezogenen Grund, und die Nutzunger Wissenschaftlichen Dienste hatte mandatsbezogeneründe. Nach dem, was ich bisher aus der Arbeit herauscherchieren konnte und wozu ich in meinen Unterla-en nachgeschaut habe, liegen mir derzeit vier Gutach-n der Wissenschaftlichen Dienste vor,
o ich die Quellen auch entsprechend bezeichnet habe.
Danke schön. – Die vereinbarten 30 Minuten zur Be-ntwortung der dringlichen Fragen zu diesem Themen-omplex sind nun abgelaufen. Antworten zu weiterenringlichen Fragen siehe Anlagen 2 bis 5.Bevor ich die weiteren Fragen aufrufe, möchte ichanz herzlich den Parlamentspräsidenten Kroatiens, denräsidenten des Sabor, Herrn Luka Bebić, mit seiner De-gation begrüßen. Seien Sie uns herzlich willkommen.
Ich rufe nun gemäß Nr. 11 der Richtlinien für die Fra-estunde die Fragen 59 bis 61 auf Drucksache 17/4638uf, die in der letzten Fragestunde aufgrund der Abwe-enheit des Parlamentarischen Staatssekretärs nichtündlich beantwortet werden konnten. Es handelt sichabei um Fragen des Kollegen Bollmann und der Kolle-in Ute Vogt. Zur Beantwortung der Fragen steht derarlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto zurerfügung.Ich rufe die Fragen 59 und 60 des Kollegen Bollmannuf:Wie sieht der Zeitrahmen für den aktuellen Carbon-Capture-and-Storage-Technologie--Gesetzgebungspro-zess aus, und bis wann muss dieser Prozess abgeschlossen
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10371
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
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sein, um die EU-Fördermittel für Pilotprojekte abrufen zukönnen?Wie werden in Zukunft die Kompetenzen und Zuständig-keiten der Bundesministerien im CCS-Bereich geregelt sein?H
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr
Kollege Bollmann, Ihre Fragen möchte ich wie folgt be-
antworten: Die Ressortabstimmungen zum CCS-Gesetz-
entwurf sind weit fortgeschritten. Eine zeitnahe Kabi-
nettsbefassung des gemeinsamen Entwurfes – ich darf
darauf hinweisen, dass es ein gemeinsamer Entwurf des
Bundesumweltministeriums und des Bundeswirtschafts-
ministeriums ist – zur Umsetzung der Richtlinie 2009/
31/EG wird angestrebt. Wir werden auf jeden Fall die
Umsetzungsfrist, die uns aufgrund der Richtlinie bis
zum 25. Juni 2011 obliegt, einhalten.
Herr Bollmann, eine Nachfrage? – Nein.
Ich rufe die Frage 61 der Kollegin Vogt auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Vorgänge um das
offenbar leckgeschlagene CCS-Speicherfeld in der kanadi-
schen Provinz Saskatchewan im Hinblick auf die generelle
Zuverlässigkeit und Zukunftsfähigkeit der CCS-Technologie?
Kollege Otto.
H
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich beantworte die
Frage für die Bundesregierung wie folgt: Die Bundesre-
gierung hat die in den internationalen Medien sowie auf
den einschlägigen Internetseiten veröffentlichten Infor-
mationen über einen möglichen CO2-Austritt im Zusam-
menhang mit der Nutzung von CO2 für Entölungsmaß-
nahmen im Ölfeld Weyburn aufmerksam verfolgt.
Das vorliegende Gutachten von Petro-Find Geochem
reicht für die Bewertung einer CO2-Leckage nicht aus.
Wissenschaftler von Universitäten und Forschungsein-
richtungen, die sich mit Weyburn, aber auch generell mit
Bodengasanalysen befassen, haben in einer gemeinsa-
men mir vorliegenden Stellungnahme festgestellt, dass
es keinerlei Hinweise auf Leckagen gibt. Sie legen unter
anderem dar, dass hohe CO2-Konzentrationen im Boden
auch andere Ursachen als Leckagen haben können.
In Deutschland werden sich alle Demonstrationspro-
jekte im Hinblick auf die CO2-Speicherung nach der
CCS-Richtlinie und dem dann folgenden eigenen CCS-
Gesetz richten. Dieser Rechtsrahmen ist darauf ausge-
richtet, speziell für die dauerhafte und sichere CO2-Spei-
cherung geeignete Gesteinsschichten auszuwählen, zu
untersuchen und auf ihre Eignung für eine langzeit-
sichere CO2-Speicherung hin zu bewerten. Das Ziel des
Vorhabens in Weyburn ist demgegenüber allein die Er-
höhung der Ölproduktion im kommerziellen Maßstab.
Das ist der Unterschied zur Situation in Deutschland.
Eine Nachfrage? – Bitte schön, Kollegin Vogt.
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h vertraue darauf, dass die Wissenschaft diese Unter-
cheidung treffen kann.
Eine weitere Nachfrage stellt der Kollege Rolf
empelmann.
Herr Staatssekretär, Sie erwähnten gerade das CCS-
esetz. Da es noch nicht vorliegt, frage ich Sie: Können
ie sagen, wann der Bundestag damit rechnen kann, dass
m ein Gesetzentwurf zur CO2-Speicherung in Deutsch-
nd vorgelegt wird? Wird es ein Gesetz für ganz
eutschland sein, oder wird es ein Gesetz für Teile von
eutschland bzw. für einzelne Bundesländer sein?
H
Herr Kollege Hempelmann, den ersten Teil Ihrerrage habe ich schon gegenüber dem Kollegenollmann beantwortet. Die Ressortabstimmung befin-et sich in den letzten Zügen. Wir gehen von einer zeit-ahen Befassung des Kabinetts aus. Es liegt dann auch Ermessen des Parlaments, wie schnell dieses Themaehandelt wird. Wir müssen beachten: Die Richtlinieetzt uns eine Umsetzungsfrist bis zum 25. Juni diesesahres. Ich hoffe, mit der Unterstützung der Kolleginnennd Kollegen dieses Hauses werden wir diesen Gesetz-ntwurf zeitnah verabschieden können.Ich möchte darauf hinweisen – das wissen Sie ge-auso gut wie ich –: Dieses Gesetz ist kein Gesetz fürie flächendeckende kommerzielle Nutzung von CCS,ondern es ermöglicht Modellprojekte. Es bezieht sichatürlich auf Gesamtdeutschland. Wir wissen aber, dass Moment nur das Land Brandenburg konkret an einemodellprojekt, das die dortige Landesregierung ermögli-hen will, interessiert ist, während einige andere Landes-gierungen – ich formuliere es einmal so – zurückhal-nd sind. Das Gesetz gilt aber für ganz Deutschland.
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Danke. – Bitte schön, Kollege Hempelmann.
Ich habe noch eine kurze Nachfrage: Ist Ihnen be-
kannt, dass allein die Spekulation über mögliche Opt-
out-Modelle, also über die Möglichkeit, dass sich Bun-
desländer komplett aus dem Thema CCS herausoptieren,
schon Auswirkungen hat, auch auf Brandenburg, und
dass die dortige Regierung, obwohl sie Speicherprojekte
befürwortet, unter Druck gerät, ausgelöst durch die
Möglichkeit des Herausoptierens, die Sie in Ihren bishe-
rigen Entwürfen offenbar vorsehen?
H
Ja, Herr Kollege Hempelmann, wir verfolgen natür-
lich auch aufmerksam die Presse und die öffentliche Dis-
kussion. Es ist uns bekannt, dass eine Opt-out-Lösung
für die Landesregierung in Brandenburg möglicherweise
eine schwierigere Lage herbeiführen würde als ein Opt-
in-Modell. Das ist einer der Gründe für die sehr sorgfäl-
tigen Ressortabstimmungen. Wir wollen die regional un-
terschiedlichen Interessen austarieren – Brandenburg auf
der einen Seite, Schleswig-Holstein und Niedersachsen
auf der anderen Seite. Es ist wie mit der Bettdecke.
Wenn Sie sie in die eine Richtung ziehen, sind die Füße
frei, und wenn Sie sie in die andere Richtung ziehen, ist
der Bauch frei. Sie können sich vorstellen, dass die Ab-
wägung recht schwierig ist.
Zu einer weiteren Nachfrage jetzt der Kollege
Miersch.
Herr Staatssekretär, im Umweltausschuss haben die
Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein heute
noch einmal betont, dass sie sogenannte Ausschlussklau-
seln in diesem Gesetz fordern. Unterstützt das Bundes-
wirtschaftsministerium die Absicht, dass einzelne Bun-
desländer die CCS-Technologie in ihren Gebieten
gänzlich ausschließen können?
H
Lieber Herr Kollege Miersch, Sie haben hoffentlich
Verständnis dafür, dass wir in einem laufenden Ressort-
abstimmungsverfahren hier keine öffentlichen Erklärun-
gen über mögliche Inhalte dieses Gesetzentwurfs abge-
ben. Ich habe Ihnen gesagt, dass wir zeitnah eine
Befassung im Kabinett herbeiführen wollen – es sind uns
ja auch Fristen gesetzt –, und aus dem Gesetzentwurf,
den Sie sicherlich im Laufe der nächsten Wochen – das
hoffe ich jedenfalls – zu Gesicht bekommen werden,
wird dann hervorgehen, für welche Lösung sich die Bun-
desregierung entschieden hat.
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Deutschland unsere Umwelt- und Klimaschutzzielewahrscheinlich nicht einhalten können.
– Ja, diese Auffassung vertrete ich und vertritt die Bun-desregierung.Angesichts dieser Wichtigkeit der Technologie, dieübrigens nicht nur in Deutschland, sondern europaweiterprobt wird – wir erfüllen eine Richtlinie der EU-Kom-mission –, ist es für uns entscheidend, dass wir die Mo-dellprojekte ergebnisoffen bewerten. Auf dieser Grund-lage wird danach ein neues Gesetz erlassen, in dem eskeine Präklusionen gibt. Das heißt, was jetzt in der ers-ten Stufe ausgeschlossen worden ist, muss in der zweitenStufe nicht ebenso ausgeschlossen sein.
Die nächste Nachfrage hat der Kollege Krischer.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben über Opt-out- und
Opt-in-Lösungen für einzelne Bundesländer gesprochen.
Ist Ihnen bekannt, dass der Bundesumweltminister, Herr
Dr. Norbert Röttgen, in vielen Zeitungsinterviews mehr-
fach öffentlich die Position vertreten hat, dass Bundes-
ländern, die die CCS-Technologie nicht anwenden wol-
len, die Möglichkeit gegeben werden soll, auf die
Anwendung zu verzichten? Ist dies auch die Meinung
der gesamten Regierung und damit Meinung des Bundes-
wirtschaftsministeriums, das in dieser Frage ja eine ge-
meinsame Federführung mit dem Bundesumweltminis-
terium hat?
H
Lieber Herr Kollege Krischer, ich darf auf meine Ant-
wort auf die Frage des Kollegen Miersch verweisen. Wir
befinden uns aktuell in einem Ressortabstimmungsver-
fahren. Bei diesem Ressortabstimmungsverfahren geht
es genau darum – das wissen Sie –, dass sich unter-
schiedliche Ressorts auf eine Meinung einigen müssen.
Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich Ihnen gegenüber
in einem so aktuellen Stadium keine vorzeitigen Wasser-
standsmeldungen eines einzelnen Ministeriums abgebe.
Sie haben auf die Äußerungen des Bundesumwelt-
ministers hingewiesen. Mir ist bekannt, was er früher
gesagt hat. Aber wir befinden uns jetzt in diesem Ab-
stimmungsverfahren und gehen alle davon aus, dass wir
Ihnen sehr zeitnah einen Gesetzentwurf präsentieren
können, den wir hier im Parlament dann sehr sorgfältig
mit Ihnen diskutieren werden.
Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Behm.
Vielen Dank. – Es ist in verschiedenen Gutachten ja
die Rede davon, dass nur noch ein Speichervolumen von
circa 13 Milliarden Tonnen CO2 zur Verfügung steht.
Das würde maximal für 20 Jahre ausreichen.
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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Im Anschluss an
Ihre Ausführungen habe ich eine Nachfrage, Herr Kol-
lege Otto. Sie haben gesagt, dass wir die CCS-Technolo-
gie brauchen, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Ich
will nicht näher darauf eingehen, dass wir erst in 20 bis
25 Jahren in der Lage wären, mit dieser Technik einen
nennenswerten Anteil der Emissionen aufzunehmen,
also dann, wenn wir unsere Emissionen schon längst um
60 bis 70 Prozent verringert haben müssen. Ich will auch
nicht weiter vertiefen – auf die Fragen der Kollegin
Nestle wurde schon eingegangen –, dass wahrscheinlich
nur für 18 bis 20 Jahre Speicherkapazitäten in Deutsch-
land vorhanden sind. Sie setzen also sozusagen auf ein
totes Pferd.
