Protokoll:
17085

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 85

  • date_rangeDatum: 21. Januar 2011

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:39 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/85 Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Helga Daub (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . . . Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine konsequente Strukturreform der Deut- schen Bahn AG (Drucksache 17/4434) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Pronold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9562 D 9564 A 9564 D 9565 D 9567 D 9569 A 9570 B 9570 C 9572 A 9573 C 9575 A 9575 B 9577 A 9579 C 9581 B Deutscher B Stenografisch 85. Sitz Berlin, Freitag, den 2 I n h a l Vereinbarung zu Sitzungswochen im Septem- ber 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung: zum zivilen Wiederaufbau in Afghanistan . . . . . . . . . . . Dirk Niebel, Bundesminister BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Harald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . o la lä (D in Z A S A D s r (D 9553 A 9553 B 9553 B 9556 B 9557 D 9559 C 9561 C Antrag der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert, weiterer Abge- undestag er Bericht ung 1. Januar 2011 t : rdneter und der Fraktion der SPD: Deutsch- nd braucht im ganzen Land einen ver- sslichen und sicheren Schienenverkehr rucksache 17/4428) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 7: ntrag der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, abine Leidig, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer bgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: ie Bahn im Einklang mit dem Grundge- etz am Wohl der Allgemeinheit orientie- en rucksache 17/4433) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9574 D 9574 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . Dr. Barbara Hendricks (SPD) . . . . . . . . . . 9582 D 9583 B II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Januar 2011 Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Claudia Winterstein (FDP) . . . . . . . . . . . . Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Martin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU) . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internatio- nalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assis- tance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1943 (2010) des Sicher- heitsrates der Vereinten Nationen (Drucksache 17/4402) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . T A B w L d m te (D M F A D T A D re N s (D Z A n g L K n H D J U W D Ir P A H G D N A L 9585 C 9587 B 9588 D 9590 B 9592 B 9593 C 9595 C 9597 A 9598 C 9600 A 9601 C 9603 C 9603 D 9605 A 9605 D 9606 D 9608 B 9610 A 9611 C 9612 D 9614 B 9614 C 9616 A 9617 C 9617 D 9618 B agesordnungspunkt 24: ntrag der Abgeordneten Matthias W. irkwald, Diana Golze, Heidrun Dittrich, eiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE INKE: Aufgaben und Zusammensetzung er Altersarmutskommission – Altersar- ut umfassend und mit den richtigen Mit- ln bekämpfen rucksache 17/4422) . . . . . . . . . . . . . . . . . . atthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . rank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . nton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 25: ntrag der Abgeordneten Winfried Hermann, r. Anton Hofreiter, Dr. Valerie Wilms, weite- r Abgeordneter und der Fraktion BÜND- IS 90/DIE GRÜNEN: Strategie für Klima- chutz im Verkehr vorlegen rucksache 17/4040) . . . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 9: ktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- en der CDU/CSU und der FDP: Forderun- en der Vorsitzenden der Partei DIE INKE, Dr. Gesine Lötzsch, Wege zum ommunismus auszuprobieren – Opfer icht verhöhnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ermann Gröhe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . r. h. c. Wolfgang Thierse (SPD) . . . . . . . . . ens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . lrich Maurer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . olfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . is Gleicke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . atrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) . . . . . . . . . lexander Dobrindt (CDU/CSU) . . . . . . . . . ans-Joachim Hacker (SPD) . . . . . . . . . . . . . ünter Baumann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . r. Franz Josef Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 9619 A 9619 B 9620 B 9622 C 9624 A 9625 B 9625 C 9625 C 9626 D 9627 D 9628 D 9630 A 9631 A 9632 C 9633 B 9634 C 9635 D 9637 A 9638 B 9639 C 9641 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Januar 2011 III Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Aufgaben und Zusammensetzung der Altersarmutskommission – Altersarmut umfassend und mit den richtigen Mitteln be- kämpfen (Tagesordnungspunkt 24) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Strategie für Klimaschutz im Verkehr vorlegen (Tagesordnungspunkt 25) Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ute Kumpf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werner Simmling (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9641 D 9643 A 9644 A 9645 A 9646 C 9647 B 9648 B 9649 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Januar 2011 9553 (A) ) )(B) 85. Sitz Berlin, Freitag, den 2 Beginn: 9.0
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Januar 2011 9641 (A) ) )(B) ein Antrag, der keinen anderen Zweck hat, als das sich mit dieser wichtigen Materie fundiert auseinander- setzen wird. Aus der Anhörung resultieren ein Protokoll sowie umfangreiche weitere Unterlagen der einbezoge- nen Verbände und Wissenschaftler. Jetzt kommt wieder Neumann (Bremen), Bernd CDU/CSU 21.01.2011 Nord, Thomas DIE LINKE 21.01.2011 Anlage 1 Liste der entschuldigte * A n im d re Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.01.2011 Barthle, Norbert CDU/CSU 21.01.2011 Bockhahn, Steffen DIE LINKE 21.01.2011 Bülow, Marco SPD 21.01.2011 Burchardt, Ulla SPD 21.01.2011 Connemann, Gitta CDU/CSU 21.01.2011 Ehrmann, Siegmund SPD 21.01.2011 Friedhoff, Paul K. FDP 21.01.2011 Fritz, Erich G. CDU/CSU 21.01.2011* Funk, Alexander CDU/CSU 21.01.2011 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.01.2011 Grund, Manfred CDU/CSU 21.01.2011 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.01.2011 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.01.2011 Jung (Konstanz), Andreas CDU/CSU 21.01.2011 Dr. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 21.01.2011 Kramme, Anette SPD 21.01.2011 Krichbaum, Gunther CDU/CSU 21.01.2011 Kruse, Rüdiger CDU/CSU 21.01.2011 Dr. Lehmer, Max CDU/CSU 21.01.2011 Mast, Katja SPD 21.01.2011 Meinhardt, Patrick FDP 21.01.2011 R S S S S S D D S D T W Z A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht n Abgeordneten für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates nlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Aufgaben und Zu- sammensetzung der Altersarmutskommission – Altersarmut umfassend und mit den richtigen Mitteln bekämpfen (Tagesordnungspunkt 24) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wir haben uns seit Mo- aten mit diversen Anträgen zu diesem Thema befasst – Plenum, im Ausschuss und in einer Anhörung. In je- er Phase ist deutlich gemacht worden, dass die Bundes- gierung im April eine Kommission einsetzen wird, die emmers, Ingrid DIE LINKE 21.01.2011 cheel, Christine BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.01.2011 chlecht, Michael DIE LINKE 21.01.2011 cholz, Olaf SPD 21.01.2011 kudelny, Judith FDP 21.01.2011 patz, Joachim FDP 21.01.2011 r. Stadler, Max FDP 21.01.2011 r. Steffel, Frank CDU/CSU 21.01.2011 teinbrück, Peer SPD 21.01.2011 r. Strengmann-Kuhn, Wolfgang BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.01.2011 ressel, Markus BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.01.2011 ieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 21.01.2011 immermann, Sabine DIE LINKE 21.01.2011 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 9642 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Januar 2011 (A) ) )(B) Thema für die Linke zu reklamieren. Wenn die Wieder- holung nötig ist: Es bleibt dabei. Die Altersarmutskom- mission wird im April eingesetzt werden und bekommt circa anderthalb Jahre Zeit. Der Ansatz der Linken bei der Konzeption der Bera- tungsinhalte der Kommission ist kurativ nachsorgend. Unser Ansatz ist präventiv. Genau das halte ich auch für die einzige realistische Lösung dieses wachsenden Pro- blems: jedem Bürger die Chance zu geben, seine eigene Altersversorgung auf eine ausreichende und ihm als ge- eignet erscheinende Basis zu stellen. Einen wichtigen Schritt dahin haben wir schon zu Be- ginn dieser Wahlperiode gemacht. Wir haben nämlich den Freibetrag beim Schonvermögen im SGB II, der ver- bindlich der Altersvorsorge dient, auf 750 Euro pro Le- bensjahr verdreifacht. Eigenständige Altersvorsorge darf nicht bestraft werden – schon gar nicht, wenn jemand auf das Arbeitslosengeld II angewiesen ist. Die aktuelle Situation ist noch nicht dramatisch. Deutlich weniger als 3 Prozent der über 64-Jährigen sind auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen. Davon dürfen wir uns gleichwohl nicht irritieren lassen. Denn die geringe Zahl negativ Betroffener senkt für den Ein- zelnen nicht die Tragik seiner Situation. Diejenigen, deren politisches Geschäft in der Drama- tisierung und Beschwörung sozialer Missstände besteht, dürfen sich und die Öffentlichkeit aber eben auch nicht täuschen. Kleine Renten bedeuten nicht automatisch Ar- mut. Wer das behauptet, beweist nur seinen engen Hori- zont. Die Statistiken besagen, dass geringe Renten durchaus häufig mit anderen Einkommen oder Vermö- gen einhergehen, zum Beispiel bei Selbstständigen, die zu Beginn ihrer Erwerbstätigkeit einige Jahre in die Rente eingezahlt haben und dann auf andere Weise für ihr Alter vorsorgen. Weder zur Feststellung noch zur Vermeidung von Al- tersarmut kann allein die Rentenversicherung herange- zogen werden. Denn zur Feststellung von Altersarmut müssen neben dem regelmäßigen Einkommen auch das Vermögen und andere Einkommensarten berücksichtigt werden. Das bestätigen ausdrücklich die Gutachter in der Anhörung. Auch der Alterssicherungsbericht 2008 wies aus, dass Rentner mit weniger als 250 Euro gesetz- licher Rente im Schnitt ein Gesamteinkommen von fast 1 400 Euro hatten. Das Schielen nach staatlicher Hilfe ist nicht der ein- zige Weg, Armut zu vermeiden. Die nötigen Korrekturen auf das staatliche Rentensystem zu beschränken, ist Aus- druck staatsgläubigen Denkens. An der Lebenswirklich- keit der Bundesrepublik Deutschland geht beides vorbei. Ich behaupte damit nicht, dass ein geringer Rentenan- spruch unproblematisch wäre. Aber der reduzierte Blick auf Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversi- cherung greift viel zu kurz. In der Anhörung ist uns so- gar bestätigt worden, dass die Bezieher geringer gesetz- licher Renten ein deutlich höheres Haushaltseinkommen haben als die Bezieher mittlerer Renten. d k z li d d Ih ru b M 4 n A B d a g K fr E ti g re u g S n c Ih n a B d z is m m B tr ru m E z e E m fü s s u (C (D Ich habe mir noch einmal die vorliegenden Initiativen er Oppositionsparteien angeschaut. Das ist alles nicht reativ. Nach einleitenden Sätzen mit den üblichen so- ial klingenden Floskeln folgt der altbekannte Apparat nker Forderungen. Unter anderem behaupten Sie auch, ie Einführung von Mindestlöhnen helfe bei der Vermei- ung von Altersarmut. Man muss nicht jedem Gutachten glauben. Aber auch r gesunder Menschenverstand und Ihre Lebenserfah- ng muss Ihnen doch sagen, dass staatlich vorgeschrie- ene Mindestlöhne nicht die Lösung sind: Selbst ein indestlohn von 10 Euro könnte Altersarmut nur nach 5 Jahren Vollzeitbeschäftigung vermeiden. Das ist ge- au nicht die Erwerbsbiografie, die typischerweise zur rmut führt. Der heute zu behandelnde Antrag hat zum Inhalt, der undesregierung sowohl Vorgaben zu machen, wie sich ie Regierungskommission zusammenzusetzen hat, als uch, welche Inhalte dort beraten werden sollen. Er sug- eriert offenes Interesse. In Wirklichkeit geben Sie der ommission die von Ihnen gewünschten Ergebnisse vor. Das ist eben einer der Unterschiede zwischen einer eiheitlich denkenden Politik, die Aufgaben erkennt und xperten um Lösungsvorschläge bittet, und linker Poli- k, die sich erst Lösungen ausdenkt und dann nach We- en sucht, die tatsächlichen Probleme dorthin zu definie- n. Ich hoffe, diese Denk- und Handlungsweise bleibt ns zukünftig erspart. Über die Ideologie, die dem zu- runde liegt, wird ja nachher noch in der Aktuellen tunde zu debattieren sein. Der erste Satz Ihrer Antragsbegründung ist zwar ei- erseits nur eine müde Wiederholung der immer glei- hen Plattitüden. Er ist andererseits aber auch Ausdruck rer anhaltend intoleranten Gesinnung. Expertenmei- ungen, die nicht in das linke Weltbild passen, werden ls böse Klientel bezeichnet. In diesem Fall wird allen undesregierungen der letzten Jahre nachgesagt, nur auf ie Interessen der Banken- und Versicherungswirtschaft u hören. Ich weise das zurück. Ihre Antragsbegründung t unsachlich und böswillig. Auch die Strapazierung des Begriffs „Solidarität“ uss entlarvt werden. Ihre „Solidarität“ bedeutet neben assiven Steuererhöhungen für Facharbeiter, mittlere eamte und kleine Selbstständige auch deutliche Bei- agserhöhungen, in diesem Fall der Rentenversiche- ng, vor allem für die Mittelschicht. Zum Schluss noch ein Gedanke: Was gegen Altersar- ut hilft, sind stabile Erwerbsbiografien und sichere inkommen. Was nicht hilft, ist, Arbeitsplätze fahrlässig u gefährden, durch ein Übermaß an Regulierung, durch ine überfordernde Beitragsbelastung. Wir erleben aktuell, dass eine gute wirtschaftliche ntwicklung, die sich entsprechend auf dem Arbeits- arkt niederschlägt, den Sozialkassen nützt und diese llt. Aber auch für den Einzelnen ist eine gute wirt- chaftliche Entwicklung entscheidend. Denn sie verbes- ert die Chance auf eine vollständige Erwerbsbiografie nd erhöht die Chancen für ein gutes Einkommen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Januar 2011 9643 (A) ) )(B) Wir verstehen etwas von Wirtschaft und von den Prin- zipien der Sozialversicherung. Die Menschen wissen das. Deswegen regieren wir und nicht Sie. Deswegen setzt unsere Regierung die Kommission nach unseren Kriterien zusammen. Wir geben die Vorgaben, nicht Sie. Wir lehnen Ihren Antrag mit guten Gründen ab. Denn unser Ziel ist nicht der Kommunismus, sondern Freiheit und Gerechtigkeit – für junge wie für ältere Menschen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Strategie für Klima- schutz im Verkehr vorlegen (Tagesordnungs- punkt 25) Steffen Bilger (CDU/CSU): Man merkt dem Antrag der Grünen sofort an, dass er in die Adventszeit datiert wurde. Auf dem Wunschzettel der Bündnisgrünen steht alles, was ihnen jemals zum Thema Verkehr eingefallen ist. Wie das aber bei Wunschzetteln vor Weihnachten meistens der Fall ist, sind viele der Wünsche unrealis- tisch. Das ist hier nicht anders. Es geht schon beim Titel los. Statt „Strategie für Kli- maschutz im Verkehr vorlegen“ sollte der Forderungska- talog präziser heißen: „Ideologisches Sammelsurium zur Verkehrsverhinderung“. Das eindrücklichste Beispiel hierfür sind die ganzen gewünschten Geschwindigkeitsbegrenzungen, das ewige Mantra der Grünen. 120 km/h für Pkw auf Autobahnen, Tempo 80 auf einbahnigen Landstraßen und Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften als Regelgeschwindigkeit, wenn auch dort mit Ausnahmen. Da wundert man sich doch, dass Fahren überhaupt noch erlaubt bleibt. Ich bin ja bereit, über vieles im Sinne der Umwelt nachzuden- ken – und ich bin sowieso gegen Denkverbote. Aber tief- greifende Einschnitte müssen verhältnismäßig bleiben. Ein Autobahntempolimit bringt so gut wie nichts für den Umweltschutz. Schon jetzt sind 6 000 der 12 200 Auto- bahnkilometer dauerhaft oder zeitweilig limitiert. Auch deshalb würde nach einschlägigen Berechnungen der CO2-Ausstoß um im besten Fall 2 Prozent sinken. Wie beim Innenstadtverkehr wäre es auch hier viel sinnvol- ler, stattdessen auf intelligente Verkehrsbeeinflussung zu setzen. Wir Christdemokraten sehen den Staat nicht als gro- ßen Bevormunder an. Unsere Aufgabe als Deutscher Bundestag ist es dagegen, als Katalysator für den Wett- bewerb zu wirken und die Bereitschaft sowie die Fähig- keit der Menschen zu verantwortlichem Handeln zu för- dern. Wo „grün“ draufsteht, darf „Stuttgart 21“ natürlich nicht fehlen. Die Grünen sind nicht nur die Dagegen- Partei, sondern auch die Pop-up-Partei. Egal wann, egal wo: Der Appell, Stuttgart 21 zu beerdigen, poppt auf. Hierzu habe ich an anderer Stelle vor diesem Hohen Haus bereits das Wesentliche gesagt. Nur noch eines: Es ist richtig, dass Stuttgart 21 ein Thema beim Klima- s S g b ü A V S D a g d P v P 7 d c re z m ic n h is ru te e u N v J N s B v w D ru d a ß n e V fr b d ti d D g ru (C (D chutz ist, allerdings anders, als die Grünen meinen. tuttgart 21 ist nämlich ein wahres Klimaschutzpro- ramm: Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf dem Aus- au der Schiene – auch, um deren Attraktivität gegen- ber der Straße und dem Flugzeug zu erhöhen. ußerdem wird die Stadt Stuttgart durch verbindliche orgaben dafür sorgen, dass alle Gebäude des neuen tadtteils einen hohen ökologischen Standard erfüllen. as heißt, dass die Gebäude ohne fossile Energieträger uskommen und mit wiederverwendbaren Materialien ebaut werden. Untersuchungen der Uni Stuttgart haben azu ergeben, dass durch Stuttgart 21 rund 18 Millionen ersonenfahrten pro Jahr von der Straße auf die Schiene erlagert werden. Dies entspricht etwa 350 Millionen kw-Kilometer. Das bedeutet eine Ersparnis von circa 0 000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Aus dem „Wünsch-Dir-was“-Bereich stammen auch ie Grenzwertfestlegungen. Jeder kann sich irgendwel- he schönen Werte ausdenken. Auch ich bin dafür, An- ize für die Automobilindustrie zu setzen, damit ehrgei- ige Entwicklungsziele verfolgt werden. Solche Werte üssen aber auch technisch machbar sein. Und das halte h in diesem Fall für sehr fragwürdig. So etwas ist we- ig seriös. Apropos unseriös: Gerade nach den Erfahrungen des arten Winters und den schweren Folgen für die Straßen t es natürlich eine auf den ersten Blick schöne Forde- ng, den Aus- und Neubau von Bundesstraßen zuguns- n des Erhalts einzuschränken. Auch für uns geht letzt- ndlich Erhalt vor Neubau. Aber: Als Industrienation nd Logistikweltmeister sind wir auch auf Aus- und eubau angewiesen. Dabei rede ich selbstverständlich on einer intelligenten Ausweitung des Straßennetzes. eder Blick auf die Staustatistik zeigt ganz klar, dass jede ichtbeseitigung von bereits jetzt vorhandenen Fla- chenhälsen noch zu mehr Staus führen wird – für den ürger und für die Logistikbranche eine Katastrophe. Im Gegensatz zu den Grünen halte ich auch nichts da- on, auf allen Ebenen den Leidensdruck noch so viel eiter zu erhöhen, bis gar kein Verkehr mehr stattfindet. ie Citymaut gehört ja auch in diese Verkehrsverhinde- ngsvorstellung. Wir von der Union wollen aber Verkehr nicht verhin- ern, sondern ermöglichen. Gut gemacht ist das übrigens uch – wie bereits gesagt – im Sinne der Umwelt. Au- erdem werden wir mit groß angelegten Gängeleien icht die gute Klimaschutzakzeptanz in der Bevölkerung rhöhen. Und genau diese Akzeptanz wird uns auch im erkehrsbereich auf freiwilliger Basis sicherlich mittel- istig mehr bringen als Ge- und Verbote. Bei diesen ganzen wenig sinnvollen und ideologisch edingten Forderungen könnte man beinahe übersehen, ass der Ansatz der Grünen natürlich vollkommen rich- g ist. Der Verkehr verursacht in der Tat einen Großteil er CO2-Emmissionen. Hier muss angesetzt werden. eshalb ist auch nicht alles falsch im Antrag. Es gibt ute Ansätze. Mobilitätsmanagement und Carsharing sind förde- ngswürdig. Integrierte Verkehre und eine bessere Ver- 9644 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Januar 2011 (A) ) )(B) netzung der Verkehrsträger in den Städten und Gemein- den sind wichtige Bausteine des Mobilitätskonzepts der Zukunft. Hierzu gehört auch Carsharing. Auch der Forderung, Elektroautos und Plug-in-Hy- bride zu fördern, kann ich mich mit großer Freude an- schließen. Im Sinne von Umwelt- und Industriepolitik müssen wir hier weiterkommen. Eine Debatte über eine Kaufprämie als Anreiz steht uns dabei sicherlich noch ins Haus. In erster Linie gilt es aber – und auch hier habe ich an anderer Stelle schon einiges dazu gesagt –, den von den Grünen erwähnten breiten Maßnahmenmix zu gestalten. Trotz manch guten Gedanken überwiegt die grüne Dagegen-Ideologie, weshalb wir diesen Antrag entschie- den ablehnen. Über die positiven Ansprüche werden wir an anderer Stelle diskutieren. Karl Holmeier (CDU/CSU): Soweit ich weiß, ist Weihnachten vorbei; aber der Antrag der Grünen datiert ja auch von Anfang Dezember. Über diesem Antrag könnte nämlich ganz groß „Wunschzettel“ stehen. Er ist an Realitätsferne kaum mehr zu überbieten und hat mich offen gestanden etwas erschreckt. Der Antrag enthält si- cher an einigen Stellen auch Richtiges und Wichtiges. Aber die Vielzahl der darin geforderten staatlich zu ver- ordnenden Zwangsmaßnahmen ist ein Angriff auf die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands und unverantwortlich gegenüber den nachfolgenden Genera- tionen. Die Frage, wie wir Umweltschutz und Verkehr ver- nünftig miteinander vereinbaren können, stellen die Grü- nen erst gar nicht. Stattdessen fordern sie geradeheraus, die Mobilität in Deutschland einzuschränken und Ver- kehr zu vermeiden. Es wird offenbar völlig verkannt, dass die Menschen in unserer Gesellschaft und auch die Wirtschaft heute mehr denn je auf Mobilität angewiesen sind. Unser Ziel muss es daher doch sein, Mobilität zu ermöglichen, und nicht, sie zu vermeiden. In gewisser Hinsicht ist Ihr Antrag natürlich konse- quent, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Dage- gen-Partei Bündnis 90/Die Grünen. Er passt zu Ihrem Verhalten in den letzten Monaten. Sie wollen keine Bahnhöfe ausbauen, Sie wollen auch keine neuen Schie- nenstrecken bauen, Sie wollen keine Flughäfen aus- bauen und keine Landebahnen. Autobahnen wollen Sie auch nicht und Bundesstraßen sowie Ortsumgehungen ebenso wenig. Ich frage mich nur, wie Sie den relativen Wohlstand und die Leistungsfähigkeit unserer Gesell- schaft erhalten wollen, wenn Sie ihr das Rückgrat bre- chen; denn Mobilität ist das Rückgrat dieser Gesell- schaft. Es ist doch unbestritten, dass wir die CO2-Emissionen weltweit reduzieren müssen und dass wir als führende Industrienation dabei voranschreiten müssen, aber doch nicht mit Maßnahmen, wie sie in diesem rückwärtsge- wandten Antrag gefordert werden. Was wir brauchen, ist eine Politik, die Klimaschutz und Mobilität sinnvoll mit- einander in Einklang bringt, und genau das tut die Bun- desregierung. s „ la a L g m m la w ri s z k D v z e n H a b u ti im d L w fü m R h p n k d Z d n H m d v te K u k E d n D c E a c (C (D Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer hat in einem Ministerium sogar eine neue Unterabteilung Klima- und Umweltschutzpolitik“ geschaffen. Deutsch- nd steht mit seinen Umweltinnovationen international n der Spitze. Wir wollen und werden Deutschland zum eitmarkt für Elektromobilität machen. Die Bundesre- ierung hat einen Nationalen Entwicklungsplan Elektro- obilität vorgelegt mit dem Ziel, bis zum Jahr 2020 indestens 1 Million Elektrofahrzeuge auf Deutsch- nds Straßen zu bringen. Wie erfolgreich sich dieser Plan in der Praxis aus- irkt, kann ich aus meinem eigenen Wahlkreis im Baye- schen Wald berichten. So ist der Landkreis Cham zu- ammen mit den anderen fünf Bayerwald-Landkreisen ur Modellregion Elektromobilität ernannt worden. Erst ürzlich wurde dort das Projekt der Fachhochschule eggendorf „E-Wald“ vorgestellt. Das Konzept sieht or, Touristen, Behörden und Einwohnern Elektrofahr- euge als Leihwagen zur Verfügung zu stellen. Es ist ine Art Carsharing auf E-Mobil-Basis. Die Buchung ei- es solchen Fahrzeuges erfolgt über das Internet, das andy oder über Telefon. Das Fahrzeug selbst ist dann n zentralen Ladestationen in der Region verfügbar, ins- esondere an Hotels, Touristenparkplätzen, Bahnhöfen sw. Ein Navigationssystem in den Fahrzeugen zeigt ak- v die Ladestationen und die touristischen Attraktionen Bayerischen Wald an. Außerdem wird die Reichweite es Fahrzeuges angezeigt mit Vorschlägen, an welchen adestationen auf ein Wechselfahrzeug umgestiegen erden kann. Dieses Projekt ist eine echte Maßnahme r die Zukunft. Es verbindet Mobilität und Klimaschutz iteinander und fördert zudem die Wertschöpfung in der egion. Sämtliche Basistechnologien wurden nämlich ier entwickelt. Das schafft und sichert wieder Arbeits- lätze. Die in dem Antrag der Grünen vorgeschlagenen Maß- ahmen hingegen sind zum Großteil alles andere als zu- unftsfähig. Im Gegenteil, sie nehmen den nachfolgen- en Generationen den Gestaltungsspielraum für ihre ukunft. Offenbar hat sich bei den Grünen keiner Ge- anken darüber gemacht, wer die vielen Wunschmaß- ahmen bezahlen soll. Angesichts der angespannten aushaltslage haben die Forderungen jedenfalls nichts it verantwortungsvoller Politik zu tun. Erstaunt war ich auch, als ich gesehen habe, dass sich ie Grünen offenbar immer noch nicht von ihrem Ziel erabschiedet haben, den Benzinpreis auf 5 Mark pro Li- r anzuheben. Während wir in der christlich-liberalen oalition überlegen, wie wir die Bevölkerung entlasten nd an welchen Stellen wir Steuern und Abgaben senken önnen, fordern die Grünen geradeheraus eine weitere rhöhung der Energiesteuer auf alle Kraftstoffe. Sind enn Benzin und Diesel nicht schon teuer genug? Weiter planen die Grünen in ihrem Antrag, die Entfer- ungspauschale durch eine Mobilitätszulage zu ersetzen. as ist ein Schlag ins Gesicht aller Menschen im ländli- hen Raum. Gerade in den ländlichen Räumen, wo die ntfernungen weit sind, sind die Menschen auf Mobilität ngewiesen. Wenn wir der Abwanderung aus den ländli- hen Regionen entgegenwirken wollen – und das wollen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Januar 2011 9645 (A) ) )(B) wir –, dürfen wir diese Regionen nicht vernachlässigen, erst recht nicht aus falsch verstandenem Klimaschutz. Wir müssen Anreize setzen, um die Attraktivität ländlich geprägter Regionen zu stärken. Das erreicht man sicher nicht, indem man die Entfernungspauschale streicht und eine Mobilitätszulage einführt. Ich könnte hier noch unzählige Beispiele nennen, mit denen die Bevölkerung nach Auffassung der Grünen be- lastet, bevormundet und schikaniert werden soll, so auch durch die Einführung eines Tempolimits auf Autobahnen von 120 Stundenkilometern für Pkw. Die Wunschliste der Grünen scheint schier unendlich, meine Redezeit ist es aber leider nicht. Ich möchte meine Ausführungen da- her mit dem nüchternen Hinweis beenden, dass dieser Antrag nichts mit der Realität zu tun hat und ich nur da- von abraten kann, ihm zuzustimmen. Dieser Antrag ist ein reiner Wunschzettel. Aber wie das eben so mit Wunschzetteln ist: Vieles bleibt am Ende Träumerei; und dieser Antrag ist leider ein Albtraum. Ute Kumpf (SPD): Die UN-Klimakonferenz im me- xikanischen Cancún liegt einen Monat zurück. Anpas- sungsmaßnahmen an den Klimawandel in den Entwick- lungsländern, zum Technologietransfer im Bereich erneuerbare Energien und ein Finanzierungsfonds wur- den beschlossen. Außerdem wurde das zentrale 2-Grad- Ziel festgeschrieben, sogar mit der Überprüfung eines 1,5-Grad-Ziels. Länder wie China und Brasilien, aber auch Indien, Südafrika und Südkorea stellen sich den Herausforde- rungen des Klimawandels. Die hohe Anerkennung, die Deutschland zuteil wird, basiert auf der Klimapolitik der vergangenen 20 Jahre. Diese Anerkennung wird durch die schwarz-gelbe Bundesregierung zurzeit verspielt. Nur ein Beispiel: Diese Woche hatte die Deutsch-Chi- nesische Parlamentariergruppe ein Gespräch mit einer hochrangigen chinesischen Delegation. Angeführt wurde die Delegation von Herrn Gao Guangsheng, Abteilungs- leiter im Wirtschaftsplanungsministerium der Zentralre- gierung für Klimawandel und die Umsetzung und Kon- trolle in der Staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform. Ihre erste Frage war: „Was hat die deutsche Bundesre- gierung getan, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen?“ Betre- tenes Schweigen bei den Regierungsvertretern. Im Ge- gensatz dazu hat China das Ziel in den Jahresplänen verankert. Wo ist die Antwort der Bundesregierung? Um das 2-Grad-Ziel zu erreichen, müssen die Industrieländer ihre Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um bis zu 95 Prozent bis zum Jahr 2050 senken. Wenn wir nicht handeln, nehmen wir in Kauf, dass die globale Er- wärmung um deutlich mehr als 2 Grad bis zu 6 Grad Celsius ansteigt. Bundeskanzlerin Merkel und die gesamte Bundesre- gierung haben im Koalitionsvertrag das Ziel bekräftigt, die Treibhausgasemissionen bis 2020 gegenüber 1990 um 40 Prozent zu senken. Zitat: u u b d K s g z s d fo s s b k li W d p s Z s S G J B fü te ru fo te k C n M b b S fü u Z G (C (D Ziel ist es, die Erderwärmung auf maximal 2 Grad Celsius zu begrenzen und Deutschlands Vorreiter- rolle beim Klimaschutz beizubehalten. International ist vereinbart, dass die Industriestaaten ihre Treib- hausgasemissionen bis 2050 um mindestens 80 Prozent reduzieren. Wir werden für Deutschland einen konkreten Entwicklungspfad festlegen. Wir werden die Maßnahmen im Integrierten Energie- und Klimaprogramm auf ihre Wirksamkeit überprü- fen und gegebenenfalls nachsteuern. Wo ist dieser konkrete Entwicklungspfad? Im Januar 2010 haben Verkehrsminister Ramsauer nd sein Staatssekretär ein sektorspezifisches Energie- nd Klimakonzept für die Bereiche Verkehr und Ge- äude aufzustellen angekündigt. Versprochen war es für en Herbst 2010. Was liegt vor? Nichts! Kein Entwurf! ein Konzept! Die SPD ist selbst tätig geworden und hat mit ver- chiedenen Anträgen auf die aktuellen Herausforderun- en reagiert, um einen verbindlichen Rahmen für eine ielorientierte und umfassende Klimapolitik zu schaffen. In unserem Antrag „Ein nationales Klimaschutzge- etz – Verbindlichkeit stärken, Verlässlichkeit schaffen, er Vorreiterrolle gerecht werden“ vom Oktober 2010 rdern wir, verbindliche mittel- und langfristige Klima- chutzziele festzulegen. Nach unserer Vorstellung muss ich die Bundesregierung zu regelmäßigen Klimaschutz- erichten verpflichten, eine unabhängige Klimaschutz- ommission schaffen, die die Klimaschutzziele kontrol- ert und Vorschläge zur Erreichung der Ziele erarbeitet. ir brauchen Emissionsminderungsverpflichtungen für ie Bereiche Verkehr und Haushalt, die nicht dem euro- äischen Emissionshandel unterliegen. Um die europäi- chen Vorgaben umzusetzen, muss Deutschland für den eitraum 2013 bis 2020 im Bereich außerhalb des Emis- ionshandels die jährlichen Zwischenziele des Effort haring übernehmen, und sie müssen dem deutschen esamtminderungsziel von minus 40 Prozent bis zum ahr 2020 angepasst werden. Wir fordern Sanktionen: Bei Zielverfehlung ist die undesregierung gefordert, zusätzliche Haushaltmittel r den Klimaschutz zur Verfügung zu stellen. Eine här- re Gangart ist notwendig, da der Pkw-Verkehr aktuell nd 14 Prozent der CO2-Emissionen verursacht. Die ssilen Brennstoffe sind begrenzt, Erdöl wird knapper, urer; Spekulationen bestimmen den Preis. Innenstädte ämpfen mit Luftverschmutzung und Lärm. Um den O2-Ausstoß zu senken, müssen wir effizienter, bioge- er und elektrischer werden. Und wir müssen CO2-freie obilität organisieren, mit Energieeffizienz, Elektromo- ilität und nachhaltigen Verkehrskonzepten. Der Antrag der Grünen, der heute hier im Plenum de- attiert wird, geht in die richtige Richtung. An manchen tellen kommt er jedoch daher wie der Wunschzettel rs Christkind. Die Förderung zur Erhöhung der Emissionsreduktion nd Effizienz der Verkehrsträger findet sicherlich die ustimmung aller hier im Hause. Die Ausgestaltung der renzwerte muss jedoch kritisch überprüft werden. 9646 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Januar 2011 (A) ) )(B) Schwierig wird es, wenn es um konkrete Maßnahmen geht: die Grenzwerte. Die SPD will, dass Mobilität be- zahlbar bleibt und nicht sozial ausgrenzt. Verkehrsvermeidende und klimafreundliche Verkehrs- und Siedlungsplanung als Ziel ist unumstritten. Es gibt Punkte, denen wir zustimmen, Punkte, denen wir nicht zustimmen können. Skeptisch sehen wir die City-Maut. Eine Verteuerung des Verkehrs und soziale Kollate- ralschäden drohen. Auch die Maßnahmen zur Verlagerung des Verkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsmittel gehen in die rich- tige Richtung. Eine Trennung von Netz und Transport bei der Eisenbahn, wie von den Grünen gefordert, ist mit der SPD jedoch nicht zu machen. Die Bahn darf nicht zum verkehrspolitischen Experimentierfeld werden. Der Verlust von Arbeitsplätzen wäre die Folge. Der Erhalt des integrierten Bahnkonzerns sichert den konzernwei- ten Arbeitsmarkt. Der Komplex „Klimafreundliches Verbraucher- und Fahrverhalten fördern“ ist eine Forderung der SPD und sicherlich auch die der anderen Fraktionen hier im Haus. Die SPD hat bereits in Regierungsverantwortung die rich- tigen Weichen gestellt. Gerade Elektrofahrzeuge werden in den städtischen Mobilitätsmanagementkonzepten eine wichtige Rolle spielen. Kommunen brauchen daher Ge- staltungsspielraum: von der Feinstaubverordnung bis zur Gestaltung von Parkgebühren, vom Benutzen der Bus- spuren, dem Reservieren von Parkplätzen, von Ladesta- tionen im öffentlichen Raum bis hin zur Umstellung der Preisauszeichnung aller Kraftstoffe an Tankstellen auf Kilowattstunden. Auch die SPD fordert Maßnahmen zur Steuer- und Fi- nanzpolitik. Die Regelung der Dienstwagenbesteuerung ist zu überdenken. Die Besteuerung des privaten Nut- zungsanteils von Dienstwagen und der Betriebsausga- benabzug von Firmenwagen sind stärker an ökologi- schen Gesichtspunkten auszurichten. Die Diskussionen der letzten Wochen haben deutlich gemacht: Die Lkw-Maut muss weiterentwickelt werden. Die Differenzierung nach Emissionsklassen entfaltet eine starke Lenkungswirkung hin zu sauberen und effi- zienteren Lkw. Wir setzen uns dafür ein, dass die EU-Wegekostenrichtlinie ausgebaut wird und externe Kosten wie Energie- und Umweltbelastungen einbezo- gen werden. Die Einnahmen der Lkw-Maut müssen zur Förderung emissionsärmerer Lkws und umweltverträgli- cher Verkehrsträger wie der Bahn eingesetzt werden. Was wir brauchen, ist eine neue Philosophie von Mo- bilität. Sie darf nicht alleine auf die Frage beschränkt sein, möglichst schnell von A nach B zu kommen. Wich- tig ist, welchen Verkehrsträger ich mir leisten kann? Welcher Verkehrsträger grenzt nicht aus? Welcher Ver- kehrsträger wird der Nachhaltigkeit gerecht? Welcher Verkehrsträger schützt Ressourcen und Klima? Wir alle müssen mobil sein. Mobilität hat einen sehr hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Sie ist die Grundlage persönlicher Freiheit und sozialer Teilhabe sowie der Motor für Wirtschaft und Beschäftigung. Der S ri K b w s d K K b b s b q li E s la d R e ru n s e a B n e Ö W m A im fi A fr w U s n G V d n (C (D PD ist daher wichtig, dass Mobilität bezahlbar und bar- erefrei wird. Werner Simmling (FDP): Was Sie, sehr geehrte olleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, eantragen, ist, den Menschen vorzuschreiben, wo und ie sie mobil zu sein haben. Was Sie uns für die Durch- etzung Ihrer Weltsicht vorschlagen, ist, die Problematik es Klimawandels und des Ressourcenschutzes zu einem lischee zu degradieren. Das hat mit einer Strategie für limaschutz im Verkehr gar nichts zu tun. Ihre Vorschläge bedeuten massive Eingriffe in das Le- en, speziell in den Arbeitsalltag von Menschen. Sie ringen Konsequenzen mit sich, die Sie in Ihrem Ver- tändnis für wirtschaftliche Zusammenhänge gar nicht eurteilen können. Politisch-kulturell wären ihre Vorschläge konse- uent, kämen sie von den Linken. Aber wollen Sie wirk- ch eine Einheitsgesellschaft und Planwirtschaft? Die rgebnisse kennen wir ja. Wollen Sie wirklich eine trukturelle Begrenzung der Freizügigkeit in Deutsch- nd? Wenn Sie davon aber nur Teilaspekte durchsetzen, ann wird Ihre Politik zu einer Klientelpolitik nur für eiche, die sich Mobilität erkaufen können, die sich Zeit rkaufen können, Bequemlichkeit oder etwas Erleichte- ng im Alltag. Ihre Strategie schränkt die große Zahl der Bürgerin- en und Bürger massiv ein, und Arbeitnehmer, zum Bei- piel die Krankenschwester im Schichtdienst, werden so ingeschränkt, dass sie schlichtweg ihren Job nicht mehr usüben können. Ihre Politik kann man sich vielleicht am Prenzlauer erg leisten, wo die Menschen stadtnah wohnen und ge- ug Geld für eine Taxifahrt haben. Wir, die Regierungskoalition, befürworten dagegen in Mehr an Mobilität, zum Beispiel einen Ausbau des PNV, aber auch einen Ausbau des Individualverkehrs. ir maßen uns nicht an, Lebensstile so radikal und dog- atisch zu beeinflussen und vorzugeben, wie Sie es tun. Ihr Antrag enthält in Teilen gute und pragmatische nsätze. Aber diese haben wir im Koalitionsvertrag und Energiekonzept bereits festgeschrieben, und sie be- nden sich in der Umsetzung. In anderen Teilen ist Ihr ntrag ideologisch so verbrämt, dass ich mich schon age, wo Ihre politische und gesellschaftliche Verant- ortung bleibt. Dann wiederum führen sie Maßnahmen auf, die aus nwissenheit oder Naivität geboren sein müssen, weil ie – beispielsweise im europäischen Rechtsraum – gar icht umsetzbar sind. Man kann keinen nationalen Alleingang bei den CO2- renzwerten machen; das verbieten europarechtliche orgaben – es sei denn, Ihr Ziel ist, ganze Industrien aus em Wettbewerb auszuschließen. Der politische Leitgedanke von Bündnis 90/Die Grü- en ist, eine Balance zwischen Ökologie, Ökonomie und Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Januar 2011 9647 (A) ) )(B) Sozialem herzustellen. Mit Ihrem Antrag und der daraus resultierenden Politik verkehren Sie dieses Leitbild aber ins Gegenteil. Sie wollen weitere Grenzwerte für Luftschadstoffe festlegen. Dabei ist es in vielen Bereichen gar nicht möglich, abschließend zu ermitteln, ab welchem Wert überhaupt eine effektive Umweltbeeinträchtigung vor- liegt. Oder möchten Sie die Frage nach Gefahr und Ri- siko gerne nur politisch-ideologisch beantwortet sehen, anstatt wissenschaftlich valide? Ihr Vorschlag, die Entfernungspauschale, in eine pau- schale Mobilitätszulage umzuwandeln, ist unsozial. Wie soll diese Pauschale aussehen? Bekommt der Arbeitneh- mer dann mit einem pauschalen Betrag alle Kosten abge- golten, egal wie viele Kilometer er fahren muss, um zu seiner Arbeitsstelle zu kommen? Dieser Vorschlag ist Klientelpolitik für Städter, die kurze Wege zum Arbeits- platz haben. Sie ist aber Gift für Familien, die grünen, günstigen und großen Wohnraum am Rande der Stadt und demnach längere Anfahrtswege haben. Das Phänomen der Suburbanisierung, welches Sie in- strumentalisieren, um Mobilität über Siedlungspolitik und Verkehrspolitik einzuschränken, sollten Sie lieber gestalten, als aufzuhalten versuchen. Die von Ihnen angestrebten Tempolimits leisten kei- nen relevanten Beitrag zum Klimaschutz. Vielmehr müs- sen wir durch eine funktionsfähige und leistungsfähige Infrastruktur Staus vermeiden und eine intelligentere Straßenführung erreichen. Heute werden rund 20 Pro- zent des Kraftstoffverbrauchs im Verkehrsstau in die Luft geblasen. Das sind bis zu 14 Milliarden Liter! Der Wirtschaftstandort Deutschland mit seiner sozia- len Marktwirtschaft braucht in Zukunft mehr denn je eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur. Sie muss unseren hohen Anforderungen an Klima-, Umwelt- und Ressour- censchutz entsprechen. Und sie muss für alle Bürgerinnen und Bürger bezahlbar bleiben. Das sind die Schlüssel- funktionen für mehr Beschäftigung, mehr Wohlstand und mehr Freiheit. Sabine Leidig (DIE LINKE): Erst wenn der letzte Tropfen Öl gefördert, der letzte Hektar mit Autobahnen gepflastert oder als Anbaufläche für Biosprit ausgenutzt, das letzte Autowerk zum hundertsten Mal gerettet, die Straßen mit Autos total verstopft sind, wird der Bundes- verkehrsminister merken, dass Autofahren die Lebens- qualität nicht verbessert. Auch wenn bis dahin die glo- bale Temperatur um 10 Grad Celsius gestiegen ist und die norddeutsche Tiefebene unter Wasser steht. In der Verkehrspolitik ist die Diskrepanz zwischen kli- mapolitischen Sonntagsreden und alltäglicher Politik be- sonders krass. In Cancún und anderswo stellt sich die Bundesregierung als Vorreiterin bei Klimaschutzzielen dar, Umweltminister Röttgen mahnt Treibhausgasreduk- tionen auch im Verkehr an – und im Verkehrsministerium übt man den Rückwärtsgang. Die klimaschutzwirksame Lkw-Maut? Erhöhung zurückgenommen. Angekündigte Sektorziele zur CO2-Reduktion im Verkehrssektor? Im- mer noch nicht vorgelegt. Ausbauprogramme für ÖPNV u N k ti B ri m s tä W u w d A li P lu la u d k c w s s M S b p ru u m k m g d d ri n d s Z L G d s n s g d (C (D nd Schienenverkehr? Fehlanzeige bzw. nichts, was den amen verdient. Engagement für den Fuß- und Radver- ehr? Wo keine finanzstarke Lobby, wird auch keine Poli- k gemacht. Das Anliegen des vorliegenden Antrags der Fraktion ündnis 90/Die Grünen zum Klimaschutz im Verkehr ist chtig und wichtig und dringend – wir haben selbst in ehreren Anträgen und Reden bereits darauf hingewie- en. Leider sind die Grünen beim Thema Elektromobili- t und Struktur der Bahn immer noch auf dem Holzweg. ir brauchen keine Förderung von elektrischen Zweit- nd Drittwagen. Dem Klima wäre am meisten gedient, enn wir nicht Wettbewerb auf der Schiene hätten, son- ern ein integriertes Eisenbahnunternehmen, das auf das llgemeinwohl verpflichtet ist – dazu habe ich ausführ- ch heute Morgen gesprochen. Zentral für Klimaschutz im Verkehr sind folgende unkte. Erstens: Verkehrsvermeidung – wir brauchen Sied- ngsstrukturen und Wirtschaftskreisläufe, die viele nge Transporte und Wege überflüssig machen. Zweitens muss der Verkehr so weit wie möglich auf mweltfreundliche Verkehrsmittel wie die Schiene und en ÖPNV verlagert werden; auch den Fuß- und Radver- ehr gilt es umfangreich zu fördern. Drittens muss der notwendige Energie- und Ressour- enverbrauch so weit wie möglich reduziert und auf um- elt- und klimafreundliche Basis gestellt werden – Bei- piel: Kraftstoffverbrauch von Pkw, Lkw und Bussen owie Bahnstrom aus erneuerbaren Energiequellen. Dies muss eingebettet werden in sozialpolitische aßnahmen, um Mobilität für alle zu ermöglichen – tichwort: Sozialticket und SozialBahnCard. Außerdem raucht es ein Paket von steuer-, finanz- und ordnungs- olitischen Maßnahmen; zum Beispiel muss die Förde- ng des Flug- und Autoverkehrs über Steuerbefreiung nd Finanzierung der externen Kosten durch die Allge- einheit endlich ein Ende haben. Und ganz wichtig: Endlich Weitblick bei den Ver- ehrsinvestitionen. Wer die Anforderungen durch Kli- awandel und begrenzte Ressourcen – neben dem Öl ehen auch andere Rohstoffe wie die für die Batteriepro- uktion zur Neige – und die Verkehrsinvestitionen sowie ie Bedarfspläne für die Verkehrswege aus dem Ministe- um nebeneinanderlegt, wird feststellen, dass die Pla- ungen die Zukunftsherausforderungen völlig ausblen- en. Wer so plant, ist entweder dumm – was man hier icher nicht unterstellen kann –, denkt nur mit einem eithorizont bis zur nächsten Wahl, knickt vor starken obbyinteressen ein oder hat einen totalen Mangel an estaltungswillen. Wer so plant und handelt, verhöhnt abei die Interessen zukünftiger Generationen. Mit die- er Verkehrspolitik treiben wir das Weltklima weiter ach oben. Die Auswirkungen werden global verheerend ein und auch Deutschland nicht verschonen. Aber es eht nicht nur um den Klimawandel: Was für eine Infrastruktur wollen wir unseren Kin- ern hinterlassen? Eine, die weiterhin – sofern sie über- 9648 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Januar 2011 (A) ) )(B) haupt noch funktioniert – die Menschen mit Abgasen und Lärm belästigt, jährlich zu vielen Tausend Verletz- ten und Toten führt und unser Lebensumfeld in Betonflä- chen verwandelt? Oder eine, die viel Grün für die Naher- holung lässt, in der mit kurzen Wegen alles erreichbar ist, was wir für den täglichen Bedarf brauchen, in der auch weite Strecken ohne hohen Adrenalinspiegel durch dichten Verkehr und unsichere Verkehrsmittel zurückge- legt werden können? Eine, die zu großen Teilen un- brauchbar ist, weil sich kaum noch jemand das Fahren mit einem eigenen Pkw leisten kann? Oder eine, die die Mobilitätsbedürfnisse aller in nachhaltiger Weise befrie- digen kann? Eine, die ungebremst auf die Krise zusteu- ert, die das Überschreiten des Fördermaximums beim Öl – der sogenannte Peak Oil – auslösen wird? Oder eine, die dann schon zu großen Teilen unabhängig ist von fos- silen Energien, sodass wir die Krise ohne einen totalen Zusammenbruch überstehen können? Es geht also auch um Lebensqualität – und dies nicht nur für unsere Kinder. Wenn wir jetzt die Grundlagen für eine neue Infrastruktur und eine neue Mobilität legen, können wir auch selbst profitieren. Wir brauchen drin- gend einen grundlegenden Wandel in der Verkehrspoli- tik. Diesen Wandel können wir jedoch nicht erwarten von einem Straßenbauminister, der nur die „freie Fahrt für freie Bürger“ und die Interessen der Beton- und Auto- lobby im Kopf hat – mit dem Ziel, möglichst viel Verkehr zu ermöglichen. Wir brauchen eine Mobilitäts- politik mit dem Ziel, die Transport- und Mobilitätsbe- dürfnisse aller Menschen zu befriedigen. Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Alle reden derzeit von Wetterchaos und Folgen für die Verkehrsträger: vereiste Flieger, gesperrte Autobahnen, massenhafte Ausfälle bei der Bahn. Winter eben! Die Winter kehren nach Deutschland zurück und die Sommer werden heißer. Kaum jemand redet momentan von Klimaschutz, und die Debatte im Deutschen Bun- destag wird zu Protokoll gegeben. 2010 war das wärmste Jahr seit Beginn der Wetterauf- zeichnungen. Die Zunahme von Wetterextremen – sehr kalte Winter und sehr heiße Sommer – sind nur ein Symp- tom des fortschreitenden Klimawandels. Eigentlich wis- sen wir das, und wir wissen auch, dass drastische Reduk- tionen der Treibhausgase nötig sind: weltweit bis 2050 um 50 Prozent gegenüber 1990. Der Verkehr verantwortet heute rund ein Fünftel aller Treibhausgasemissionen in Deutschland, für 2008 waren dies 152,33 Millionen Tonnen. Wenn wir das nationale Klimaschutzziel erreichen wollen, dann müssen mindes- tens 40 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr gegenüber 1990 eingespart werden. Anders als in anderen Sektoren sind die Reduktionen im Verkehrsbereich verschwindend, obwohl die Fahr- zeugeffizienz verbessert wurde. Der stetige Anstieg des Verkehrsaufwands hat die fahrzeugspezifischen Emis- sionsminderungen überkompensiert. Nur mit Modifika- ti c w s A d V le s m k M s s E s p n F fo C n w ru g w d k a w V M d k M s e d fü e u K e li m S w s n v F k re (C (D onen am Gerät werden wir es nicht schaffen, wir brau- hen einen Rückgang im Verkehrsaufwand, wir müssen, o es nur geht, Verkehr verlagern und vermeiden. Die Bundesregierung hat mehrfach angekündigt, wirk- ame Klimaschutzinstrumente im Verkehr zu entwickeln. uch Bundesrat und Bundesumweltminister beteuern, ass Klimaschutzziel sei ohne drastische Reduktionen bei erkehr und Gebäuden nicht zu erreichen. Passiert ist al- rdings wenig, zahlreiche Maßnahmen wurden abge- chwächt oder ausgesetzt. Mit den Konjunkturprogram- en hat man die Klimaschutzziele im Verkehr eher onterkariert. Die dringend nötige Erhöhung der Lkw- aut wird eingespart und so ein wichtiges klimapoliti- ches Lenkungsinstrument fallengelassen. Auf europäi- cher Ebene blockiert die Bundesregierung ambitionierte U-weite CO2-Grenzwerte für leichte Nutzfahrzeuge. So chützt man die Autoindustrie, nicht aber das Klima. Man hätte erwarten dürfen, dass im vollmundig ange- riesenen Energiekonzept der Bundesregierung Maß- ahmen und Instrumente konkretisiert werden. Aber ehlanzeige: Zu lesen waren Ankündigungen und Auf- rderungen. Es fehlt ein konkretes Sektorziel zur O2-Reduktion für den Verkehrsbereich. Kernbereiche achhaltiger Mobilität wie ÖPNV, Rad- und Fußverkehr erden noch nicht einmal erwähnt. Die Bundesregie- ng will uns glauben machen, mit einem Förderpro- ramm für Elektromobilität und mehr Biosprit genügen ir den Klimaschutzanforderungen. Schon vor einem Jahr hat das BMVBS angekündigt, ie Verkehrsmaßnahmen aus dem Energie- und Klimapa- et von 2007 zu überprüfen und fortzuentwickeln, aber uf ein Klimaschutzprogramm für den Verkehr warten ir bislang vergebens. Bisher hat die Bundesregierung im erkehrsbereich weder die Voraussetzungen für konkrete aßnahmen zur Emissionsminderung geschaffen noch ie technologischen Innovationspotenziale erschließen önnen. Es ist längst klar: Allein fahrzeugspezifische inderungen und Umstellungen auf alternative Kraft- toffe oder Elektroantriebe reichen nicht aus. Hinzu muss in ganzes Bündel von Maßnahmen zur Verkehrsvermei- ung durch entsprechende Stadt- und Verkehrsplanung, r den Umstieg auf klimafreundliche Verkehrsmittel, die ffiziente Verwendung von Energie für Mobilitätszwecke nd den Ersatz fossiler durch erneuerbare Energien beim limaschutz kommen. Klimafreundliche Mobilität ist auf ine funktionsfähige Infrastruktur angewiesen, die intel- gent vernetzt wird und so nachhaltige Verkehrsströme oderiert. Dafür muss etwa die umweltfreundliche chiene als auch der ÖPNV insgesamt massiv ausgebaut erden. Wirksam sind Reduktionsstrategien erst dann, wenn ie mit klaren Zielen und konkreten Zahlen und Zeitplä- en und vor allem einer sanktionsbewährten Kontrolle erbunden sind. In dem vorliegenden Antrag unterbreiten wir eine ülle von Maßnahmen für mehr Klimaschutz im Ver- ehr, wir stehen für eine Diskussion mit dem Verkehrs- ssort bereit. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Januar 2011 9649 (A) ) )(B) Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 878. Sitzung am 17. De- zember 2010 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Gesetz über die Feststellung des Bundeshaus- haltsplans für das Haushaltsjahr 2011 (Haushalts- gesetz 2011) – Gesetz zur Aufhebung des Freihafens Hamburg – Fünftes Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteu- ergesetzen – Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversiche- rung (GKV-Finanzierungsgesetz – GKV-FinG) – Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arznei- mittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG) – Erstes Gesetz zur Änderung des Stipendienpro- gramm-Gesetzes (1. StipG-ÄndG) – Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vertrau- ensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafpro- zessrecht – Gesetz zur Modernisierung des Benachrichti- gungswesens in Nachlasssachen durch Schaffung des Zentralen Testamentsregisters bei der Bun- desnotarkammer und zur Fristverlängerung nach der Hofraumverordnung – Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtli- nie in der Justiz und zur Änderung weiterer Vor- schriften – Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Siche- rungsverwahrung und zu begleitenden Regelun- gen – Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2011 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 2011) – Gesetz zur Vereinbarung vom 20. April 2010 zwi- schen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch- land und der Regierung von Quebec über Soziale Sicherheit – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 24. Oktober 2008 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, der Regierung des Königreichs Bel- gien, der Regierung der Französischen Republik und der Regierung des Großherzogtums Luxemburg zur Einrichtung und zum Betrieb eines Gemeinsa- men Zentrums der Polizei- und Zollzusammenar- beit im gemeinsamen Grenzgebiet – Gesetz zu dem Abkommen vom 9. März 2009 zwi- schen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch- land und der Regierung der Französischen Repu- blik über die Zusammenarbeit im Bereich der – m d n (C (D Sicherheit im Luftraum bei Bedrohungen durch zivile Luftfahrzeuge Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 9. Juni 2006 zwischen der Europäischen Ge- meinschaft und ihren Mitgliedstaaten, der Repu- blik Albanien, Bosnien und Herzegowina, der Re- publik Bulgarien, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, der Republik Island, der Republik Kroatien, der Republik Montenegro, dem Königreich Norwegen, Rumänien, der Repu- blik Serbien und der Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen in Kosovo zur Schaffung eines gemeinsamen europäischen Luftverkehrsraums (Vertragsgesetz ECAA-Übereinkommen – ECAA- ÜbkG) Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben itgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 er Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den achstehenden Vorlagen absieht: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit in den Jahren 2007/2008 sowie über die Lage und Ent- wicklung auf seinem Aufgabengebiet und Stellungnahme der Bundesregierung – Drucksachen 16/13500, 17/591 Nr. 1.12 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Fortschrittsbericht zum Aktionsprogramm der Bundes- regierung „iD2010 – Informationsgesellschaft Deutsch- land 2010“ – Drucksachen 16/13939, 17/591 Nr. 1.24 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 62 Absatz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes Strom und Gas 2009 – Energiemärkte im Spannungs- feld von Politik und Wettbewerb – Drucksachen 16/14060, 17/591 Nr. 1.28 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Tätigkeitsbericht 2008/2009 der Bundesnetzagentur – Telekommunikation mit Sondergutachten der Monopolkommission – Telekom- munikation 2009: Klaren Wettbewerbskurs halten – Drucksachen 17/285, 17/591 Nr. 1.44 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Tätigkeitsbericht der Bundesnetzagentur 2008/2009 – Post mit Sondergutachten der Monopolkommission – Post 2009: Auf Wettbewerbskurs gehen – Drucksachen 17/286, 17/591 Nr. 1.45 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 62 Absatz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes 9650 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Januar 2011 (A) ) )(B) Strom und Gas 2009 – Energiemärkte im Spannungs- feld von Politik und Wettbewerb – Drucksache 16/14060 – hier: Stellungnahme der Bundesregierung – Drucksachen 17/1686, 17/1819 Nr. 1.7 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Tätigkeitsberichte 2008/2009 der Bundesnetzagentur – Telekommunikation und Post mit den Sondergutachten der Monopolkommission – Telekom- munikation 2009: Klaren Wettbewerbskurs halten sowie Post 2009: Auf Wettbewerbskurs gehen – Drucksachen 17/285, 17/286 – hier: Stellungnahme der Bundesregierung – Drucksachen 17/2567, 17/2971 Nr. 1.5 – Ausschuss für Gesundheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Einhaltung der reduzierten Begutachtungsfrist des medizinischen Diens- tes der Krankenversicherung für Pflegebedürftige, die sich in einem Hospiz befinden oder in häuslicher Umge- bung palliativ versorgt werden – Drucksachen 17/1567, 17/1819 Nr. 1.6 – Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2010 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 11 13 Titel 636 22 – Erstattung von Aufwendungen der Deutschen Rentenversicherung Bund aufgrund der Überführung von Zusatzversorgungssys- temen in die RV – bis zur Höhe von 11 Mio. Euro – Drucksachen 17/3980, 17/4118 Nr. 4 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2010 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 30 03 Titel 687 70 – Leistungen für die Europäischen Forschungseinrichtungen CERN, ESO, ESRF und ILL – bis zu einer Höhe von 8,3 Mio. Euro – Drucksachen 17/3981, 17/4118 Nr. 5 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2010 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 14 03 Titel 681 72 – Leistungen des Bundes nach dem Unterhaltssicherungsgesetz – bis zur Höhe von 7 Mio. Euro – Drucksachen 17/3953, 17/4118 Nr. 2 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2010 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 17 04 Titel 423 38 – Versicherungs- beiträge für Dienstleistende – bis zu einer Höhe von 37,744 Mio. Euro – Drucksachen 17/3954, 17/4118 Nr. 3 – m d tu (C (D – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2010 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 11 10 Titel 632 51 – Kriegsopfer- fürsorgeleistungen und gleichartige Leistungen – bis zur Höhe von 8 Mio. Euro – Drucksachen 17/4149, 17/4292 Nr. 1.7 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2010 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 12 03 Titel 521 31 – Betrieb und Unterhaltung sowie Ersatz und Ergänzung der Lotsein- richtungen – bis zur Höhe von 7,8 Mio. Euro – Drucksachen 17/4150, 17/4292 Nr. 1.8 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2010 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 11 10 Titel 636 41 – Erstattungen an Krankenkassen nach §§ 19 und 20 des Bundesver- sorgungsgesetzes und an andere öffentlich-rechtliche Leistungsträger – bis zur Höhe von 16,5 Mio. Euro – Drucksachen 17/4151, 17/4292 Nr. 1.9 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben itgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unions- okumente zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- ng abgesehen hat. Rechtsausschuss Drucksache 17/1492 Nr. A.12 Ratsdokument 8157/10 Drucksache 17/3280 Nr. A.8 Ratsdokument 13507/10 Drucksache 17/3955 Nr. A.2 Ratsdokument 15274/10 Haushaltsausschuss Drucksache 17/2408 Nr. A.12 Ratsdokument 10346/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.29 Ratsdokument 11251/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.30 Ratsdokument 11599/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.31 Ratsdokument 12393/10 Drucksache 17/3791 Nr. A.4 Ratsdokument 15055/10 Drucksache 17/3791 Nr. A.5 Ratsdokument 15056/10 Drucksache 17/3955 Nr. A.7 Ratsdokument 15302/10 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 17/2224 Nr. A.4 Ratsdokument 9981/10 Drucksache 17/2408 Nr. A.14 EuB-EP 2038; P7_TA-PROV(2010)0151 Drucksache 17/3608 Nr. A.19 Ratsdokument 14358/10 Drucksache 17/3791 Nr. A.6 EuB-EP 2070; P7_TA-PROV(2010)0300 Drucksache 17/3791 Nr. A.7 EuB-EP 2072; P7_TA-PROV(2010)0320 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 85. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. Januar 2011 9651 (A) (C) (D)(B) Drucksache 17/3791 Nr. A.8 Ratsdokument 14472/10 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 17/3955 Nr. A.11 Ratsdokument 15277/10 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 17/3791 Nr. A.11 EuB-EP 2069; P7_TA-PROV(2010)0299 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 17/2994 Nr. A.48 EuB-EP 2059; P7_TA-PROV(2010)0239 Drucksache 17/3608 Nr. A.37 Ratsdokument 14355/10 Drucksache 17/3608 Nr. A.38 Ratsdokument 14622/10 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 17/1649 Nr. A.10 Ratsdokument 8504/10 Drucksache 17/1821 Nr. A.21 Ratsdokument 8246/10 Drucksache 17/1821 Nr. A.22 Ratsdokument 8891/10 Drucksache 17/1821 Nr. A.23 Ratsdokument 8910/10 Drucksache 17/1821 Nr. A.24 Ratsdokument 9014/10 Drucksache 17/3955 Nr. A.19 Ratsdokument 15240/10 Drucksache 17/4116 Nr. A.9 Ratsdokument 15915/10 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 17/1821 Nr. A.27 Ratsdokument 8519/10 85. Sitzung Berlin, Freitag, den 21. Januar 2011 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708500000

