Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt eine inter-fraktionelle Vereinbarung, die heutige Tagesordnung umeine vereinbarte Debatte zur Entwicklung in Ägypten zuerweitern, die gleich im Anschluss als Erstes aufgerufenwerden soll. Außerdem ist vorgesehen, nach der Frage-stunde, die auf die Befragung der Bundesregierung folgt,eine von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP ver-langte Aktuelle Stunde durchzuführen, die sich mit denAusschreitungen im Zusammenhang mit der Räumungeines besetzten Hauses hier in Berlin befasst. Sind Siedamit einverstanden? – Das ist offensichtlich der Fall.Dann ist das so beschlossen.Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:Vereinbarte Debattezur Entwicklung in ÄgyptenIch erteile dem Bundesminister des Auswärtigen,Dr. Guido Westerwelle, das Wort.
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-wärtigen:WrefühuslefoteddÄswbregedDpURedetHerr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Was wir derzeit in Ägypten, aber nicht nur dort erle-ben, ist eine Zeitenwende, eine historische Zäsur. Wirwissen nicht, wie diese Entwicklung in Ägypten, in denanderen Ländern der arabischen Welt und in den Magh-reb-Staaten weitergeht. Aber eines kann man schon jetztsagen: Nichts wird danach noch so sein, wie es vorhergewesen ist. Das gilt zum einen für die gesellschaftlicheSituation in den betroffenen Ländern, zum anderen fürEuropa und seine strategischen Nachbarschaftsbeziehun-gen.Ich will es hier vorab ganz klar sagen: Die Entwick-lungen in Ägypten bergen aus Sicht der Bundesregie-rung eine große Chance auf mehr Demokratihen als Demokraten an der Seite von Demokra
kannt haben, damöglich ist undhen, ist das ErgMeinung derer,
Metadaten/Kopzeile:
9964 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Bundesminister Dr. Guido Westerwelle
)
)
nem kapitalistischen Phänomen immer wieder gewarnthaben, erleben wir jetzt, dass eine Globalisierung derAufklärung, eine Globalisierung von Werten und eineGlobalisierung von Freiheitswerten stattfinden. Das istin Wahrheit die Globalisierung: Eine Vernetzung der Ge-sellschaften, eine Weltgesellschaft mit der Konsequenz,dass wir immer mehr mit Weltinnenpolitik zu tun habenwerden. Deswegen ist die Globalisierung nichts, wasman bekämpfen müsste. Globalisierung ist vielmehr eineGlobalisierung von Werten und Haltungen. Es ist die po-sitive Seite der Globalisierung, die wir auf den Straßenderzeit augenscheinlich beobachten können.
Ebenso geht es nicht um ein Entweder-oder. Es gehtnicht entweder um Stabilität oder um Demokratie – auchdas ist ein Gegensatz von gestern –, sondern es geht umstabile Demokratie. Aber wie kommen wir dorthin? Wirkommen nicht dorthin, indem wir mit starken Sprüchenden Eindruck erwecken, dass die Angelegenheiten derDemonstranten, die wir derzeit in Ägypten beobachten,eine Angelegenheit des Westens, eine Angelegenheitausländischer Regierungen sei. Genau damit wird der-zeit Politik gemacht. Deswegen muss völlig klar sein:Wir unterstützen eine freiheitliche, aufklärerische Bewe-gung in Ägypten. Aber es ist selbstverständlich so, dassdie Meinungsführer des ägyptischen Volkes vom ägypti-schen Volk selbst ausgewählt werden müssen. Wer, nurum innenpolitisch Punkte zu machen, starke Sprüchevon der Bundesregierung fordert, will in Wahrheit ei-gene parteipolitische Interessen in Deutschland bedie-nen; aber er dient nicht den Interessen der Demokratie inÄgypten.
Wir müssen nach innen klar und nach außen so klughandeln, dass wir nicht denen in die Hände spielen, diein Wahrheit keine Demokratie wollen, sondern entwederdie Verlängerung dessen, was war, oder ein anderes au-tokratisches System oder aber auch religiösen Funda-mentalismus und Extremismus. Das muss genau beach-tet werden. Das ägyptische Volk ist ein großes Volk, esist ein selbstbewusstes Volk, es ist ein stolzes Volk, undes hat selbstverständlich das Recht, selbst zu entschei-den, wer es führt und wer es in der Opposition begleitet.Es ist nicht unsere Entscheidung, es ist die Entscheidungder Ägypter selbst.Wir wollen helfen, aber nicht bevormunden. Wir wol-len im Rahmen der Transformationspartnerschaft helfen.Dieses Konzept hat Deutschland in die EuropäischeUnion eingebracht. Dazu zählen zum Beispiel der Auf-bau demokratischer Parteien und das Fördern der Men-schenrechte. Den Rechtsstaatsdialog wollen wir intensi-vieren, die Justiz wollen wir modernisieren, wenn dieÄgypter das gemeinsam mit uns wollen. Wir könnenbeim Entwurf einer demokratischen Verfassung beraten,ebenso beim Aufbau eines fairen und transparentenWahlsystems und bei der Unterstützung der Arbeit vonfreien und unabhängigen Medien. Darum geht es. Wirwollen einen Beitrag leisten, wir wollen unterstützen.Wir wollen den Prozess in die richtige Richtung bewe-gen.dalezteGWusvmmshssümwmdpssJkhCbgeginEwtebwwAligdEaabKLte
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9965
)
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowieder Abg. Petra Ernstberger [SPD])
Dr. Rolf Mützenich ist der nächste Redner für die
SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Viele von uns – dabei schließe ich mich aus-drücklich ein – haben die Entwicklung in Tunis, Kairound Sanaa – womöglich kommen in Zukunft noch vieleweitere Orte hinzu – nicht vorhergesehen. Ich will aberbetonen: Damit standen wir nicht allein. Wenn wir in dasPressearchiv des Deutschen Bundestages schauen, stel-len wir fest, dass im Jahr 2010 17 Artikel über Tunisveröffentlicht wurden. Vier oder fünf Artikel, die ich mirangeschaut habe, beschäftigen sich mit gesellschaftli-chen Bewegungen, zum Beispiel mit Hungerkonfliktenbzw. Armutsaufständen, die es dort gegeben hat. In denletzten fünf Jahren hat die Bundestagsbibliothek, die unsnach meinem Dafürhalten einen guten wissenschaftli-chen Überblick gibt – Stichwort: Politikberatung –, sie-ben Bücher zu dem Thema angeschafft. Auch in diesenBereichen gab es also eine Menge Fehleinschätzungen.Auch wenn wir es nicht vorausgesehen haben, müs-sen wir uns deutlich vor Augen führen, dass wir es heutemit Volksaufständen zu tun haben. Breite Teile der Ge-sellschaft gehen auf die Straße und verändern die Struk-turen wirkungsmächtig – das gilt, egal wie die Ergeb-nisse aussehen werden –; denn diese Strukturen werdenauch in 10 oder 20 Jahren noch existieren.Aus meiner Sicht ist eines heute vollkommen klar:Das Bild, das wir im Westen, auch in Deutschland, vonislamischen Gesellschaften immer gezeichnet haben, istfalsch. Diese Menschen sind in der Lage, die Politik mit-zubestimmen. Sie demonstrieren auf der Straße und inForen und verändern so die Politik. Sie sind in diesenFragen eben nicht rückständig. Viele Wissenschaftler ha-ben immer wieder geschrieben und gesagt, dass die Ent-wicklung in islamischen Gesellschaften auf vielfältigeArt und Weise behindert wurde. Jetzt zeigen diese Ge-sellschaften, was es ausmacht, wenn das Volk auf dieStraße geht und für Veränderungen eintritt.Die Bundesregierung und wir alle stehen jetzt vor ei-ner großen Bewährungsprobe. Es kommt darauf an, wieman in der konkreten Situation handelt. Herr Bundes-außenminister, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen,dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Auswärti-gen Amtes Vorbildhaftes geleistet haben, und zwar unterZurückstellung ihrer persönlichen Interessen. Das gilt auchfür die Mitarbeiter der politischen Stiftungen, die Sie ebengenannt haben, und für die Mitarbeiter der Entwicklungs-hilfeinstitutionen. Wenn man das benennt, dann wirdumso deutlicher, was die Bundesregierung eben nicht ge-macht hat.
IhwShBdmsgsdfobdDSzwzgfreBszcdlivSfeNriFnGinGsgwawa
Die Bundeskanzlerin hat es nicht geschafft, die Ein-elinteressenvertreter in der Europäischen Union nochährend des Konfliktes auch nur ein bisschen zu dis-iplinieren. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben es nichteschafft, zu verhindern, dass Sarkozy immer wiederanzösische Sonderinteressen reklamiert hat. Sie habens nicht geschafft, zu verhindern, dass Regierungscheferlusconi den bekannten Brief entwertet hat, indem eragte, man habe es bei Mubarak mit einem weisen Mannu tun. Dazu hätten Sie öffentlich eine Bemerkung ma-hen müssen. Dass Sie das nicht getan haben, das istoch der entscheidende Unterschied.Sie können nicht nur über Diplomatie und Vertrau-chkeit etwas erreichen; die Außenpolitik steht heuteor anderen Herausforderungen. Anscheinend wollenie das nicht anerkennen. Sie müssen sich dem aber öf-ntlich stellen.
ur Öffentlichkeit hätte den Demonstranten die Solida-tät zollen können, die diese gebraucht haben.Was brauchen wir jetzt? Sie kommen jetzt mit derorderung nach der Freilassung der politischen Gefange-en. Nach meinen Informationen sind die politischenefangenen in Tunesien, die im Rahmen der Aufständehaftiert worden sind, wieder freigelassen worden.leiches verlangen wir von der ägyptischen Regierung.
Wir brauchen aber auch einen Dialog mit den Demon-tranten, Herr Bundesaußenminister. Ich glaube, es wäreut, wenn Sie auch den Vertretern Deutschlands sagenürden: Wir müssen den Dialog mit den Demonstrantenuf dem Tahrir-Platz und an anderen Stellen so schnellie möglich aufnehmen. Außerdem müssen die Hilfenn gesellschaftlichen Fortschritten gemessen werden.
Metadaten/Kopzeile:
9966 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Dr. Rolf Mützenich
)
)
Ich glaube, das ist der entscheidende Aspekt der europäi-schen Politik in den nächsten Wochen. Andere Institutio-nen wie die Union für das Mittelmeer müssen genausoeingesetzt werden.Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Bundes-kanzlerin, es geht insbesondere um Glaubwürdigkeit inder Politik. Wenn Sie sagen, dass Sie für freie und faireWahlen im Nahen und Mittleren Osten einstehen, dannglaube ich Ihnen das zunächst einmal. Das messe ich aufder anderen Seite an den Erfahrungen, die wir mit Ihnengemacht haben, wenn es relativ freie und faire Wahlengegeben hat. Hierbei haben Sie eine große politischeLast auf die Schultern der deutschen Außenpolitik ge-legt. Als es nämlich in Palästina relativ freie und faireWahlen gegeben hat und uns das Ergebnis nicht gepassthat, gehörten Sie als eine der Ersten zu denjenigen, die,auch nach Konsultationen, in der Europäischen Unioneine Politik der Nichtakzeptanz betrieben haben.Glauben Sie denn, dass die Menschen in der Regionvergessen haben, dass Sie, Frau Merkel, damals Präsi-dent Bush ermutigt haben, die Intervention im Irak zuvollziehen? Sie haben diese Entwicklung im Nahen undMittleren Osten doch mit vorangetrieben.
Sie sagen immer wieder, dass Sie aufgrund eigenerErfahrung an der Spitze der Volksaufstände stehen. Da-ran misst man die Glaubwürdigkeit der Politik. FrauBundeskanzlerin, wann immer dies möglich war, habenSie den damaligen Außenminister Steinmeier behindert,das Tor zur syrischen Regierung aufzustoßen.
Sie haben damals Herrn Klaeden als Sprecher vorge-schickt und gesagt: Genau das ist die falsche Richtung.Deswegen müssen Sie sich gefallen lassen, dass Ihnen indiesem Zusammenhang Vorwürfe gemacht werden. Ichglaube, Sie müssen sich an Ihren eigenen Vorgaben mes-sen lassen.
Ihre Aufregung an dieser Stelle ergibt sich daraus, dassSie in den letzten Jahren in der Außenpolitik unglaub-würdig gewesen sind, wenn es um den Nahen und Mitt-leren Osten ging.
Den einen oder anderen haben Sie nicht angespro-chen; ich muss das einmal sagen. Herr Guttenberg hatzwar auf der Münchener Sicherheitskonferenz die Kurvebekommen; aber noch in Davos hat er von der Infektiondes Nahen und Mittleren Ostens gesprochen, als es umTunesien und Ägypten ging. Das ist das Bild, das Sie inIhren Köpfen haben. Deshalb haben Sie am Anfang die-ser Volksaufstände gewartet: Sie konnten überhauptnNcdgsZpRkßgdMbaddLWssdddAmGmeabsdVshreGn
Ich glaube, dass die Menschen im Nahen Osten jetztespekt, Aufmerksamkeit, Vertrauen und Glaubwürdig-eit brauchen. Deutschland könnte durch eine kluge Au-enpolitik eine Menge dazu beitragen und dabei auchewinnen. Wir fordern Sie dazu auf.Vielen Dank.
Das Wort erhält nun der Kollege Volker Kauder für
ie CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!eine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle sindeeindruckt und bewegt von den täglich neuen Bildernus Ägypten und von den Ereignissen dort. Wir bewun-ern den Mut, vor allem der vielen jungen Menschen,ie für ihre Bürgerrechte, für mehr Demokratie in ihremand eintreten. Niemand von uns hätte noch vor einigenochen vorhersagen können, dass dies in Ägypten ge-chehen wird. Dem, der jetzt behauptet, er habe das alleschon früher gewusst,
em glaube ich auch nicht, wenn er jetzt Aussagen überie Zukunft macht. Wir haben es nicht wissen können.Ich war am Anfang dieses Jahres in Ägypten, nach-em ein furchtbarer Anschlag auf koptische Christen inlexandria verübt worden war, und habe dort Gesprächeit vielen jungen Leuten geführt. Es waren vor allemespräche mit jungen Christen und mit jungen Musli-en. Die jungen Kopten haben uns gesagt: Es war zumrsten Mal der Fall, dass wir nach solchen Anschlägenuf die Straße gegangen sind und uns nicht versteckt ha-en. Sie haben auch gesagt: Wir haben nicht nur für un-ere Rechte und für unseren Schutz demonstriert, son-ern wir haben auch demonstriert, weil wir mit denerhältnissen in unserem Land nicht mehr zufriedenind. Das haben uns auch junge Muslime berichtet. Sieaben gesagt: Wir studieren an den Universitäten unse-s Landes und danach dürfen wir nicht einmal an einememüsekarren arbeiten, um unser Leben fristen zu kön-en. Das wird nicht lange gut gehen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9967
Volker Kauder
)
)
Es geht also neben dem Wunsch, mehr Freiheit zu ha-ben, auch um die Wünsche von jungen Menschen, Le-bensperspektiven zu haben. Es wundert einen dochnicht, dass in einem Land, in dem 70 Prozent der Ein-wohner unter 30 Jahre alt sind und eine Arbeitslosigkeitvon nahezu 50 Prozent herrscht, Perspektiven für jungeMenschen gefragt sind. Deswegen müssen wir beides imBlick haben: Was können wir tun, um Lebensperspekti-ven für die Menschen in Nordafrika – jetzt geht es umÄgypten – zu ermöglichen und um die Demokratie dortvoranzubringen?Ich kann Ihnen nur sagen: Die Rede, die Sie geradegehalten haben, Herr Kollege, hat überhaupt keinen Bei-trag zur Bewältigung dieser Aufgabe geleistet.
Ich sehe keine Veranlassung für die Vorwürfe, die Sie er-hoben haben. Die Bundesregierung hat sich – das gilt so-wohl für den Außenminister als auch für die Bundes-kanzlerin – klug verhalten und klug geäußert.Ich kann Ihnen nur raten: Lesen Sie den bemerkens-werten Beitrag des algerischen Schriftstellers BoualemSansal in der Welt von heute. Er beschreibt dort ganz ge-nau, dass es jetzt darauf ankommt, einen Prozess inGang zu bringen, der auch den Gruppen, die bisher keineChance hatten, sich zu organisieren, die Möglichkeitdazu gibt. Dazu können unsere Stiftungen einen Beitragleisten, indem sie diesen Gruppen zunächst einmal eineStimme geben und somit Gewicht verleihen. Bis jetztsind nämlich nur die Muslimbruderschaften organisiert.Ich will Ihnen sagen: Ich bin von dem, was die jungenLeute tun, wirklich beeindruckt. Mit einigen, die ich An-fang des Jahres in Ägypten getroffen habe, habe ich indiesen Tagen gesprochen. Eine Sorge muss man aller-dings ansprechen: Die Christen in Ägypten befürchten,bei diesem Prozess unter die Räder zu kommen. Deswe-gen: Wer jetzt einen schnellen Wandel fordert, der wirdStrukturen befördern, die nicht denen entsprechen, diewir uns unter einer pluralistischen Gesellschaft vorstel-len.
Es war richtig, dass sich die Bundesregierung auf dieSeite der jungen Demonstranten gestellt, aber auch füreinen geordneten Prozess geworben hat. Herr Außen-minister und Frau Bundeskanzlerin, hier haben Sie un-sere volle Unterstützung.Es geht auch darum, dass man die Bevölkerung inÄgypten darin bestärkt, diese Revolution bzw. diese Ver-änderungsbereitschaft als ihre ureigene Angelegenheitanzusehen und nicht als Sache einer bestimmten Reli-gion oder einer bestimmten Kultur. Es wäre richtig,wenn die Ägypter sagen würden: Wir sind jetzt nicht inerster Linie Muslime, nicht Christen, nicht Araber, son-dern Ägypterinnen und Ägypter, und wir wollen in unse-rem Land zu demokratischen Strukturen, zu Strukturenmit Perspektive kommen. – Das ist der entscheidendePunkt. Dafür wollen wir werben.priwwÄHmmsgsnRdZdimWamdisSEIrmsVmmzNkgbdwdpvinmgD
Metadaten/Kopzeile:
9968 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mubarakmuss weg! – Das fordert das ägyptische Volk. Das for-dern auch wir. Ich frage mich allerdings, warum ich daseigentlich nicht von Ihnen hier im Deutschen Bundestaghöre.
Seit zwei Wochen wird in Ägypten demonstriert. Mil-lionen von Menschen gehen auf die Straße. Obwohl be-reits 300 von ihnen getötet worden sind, gehen sie Tagfür Tag mit einem unglaublichen Mut auf die Straße. Ichfinde es bewundernswert. Ich muss an dieser Stelle sa-gen: All unsere Hoffnung und all unsere Wünsche sindbei den Menschen, die heute wieder auf dem Tahrir-Platzin Kairo und anderswo demonstrieren.
Ihna wa’ifin hadkum wa natlub maakum ad-dimuqra-tiyya wa l-hurriyya. – Wir stehen an eurer Seite und for-dern mit euch Demokratie und Freiheit.
Es gibt aber etwas, was uns in den letzten Tagen im-mer mehr aus Ägypten erreicht: Das ist die Angst derMenschen – trotz des Mutes, der sie jeden Tag wiederauf die Straße treibt –, von uns verraten zu werden. DieMenschen in Ägypten wissen, dass die Bundesregierungund der Westen Mubarak und sein Regime 30 Jahre un-terstützt haben.
Sie wissen auch, dass sie Mubarak und sein Regime nie-mals loswerden, wenn der Westen Mubarak oderSuleiman – das ist aus ägyptischer Sicht ein und dieselbeSoße – weiter unterstützt.Es gibt etwas, was mir persönlich wirklich Angstmacht. Meine arabischen Freunde sagen mir, dass in die-sen Tagen in der arabischen Jugend ein Satz, der überFacebook und Twitter millionenfach im Internet verbrei-tet wird, die Runde macht. Der Satz lautet: Wir hasseneuch nicht für eure Freiheit, sondern dafür, dass ihr unsdie Freiheit verwehrt.Darüber muss man einmal nachdenken. Der erste Teildes Satzes ist doch ganz interessant: Wir hassen euchnicht für eure Freiheit. – Das sind eben keine Westen-Hasser. Das sind keine religiösen Fundamentalisten, dieauf die Straße gehen. Das ist die junge Generation, diefür ihre Freiheitsrechte einsteht und die Pressefreiheit,soziale Gerechtigkeit und Arbeitsplätze fordert. Das al-les sind Werte, die sie auch bei uns in Deutschland undim Westen bewundern. Sie schauen nicht mit Hass aufden Westen.Aber der zweite Teil des Satzes müsste uns wirklichzu denken geben: Wir hassen euch dafür, dass ihr uns dieFreiheit verwehrt. – Die jungen Menschen sehen näm-lintiwwedsLlafaWkwaäwwSSdanDMsdvszDdnMg
Natürlich – da stimme ich mit Ihnen, Herresterwelle, überein – hat kein Mensch in Deutschland,ein Mensch im Westen darüber mitzubestimmen,
ann Wahlen in Ägypten stattfinden, ob es Mussa oderl-Baradei wird. Wir haben dafür zu sorgen, dass dasgyptische Volk die Freiheit bekommt, zu entscheiden,er dort regiert.
Sie machen allerdings genau das Gegenteil von dem,as Sie hier gesagt haben. Sie haben hier behauptet, dassie auf der Seite der Demokratie sind. In Wahrheit sindie jedoch auf der Seite von Suleiman, dem Vizepräsi-enten und Geheimdienstchef. Der hat genauso viel Blutn den Händen kleben wie Mubarak. Trotzdem bezeich-en Sie Suleiman als Ihren Partner.
amit sind Sie nicht auf der Seite der Demokratie.
it Ihrer Unterstützung für Suleiman machen Sie tat-ächlich Brandstifter zu Feuerwehrmännern und lassenas ägyptische Volk und die Demonstranten alleine.Ich will noch ein Wort zum etwaigen Klinikaufenthalton Mubarak sagen. Ich bin absolut dafür, dass Men-chen nach Deutschland kommen können und hier medi-inisch behandelt werden. Das gilt auch für Mubarak.abei muss aber Folgendes gelten: In dem Moment, woie medizinische Behandlung abgeschlossen ist, muss eroch im Krankenhaus wegen Verbrechen gegen dieenschlichkeit und – das darf man nie vergessen – we-en Diebstahls verhaftet werden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9969
Jan van Aken
)
)
Mubarak und seine Familie haben Milliarden Euro bei-seitegeschafft. Sie lagern auch hier in Deutschland undin Europa bei den Banken. Ich bin dafür, dass Sie diesesGeld einfrieren und es dem ägyptischen Volk zurückge-ben.
Herr Mützenich, ich muss es einmal sagen: Den Tanzmit dem Teufel haben nicht nur die CDU/CSU und dieFDP gemacht, den Tanz mit dem Teufel hat auch dieSPD gemacht. Es gab ein Treffen zwischen dem Außen-minister Steinmeier von der SPD und Mubarak, bei demHerr Steinmeier Mubarak polizeiliche Hilfe zugesicherthat. Er hat ihm sogar – das muss man sich auf der Zungezergehen lassen – technische Hilfsmittel für den Polizei-aufbau zugesagt. Ich möchte mir nicht vorstellen, was inden Folterknästen Ägyptens mit technischen Hilfsmit-teln aus Deutschland für die Polizei angestellt wird. Hierhaben Sie sich genauso schuldig gemacht, und ich kannauch von Ihnen das erwarten, was die Grünen gemachthaben, nämlich dass auch Sie sich einmal kritisch mit Ih-rer eigenen Vergangenheit im Außenministerium aus-einandersetzen.
Es geht nicht nur um Waffen für die Polizei, und esgeht nicht nur um Wasserwerfer. Apropos Wasserwerfer:Sie können sich das entsprechende Video im Internet an-schauen. Sie sehen dort einen Wasserwerfer aus deut-scher Produktion, mit dem in diesen Tagen in Kairo De-monstranten von der Straße gepustet werden.Es geht auch um ganz andere Waffen. Deutschlandhat in den letzten zehn Jahren Waffen im Wert von sageund schreibe 276 Millionen Euro nach Ägypten gelie-fert. Herr Kauder, Sie können nicht sagen: Das hat dochniemand gewusst. – Sie wussten, dass Waffen im Wertvon 276 Millionen Euro nach Ägypten geliefert wurden,und Sie wussten von all den Menschenrechtsverletzun-gen und Folterungen.
Trotzdem haben Sie die Waffen geliefert. Darunter wa-ren zum Beispiel 606 Maschinengewehre und 1 726 Ma-schinenpistolen. Das haben Sie zu verantworten, und Siewussten alles vorher.
Wer Waffen an Diktatoren liefert, der macht sich mit-schuldig an Folterung, an Unterdrückung und an Zensur.
Mit diesen Waffenlieferungen haben Sie sich schuldiggemacht. Sie haben sie mit beschlossen.Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschlandgar keine Waffen mehr exportieren sollte, nirgendwohin,vor allen Dingen aber nicht an diejenigen Länder desNahen und Mittleren Ostens, von denen wir heute schonwissen, dass es dort Menschenrechtsverletzungen gibt.HbDmWteTA–feledihuSwzWedDdnwhsdkh
as ist mit Saudi-Arabien?
Soll ich Ihnen einmal kurz vorlesen, was Amnesty In-rnational zu Jordanien geschrieben hat, wo in diesenagen ebenfalls die ersten Demonstrationen stattfinden?
mnesty International schreibt dazu:Es trafen erneut Berichte über Folter und Misshand-lungen in Jordanien –ein. Mindestens zwei Männer starben … an denFolgen von Schlägen, die ihnen Polizisten zugefügthatten. Tausende Personen befanden sich ohne An-klageerhebung oder Gerichtsverfahren in Haft.An diese Verbrecher liefern Sie weiter ungeniert Waf-n: 2 496 Maschinenpistolen und 303 Gewehre in dentzten fünf Jahren. Hören Sie doch endlich damit auf,ie Unterdrücker mit den Waffen auszurüsten, die sie fürre Unterdrückung brauchen!
Herr Kauder, wenn in vier Wochen die Revolutionnd der Volksaufstand Jordanien erreicht haben, könnenie nicht sagen: Wir haben das alles nicht gewusst. Sieissen es heute, und Sie können heute die Konsequen-en ziehen. Deswegen bin ich dafür, dass ab sofort alleaffenlieferungen in den Nahen und Mittleren Osteningestellt werden.Ich danke Ihnen.
Das Wort erhält nun die Kollegin Kerstin Müller für
ie Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieemokratiebewegungen in Tunesien, in Ägypten, in Jor-anien und anderswo machen deutlich – einige Vorred-er haben es schon gesagt –, dass die arabische Weltahrscheinlich am Beginn einer neuen Ära steht. Wir se-en Menschen aller Altersstufen und Gesellschafts-chichten auf den Straßen in Tunis, in Kairo und an-erswo. Tausende von Frauen sind unter ihnen. Sieämpfen für Demokratie, für Menschenrechte, für Frei-eit, für Selbstbestimmung und auch für mehr soziale
Metadaten/Kopzeile:
9970 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Kerstin Müller
)
)
Gerechtigkeit, und sie stehen auf gegen autoritäre Re-gime, die ihre Menschenrechte schon viel zu lange mitFüßen getreten haben.Fest steht – ich glaube, das sehen wir alle so –: DieRegion wird nicht mehr die gleiche sein wie vorher. Manmuss hier aber auch sagen: Trotz der beeindruckendenAusdauer der Menschen auf dem Tahrir-Platz ist heutenoch nicht klar, ob diese Demokratiebewegung erfolg-reich sein wird.
Deshalb muss die zentrale Botschaft aus dieser Debattesein: Wir, der Deutsche Bundestag, stehen an der Seitedieser Frauen und Männer, die ihre Forderungen nachDemokratie mit unglaublich großem Mut und großer Be-harrlichkeit durchsetzen wollen. Das ist das Hauptsignal,das von dieser Debatte heute ausgehen muss. In diesemPunkt sind wir uns einig.
Ich bin allerdings der Auffassung, Herr Außenminis-ter, dass die Politik der Bundesregierung, der Europäi-schen Union, aber auch der USA gegenüber dieser be-eindruckenden Bewegung in den vergangenen Wochennicht gerade hilfreich war, um es diplomatisch auszudrü-cken.
Die deutsche Bundeskanzlerin gibt auf der Sicher-heitskonferenz – ich selber war auch dort – Revolutions-tipps nach dem Motto „Macht mal langsam, Jungs undMädels!“. Unsere Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrecht-ler haben dazu übrigens gesagt: „Wenn uns das damalseiner gesagt hätte und wir das ernst genommen hätten!“Die Bundeskanzlerin hat aber nicht den Mut, offen denRücktritt von Präsident Mubarak zu fordern. Sie, HerrAußenminister, beschwören eine Globalisierung derAufklärung – das haben Sie in verschiedenen Artikelnund auch heute wieder getan –, verstecken sich dannaber de facto hinter dem sogenannten Prinzip der Nicht-einmischung.