Ich möchte Sie aber fragen, ob Sie die Studie des
Sachverständigenrates für Umweltfragen kennen, die
heute Abend vorgestellt wird und in der untersucht wird,
wie Deutschland bis zum Jahr 2050 die Stromerzeugung
zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien sicherstellen
kann. Darin sind auch eindeutige Aussagen über die
CCS-Technik enthalten.
Selbst dann, wenn eine solche Verpressung von Koh-
lendioxid befürwortet wird, müssen die Lagerstätten, so
die Meinung der Sachverständigen, erhalten werden.
Denn es kann sein, dass wir ab 2050 „negativ“ werden,
das heißt, dass wir mehr Kohlenstoff aus der Atmo-
sphäre herausholen, als wir emittieren. In diesem spe-
ziellen Fall, wenn wirklich alles schiefläuft und wir in
höchster Not sind, dann würden wir diese Lagerstätten
brauchen. Ist Ihnen diese Studie und sind Ihnen diese
Bedenken bekannt?
H
Diese Bedenken sind mir natürlich bekannt. Das Bun-
deswirtschaftsministerium wertet alle Untersuchungen,
die zu diesen Themenbereichen erstellt werden, sorgfäl-
tig aus. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass die Bun-
desregierung gemeinsam ein Energiekonzept aufgelegt
hat. An dieses Energiekonzept, das von der Bundesregie-
rung im vergangenen Jahr veröffentlicht worden ist, hal-
ten wir uns. Nach diesem Konzept wird es auch über das
Jahr 2050 hinaus zur Absicherung der Grundlast noch in
einem gewissen Umfang herkömmliche Kraftwerke ge-
ben müssen. Deswegen sollten wir uns die Option für
CCS nicht verbauen.
– Das kann durchaus sein, Herr Kollege. Wir gehen er-
gebnisoffen in diesen Prozess hinein. Ich habe schon ge-
sagt, dass das CCS-Gesetz keine endgültige Entschei-
dung über die Anwendung von CCS in Deutschland
beinhalten wird, sondern die Öffnung für Modellpro-
jekte. Zu Modellprojekten gehört es, dass sie sorgfältig
evaluiert und bewertet werden. Dann werden die Ent-
scheidungen getroffen.
Ich kann mich nicht allein auf solche schlanken Gut-
achten verlassen, in denen von 100 Prozent erneuerbaren
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Lieber Herr Kollege Ott, bei allem Respekt vor unter-
chiedlichen wissenschaftlichen Meinungen: Die Bun-
esregierung setzt nicht auf ein totes Pferd. Aber sie ver-
ichtet auch nicht darauf, auf andere Pferde zu setzen,
ie es möglicherweise gibt. Um es ganz klar zu sagen:
h hielte es für unverantwortlich, wenn wir anders als
ndere Länder weltweit die CCS-Technologie nicht tes-
n würden.
Gerade die Grünen, die als Partei sehr ambitionierte
limaschutzziele verfolgen, sollten der CCS-Technik
ine Chance geben. Sie können immer noch zu einer ne-
ativen Bewertung kommen, lieber Herr Kollege Ott.
ber von vornherein eine Technologie auszuschließen,
as hielte ich nicht für den richtigen Weg. Die Bundes-
gierung wird das mit Sicherheit nicht tun.
Die Frage der Kollegin Kotting-Uhl, bitte.
Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,h will Sie noch einmal zitieren. Sie haben vorhin ge-agt, dass die Klimaschutzziele ohne CCS nicht erreich-ar sind. Daraufhin habe ich mich gemeldet. Ich ent-ehme dem und auch Ihrer Antwort auf die Frage deserrn Kollegen Ott, dass Sie CCS nicht nutzen wollen,ie es vom SRU empfohlen wird, um ausschließlichO2-Emissionen aus den energieintensiven Industriepro-essen einzulagern, sondern dass Sie das für die Kohle-erstromung haben wollen.Sie sagen, es sei unverantwortlich, diese Technologieicht auszuprobieren oder ihr keine Chance zu geben.ur Bewertung von Technologien gehört nach Auffas-ung von uns Grünen schon auch, dass man ihren mögli-hen Nutzen, ihren möglichen Schaden und ihre Risikenegeneinander abwägt. Das vermisse ich bei Ihnen.Ich komme jetzt aber zu meiner Frage an Sie. Es wer-en ja schon Kohlekraftwerke mit dem VersprechenGreen Coal“ gebaut – irgendwann ist die Kohle sauber,nd wir verpressen das ganze CO2, das wir dabei ab-cheiden –, und es gibt bereits Widerstand in Kommu-en, in ganzen Ländern, die ahnen, fürchten, dass diesepeicher oder auch nur die Transportpipelines, die jauch ein ziemliches Ausmaß haben, später bei ihnen ge-aut werden sollen. Wir haben ja bei der Atommüllend-gerfrage ein ähnliches Problem: Niemand hat das soerne in seinem Garten oder vor seiner Haustür. Was hatigentlich die Bundesregierung aus diesem Problem,ndlager für Atommüll zu finden und eventuell irgend-ann auch einmal in Betrieb zu nehmen, und zwar mitiner möglichst hohen Akzeptanz in der Bevölkerunger Umgebung, für die Frage gelernt, die sich jetzt stellt?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10375
Sylvia Kotting-Uhl
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Wie wollen Sie die Bevölkerung einbeziehen? Es sindbereits Widerstände in Niedersachsen, in Schleswig-Holstein, in einzelnen Kommunen vorhanden. Was wol-len Sie anders machen? Was also haben Sie aus der deso-laten Lage bei der Atommüllendlagersuche gelernt?H
Liebe Frau Kollegin, lassen mich zunächst eines sa-
gen: Sie nehmen für sich in Anspruch, dass Sie den Nut-
zen und die Belastung abwägen. Genau das tut die Bun-
desregierung aber auch. Ich sage Ihnen: Wenn Sie den
möglichen Nutzen und mögliche Risiken der CCS-Tech-
nologie prüfen wollen, dann müssen Sie der Durchfüh-
rung von Modellprojekten die Zustimmung erteilen.
Wenn Sie das von vornherein ablehnen, werden Sie nicht
zu einem seriösen Urteil kommen können. Das jeden-
falls ist Auffassung der Bundesregierung.
Frau Kollegin, in aller Offenheit – lassen Sie mich das
gerade am Beispiel der Atomendlagerstätten sagen –:
Diese Bundesregierung stellt sich – im Gegensatz zu den
Vorgängerregierungen –, auch wenn es vor Ort unpopu-
lär ist, den energiepolitischen Notwendigkeiten. Ich
weiß sehr wohl, dass es im Wendland und dort, wo auch
immer Atomendlagerstätten möglicherweise einmal ge-
prüft werden, große Widerstände in der Bevölkerung
gibt. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Grünen auf der
Woge dieses Protestes schwimmen. Aber ich sage Ihnen:
Als Bundesregierung sind wir verpflichtet, verantwor-
tungsbewusst für die nächsten Generationen zu denken.
Wir scheuen uns auch nicht, Proteste vor Ort auszu-
halten, wenn wir der Meinung sind, dass eine bestimmte
Technologie notwendig ist, um unsere Klimaschutzziele
zu erreichen. „Wasch mir den Pelz, aber mach mich
nicht nass“ kann nicht die Devise dieser Regierung sein.
Sie können sich als Oppositionspartei immer einen
schlanken Fuß machen. Die Bundesregierung kann das
nicht tun.
– Frau Kollegin, um das ganz klar zu sagen: Unabhängig
von der Frage der Laufzeitverlängerung für Atomkraft-
werke brauchen wir Endlagerstätten, egal, wo sie sind.
Diesem Prozess müssen wir uns unterziehen. Wenn die
Grünen der Meinung sind: „Wir entziehen uns diesem
mühsamen Prozess, indem wir uns einfach verweigern
und Vogel-Strauß-Politik machen“, so mag das Ihre Poli-
tik sein. Es kann aber nicht die Politik der Bundesregie-
rung sein. Wir sind gefordert. Wir sind den Menschen
gegenüber verantwortlich. Wir sind den Klimaschutz-
zielen gegenüber verantwortlich. Deswegen haben wir
ein Energiekonzept, an dem Sie uns messen können. In
dem Energiekonzept steht, dass wir auch CCS-Techni-
ken in Modellprojekten prüfen wollen, und genau das
tun wir. Da sind wir ganz berechenbar und klar. Ich
appelliere, insbesondere was die Frage CCS-Technolo-
gie anbelangt, an die Kollegen Ott, Krischer und andere:
Überprüfen Sie Ihre Position doch noch einmal, auch
wenn es unpopulär ist. Dass Sie sich von vornherein die-
ser Technologie entziehen und noch nicht einmal Mo-
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10376 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
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Aber von vornherein diese Technologie auszuschließenund gar kein Modellprojekt zu starten, hielte ich – ichwiederhole das – schlicht für verantwortungslos.
Der Kollege Gerd Bollmann stellt die nächste Frage. –
Bitte.
Ich frage nach etwas anderem. Wir planen bis zum
Jahr 2050 die Dekarbonisierung in Deutschland. Ange-
nommen, dass CCS nicht eingesetzt wird – ich erinnere
an die heutige Sitzung des Umweltausschusses, in der
die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein auch
auf Nachfrage mehr oder weniger eindeutig erklärt haben,
dass diese Technologie für sie nicht infrage kommt –: Wie
beurteilen Sie dann die Zukunft der deutschen Stahl-
industrie, aber auch anderer Industriezweige mit hohen
CO2-Emissionen?
H
Ich nehme die Stellungnahmen der derzeitigen Lan-
desregierungen von Niedersachsen und Schleswig-Hol-
stein zur Kenntnis. Wir werden dort weiterhin um eine
Öffnung gegenüber unseren Plänen werben. Lieber Herr
Kollege Bollmann, da Sie Mitglied der SPD-Bundes-
tagsfraktion sind, lassen Sie mich offen sagen: Wenn die
SPD-geführte Landesregierung von Brandenburg in
dieser Frage offener ist als die CDU/FDP-geführten Lan-
desregierungen von Niedersachsen und Schleswig-Hol-
stein, dann lassen Sie uns auf diesem Feld zusammen-
arbeiten. Ich verstehe nicht, warum Sie eine solche Frage
stellen. Herr Bollmann, Sie müssten als sozialdemokrati-
scher Abgeordneter doch die Position Ihrer Landesregie-
rung unterstützen. Unterschätzen Sie außerdem nicht:
An dem Standort in Südostbrandenburg werden viele
Arbeitsplätze entstehen. Ich kann mir nicht vorstellen,
dass Sie Ihrer Landesregierung in Brandenburg in den
Rücken fallen wollen.
Eine Nachfrage, Herr Bollmann.
Ich habe nicht die Hoffnung gehabt, dass Sie mich
über die parteipolitische Richtung, die ich einnehmen
müsste, aufklären.
Ich habe Sie ausschließlich danach gefragt, wie Sie
die Zukunft der deutschen Stahlindustrie sehen. Ich weiß
im Moment nicht, wie dort, wenn demnächst nicht ir-
gendwo ein neues Verfahren vom Himmel fällt, mit an-
deren Techniken gearbeitet werden soll; dazu gibt es zur-
zeit keine Ansätze. Wie sehen Sie die Zukunft der
deutschen Stahlindustrie, aber auch der Zementindustrie,
der chemischen Industrie und der Aluminiumindustrie?
Nur danach habe ich Sie gefragt, und ich habe Sie nicht
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kraftwerke haben, werden sie meiner Meinung nach füruns ein großes Problem sein, weil sie nicht schnell genugkomplett abgeschaltet werden können und sie nicht dieLücken zwischen den Zeiten füllen können, wenn dieErneuerbaren den Bedarf alleine decken. Das würdenflexible Gaskraftwerke schaffen, sicherlich nicht Kohle-CCS-Kraftwerke. Wie kommen Sie vor diesem Hinter-grund zu der Einschätzung, dass wir im Jahr 2030Grundlastkraftwerke brauchen? Wären diese nicht viel-mehr ein Problem?H
Frau Kollegin Nestle, die Bundesregierung hat ihr
Energiekonzept nicht aus Daffke oder aus Jux aufgelegt,
sondern weil es eine Richtlinie sein soll. Die Bundes-
regierung hat es nach soliden, umfangreichen wissen-
schaftlichen Untersuchungen aufgestellt. Nach all den
Erkenntnissen, die wir in einem sehr sorgfältigen Erkun-
dungsverfahren gewonnen haben, nach derzeitigem
Stand der Dinge, werden wir nicht nur im Jahr 2030,
sondern sogar noch im Jahr 2050 einen Anteil von etwa
20 Prozent Stromerzeugung aus herkömmlichen Kraft-
werken brauchen.