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Gu-

ten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Bevor wir mit unserer heutigen Tagesordnung begin-
nen, möchte ich Sie noch kurz über eine Änderung des
Zeitplans für dieses Jahr informieren. Nach einer inter-
fraktionellen Vereinbarung sollen zwei vereinbarte Sit-
zungswochen im September getauscht werden. Die in
der 37. Kalenderwoche geplanten Sitzungen sollen in die
38. Woche verschoben werden. Das würde bedeuten,
dass die Woche vom 12. September beginnend sitzungs-
frei wird und die Woche vom 19. September an eine Ta-
gungswoche. Ich nehme an, dass dazu Einvernehmen
hergestellt werden kann. – Dann bitte ich, das für mögli-
che Dispositionen zu berücksichtigen. Aber wir teilen es
natürlich noch einmal mit.

Ich rufe unseren Tagesordnungspunkt 21 auf:

Abgabe einer Regierungserklärung durch den
Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenar-
beit und Entwicklung

zum zivilen Wiederaufbau in Afghanistan

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke vor.

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Redet
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-
rung eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung er-
hält nun der Bundesminister für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wer heute an den Hindukusch kommt
Die Kinder lassen wieder Drachen steigen. Ich
ist ein gutes Zeichen, dass diese Lebensfreude
nistan wieder Fuß fasst.

(C (D ung 1. Januar 2011 2 Uhr An den Anfang der Debatte über den zivilen Wiederufbau möchte ich den Dank an all jene stellen, die von eutscher Seite zu dieser Entwicklung beigetragen haen: (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


ie Diplomaten und Polizisten, die Soldaten und Ent-
icklungsexperten. Sie arbeiten im Team. Ihr Einsatz
ötigt uns Respekt ab, und ihre Opfer machen uns be-
offen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES/90 DIE GRÜNEN)


Am Heiligen Abend wurde zum ersten Mal ein deut-
cher Mitarbeiter unserer staatlichen Entwicklungszu-
ammenarbeit in Afghanistan ermordet. Ich war gestern
ei der Trauerfeier. Unsere Gedanken sind bei seinen
ngehörigen, aber auch bei seinem verwundeten afgha-
ischen Kollegen. Ich wünsche ihm baldige, vollstän-
ige Genesung.

Opfer und Rückschläge bewirken, dass in der Öffent-
chkeit Zweifel am Erfolg unseres Engagements in
fghanistan laut wurden. Unüberhörbar sind die Fragen
anz besonders der Angehörigen: Wie lange sollen wir

ext
noch Opfer bringen? Wird die Lage durch unseren Ein-
satz überhaupt besser? – Wir gewinnen nichts, wenn wir
die Lage schöner reden, als sie ist. Das ist der Fehler, der
früher oft gemacht worden ist. Aber wir gefährden alles,
wenn wir die Lage schlechter reden, als sie ist. Das ist
der Fehler, den wir in Zukunft nicht machen werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Die Sicherheitslage, liebe Kolleginnen und Kollegen,
macht uns Sorge. Die Aufständischen töten wahllos. Sie
zielen auf Zivilisten und Menschenrechte, auf Völker-
recht und Wiederaufbau. So konnte die medienwirksame
Behauptung, nichts sei gut in Afghanistan, viel Wider-

chwarz-Weiß-Malerei spielt den Extre-
ände. „Nirwanasätze“ sind immer falsch
unverantwortlich. Richtig ist: Vieles ist

n in Afghanistan. Richtig ist: Deutsch-
, der sieht:
glaube, es
in Afgha-

hall erhalten. S
misten in die H
und gelegentlich
besser geworde





Bundesminister Dirk Niebel


(A) )


)(B)

lands Rolle in Afghanistan verstehen wir nur, wenn wir
den Vorrang des zivilen Wiederaufbaus vor dem militäri-
schen Einsatz sehen. Vieles ist besser geworden, auch
dank des Engagements vieler Afghaninnen und Afgha-
nen. Wer zu ihrem Land nicht mehr zu sagen hat als Ex-
tremismus, Terrorismus oder „Nichts ist gut“, der ver-
steht nicht, warum es so gut ist, dass heute wieder
Drachen fliegen.

Mich hat bei meinen Besuchen der Aufbauwille der
Afghanen beeindruckt. Der Fortschrittsbericht der Bun-
desregierung vom Dezember zeigt hier ein sehr differen-
ziertes Bild der Situation. Wenn wir die Situation am
Anfang des deutschen Engagements in Afghanistan mit
der Lage in den letzten ein bis zwei Jahren vergleichen,
stellen wir fest: Der Faktencheck für Afghanistan straft
diejenigen Lügen, die mit schwarzmalerischer Rhetorik
versuchen, den kompletten Einsatz Deutschlands zu dis-
kreditieren. Jede vierte Frau erhält bei der Geburt medizi-
nische Hilfe. Der Getreideertrag hat sich seit 2000 mehr
als verdoppelt. 7 Millionen Schülerinnen und Schüler ge-
hen zur Schule. Vor zehn Jahren war es 1 Million. Die
Kindersterblichkeit ist von 250 pro 1 000 Lebendgebur-
ten auf 161 zurückgegangen. Die Zahl der Kinderheira-
ten ist um weit über 60 Prozent gesunken. Während
2001 kein einziges Mädchen zur Schule gehen konnte,
liegt der Anteil der Mädchen in den Grundschulen heute
bei knapp 40 Prozent. Frauen stellen im afghanischen
Parlament 28 Prozent der Abgeordneten.

Mit Gesundheit, Menschenrechten und Bildung
macht auch die Wirtschaft Fortschritte. Die Weltbank
prognostiziert für das laufende Jahr ein Wirtschafts-
wachstum von 8,5 bis 9 Prozent. Die Staatseinnahmen
haben sich seit 2002 verzehnfacht. So kann mittlerweile
die afghanische Regierung mehr und mehr die Gehälter
für Lehrer und Polizisten übernehmen. Das Bruttosozial-
produkt hat sich fast vervierfacht. Immer mehr Men-
schen können ohne Hilfslieferungen leben. Diese Zahlen
zeigen, dass es verantwortungslos ist, ohne Kenntnis der
Situation vor Ort Erfolge schlechtzureden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Richtig ist, dass wir Familien, Frauen und Mädchen neue
Lebenschancen geben konnten. Auch ich kann mir aller-
dings vieles besser vorstellen. Aber gerade weil vieles
besser werden kann, ist Deutschlands Rolle jetzt nicht
schlechtreden, sondern besser machen und Fortschritte
sichern; denn noch sind die Fortschritte nicht unumkehr-
bar.

Leider, liebe Kolleginnen und Kollegen, wurden zu
Beginn der Intervention 2001 von vielen Seiten überzo-
gene Erwartungen an diesen Einsatz geweckt. Diese Er-
wartungen waren nicht realistisch. Grundlegende wirt-
schaftliche, soziale und gesellschaftliche Veränderungen
finden auch hier eher in Dekaden als in Monaten oder
Jahren statt. Ich möchte das mit einem Beispiel belegen,
das mir sehr eindringlich in Erinnerung geblieben ist.
Als ich im letzten Jahr ein Teacher Training Center in
Masar-i-Scharif eröffnet habe, wurde mir von dem Di-
rektor beim Rundgang gesagt, dass ungefähr 30 Prozent
der angehenden Lehrerinnen und Lehrer, die dort unter-
richtet werden, erst einmal alphabetisiert werden müs-

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(C (D en. Bevor die Bildungselite dieses Landes in die Lage ersetzt wird, junge Menschen zu unterrichten, muss sie rst einmal Lesen und Schreiben lernen. Das zeigt ungehr, von welcher Basis aus wir anfangen zu arbeiten. Diese Bundesregierung hat den Strategiewechsel in fghanistan vollzogen, hin zu einem sehr viel stärkeren ivilen Engagement. Wir haben das international auch urchgesetzt. Ohne den zivilen Erfolg ist unser Gesamtiel in Afghanistan nicht zu erreichen. Die zivilen Mittel er Bundesregierung zur Stabilisierung und Entwicklung es Landes haben wir massiv aufgestockt von weniger ls 200 Millionen Euro 2008 auf rund 430 Millionen uro 2010, davon allein 245 Millionen Euro aus dem aushalt des BMZ. Dadurch hat sich unser Engagement or allem im Norden ganz erheblich intensiviert. Einige Beispiele für die Leistungen allein in den Jahn 2009 und 2010 belegen das. 85 000 Haushalte haben ine bessere Trinkwasserversorgung erhalten. 117 Kiloeter Straßen sind repariert oder neu gebaut worden als ebensadern für die Bevölkerung dieses Landes. 2 000 Menschen konnten sich beruflich fortbilden. Solche konkreten Verbesserungen haben es möglich emacht, dass die Privatwirtschaft in Afghanistan dynaisch gewachsen ist. Wir haben die First Microfinance ank mit aufgebaut. Allein 2009 und 2010 gingen über 50 Kredite an kleine und mittlere Unternehmen. 2 000 Menschen haben von Mikrokrediten profitiert, arunter alleine 6 000 Frauen. Mit BMZ-Hilfe ist die afghanische Investitionsföreragentur aufgebaut worden, bei der bis heute über 2 000 Unternehmen registriert sind mit einem Investionsvolumen von ungefähr rund 4 Milliarden Euro. eutschland ist mit der Aufstockung der zivilen Mittel Afghanistan zum größten europäischen Geber gewor en und ist nach Japan und den USA der drittgrößte Geer weltweit. Diese Ausgaben sind Investitionen in den rieden. Diese massive Aufstockung der Mittel hätte ohne weifel deutlich früher geschehen müssen. Erst die jetige Bundesregierung engagiert sich in einer Größenordung, die den Herausforderungen auch tatsächlich erecht wird. Mit unserer Entwicklungsoffensive in Nordfghanistan kommen wir sichtbar und wirksam voran. as BMZ hat seine eigenen Anstrengungen enorm ge teigert, und zwar nicht nur finanziell. Die gut 1 300 ziilen Mitarbeiter, die wir im März 2010 vor Ort hatten, erden wir auf 2 500 Mitarbeiter fast verdoppeln. urzeit sind es bereits 1 700 Mitarbeiter, darunter allein 60 internationale Experten. Ich habe auch das Personal des BMZ, das die Enticklungsarbeit vor Ort koordiniert, deutlich verstärkt. b dem 1. Februar stellt das BMZ die Entwicklungsirektorin im RC North, die gleichzeitig die deutsche ntwicklungsbeauftragte für Afghanistan ist. Das deutche Engagement in Afghanistan ist also weit mehr als loß der Einsatz von Militär. Wo kämen wir im Übrigen hin, wenn wir bei sehr omplexen Aufgaben wie in Afghanistan in der Kleinteigkeit von Ressortzuständigkeiten denken würden? Das Bundesminister Dirk Niebel )





(A) )

gemeinsame Vorgehen verstehen wir unter vernetzter Si-
cherheit. Die sehr deutschen, innerdeutschen kontrover-
sen Diskussionen zu diesem Thema sind, wenn man sich
die Praxis vor Ort anschaut, kaum verständlich.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Vernetzte Sicherheit, liebe Kolleginnen und Kollegen,
bedeutet keine Militarisierung der Entwicklungspolitik,
keine „embedded“ Entwicklungshelfer, keine Soldaten
neben Brunnenbohrlöchern.


(Zuruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zurufe von der SPD)


Der vernetzte Ansatz bedeutet die bessere Abstimmung
im Sinne des gemeinsamen politischen Ziels. Wir wollen
die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Erfolge
Afghanistans stärken. Darum ist jetzt übrigens auch der
Zeitpunkt gekommen, dass sich die deutsche Wirtschaft
mehr in Afghanistan engagiert als bisher.

China hat längst das Potenzial Afghanistans erkannt.
China investiert Milliarden in den dortigen Kupferberg-
bau. Zurzeit ist eine große Eisenerzmine ausgeschrieben.
Wenn allein diese beiden Bergbauprojekte realisiert wer-
den können, kann der afghanische Staat ab 2016 über
500 Millionen US-Dollar pro Jahr an zusätzlichen Ein-
nahmen verbuchen, und ungefähr 100 000 Arbeitsplätze
für afghanische Bürgerinnen und Bürger werden ge-
schaffen.


(Zuruf der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])


– Sie können gern eine Zwischenfrage stellen.

Entscheidend bei der Frage der Rohstoffförderung in
Afghanistan – hierbei hat Deutschland große Kompeten-
zen – ist die Frage der Transparenz, die Frage, ob diese
Werte den Bürgerinnen und Bürgern des eigenen Landes
zugutekommen. Ich glaube, wenn dieses breitenwirk-
same Wachstum dazu beiträgt, dass Afghanistan zusätz-
liche eigene Staatseinnahmen erzielen kann, und wenn
Bürgerinnen und Bürger Berufschancen bekommen,
dann ist es ein guter Weg, auch an diesen Bereich zu
denken.

Afghanistan ist darüber hinaus voller Chancen. Übri-
gens ist die Qualität deutscher Produkte in Afghanistan
bekannt, und deutsche Produkte genießen dort einen gu-
ten Ruf. Der Nachholbedarf Afghanistans kann auch als
Potenzial für deutsche Unternehmen angesehen werden,
zur Entwicklung des Landes beizutragen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ungeachtet der er-
freulichen Fortschritte bleibt natürlich ein großer Berg
von immensen Herausforderungen vor uns. Immer noch
viel zu wenige Menschen haben die Gelegenheit, ihre
Grundbedürfnisse zu decken. Dies gilt insbesondere für
die ländlichen Regionen. Afghanistan bleibt nach wie
vor ein sehr armes Land.

Der Schlüssel zur langfristigen wirtschaftlichen und
sozialen Entwicklung Afghanistans liegt im politischen
Bereich. Was gute Regierungsführung angeht, besteht
auf allen Ebenen ein gravierendes Defizit. Zu den Kern-
problemen gehören die weitverbreitete Korruption, man-

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(C (D elnde Leistungsfähigkeit staatlicher Instanzen und fehnde Rechtssicherheit. Ich kann Ihnen versichern, dass diese Bundesregieng in ihren Gesprächen vor Ort, aber auch in den jähr chen Regierungsverhandlungen diese Punkte sehr klar nd deutlich anspricht und klare Worte dafür findet. uch wir befürchten einen Rollback bei den Menschenchten in Afghanistan und stellen uns dem entgegen, eil es ein Kernbestand der wertegebundenen Politik ieser Bundesregierung ist, die Achtung der Menschenchte einzufordern. Allerdings sollte man nicht dem Irrglauben erliegen, ass die internationale Gemeinschaft die Karzai-Admiistration nach Belieben steuern könnte. Deshalb ist es o wichtig, dass wir gezielt die afghanischen Demokran und Reformkräfte stärken. Sie müssen die Befähiung haben, in ihrem eigenen Land Menschenrechte und essere Regierungsführung einzufordern. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusamenarbeit und Entwicklung wird vor diesem Hinter rund in diesem Jahr seine Zusage an die afghanische egierung in zwei Tranchen aufteilen. Wir haben daurch die Möglichkeit, den Fortgang der Reformen anemessen zu begleiten und auf den Fortschritt der Reforen angemessen zu reagieren. Entschlossene Reformen er afghanischen Regierung sind der Grundstein für eine achhaltige wirtschaftliche, soziale und politische Enticklung in diesem Land. Erfolg in Afghanistan ist aber auch abhängig von eier Stabilisierung der ganzen Region. Das gilt insbesonere für so wichtige Partner wie Pakistan. Deshalb weren wir dort weiterhin die demokratische Stabilisierung nd die Verbesserung der Lebensbedingungen unterstüten. Was unsere Partnerregierungen aber allein schaffen üssen, ist, das Vertrauen der eigenen Bürger wiederzu ewinnen. Hier muss auch Pakistan Reformen durchfühn, Ungerechtigkeiten abbauen und Wege aus der wirt chaftlichen Sackgasse aufzeigen. Ein nachhaltiger Entwicklungsprozess in Afghanistan ird immer von einer spürbaren Verbesserung der Si herheitslage abhängen. Vergangenes Jahr hat die Freie niversität Berlin in einer Studie deutlich gemacht, dass hne ein Minimum an Sicherheit keine effektive und irksame Entwicklungsarbeit möglich ist. Sicherheit ist ie Grundvoraussetzung, um wirksam arbeiten zu könen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


In den meisten Distrikten im Norden können wir wei-
rhin unter relativ guten Bedingungen arbeiten. Die Si-

herheitslage wirkte sich aber im vergangenen Jahr in ei-
igen Regionen, insbesondere in den Provinzen Kunduz
nd Baghlan, negativ auf die zivile Hilfe aus. Hier verfü-
en unsere zivilen Helfer teilweise nicht mehr über den
otwendigen Bewegungsfreiraum, um die Projektumset-
ung effizient zu begleiten. Die instabilen Gebiete müs-
en deshalb durch ISAF und vor allem durch die afgha-





Bundesminister Dirk Niebel


(A) )


)(B)

nischen Sicherheitskräfte gesichert werden, bevor die
zivile Hilfe dort greifen kann. Langfristig können nur af-
ghanische Sicherheitskräfte die nötige Sicherheit in der
Fläche herstellen, die zwingende Voraussetzung für die
afghanische Bevölkerung ist, damit zivile Helfer sie
beim Aufbau ihres Landes begleiten können. Auch aus
diesem Grund konzentriert sich ISAF auf die Befähi-
gung der afghanischen Sicherheitskräfte. Bis 2014 wol-
len wir die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an
die Afghanen erreichen. Das ist weit mehr als ein nur
militärisch relevanter Vorgang.

Ich freue mich – das sage ich ganz ausdrücklich –,
dass die Zusammenarbeit zwischen den vier Afghanis-
tan-Ressorts, dem Auswärtigen Amt, dem Bundesminis-
terium des Innern, dem Bundesministerium der Verteidi-
gung und dem Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, so viel besser läuft
als früher.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Unsere Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanis-
tan wird über die Übergabe der Sicherheitsverantwor-
tung hinausreichen, und sie wird auf jeden Fall jenseits
des Komplettabzugs von ISAF weiter notwendig sein.
Die Menschen in Afghanistan zählen auf unsere Unter-
stützung. Ungefähr 50 Prozent der Menschen in Afgha-
nistan sind jünger als 15 Jahre, also ideale Drachenläu-
fer. Sie wollen ein anderes, ein besseres Leben als ihre
Eltern. Wir können ihnen dabei helfen.

Das Schaffen von Perspektiven und Lebenschancen
entspricht beidem: sowohl unseren eigenen Interessen
als auch unseren gemeinsamen Werten. Deswegen bin
ich froh und dankbar, dass die Bundesregierung sich ent-
schieden hat, heute, noch im Vorfeld der Debatte über
die Verlängerung des militärischen Mandats für Afgha-
nistan, deutlich zu machen, welche zivilen Komponen-
ten hier in der Vergangenheit wichtig waren und für die
Zukunft wichtig sind und wo unsere Erfolge auch in die-
sem Bereich liegen. Die zivile Betrachtung fällt hinter
der militärischen oftmals ab. Sie ist aber mindestens ge-
nauso wichtig, wenn man die Zukunft betrachtet, sogar
wesentlich wichtiger als alles, was in militärischen Be-
reichen der Vergangenheit berichtet wurde. Ich möchte
eins deutlich machen: Auch in Afghanistan gilt das Pri-
mat der Politik.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708500100

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst

der Kollege Dr. Gernot Erler für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1708500200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vieles hat sich im vergangenen Jahr verändert. Unter
dem Druck der problematischen, teilweise dramatischen
Entwicklung vor Ort ist die Afghanistan-Politik in den
Vereinigten Staaten, in der Gemeinschaft der 48 Länder,

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(C (D ie sich vor Ort engagieren, und auch in Deutschland eu ausgerichtet worden. Meine Partei, die SPD, hat azu wirksame Anstöße gegeben, nicht zuletzt durch wei große Afghanistan-Konferenzen im Januar und im ezember 2010. Im Zuge dieses Veränderungsprozesses, ieses Umdenkens, ist auch ein neuer Konsens entstanen, so darüber, dass ein militärischer Sieg über die Auftändischen in Afghanistan ausgeschlossen erscheint, ass deshalb nur eine politische Lösung möglich ist, die it dem Abschied von einigen langgehegten Illusionen inhergeht, und dass sichtbare Erfolge und Fortschritte ei dem Wiederaufbau und der Entwicklung Afghanisns bei einer solchen politischen Lösung eine außerorentlich wichtige Rolle spielen. Das war der Hintergrund für unsere Forderung vom anuar letzten Jahres, die eingesetzten Mittel für den ziilen Wiederaufbau Afghanistans zu verdoppeln. Wir egrüßen es, dass die Bundesregierung dieser Auffordeng gefolgt ist und die Mittel für den zivilen Aufbau für ie Jahre 2010 bis 2013 auf 430 Millionen Euro jährlich ngehoben und damit beinahe verdoppelt hat. Zugleich bedauern wir, liebe Kolleginnen und Kolleen, dass sich die Regierungskoalition nicht dazu entchließen konnte, den gesamten deutschen Afghanistaninsatz einer unabhängigen fachlichen Evaluierung zu nterziehen, unter Heranziehung nicht nur wissenschaftcher Expertise, sondern auch der praktischen Erfahrunen von Entwicklungsexperten, von NGOs und Mittlerrganisationen, die vor Ort tätig sind, wie wir es orgeschlagen haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Immerhin: Wir haben im Dezember einen „Fort-
chrittsbericht Afghanistan“ von 108 Seiten erhalten, der
ich auf 20 Seiten auch dem Thema „Wiederaufbau und
ntwicklung“ widmet. Dieser Fortschrittsbericht enthält
ahlreiche Daten und Fakten, er geht auch auf Fehlent-
icklungen und Defizite ein, und er stellt jede künftige
iskussion über unseren Einsatz in Afghanistan auf eine
essere Grundlage, was aktuelle Sachstände und Fakten
ngeht. Sehr gerne haben wir auch die ausdrückliche
ooperationsbereitschaft von Botschafter Michael
teiner, dem Sonderbeauftragten für Afghanistan und
akistan, was Rückfragen und Auskünfte angeht, ange-
ommen.

Aber trotzdem müssen wir feststellen, dass wir mit
er Ausweitung und Aufwertung des zivilen Aufbaus
och längst nicht da sind, wo wir hinwollen und hinmüs-
en. Es sind gerade die Berichte der Entwicklungsexper-
n, der Nichtregierungsorganisationen und der Mittler-
rganisationen von ihrer konkreten Arbeit vor Ort, die
ich leider nicht in dem nötigen Ausmaß in dem Fort-
chrittsbericht wiederfinden – auch nicht in Ihrer Regie-
ngserklärung, die Sie heute abgegeben haben –, die

um Teil zu völlig anderen Lageeinschätzungen führen
nd die einige dringend zu lösende Probleme benennen.
err Minister, das ist nicht Schwarzmalerei, und das ist





Dr. h. c. Gernot Erler


(A) )


)(B)

auch nicht das Schlechtreden von Erfolgen. Ich will das
an zwei kurzen Beispielen hier zeigen.

Ein Thema, das in unseren Gesprächen mit den Ent-
wicklungsorganisationen immer wieder angesprochen
wurde, ist, Herr Minister, Ihre Doktrin von der soge-
nannten vernetzten Sicherheit, die bei den Betroffenen
auf breite Ablehnung stößt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Nicht das ist unverständlich, wie Sie das hier gesagt ha-
ben, sondern Ihre Sturheit bei der Doktrin der vernetzten
Sicherheit ist unverständlich. Ich fordere Sie, Herr
Minister, in aller Deutlichkeit auf: Hören Sie auf, Druck
auf NGOs zu machen, sich in voller Sichtbarkeit in den
Dienst militärischer Ziele zu stellen!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Beenden Sie die damit verbundene Instrumentalisierung
des zivilen Aufbaus! Erkennen Sie endlich an, dass der
zivile Aufbau im Rahmen der veränderten Afghanistan-
Strategie einen erweiterten Eigenwert hat! Akzeptieren
Sie die jahrzehntelangen Erfahrungen dieser Entwick-
lungsorganisationen, und lassen Sie sie selbst entschei-
den, wie sie ihre Arbeit machen wollen! Sie wissen am
besten, wie sie das in größter Sicherheit tun können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mehrere Organisationen haben uns versichert, Herr
Minister, dass sie weder etwas gegen die Bundeswehr
haben noch eine Kooperation ablehnen. Aber sie halten
Ihre Doktrin für kontraproduktiv.

Sie ist es, nebenbei gesagt, auch für die Zukunft. In-
zwischen gibt es ja den internationalen Konsens – Sie
haben das angesprochen –, dass bis 2014 die Sicherheits-
verantwortung in afghanische Hände übergehen soll und
dann keine Kampftruppen mehr vor Ort eingesetzt wer-
den sollen. Zugleich versichern wir unseren afghani-
schen Freunden, dass unser Engagement vor Ort deswe-
gen nicht endet, sondern dass der zivile Aufbau
fortgesetzt werden soll. Mit anderen Worten: Dann ist
die Bundeswehr weg, die Entwicklungsorganisationen
sind aber noch da. Was ist dann mit Ihrer Doktrin von
der vernetzten Sicherheit?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt noch ein zweites Feld dringenden Handlungs-
bedarfs. Wenn man dem Fortschrittsbericht folgt, dann
sind allein zwischen 2002 und 2008 nicht weniger als
20 Milliarden Dollar an offizieller Entwicklungshilfe
nach Afghanistan geflossen. In den letzten beiden Jahren
sind die Jahresraten sogar gestiegen, auch durch die Ver-
doppelung des deutschen Anteils. Diese umfangreichen
Leistungen schlagen sich aber nicht nieder in einem brei-
ten Vertrauen der Menschen in ihre eigene Regierung, in
die internationale Gebergemeinschaft und in ihre eigene
Zukunft. Eigentlich sollte man das erwarten. Es ist aber
nicht der Fall.

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(C (D Der Hauptgrund dafür ist die ungezügelte Korruption. h wundere mich schon, Herr Niebel, dass dieser Be riff in Ihrem Bericht überhaupt nicht vorkommt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


iese Korruption würgt alle Erfolge des zivilen Aufbaus
b wie ein gefährlicher Parasit. Das Bild von mit Geld
rall gefüllten Koffern, die über den Kabuler Flughafen
llen, von niemandem an ihrer Reise gehindert, frisst

ich in die Köpfe auch all derer, die sich eigentlich über
en Bau einer neuen Schule in ihrem Dorf freuen könn-
n, aber es dann nicht mehr tun.