Am verheerendsten finde ich die Haltung der Euro-päischen Union. Die EU-Außenbeauftragte erleben wirüberhaupt nicht. Es könnte ihr erster historischer Auftrittsein, aber sie scheint nicht zu existieren. Ich bin selberoft an Europa verzweifelt, aber ihrem Vorgänger JavierSolana wäre das nicht passiert. Davon bin ich fest über-zeugt.
Herr Außenminister, ich stimme Ihnen zu: Es mussendlich Sache der Ägypter werden, wer Ägypten künftigrefüfüMddminwgisfadakakddMÜngduvhgDteragSsfaMWmwa–isgvZ
Eine Viertelmillion Menschen hat am Freitag in Kairoemonstriert. Hundertausende waren es gestern. Dasüssen wir doch einmal zur Kenntnis nehmen. Muss es den Ohren dieser Menschen nicht zynisch klingen,enn der Westen, nachdem er Mubarak 30 Jahre langepampert hat, immer noch nicht zu klaren Worten bereitt? Das ist Herumlaviererei, mit der man das Regime decto dazu ermuntert, auf Zeit zu spielen. Davor habenie Demonstranten nämlich auch Angst: vor einem Spieluf Zeit, bei dem nicht klar ist, ob am Ende die Demo-ratie gewinnen wird.
Daher erwarten wir von der EU, aber auch von Ihnenls Bundesregierung, dass Sie die Forderung der Demo-ratiebewegung unterstützen und endlich klar sagen,ass Herr Mubarak zurücktreten muss. Die Protestieren-en haben Vorschläge gemacht, zum Beispiel den, dassubarak seinen Vizepräsidenten zur Bildung einerbergangsregierung ermächtigen könnte. Das mag unsicht gefallen, aber es war ein Vorschlag. In dieser Über-angsregierung – das ist, glaube ich, von zentraler Be-eutung – muss eine breite Vertretung aller politischennd gesellschaftlichen Kräfte und der Protestierendenerankert sein. Darauf soll es nach ihren Vorstellungeninauslaufen. Jedenfalls gilt: Der Übergang muss maß-eblich von denjenigen organisiert werden, die jetzt füremokratie kämpfen. Darum geht es, Herr Außenminis-r. Deshalb ist Unterstützung an der Stelle so wichtig.
Auch die Demokratiebewegung weiß, dass die Vo-ussetzungen für wirklich demokratische Wahlen ersteschaffen werden müssen. Da wird man Vizepräsidentuleiman an seinen Taten messen müssen. Das Not-tandsrecht muss aufgehoben werden. Es muss eine Ver-ssungsreform geben, die nicht nur Amtszeit undachtbefugnisse beschränkt, sondern auch eine neutraleahlaufsicht schafft. Das Parteiengesetz muss refor-iert werden. Nicht zuletzt: Die oppositionellen Kräfteissen, dass sie Zeit brauchen, um sich zu formieren undls Partei zu organisieren.
Nein, es gibt Wege. Das Argument der „60-Tage-Frist“t vorgeschoben. Die Protestierenden haben Vorschlägeemacht. In Tunesien hat man Wege gefunden, und zwaron den Protestierenden selber, was einen vernünftigeneitplan bzw. eine Übergangsfrist angeht. Nur, Mubarak
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9971
Kerstin Müller
)
)
braucht man dafür nicht. Das ist die Forderung der De-monstranten.
Ich komme noch einmal auf die Europäische Unionzurück. Auch sie muss die Lehren aus dem Umbruchziehen, der sich gerade vollzieht. Wo bleibt die ehrlicheBilanz der EU-Politik? Absolute Funkstille. Dabei sinddoch die jetzigen Entwicklungen auch eine schallendeOhrfeige für die europäische und amerikanische Nahost-politik.Ich habe es schon in der Tunesien-Debatte angespro-chen: Die Mittelmeerunion, die von Sarkozy und ande-ren mit großem Pomp gegründet wurde, ist eine leereHülle. Sie ist ein Potemkinsches Dorf. Auf der Höhe derDemonstrationen in Tunesien ist der Generalsekretär zu-rückgetreten, weil nichts passiert ist.Statt durch eine wirtschaftliche und politische Öff-nung der Maghreb-Länder eine nachhaltige Stabilität an-zustreben, wie es geplant war, haben wir den Kampfgegen den Terrorismus geführt und Flüchtlingsabwehr-politik gemacht. Dazu muss man doch wenigstens heuteeinmal etwas sagen – das ist bisher nicht passiert; ichhabe Frau Ashton sehr gut zugehört; sie hat dazu inMünchen gar nichts gesagt –: Stabilität ohne Demokratieund Menschenrechte anzustreben, war ein fataler Irrweg.Das ist eine Politik der doppelten Standards, und mit die-ser Doppelmoral in der europäischen Außenpolitik müs-sen wir Schluss machen. Das müssen heute die Lehrenaus diesem Umbruch in der arabischen Welt sein.
Wir brauchen einen Politikwechsel und eine neueStrategie im Umgang mit solchen autokratischen Re-gimen in Ländern angefangen bei Ägypten über Alge-rien bis hin zu Weißrussland. Ich will nicht sagen, dassdas einfach ist. Die Politik ist da oft in einem Dilemma.Aber es muss doch klar sein: Es darf nicht mehr um Sta-bilität um jeden Preis gehen. Budgethilfen müssen klaran demokratische Reformen gebunden werden. Dasmüssen doch die Lehren aus diesem Umbruch in der ara-bischen Welt sein.Ich will noch zwei weitere Konsequenzen nennen.Erstens. Wir brauchen einen realistischen und differen-zierten Umgang mit islamistischen Parteien und Grup-pierungen. Zweitens – das geht an die Adresse der Unionin diesem Hause –: Wir müssen der Türkei endlich denWeg nach Europa öffnen.
Auch das ist wichtig; denn dann könnten sich dieseBewegungen – das Gespenst des Islamismus wird jetztwieder an die Wand gemalt – an einem modernisiertenIslam orientieren. Stattdessen werden da die Schottendicht gemacht. Bei den islamistischen BewegungenmtiIrdleIrismdimaimOEdeDFisdtiKSßahfüzddGBsseinah
Der Kollege Dr. Rainer Stinner ist der nächste Redner
r die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorwei Tagen ist eine Umfrage veröffentlicht worden, nacher 52 Prozent der Bürger in Deutschland die Situation,ie wir gegenwärtig erleben, eher als Bedrohung und alsefahr ansehen. Nun könnte man sagen, das ist auch einild über die Verfasstheit unserer Gesellschaft. Aberelbstverständlich ist es richtig, zu sagen: Wir alle wis-en noch nicht, wie es ausgeht. Obwohl wir hoffen, dasss gut ausgeht, können wir nicht ausschließen, dass wir zwölf Monaten vielleicht feststellen müssen, dass einutoritäres Regime durch ein anderes ersetzt wurde. Des-alb sagen wir ganz klar – die Botschaft ist eindeutig –:
Metadaten/Kopzeile:
9972 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Dr. Rainer Stinner
)
)
Wer in diesem Hause glaubt, er könne hier sein innen-politisches Süppchen kochen, indem er die Eindeutigkeitder Aussagen der Bundesregierung infrage stellt, der istauf dem falschen Dampfer.
Es gibt an der Eindeutigkeit dieser Bundesregierungnicht den geringsten Zweifel. Lesen Sie nach und verste-hen Sie, was gesagt worden ist. Aber Sie versuchen jetzt,weil Sie als Opposition das so nicht wahrhaben wollen,ein Haar in der Suppe zu finden.
Ich sage Ihnen: Wir müssen sehr behutsam und mitBedacht vorgehen. Ich kann erkennen, dass zumindest inder SPD ein gewisser Lernprozess stattgefunden hat;denn, Herr Mützenich, Sie haben – im Gegensatz zu Ih-rem europapolitischen Führer, Herrn Schulz, der das voreinigen Tagen getan hat – heute jedenfalls nicht ultima-tiv den unmittelbaren Rücktritt von Mubarak gefordert.Auch Sie haben erkannt, dass es nicht sinnvoll ist, vonBerlin aus den Rücktritt Mubaraks zu fordern. Die ZeitMubaraks ist sicherlich vorbei; das weiß jeder. Aber esist zu fragen, was der richtige Weg, der richtige Rahmenund der richtige Zeitplan ist. Wir sind nun wirklich nichtdie richtigen Ratgeber für das ägyptische Volk. Wir un-terstützen zwar die dortige Bewegung für Freiheit undDemokratie. Aber wir sagen gleichzeitig: Ihr müsst sel-ber den Weg finden und darüber nachdenken, wie esweitergeht.Ich habe die Einlassungen der drei Kollegen der Op-position gehört. Bei den Linken kann ich es ganz kurzmachen. Der Kollege Gehrcke befindet sich gerade inKuba. Ich gehe nach der Rede von Herrn van Aken festdavon aus, dass er heute noch den sofortigen RücktrittFidel Castros fordern wird.
Herr Mützenich, Sie haben mit Ihrer Tonlage undauch inhaltlich deutlich gemacht, dass es nichts bringt,einzugreifen. Sie machen der Bundesregierung offenbarroutinemäßig Vorwürfe. Ich empfehle Ihnen sehr dieLektüre der Frankfurter Rundschau vom 16. April 2004.Dort wird über eine nachträgliche Geburtstagsfeier desdamaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder berichtet,an der zwei sehr interessante Gäste teilgenommen ha-ben, nämlich Herr Putin und Herr Mubarak. Das sindalso die Freunde, die bei der SPD zu Geburtstagsfeierneingeladen werden. So sah die Situation im Jahr 2004aus. Herr Schröder ist heutzutage nicht mehr in IhrenReihen. Aber immerhin!Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Siebenehmen sich wie Leute, die stolz sind, am Montag dieLottozahlen zu kennen. Aber am Montag kennen wir alledie Lottozahlen. Da wir nicht wissen, wie sich die Situa-tion in der Region in Zukunft weiterentwickeln wird,müssen wir gemeinsam sinnvolle Schritte machen.
Mz–te–ssDIstuPhbnntibninkasBmkgsgPfl–sDroebENgdbhÄvlaEnBfrbd
as ist der Nukleus jeder israelischen Politik. Wenn dieraelis nun sehen, dass es Bewegungen gibt, die even-ell die Bedrohung aus einem Land, mit dem trotz allerrobleme ein stabiler Frieden geschaffen worden ist, er-öhen, dann muss man für ihr Verhalten Verständnis auf-ringen. Damit will ich nichts entschuldigen. Ich bitteur darum, auch gegenüber Israel eine solches Verständ-is aufzubringen.Ich sage im gleichen Zusammenhang, dass die Situa-on, die wir jetzt erleben, die israelische Regierung dazuringen könnte, darüber nachzudenken, ob ihre Palästi-apolitik zeitgemäß ist. Wir müssen Israel fragen, ob es der Vergangenheit genug getan hat – darüber ist in Wi-iLeaks zu lesen –, um Chancen wahrzunehmen. Ich be-ntworte diese Frage nicht. Aber ich möchte die israeli-chen Freunde bitten, diese Frage zu beantworten. Frauundeskanzlerin, ich danke Ihnen außerordentlich dafür,it welcher Deutlichkeit Sie bei den Gesprächen, dieürzlich in Israel stattgefunden haben, die Situation an-esprochen haben. Es ist eine neue Qualität der deut-chen Außen- und Sicherheitspolitik, dass wir auch ge-enüber Freunden deutlich auf Reformprozesse dringen.Lassen Sie mich mit dem Appell an uns deutscheolitiker schließen, in der Europäischen Union – um esapsig zu formulieren – einen Zahn zuzulegen oderhöflicher formuliert – besser zu werden. Wir müssenelbstkritisch sagen: Wir Europäer und damit auch wireutsche – Deutschland ist ein wichtiges Land in Eu-pa – haben die Mechanismen, die wir für die Regionntwickelt haben, nicht ernst genug genommen. Wir ha-en nicht genau hingeschaut, was mit den 8 Milliardenuro, die wir innerhalb von fünf Jahren im Rahmen derachbarschaftspolitik für die Region ausgegeben haben,eschehen ist. Ich glaube, wir haben nun allen Anlass,arüber nachzudenken.Ich bin froh, dass alle Stiftungen hervorragende Ar-eit in der Region leisten. Ich darf Sie auf Folgendesinweisen: Heute Morgen hat eine Sitzung der Deutsch-gyptischen Parlamentariergruppe mit allen Stiftungs-ertretern stattgefunden. Die Botschaft aller Stiftungenutete: Geht maßvoll vor! Haltet euch mit lautstarkenmpfehlungen zurück! Unterstützt die Region, domi-iert sie aber nicht von außen! – Das ist die Devise derundesregierung. Dabei wird sie von beiden Koalitions-aktionen – ich hoffe, dass ich auch für Sie spreche, lie-er Herr Kollege Schockenhoff –
eutlich unterstützt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9973
Dr. Rainer Stinner
)
)
Herzlichen Dank.
Nun hat der Kollege Schockenhoff Gelegenheit, die
Vermutung zu bestätigen, dass der Vorredner auch in sei-
nem Namen gesprochen hat. Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich bedanke mich, lie-ber Herr Kollege Stinner, dass Sie für mich gesprochenhaben. Sie haben das in der Tat getan, aber ich will estrotzdem noch bekräftigen.
– Ich habe noch sechs Minuten.
Herr Außenminister, Sie haben zu Recht gesagt: Dasist ein historischer Umbruch. – Es wird in der arabischenWelt, es wird im Nahen Osten nicht bei der alten Ord-nung bleiben. Was in Tunesien begonnen hat, wird nichtin Ägypten aufhören. Es ist vergleichbar mit der Situa-tion, die wir in Europa zwischen 1989 und 1991 erlebthaben. 1996 ist das Buch The Clash of Civilizations desamerikanischen Politologen Samuel Huntington erschie-nen: Die These, unsere Werteordnung, geprägt voneinem Menschenbild, das auf Freiheit, Pluralität, Men-schenrechten, Rechtsstaatlichkeit und guter Regierungs-führung beruht, sei mit einem islamischen Kulturkreisnicht vereinbar, wird derzeit durch die Ereignisse inÄgypten widerlegt. Aber es handelt sich noch um einenfragilen und schwierigen Prozess.Ich finde es gut, dass alle, die bisher geredet haben,bei allen Unterschieden, die wir haben, gesagt haben:Wir stehen eindeutig auf der Seite derer, die dieseChance für die arabische Welt und den Nahen Osten nut-zen wollen. Diejenigen, die Freiheit, soziale Gerechtig-keit und persönliche Lebensperspektiven wollen, habenunsere Unterstützung, und zwar uneingeschränkt. Es istgut, dass das von links bis rechts in diesem Hause gilt.Wir alle werden sie in diesem Prozess unterstützen.Ich halte es für ziemlich wohlfeil, jetzt aufzulisten,welche deutsche Regierung wann welchen ägyptischenPräsidenten oder ägyptischen Regierungsvertreter ge-troffen hat. Herr Mützenich, ich schätze Sie als einensehr nachdenklichen Politiker. Ich habe einmal erlebt– vielleicht können Sie sich daran erinnern –, dass Sie,als wir über die Reform der Vereinten Nationen gespro-chen haben und Gerhard Schröder einen ständigen Sitzfür Deutschland im Sicherheitsrat wollte, gesagt haben:Auch Ägypten muss einen Sitz im Sicherheitsrat haben.
– Ja, das waren Sie, Herr Mützenich. Aus Ihrer Parteikam dieser Anstoß.
wWpvalidMÄsÄIs3bsreBvwsHesgDliwkaDicTDswzThtrnmhwbwewVasfoc
Metadaten/Kopzeile:
9974 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
)
Die Ägypter sind das Volk. Ich habe Vertrauen inÄgypten. Das Volk wird es richten.Danke.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Heidemarie
Wieczorek-Zeul für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Andieser Stelle will ich noch einmal für uns alle sagen: Wirhaben großen Respekt und Hochachtung vor dem Mutder Ägypter und Ägypterinnen, die seit Tagen und Wo-chen für ihre Freiheit demonstrieren, und wir fordern dieägyptischen Behörden auf, alle freizulassen, die verhaf-tet wurden, weil sie politisch missliebig sind oder weilsie demonstriert haben, und wir fordern vor allen Din-gen, Folter und Gewalt ein Ende zu setzen.
Denn beides besteht fort. Wir haben erlebt, wie eineZDF-Journalistin, die verschleppt worden ist, berichtete,dass sie selbst zwar nicht gefoltert wurde, dass sie aberdie Schreie von Ägyptern gehört hat, die gefoltert wur-den.Auch möchte ich der fast 300 Menschen und derenAngehörigen gedenken, die zu Tode gekommen sind. Esist wichtig, dass wir sagen: Es ist notwendig, dass jene,die dafür verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogenwerden. Das gehört mit zu den Schlussfolgerungen.
Herr Westerwelle, ich will jetzt auch noch einmalsagen, worin die Differenz zwischen Ihnen und uns be-steht. Nehmen wir folgende Situation: Vor wenigen Tagenknüppelten Polizisten in Zivil und Anhänger Mubaraksdie Menschen, die auf dem Tahrir-Platz ihren Willen fürDemokratie ausdrückten, nieder. Sie aber sagen, Sie näh-men nicht Stellung zur Frage des Rücktritts Mubaraks,weil dies eine innerägyptische Auseinandersetzung sei.Ich will uns alle noch einmal daran erinnern: Für die in-ternationale Gemeinschaft besteht die „responsibility toprotect“, also die Verpflichtung zum Schutz der Men-schen, die in ihren Ländern bedroht sind.
Das heißt, dies ist eine politische Aufgabe, keine militä-rische Aufgabe. Die internationale Gemeinschaft musssich auf die Seite dieser Menschen stellen. Spätestensnach dem Vorgehen seiner Schlägertrupps gegen die De-monstrierenden muss die klare Ansage gegenüber HusniMubarak lauten: Treten Sie beiseite! Treten Sie zurück!Sie schützen die Bürger und Bürgerinnen Ihres Landesnicht, im Gegenteil, Sie üben Gewalt gegen sie aus!änpkureaGadrufoskemnEdDFwtegggedsfüSicddmruwanssaZEd
Herr Westerwelle, deshalb ist diese Frage keine inner-gyptische Angelegenheit, sondern gehört zur internatio-alen Verpflichtung des Schutzes, zur „responsibility torotect“. Deshalb ist es notwendig, dass Sie sich dazular und deutlich äußern.
Wenn dieses Signal nicht erfolgt – liebe Kolleginnennd Kollegen, das ist doch der Punkt, an dem eine Diffe-nz besteht –, dann lautet die unterschwellige Botschaftn das System in Ägypten, das sich aus verschiedeneneflechten zusammensetzt, und auch an die Systeme innderen arabischen Ländern, dass es nach einer Phaseer Aufwallung doch wieder ein Zurück zur Stabilisie-ngsstrategie geben könnte und dass diese Systemertbestehen könnten.Die Jugendlichen, die für ihre Zukunft und für Per-pektiven demonstriert haben, brauchen von uns daslare und unmissverständliche Signal: Wir stehen aufurer Seite. Euer Kampf ist nicht umsonst. Ihr wolltehr Demokratie wagen; wir unterstützen euch – in Tu-esien, in Ägypten, in den anderen arabischen Ländern.uer Engagement ist eine historische Zäsur. Wir wollen,ass diese Zäsur für die Zukunft wirklich Bestand hat. –arum geht es auch bei der Auseinandersatzung um dierage: Wie geht es mit Mubarak weiter?Bisher gab es global zwei mögliche Strategien – daollen wir doch ganz ehrlich sein –, und zwar für die un-rschiedlichsten Regierungen; ich habe drei Regierun-en angehört, zwei rot-grünen Regierungen und der Re-ierung der Großen Koalition. Diese beiden Strategienegenüber den arabischen Ländern waren – ich sage esinmal idealtypisch –: Die US-amerikanische Strategie,er sich auch manche europäische Regierungen ange-chlossen hatten, war die der militärischen Unterstützungr Ägypten in großem Umfang; sie hat die Erstarrung desystems in Kauf genommen. Der zweite Ansatz, zu demh mich ausdrücklich bekenne, bestand – ähnlich wie beier Entspannungspolitik – in der Zusammenarbeit miten arabischen Regierungen, gleichzeitig aber verbundenit dem Versuch, innergesellschaftliche Demokratisie-ngs-, Veränderungs- und Modernisierungsprozesse durchirtschaftliche und entwicklungspolitische Zusammen-rbeit zu unterstützen und voranzubringen.
Die Wahrheit ist auch, dass die zweite Strategie inter-ational in vielen Fällen durch die Strategie der militäri-chen Stabilisierung überdeckt worden ist. Das drücktich auch in der Frage der Waffenexporte aus. Wenn wirus dieser Situation etwas lernen, dann ist es das: Dieukunft muss der Demokratisierungsstrategie gehören.s darf kein Zurück mehr geben. Jede Regierung mussarauf verpflichtet sein.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9975
Heidemarie Wieczorek-Zeul
)
)
Ich möchte an dieser Stelle all jenen Menschen danken– aus den arabischen Staaten, aus der Zivilgesellschaft,aber auch aus einzelnen arabischen Regierungen –, dieüber viele Jahre, beginnend 2002, den UN-Bericht ArabHuman Development Report herausgegeben haben. Siehaben frühzeitig alle kritischen Punkte benannt, dieheute auf dem Tisch liegen und die heute jeder wieder-holt: den mangelnden Zugang zu Bildung, den mangeln-den Zugang zu Jobs, die Benachteiligung von Frauen,die mangelnden demokratischen Beteiligungschancen.Die Arbeit dieser Menschen trägt jetzt Früchte. Deshalbdanke ich ihnen. Sie haben sich unter schwierigen Be-dingungen dazu bekannt. Ich bin froh darüber, dass wirdurch unsere Arbeit, auch als Entwicklungsministeriumseinerzeit, deren Arbeit haben unterstützen können; dasist für diese Länder ganz wichtig gewesen.
Viele arabische Länder haben protestiert und gesagt– Ban Ki-moon hat bei seinem Besuch gerade wieder da-ran erinnert –: Das ist Nestbeschmutzung. – Übrigens: Ineinem Jahr hat auch die US-amerikanische Regierungden Bericht nicht publiziert wissen wollen, und zwardeshalb, weil die arabischen Fachleute den Irakkrieg kri-tisiert haben.Es ist eine Investition in die Zukunft, was die Men-schen dort geleistet haben. Deshalb, liebe Kolleginnenund Kollegen, will ich auch mit Blick auf Ägypten sa-gen: Es geht um die Unterstützung der Demokratie unddie Vorbereitung einer neuen Verfassung. Das Argument„Dazu muss Präsident Mubarak im Amt bleiben“ istschon von der Kollegin Müller widerlegt worden. Esgeht um den Aufbau demokratischer Parteien und dieVorbereitung von Wahlen.
– Es gibt den einen Punkt, Herr Westerwelle.
– Wie auch immer.Die deutschen Stiftungen können wichtige Unterstüt-zung geben. Sie leisten schon bisher eine ausgezeichneteArbeit. Ich will ihnen an der Stelle – ich kenne all dieseStiftungen – ein Dankeschön sagen. Ihre Vertreter habenausgeharrt und ihre Arbeit vor Ort geleistet; zum Teilsind ja auch deren Familien betroffen gewesen.
Mittelfristig, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht esin Ägypten aber auch um wirtschaftliche und soziale Re-formen, um die Verwirklichung freier Gewerkschaften,sodass die Menschen ihre Interessen frei artikulieren undfür mehr soziale Gerechtigkeit kämpfen können.Lassen Sie mich zum Schluss in aller Kürze drei An-merkungen für die weitere Arbeit machen:liPbwsSwdkBsekwwinfeSuvbsDmliseaHdrebdinsg’8dsmk
ie werden nämlich dazu genutzt, Konflikte anzuheizennd anzutreiben.Mein dritter Punkt – ich bin sicher, er gibt Anlass zuielen Diskussionen –: Im Widerspruch zu der wertege-undenen Außenpolitik, über die wir ja immer sprechen,teht, dass die Europäische Union und damit aucheutschland einen Deal mit dem Despoten Gaddafiacht, nämlich in der Form, dass seine Häscher Flücht-nge, die aus Afrika kommen, abfangen und sie in liby-che Lager interniert werden. Ich sage, wir brauchenine wertegebundene Außenpolitik. Wir brauchen aberuch eine wertegebundene Flüchtlingspolitik, die diesereuchelei ein Ende setzt.Ich bedanke mich.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Holger Haibach für
ie CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-n! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, die De-atte heute hat unsere volle Aufmerksamkeit verdient;enn wenn man darüber nachdenkt, was in diesem Jahr Ägypten, aber auch in anderen Ländern passiert, stelltich automatisch die Frage: Geht es aus wie Teheran ’79,eht es aus wie Peking ’89, oder geht es aus wie Leipzig9? Ich bin Andreas Schockenhoff ausgesprochenankbar, dass er genau auf diese Frage hingewiesen hat.Natürlich ist unser Platz an der Seite der Menschen,eien sie in Ägypten oder anderswo, die für Freiheit, De-okratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeitämpfen. Und genau deshalb kann diese Debatte eines
Metadaten/Kopzeile:
9976 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Holger Haibach
)
)
nicht gebrauchen, nämlich innenpolitisches Geplänkel.Jeder, der sagt, diese Regierung reagiere an der einenoder anderen Stelle falsch, der zeigt auf sich selbst zu-rück. Ich habe im Deutschen Bundestag seit 2002, ehr-lich gesagt, keine Debatte erlebt – sei es unter einem Au-ßenminister Fischer oder unter einem AußenministerSteinmeier –, in der diejenigen, die heute so klug daher-reden, entsprechende Worte auch schon früher gebrauchthätten. Es ist immer wieder die gleiche Geschichte: Zei-gen Sie mit dem Finger auf jemanden, zeigen drei Fingerauf Sie zurück. Ich bitte Sie deshalb: Unterlassen Siedas!
Das ist der eine Punkt.Ein weiterer Punkt kommt mir in dieser Debatte sehrmerkwürdig vor: Hier wird sehr viel ineinandergemischtund zusammengetan, was aus meiner Sicht nicht zwin-gend zusammengehört. Die Situation in Tunesien ist eineandere als die in Ägypten, in Jordanien oder vielen ande-ren Ländern. Es gibt allerdings auch ein paar Gemein-samkeiten. Schauen wir uns einmal die Situation inÄgypten an: Hier gibt es eine sehr junge Bevölkerung.Jedes Jahr kommen ungefähr 600 000 Menschen auf denArbeitsmarkt; hiervon bleiben aber zwei Drittel arbeits-los. Seit Jahren schon gibt es circa 3 Millionen arbeits-lose ägyptische Akademiker. Ähnliche Befunde bzw.entsprechende Parallelen lassen sich wahrscheinlichauch in Tunesien, in Jordanien und in vielen anderenLändern finden.Wenn wir nach den Ursachen für diese Konflikte fra-gen, dann sollten wir einmal in die Entwicklungspolitikschauen. Wir haben die Problematik, dass wir es meis-tens mit autoritären Regimen zu tun haben, die nicht inder Lage sind, die an sie gestellten Anforderungen undProbleme zu lösen. Dies führt im Allgemeinen dazu,dass Menschen unzufrieden werden. Dies führt zu Ar-beitslosigkeit und zu einem nicht funktionierenden Wirt-schaftssystem. Das ist der Nährboden, aus dem Protestentsteht, neben dem Willen zu Freiheit und Demokratie.Auf diesem Nährboden kann sehr Unterschiedlicheswachsen: Es kann entweder zu einem Streben nach De-mokratie, nach Rechtsstaatlichkeit kommen, oder eskann dazu führen, dass der Extremismus gestärkt wird.Auf die Frage nach den Ursachen für Terrorismus undauf die Frage: „Wie können wir eigentlich dafür sorgen,dass Terrorismus im Keim erstickt wird?“, ist eine rich-tige, gut geleitete Entwicklungspolitik in diesen Länderndie einzige Antwort.