Ich weiß, dass die Grünen-Fraktion eine hundertpro-
zentige Versorgung durch erneuerbare Energien anstrebt.
Das mögen Sie tun; das lasse ich Ihnen. Die Bundes-
regierung hat nach sehr sorgfältiger Prüfung und nach
Abstimmung mit allen Ressorts ein Konzept vorgelegt,
das Sie kennen und das Sie sich noch einmal anschauen
mögen. Meine Antwort basiert natürlich auf diesem
Energiekonzept.
Ihnen, Frau Kollegin Nestle, und auch den anderen
Kollegen der Grünen-Fraktion möchte ich, da Sie immer
sagen, das alles sei weit weg, entgegenhalten: Unser
Energiekonzept ist bis zum Jahr 2050 angelegt. In unse-
rem Energiekonzept, das wir Ihnen schriftlich vorgelegt
haben und an dem wir uns messen lassen, haben wir ein-
deutig gesagt, dass wir die CCS-Technologie für not-
wendig erachten und dass wir sie, wenn dies nach dem
Evaluationsprozess vertretbar ist, nach Möglichkeit an-
wenden wollen und anwenden müssen, um die Klima-
schutzziele zu erreichen.
Wenn Sie sagen, Sie seien einer anderen Auffassung
und man könne das alles mit erneuerbaren Energien ma-
chen, dann kann ich Ihnen nur sagen, dass Sie dann von
den meisten wissenschaftlichen Untersuchungen, die es
weltweit gibt, weit entfernt sind. Wir werden bei den Er-
neuerbaren einen sicheren Grundlastbereich mit hoher
Wahrscheinlichkeit noch nicht im Jahr 2030 und mögli-
cherweise auch noch nicht im Jahr 2050 haben, weil die
dafür notwendigen Speichertechnologien noch nicht zur
Verfügung stehen.
Wir sollten uns jetzt nicht über das Energiekonzept
streiten. Sie haben eine andere Vorstellung. Meine Ant-
wort basiert auf dem Energiekonzept der Bundesregie-
rung.
Die letzte Nachfrage zu dieser Frage stellt der Kol-
lege Rolf Hempelmann.
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10378 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
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sagen möchte. Wie gesagt: Er ist gerade in der letztenRessortabstimmung. Wir werden ihn hoffentlich sehrzeitnah vorlegen. Auf dieser Basis werden wir dann dis-kutieren.Die Fragen, die Sie angesprochen haben, betreffen inder Tat diejenigen Punkte, über die zu reden sein wird.Lassen Sie uns an dieser Stelle nicht die Diskussionüber einen Gesetzentwurf, der ohnedies in der erstenHälfte des Jahres 2011 hier behandelt werden muss, vor-wegnehmen, zumal die Zeit schon etwas fortgeschrittenist, Frau Präsidentin.
Über das Fortschreiten der Zeit brauchen Sie sich
keine Sorgen zu machen; das haben wir hier voll im
Griff.
Wir kommen jetzt zu den Fragen auf Drucksache
17/4812 in der üblichen Reihenfolge.
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Technologie. Hier steht
wiederum der Kollege Parlamentarische Staatssekretär
Hans-Joachim Otto zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Frage 1 des Kollegen Duin wird schriftlich beant-
wortet.
Ich rufe die Frage 2 der Kollegin Steiner auf:
Inwieweit gibt die von der Bundesanstalt für Geowissen-
schaften und Rohstoffe, BGR, veröffentlichte Tabelle mit Da-
ten zu 408 Speicherstrukturen Anhaltspunkte über mögliche
CO2-Endlager in Deutschland?
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Frau Kollegin Steiner, die Tabelle mit 408 möglichen
CO2-Speicherstrukturen ist das Ergebnis einer rein geo-
wissenschaftlichen Bewertung des Untergrundes aus-
gewählter Regionen in drei großen Sedimentbecken
Deutschlands, nämlich dem Norddeutschen Becken,
dem bayerischen Molassebecken und dem Oberrheingra-
ben, auf der Grundlage bereits vorhandener Daten durch
die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe
in Hannover. Hierbei handelt es sich zunächst nur – das
hier mitzuteilen ist mir wichtig – um Grundlagenfor-
schung zu möglichen Speicherpotenzialen.
Einige Regionen – über die drei genannten hinaus –
sind zudem geowissenschaftlich bisher noch nicht be-
wertet. Viele für die geologische Speicherung notwen-
dige Parameter sind noch nicht berücksichtigt oder un-
tersucht worden. Deswegen, Frau Kollegin Steiner, sind
diese Daten der Bundesanstalt nur von sehr vorläufigem
Charakter. Eine Eignung der benannten Gesteinsschich-
ten für die Speicherung muss also durch Erkundungs-
untersuchungen jeweils gesondert nachgewiesen wer-
den, bevor eine Ausweisung als geeigneter Standort
fachlich gerechtfertigt wäre.
Frau Steiner, Sie haben eine Nachfrage. Bitte sehr.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10379
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nisse enthalten sind, und sie sind nicht von der Bundes-regierung vorgenommen worden, sondern von den zu-ständigen Landesregierungen. Es kann nicht andersgehen. Es gibt eben Betriebsgeheimnisse und sensibleDaten, die nach den entsprechenden gesetzlichen Vor-schriften nicht an die Öffentlichkeit gegeben wordensind. Jeden Vorwurf, dass hier irgendetwas geheim ge-halten worden sei, weist die Bundesregierung mit Nach-druck zurück.
Frau Steiner hat eine weitere Nachfrage. Ich möchte
aber zuvor gerne darauf hinweisen, weil im Teletext
etwas anderes steht, dass die Aktuelle Stunde um
15.40 Uhr beginnen wird. Es gibt jetzt noch diese eine
Nachfrage, und dann fahren wir in der Tagesordnung
fort.
Bitte schön, Frau Steiner.
Her
Herr Röttgen hat das ganze letzte Jahr über zu-
gesichert, in der CCS-Einlagerungsfrage werde nichts
gegen den Willen der Länder passieren. Im Gesetzent-
wurf sind nun aber Formulierungen enthalten, dass,
wenn sonstige energetische Nutzung nicht entgegensteht
oder das Wohl der Allgemeinheit nicht tangiert ist, Mo-
dellprojekte zur CCS-Einlagerung selbst an Stellen vor-
gesehen werden können, die die Länder ablehnen, wäh-
rend Niedersachsen nach wie vor davon ausgeht,
Modellprojekte verhindern zu können. Jetzt möchten wir
klar wissen, was gilt. Kann man gegen den Willen der
Länder an bestimmten Orten Modellprojekte zur CCS-
Speicherung durchführen, oder kann man es nicht?
H
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Steiner, zum wiederholten Male muss
ich Sie darauf hinweisen, dass sich der Gesetzentwurf,
der genau diese Fragen regeln wird, in der Ressort-
abstimmung befindet. Ich gehe allerdings davon aus
– das war ja bisher auch in allen öffentlichen Stellung-
nahmen so; sonst brauchten wir uns gar nicht über Nie-
dersachsen, Schleswig-Holstein und Brandenburg zu un-
terhalten –, dass natürlich der Wille der örtlichen
Behörden und auch der entsprechenden Länder zu be-
rücksichtigen ist. Wir würden wahrscheinlich einen gro-
ßen Fehler machen, wenn wir irgendein Bundesland,
sofern wir es nach der Gesetzgebungszuständigkeit über-
haupt könnten, dazu zwingen würden, ein Modellprojekt
an einem bestimmten Ort durchzuführen. Das muss im
Einvernehmen gemacht werden. Deswegen werben wir
in den Gesprächen mit den Regierungen der Länder, in
denen sich potenzielle Standorte befinden, darum – Frau
Kollegin Steiner, wenn Sie mir Ihr geschätztes Ohr lei-
hen –, dass wir das hinbekommen.
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So viel Respekt muss schon sein, Herr Kauder.Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als dieüddeutsche Zeitung vor einer Woche die ersten Plagiateon Herrn zu Guttenberg dokumentierte – –
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10380 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
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NIS 90/DIE GRÜNEN: Die Lautsprecher-anlage funktioniert nicht!)Vielleicht können Sie es ein bisschen lauter stellen, FrauPräsidentin.
Wir haben die Technik jetzt hoffentlich in den Griff
bekommen.
Herr Oppermann, bitte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als dieSüddeutsche Zeitung vor genau einer Woche die erstenPlagiate von Herrn zu Guttenberg dokumentierte, danannte der Minister die Vorwürfe abstrus und behaup-tete: Die Anfertigung dieser Arbeit war meine eigeneLeistung. – Heute wissen wir, dass Herr Guttenberg aufüber 100 Seiten verstreut über das ganze Buch von zahl-reichen Wissenschaftlern, Politikern, Journalisten undsogar Studenten abgeschrieben hat, ohne die Urheber-schaft kenntlich zu machen. Wir erfahren täglich vonneuen Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, dieHerr Guttenberg in Auftrag gegeben und in seine Arbeiteinverleibt hat, ohne dafür um eine Genehmigung zu bit-ten und ohne sie kenntlich zu machen. Der Stand vor ei-ner halben Stunde, Herr Guttenberg, war, dass vier Gut-achten vorliegen. Inzwischen liegen insgesamt sechsGutachten vor.
Sie rücken mit der Wahrheit immer nur dann scheib-chenweise heraus, wenn die Beweislast erdrückend wird.
Wer über 100 Seiten in seine Arbeit kopiert, wersechs Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes ein-baut, der macht keine handwerklichen Fehler, der zitiertnicht fahrlässig falsch. Wer das macht, der betreibt dievorsätzliche und planmäßige Übernahme fremden Ge-dankengutes, meine Damen und Herren.
Diese Arbeit ist in großen Teilen nicht Ihre Leistung,Herr Guttenberg. Sie haben getäuscht, Sie haben betro-gen, Sie haben gelogen.
Ich frage Sie, wie Sie noch Respekts- und Autoritäts-person für Zehntausende junger deutscher Soldaten seinkdJdlegWrerezjedDdaKFgkdssVDkWti
eder Soldat wäre in einem solchen Fall entlassen wor-en. Jeder Schüler wäre durch die Abiturprüfung gefal-n, und jeder Student wäre von der Universität geflo-en.
eil das so ist, darf es in Deutschland keine Sonder-chte für Minister geben.
Angesichts der Tatsache, dass Sie sich damit heraus-den wollen, Herr Guttenberg, Sie hätten nur schlampigitiert, spotten die Satiriker auch schon, dass künftig die-nigen, die des Ladendiebstahls überführt werden, sichamit herausreden, sie hätten schlampig eingekauft.
azu darf es in Deutschland nicht kommen.
Ich finde es unerträglich, Herr Kauder, dass die Bun-eskanzlerin die Entscheidung getroffen hat, dass einkademischer Hochstapler und Lügner weiterhin demabinett angehören darf.
ast noch schlimmer als diese Entscheidung ist die Be-ründung. Die Bundeskanzlerin hat gesagt, sie habe jaeinen wissenschaftlichen Assistenten eingestellt, son-ern einen Verteidigungsminister. Man kann den Men-chen Guttenberg doch nicht aufteilen in einen akademi-chen Hochstapler und in einen veritablen, populärenerteidigungsminister.
ie Aufrichtigkeit, die Ehrlichkeit und die Wahrhaftig-eit sind doch unteilbar.
ahrhaftigkeit, Schutz des Eigentums, Respekt vor geis-gem Eigentum und vor den Leistungen anderer sind
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10381
Thomas Oppermann
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doch keine austauschbaren Werte; das sind die Funda-mentalwerte einer bürgerlichen Gesellschaft und solltenauch die Werte einer bürgerlichen Koalition sein.
Ich weiß nicht, ob der Bundeskanzlerin – übrigensauch der Wissenschaftsministerin – überhaupt bewusstist, welchen gewaltigen Flurschaden Sie im gesamtenBereich der Ausbildung des wissenschaftlichen Nach-wuchses angerichtet haben.
Ausgerechnet Sie wollen Deutschland zur Bildungsrepu-blik machen. Mit Schummeln und Mogeln zerstören Siedie Wissenschaftskultur und die Basis für intellektuelleRedlichkeit in diesem Land.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.
Ich komme zum Schluss.
Herr Guttenberg, Sie sind in einer schwierigen Lage.
Da braucht man eigentlich Freunde. Ich sage Ihnen: Die
christdemokratische Kameradschaft, die die Bundes-
kanzlerin gerade für Sie organisiert, ist keine echte
Freundschaft.