Wir müssen tatsächlich alles versuchen, um das end-
ch zu ändern. Wenn wir das nicht schaffen, werden
uch alle künftigen Fortschrittsberichte zum zivilen Auf-
au an den wahrgenommenen Realitäten vorbeischlit-
rn. Das ist eine Aufgabe, ohne die ein Erfolg in diesem
ichtigen, von uns als am wichtigsten betrachteten Be-
ich des zivilen Aufbaus nicht zu sichern ist.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708500300

Dr. Christian Ruck ist der nächste Redner für die

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1708500400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Un-

ere vernetzte Mission in Afghanistan geht zurück auf
en verheerenden Terrorangriff vom 11. September des
ahres 2001, der unser Land zu einer völligen und
chmerzhaften Neuorientierung unserer Außenpolitik
ezwungen hat, und zwar in zweierlei Hinsicht:

Erstens. Wir können und wollen nicht nur darauf hof-
n, dass unsere Sicherheitskräfte Terroristen in
eutschland rechtzeitig vor Attentaten entdecken, son-
ern müssen den Terrorismus auch dort bekämpfen, wo
r herkommt und entsteht. Unser Engagement ist deswe-
en ein Engagement vor allem auch für die Sicherheit
nserer eigenen Bürger.

Zweitens geht es darum, dem Terrorismus den Nähr-
oden zu entziehen, bevor es zu einem Flächenbrand um
en halben Globus kommt. Dieser Nährboden besteht
us fehlender staatlicher Ordnung, aus fehlender Rechts-
taatlichkeit, aus fehlenden Bildungschancen, aus feh-
nder Gesundheitsversorgung und aus fehlenden Per-

pektiven für die breite Bevölkerung und die gerade in
iesen Ländern nachdrängende Jugend. Das gilt für viele
taaten – von Nordafrika über den Jemen bis Südost-
sien. Damit ist Entwicklungspolitik zum wesentlichen
estandteil unserer Sicherheitspolitik geworden, und
fghanistan ist unsere größte entwicklungspolitische
austelle.

30 Jahre Krieg und Bürgerkrieg haben Afghanistan
ollkommen ruiniert. Aber nach fast zehn Jahren Auf-
auhilfe sind die Fortschritte trotz eines immens schwie-





Dr. Christian Ruck


(A) )


)(B)

rigen und oft gefährlichen Umfelds unübersehbar.
Minister Niebel hat bereits einige Details aus den Berei-
chen Verkehr und Energie sowie aus dem Bereich Schu-
len und Universitäten genannt. Es gibt – ohne Berück-
sichtigung der Drogenwirtschaft – eine Vervierfachung
des Pro-Kopf-Einkommens und eine rasante Zunahme
der Zahl von Unternehmen und Beschäftigten.

Was wir auch nicht vergessen dürfen: Trotz des wack-
ligen Ansehens mancher Institutionen haben wir es zu-
sammen mit den Afghanen geschafft, demokratische
Grundinstitutionen in freien Wahlen zu etablieren. Dazu
haben unsere Soldaten, Aufbauhelfer und Polizisten un-
ter vielen Opfern einen großartigen Beitrag geleistet. Die
CDU/CSU-Fraktion bedankt sich ausdrücklich bei allen,
die in den letzten Jahren an der zivilen Aufbauarbeit be-
teiligt waren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Kabul ist nicht ganz Afghanistan; das ist klar. Ich
habe die Stadt trotz aller Unsicherheiten, trotz der übli-
chen Splitterweste bei meinem dritten Afghanistan-Be-
such in der letzten Woche, begleitet von den Kollegen
Schockenhoff und Kiesewetter, kaum wiedererkannt.
Kabul ist wieder ein einziger Basar. Was uns besonders
beeindruckt hat, war die längste Straße mit Baumateria-
lien und Baumaschinen, an der ich jemals irgendwo in
der Welt entlanggefahren bin. Afghanistan ist in der Tat
eine riesige Baustelle.

Herr Erler, ich gebe Ihnen in dem Punkt vollkommen
recht, dass wir auch zur Kenntnis nehmen müssen, was
uns vom flachen Land an Rückschlägen berichtet wird.
Es gibt da viele sich zum Teil widersprechende Meldun-
gen. Wir dürfen uns nicht zu sehr in Sicherheit wiegen.
Aber wir können auch froh über die Entwicklungen sein,
die wir mit eigenen Augen sehen und deren erfolgreicher
Abschluss zum Greifen nah ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Auch ich sehe – das wurde teilweise schon angespro-
chen – drei große Risikobereiche; diese gehen auch aus
dem Fortschrittsbericht hervor, den Afghanistan-Kenner
übrigens als den aufrichtigsten Bericht der letzten zehn
Jahre loben. Diese Risikobereiche sind erstens die pre-
käre Sicherheitslage, zweitens die Mängel bei der Regie-
rungsführung und drittens die unruhige Nachbarschaft.

Zum Thema Sicherheit. Nirgendwo wird die gegen-
seitige Abhängigkeit von Entwicklung und Sicherheit so
deutlich wie in Afghanistan. Es gibt keine Befriedung
ohne Entwicklung. Aber es gibt auch keine Entwicklung
ohne eine erfolgreiche Sicherheitspolitik. Es ist entschei-
dend, dass Bildung, Rechtsstaatlichkeit und ökonomi-
sche Perspektiven auch auf das flache Land, in die unru-
higen Distrikte und in die Bergdörfer gelangen. Dort
wird aber jeder Entwicklungsansatz zunichtegemacht,
wenn beispielsweise die neu gebaute Schule von den Ta-
liban gesprengt oder die ausgebildeten Lehrer ermordet
werden, sobald die afghanischen Sicherheitskräfte oder
die ISAF-Truppen abgezogen sind. Deswegen sind die

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(C (D eobachtbaren Fortschritte beim Aufbau einer funktionshigen und motivierten Polizei und Armee in afghani cher Hand unabdingbar für die Fortschritte bei der Enticklung des flachen Landes. Auch wenn darüber mer wieder streitig diskutiert wird: Die Ansätze der ernetzten Sicherheit, die wir in der zivil-militärischen usammenarbeit gefunden haben, sind für die Entwickng Afghanistans erfolgreich. Als Hoffnungsträger erweist sich auch das von uns assiv unterstützte Programm zur Reintegration derjeni en Taliban, die der Gewalt abschwören. Nach zuverläsigen Augenzeugenberichten kommen tatsächlich inzwichen sehr viele zurück und gliedern sich in einer ffiziellen Zeremonie in die Dorfgemeinschaften ein. Sie üssen allerdings vor der Rache der Taliban geschützt erden und brauchen durch Fortund Weiterbildungsaßnahmen eine neue Perspektive. Der Fortschritt im Bereich Sicherheit ist auch desween so wichtig für den zivilen Aufbau, weil die nach wie or prekäre Sicherheitslage die Entwicklungspolitik bis u 30 Prozent teurer macht als anderswo. Denn zum chutz der Entwicklungsexperten, aber auch der allmähch anlaufenden Privatinvestitionen brauchen wir entprechende Sicherheitsvorkehrungen. Das wirkt sich norm auf die Aufbaukosten aus. Auch das zweite Thema belastet den Aufbau enorm. as ist das Thema gute Regierungsführung. Es ist doch ollkommen unbestritten, dass Korruption und Vetternirtschaft, aber auch der Mangel an einer ausreichenden ahl qualifizierter Bewerber gerade für wichtige Verwalngsstellen zu den größten Entwicklungshindernissen ehören. Die Gebernationen müssen deshalb darauf betehen, dass die Regierung Karzai ihre bereits vorgelegn Pläne für mehr Transparenz und für mehr Kontrolle msetzt und auch die Täter aus dem Bereich der Spitzenorruption dingfest macht. Dabei dürfen wir kein Auge udrücken. Die Korruption am unteren Ende der Einkommenskala allerdings, wo etwa Polizisten und Lehrer manchal mit nicht einmal 100 Dollar im Monat eine Familie rnähren müssen, kann anständigerweise nur bekämpft erden, wenn diejenigen, die diese wichtigen Berufe usüben, auch anständig bezahlt werden. Auch wir als Geber müssen uns beim Thema Korrupon an die eigene Nase fassen. Der afghanische Finanzinister hat sich beklagt, dass er bei den Finanzflüssen seinem Land nicht für Transparenz sorgen kann, wenn roße Gebernationen Aufträge in dreistelliger Millionenöhe oder in Milliardenhöhe an der afghanischen Regieng vorbei und ohne Ausschreibung direkt an Unter ehmen im eigenen Land vergeben. Es war und ist ein anko, dass immer noch zu viele Geber unabgespro hen und unkoordiniert ihr eigenes Süppchen kochen. Korruption hat immer zwei Seiten. Deswegen ist es ichtig, dass wir uns und dass sich vor allem auch anere große Gebernationen an die Regel halten, dass wir ie Ownership der afghanischen Regierung gewährleisn müssen. Das geht nur, wenn die Afghanen selber issen, was in ihrem Land vorgeht. Dr. Christian Ruck )





(A) )

Aber – auch das wurde schon angesprochen – es gibt
gerade in puncto Governance große Fortschritte. Immer
mehr wichtige Funktionsstellen in wichtigen Ministe-
rien, wie zum Beispiel dem Finanzministerium, werden
von gut ausgebildeten und qualifizierten Afghanen be-
setzt.

Aber lassen Sie mich noch etwas zum dritten ent-
scheidenden Faktor sagen. Auch der wurde kurz ange-
sprochen. Das ist die stabile oder stabilisierende Nach-
barschaft. Dieser dritte entscheidende Faktor berührt vor
allem auch Pakistan. Gerade die an Afghanistan angren-
zenden Regionen Pakistans sind nämlich alles andere als
stabilisierend. Die pakistanischen Sicherheitskräfte sind
unter großen Opfern dabei, gegen Taliban und Dschi-
hadisten die staatliche Kontrolle wiederherzustellen.
Aber auch hier ist Entwicklung der entscheidende
Schlüssel zu einer langfristigen Befriedung. Die Vor-
gänge um das Swat-Tal sind dafür typisch. Der pakista-
nische Staat konnte die Befriedigung der Grundbedürf-
nisse und vor allem auch Rechtssicherheit und
Rechtsstaatlichkeit über einen langen Zeitraum nicht
mehr garantieren und hat so den Taliban den Boden für
die Einflussnahme bereitet.

Was für das Swat-Tal gilt, gilt für weite Teile Pa-
kistans, auch für das Korruptionsunwesen in Pakistan.
Deswegen muss die internationale Staatengemeinschaft,
wenn sie in Afghanistan Erfolg haben will, auch von Pa-
kistan eine bessere Regierungsführung einfordern. Wir
müssen Pakistan auf diesem Weg stärker, zuverlässiger
und koordinierter unterstützen als bisher.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708500500

Herr Kollege, Sie achten auf die Zeit, ja?


Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1708500600

Ich komme zum Schluss. – Der zivile Wiederaufbau

Afghanistans findet in einem schwierigen Umfeld und
mit großen Rückschlägen statt. Aber wir haben auch Er-
folge und Hoffnungen, und die gemeinsame Absicht, die
Verantwortung für die Sicherheit Schritt für Schritt ab
Ende dieses Jahres in afghanische Hände zu legen, ist im
Prinzip richtig. Aber gerade als Entwicklungspolitiker
sage ich: Wir müssen den Zeitplan auch an den tatsächli-
chen Gegebenheiten ausrichten. Auch die sehr regie-
rungskritische und militärkritische Menschenrechtlerin
Frau Dr. Samar hat uns letzte Woche ins Stammbuch ge-
schrieben: Ihr müsst eure Arbeit erfolgreich zu Ende
führen. – Das ist auch meine Meinung. Wir dürfen keine
Entwicklungsruine hinterlassen, sonst waren alle Opfer
des deutschen Steuerzahlers, alle Opfer unserer Soldaten
und der Entwicklungshelfer umsonst.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708500700

Heike Hänsel ist die nächste Rednerin für die Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! err Niebel, Sie haben hier ein völlig beschönigendes ild von der Situation in Afghanistan gezeichnet. – enn Sie mir einmal zuhören, können Sie einiges ler en. (Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708500800

h habe nicht das Gefühl, dass Sie in Afghanistan wa-
n. Nach neun Jahren Krieg in Afghanistan – Sie müs-

en einmal überlegen, wie lange die internationale Ge-
einschaft in diesem Land ist – kann von Fortschritt

eine Rede sein.

Das Land liegt mit seiner Entwicklung nach wie vor
uf dem vorletzten Platz bei den Vereinten Nationen.
sgesamt ist die soziale, wirtschaftliche und politische

ituation in diesem Land katastrophal. Immer noch sind
0 Prozent der Frauen und 60 Prozent der Männer An-
lphabeten, und weniger als 19 Prozent der Bevölkerung
aben Zugang zu sauberem Wasser und medizinischer
ersorgung. Laut Weltbank liegt die Säuglingssterblich-
eit – das ist ein ganz wichtiger Indikator – bei
00 Kindern pro tausend Geburten. Das ist doppelt so
och wie im Nachbarland Pakistan.

In Kabul haben trotz Entwicklungsgeldern in Milliar-
enhöhe bisher nur 30 Prozent der Bevölkerung Zugang
u sauberem Trinkwasser; ein Abwassersystem gibt es
berhaupt nicht. Als ich Ende letzten Jahres mit dem
ntwicklungsausschuss in Afghanistan war und mir Ka-
ul angeschaut habe, war ich, ehrlich gesagt, schockiert,
ie einem in dem Stadtbild die Armut buchstäblich ins
esicht springt. Von wegen ein einziger lebender Basar!
abul ist durch eine nach wie vor schlechte Infrastruktur
nd eine katastrophale Sicherheitslage gekennzeichnet
nd glich einer Festung. Die deutsche Botschaft ist hin-
r hohen Mauern eingebunkert.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine der Sicherheitsmaßnahmen!)


ie Arbeitskräfte der internationalen Gemeinschaft kön-
en sich dort nicht frei bewegen.

Im Bericht der Vereinten Nationen heißt es auch – das
t viel zu wenig angesprochen worden –, dass sich
,8 Millionen Afghaninnen und Afghanen aufgrund des
rieges auf der Flucht befinden. Für diese Menschen ist
ie humanitäre Situation besonders schwierig. Ein Be-
cht der International Crisis Group kritisiert, dass der
rieg den Zugang der afghanischen Bevölkerung zur
esundheitsversorgung, Bildung und zu anderen sozia-
n Dienstleistungen stark eingeschränkt hat. Entwick-
ngserfolge – es gibt natürlich auch gute Entwicklungs-

rojekte in Afghanistan, auch im Rahmen der deutschen
ntwicklungszusammenarbeit – werden durch die anhal-
nden und zunehmenden Kämpfe wieder zunichtege-
acht.

Die Zahlen zeigen, dass die 6 Milliarden Euro, die die
undesregierung seit 2002 für den Afghanistan-Einsatz





Heike Hänsel


(A) )


)(B)

ausgegeben hat, den Bemühungen um wirtschaftlichen
Aufbau und eine soziale Entwicklung entgegenlaufen.
Deshalb, Herr Niebel – ich weiß nicht, wo er jetzt sitzt
und ob er zuhört –, wird auch bei der jetzt beschlossenen
Verdoppelung der Mittel für den zivilen Aufbau die Wir-
kung der eingesetzten Mittel konterkariert, solange der
Krieg geführt wird. Der Krieg in Afghanistan macht eine
Entwicklung unmöglich.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie sagten, Sie wollten jetzt die zivile Entwicklung
stärken und den Schwerpunkt auf zivile Entwicklung le-
gen. Der Bundeswehreinsatz verschlingt mittlerweile
über 1 Milliarde Euro im Jahr. Das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung beziffert die Kosten des Afghanis-
tan-Einsatzes sogar weit höher als von der Bundesregie-
rung angegeben und schätzt, dass der Krieg bis 2011 ins-
gesamt bis zu 33 Milliarden Euro gekostet haben wird.
Das ist vier- oder fünfmal so viel, wie für die zivile Ent-
wicklung ausgegeben wird. Deshalb stimmt es nicht,
dass Ihr Schwerpunkt auf ziviler Entwicklung liegt.


(Beifall bei der LINKEN)


Mittlerweile sind über 120 000 NATO-Soldaten in
Afghanistan, und die Sicherheitslage ist schlechter denn
je. Über die Zahl der verletzten und getöteten Zivilistin-
nen und Zivilisten spricht hier niemand. Sie steigt konti-
nuierlich, und sie erhöht sich auch dadurch, dass sich die
ISAF militärisch in der Defensive befindet und immer
schwerere Waffen einsetzt. Dazu kommen auch die ge-
zielten Tötungen durch die NATO. Durch Anschläge
und Kämpfe in Afghanistan sind im vergangenen Jahr
wahrscheinlich über 10 000 Menschen getötet worden.
Das ist eine tragische Entwicklung für die Menschen in
Afghanistan, die deutlich zeigt, dass es bei der Militärin-
tervention der NATO nicht um die afghanische Bevölke-
rung geht. Deshalb nimmt der Widerstand in der afgha-
nischen Bevölkerung gegen die Besatzung ihres Landes
zu.

Die deutsche Bevölkerung lehnt diesen Einsatz zu
über 70 Prozent ab. Minister zu Guttenberg hat in einer
Trauerrede anlässlich des Todes von Soldaten gesagt:

In Afghanistan wird für unser Land, für dessen
Menschen, also für jeden von uns, gekämpft und
gestorben.

Das ist eine zynische, unerträgliche Kriegspropaganda.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich kann nur sagen – das möchte ich wiederholen –: In
Afghanistan wird nicht in unserem Namen gekämpft.


(Beifall bei der LINKEN)


Zugleich wird die Bundeswehr zu einer Interventions-
armee umgebaut. Zu Guttenberg fordert ganz direkt den
Einsatz der Bundeswehr zur Sicherstellung deutscher
Wirtschaftsinteressen; er wünscht sich, dass endlich ein-
mal ohne Verklemmungen darüber geredet wird. So
sagte er in der Trauerrede:

Tod und Verwundung sind Begleiter unserer Ein-
sätze geworden. Und sie werden es auch in den

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(C (D nächsten Jahren sein, wohl nicht nur in Afghanistan. ei dieser Kriegspolitik machen wir nicht mit. Herr Niebel, jetzt komme ich zur zivil-militärischen usammenarbeit. Der Großteil der staatlichen deutschen ntwicklungsprojekte wird im Norden durchgeführt. arum? Weil dort die Bundeswehr stationiert ist. Es eht nicht um die Frage, wo die afghanische Bevölkeng Entwicklung braucht; wir konzentrieren uns darauf, o die Bundeswehr stationiert ist. Diese Projekte weren über die Einbettung in sogenannte Wiederaufbauams unmittelbarer Bestandteil des Bundeswehreinsat es, dessen Operationsschwerpunkt seit Jahren in der ufstandsbekämpfung liegt und immer deutlicher den harakter einer offenen Kriegsführung annimmt. Humaitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit werden omit Teil der militärischen Strategie in Afghanistan; das t die sogenannte zivil-militärische Zusammenarbeit. h kann nur sagen: Es ist ein völlig falscher Weg, ein atastrophaler Weg für die Entwicklungshelfer und Enticklungshelferinnen – sie werden dadurch konkret gehrdet – und für die afghanische Zivilbevölkerung. Sehr viele Entwicklungsorganisationen kritisieren ieses Vorgehen. Wir fordern ein Ende der zivil-militärichen Zusammenarbeit. Nur so können Entwicklungselferinnen und -helfer geschützt werden. (Beifall bei der LINKEN – Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Aber der Kommunismus ist auch in Afghanistan Vergangenheit!)


(Beifall bei der LINKEN)


ber 29 in Afghanistan tätige Entwicklungsorganisatio-
en fordern deswegen dazu auf, diese Art der Zusam-
enarbeit zu beenden. Auch VENRO, der große Dach-

erband deutscher Entwicklungsorganisationen, lehnt
ie zivil-militärische Zusammenarbeit ab. Herr Niebel,
achdem Sie angekündigt haben, dass Hilfsorganisatio-
en nur Geld bekommen sollen, wenn sie mit der Bun-
eswehr kooperieren, hat Ihnen die Organisation Ärzte
hne Grenzen vorgeworfen, dass allein Ihre Ankündi-
ung die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Organisa-
on in Afghanistan gefährdet.

Es gibt aber auch andere Beispiele, etwa die Kinder-
ilfe Afghanistan, die eine Nähe zum Militär kategorisch
blehnt. Man kann Entwicklungszusammenarbeit in
fghanistan ohne Militär betreiben. Bei der Kinderhilfe

ind über 2 000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, übri-
ens auch aus Afghanistan, aktiv. Bisher wurden sie
icht angegriffen. Es werden nicht Tausende von Exper-
n für einige Wochen in das Land geschickt; es wird mit

fghanischen Helfern gearbeitet. Dort funktioniert der
ufbau, weil die Bevölkerung aktiv einbezogen wird. Es
ibt eine klare Trennung vom Militär, einen klaren Ab-
tand. Das ist eine Voraussetzung für die Sicherheit der

itarbeiter dort.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie haben überhaupt nicht angesprochen, welches
orrupte System eigentlich die ISAF in Afghanistan
tützt. Taliban und Warlords haben in vielen Provinzen





Heike Hänsel


(A) )


)(B)

die Macht errungen. Gouverneure dominieren ihre Re-
gion mit viel Blutvergießen durch ihre Privatmilizen.
Wir haben gehört, dass selbst der Gouverneur in Masar-
i-Scharif, Mohammed Atta, mit dem die Bundeswehr
sehr gut kooperiert, ein „blutiges System“ von Privat-
milizen aufgebaut hat. Dort gibt es keine Form von Op-
position; er dominiert die ganze Region. Diese Politik
wird von der NATO weiterhin unterstützt, weil die
Karzai-Regierung ein Garant dafür ist, dass die Truppen
in dem Land stationiert werden können, und die NATO
gar keine Alternative hat.

Die Kanzlerin hat es selbst gesagt: Die Politik in
Afghanistan ist ein Lackmustest für eine handlungsfä-
hige NATO. Deswegen werden diese schlechten Zu-
stände auch akzeptiert. Mit Afghanistan stehen und fal-
len die Kriegspolitik und die Existenz der NATO. Das ist
der Hauptgrund, weswegen Sie hier auch die Augen zu-
drücken und ein korruptes Regime weiterhin unterstüt-
zen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir fordern dagegen – Sie haben es kurz angespro-
chen –, dass endlich die demokratischen Kräfte in
Afghanistan unterstützt werden. Es gibt sie. Wir laden
dazu ein. Es gibt ganz engagierte Männer und Frauen,
die keine Unterstützung von Ihnen hier bekommen. Das
andere Afghanistan an der Basis entwickelt sich.


(Zuruf von der CDU/CSU)


Es gibt Studierende, die auf die Straße gehen, die gegen
die Besatzung und gegen die Taliban demonstrieren. Es
gibt mutige Leute in diesem Land. Wir haben sie für die
nächste Woche nach Berlin eingeladen. Wir machen eine
Konferenz „Das andere Afghanistan“. Diese Leute zei-
gen Ansätze von unten für eine Friedenspolitik ohne Mi-
litär.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708500900

Frau Kollegin!


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708501000

Ich kann Sie nur einladen, Herr Niebel. Kommen Sie

zu unserer Konferenz! Da können Sie sehr viel lernen.


(Lachen bei der FDP)


Da werden Sie vielleicht auch sehen, –


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708501100

Frau Kollegin!


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708501200

– dass es um das Primat der Bevölkerung geht,


(Otto Fricke [FDP]: Wenn Sie da auch so lange reden, bestimmt nicht!)


die selbstbestimmt ihr Land entwickeln soll. Eine aktive
Friedenspolitik ist für uns die beste Entwicklungspolitik.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN)




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(C (D Herr Kollege Harald Leibrecht ist der nächste Redner r die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708501300


Harald Leibrecht (FDP):
Rede ID: ID1708501400

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

en! Als ich letztes Jahr mit Bundesminister Niebel in
fghanistan war, wurde dieser Besuch von einem An-

chlag auf die Bundeswehr, dem drei Soldaten zum Op-
r fielen, überschattet. Auch ich bin zutiefst bestürzt

ber den Tod des Mitarbeiters der KfW vor wenigen
ochen.

Diese traurigen Ereignisse zeigen uns, dass die Si-
herheitslage trotz hoffnungsvoller Entwicklungen beim
ivilen Aufbau nach wie vor auch im Norden, dort, wo
nsere Soldatinnen und Soldaten sind, sehr angespannt
nd gefährlich ist.

Gerade vor dem Hintergrund der Opfer, die dort zu
eklagen sind, müssen wir uns die Entwicklungen allge-
ein und vor allem die des zivilen Aufbaus in Afghanis-
n ganz genau anschauen und bewerten. Dabei geht es
eben vielen Entwicklungsprojekten, die im ganzen
and entstehen, in der Tat auch darum, dass der afghani-
che Staat und seine Regierung ihrer Verantwortung ge-
cht werden und sich voll und ganz zum Rechtsstaat, zu

iner guten Regierungsführung und zu den Menschen-
chten bekennen. Es geht auch darum, dass Präsident
arzai und seine Regierung die Korruption im Land

rnsthaft bekämpfen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ein Staat muss seine Bürger schützen können. So-
nge der afghanische Staat dies nicht ausreichend kann,
erden die Menschen dort kein Vertrauen in diesen ha-
en, und solange der Staat schwach ist, so lange werden
ie Extremisten dort aktiv bleiben.

Natürlich würde auch ich mir wünschen, dass Wie-
eraufbau und Entwicklung in Afghanistan ohne interna-
onale militärische Absicherung gelingen könnten. Aber
ie Sicherheitslage erlaubt dies nun mal nicht. – Liebe
rau Hänsel, das, was Sie über die deutschen Soldaten
esagt haben, die unter Einsatz ihres Lebens, unter gro-
em Risiko einen guten Dienst in Afghanistan machen,
ar, wie ich finde, sehr beschämend.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der Linken: Sie haben gar nicht zugehört! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ich habe über Ihre Politik gesprochen und nicht über die Soldaten!)


Mit dem vernetzten Ansatz der Bundesregierung ge-
ngt uns jetzt endlich das, was in den letzten Jahren
icht erreicht wurde, nämlich gleichzeitig die Ausbil-
ung der afghanischen Sicherheitskräfte wie auch den
ivilen Wiederaufbau voranzubringen. Beides sind doch
oraussetzungen für die Übergabe in Verantwortung und
en Abzug unserer Truppen aus Afghanistan. Sicherheit
nd Wiederaufbau gehen Hand in Hand. Es wird eben





Harald Leibrecht


(A) )


)(B)

keine Sicherheit ohne Wiederaufbau und Entwicklung
geben, aber es gibt auch keinen Wiederaufbau und keine
Entwicklung ohne Sicherheit.

Die Bundesregierung zeigt sich beim zivilen Wieder-
aufbau in Afghanistan äußert engagiert und setzt dabei
wichtige Schwerpunkte. Unser Engagement im Bereich
der Lehrerausbildung ist erfolgreich. Nur mit gut ausge-
bildeten Lehrern gibt es eine solide Schulbildung und so-
mit auch eine echte Zukunft für die junge afghanische
Bevölkerung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Während unseres Besuchs in Afghanistan hat Minis-
ter Niebel in Masar-i-Scharif ein Bildungszentrum für
Lehrer eröffnet; das hat er vorhin angesprochen. Dort
werden inzwischen 2 000 Lehrer pro Jahr ausgebildet.
Ich finde, das ist ein Fortschritt. Das hilft weiter. Die ge-
zielte Förderung von Frauen hat zu einer Zunahme der
Lehramtsstudentinnen von 5 Prozent vor fünf Jahren auf
jetzt 40 Prozent geführt. Auch das ist ein Fortschritt. Das
ist der richtige Ansatz: Wir bauen nicht nur Schulen,
sondern wir versorgen sie auch mit Lehrern.

Mit deutscher Hilfe wurde die Einschulungsrate in
Afghanistan in den letzten Jahren auf immerhin 52 Pro-
zent erhöht. Die Alphabetisierungsrate bei den 15- bis
24-Jährigen ist auf beinahe 40 Prozent gestiegen. Das ist
sicherlich bei weitem noch nicht genug. Diesbezüglich
stimme ich der Opposition zu. Wir dürfen, wie Minister
Niebel sagt, die Lage nicht schönreden. Aber wir müssen
die positiven Entwicklungen anerkennen, die eines ganz
deutlich machen: Unsere Hilfe kommt in Afghanistan
an.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich konnte mich von vielen Projekten persönlich
überzeugen, insbesondere im Bereich der Grundversor-
gung und der Infrastruktur: von der Trinkwasserversor-
gung über den Bau von Straßen und die medizinische
Versorgung bis hin zur Vergabe von Mikrokrediten. Dirk
Niebel kann hier zu Recht von einer Entwicklungsoffen-
sive sprechen.

Dabei leisten neben der deutschen Durchführungs-
organisation, der GIZ, gerade auch private Hilfsorgani-
sationen einen großartigen Dienst, zum Beispiel der Ver-
ein Kinderberg International, der Krankenstationen auch
in entlegenen Regionen betreibt. Liebe Frau Hänsel, die
Kindersterblichkeit ist in den letzten Jahren um über
50 Prozent zurückgegangen. Die Zahl 250 ist eine alte
Zahl.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist die Säuglingssterblichkeit! Das ist etwas anderes!)


Wir sind inzwischen bei der Hälfte angekommen. Das ist
immer noch zu viel – das gebe ich zu –, aber das ist trotz
allem eine positive Entwicklung.

All diese Bereiche zeigen, dass es Fortschritte in
Afghanistan gibt, und sie zeigen, wie wichtig es ist, die-
sen eingeschlagenen Weg weiter zu beschreiten. Unser

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(C (D iviles Engagement in Afghanistan ist langfristig angegt. Das BMZ und die Mitarbeiter der GIZ werden auch ann noch dort sein und ihre Arbeit fortführen, wenn eutsche Soldatinnen und Soldaten Afghanistan bereits ieder verlassen haben. Die Entscheidung, dem zivilen Aufbau in Afghanisn Priorität einzuräumen, war richtig. Das ist der ent cheidende Unterschied zur Vorgängerregierung. Ich bin einer Fraktion dankbar dafür, dass sie das durchgesetzt at. Diese Entscheidung trägt Früchte. Dadurch sind wir rfolgreich. Die Menschen in Afghanistan wissen unser ngagement zu schätzen. Sie freuen sich trotz der angepannten Sicherheitslage in vielen Regionen über die erbesserungen der Lebensqualität vor Ort. Mit der Verdoppelung der Mittel für den zivilen Aufau in Afghanistan im letzten Jahr auf jetzt über 30 Millionen Euro wurden Wiederaufbau und Entwickng signifikant gestärkt. Vielleicht wird Afghanistan it seiner Stammesstruktur nie eine echte Westminsteremokratie. Jeder, der das Land kennt, weiß, warum das chwierig ist. Deshalb dürfen wir das Land und seine enschen aber nicht aufgeben. Wir müssen sie dabei unrstützen, Afghanistan in eine bessere Zukunft zu fühn. Ich danke Ihnen. Ich erteile das Wort jetzt der Kollegin Ute Koczy für ie Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! estern erst war die Trauerfeier für den in Afghanistan etöteten Entwicklungshelfer. Er starb im Rahmen seies entwicklungspolitischen Auftrages durch ein geziels Attentat, bei dem auch ein afghanischer Mitarbeiter erletzt wurde. Ihm geht es zum Glück wieder besser. och der deutsche Helfer hat für seinen Einsatz in fghanistan den höchsten Preis gezahlt, den es gibt. Er ehört damit zu den Opfern, die wir in unserer Debatte ber den Sinn und Zweck dieses Einsatzes nicht vergesen dürfen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708501500
Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1708501600

Dieser Entwicklungshelfer – das ist mir auch in den
ails aus Afghanistan bestätigt worden – sagte Ja zu
fghanistan, sagte Ja zum Straßenbauprojekt zwischen
holm und Kunduz, sagte Ja zum Leben in einer ande-
n Kultur. Ich durfte ihn als Delegationsleiterin der
usschussreise nach Afghanistan im Oktober letzten

ahres kennenlernen, und ich war beeindruckt von sei-
en Engagement, von seiner Zuwendung für die Men-
chen in Afghanistan. Ihm gebühren Anerkennung und
espekt, genauso wie den vielen Helferinnen und Hel-
rn, Soldatinnen und Soldaten, die sich in diesem unge-
issen und oft, zu oft tödlichen Umfeld bewegen. Auch
eswegen tragen wir Verantwortung.





Ute Koczy


(A) )


)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Die Frage stellt sich, wie es mit der Aufbauarbeit wei-
tergehen kann, gerade auch vor dem Hintergrund dieses
tödlichen Angriffs. Was tun wir eigentlich in Afghani-
stan? Die Antworten auf diese Frage sind vielfältig, und
sie sind uneinheitlich. Schlimmer: Sie sind widersprüch-
lich. Geht es um entwicklungspolitischen Aufbau in ei-
nem komplett zerstörten Land, um den Einsatz für die
Menschen-, die Frauenrechte? Geht es um die Sicherung
des Friedens? Geht es um die Verteidigung am Hindu-
kusch? Geht es um zentrale kollektive Sicherheitsinte-
ressen? Geht es um den Kampf gegen Terrorismus, um
Krieg?

Herr Minister Niebel, anders als die Bundeskanzlerin
haben Sie unserer Fraktion, haben Sie der Opposition,
haben Sie dem Parlament Ihre Regierungserklärung
nicht zur Verfügung gestellt. Ich bedaure das. Aber das
wäre auch nicht nötig gewesen; denn zu dieser Frage ha-
ben Sie nichts Wegweisendes gesagt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich habe erwartet, dass Sie in dieser Regierungserklä-
rung Antwort auf die drängenden Fragen geben, und
zwar für die Zeit, die jetzt kommt: für die Zeit bis 2014
und darüber hinaus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Was fehlt, ist eine Agenda für den Aufbau.

Das prinzipielle Problem, das wir haben, ist doch,
dass der zivile Aufbau das oberste Ziel all unserer An-
strengungen ist. Wenn man in Afghanistan ist, dann hört
man ja auch: Militärisch kann man in Afghanistan nicht
gewinnen. Trotzdem wird nicht mit gelingenden ent-
wicklungspolitischen Instrumenten eine Strategie für
den Erfolg durchdacht, vorgegeben und durchexerziert.
Die Regierung hat dazu nichts auf den Tisch gelegt.
Diese Regierungserklärung ist es nicht wert, darüber zu
debattieren.


(Holger Haibach [CDU/CSU]: Hören Sie doch auf!)


Mein Vorwurf lautet: In allen Regierungskonstellatio-
nen im Deutschen Bundestag bis heute wurden die Ge-
setzmäßigkeiten entwicklungspolitischer Aufbauarbeit
in der anderen Kultur von Afghanistan zu wenig be-
dacht, sie waren von kurzfristigem Denken durchzogen,
wurden von Eigeninteressen torpediert, waren interna-
tional schlecht abgestimmt und regional zu blind, wur-
den politisch nicht ernst genommen und für medial nicht
attraktiv genug befunden. Schlimm ist, dass diese Ana-
lyse nicht neu ist. Sie ist Jahre alt.


(Harald Leibrecht [FDP]: Eben!)


Schlimmer ist, dass auf diese Analyse so mangelhaft
reagiert wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D Bis heute stehen die Entwicklungszusammenarbeit nd der zivile Aufbau nicht im Vordergrund; das wird uch heute nicht anders werden. Genauso wenig werden onzeptionen entwickelt, um diesen Widerspruch endch zu überwinden. Herr Minister, das ist Ihre Aufgabe. ie haben jetzt die Chance. Aber in dieser Regierungserlärung war davon nichts zu hören. Sie vergeben damit ine Chance, die ganz wichtig ist. Wir müssen jetzt die rage beantworten, worum wir eigentlich ringen: Sind ir in Afghanistan erfolgreich? Wie werden wir in fghanistan erfolgreich? Wenn wirklich gewollt ist, dass ie Entwicklungspolitik im Rahmen des zivilen Aufbaus um Erfolg beiträgt, dann müssen die Weichen anders estellt werden. An drei Punkten will ich diese Kritik verdeutlichen. Erstens: Qualität. Letztes Jahr wurden die Mittel für en zivilen Aufbau auf 430 Millionen Euro jährlich bis 013 erhöht. Afghanistan ist damit der größte bilaterale ehmer deutscher Entwicklungszusammenarbeit. Die ufstockung ist richtig. Aber es lässt sich immer noch icht beurteilen, wie gut, wie wirkungsvoll das deutsche ngagement ist. Es fehlt eine unabhängige, externe Evaation. Ja, Afghanistan hat sich verändert; das müssen wir ugestehen. Ja, es gibt Zugänge zu Trinkwasser, zu Moilität, zu Energie. Die Gesundheitsversorgung nimmt ahrt auf. Die Bildungschancen für Mädchen steigen. ie Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer wird voranetrieben. Auch wir Grünen unterstreichen, dass gerade Bildungsbereich, insbesondere in der Hochschulbilung, das Wissen und Know-how langfristig erarbeitet erden muss. Dazu haben wir auch einen Antrag ge tellt. Darin sagen wir Ja zu all dem, was wir tun. Aber uns fehlen die Grundlagen für die weitere Beurilung. Da genügt der Fortschrittsbericht nicht, der mit ielen Annahmen, Thesen, unbewiesenen Statements periert, der blinde Flecken aufweist, der noch nicht einal Schlüsse aus zentralem Versagen der afghanischen egierung zieht, wie zum Beispiel bei Fragen der Men chenrechte, der Frauenrechte und zur Korruption. Es uss doch darum gehen, die Qualität des deutschen ngagements sicherzustellen, wo nötig zu verbessern nd funktionierende Maßnahmen zu verstärken. Aber afür hätten wir eine unabhängige, externe Evaluation ebraucht. Die fehlt. Herr Minister, Sie sagen doch, wir brauchen Wirkung, ir brauchen Effizienz. Warum steht davon nichts in Ihm Bericht, warum lesen Sie das nicht aus Ihrer Regiengserklärung vor? Da ist nichts zu finden. Wie nötig es ist, das Thema Korruption anzugehen, eigt doch ein aktueller Fall: Die Enthüllungen der euen Osnabrücker Zeitung und des Norddeutschen undfunks über das Entwicklungshilfeunternehmen GEF machen deutlich, dass wir auch vor der eigenen ür kehren müssen. Bislang konnten die Vorwürfe gegen as Unternehmen nicht entkräftet werden. Ich will betoen, dass es keine Nichtregierungsorganisation im klasischen Sinne ist. Solange die Bundesregierung bei der Ute Koczy )


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )

Aufklärung ihre Verschleierungstaktik fortsetzt, bleiben
die Verdachtsmomente doch im Raum. Die schwarz-
gelbe Bundesregierung und auch die Vorgängerregierun-
gen haben es versäumt, Kontrollmechanismen zu eta-
blieren, die schon den Anschein von Korruption und Un-
terschlagung nicht zulassen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist doch offensichtlich, dass gerade hier eine rechtzei-
tige externe Evaluation notwendig gewesen wäre.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708501700

Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Leibrecht zu?


Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1708501800

Bitte.


Harald Leibrecht (FDP):
Rede ID: ID1708501900

Frau Kollegin Koczy, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu

nehmen, dass das Entwicklungshilfeunternehmen AGEF
bereits im Jahr 2002 tätig war? Da war bekanntermaßen
Minister Niebel noch nicht für die Entwicklungszusam-
menarbeit zuständig. Sind Sie auch bereit, zur Kenntnis
zu nehmen, dass Herr Niebel bereits im November 2010
diesbezüglich eine Untersuchung durch einen Wirt-
schaftsprüfer angeordnet hat und dass das jetzt auch von
einem unabhängigen Unternehmen überprüft wird? Inso-
fern ist das eine Situation, die nicht unter dieser Regie-
rung entstanden ist, und sie wird von dieser Regierung
bereits überprüft.


Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1708502000

Herr Kollege Leibrecht, sind Sie auch bereit anzuer-

kennen, dass die Reaktion des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit auch deswegen erfolgt,
weil die Grünen dazu eine Kleine Anfrage gestellt ha-
ben, dass die Hinweise in der Presse veröffentlich wur-
den und dass sich jetzt gezeigt hat, dass das Ministerium
nicht vorhat, jetzt die notwendigen externen Evalua-
tionsmechanismen einzurichten? Sind Sie auch bereit,
anzuerkennen, dass die Bundesregierung auf meine
Kleine Anfrage sehr schwammig, sehr ausweichend re-
agiert hat, dass es sehr lange Zeit braucht, bis die Ant-
worten kommen, dass das Wirtschaftsunternehmen, das
die AGEF jetzt prüft, Vorlagen erstellt hat, und wir bis
heute keine Klarheit darüber haben, ob das Ministerium
bereit ist, lückenlos aufzuklären – in die eine oder in die
andere Richtung?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Was ist da unter Rot-Grün passiert?)


Ich verlange, dass das Ministerium hier mit maxima-
ler Transparenz zur Aufklärung beiträgt. Bis heute haben
wir dazu nichts gehört. Ich hatte erwartet, dass in dieser
Regierungserklärung dazu einige Worte gesagt werden.
Wir haben eine aktuelle Situation, darauf muss man jetzt
in der Regierungserklärung auch reagieren.

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(C (D Zweiter Punkt, die zivil-militärische Zusammenareit. Herr Minister Niebel, was treibt Sie eigentlich azu, eine der Stärken der entwicklungspolitischen Zuammenarbeit, nämlich die Neutralität, zu torpedieren? arum meinen Sie, sich damit profilieren zu müssen, ass Sie die Nichtregierungsorganisationen dazu zwinen, sich einem Konzept von zivil-militärischer Zusamenarbeit unterzuordnen, einem Konzept, das keiner ill, das niemand braucht, zu dem der Dachverband ENRO Nein sagt und dessen Konzeption niemandem ekannt ist? Ich sage, diese zivil-militärische Zusamenarbeit, die von Ihrem Haus ausgeht, ist überflüssig ie ein Kropf. Lassen Sie es bleiben! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und sie ist gefährlich!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Minister, stellen Sie die Neutralität der zivilen
ufbauarbeit wieder her, denn das macht sie ja gerade so
ertvoll, und organisieren Sie die Bedingungen so, dass

s eine Entwicklungszusammenarbeit auch dann noch
eben wird, wenn die Kampftruppen abgezogen sind.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708502100

Frau Kollegin, auch die Kollegin Hänsel würde gerne

ine Zwischenfrage stellen.


Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1708502200

Bitte.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708502300

Ich bitte aber, das knapp zu halten, weil sich die ohne-

in mit Rederecht ausgestatteten Kolleginnen und Kolle-
en ihre Redezeiten verständlicherweise eigentlich nicht
urch wechselseitige Zwischenfragen zusätzlich verlän-
ern sollten. – Bitte schön.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708502400

Ja, aber ich denke, es ist mein gutes parlamentari-

ches Recht, eine Zwischenfrage zu stellen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708502500

Deswegen gebe ich Ihnen dazu ja auch Gelegenheit.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708502600

Genau, danke schön. Ich denke, ohne Kommentie-

ng ist das auch möglich. Danke schön, Herr Präsident.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708502700

Ich darf Sie der Vollständigkeit halber darauf auf-

erksam machen, dass Kommentare zu sitzungsleiten-
en Entscheidungen des Präsidenten von den Mitglie-
ern des Hauses prinzipiell nicht kommentiert werden.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) )


)(B)


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708502800

Ja, gut. – Ich möchte jetzt zu den wichtigen Dingen

kommen.

Liebe Kollegin Ute Koczy, Sie haben die zivil-militä-
rische Zusammenarbeit angesprochen. Ich kann Ihnen
meine Frage dazu jetzt natürlich nicht ersparen.

Die zivil-militärische Zusammenarbeit gab es schon
im Kosovo nach dem Jugoslawienkrieg.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat sich denn mit Milosevic getroffen? Gysi!)


– Ihnen fällt nie etwas anderes ein, Frau Künast. Das ist
sehr schwach. Sie lenken ab.


(Holger Haibach [CDU/CSU]: Aber sie hat recht!)


Bereits 2002 wurde mit der zivil-militärischen Zusam-
menarbeit begonnen. Die Strukturen dafür wurden durch
den Aufbau der Wiederaufbauteams geschaffen.


(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Wo ist denn die Frage?)