Ich will das gar nicht gut- oder schlechtreden. Das be-deutet nicht, dass wir in der Vergangenheit alles richtiggemacht hätten. Aber was deutsche Entwicklungspolitikerkannt hat, was auch wir gemeinsam erkannt haben undwas zwingend europäischer Konsens werden muss, ist,dass wir diese Schritte gehen müssen. Wir brauchen einasgLAbtusegliaWMHvAkeDimnhliulidwcdsvhfü
Auf einen Punkt möchte ich noch gerne hinweisen.ael Ghonim, der große Internetaktivist und Google-anager, der in Ägypten lange in Haft war, hat gesagt:Ich hörte nichts, ich erkannte nichts, hatte keineAhnung, was draußen auf den Straßen passiert.Und weiter:Wenn du zwölf Tage lang nichts siehst als schwarzeSzenerie, dann betest du, dass die, die draußen sind,sich noch an dich erinnern.Vermutlich wird dies meine letzte Rede in diesemause sein, weil ich den Bundestag Ende dieses Monatserlasse. Wenn wir eine Aufgabe haben, dann ist es dieufgabe, auch die Stimme derjenigen zu sein, die selbsteine Stimme haben, weil wir privilegiert sind.In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen weiterhinine gute Arbeit. Ich wünsche Ihnen allen, dass Sie füreutschland die richtigen Entscheidungen treffen, wasmer extrem schwierig ist.Ich habe hier sehr viele interessante Menschen ken-engelernt. Ich möchte mich bei meiner Fraktion rechterzlich und auch bei Ihnen für manches gute überpartei-che Miteinander bedanken. Ich wünsche Deutschlandnd der Welt viele engagierte Demokraten.Danke sehr.
Lieber Kollege Haibach, die für uns natürlich betrüb-che Nachricht, dass Sie den Deutschen Bundestag vorem Ende der Legislaturperiode freiwillig verlassenollen, wird durch die Information beinahe ausgegli-hen, dass Sie eine sehr ähnliche Aufgabe übernehmen,ie aber mit der gleichzeitigen Mitgliedschaft im Deut-chen Bundestag schon aus räumlichen Gründen schwerereinbar ist.
Ich möchte meinen herzlichen Dank für Ihre Arbeitier im Deutschen Bundestag mit allen guten Wünschenr die neue Aufgabe verbinden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9977
Präsident Dr. Norbert Lammert
)
)
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist derKollege Thomas Silberhorn für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Dem Kollegen Holger Haibach ist für seine Ar-beit bereits gedankt worden. Ich darf die etwas verklau-sulierten Hinweise des Präsidenten auf seine Zukunftauflösen, indem ich anfüge, dass er für die Konrad-Adenauer-Stiftung nach Namibia gehen wird. Das be-deutet, lieber Holger, dass du unter Beweis stellenkannst und wirst, dass die Dinge, über die wir hier disku-tiert haben und die du als entwicklungspolitischer Spre-cher unserer Fraktion vorangetrieben hast, in der Praxisumgesetzt werden können. Viel Erfolg für deine künftigeAufgabe!
Meine Damen und Herren, die Stabilität ist brüchiggeworden, nicht nur in Ägypten, sondern auch in weitenTeilen Nordafrikas und im Nahen Osten. Zu einer Ana-lyse gehört sicherlich, dass wir uns zunächst eingeste-hen, dass wir alle von der Wucht und Geschwindigkeitder Ereignisse überrascht worden sind. Wir haben durch-aus Anlass, unsere Politik zu überdenken. Dennoch istnicht alles falsch gewesen, was wir bisher im Kontaktmit diesen Ländern getan haben; denn Ägypten hat sehrwohl eine konstruktive Rolle im Nahostfriedensprozessin den letzten Jahrzehnten gespielt. Ägypten ist der ein-zige arabische Staat, der einen Friedensvertrag mit Israelhat. Deswegen dürfen wir bei aller berechtigten Debatteüber die Situation in Ägypten nicht aus dem Auge verlie-ren, dass wir auch den Nahost-Friedensprozess weitervorantreiben müssen. Es wäre ein positives Signal, wennes jetzt gelingen würde, im Friedensprozess zwischen Is-rael und den Palästinensern weitere Fortschritte zu erzie-len. Vor diesem Hintergrund war der Besuch der Bun-deskanzlerin und des halben Kabinetts in Israel einwichtiges Signal.Wir haben aber die gesellschaftlichen Entwicklungenin Ägypten und weiteren Staaten Nordafrikas deutlich un-terschätzt, obwohl die Bundesregierung seit vielen Jahrenauch für die Zivilgesellschaft in diesen Staaten unterwegsist. Ägypten ist nicht ohne Grund einer der wichtigstenPartner in unserer Entwicklungszusammenarbeit. Auchfür die Teilhabe der Zivilgesellschaft an politischen Pro-zessen, für privatwirtschaftliches Engagement und fürBerufsbildung haben wir viel getan. Wir haben mit demGoethe-Institut, einer deutschen Universität in Kairo undden Deutschland-Wochen in Ägypten ausgedehnte kultu-relle Kontakte nach Ägypten geknüpft.Trotz dieser so vielfältigen Kontakte haben wir nichtgeahnt, was sich – fast möchte man sagen: unter derOberfläche der offiziellen Kontakte – abgespielt hat.Auch die Union für das Mittelmeer, die wir im RahmenddWcnSsudszOtegscuddAdjeGtesgbwdihnwsMgzmfütiShfükRaudahPdnakle
ur für diejenigen von Vorteil wäre, die schon jetzt soufgestellt sind, dass sie in dem Land politisch agierenönnten, nämlich die Stützen des jetzigen Regimes, viel-icht die Muslimbruderschaft, daneben aber nicht allzu
Metadaten/Kopzeile:
9978 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Thomas Silberhorn
)
)
viele. Deswegen sollten wir es sehr ernst nehmen, wennFriedensnobelpreisträger al-Baradei öffentlich dafür ein-tritt, dass erst im nächsten Jahr Wahlen stattfinden undjetzt ein Prozess eingeleitet wird – er fordert einen Präsi-dialrat –, um eine demokratische Entwicklung in Gangzu bringen.
Wir sollten hier nicht als Besser-Wessis auftreten, son-dern dafür sorgen, dass die Ägypter eine Chance haben,den Prozess selbst zu gestalten.
Herr Kollege.
Herr Präsident, gestatten Sie mir bitte ein letztes
Wort.
Ich plädiere sehr dafür, dass wir in Deutschland und
in der Europäischen Union eine engagierte Debatte dazu
führen. Wir müssen diese Debatte aber so führen, dass
Demokratie für die ägyptische Gesellschaft als erstre-
benswert erlebt werden kann. Deswegen dürfen wir sie
nicht mit innenpolitischen Kabbeleien überfrachten.
Vielmehr sollten wir als Deutsche und Europäer gemein-
sam an der Seite derjenigen stehen, die in Ägypten für
Freiheit eintreten.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Vierter Erfahrungsbericht der
Bundesregierung über die Durchführung des Stamm-
zellgesetzes.
Bevor ich dem Bundesminister für Gesundheit das
Wort zu einem kurzen einleitenden Bericht erteile, bitte
ich diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die an diesem
Tagesordnungspunkt nicht mitwirken können oder wol-
len, ihre Gespräche oder Verhandlungen außerhalb des
Plenarsaals fortzusetzen, damit die einströmenden Kol-
leginnen und Kollegen ungehindert Platz finden können.
Herr Bundesminister, Sie haben das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren Abgeordnete! Die Bundesregierung hat heute
d
d
s
d
c
s
d
w
S
b
S
d
n
S
2
d
d
2
d
a
s
g
m
z
e
p
d
Q
T
re
n
h
M
p
d
d
e
F
b
z
D
s
d
s
B
is
o
s
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9979
)
was dazu ausgeführt, inwieweit die Verbesserungen, dieSie selber für die Stammzellforschung konstatiert haben,tatsächlich mit diesem veränderten Stichtag herbeige-führt wurden? Gibt es gar Stimmen, die erneut eine Ver-änderung dieses Stichtages für notwendig halten? Istdiese Frage Hauptinhalt mancher Debatten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sehr verehrte Frau Abgeordnete, mit der Novellie-
rung des Stammzellgesetzes wurde der Stichtag auf den
1. Mai 2007 gelegt. Das hatte ich bereits erwähnt. Damit
ist die Forschung in Deutschland auf eine tragfähige Ba-
sis gestellt worden. Man hat damit die Möglichkeit, sich
international vernetzt – weil man auf die gleichen
Stammzelllinien zurückgreifen kann – auch im For-
schungsbereich an humanen embryonalen Stammzellen
zu betätigen. Es wird deswegen nicht gefordert oder dis-
kutiert, diese Fristenlösung nochmals in irgendeiner
Form vom Datum her zu ändern.
Herr Rossmann.
Herr Minister, weil es uns genauso geht wie Frau
Sitte, möchte ich noch einmal nachfragen: Welche Daten
können Sie uns zu den zur Verfügung gestellten Stamm-
zelllinien, zur Nutzung, zur Beantragung, zur Konzen-
tration auf bestimmte Forschungsstandorte und zur
Schwerpunktbildung bei diesen beantragten Forschun-
gen liefern? Werden wir nach der Änderung des embryo-
nalen Stammzellgesetzes weitere Veränderungen vorfin-
den? Ich richte ausdrücklich die Bitte an Sie, uns aus
Ihrem umfangreichen Bericht, den wir alle noch nicht
kennen, diese Daten so zur Verfügung zu stellen, dass
wir weiter fragen können.
Also: Welche zusätzlichen Stammzelllinien, welche
Beantragungen, welche Forschungsorte, welche For-
schungsschwerpunkte und welche Nutzung hat es dafür
gegeben?
Darüber muss nun hier keine Erregung stattfinden.
Der Zweck der Regierungsbefragung besteht darin, dass
die Regierung aktuell aus Kabinettssitzungen berichtet
und das Parlament auch für nicht vorliegende Berichte
die Möglichkeit hat, sich durch möglichst präzise Fragen
einen besseren Informationsstand zu verschaffen, als er
ohne die sicher intelligenten Antworten erreichbar wäre.
Ich bedanke mich für diese Unterstützung durch den
Präsidenten. Das ist genau das Begehr, das wir als einfa-
che Parlamentarier haben.
b
s
d
w
s
D
s
R
z
N
3
d
tr
e
d
n
A
d
s
te
c
a
z
s
V
n
z
re
d
h
n
a
g
h
ti
–
d
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, welche Zielsetzung ist denn bei diesen
0 Anträgen angegeben? Was soll mit den Projekten in
er Forschung erreicht werden? Wovon gehen die An-
agsteller aus? Welche Krankheiten sollen hier gezielt
rforscht und vielleicht auch geheilt werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, eingangs habe ich erwähnt, dass
ie Erforschung der humanen embryonalen Stammzellen
ach wie vor eine Domäne der Grundlagenforschung ist.
lso geht es zunächst darum, die Zusammenhänge und
ie Entwicklung der embryonalen Stammzellen zu ver-
tehen. Es geht nicht darum – darum geht es erst im Wei-
ren –, Therapien und präventive Maßnahmen zu entwi-
keln. Auch wenn das nach wie vor versucht wird und
uch das Ziel ist, geht es zunächst einmal darum – das
eigt auch der Bericht –, sich auf die Grundlagenfor-
chung zu konzentrieren. Dabei geht es auch um den
ergleich mit anderen Quellen für pluripotente Zellen.
Es gibt immer wieder Überlegungen, ob man künftig
icht auf humane embryonale Stammzellen wird ver-
ichten können. Die Entwicklung, die es in anderen Be-
ichen gegeben hat, ist aber nicht so vielversprechend,
ass man schon jetzt davon ausgehen kann, dass man auf
umane embryonale Stammzellen wird verzichten kön-
en. Man wird sie für vergleichende Studien brauchen,
ber vor allem für die Grundlagenforschung. Deswegen
ibt es noch keine Entwicklung in Richtung Therapie.
Kollege Ackermann.
Sehr geehrter Herr Minister, ich möchte mich rechterzlich für den Bericht bedanken. Er war sehr informa-v.
Ja. – Trotzdem habe ich noch eine Nachfrage. Das Zieler Forschung ist natürlich, irgendwann aus dem Labor
Metadaten/Kopzeile:
9980 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Jens Ackermann
)
)
herauszukommen und die Erkenntnisse, die man in derTheorie gewonnen hat, in die Praxis umzusetzen. In derVergangenheit war immer von sehr langen Zeiträumendie Rede. Wir haben gehört, dass es bis zu 20 Jahre dau-ern kann, bis man die theoretischen Erkenntnisse in diePraxis umsetzen kann. Wie sehen Sie das? Besteht auf-grund der guten Forschung an embryonalen Stammzel-len die Chance, die Erkenntnisse jetzt in die Praxis um-zusetzen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auch hier muss ich auf die Antwort von eben verwei-
sen. Man ist noch im Bereich der Grundlagenforschung.
Es geht also darum, die Mechanismen der Entwicklung
der embryonalen Stammzellen zu verstehen. Weil aus
Stammzellen ganze Organsysteme entwickelt werden
können, verspricht man sich von der Stammzellfor-
schung in der Tat, dass man eines Tages therapeutischen
Nutzen daraus ziehen kann. Das geht aber nur, wenn
man die Mechanismen verstanden hat und in der Lage
ist, sie zu beeinflussen. Die bisherigen Forschungsergeb-
nisse zeigen, dass es noch etwas länger dauern wird, bis
man zu dem Punkt kommt, an dem man weiß, dass man
alles richtig verstanden hat. Dann kann man Möglichkei-
ten finden, um aus pluripotenten Stammzellen klinische
Entwicklungen und Anwendungen – so sage ich das ein-
mal – zu entwickeln.
Frau Kollegin Haßelmann.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, auch
ich möchte Sie gerne etwas fragen. Ich bin ein bisschen
irritiert. Die Befragung der Bundesregierung führen wir
eigentlich durch, um wirklich etwas zu erfahren. Der Be-
richt war aber äußerst dünn. Deswegen frage ich nach.
Ich habe Sie so verstanden, dass die embryonale Stamm-
zellforschung ein Schwerpunkt der Forschung ist und bei
Ihnen Priorität hat. Habe ich das richtig verstanden? Auf
die Frage meiner Kollegin Priska Hinz haben Sie so ge-
antwortet. Vor dem Hintergrund Ihrer bisherigen Einlas-
sungen frage ich, was Sie genau machen wollen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Stammzellgesetz schreibt nicht nur vor, dass man
nur unter bestimmten, engen und klaren Kriterien an hu-
manen embryonalen Stammzellen forschen darf, sondern
auch, dass die Bundesregierung dem Deutschen Bundes-
tag alle zwei Jahre darüber Bericht zu erstatten hat, und
zwar im Rahmen eines Erfahrungsberichtes.
Dieser wurde heute beschlossen. Dass er beschlossen
wurde, habe ich berichtet.
E
e
la
–
E
h
s
le
m
s
d
k
S
s
S
p
le
d
g
a
d
te
z
V
d
n
B
fe
s
re
E
d
d
d
s
E
s
z
n
a
z
s geht um die humanen embryonalen Stammzellen. Ich
abe angedeutet, dass es im Rahmen der Forschung Ver-
uche gibt, weitere Quellen für pluripotente Stammzel-
n zu erschließen, die eben nicht aus Embryonen stam-
en. Ich habe gesagt, dass die Entwicklung noch nicht
o vielversprechend ist, dass man auf die Erforschung
er humanen embryonalen Stammzellen wird verzichten
önnen. Das ist eine große ethische Debatte. Die einen
tammzellen werden gewonnen aus Embryonen, die ver-
torben sind oder getötet wurden. Versuche, andere
tammzellen zu entwickeln, zum Beispiel induzierte
luripotente Stammzellen, beziehen sich auf adulte Zel-
n, die man versucht zurückzuentwickeln. Der Prozess
er Umprogrammierung ist aber noch nicht so weit fort-
eschritten, dass man sagen kann, dass man jetzt auf die
nderen Stammzellen verzichten kann. Unabhängig von
iesem Vergleich zwischen diesen beiden wird man wei-
rhin die Forschung an humanen embryonalen Stamm-
ellen brauchen, um – ich kann es nochmals sagen – das
erständnis der Zusammenhänge und Entwicklungen
er embryonalen Stammzellen selbst zu erlangen.
Herr Minister, mein Eindruck ist, dass die Kollegin-
en und Kollegen gerne wissen wollen, ob es auf der
asis des Berichts, der uns noch nicht vorliegt, eine Prä-
renz der Bundesregierung für bestimmte Forschungs-
trategien gibt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-
n Abgeordneten, es gibt ausdrücklich keine Festlegung.
s gibt keinen Goldstandard – wenn Sie so wollen – für
ie eine oder andere Zellrichtungsentwicklung. Das gibt
er Bericht auch eindeutig her.
Herr Kollege Rossmann.
Herr Präsident, zunächst einmal vielen Dank dafür,ass Sie das, was eine ernsthafte Regierungsbefragungein soll, weg von der Farce hin zur parlamentarischenrnsthaftigkeit führen. Deshalb noch eine Rückfrage.Können Sie uns mit Blick auf den Bericht sagen, obich Anträge vorrangig auf die neu zugelassenen Stamm-elllinien beziehen oder ob es auch Anträge gibt, die sichoch auf das „alte“ Material beziehen? Es wurde immerrgumentiert, dass die alten Stammzelllinien angeblichu nichts mehr zu gebrauchen seien. Vielleicht habe ich
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9981
Dr. Ernst Dieter Rossmann
)
)
das bisher in Ihren Darlegungen überhört. Mich interes-siert, ob das sowohl für die neuen als auch für die altenAnträge gilt und in welcher Relation die entsprechendenAnträge genehmigt worden sind; denn das war ein Ent-scheidungskriterium im Rahmen der Novellierung. Des-halb ist das eine sehr wichtige Information der Regie-rung, die eigentlich aus dem ersten Überprüfungsberichthervorgehen sollte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich habe die Zahlen gerade ge-
nannt. Sie sind vielleicht ein bisschen untergegangen. Es
gab 30 Anträge. Von Anfang an beziehen sich 17 An-
träge auf die neuen Stammzelllinien. Deshalb kann man
davon ausgehen, dass sich die anderen 13 Anträge auf
die alten Stammzelllinien beziehen.
Kollege Henke.
Herr Minister Rösler, wenn ich es recht verstehe, ist
man zurzeit dabei, die grundsätzlichen Wirkungen und
Wirkmechanismen der biologischen Aktivität von
Stammzellen zu erschließen. Erst wenn dieses Element
der Grundlagenforschung verstanden sein wird, kann es
um die Frage gehen, ob es mehr Nutzen oder mehr Ri-
siko gibt. Mich interessiert deshalb, ob sich nach Ihrem
Überblick überhaupt schon klinische Anwendungen in
den Anträgen abzeichnen und ob gegebenenfalls auch
ein Schwerpunkt für diese Fragen der Nutzen-Risiko-
Abwägung zu finden ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zum jetzigen Zeitpunkt ist dort kein klinischer Nut-
zen erkennbar. Es geht nach wie vor um die Grundlagen-
forschung. Wenn überhaupt, dann würde man mit
bestimmten embryonalen Stammzellen bestimmte Medi-
kamente und toxikologische Eigenschaften testen. Mit
Blick auf klinische Anwendungen zeichnet sich in den
30 Anträgen aber bisher noch keine Entwicklung ab.
Frau Kollegin Sitte.
Herr Minister, gemäß Stammzellgesetz sind Sie der
Berichterstatter dieses alle zwei Jahre vorzulegenden
Berichts. Nun haben Sie in der heutigen Kabinetts-
sitzung über diesen Bericht gesprochen. Dennoch gibt es
eine gewisse Vernetzung zwischen dem Bundesministe-
rium für Bildung und Forschung und Ihrer Verantwort-
lichkeit. Wie hat sich das Bundesministerium für Bil-
dung und Forschung zu Ihrem Bericht positioniert?
Außerdem bezieht sich meine Frage auf die Ausfüh-
rungen des Präsidenten. Welche Ableitung von konkre-
ten Strategien haben Sie unter Umständen in Ihren bei-
den Häusern ins Auge gefasst? Wenn man sich das
Register des Robert-Koch-Instituts anschaut, dann stellt
man eine breite Streuung fest. Im November vergange-
n
m
li
m
tu
n
s
B
m
e
d
w
fü
h
d
d
d
a
n
s
te
im
d
F
s
g
J
d
g
d
v
T
ru
ri
a
h
g
v
ß
n
d
d
n
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann mich an dieser Stelle nur wiederholen: Esab in der Tat Forschungsergebnisse, in deren Rahmenorgeschlagen wurde, sich andere Quellen zu erschlie-en. Dies war mit großen Hoffnungen belegt, die abericht in vollem Umfang erfüllt wurden. Das ist ein sehrynamischer Forschungsbereich. Eine Schlussfolgerunger Bundesregierung daraus ist, dass man sich heuteicht schon auf nur die eine oder andere Zellart wird
Metadaten/Kopzeile:
9982 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Bundesminister Dr. Philipp Rösler
)
)
festlegen können, sondern dass man nach wie vor beideForschungsmöglichkeiten braucht.
Herr Kollege Rossmann.
Ich möchte im Anschluss an die Frage von Frau Hinz
Fakten abfragen. Können Sie uns, wenn dies im Bericht
steht, sagen, wie sich die Entwicklung der embryonalen
Stammzellforschung in Relation zur adulten Stammzell-
forschung abbildet, wohl wissend, dass das eine in Form
von Anträgen – es sind genau 30 – belegbar ist? Sie wer-
den sicherlich – auch im Vergleich – erhoben haben, wie
sich das Forschungsfeld adulte Stammzellforschung in
Deutschland insgesamt bis zum vierten Bericht abgebil-
det hat. Dies würde eine reale Einschätzung, wie sich
beide Forschungslinien aufbauen, ermöglichen. Deshalb
frage ich, ob das in dem Bericht enthalten ist und was
Sie uns dazu sagen können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bericht hat die Aufgabe, über die embryonale
Stammzellforschung zu berichten. Deswegen bezieht er
sich vor allem auf die Entwicklung im Bereich der For-
schung an humanen embryonalen Stammzellen und auf
andere Forschungsbereiche. In Bezug auf die ethische
Debatte, die geführt wurde, sollte genau dieser Bericht
geliefert werden, der sich nur mit der Forschung an em-
bryonalen Stammzellen befasst.
Frau Hinz noch einmal.
Ich versuche, auf einem anderen Wege Licht in das
Dunkel zu bekommen. Inwieweit hat bei den genehmig-
ten Projekten die zentrale Ethikkommission bewertet, ob
die Forschung an embryonalen Stammzellen alternativ-
los ist? Gab es zum Beispiel auch das Kriterium, dass
mit adulten Stammzellen in ähnlichen Bereichen ge-
forscht wird und es da bereits Ergebnisse gibt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage, ob es zu humanen embryonalen Stammzel-
len Alternativen gibt, ist Grundlage jeder Prüfung sei-
tens der zentralen Ethikkommission für die Nutzung von
Stammzellen. Es gab bei den Anträgen zwei Ablehnun-
gen. Das heißt, man hat die Prüfungen durchgeführt und
die Anträge abgelehnt.
Kollege Röspel.
g
n
p
g
k
e
e
Is
A
w
b
s
Z
te
g
v
u
c
z
s
rä
E
d
s
ri
u
ic
fo
w
m
A
ri
S
Z
w
d
in
d
h
W
P
tä
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine letzte Frage des Kollege Rossmann.
Herr Minister, es ist mir ein Bedürfnis, zum Ausdruck
u bringen, dass es zur Novellierung des Stammzellge-
etzes durch das Parlament im Rahmen einer sehr souve-
nen Entscheidung der Parlamentarier gekommen ist.
s ist allerdings ein Duktus in diese Debatte gekommen,
er vermuten lässt, dass es eine Kontroverse zur Auffas-
ung der Regierung gäbe. Wir haben uns von dem Be-
cht lediglich mehr Dienstleistungen im Hinblick auf
nsere weitere Orientierung versprochen. Deshalb sage
h, auch an den Kollegen von der FDP gerichtet: So in-
rmativ, wie man es sich von einer Dienstleistung ge-
ünscht hätte, war das am Anfang nicht. Wie auch Sie
erken, wird es allerdings immer informativer.
In Bezug auf die Forschung habe ich eine Rückfrage.
uch wenn dazu auf den wenigen Seiten, die dieser Be-
cht enthalten wird, wahrscheinlich nichts steht, haben
ie angesprochen, dass es eine verstärkte internationale
usammenarbeit geben soll. Können Sie ausführen, in-
iefern sich diese internationale Zusammenarbeit und
ie Öffnung gegenüber anderen internationalen Partnern
diesem Bericht widerspiegeln und inwiefern die Än-
erung des Stammzellgesetzes dies zusätzlich befruchtet
at? Sind mehr internationale Partner dazugekommen?
ie viele sind es inzwischen? Es wäre gut, wenn Sie das
arlament darüber informieren würden.
Dazu kann und will der Parlamentarische Staatssekre-r Thomas Rachel eine Auskunft geben.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9983
)
)
T
Herr Kollege Dr. Rossmann, selbstverständlich ist ein
Kennzeichen der embryonalen Stammzellforschung, die
von den deutschen Wissenschaftlern verantwortlich be-
trieben wird, dass sie in großer Kooperation über die na-
tionalen Grenzen hinaus durchgeführt wird. Dies ist im
Rahmen der gesetzlichen Vorgaben selbstverständlich
auch hier der Fall. Wir erwarten uns von den intensiven
Kooperationen auch Erkenntnisfortschritte insgesamt.
Ich will, weil Sie Ihren Blick auch ein Stück weit auf
die Forschung gerichtet haben, an dieser Stelle betonen,
dass man, wenn man den dritten mit dem vierten Stamm-
zellbericht vergleicht, feststellen muss, dass die Frage an
Gewicht gewonnen hat, inwiefern die induzierten pluripo-
tenten Stammzellen, die sogenannten iPS-Stammzellen,
tatsächlich das gleiche Niveau, die gleichen Fertigkeiten
haben wie die humanen embryonalen Stammzellen, mit
denen wir eine ethische Problematik verbunden sehen.
Es zeichnet sich ab, dass es nicht nur technologische
Schwierigkeiten bei der Reprogrammierung gibt – je-
denfalls dann, wenn man das gleiche Niveau wie bei hu-
manen embryonalen Stammzellen erreichen will –, son-
dern die Wissenschaftler beschäftigen sich in ihren
Forschungsprojekten auch mit der Frage, ob die indu-
zierten pluripotenten Stammzellen die gleiche Sicherheit
bieten, damit sie später einmal – ich betone: später ein-
mal – therapeutisch angewandt werden können.
Eine weitere Frage, die im Kern der nationalen, aber
auch der internationalen Forschungsbemühungen steht,
lautet, ob eine reprogrammierte, eine induzierte pluripo-
tente Stammzelle tatsächlich über die gleichen funktio-
nellen Eigenschaften verfügt wie eine humane embryo-
nale Stammzelle.
Wenn Sie mir noch eine Bewertung gestatten: Die
Projekte, die im Stammzellbericht beschrieben werden,
befassen sich kaum mit der Forschung, die auf Therapie-
anwendung bezogen ist. Im Mittelpunkt steht vielmehr
die Frage, wie wir Stammzelllinien nutzen können, im
Bereich der Medikamentenentwicklung beispielsweise
im Rahmen von Wirkstoffscreenings oder pharma- bzw.
toxikologischen Tests, bei denen man die Wirksamkeit
bzw. Schädlichkeit eines Medikaments an Gewebe oder
Zellkulturen erprobt, statt dies unmittelbar am Menschen
zu tun.
Mit Blick auf die noch verfügbare Zeit und weitere an-
gemeldete Fragewünsche an die Bundesregierung schließe
ich diesen Teil jetzt. Er ist offenkundig weiterhin erläute-
rungs- und diskussionsbedürftig.
Dazu werden wir in verschiedenen Ausschüssen und Gre-
mien Gelegenheit haben, zumal zu Recht darauf aufmerk-
sam gemacht worden ist, dass sich auch der gesetzliche
Rahmen in einer eher untypisch breiten parlamentari-
schen Weise ergeben hat und wir mögliche Rollenkon-
flikte hier eigentlich am wenigsten auszutragen haben.
d
D
v
T
re
m
z
–
s
w
D
G
R
s
n
d
K
F
z
a
F
s
a
e
g
e
h
d
d
L
is
b
s
a
is
F
fr
u
n
u
u
s
d
Frau Kollegin Dağdelen hat doch gerade vorgetragen,
ie bitte um Nachsicht, wenn sie eine Frage stellen
ürde, die nichts mit der Kabinettssitzung zu tun habe.
araufhin habe ich gesagt, dazu bekomme sie sicherlich
elegenheit. Nach unserer Geschäftsordnung erfolgt die
egierungsbefragung allerdings ganz präzise nach die-
em Muster: Zunächst erfolgen Fragen zum vorgetrage-
en Bericht, dann Fragen zu möglichen anderen Themen
er Kabinettssitzung und abschließend sonstige, von der
abinettssitzung unabhängige Fragen.
Nun haben wir uns gerade davon überzeugt, dass es
ragen zu möglichen anderen Themen der Kabinettssit-
ung nicht gibt und dass wir deshalb zu anderen Fragen
n die Bundesregierung kommen können. – Bitte schön,
rau Kollegin Dağdelen.