Sie haben die Bodenhaftung verloren. Wirkliche
Freunde würden in einer solchen Situation alles tun, um
Sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen;
aber sie würden Sie nicht bestärken, indem sie Ihre
schweren Verfehlungen bagatellisieren.
Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Ende kommen.
Das war schon der Schlusssatz.
Da hat die Bundeskanzlerin einen schweren Fehler
gemacht. Sie opfert die Wahrheit der Macht. Aber damit
werden Sie nicht durchkommen, meine Damen und Her-
ren.
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etzt weiß ich auch, warum Sie schon zweimal eine De-gation zum amerikanischen Wahlkampf geschickt ha-en: damit sie lernen, was Negative Campaigning heißt,ämlich das Vernichten des politischen Gegners um je-en Preis. Das, was Sie hier machen, ist unglaublich.
as ist ein Stil, den wir bei der politischen Auseinander-etzung in diesem Hohen Hause nicht einreißen lassenollten.
Entschuldigung! Der Bundesminister hat hier – Siearen doch vorhin da – alle Ihre Fragen ordnungsge-äß, ausführlich und überzeugend beantwortet.
ie stellen sich hier hin und behaupten das Gegenteil.as ist unverfroren.
Im Übrigen sage ich Ihnen: Wir sollten hier ein Signaln die Gesellschaft senden,
ass man nicht den Kopf abgerissen bekommt, wennan einen Fehler macht, ihn zugibt und sich dafür ent-chuldigt, sondern dass die Entschuldigung angenom-en wird. Das wäre ein Signal, das von diesem Haususgehen könnte.
Der Minister hat hier erklärt, dass er gegen den wis-enschaftlichen Kodex verstoßen hat
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10382 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Dr. Hans-Peter Friedrich
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und dass er die Folgen tragen will.
Der Deutsche Bundestag entscheidet nicht darüber, obund in welchem Umfang die Arbeit, die er eingereichthat, wissenschaftlichen Wert hat und einen Erkenntnis-gewinn bringt.
Das ist hier kein Promotionsausschuss; das entscheideteinzig und allein die Universität Bayreuth.
Der Kollege Lauterbach hat sich in dieser Woche inunglaublicher Art und Weise im Fernsehen auf den Weggemacht, die Universität Bayreuth und den dortigen Pro-motionsausschuss unter Druck zu setzen, indem er ge-sagt hat: Wenn sie ihm den Doktortitel nicht aberkennen,dann haben sie die falschen Maßstäbe und sind nicht ob-jektiv.
Das ist unerhört. Bitte respektieren Sie endlich dieUnabhängigkeit der Wissenschaft in diesem Land!
Es ist ein unglaublicher Vorgang, wie hier in den letz-ten Tagen – ja, wenn ich zurückdenke, muss ich sagen:in den letzten Wochen und Monaten – gegen Karl-Theodor zu Guttenberg geholzt wird.
Sie machen das seit einiger Zeit. Sie haben bewusst eineSkandalisierung betrieben, die unerträglich ist.
Ich schaue mir zum Beispiel Herrn Trittin an, der sichtatsächlich herablässt, zu sagen, Herr zu Guttenbergließe jedes Gefühl für Stil und Anstand vermissen.
Lieber Herr Trittin, da sind Sie genau der Richtige.
Derjenige, der hier in diesem Hause einen Kollegen alsSkinhead bezeichnet, nur weil er sich bekennt, stolz zusAedBWwADEGDmdlidEgnd
Meine sehr verehrten Damen und Herren, am Ende istntscheidend,
ass Karl-Theodor zu Guttenberg seine Aufgabe alsundesminister der Verteidigung in hervorragendereise wahrnimmt. Ich will Ihnen jetzt einmal vorlesen,as der oberste Befehlshaber der deutschen Truppen infghanistan, Generalmajor Fritz, heute Morgen imeutschlandfunk gesagt hat.
r wurde gefragt:Wie kommen die Plagiatsvorwürfe bei den Soldatenin Afghanistan an?eneralmajor Fritz sagte:Wissen Sie, wir haben hier in Afghanistan ganz an-dere Sorgen. Aber ich möchte Ihnen eines sagen:Der Minister ist allein in der Zeit, wo ich hier dasKommando geführt habe, fünfmal da gewesen. Ichhabe ihn jedes Mal erlebt. Seine erste Frage an unsund an alle Soldaten ist, was braucht ihr, was kannich für euch machen, und er hat eine ganze Mengein dieser Hinsicht bewegt. Er kümmert sich um dieSoldaten, er spricht mit den Soldaten und ichglaube, wir wissen sehr gut, was wir an unseremMinister haben, und wir stehen hinter ihm.
as ist ein Zitat des obersten Soldaten der deutschen Ar-ee in Afghanistan.Verteidigungsminister werden in diesem Hause und iniesem Lande nicht nach ihren wissenschaftlichen Qua-täten beurteilt, sondern nach ihrer Fähigkeit, die Bun-eswehr zu führen.
r hat sie in einen Reformprozess geführt, den wir mor-en schon in einem ersten Schritt umsetzen werden,ämlich mit der Aussetzung der Wehrpflicht. Ich denke,ass dieser Minister ein hervorragender Verteidigungs-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10383
Dr. Hans-Peter Friedrich
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minister ist, und ich danke ihm für seinen Einsatz, jetztund in der Zukunft.Vielen Dank.
Jürgen Trittin hat das Wort für Bündnis 90/Die Grü-
nen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LieberHerr Kollege Friedrich, die einzige Unverschämtheit, dieheute im Plenum begangen worden ist, wurde von Ihnenbegangen, nämlich als Sie versucht haben, einen Generalzur Verteidigung Ihres Minister und dessen fragwürdigerPraktiken heranzuziehen. Das ist nicht nur eine Unver-schämtheit, sondern auch ein Missbrauch der Bundes-wehr, den Sie hier betrieben haben.
Ich muss mich korrigieren: Es hat noch eine zweiteUnverschämtheit gegeben.
Diese Unverschämtheit
wurde von Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg begangen.Herr zu Guttenberg, Sie haben behauptet, Sie hättenhandwerkliche Fehler gemacht. Dann haben Sie sich imBundesverteidigungsministerium – das war im Fernse-hen zu sehen – neben Offiziere der Bundeswehr gestelltund gesagt, Sie hätten „zu keinem Zeitpunkt bewusst ge-täuscht oder bewusst die Urheberschaft nicht kenntlichgemacht“.
Stellen Sie sich einmal vor, ein Offiziersanwärter würdeeine Arbeit abliefern, bei der schon in der Einleitungeine Textstelle aus der FAZ übernommen, aber nicht alssolche gekennzeichnet wurde, und die Jahreszahl sorg-sam aktualisiert wurde. Geht man die Arbeit weiterdurch, stellt sich heraus, dass in mehr als 200 Fällen soverfahren wurde, dass aus Reiseführern kopiert wurde,dass aus Schriftsätzen des Deutschen Bundestages, unse-res Prozessvertreters in Europafragen, zitiert wurde.Karl-Theodor zu Guttenberg aber stellt sich hier hin underklärt dem Deutschen Bundestag, das alles sei passiert,ohne dass ihm das bewusst gewesen sei. Dass ihn danicht homerisches Gelächter aus dem Saal getrieben hat,ist das einzig Erstaunliche daran.
Jedem Offiziersanwärter, der behauptet hätte, all das seiunbewusst geschehen, er habe unbewusst und ohne Fäl-sSurezPreDteantrgnABhhEbAPeabWWeWdDSg
nd diese Schutzbehauptung können wir nicht akzeptie-n. Dann wäre verfahren, wie es die Regel ist: Der Offi-iersanwärter hätte nicht nur in akademischer Hinsichtrobleme bekommen, sondern er wäre auch disziplinar-chtlich belangt worden.
Damit kommen wir zum Kernpunkt: Sie, Herrr. Karl-Theodor zu Guttenberg, haben erklärt, Sie woll-n für sich keine andere Maßstäbe gelten lassen als fürndere. Wenn das stimmt, dann hätten Sie heute hiericht mehr im Amt sein dürfen. Dann hätten Sie zurück-eten müssen. Das wäre die einzig logische Konsequenzewesen.
Aber es kommt noch schlimmer: Sie bringen es fertig,och in der Geste der Demut und der Entschuldigungrroganz zu demonstrieren.
ei Ihrem Auftritt in Hessen im Beisein Roland Kochsaben Sie gesagt, in der Doktorarbeit, die Sie eingereichtaben, stünde Blödsinn. Das will ich nicht ausschließen.twa im Vorwort mit dem „Kairos“ steht viel geschwur-elter Blödsinn. Das stimmt.
ber Sie können doch nicht im Ernst 200 Plagiate vonrofessoren, vom Wissenschaftlichen Dienst und vonrnst zu nehmenden Forschern übernehmen und denennschließend erzählen, das sei Blödsinn. Erst klauen Sieei denen, und dann beleidigen Sie sie auch noch.
ir haben es hier in der Tat damit zu tun, dass Sie alleerte missachten. Wir hätten von der Bundeskanzlerinrwarten müssen, dass sie das nicht zulässt.
Es geht übrigens nicht um Bagatellen. In meinemahlkreis hat die Universität Göttingen gerade jeman-en in einem ähnlichen Fall überführt und ihm dieoktorwürde aberkannt. Der Mann ist dann von dertaatsanwaltschaft wegen des öffentlichen Interesses an-eklagt worden
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10384 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Jürgen Trittin
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und wurde zu 90 Tagessätzen wegen Betruges verurteilt.Meine Damen und Herren, hören Sie auf, solche Fragenals Bagatelle, als lässliches Schummeln zu bezeichnen!Damit zerstören Sie das Vertrauen in die Institutionendieses Landes.
Sie, Herr zu Guttenberg, führen sich ein bisschen aufwie ein Held von Thomas Mann, der auf die Frage, obdas denn Diebstahl wäre, was er gemacht hätte, gesagthat – ich zitiere –:Was ich je getan habe, war in hervorragendemMaße meine Tat, nicht die von Krethi und Plethi, …so habe ich mich doch in dem geheimnisvollen,aber unerschütterlichen Gefühl, ein Gunstkind derschaffenden Macht und geradezu von bevorzugtemFleisch und Blut zu sein, innerlich stets gegen eineso unnatürliche Gleichstellung aufgelehnt.Meine Damen und Herren, das steht auf Seite 50 –
Herr Kollege.
– der Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull.
Herr Kollege.
Frau Bundeskanzlerin, die Bundeswehr darf nicht
mehr von einem Felix Krull kommandiert werden. Ent-
lassen Sie Herrn Dr. zu Guttenberg!
Stephan Thomae hat jetzt das Wort für die FDP-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wir haben, glaube ich, so-
eben den untauglichen Versuch mit untauglichen Mitteln
erlebt, einem erfolgreichen Minister in einer erfolgrei-
chen Regierung ein Bein zu stellen.
Sie merken nämlich, dass der Wind sich allmählich dreht
und in der Öffentlichkeit mehr und mehr erkannt und an-
erkannt wird, was diese Regierung sich zum Programm
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Aber diese Rechnung wird nicht aufgehen, denn der
inister hat reagiert. Er verzichtet darauf, den akademi-
chen Titel zu führen. Er hat die Universität Bayreuth
m Prüfung und Aberkennung gebeten. Er hat hand-
erkliche Fehler bei der Abfassung seiner Dissertation
ingeräumt. Für menschliche Verfehlungen neben Fami-
e und Mandat kann man auch Verständnis aufbringen.
Deshalb, Herr Minister – Sie werden ja in wenigen
inuten an dieses Pult treten –: Räumen Sie in der Ihnen
igenen Geradlinigkeit letzte Zweifel aus, machen Sie
larschiff, damit die Verdächtigungen gegen Ihre Person
in Ende haben und wir uns nicht weiter mit sachfrem-
en Anschuldigungen der Opposition herumschlagen
üssen! Denn die Anschuldigungen sind ernst; sie sind
eine Kleinigkeit. Aber wir vertrauen darauf, dass Sie
ie gegen Sie erhobenen Vorwürfe rasch und umfassend
usräumen werden und dass Sie anschließend Ihre ganze
raft wieder der Regierungsarbeit zuwenden können. Es
eht um die Sicherheit unserer Soldaten, die sich in ge-
hrlichen Auslandseinsätzen befinden. Es geht darum,
ie Bundeswehr auf neue Aufgaben in einer neuen
truktur vorzubereiten. Diese Regierung packt die gro-
en Herausforderungen an, während Sie, meine Damen
nd Herren von der Opposition, sich im wahrsten Sinn
es Wortes in den Fußnoten unserer Politik verheddern.