In diesen dezentralen Teams haben Soldaten, Entwick-
lungshelfer und das Auswärtige Amt zusammengearbei-
tet. Das ist ein Projekt der rot-grünen Bundesregierung.
Dazu hätte ich von Ihnen schon gerne ein paar Sätze ge-
hört.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Meine Güte, arbeitet an euch selber! Wirklich wahr!)



Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1708502900

Liebe Kollegin Heike Hänsel, die Situation in Afgha-

nistan ist leider nicht so, wie die Linke sie gerne hätte.
Ohne die Soldatinnen und Soldaten und ohne den militä-
rischen Schutz kann die Entwicklungszusammenarbeit
in Afghanistan nicht geleistet werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zivile
Aufbauarbeit leisten, ist sehr wohl klar, dass sie auf-
grund dessen, dass sie zivil arbeiten, in diesem schwieri-
gen Umfeld keine Möglichkeit haben, bei terroristischen
Attacken zu reagieren. Sie sind darauf angewiesen, dass
es einen substanziellen Schutz gibt.

Die Umsetzung Ihrer Forderung, diese militärische
Unterstützung sofort zu beenden, würde bedeuten, dass
wir diese entwicklungspolitische Aufbauarbeit, die wir
gerne leisten und die wir den Menschen in Afghanistan
versprochen haben, umgehend beenden müssten. Wenn
wir diesem Vorschlag folgen würden, hätten wir unser
Versprechen gegenüber dem afghanischen Volk, es bei
der Bildung, bei der Trinkwasserversorgung und bei al-
len anderen organisatorisch wichtigen entwicklungspoli-
tischen Leistungen zu unterstützen, komplett gebrochen.
Deswegen muss man differenzieren. So einfach, wie Sie
es in Ihrer Argumentation sagen,

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(C (D (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Nach zivil-militärisch habe ich gefragt!)


t das Land Afghanistan nicht zu retten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das war keine Antwort! – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich ist die Frage beantwortet! – Gegenruf des Abg. Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Setzen! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Nach zivil-militärisch habe ich gefragt! Darauf hat sie nicht geantwortet! – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Regen Sie sich doch einmal ab, Frau Hänsel! Hier ist Demokratie! Sie kann antworten, wie sie Lust hat, und nicht, wie Sie es meinen!)


Drittens. Weil die Situation in Afghanistan so schwie-
g ist, brauchen wir einen Plan, eine Strategie und eine
genda; denn die Debatte über den Abzug findet statt.
ür die Zivilisten, für die Bundeswehr und für die inter-
ationalen Truppen war das Jahr 2010 das bisher verlust-
ichste, und es ist zweifelhaft, ob die USA mit ihrer

eränderten Strategie, der gezielten Aufstandsbekämp-
ng, ihr Ziel erreicht.

Was heißt das für die Entwicklungszusammenarbeit?
as heißt das für die Zeit bis zum Abzug? Was heißt das
r die Zeit darüber hinaus? Ein einfaches „Weiter so!“

ann es nicht geben. Deswegen lautet unsere Forderung:
ir brauchen eine Agenda für den Aufbau bis 2014 und

anach, damit wir unserer Verantwortung gerecht wer-
en. Das ist die letzte Chance, die wir haben, für die ent-
icklungspolitische Zusammenarbeit Pflöcke einzuram-
en und zusammen mit den umliegenden Staaten, was

anz, ganz wichtig ist – ich nenne hier Pakistan und die
entralasiatischen Staaten –, zu einem anständigen Er-
lg zu kommen, durch den es uns ermöglicht wird, in
fghanistan tatsächlich zu einer Verbesserung der Situa-
on zu kommen. Dafür setzen wir uns ein.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708503000

Ich erteile das Wort dem Kollegen Holger Haibach für

ie CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Holger Haibach (CDU):
Rede ID: ID1708503100

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

n! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin
änsel, ich habe zwei Probleme mit Ihrer Rede.


(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Nur zwei?)


as erste Problem ist: Offensichtlich haben Sie Ihre
ede lange vorbereitet, waren aber aufgrund der Kürze
er Zeit oder aus welchen Gründen auch immer nicht





Holger Haibach


(A) )


)(B)

mehr in der Lage, sich auf das, was der Minister gesagt
hat, einzustellen. Sie haben gesagt, der Minister hätte al-
les nur beschönigt und nicht auf die Probleme in Afgha-
nistan hingewiesen. Das hat er sehr wohl getan. Nun
kommt das zweite Problem hinzu, und das ist Ihre ideo-
logische Weltsicht. Sie können nur schwarz-weiß sehen.
Ich finde, Herr Niebel hat zu Recht darauf hingewiesen,
dass Schwarz-weiß-Sehen das Schlechteste ist, was man
in Afghanistan machen kann. Dafür gibt es drei Gründe.

Erstens. Sie diskreditieren die Arbeit derer, die sich
hier im Parlament seit Jahren mit Afghanistan beschäfti-
gen. Das trifft nicht nur die Regierungskoalitionen, son-
dern auch andere Fraktionen hier im Hause, und es trifft
die Bundesregierung. Damit könnte man notfalls noch
leben, das gehört bis zu einem gewissen Grade zum par-
lamentarischen Gebrauch dazu. Zweitens. Sie diskredi-
tieren damit auch die Erfolge, die besonders deutsche
Entwicklungshelfer und deutsche Soldatinnen und Sol-
daten in Afghanistan erreicht haben. Das kann man nicht
einfach so stehen lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Drittens, und das finde ich das Schlimmste: Sie diskredi-
tieren damit auch das, was viele Afghaninnen und
Afghanen zum Teil unter Einsatz ihres Lebens in all den
Jahren seit 2001 in Afghanistan erreicht haben. Ich
finde, das kann man am allerwenigsten stehen lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin sehr dankbar, dass ich von anderen Rednern,
auch von Oppositionsseite, sehr sachliche Beiträge ge-
hört habe. In diesem Zusammenhang möchte ich eine
Bemerkung zu Ute Koczy machen. Ich schätze deine Ar-
beit sehr, aber das Problem ist: Wenn man sagt, dies hat
nicht funktioniert und da fehlt uns etwas, dann muss man
zur Kenntnis nehmen, dass die Bundesregierung in die-
ser Zusammensetzung erst seit anderthalb Jahren im
Amt ist. Das Afghanistan-Engagement – das ist deutlich
geworden – ist von Regierungen getragen worden, die
von vier Fraktionen dieses Hauses gestellt wurden bzw.
werden. Insofern gilt das alte Sprichwort: Wenn man mit
dem Finger auf jemanden zeigt, dann zeigen immer drei
Finger auf einen zurück. Ich finde, ein bisschen Zurück-
haltung wäre an dieser Stelle durchaus angebracht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nichtsdestoweniger glaube ich, dass die Debatte ein
relativ differenziertes Bild zur Situation in Afghanistan
zeichnet. Im Übrigen ist auch der Fortschrittsbericht
– Christian Ruck hat darauf hingewiesen – von Kennern
als das ehrlichste Dokument und die ehrlichste Bestands-
aufnahme über die Situation in Afghanistan seit Beginn
des Einsatzes gelobt worden. Ich glaube, darin wird
deutlich, worin die Herausforderung eigentlich besteht.
Die Herausforderung besteht zum einen darin, die Situa-
tion in Afghanistan kritisch, realistisch und nüchtern in

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(C (D en Blick zu nehmen, zum anderen besteht sie darin, zu berlegen, was eigentlich die Zielsetzung ist. In den letzten anderthalb Jahren ist sehr viel davon esprochen worden, dass es notwendig ist, die gesetzten iele vielleicht wieder neu zu justieren. Das Ziel, inneralb kürzester Zeit eine Demokratie nach westlichem uster einzurichten, ist vielleicht zu ambitioniert gewe en. Es kann sein, dass wir das eine oder andere Ziel icht erreichen werden, aber es gehört zu unserem elbstverständnis als deutsche Parlamentarier und im esonderen als deutsche Bundesregierung dazu, darauf inzuwirken, dass rote Linien nicht überschritten werden ürfen, selbst wenn man die Ziele neu justiert. Rote inien, das bedeutet Rechtsstaatlichkeit, Menschenchte und Entwicklungschancen für alle Menschen in fghanistan. Das ist schwierig. All diejenigen, die sagen, dazu habe die gegenwärtige undesregierung kein Konzept, liegen aus meiner Sicht tal falsch, und zwar deshalb, weil das Afghanistanonzept der Bundesregierung aus dem letzten Jahr meies Erachtens eine gute Arbeitsgrundlage bietet, um zu chauen, wie wir das erreichen können, was wir erreihen wollen. Über das, was wir erreichen wollen, gibt es onsens, ich denke, auch in diesem Haus, und zwar die bergabe in Verantwortung. Wenn man die Verantworng übergeben will, dann muss man sich überlegen, was an dafür braucht. Auf der einen Seite brauchen wir ein gesichertes Umld. Dieser Aufgabe geht von unserer Seite die Bundesehr sehr intensiv nach. Auf der anderen Seite brauchen ir auf afghanischer Seite Menschen, die in der Lage ind, Verantwortung zu übernehmen und auch die nötien Kapazitäten haben, Verantwortung zu übernehmen, nd die entsprechende Infrastruktur. Deswegen sieht das onzept meines Erachtens zu Recht vor, die Infrastrukr im Sinne von Straßen, Gesundheit, Verwaltung usw. ufzubauen, aber auch die Menschen zu befähigen, Verntwortung zu übernehmen. Gerade Deutschland hat mit dem Konzept des Provinial Development Fund, wie ich finde, ein wirklich gutes ittel gefunden, um Afghaninnen und Afghanen mög chst früh an Entscheidungsfindungen zu beteiligen und ie in die Lage zu versetzen, Entscheidungen zu fällen. arüber hinaus wissen wir seitdem auch wesentlich bes er, was von der Bevölkerung vor Ort gewünscht wird. as ist aus meiner Sicht ein wichtiger Punkt. Es ist ein austein dafür, dass wir dort erfolgreich sein können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Es ist mir auch wichtig, auf das schwierige Thema
ivil-militärische Zusammenarbeit zu kommen, weil es
erade in diesem Zusammenhang eine große Rolle
pielt. Auch hierzu waren sehr einseitige Äußerungen zu
ören. Die Wahrheit ist auch in der deutschen Nichtre-
ierungsorganisationsszene ein bisschen komplizierter.

Es gibt Organisationen wie Kinderberg, für die die
usammenarbeit mit der Bundeswehr selbstverständlich
t. Andere machen das nicht. Das ist genauso richtig. Es





Holger Haibach


(A) )


)(B)

wird auch keiner dazu gezwungen, wie es in der Debatte
gesagt worden ist.

Ich will auf eines hinweisen: Der Fonds, den Bundes-
minister Niebel im Rahmen des Wiederaufbaus in Af-
ghanistan mit 10 Millionen Euro für das letzte Haus-
haltsjahr aufgelegt hat,


(Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und für 2011 auch!)


ist ausgeschöpft. Die Mittel sind komplett gebunden.
Wir werden sicherlich irgendwann erfahren, welche Or-
ganisationen Mittel aus diesem Topf bekommen haben.
Ich bin ganz sicher, dass sie nicht allein an Kinderberg
geflossen sind. Das wird sicherlich eine interessante De-
batte, weil wir dann feststellen werden, wer diejenigen
sind, die den großen Kampf gegen die zivil-militärische
Zusammenarbeit führen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich glaube, dass wir – das gilt für alle, die im Bereich
des zivilen Aufbaus tätig sind – eine Sache genau im
Blick behalten müssen, nämlich dass die Entwicklungs-
zusammenarbeit ein langfristig angelegtes Instrument
ist. Christian Ruck hat darauf hingewiesen. Wir werden
lange nach 2014 mit deutscher Entwicklungszusammen-
arbeit in Afghanistan tätig sein.

Es ist einerseits gut; andererseits gibt es dabei He-
rausforderungen. Eine Herausforderung ist die Frage,
wer nach 2014 Sicherheit garantiert. Das ist zweifels-
ohne eine wichtige Frage. Aber wir haben immer gesagt:
Der Abzug setzt selbsttragende Sicherheitsstrukturen in
Afghanistan voraus. Insofern ist es zumindest aus mei-
ner Sicht völlig klar, dass ein verantwortungsvoller Ab-
zug nur dann stattfinden kann, wenn selbsttragende Si-
cherheitsstrukturen vorhanden sind, die auch in der Lage
sind, Aufbauhelfer zu schützen. Ohne das eine kann es
das andere nicht geben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wenn ich einen Schlussstrich unter die Debatte ziehe
und berücksichtige, was im Fortschrittsbericht und im
Afghanistan-Konzept enthalten ist, dann sind, denke ich,
drei Punkte wichtig:

Der erste Punkt ist schon angesprochen worden.
49 Prozent der afghanischen Bevölkerung ist unter
15 Jahre alt. Das ist eine unglaubliche Chance mit einem
unglaublichen Potenzial. Darin liegt aber auch eine un-
glaubliche Herausforderung. Denn diese Menschen wer-
den durch das geprägt, was sich jetzt in den kommenden
Jahren abspielt. Die Frage, ob wir in Afghanistan erfolg-
reich sind, wird auch ihr Denken über uns bestimmen.
Deswegen ist es so wichtig, dass wir dort erfolgreich ar-
beiten. Unser Einsatz dort ist wichtig und richtig.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Zweitens. Die Weltbank hat vor einigen Tagen veröf-
fentlicht – ich bin beim Spiegel-Lesen darauf aufmerk-
sam geworden –, dass China im Jahr 2010 110 Milliar-
den Dollar Entwicklungshilfe ausgezahlt hat. Das sind

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(C (D 0 Milliarden Dollar mehr, als die Weltbank im selben eitraum ausgezahlt hat. Wer sich fragt, wem die Kuprbergwerke in Afghanistan gehören, stellt fest, dass sie chinesischem Besitz sind. Ein Blick auf das chinesi che Engagement in Afrika macht deutlich, dass uns dort in neuer Player, ein neuer Partner, vielleicht auch ein euer Rivale erwachsen ist. Es geht mir nicht um einen lash der Zivilisationen, den Zusammenprall der Kultun. Im Gegenteil: Wir sollten sehen, wo wir kooperieren önnen. Aber auch deshalb ist es in Zukunft wichtig, zu chauen, wer eigentlich in Afghanistan ein gutes Anseen hat und wer eigentlich in Afghanistan zur Entwickng beiträgt. Wir werden nicht nur dort, sondern auch nderswo sehen, dass das ein ganz wichtiger Punkt ist. Ich will zum Schluss noch eine dritte Bemerkung mahen. Entwicklungspolitik ist ein langfristiges Instruent. Entwicklungspolitik ist nicht auf kurzfristigen Erlg ausgerichtet. Deswegen sollten und müssen wir ufpassen, dass Entwicklungspolitik nicht sozusagen in eiselhaft für alles, was in anderen Bereichen des Engaements nicht funktioniert, genommen wird. Entwickngspolitik wird nur dann erfolgreich sein, wenn wir ber das Jahr 2014 hinaus mit den entsprechenden finaniellen Mitteln, aber auch an der einen oder anderen telle mit der notwendigen Härte, zum Beispiel wenn es m Korruptionsbekämpfung geht, vorgehen. Dabei solln wir alle mithelfen. Danke sehr. Nächster Redner ist der Kollege Burkhard Lischka für ie SPD-Fraktion. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch enn sich jetzt allmählich die Regierungsbank anscheiend wieder füllt, muss ich sagen, dass ich enttäuscht in, dass die Regierungsbank lange Zeit während der ebatte ziemlich verwaist gewesen ist. Vor allem hat mit Ausnahme der ersten fünf Minuten – ein Minister efehlt, den ich sonst jeden Tag im Fernsehen sehe. Das eigt, wo hier anscheinend die Prioritäten liegen und wo icht. (Otto Fricke [FDP]: Der Tod von Soldaten hat auch gewisse Prioritäten!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708503200

(Beifall bei der SPD)

Burkhard Lischka (SPD):
Rede ID: ID1708503300

h finde das bedauerlich.


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/ CSU: Wo ist Ihre Fraktionsführung? Wo ist Herr Steinmeier? Wo ist Herr Gabriel?)


Es gibt in Afghanistan ein Sprichwort, mit dem sich
ie Menschen immer dann gegenseitig Mut machen,
enn sie vor scheinbar unlösbaren Problemen stehen.
ieses Sprichwort besagt, dass selbst zum Gipfel des
öchsten Berges ein Weg führt. Um in diesem Bild zu
leiben: Nach über neun Jahren Einsatz in Afghanistan
tehen nicht nur die Afghanen, sondern auch wir mitten





Burkhard Lischka


(A) )


)(B)

in einer riesigen Gebirgslandschaft zahlreicher und nach
wie vor ungelöster Probleme. Der Berggipfel ist nicht
immer erkennbar. Obwohl vieles in der Vergangenheit in
bester Absicht unternommen wurde, haben sich doch
manche Wege im Nachhinein als falsch erwiesen. Viele
Hoffnungen haben sich zerschlagen. Niemand von uns
weiß mit Sicherheit, welch ein Afghanistan wir auf
Dauer zurücklassen, wenn wir uns in den nächsten Jah-
ren militärisch zurückziehen.

Eine Erkenntnis zieht sich inzwischen durch jeden
Debattenbeitrag, wenn wir über die Zukunft Afghanis-
tans sprechen. Mit militärischen Mitteln allein werden
wir einen dauerhaften Frieden und Stabilität in Afgha-
nistan nicht hinbekommen. Ich kann an dieser Stelle nur
das wiederholen, was wir Sozialdemokraten seit vielen
Jahren immer wieder fordern und im Rahmen des Strate-
giewechsels unterstützen, nämlich dass wir von einer
reinen Dominanz militärischer Ziele weg müssen, hin zu
einer dauerhaften und nachhaltigen Hilfsstrategie, die
sich vor allen Dingen dem Aufbau staatlicher Institutio-
nen widmet, zivilgesellschaftliche Strukturen stärkt und
die Lebenssituation der Menschen ganz praktisch ver-
bessert.

Kurz gesagt: Jetzt ist Entwicklungspolitik gefordert.
Jetzt sind Sie als zuständiger Minister gefordert, Herr
Niebel. Nur, Herr Niebel, der Verantwortung, die damit
verbunden ist, wird man doch nicht dadurch gerecht,
dass man zuallererst damit beginnt – das ist jedenfalls
Ihre Absicht –, denjenigen Hilfsorganisationen, die nicht
bereit sind, mit dem Militär in Afghanistan zu kooperie-
ren, die Gelder zu streichen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese törichte Vorgabe, die Sie eben wieder verteidigt
haben, zeigt doch nur, dass Sie bis heute nicht die
Grundidee guter Entwicklungspolitik verstanden haben.
Entwicklungspolitik muss immer und zuallererst nach
den Bedürfnissen der Menschen fragen und nicht da-
nach, was militärisch nützlich erscheint. Eine Entwick-
lungspolitik, die sich stattdessen möglicherweise zu ei-
nem verlängerten Arm militärischer Interessen macht, ist
– dafür gibt es unzählige Beispiele – zum Scheitern ver-
urteilt. Konsequent zu Ende gedacht, nimmt eine solche
Politik sogar billigend in Kauf, dass viele Hilfsorganisa-
tionen, die sich zum Teil seit Jahrzehnten in Afghanistan
engagieren, ihre Arbeit einstellen bzw. einstellen müssen
und sich aus Afghanistan zurückziehen. Wenn aber die
Helfer Afghanistan verlassen, Herr Niebel, dann ist die-
ses Land verloren. Deshalb sage ich Ihnen deutlich: Kor-
rigieren Sie diese Politik. Sie ist falsch und stellt einen
fatalen Irrweg dar.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. HansChristian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir
Sozialdemokraten gerade in diesen Tagen und Wochen
immer wieder darauf drängen, in diesem Jahr mit dem
Truppenabzug zu beginnen, dann ist das vor allen Din-
gen von der Erkenntnis getragen, dass für Sicherheit und

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(C (D tabilität in Afghanistan nur ein funktionsfähiger und leitimer Staat sorgen kann und dass solche Staatlichkeit, denfalls nicht auf Dauer, durch ausländische Militärräfte ersetzt und erzwungen werden kann. Es wird nicht gelingen, Afghanistan eine Chance für ine bessere Zukunft zu geben, wenn die Regierung arzai nicht erhebliche und energische Anstrengungen nternimmt. Die Hauptaufgabe der afghanischen Regieng besteht jetzt darin, zwischen 2011 und 2014, wie erabredet, Stück für Stück die Sicherheitsverantworng in Afghanistan zu übernehmen. Mit der Ausbildung von inzwischen 150 000 afghanichen Soldaten und 113 000 Polizisten hat die internatioale Staatengemeinschaft bis dato ihren Teil der Verabdung eingehalten und den Grundstein dafür gelegt, ass wir in diesem Jahr auch tatsächlich mit dem Überabeprozess beginnen können. Wer aber diesen Übergaeprozess gleich zu Beginn schon wieder infrage stellt, dem er darüber nachdenkt, mit dem Truppenabzug uch später zu beginnen, der findet sich irgendwann öglicherweise im Chaos wieder, der läuft Gefahr, dass r einen unkoordinierten und überstürzten Abzug vorehmen muss. Denn eines steht aus meiner Sicht fest: 014 werden sich die Kampfverbände der internationan Staaten aus Afghanistan verabschieden. Deshalb habe ich überhaupt kein Verständnis für das ickhack und die Kakofonie hinsichtlich des Abzugsbeinns, die wir in den vergangenen Wochen innerhalb dieer Bundesregierung zwischen Außenund Verteidiungsminister erlebt haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


iese Bundesregierung stand und steht nach wie vor in
er Pflicht, deutlich zu sagen, wie sie Sicherheitsverant-
ortung an die Afghanen übergeben und in welcher
orm sie mit dem Abzug der deutschen Truppen am
indukusch beginnen will.

Talkshows zur Selbstinszenierung vermeintlicher
anzlerkandidaten können ein solches klares Wort übri-
ens nicht ersetzen.


(Beifall bei der SPD)


olche Inszenierungen helfen auch Afghanistan keinen
chritt weiter. Sie lösen nicht eines der dortigen Pro-
leme. Sie verbessern nicht die Lebensumstände auch
ur eines einzigen Afghanen. Sie bringen nicht einen
eutschen Soldaten sicher nach Hause. Kurz gesagt: Sol-
he Selbstinszenierungen sind überflüssig wie ein Kropf.


(Beifall bei der SPD und des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Deshalb zum Schluss noch ein Dank an Sie, Herr
iebel. Als Sie von der Frankfurter Rundschau vor eini-
en Wochen gefragt wurden, ob auch Sie ähnliche Insze-
ierungen planen, haben Sie schlicht und einfach geant-
ortet:

Ich habe nicht vor, meine Frau nach Afghanistan mit-
unehmen. – Ich hatte nach Ihren Einsätzen mit Militär-
äppi und verspiegelter Sonnenbrille schon Schlimmeres





Burkhard Lischka


(A) )


)(B)

befürchtet. Zumindest für diese Aussage dann doch recht
herzlichen Dank, Herr Niebel.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708503400

Helga Daub ist die nächste Rednerin für die FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Helga Daub (FDP):
Rede ID: ID1708503500

Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!

Vor einem Jahr war es gerade Deutschland, das auf der
Konferenz in London auf dem Konzept der vernetzten
Sicherheit und der Übergabe in Verantwortung in Afgha-
nistan bestanden hat. Dass es schon in diesem Jahr mög-
lich sein wird, einzelne Regionen in die Verantwortung
der Afghanen zurückzugeben, ist bei allen Rückschlä-
gen, die es leider gegeben hat und die es möglicherweise
auch noch geben wird, ein großer Erfolg.

Wir sind sehr betroffen und trauern um die gefallenen
Bundeswehrsoldaten und um den getöteten zivilen Mit-
arbeiter. Unser Beileid gilt natürlich den Angehörigen.

Ja, es bleibt nach zehn Jahren Einsatz die Erkenntnis,
dass es einen Königsweg, am besten noch nach westli-
chem Vorbild, so nicht geben wird, weder allein militä-
risch noch mit Aufbauhilfe. Deshalb braucht es die Ko-
ordinierung von beidem, vor allem aber Aufbauhilfe,
insbesondere zum Aufbau der Infrastruktur. Zu lange
sollten Soldatinnen und Soldaten quasi Entwicklungs-
helfer in Uniform sein, was außer in der heimischen Be-
richterstattung so schon lange nicht mehr funktioniert
hat.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Auch oder gerade deshalb ist es so verkehrt, wenn Kriti-
ker immer wieder – auch hier klang es wieder an – die
angebliche Militarisierung der Entwicklungshilfe an-
prangern. Das Gegenteil ist der Fall: Diese Regierung
will, dass die Beteiligten das machen, was sie am besten
können – die Herstellung von Sicherheit die einen, den
Aufbau die anderen. Hier kommt dann die Entwick-
lungshilfe ins Spiel.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir, eine Delegation des Ausschusses für wirtschaft-
liche Zusammenarbeit und Entwicklung, konnten Infra-
strukturprojekte in Afghanistan in Augenschein nehmen,
zum Beispiel ein Trainingscenter für die Lehrerausbil-
dung, Schulen, neu gebaute Straßen, ein Kraftwerk und
Handwerksbetriebe, aber auch die Projekte zur Ausbil-
dung der Polizei in Kabul und in Masar-i-Scharif.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, sicher geht es Ihnen
ähnlich wie mir: Ich werde immer wieder angesprochen
und gefragt: „Glauben Sie wirklich an einen Erfolg in
Afghanistan?“


(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Natürlich!)


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(C (D lauben möchte ich daran gerne aus voller Überzeuung. Dass wir es am Ende wirklich schaffen, kann aber ohl niemand behaupten. Wir haben allerdings die besn Möglichkeiten; wir haben Chancen. ine Garantie kann es nicht geben. Wenn es jedoch gengt, in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung Sichereit und Infrastruktur in nennenswertem Umfang herzutellen, wird es für die Taliban schwerer, die Menschen ieder für sich zu gewinnen. Das ist unsere große hance. Wir sollten sie nutzen. Es ist vielleicht die einige Chance. Vor allem aber müssen wir die Herzen und Köpfe der ngen Menschen – daraus schöpfe ich besonders viel uversicht – gewinnen. Ich glaube, dazu haben wir die esten Voraussetzungen. Die Kinder und die Jugendlihen, insbesondere die Mädchen – das gilt es ganz beonders hervorzuheben – gehen offensichtlich gerne zur chule; wir konnten uns davon überzeugen. Sie sind oh, wieder einen sicheren Schulweg zu haben, wieder in Schulgebäude zu haben, sodass auch im Winter Unrricht stattfinden kann, was zuvor nicht immer der Fall ar. Die Kinder und die Jugendlichen haben uns auch von ren Zukunftsplänen berichtet. Das hörte sich alles sehr ositiv an. Sie sind die Zukunft des Landes. Gut ausgeildete und aufgeklärte Menschen lassen sich von den aliban nicht ins Mittelalter zurückdrängen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


ie sehen ihre Zukunft aber auch nicht als Schaf- und
iegenhirten – ich möchte diesem Berufsstand nicht zu
ahe treten – oder aber als Landflüchtlinge in dem ohne-
in schon überbevölkerten Kabul. Vor allen Dingen
eshalb müssen wir in die Infrastruktur des Landes in-
estieren. Dann gibt es genügend Möglichkeiten des be-
flichen Fortkommens. Ansonsten werden diese jungen
eute ins Ausland gehen und ihre Fähigkeiten nicht dem
igenen Land zugutekommen lassen.

Die Herzen und Köpfe der Menschen gewinnen wir
ber auch mit einem weiteren Aspekt, der in der Öffent-
chkeit eher selten wahrgenommen wird: Ich meine die
erbesserung der Gesundheitsversorgung. Es gibt noch
ehr viel zu tun – das wissen wir alle –, um vor allen
ingen die Infrastruktur der ärztlichen Versorgung wei-
r zu verbessern. Es fehlt unter anderem zwar noch an
ualifizierten Krankenschwestern und Hebammen; aber
ie Fortschritte werden von der Bevölkerung wahrge-
ommen. Sie kommen ihr unmittelbar zugute, sie sind
ichtbar und führen zu einer deutlichen Verbesserung der
ebensqualität der Menschen, im Übrigen auch der Ak-
eptanz der Helfer dort. Das sollte uns Anlass zu Hoff-
ung geben und Ansporn zum Weitermachen sein.

Mütter- und Kindersterblichkeit konnten gesenkt wer-
en. Frau Hänsel, Ihre Zahlen sind nicht mehr ganz aktu-
ll. Im Human Development Index wird beispielsweise
stgestellt, dass die Kindersterblichkeit in Afghanistan

inkt und von jedem Geburtenjahrgang fast 130 000 Kin-





Helga Daub


(A) )


)(B)

der den fünften Geburtstag erleben. Wenn das kein Er-
folg ist!


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Impfraten – das betrifft Diphterie, Keuchhusten
und Tetanus – sind enorm gestiegen. Ein Thema liegt
mir sehr am Herzen, nämlich der Kampf gegen die Tu-
berkulose. Wir haben das im Unterausschuss „Gesund-
heit in Entwicklungsländern“ öfter behandelt. Mittler-
weile konnten fast zwei Drittel der afghanischen Kinder
gegen Tuberkulose geimpft werden.

Unsere Anstrengungen bei der Unterstützung des zi-
vilen Aufbaus werden also wahrgenommen. Wie gesagt,
es gibt noch Defizite. An deren Beseitigung müssen wir
alle gemeinsam weiter arbeiten. Diese Regierung hat al-
lerdings die Gelder für den Wiederaufbau verdoppelt,
nämlich die Gelder, die direkt in Projekte und nicht in
den Haushalt der Regierung fließen, was angesichts der
vorhandenen Korruption auch eher kontraproduktiv
wäre. Wir bleiben dran. Der zivile Aufbau ist uns wich-
tig.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708503600

Frau Kollegin.


Helga Daub (FDP):
Rede ID: ID1708503700

Ich komme zum Ende. – Ein Land, das Hoffnung hat,

das Chancen eröffnet, entzieht dem Terrorismus den
Nährboden. Das bedeutet auch mehr Sicherheit für uns
hier.

Danke.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708503800

Ich erteile nun der Kollegin Sibylle Pfeiffer für die

CDU/CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Sibylle Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1708503900

Herr Präsident! „Wir müssen den zivilen Wiederauf-

bau Afghanistans stärken“ – das ist eigentlich seit Jah-
ren, liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Mantra hier
im Deutschen Bundestag, und zwar seit der Zeit, als
nach den ersten militärischen Rückschlägen in Afghani-
stan der Ruf nach einem Strategiewechsel, nach einem
umfassenden zivilen Ansatz laut wurde.

In der Debatte um Afghanistan habe ich schon viele
Strategiewechsel miterlebt, aber nicht jeder, der so be-
zeichnet wurde, war auch einer. Aber dann kam Anfang
letzten Jahres die Konferenz in London. Das Ergebnis
dieser Konferenz kann man zweifelsohne als echten
Strategiewechsel bezeichnen. Die internationale Ge-
meinschaft hat sich dazu verpflichtet, in Afghanistan
massiv in den zivilen Sektor zu investieren. Allein

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(C (D eutschland wird bis 2013 jedes Jahr bis zu 30 Millionen Euro bereitstellen, eine gewaltige umme, die, wie ich finde, zeigt, dass wir es ernst meien. Doch auch die Afghanen müssen es ernst meinen und erantwortung für die Zukunft ihres Landes übernehen. Ich weiß: Darüber zu sprechen, war eine ganze eile lang verpönt. Aber die Regierung Karzai muss re Zusagen genauso einhalten wie wir und am Aufbau ines funktionierenden, selbsttragenden Staatswesens innsiv mitarbeiten. Wir haben oft genug bemängelt, dass arzais Regierung und Verwaltung anfällig für Korrupon, Misswirtschaft und Missmanagement sind. Wenn ie afghanische Regierung selbst nicht die Kraft zu pasabler Regierungsführung hat, müssen wir den Druck eröhen und mehr Unterstützung leisten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Abg. Dr. Sascha Raabe [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Hören Sie erst einmal zu; vielleicht kommt es noch.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708504000

Ich sehe, dass es Einvernehmen gibt, dass der Kollege

aabe eine Zwischenfrage stellen darf. Bitte schön.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1708504100

Frau Kollegin Pfeiffer, Sie sagten gerade, wie wichtig

s ist, dass die Regierung Karzai und ihre Verwaltung
ei von Korruption, also von Günstlings- und Vettern-
irtschaft, ist. Ich wollte Sie fragen, ob Sie mir zustim-
en, dass es auch ganz wichtig ist, dass das zuständige
inisterium mit gutem Beispiel vorangeht. Es gibt nun

um wiederholten Male den Fall, dass ein FDP-Partei-
nktionär einen unbefristeten Vertrag mit Versorgungs-

arantie im BMZ bekommt, obwohl er bereits eine Ge-
chäftsführerposition in der GIZ, der neu gegründeten
eutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenar-
eit, innehat. Der Personalrat hat das auf das Schärfste
emängelt, weil hier wiederholt das offizielle Bewer-
ungsverfahren umgangen wurde, um Parteimitglieder
u versorgen.

Würden Sie mir auch zustimmen, dass, wenn in
fghanistan eine Partei nach der Übernahme der Regie-
ng zum Beispiel einer Wirtschaftsbranche einen gro-

en steuerlichen Vorteil gewährt und daraufhin diese
ranche der Regierungspartei eine Spende in Millionen-
öhe gibt,


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das ist ja peinlich!)


ieses in die Nähe einer schlechten Regierungsführung
u rücken wäre?

Glauben Sie nicht, dass man vor diesem Hintergrund
uch im Ministerium von Herrn Niebel mit gutem Bei-
piel vorangehen sollte?


(Heinz-Peter Haustein [FDP]: Fangt mal bei euch an!)







(A) )


)(B)


Sibylle Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1708504200

Lieber Kollege Raabe, wenn Sie mir sagen, was die-

ses Thema mit der Afghanistan-Debatte zu tun hat, die
wir hier zurzeit führen, dann gebe ich Ihnen nach der
Debatte eine Antwort darauf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Good Governance, Frau Kollegin! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Good Governance in Germany!)


Ich fahre dann fort. – Wenn wir mit den Afghanen eng
zusammenarbeiten wollen, muss es um eine Partner-
schaft auf Augenhöhe gehen. Das heißt aber auch: Jede
Seite muss die Versprechen der jeweils anderen Seite
ernst nehmen. Dazu gehört für mich – ich hoffe, auch für
den einen oder anderen, vielleicht irgendwann für das
ganze Haus – unter Umständen eine gewisse Konditio-
nalisierung. Zu Recht wird vereinzelt geäußert, wir seien
unseren finanziellen Verpflichtungen nicht nachgekom-
men. Wir halten uns daran, auch wenn es nicht immer
leichtfällt. Wenn aber die andere Seite ihre Verpflichtun-
gen nicht einhält, muss das Konsequenzen haben. Zusa-
gen und Versprechen müssen eingehalten werden, und
zwar von beiden Seiten. Zu oft sind wir schon enttäuscht
worden.

Ich finde es richtig, dass bei Projekten eine Konditio-
nalisierung stattfindet und im Übrigen auch konsequent
angewendet wird. Nach der ersten Phase eines Projekts
wird überprüft, ob die afghanische Regierung ihren Teil
der Vereinbarung eingehalten hat. Nur im Erfolgsfall
werden die Mittel für die zweite Projektphase freigege-
ben. So werden der Wille zu verantwortungsvoller Ar-
beit gefördert und der Erfolg der Projekte vergrößert.
Umgekehrt müssen Gelder auch zurückgehalten werden,
wenn die erste Projektphase nicht erfolgreich abge-
schlossen wurde.

Ich gehe davon aus, dass das ganze Haus diesen
neuen Ansatz unterstützt; denn er setzt erstens Anreize
zu einer besseren Regierungsführung, fördert zweitens
ein dringend notwendiges Umdenken in der Regierung
Karzai und sichert darüber hinaus drittens, liebe
Freunde, eine vernünftige Verwendung deutscher Steuer-
gelder.

Damit einher geht allerdings auch etwas anderes. Ich
möchte schon heute eine Warnung aussprechen. Sollten
wir mit gutem Gewissen einmal Mittel für eine zweite
Projektphase nicht ausschütten können, bedeutet dies,
dass unter Umständen die 430 Millionen Euro, die uns
zur Verfügung stehen, nicht ausgegeben werden. Das
liegt dann nicht an uns, sondern am Missmanagement
der afghanischen Seite. Darüber müssen wir offen reden.
Was wir dann allerdings nicht brauchen können, sind
Anfeindungen der Opposition, polemische Vorwürfe,
von welcher Seite auch immer, sei es gar von den NGOs
oder der Gebergemeinschaft. Von Vorwürfen, dass wir
unsere Verpflichtungen nicht eingehalten haben, weil
wir es unter den oben geschilderten Umständen eben
nicht konnten, hat übrigens auch das afghanische Volk
nichts; denn ohne diese Form der Erfolgs- und Projekt-
kontrolle würden Korruption und Missmanagement un-

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(C (D rstützt werden und würde Afghanistan in seiner eigeen Entwicklung behindert werden. Von Korruption und issmanagement hat Afghanistan tatsächlich genug. All das können und dürfen wir nicht mehr länger hinehmen; denn unsere Verantwortung gilt vor allen Dinen der jungen Generation – Frau Daub hat es gesagt –: ie hat es verdient, eine Chance zu bekommen. Diese nge Generation müssen wir erreichen. Ihr müssen wir en Weg zu einer eigenen Lebensperspektive eröffnen. ie Hälfte der afghanischen Bevölkerung ist unter 6 Jahre. Sie kennt kaum noch die Schreckensherrschaft er Taliban oder gar die Kämpfe ihres Volkes gegen die owjetarmee. Daher ist es gut und richtig, dass wir in er Vergangenheit so intensiv in die Schulbildung der eranwachsenden Jugend investiert haben. Aber das allein reicht nicht aus. Die Jugend braucht erspektiven, die es ihr ermöglichen, einen Beruf zu erreifen und sich selbst und ihre Familie zu ernähren. Wir üssen daher noch mehr als bisher in Ausund Fortbil ung, vor allem in Handwerksberufen, investieren und en Aufbau kleiner Betriebe fördern. Nur so können wir er jungen Generation zu Arbeitsplätzen verhelfen und in Leben in einer stabilen und prosperierenden Gesellchaft ermöglichen, die keinen Nährboden für Terror nd Fundamentalismus bietet. Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, braucht nsere langfristige Unterstützung. Doch wenn wir es mit em Ansatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ ernst meinen, so üssen wir auch bei der Verwaltung in Afghanistan an etzen, die das alles koordinieren soll. Capacity Building t zu einem wichtigen Schwerpunkt in der Entwickngspolitik geworden. Die afghanische Regierung und re Verwaltung sind offensichtlich bis heute noch nicht der Lage, die immensen Hilfsmittel, die ihr zur Verfü ung stehen, sinnvoll zu verplanen. Mehr noch: Es angelt an der „Bereitschaft und Fähigkeit, eine von olitischen und individuellen Einflüssen unabhängige erwaltung und Justiz aufzubauen“. Ich finde, das ist ine erfrischend klare und deutliche Aussage im Fortchrittsbericht der Bundesregierung; nachzulesen auf der eite 41. Im Umkehrschluss heißt das, dass man auch zehn ahre nach Schaffung der staatlichen Institutionen noch mer viele Beispiele für willkürliche Entscheidungsrozesse, für unzureichende personelle Kapazitäten, für orruption und damit fehlende Akzeptanz und Legitimit der Regierung Karzai gegenüber dem afghanischen olk vorfindet. Verantwortlich dafür sind nicht nur die eber, im Gegenteil. Zuallererst liegt das an den Verantortungsträgern in der afghanischen Regierung. Daher müssen wir gerade die Generation, die jetzt henwächst, in den Aufbau der Verwaltungen mit einbe iehen und ihnen alle möglichen Bildungsund Auftiegschancen aufzeigen, die wir ihnen von außen nur rmöglichen können. Denn mit ihrem Zugang zu anden Kulturen und ihren Erwartungen an die eigene Zu unft können sie ein Gegengewicht zur konservativen Sibylle Pfeiffer )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





(A) )

Gesellschaft ihrer Väter bilden und den Teufelskreislauf
von Korruption und Machtmissbrauch durchbrechen.

Die internationale Gemeinschaft ist bis zur Grenze
dessen gegangen, was ihr möglich war, um Erfolge und
Fortschritte zu erzielen. Das ist ihr in einigen Bereichen
auch sehr gut gelungen und kann nicht hoch genug ein-
geschätzt werden. Doch wenn Afghanistan diesen Weg
weitergehen und als Land insgesamt erfolgreich sein
will, muss die afghanische Regierung anfangen, ihre ei-
genen Hausaufgaben besser zu machen als bisher.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Nun liegt es an ihr, ob sie die langfristige Unterstützung
und Hilfe der internationalen Gemeinschaft sinnvoll zum
Wohl der ganzen afghanischen Gesellschaft nutzt oder
ihr System der Abhängigkeiten und Korruption weiter
am Leben erhalten will.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708504300

Nächste Rednerin ist die Kollegin Karin Roth, SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1708504400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

bin sehr froh, dass wir heute diese Debatte vor der Be-
schlussfassung des Bundestages über den Antrag der
Bundesregierung zur weiteren Mandatierung des Mili-
täreinsatzes haben. Damit machen wir deutlich – das
war ja offensichtlich auch die Strategie der Bundes-
regierung –, dass es im Bereich des zivilen Aufbaus und
der Entwicklungspolitik eine eigenständige Strategie ge-
ben muss. Herr Minister Niebel, es ist deshalb gut und
richtig, dass wir heute ein wenig Bilanz über die letzten
zehn Jahre ziehen und aufzeigen, welche Veränderungen
in den nächsten Jahren notwendig sind.

Zuallererst will ich deutlich machen, dass es von An-
fang an ein Irrtum von Ihrer Seite war, den Einsatz der
Entwicklungsorganisationen in Afghanistan mit der Auf-
forderung, mit dem Militär zusammenzuarbeiten, zu ver-
binden. Das war nicht notwendig und sogar schädlich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie haben von Anfang an eine Konfrontation in Kauf ge-
nommen. Man muss heute aber auch feststellen, dass Sie
letztlich kapituliert haben.


(Heinz-Peter Haustein [FDP]: Quatsch!)


Die Entwicklungsorganisationen haben Sie in die
Schranken gewiesen; denn Sie sind auf die Arbeit dieser
Organisationen angewiesen. Insofern täte uns ein biss-
chen weniger Doktrin und ein bisschen mehr Pragmatis-
mus bei der Zusammenarbeit mit den Entwicklungsorga-
nisationen gut.

Im Übrigen will ich darauf hinweisen, dass die erfolg-
reiche Bilanz über zehn Jahre Aufbauarbeit in Afghanis-

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(C (D n – auch wir sehen die Erfolge – nicht allein Ihre Binz ist; Sie sind ja erst seit gut einem Jahr im Amt. avor haben Rot-Grün und die Große Koalition die Wei hen für die Entwicklungsarbeit gestellt. An dieser Areit sind also die meisten – nicht alle – in diesem Parlaent beteiligt. Ich will auch noch darauf hinweisen, dass die Sozialdeokraten immer gesagt haben: Eine gute Regierungsfühng ist der Schlüssel für den Erfolg in Afghanistan. – Wir aben daher die Demokratisierungsprozesse sowohl auf bene der Zentralregierung als auch in den Regionen nd Distrikten von Anfang an unterstützt. Man kann narlich sagen, dass diese Unterstützung nicht ausrei hend war und nicht schnell genug erfolgt ist. Aber im okus unserer Politik stand und steht immer noch die ute Regierungsführung; denn sie ist die Voraussetzung r die Bekämpfung von Korruption. Alles andere funk oniert nämlich nicht. Insofern sind damals wie heute – daran möchte ich rinnern – die Leitlinien richtig, nach denen die Eigenerantwortung der Afghanen zu fördern ist, die Rahmenedingungen, zum Beispiel für Frauen und Gleicherechtigung, besonders zu verbessern sind und die emokratisierung auf allen Ebenen mit Projekten der Ziilgesellschaft voranzubringen ist. Die Zivilgesellschaft uss doch zur Trägerin der ganzen Demokratisierung erden. Insofern ist es auch gut – das möchte ich deutlich saen –, dass jetzt mehr Geld für diesen Bereich in den ächsten Jahren zur Verfügung steht. Es sind übrigens eine 430 Millionen Euro, sondern nur 415 Millionen uro, aber das ist immerhin auch gut. Es ist aber auch ichtig, dass das zuverlässig weitergeht. Ganz klar ist auch – das möchte ich besonders erwähen – all denjenigen zu danken, die in dieser schwierigen icherheitslage unter Einsatz ihres Lebens – wir haben eute Morgen ja des KfW-Mitarbeiters gedacht, der zu ode gekommen ist – bereit waren, all das auf sich zu ehmen und bei der Umsetzung dieser ganzen Initiativen u helfen. Ohne die engagierten Männer und Frauen der ichtregierungsorganisationen, aber auch der staatlichen urchführungsorganisationen, der KfW und der GIZ, önnten wir keinerlei Erfolge hier im Parlament diskueren. Deshalb meine ich: Ihnen allen sei heute zuallerrst gedankt und Respekt und Anerkennung gezollt. Das t genauso notwendig wie der Dank an die Soldatinnen nd Soldaten und die Polizeikräfte. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der SPD)


Die positive Bilanz dieser Arbeit ist sichtbar. Wäh-
nd unter den bildungsfeindlichen Taliban zahlreiche
chulen zerstört und Mädchen und Frauen vom Besuch
er Bildungseinrichtungen ausgeschlossen wurden, ist
tzt eine erfreuliche Trendwende festzustellen. Die Ein-

chulungsrate liegt bei über 50 Prozent, und sie wird
ank unserer Hilfe steigen. Besonders wichtig ist, dass
er Anteil der Schülerinnen seit 2001 – damals lag er bei





Karin Roth (Esslingen)



(A) )


)(B)

0 Prozent – auf jetzt über 40 Prozent gestiegen ist. Das
ist auch ein Erfolg unserer Arbeit, nicht nur des letzten
Jahres, sondern der vergangenen Jahre.