Vielen Dank, Herr Kollege Lammert. Es kann auchein, dass es ein Missverständnis war. Ich möchte nunber zu meiner Frage kommen.Ich möchte gerne wissen, ob es heute im Kabinett auchin Gespräch zum Scheitern der Hartz-IV-Verhandlungenegeben hat. In diesem Zusammenhang möchte ich nochinmal darauf hinweisen – und diesbezüglich bitte ichier und heute um eine Stellungnahme seitens der Bun-esregierung –, welches Demokratieverständnis die Bun-esregierung an den Tag legt. Denn die Fraktion Dieinke – diese ist bekanntlich eine Anti-Hartz-IV-Partei –t von den Verhandlungsgesprächen der informellen Ar-eitsgruppe des Vermittlungsausschusses, einem gemein-amen Gremium des Bundestages und des Bundesrates,usgeschlossen worden; diese informelle Arbeitsgruppet übrigens illegal zustande gekommen.Herr Lammert, Sie haben heute den Brief meinesraktionsvorsitzenden Gregor Gysi erhalten. Ich möchteagen, was das für ein Verständnis von Demokratie istnd ob die Bundesregierung nicht auch glaubt, dass in-erhalb Deutschlands die Politikverdrossenheit wächstnd die Glaubwürdigkeit der Politik bei den Bürgerinnennd Bürgern leidet, weil seit einem Jahr kein verfas-ungskonformes Ergebnis präsentiert werden kann undie Frist abgelaufen ist.
Metadaten/Kopzeile:
9984 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Sevim Daðdelen
)
)
Sevim DağdelenEs war schließlich möglich, innerhalb einer Wocheein Bankenrettungspaket zu schnüren. Es war allerdingsnicht möglich, innerhalb eines Jahres eine verfassungs-konforme Regelung bezüglich des Existenzminimumsfür Hartz-IV-Empfänger zu treffen. Was gedenken Sieinsofern zu tun?
Zur Beantwortung der Staatsminister im Kanzleramt.
Bitte schön, Herr Kollege von Klaeden.
E
Herr Präsident! Frau Kollegin Dağdelen, es ist richtig,
in der Kabinettssitzung ist unter dem Tagesordnungs-
punkt „Verschiedenes“ auch über den aktuellen Stand
der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss zum Thema
Hartz IV gesprochen worden. Das Thema ist auch ange-
sprochen worden, als ich in meiner Funktion die Tages-
ordnung des Bundesrates und des Deutschen Bundesta-
ges vorgetragen habe.
Die Bundesregierung hat das Verfassungsgerichtsur-
teil so schnell wie möglich umgesetzt und dazu einen
entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Wie Sie wis-
sen, hat dieser im Bundesrat keine Zustimmung gefun-
den. Deswegen gibt es jetzt das Vermittlungsverfahren
zwischen dem Deutschen Bundestag und dem Bundes-
rat, bei dem die Bundesregierung lediglich Gast ist. Des-
wegen kann ich mich auch nicht im Namen der Bundes-
regierung zu den weiteren Fragen, die Sie gestellt haben,
äußern.
Ihnen ist das Verfahren vielleicht so weit geläufig,
dass Sie wissen, dass es heute möglicherweise zu einem
Beschluss im Vermittlungsausschuss kommt und dass
sich am Freitag der Deutsche Bundestag und der Bun-
desrat mit dem Ergebnis befassen. Insofern ist von unse-
rer Seite aus nicht zu 100 Prozent von einem Scheitern
des Vermittlungsversuchs auszugehen.
Was informelle Arbeitsgruppen angeht, so ist
Deutschland ein freies Land, und es steht jedem frei, sich
zu treffen und über politische Fragen zu sprechen.
Danke, Herr Präsident. – Zu meiner ersten Frage: Ich
hätte schon gerne gewusst, warum sich der Vermitt-
lungsausschuss aus den fünf Fraktionen CDU, FDP,
SPD, Grüne und Linke zusammensetzt, es der Linken
aber sozusagen über den Ausschluss aus der informellen
Arbeitsgruppe, die alle Unterlagen erarbeitet hat, ver-
weigert wird, sich demokratisch zu beteiligen und an der
Diskussion im Interesse der Bürger teilzunehmen, wes-
halb wir auch keinen Zugang zu bestimmten Unterlagen
haben. Auch wir vertreten hier eine bestimmte Wähler-
schaft. Ein Teil dieser Menschen bekommt Hartz IV, und
sie interessieren sich dafür, wie hier um das Geld ge-
schachert wurde.
m
n
d
n
g
g
N
e
n
k
b
m
s
D
g
d
s
k
s
B
e
m
b
w
D
d
m
d
ru
ü
B
lu
S
a
ie Antwort auf Ihre Frage nach der Zusammensetzung
es Vermittlungsausschusses ergibt sich aus den allge-
einen, freien und geheimen Wahlen im Bund und in
en Bundesländern.
Damit beende ich die Befragung der Bundesregie-ng.Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:Fragestunde– Drucksache 17/4638 –Ich rufe die Fragen auf Drucksache 17/4638 in derblichen Reihenfolge auf.Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich desundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwick-ng. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Andreascheuer steht zur Beantwortung bereit.Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Anton Hofreiteruf:
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9985
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
)
)
In welcher Höhe flossen nach Kenntnis der Bundesregie-rung in den Haushaltsjahren 2009 und 2010 Bundesmittel, diefür den Straßenunterhalt vorgesehen waren, in den Neu- und
Herr Staatssekretär, bitte.D
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Kollege Hofreiter, die Antwortet lautet wie folgt:
Im Jahr 2009 haben nur die Bundesländer Hessen mit
rund 6,5 Millionen Euro und Nordrhein-Westfalen mit
rund 14 Millionen Euro geringfügig Mittel des Betriebs-
dienstes umgeschichtet, und zwar aufgrund dringend
notwendiger Erhaltungsmaßnahmen und zur Beschaf-
fung von Kraftfahrzeugen und Geräten.
Sie haben eine Nachfrage, Herr Hofreiter. Bitte schön.
Kann die zweite Frage auch gleich beantwortet wer-
den, weil sie im engen Sachzusammenhang steht? Die
Nachfragen würde ich dann bündeln, so sie sich denn er-
geben.
Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Anton Hofreiter
auf:
In welcher Weise ist die Bundesregierung tätig geworden,
wenn Bundesländer in diesen beiden Haushaltsjahren Erhal-
tungsmittel in Neu- und Ausbaumittel umwidmen wollten,
und wie gedenkt sie künftig mit solchen Zielsetzungen der
Länder umzugehen?
Herr Staatssekretär.
D
Die Antwort lautet wie folgt: Auch unterstützt durch
die Konjunkturprogramme haben die Länder 2009 und
2010, ausgehend von den Bedarfsvorgaben, keine Erhal-
tungsmittel zum Neu- und Ausbau umgeschichtet. Falls
die Länder dies zukünftig anstreben, werden im Rahmen
der turnusmäßigen Abstimmungen in den Ländern der
Umfang und die Verträglichkeit eines solchen Vorgehens
mit der Verkehrssicherungspflicht und den Anforderun-
gen hinsichtlich der Erhaltung erörtert.
Herr Hofreiter.
Meine erste Nachfrage lautet, ob sich das BMVBS
wirklich ganz sicher ist. Nach zur Kenntnis gebrachten
Unterlagen – aus dem Ministerium – ist in einem der
beiden fraglichen Jahre nämlich fast eine halbe Milliarde
Euro – 490 Millionen Euro – an Erhaltungsmitteln in
Neu- und Ausbaumittel umgeschichtet worden. Dies war
insbesondere in den Bundesländern Bayern und Baden-
W
D
u
B
n
b
d
k
g
b
te
B
H
is
S
–
a
B
W
R
2
z
W
tu
Ich habe Frage 3 aufgerufen. Die Frage wird jetzt be-
ntwortet.
D
Ich beantworte die Frage wie folgt: In Baden-
ürttemberg sind im Zeitraum 2010 bis 2013 für die
efinanzierung der privat vorfinanzierten Projekte rund
28 Millionen Euro eingeplant. Das sind rund 24,3 Pro-
ent der gesamten bundesweiten Refinanzierung. Baden-
ürttemberg hat damit sowohl nominal als auch prozen-
al den größten Anteil.
Sie haben eine Nachfrage. Bitte sehr.
Metadaten/Kopzeile:
9986 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
)
)
Der Bundesrechnungshof hat gesagt, dass die private
Vorfinanzierung der Bundesfernstraßen quasi die glei-
chen Auswirkungen hat wie eine Kreditaufnahme des
Bundes. Wie steht die Bundesregierung auch mit Blick
auf die Schuldenbremse in Zukunft zur Vorfinanzierung
solcher Straßen?
D
In großer Verantwortung und auch in Absprache mit
dem BMF haben wir die verschiedenen Projekte aus den
zwei Staffeln in die Wege geleitet. In der ersten Staffel
sind es vier Projekte, von denen zwei schon abgeschlos-
sen sind. Denken Sie nur an die A 8 zwischen München
und Augsburg. Dieses Projekt haben wir in Rekordzeit
und mit positiven Erfahrungen verwirklicht.
Auch Projekte der zweiten Staffel wie der Abschnitt
Augsburg–Ulm sind in der Umsetzung. Wir führen die
Vorhaben in zwei Staffeln durch, um aus den Erfahrun-
gen zu lernen. Im zuständigen Fachausschuss haben wir
schon des Öfteren über die Vor- und Nachteile geredet.
Jede Ausschreibung wird mit den Erfahrungen aus den
vorhergehenden Projekten abgestimmt. Unser Ziel ist es,
die ÖPP-Projekte, die unter einer anderen politischen
Leitung des BMVBS in zwei Staffeln auf den Weg ge-
bracht wurden, entsprechend umzusetzen.
Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Das ist der Fall.
Bitte sehr.
Gibt es Unterschiede zwischen den ÖPP- oder PPP-
Projekten und anderen privat vorfinanzierten Projekten?
D
Man kann keinen Abschnitt und kein Projekt mit dem
anderen vergleichen. Es gibt kein standardisiertes Ver-
fahren. Beim Albaufstieg erfolgt jetzt eine neue Berech-
nung, weil die bekannten Modelle nicht passgenau sind.
Man muss auch einen privaten Partner finden, der die
Projekte umsetzt, damit durch privates Kapital neue In-
vestitionen in die Infrastruktur möglich werden.
Es gibt, wie gesagt, kein standardisiertes Verfahren.
Erstens lernen wir aus den schon laufenden Projekten,
und es wird das Ganze evaluiert.
Das Zweite ist, dass jedes Projekt in Abstimmung mit
dem Bundesrechnungshof und dem BMF erneut analy-
siert wird und demnach die Entscheidungen anhand der
passgenauen Berechnungen für das einzelne Projekt ge-
troffen werden.
Dann kommen wir zur Frage 4 der Abgeordneten Rita
Schwarzelühr-Sutter:
In welchem Ausmaß verfügt das Land Baden-Württem-
berg über bestandskräftig planfestgestellte Projekte für den
B
P
s
fe
c
v
h
e
g
e
s
d
a
s
re
B
P
d
is
s
W
W
ru
w
li
li
te
n
d
b
d
a
z
te
s
ru
V
s
H
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9987
)
Was gedenkt die Bundesregierung gegen die chroni-
sche Unterfinanzierung zu tun, die zum Beispiel in Ba-
den-Württemberg und in Bayern erkennbar ist? Wie wird
sie sich verhalten, wenn es bei den Planfeststellungsbe-
schlüssen eine weitere Beschleunigung gibt?
D
Frau Kollegin Schwarzelühr-Sutter, bei uns gibt es
immer Überlegungen, wie wir die Finanzierung der Ver-
kehrsinfrastruktur auch in Zukunft sicherstellen können.
Natürlich vertrauen wir da auch auf die Mithilfe der
SPD-Fraktion, dass sie der Koalition im Haushaltsaus-
schuss bei dem Bemühen, dem Bundesministerium für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für die nächsten
Jahre eine konstante Investitionslinie zu garantieren,
kräftig unter die Arme greift. Das haben wir mit diesem
Haushalt dank der Koalitionsbeschlüsse weitgehend er-
reichen können. Somit ist das BMVBS weiterhin das In-
vestitionsministerium des Bundes. Entsprechend diesem
Zeitplan werden wir die Projekte, die planfestgestellt
sind, verantwortungsvoll abarbeiten. Aber ich bedanke
mich jetzt schon für Ihre Mithilfe.
Wir kommen jetzt zur Frage 5 des Abgeordneten Uwe
Beckmeyer:
Welche konkreten Konsequenzen werden aus Sicht der
Bundesregierung die in dem Bericht des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zur Reform der Was-
ser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, WSV, enthalte-
nen Handlungsempfehlungen für die WSV haben?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
D
Das Konzept zur Neustrukturierung des Wasserstra-
ßennetzes wurde dem Haushaltsausschuss zugeleitet. Es
wird zur Stunde beraten.
Im Anschluss daran werden die Aufgaben und die
Personalstruktur sowie die Aufbauorganisation der WSV
der neuen Netzstruktur angepasst. Ziel ist: Ausbau, Un-
terhaltung und Betrieb von Bundeswasserstraßen mit ho-
her Verkehrsbedeutung und damit eine Priorisierung die-
ser vor Wasserstraßen mit geringer oder sogar fehlender
Verkehrsfunktion. Die Personal- und Aufbauorganisa-
tion der WSV wird daran angepasst.
Sie haben eine Nachfrage. Bitte sehr.
Frau Präsidentin, danke schön. – Sie sind nach Art. 65
des Grundgesetzes für Ihren Geschäftsbereich selbst-
ständig und eigenverantwortlich zuständig und dürfen
sich nicht hinter dem Haushaltsausschuss verstecken.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Welche Direk-
tionen und Ämter werden von einem Stellenabbau be-
tr
d
B
g
d
2
m
re
k
lä
n
d
F
h
g
v
g
m
s
k
d
w
B
B
d
h
A
e
li
z
s
M
v
b
in
Ih
h
im
S
fe
n
g
tu
Metadaten/Kopzeile:
9988 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
)
D
Durch das Modernisierungskonzept der Verwaltung
wollen wir sicherstellen, dass der Sachverstand im Haus
bleibt. Die WSV ist ein absolutes Flaggschiff, wenn es
um die Ausbildung junger Menschen geht. Wir haben in
der Vergangenheit – auch schon, als die Leitung des
Hauses von Mitgliedern Ihrer Fraktion ausgeübt wurde –
etwa 5 000 Stellen abgebaut. Wir werden die Strukturen
mit dem infrage stehenden Konzept weiter verschlanken
und damit die Schlagkraft erhöhen, sodass die Attrakti-
vität für die Mitarbeiter gesteigert wird.
Bitte schön.
Welche konkreten Maßnahmen, Herr Staatssekretär,
hat die Bundesregierung unternommen bzw. wird sie un-
ternehmen, um künftig die Abwanderung von Fachper-
sonal zu verhindern?
D
Ihre Frage deckt sich ungefähr mit der des Kollegen
Pronold.
Ich möchte die Verteilung der Planstellen nach Lauf-
bahngruppen darlegen: einfacher Dienst 3 Prozent, hö-
herer Dienst 5 Prozent, 18 Prozent gehobener Dienst.
Der Rest ist mittlerer Dienst.
Sie sehen, dass wir mit den Stellen und Planstellen
der WSV in den Laufbahngruppen rund 9 800 überwie-
gend Tarifbeschäftigte im mittleren Dienst haben, im ge-
hobenen und höheren Dienst sind es 2 800, vor allem In-
genieure, Juristen, Nautiker und Verwaltungswirte. Es ist
das Ziel der Verwaltungsreform, die Verwaltung so at-
traktiv zu gestalten, dass der Sachverstand dort gehalten
werden kann. Das war die Aufgabenstellung einer Kon-
zeptgruppe, die schon ab dem Jahr 2005 getagt hat, also
zu einer Zeit, als das BMVBS unter Ihrer Leitung stand.
Herr Herzog, bitte.
Frau Präsidentin! Bevor ich dem Staatssekretär eine
weitere Frage zu der möglichen Gefahr der Abwande-
rung von Fachkräften stelle, will ich als Abgeordneter
aus Rheinland-Pfalz und Berichterstatter für die Binnen-
wasserstraßen und die Binnenschifffahrt etwas zu der
Havarie auf dem Rhein sagen. Ich war am Freitag vor
Ort. Ich glaube, ich spreche im Namen aller Kolleginnen
und Kollegen, wenn ich den Mitarbeiterinnen und Mitar-
beitern der Wasserschifffahrtsverwaltung, aber auch de-
nen der anderen Organisationen wie Feuerwehr, Wasser-
s
B
u
s
S
a
s
n
B
s
K
te
w
D
e
d
B
d
A
tu
m
b
w
re
d
S
n
h
d
m
s
n
s
g
B
n
u
s
ti
s
ie haben an erster Stelle die Sicherheit gewährleistet,
ber auch die Interessen der Binnenschifffahrt berück-
ichtigt. Als Chemielaborant weiß ich, dass 2 400 Ton-
en hochkonzentrierte Schwefelsäure durchaus mit einer
ombe zu vergleichen sind. Darauf haben diese Men-
chen gearbeitet.
Herr Staatssekretär, Sie haben zu den Fragen meiner
ollegin, was die mögliche Abwanderung von Fachkräf-
n angeht, Stellung genommen. Nach Ihrem Konzept
ird im Osten dieses Landes nichts mehr neu gebaut.
eswegen besteht die Gefahr, dass die Neubauämter, die
s dort gibt, aufgelöst werden. Wie wollen Sie verhin-
ern, dass die Fachkräfte abwandern?
D
Herr Kollege Herzog, herzlichen Dank für dieses Lob
er Verwaltung und der Beteiligten. Es ist wichtig, deren
rbeit hervorzuheben; denn eine sachkundige Verwal-
ng ist wichtig zur Bewältigung einer Havarie. Wir
üssen diese Havarie auswerten und mögliche Havarien
ei dem Modernisierungskonzept berücksichtigen; denn
ir müssen auch nach einer Reform auf solche Havarien
agieren können und den Schutz der Bevölkerung und
er Binnenschifffahrt gewährleisten.
Der Haushaltsausschuss hat uns die Aufgabe gestellt,
trukturen zu ändern. Der Auftrag ist nicht neu, also
icht von 2010; ich möchte auf den Beschluss des Haus-
altsausschusses vom 26. Januar 2005 verweisen, in
em eine konsequente Aufgabenkritik und Prozessopti-
ierung gefordert wurden. Der Haushaltsausschuss hat
chon damals aufgrund eines Berichts des Bundesrech-
ungshofes das BMVBS aufgerufen, Modernisierungs-
chritte einzuleiten. Diese Aufgabe, die über Jahre liegen
eblieben ist, haben wir aufgrund der Erneuerung des
eschlusses des Haushaltsausschusses wieder in Angriff
ehmen müssen. Die kommende Struktur wird zentraler
nd schlanker sein.
Wir werden das Fachpersonal und damit den Sachver-
tand im Hause behalten, weil die Verwaltung an Attrak-
vität gewinnen wird.
Jetzt hat der Kollege Groß eine Nachfrage.
Können Sie etwas zur angedachten Aufgabenbe-chreibung des Wasserstraßen-Neubauamtes Datteln sa-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9989
Michael Groß
)
)
gen? Können Sie vor allen Dingen dort einen Perso-nalabbau ausschließen?D
Herr Kollege, ich habe schon bei der Antwort auf die
Frage des Kollegen Beckmeyer gesagt, dass wir uns jetzt
nicht über einzelne Ämter und Direktionen unterhalten.
Aus Respekt vor den Ausschüssen des Deutschen Bun-
destages wird zunächst einmal im Haushaltsausschuss
das Grundkonzept vorgestellt, ebenso im Verkehrsaus-
schuss, und anschließend wird eine Anhörung durchge-
führt. Wir werden noch genug Zeit haben, über einzelne
Ämter und Direktionen und deren Strukturen zu reden.
Dazu lade ich Sie herzlich ein. Sie sind ja Mitglied im
zuständigen Ausschuss.
Herr Lischka.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
ich will jetzt gar nicht nach einzelnen Ämtern fragen.
Aber wenn man den Bericht im Detail liest, wird man
zumindest die Befürchtung haben, dass in Zukunft ge-
rade an den ostdeutschen Standorten ein erheblicher Per-
sonalabbau stattfinden wird.
Können Sie uns heute diese Befürchtung ein Stück
weit nehmen? Was bedeutet das für den Standort der
Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost?
D
Ich möchte noch einmal hervorheben, dass wir die
Aufgabe gehabt haben, aus der Ableitung der Bedeutung
der einzelnen Wasserstraßen und aufgrund der entspre-
chenden Priorisierung – da wären zu nennen: Vorrang-
netz, Hauptnetz, Ergänzungsnetz, Nebennetz, Randnetz,
Wassertourismusnetz, Restwassernetz –
eine Konzeption für die Verwaltung zu erarbeiten. Das
heißt, wir gehen an die Aufgabe anders heran, als es die
Vorgänger getan haben. Wir gehen, von der Verkehrsbe-
deutung ausgehend, an die Verwaltungsstrukturen heran.
Das ist – Sie wissen das – über Jahre eine Aufgabenstel-
lung für das BMVBS gewesen. Von daher sind wir zu
dieser Priorisierung gekommen.
Über die Herangehensweise können wir diskutieren.
Sie mögen das anders sehen. Wir müssen aber realistisch
einschätzen, dass es Verkehrsbedeutungen gibt, die sich
aus dem Verkehr auf einer Wasserstraße und den dabei
bewegten Gütern ergeben. Das wird in Millionen Tonnen
pro Jahr gerechnet. Es gibt also, genauso wie bei der
Schiene oder bei der Straße, ein Kernnetz, und entspre-
chend werden die Verwaltungsstrukturen angepasst. Es
wäre völlig verfrüht, jetzt über einzelne Direktionen
oder Ämter zu reden. Vielmehr wollen wir das Konzept
zunächst den beteiligten Ausschüssen vorstellen. Da-
n
m
d
w
le
g
M
R
le
d
B
p
V
je
n
D
s
e
n
A
v
e
tu
g
h
d
s
n
d
a
A
te
n
Ih
B
v
m
w
s
m
k
Metadaten/Kopzeile:
9990 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
)
Ich möchte in diesem Zusammenhang, anschließendan die Kollegin Kumpf, noch einmal grundsätzlich aufHavarien eingehen. Denn bei der Veränderung der Was-ser- und Schifffahrtsverwaltung muss man sich auch Ge-danken darüber machen, ob die Verwaltung personellund technisch ausreichend gerüstet ist, um in solchenFällen Nothilfe zu leisten.Ich kann vermuten, was Sie mir jetzt als Antwort sa-gen: Sie müssten noch evaluieren. Dann sagen Sie miraber bitte, wann diese Evaluierung abgeschlossen ist,wann wir die Ergebnisse erhalten, damit wir sie in un-sere Beratungen mit einbeziehen können.D
Frau Kollegin Lühmann, was die aktuelle Havarie an-
geht, müssen wir erst einmal diesen Fall abschließen, be-
vor wir zu einer Auswertung kommen können.
Wenn Sie sich den Fluss anschauen, auf dem die Ha-
varie passiert ist, stellen Sie fest, dass das die wichtigste
Wasserstraße in Deutschland ist. Sie wird von der Ver-
waltungsseite her auch in Zukunft bestens abgedeckt. Es
geht sogar um eine Verstärkung der Stärken, die wir im
Wasserstraßensystem haben. Von daher können Sie ganz
beruhigt sein. Gerade die am meisten belasteten Wasser-
straßen werden von der Verwaltungsstruktur her gut ab-
gedeckt sein.
Dass wir externen Sachverstand brauchen – es gibt
Private, die schon jetzt Schleusen betreiben und vieles
mehr –, wird auch in Zukunft kein Sonderfall sein, son-
dern es wird im Infrastrukturbereich immer Realität sein,
dass man sich Private als zusätzliche Hilfe holt, auch un-
ter Optimierungsaspekten, wobei die Qualität nicht auf
der Strecke bleiben darf.
Die nächste Nachfrage kommt vom Kollegen Kahrs.
Herr Staatssekretär, im Handelsblatt von gestern gibt
es einen Artikel mit der Überschrift „Das ist Ramsauers
Abwrackkarte“. Darin steht, wie Sie wichtige Flussab-
schnitte verfallen lassen wollen und wie Sie verfügbare
Sach- und Personalressourcen auf Teile der Wasserstra-
ßeninfrastruktur konzentrieren wollen, die ein hohes
oder ein sehr hohes Verkehrsaufkommen haben. Das ha-
ben Sie eben geschildert und bestätigt.
Meine Frage ist, wie Sie denn künftig gewährleisten
wollen, dass es dann, wenn Personal aus weiter Entfer-
nung anreisen soll, nicht zu unnötigem Zeitverlust und
zu einer Überlastung der Einsatzkräfte kommt. Das kann
natürlich gerade bei solch extremen Gefahrensituationen
von Bedeutung sein, wenn man es zeitlich gar nicht
schaffen kann.
D
Herr Kollege Kahrs, Sie waren als Berichterstatter für
den Verkehrsausschuss in alle Diskussionen um die Re-
fo
h
M
U
d
d
z
W
Z
ß
v
k
s
w
g
m
H
te
B
li
w
s
d
v
d
a
w
N
e
u
s
v
V
n
a
g
B
P
O
d
S
s
a
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9991
)
wenn wir einen Auftrag an Private vergeben. Das heißt,wir werden auch an dieser Stelle, bei der Vergabe an Pri-vate, wozu wir durch die Reform ja noch mehr angehal-ten werden, gemäß der Aufgabenkritik zu Verbesserun-gen kommen, vor allem die Aufgaben so definieren, dasses eine Partnerschaft aus Verwaltung und Privaten gibt.Aus diesen Erfahrungen werden wir natürlich bei derAufgabenkritik unsere Schlüsse ziehen.
Herr Kahrs, Sie haben eine weitere Nachfrage. Bitte
schön.
In dem Beschluss des Haushaltsausschusses, der eben
erfolgt ist, schreiben Sie, dass Sie von einer Auftragsver-
waltung zu einer Gewährleistungsverwaltung kommen
wollen, das heißt, deutlich mehr privatisieren wollen.
Dem haben CDU/CSU, FDP und die Grünen zuge-
stimmt. Demnach glauben Sie also, dass Private künftig
kostengünstiger, qualitativ hochwertiger, schneller und
zuverlässiger diese Aufgaben erledigen können als Ihre
eigene Verwaltung. Ich würde dazu gerne noch einen
Kommentar von Ihnen hören; denn Sie sind ja schließ-
lich die Spitze des Hauses, das Sie hier selber kritisieren.
D
Herr Kollege Kahrs, zunächst einmal: Die Spitze des
Hauses ist Bundesminister Dr. Ramsauer, dem ich sehr
gerne zuarbeite. Das Zweite ist: Die Grünen haben heute
im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
ähnlich wie bei Fragen der Bahn die Koalition insofern
unterstützt, als es unsere Aufgabe ist, Belastungsspitzen,
die sich gerade bei Neubauten ergeben, in der Form ab-
zufedern, dass zusätzlich zu der in der Verwaltung vor-
gehaltenen Sachkompetenz Externe für einen überschau-
baren Zeitraum herangezogen werden. Damit fallen
geringere Fixkosten an, als wenn ein Apparat vorgehal-
ten werden müsste, der auf Spitzenbelastungen ausgelegt
ist. Das ist doch selbstverständlich. Beim Straßenbau
und bei der Schiene machen wir es ja genauso. Auch bei
der Wasserstraßenverwaltung ist es natürlich unsere
Pflicht, dann, wenn es zu Belastungsspitzen in Bezug auf
Bauausführung und Planung kommt, externen Rat hin-
zuzuholen. Das wird vor allen Dingen dann der Fall sein,
wenn es um Elbvertiefung, Weservertiefung, Maßnah-
men beim Nord-Ostsee-Kanal und ähnliche Dinge geht.
Zur Erfüllung dieser Aufgaben, die uns ordentlich bin-
den, brauchen wir externen Sachverstand.
Herr Beckmeyer.
Herr Staatssekretär, über die Wasser- und Schiff-
fahrtsverwaltung wurde in den letzten Jahren schon sehr
v
ja
d
n
P
W
B
a
la
a
S
h
lu
S
te
h
D
W
d
le
F
N
a
s
k
B
a
b
d
ti
s
G
m
Ic
in
L
a
g
ö
w
c
re
h nenne zum Beispiel die Aufgaben, die im Zuge destensiven Bürger- und vor allem Expertendialogs imenkungsausschuss und in der Monitoringgruppe etc.uf uns zugekommen sind. Hier mussten Zusatzbohrun-en vorgenommen und Gutachten erstellt werden, diekologische Fragen untersuchen. Das alles wird nichteniger. Die Großprojekte werden immer umfangrei-her. Auch ist gewünscht, einen breiten Dialog zu füh-n.