Der Kollege Dr. Dietmar Bartsch hat das Wort für dieraktion Die Linke.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10385
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Sehr richtig, Frau Künast. – Frau Präsidentin! LiebeKolleginnen und Kollegen! Wir haben heute eineAktuelle Stunde, die diesen Namen wirklich verdient. Esgibt fast stündlich neue Erkenntnisse. Das, was HerrGuttenberg in der Fragestunde an Erklärungen und Aus-flüchten geboten hat, bestätigt noch einmal, dass das hierweiter besprochen werden muss. Es ist ja offensichtlichso, dass der Wissenschaftliche Dienst noch viel mehr ge-leistet hat.Ich will daran erinnern, es ist noch keine Woche her,da haben Sie gesagt: „Der Vorwurf, meine Doktorarbeitsei ein Plagiat, ist abstrus.“ „Dem Ergebnis“ der Prüfungder Uni Bayreuth „sehe ich mit großer Gelassenheit ent-gegen.“
Zwei Tage später sagen Sie, „vorübergehend“ legen Sieden Titel ab, und weitere drei Tage später wollen Sie denTitel zurückgeben. Ich sage Ihnen, Herr Guttenberg, Siehaben wirklich ein Problem. Sie glauben, das können Siemit Aussitzen und Arroganz erledigen. Nein, das istnicht möglich. Sie haben eine Rechtsauffassung nachGutsherrenart.
Als wenn ein ertappter Uhrendieb das Problem lösenkönnte, indem er die Uhr zurückgibt. Das ist ja wohlnicht möglich. Jeder Ladendieb, der ertappt wird, musssein Diebesgut selbstverständlich zurückgeben. Selbst-verständlich muss er mit einer Strafe rechnen, und hierund da gibt es auch ein Hausverbot. Das gilt für Sie ge-nauso.
Ob Sie den Doktortitel tragen dürfen oder nicht, das ent-scheidet in Deutschland Gott sei Dank immer noch dieUniversität, und nicht Sie. Sie entziehen ihn nicht, undSie dürfen ihn auch nicht tragen. Wenn es denn so wäre,wie Sie und die Bundeskanzlerin immer sagen, dass derDoktortitel und das Ministeramt nichts miteinander zutun haben: Warum schreiben Sie dann an die Uni Bay-reuth auf dem Ministerkopfbogen? Können Sie das ein-mal erklären?
Es geht hier um Glaubwürdigkeit, es geht um Ehrlich-keit, und es geht um Aufrichtigkeit. Ihnen unterstehenzwei Universitäten der Bundeswehr. Was sagen Sie mitdem, wie Sie agiert haben, eigentlich den Leuten, die dortstudieren und wissenschaftliche Grade erringen wollen?Das ist doch wirklich nicht zu akzeptieren. Sie sind wirk-lich ein tolles Vorbild für die, kann ich nur sagen. Sie ha-ben getäuscht, und Sie haben gelogen, und Lügner dürfenin unserem Land nicht ministrabel werden!
nnresisrusFvhSWnsKdhKDssDwnWläHdanteKebkPte
Sehr geehrter Herr Friedrich, wenn Sie hier sagen, est eine Unverschämtheit, angesichts der Herausforde-ngen den Minister hier so anzugehen: Die Unver-chämtheit ist, dass Sie genau dies tun. Das ist ein großerehler. Ein Minister, der so angegriffen ist, der Selbst-erteidigungsminister ist, kann die Aufgaben, die anste-en, nicht lösen. In Afghanistan gibt es tote deutscheoldaten.
ir brauchen eine Bundeswehrreform, über die wir hieroch reichlich diskutieren werden. Und dann haben wiro einen Minister im Amt? Das ist nicht zu akzeptieren.
In diesem Lichte ist übrigens auch die Bewertung deranzlerin, dass es sich hier um einen Minister handelt,er eine hervorragende Arbeit leistet, noch einmal zuinterfragen. Wie war das denn bei Norbert Schatz, demapitän der „Gorch Fock“?
en hat Herr Guttenberg ohne Anhörung, ohne dass erich einmal zum Vorwurf äußern konnte, einfach abge-etzt.
as ist inakzeptabel. Wenn dieser Maßstab geltenürde, was müsste er dann tun? Das gilt genauso für Ge-eralinspekteur Schneiderhan, das gilt für Staatssekretärichert und eben auch für Kapitän Schatz. Sie hättenngst persönliche Schlussfolgerungen ziehen müssen,err Minister. Das ist die Situation. Sie werden nicht iner Lage sein, die Feldpostaffäre und all diese Dingeufzuklären.Wir erleben aber hier, meine Damen und Herren,icht nur eine Affäre Guttenberg. Wenn man einmal un-rstellt, der Minister hat nach seinem Gespräch mit deranzlerin die Wahrheit gesagt, dann ist es doch so, dasss für eine Erklärung des Ministers keiner Aufforderungedurft hat und es sie auch nicht gab. Das sagt doch ganzlar, dass die Kanzlerin hier versagt hat. Das ist doch derunkt.
Es ist gegenüber allen, die ehrlich ihre Diplom-, Mas-r- und Doktorarbeiten anfertigen, ein Hohn, wenn sich
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10386 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Dr. Dietmar Bartsch
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die Kanzlerin mit flapsigen Sprüchen, sie habeGuttenberg nicht als wissenschaftlichen Assistenten insKabinett geholt, vor ihren Minister stellen will. Ja, dannkann er auch betrunken fahren, sie hat ihn ja auch nichtals Fahrer eingestellt. Das kann doch wohl nicht wahrsein!
Was ist denn das für eine Doppelmoral bei der Union,wenn jedes Kind, das sich im Internet einen Song herun-terlädt, kriminalisiert wird, und Sie hier nur Verteidi-gungsstrategie machen? Mit Ihrem Festhalten am Minis-teramt laden Sie letztlich Schuld auf die politischeKultur in Deutschland.
– Ja, das sagt der Richtige, der hat eine ordentliche Pro-motion in Moskau gemacht. Das ist besser als Abschrei-ben, Frau Homburger.
Von vielen Seiten kommen jetzt berechtigte Rück-trittsforderungen. Ich will zum Abschluss zweimalGuttenberg zitieren. Einmal will ich Ihren Großvater zi-tieren, der das beachtenswerte Buch Fußnoten geschrie-ben hat. Er schreibt: „Am Ende zählt, ob einer ist, was ervorgibt“. Dann will ich Sie selbst zitieren: „Verantwor-tung bedeutet vor allem Verpflichtung, Vertrauen undGewissen.“ Ich appelliere an Ihre Ehre: Früher wussteder Adel, was an so einer Stelle zu tun ist.
Das Wort hat der Bundesminister Karl-Theodor zuGuttenberg.
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundes-minister der Verteidigung:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Am Ende zählt, dass einer das ist, was ervorgibt, Kollege Bartsch. Ja, ein Mensch mit seinenSchwächen und mit seinen Fehlern.
Wenn man das vorgeben kann und wenn Sie sagen, dassman Gefahr läuft, Schuld auf die politische Landschaftzu laden, dann glaube ich, dass es, wenn man gleichzei-tig versucht, die Kraft aufzubringen, sich nicht nur imslesAtisbteAdm––kvhdicwbIcTvdasckw
ondern mit der notwendigen Verantwortung die Aufga-en anzunehmen, die im Amtsspektrum des Bundesver-idigungsministers zu sehen sind. Das sind gewaltigeufgaben, aber solche, die ich mit Freude angehe undie ich umso freudiger annehme, je liebevoller man mitir hier umgeht.
Das war jetzt besonders liebevoll von Ihnen.
Mehr ist nicht drin, das verstehe ich, Herr Bartsch, dasann ich nachvollziehen.
Mir war noch einmal wichtig, dies zu sagen. Ich habeorhin hier in diesem Hohen Hause noch einmal wieder-olt, welche Fehler ich gemacht habe –
ass Fehler geschehen sind, ist unbestritten – und dassh zu denen auch stehe. Ich bin dankbar für jeden Hin-eis, den ich zusätzlich bekomme, was meine Arbeit an-elangt.
h hatte nach einer langen Pause am Wochenende dreiage, um sie entsprechend zu sichten. Ich habe viele,iele Hinweise aus dem Internet bekommen,
ie ich, wenn man dazu endlich einmal Zeit haben sollte,uch noch einmal entsprechend aufarbeiten kann. Dasteht völlig außer Frage.Was die Zahl der Ausarbeitungen der Wissenschaftli-hen Dienste anbelangt, so waren mir bislang vier be-annt, die ich als Primärquellen benannt habe. Von sechseiß ich bisher nichts. Ich freue mich, wenn ich sie sehe.
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Bundesminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
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Ob ich sie als Primärquelle eingebracht habe oder mit ih-ren Fußnoten so umgegangen bin, wie ich mit anderenFußnoten umgegangen bin, kann ich erst sehen, wennich es mir tatsächlich angeschaut habe.
Ich werde dann aber auch ebenso offen dazu Stellungnehmen.
Das Letzte, was mir noch einmal wichtig ist zu wie-derholen, ist: Wenn man sich den Spiegel selbstkritischvorhält, dann steht man zu den Dingen, die man gemachthat, kann aber auch bei einer Sache weiterhin klar ste-hen: dass man nicht bewusst und mit Vorsatz getäuschthat,
sondern dass man auch hier versucht, der Verantwortungseines Amtes nachzukommen und gerecht zu werden.
In Wiederholung dessen, lieber Herr Trittin, was Sievorhin gesagt haben, als Sie über Maßstäbe gesprochenhaben – ich möchte Maßstäbe jetzt nicht an anderenMaßstäben messen –: Als ich gesagt habe: „Zu demBlödsinn stehe ich, den ich geschrieben habe“,
habe ich das auf meinen Blödsinn bezogen und nicht aufanderen.
Auch dazu kann und darf man stehen.Mir geht es darum, in eine Debatte, die jetzt hoch auf-geheizt ist und in der ich auch manche Stimmungslageverstehen kann, wieder so viel Ruhe hineinzubringen,dass man auch vergleichsweise ruhig seiner Tätigkeit alsBundesminister nachkommen kann.
– Das werde ich. –
Das werde ich tun: mit der entsprechenden Freude undmit der entsprechenden Verantwortung, die man für Sol-dBgmwuuKuweWdVDkRBsdteDgnhewBu
Das Wort hat der bereits am Rednerpult eingetroffene
ollege Dr. Hans-Peter Bartels für die SPD-Fraktion.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnennd Kollegen! Herr Minister, es ist schon unglaublich,ie Sie sich hier hinstellen und sagen: Ich habe michntschuldigt. Das muss reichen. Schwamm drüber! –enn das Schule macht, dann haben wir bald eine an-ere Republik.
Manche sagen, es gibt Wichtigeres als die Fehler underfehlungen des Verteidigungsministers. Das ist wahr.ie Angehörigen von Soldaten, die in Afghanistanämpfen und Leib und Leben riskieren, müssen über dieangfolge der Nachrichten verbittert sein. Wenn dieild-Zeitung am Samstag in Riesenbuchstaben die Sen-ation meldet, dass der Minister nicht zurücktritt, undaneben viel kleiner vom Tod deutscher Soldaten berich-t, dann ist das eine grobe Verzerrung der Maßstäbe.
ie Bundeswehr, meine Damen und Herren, ist wichti-er als dieser Minister. Unsere Bundeswehr braucht ei-en Minister, dessen Worte etwas bedeuten, der nichteute so und morgen so redet, gerade wie das Publikums hören will.
Was soll es bedeuten, lieber Herr zu Guttenberg,enn Sie in einer Rede in der Führungsakademie derundeswehr sagen, dass Sie sich vom Prinzip „Klarheitnd Wahrheit“ leiten lassen?
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10388 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Dr. Hans-Peter Bartels
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Was bedeutet „Klarheit und Wahrheit“ für Sie? Ich willgar nicht über das Täuschen und Tarnen in Ihrer Doktor-arbeit im Einzelnen reden. Sie haben bei Einreichungdes Werkes eine ehrenwörtliche Erklärung abgegeben,dass Sie die Dissertation selbstständig verfasst und keineanderen als die von Ihnen angegebenen Quellen undHilfsmittel benutzt haben.
Das war nicht wahr, oder?Was bedeutet Ihr Ehrenwort, Herr Minister? Sie füh-ren als Verteidigungsminister auch die Universitäten derBundeswehr. In Ihrer Rede an der Führungsakademiehaben Sie gesagt – Zitat –:Führen durch Vorbild: Daran müssen wir uns täg-lich erinnern.Ja, daran will ich Sie erinnern. Was ist das für ein jäm-merliches Vorbild, wenn einer durch Täuschung einenDoktortitel erwerben will?