Ganz klar ist für uns das Thema Bildung ein Schlüs-
selthema, nicht nur hinsichtlich einer nachhaltigen Wirt-
schaftsentwicklung, sondern Bildung ist eben auch die
Voraussetzung dafür, dass sich Männer und Frauen in
den politischen Beteiligungsprozess einbringen können.
Unsere Bemühungen in diesem Bereich müssen also
fortgesetzt werden.

An dieser Stelle will ich sagen, dass mir die Rolle der
Frauen in Afghanistan noch große Sorgen macht. Auch
wenn wir einiges erreicht haben und der Frauenanteil im
Parlament bei 28 Prozent liegt, wissen wir, dass die
Frauen eine noch größere Rolle spielen könnten, wenn
wir sie entsprechend unterstützen würden. Nach wie vor
sind Frauen eher geduldet und kein gleichberechtigter
Teil jener Gesellschaft. Frauenorganisationen – das muss
man wirklich zur Kenntnis nehmen – werden noch belä-
chelt. Manchmal erinnert man sich daran, dass das bei
uns auch einmal so war. Sexuelle Gewalt gegen Frauen
ist schreckliche Normalität.

Die Frauenministerin – das ist besonders interessant –
weiß noch nicht einmal, wie viel Geld die internationale
Gemeinschaft der Regierung Karzai für Frauenprojekte
zur Verfügung gestellt hat. Das muss sich ändern. Es
kann nicht sein, dass ein Alibiministerium für Frauen
eingerichtet wird, das in Wirklichkeit nur dazu dient,
Gelder der Gebergemeinschaft zu akquirieren.


(Beifall bei der SPD)


Die Bundesregierung muss daher darauf bestehen, dass
das Frauenministerium und die Frauenministerin bei den
Regierungsverhandlungen am Tisch sitzt, damit sie in
Zukunft weiß, welche Projekte gefördert werden. So
kann ihre Politik vonseiten der Bundesregierung unter-
stützt werden. Das ist konkrete Aufbauarbeit und kon-
krete Unterstützung der Frauen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708504500

Frau Kollegin, Sie kommen bitte auch zum Schluss.


Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1708504600

Ja, gleich.


(Heiterkeit)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708504700

Gemeint war sofort, und das ist völlig in Ordnung.


Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1708504800

So viel Zeit muss sein. – Das Gleiche gilt natürlich

auch für den Bereich der Frauen- und Müttersterblich-
keit. Auch hier, denke ich, müssen wir ein bisschen zule-
gen, auch wenn die Zahlen besser geworden sind.
Ebenso gilt das – das will ich besonders betonen – für
die Korruptionsbekämpfung. Ich weiß, wie schwierig
das ist. Ich weiß, wie kompliziert die Kontrollmaßnah-

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(C (D en sind. Aber ich weiß auch, dass die Menschen in unerem Land eher bereit wären, Afghanistan noch mehr u unterstützen, wenn es uns gelänge, an dem zentralen unkt der Korruption Erfolge nachzuweisen. Nicht nur r uns, sondern vor allen Dingen für die Menschen in fghanistan ist die Korruption die Geißel der Entwickng. Wir müssen alles dafür tun, dass sich das endlich ndert. Die Regierung Karzai muss die Karten auf den isch legen und transparente Regierungspolitik organiieren. Vielen Dank. Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der ollege Jürgen Klimke für die CDU/CSU-Fraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! eine Damen und Herren! Übergabe in Verantwortung ann es nur geben, wenn wenigstens ein Mindestmaß an echtsstaatlichkeit, Menschenrechten und Teilhabe der esamten Bevölkerung gegeben ist. Neben der heutigen icherheitspolitischen und außenpolitischen Diskussion arf auch der Bereich der Menschenrechte nicht unbent bleiben. Fakt ist, dass sich die Menschenrechtslage in Afghaistan seit dem Sturz der Taliban 2001 verbessert hat. rau Hänsel, wenn Sie sagen, 2,8 Millionen Menschen eien in Afghanistan auf der Flucht – ich kann diese Zahl icht verifizieren –, dann darf ich Ihnen eine andere Zahl ntgegenhalten: 5 Millionen Menschen sind in den letzn Jahren aus den Nachbarländern nach Afghanistan zuckgekehrt, weil sie eine Zukunft im Lande sehen, weil ie glauben, dass das Land eine Chance hat. Auch dies t auf die Verbesserung der Menschenrechtssituation zuckzuführen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der SPD)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1708504900

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Jürgen Klimke (CDU):
Rede ID: ID1708505000

Menschenrechte sind in der afghanischen Verfassung
erankert. Bei der Umsetzung gibt es Fortschritte in al-
n menschenrechtsrelevanten Bereichen, insbesondere

ber, Frau Roth, im Hinblick auf die Situation der
rauen und Mädchen. Eine Bischöfin aus Hannover hat
inmal gesagt, nichts sei gut in Afghanistan. Insbeson-
ere auf die Frage der Menschenrechte bezogen ist diese
ußerung grundlegend falsch. Die westliche Gemein-

chaft hat es geschafft, einen Wertekanon in dem musli-
ischen Land zu etablieren.

Schauen wir zurück, wie es vor 2001 in Afghanistan
um Beispiel mit den Frauen war: Ärztinnen, Rechts-
nwältinnen, Künstlerinnen, Schriftstellerinnen, Dozen-
nnen, Übersetzerinnen waren gezwungen, ihre Arbeit
ufzugeben. Sie wurden gezwungen, zu Hause zu blei-
en. Wohnungen, in denen Frauen lebten, mussten un-
urchsichtige Fenster haben, sodass die Frauen von au-
en nicht gesehen werden konnten. Frauen mussten





Jürgen Klimke


(A) )


)(B)

Schuhe tragen, die keine Geräusche machten, sodass sie
nicht gehört werden konnten. Die Frauen lebten in einer
ständigen Angst um ihr Leben, das sie wegen jeder klei-
nen Missachtung von Gesetzen verlieren konnten.
Frauen, die keine männlichen Verwandten hatten, muss-
ten betteln oder verhungern, weil sie nicht arbeiten durf-
ten. Mädchen hatten keinerlei Chance auf Bildung. Sie
wurden zwangsverheiratet und waren willkürlichen Ver-
gewaltigungen ausgesetzt.

Wie ist die Lage der Frauen heute? Vor etwas mehr
als einem Jahr hat das afghanische Parlament ein Gesetz
zur Beendigung von Gewalt gegen Frauen verabschie-
det. Nun wird auch an der Umsetzung in den Provinzen
gearbeitet. Vor diesem Hintergrund wurde eine Konfe-
renz zur Beendigung von Gewalt gegen Frauen in Faiza-
bad durchgeführt. Initiator war das Amt für Frauenange-
legenheiten in Badakhshan. Wir haben gehört, dass die
Situation der Frauen im Parlament mit 28 Prozent ei-
gentlich vergleichsweise gut ist. Die Burka ist nicht
mehr alltägliche Zwangskleidung. Mädchen gehen in gut
ausgestattete Mädchenschulen und können ihre Zukunft
selbst in die Hand nehmen. Viel wichtiger ist jedoch,
dass die Frauen in den Stämmen wieder in ihrer Rolle
anerkannt und gefördert werden. Die Bundesregierung
hat mit ihren Instrumenten, angesiedelt im BMZ und im
Auswärtigen Amt, gerade auch zu dieser positiven Ent-
wicklung beigetragen. – So viel zur Begrifflichkeit
„Kriegsführung“, Frau Hänsel!

Trotzdem gibt es immer wieder Kritik an dieser posi-
tiven Entwicklung, auch aus der Ecke der Grünen. Der
Kollege Tom Koenigs, Menschenrechtsausschussvorsit-
zender – er ist nicht mehr da –, hat der Bundesregierung
mangelnden Einsatz für die Menschenrechte in Afgha-
nistan vorgeworfen. Seiner Meinung nach bietet
Deutschland zu wenig Unterstützung beim Aufbau von
Strukturen an Schulen und Universitäten, die eine libe-
rale, demokratische und an Menschenrechten orientierte
Staatsauffassung vertreten. Anscheinend hat sich der
Kollege Koenigs, der eigentlich ein pragmatischer Poli-
tiker ist, von der gesamten Antihaltung seiner Partei, den
Grünen, mitreißen lassen. Ich empfehle ihm, aber auch
allen anderen Kolleginnen und Kollegen einen Blick in
den Menschenrechtsbericht der Bundesregierung; darin
wird die Arbeit in Afghanistan sehr ausführlich beschrie-
ben. Zugleich wird hier deutlich gemacht, welche He-
rausforderungen noch bestehen; ich werde sie gleich an-
sprechen.

Grundlegend für die Menschenrechte in Afghanistan
ist, dass die Afghanistan Independent Human Rights
Commission dem neuen Verfassungsrang, den sie inne-
hat, gerecht wird. Es wird eine der Aufgaben vor allen
Dingen der Bundesregierung sein, dem sogenannten Is-
lamvorbehalt, also dem Vorrang der Scharia vor den in-
ternationalen Menschenrechtskonventionen, aktiv entge-
genzutreten.

In diesem Zusammenhang möchte ich die Rolle des
Staatspräsidenten Karzai in der Frage des Gesetzes zur
Beendigung von Gewalt gegen Frauen besonders hervor-
heben. Ihm ist es zu verdanken – auch wenn über ihn
viel Negatives gesagt wird –, dass das Gesetz ausdrück-

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(C (D ch Vorrang vor allen entgegenstehenden Normen beitzt, also auch vor der Scharia. Klar ist: Auf diesem ege ist es möglich, die universellen Menschenrechte it Vorrang vor der Scharia zu verankern; das ist gut so. Ich möchte im Besonderen auf den Aktionsplan der undesregierung hinweisen, der im Rahmen einer rbeitseinheit für Menschenrechte im afghanischen Juszministerium umgesetzt wird. Mit der damit einhergeenden strukturellen Einbindung von Nichtregierungsrganisationen setzt die Bundesregierung inhaltliche aßstäbe im Rahmen der Durchsetzung der Menschenchte. Dieser Ansatz zeigt, dass die Kritik unter andem der Grünen ins Leere läuft. Die Bundesregierung hat inen Plan, bei dem die Menschenrechte in Afghanistan icht hintenanstehen. Um Erfolg zu erzielen, ist eine langfristige, gemeiname Anstrengung in der Partnerschaft mit der Regieng und dem Volk von Afghanistan nötig. Wir haben eute darüber diskutiert, dass sich Afghanistan immer och erheblichen Herausforderungen in den Bereichen icherheit, Politik, Wirtschaft und Entwicklung gegenbersieht. Wir haben aber auch feststellen können, dass s eine neue gemeinsame Dynamik gibt. Auf der Grundlage der Fortschritte, die wir erzielt haen, treten die ISAF und die Regierung von Afghanistan eine neue Phase der gemeinsamen Anstrengungen ein. ies erlaubt es uns, in der nächsten Woche dem neuen andat zuzustimmen, ausdrücklich zum Wohle der enschenrechte in Afghanistan. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsntrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/4449. er stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer timmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsntrag ist gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke mit en Stimmen des übrigen Hauses abgelehnt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 sowie Zusatzunkte 7 und 8 auf: 22 Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Deutschland braucht im ganzen Land einen verlässlichen und sicheren Schienenverkehr – Drucksache 17/4428 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Haushaltsausschuss P 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Sabine Leidig, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708505100




(A) )

Die Bahn im Einklang mit dem Grundgesetz
am Wohl der Allgemeinheit orientieren

– Drucksache 17/4433 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss

ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann,
Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für eine konsequente Strukturreform der
Deutschen Bahn AG

– Drucksache 17/4434 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Florian Pronold für die SPD-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Florian Pronold (SPD):
Rede ID: ID1708505200

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrter

Herr Präsident! 1966 hieß der Werbeslogan der Deut-
schen Bundesbahn:

Alle reden vom Wetter. Wir nicht.

Als ich das letzte Mal mit der Deutschen Bahn gefahren
bin, konnte ich im Zug den Werbeslogan lesen:

Reisen wie auf Wolke 7

Diese Wolke hat offensichtlich im Sommer gefehlt,
als wir aufgrund der Hitze bei der Bahn ein großes
Chaos erlebt haben, und sie hat im letzten Winter und in
diesem Winter dafür gesorgt, dass es ein ziemliches
Chaos gab. Wir alle haben das mitbekommen. Alle
Verkehrsträger waren davon betroffen, aber insbeson-
dere die Bahn mit unzureichenden Informationen, mit
dem S-Bahn-Chaos in Berlin, mit den Verspätungen.

Am Mittwoch haben wir von Ihnen, Herr Bundesver-
kehrsminister, im Verkehrsausschuss einen Bericht vor-
gelegt bekommen, in dem davon die Rede ist, dass die
Pünktlichkeit im Fernverkehr tageweise unter 70 Prozent
gesunken sei. Heute entnehmen wir der Hannoverschen
Allgemeinen Zeitung die Originalstatistik der Netzleit-
zentrale der Deutschen Bahn. Danach lag die Pünktlich-
keit in der Woche vom 13. bis 19. Dezember bei
40,3 Prozent und in der darauffolgenden Woche bei
29,8 Prozent.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Unglaublich!)


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(C (D n sieben Tagen waren weniger als 30 Prozent der Fernüge pünktlich, und nur an zwei Tagen fuhren mehr als 0 Prozent der Züge pünktlich ab. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Da werden wir wieder hinters Licht geführt!)


Sie berichten uns, die Pünktlichkeit sei tageweise un-
r 70 Prozent gesunken. Meine Frage ist: Herr Minister,
ekommen Sie als Eigentümer der Bahn und als Bundes-
erkehrsminister nicht die richtigen Zahlen von der
ahn,


(Zuruf von der SPD: Unerhört!)


der haben Sie im Ausschuss die Öffentlichkeit bewusst
inters Licht geführt? Das ist die Frage, auf die ich heute
on Ihnen eine Antwort erwarte.


(Beifall bei der SPD)


Wenn man sich anschaut, was Sie, Herr Minister, zu
en Zuständen sagen – Sie sind jetzt im zweiten Jahr
undesverkehrsminister –, dann stellt man fest, dass Sie
uf Pontius Pilatus machen: Ich wasche meine Hände in
nschuld; meine Vorgänger sind an allem schuld.

In der Passauer Neuen Presse sagen Sie am 11. Ja-
uar 2011:

Vor der Zeit von Bahnchef Grube und mir hat auf
der Bahn ein überzogener Kosten- und Spardruck
gelastet. Es gab Kostendruck, Kapazitätsreserven
wurden reduziert, Personal abgebaut – all das hat zu
diesen Missständen geführt. …


(Zuruf von der FDP: Unter Seehofer nicht!)


Die kaufmännischen Ziele standen zu sehr im Vor-
dergrund, die Interessen der Fahrgäste sind in den
Hintergrund gerückt.

as erinnert an Pontius Pilatus. Man könnte auch sagen:
er Schwarze Peter soll an den Amtsvorgänger gescho-
en werden.

Dies ist aus mehreren Gründen unlauter:

Erstens. Die Bundeskanzlerin ist diejenige, die schon
der Großen Koalition und auch jetzt am vehementes-
n für die Privatisierungspläne der Bahn gekämpft hat.
enn Sie Tiefensee treffen wollen, treffen Sie in Wirk-

chkeit die Bundeskanzlerin.


(Beifall bei der SPD)


Zweitens. Als Bundesverkehrsminister sprechen Sie
mer davon, dass zuerst die Bahn ihre Hausaufgaben in

eutschland erledigen muss, bevor sie auf Einkaufstour
der ganzen Welt geht. Was ist denn in Ihrem Verant-
ortungsbereich in Ihrer Zeit passiert? Nach dem ersten
interchaos ist nicht dafür gesorgt worden, dass sich et-
as ändert. Wir haben im Oktober 2010 von Bahnvor-

tand Homburg Ankündigungen gehört; er hat gesagt,
as alles getan worden ist, um das nächste Winterchaos

u vermeiden. Nichts davon ist eingetroffen. Sie haben
ie Hausaufgaben nicht gemacht, und in Ihrer Verant-
ortung liegt es, dass trotzdem Zukäufe wie bei Arriva

tattgefunden haben. Sie haben den Aufsichtsrat kom-
lett ausgetauscht. Außerdem greifen Sie – wie ich ver-





Florian Pronold


(A) )


)(B)

mute, wenn ich richtig vernommen habe, dass Sie jeden
Tag mit Bahnchef Grube telefonieren – doch wohl auch
immer selber ins operative Geschäft ein.

Meine Frage ist: Herr Ramsauer, was haben Sie denn
in den letzten eineinhalb Jahren gemacht? Was haben Sie
getan, um dieses Chaos zu verhindern? Das ist doch
nicht vom Himmel gefallen, sondern es war absehbar!


(Beifall bei der SPD)


Sie haben den Renditedruck beklagt und gesagt, dass
die Bahn zu wenig Geld für Investitionen in die Infra-
struktur hat. Da muss man die Frage stellen: Was ma-
chen Sie denn jetzt in Ihrem Verantwortungsbereich, um
das zu ändern? In den Haushaltsberatungen im letzten
Jahr – das ist noch gar nicht so lange her – mussten wir
erleben, dass Ihre Antwort lautet: noch weniger Geld für
die Bahn.


(Patrick Döring [FDP]: Quatsch!)


Sie entziehen dem Konzern jedes Jahr 500 Millionen
Euro. Das sind in vier Jahren 2 Milliarden Euro. Dieses
Geld fehlt für Investitionen in die Infrastruktur.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Uwe Beckmeyer [SPD]: Pfui! Unglaublich! – Patrick Döring [FDP]: Quatsch! Sie müssen mal die betriebswirtschaftlichen Daten zur Kenntnis nehmen!)


Die Bahn soll eine Zwangsdividende an den Bundes-
haushalt abführen, übrigens unabhängig von der Ge-
winnentwicklung.

Jetzt erleben wir eine Vernebelungsdebatte, in der ge-
fragt wird, ob man nicht die Finanzierungsstruktur inner-
halb des Bahnkonzerns verändern könnte. Das ist zwar
eine spannende Frage; die wirklich entscheidende Frage
aber ist: Steht nachher mehr oder weniger Geld für die
notwendigen Investitionen in die Infrastruktur zur Verfü-
gung? Das, was die schwarz-gelbe Mehrheit in diesem
Haus beschlossen hat, bedeutet 500 Millionen Euro pro
Jahr weniger.


(Beifall bei der SPD Das ist die Hälfte des Steuergeschenks an die Hoteliers. Das zahlt die Bahn. Das bezahlen wir mit einer schlechteren Infrastruktur. Dafür haben Sie die Verantwortung, Herr Minister. Sie können sich nicht damit herausreden, dass Ihre Vorgänger oder die Bundeskanzlerin schuld seien. (Beifall bei der SPD – Uwe Beckmeyer [SPD]: Die auch!)


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Das ist ein Skandal!)


Spannend ist auch, dass Herr Grube bestreitet, dass
der Renditedruck die Ursache für diese Probleme sei. Ich
finde, man muss eine vernünftige Analyse vornehmen
und schauen, was man im operativen Geschäft verändern
kann. Eine Grundvoraussetzung ist, dass wir in Zukunft
bestimmte Dinge ändern.

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(C (D Wir fordern in unserem Antrag, die Zwangsdividende on 500 Millionen Euro pro Jahr abzuschaffen und diees Geld für zehn Jahre im Konzern der Bahn zu belasen, und zwar mit einer Zweckbindung: für Investitionen die Infrastruktur. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ir wollen, dass insgesamt mehr Mittel für den Ausbau
nd die Instandhaltung des Schienenverkehrs verwendet
erden.


(Martin Burkert [SPD]: Jawohl!)


Im Sommer habe ich mir viele Bahnhöfe in Bayern
ngeschaut.


(Oliver Luksic [FDP]: Bahnfahren!)


ei der Bahn geht es nicht nur um die Frage, wie man
it dem Winterchaos umgeht. Sie müssen sich auch ein-
al anschauen, wie es um die Barrierefreiheit bestellt
t. In unserer älter werdenden Gesellschaft müssten wir
tzt umsteuern, damit die Menschen, die auf die Deut-

che Bahn angewiesen sind, sie auch benutzen können.


(Zuruf der Abg. Daniela Ludwig [CDU/CSU])


Ich lade Sie gerne ein. Anstatt Zwischenrufe zu ma-
hen, können Sie gerne mit den Betroffenen auf die
ahnhöfe gehen und sich das Chaos anschauen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


ütter mit Kinderwagen, ältere Menschen und Gehbe-
inderte sind in Städten wie Straubing nicht in der Lage,
elbstständig mit der Bahn zu fahren.


(Oliver Luksic [FDP]: Elf Jahre Tiefensee!)


ieser Zustand ist doch unglaublich! Wenn wir jetzt
icht umsteuern, wird das in den nächsten 10, 20 Jahren
o bleiben.

Wichtig ist auch – das ist eine weitere Forderung –,
ass wir den Personalabbau insbesondere bei den Werk-
tätten und in den Instandhaltungswerken stoppen und
ieder mehr Personal einstellen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Elf Jahre SPD-Minister! Ihr habt das doch gemacht!)


Wir hatten jetzt zwei besonders kalte Winter, in denen
s zum Chaos kam. Außerdem hatten wir einen beson-
ers heißen Sommer, in dem es ebenfalls zum Chaos
am. Herr Ramsauer, liebe Kolleginnen und Kollegen
on Schwarz-Gelb, jetzt ist es Zeit für Frühling. Stim-
en Sie unserem Antrag zu, damit es Frühling wird!


(Beifall bei der SPD – Patrick Döring [FDP]: Das ist im Rahmen der ersten Lesung sehr schwierig!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708505300

Das Wort hat nun Arnold Vaatz für die CDU/CSU-

raktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )


)(B)


Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1708505400

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Danke, Herr Kollege Pronold, dass Sie uns die
Fähigkeit zusprechen, einen früheren Frühlingsbeginn
herbeizuführen! Das finde ich hervorragend.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: In Hamburg geht es los, Herr Vaatz!)


Diese Aussage reiht sich nahtlos an Ihre Forderung an
Herrn Dr. Grube, das Wetter zu beeinflussen.

Wir hatten im letzten Dezember einen untypisch har-
ten Wintereinbruch. Es ist deshalb richtig, dass wir uns
heute im Bundestag mit der Frage befassen: Welche Fol-
gen hatte das für den Verkehr, und was müssen wir tun,
um diese Folgen in Zukunft gering zu halten?


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn es mal wieder zufällig schneit, ja?)


Es wäre schön, wenn dies in einer sachlichen Diskussion
gelänge, in der nicht politisch motivierte Schuldzuwei-
sungen im Vordergrund stehen, sondern in der es um die
Frage geht: Was können wir in Zukunft tun, um die
Dinge zu verbessern? Aber leider lässt Ihr Antrag genau
das nicht zu; das ist das Schlimme.

Auf den Punkt gebracht, Herr Kollege Pronold, be-
steht Ihr Antrag aus zwei Teilen. Der eine Teil ist der
Versuch, Ihr eigenes Versagen in den elf Jahren Ihrer Re-
gierungsbeteiligung seit 1998 zu bemänteln und ein Jahr
Schwarz-Gelb gegen elf Jahre, in denen Sie an der Re-
gierung beteiligt waren, aufzuwiegen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Jahr? Ich denke, die Kanzlerin ist schon sechs Jahre Kanzlerin! PISA-Test!)


Die Problemlösungen, die Sie im anderen Teil Ihres
Antrags vorschlagen, enden alle mit dem gleichen so-
zialdemokratischen Urschrei: mehr Geld und mehr
Leute! Das ist keine Lösung. Das reicht nicht aus.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Uwe Beckmeyer [SPD]: Welche haben Sie denn?)


An den Anfang, Herr Kollege, gehört erst einmal eine
vernünftige Analyse und eine realistische Bewertung.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Aha!)


Wenn Sie schreiben, die Bahn habe die Chance gehabt,
sich als das sicherste und verlässlichste Verkehrsmittel
zu erweisen, und diese Chance nicht genutzt, dann sage
ich: Die Bahn hat diese Chance in einem Maße genutzt,
das mir persönlich Respekt abnötigt. Denken Sie nur da-
ran, welch eine Einsatzbereitschaft, welch eine Geduld
und welch ein Verständnis die Beschäftigten der Bahn in
diesen Tagen gezeigt haben.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Ja! Das hat aber nichts mit der Politik zu tun! Das ist die Investitionsbereitschaft! Das ist die individuelle Leistung der Mitarbeiter!)


– Es hat etwas mit Politik zu tun, ob man diese Leistung
anerkennt

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(C (D (Uwe Beckmeyer [SPD]: Das tun wir! Zweifelsohne!)


der sie herabwürdigt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ir erkennen sie an.

Wir rufen den Beschäftigten der Deutschen Bahn AG
on hier aus zu: Wenn Sie nicht gewesen wären, dann
äre der Verkehr in diesem Lande nahezu völlig zum Er-
egen gekommen.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Ja! Das stimmt!)


ie waren für viele Reisende die letzte Hoffnung, sicher
ns Ziel zu kommen. Nachdem Flüge reihenweise aus-
efallen und die Straßen zu gefährlichen Unfallquellen
eworden sind, waren Sie, die Beschäftigten der Deut-
chen Bahn, da. – Es wird in diesem Haus doch wohl
och erlaubt sein, dies in einer solchen Debatte zu sagen.
ir wollen die Menschen, die für unser Wohl sorgen,
otivieren und nicht beschimpfen. Das gehört zur Poli-
k dazu.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Florian Pronold [SPD]: Was? Wer hat die denn beschimpft? – Uwe Beckmeyer [SPD]: Wer beschimpft denn die Beschäftigten? Das ist ja eine Unverschämtheit, dass Sie hier solche Behauptungen aufstellen!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt eine
eihe wirklich ernsthafter Kritikpunkte; an manchen
tellen haben Sie sicherlich auch recht. Aber das tut der
esamteinschätzung, die ich gerade vorgetragen habe,
einen Abbruch. Dies gilt übrigens auch für die verän-
erten Verspätungszahlen, die heute in verschiedenen
eitungen zu lesen sind. Auch dies beschädigt die Ge-
amteinschätzung überhaupt nicht.


(Ulrike Gottschalck [SPD]: Das ist ja wohl ein Skandal!)


Wir erwarten von der Bahn, dass eine Reihe von Kri-
kpunkten tatsächlich beseitigt wird. Die Kritik beginnt
eim Informationssystem und betrifft sowohl den Reise-
ervice am Telefon als auch das Internetangebot, wo
an vergeblich auf Auskünfte wartete, ebenso wie auf
ahnhöfen, wo stundenlanges Schweigen herrschte, so-
ass die Passagiere nicht wussten, wie es weitergeht. Die
ritik zielt aber auch auf die Situation in den Zügen, in
enen zwar Durchsagen erfolgten, diese aber nicht zu
erstehen waren, weil die Lautsprecher seit Jahren ka-
utt sind.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Aha!)


as muss nicht sein. Das ist inakzeptabel und muss sich
ndern.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann waren es auch keine Durchsagen! – Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)






Arnold Vaatz


(A) )


)(B)

– Doch, das Geräusch konnte man vernehmen. Man
konnte die Durchsage schon als solche identifizieren.
Aber der Inhalt war nicht zu verstehen.


(Florian Pronold [SPD]: Was jetzt? Waren die Lautsprecher kaputt oder nicht? In was für Zügen fahren denn Sie? – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn jetzt?)


Allerdings muss man auch feststellen: Stillstand auf-
grund von Leitungsvereisungen, blockierte Gleise durch
Baumbruch und das Fahren mit verminderter Geschwin-
digkeit wegen der Gefahr von Schotterflug wird es bei
der Bahn auch in Zukunft geben. Damit werden wir le-
ben müssen.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum? Bäume haben doch auf Gleisen überhaupt nichts verloren!)


Da Sie in Ihrem Antrag schreiben, auch Bahnchef
Dr. Rüdiger Grube sei es in dem Jahr seit seinem Dienst-
antritt nicht gelungen, einen ganzjährigen störungsfreien
Betrieb zu gewährleisten, muss ich Sie, abgesehen von
dieser weltfremden Anforderung an einen Menschen,


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Was ist daran denn weltfremd?)


fragen: Was heißt denn „auch“? Sie schreiben, auch
Bahnchef Grube habe dies nicht geschafft. Das Wort
„auch“ hat vier Buchstaben.


(Zuruf von der LINKEN: Wow!)


Mit diesen vier Buchstaben ist es genauso wie mit den
vier Fingern an einer Hand, die auf einen selbst zeigen,
wenn man auf andere zeigt.

Ich erinnere mich noch sehr gut an die fast flächende-
ckenden Stilllegungen ehemaliger Reichsbahnausbesse-
rungswerke in ganz Ostdeutschland in den Jahren 2003
und 2004. Diese Kapazitäten, die damals in puncto Pro-
duktivität keine Vergleiche mehr zu scheuen brauchten,
fehlen uns heute. Der damalige Verkehrsminister hieß
Manfred Stolpe, und der damalige Kanzler hieß
Schröder.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das hat viel früher angefangen! Unter Wissmann! – Zuruf von der SPD: Wer macht jetzt die Politik?)


Wer hat uns denn wie ein Wanderprediger den Bör-
sengang der Bahn als Allheilmittel empfohlen? Das war
das Duo Mehdorn/Tiefensee.


(Florian Pronold [SPD]: Keine politisch motivierten Schuldzuweisungen! Lesen Sie den Anfang Ihrer Rede noch mal nach!)


– Sie haben damit angefangen, also muss ich das zurück-
geben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Lasst Blumen blühen! Das war das Motto!)


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(C (D enn die Grünen und auch Sie, Herr Pronold, jetzt veruchen, Ihren Kollegen Tiefensee quasi als Statisten hinustellen, (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Jetzt machen Sie die Flucht nach vorn, weil es keine Argumente mehr gibt!)


uss ich sagen: Es geht nicht, dass Sie sagen: Mit dem
uten Management während der ersten Finanzkrise hat
ie Bundeskanzlerin wohl nichts zu tun – während der
ollege Steinbrück für Sie einer der Väter dieses guten
anagements ist –, aber in diesem Fall ist selbstver-

tändlich die Bundeskanzlerin schuld.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Alle haben was damit zu tun, aber nur die Frau Bundeskanzlerin nicht, oder was? Das ist nicht zu fassen!)


eine Damen und Herren, das können Sie sich nicht
infach aussuchen.

Gestern hat an dieser Stelle der Kollege Steinmeier
estanden und den Anteil der SPD am Aufschwung in
eutschland hervorgehoben. Der Kollege Dr. Lindner
on der FDP hat ihm dies als fairer Politiker auch zuge-
tanden. Wenn das im Positiven gilt, dann muss sich die
PD das in Bezug auf ihre vorangegangene Regierungs-
rbeit auch im Negativen sagen lassen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal, was Sie bei der Bahn wollen! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Etwas Konstruktives von der CDU wäre mal was!)


Bezug auf die Bahn gilt: Ihre ganze vernichtende Kri-
k an den strukturellen Unzulänglichkeiten der Bahn,
oweit sie berechtigt ist, beschreibt das aufeinanderfol-
ende Versagen von fünf Verkehrsministern aus Ihrer
artei in den letzten elf Jahren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Florian Pronold [SPD]: Jetzt sagen Sie mal, was Sie wollen! Was sagen Sie zu den Millionen, die Sie der Bahn wegnehmen?)


s ist intellektuell unredlich, das gegen ein Jahr Regie-
ngszeit der christlich-liberalen Regierung aufwiegen

u wollen.

Wir werden das anders machen als Sie. Herr
r. Grube und Herr Dr. Ramsauer werden an einem
trang ziehen, und zwar in eine Richtung.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: In beide Richtungen! Das wäre auch interessant!)


m Ende werden Sie sehen: Wir werden ein sicheres,
uverlässiges und leistungsfähiges Verkehrssystem
chiene für Deutschland bereitstellen. Dazu sind auch
chon wichtige Voraussetzungen geschaffen worden.
err Dr. Grube hat sofort personelle und organisatori-

che Veränderungen vorgenommen, um die Talfahrt der
ahn nach der Ära Tiefensee/Mehdorn zu stoppen.

Die am stärksten treibende Kraft bei der Benennung
nd bei der Behebung der betrieblichen Unzulänglich-





Arnold Vaatz


(A) )


)(B)

keiten ist die Bahn selber. Das hat sich bei vielen Anhö-
rungen im Verkehrsausschuss, wo alle Verkehrsexperten
selbst zugegen waren, gezeigt. Sie hat teilweise Pro-
bleme erstmalig benannt, über die wir vorher noch gar
nicht informiert waren. Das ist die Realität. Die Ent-
scheidung, dass sich die Bahn dem Brot-und-Butter-Ge-
schäft zuwenden muss, bevor sie von der Börse träumt,
kommt vom Vorstand. Er hat ein Maßnahmenpaket vor-
gestellt, wie er sich dieses Brot-und-Butter-Geschäft
vorstellt: für das rollende Material, für die Infrastruktur
und für den Kundenservice. Das ist ein Schritt nach
vorn.


(Florian Pronold [SPD]: Das steht in Ihrem Koalitionsvertrag drin!)


Ich bin mir sicher, dass dieser Vorstand nach den Ge-
schehnissen im Dezember die Optimierungsaufgabe in
Bezug auf die Notwendigkeit der Vorhaltung von Win-
tertechnik und die dabei unerlässliche Kosteneffizienz
lösen wird.


(Florian Pronold [SPD]: Was heißt das auf Deutsch?)


Was die von der Politik zu verantwortende struktu-
relle Frage betrifft, sind die Winterereignisse zwar ein
plausibler Aufhänger, das zu thematisieren; aber eine
ausreichende Grundlage, um das zu besprechen, sind sie
nicht.

Trotzdem will ich sagen: Wir sind auch hier sehr klar.
Wir werden die 1994 erfolgreich begonnene Bahnreform
fortsetzen. Wir fühlen uns für eine zukunfts- und leis-
tungsfähige Infrastruktur verantwortlich. Wir werden
deshalb die Infrastruktursparten DB Netz AG, DB Sta-
tion & Service AG und DB Energie GmbH nicht privati-
sieren. Die Privatisierung der Transport- und Logistik-
sparten werden wir erst dann einleiten, wenn dafür
geeignete Rahmenbedingungen vorhanden sind. Wir
sind für einen fairen Wettbewerb und werden darauf
drängen, dass die Deutsche Bahn faire Wettbewerbsbe-
dingungen nicht nur auf deutschen Schienen, sondern
auch in Europa vorfindet.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708505500

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen!


Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1708505600

Noch einen Satz, Herr Kollege. – Wir müssen das tun,

um auch dort wirtschaftliche Erfolge zu generieren, die
für uns notwendig sind. Schließlich und endlich werden
wir einen Finanzierungskreislauf Schiene schaffen.


(Florian Pronold [SPD]: Sie können ja den Rest der Rede zu Protokoll geben!)


Die Trassenerlöse werden wir in die Schieneninfrastruk-
tur zurückführen. Wir werden die Gewinnabführungs-
und Beherrschungsverträge zwischen dem DB-Konzern
und den Infrastrukturunternehmen aufheben.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber ein langer Satz!)


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(C (D ir wissen: Dadurch wird das ganze System Schiene getärkt. Herr Kollege, das waren jetzt schon vier Sätze. Damit stärken wir auch die Bahn als Ganzes. Ich bedanke mich ganz herzlich für die Geduld, Herr räsident. Das Wort hat nun Gregor Gysi für die Fraktion Die inke. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand diesem Hause hat je die Mitarbeiterinnen und Mitareiter der Bahn beschimpft, Herr Vaatz. Wir kritisieren ie Politik. Das ist ein völlig anderer Vorgang. Die Mitrbeiterinnen und Mitarbeiter leisten – da haben Sie echt – Hervorragendes; das würde hier niemand be treiten. Vor 45 Jahren warb die Bahn mit dem Slogan: „Alle den vom Wetter. Wir nicht“. Damals war dieser Slogan uch noch zutreffend; da funktionierte ja noch alles. eute klingt das wie bitterer Sarkasmus. Fahrpläne richn sich nach dem Wetter, aber bleiben trotzdem Makutur. Den zweiten Winter hintereinander erleben wir, ass die Bahn kapituliert. Die Berliner S-Bahn hat ein hausgemachtes Desaster. eitweilig waren nur 200 von 526 S-Bahn-Zügen unteregs, Strecken wurden vorübergehend stillgelegt. Sie erden staunen: Dieses Niveau hatte die Berliner S-Bahn tztmalig 1946. Das ist doch ein interessantes Datum. Die Pannenserie begann allerdings schon früher: Im ommer 2008 mussten die Radachsen gewechselt weren, weil sie einfach brachen. Das war eine kleine Fehlonstruktion. Ich habe mit Interesse zur Kenntnis geommen: Das dauert bis 2013, also fünf Jahre. Das ist ja ine ungeheure Produktivität. (Florian Pronold [SPD]: Da hätten Sie als Wirtschaftsminister damals schon was machen können!)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708505700
Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1708505800

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708505900

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708506000

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Im Sommer 2010 fielen die Klimaanlagen aus. Die
eute saßen entweder im Treibhaus oder in der Sauna.
as Problem ist: Winter und Sommer sind nicht daran

chuld. Schuld daran sind Union und – tut mir leid –
uch SPD und FDP, weil Sie die Bahn an die Börse brin-
en und privatisieren wollten.


(Beifall bei der LINKEN)






Dr. Gregor Gysi


(A) )


)(B)

Damit war ja verbunden, dass Sie die Bahn profitabel
machen wollten. Als Erstes haben Sie dann – leider zu-
sammen mit den Grünen – das Grundgesetz geändert.
Nur wir haben dagegen gestimmt, weil Sie geregelt hat-
ten, die Bahn in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Genau!)


und künftig – jetzt zitiere ich wörtlich – „als Wirtschafts-
unternehmen in privat-rechtlicher Form“ zu führen.


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das war der Kardinalfehler! – Patrick Döring [FDP]: So sagt es die Verfassung!)


Das bezahlen wir teuer; denn dadurch waren Sie ja ver-
pflichtet, die Bahn rentabel und profitabel zu machen.


(Patrick Döring [FDP]: Grundgesetz!)


Wie haben Sie das gemacht? Das kann ich Ihnen sa-
gen: Von 1995 bis zum Jahre 2010 haben Sie die Zahl
der Beschäftigten halbiert. Deshalb müssen die übrigen
jetzt ja so viel leisten. Sie haben die Löhne stagnieren
lassen; sie haben mehr als 2 000 Bahnhöfe, vor allem im
Osten, stillgelegt; Sie haben mehr als 1 000 Bahnhöfe
verkauft; Zehntausende Schalter wurden geschlossen;
das Schienennetz wurde um 9 000 Kilometer verkürzt,
und massenhaft – Herr Vaatz hat es gesagt – wurden
Reichsbahnausbesserungswerke geschlossen, und zwar
von allen Regierungen, auch von der Unionsregierung;
darum kommen Sie nicht herum.

Die S-Bahn in Berlin hat das Personal von fast allen
Bahnhöfen abgezogen und eingespart; die Wartungs-
intervalle wurden erheblich verlängert; Werkstätten wur-
den geschlossen; die Zahl der Beschäftigten für Instand-
haltung und Wartung sank – überlegen Sie sich das mal –
von 800 auf 200,


(Patrick Döring [FDP]: Dafür gab es an anderer Stelle gleichzeitig einen Personalaufwuchs! Es ist egal, wer ausbessert, Hauptsache, es wird ausgebessert!)


und die Zahl der Meister sank von 26 auf 3. Es ist ein
einzigartiger Skandal, dass Sie sich trotzdem noch über
das wundern, was wir jetzt erleben.


(Beifall bei der LINKEN – Patrick Döring [FDP]: Quatsch!)


Weil ja alles profitabel sein sollte, soll die S-Bahn
jährlich – auch in diesem Jahr – 50 Millionen Euro ab-
führen. Nein, sie braucht dringend Geld für Investitio-
nen. Sie kann nicht noch Geld an die Bahn AG abführen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Bahn AG wurde zielstrebig heruntergewirtschaft
und kaputtgespart. Die Ergebnisse sehen wir heute: zu
wenige Züge, mangelhafte Wartung und Instandhaltung,
schlechterer Service.

Die Große Koalition – Merkel, Steinmeier, Tiefensee –
wollte die Bahn seit 2005 privatisieren. Ein Gesetzent-
wurf lag hier zur ersten Beratung vor. Der Protest aus der
Bevölkerung war aber zu groß, und – ich muss das ein-
mal würdigend sagen – ein SPD-Parteitag hat gegen den

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(C (D illen des Vorstandes entschieden, dabei nicht mitzuachen. Was hat die jetzige Koalition in ihre Koalitionsvereinarung geschrieben? Dort steht: „Sobald der Kapitalarkt dies zulässt“, erfolgt die Privatisierung. (Patrick Döring [FDP]: Sie haben nicht alles zitiert! Sie haben nicht korrekt zitiert!)


(Beifall bei der LINKEN)


ie geben Ihre unsozialen neoliberalen Träume leider
icht auf.

Wir sollten endlich Lehren aus der Krise der Bahn
iehen:

Erstens. Die Bahn ist keine Profitmaschine, sondern
ichtiger Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge.
illionen Bürgerinnen und Bürger sind auf bezahlbare

nd pünktliche Mobilität angewiesen, um zur Arbeit und
ach Hause zu kommen, um politische Rechte wahrneh-
en zu können, um Angehörige, Freundinnen und
reunde zu besuchen, um Urlaub zu machen und Freizeit
u gestalten, einschließlich der Besichtigung von Städ-
n, Gegenden und Natur. Daher hat die Bahn dem Ge-
einwohl und nicht privaten Profitinteressen zu dienen.
egreifen Sie das doch endlich!


(Beifall bei der LINKEN)


ie Bahn wird immer ein Zuschussgeschäft sein.


(Patrick Döring [FDP]: Wenn wir machen, was Sie sagen, dann ja!)


r Betrieb erfordert Milliarden an Investitionen, und sie
t schon deshalb für Privatisierungen völlig ungeeignet.

Zweitens. Die Deutsche Bahn AG muss eine Anstalt
es öffentlichen Rechts werden, damit sie demokratisch
ontrolliert werden kann.


(Patrick Döring [FDP]: Das funktioniert ja bei ARD und ZDF besonders gut!)


nd: Sie muss verpflichtet werden – jetzt kommt es
och dicker, nun warten Sie einmal ab, Sie können sich
leich noch mehr aufregen –, wie ein gemeinnütziges
nternehmen zu handeln. Gewinnabführungen müssen

usgeschlossen werden.


(Beifall bei der LINKEN – Patrick Döring [FDP]: Quatsch!)


rotz des desolaten Zustandes der Bahn verlangen Sie,
eber Herr Ramsauer, die Bundesregierung und die
ehrheit im Parlament im Haushaltsgesetz, dass die
ahn an den Bund vier Jahre lang pro Jahr 500 Millio-
en Euro abführt. Wollen Sie denn, dass gar kein Zug
ehr fährt? Sie können doch der Bahn nicht noch ernst-

aft 500 Millionen Euro wegnehmen! Das ist absurder
nsinn, was Sie beschlossen haben.


(Beifall bei der LINKEN – Patrick Döring [FDP]: Sie wissen es doch besser!)