Metadaten/Kopzeile:
9992 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Parl. Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer
)
)
Wenn die Verfahren immer komplizierter, die Gutach-ten immer umfangreicher, die Anforderungen für dieseGroßprojekte an Ingenieure und Planer immer mehr, diePlanstellen aber immer weniger werden, dann muss mansich natürlich externen Rat hinzuholen. Das macht nichtnur die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, sondern dasgibt es auch bei der Straße und bei der Schiene. Der Do-nau-Ausbau ist ein prädestiniertes Beispiel dafür, dassdie Anforderungen für die Verwaltung so immens stei-gen, dass sie externen Sachverstand braucht.
Entschuldigung, Herr Pronold, Sie sind jetzt nicht
mehr dran, sondern Ihre Kollegin Frau Schwarzelühr-
Sutter.
– Auch das geht nicht.
Frau Kollegin, Ihre Nachfrage, bitte schön.
Ich möchte an Ihre Ausführungen anknüpfen. Sie ha-
ben gerade Beschreibungen in Hülle und Fülle abgege-
ben, welche Aufgaben auf die WSV zukommen. Geden-
ken Sie, Externe zu holen, oder planen Sie eine
Aufstockung des Personals der WSV für Ausschreibun-
gen, Nachtragsmanagement, Auftragsbegleitung, Ab-
nahmen und Nachbesserungen? Wenn Sie Externe hin-
zunehmen: In welchem Verhältnis stehen dann Externe
und Interne vom WSV?
D
Frau Kollegin Schwarzelühr-Sutter, in diesen kompli-
zierten Abläufen ist es unser Ziel, eine Investitionsbün-
delungsstelle zu errichten – das haben wir in dem Be-
richt geschrieben –, um die Abläufe viel effektiver zu
machen, auch wenn sie kompliziert sind. Bei Schleusen,
Brücken und Wehren, bei denen wir große Instandhal-
tungsaufgaben haben, werden wir natürlich externen
Sachverstand brauchen. Das Ziel ist – da haben Sie den
Bericht und die Aufgabenstellung aus dem Haushalts-
ausschuss scheinbar missinterpretiert –, die Verwaltung,
die jetzt noch aus rund 15 000 Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern besteht – 13 000 im harten Kern –, nach
dem Abbau der Planstellen, der schon seit Jahren läuft,
weiter zu verschlanken. Wir müssen Aufgaben auch ex-
tern vergeben, wobei damit natürlich eine gute Aufga-
benkritik und -bewertung einhergeht.
Wenn es zu Nachträgen kommt, Herr Kollege
Pronold, dann wird das von den Stellen, beispielsweise
von der Investitionsbündelungsstelle, abgefragt, genau
angeschaut und analysiert.
Herr Groß.
A
s
F
s
u
g
P
a
B
s
c
b
s
W
tu
li
u
a
d
w
d
c
h
ß
tr
h
lu
v
s
Ü
s
m
g
in
b
s
s
a
fo
v
V
c
w
ie Abwehr von Gefahren für den Zustand der Bundes-
asserstraßen, den Schiffsverkehr sowie von Gefahren,
ie von der Schifffahrt ausgehen, also Verkehrsüberwa-
hung, Verkehrslenkung und Havariemanagement. Hierzu
aben wir 39 Wasser- und Schifffahrtsämter in 141 Au-
enbezirken, Bauhöfen sowie Revier- und Verkehrszen-
alen, 7 Neubauämter und viele Sonder- und Fachstellen.
Das sind die umfangreichen Aufgaben, die die WSV
at. Von daher müssen wir jetzt durch die Aufgabenstel-
ng eine Zweckkritik machen. Ein Konzept haben wir
orgestellt. Die Vergabe an Externe werden wir sehr
orgsam machen. Das ist unsere Aufgabenstellung, im
brigen seit Jahren. Ich betone noch einmal: Die politi-
che Hausleitung setzt jetzt die Bitten aus dem Parla-
ent endlich um.
Herr Herzog hat die letzte Nachfrage zu dieser Frage.
Herr Staatssekretär, vielen Dank, dass Sie die wichti-en Aufgaben der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung,sbesondere im Bereich der Sicherheit, so ausführlicheschrieben haben. Meine Frage bitte ich nicht mit tau-end Prozent Ministerium, sondern mit 100 Prozent ge-undem Menschenverstand zu beantworten. Können Sieusschließen, dass mit der insbesondere von der FDP ge-rderten Vergabepolitik, die vorsieht, möglichst alles zuergeben, auch entsprechende Fachkompetenz aus dererwaltung abwandert, die Sie spätestens in einem sol-hen Katastrophenfall, wie wir ihn an der Loreley haben,ieder brauchen?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9993
)
)
D
Herr Kollege Herzog, ich habe die Reformbemühun-
gen der Koalition, aber vor allem der Kolleginnen und
Kollegen der FDP-Fraktion nicht so verstanden, dass zu
150 Prozent alles nach außen vergeben und privatisiert
werden muss. Vielmehr werden wir nach dieser Reform
eine schlagkräftige, modernisierte Verwaltung haben, die
natürlich, so wie jetzt auch, den externen Sachverstand
von Privaten zur Abwicklung der Aufgaben braucht.
Ich möchte noch einmal auf das Modernisierungskon-
zept und dessen Ziele Bezug nehmen. Die verkehrspoliti-
schen Anforderungen, zumindest in Bezug auf die Wasser-
straßen mit hohem Verkehrsaufkommen, müssen erfüllt
werden. Die Aufträge aus dem Koalitionsvertrag für die
laufende Legislaturperiode, nach denen die WSV für wei-
tere Aufgaben – Wassertourismus, Naturschutz, Umwelt-
schutz, Hochwasserschutz – eingesetzt werden soll, müs-
sen umgesetzt werden, um die Fachkompetenz der WSV
langfristig zu sichern und die Effizienz zu steigern. In die-
sem Sinne wird diese Reform umgesetzt.
Jetzt kommen wir zur Frage 7 des Kollegen Pronold:
Wird die Bundesregierung weitere Schritte unternehmen,
um die WSV in eine Gewährleistungsverwaltung umzustruk-
turieren, wie dies in dem Antrag der Koalitionsfraktionen der
CDU/CSU und FDP im Haushaltsausschuss des Deutschen
Bundestages vom 27. Oktober 2010 formuliert ist?
D
Herr Kollege Pronold, aufgrund der Personaleinspa-
rungen seit 1993 in Höhe von circa 5 000 Planstellen ver-
gibt die WSV bereits heute zahlreiche Aufgaben an Dritte.
Im Jahre 2009 lag das Vergabevolumen einschließlich der
Konjunkturprogramme bei 1,08 Milliarden Euro. Weitere
Personaleinsparungen aufgrund der Haushaltskonsolidie-
rung werden dazu führen, dass auch weitere Aufgaben
vergeben werden müssen. Basierend auf der neuen Netz-
struktur werden allerdings die vergabefähigen und verga-
bewürdigen Aufgaben der WSV neu definiert.
Herr Pronold, eine Nachfrage? – Bitte schön.
Genau auf die Konkretisierung der zukünftigen Auf-
gaben, die in die Gewährleistungsverwaltung übergehen
sollen, richtet sich meine Nachfrage. An welche konkre-
ten Aufgaben denkt die Bundesregierung dabei?
D
Wir sind momentan mit der Analyse der Struktur und
den dazu notwendigen Reformschritten beschäftigt. Ich
habe Ihnen die Aufgabenstellungen genannt. Dazu ge-
hört Effizienzsteigerung, aber auch, das Fachwissen in
der Verwaltung zu behalten. Es wird einen Kernaufga-
benbereich geben. Dazu hat es auch ein Gutachten gege-
b
g
–
a
w
s
d
v
s
s
m
B
b
B
fe
s
h
A
ü
v
B
p
e
le
z
D
s
v
Die Umsetzung der Kernaufgaben wird in einem Gut-
chten geklärt – Entschuldigung, das habe ich falsch
iedergegeben –, wo noch fehlende Fragen zu klären
ind. Mit diesem Kernaufgabengutachten werden Sie
en Katalog bekommen, in dem steht, was nach außen
ergeben wird und was bei der Verwaltung bleibt.
Herr Pronold, Sie haben eine weitere Nachfrage.
Erstens glaube ich, dass „fehlende Fragen“ sehr
chwer zu klären sind, Herr Staatssekretär; denn wenn
ie fehlen, sind sie nicht gestellt worden, und dann kann
an sie auch nicht klären.
D
Danke, Herr Kollege Pronold, für die Belehrung; ich
in sehr dankbar dafür.
Bitte. Ich versuche, mich Ihrem Stil anzupassen.
D
Wunderbar.
Mich – und wahrscheinlich auch die staunende Öf-
ntlichkeit – würde aber interessieren, ob Sie neben den
ehr allgemeinen Ausführungen, die Sie gerade gemacht
aben, auch konkrete Beispiele nennen können, welche
ufgaben zukünftig in die Gewährleistungsverwaltung
bergehen sollen bzw., um das deutlich zu machen, pri-
atisiert werden könnten.
D
Kollege Pronold, im Rahmen des Modernisierungs-
rozesses wird ein Produktkatalog mit Produktgruppen
ntwickelt, dem zu entnehmen ist, wofür die Gewähr-
istungsverwaltung bzw. die Durchführungsverwaltung
uständig ist. Das wird aufgabenbezogen konkretisiert.
amit ist auch die Frage beantwortet, was Kerngruppen
ind, was in der Verwaltung bleibt und was nach außen
ergeben werden kann.
Frau Schwarzelühr-Sutter, bitte.
Metadaten/Kopzeile:
9994 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
)
)
Herr Staatssekretär, inwieweit spiegelt die Äußerung
des verkehrspolitischen Sprechers der FDP-Fraktion,
dass es sich bei der WSV um „eine extrem große Ver-
waltung für relativ wenig Verkehrsgeschehen“ handelt,
die Haltung der Bundesregierung wider?
D
Die Wasserstraßen bilden eine wichtige Säule im ver-
kehrsträgerübergreifenden Ansatz des Bundesministe-
riums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Der ver-
kehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion hat, so wie
ich ihn verstehe, die Wasser- und Schifffahrt mit anderen
Verkehrsträgern verglichen. Damit wollte er nicht die
Wasserstraßen in Misskredit bringen, sondern darauf
hinweisen, dass wir ein Kernnetz haben, das für den Lo-
gistikweltmeister Deutschland äußerst wichtig ist. Sein
Vergleich dürfte auf die Tonnenkilometern bzw. die be-
förderten Tonnen der verschiedenen Verkehrsträger ver-
weisen. Er steht damit nicht im Widerspruch zum Bun-
desministerium.
Die FDP-Fraktion hat des Öfteren bewiesen, wie
wichtig ihr die Wasserstraßen sind. Ich glaube, dass Sie
die Haltung der FDP-Fraktion mit dem Zitat, das Sie
wiedergegeben haben, verkürzt darstellen; denn die
Überlegungen der FDP-Fraktion zum Modernisierungs-
prozess gehen sehr weit.
Wenn man in einer Bürgerversammlung darauf hin-
weist, dass allein in der WSV rund 15 000 Stellen beste-
hen, dann – so stelle ich es fest – atmen viele durch und
fragen: Was wird denn da gemacht? Dann muss man da-
rüber aufklären, wie umfangreich die Aufgaben der WSV
sind und wie kompetent sie ausgeführt werden. Es steht
aber außer Frage, dass wir einen Modernisierungs- und
Reformprozess in Angriff nehmen müssen.
Herr Behrens.
Herr Staatssekretär, Sie erzählen sehr viel darüber, wie
die Gewährleistungsverwaltung aussehen soll. Dabei ha-
ben Sie allerdings noch nicht erwähnt, dass beispiels-
weise in Ihrer Antwort an den Bundesrechnungshof be-
richtet wird: Aufgaben bei Betrieb und Unterhaltung
werden seit 2008 vergeben und nicht mehr von der WSV
durchgeführt; alle Aufgaben an Wasserstraßen mit gerin-
ger Transportfunktion werden an Dritte vergeben. Bun-
deswasserstraßen mit großer Verkehrsfunktion werden
begutachtet; anhand von Kernaufgabengutachten wird
entschieden, welche Aufgaben vergeben werden. – Daran
schließt sich meine Frage an: Was bleibt denn als Auf-
gabe einer Gewährleistungsverwaltung übrig, wenn die
genannten Bereiche gar nicht mehr Bestandteil der tägli-
chen Arbeit der WSV sein werden?
Sie haben einen weiteren konkreten Punkt aus dem
Bericht erwähnt, nämlich dass das Personal der WSV bis
2020 auf jeden Fall um 20 Prozent reduziert wird. Für
mich ist es wichtig, zu wissen: Wie sieht die Wasser- und
Schifffahrtsverwaltung künftig aus, wenn all die Maß-
n
d
B
s
k
s
fr
S
lu
li
E
n
k
d
k
h
H
d
k
h
d
a
s
im
H
B
n
fü
A
k
z
p
K
s
ic
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9995
)
tor von Dresden nach Hamburg fahre, der 120 Tonnenwiegt und somit nicht über die Straße transportiert wer-den kann, dessen Wert aber den von Kies um ein Vielfa-ches übersteigt. Sie beziehen sich nur auf die Masse.Deswegen meine Frage: Sind Sie bereit, über Alternati-ven nachzudenken? Könnten Sie sich vielleicht vorstel-len, die Wertschöpfung oder den Wert des Gutes in dieBerechnung einzubeziehen, oder wollen Sie bei der Ton-nage bleiben?D
Wir haben bei den anderen Verkehrsträgern die Pro-
gnose für 2025 darauf angelegt; das ist vergleichbar mit
der Wasserstraße. Lassen Sie sie mich noch einmal vor-
stellen: Vorrangwasserstraßen im Küstenbereich: Ver-
kehrsaufkommen größer 50 Millionen Tonnen pro Jahr;
Hauptwasserstraßen: Verkehrsaufkommen größer 5 Mil-
lionen Tonnen im Jahr; bedeutender Fährverkehr oder sons-
tige Wasserstraßen – wohlgemerkt im Küstenbereich –: ge-
ringe oder ohne Bedeutung für den Gütertransport. Das
ist nur der Küstenbereich. – Für die Binnenwasserstraßen
haben wir quantifiziert: das Vorrangnetz mit 10 Millionen
Tonnen pro Jahr, das Hauptnetz größer 5 Millionen Ton-
nen, das Ergänzungsnetz größer 3 Millionen Tonnen, das
Nebennetz größer 1 Million Tonnen. Dann geht es in die
Unterkategorien.
Aus meiner Sicht haben wir mit den Tonnenkilome-
tern gerade für die Schifffahrt einen wichtigen Indikator.
Wir werden die Kritik natürlich aufnehmen; gestern
habe ich bei der Podiumsdiskussion der fünf norddeut-
schen Länder genau dieselbe Kritik gehört. Das BMVBS
erwartet diesbezüglich von den einzelnen Regierungen
noch Stellungnahmen. Wir stehen erst am Anfang dieses
Diskussionsprozesses.
Herr Herzog, Sie haben noch eine weitere Nachfrage?
Ja.
Bitte schön.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben angesprochen,
welche Auswirkungen Ihre Planung auf welche Bereiche
unseres Landes hat. Ramsauers Abwrackkarte zeigt ein
interessantes Farbenspiel: Im Osten sind die Strecken
insbesondere schwarz-grün und blau markiert. Das heißt,
Sie koppeln den Osten ab. Deswegen meine Nachfrage:
Sind Sie bereit, Projektverkehre in Ihre Überlegungen
einzubeziehen?
D
Wie Sie das Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung kennen, sind wir für konstruktive Vor-
schläge immer offen.
D
m
k
N
T
g
li
d
z
m
ru
e
Ih
h
B
te
n
ri
s
N
d
F
le
W
n
B
T
lu
g
e
d
h
d
e
g
v
s
e
u
b
in
a
d
u
Metadaten/Kopzeile:
9996 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
)
vorne und hinten nicht reicht. Dass der Etat nicht großgenug ist, wissen wir. Es wird weiter gesagt, dass mannur in bestimmten Bereichen etwas tun müsse. Ihr Kol-lege, Staatssekretär Scheurle, hat im Haushaltsausschussgesagt, dass man zum Beispiel die Lahn an die Bundes-länder abgeben könne. Dann müssten die sich darumkümmern. Beim Teltowkanal ist es ähnlich. Es gibt vielesolcher Geschichten.In dem Artikel im Handelsblatt steht, dass der Bun-desverband der Deutschen Binnenschiffahrt befürchtet,dass die Infrastruktur östlich von Braunschweig demVerfall preisgegeben wird. Hier wird über die Elbe ge-sprochen, die den Anlagenbauern aus Sachsen-Anhalt,Sachsen und Thüringen als Transportweg nicht mehr zurVerfügung stehen soll. Wenn Sie sich den Faktor Wert-schöpfung ansehen, stellen Sie natürlich fest, dass dieElbe auf ihrem Weg zur Nordsee eine unterschiedlicheWertschöpfung ermöglicht. Gleichzeitig gibt es aber dasZiel der Bundesregierung und Ihres Ministers, der im-mer wieder sagt: Wir wollen möglichst viel Verkehr vonder Straße auf die Schiene und die Wasserwege umlei-ten. Wie stehen Sie zu der Aussage Ihres Ministers vordem Hintergrund dieser Äußerungen zur Wertschöp-fung?D
Herr Kollege Kahrs, ich möchte die Antwort mit einer
Vorbemerkung einleiten. Zur Vorbereitung der Untersu-
chungen zur Ämterstruktur wurde auf Grundlage der Ge-
meinsamen Vereinbarung vom 8. August 2005 zwischen
dem Ministerium und den Gewerkschaften eine Arbeits-
gruppe eingerichtet. Die Arbeitsgruppe hatte unter ande-
rem den Auftrag, verbindliche Leitlinien für die Ge-
schäftsprozessoptimierung in der WSV, verbindliche
Obergrenzen für die Vergabe an Dritte, Haltelinien usw.
zu erarbeiten. Das heißt, diese ganze Reformdiskussion
ist nicht neu.
Wir haben jetzt die Kategorisierung vorgenommen.
Das ist die gleiche Diskussion wie bei den Straßen. Im
Rahmen der Föderalismuskommission haben wir Bun-
desstraßen, die parallel zu Bundesautobahnen verlaufen,
an die Bundesländer abgegeben. Ich halte das nicht für
verwerflich. Das ist sogar eine Chance für die Bundes-
länder, die Infrastruktur im Bereich der Wasserwege, ge-
rade bei nachrangigen Flüssen, besser zu nutzen.
Ich meine zum Beispiel die Tourismuswasserstraßen, die
auf diesem Wege besser für das Marketing genutzt wer-
den können. Das ist eine Chance.
Zusammen mit der Wasser- und Schifffahrtsverwal-
tung werden wir uns Kategorisierungen überlegen, wel-
che Wasserstraßen man an Bundesländer oder Private
abgeben kann. Das heißt aber auch, dass wir im Zusam-
menhang mit den anstehenden Investitionen äußerst
sorgsam mit den Vorrangwasserstraßen umzugehen ha-
ben. Diese Kategorisierung erlaubt uns, das übergeord-
n
z
ic
–
V
M
G
D
F
le
g
D
h
d
n
b
is
ri
to
S
z
s
m
v
te
–
e
n
le
Die Vorbemerkung bezog sich auf die Gemeinsame
ereinbarung zwischen der Gewerkschaft und dem
inisterium sowie auf die Arbeitsgruppe.
Sie haben gleich während der Sitzungsunterbrechung
elegenheit, diesen Dialog fortzusetzen.
Jetzt folgt eine Nachfrage des Kollegen Beckmeyer.
anach lasse ich keine weiteren Nachfragen zu dieser
rage zu, weil wir dann die Sitzung unterbrechen wol-
n.
Bitte schön, Herr Beckmeyer.
Herr Staatssekretär, ich habe gerade gelernt, dass Sie
anze Flüsse oder Wasserstraßen an Private abgeben.
as ist etwas ganz Neues.
Sie haben eine Kategorisierung vorgenommen – das
aben Sie gerade ausgeführt –, ohne dass Verbände, Län-
er oder wer auch immer angehört wurden. Ihnen wurde
icht Gelegenheit gegeben, ihren Sachverstand einzu-
ringen. Ich frage noch einmal ganz konkret nach. Hier
t von Kollegen festgestellt worden, dass Ihrer Katego-
sierung nur die Menge zugrunde liegt, also die Jahres-
nnage auf den Flüssen. Dabei ist es egal, ob es um
and, Pkws, Maschinen oder sonst etwas geht. Bei Ihnen
ählt zurzeit nur die Menge, nichts weiter. Weil vorhin
chon darauf hingewiesen worden ist, frage ich noch ein-
al bewusst nach, ob nicht auch andere Kriterien für In-
estitionen in Bundeswasserstraßen sinnvoll sein könn-
n, weil zukünftige Entwicklungen – –
Wie bitte?
In erster Linie hat jetzt Herr Beckmeyer das Wort, um
ine Frage an den Herrn Staatssekretär stellen zu kön-
en.
So ist das. Ich möchte gern meine Frage zu Ende stel-n, auch wenn es dem Kollegen Kammer nicht passt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9997
Uwe Beckmeyer
)
)
Gibt es aus Ihrer Sicht weitere Kriterien, die bei derKategorisierung von Wasserstraßen sinnvoll sein könn-ten?D
Kollege Beckmeyer, ich beziehe mich auf die Ant-
wort, die ich Kollegen Herzog gegeben habe. Ich glaube,
mehr ist dem nicht hinzuzufügen.
Jetzt unterbreche ich die Sitzung für eine Fraktionssit-
zung der Fraktion Die Linke bis 16.35 Uhr. Dann setzen
wir die Fragestunde fort.
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich bedanke mich bei Frau Keul, dass sie als Schrift-
führerin einspringt und hier so lange ausharrt, bis die
Schriftführerin der Linken wieder da ist.
Wir fahren mit der Fragestunde fort.
Ich will kurz darauf hinweisen, dass wir die Frage 16
der Kollegin Lühmann zu den zusätzlichen Aufgaben für
die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes nach
vorn ziehen werden, damit wir einen Komplex haben.
Jetzt kommen wir zunächst zur Frage 9 des Kollegen
Lischka:
Welche konkreten Schritte zur Erhebung streckenbezoge-
ner Nutzungsentgelte für die Bundeswasserstraßen und die
seewärtigen Hafenzufahrten plant die Bundesregierung vor
dem Hintergrund der Diskussion um eine Reform der WSV?
D
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Danke an die Fraktion Die Linke für die kleine
Pause.
Herr Kollege Lischka, ich beantworte Ihre Frage 9 zu
den Nutzungsentgelten wie folgt: Keine.
Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte schön.
Ja. Bei dieser kurzen Antwort muss ich natürlich
nachfragen. – Wenn ich in den Koalitionsvertrag zwi-
schen Union und FDP schaue, dann stelle ich fest, dass
dort von verkehrsträgerbezogenen Finanzierungskreis-
läufen die Rede ist. Bedeutet Ihre kurze und knappe Ant-
wort, dass diese Überlegungen für die Zukunft ad acta
gelegt wurden?
B
z
n
k
g
B
k
M
m
Ü
B
e
„
lo
d
B
li
tü
fe
E
A
g
le
n
it einem Wort zu antworten –: Es gibt keine weiteren
berlegungen und damit auch keine konkreten Schritte.
Wir kommen zu Frage 10 des Kollegen Groß:
Arbeitet die Bundesregierung an einem Konzept zu einer
reinen Nutzerfinanzierung für die deutschen Wasserstraßen,
und wie sollen diese Maßnahmen im Detail umgesetzt wer-
den?
D
Die Antwort ist: Nein.
Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte.
Da die Antworten immer kürzer werden, habe ich
ine Nachfrage.
Die Süddeutsche Zeitung vom 27. Januar schreibt:
Weil sie zu viel kosten, will der Bund Wasserstraßen
swerden.“ Wie hoch ist der aktuelle Finanzierungsbe-
arf für die Bundeswasserstraßen?
D
Sie wissen, dass wir im Haushaltsjahr 2011 900 Mil-onen Euro für die Bundeswasserstraßen vorsehen. Na-rlich werden in 2011 auch wichtige Maßnahmen plan-stgestellt; wir rechnen mit den Maßnahmen an derlbe und an der Weser.Diese Maßnahmen binden uns in den Investitionen.llerdings sind wir mit der Investitionslinie momentanut ausgelastet. Das heißt, die Investitionen sind in dentzten Jahren angestiegen. Mit 900 Millionen Euro kön-en wir den Betrieb sicherstellen. Der Finanzierungsbe-
Metadaten/Kopzeile:
9998 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Parl. Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer
)
)
darf ist wie im Straßenbereich sehr hoch, weil es um sehrgroße Projekte geht. Die konkrete Zahl der Verfahren,die jetzt abgeschlossenen sind, kann ich Ihnen nachrei-chen.Ich möchte die Randnotiz machen, dass wir in 2011noch sehr große Projekte abwarten und vor allem auchmit Baurecht versehen. Insofern müssen wir noch da-rüber diskutieren, wie wir die Finanzausstattung für dieGroßprojekte gestalten und wie wir diese Großprojektezeitlich ablaufen lassen. Ich werde Ihnen die Zahlen derbestandkräftigen bzw. mit Baurecht versehenen Maß-nahmen, die momentan bei uns vorliegen, nachreichen.
Die Frage 11 der Kollegin Ulrike Gottschalck wird
schriftlich beantwortet.
Wir kommen daher zu Frage 12 der Kollegin Kumpf.
D
Sie wollten die Frage 16 vorziehen, Frau Präsidentin,
oder?
Sie haben recht, vielen Dank.
Wir kommen somit zu Frage 16 der Kollegin
Lühmann:
Wie beabsichtigt die Bundesregierung angesichts des Be-
richts des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundes-
tages zur Reform der WSV die im Koalitionsvertrag zwischen
CDU, CSU und FDP festgelegten zusätzlichen Aufgaben für
die WSV – Wassertourismus, Natur- und Umweltschutz,
Hochwasserschutz – zu integieren, insbesondere angesichts
der Tatsache, dass diese Aufgaben zurzeit teilweise in Länder-
bzw. kommunaler Zuständigkeit liegen?
D
Die Antwort lautet wie folgt: Zurzeit wird im Auftrag
des Deutschen Bundestages eine Studie über die Zukunft
des Wassertourismus gefertigt; wir haben heute einen
Antrag dazu im Ausschuss gehabt. Die zurzeit noch
nicht vorliegenden Ergebnisse werden in das Moderni-
sierungskonzept integriert, weil wir diese Wasserstraßen
in die Kategorie „Tourismuswasserstraße“ aufgenom-
men haben. Bereits heute nimmt die WSV als Eigentü-
merin der Bundeswasserstraßen vielfältige Aufgaben des
Natur- und Umweltschutzes und der Wasserwirtschaft
wahr, auch wenn sie als Verkehrsverwaltung hierfür
nicht hoheitlich zuständig ist.
Die neue Netzstruktur konzentriert die verkehrsbezo-
gene Verwaltung der Bundeswasserstraßen auf solche
mit hohem Verkehrsaufkommen. Wasserstraßen mit ge-
ringem Verkehrsaufkommen oder gar gänzlich fehlender
Verkehrsfunktion sollen gegebenenfalls in enger Ab-
stimmung mit den zuständigen Landesbehörden so rena-
tuiert werden.
d
A
B
B
b
e
b
a
d
w
d
d
B
z
n
N
s
W
s
U
w
ri
m
m
s
b
w
g
s
s
d
c
E
n
d
n
fa
v
s
s
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 9999
)
D
Frau Kollegin Lühmann, ich will der Auswertung ei-
ner Untersuchung nicht vorgreifen. Wir werden das aus-
arbeiten.
Sie bringen hier Ihre eigene Meinung in das Plenum
ein, dass diese Untersuchung nichts bringt. Wir sind an-
derer Auffassung. Wir werden diese Auswertung durch-
führen und damit die auf das Modernisierungskonzept
der WSV abgestimmten Ableitungen vornehmen.
Ich rufe die Frage 12 der Kollegin Ute Kumpf auf:
Gehört der gesamte Ausbau der 27 Neckarschleusen zwi-
schen Mannheim und Plochingen, wie er von der letzten Bun-
desregierung im Investitionsrahmenplan zugesichert wurde,
zu den laufenden Investitionsprojekten, oder wird die Bundes-
regierung den Ausbau der Neckarschleusen südlich von Heil-
bronn aufgrund einer Zuteilung dieses Streckenabschnittes
zum Ergänzungs- und Nebennetz aufgeben?
D
Frau Kollegin Kumpf, erst im Anschluss an die Bera-
tungen des Verkehrs- und des Haushaltsausschusses wer-
den die Wasserstraßen bzw. Wasserstraßenteile der
neuen Netzkategorie zugeordnet. Also wäre es verfrüht,
Ergebnisse über den Neckar zu referieren.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Opti-
mierung von Anlagen, also zum Beispiel eine Schleu-
senverlängerung, im Rahmen notwendiger Ersatzmaß-
nahmen auch in Netzteilen zulässig bleibt, die nicht der
höchsten Kategorie zugeordnet werden.