„Wahrheit und Klarheit“: Was bedeutet es, wenn Sieim Kabinett einerseits einer Einsparung von 8 MilliardenEuro im Haushalt der Bundeswehr zustimmen undgleichzeitig eine Bundeswehrreform planen, für die Siezusätzliches Geld brauchen? Die Wahrheit ist, dass beiIhrer Bundeswehrreform noch überhaupt nichts klar ist.Was bedeutet es, wenn der Verteidigungsministersagt: „Mit mir ist die Abschaffung der Wehrpflicht nichtzu machen“? Das bedeutet, wie wir gesehen haben, dasser sich ein paar Monate später dafür feiern lässt, dass erdie Wehrpflicht abschafft. Übrigens: Was wir jetzt ha-ben, ist W6, und das ist Murks im Quadrat.Ihr Prinzip, Herr zu Guttenberg, ist, dass Prinzipienetwas für normale Leute sind. Sie selbst brauchen keine.Sie verkaufen es stattdessen als besondere politischeLeistung, dass Sie sich immer wieder korrigieren müs-sen.Schauen wir auf die kritischen Situationen Ihrer 16 Mo-nate als Verteidigungsminister – Kunduz, Wehrpflicht,Bundeswehrreform, „Gorch Fock“, die Promotionslüge –,dann sehen wir: Keine Ihrer Erklärungen hatte Bestand.Ihr Wort gilt nichts.
Können Sie so Verteidigungsminister bleiben? Warumist damals eigentlich Dr. Jung zurückgetreten?
Warum haben Sie damals den Generalinspekteur entlas-sen und in der Presse zum Sündenbock für Ihre eigenenFehler gemacht? Viele hier im Saal haben aus guter Er-fahrung viel mehr Vertrauen in den alten GeneralSMdJmBZsfüuDlavHwSdvnGhdbSa
Die einfache Frage an Sie ist: Gilt für Sie ein beson-eres Recht? Quod licet Iovi, non licet bovi? Gelten fürupiter andere Maßstäbe als für Ihre Kollegen, das ge-eine Rindvieh?
eantworten Sie diese Frage; es ist eine Frage der Ehre.iehen Sie die Konsequenz und ziehen Sie sie bitteelbst!Schönen Dank.
Der Kollege Burkhardt Müller-Sönksen hat das Wort
r die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnennd Kollegen! Laut § 106 der Geschäftsordnung deseutschen Bundestages ist die Aktuelle Stunde ein par-mentarisches Instrument zur Behandlung von Fragenon „allgemeinem aktuellen Interesse“. Sehr geehrtererr Kollege Oppermann – ich adressiere hier ganz be-usst an Sie als Parlamentarischer Geschäftsführer derPD-Bundestagsfraktion –, gibt es für die SPD und fürie Grünen momentan kein wichtigeres Thema als dieor Jahren verfasste Dissertation des Verteidigungsmi-isters?
ibt es keinen politischen – ich betone: politischen – In-alt, für den die Opposition dieses wichtige Instrumenter Aktuellen Stunde verwenden möchte?
Herr Trittin, es ist für die FDP als Rechtsstaatsparteiedauerlich, dass Sie hier einen Vergleich zu einemtrafverfahren ziehen. Wollen Sie Vorverurteilungenuch schon in diesen Fall hineinbringen?
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Das ist unverschämt. Das ist einer Rechtsstaatsparteinicht würdig. Auch die Grünen haben eine rechtsstaatli-che Tradition, die Sie mit Füßen getreten haben.
Karl-Theodor zu Guttenberg hat Fehler gemacht. Diefehlende Sorgfalt im Umgang mit Quellen bei seinerDissertation ist belegt und wird von niemandem infragegestellt.
Aber wir müssen hier in aller Deutlichkeit hervorheben:Er hat sich nicht als Verteidigungsminister, sondern beider Anfertigung einer wissenschaftlichen Arbeit vor Jah-ren Verfehlungen zuschulden kommen lassen. Er hatseine Fehler am Montag offen eingeräumt
und heute hier im Bundestag für mich in glaubhafterWeise sein Bedauern zum Ausdruck gebracht. HerrTrittin, ich kann die von Ihnen behauptete Arroganz beidiesem Verteidigungsminister in diesem Hohen Hausenicht erkennen.
Herr Minister zu Guttenberg steht zu dem, was er getanhat, und er übernimmt die volle Verantwortung für seinHandeln.
Seine Entscheidung, auf seinen Doktortitel zu verzich-ten, halte ich für das richtige Signal.
Ich erwarte jetzt von ihm, dass er der Universität Bay-reuth beim weiteren Gang der Aufklärung nach Kräftenbehilflich ist.
Die Bewertung, wie nun mit seiner Dissertation umzuge-hen ist, überlässt meine Fraktion der Stelle, die dafür zu-ständig ist. Es ist nicht Aufgabe des Bundestages, überdie Dissertation von Herrn zu Guttenberg zu urteilen,
sondern die Entscheidung liegt bei der Promotionskom-mission der Rechts- und WirtschaftswissenschaftlichenFakultät der Universität Bayreuth.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass Sie als Opposi-tion in dieser Debatte eine Chance sehen, von den Erfol-gen der schwarz-grünen Sicherheitspolitik abzulenkenoder sie vielleicht sogar kleinzureden.GpdZWübmMtemssfün–gnDtadkgDnFGBdhbIcsd
Die Koalitionsfraktionen haben mit dem Minister zuuttenberg in den letzten Monaten in der Verteidigungs-olitik Großes erreicht. Wir stellen die Bundeswehrurch unsere Reform auf ein sicheres Fundament für dieukunft.
ir haben die Wehrpflicht ausgesetzt und die langeberfällige Verschlankung der Struktur auf den Weg ge-racht. Wir erhöhen durch ein breites Paket an Maßnah-en die Attraktivität der Bundeswehr. Wir wollen jungeenschen für eine Tätigkeit in der Bundeswehr begeis-rn.Die Opposition wurde in den letzten Monaten nichtüde, dem Verteidigungsminister bei jedem einzelneneiner öffentlichen Auftritte übertriebene mediale Unter-tützung vorzuwerfen. Auch ich habe manchmal das Ge-hl gehabt, dass der eine oder andere Besuch in Afgha-istan vielleicht zu viel war.
Herr Trittin, gerne. – Ich habe bei den Soldaten nach-efragt. Diese empfanden das als Unterstützung undicht als mediale Inszenierung.
ie Öffentlichkeit ist auf die Bundeswehr in Afghanis-n aufmerksam gemacht worden. Das ist das Verdienstes Verteidigungsministers.Ihr Ziel ist es nur, dem Minister, der in der Öffentlich-eit und bei den Soldaten großen Rückhalt und Respektenießt, die Befähigung zum Ministeramt abzusprechen.
as wird Ihnen auch mit dieser Aktuellen Stunde heuteicht gelingen. Ich nehme seine Entschuldigung für dieehler und seinen Verzicht auf den Doktortitel wahr. Imegensatz zu Ihnen schätze ich wie die Mehrheit derürgerinnen und Bürger seine Arbeit als Bundesministerer Verteidigung.Ich glaube kaum, dass die Soldatinnen und Soldateneute Abend in Afghanistan Verständnis für diese De-atte haben.
h glaube, sie werden, wie auch die Mehrheit der Deut-chen in der Republik, weiterhin fragen: Was sprechenie in der Opposition da eigentlich über diesen Minister?
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10390 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Burkhardt Müller-Sönksen
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Wir werden unsere erfolgreiche Arbeit für eine guteSicherheitspolitik zum Wohle der Bundeswehr und zumWohle der Bundesrepublik Deutschland mit Minister zuGuttenberg fortsetzen.Vielen Dank.
Krista Sager hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr zuGuttenberg, viele Menschen halten Sie für einen beson-ders klugen und begabten jungen Politiker.
Ich habe in den Gesprächen, die ich geführt habe, jen-seits aller politischen Differenzen immer gesagt: Ja, dassehe ich genauso.
Nun wird man, weil man klug und begabt ist, nochnicht zur Lichtgestalt. Ich glaube, es gibt so etwas wieeine menschliche Sehnsucht nach Vorbildern, die nichtganz von der gleichen Welt sind, in der man selber he-rumläuft. Wenn eine solche Lichtgestalt dann der Täu-schung überführt wird, dann hofft man erst einmal, dassdas nicht so schlimm ist, dass das üble Nachrede ist unddass das vorübergeht wie schlechtes Wetter. Eine Partei,die nicht unbegrenzt mit politischen Talenten gesegnetist,
macht dann erst einmal die Wagenburg zu und gibtDurchhalteparolen aus. Wenn der junge Senkrechtstarteram Ende etwas gerupfter dasteht als vorher, dann gibt esin der politischen Familie genügend, die selbst daranihre Freude haben.Aber die Frage bleibt doch: Kommt dabei nicht ge-waltig etwas unter die Räder,
und müssen wir das, was da unter die Räder kommt,nicht etwas ernster nehmen?
Meine Damen und Herren, das, was passiert ist, istleider schlimm. Wer in einem sehr großen Ausmaß undgroßem Umfang wissenschaftliche Leistungen andererals seine eigenen ausgibt, der begeht in der immateriel-len Welt wissenschaftlichen und intellektuellen Arbei-tens Diebstahl und Betrug.dWKdbwecreSgndsEvtiFMGdLweszwdwdSSdImbmSN
Ich lade Sie jetzt einmal ein: Begeben wir uns ge-anklich aus der Welt der immateriellen Güter in dieelt der materiellen Güter! Wenn in einem bürgerlichenabinett ein Minister sitzen würde, der überführt wor-en wäre, sich an fremdem Eigentum vergangen zu ha-en, und der als Lügner und Betrüger enttarnt wordenäre: Glauben Sie, das würde ein bürgerliches Kabinettinfach so aussitzen? Glauben Sie, dass man in einer sol-hen Situation sagen würde „Jetzt hat er doch das un-chtmäßig erworbene Gut freiwillig, wenn auch unterchmerzen zurückgegeben; jetzt ist doch alles wiederut“? Nein, meine Damen und Herren, das würde sichericht passieren.Sie profitieren nur davon, dass die Menschen nichtas gleiche Verständnis haben, weil es hier um wissen-chaftliche Güter und wissenschaftliches Eigentum geht.rst haben Sie geleugnet, und jetzt bagatellisieren Sie,erniedlichen Sie, verharmlosen Sie. Da geht es kryp-sch um einen Kodex oder, wie Sie sagten, Herrriedrich, um Stilfragen, als wenn man nicht richtig mitesser und Gabel essen könnte.
Nein, es geht nicht um Fußnoten und nichtgesetzteänsefüßchen. Es geht um die existenziellen Grundbe-ingungen von Wissenschaft in diesem Land.
ug und Betrug kann nicht an die Stelle von ehrlicherissenschaftlicher Arbeit gesetzt werden. Sonst entstehtin Schaden. Dass Sie diesen Schaden nur als Kollateral-chaden behandeln, zeigt, was für ein Verständnis Sie in-wischen von den Gütern haben, die hier beschädigterden. Das sind wichtige Güter in diesem Lande.Wenn Sie dann noch darauf setzen, dass ein Großteiler Bevölkerung glaubt, dass das nur Nichtigkeiten sind,eil sie das vielleicht nicht richtig einschätzen kann,ann ist das Arroganz diesen Menschen gegenüber, weilie sie wie Fußvolk behandeln.
Frau Schavan, ich kann auch nicht verstehen, warumie sich als Forschungsministerin nicht schützend vorie Wissenschaft gestellt haben.
Gegenteil: Sie sind nicht nur abgetaucht, sondern ha-en sich auch noch zu der Äußerung hinreißen lassen,an könne auch ohne Promotion Minister sein. Frauchavan, das ist schlicht unter Ihrem intellektuelleniveau.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10391
Krista Sager
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Er hätte die Promotion doch einfach lassen können. Tau-sende von Menschen bringen ihre Promotion nicht zuEnde, ohne dass es ihr Selbstbild zerstört.Eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenenSelbstbild in jungen Jahren muss kein Schaden sein. Esmuss nicht einmal ein Schaden für die eigene Karrieresein, wenn man dann die Konsequenzen zieht und zu-rücktritt. Ich habe vor einigen Jahren selber erlebt, wieein kluger, begabter junger Politiker, Cem Özdemir, zu-rückgetreten ist, weil er einen Fehler gemacht hat. DieserFehler war wirklich Dummer-Jungen-Kram gegenüberdem, was Sie gemacht haben. Aber er ist zurückgetreten,und er ist wiedergekommen.