Drittens. Die bereits erfolgten Teilprivatisierungen
ind zu stoppen und die Pläne der Bahn AG zu einem
lobal Player aufzugeben; denn zu Hause ist genügend





Dr. Gregor Gysi


(A) )


)(B)

zu tun. Die Bahn soll sich jetzt nicht in Sansibar oder in
den USA einkaufen. Sie soll ihre Aufgaben in Deutsch-
land erledigen. Es wird höchste Zeit.


(Beifall bei der LINKEN)


Viertens. Es ist alles zu unternehmen, den S-Bahn-Be-
trieb so schnell wie möglich wieder in vollem Umfang zu
gewährleisten. Die S-Bahn in Berlin muss in öffentlichem
Eigentum verbleiben. Eine Zerschlagung des Unterneh-
mens und eine Ausschreibung einzelner S-Bahn-Strecken
muss ausgeschlossen werden.

Fünftens. Die Beschäftigten bei der Bahn AG und bei
der S-Bahn leisten, wie ich schon sagte, gerade vor dem
Hintergrund des Personalabbaus Enormes: Sonder-
schichten und Überstunden wurden zur Selbstverständ-
lichkeit. Es ist höchste Zeit, dass man an die Beschäftig-
ten einen entsprechenden Ausgleich zahlt.


(Beifall bei der LINKEN)


Mobilität ist ein Grundrecht. Wir alle sind verpflich-
tet, es zu verwirklichen. Sie müssen lernen, über die
Bahn völlig anders zu denken und sie endlich dem Ge-
meinwohl unterzuordnen.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708506100

Das Wort hat nun Patrick Döring für die FDP-Frak-

tion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Patrick Döring (FDP):
Rede ID: ID1708506200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zweifellos
gibt es über den Eisenbahnverkehr in Deutschland nach
dem vergangenen Sommer, nach dem vergangenen Win-
ter viel zu bereden. Zweifellos gibt es Dinge zu klären,
sowohl bei der Infrastruktur als auch beim rollenden Ma-
terial. Herr Kollege Gysi, ich kann es Ihnen gar nicht so
richtig übelnehmen – Sie folgen den Debatten zu diesem
Thema sonst eher nicht so intensiv –, dass Sie glauben,
dass man die Probleme durch Schlagworte wie Gemein-
wohlorientierung und ein bisschen Sozialromantik lösen
kann. Das wird nicht gelingen, und das können wir Ihnen
auch beweisen.

Es lohnt sich, in diesen Tagen die Bundestagsproto-
kolle von 1994 zur Debatte über die Organisationspriva-
tisierung der Bahn nachzulesen. Es ist interessant, was
die Sozialdemokraten und die christlich-liberale Koali-
tion seinerzeit vorgetragen haben.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Haben Sie gelesen, was ich gesagt habe?)


In diesem Jahr, als nämlich Deutsche Bundesbahn und
Deutsche Reichsbahn die DB AG gebildet haben, reich-
ten die Einnahmen aus Fahrkartenentgelten nicht aus,
die Personalkosten zu decken. Eine Bahn zulasten des
Steuerzahlers haben wir Gott sei Dank nicht mehr.

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(C (D (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wie viel Schulden haben wir jetzt bei der Bahn?)


er zurück zur Behördenbahn will, wo sich mächtige
ahlkreisabgeordnete ICE-Halte bestellen können, der
ird mit uns diesen Weg nicht gehen können. Wir wol-
n den Schienenverkehr dort, wo die Menschen ihn
rauchen, und nicht, wo er ausgekungelt wird.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Martin Burkert [SPD]: Das war ein CSUMinister! – Florian Pronold [SPD]: Welcher CSU-Minister war denn das? Welcher CSUMinister hat sich denn einen Bahnhof bestellt?)


Lassen Sie uns zurückschauen: Wie ist es eigentlich
u dem Konzern gekommen, über den wir heute spre-
hen? In der Tat hat sich die Bahn seit 1994 – auch 1998
nter Rot-Grün und danach unter der Großen Koalition –
on einem nationalen Unternehmen zu einem internatio-
alen Logistikunternehmen entwickelt. Der Begriff „Na-
onal Champion“ stand im Raum.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Mit Konkurrenz auf der Straße!)


as war die Philosophie, die die damalige Bundesregie-
ng dem Konzern aufgegeben hat.

Wir sehen heute, dass es in der Tat ordnungspolitisch,
ber auch eisenbahnpolitisch falsch war, den Eindruck
u erwecken, dass es wichtiger ist, außerhalb Deutsch-
nds Geschäfte zu machen als innerhalb Deutschlands.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


iese Auffassung hat die FDP schon immer vertreten.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir sollten uns auf das konzentrieren, was der Deut-
che Bundestag in diesen Fragen schon mehrfach bera-
n hat. Geschätzter Herr Kollege Pronold, bei allem
espekt vor der Oppositionsarbeit: Man kann sich nicht
or dem davonstehlen, was Ihre Minister in der letzten
ahlperiode gemacht haben.


(Florian Pronold [SPD]: Sie sitzen seit 15 Monaten im Aufsichtsrat! Was haben Sie denn getan? Sagen Sie doch mal, was Sie getan haben!)


Finanzminister Steinbrück wollte 2 Milliarden Euro
us der Bahnprivatisierung keineswegs für die Infra-
truktur, sondern für den Bundeshaushalt verwenden.
er frühere Bundesminister Tiefensee hat in der Hoch-
hase der Debatte über die Bahnprivatisierung in einem
eit-Interview wunderschön vorgetragen: „Langfristig
erden wir die Bundeszuschüsse minimieren können.“


(Florian Pronold [SPD]: Sie wissen, dass wir die Leistungsund Finanzierungsvereinbarung gemacht haben und dass wir 500 Millionen jedes Jahr von der Bahn in die Infra Patrick Döring )





(A) )

struktur geben! Sagen Sie mal die gesamte
Wahrheit! Unsinn!)

All das wollten Sie. Sie haben Herrn Mehdorn und
sein Management auf dem Weg in die Internationalisie-
rung unterstützt. Sie wollten eine Privatisierung mit Netz
und haben nie begriffen, dass es falsch ist, das Unterneh-
men als Ganzes zu betrachten, weil die unterschiedli-
chen Verkehrssparten unterschiedlich privatisierungsreif
sind. Sie sind überwiegend nicht privatisierungsfähig,
zum Beispiel die Infrastruktur. Sie haben doch in den
sieben Jahren Rot-Grün und in der Großen Koalition den
integrierten Konzern überhaupt erst geschaffen.


(Beifall bei der FDP – Martin Burkert [SPD]: Der ist sogar sehr gut!)


Die Intransparenz, die Sie ebenso beklagen wie wir, ist
entstanden, weil der Konzern heute so ist, wie er ist.

Lassen Sie mich zu dem kommen, was der Kollege
Gysi wortreich zu den betriebswirtschaftlichen Kenn-
zahlen des Unternehmens vorgetragen hat.


(Florian Pronold [SPD]: Sagen Sie doch mal, was Sie im Aufsichtsrat gemacht haben! Warum sitzen Sie im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn?)


Ich glaube, es gehört zur Wahrheit dazu, dass wir auf das
zurückkommen, was das Unternehmen heute leistet und
was es kann.

Ich sage noch einmal: Wir wollen, dass das Unterneh-
men wirtschaftlich arbeitet. Warum? Es gibt nur zwei
Möglichkeiten, Investitionen im Unternehmen zu finan-
zieren, nämlich entweder durch Schulden oder durch Er-
trag. Wenn man das Unternehmen nicht bis unter das
Dach verschulden will – letzten Endes sind die Schulden
einer 100-prozentigen Tochter des Bundes die Schulden
des Bundes –,


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das stimmt!)


dann muss das Unternehmen einen Ertrag erwirtschaf-
ten, um diesen investieren zu können. Das geschieht, seit
wir regieren.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708506300

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Bulling-Schröter von der Fraktion Die Linke?


Patrick Döring (FDP):
Rede ID: ID1708506400

Ich führe zunächst die Zahlen aus. Danach gerne.

Man kann auch belegen, dass die Investitionen im
Unternehmen anwachsen, wie es Herr Vorstandsvorsit-
zender Grube und der Bundesminister seit der Regie-
rungserklärung und dem Machtwechsel im Konzern vor-
tragen. Im Mobilitäts- und Logistikkonzern, also in dem
Teil, der nur der Beförderung von Gütern und Personen
dient, betragen die Investitionen des Konzerns im Jahr
2009 1,1 Milliarden Euro, im Jahr 2010 1,2 Milliarden

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(C (D uro, im Jahr 2011 2,2 Milliarden Euro, im Jahr 2012 ,6 Milliarden Euro und im Jahr 2013 2,8, Milliarden uro. Sie sind durch den Betrieb erwirtschaftet worden; ie Verschuldung ist nicht erhöht worden. Das ist kluge olitik zur Stärkung der Leistungsfähigkeit des Fernverehrs, des Nahverkehrs und des Güterverkehrs. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Martin Burkert [SPD]: Sie sind ja Hellseher!)


iese Zahlen hat das Unternehmen auf einer Pressekon-
renz vor dem Winter vorgetragen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach dem Winter hat sie es nicht mehr!)


s lohnt sich manchmal, sich mit der Mittelfristplanung
on Unternehmen, die einem gehören, zu beschäftigen,
eschätzte Kolleginnen und Kollegen.

Ich bin entschieden dafür, dass wir über die Frage
prechen: Was bringt uns das in wirtschaftlicher Hinsicht
r das Netz und die Investitionsmöglichkeiten? Sie ha-

en völlig recht, dass neben den Steuermitteln auch Ei-
enmittel des Konzerns in das Netz fließen müssen.
ber auch hierbei verweise ich auf die Zahlen, die bele-
en, was der Konzern seit Beginn unserer Regierungs-
eit macht: Im Jahr 2009 sind 1,8 Milliarden Euro zu-
ätzliche Mittel aus Eigenmitteln in das Netz geflossen.
010 waren es 2 Milliarden Euro. 2011 sind es 3 Milliar-
en Euro, 2012 3,8 Milliarden Euro und 2013 4 Milliar-
en Euro erwirtschaftete Eigenmittel aus der Infrastruk-
r, die in die Infrastruktur fließen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist doch noch gar nicht 2013!)


as ist kluge Politik, die unsere kluge Haushaltspolitik
rgänzt. Damit müsste die Legendenbildung an dieser
telle ein Ende haben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708506500

Gestatten Sie jetzt die Zwischenfrage?


Patrick Döring (FDP):
Rede ID: ID1708506600

Ja, bitte.


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708506700

Vielen Dank, Herr Döring. – Erste Frage. Ich habe Ih-

n Ausführungen genau zugehört. Mich interessiert:
immt die Bundesregierung nun Einfluss auf das Bun-
esunternehmen DB AG, sodass die Auslandsgeschäfte
ckgängig gemacht werden? Sie haben diese Geschäfte

ritisiert. Das wäre dann die logische Folge.

Zweite Frage. Ich komme aus der Industrie und weiß,
ie Maschinen gewartet werden. Wie sehen Sie das
enn? Welche Informationen haben Sie? Wenn Maschi-
en nicht gewartet werden, wenn Wartungszyklen stän-
ig verlängert werden, ist das keine nachhaltige Wirt-
chaftspolitik, weil dann ein viel größerer Schaden
ntsteht. Dieser Schaden muss natürlich auch bezahlt





Eva Bulling-Schröter


(A) )


)(B)

werden. Ich weiß nicht, wie oft Sie Zug fahren, aber ich
kann Ihnen nur sagen: Wenn die Züge stehen bleiben
und Menschen stundenlang in Zügen warten müssen,
dann ist das keine gute Geschäftspolitik. Dann sagen die
Kunden das nächste Mal: Da es keine Alternativen gibt,
fahre ich wieder mit dem Auto oder nehme das Flug-
zeug.

Im Hinblick auf den Klimaschutz, zu dem sich die
Bundesregierung bekennt, sage ich als Umweltpolitike-
rin: Hier müssen wir noch wesentlich mehr tun. Da soll-
ten Sie zu Ihren Versprechen stehen.


(Beifall bei der LINKEN)



Patrick Döring (FDP):
Rede ID: ID1708506800

Erste Anmerkung. Geschätzte Kollegin, selbstver-

ständlich werden wir in der Koalition und mit dem
Bahnvorstand über die Internationalisierung sprechen.
Ich persönlich bin der Meinung – ich bin sicher, dass
viele Kollegen aus den Koalitionsfraktionen das teilen –,
dass weitere Investitionen in ausländische Geschäftsfel-
der angesichts der aktuellen Qualität des Verkehrs im In-
land nicht darstellbar sind, um es offen zu sagen.

Zweite Anmerkung. Sie machen bei dem Thema War-
tung und Wartungspersonal immer den Fehler, nur da-
rauf zu achten, was sich im Konzern getan hat. Sie müs-
sen einfach sehen, dass die Wartungskapazitäten, über
die die S-Bahn nicht mehr verfügt, bei den Herstellern
sind. Sie können das falsch finden. Aber es ist egal, wer
wartet. Hauptsache, es wird gewartet.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es wird ja nicht gewartet!)


Das findet statt, sehr geschätzte Kollegin.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708506900

Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischenbe-

merkung der Kollegin Barbara Hendricks?


Patrick Döring (FDP):
Rede ID: ID1708507000

Sehr gerne.


Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1708507100

Herr Kollege Döring, ich erlaube mir eine Zwischen-

bemerkung, die sich auch an Sie in Ihrer Eigenschaft als
Mitglied des DB-Aufsichtsrates richtet. Ich erzähle ein-
fach eine Geschichte aus dem Leben, wie sie viele Men-
schen in diesem Winter erlebt haben.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Sie sollen eine Frage stellen! – Gegenruf des Abg. Florian Pronold [SPD]: Geschäftsordnung lesen! Zwischenbemerkung!)


Ich bin am 2. Januar aus Innsbruck zurückgereist. Der
Zug hatte auf der Strecke nach München ziemlich viel
Verspätung. Das lag in erster Linie an der österreichi-
schen Bahn; das ist nicht zu bestreiten. Das bedeutete
aber, dass wir den in Richtung Nordrhein-Westfalen fah-
renden Eurocity, den wir in München eigentlich hätten
bekommen sollen und für den wir natürlich, wie es sich
an stark frequentierten Reisetagen gehört, reserviert hat-

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(C (D n, nicht nehmen konnten. Dieser Zug hatte zwar 0 Minuten Verspätung, wurde aber über München hiaus nicht mehr eingesetzt. Das fand ich zufällig heraus, eil ich selber im iPhone gesucht habe; denn eine An age gab es nicht. Gott sei Dank gibt es mittlerweile solhe technischen Möglichkeiten. Leider stehen diese das muss man in diesem Zusammenhang sagen – nicht llen Menschen zur Verfügung. Der eine Zug fuhr also gar nicht. 14.55 Uhr wurde der E – ich kann mich an die Zugnummer nicht mehr erin ern – in München eingesetzt. Er fuhr in Richtung Dortund, also in Richtung Nordrhein-Westfalen. Wir waren atürlich rechtzeitig da; denn wir hätten eigentlich schon iel früher fahren sollen. Wir hatten also die Chance, uns trategisch zu verteilen, in zwei Waggons hineinzugehen nd nachzusehen, ob es noch nicht reservierte Plätze ibt. Wir waren immerhin zu zweit und sind noch beeglich. Es ist uns schließlich gelungen, nicht reserierte Plätze zu finden. Von diesen haben wir uns auch icht mehr wegbewegt. Der Zug, für den wir reserviert atten, war gar nicht da. (Zurufe von der CDU/CSU und FDP: Frage! Frage! – Gegenruf des Abg. Christian Lange [Backnang] [SPD]: Guckt mal in die Geschäftsordnung! – Gegenruf der Abg. Michaela Noll [CDU/CSU]: Welcher Paragraf soll das denn sein?)


in weiteres Problem war, dass der ICE nur halb so lang
ie vorgesehen war. Die Wagen 21 bis 28 waren da.
ber auch die Menschen, die für die Wagen 29 bis 38 re-

erviert hatten, wollten natürlich mitfahren. Diese Wa-
en waren aber nicht da.

Dieses Erlebnis vom 2. Januar ist typisch. Alle Urlau-
er, die an diesem Tag unterwegs waren, haben Ähnli-
hes erlebt und waren im Recht; denn fast alle hatten or-
entliche Preise gezahlt und reserviert, wenn auch nicht
nbedingt für diesen Zug. Wir hatten immerhin den Vor-
il, in der ersten Klasse zu sitzen. Dort war es nicht
anz so voll. In der zweiten Klasse war es viel schlim-
er. Ein Beispiel. Ein sehr großer Mann stieg mit seiner
rau ein.


(Zurufe von der CDU/CSU und FDP: Frage! Frage! – Kurze präzise Frage!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708507200

Frau Kollegin, können Sie Ihre Zwischenbemerkung

in bisschen abkürzen? Sie sollen hier kein Koreferat
alten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1708507300

Ich mache es kurz. – Dieser große Mensch, der kaum
ICE stehen konnte, sagte zu seiner Frau völlig ver-

weifelt: Dafür haben wir 300 Euro in der ersten Klasse
r eine Strecke bezahlt. – Es war also offenbar ein
ensch, der nicht immer erster Klasse fährt.

Die Stimmung war nahe am Aufruhr.





Dr. Barbara Hendricks


(A) )


)(B)


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Meuterei!)


Ich hätte es sehr leicht zum Aufruhr bringen können,
wenn ich gesagt hätte: In dieser Situation muss die Bahn
auch noch 500 Millionen Euro an den Bundeshaushalt
abliefern.


Patrick Döring (FDP):
Rede ID: ID1708507400

Geschätzte Frau Kollegin Hendricks, in der Tat ist es

so, dass jeder von uns diese Erlebnisse hatte und jeder
massenhaft Briefe aus seinem Wahlkreis bekommen hat.


(Zuruf von der SPD: Sie aber nicht!)


– Ich auch persönlich.

Es bestreitet doch kein Kollege meiner Fraktion und
kein Kollege der Unionsfraktion, dass es Qualitätspro-
bleme, Managementprobleme, Umsetzungsprobleme
und technische Probleme am rollenden Material gibt.
Das ist doch unbestritten und in der Fehleranalyse auch
bewiesen. Deshalb steigern wir doch die Investitionen
für das rollende Material in diesem Maße.

Ich sage aber auch – dabei bin ich mit dem Kollegen
Vaatz vollkommen einig –: Ich bitte darum, nicht nur im-
mer zu sehen, dass diejenigen, die mit dem rollenden
Material die Menschen befördern, große Verantwortung
tragen. Vielmehr haben diejenigen, die das rollende Ma-
terial geliefert haben, nicht immer das geliefert, was be-
stellt war, und es nicht immer in der Qualität geliefert,
wie wir uns das gewünscht haben. Das anzuerkennen,
gehört zur Fairness dazu.

Deshalb plädiere ich für die Konzentration auf das in-
ländische Geschäft. Wir wollen alle sicherstellen, dass
Sie in einem Jahr eine solche Geschichte möglichst nicht
mehr erzählen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend
möchte ich auf die Legende um die Dividende zu spre-
chen kommen. Sie schaffen es tatsächlich immer wieder,
neue betriebswirtschaftliche Begriffe einzuführen. Den
Begriff „Zwangsdividende“ kennt das Aktienrecht nicht.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Schwarz-Gelb!)


Vielmehr entscheidet die Hauptversammlung nach Vor-
schlag darüber, was mit dem Gewinn passiert.

Jetzt sage ich Ihnen etwas zur Ertragslage. Eine Divi-
dende wird gezahlt, nachdem ein Unternehmen alle Kos-
ten abgezogen und Investitionen vorgenommen hat.
Abgezogen werden außerdem Abschreibungen und
Zinskosten.


(Florian Pronold [SPD]: Sie haben aber vorher schon die Dividende festgelegt, die abgeführt werden soll!)


Das ist dann das Ergebnis vor Steuern. Sie tun immer so,
als säße irgendwo ein Verrückter, der sich eine Divi-
dende von 500 Millionen Euro ausgedacht hätte,

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(C (D (Uwe Beckmeyer [SPD]: Drei Verrückte! – Heiterkeit bei der SPD)


nd zwar völlig unabhängig von der Planung hinsicht-
ch des Ergebnisses nach Steuern im Konzern.


(Florian Pronold [SPD]: Dazu muss man erst mal wissen, wie das Ergebnis ausschaut!)


Ich sage Ihnen: Die Ergebnisse allein der Mobilitäts-
nd Logistiksparte nach Steuern werden sich in einer
rößenordnung bewegen, dass es ohne Probleme mög-
ch ist, die Investitionen weiter zu erhöhen und die Divi-
ende an den Bund auszuzahlen. Das ist nachlesbar in
er mittelfristigen Planung. Die Aufsichtsräte kommen
rer Aufgabe nach und haben das getan.


(Florian Pronold [SPD]: Warum legen Sie sie denn dann vorher fest?)


eshalb ist die Behauptung falsch, dass ein Unterneh-
en, das mehr als 1 Milliarde Euro nach Steuern ver-

ient, keine 500 Millionen Dividende zahlen kann. Das
t schlicht falsch.


(Beifall bei der FDP – Florian Pronold [SPD]: Sie könnten auch als Hellseher arbeiten!)


Nein. Ich berufe mich ausschließlich auf das, was in
ressekonferenzen veröffentlicht wurde.

Natürlich gibt es in unserer Fraktion und in dieser
oalition die Erkenntnis, dass sich der Konzern mehr

uf die Ertüchtigung der Infrastruktur in Deutschland
nd auf die Verkehre in Deutschland konzentrieren
uss. Wir unterstützen den Bundesminister bei den
berlegungen zum Finanzierungskreislauf Schiene. Er
ezieht sich dabei auf das, was im Koalitionsvertrag nie-
ergelegt worden ist.

CDU/CSU und FDP knüpfen an ihren gemeinsamen
ntrag aus rot-grüner Zeit an. Für diejenigen, die es
achlesen wollen: Das ist die Drucksache 15/2156. Un-
r den Fraktionsvorsitzenden Dr. Angela Merkel und
r. Wolfgang Gerhardt haben wir unsere Vorstellungen
on einer Bahnreform und einer Weiterentwicklung des
onzerns niedergelegt.

Dabei gibt es Unterschiede zu dem, was Sie wollten.
iese Unterschiede finden Sie im Koalitionsvertrag.
azu werden wir alsbald Aussagen treffen.

Ich sage für die FDP-Fraktion: Gegen die Bundes-
publik Deutschland läuft ein Vertragsverletzungsver-
hren, was die Unabhängigkeit des Netzes angeht. Der

uständige EU-Kommissar, Vizepräsident Kallas, hat
einen Kollegen und mir geschrieben: Die Richtlinie

er Europäischen Union verlangt die Unabhängigkeit bei
er Entscheidungsfindung.


(Florian Pronold [SPD]: Aber nicht die Unfähigkeit bei der Entscheidungsfindung! Die Unabhängigkeit, nicht die Unfähigkeit!)


eiter fordert er Maßnahmen, die jede Kontrolle der
olding über die Entscheidung der DB Netz AG aus-

chließen.





Patrick Döring


(A) )


)(B)

Deshalb bleiben wir dabei, dass der Prüfauftrag über
die Beherrschungsverträge, der im Koalitionsvertrag
niedergelegt ist, zu dem Ergebnis kommen wird, dass
das mit europäischem Recht nicht vereinbar ist.


(Florian Pronold [SPD]: Ach, das wissen Sie schon jetzt, was das Ergebnis sein wird! Ein Hellseher vor dem Herrn!)


In dem Beherrschungsvertrag steht der schöne Satz: Die
DB Netz AG unterstellt die Leitung ihrer Gesellschaft
der DB AG. – Das ist mit Vorstellungen von unabhängi-
ger Geschäftsführung nicht vereinbar.

Deshalb wird es Veränderungen geben, die die Ein-
flussmöglichkeiten des Bundes und der Aufsichtsräte
stärken werden. Das ist jedenfalls eine Überlegung, die
wir weiter verfolgen.

Die Eisenbahnpolitik der Vergangenheit war viel-
leicht zu stark managementgeprägt. Der frühere Vor-
standsvorsitzende Mehdorn hat sicher sehr starken Ein-
fluss auf das Bundesverkehrsministerium und auf das
Bundesfinanzministerium gehabt. Gelegentlich hatte
man das Gefühl: Die Eisenbahnpolitik von Rot-Grün
und Schwarz-Rot war reine DB-Interessenpolitik. Das
ist zu Ende. Diese Koalition macht Eisenbahnpolitik für
alle, die auf der Schiene fahren wollen, auch für die vie-
len Wettbewerber;


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Nicht für die, die im Winterchaos stecken geblieben sind!)


denn Wettbewerb ist gut für den Kunden und für die
Qualität der Bahn.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Kai Wegner [CDU/CSU])


Wir wollen nicht zurück zum Monopolbetrieb. Wer
heute von Hamburg nach Frankfurt fliegt und mit der
Lufthansa unzufrieden ist, kann Air Berlin wählen, und
in der Regel tut er das auch. Deswegen strengen sich
beide Unternehmen an, gute Qualität zu liefern. Ich
wünschte mir manchmal, wir hätten im Fernverkehr
diese Möglichkeit. Dann wäre vielleicht die eine oder
andere Problematik, wie sie Frau Kollegin Hendricks ge-
schildert hat, nicht in diesem Umfang da.

Kurzum, diese Koalition sorgt durch ihre Eisenbahn-
politik dafür, dass der Konzern gut arbeitet,


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Sie haben ja gar keine Eisenbahnpolitik!)


dass Schienenverkehrspolitik besser wird, dass in Netz
und rollendes Material so viel wie noch nie investiert
wird, ohne die Verschuldung des Konzerns zu erhöhen.
Die Aufgabe ist, mit dem Geld, dem Vermögen der Steu-
erzahler das größte Bundesunternehmen noch besser zu
machen und damit am Ende für alle Menschen die Quali-
tät zu erhöhen. Die Qualitätsmängel, die wir heute bekla-
gen, gehen zurück auf eine verfehlte Eisenbahnpolitik.
Diese Mängel haben die SPD-Minister in den elf Jahren
ihrer Regierungszeit zu verantworten.

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(C (D (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Und Angela Merkel allen voran!)


ir machen Schluss damit.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Uwe Beckmeyer [SPD]: Platt, platter, Döring!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708507500

Das Wort hat nun Renate Künast für die Fraktion

ündnis 90/Die Grünen.


Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1708507600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Zeit

ng hat man gedacht, die größten vier Feinde der Deut-
chen Bahn seien die vier Jahreszeiten: Frühling,
ommer, Herbst und Winter. Das ist aber nicht so, und
aran hat die Debatte hier bisher auch nichts verändert.
ie größten Feinde der Bahn, die größten Feinde eines
nktionierenden Bahnverkehrs, ob im Fernverkehr oder
Nahverkehr, sind am Ende die Bundesverkehrsminis-

r gewesen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


a können einem die Kunden, die auf den Bahnsteigen
tanden und froren, samt der Mitarbeiter, die dort stan-
en und froren und die Fragen gar nicht beantworten
onnten, nur leidtun.

Herr Döring, ich sehe Ihnen angesichts Ihrer enga-
ierten Rede voller Prüfaufträge nach, dass Sie gesagt
aben: Wir fangen jetzt an. – Ich komme darauf gleich
urück. Sie sind neu in dieser Koalition. Die Schwarzen,
DU/CSU, sind jetzt sechs Jahre an der Regierung, und
eshalb, Herr Döring, kann man an dieser Stelle sagen,
ass bei dieser Koalition, bei diesem Bundesverkehrs-
inister keine gute Bahnpolitik gemacht wird, sondern

ass sie eher eine komplette Fehlanzeige ist, und zwar
uf Kosten der Kunden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da sagt Herr Ramsauer, er telefoniere fast täglich mit
errn Grube. Das finde ich schön. Nur, worüber reden

ie da? Worüber reden sie bei diesen Telefongesprächen?
s gab zweimal hintereinander Winterchaos. Es gab üb-
gens auch ein Sommerchaos. Im Winter erfriert man,
Sommer wird man gegrillt. Vielleicht sollten Sie

icht so oft telefonieren und endlich einmal das Geschäft
npacken!

Putzig ist, Herr Ramsauer, dass auch Sie anfangen,
as Ganze auf die Vorgängerregierung zu schieben. Das
achen wohl alle gern. Ich muss einmal sagen: Diese
ebatte brauchen wir hier gar nicht zu führen. Liebe So-

ialdemokraten, auch ihr solltet diese Debatte hier nicht
hren, weil auch dann gilt: Wer mit dem Zeigefinger

uf andere Leute zeigt, sollte nie vergessen, dass drei
inger seiner Hand auf ihn selbst zeigen.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Diese Debatte führen wir auch nicht! Wir führen die Debatte, die wir führen wollen, weil was nicht in Ordnung ist! – Renate Künast )





(A) )

Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Peter Friedrich
[Hof] [CDU/CSU]: Lasst euch nicht be-
schimpfen! Wehrt euch!)

Es war Bundeskanzler Schröder, der Mehdorn bei der
Bahn haben wollte. Außerdem wollte er den Börsen-
gang. Die Grünen haben stets gesagt: Die Voraussetzun-
gen für einen Börsengang liegen nicht vor. Wir haben
ihn unter Rot-Grün verhindert.


(Patrick Döring [FDP]: So ist es!)


Die weitere Verschiebung des Börsengangs kam erst mit
der Finanzkrise im Oktober 2008. Da hat die Große
Koalition ihn immer noch gewollt.


(Patrick Döring [FDP]: So ist es!)


Also vergessen wir lieber, was war, und sagen wir
jetzt, wie es möglich ist, dass wir in Zukunft endlich eine
pünktliche und zuverlässige Bahn haben, damit die Men-
schen zur Arbeit kommen, ihre Dinge erledigen können
und die Wirtschaft eine funktionierende Hauptschlag-
ader für ihren Transport hat. Um diesen Blick nach vorne
geht es.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Döring, noch ein Satz zu Ihren Angaben, wie
viel investiert wurde. Sie haben so getan, als sei alles so
wunderbar. Eine Zahl haben Sie vergessen.


(Patrick Döring [FDP]: Ich habe gesagt, dass es mehr wird!)


– Sie haben gesagt, dass es mehr wird; das ist noch keine
Aussage. – Sie hätten auch ehrlich sagen müssen, dass
Gewinne der Netz AG in Höhe von 768 Millionen Euro
nicht im Netz geblieben sind, sondern per Gewinnab-
schöpfung herausgezogen wurden. Dann hat die Deut-
sche Bahn AG Arriva in Großbritannien gekauft. Das
Ergebnis ist: Die DB ist Europachampion beim Busver-
kehr. Überall fahren Busse der Deutschen Bahn, nur in
Deutschland, in Berlin geht nichts. Da schauen die Leute
auf die Gleise und hören und sehen gar nichts. Also,
auch unter dieser Regierung, Herr Döring, wurde die
Fehlentwicklung fortgesetzt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben viele Beispiele genannt, worüber Sie mit
der Bahn sprechen wollen. Ich sage dazu: Allein, mir
fehlt der Glaube. Ich will nicht, dass Sie sprechen, ich
will nicht, dass Sie prüfen, sondern ich will, dass Sie hier
zum Beispiel ganz klar sagen: Wir wollen alles dafür
tun,


(Patrick Döring [FDP]: Was wir wollen, habe ich gesagt!)


dass das Netz unabhängig von der DB wird und in un-
mittelbares Eigentum des Bundes überführt wird, damit
es nicht mehr ausgequetscht wird, sondern zur Basis-
infrastruktur in Deutschland wird. Den Satz suchen wir.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen die Trennung von Netz und Transport,
weil nur dann auf diesem Netz ein guter Wettbewerb mit
einem zuverlässigen Verkehr stattfinden wird. Wie bei

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(C (D en Stromübertragungsnetzen wird es über europäisches echt sowieso zu der Unabhängigkeit kommen. (Patrick Döring [FDP]: Das habe ich ja vorgelesen!)


Sie haben es vorgelesen. – Wir wollen im Rahmen der
aseinsvorsorge auch Wettbewerb auf der Schiene.
enn man mit einem S-Bahn-Betreiber, um ein Beispiel

u nennen, einen Vertrag schließt, der nicht funktioniert,
ann kann man doch nicht sagen, nur eine staatliche Lö-
ung wäre die Ideallösung. Sie brauchen regionale Netze
nd das Eigentum am Netz.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Privatisierung auch nicht!)


Wer in Berlin Zehntausende von Wohnungen verkauft
nd sich danach beklagt, dass es zu wenig Sozialwoh-
ungen gibt, sollte mit uns nicht über Privatisierung re-
en. Wir denken vorher nach. Das ist manchmal ganz
ilfreich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


chauen Sie sich die Situation an: Die Berliner S-Bahn
ehört dem Bund, gefahren ist sie trotzdem nicht. Wa-
m? Weil es einen miserablen Vertrag gibt. Es kommt

uch auf den Vertrag an, den Sie abschließen.


(Florian Pronold [SPD]: Wer hat den gemacht?)


Blöd gefragt, Herr Pronold. Das ist Ihnen so herausge-
tscht. Der rot-rote Senat war es, im Jahr 2002. Ich will
einem Freund Gregor Gysi sagen, was das Buch der
ahrheit sagt: Januar bis August 2002 Bürgermeister

nd Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen in Berlin.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) – Zuruf

des Abg. Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE])

Das war die beste Zeit. Ich hoffe nur für dich, dass du
iesen Vertrag nicht auch noch unterschrieben hast, da
u so tust, als ob du die Weisheit mit Löffeln gefressen
ättest. So viel Zeit muss sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Es war ein miserabler Vertrag, der vom rot-roten Se-
at abgeschlossen wurde. Als dann die Bahn den Vertrag

Sack hatte, hat sie in Heuschreckenart angefangen,
ie S-Bahn im wahrsten Sinne des Wortes auszuquet-
chen. Ich sage Ihnen: Es muss und wird in Zukunft an-
ers sein. Es darf keine Direktvergaben mehr geben.
uch das Bundeskartellamt sagt, dass das nicht geht. Es
eht auch nicht über den Trick, ausländische Töchter zu
ubunternehmern zu machen. Was wir brauchen, ist ein
chtiger Wettbewerb auch im Schienenpersonennahver-
ehr. Die Rechte der Mitarbeiter sind durch den Tarif-
ertrag der Bahnbranche gesichert.


(Florian Pronold [SPD]: Sie haben keine Ahnung von der Praxis!)


Lieber Herr Pronold, es werden viele Mitarbeiter von
en Billigtöchtern der Deutschen Bahn davon pro-





Renate Künast


(A) )


)(B)

fitieren, dass sie endlich ordentliche Löhne bekommen.
Man sieht auch daran, dass das Staatliche nicht immer
hilft.

Wir sagen eines ganz klar: Wir brauchen nicht nur
Prüfaufträge, sondern wir müssen eine neue Bahnpolitik
betreiben. Wir brauchen neue Strukturen und Regeln.
Weg mit der Zwangsdividende, weg mit der internen Ge-
winnabschöpfung! Das Geld muss im Netz bleiben. Netz
und Transport sind zu trennen. Wir brauchen eine Kri-
senprävention. Nur über den Weg kommen wir endlich
dahin, wohin wir müssen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708507700

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.


Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1708507800

Gute Bahnpolitik ist Daseinsvorsorge. Man könnte

fast sagen: Die Menschen haben ein Recht darauf, dass
wir alle uns anstrengen, damit die Bahn pünktlich und
zuverlässig ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Martin Burkert [SPD]: Künast in den Vorstand!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708507900

Das Wort hat nun Bundesminister Peter Ramsauer.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Bei aller Aufgeregtheit möchte ich als Bun-
desverkehrs- und -bauminister zunächst einmal persön-
lich, aber auch im Namen der Bundesregierung all jenen
im Land ganz herzlich danken, die auf den Straßen, bei
der Schiene, auf den Wasserstraßen oder auf den Flughä-
fen bei Wind und Wetter, bei Eis und Schnee Tag und
Nacht Betriebsdienste geleistet haben. Respekt vor der
Leistung dieser Mitarbeiter!


(Beifall bei der CDU/CSU)


– Dafür hätte ich von den Fraktionen, die sich sonst als
Vertreter von Arbeitnehmerinteressen wähnen,


(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Angeblich!)


Beifall erwartet. Dass Sie hier keine Hand zum Beifall
rühren, ist eine Blamage für Sie.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir erkennen die Leistung dieser Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer voller Respekt an.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Wir auch! – Weitere Zurufe von der SPD: Wir auch!)


– Dann könnten Sie diesen Menschen draußen im Lande
den Respekt auch durch einen Beifall bekunden. Sie tun
es nicht.

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(C (D Herr Pronold, jetzt zu Ihrer Rede. Sie sind wirklich in Statistikspezialist. Sie wissen ganz genau: Wenn man ich besonders negative Basismengen herauspickt, dann ann man zu anderen Ergebnissen kommen. Wir haben ns in unserem Bericht auf die repräsentativen Daten der eutschen Bahn verlassen. Dass Sie wirklich ein Statistikspezialist sind, habe ich ergangenen Montag Ihrem Interview in der Süddeutchen Zeitung – Bayern-Ausgabe – entnommen, in dem ie die Wahlprognosen und die Umfragewerte der SPD Bayern interpretiert haben. Sie haben da gesagt – ich itiere: Ich bin überzeugt, dass wir also die SPD Bayern – im Sommer, als es keine Umfrage gab, über 20 Prozent lagen. espekt! Das ist Statistikkunst. Zu den Bahnhöfen. Das hätten Sie besser nicht geagt. Ich habe als Bundesminister damit begonnen, 100 Bahnhöfe in Deutschland umzubauen. Einige undert sind fertig. (Martin Burkert [SPD]: Konjunkturprogramm! Das war Tiefensee!)


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


a wird natürlich Barrierefreiheit hergestellt.

Herr Pronold, Sie geben Presseerklärungen heraus, in
enen Sie von irgendwelchen Maulhelden reden. Dazu
uss ich sagen: Gerade Sie sind berufen, so etwas zu

chreiben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich bin dankbar dafür, lieber Verkehrs- und Bauaus-
chussvorsitzender, Kollege Winfried Hermann, dass ich
orgestern das zehnte Mal im Ausschuss sein durfte. Bei
iesen zehn Besuchen von mir im Ausschuss haben Sie
ein einziges Mal Ihren Mund aufgemacht. Manche aus
rer Fraktion würden sich wünschen, dass Sie wenigs-
ns ein Maulheld wären. Aber Sie sind stumm wie ein
isch. Sie bringen im Ausschuss nicht einmal den Mund
uf, wenn ich da bin. Es ist leider so.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Herr Minister, jetzt mal langsam zur Sache! Ich stelle gleich die Zwischenfrage: Wie ist die Lage bei der Bahn?)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, jetzt
omme ich zu dem Antrag, den Sie zur heutigen Sitzung
orgelegt haben. Der Antrag ist mit den Worten
Deutschland braucht im ganzen Land einen verlässli-
hen und sicheren Schienenverkehr“ überschrieben. Mit
olchen Plattitüden würden wir keinen Antrag in diesem
ohen Hause überschreiben.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Sagen Sie doch mal was zur Sache! – Dr. Anton Hofreiter [BÜND Bundesminister Dr. Peter Ramsauer )





(A) )

NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unglaublich,
was er vorträgt!)

Das ist wohl selbstverständlich. Ich sage Ihnen ganz ehr-
lich: Diesen Antrag stellen Sie 12 oder 13 Jahre zu spät.
Den hätten Sie im Jahr 1998 oder 1999 einbringen sol-
len, als Sie mit Schröder und zusammen mit den Grünen
die Bundesregierung gestellt haben; dann wären viele
der Defizite ausgeblieben, die wir heute zu beklagen ha-
ben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Patrick Döring [FDP])


Einer meiner Vorgänger war Kurt Bodewig. Übrigens
werden Sie mich mit nichts dazu bringen, in irgendeiner
Weise über irgendeinen meiner Vorgänger,


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Sie machen das nur indirekt! Das wissen wir schon!)


sei es auch irgendeiner meiner fünf SPD-Vorgänger, her-
zufallen. Das überlasse ich Ihnen; ich nicht. Ich habe
persönlich Respekt vor allen Vorgängern.

Ich möchte eine Aussage von Kurt Bodewig zitieren.
Er hat am 9. Januar in „Berlin direkt“ im ZDF über die
rot-grüne Verkehrspolitik gesagt:

Eine der gravierendsten Auswirkungen

– dieser Politik in der Retrospektive –

war eigentlich, dass die Investitionsplanung der
Bahn auf Kante genäht worden ist. Man kann das
heute feststellen: Damals wurden die Serviceinter-
valle verlängert, damit die Qualität reduziert und
auch die eigentlich vorzuhaltenden Reservekapazi-
täten wurden verringert. Darunter leidet die Bahn.

Wo Bodewig recht hat, hat er recht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben über alle Fragen im Zusammenhang mit
dem Winter bereits im Ausschuss diskutiert. Ich bedanke
mich noch einmal bei Ihnen, Winfried Hermann, als Vor-
sitzendem des Verkehrsausschusses,


(Zurufe von der SPD: Oh!)


dass Sie meiner schon vor Weihnachten geäußerten Bitte
entsprochen haben, im Ausschuss vortragen und berich-
ten zu dürfen. Zugegebenermaßen ist es nur ein Zwi-
schenbericht, weil wir noch mitten im Winter stehen.
Möglicherweise liegt der dickste Winter noch vor uns.

Obwohl es kalendarisch gesehen noch Herbst war,
war der Dezember ein Wintermonat, und zwar der
strengste seit Jahrzehnten. Man muss daher die Pro-
bleme der Bahn im Vergleich zu denen der anderen Ver-
kehrsträger sehen. In Ihrem Antrag steht ein völlig rich-
tiger Satz:

Die Fluggesellschaften gaben die Empfehlung he-
raus, dass innerdeutsch Reisende möglichst von
vornherein alternative Verkehrsmittel nutzen soll-
ten.

Ja klar, die Bahn hat im großen Stile Ersatzverkehre für
andere Verkehre, auch für den Straßenverkehr, schaffen

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(C (D üssen. Dies musste sie bei extrem schwierigen Wetteredingungen und dazu noch in der Hauptreisezeit zu eihnachten tun. Trotz aller vermeidbaren Beeinträchti ungen bitte ich daher schlicht und einfach um Fairness r die Deutsche Bahn. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch der Abg. Bettina Hagedorn [SPD] und Mechthild Rawert [SPD])


enn bei anderen Verkehrsträgern wird fast selbstver-
tändlich hingenommen, dass Beeinträchtigungen ent-
tehen.

Frau Hendricks, Sie haben von Ihren Erlebnissen mit
er Bahn berichtet. Ähnliche Berichte gibt es natürlich
uch über den Flugverkehr. Was die Pünktlichkeit im
lugverkehr angeht, gibt es ebenfalls katastrophale Zah-
n. Etwa 10 Prozent aller Flüge sind ausgefallen. Bei
en Flügen, die tatsächlich stattgefunden haben, gibt es

Großen und Ganzen wahrscheinlich ähnliche Pünkt-
chkeitsquoten, wie wir sie im Bahnverkehr hatten. Hier
itzen viele, die darüber berichten können.

Ich möchte auch dies in aller Deutlichkeit feststellen:
ngesichts der Widrigkeiten des Winters kann nieman-
em quasi ein Vollkaskoanspruch, also ein Anspruch auf
undertprozentige Verkehrsleistung, gewährt werden.
anchmal wird so getan, als sei dies möglich.

Auch die Straße hatte ihre Probleme. Aber wir haben
ier gut vorgesorgt. Wir haben die Streusalzreserven
anz gezielt aufgebaut. Ich bedanke mich bei allen, die
ier mitgeholfen haben. Gott sei Dank haben wir auch
och rechtzeitig die Winterreifenpflicht eingeführt.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube es nicht!)


uch da hat es ein Kuriosum gegeben. Ausgerechnet
iejenigen, die gegen eine Winterreifenpflicht waren,
aben vor wenigen Wochen eine Verschärfung gefordert.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Was?)


as soll einmal irgendjemand verstehen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708508000

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

ollegin Volkmer von der SPD-Fraktion?

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
au und Stadtentwicklung:
Ja.


Dr. Marlies Volkmer (SPD):
Rede ID: ID1708508100

Ich habe eine ganz kurze Frage. Verfügen Sie als der

uständige Minister über die interne Pannen- und Aus-
llstatistik der Deutschen Bahn?

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
au und Stadtentwicklung:
Ist die Frage zu Ende? Es ist schlecht für einen Frage-

teller, wenn niemand merkt, dass die Frage zu Ende ist.






(A) )


)(B)


Dr. Marlies Volkmer (SPD):
Rede ID: ID1708508200

Ich wiederhole die Frage gerne: Verfügen Sie als der

zuständige Minister über die interne Pannen- und Aus-
fallstatistik der Deutschen Bahn?