Frau Kumpf, Sie haben eine Nachfrage. Bitte sehr.
Das war eine wunderbare, klar schwammige Antwort.
Ich will ein bisschen einfacher und plastischer nachfra-
gen.
Nachdem Sie das in irgendeiner Art und Weise und
sehr nebulös nicht zum Kernnetz, sondern zum Randnetz
gemacht haben: Heißt das vielleicht, dass Sie überlegen,
diesen Abschnitt zukünftig als Daimler-River zu verkau-
fen? Sie haben vorher ja gesagt, dass Sie auch darüber
nachdenken, Schifffahrtslinien und -strecken zu privati-
sieren. Ist das eine Möglichkeit?
Wenn dieses schöne Netz nicht ausgebaut wird, wer-
den zum Beispiel 290 000 Lastwagen auf der Straße
sein, weil sich das große Unternehmen mit einem blin-
kenden Stern darauf verlassen hat, dieses Netz nutzen zu
können, um seine Motoren zukünftig auf längeren Schif-
fen über Mannheim nach Rotterdam zu transportieren.
Das würde natürlich auch eine wahnsinnige Entlastung
für die Straße bedeuten, was die Unternehmen in Baden-
W
K
w
s
b
n
V
s
s
p
a
B
a
je
g
e
2
z
k
H
R
O
G
d
o
In
z
H
li
H
g
w
s
fü
ß
tr
In
g
g
m
a
g
n
g
sofern ist er nicht anzusprechen, weil er nicht als Fra-
esteller das Wort hat.
Sie haben eine zweite Nachfrage, Frau Kumpf.
Ich habe noch eine Nachfrage zu Ihren Unterlagen. Esibt so viele Rand-, Neben- und Kernnetze. Vielleichtuss ich Sie nach Stuttgart einladen. Wir könnten dasuch gemeinsam mit der Kollegin Roth und dem Kolle-en Grübel machen, um Ihnen zu zeigen, dass Stuttgarticht Heilbronn ist und dass der ganze Neckar bis Stutt-art als Nebennetz kartiert ist. Vielleicht haben Sie in
Metadaten/Kopzeile:
10000 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Ute Kumpf
)
)
Bayern die schwäbische Karte nicht so genau studiert.Da kann man vielleicht ein bisschen Nachhilfe geben.Deswegen noch einmal: In Ihren Unterlagen ist er alsNebennetz kartiert. Meine Frage an Sie ist, ob Sie sichmit den Zuständigen in der leistungsstarken RegionStuttgart – es gibt nicht nur Heilbronn, sondern auchStuttgart – in Verbindung gesetzt haben, und vor allemmit den Unternehmen, die auf das Wassernetz als Trans-portträger setzen. Das wäre sicherlich hilfreich.Der erste Punkt ist also meine Einladung an Sie, unddann kommt meine Frage, ob Sie mit den Menschen re-den.D
Frau Kumpf, ich komme gerne zu Ihnen. Das habe ich
auch heute schon in einem anderen Zusammenhang im
Ausschuss gesagt. Bei den ganzen Terminen, die Sie mir
schon angeboten haben, wird das allerdings ein Mam-
muttag.
Ich komme herzlich gerne, aber natürlich nur in Verbin-
dung mit den zuständigen CDU/CSU- und FDP-Kolle-
gen. Dann machen wir eine kleine Gesprächsrunde.
Sie können mich gerne einladen, aber ich war ohnehin
schon vor einigen Tagen in der Region und habe Gesprä-
che mit der IHK und vielen anderen geführt. Die Aus-
sage bleibt bestehen, dass wir um die Verkehrsbedeutung
des Neckars wissen und ein Ausbaukonzept erstellen.
Sie kennen aber auch die verschiedenen Planungsstände
der einzelnen Schleusen und vieles mehr. Die Kollegin
Roth hat die Frage 13 vorgelegt, bei der es um einen
ähnlichen Sachzusammenhang geht.
Ich kann definitiv sagen, dass uns die Neckarschleu-
sen auch für die politischen Mandatsträger, die in den letz-
ten Jahren dafür gekämpft haben, äußerst wichtig sind.
Dann kommen wir jetzt zu Frage 13 der Kollegin
Karin Roth:
Beabsichtigt die Bundesregierung, den mit der Landes-
regierung Baden-Württemberg geschlossenen Vertrag zur
Neckarschleusenverlängerung von Mannheim bis Plochingen
zu kündigen und dabei die bereits eingesetzten Personalkosten
zu erstatten?
D
Danke, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin Roth, die
Antwort auf die Frage ist: Zurzeit gibt es keinen Anlass,
mit dem Land Baden-Württemberg über eine vorzeitige
Beendigung des Vertrags zu verhandeln – das deckt sich
auch mit der vorhergehenden Antwort zur Frage von
Frau Kumpf –, denn wir messen den Neckarschleusen
eine hohe Bedeutung bei.
Sie haben eine Nachfrage, Frau Roth. Bitte sehr.
S
u
g
w
d
–
c
ti
w
w
b
a
d
te
n
s
z
d
z
ru
s
n
s
B
s
d
n
k
s
la
w
Ih
u
b
h
s
w
R
avon ausgehen, dass das, was Sie in den Regionen er-
ählen, zutrifft, das heißt, dass die Schleusenverlänge-
ng von 110 Meter auf 135 Meter bei allen 27 Schleu-
en erfolgt, und zwar entsprechend dem Vertrag in den
ächsten 15 Jahren Modernisierung und Sanierung zu-
ammen?
D
Frau Kollegin Roth, da Sie eine erfahrene Staats-
ekretärskollegin a. D. sind, möchte ich unterstreichen,
ass die christlich-liberale Koalition mit ihren Vertretern
atürlich zu den Aussagen in der Region steht. Ich
önnte jetzt viel zu dem sagen, was Sie uns alles an Ver-
prechen und an internationalen Verpflichtungen hinter-
ssen haben, die uns finanziell äußerst stark fordern
erden. Das werde ich an dieser Stelle nicht machen. Zu
rer Zeit ist man eher leichtfertig mit solchen Zusagen
mgegangen.
Sie zitieren den Oberbürgermeister der Stadt Heil-
ronn und stellen es so dar, als hätte ich das gesagt. Ich
abe gesagt, dass uns die Neckarschleusen sehr wichtig
ind und dass das Ausbaukonzept auch abgearbeitet
ird – nicht mehr und nicht weniger.
Haben Sie eine zweite Nachfrage? – Bitte schön, Frauoth.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 10001
)
)
Wir wollen ja konkret sein. Es ist eine erste baureife
Schleuse in Baden-Württemberg vorhanden. Die Schleuse
Feudenheim könnte sofort auf 135 Meter verlängert wer-
den. Meine Frage ist: Wann ist der Baubeginn?
D
Die Gesamtsumme der Investitionen am Neckar be-
laufen sich auf 635,4 Millionen Euro. Wir werden uns
im Rahmen der Diskussion um das Modernisierungskon-
zept der WSV die Neubauinvestitionen und die Erhal-
tungsinvestitionen genau ansehen. Das heißt, der Bau-
plan mit den konkreten Daten für diese Investitionen
liegt mir noch nicht vor. Dieser wird im Rahmen dieses
Modernisierungskonzeptes erstellt werden.
Jetzt rufe ich die Frage 14 der Kollegin Karin Roth
auf:
In welcher Höhe wurden bereits Ingenieurleistungen für
den Neckarausbau vergeben, und in welcher Relation stehen
diese zu den geplanten Gesamtinvestitionen von voraussicht-
lich 150 Millionen Euro?
D
Für die Grundinstandsetzung und/oder Verlängerung
von insgesamt 15 Schleusenkammern hat das Amt für
Neckarausbau Mitte 2010 Ingenieurleistungen in Höhe
von 26,5 Millionen Euro beauftragt. Diese Leistungen
umfassen im Wesentlichen alle Leistungsphasen der
HOAI. Für die Ingenieurleistungen sowie die Baugrund-
aufschluss- und Betonuntersuchungen wurden in den
Jahren 2009 und 2010 3,4 Millionen Euro verausgabt.
Sie haben eine Nachfrage, Frau Roth. Bitte sehr.
Herr Staatssekretär Scheuer, kann ich davon ausge-
hen, dass alle Vergaben, die jetzt gemacht worden sind,
auch realisiert werden?
D
Frau Kollegin Roth, ich habe gerade gesagt, dass wir
Verpflichtungen von nahezu 30 Millionen Euro für Leis-
tungen eingegangen sind. Wir planen ja nicht ins Blaue
hinein, sondern wir vergeben diese Leistungen, weil wir
ein Ergebnis erzielen wollen, um dann den Bau zu reali-
sieren. Von daher betone ich, es sind Verpflichtungen in
Höhe von 26,5 Millionen Euro für Ingenieurleistungen
und von 3,4 Millionen Euro für die anderen Leistungen
in 2009 und 2010 eingegangen worden.
Sie haben keine weitere Nachfrage.
J
B
s
re
v
b
d
d
z
n
E
s
B
E
n
N
B
s
b
ti
R
P
N
re
m
s
Die Auslastung der Logistikzentren ist äußerst wich-
g. Wie ich zuvor der Kollegin Kumpf und der Kollegin
oth gesagt habe, vergibt die Bundesregierung weiterhin
lanungsleistungen und hat das Ausbaukonzept für den
eckar Priorität.
Herr Juratovic, noch eine Frage?
Ich habe keine weitere Frage.
Sie haben keine weitere Frage.Die Frage 16 der Kollegin Kirsten Lühmann ist be-its beantwortet.Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-inisteriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-icherheit. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parla-
Metadaten/Kopzeile:
10002 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
)
)
mentarische Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser zurVerfügung.Ich rufe die Frage 17 der Kollegin Sabine Stüber auf:Welches sind die Gründe dafür, dass es bisher noch keinebundesweite Vereinheitlichung der Hochwasserwarnstufengibt?Bitte, Frau Staatssekretärin.Ur
Sehr geehrte Kollegin Stüber, wie Sie wissen, liegt
der Hochwasserschutz in der Zuständigkeit der Länder.
Für den Fall eines Hochwassers existieren in Deutsch-
land mit Blick auf dessen Bewältigung verschiedene
Meldestufen, Warnstufen oder Alarmstufen, um die not-
wendigen Schritte zur Vorbereitung bzw. Abwicklung
eines derartigen Ereignisses für alle Beteiligten und zu-
ständigen Behörden sowie vor allen Dingen für die be-
troffenen Bürgerinnen und Bürger zu strukturieren und
zu organisieren. Für jede Stufe ist sehr genau geregelt,
welche Behörden und anderen Akteure, beispielsweise
das Technische Hilfswerk oder die Feuerwehr, im Ereig-
nisfall im jeweils betroffenen Flusseinzugsgebiet verant-
wortlich sind und welche fachlichen und organisatori-
schen Verpflichtungen ihnen obliegen. Dies kann in den
einzelnen Ländern bei den jeweiligen Stufen unter-
schiedlich sein; darauf zielt Ihre Frage ab.
Sollte ein Bundesland eine andere Festlegung zu Be-
nennung, Anzahl und Verantwortlichkeiten zu einzelnen
Stufen getroffen haben, sind in der Regel Besonderhei-
ten in einzelnen Regionen oder Flusseinzugsgebieten ein
Grund dafür oder schlichtweg eine unterschiedliche Ge-
setzgebung, die dem in den einzelnen Ländern zugrunde
liegt, oder auch, dass die Begrifflichkeiten im Laufe der
Jahre historisch gewachsen sind. Entscheidend im Fall
eines Hochwassers ist letztendlich aber die länder- und
einzugsgebietsübergreifende Koordinierung aller Schritte
zur Bewältigung des Ereignisses.
Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie haben gesagt, dass es unter-
schiedliche Warn- und Alarmstufen gibt. Irgendwann wird
auch der Bund informiert. Wissen Sie sofort, wenn Sie
beispielsweise die Meldung bekommen, dass Warnstufe 3
in Thüringen – ich weiß nicht genau, wie es heißt –
Ur
Es heißt Alarmstufe 3 in Thüringen.
– und Alarmstufe 3 in Brandenburg gilt, was das be-
deutet?
B
s
B
s
re
w
S
B
s
ri
ti
g
e
v
M
la
w
h
a
g
g
F
e
F
fu
g
g
P
u
a
B
s
u
a
fo
s
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 10003
)
wasservorhersagezentralen Rhein, Elbe, Main und Odereingesetzt.
Sie haben eine Nachfrage? – Bitte schön.
Danke schön, Frau Präsidentin. – Gibt es generell Ge-
spräche mit den einzelnen Bundesländern, sämtliche
Hochwasserwarnstufen zu synchronisieren, um eine Ver-
einfachung in der allgemeinen Wahrnehmung herbeizu-
führen?
Ur
Kollegin Stüber, ich habe vorhin schon einmal gesagt:
Der Hochwasserschutz liegt generell in der Zuständig-
keit der Bundesländer. Wir sehen hier keinen Ände-
rungsbedarf, weil er bei uns gut funktioniert.
Was das Vorwarnsystem WAVOS angeht, habe ich
vorhin schon einiges erläutert. Die Bundesländer wissen
schon, wie sie mit ihren Flüssen umzugehen haben. Die
Flüsse sind nun einmal sehr unterschiedlich. Ich glaube,
was für die Elbe gilt, gilt nicht für den Main oder den
Rhein und umgekehrt. Daher ist es durchaus nachvoll-
ziehbar, warum wir nicht zu einer absoluten Vereinheitli-
chung kommen können.
Sie haben keine weitere Nachfrage.
– Wir hatten verabredet, dass wir wegen der Unterbre-
chung nur noch die Nachfragen der Fragestellerinnen
bzw. Fragesteller zulassen. Dafür bitte ich um Verständ-
nis.
Ich stelle fest, dass die Fragen 19 und 20 des Kolle-
gen Ott und die Fragen 21 und 22 der Kollegin Kotting-
Uhl schriftlich beantwortet werden.
Frau Kofler – Fragen 23 und 24 – und Frau Vogt
– Frage 25 – sind nicht anwesend. Dasselbe gilt für den
Kollegen Bülow – Fragen 26 und 27. Es wird in diesen
Fällen verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgese-
hen.
Ich rufe die Frage 28 des Kollegen Dr. Miersch auf:
Wie kann die Bundesregierung ausschließen, dass die Mit-
gliedschaft der drei Atomkraftwerksbetreiber Eon, Vattenfall
und EnBW im TÜV Süd e. V., der wiederum circa drei Viertel
der Aktienanteile an der TÜV Süd AG hält, zu möglichen In-
teressenkonflikten bei der sicherheitstechnischen Überprü-
fung von kerntechnischen Anlagen bzw. der folgenden Be-
wertung der Prüfergebnisse durch den TÜV Süd führt?
Frau Staatssekretärin.
B
s
K
m
n
d
g
z
v
E
d
d
tr
d
O
B
p
s
F
d
B
F
a
d
fe
B
s
d
d
d
h
a
fe
a
ü
F
g
g
T
h
d
d
g
s
v
fe
Metadaten/Kopzeile:
10004 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
)
und den Sachverständigen. Wie ich Ihnen anhand der ge-samten Struktur – Empfehlungen der sachverständigenAufsichtsbehörde des Landes, Bund als Aufsicht überdie Aufsichtsbehörden, in diesem Fall plus Hinzuziehender Reaktor-Sicherheitskommission, also weiterer Sach-verständiger – aufgezeigt habe, haben wir ein sehr um-fangreiches System.
Haben Sie noch eine Nachfrage, Herr Miersch?
Ja.
Bitte sehr.
Nun sind Sie meiner Frage, ob Sie meine Auffassung
teilen, dass es zumindest Ansatzpunkte geben könnte,
die an der Objektivität zweifeln lassen, ein wenig ausge-
wichen.
Ich will in diesem Zusammenhang fragen: Welche
Rolle spielten die Feststellungen des TÜV Süd für die
Einschätzung des Bundesumweltministeriums bezüg-
lich Grafenrheinfeld?
Ur
Ich wiederhole: Der TÜV Süd hat seine Empfehlun-
gen und seine Vorschläge an das Land Bayern abgege-
ben. Mit dem Land Bayern haben wir uns im Austausch
befunden.
Wir haben außerdem gesagt: Wir ziehen die Reaktor-
Sicherheitskommission zusätzlich hinzu, sodass deren
Sachverständige den Vorgang ebenfalls beurteilen. Alle
gemeinsam sind wir zu dem Schluss gekommen, dass
das Kernkraftwerk und insbesondere der vermeintlich
vorhandene Riss – wir wissen ja nicht, ob es einen gibt;
wir wissen nur, dass es ein entsprechendes Ultraschallsi-
gnal gegeben hat – bei der Revision genauer betrachtet
wird und dass, wenn ich es richtig in Erinnerung habe,
das Rohr ausgetauscht wird.
Wir kommen jetzt zu Frage 29 des Kollegen Miersch:
Ist der Bundesregierung jemals Kritik an der Qualität oder
der Vorwurf der mangelnden Objektivität bei der Arbeit der
sicherheitstechnischen Überprüfung von kerntechnischen An-
lagen bzw. der folgenden Bewertung der Prüfergebnisse durch
den TÜV Süd zu Ohren gekommen, und, wenn ja, wie hat die
Bundesregierung darauf reagiert?
Ur
Angesichts der umfassenden Diskussion von wichti-
gen Sachverständigenaussagen im Bereich der kerntech-
nischen Anlagen stehen vermeintliche oder tatsächliche
Qualitätsmängel von Gutachten in einzelnen Fällen im-
mer wieder einmal zur Debatte. Die Bundesregierung
s
z
S
S
b
S
s
n
B
s
im
k
a
R
k
M
s
d
s
e
k
w
u
A
fa
d
s
m
B
s
O
D
w
S
A
s
b
U
n
e
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 10005
)
Vielen Dank. – Die Fragen 30 und 31 des Kollegen
Dirk Becker werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 32 des Kollegen Kurth:
Inwiefern besteht für die Bundesregierung in Anbetracht
neuester Entwicklungen im sogenannten PCB-Skandal in
Dortmund weiterhin keine Veranlassung, weiter gehende
Maßnahmen als die Unterrichtung der Behörden in Deutsch-
land, in Europa und in Übersee über den aktuellen Stand der
Ermittlungen durch das Regierungspräsidium Arnsberg zu er-
– obwohl ein zur Gruppe der massiv PCB-Belasteten zählen-
der, jahrzehntelang Beschäftigter der Firma Envio AG Ende
Zeugen im derzeitigen Ermittlungsverfahren vereinzelt Perso-
desregierung aufgrund ihrer größeren Durchsetzungskraft im
Vergleich zum Regierungspräsidium Arnsberg Letzteres dahin
gehend unterstützen, weltweit Behörden und infrage kom-
mende Geschäftspartner der Firma Envio AG über den Stand
der hiesigen Ermittlungen zu unterrichten?
Ur
Die Bundesregierung hat auf Anregung des Landes
Nordrhein-Westfalen ein Informationsschreiben zur ge-
genwärtigen Situation der PCB-Entsorgung bei der
Firma Envio in Dortmund an die Globale Umweltfazili-
tät – ich verwende im Weiteren die Abkürzung „GEF“ –
gesandt. Die GEF ist ein internationaler Mechanismus
zur Finanzierung von Umweltschutzprojekten in Ent-
wicklungsländern. Sie unterstützt unter anderem Maß-
nahmen zur Zerstörung und Entsorgung von bestimmten
langlebigen organischen Schadstoffen wie PCB im Rah-
men der Stockholmer Konvention.
Die GEF wird in dem Schreiben gebeten, auch die für
die Durchführung von GEF-Projekten zuständigen Orga-
nisationen, also Weltbank, UNDP, UNEP usw., über die
Situation bei Envio zu informieren. In dem Schreiben
wird auf die massiven Bodenkontaminierungen und die
Verstöße gegen betriebliche Umwelt- und Sicherheits-
standards bei der Firma Envio hingewiesen, weshalb die
Firma weiter geschlossen bleibe. Weiterhin wird vor-
sorglich darauf hingewiesen, dass die Firma Envio in ih-
rem Geschäftsbericht angekündigt hat, ihr internationa-
les Geschäft in der PCB-Entsorgung auszudehnen. Die
Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die GEF und
die umsetzenden Institutionen sowie deren Vertragspart-
ner bei ihren Operationen international hohe Umwelt-
standards einhalten. Es wurde außerdem darum gebeten,
die Informationen zum Fall Envio an die Institutionen
weiterzuleiten, die GEF-Projekte umsetzen.
Herr Kurth, Sie haben eine Nachfrage. Bitte schön.
Frau Staatssekretärin, die Bundesrepublik Deutsch-
land hat nach einem mir vorliegenden Vermerk des Lan-
desumweltministeriums Nordrhein-Westfalen in den
v
P
E
ra
L
s
g
B
s
–
B
m
rh
d
d
u
b
B
s
m
w
B
s
g
B
s
J
s
b
E
c
m
d
s
s
g
g
S
Metadaten/Kopzeile:
10006 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
)
Herr Kurth, die zweite Zusatzfrage.
Wie beurteilt die Bundesregierung die Vorwürfe ge-
genüber dem von deutscher Seite für den Import von
PCB-haltigem Müll aus Kasachstan verantwortlichen
Geschäftsmann, Herrn Boris Meckler, und seiner Firma
Juwenta, wonach dieser sich aufgrund eines Korrup-
tionsverdachtes in Kasachstan nach Süddeutschland ab-
gesetzt haben soll? Über welche Firma wickelt die
Bundesregierung gegebenenfalls künftig solche Schad-
stoffentsorgungen ab?
Ur
Ich muss ehrlich sagen, dass ich Ihnen diese Frage
schriftlich beantworten werde. Ich habe dazu zwar noch
umfangreiches Material, aber ich möchte Ihre Frage kor-
rekt beantworten. Sie bekommen dann morgen die
schriftliche Antwort. Können wir so verfahren?
Das halten wir so fest. – Herzlichen Dank.
Wir kommen zur Frage 33 des Kollegen Kurth:
Inwiefern wird die Firma Envio AG nach Ansicht der
Bundesregierung der Verpflichtung aus der Stockholmer Kon-
vention gerecht, wonach die Unterzeichner die besten verfüg-
baren Techniken und die besten Umweltschutzpraktiken ein-
setzen müssen, um PCB als eine der weltweit geächteten
Stoffgruppen dauerhaft unschädlich zu machen, und welche
Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus ihrer Einschät-
zung?
Bitte, Frau Staatssekretärin.
Ur
Nach Auffassung der Bundesregierung ist, sofern sich
die Vorwürfe hinsichtlich des nicht zulassungskonfor-
men Betriebs der Anlage und der damit verbundenen
Verstöße der Firma Envio gegen die Rechtsvorschriften
und Auflagen des Umwelt- und Arbeitsschutzes bestäti-
gen, davon auszugehen, dass die Firma Envio den Ver-
pflichtungen der Stockholmer Konvention bzw. des ein-
schlägigen nationalen Rechts nicht gerecht wurde. Die
Anlage der Firma Envio zur Behandlung von PCB-halti-
gen Abfällen in Dortmund wurde im Mai 2010 von der
zuständigen Vollzugsbehörde des Landes Nordrhein-
Westfalen stillgelegt, und es wurde ein staatsanwalt-
schaftliches Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Die Zuständigkeit bezüglich des Vollzugs des Um-
weltrechts liegt nach der verfassungsmäßigen Ordnung
der Bundesrepublik Deutschland ausschließlich bei den
Ländern. Die Bundesregierung sieht in diesem Kontext
keine Veranlassung, weiter gehende Maßnahmen über
die von Nordrhein-Westfalen bereits eingeleiteten hinaus
zu ergreifen.
n
D
b
tä
g
W
n
m
B
s
tu
G
z
d
–
fe
ro
Ic
re
h
s
L
A
rh
d
w
s
c
g
M
K
w
re
„
B
c
s
u
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 10007
Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser
)
)
– Ja, das wissen auch Sie, Herr Kurth. Ich kann mirschon vorstellen, dass es in Ihrem Interesse wäre, daraufeinzugehen. – Die kasachische Seite hat bislang abernoch kein Interesse bekundet, auf diese Form von Bera-tung zurückzugreifen.
Danke, Frau Staatssekretärin. – Wir kommen nun
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bil-
dung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Parla-
mentarische Staatssekretär Thomas Rachel zur Verfü-
gung.
Ich rufe die Frage 34 des Kollegen Krischer auf:
Wie im Detail – Bau-, Personal-, sonstige Betriebskosten
usw. – schlüsseln sich die vom Vorstandsvorsitzenden des
Forschungszentrums Jülich, Professor Dr. Achim Bachem,
30 Jahre hinausgehenden Zwischenlagerung der 152 Castoren
mit hochradioaktiven Brennelementekugeln in Jülich – Zitat
Professor Dr. Achim Bachem: „40 Millionen kostet ein neues
Gebäude. Und 180 Millionen würden wir weiter aufwenden
müssen für Wachpersonal und alles, was an Sicherheitsvor-
kehrungen nötig ist.“ – auf, und wie hoch sind zurzeit die jähr-
lichen Betriebskosten des bis 2036 genehmigten Brennele-
mentezwischenlagers Ahaus?
Bitte, Herr Staatssekretär.
T
Frau Präsidentin, ich wünsche Ihnen erst einmal eine
gute Stimme.
Danke.
T
Herr Kollege Krischer, auf Ihre Frage möchte ich Ih-
nen Folgendes antworten: Eine erste Kostenschätzung
für die Sitzung des Aufsichtsrats des Forschungszen-
trums Jülich am 18. November 2008 ergab Investitions-
kosten in Höhe von rund 40 Millionen Euro für ein
Lager am Standort Jülich. Zusätzlich zu diesen Investi-
tionskosten fallen bei einem Verbleib am Standort Jülich
pro Jahr durchschnittlich 6 Millionen Euro an laufenden
Kosten an. Wenn man eine Lagerdauer von 30 Jahren
berechnet, kommt man auf einen entsprechenden Betrag.
Dieser Betrag muss insbesondere für die Objektsiche-
rung, die wiederkehrenden technischen Prüfungen, den
Lagerbetrieb, den Strahlenschutz und die Umgebungs-
überwachung aufgewendet werden. Hierfür werden der-
zeit 4,7 Millionen Euro pro Jahr aufgewendet. Wenn
man eine durchschnittliche Preissteigerungsrate von
1,5 Prozent pro Jahr zugrunde legen würde, würde dieser
Betrag für das dreißigste Jahr der Lagerung bis auf
7,3 Millionen Euro anwachsen. In der Summe ergibt
sich damit für eine weitere Lagerung der AVR-Brennele-
m
n
te
m
B
a
s
d
d
d
P
s
H
M
Z
s
fa
V
li
s
A
li
d
s
s
V
g
s
T
c
s
la
ic
w
in
u
v
e
z
ru
o
Metadaten/Kopzeile:
10008 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
)
T
Zunächst möchte ich Ihnen ausdrücklich bestätigen,
dass die Antwort der Bundesregierung bezüglich der
700 000 Euro weiterhin den Fakten entspricht.
Die Antwort auf die zweite Frage möchte ich Ihnen
gerne schriftlich nachreichen. Denn – wenn ich mir diese
generelle Bemerkung auch zu Ihrer ersten Frage erlau-
ben darf – man muss sehen, dass, je konkreter die ver-
schiedenen Optionen sind, auch die Kostenkalkulationen
konkreter werden. Bei einem Neubau beispielsweise,
wie ihn die Landesregierung erwägt, müssten die Bedin-
gungen und Kriterien, die das Bundesamt für Strahlen-
schutz in diesem Fall auferlegen wird, Grundlage einer
konkreten Kostenkalkulation sein. Da diese natürlich
nicht vorlagen, schon gar nicht bei den Überlegungen im
Rahmen der damaligen Aufsichtsratssitzungen, kann die
Kostenkalkulation logischerweise erst danach erfolgen.
Danke, Herr Staatssekretär.
Die Fragen 35 bis 58 – das betrifft die übrigen Fragen
des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums für Bil-
dung und Forschung sowie die Geschäftsbereiche des
Auswärtigen Amtes, des Bundesministeriums des Innern
und des Bundesministeriums der Finanzen – werden
schriftlich beantwortet.
In den verbleibenden vier Minuten kommen wir zum
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Technologie. Zur Beantwortung der Fragen war mir
der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto
angezeigt. – Ist die Zuständigkeit zu einem anderen Mit-
glied der Bundesregierung gewechselt? Könnte ich bitte
ein Zeichen bekommen?