Sie verspielen jede Menge Respekt bei Menschen, diedie Dimension dessen, was Sie getan haben, begreifen.Ich kann nicht verstehen, dass Sie diesen Respekt, densie eigentlich haben könnten, so leichtfertig verspielenund hier sagen: Ich sitze das aus. – Das finde ich nicht inOrdnung.
Der Kollege Dr. Andreas Schockenhoff hat jetzt das
Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich stelle für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nocheinmal fest – an diesen Fakten können Sie nicht rütteln,auch wenn Sie noch so laut dagegen anschreien –:Erstens. Karl-Theodor zu Guttenberg hat in seinerDoktorarbeit gravierende Fehler gemacht, die dem An-spruch wissenschaftlichen Arbeitens widersprechen.
Das hat er selbst eingestanden. Wir haben keinerlei An-lass, zu bezweifeln, dass er dies weder vorsätzlich nochabsichtlich getan hat.
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Drittens. Er hat seine Universität gebeten, den Dok-rtitel zurückzunehmen; das ist die notwendige Konse-uenz aus seinen Fehlern.
Viertens. Alles Weitere prüft und entscheidet die Uni-ersität Bayreuth. Damit ist sichergestellt – weil Herrabriel und Redner der Opposition dies infrage gestelltaben –: Für Karl-Theodor zu Guttenberg gelten dieleichen Maßstäbe für wissenschaftliches Arbeiten wier andere. Er nimmt keine Sonderrechte für sich in An-pruch.Aber Herr zu Guttenberg hat sehr wohl Anspruch da-uf, dass man ihn nicht mit Personen vergleicht, derenerhalten eine ganz andere politische Dimension hat,eine Damen und Herren. Herr Gabriel hat als Vorsit-ender der SPD Herrn zu Guttenberg mit Ministerpräsi-ent Berlusconi verglichen, einem alten Mann, der Sexit minderjährigen Frauen hat und der, um dies zu vertu-chen, sein Amt als Regierungschef missbraucht undlaubt, sich dafür über das Gesetz stellen zu können.
Sex mit Minderjährigen, Amtsmissbrauch, Selbst-errlichkeit gegenüber dem Gesetz, das ist es, worauferr Gabriel mit seinem Vergleich zwischen Herrn zuuttenberg und Berlusconi anspielt. Das ist infam. Dast unanständig, und das ist unter der Gürtellinie.
Das widerspricht allen Umgangsformen, die wir hier Hause pflegen. Es verletzt den Respekt, den wir deramilie zu Guttenberg schulden, und es ist der deutschenozialdemokratie völlig unwürdig. Dafür muss sich Herrabriel entschuldigen.
Dieser maßlose Vergleich zeigt doch ganz klar, wo-m es Ihnen eigentlich geht. Es geht Ihnen doch nichtm die Fehler von Herrn zu Guttenberg bei seiner wis-enschaftlichen Arbeit.
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10392 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Dr. Andreas Schockenhoff
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Nein, Ihnen geht es darum, einen beliebten und erfolg-reichen Verteidigungsminister in den Dreck zu ziehen,und das lassen wir nicht zu.
Meine Damen und Herren, es geht doch vor allem umdie Bewertung der Arbeit von Karl-Theodor zuGuttenberg als Verteidigungsminister, und zwar mitBlick auf die wirklichen Aufgaben und Herausforderun-gen.
Ich erinnere nur daran, dass es dieser Verteidigungsmi-nister war, der als einer der Ersten von einem Krieg inAfghanistan gesprochen hat und der dafür von HerrnGabriel in diesem Hause gelobt wurde. Also hat er seineSache doch richtig gemacht.
Dass er damit bei den Soldaten wieder größeres Ver-trauen in die Politik bewirkt hat, liegt in unser aller Inte-resse. Deshalb sollten Sie aufpassen, wie fair oder wieunfair Sie mit dem Verteidigungsminister umgehen;denn das wird von den Soldaten sehr genau registriert,von denen der Verteidigungsminister gerade auch in die-sen Tagen höchste Sympathie und Unterstützung erfährt.Der Verteidigungsminister hat die radikalste Reformder Bundeswehr auf den Weg gebracht. Die Verkleine-rung der Bundeswehr haben doch Sie immer gefordert.Also hat er seine Sache doch richtig gemacht.
Wenn in Zeiten knapper Kassen einer die Chance hat, diefür den Umbau der Bundeswehr notwendigen Mittel zuerhalten, dann ist es dieser Verteidigungsminister. Auchdas wissen Sie nur zu gut.Es geht dabei auch um die notwendige Europäisie-rung der Streitkräfte mit allen Konsequenzen für Struk-turen, Standorte, auch für die deutsche Wehrindustrie.Wenn einer diese schwierige Zukunftsaufgabe erfolg-reich bewältigen kann, dann ist das Verteidigungsminis-ter zu Guttenberg. Es gibt also überhaupt keinen Grund,seine Entlassung zu fordern.
Für diese schwierigen Aufgaben hat der Bundesver-teidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg unserevollste Unterstützung.
Burkhard Lischka hat das Wort für die SPD-Fraktion.
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Sie haben vor einer Woche noch so getan, als wenn esarum ginge, dass Sie da die eine oder andere Fußnotentsprechend korrigieren müssten, als wenn es daruminge, dass Sie möglicherweise den einen oder anderentwas falsch zitiert haben.Heute, nach einer Woche – aber nicht durch Ihr Zutun –,issen wir: Sie haben abgekupfert, und zwar in richtigroßem Stil. Sie haben in weiten Teilen Ihrer Arbeit dieeen, die wissenschaftlichen Gedanken und die Ausar-eitung anderer übernommen und dann so getan, alsenn das alles auf Ihrem Mist gewachsen wäre. Amontag haben Sie in Kelkheim gesagt: Ich habe Blöd-inn geschrieben. – Herr zu Guttenberg, wenn Sie mallödsinn geschrieben hätten, vor allen Dingen wenn Sieen Blödsinn selber geschrieben hätten,
ann könnten wir uns heute diese Debatte sparen. Aberie haben eben weite Teile Ihrer Arbeit – und das stellenie auch gar nicht mehr infrage – nicht selber geschrie-en. Sie haben sich den glänzenden Doktor in Ihrem Le-enslauf an vielen Stellen zusammengeschnorrt. Siechmücken sich mit fremden Federn. Das ist es, worums in dieser Debatte tatsächlich geht.
Herr Minister, wenn das jemand in Ihrem Umfeld getanätte, den hätten Sie ihn – da bin ich mir ganz sicher –chon längst gefeuert, und zwar mit großer Geste.
nhaltbar sei das, würden Sie sagen; das beschädige dasmt in nicht hinnehmbarer Art und Weise. Aber dieaßstäbe, die Sie an andere anlegen, gelten nicht fürie. Deshalb üben Sie sich hier weiter als Selbstverteidi-ungsminister. Das ist skandalös, Herr zu Guttenberg,
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10393
Burkhard Lischka
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mit jedem Tag, an dem Sie hier an dieser Stelle sitzenbleiben.
Summa cum laude, Herr Minister! Als Selbstverteidi-gungsminister sind Sie wirklich summa cum laude. Esist schon faszinierend, wie Sie im Augenblick versu-chen, diesen Doktortitel ganz schnell loszuwerden. Siemeinen, dass dann alles wieder gut wäre. Aber, HerrMinister, man kann einen Doktortitel nicht ablegen wieeinen Mantel, der einem nicht gefällt. Da gibt es keineGeld-zurück- oder, sagen wir besser: Guter-Ruf-zurück-Garantie. Man kann nicht ungeschehen machen, woranman sieben Jahre seines Lebens gebastelt hat, nämlicheine Promotion abzuliefern, an der viele ganz unfreiwil-lig mitgearbeitet haben; denn eine solche Doktorarbeitabzuliefern ist und bleibt – umgangssprachlich – ein Be-trug, Herr Minister.
Mit jedem Tag erfahren wir scheibchenweise – wirwissen jetzt von sechs Fällen –, dass Sie auch den Wis-senschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages fürIhre Doktorarbeit eingespannt haben, übrigens wissen-schaftliche Mitarbeiter, die durch den Steuerzahler be-zahlt werden. Eins zu eins haben Sie seitenlange Aus-arbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes in IhreDoktorarbeit übernommen. Ich kann nur hoffen, dass dieBundestagsverwaltung alles schnellstmöglich offenlegt,um jedwede Spekulation zu beenden. Der Steuerzahler,Herr Minister, will wissen, wie viel er zu Ihrer Doktorar-beit eigentlich beigetragen hat.
Das Ergebnis, meine Damen und Herren, sagt nichtnur etwas darüber aus, wie genau es Herr zu Guttenbergmit den Regeln des wissenschaftlichen Handwerksnimmt. Es wird auch sehr viel darüber aussagen, wie derAbgeordnete zu Guttenberg sein Mandat im DeutschenBundestag begreift. Aber das hier ist kein Selbstbedie-nungsladen für private Dissertationen, Herr Minister.
Nun sagt die Bundeskanzlerin, sie brauche keinenDoktor als Verteidigungsminister. In der Tat: Ob nun einVerteidigungsminister promoviert hat oder nicht, tutnichts zu Sache. Aber ob er glaubwürdig ist oder ob ersich seine Karrierestationen, wie die Frankfurter Allge-meine Zeitung schreibt, „zusammengefingert“ hat, tutsehr wohl etwas zur Sache.
Glaubwürdigkeit, Herr Minister, das war einmal IhrMarkenkern; darauf haben Sie Wert gelegt. Aber dieGDWR„GDDdSkSlidHhmbgkinAaFlauSd
Für die Unionsfraktion spricht jetzt Alexander
obrindt.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!ie heutige Aktuelle Stunde ist in der Tat eine Stundeer Selbstentlarvung der Opposition.
ie haben eine Aktuelle Stunde beantragt. In Wirklich-eit wollen Sie hier ein Tribunal durchführen.
ie geben vor, einen Sachverhalt aufzuklären. In Wirk-chkeit wollen Sie Rufmord an einem Mitglied der Bun-esregierung begehen. Das ist die Wahrheit in diesemaus.
Herr Trittin, Herr Oppermann, das, was Sie beideeute hier aufgeführt haben, ist wahrlich keine parla-entarische Oppositionsarbeit. Es ist wirklich nur schä-ig und diesem Hause absolut unwürdig, was Sie hiereleistet haben.
Herr Bartels, Sie haben ja recht, wenn Sie sagen, manönnte auch Wichtigeres diskutieren. Aber Sie haben es der Hand; Sie hatten es in der Hand. Sie haben diesektuelle Stunde beantragt zu diesem Thema, zu nichtsnderem. Sie haben die drängenden und gewichtigenragen, über die wir uns auch in der Politik in Deutsch-nd und in Europa unterhalten könnten, beiseitegeräumtnd muten jetzt der Öffentlichkeit Ihre kleinkrämerischeelbstbeschäftigungstherapie zu. Das ist die Realität iniesem Haus.
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10394 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
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DIE GRÜNEN]: Übrigens: Das ist ziemlichschwach!)Meine Damen und Herren, wenn es noch eines Be-weises bedurft hätte, dass Sie zu verantwortungsvollerOppositionsarbeit nicht fähig sind, dann haben Sie ihnheute geliefert. Ich kann Ihnen versichern: Das, was Siehier heute aufgeführt haben, wird nicht einmal als Rand-notiz in der Geschichte dieses Hauses erscheinen.
Es ist übrigens nicht der erste Versuch von SPD undGrünen, dass sie einen ihnen unliebsamen Unionspoliti-ker hier beschädigen.
Sie haben schon ab und zu einmal versucht, an dem Lackzu kratzen. Der Grund dafür ist einfach: Ihnen schmecktes nicht, dass Karl-Theodor zu Guttenberg ein hohes An-sehen und Vertrauen bei den Menschen genießt.
Ihnen schmeckt es nicht, dass er als Verteidigungsminis-ter eine herausragende Arbeit macht. Ihnen schmeckt esnicht, dass er durch seine Präsenz vor Ort, bei derTruppe im Einsatz, Solidarität zeigt und Solidarität zu-rückbekommt. Vor allem schmeckt es Ihnen nicht, dassüber 70 Prozent der Menschen in Deutschland auch indieser Debatte hinter ihm stehen. Das schmeckt Ihneneinfach nicht.
Die Menschen fragen sich zu Recht
– freuen Sie sich nicht zu früh! –, ob die Opposition inDeutschland sich nicht mit ihren Sorgen, Anliegen undNöten beschäftigt, sondern mit anderen Dingen. GlaubenSie mir: Die Menschen durchschauen Ihre taktischenSpielchen.