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Ich habe vorhin bereits gesagt – darin liegt die Ant-
wort –, dass wir in dem Bericht, den ich im Ausschuss
vorgelegt habe, die Zahlen von der DB AG wie auch die
Zahlen von den anderen Verkehrsträger verwendet ha-
ben. Wenn Sie aber die Zeitintervalle anders gestalten
– damit wird die Grundmenge N verändert; so nennt
man das in der Statistik – und beispielsweise nur den be-
rühmten zweiten Weihnachtsfeiertag zugrunde legen,
dann bekommen Sie natürlich völlig andere Quoten.


(Zurufe von der SPD)


Deswegen heißt es zum Beispiel auch „teilweise unter
70 Prozent“.


(Sören Bartol [SPD]: Ja oder nein? Das ist eine ganz einfache Frage! – Gegenruf von der FDP: Er hat doch gesagt: Ja!)


Unter 70 Prozent umfasst natürlich auch die 20 Prozent,
die wir angeblich am zweiten Weihnachtsfeiertag hatten.
Sie können sich setzen.


Dr. Marlies Volkmer (SPD):
Rede ID: ID1708508300

Haben Sie die oder nicht?

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Ich habe Ihre Frage beantwortet.


(Zurufe von der SPD: Nein!)


Herr Präsident, die Kollegin hat eine Nachfrage.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708508400

Frau Kollegin, wollen Sie eine Nachfrage stellen?


Dr. Marlies Volkmer (SPD):
Rede ID: ID1708508500

Ja.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708508600

Dann bitte schön.


Dr. Marlies Volkmer (SPD):
Rede ID: ID1708508700

Ich habe die Antwort so nicht verstanden. Mich

würde interessieren: Haben Sie die Daten, ja oder nein?

Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:

Wir haben die Daten der Deutschen Bahn AG ver-
wendet, genauso wie wir für den Flugverkehr die Daten
der Fluglinien und der Flughäfen verwendet haben und
die Erkenntnisse aus dem Straßenverkehr.


(Mechthild Rawert [SPD]: Das war das gleiche Ausweichmanöver! – Gegenruf des Abg. Patrick Döring [FDP]: Wieso? Er hat die Da q w te in v m ro S n m m a d S e u D m m n S u ru g E e w G s D D a z s g v M s (C (D ten der Deutschen Bahn! Welche soll er denn sonst nehmen? Sollen wir uns an die Gleise stellen und zählen?)


Wir werden natürlich bei der DB AG mit den Konse-
uenzen genau dort intensiv weiterarbeiten,


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, endlich!)


o ich vom ersten Tag an begonnen habe, als ich Minis-
r wurde. Wir werden intensiv weiter in den Betrieb und
das Netz investieren. Wir müssen in die Vorhaltung

on Kapazitätsreserven investieren. Wir müssen deutlich
ehr für die Instandhaltung und für die Reparatur des
llenden Materials aufwenden. Wir dürfen dieses ganze

ystem nicht auf Verschleiß fahren. Aber ich betone
och einmal: Die Probleme sind nicht von heute auf
orgen abzuarbeiten.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wollen Sie die Probleme abarbeiten?)


Wir arbeiten auch an einer Novellierung des Allge-
einen Eisenbahngesetzes, um endlich einmal die Ver-

ntwortlichkeiten der Hersteller auf der einen Seite und
er Eisenbahninfrastrukturunternehmen auf der anderen
eite klarzustellen. Ich als Bundesverkehrsminister bin
s leid, dass hier die Verantwortlichkeiten ständig hin-
nd hergeschoben werden. Das muss ein Ende haben.
eswegen werden wir in den kommenden Monaten auch
it der entsprechenden Gesetzgebungsinitiative kom-
en.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach du Schande!)


Wir werden auch – die Gespräche dazu haben begon-
en – Schritt für Schritt einen Finanzierungskreislauf
chiene herstellen. Der Bund nimmt seine Verpflichtung
nd Verantwortung wahr, hier für zuverlässige Finanzie-
ngsbedingungen zu sorgen.

Zu der Dividende hat der Kollege Döring hervorra-
end Stellung genommen.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Ist das auch Ihre Meinung?)


s ist etwas Selbstverständliches, dass der Eigentümer
ines Unternehmens dann, wenn ein Unternehmen Ge-
inn erwirtschaftet, auch einen verantwortbaren Teil des
ewinns entnimmt. Das ist eine Selbstverständlichkeit.

Ich sage Ihnen dazu auch noch eines: Die Hauptver-
ammlung hat auf Vorschlag des Aufsichtsrats über die
ividende zu bestimmen. Die Hauptversammlung der
B AG bin ich. Ich werde selbst die Hauptversammlung

bhalten. Ich habe das auch letztes Jahr schon getan, und
war zur absoluten Verwunderung vieler. Ich musste mir
agen lassen, dass keiner meiner letzten fünf Amtsvor-
änger je einmal selbst die Aufgabe und für mich selbst-
erständliche Verpflichtung auf sich genommen hat, als
inister und Verantwortlicher die Hauptversammlung

elbst abzuhalten.





Bundesminister Dr. Peter Ramsauer


(A) )


)(B)


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kommt auf den Inhalt an, und nicht, ob Sie hingegangen sind! Man kann einen Staatssekretär anweisen, was er da zu tun hat!)


Keiner hat sich ordentlich um die Bahn gekümmert. Ich
kümmere mich um dieses Unternehmen und leite selbst
die Hauptversammlung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der LINKEN)


– Da lachen Sie drüber. Sie drücken sich weg, ausge-
rechnet die PDS bzw. die Linke.

Zum Thema Auslandsgeschäft habe ich oft genug
Stellung genommen. So wie wir hier Wettbewerb voran-
treiben, muss es der DB auch möglich sein, im Ausland
tätig zu werden. Wir haben 320 Wettbewerber auf deut-
schen Gleisen, und wenn die DB AG nicht schrumpfen
will, muss sie auf anderen Märkten aktiv sein können.

Lassen Sie uns bitte gemeinsam an einem Strang zie-
hen, wenn wir die Bahnpolitik in Deutschland neu aus-
richten. Es ist ein mühsames Geschäft, aber es lohnt
sich, an diesem Ziel zu arbeiten.

Ich darf noch einmal aus dem SPD-Antrag zitieren.
Hier heißt es:

Die Ursachen … sind das Ergebnis einer verfehlten
Unternehmenspolitik, die sich u. a. von rein be-
triebswirtschaftlichen Renditegesichtspunkten lei-
ten ließ und den eigenen Fuhrpark … auf Ver-
schleiß fuhr. Das rächt sich jetzt, und das nicht in
geringem Maße.

Hier muss ich wirklich sagen: Dass Sie von der SPD
mir ausgerechnet all die Probleme vorwerfen, die ich
nach gut einem Jahr Amtszeit von fünf SPD-Amtsvor-
gängern in elf Amtsjahren geerbt habe, ist schon ein star-
kes Stück.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dennoch wünsche ich Ihnen jetzt eine schnee- und eis-
freie pünktliche Heimreise und ein schönes Wochen-
ende.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708508800

Das Wort hat nun Uwe Beckmeyer für die SPD-Frak-

tion.


(Beifall bei der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass er beim Abgang nicht „prost“ gesagt hat, war das Einzige, was mir fehlte!)



Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1708508900

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Herr Minister, wir werden heute Nachmittag noch
arbeiten; das muss man hier einmal festhalten.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ob wir nach Hause fahren, sagt sowieso der Präsident!)


aben Sie hier nun als Hauptversammlung oder als
inister gesprochen? – Also als Minister.

An dieser Stelle will ich für die sozialdemokratische
raktion als Erstes sagen, dass wir hier kein Bahn-
ashing vorhaben; wir wollen die Mitarbeiterinnen und
itarbeiter nicht in irgendeiner Form herabwürdigen.

ie haben einen guten Job gemacht; daran ist überhaupt
icht zu deuteln.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


ie haben in Eis und Schnee versucht, mit besonderen
äumkommandos das ganze Ding am Laufen zu halten.
ier Tote hatte die Deutsche Bahn in diesem Winter zu
eklagen. Man muss sich einmal vorstellen, was da ab-
egangen ist!

Die Frage ist nur: Musste das alles wirklich so sein,
t das, was wir da vorgefunden haben, gottgegeben oder
B-gegeben? Ich sage auch selbstkritisch Nein. Wenn
ie DB Netz AG seit 2007 exorbitante Gewinne gemacht
at, die ganze Zeit vorher aber keine, dann ist doch die
rage zu stellen, wie es dazu kam. Hat dies dieselbe Ur-
ache wie bei der S-Bahn Berlin in den letzten Jahren,
ei der jemand gesagt hat, sie habe Gewinne zu machen,
s müssten Gewinne organisiert werden, die draußen für
as Windowdressing gebraucht würden, weil man
chließlich an die Börse wolle. Diese Frage müssen wir
ns doch alle stellen. Meine Antwort ist: Ich habe die
ermutung, dass dies ursächlich der Fall war. Anders
ann nicht plötzlich ein Gewinn von 763 Millionen Euro
nerhalb von drei Jahren herauskommen, wenn vorher
erluste gefahren wurden.

Was ist denn ein Gewinn? Das ist der Unterschied
wischen Aufwand und Ertrag. Sind denn die Trassen-
reise exorbitant gestiegen? Nein, der Aufwand ist in
iesen Jahren deutlich gesunken. Das bedeutet, dass dort
ie Dinge vernachlässigt worden sind, deren Folgen wir
urzeit erleben. Das muss geändert werden.


(Beifall bei der SPD)


Darum ist all das, was jetzt erzählt wird, Herr Döring,
ass wir nämlich die entsprechenden Gewinne der
etz AG demnächst investieren wollten, falsch. Wenn

ie beim Netz einen guten Job machen, dann haben die
aum Gewinne, weil der Aufwand, den sie für die Unter-
altung dieses Netzes betreiben müssen, deutlich höher
ein muss, als es in der Vergangenheit der Fall war.


(Beifall bei der SPD)


arum haben wir im Jahr 2010 in diesem Bereich auch
ur noch 200 Millionen Euro Gewinn. Da ist plötzlich
mand aufgewacht; da hat ein Technikvorstand, ein
euer Vorstand der DB AG, gesagt: Oh Gott, wir haben
inen Winter gehabt, wir müssen in Weichenheizungen
nd andere Sachen investieren.


(Zurufe des Abg. Patrick Döring [FDP])






Uwe Beckmeyer


(A) )


)(B)

– Hören Sie zu! Es gibt noch ein paar andere Leute im
Deutschen Bundestag, die von Wirtschaft eine Ahnung
haben.


(Beifall bei der SPD – Patrick Döring [FDP]: Sie müssen die Bilanz schon richtig vortragen!)


An dieser Stelle will ich deutlich sagen: Es ist objek-
tiv falsch, zu glauben, dass Sie mit diesem Winkeltrick
dem deutschen Volk weismachen können, es würde der
Bahn helfen, wenn sie ihren Finanzkreislauf in irgendei-
ner Form dazu brächte, das zu organisieren, was Sie zu-
sätzlich brauchen. Sie versuchen auf diese Art und
Weise, die Diskussion mit dem Minister nicht auf dem
Feld zu führen, das da heißt, die Zwangsdividende zu
vermeiden. Sie wollen die Zwangsdividende herauszie-
hen: eine halbe Milliarde pro Jahr, 2 Milliarden inner-
halb von vier Jahren, verordnet durch Bundeskabinetts-
beschluss. Der Minister knallt die Hacken zusammen
und sagt: Jawohl, Herr Schäuble, ich mache das mit. Das
ist falsch. Ein Bundesverkehrsminister darf das nicht
mitmachen.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Wenn er etwas von der Bahn versteht, dann weiß er, dass
dort jeder Euro und jeder Cent benötigt wird, um das De-
saster, das wir im Sommer und im Winter erlebt haben,
für die Zukunft auszuschließen.

Ich rede über die Zukunft, weil die Erfahrungen aus
der Vergangenheit uns doch lehren müssen, dass wir
mehr in das rollende Gerät und in die Infrastruktur inves-
tieren müssen. An dieser Stelle sage ich auch: Wenn die
DB AG der Meinung ist, dass sie weiter Gewinne macht,
wie Sie es hier für den Konzern insgesamt dargestellt ha-
ben, dann frage ich Sie als einen, der für die Koalition
politisch verantwortlich ist: Wie ist denn das Netz der
DB AG in den nächsten Jahren gestaltet? Wird es weiter
nur ein Kernnetz sein? Muss die DB nicht weiter in die
Fläche gehen? Gibt es nicht die Verantwortung, auch
dort mehr in rollendes Gerät zu investieren? Es gibt
Großstädte in Deutschland, die vom IC-Verkehr der DB
AG nicht mehr angefahren werden.


(Patrick Döring [FDP]: Das ist aber Fernverkehr!)


Interregioverkehre gibt es nicht mehr, IC-Verkehre auch
nicht. Es wird nur noch der Regionalverkehr betrieben,
der von den Ländern bestellt wird. Das geht nicht. Wir
brauchen einen Fernverkehr, der in der Fläche vertreten
ist. Darum muss man bei der DB AG zukünftig nicht im-
mer nur auf den Gewinn achten, sondern auch auf die
Versorgung, die notwendigerweise in ganz Deutschland
erbracht werden muss.

Ich komme zu dem, was der Minister letztendlich zu
verantworten hat. Schauen Sie mal in Art. 87 e des
Grundgesetzes.


(Patrick Döring [FDP]: Sie aber auch!)


Der Artikel besagt eindeutig, dass wir alle in Deutsch-
land etwas von der Bahn zu erwarten haben. Herr Minis-

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(C (D r, ich bin schon der Meinung, dass Sie hier eine große erantwortung tragen. Sie sollten nicht immer nur dauf hinweisen, was in den letzten Jahren passiert ist. Sie ind seit Oktober 2009 Minister. Vorher waren Sie Voritzender der CSU-Landesgruppe hier im Bundestag und aren bei den Koalitionsverhandlungen jeweils dabei. ie sitzen also seit sechs Jahren als Verantwortlicher am oalitionstisch. Insofern tragen Sie schon die Verantortung dafür, dass der Bund gemäß Art. 87 e Grundge etz „gewährleistet, dass dem Wohl der Allgemeinheit, sbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau nd Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des undes sowie bei deren Verkehrsangeboten … Rechung getragen wird“. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie diesem Sinne handeln. Sie sollten nicht nur vorgeben, ermeintlich etwas zu tun. Ich stelle bei Ihnen immer wieder etwas Besonderes st – ich möchte nicht sagen, dass ich es bewundere –: ie versuchen, der deutschen Öffentlichkeit etwas zu erkaufen, was am Ende falsch ist. Man hat den Einruck, dass Sie wissentlich etwas stehen lassen, was obktiv falsch dargestellt worden ist. Sie bedauern zwar Ausschuss, dass es die Zeitungen nicht so ganz sau er rübergebracht haben. Man konnte aber überall, in der ild-Zeitung, im Focus und im Tagesspiegel, lesen, dass eues Geld in Höhe von 2,2 Milliarden Euro in die Beeitigung der Schlaglöcher in Deutschland gesteckt weren soll. Wir stellen aber fest: Es ist gar kein neues Geld; s ist das alte Geld für die Straßenunterhaltung. Es wurde auch gesagt, dass 3,6 Milliarden Euro in die ahn investiert werden, unter anderem in rollendes Get. Da wird hart an der Wirklichkeit vorbei argumenert, nach der Melodie: „Oh, ist das neues Geld?“ Wer avon nichts weiß, der glaubt das; aber es ist immer lsch, ein Betrug, an der Wirklichkeit vorbei. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


eswegen sage ich an dieser Stelle deutlich: Die halbe
illiarde, über die wir heute unter anderem reden, muss

ringend im Konzern bleiben.

Jetzt ein Wort zur Frage der Struktur, die Sie damit
erbunden haben. Ich habe hier gelernt – Herr Vaatz hat
s schon für seine Fraktion erklärt –: Es geht um die
rennung von Netz und Betrieb. Der eine will es noch
rüfen, der andere hat es schon für sich entschieden. Es
undert mich, dass auch die Grünen in diese Richtung
ehen. Was heißt das eigentlich?


(Bettina Hagedorn [SPD]: Ja, das hat mich auch gewundert!)


ie Trennung von Netz und Betrieb bedeutet: Man geht
ber das hinaus, was das Erste, Zweite und Dritte euro-
äische Eisenbahnpaket gefordert haben. Wir sind der
einung, dass wir die Vorgaben der Eisenbahnpakete
it der Einlassung der sogenannten Chinese Wall erfüllt

aben.


(Patrick Döring [FDP]: Das sieht der Kommissar anders!)






Uwe Beckmeyer


(A) )


)(B)

Am Ende zerlegt man mit der Trennung von Netz und
Betrieb den Konzern. Sie werden den Konzern zerlegen
und damit den integrierten Konzern DB AG zerstören.


(Patrick Döring [FDP]: Nein! Es gibt keinen integrierten Konzern! Quatsch!)


Damit zerstören Sie den konzerninternen Arbeitsmarkt
komplett und bereiten bei den Eisenbahnverkehrsunter-
nehmen im Grunde potenziell die Privatisierung vor.


(Patrick Döring [FDP]: Auch Quatsch!)


Das wissen Sie ganz genau, denn Sie haben sich jahre-
lang mit der Frage beschäftigt. Jetzt kommen Sie hinten
durch die Drehtür mit einem solchen Vorschlag nach
vorne, um uns das Thema auf andere, vermeintlich ele-
gante Weise erneut zu präsentieren. Ich sage: Das ist der
falsche Weg.

Wir Sozialdemokraten wollen einen integrierten Kon-
zern,


(Beifall bei der SPD)


der Geld verdient, aber auch investiert, der seine Ge-
winne möglichst im Konzern behält.

Herr Minister Ramsauer, dass der ICE nach London
fährt, wo Sie ihn schon gestreichelt haben, muss doch
nicht sein, oder? Ich finde, bevor wir mit dem ICE nach
London fahren, sollten wir erst einmal in Deutschland
die ICE-Flotte so einsetzen, dass sie deutschlandweit
breit läuft. Ich glaube, das ist nötig und muss hier auch
gesagt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein allerletzter Gedanke. Wir haben hier in Deutsch-
land eines nötig: einen Minister, der sich einsetzt für In-
frastrukturfinanzierung, für neue Ideen, für ein Pro-
gramm, mit dem Deutschland fit gemacht wird in der
Infrastruktur, auf der Schiene, auf der Straße, auf der
Wasserstraße. Wir brauchen keinen Stillstandsminister.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708509000

Das Wort hat nun Claudia Winterstein für die FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1708509100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! In der Tat, in diesem Winter wurde die Bahn
kräftig von den Wetterverhältnissen getroffen, und das
sorgte für heftigen Gesprächsstoff. Zugausfälle, Verspä-
tungen, defekte Heizungen, überfüllte Züge zerrten an
den Nerven der Fahrgäste – Frau Hendricks hat hier ei-
nen ausführlichen Erlebnisbericht vorgetragen –, und der
Winter ist noch lange nicht vorbei. Dennoch haben wir
wegen des ganzen Bahnchaos eines erreicht: Wir haben
hier ein Thema auf der Tagesordnung, das von den Vor-
gängerregierungen immer gemieden wurde. Es geht um

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(C (D trukturelle Probleme bei der Bahn, um die strategische usrichtung des Konzerns und um die Finanzierung un erer Schieneninfrastruktur. Das grundsätzliche Problem des Konzerns ist die Inestitionspolitik. Statt die Gewinne aus dem Schienenetz wieder in die heimische Infrastruktur zu investieren, eht die Bahn mit dem Geld lieber weltweit auf Einaufstour. Von Schanghai über Schweden bis England, insgesamt 136 Ländern ist die Bahn mittlerweile akv. Im letzten Sommer wurden 2,8 Milliarden Euro für as britische Verkehrsunternehmen Arriva ausgegeben; as ist der teuerste Zukauf in der Bahn-Geschichte. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von der schwarz-gelben Bundesregierung abgesegnet! Das ist ja grotesk! – Florian Pronold [SPD]: Und Herr Döring sitzt im Aufsichtsrat!)


eine Damen und Herren, wer so sorglos mit dem Geld,
as im deutschen Netz erwirtschaftet wurde, umgeht, der
ollte nicht jammern, dass ihm dann die Mittel für Inves-
tionen in ebendieses Netz fehlen.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist grotesk! – Florian Pronold [SPD]: Wer sitzt denn im Aufsichtsrat?)


Wer finanziert das Schienennetz, aus dem die Bahn
re Gewinne abschöpft? Es ist der Bund, also der Steu-

rzahler, der jährlich fast 4 Milliarden Euro für Investi-
onen zur Verfügung stellt.


(Florian Pronold [SPD]: Warum schicken Sie dann Herrn Döring dorthin?)


afür können wir auch erwarten, dass sich die Bahn zu-
llererst um den Heimatmarkt kümmert, statt rund um
en Globus als Global Player zu agieren.

Vor diesem Hintergrund ist es übrigens auch absurd,
enn jetzt versucht wird, dem Bund die Schuld für das
interchaos bei der Bahn in die Schuhe zu schieben,
eil er aus den Gewinnen der Bahn AG eine Dividende
on 500 Millionen Euro als Teil des Sparpakets erhält.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708509200

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

ollegen Hofreiter?


Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1708509300

Nein, ich möchte gern fortfahren. – Es ist ja auch

ichts Ungewöhnliches, wenn der Eigentümer eines Un-
rnehmens, das im vergangenen Jahr einen Gewinn von
,75 Milliarden Euro erzielt hat, eine Beteiligung an die-
em Gewinn einfordert. Weil der Bund der einzige Ak-
onär der Bahn AG ist, steht ihm natürlich eine Divi-
ende zu – das ist schon gesagt worden –, zumal er in
ieses Unternehmen viel Geld investiert. Insgesamt
das muss man einmal deutlich sagen – sind es über

0 Milliarden Euro pro Jahr, wenn man Investitions- und
egionalisierungsmittel zusammenrechnet. Die Haupt-
ersammlung, also die Bundesregierung, hat die Höhe
er Dividende auf 500 Millionen Euro jährlich festge-
gt. Der Bund fordert die Dividende ja nicht als Selbst-





Dr. Claudia Winterstein


(A) )


)(B)

zweck ein. Die Abführung der Dividende dient einem
zentralen politischen Ziel, das die Koalitionsfraktionen
in den Mittelpunkt ihrer Politik gestellt haben, nämlich
dem Abbau der massiven Staatsverschuldung,


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das kann man auch anders hinkriegen!)


um die Stabilität unseres Landes zu gewährleisten und
zukünftige Generationen zu entlasten. Das sage ich na-
türlich auch als Haushaltspolitikerin.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Regeln Sie doch erst mal die Hotelsteuer!)


Manchmal habe ich den Eindruck, dass viele Politiker
die Wichtigkeit der Haushaltskonsolidierung in Sonn-
tagsreden gerne betonen, dieses Ziel aber, wenn es kon-
kret wird, doch als nachrangig betrachten.


(Bettina Hagedorn [SPD]: So ein Quatsch!)


Diese Koalition will den Abbau der Staatsverschuldung
vorantreiben. Um die im Grundgesetz verankerte Schul-
denbremse einhalten zu können, haben wir das Sparpa-
ket beschlossen. Daher verbietet es sich, dieses Sparpa-
ket an einzelnen Stellen aufzuschnüren.

Das Thema Sparen ist kein Tick von uns Haushalts-
politikern. Das Problem der öffentlichen Verschuldung
treibt auch die Menschen im Land um. In einer Forsa-
Umfrage vom November 2010 wurde gefragt, wovor die
Menschen die größte Furcht haben.


(Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Vor der FDP!)


61 Prozent gaben an, dass sie große oder sehr große
Furcht davor haben, die Staatsschulden könnten ins Im-
mense steigen. Dieses Thema wurde als Problem Num-
mer eins genannt, noch vor der Furcht vor dem Verlust
des Arbeitsplatzes und der Furcht vor Altersarmut.

Wir erreichen bei der Bahn keine Verbesserungen, in-
dem wir einfach mehr Geld in ein falsch konstruiertes
System stecken, was die Opposition in ihren Anträgen
fordert. Im Gegenteil: Dadurch würden die Fehler im
Endeffekt nur verfestigt.


(Beifall bei der FDP)


Wir können nur dann in die Schiene investieren, wenn
wir strukturelle Reformen bei der Bahn vornehmen.
Dazu gehört zuallererst die Aufhebung der Gewinnab-
führung der DB Netz AG an die Bahn Holding. Ge-
winne, die im Netz erwirtschaftet werden, müssen dort
verbleiben. Das ist eine alte FDP-Forderung, die nun
endlich erfüllt wird.

Im vergangenen Jahr zum Beispiel hätten wir so
800 Millionen Euro zusätzlich investieren können. Diese
Investitionen sind möglich, ohne auf eine Dividende ver-
zichten zu müssen. Das zeigt ein Blick auf die Zahlen
der Bahn. 2010 hat der Konzern einen Gewinn von
1,75 Milliarden Euro erwirtschaftet. Bis 2015 – das ist
schon angesprochen worden – sollen es nach Unterneh-
mensplanungen über 3 Milliarden Euro werden. Ich
denke, das bietet genug Spielraum für die Zahlung der
Dividende an den Bund.

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(C (D So vereinen wir zwei wichtige politische Ziele: Wir erringern die Staatsverschuldung und stärken gleichzeig die Infrastruktur der Bahn. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Sie quetschen die Bahn weiter aus und wollen das Geld auch noch für sich einnehmen! Das ist die Ursache dafür, dass es bei der Bahn so schlecht läuft!)


h sage Ihnen eines: Der nächste Schnee kommt be-
timmt, vielleicht schon morgen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708509400

Das Wort hat nun Sabine Leidig für die Fraktion Die

inke.


(Beifall bei der LINKEN)



Sabine Leidig (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708509500

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

h habe mich in den letzten Wochen ziemlich darüber
ewundert, dass aus allen Richtungen die Unterneh-
enspolitik der Bahn beklagt worden ist. Sie ist falsch,
eil sie kurzfristig und auf die Bilanz des Konzerns kon-

entriert ist und weil die Bahn auf Verschleiß fährt. Ich
in froh, dass wenigstens Herr Beckmeyer, wenn auch
ls Einziger derjenigen, die hier geredet haben, zumin-
est im Ansatz Selbstkritik geübt hat. Das finde ich
lasse.


(Gustav Herzog [SPD]: Das war ehrlich und überzeugend!)


s war tatsächlich die Große Koalition aus Grünen,
PD, CDU/CSU und FDP, die den Börsengang der Bahn
ewollt und bestimmt hat.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Gregor Gysi in Berlin!)


Diesen Privatisierungskurs hat Gregor Gysi nicht mit-
emacht.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir auch nicht! Auch wenn ihr Verfolgungswahn habt!)


ie Linken waren die Einzigen, die von Anfang an ge-
en diesen Kurs waren.


(Beifall bei der LINKEN)


rau Künast, das ist einer der Gründe, warum ich als At-
c-Bundesgeschäftsführerin für die Linken kandidiert
abe und nicht für eine andere Partei. Die Linke hat eine
indeutige und klare Fokussierung auf das Gemeinwohl.


(Beifall bei der LINKEN – Florian Pronold [SPD]: Immer an die eigene Propaganda glauben!)


Die rot-grüne Bundesregierung hat im April 2005
ine Studie in Auftrag gegeben – das ist ein umfangrei-
hes Werk mit 560 Seiten geworden –, das PRIMON-
utachten. PRIMON ist die Abkürzung für „Privatisie-





Sabine Leidig


(A) )


)(B)

rungsvarianten mit und ohne Netz“. Darin ist überhaupt
nicht untersucht worden, ob man die Bahn in öffentli-
cher Hand weiterentwickeln kann. Das wäre doch eine
interessante Frage gewesen. Sie haben gesagt: Privatisie-
rung auf jeden Fall. Die Grünen haben, nachdem die
Große Koalition den Beschluss, die Bahn an die Börse
zu bringen, weiter vorangetrieben hat, sogar aus der Op-
position heraus gefordert, dieses Vorhaben nicht aufzu-
geben. Ich habe eine Broschüre gefunden: das Wachs-
tum-Schiene-Modell. Darin werden SPD und Union
aufgefordert, am vorgesehenen Zeitplan festzuhalten, die
Entscheidung über den Börsengang nicht zu verschieben
und nicht den Experten zu folgen, die einen Börsengang
gänzlich ablehnen.


(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Im Kommunismus fährt die Bahn besser! Ich weiß!)


Das war im Januar 2007. Verantwortet wurde die Bro-
schüre von Fritz Kuhn und Winfried Hermann.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben Sie wohl selber gedruckt bei der Rosa-Luxemburg-Druckerei! – Gegenruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist ja nicht zu fassen!)


Winfried, ich muss sagen: Ich finde es toll, wenn ihr
eine andere Position einnehmt.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Stimmt ja gar nicht!)


Aber wenn ihr in eurem Antrag schreibt, dass die Grü-
nen die verfehlte Bahnpolitik, den Konzern an die Börse
zu bringen, immer massiv bekämpft haben – so steht es
dort –, dann ist das zumindest nicht ganz richtig. Das
muss man einmal sagen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN], an die SPD gewandt: Das kann ja wohl nicht wahr sein! Ihr, die ihr immer zu uns gesagt habt, wir sollen das gegen euren Schröder erkämpfen, klatscht jetzt? Und früher kamt ihr immer weinend zu uns! Ich glaube es nicht! – Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Genau! Lassen Sie sich nichts gefallen, Frau Künast! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


– Frau Künast, hören Sie mir einmal zu. Es gibt in dieser
Welt nämlich noch etwas anderes als Bundestagspar-
teien.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich muss nicht zuhören! Ich muss nur hier sitzen!)


Die Bevölkerung der Bundesrepublik engagiert und
organisiert sich um politische Fragen herum. Wir haben
mit der Kampagne „Bahn für Alle“, die wir 2005 auf die
Beine gestellt haben, eine sehr breite Bewegung initiiert.
Ihr hat sich eine ganze Reihe von Organisationen ange-
schlossen, die gegen die Privatisierung, gegen den Bör-
sengang der Bahn auf die Straße gegangen sind, Aktio-

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(C (D en durchgeführt haben und ans Parlament herangetreten ind: von verschiedenen Experten, dem BUND und obin Wood bis hin zu Verdi und der IG Metall – ein irklich breites demokratisches Spektrum. Eine deutli he Mehrheit der Bevölkerung ist seit vielen Jahren dar, dass die Bahn komplett in öffentlicher Hand bleibt; März 2008 waren es nach einer repräsentativen Um age 70 Prozent. Übrigens ist auch die Mehrheit der Anänger aller Parteien gegen jedes Privatisierungsmodell. h finde, dass das Parlament daraus endlich Konsequen en ziehen und die Bahnpolitik auf einen anderen, auf eien demokratischen Kurs bringen muss. Ich will drei Punkte skizzieren, die für diesen anden, demokratischen Kurs der Bahn aus meiner Sicht otwendig sind. Der erste Punkt ist, dass die Bahn anderes Spitzenperonal braucht. (Beifall der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


(Beifall bei der LINKEN)


h will damit nicht die Qualifikation von Herrn Grube
nzweifeln. Aber ich will Ihnen Folgendes sagen: Heut-
utage schimpfen alle über Herrn Mehdorn, der im
rühjahr 2009 nach einer ganzen Reihe wirklich drama-
scher und skandalöser Aktivitäten als Bahnchef abge-
st worden ist. Als Bundeskanzler Schröder diesen
ann aus der Flugzeugindustrie im Jahr 2000 angeheu-

rt hat, war die Zustimmung in diesem Haus aber groß.
uch als Herr Mehdorn 2006 verkündet hat: „Unser
arkt ist die Welt“ und: „Ich kann mir gut vorstellen,

ass wir in Zukunft auch Flugzeuge betreiben“, haben
ie überhaupt nicht gezuckt.

Nun ist es nicht so weit gekommen, dass die Bahn
lugzeuge betreibt. Aber ich erinnere daran, dass im
ezember 2002 versucht wurde, ein Preissystem einzu-
hren, bei dem man Zugfahrten wie einen Flug vorab

ätte buchen müssen. Das hat Hunderttausende Bahn-
unden verschreckt. Die Abstimmung mit den Füßen hat
azu geführt, dass dieses Konzept in die Tonne getreten
urde. Ich frage Sie: Warum wird an dieser Stelle nicht

in ganz anderer Weg gegangen? Warum fragt man nicht
infach die Kunden, wie ein vernünftiges Bahnpreissys-
m gestaltet werden soll? Das wissen die Kundinnen
nd Kunden der Bahn doch am allerbesten.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich glaube, der Vorstand der Bahn hat kein einziges
itglied mehr, das gelernter Eisenbahner ist. Aber es

ibt dort jede Menge Manager aus der Flugzeug-, der
uto- und der Rüstungsindustrie. Das finde ich bedenk-
ch. Ich kenne bei der Bahn, aber auch in vielen anderen
dustriebetrieben und in Verwaltungen jede Menge qua-

fizierter Beschäftigter, die sehr darunter leiden, dass
anagementkonzepte von oben nach unten diktiert wer-

en, Stichwort Global-Player-Vorgaben. Die Arbeit wird
adurch nämlich nicht verbessert, und die Erfahrungen,
ie Kompetenzen und das Fachwissen der Leute werden
icht berücksichtigt.





Sabine Leidig


(A) )


)(B)

Zweiter Punkt auf dem Weg zur Börsenbahn: Die
Auslandszukäufe müssen aufhören. Noch im letzten Jahr
ist Arriva mit Zustimmung der Bundesregierung für
2,7 Milliarden Euro gekauft worden; das ist noch nicht
so lange her. Herr Döring, ich bin froh, dass es in dieser
Frage auch bei Ihnen Ansätze eines Umdenkens gibt;
schließlich sitzen Sie im Aufsichtsrat der Deutschen
Bahn.


(Florian Pronold [SPD]: Das wurde ja auch zu Recht kritisiert!)


Auch die kontraproduktiven Großprojekte müssen über-
dacht und beendet werden.


(Patrick Döring [FDP]: Ja, ja! Das zahlt ja der Steuerzahler!)


Für diese beiden Bereiche wird jedes Jahr insgesamt
mehr Geld ausgegeben als für die gesamte Infrastruktur
in der Fläche.

Drittens. Die Pläne zur Privatisierung mit und ohne
Netz müssen endlich ad acta gelegt werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Bahn kann als gemeinwohlorientiertes Unternehmen
gut entwickelt werden; das ist ja nicht utopisch. Wenn
man sich hierzulande einmal umguckt, dann sieht man
Modelle, wie es funktionieren kann. Ich möchte als Bei-
spiel die Region Karlsruhe nennen. Die Karlsruher Ver-
kehrsbetriebe sind ein großes Unternehmen. Zusammen
mit Heilbronn und Pforzheim wird auf einer großen Flä-
che Taktverkehr organisiert. 20 Unternehmen arbeiten in
Kooperation miteinander, nicht in Konkurrenz; das
würde nämlich nicht funktionieren.

Gehen Sie einmal nach England, Frau Künast. Ich
würde Ihnen wirklich empfehlen, einmal von Cambridge
zum Flughafen London zu fahren. Da fahren Sie mit drei
verschiedenen Verkehrsgesellschaften.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst mal brauche ich eine Bahn, die mich da hinfährt!)


Es gibt drei verschiedene Tarifsysteme, drei verschie-
dene Auskunftssysteme. Das ist ein Flickenteppich. Das
Chaos in England ist noch viel größer als bei uns. Die
Kunden sind noch unzufriedener, weil es eben kein Sys-
tem in einer Hand gibt.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708509600

Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen.


Sabine Leidig (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708509700

Das ist schade; denn ich hätte gern noch etwas zum

Schuldenstand gesagt.

Nur eine Bemerkung: 1994 sind die Schulden der
Bahn sozusagen auf null gestellt worden; inzwischen hat
die DB AG 15 Milliarden Euro Schulden. Das Schienen-
system in Europa, das mit den wenigsten Zuschüssen
auskommt, ist das Schienensystem der Schweiz. Auch
das kann man in dem PRIMON-Gutachten nachlesen.

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(C (D Frau Kollegin, bitte nicht noch eine Bemerkung. Sie ind schon weit über Ihrer Redezeit. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mehr Gerechtigkeit bei der Redezeit!)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708509800


Sabine Leidig (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708509900

Mein Schlusssatz: Es geht weder um eine bürokrati-

che Behördenbahn noch um eine Börsenbahn. Wir
rauchen etwas anderes, etwas Neues.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708510000

Frau Kollegin!


Sabine Leidig (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708510100

Es geht darum, eine demokratische Bürgerbahn aufs

leis zu setzen.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708510200

Das Wort hat nun Kollege Anton Hofreiter für die

raktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Frau Leidig, es tut mir leid; aber ich muss auf
ren Beitrag eingehen. Das Problem bei Ihrer Darstel-
ng ist, dass Sie offensichtlich nicht wissen, worum es

ich bei der DB AG handelt. Ihre Aussage, dass die DB
G keine Flugzeuge habe, ist natürlich grotesk.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


ir als Bundesrepublik Deutschland sind mit BAX Glo-
al der zweitgrößte Luftfrachtlogistiker der USA, und
ie sagen, Sie wollten nichts privatisieren. Wollen Sie
enn die Luftfrachtlogistik in der USA als Behörde orga-
isieren?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Patrick Döring [FDP] – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Als deutsche Behörde!)


erfen Sie uns vor, dass wir schon damals diese interna-
onalen Abenteuer, die nichts mit der Bundesrepublik
eutschland, nichts mit dem Steuerzahler zu tun haben,

bstoßen wollten? – Entschuldigen Sie, das ist grotesk.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Vorstellung der Bundesregierung war allerdings
uch interessant. Wir haben hier einen Minister, der lobt.
ir haben einen Minister, der sich freut. Wir haben ei-

en Minister, der ermahnt. Wir haben Koalitionäre, die
rüfen wollen. – Geprüft wurde lange genug, ermahnt
uch; freundliche Worte sind viele gefallen. Es ist end-
ch an der Zeit, dass im Bereich der Bahn gehandelt
ird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)






Dr. Anton Hofreiter


(A) )


)(B)

Manchmal könnte man meinen, Sie wären an dieser
Regierung bzw. an dieser Koalition gar nicht beteiligt.
Sie freuen sich darüber, dass es bei der Bahn mal besser,
mal schlechter geht. Aber wer ist denn der Eigentümer
der Bahn? Das ist zu 100 Prozent die Bundesrepublik.
Da hilft es uns nichts, wenn Herr Ramsauer stolz erklärt,
dass er sich auf der Hauptversammlung in einem intensi-
ven Selbstgespräch befindet.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Teilweise wurde sogar gehandelt. Das Problem ist,
dass nichts Vernünftiges dabei herausgekommen ist. Die
Mauteinnahmen, die unter Rot-Grün im Rahmen einer
integrierten Verkehrspolitik allen drei Verkehrsträgern
zur Verfügung gestellt worden sind, werden jetzt allein
der Straße zur Verfügung gestellt.


(Patrick Döring [FDP]: Richtigerweise! Sehr gut!)


Das war die erste Handlung.

Ich komme zur nächsten Handlung und damit zu dem
völlig grotesken Vortrag von Frau Winterstein, die in
massive Opposition zu sich selbst getreten ist; denn Sie
hat wortreich beklagt, dass Arriva von der DB AG ge-
kauft worden ist. Es stellt sich die Frage: Wann ist Ar-
riva gekauft worden? Es war im letzten Jahr. Erinnern
Sie sich, wer letztes Jahr regiert hat? Ich glaube, es war
eine schwarz-gelbe Koalition.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Aber vielleicht waren Sie damals noch nicht an dieser
Koalition beteiligt. Man konnte den Eindruck gewinnen,
dass Sie nur mit sich selbst beschäftigt waren. – Frau
Winterstein tritt also in Opposition zu sich selbst.


(Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Zur Bundesregierung!)


– Ah, die Bundesregierung hat mit Ihnen nichts zu tun.
Das ist tröstlich.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Uwe Beckmeyer [SPD]: Guido allein zu Haus!)


Was war die nächste Handlung? Die nächste Hand-
lung war, dass man von der Bahn eine Zwangsdividende
von 500 Millionen Euro im Jahr verlangt hat. Nun ja, die
Bahn bekommt 3,6 bis 3,9 Milliarden Euro pro Jahr
– das ist von Jahr zu Jahr etwas unterschiedlich – aus
dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt.


(Patrick Döring [FDP]: Viel mehr!)


Neben diesen Haushaltsmitteln gibt es noch etwa
7 Milliarden Euro an Regionalisierungsmitteln. Man
hätte natürlich auch ehrlich sein und sagen können: Wir
sind nicht in der Lage, die Bahn weiter vernünftig zu fi-
nanzieren, also kürzen wir etwas. Dann wäre es aber für
jeden offensichtlich gewesen. Was hat man stattdessen
gemacht? Man hat „rechte Tasche, linke Tasche“ ge-

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(C (D pielt. Zuerst geben Sie ihr fast 4 Milliarden Euro, und ann nehmen Sie ihr davon wieder 500 Millionen Euro eg. Das ist eine unehrliche, verschleiernde Politik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Dividende aus dem internationalen Geschäft!)


Was ist jetzt am dringendsten nötig, nachdem die
ahn-Maut abgeschafft wurde, eine Zwangsdividende
on 500 Millionen Euro gezahlt wurde und 2,7 Milliar-
en Euro an Eigenmitteln der Bahn verschleudert wor-
en sind, um Marktführer in Großbritannien beim Bus-
erkehr zu werden?


(Patrick Döring [FDP]: Anleihe aufgenommen!)


Als erster Schritt sind die Gewinnabführungs- und
eherrschungsverträge aufzuheben.


(Patrick Döring [FDP]: Ich habe doch gesagt, dass wir das prüfen!)


ie Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge ha-
en durchaus etwas mit der Qualität dieses Netzes zu
n;


(Patrick Döring [FDP]: Richtig!)


enn wenn die DB Netz AG „ausgepresst“ wird, diese
elder in die Holding fließen und die Holding interna-
onale Abenteuer eingeht, dann steht das Geld nicht
ehr für Reinvestitionen ins Netz zur Verfügung.


(Patrick Döring [FDP]: So ist es!)


eshalb sind die Gewinnabführungs- und Beherr-
chungsverträge aufzuheben. Dann stehen die gesamten
ewinne aus dem Netz der DB Netz AG zur Verfügung
nd können reinvestiert werden. Das gilt nicht nur für
ie DB Netz AG, sondern auch für die DB Station & Ser-
ice AG und selbstverständlich auch für die DB Energie
mbH. Warum schauen die Bahnhöfe denn teilweise so

chlecht aus? Weil die Stationsgebühren, die für jeden
ug und damit durch jeden, der in diesem Zug fährt, be-
ahlt werden, nicht in die Stationen reinvestiert, sondern
n die Holding abgeführt werden, um für lustige Aben-
uer weltweit verschwendet zu werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Was ist als Nächstes notwendig? Als Nächstes ist die
ale Trennung von Netz und Transport durchzuführen.
arum ist das notwendig? Wir brauchen eine unabhän-

ige Infrastrukturgesellschaft, die direkt beim Bund an-
esiedelt ist. Das einzige Geschäftsfeld dieser unabhän-
igen Infrastrukturgesellschaft muss sein, so gut es geht
rassen zu vermarkten, damit jeder, der auf diesen Tras-
en fährt, pünktlich fahren kann und eine gute Qualität
orfindet; denn nur in einem gut unterhaltenen Netz ist
s möglich, den Bahnverkehr pünktlich und ordentlich
urchzuführen. Das interessiert die Leute.

Hören Sie deshalb endlich auf, zu mahnen, glücklich
u sein, sich zu freuen und sich hinter Mitarbeitern zu
erstecken, Herr Minister! Sorgen Sie für Strukturent-





Dr. Anton Hofreiter


(A) )


)(B)

scheidungen! Handeln Sie endlich! Dann bekommen Sie
auch unsere Unterstützung.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann dauern! – Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Das war eine Aufregung!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708510300

Das Wort hat nun Ulrich Lange für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulrich Lange (CSU):
Rede ID: ID1708510400

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Kollege Hofreiter, ich bin ein glücklicher
Mensch.


(Sören Bartol [SPD]: Das freut uns!)


Kollege Pronold, Sie haben einen Slogan von 1966 zi-
tiert und gesagt, wie gut man damals mit der Bahn ge-
fahren ist. – Wir beide noch nicht; wir sind dafür zu
jung. – Ich darf daran erinnern: Bis 1966 war die SPD
noch nie an der Regierung. In diesem Sinne denke ich an
Rudi Carrell: „Wann wird’s mal wieder richtig
Sommer?“ Sie wollten den Frühling. Ich freue mich auf
den Sommer, weil wenn etwas schiefläuft: „Schuld da-
ran ist nur die SPD“.