– Die Bundesregierung gibt sicherlich ein Zeichen, wie
wir das jetzt lösen können und auf welche Art und Weise
die Fragen des Kollegen Bollmann beantwortet wer-
den. – Gut, dann schlage ich vor, dass wir zur Kenntnis
nehmen, dass die Fragen des Kollegen Bollmann und ge-
gebenenfalls die Frage der Kollegin Vogt nicht münd-
lich, aber sicherlich in aller Ausführlichkeit schriftlich
beantwortet werden. – Ich sehe keine Anträge auf Her-
beiholung des Staatssekretärs für die verbleibenden drei
Minuten.
Die übrigen Fragen werden dann ebenfalls gemäß der
Geschäftsordnung schriftlich beantwortet.
Damit beende ich die Fragestunde.
Ich rufe nun den Zusatzpunkt 2 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
der FDP
K
H
d
m
F
te
N
d
z
S
m
d
s
k
S
b
A
e
s
P
v
H
m
c
te
–
d
s
te
s
s
K
a
Während die Zahl politisch motivierter Gewaltstrafta-n aus dem rechten Spektrum – auf einem viel zu hoheniveau – insgesamt rückläufig ist, zeichnet sich ab, dassie Zahl der Gewaltdelikte aus der linken Szene deutlichunimmt. Laut Verfassungsschutzbericht haben wir eineteigerung von über 59 Prozent im Jahr 2009 erlebenüssen. Daher begrüße ich es ausdrücklich, dass die Bun-esregierung die Sicherheitsbehörden angewiesen hat,ich künftig verstärkt auch um die linksextreme Szene zuümmern und dem Linksextremismus unter anderem mitchulungsprojekten entgegenzuwirken.
Eine Demokratie darf ihren Feinden gegenüber nichtlind sein, weder auf dem rechten noch auf dem linkenuge. Gewalt darf nie als Mittel der politischen Aus-inandersetzung akzeptiert werden. Zu diesem gesell-chaftspolitischen Konsens rufe ich alle demokratischenarteien in diesem Hause, aber auch unsere gesamte Zi-ilgesellschaft auf.
Wir hatten zur Zeit der Großen Koalition hier imause einen Konsens bei der Verurteilung rechtsextre-er Straftaten. Ich bedauere zutiefst, dass es einen sol-hen Konsens offensichtlich bei linksextremen Strafta-n nicht gibt.
Herr Wieland, das sage ich Ihnen gleich. – Gerade iner Stadt Berlin, in der nicht Sie, Herr Wieland, regieren,ondern ein roter Senat unter Beteiligung der Linkspar-i, wird das Versagen im Kampf gegen linke Gewalt be-onders deutlich.
Die Liebigstraße 14 steht symbolisch für die stetigteigende Gewalt von Linksextremen in dieser Stadt.
riminelle, die unter dem Deckmantel der vermeintlichlternativen Wohnform Rechtsbruch begehen und an den
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 10009
Kai Wegner
)
)
Grundfesten unserer rechtsstaatlichen Ordnung rütteln,wollen rechtsfreie Räume durchsetzen und nehmen da-bei schwere, ja sogar lebensbedrohliche Verletzungenvon Polizistinnen und Polizisten in Kauf. Dem muss derRechtsstaat mit Entschlossenheit entgegentreten.
Der Berliner Senat sowie SPD und Linke sind beimUmgang mit diesen Vorgängen tief gespalten.
– Doch! – Vertreter der Linken sympathisieren offen mitder Hausbesetzerszene. Sie schlagen sich auf die Seitederer, die erworbenes Eigentum in Schutt und Asche le-gen, nämlich auf die Seite der Hausbesetzer. Lieber HerrLiebich, ich habe des Öfteren relativ wenig Verständnisfür die Aussagen der Bundesvorsitzenden Ihrer Partei,Gesine Lötzsch. Wenn sich Frau Lötzsch nun auf dieSeite der Hausbesetzer stellt
und, nachdem die rot-rote Landesregierung die Räu-mung dieses Hauses veranlasst hat, erklärt, dass sie denPolizeieinsatz bedauert, dann ist das ein politisch fal-sches Verhalten.
Ich glaube: Es ist nicht zu bedauern, dass die PolizeiRecht durchgesetzt hat. Vielmehr ist es zu bedauern,dass es viel zu viele verletzte Polizistinnen und Polizis-ten gab; die Beamten und ihre Familien sind zu bedau-ern, nicht die Straftäter, die ein Haus besetzt haben.
Die Ausschreitungen im gesamten Stadtgebiet und auchin anderen Städten der Republik sind zu bedauern. DieSteuerzahler sind ebenfalls zu bedauern; denn sie müs-sen die Kosten tragen, die durch die sinnlosen Gewaltex-zesse einiger Krimineller entstanden sind.
Herr Wieland, auch die Rolle der Grünen muss hinter-fragt werden. Die Gewerkschaft der Polizei sagt, HerrStröbele trage „eine Mitverantwortung für diese Gewalt-ausbrüche“. Das hat nicht die CDU/CSU oder die FDPgesagt, sondern die Gewerkschaft der Polizei. Der grüneBezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg,Franz Schulz, sympathisiert offen mit den Krawallma-chern und kritisiert das Vorgehen der Polizei. Er müsstees doch besser wissen, denn er wird von Linksextremenin der Stadt bedroht und benötigt den Schutz der Polizei.Hier zeigen sich die zwei Gesichter der Grünen. Ja,Herr Wieland, es gab viele Grüne, deren Worte sehr ver-nünftig waren
uDhGzgGIculiRHwwPkssgHzSsedNaFw
Berlin ist eine moderne und vielfältige, eine liberalend tolerante Stadt. Dafür steht Berlin; das zeichnet Ber-n aus. Aber auch in Berlin müssen Sicherheit undecht durchgesetzt werden. Auch das gehört zu einerauptstadt.
Kollege Wegner, achten Sie bitte auf die Zeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Die Menschen er-
arten Freiheit und Sicherheit. Um diese Güter zu ge-
ährleisten, sind unsere Polizistinnen und Polizisten da.
Zum Abschluss möchte ich mich ganz herzlich bei den
olizistinnen und Polizisten für ihren besonnenen und
onsequenten Einsatz bedanken. Lieber Herr Ströbele,
ie tragen keine Schuld an der Eskalation. Sie haben kon-
equent und besonnen gehandelt. Hierfür gilt ihnen unser
anz besonderer Dank.
erzlichen Dank der Berliner Polizei und den Unterstüt-
ungskräften.
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Gunkel für die
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ange-ichts der letzten Worte meines Vorredners musste ichin wenig darüber schmunzeln, dass hier ausdrücklichem Kollegen Ströbele für sein Wirken gedankt wird.
ichtsdestotrotz verwundert und erstaunt es mich, dassusgerechnet vonseiten der CDU/CSU-Fraktion und derDP zu diesem Thema eine Aktuelle Stunde anberaumtorden ist.
Metadaten/Kopzeile:
10010 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Wolfgang Gunkel
)
)
Weil Sie jetzt so schön dazwischenrufen: Man kannvor Wahlen natürlich immer ein bisschen Politikklamaukbetreiben. Immerhin stehen einige Wahlen an. Es ist abergrundverkehrt, diese Situation zum jetzigen Zeitpunktdazu auszunutzen, den Links- und Rechtsextremismusals eine Gefahr für Deutschland zu skizzieren.Zur Rechtslage möchte ich zunächst Folgendes sagen:Weder handelt es sich bei „Liebig 14“ um ein besetztesHaus
noch war es eine Maßnahme, die von der Polizei initiiertworden ist. Es ging stattdessen darum, dass in einemehemals besetzten Haus die Wohnverhältnisse durchMietverträge legalisiert worden waren. Wer in die Berli-ner Geschichte zurückblickt, der weiß, dass nach eini-gem Hin und Her in den 80er-Jahren – die „Berliner Li-nie“ hatte für sozialen Frieden gesorgt – etwa Mitte der1990er-Jahre die Häuser legalisiert wurden; das heißt,die dort lebenden Menschen haben Mietverträge bekom-men und seitdem legal dort gewohnt.Auslöser für den aktuellen Konflikt war eine Streitig-keit mit dem neuen Vermieter, der das Haus im Jahr1999 gekauft hat. Gegen die Mietersituation im Haus ister zunächst mit Umbauten vorgegangen und hat darauf-hin ein Gerichtsverfahren in die Wege geleitet. Dadurchwollte er erreichen, dass die Leute das Haus verlassensollten. Dieser Rechtsstreit zog sich bis vor kurzem hin.Ein Gericht hat dann eine Entscheidung gefällt und einenvollstreckbaren Titel erteilt. Diesen Titel hatte ein Ge-richtsvollzieher umzusetzen. So ist das nun einmal in un-serer Rechtsordnung. Jeder, der die Situation vor Ortkennt, weiß, dass der arme Mann natürlich nicht alleinedort hingehen konnte; darum wurde durch die PolizeiVollzugshilfe geleistet.
– Er kann das wohl kaum leisten, weil die Leute dasHaus nicht freiwillig verlassen wollen.
– Nein, das Haus ist nach wie vor nicht besetzt; dieLeute sind nach wie vor Mieter. Sie müssen aber auf-grund des Räumungstitels das Haus räumen. Die Polizeihat also Amtshilfe bzw. in diesem Fall Vollzugshilfe ge-leistet und die entsprechenden Maßnahmen getroffen.Weil Sie so schön dazwischenrufen: Sie können an-hand dieses hervorragend vorbereiteten, durchgeführtensowie nachbereiteten Einsatzes der Berliner Polizei ler-nen, wie man verhältnismäßig vorgeht. Das gilt insbe-sondere im Hinblick auf Ihr Auftreten bei Stuttgart 21.
Da wurde gegen friedliche Bürger, Kinder, Studentenund andere mit Maßnahmen vorgegangen, die zur Er-blindung eines Menschen geführt haben. Hier sind ganzassgglidduSuIcddsmHdFdliEn–StilaDs
Sie wollen dem Volk doch nur erzählen, im Berlinerenat sei niemand in der Lage, die öffentliche Sicherheitnd Ordnung zu gewährleisten.
h muss Sie doch sehr bitten! Für wie dumm halten Sieenn die Anwesenden?
Der Berliner Senat hat in ganz konkreten Vorgabenargelegt – auch die Linkspartei hat sich dem ange-chlossen –, die Angelegenheit werde so friedlich wieöglich gelöst. Genau das ist auch geschehen.
Im Endergebnis wurde dem Hauseigentümer seinaus übergeben. Ich kann nicht verstehen, was man inieser Aktuellen Stunde in den Vordergrund stellen will.ür mich als alter Berliner ist das kalter Kaffee. Sie bud-eln hier eine Geschichte aus, die etwa 30 Jahre zurück-egt. Der Kollege Ströbele war damals schon dabei.
r stand mir öfter mal gegenüber. Dass er seine Meinungicht ändern wird, ist doch wohl klar.
Ja, auch ich, aber auch Frau Künast.
ie hat damals als Vorsitzende der AL sogar die Koali-on von Rot-Grün wegen einer Häuserräumung platzenssen.
er Wandel, dem sich die Grünen unterzogen haben, istchon erstaunlich, lieber Kollege Wieland.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 10011
)
Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Schön, dassSie das alles laut sagen!)Da Frau Künast jetzt als Bürgermeisterin kandidiert, istklar, dass sie heute eine andere Haltung einnehmenmuss.Lassen Sie mich zusammenfassend sagen, dass dieskeine Aktuelle Stunde, sondern eine Märchenstunde ist.In diesem Sinne: Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Der Kollege Kurth hat für die FDP-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Sehr geehrter Herr Gunkel, Sie sprachen von„kalter Kaffee“ und „Märchenstunde“.
100 Polizisten wurden verletzt, 99 Personen festgenom-men, Sachschaden in Millionenhöhe und ein über 4 Stun-den dauernder Einsatz, der wahrscheinlich weitere Mil-lionen gekostet hat – das ist die Bilanz des 2. Februar. Dasist keine „Märchenstunde“, das ist kein „kalter Kaffee“,das ist Berlin.
Worum ging es hier? Es ging um eine Selbstverständ-lichkeit in einem Rechtsstaat. Es ging um den Schutz vonEigentum. In diesem Land wird Eigentum respektiert. Eswird nicht nur respektiert, es wird auch verteidigt. Eigen-tum ist nicht nur grundsätzlich vor staatlichem Zugriff ge-schützt, sondern eben auch vor unrechtmäßigem privatenZugriff.
Wir Liberale stehen dafür, dass der staatliche Einflussda, wo es möglich ist, zurückgenommen wird. Bei sol-chen Dingen muss man aber konsequent vorgehen. Hiergeht es nicht um Versammlungsfreiheit oder Ähnliches.Die Berliner FDP hat dazu richtigerweise Stellung bezo-gen – Zitat –:szdvHAZddagtaregBnmDDdOtikwSLsdacjeD
Was auffällt, ist, dass sich immer wieder eine be-timmte Richtung für diese Straftaten verantwortlicheigt. Was man nicht oft genug wiederholen kann, ist,ass die Gewalttaten aus der linksextremen Szene klarerurteilt werden müssen, und zwar von allen in diesemause.
ngriffe auf Polizisten, Beschädigung von Geschäften,erstören von Einrichtungen, Anzünden von Autos – alliese Taten in Berlin und im Rest der Republik sindurch nichts zu rechtfertigen. Das ergibt sich nicht nurus dem grundsätzlichen Schutz des Eigentums, sondernanz konkret auch aus dem Umstand, dass linke Gewalt-ten einfache Menschen treffen: Ladengeschäfte gehö-n keinen Superreichen; die Zerstörung von Einrichtun-en und abgebrannte Autos treffen keine Superreichen.etroffen sind vielmehr ganz normale Versicherungs-ehmer. Gewalt gegen Polizisten bedeutet verletzte Fa-ilienväter, bedeutet bedrohte Töchter und Frauen.
An dieser Stelle richte ich deshalb meinen herzlichenank an die vielen Menschen, die einen schwerenienst verrichten, um den Rechtsstaat zu verteidigen: anie Polizisten, die Mitarbeiter der Verwaltung und dierdnungsbeamten. Ihnen gilt unser Dank.
Die linksextreme Gewalt ist durch nichts zu rechtfer-gen. Man vermisst, leider auch in dieser Diskussion,lare Worte der Opposition dazu. Man fragt sich schon,elche Vorstellung Menschen aus der linksextremenzene vom gesellschaftlichen Zusammenleben haben.eben auf Kosten anderer? Nehmen, was ihnen nicht zu-teht? Zerstören, was ihnen in die Quere kommt? Undiese Straftaten sollen am Ende auch noch politisch ge-delt werden? Ich hoffe, das gesamte Haus verurteilt sol-he Gewalttaten.
Worum ging es im konkreten Fall? Um ein Kulturpro-kt, um eine moderne Form des Lebens oder Ähnliches?ie Berliner Zeitung fragte:Warum eigentlich nochmal hätten „wir alle“ uns ge-rade jetzt mit den Bewohnern der Liebigstraße 14solidarisch erklären sollen? In welcher Hinsichtgeht ihre Renitenz, ihr Kampf, ihr künstlerischerund kreativer Einsatz „uns alle“ an? Welcher politi-sche Wille verbindet sich mit diesem Projekt?Welche Vision einer Stadt steckt dahinter? Mit wel-cher Form von Kultur wollten die Bewohner diesesHauses ihre Umgebung bereichern, herausfordern,beglücken? Man weiß es nicht. Auf alle diese Fra-
Metadaten/Kopzeile:
10012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Patrick Kurth
)
)
gen haben die Bewohner der Liebigstraße 14 keineAntwort gegeben.Wenn man darauf hinweist, hierbei habe auch der Ei-gentümer eine Verantwortung, dann werden tatsächlichUrsache und Wirkung verdreht.
Die Räumung der Liebigstraße 14 wurde mehrfach ge-richtlich bestätigt. Das ist ein Rechtsstaatsgrundsatz. Ineinem Rechtsstaat entscheiden letztlich Gerichte. Dassman nun gegen die Eigentümer vorgehen will, sie poli-tisch diffamieren will, nur weil sie auf ihr Recht behar-ren, das ist wirklich fraglich.Meine Damen und Herren, die Linke in Person vonFrau Lötzsch gießt auch noch Öl ins Feuer und erklärtwitzigerweise, der Berliner Senat trage die Verantwor-tung für diesen Konflikt, ganz so, als säße die Linkeüberhaupt nicht im Senat und hätte damit überhauptnichts zu tun. Die Linkspartei drückt sich wie immer vorihrer Verantwortung. Man könnte es auch „Wege zumPopulismus“ nennen.
Sie versucht mit allen Mitteln, sich diesen Konflikten zuentziehen.Meine Damen und Herren, da von „Märchenstunde“und von „kalter Kaffee“ gesprochen wurde, sage ichganz deutlich:
Distanzieren Sie sich von allen Straf- und Gewalttatender linken Szene! Verhindern Sie politische Gewalt undbleiben Sie – sofern Sie es können – mit beiden Beinenauf dem Boden unseres Rechtsstaats.Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksam-keit.
Die Kollegin Wawzyniak hat für die Fraktion Die
Linke das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Willkommen im Berliner Wahlkampf. Das Ab-geordnetenhaus befindet sich übrigens knapp 1 Kilo-meter Luftlinie entfernt.
Ich habe kein Verständnis für diese Aktuelle Stunde.Ich weiß vor allen Dingen gar nicht, was Sie wollen.Wollen Sie über den Konflikt Liebigstraße reden? Wol-len Sie über Mietenpolitik reden, oder wollen Sie überGewalt reden? Zur Gewalt kann ich mich einfach nurwiederholen: Gewalt ist für die Linke kein legitimesMittel der politischen Auseinandersetzung.GAabLDWogLregdcdLksreeohDebÜdDhAL
ewalt ist auch kein Mittel linker Politik.Wir haben hier ein absurdes Theater im Rahmen einerktuellen Stunde, die von den eigentlichen Problemenblenkt. Wir haben einen verfassungswidrigen Zustandeim Regelsatz von Hartz IV. Da kommt es zu keinerösung.
ie Linke fordert einen Regelsatz von 500 Euro.
ir haben außerdem keinen gesetzlichen Mindestlohn,bwohl ab dem 1. Mai die Arbeitnehmerfreizügigkeitelten wird.
Diese Aktuelle Stunde erweckt bei den Menschen imand den Eindruck, dass wir zu einer Schwatzbude fürgionale Angelegenheiten werden. Vielleicht beantra-en Sie demnächst eine Aktuelle Stunde zum Ausbauer 27 Neckarschleusen zwischen Mannheim und Plo-hingen.
Als Teilnehmerin am runden Tisch und als jemand,er vor Ort bei der Räumung war, könnte ich einiges zuriebigstraße sagen. Der Kollege Hans-Christian Ströbeleönnte ebenso einiges dazu sagen. Aber er darf bei die-em Thema offensichtlich für die Grünen hier nicht mehrden.
Da Sie alle offensichtlich keine Zeitung lesen, will ichinmal kurz die Fakten zusammenfassen,
bwohl Herr Gunkel einen Teil davon schon aufgeführtat.
as Haus wurde Anfang der 90er-Jahre besetzt. Es fandine Legalisierung statt. Die rechtskräftige Kündigungezog sich auf eine eingebaute Zwischentür, die sich imbrigen seit Jahren in diesem Wohnobjekt befindet.Am runden Tisch teilgenommen haben Herr Ströbele,as Bezirksamt und ich. Die SPD war nicht vertreten.ie CDU und die FDP als bezirkliche Splitterparteienatten eine Teilnahme offensichtlich nicht nötig.
ufgrund seiner totalen Verhandlungsblockade für eineösung und seiner Gesprächsverweigerung trägt der Ei-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 10013
Halina Wawzyniak
)
)
gentümer, Herr Beulker, die Verantwortung für diesenKonflikt.
Wenn Sie am Thema Liebigstraße interessiert sind, dannbefassen Sie sich mit den Eigentümern Beulker undThöne und deren Methoden der Verdrängung von Miete-rinnen und Mietern. Ich sage nur: Eigentum verpflichtet.Das scheint für diese Herren ein Fremdwort zu sein.
Wenn Sie Interesse an der Liebigstraße haben, dannbeschäftigen Sie sich bitte mit dem dahinter liegendenProblem, mit dem Problem der Verdrängung von Men-schen und der Aufwertung von Quartieren, die es Men-schen mit niedrigem Einkommen unmöglich macht, wei-ter in der Innenstadt zu leben. Das ist das Problem.
In vielen Gesprächen haben mir Mieterinnen undMieter gesagt, dass sie das Recht auf Wohnen infrage ge-stellt sehen. Für mich bedeutet das Recht auf Wohnenauch, dass alternative und gemeinschaftliche Lebensfor-men ein Recht haben, in der Innenstadt zu leben.
Wir sollten über die Immobilienspekulationen oderIhre Kürzung der Mittel für die Städtebauförderung re-den.
Dazu verweigern Sie Gespräche, Sie verweigern dieRealität, Sie verweigern die Fakten. Kurz gesagt: Siesind Totalverweigerer, und das ändert sich auch nichtdurch Ihr Dazwischenbrüllen.
In meinem Wahlkreis fand gestern eine Veranstaltungeiner Betroffeneninitiative – die Wohnungen befindensich in einem Sanierungsgebiet – statt. Dort sagte eineältere Frau, dass sie in drei Jahren in Altersrente gehenwird und dass sie und ihr Mann sich die Wohnung dannnicht mehr leisten können. Darüber sollten wir reden,statt hier Pappkameraden aufzubauen.
Wenn Sie wirklich etwas gegen Verdrängung aus In-nenstädten, gegen Gentrifizierung tun wollen, dannkümmern Sie sich um die Fragen des Mietrechts undnicht um Scheinprobleme wie das sogenannte Miet-nomadentum. Ich bin gespannt, wie Sie sich morgen zuufowdseEWddfonIcdnwzbaddleKeWBEGdaR–lagm
Ich bin gespannt, was Sie zu unserer Forderung, dassine Räumung nur zulässig sein soll, wenn zumutbarerrsatzwohnraum zur Verfügung steht, sagen werden.ir fordern, dass jemand, dessen Einkommen unterhalbes Bundesdurchschnitts liegt, nicht mehr als 30 Prozentes Einkommens für Wohnkosten aufwenden muss. Wirrdern auch den Stopp des Verkaufs öffentlicher Woh-ungen und fordern eine Rekommunalisierung.
h bin gespannt, wie Sie sich in Berlin verhalten wer-en, wo die Linke dafür streitet, den kommunalen Woh-ungsbestand über die derzeit 15 Prozent hinaus auszu-eiten.
Kurz und gut: Die Aktuelle Stunde und Ihre Brüllereieigen nur, dass diese Regierung unfähig ist, die Pro-leme im Land zu lösen und die Frage des Mietrechtsnzugehen. Die Frage des Mietrechts lautet: Wie verhin-ern wir, dass Menschen mit geringen Einkommen ausen Innenstädten verdrängt werden?
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kol-
ge Wieland das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was dieoalition mit der Beantragung dieser Aktuellen Stunderreichen wollte, ist, denke ich, Frau Kolleginawzyniak, ganz eindeutig: Ihnen als rot-rotem Senat inerlin etwas am Zeug zu flicken – das war die falschebene; das haben Sie richtig gesehen – und uns bei derelegenheit auch noch etwas vorzuwerfen, nämlich dasser liebe Kollege Ströbele in der Liebigstraße nicht sogiert habe, wie sie es offenbar gerne wollte.Dazu sage ich zunächst einmal Folgendes: Nach deräumung gab es Randale, zum Beispiel in Hamburgzurzeit unter CDU-Alleinregierung; dies ist nicht mehrnge so –, in Göttingen – dort gibt es eine schwarz-elbe Landesregierung – und in Rostock, wo die CDUitregiert. Also hören Sie endlich auf, komplexe Fragen
Metadaten/Kopzeile:
10014 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Wolfgang Wieland
)
)
der inneren Sicherheit und des inneren Friedens plumpauf eine Farbskala zu reduzieren.
Dieser Stein fällt Ihnen auf die eigenen Füße.Gerade Sie, Herr Wegner – wir kennen uns nicht erstseit heute –, müssten doch wissen, dass in Berlin dergrößte Unfrieden um besetzte Häuser zu einem Zeit-punkt war, als Ihr Heinrich Lummer,
dessen treuerster Schildknappe Sie waren, als Innense-nator glaubte, ein Haus nach dem anderen räumen zukönnen. Zu der Zeit ging es richtig ab in dieser Stadt.
Machen Sie jetzt nicht madig, dass Kollege Ströbele,aber auch der Bezirksbürgermeister Franz Schulz ver-sucht haben, zu einer Verhandlungslösung zu kommen.Kollege Ströbele hat drei Jahre lang Briefe geschrieben,er ist initiativ geworden und hat mit der Senatsverwal-tung geredet. Er hat sich ganz lange für dieses Haus ein-gesetzt. Sie haben hier gesagt, das seien alles Gewalttä-ter und die Situation sei fürchterlich. Ihr frühererRegierender Bürgermeister Richard von Weizsäcker warder Erste, der im Rathaus Schöneberg sogenannte Frie-densgespräche mit verhandlungsbereiten Hausbeset-zern, mit Kirchen und mit Verbänden initiiert und ge-führt hat.
Das war richtig, das war notwendig, und das hat dazu ge-führt, dass mehr als 100 besetzte Häuser legalisiert wur-den.
Warum ist es richtig, wenn es Richard von Weizsäckertut, und warum ist es falsch, wenn sich ChristianStröbele darum bemüht?
Das erklären Sie mir bitte!
Nichts anderes haben der Bezirksbürgermeister undChristian Ströbele gemacht.Sie sagen, es sei eine riesige Doppelzüngigkeit derGrünen und eine Heuchelei,
dcdMMkdwlepWdlisvWkgDkhdlöduwE
enn sie stattfinden, dann loben wir sie auch. Das istas Gegenteil von Doppelzüngigkeit. Das ist eine gerad-nige, korrekte Haltung, die wir haben.
Genauso eindeutig war bei allen, die von uns zu die-em Thema das Wort ergriffen haben, die Ablehnungon Gewalt. Wenn Sie das nicht verstehen, Frauawzyniak, und wenn Sie wirklich meinen, das seieine einheitliche Haltung, dann haben Sie offenbar dieleichen Denkschemata wie die Autonomen im Kopf.ie können das auch nicht differenziert betrachten. Dieönnen das auch nur einseitig beurteilen und glauben,ier gebe es einen riesigen Widerspruch.
Abschließend. Wir haben natürlich auch kritisiert,ass der rot-rote Senat die Suche nach einer Alternativ-sung, einer Ersatzlösung nicht betrieben hat;
afür gibt es Beispiele. Ströbele weiß das genau,
nd er hat es gesagt. Auch der Bezirksbürgermeistereiß das genau.
s gab kein Ersatzangebot.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 10015
Wolfgang Wieland
)
)
So etwas gibt es in anderen Bezirken.
– Natürlich gibt es das in anderen Bezirken,
in Mitte zum Beispiel das Atelierhaus Wiesenstraße unddas Ex-Rotaprint-Gebäude. Aus dem Liegenschafts-fonds des Senats, in den die Bezirke all ihre Grundstückeübertragen mussten
– sie konnten sie nicht behalten –, wurden Grundstückezur Verfügung gestellt, und das wurde über eine Stiftungfinanziert.
Das ist eine politische Lösung, die der Bezirk wollte undfür die es vom Senat null Unterstützung gab.
Das müssen Sie sich sagen lassen.
Ihre Politik, Frau Wawzyniak, erst Zehntausende vonWohnungen zu verkaufen – das hat Rot-Rot gemacht –
und dann die Wohnungen, die Sie gerade verkauft haben,zu rekommunalisieren,
ist nun wirklich alles andere als glaubwürdig. Das istHeuchelei.
Deswegen schreien Sie so.Vielen Dank.
Der Kollege Mayer hat für die Unionsfraktion das
Wort.
g
fü
O
u
M
s
g
m
v
d
d
„
b
L
Ic
h
Ic
d
d
li
Ic
W
fe
S
ü
fü
g
n
B
ich befremdet aber – das muss ich in aller Deutlichkeitagen –, dass Sie diese Aktuelle Stunde als Wahlkampf-etöse, als Märchenstunde und als Klamauk abtun.