Die Menschen durchschauen auch, dass es Ihnen nichtum die Sache geht, sondern nur darum, einem Politikerans Zeug zu flicken. Das ist das, was eigentlich im Vor-dergrund steht. Das sollten Sie sich, Herr Oppermann– weil Sie ja immer fleißig dazwischenrufen –, schoneinmal überlegen, und Sie sollten zur Kenntnis nehmen,dass 71 Prozent der SPD-Anhänger mit der Arbeit vonKarl-Theodor zu Guttenberg zufrieden sind.F6KufrteninsZsgtedunsustiGsudzsDdSzHbBKz
rau Sager, Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass1 Prozent der Grünen-Anhänger mit der Arbeit vonarl-Theodor zu Guttenberg zufrieden sind. Frau Sagernd Herr Oppermann, da sollten Sie sich lieber einmalagen, ob Sie bei Ihrer unwürdigen Hatz gegen den Ver-idigungsminister überhaupt das Vertrauen Ihrer eige-en Anhängerschaft haben. Das Vertrauen der Menschen diesem Land haben Sie auf jeden Fall nicht.
Wissen Sie, die Menschen in diesem Land durch-chauen das, und sie wissen, dass Sie nur ein einzigesiel haben: ein Mitglied dieser Bundesregierung zu be-chädigen. Die Menschen durchschauen, dass Sie billi-end in Kauf nehmen, einen Kollateralschaden anzurich-n, der der Bundeswehr schadet. Sie sind diejenigen, dieer Bundeswehr in dieser Sache in einem schwierigennd höchst gefährlichen Einsatz schaden. Sie sind dieje-igen, die dem großen Reformprozess der Bundeswehrchaden. Deswegen nenne ich Ihr Verhalten hier perfidend verantwortungslos. Meine Damen und Herren, Sieind es, die großen Schaden diesem Parlament, der Poli-k und auch der Bundeswehr in diesem Land zufügen.
Herr Trittin, erkennen Sie an, dass Karl-Theodor zuuttenberg Fehler eingeräumt und sich aufrichtig ent-chuldigt hat. Erkennen Sie an, dass er selbst gehandeltnd den Doktortitel abgelegt hat. Erkennen Sie endlich,ass Sie sich verrannt haben, und geben Sie doch einfachu, dass es Ihnen nicht um die Sache, sondern um einechäbige Kampagne gegen den Bundesminister geht.ann wären wir viel näher bei der Wahrheit als bei all-em, was wir von Ihnen hier gehört haben.
Das Wort hat der Kollege Dr. Karl Lauterbach für die
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Herr Dobrindt, der Unterschiedwischen Ihnen und Herrn zu Guttenberg ist, dass manerrn zu Guttenberg ernst genommen hat. Das hat manei Ihnen nie gemacht. Das haben Sie heute wieder untereweis gestellt. Wir sind hier nicht im Bierzelt, Herrollege, sondern das ist eine ernsthafte Auseinanderset-ung. Hier geht es um die Glaubwürdigkeit der Politik.
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LINKEN – Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof][CDU/CSU]: Sie vertragen doch gar keinBier!)Ich hätte Herrn zu Guttenberg die Geste der Demutund des Bedauerns abgekauft, wenn er heute konsequentseinen Rücktritt erklärt hätte. Aber er tut das Gegenteil:Er tut so, als wenn er für die Bundeswehr unverzichtbarwäre. Dabei hat er mittlerweile endgültig jede Glaub-würdigkeit bei der Truppe verloren.
Auch für Herrn zu Guttenberg gilt: Wer einmal lügt, demglaubt man nicht, auch wenn er dann die Wahrheitspricht.Ich zitiere aus dem Brief an die Universität Bayreuth:Er habe zu keinem Zeitpunkt vorsätzlich oder absichtlichgetäuscht. – Was ist denn das, wenn nicht eine weitereLüge, die jetzt noch im Raume steht?
Das Problem ist doch nicht, dass der Verteidigungs-minister betrogen und gelogen hat. Das ist nicht das Pro-blem. Das Problem ist, dass er es weiter tut und trotzdemglaubt, im Amt bleiben zu können. Das ist die Wahrheit.
Er lügt fortwährend und macht hier eine Geste der De-mut.Er gibt eine Doktorarbeit ab, die ohnedies nicht zuhalten wäre. Er gibt etwas ab, was ohnedies weg wäre,und kombiniert das mit der Lüge, er habe nie getäuschtund betrogen. Dabei hat er aus Reiseführern, bei Studen-ten, bei Politikern, bei Professoren und aus Zeitungenabgeschrieben: in der Einleitung, in jedem Teil seinerDoktorarbeit. 20 Prozent dieser Doktorarbeit sind nichtecht. Und da will uns der Minister hier erzählen, es habesich um handwerkliche Fehler gehandelt. Wer glaubtdenn das hier im Saal? Wir lassen uns hier doch nichtzum Narren halten!
Jeder Richter, jeder Bürgermeister, jeder Lehrer undjeder Siemens-Manager hätte nach einem solchen un-glaublichen Betrug sofort seine Kündigung gesehen.Aber für den Minister sollen Sonderregelungen greifen.Er will überleben, aber jedem anderen hätte das die Exis-tenz gekostet.
Sechs Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes desBundestages hat er genutzt. Er sagte, er habe diese ein-gearbeitet. Das ist aber doch gar nicht die Wahrheit. DieWahrheit ist doch: Er hat diese Gutachten einfach über-nNsggmdzWjendwtedPSdPpümLmVleptibIchtrdDm
as soll ich denn meinen Studenten noch erklären, wenndes Plagiat automatisch eine Nutzung ist? Dann kön-en wir die wissenschaftliche Arbeit einstellen. Ich kannoch niemals mehr einem Studenten irgendetwas vor-erfen, wenn wir das hier durchgehen lassen. Wir dürf-n als Professoren gar nicht mehr prüfen. Ich würde je-em Professor dann raten, keine Doktorarbeit mehr auflagiate zu prüfen. Wie kann ich denn einem kleinentudenten die Existenz nehmen, wenn der Minister hieramit durchkommt?
Der einzige Ort, wo man trotz Abschreibens, trotzlagiats, trotz wissenschaftlicher Fehler seinen Arbeits-latz nicht verliert, ist das Kabinett von Frau Merkel;berall sonst fliegt man raus, meine sehr verehrten Da-en und Herren.
Daher bitte ich Sie, Frau Schavan, Frau von dereyen, aber auch die Bundeskanzlerin, die heute de-onstrativ nicht da ist, weil sie sich das nicht antun will:
erschonen Sie uns mit dem Geschwätz von der Exzel-nzinitiative, mit dem Geschwätz von der Bildungsre-ublik, mit dem Geschwätz von Forschung und Innova-on! Das ist doch alles nicht wahr.Heute war Frau Schavan bei uns im Ausschuss. Ichin gar nicht hingegangen.
h will doch von Ihnen nichts mehr zur Wissenschaftören, wenn hier alles erlaubt ist, wenn der Minister be-ügen und lügen darf, wie er möchte, und ohne Strafeavonkommt.
Das wird langfristig den Wissenschaftsstandorteutschland massiv beschädigen. Wir können niemalsehr den Chinesen mit solchen Argumenten kommen.
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10396 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011
Dr. Karl Lauterbach
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Alles kann dann hier gefälscht werden. Wenn diese Formdes Plagiats durchgeht, dann darf jedes chinesische Un-ternehmen alles übernehmen, was wir herstellen; danngibt es kein Plagiat mehr; dann ist alles frei.
Daher geht es nicht um eine Kleinigkeit, wie Sie dasdarstellen, sondern es geht um die Grundlage unsererDemokratie. Darf ein Lügner und Betrüger im Parlamentverbleiben?
Darf er Minister bleiben? Es geht auch um die Grund-lage unserer Wissenschaftsrepublik. Wir haben keineRohstoffe. Wir sind auf den Wert der Bildung angewie-sen.
Wir können nicht einen Bildungs- und Forschungsbetrü-ger im Kabinett belassen.Vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und Her-ren.
Philipp Mißfelder hat das Wort für die CDU/CSU-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Das Plenum ist voll besetzt wie sonst nur beinamentlichen Abstimmungen. Dadurch könnte bei Zu-schauerinnen und Zuschauern, die vielleicht seltener– leider – Bundestagsdebatten verfolgen, der Eindruckentstehen, als sei Minister zu Guttenberg das Haupt-thema, mit dem wir uns in dieser Woche hier im Deut-schen Bundestag beschäftigen.
Um diesem Eindruck entgegenzuwirken, richte ich michan meine Fraktion, aber natürlich auch an die Opposi-tion: Ich bin gespannt, wie viele von Ihnen, liebe Kolle-gen, am morgigen Tag bei der Aktuellen Stunde zu denVorgängen in Libyen mit dem gleichen Engagement derDebatte folgen werden, wie dies jetzt der Fall ist.
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Trotzdem finde ich es komisch, wie Sie hier in nahezullen Wortbeiträgen eine Zuständigkeit für sich rekla-ieren, die wir im Deutschen Bundestag nicht haben;enn die Entscheidung darüber, wie es mit dieser Dok-rarbeit weitergehen wird, obliegt nicht uns, sonderner Uni Bayreuth. Sie – und nicht wir hier im Deutschenundestag – wird eine Klärung herbeiführen.
Sie ignorieren dabei, dass zur selben Stunde, wo wirier über ein wichtiges Thema diskutieren, nämlich überine herausragende Persönlichkeit unseres Landes – est aber nicht das wichtigste Thema, mit dem sich dereutsche Bundestag in dieser Woche beschäftigen sollte –,och anderes geschieht. Sie ignorieren, dass sich in Li-yen gravierende politische Veränderungen vollziehen.
ie ignorieren, dass Zehntausende von Flüchtlingen aufem Weg nach Europa sind.
ie ignorieren, dass wir beim Thema Hartz IV trotz desompromisses, den wir diese Woche auf den Weg ge-racht haben und dann auch beschließen wollen,
en uns selbst gesetzten Zielen bei weitem noch nichterecht werden: So gibt es in diesem Lande Tausendeon Kindern, die kein Mittagessen bekommen. Das sind Übrigen die Probleme, die die Menschen in Wahrheiteschäftigen,
r die sich die Menschen in Wahrheit interessieren.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. Februar 2011 10397
Philipp Mißfelder
(C)
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Deshalb warne ich Sie alle und uns selbst auch: Wirdürfen nicht so tun, als gehe es in dieser Debatte um denKern der Aufgaben des Deutschen Bundestages.
Darum geht es nicht. Vielmehr handelt es sich bei dem,was hier aufgeführt wird, um ein großes politisches The-ater, bei dem Sie sich erneut an Minister zu Guttenbergabarbeiten.Ich glaube auch, dass Sie als Opposition sehr un-glücklich sind. Ihre Vorgänger, Herr Oppermann, wiezum Beispiel Herr Schröder, haben ja sehr viele Erfah-rungen im Umgang mit Umfragen gemacht. Ich weißauch, dass sich viele von Ihnen sehr darum grämen, dassIhre Umfragewerte häufig relativ niedrig sind
und dass gerade auch die Beliebtheitswerte Ihrer führen-Ich warne Sie deshalb davor, hier eine Kluft zwischender politischen Elite dieses Landes
und den Bürgern in diesem Land, die von uns fordern,dass wir uns ernsthaft mit den Fragen beschäftigen, her-beizureden. Dafür sind wir gewählt worden und nichtdazu, hier weiterhin eine Hexenjagd zu veranstalten,meine Damen und Herren.
Karl Theodor zu Guttenberg hat die Unterstützungvieler Menschen in unserem Land. Er hat die Unterstüt-zung unserer Bundestagsfraktion, der CDU und der CSUund der Mitglieder unserer Parteien, die das Ganze nichtkritiklos begleiten, sondern zu Recht darauf gewartet ha-ben, dass er sich erklärt – das hat er getan – und dass ersich entschuldigt – das hat er getan. Ich bin der Mei-nung, dass wir uns wieder den wichtigen Themen diesesLandes zuwenden sollten.den Persönlichkeiten
– deswegen ist Herr Gabriel heute sicherlich auch garnicht erst zur Debatte erschienen – bei weitem hinter denWerten von Minister zu Guttenberg liegen. Daran siehtman den Rückhalt, den Minister zu Guttenberg in Um-fragen hat.
Und wenn Sie in Ihren Wahlkreisen fragen, wie die Bür-ger diese Vorgänge bewerten, zeigt sich, dass die Dingeanders liegen, als der Verlauf dieser Debatte es momen-tan widerspiegelt.
sd9(DHerzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir sind am Ende unserer heutigen Tagesordnung.
Genießen Sie den Abend und die gewonnenen Ein-
ichten.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Donnerstag, den 24. Februar 2011,
Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.