Ich möchte Sie auffordern – das ist sehr ernst ge-eint –, dies den 61 Polizisten, die bei diesem Einsatzerletzt wurden, zu sagen. Ich möchte Sie bitten, diesen Nachbarn der Liebigstraße 14 zu sagen,
ie geradezu flehend Transparente mit der AufschriftHier lebt und schläft ein Kind“ ins Fenster gehängt ha-en, weil sie Angst hatten, dass die Bewohner deriebigstraße 14 Farbbeutel auf dieses Fenster werfen.
h möchte Sie bitten, dies auch dem Inhaber des Auto-auses, dessen Schaufenster zerstört wurden, zu sagen.
h möchte Sie bitten, dies auch den Geschäftsführerner beiden Kaufhäuser, die im Rahmen der Krawalle under Ausschreitungen am 2. Februar dieses Jahres demo-ert wurden, zu sagen.
h höre in diesem Haus von Ihrer Seite kein einzigesort des Bedauerns für die Opfer dieser Krawalle; dashlt mir.
ie sprechen nur über die Täter, aber in keiner Weiseber die Opfer.Um eines einmal klar zu sagen: Die Rechtfertigungr diese Aktuelle Stunde im Deutschen Bundestag er-ibt sich nicht daraus, dass offenbar einige Linksauto-ome und Linksextreme in Deutschland und vor allem inerlin – und zu ihnen gehören auch
Metadaten/Kopzeile:
10016 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Stephan Mayer
)
)
Vertreter dieses Hauses – immer noch
in wie auch immer gearteten Hausbesetzernostalgien undHausbesetzerseligkeiten schwelgen. Die bundespoliti-sche Relevanz dieser Aktuellen Stunde ergibt sich da-raus, dass es offenbar und offenkundig immer noch denKern einer linksextremen und linksautonomen Szenehier in Deutschland und vor allem in Berlin gibt, die einvöllig verqueres Verständnis vom Rechtsstaat und Ge-waltmonopol des Staates hat.Was genauso spannend ist und auch die Rechtferti-gung für diese Aktuelle Stunde hier in diesem Haus dar-stellt, ist, wie manche politischen Verantwortungsträgerin Berlin – aber auch seitens der Bundestagsfraktionenhier auf den Oppositionsbänken – auf diese unmöglichenVorkommnisse reagiert haben.Ich möchte das Ganze noch einmal Revue passierenlassen. Es geht um ein Haus, das vor zwölf Jahren vomLand Berlin an zwei Privatpersonen verkauft wurde. DieVermieter dieses Gebäudes haben nun seit vier Jahrenversucht, dieses Haus zu sanieren, und dafür ist es nuneinmal erforderlich, dass das Haus leer ist. Es gab Räu-mungsklagen, und erst vor drei Wochen wurde ein Räu-mungstitel erwirkt.
Jetzt ging es darum, dass dieser rechtskräftige Räu-mungstitel durchgesetzt wird.
Vor diesem Hintergrund ist es verwerflich und in kei-ner Weise akzeptabel, dass die Bewohner dieses Hausesweder diesen rechtsstaatlich erwirkten Titel noch dasGewaltmonopol des Staates akzeptiert haben. Sie sind indiesem Haus verblieben und haben es nicht nur weiter-hin bewohnt, sondern auch verwüstet.
Wenn man manchen Stimmen nach dem Auszug bzw.nach der Räumung Glauben schenkt, dann ist es garnicht mehr rentabel, dieses Haus zu sanieren. Vielmehrsei es wirtschaftlich rentabler, dieses Haus abzureißen.Daran sieht man, welche Auswüchse manche Vorkomm-nisse hier in Berlin annehmen.Insgesamt waren 2 500 Polizeibeamte im Einsatz, undes sind Kosten von über 1 Million Euro verursacht wor-den. Auch dies gilt es einmal an dieser Stelle festzuhal-ten, und ich bitte Sie, dem Steuerzahler zu erklären, dassallein mit dem Einsatz von 2 500 Polizeibeamten Kostenvon mehr als 1 Million Euro verursacht wurden.
Die Ausschreitungen am und um den 2. Februar inund um die Liebigstraße hier in Berlin zeigen in eklatan-ter und erschreckender Weise,mngGudzbuKWuzdgBpBdGBdR–thdAsntrW
it welcher Ignoranz die linksextreme und linksauto-ome Szene in Deutschland nach wie vor fremdes Ei-entum,
rundrechte wie Art. 14
nd auch Eigentum der öffentlichen Hand sieht.Ich möchte den Berliner Polizeipräsidenten zitieren,er diese Ausschreitungen und diese Krawalle als – ichitiere wörtlich – „politisch motivierten Vandalismus“ezeichnet hat. Es herrschte in Berlin an diesem Abendnd in dieser Nacht blanke Zerstörungswut, Spaß amrawall, und die Ausschreitungen in der vergangenenoche haben sogar die üblichen Ausschreitungen annd um den 1. Mai übertroffen.
Es ist auch interessant, sich einmal näher vor Augenu führen, wie die politischen Verantwortungsträger aufiese Krawalle reagiert haben. Vom Regierenden Bür-ermeister hier in Berlin war überhaupt nichts zu hören.
ei den Grünen war Vielstimmigkeit angesagt. Aus Op-ortunismus hat die Herausforderin des Regierendenürgermeisters, die Grünen-Fraktionsvorsitzende Künast,en Einsatz begrüßt. Es gab allerdings viele unter denrünen – einige von ihnen sind auch hier im Deutschenundestag anwesend –,
ie Sympathie für die Hausbesetzer bekundet und dieäumung des Hauses kritisiert haben.
Das war der Kollege Ströbele, der ganz offen Sympa-ie mit den Hausbesetzern gezeigt und die Räumunges Hauses in der Liebigstraße 14 kritisiert hat.Den Vogel abgeschossen – und das sage ich jetzt zumbschluss – hat die Parteivorsitzende der Linken, dieich wirklich erdreistet hat, zu behaupten, dass der Berli-er Senat die Verantwortung für diese Ausschreitungenage. Hier werden Ursache und Wirkung in eklatantereise verwechselt,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 10017
Stephan Mayer
)
)
und auch das zeigt in beschämender und peinlicher Artund Weise, welches Rechtsverständnis und welches Ver-ständnis von einem freiheitlich demokratischen Staat inder Reihen der Linkspartei vorherrscht.
Der Kollege Schulz hat für die SPD-Fraktion das
Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mireinmal einen Zeitungsartikel herausgesucht. Darin gehtes um die Räumung besetzter Häuser in Berlin. Ich willdaraus zitieren: Dort ist die Rede von „Straßenschlach-ten“, diebis in die späte Nacht in Berlin tobten – mit 20 Brand-stiftungen, 93 verletzten Polizisten, 143 beschädig-ten Polizeifahrzeugen, über hundert verletzten De-monstranten.Das ist eine schlimme Bilanz, aber das ist nicht dieBilanz von vor ein paar Tagen in der Liebigstraße, son-dern dieser Artikel stand im Jahr 1981 im Spiegel. Derverantwortliche Innensenator war Heinrich Lummer vonder CDU.
Ich lebe schon lange in Berlin, und ich kann michnoch sehr gut an die Situation in den 80er-Jahren und da-ran erinnern, was am 1. Mai insbesondere in Berlin-Kreuzberg immer passiert ist.
Das waren sehr, sehr schlimme Situationen, die auch vonCDU-Innensenatoren verantwortet wurden.
Bei allen Problemen, die wir heute haben, kann ich danur sagen:
Es ist gut, es ist vernünftig und es ist wirklich ein Segenfür die Stadt, dass wir jetzt einen Senat haben, der aufDeeskalation setzt und das Konzept der ausgestrecktenHand praktiziert.
Um das für die SPD ganz klar zu sagen: Wir duldenRechtsbruch nicht – ganz eindeutig.
NLGwAL–sVwdWKkaihsimpdCuscWdmptiagndDSs
Ich will auch den Kolleginnen und Kollegen von deninken und von den Grünen, die sich hier ein bisschenich sage es einmal so – differenziert geäußert haben,agen: Man muss auch einmal sehen, dass wir hier übererbarrikadierung, über Sachbeschädigung und teil-eise auch über Körperverletzung reden. Man muss sichas einmal angucken. Teilweise wurden Fußböden unterasser gesetzt und Stromkabel freigelegt. Innensenatorörting hat vollkommen recht: An dieser Stelle darf eseine falsche Sympathie geben.
Ich will an dieser Stelle auch den Beamtinnen und Be-mten, den Polizistinnen und Polizisten, ganz herzlich fürren engagierten, couragierten und mit Augenmaß ver-ehenen Einsatz danken. Ich glaube, das sollten wir hier Deutschen Bundestag auch einmal gemeinsam tun.
Genauso vollkommen klar ist aber, dass alleine mitolizeilichen Mitteln solche Ereignisse nicht zu verhin-ern und solche Probleme nicht zu lösen sind. Das habenDU-Innensenatoren über Jahre immer wieder erfolglosnd im Zweifelsfall auf dem Rücken der Polizei ver-ucht. Die Polizistinnen und Polizisten mussten die Kno-hen für die Fehler dieser Politik hinhalten.
ir müssen eine gute und soziale Politik machen, miter verhindert wird, dass Extremisten Zulauf bekom-en. Das liegt auch in der Verantwortung der Bundes-olitik und natürlich auch der jetzigen Regierungskoali-on.
Ich will in diesem Zusammenhang nur ein Beispielnsprechen, nämlich die Modelle und Projekte des Pro-ramms „Soziale Stadt“. Meine sehr verehrten Kollegin-en und Kollegen von der CDU, der CSU und der FDP,ie Mittel dafür haben Sie zusammengestrichen.
abei sind gerade die Projekte des Programms „Sozialetadt“ ein wichtiges Mittel, um die Quartiere zu stabili-ieren, um den Menschen zu helfen, um in einen Dialog
Metadaten/Kopzeile:
10018 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Swen Schulz
)
)
zu kommen und um den Extremisten nicht das Feld zuüberlassen.
Es gab eine ganze Menge Demonstrationen, als dieBundesregierung ihre Kürzungspläne veröffentlicht hat.Ich selber habe teilweise an den Aktivitäten teilgenom-men. Es gab die Forderung von den Engagierten vor Ortan die Kolleginnen und Kollegen von der CDU, der CSUund der FDP, diese von der Bundesregierung vorgeschla-genen Kürzungen doch zurückzunehmen. Was war dasErgebnis? Sie haben diese Kürzungen noch ausgeweitet.Sie haben die „Soziale Stadt“ kurz und klein geschlagen.Das muss man in diesem Zusammenhang auch einmalerwähnen.
Das ist falsche Politik.
Sie sollten Ihrer Verantwortung gerecht werden, stattandere zu kritisieren. Mit Ihrer Politik der sozialen Kältelegen Sie die Lunte in die Städte. Korrigieren Sie das,statt sich hier aufs hohe Ross zu schwingen!Herzlichen Dank.
Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Thomae das
Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DieFDP macht sich immer und jederzeit zum Anwalt derVielfalt der Lebensentwürfe und Lebensformen, auch al-ternativer Lebensentwürfe und Lebensformen, aber nichtauf Kosten und zulasten anderer. Die Entfaltungsfreiheitfindet in der Rechtsstaatlichkeit ihre Grundlage und ihreGrenzen. Ich bedauere es sehr, dass aufseiten der Grünenhierzu noch keine einheitliche und eindeutige Haltunggefunden worden ist.Was der grüne Bezirksbürgermeister Schulz dazu zusagen hatte, waren lediglich Worte des Bedauerns. Erfand es einen schweren Verlust, was angesichts der Räu-mung des Hauses passiert.Ich finde es auch bemerkenswert, Kollege Ströbele– das kann ich Ihnen nicht ersparen –, dass Sie lediglichdem Geld nachgetrauert haben, das der Polizeieinsatzzur Räumung des Hauses gekostet hat. Sie sagten – icherlaube mir, zu zitieren –: „Für den Preis hätte der SenatagzPVnEseRdnlidecteKeMktuesggGns–wLMktüDd
Ich will dazu zum Ersten anmerken, dass den Beset-ern sogar ein Haus angeboten worden ist, nämlich inankow, das aber als unzumutbar abgelehnt worden ist.ielleicht war es ihnen nicht zentral genug.
Zum Zweiten wird daran ein merkwürdiges Verständ-is deutlich. Denn wenn man diesen Gedanken um diecke und zu Ende denkt, dann heißt das, dass der Staatelber schuld ist, wenn er derartige Bürgerwünsche nichtrfüllt und die Kosten tragen muss, weil die Bürger ihrecht selber in die Hand nehmen wollen; hätte der Senaten Bewohnern ein Haus gekauft, dann wäre all dasicht passiert. – Wer so argumentiert, der ermutigt letzt-ch, auch anderen Sonderwünschen durch Gewalt aufer Straße Nachdruck zu verleihen.
Ich halte das für sehr bedenkenswert und warne voriner solchen Brandstiftung, die sich leicht zu einem Flä-henbrand auch in anderen Städten des Landes auswei-n kann. Schon wurde in Nordrhein-Westfalen beiminderschutzbund ein Schaufenster eingeschlagen, weilin Mitarbeiter des Kinderschutzbundes angeblich einiteigentümer des Hauses Liebigstraße 14 ist. So weitann es kommen. Das hat rein gar nichts mit Entfal-ngsfreiheit zu tun. Es ist nur ein Vorwand, den Staat zurpressen: Wenn du Ruhe haben willst, dann tu, was wiragen! – Das darf ein Rechtsstaat nicht dulden.
Ich will mich auch an die Linke wenden, Frau Kolle-in Wawzyniak, weil auch Sie versucht haben, dem Ei-entümer die Schuld in die Schuhe zu schieben, weil erespräche mit den Bewohnern verweigert habe undicht an einer politischen Lösung interessiert gewesenei.
Das haben Sie gesagt. Richtig. Aber ich frage mich,arum der Eigentümer des Hauses an einer politischenösung interessiert sein muss, wenn die Kündigung derietverträge rechtmäßig und der Räumungstitel rechts-räftig ist. Dann gibt es keinen Grund, warum der Eigen-mer nicht daraus vollstrecken darf.
as ist in meinen Augen ein bemerkenswerter Versuch,en Eigentümern die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 10019
Stephan Thomae
)
)
Das werden wir zurechtrücken, meine Damen und Her-ren.
Ich will abschließend mit Erlaubnis der Präsidentineine bemerkenswerte Äußerung eines 30-jährigen Auto-nomen aus Leipzig zitieren,
der extra nach Berlin angereist ist, Frau Kollegin, umhier mit zu demonstrieren. Er klagte wörtlich, dass im-mer mehr linke Freiräume verloren gehen.Wenn linke Freiräume dasselbe sind wie rechtsfreieRäume, dann, meine ich, ist der Verlust an linken Frei-räumen leicht zu verschmerzen.Vielen Dank.
Der Kollege Schuster hat für die Unionsfraktion das
Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle-ginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir diese De-batte führen, und das aus drei Gründen: Erstens. Wir ver-urteilen die in Berlin leider schon üblich gewordeneRandale wie vergangene Woche oder am 1. Mai aus-drücklich und scharf. Welcher absurde Kontrast, wennregionale Politiker hier verharmlosend von Fun Eventsgewalttätiger Jugendlicher sprechen!
Herr Gunkel, Sie haben eben gerade „Rambazamba“gesagt. Für mich ist das zu verharmlosend. Ich halte eslieber mit dem Polizeipräsidenten Glietsch, der dasGanze politisch motivierten Vandalismus nennt und vonblinder Zerstörungswut und wahlloser Sachbeschädi-gung spricht. Darüber muss man im Deutschen Bundes-tag reden.Zweitens müssen wir im Deutschen Bundestag auchdarüber reden, dass die Berliner Verhältnisse zu Solidari-sierungsaktionen in ganz Deutschland führen, wie in dervergangenen Woche in Hamburg, Saarbrücken und Ro-stock oder auch in Göttingen.
Wundern darf man sich über diese Ausstrahlungswir-kung von Berlin aber nicht. Immerhin haben die hiesigenHausbesetzerimmGeicsjekHdmddgsSPaRCti„etezmRaphzsfüdg
vergangenen Jahr zu einer europaweiten Konferenzit dem Thema „Straßenkampf“ eingeladen, und dieesinnungsgenossen sind gekommen. Die Folgen davonrleben wir jetzt im ganzen Land. Lieber Kollege Mayer,h glaube, wir in Baden-Württemberg und Bayern ver-tehen unter einem Geberland etwas anderes. Berlin hattzt zum ersten Mal gezeigt, dass es auch etwas gebenann: Gewalt. Aber das wollen wir nicht.
Drittens. Schwere Ausschreitungen in Berlin undamburg, Parolen wie: „Tritt den Bullen ins Gesicht, biser Schädel bricht“, 61 verletzte Polizisten. Meine Da-en und Herren, wir wünschen uns, dass Protest in an-eren Ländern gewaltfrei stattfindet. Wir appellieren inieser Form, waren aber in der vergangenen Woche einanz schlechtes Vorbild; das möchte ich einmal deutlichagen.
ogar die taz schreibt am 4. Februar: Es ist nicht nur dieolitik der Zeichen, auch der Gewalt. Es ist ein Kampfuf der Straße überall und dessen Inszenierung ohneücksicht auf Verluste.Meine Damen und Herren, es geht den autonomenhaoten nicht um eine Auseinandersetzung, um ein poli-sches Thema oder um eine Botschaft. Wir erleben beiLiebig 14“ das Ende eines linksradikalen Hausprojekts,ines Projekts ohne jede gesellschaftliche Relevanz. Al-rnative Lebensformen gewaltsam durchzusetzen, er-eugt in Deutschland schon längst keine Solidarisierungehr. Genau genommen ist es ein anachronistischerückfall in die Zeiten der 80er- und 90er-Jahre. Das istus meiner Sicht ganz eindeutig das Ergebnis einer Stadt-olitik, die linksextreme Gewalt viel zu lange schon ver-armlost.
Dafür müssen wir die Regierenden in Berlin endlichur Verantwortung ziehen, oder sie müssen beginnen,ich verantwortlich zu fühlen
r brennende Autos, besetzte Häuser, autonome Ban-en, die wahllos in dieser Stadt Sachbeschädigungen be-ehen.
Metadaten/Kopzeile:
10020 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Armin Schuster
)
)
Meine Damen und Herren, die Berliner haben ein an-deres Maß an öffentlicher Sicherheit und Ordnung ver-dient, und die Bundesbürger haben ein anderes Maß anöffentlicher Sicherheit und Ordnung in ihrer Bundes-hauptstadt verdient.
Es reicht auch nicht – das sage ich ganz ausdrücklich –,den Polizeibeamten für einen guten – da stimme ich Ih-nen zu, Herr Gunkel – Einsatz zu danken. Das ist mir zuwenig. Für die Polizei ist es nicht sinnstiftend, sich miteiner größtmöglichen Zahl an Einsatzkräften immer wie-der aufs Neue um eine gute Handvoll gewaltbereiterChaoten kümmern zu müssen.
Letztlich baden die eingesetzten Beamten eine ge-scheiterte Politik aus, die eine linke Kiezszene mit Kult-status versehen soll, ja, zum Markenimage von Berlinmachen soll,
nur, dass die Folgen dieser Politik in dieser Stadt keinermehr im Griff zu haben scheint. Es wird daher höchsteZeit, dass diese stolze Stadt endlich eine Regierung be-kommt, die Gewaltritualen linker Chaoten konsequentund frühzeitig entgegentritt
und die in der Lage ist, den Berlinern eine erfolgreichePolitik für ihren städtischen Raum zu gestalten
und den Deutschen wieder eine Hauptstadt mit Glanzund Würde zu präsentieren. Dafür braucht es Freiheitund Sicherheit.Danke schön.
Der Kollege Dr. Luczak hat für die Unionsfraktion
das Wort.
– Entschuldigung, mir ist die falsche Redeliste vorgelegt
worden.
Die Kollegin Mechthild Rawert hat für die SPD-Frak-
tion das Wort.
Ich hätte Ihnen gerne den Vortritt gelassen, HerrLuczak.–gmuSdRSnBvElaSfudgMa„nSDlefüdriHZsVbzPetiA–
Schauen wir einmal, wie lange das hält.Liebe Berliner und Berlinerinnen und vor allen Din-en liebe Nichtberliner, ich bin Berlinerin und freueich, Sie alle hier in Berlin begrüßen zu dürfen,
nabhängig davon, ob Sie in Friedrichshain oder inpandau leben. Sie selber machen deutlich, wie schöniese Stadt ist, wie wild und sexy sie ist – um unserenegierenden Bürgermeister zu zitieren –, wie intensivie um Stadtentwicklung bemüht sind.Herr Wegner, ich bin sehr enttäuscht, dass ausgerech-et ein Spandauer – wie man so schön sagt: Spandau beierlin –
ersucht, in dieser Aktuellen Stunde eine Debatte überxtremismus zu führen. Angesichts Ihrer heutigen Aus-ssungen zu potenziellem Extremismus hoffe ich, dassie in Kürze im Hinblick auf die notwendige Abschaf-ng der Extremismusklausel genauso aktiv werden;enn diese Klausel, die Ihre Ministerin befürwortet,reift genau das auf, was Sie ständig versuchen, nämlichenschen unter Generalverdacht zu stellen und dabeiuf dem einen Auge blind zu sein.Die Rechtslage im Zusammenhang mit dem ProjektLiebig 14“ ist schon erläutert worden; das möchte ichicht wiederholen. Der Kollege Gunkel und der Kollegechulz haben die Rechtslage sehr kompetent dargelegt.ass die Polizei hier einen rechtsstaatlichen Dienst ge-istet hat, ist, denke ich, unumstritten. Wir danken ihrr den Einsatz und vor allen Dingen für die Umsetzunges Konzeptes der ausgestreckten Hand. Das hat im Üb-gen eine gute Tradition hier in Berlin und wird auch iminblick auf den kommenden 1. Mai gelten.
u Recht wurde vorhin darauf hingewiesen, dass manich bei Stuttgart 21 schlicht und ergreifend Berlin zumorbild hätte nehmen sollen, gerade was Polizeieinsätzeetrifft.
Ein anderer Anwurf war der Hinweis auf die poten-ielle Gewaltbereitschaft in dieser Stadt. Die Berlinerarteien – in diesem Fall leider ohne die FDP – habenxplizit eine Resolution zur Vermeidung von Gewaltak-onen verabschiedet.
uf diesen gemeinsamen Grundbeschluss hier in Berlin wohlgemerkt: ohne die FDP –
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011 10021
Mechthild Rawert
)
)
bin ich stolz. Das können alle Berliner Politikerinnenund Politiker durchaus sein.
Herr Mayer, die bundespolitische Relevanz diesesProjekts hat sich mir in Ihren Äußerungen nicht so ganzerschlossen. Aber das, was der Kollege Swen Schulz ge-sagt hat, ist auf jeden Fall richtig: Die von Ihnen zu ver-antwortende Zerstörung des Programms „Soziale Stadt“wird flächendeckende Auswirkungen haben, und zwarnicht nur hier in Berlin. Dass Sie 75 Prozent der Teilha-bemöglichkeiten kaltherzig gestrichen haben und dass esnur noch möglich ist, Investitionen in Steine zu tätigen,
ist Ausdruck einer unsozialen Politik.
Das ist nicht nur ein flächendeckender Unsinn, son-dern das ist ein soziales Verbrechen.
Es gibt heute keine Liveübertragung dieser Debatte.Vielleicht hatten Sie sich das bei der Inszenierung derheutigen Sitzung gewünscht. Ich wünsche mir, dass Siedabei sind, wenn wir demnächst in Dresden gegen dieNPD auf die Straße gehen. Dann reden wir weiter überGewalt.
Nun hat der Kollege Luczak für die Unionsfraktion
das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Auch ich selber bin Berliner Abgeordneter. Des-wegen freue ich mich normalerweise sehr, wenn dieAufmerksamkeit auf unserer schönen Stadt liegt. Aberwenn man sich anschaut, weswegen die Aufmerksam-keit auf Berlin gelegen hat – es waren die Umständerund um die Räumung der Liebigstraße 14 –, dann mussman feststellen, dass das bestimmt nicht das ist, was wirunter Imageförderung verstehen.
– Hören Sie einmal zu! – Denn wieder einmal ist dieHauptstadt durch Chaoten und gewaltbereite AutonomeadwpinndkZdgDteFuRLinsDsdmbWsndGdinuSdWsdDa
Jetzt stellt sich die Frage: Wie bewerten wir eigentlichiesen Vorgang politisch? Es gibt schon einige bemer-enswerte Unterschiede, wenn man genau hinschaut.unächst einmal können wir festhalten: Die Polizei hatiese Herkulesaufgabe, die es wirklich war, mit Bravouremeistert.
arin sind wir uns, wenn man es oberflächlich betrach-t, erst einmal alle einig. Man muss festhalten: Dieserauen und Männer haben das Recht und das Gesetz innserem Land durchgesetzt und schützen damit unserenechtsstaat. Wer einen Polizisten angreift, wie das in deriebigstraße passiert ist, greift nicht nur den Menschen Uniform an, sondern er greift auch unseren Rechts-taat und unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung an.
eswegen verdienen diese Polizisten unser aller Unter-tützung.Wenn man sich die Unterstützung anschaut, stellt manie ersten Unterschiede fest. Natürlich betonen erst ein-al alle, dass sie hinter den Polizeibeamten stehen, undehaupten, alles sei gut gelaufen.
enn man aber genauer hinschaut, dann fällt zum Bei-piel die aktuelle Große Anfrage der Fraktion der Grü-en ins Auge. Sie ist vom 19. Januar 2011. Wenn maniese liest, kommen schon einige Zweifel auf. In dieserroßen Anfrage fordern die Grünen nämlich „eine anen Bürgerrechten ausgerichtete Polizei“. Sie sprechen diesem Zusammenhang von „exzessivem Verhalten“nd „ungehemmten Aggressionsausbrüchen“.
ie beklagen ein unzureichendes Antiaggressionstraininger Polizeibeamten. Ich glaube, sie verwechseln einiges.enn man sich die Ereignisse in der Liebigstraße 14 an-chaut,
ann wird ganz klar, wer ein Antigewalttraining braucht.as ist nicht die Berliner Polizei, sondern es sind Links-utonome, die das brauchen.
Metadaten/Kopzeile:
10022 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Februar 2011
Dr. Jan-Marco Luczak
(C)
)
Dass Sie an dieser Stelle etwas verwirrt sind, ist ir-gendwo verständlich. Schauen wir uns einmal an, wasder Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg,Schulz, sagt.
Wir brauchen gar nicht neidisch zu sein, Frau Rawert.Wir schauen einmal, wie das nach dem 18. Septemberaussieht, und dann sehen wir, wer in dieser Stadt künftigVerantwortung trägt.
Dazu muss man sagen: Wer die kulturelle Vielfalt überunser Recht stellt, ist doch wohl falsch im Amt des Be-zirksbürgermeisters.
Jetzt kommen wir zum Kollegen Ströbele, der wiederda ist. Sie haben, wenn ich es richtig gesehen habe, inder Presse dieses alternative Wohnprojekt als Marken-zeichen Berlins bezeichnet. Ich weiß nicht, wie es Ihnen,meine Damen und Herren, geht. Auf Markenzeichen, dievon gewaltbereiten Leuten bewohnt werden, kann ichsehr gut verzichten.
Herr Ströbele, man muss festhalten: Berlin hat ganz an-dere Markenzeichen. Berlin hat den Berliner Bären,
Berlin steht für die friedliche Überwindung der deutsch-deutschen Teilung und der Mauer, die mitten durch dieStadt ging, und vieles mehr. Das sind die richtigen Mar-kenzeichen Berlins, nicht aber linksautonome Projektewie die in der Liebigstraße.
Jetzt kommen wir – das ist schon angesprochen wor-den – zu der Bundesvorsitzenden der Linken. Da wird eswirklich ganz absurd. Sie sagt, sie hätte sich eine politi-sche und friedliche Lösung gewünscht. Dann schiebt siedie politische Verantwortung dem Berliner Senat zu. Indem Falle hat sie zwar recht, aber vermutlich hat sie ver-gessen, dass die Linke seit zehn Jahren in dieser Stadtmitregiert. Das ist doch wirklich an Scheinheiligkeitnicht mehr zu überbieten.
Lnsmre–SwafüInwdccmALdliLod9
Meine sehr verehrten Damen und Herren von deninken, mit der Scheinheiligkeit kennt sich Frau Lötzschun wirklich aus. Wer die „Wege zum Kommunismus“ucht und sich dabei nicht scheut, Veranstaltungen ge-einsam mit ehemaligen RAF-Terroristen durchzufüh-n, disqualifiziert sich an dieser Stelle wirklich selbst.
Das tut gar nichts zur Sache.Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zumchluss. In Deutschland und besonders in Berlin ist nunirklich viel Platz für bunte Lebensweisen, und das istuch in Ordnung so. Aber in unserem Land ist kein Platzr Straftäter und Chaoten, deren einziges Ziel es ist, ihreteressen auf Kosten anderer rücksichtslos und mit Ge-alt durchzusetzen. In unserem Land ist kein Platz fürie „Wege zum Kommunismus“, wie sie die Linken su-hen. In unserem Land ist kein Platz für die Verherrli-hung oder Verharmlosung von links- oder rechtsextre-er Gewalt. In unserem Land ist auch kein Platz fürngriffe auf Polizisten. Weil das so ist, ist in unseremand auch kein Platz für Argumentationen, wie sie unsie Linken und die Grünen hier anbieten: widersprüch-ch, inkonsequent und ohne klare Abgrenzung zu deninksautonomen.Vielen Dank.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung angelangt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Donnerstag, den 10. Februar 2011,
Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.