(Florian Pronold [SPD]: Sehr schön!)


– Bitte schön.

Lassen Sie mich auf Ihren Antrag eingehen. Ihr An-
trag liest sich im ersten Moment geradezu abenteuerlich.
Als ich ihn zum ersten Mal gelesen habe, habe ich über-
legt, wer das wohl geschrieben hat. Das war entweder
ein Mitarbeiter, der erst seit ein paar Tagen für Sie arbei-
tet, oder jemand, der nicht weiß, was Sie elf Jahre lang
gemacht haben.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Im Zweifel war es der Referent!)


– Ja, natürlich, im Zweifel war es der Referent; aber man
sollte den Text zumindest vorher durchlesen.

Herr Beckmeyer, Sie beklagen das Schneechaos. Sie
sagen, die Bahn habe den Ausfall des Straßen- und Flug-
verkehrs auffangen müssen. Die Bahn hat über eine
halbe Million zusätzlicher Passagiere aufgenommen.
Wir lassen es Ihnen nicht durchgehen, dass Sie mit Ih-
rem Antrag elf Jahre Regierungspolitik der SPD im Ver-
kehrsministerium überdecken wollen und sagen: Das ist
vergessen; das haben wir verdrängt. – Ich sage Ihnen
ganz offen: Das ist ein Versuch von Regierungsamnesie,
den wir Ihnen definitiv nicht durchgehen lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Uwe Beckmeyer [SPD]: Steht das da drin? – Florian Pronold [SPD]: Haben Sie bei seiner Rede zugehört?)


– Das steht da drin.

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(C (D Ich zitiere aus Ihrem Antrag. Dann werden Sie sehen, ie abenteuerlich das Ganze ist. Für wie vergesslich haln Sie eigentlich die Menschen in unserem Land? Sie chreiben – ich zitiere –: Die Ursachen hierfür lassen sich nicht auf kurzfristige Störungen des Betriebsablaufs der Deutschen Bahn AG zurückführen, sondern sind das Ergebnis einer verfehlten Unternehmenspolitik. h ergänze noch einmal: Sie haben im Ministerium die nternehmenspolitik elf Jahre lang bestimmt, davon sieen Jahre – Kollegin Künast und Kollege Hofreiter, ich ann Sie nicht aus Ihrer Verantwortung entlassen – zuammen mit den Grünen. (Florian Pronold [SPD]: Und die anderen Jahre?)


Endeffekt wollen Sie die Epoche verfehlter SPD-Ver-
ehrspolitik mit einem Winter und ein bisschen Schnee
udecken. Das lassen wir Ihnen aber nicht durchgehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Uwe Beckmeyer [SPD]: Es geht doch darum, was wir jetzt tun! – Florian Pronold [SPD]: Dann sagen Sie doch einmal, was Sie machen!)


Sie sollten eines nicht vergessen – das wurde schon
ehrfach angesprochen –: Es war Ihr Kanzler Schröder,

er Mehdorn zum Bahnchef gemacht und auf den Bör-
engang gesetzt hat. Kollege Hofreiter, Kollegin Künast,
uch Sie saßen in diesem Boot. Wenn jetzt plötzlich eine
on „betriebswirtschaftlichen Renditegesichtspunkten“
eprägte Politik kritisiert wird, dann muss man feststel-
n: Das war Ihre Politik. Diese Kritik haben Sie sich

elbst zuzuschreiben. Ihnen ging es nur um Gewinnma-
imierung; es ging darum, die Bahn börsentauglich zu
achen.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Und welche Position hat die Christlich Demokratische Union dazu?)


Inzwischen wissen wir alle, dass es Infrastruktur nicht
um Nulltarif gibt. Wir wissen auch: Wenn wir heute bei
er Infrastruktur sparen, bezahlen wir morgen und über-
orgen doppelt dafür.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Frau Künast, Sie waren schon dran. – Wir müssen uns
uch an anderen Stellen im Haushalt überlegen, wie wir
frastruktur finanzieren. Sie müssen dann aber auch so

hrlich sein und das in anderen Ausschüssen, zum Bei-
piel im Ausschuss für Arbeit und Soziales, auf den
isch bringen; denn die wunderbare Geldvermehrung
ibt es nicht, nicht einmal in Nordrhein-Westfalen. Infra-
truktur kostet Geld. Seien wir so ehrlich, und geben wir
as Geld auch dafür aus.


(Florian Pronold [SPD]: Sie kürzen es ja bei der Bahn!)






Ulrich Lange


(A) )


)(B)

Verkehrsminister Peter Ramsauer hat deutlich gemacht:
Das Umdenken im Ministerium hat mit der Übernahme
des Ministeriums durch die CSU begonnen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie reden von Zwangsdividende. Ich sage Ihnen: Wir
haben eine Zwangserbschaft von Ihnen übernommen.
Leider konnten wir sie, anders als im privaten Leben,
nicht ausschlagen. Wir müssen nun an dieser Situation
arbeiten, um sie in Ordnung bringen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Uwe Beckmeyer [SPD]: Ich glaube, da gibt es kein Umdenken, sondern eine Umleitung!)


Meine Damen und Herren, natürlich ist die Bahn auch
selber gefordert. Man kann nicht immer nur vom Brot-
und-Butter-Geschäft reden und dann Wasser und Brot
vorsetzen. Es geht sehr wohl darum, dass die Bahn von
sich aus eine Qualitätsoffensive, eine Pünktlichkeits-
offensive und vielleicht auch eine Charmeoffensive an-
strengt, aber man muss auch das Gute sehen. Viele von
uns haben am Freitag vor der Weihnachtspause versucht,
nach Hause zu kommen.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Sie auch?)


– Ich auch, Kollege Beckmeyer. – Anders als mit dem
Flugzeug, wozu ich keine Informationen hatte, bin ich
mit der Bahn nach Hause gekommen; es gab auch die
nötigen Informationen. Das war alles nicht so schlecht,
wie es heute dargestellt wird.

Wer hat denn die Ausbesserungswerke geschlossen?
Wer hat den Wagenpark reduziert? Das waren Sie.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Wie bitte?)


– Das war Ihre Politik. – Deshalb ist Ihr Antrag doppelt
scheinheilig.

Frau Leidig hat davon geredet, dass auf Verschleiß
gefahren wird.


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das haben Sie doch gerade gesagt!)


Liebe Kollegin Leidig, wenn Sie die Einzigen wären, die
nicht auf Verschleiß fahren, dann würde ich Ihnen viel-
leicht zustimmen. Aber Sie sind diejenigen, die mit Ih-
rem Weg in den Kommunismus mit dem real existieren-
den Sozialismus ein ganzes Land auf Verschleiß
gefahren haben. Sie haben nicht nur einen Zug, sondern
nicht mehr und nicht weniger als ein ganzes Land auf
Verschleiß gefahren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir mussten dann die Infrastruktur und die Waggons,
die wir kaputt übernommen haben, wieder aufbauen.

Meine Damen und Herren, wir stellen uns der Mam-
mutaufgabe Bahn. Unser Verkehrsminister hat sofort
nach Regierungsantritt diese Aufgabe wahrgenommen.
Er hat sehr genau geprüft, was funktioniert und was
nicht.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: In der Hauptversammlung!)


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(C (D r hat – auch das gehört dazu – Führungspersonal ausgeechselt. s gehört auch Mut dazu, zu sagen: So geht es nicht weir. Ich lade Sie ein: Machen Sie mit beim Projekt zuunftssichere Bahn! Denn wir freuen uns auf Schnee und älte im Winter und Sonne und Hitze im Sommer. Wir den über das Wetter. Wir freuen uns auf die Jahreszein. Wir fahren dem Klima zuliebe Bahn und sind glückche Menschen. (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Florian Pronold [SPD]: Hat es geholfen?)


Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708510500

Das Wort hat jetzt der Kollege Martin Burkert von der

PD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Martin Burkert (SPD):
Rede ID: ID1708510600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Sehr verehrte Damen und Herren auf der Tri-
üne! Ich bin selbst Eisenbahner.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Als Transnet-Funktionär!)


isenbahner ist man mit Leib und Seele. Ich komme aus
iner Eisenbahnerfamilie und bin damit großgeworden.
eswegen weiß ich, was die Kolleginnen und Kollegen
or Ort das ganze Jahr über mitmachen und vor allem in
en letzten Wochen mitgemacht haben.

Ich möchte zu Beginn etwas loswerden. Die Men-
chen sind zurzeit, ob zu Recht oder zu Unrecht, aus den
nterschiedlichsten Gründen unzufrieden mit der Deut-
chen Bahn. Ob Klimaanlagenausfall, S-Bahn Berlin
der die Winterproblematik – das alles wurde heute an-
esprochen –: Es gibt immer mehr verärgerte Kundinnen
nd Kunden.

Wer bekommt den Ärger als Erster ab? Wer bekommt
en Ärger am heftigsten ab? Das sind nicht die Bahn-
anager am Potsdamer Platz. Es ist auch nicht das Bun-

esverkehrsministerium. Es ist auch nicht der arme Herr
inister. Nein, es sind die Kolleginnen und Kollegen in

en Service Points und Fahrkartenausgaben und die
ugbegleiter in den Zügen.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Richtig!)


inzu kommen die Kolleginnen und Kollegen in den
erken, die massenhaft Überstunden leisten und an ihre
renzen gegangen sind. Nicht zu vergessen sind auch
ie Gleisarbeiter, die in diesem Winter unter Lebensge-
hr die Weichen von Schnee befreien, um die Strecken
ieder befahrbar zu machen. Adam Smith hat einmal





Martin Burkert


(A) )


)(B)

sinngemäß gesagt: Der Betrieb einer Eisenbahn ist zu
95 Prozent Mensch


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Subunternehmer?)


und zu 5 Prozent Stahl. Die Kolleginnen und Kollegen
bei der Bahn halten den Betrieb am Laufen, wie es vor
allem in diesem Winter in den zurückliegenden Wochen
der Fall war. Ihnen gebührt heute ausdrücklich der Dank.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU der FDP und der LINKEN)


Herr Minister, wie wollen Sie diesen Menschen erklä-
ren, dass Sie auf einer Dividende in Höhe von 500 Mil-
lionen Euro im Jahr bestehen? Ich empfehle Ihnen, sich
mit Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern zusammenzu-
setzen. Was passiert denn da? Es gibt noch 16 soge-
nannte C-Werke. Das sind große Instandhaltungswerke,
in denen beispielsweise ICEs gewartet werden. Wir hat-
ten einmal 28. In den letzten 15 Jahren sind 12 Werke
geschlossen worden, von Opladen über Leipzig-Engels-
dorf bis nach München-Freimann, um nur ein paar zu
nennen.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer war da Verkehrsminister? Das ist ja grotesk!)


Im Jahre 2000 waren ungefähr 12 000 Mitarbeiter in der
Instandhaltung der Deutschen Bahn AG beschäftigt. Ak-
tuell sind es noch 6 900. Ich sage Ihnen, Herr Minister:
Sie haben einiges angekündigt. Wenn Sie etwas tun wol-
len – es gibt noch eine Standardsicherung für fast zwei
Jahre –, dann gehen Sie nach Chemnitz und Zwickau.
Dort wird schon über Werksschließungen gesprochen.
Das ist – nur am Rande – auch in industriepolitischer
Hinsicht wichtig; denn dort ist die Bahn der zweitgrößte
Arbeitgeber.

Sie haben in den letzten Tagen publikumswirksam
– zu Recht – eine Menge kritisiert. Aber in der jetzigen
Situation wollen Sie dem Bahnkonzern jedes Jahr
500 Millionen Euro Dividende entziehen. Mit Verlaub,
meine Damen und Herren von der Koalition, es ist doch
absurd, eine solche Forderung umzusetzen.


(Beifall bei der SPD)


Sehr geschätzter Herr Kollege Fischer, Sie sind ein alter
Hase, haben reichhaltige Erfahrung und waren schon vor
der Bahnprivatisierung Mitglied des Parlaments. Sie
müssten doch am besten wissen, was passiert, wenn
500 Millionen Euro entzogen werden. Das Geld wird in
allen Unternehmensbereichen eingesammelt, Million für
Million. Das geht beim Netz los und endet bei der Bahn-
Landwirtschaft.


(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


Jeder muss seinen Beitrag dazu leisten. Das heißt, es
wird wieder auf Kante gefahren. Gemacht wird nur noch
das, was das EBA will. Alles andere wird geschliffen.
Das ist die Problematik, vor der wir stehen. Sie haben
die Situation verschärft.

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(C (D Jetzt kündigen Sie, Herr Dr. Ramsauer, den Rückkauf on zehn Reisezugwagen und die Anmietung von elf agen aus der Schweiz an. Auch der TGV soll kommen. h gehe davon aus, dass Sie diesen Zug wieder öffentchkeitswirksam in Deutschland begrüßen werden. Aber issen Sie eigentlich, Herr Dr. Ramsauer, wie viele Es wir mit 500 Millionen Euro kaufen könnten? 6 ICEs! Diese hätten uns insbesondere in einem solhen Winter wie diesem gutgetan. Hier sollte die Bahn vestitionen tätigen. Ich bin genauso wie mein Kollege Beckmeyer der einung, dass wir eine ehrliche Bilanz brauchen, eine ilanz über 15 Jahre Bahnreform. Es gibt Gutes und chlechtes. Bevor wieder Zurufe kommen: Keiner ist ei von Fehlern. Aber Sie, Herr Minister, sind jetzt der mtierende Verkehrsminister und sind in der Verantworng. Die Menschen wollen von Ihnen Antworten hören. h habe heute Morgen im Ausschuss gedacht: „Er hat ieder nichts gesagt“, und auf die jetzige Debatte geofft. Nun ist die Debatte fast am Ende. Landesgruppenhef bei der CSU ist Herr Friedrich; ich bin es bei der PD. Ich habe gedacht, dass Sie in die Rolle des Landesruppenchefs zurückfallen. Sie haben heute wieder nicht esagt, was Sie eigentlich tun wollen. Symptomatisch für den Stellenwert der Eisenbahn in rem Hause ist, dass Sie nicht den von mir geschätzten arlamentarischen Staatssekretär Ferlemann – dafür ird es sicherlich gute Gründe gegeben haben; das will h überhaupt nicht bestreiten –, sondern den Autofreund cheuer zu der Ausschusssitzung am letzten Mittwoch, der es um viele Bahnthemen ging, mitgebracht haben. akt ist: Die Schiene in Deutschland hat unter der jetzien Regierung keine Vorrangstellung mehr. Das zeigt ie ganze Prioritätensetzung in Ihrem Haus. Das ist der igentliche Kardinalfehler in der gesamten Verkehrspolik. Sommer ist die Zeit, in der es zu heiß ist, um das zu tun, wozu es im Winter zu kalt war. Dieses Zitat stammt nicht von mir. Das hat Mark wain am Anfang des 20. Jahrhunderts gesagt. Wenn an sich das Jahr 2010 anschaut, dann kann man eine hnung davon bekommen, was Mark Twain in weiser oraussicht damit gemeint hat. Im Sommer ist es zu eiß, im Winter zu kalt, um Zug zu fahren. Ich finde, der ahn steht der alte und heute schon oft zitierte Spruch Wir fahren bei jedem Wetter“ viel besser an. Dahin üssen wir wieder kommen, Herr Minister. (Patrick Döring [FDP]: Darum kümmern wir uns!)


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


(Heiterkeit bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)


Deshalb verzichten Sie doch in Gottes Namen auf
iese 500 Millionen Euro Zwangsdividende! Legen Sie
in Sofortprogramm auf, um kurzfristig die aktuellen
törungen im Betriebsablauf zu beseitigen! Investieren





Martin Burkert


(A) )


)(B)

Sie endlich ausreichend in die Instandhaltung, wie Sie es
angekündigt haben! Nehmen Sie endlich Ihre Aufgabe
als Eigentümer der Deutschen Bahn AG wahr! Stellen
Sie außerdem sicher – auch über die Länder, reden Sie
mit den Ländern –, dass genügend Reservekapazitäten
an Fahrzeugen aufgebaut werden! Auch die Länder sind
bei der Bestellung von Fahrzeugen im Regionalverkehr
in der Verantwortung. Stoppen Sie den Abbau von Per-
sonal! Und zu guter Letzt: Legen Sie endlich ein nach-
haltiges Konzept zum Schienenverkehr in Deutschland
und in Europa vor!

Herr Minister, fangen Sie endlich an, zu arbeiten, an-
statt immer nur anzukündigen! Beschäftigen Sie sich
endlich mit der Bahn! Werden Sie zur Lokomotive, die
die Bahn zuverlässig durch alle Wetter zieht! Sonst – so
ist meine Befürchtung – enden Sie als Hemmschuh auf
einem Abstellgleis, und das wollen wir alle wahrlich
nicht.


(Beifall bei der SPD – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt nicht!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708510700

Das Wort hat der Kollege Hans-Werner Kammer von

der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Hans-Werner Kammer (CDU):
Rede ID: ID1708510800

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! An den Anfang meines Beitrags möchte ich
einen Dank an diejenigen Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter stellen, die durch ihren unermüdlichen Einsatz
dafür gesorgt haben, dass der Verkehrsbetrieb in
Deutschland im letzten Dezember weitestgehend auf-
rechterhalten werden konnte.

Im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages
herrscht über die Parteigrenzen hinweg Einigkeit da-
rüber, dass die Situation aller Verkehrsträger, insbeson-
dere auch der Bahn, in diesem Winter desaströs war. Da-
her gebührt unserem Verkehrsminister, Dr. Ramsauer,
ein besonderer Dank dafür, dass er die Bahn zur Chefsa-
che erklärt hat. Das ist die richtige Weichenstellung für
die Zukunft. Er hat hier auch Finanzierungsmöglichkei-
ten angesprochen.

Eine Vielzahl von Ursachen hat zu den erheblichen
Beeinträchtigungen im Bahnverkehr geführt. Wir müs-
sen uns dieser Ursachen annehmen und sie so schnell
wie möglich beseitigen. Dabei müssen wir ehrlich sein.
In Anbetracht der Versäumnisse in elf Jahren SPD-Ver-
kehrspolitik wird dies nicht von heute auf morgen ge-
schehen können.

Die Wetterlage im Dezember 2010 hat die Probleme
bei der Deutschen Bahn schonungslos offenbart. Es gibt
keinen Zweifel, dass sowohl auf technischer als auch auf
organisatorischer Seite erhebliches Optimierungspoten-
zial besteht. Die Frage ist allerdings, wo die Grenze zwi-
schen dem technisch Machbaren und dem finanziell Ver-
tretbaren verläuft. Wenn die Bahn ausreichend Kapazität
vorhielte, um einen Winter wie diesen problemlos zu be-

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(C (D ältigen, entstünden erhebliche Mehrkosten, die dann on den Fahrgästen getragen werden müssten. Hier weren wir auch weiterhin – dies gilt für alle Verkehrsmittel leichermaßen – Kompromisse schließen müssen. So wie bisher kann es allerdings nicht bleiben. Die enutzung der Bahn darf nicht zu einem Glücksspiel erden. Hierzu haben wir bereits Beiträge gehört. Auch h habe in diesem Winter leider einige Male auf die fal che Fahrkarte gesetzt. Die entscheidende Ursache ist jedoch, dass eine im esentlichen verfehlte Verkehrspolitik der letzten Jahre er Eisenbahn nicht den Stellenwert eingeräumt hat, den ieses Verkehrsmittel verdient. Investitionen unterblieen. Es wurde von der Substanz gelebt. Die Hysterie um en Börsengang der Bahn und die damit verbundene Binzkosmetik haben entscheidend dazu beigetragen. (Beifall des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich komme gleich auch noch zu Ihnen. – Daher be-
rüße ich es, dass unser Verkehrsminister der Sanierung
iner lebenswichtigen Infrastruktur Vorrang vor einem
restigeträchtigen, in Wirklichkeit aber für das Gemein-
ohl ruinösen Börsengang einräumt.

Ich warne davor, gleich wieder in das andere Extrem
u verfallen und die gute alte Behördenbahn herbeizu-
ehnen. Die Gründe, die für die Privatisierung der Bahn
usschlaggebend gewesen sind, gelten noch heute. Wir
rauchen eine solide Basis für die Eisenbahn des
1. Jahrhunderts.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nun zu den Anträgen. Dass die Linke den Kommu-
ismus wiederhaben will, war für mich keine Überra-
chung. Das ist deren ideologische Bankrotterklärung.


(Zuruf von der LINKEN: Ihre Bankrotterklärung!)


ass die Linke aber nun ernsthaft die Reichsbahn der
DR mit der jetzigen DB AG vergleicht, erstaunt sogar
ich. Das ist nämlich eine intellektuelle Bankrotterklä-
ng.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich frage mich, wes Geistes Kind Politiker sind, die
ie Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit von 280 auf
00 km/h aufgrund besonderer Witterungseinflüsse mit
en Magistralen der DDR – Strecken, auf denen perma-
ent langsam gefahren werden musste – vergleichen.


(Zuruf von der LINKEN)


Das steht in Ihrem Antrag. – Dort waren nur 30 oder
0 km/h erlaubt, und zwar das ganze Jahr über. Das kann
r uns wirklich kein Vorbild sein.


(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Fragen Sie die Bahnexperten! Wer, wie die Linken in der Bundeshauptstadt, Verantortung trägt und nicht in der Lage ist, den schwächsten erkehrsteilnehmern, nämlich den Fußgängern, freie Hans-Werner Kammer )





(A) )

Wege zu bieten, dem würde ich nicht einmal eine Mo-
delleisenbahn anvertrauen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ein ähnliches Niveau zeigt die Argumentation von
Bündnis 90/Die Grünen. Wenn ein unbefangener Be-
trachter die Ausführungen der Kolleginnen und Kolle-
gen liest, wird ihm alles Mögliche einfallen, nur nicht,
dass die rot-grüne Koalition 1999 Herrn Mehdorn instal-
liert und Kurs auf die Börse genommen hat. Aufrichtig-
keit ist, wenn man sich zu seinen Fehlern bekennt.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist Ihnen bewusst, dass der Pivatisierungsantrag von Herrn Ramsauer unterschrieben ist?)


Jetzt wurde auch noch der Begriff der Zwangsdivi-
dende aus dem Fundus geholt. Was sich brutal anhört, ist
jedoch in Wirklichkeit nur das, was auch die Damen und
Herren der Opposition immer fordern: Der Bund steckt
dieses und noch viel mehr Geld in den Infrastrukturaus-
bau. Anders gesagt: Kein Euro aus der Gewinnabfüh-
rung wird für den Erwerb ausländischer Logistikunter-
nehmen ausgegeben. Jeder Cent landet in Deutschland.

Noch weniger überzeugend, muss ich allerdings sa-
gen, argumentiert die SPD. Ich habe in einer Zeitung aus
meinem Wahlkreis gelesen, dass man interessanterweise
gesagt hat: Damit die Fahrgäste nicht belästigt werden,
solle man die Baustellenzeiten einfach verlängern. Ich
weiß nicht, ob das sinnvoll ist und zur Erleuchtung bei-
trägt. Wenig überzeugend sind also Ihre Argumente,
Herr Beckmeyer.

Sie sagen: Oberstes Ziel muss es sein, die Bahn für
den Sommer und für den Winter wieder fitzumachen. In
Wirklichkeit aber scheinen hier einige unter Amnesie zu
leiden; denn wenn der rot-grüne Tsunami die Struktur
der Bahn nicht verwüstet hätte, müssten wir diese Dis-
kussion nicht führen. Dann hätten wir nämlich diese
Schwierigkeiten heute nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Uwe Beckmeyer [SPD]: Wie bitte?)


Wir müssen in die Zukunft blicken. Viele der auch
von meinen Vorrednern geschilderten Schwierigkeiten
sind leider nicht von heute auf morgen zu beheben. Dazu
sind die Schäden, die die rot-grünen Verkehrspolitiker
verursacht haben, einfach zu groß.

Wir werden die Weichen stellen für eine leistungsfä-
hige Schieneninfrastruktur, die dem Industriestandort
Deutschland angemessen ist. Die CDU/CSU-Bundes-
tagsfraktion und die von ihr getragene Koalition sind
sich ihrer Verantwortung zu allen vier Jahreszeiten be-
wusst und werden die Verantwortung nicht der Opposi-
tion auf der linken Seite überlassen; denn dann wäre in
Deutschland wahrscheinlich Stillstand oder finstere
Nacht.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat tzt der Kollege Dirk Fischer von der CDU/CSU-Frakon das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708510900


Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID1708511000

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

er Kollege Pronold hat die SPD-Eröffnungsrede à la
Wenn früh die liebe Sonne lacht, hat das die SPD ge-
acht“ gehalten. Die SPD war noch niemals für den
chienenverkehr in diesem Lande verantwortlich. Die
PD kann sich an keinen Namen eines SPD-Verkehrs-
inisters erinnern. Wie traurig für Leber, Lauritzen,
scheidle, Hauff, Müntefering, Klimmt, Bodewig,
tolpe und Tiefensee. Aber zu deren Trost muss ich sa-
en: Ihre Bilder hängen noch im Ministerium.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Übrigen hat mir die Eröffnungsrede der Union viel
esser gefallen;


(Zurufe von der SPD: Oh!)


enn eben ging eine SMS der Enkelin von Arnold Vaatz,
a, mit dem Text ein: Opi, gute Rede. – Wenn Ida das so

ieht, dann dürfen wir dem Kollegen Vaatz für seine
ede noch einmal Beifall und Anerkennung zollen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Verehrte Kollegen der SPD, Sie können sagen, was
ie wollen: Die Probleme der Berliner S-Bahn sind ein-
eutig – das können Sie nicht wegschummeln – eine Alt-
st der SPD-Minister und von Herrn Mehdorn. Das ist

ine Tatsache, und diese Altlast muss jetzt bereinigt wer-
en.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Im Übrigen zum Thema Dividende: Nach meinem
erständnis ist bei einer ordnungsgemäßen Geschäfts-
hrung geboten, dass die Aufwendungen für die War-
ng des rollenden Materials, der Netze, der Bahnhöfe

nd aller anderen Anlagen getätigt werden, bevor über-
aupt von Gewinn oder Dividende geredet werden kann.


(Patrick Döring [FDP]: So ist es! – Uwe Beckmeyer [SPD]: Das ist nicht gewährleistet! – Gegenruf des Abg. Patrick Döring [FDP]: Natürlich ist das gewährleistet!)


enn Herr Mehdorn die Kosten so radikal gesenkt hat
übrigens: als Sie Verantwortung trugen –, um im Hin-

lick auf die Kapitalmarktfähigkeit eine besonders
chöne Bilanz vorzuweisen, dann ist dies ein Mangel an
rdnungsgemäßer Geschäftstätigkeit gewesen. Das ist
indeutig.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Sagen Sie, da hätte Frau Merkel eingreifen sollen?)






Dirk Fischer (Hamburg)



(A) )


)(B)

Ich will Sie, Herr Kollege, daran erinnern, dass der
von Ihnen so sehr verehrte Herr Mehdorn am letzten
Sonntag in einem Interview mit der FAZ-Sonntagszei-
tung wörtlich gesagt hat:

Es ist völlig in Ordnung, wenn der Bund als Gesell-
schafter eine Dividende von der DB AG erhält,
wenn sie Gewinn macht.

Ich sage: Das ist auch in Ordnung; denn der Bundes-
haushalt hat sich in einem hohen Maße auch verschuldet,
weil er in das System Schiene investiert hat. Da muss
doch über den Gewinn die Refinanzierung der Staats-
schuld möglich sein – nach einer ordnungsgemäßen Ge-
schäftstätigkeit und Gewinnermittlung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Im Übrigen erhält das System Schiene aus dem Haus-
halt jährlich etwa 20 Milliarden Euro, fast 4 Milliarden
Euro für den Unterhalt und die Erneuerung des Netzes
sowie den Neu- und Ausbau des Netzes, 7 Milliarden
Euro Regionalisierungsmittel für steuerfinanzierten Um-
satz – jeder andere Verkehrsträger wäre dankbar, wenn
er einen steuerfinanzierten Umsatz erhielte –,
9 Milliarden Euro gibt es für die Altlastenbeseitigung im
Bereich der Schiene und für das Bundeseisenbahnver-
mögen. 20 Milliarden Euro unter diesen Haushaltsbedin-
gungen – kaputtsparen sieht für mich anders aus.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


In jüngerer Zeit, Herr Kollege Beckmeyer, waren
über elf Jahre fünf SPD-Verkehrsminister für Verkehrs-
politik verantwortlich. Daher kann ich Ihnen in der jetzi-
gen Debatte einige Gedächtnisstützen nicht ganz erspa-
ren. Herr Mehdorn war davon beseelt, mit Sack und
Pack, mit Netz und Bahnhöfen und allem Drum und
Dran – das war das integrierte Modell – in den Kapital-
markt zu gehen. Er wollte die Verbindungen zur Politik
abschneiden, den goldenen Zügel des Geldes allerdings
nicht. Dann haben Ihr SPD-Verkehrsminister und Ihr
SPD-Finanzminister ausgerechnet bei einer Investment-
bank ein Gutachten zu der Frage bestellt, mit welchem
Strukturmodell das geschehen solle, wo doch jeder In-
vestmentbanker sagt: Mit allem Drum und Dran. – Das
ist doch erheblich für die Tantiemen.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Ist das der Berater der CDU in Baden-Württemberg?)


Das heißt, mit diesem Gutachten, das ein bestimmtes
Strukturmodell empfahl und das unter einer rot-grünen
Bundesregierung von einem SPD-Verkehrsminister und
einem SPD-Finanzminister in Auftrag gegeben worden
ist, hat man im Grunde genommen schon die Leute in
die Irre geführt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Uwe Beckmeyer [SPD]: Jetzt berät er die CDU!)


Es ist doch nachgerade abenteuerlich, dass Sie damals
die Vorstellung hatten, ein Anlagevermögen von mehr
als 120 Milliarden Euro nach der Ertragswertmethode
für 8 bis 9 Milliarden Euro in den Kapitalmarkt zu brin-
gen. Ich will hier ein ganz hartes Wort vermeiden. Aber
wer so gegenüber dem Staatsvermögen und dem Steuer-

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(C (D ahler handelt, der ist nach meiner Meinung sehr am Liit. Dessen Verhalten könnte ganz anders bezeichnet erden. Allein der Berliner Hauptbahnhof hat über Milliarden Euro gekostet. Es gibt aber noch die Bahn öfe in München, Frankfurt, Stuttgart, Hamburg, Köln nd Hannover und das ganze Netz usw. obendrauf. Dies t nach meiner Auffassung den steuerzahlenden Bürern, den Arbeitnehmern und den Gewerkschaften bei er DB AG in Erinnerung zu rufen, wenn die SPD jetzt uf reine Lehre macht. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Reden Sie vom Koalitionsvertrag I von Frau Merkel?)


Ich will an ein Weiteres erinnern. Nach vier Häutun-
en in der Legislatur 2005 bis 2009 sagt die SPD jetzt:
ar kein Privatkapital, noch nicht einmal für die Logis-
kunternehmen. – Herr Tiefensee hat als Minister aus
efer innerer Überzeugung nacheinander vier Modelle
ertreten: erst, dem Willen Mehdorns entsprechend, das
ben dargestellte integrierte Modell, dann das besonders
ckische, vom Namen her völlig irreführende Eigen-
mssicherungsmodell – das war in Wahrheit das Gegen-
il –,


(Patrick Döring [FDP]: Bilanzrechtswidrig!)


ann das Holding-Modell, wie wir es jetzt haben, mit ei-
er Teilprivatisierung der operativen Gesellschaften des
ersonen- und Güterverkehrs, also DB ML. Am Ende
ann: Privatkapital ist sowieso des Teufels. – Diese Posi-
on eignet sich nach meiner Auffassung allenfalls für
en Schulterschluss mit den Linken, taugt aber nicht für
ine Aufstellung dieses Unternehmens im deutschen und
uropäischen Wettbewerbsmarkt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Uwe Beckmeyer [SPD]: Nun kommen Sie mal zum Stillstand!)


Dann will ich daran erinnern, Herr Kollege
eckmeyer, dass Verkehrsminister Bodewig vorher

chon zum Parteitag der Grünen nach Stuttgart geeilt
ar.


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jawohl!)


nd für die Trennung von Netz und Betrieb plädiert hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


r hat wörtlich gesagt: Die Trennung von Netz und Be-
ieb ist nicht mehr die Frage des Ob, sondern nur noch
es Wie. Das weiß auch Herr Mehdorn.


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


ann kam er nach Hause. Inzwischen war Mehdorn bei
chröder. Herr Bodewig wurde umgekippt. Er ist nicht
mgekippt; er wurde umgekippt. Die Verkehrsexpertin
er Grünen, Frau Künast, hat deswegen heute zu Recht
uch frühere Verkehrsminister der SPD einer Kritik un-
rzogen.


(Beifall des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])






Dirk Fischer (Hamburg)



(A) )


)(B)

Die Grünen – da will ich sie loben; das habe ich ver-
sprochen –


(Heiterkeit bei der SPD)


sind ordnungspolitisch tausendmal besser aufgestellt als
– das muss man eindeutig sagen – der übrige Teil der lin-
ken Seite dieses Hauses.


(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gustav Herzog [SPD]: Das war ein vergiftetes Lob!)


Insbesondere die Beschlüsse des damaligen Kieler Bun-
desparteitags der Grünen


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Du schwelgst in der Vergangenheit! Du musst mal nach vorn gucken! Wie geht es weiter? Zukunft!)


könnten – bis auf wenige Randziffern mit ungebührli-
chen Attacken auf eine große und wichtige Partei – bei-
nahe von mir geschrieben worden sein; so sehr kann ich
zustimmen.

Die Infrastruktur – Netz, Bahnhöfe, Energie – muss
dauerhaft im Eigentum des Staates bleiben. Das ist die
Kernaussage.


(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Denn, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das sind die
Lebensadern einer Volkswirtschaft – das gilt in Deutsch-
land und in Europa –, auf denen sich der Wettbewerb
entfalten muss.

Ist das Netz in der DB AG integriert, kann ich mit
dem Strukturmodell im Moment unter einer Bedingung
leben – die Zerschlagungshorrorgeschichte von Uwe
Beckmeyer ist natürlich völlig daneben; das weiß er
auch selbst; das soll nur nach außen ein bisschen Ein-
druck machen –: wenn sichergestellt wird, dass die Ge-
winne der Infrastrukturgesellschaften in die Infrastruktur
reinvestiert werden, wir also einen Finanzierungskreis-
lauf Schiene bekommen,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


dass die Mittelzuwendungen des Bundes direkt an die
Infrastrukturgesellschaften gehen und dass die Beherr-
schungs- und Gewinnabführungsverträge zwischen DB-
Infrastrukturgesellschaften und der DB AG Holding auf-
gelöst werden; denn dies entspricht auch besser dem eu-
ropäischen Recht,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


das bei einem integrierten Netz strikte Wettbewerbsneu-
tralität und unternehmerische Eigenständigkeit verlangt.
Das wäre auch eine gute Reaktion auf das gegen
Deutschland laufende EU-Vertragsverletzungsverfah-
ren. Damit täten wir insoweit auch dem EU-Recht Ge-
nüge.

Ich kann am Ende nur sagen:


(Zuruf von der SPD: Ja, Schlussbemerkung!)


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(C (D ott sei Dank liegt das Schicksal der Bahn bei dieser undesregierung, bei diesem Bundesverkehrsminister in eutlich besseren Händen als zu SPD-Zeiten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Thomas Oppermann [SPD]: Das bleibt ein Wunschtraum!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708511100

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
rucksachen 17/4428, 17/4433 und 17/4434 an die in
er Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
en. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.
ann sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:

Beratung des Antrags der Bundesregierung

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
scher Streitkräfte an dem Einsatz der Interna-
tionalen Sicherheitsunterstützungstruppe in

(International Security Assistance Force, ISAF)

Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) und
folgender Resolutionen, zuletzt Resolution
1943 (2010) des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen

– Drucksache 17/4402 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Stunde vorgesehen. Gibt es dagegen
iderspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist es so be-

chlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
er dem Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle
as Wort.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
ärtigen:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

n! Es ist kein Zufall, dass der heutige Tag mit seinen
ebatten über Afghanistan und über die Lage in Afgha-
istan mit einer Regierungserklärung des Ministers
iebel begonnen hat. Das bringt klar zum Ausdruck,
ass wir vordergründig nicht nur das militärische Enga-
ement sehen dürfen, das von unseren Frauen und Män-
ern der Bundeswehr dort geleistet wird. Da Soldaten in
o großer Anzahl anwesend sind, möchte ich die Gele-
enheit nutzen, mich im Namen des ganzen Hauses bei
nen und Ihren Kameradinnen und Kameraden für das,





Bundesminister Dr. Guido Westerwelle


(A) )


)(B)

was Sie in Afghanistan leisten, sehr herzlich zu bedan-
ken.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir wissen natürlich auch – die Soldatinnen und Sol-
daten wissen das ganz besonders –, dass wir in Afghanis-
tan nicht erfolgreich sein werden, wenn wir auf eine mi-
litärische Lösung setzen. Unser militärisches Engagement
dient der Absicherung der Stabilität in Afghanistan. Die
Fortschritte beim zivilen Aufbau in Afghanistan, die zu
erkennen sind, sind sehr bemerkenswert. Noch nie hat
sich eine Bundesregierung beim zivilen Aufbau in Afgha-
nistan so umfangreich engagiert wie diese Bundesregie-
rung. Noch nie hat eine Bundesregierung so viel für den
Aufbau und für das Training der Sicherheitskräfte vor
Ort getan wie diese Bundesregierung. Ich bitte, dies bei
all Ihrer Kritik zu berücksichtigen. Die Lage war anders,
als Sie regiert haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Aber der zivile Aufbau und seine Absicherung im In-
teresse der Stabilität des Landes werden natürlich nur ein
Teil der Lösung sein können. Entscheidend ist die politi-
sche Lösung. Diese Einsicht ist der eigentliche Strategie-
wechsel, der vor ziemlich genau einem Jahr auf der Lon-
doner Afghanistan-Konferenz stattgefunden hat. Damals
war dieser Wechsel noch sehr umstritten, auch in diesem
Hause. Aber es zeigt sich, dass das, was die Bundes-
regierung mit unseren Bündnispartnern in London aus-
verhandelt hat, eine richtige Entscheidung gewesen ist.
Wir werden in Afghanistan den Frieden nicht militärisch
schaffen, sondern nur durch eine politische Lösung. Das
Ziel unseres internationalen Engagements ist es daher,
eine politische Lösung zu erreichen, um Afghanistan
nachhaltig und dauerhaft zu stabilisieren, damit es auch
in der Zeit nach unserem Engagement nicht wieder Hort
und Rückzugsort des Terrorismus gegen die Welt wer-
den kann.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Für diesen politischen Prozess ist es von großer Be-
deutung, dass wir alle einbinden. Deswegen ist nicht die
Bedeutung dessen zu unterschätzen, dass auch die regio-
nale Einbindung, das heißt die Einbindung insbesondere
der betroffenen Nachbarländer, mehr und mehr gelingt.
In London hat es mit der Afghanistan-Konferenz ange-
fangen. Dann gab es in Kabul zum ersten Mal eine Afgha-
nistan-Konferenz im Land selbst. Dort waren alle Betei-
ligten dabei. Darunter befanden sich übrigens auch die
Nachbarländer, die jahrelang nicht mitgewirkt haben.
Diese Konferenz wurde begleitet von Abkommen zwi-
schen Afghanistan und Pakistan. Solche Handelsabkom-
men kann man von Mitteleuropa aus als leicht machbar
ansehen. Wer aber den Hintergrund der Beziehungen
zwischen den beiden Ländern kennt, der weiß, dass sie
in Wahrheit einen großen Fortschritt darstellen. Iran: Es
gibt viele Fragen – ich nenne zum Beispiel Fragen im
Zusammenhang mit dem Drogenhandel –, die nur mit
der Einbindung der Nachbarländer und mit einer ent-

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(C (D prechenden Vernetzung beantwortet werden können. ll das hat stattgefunden. Im Herbst des letzten Jahres gab es den Gipfel in Lisabon. Er bedeutete eine wirkliche Wegmarke. Ich will och einmal die vier Daten – es sind nicht drei Eckunkte – unseres Zeitplans, unserer perspektivischen trategie nennen: Erstens. In der ersten Hälfte dieses Jahres wollen wir amit beginnen, die Sicherheitsverantwortung vor Ort in istrikten oder Provinzen zu übergeben. Zweitens. Wir sind zuversichtlich, zum Ende des Jahs in der Lage zu sein, dass zum ersten Mal auch die räsenz unserer Bundeswehr zurückgeführt werden ann. Drittens. Im Jahre 2014 soll es uns gelungen sein, ass die Sicherheitsverantwortung vollständig an Afghaistan übertragen ist. Das ist nicht nur unser Ziel, es ist usdrücklich auch das Ziel der afghanischen Regierung, ass es dann keine Kampftruppen von uns mehr im ande geben muss. Der vierte Punkt wird regelmäßig vergessen. Auch ach dem Jahr 2014 muss sich Deutschland für die nachaltige Sicherheit in Afghanistan engagieren. Täten wir as nicht, hätten die Taliban sofort wieder das Sagen. Sie rächten ihre Saat des Terrorismus in die Welt, und das esamte Engagement, zum Beispiel der Frauen und änner der Bundeswehr, wäre vergeblich gewesen. Wir ären da, wo wir waren. Es darf kein zweites Mal ein akuum in Afghanistan hinterlassen werden. Das ist das, orum es uns geht. Ich habe in der Regierungserklärung im Dezember 010 ausführlich dazu Stellung bezogen. Entgegen dem, as dort hineingeheimnisst wird, ist es doch völlig klar, ass jeder Zeitplan natürlich immer auch unter dem Vorehalt steht, dass dann die Lage tatsächlich auch so ist. as ist übrigens nicht erstmalig in dieses Mandat textch aufgenommen worden, sondern das ist wörtlich das, as ich im Dezember im Namen der Bundesregierung in er Regierungserklärung auch gesagt habe. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das macht es aber nicht besser!)


(Thomas Oppermann [SPD]: Unser Punkt!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


it anderen Worten: Ende 2011 wollen wir erstmalig die
räsenz der Bundeswehr reduzieren. Aber es ist doch
elbstverständlich, dass wir alles unter den Vorbehalt
tellen müssen: soweit es die Lage erlaubt und insbeson-
ere unsere Soldatinnen und Soldaten vor Ort nicht ge-
hrdet werden. Denn wir wollen einen unumkehrbaren,

achhaltigen Prozess der Übergabe der Verantwortung.
as ist das Ziel.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wenn wir das übrigens nicht tun, wie es klar in dem
ntrag der Bundesregierung steht, – –


(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Da steht gar nichts drin!)






Bundesminister Dr. Guido Westerwelle


(A) )


)(B)

– Lesen Sie es nach, dann wissen Sie es. Ich kann es Ih-
nen noch einmal vorlesen:

Die Bundesregierung ist zuversichtlich, im Zuge
der Übergabe der Sicherheitsverantwortung die
Präsenz der Bundeswehr ab Ende 2011 reduzieren
zu können, und wird dabei jeden sicherheitspoli-
tisch vertretbaren Spielraum für eine frühestmögli-
che Reduzierung nutzen, soweit die Lage dies er-
laubt und ohne dadurch unsere Truppen oder die
Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses zu gefähr-
den.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wenn nicht?)


Man muss kein Militärexperte sein, es reicht, wenn
Sie Ihren Menschenverstand einschalten, dann wissen
Sie, dass das der vernünftige Weg ist. Und darauf kommt
es auch an.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708511200

Herr Bundesminister, der Kollege Nouripour von den

Grünen würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
wärtigen:

Sehr gerne, bitte sehr.


Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1708511300

Herr Außenminister, Sie haben gerade beschrieben,

dass, wenn es möglich ist und die Sicherheitslage es er-
laubt, am Ende dieses Jahres die Kontingente der deut-
schen Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan reduziert
werden sollen. Meine Frage ist: Schließen Sie damit aus,
dass zwischenzeitlich durch den Einsatz der AWACS-
Flugzeuge die Mandatsobergrenze angehoben oder die
flexible Reserve dadurch angebrochen wird?

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
wärtigen:

Ich unterstütze die Haltung des Vorsitzenden der So-
zialdemokratischen Partei Deutschlands in diesem Punkt,
und ich empfehle sie Ihnen auch einmal zur Aufmerk-
samkeit.


(Heiterkeit bei der FDP – Zuruf von der CDU/ CSU: Was sagt der?)


Der SPD-Vorsitzende Herr Gabriel – man merkt, ganz
allgemein gesprochen, dass Reisen läutert – hat heute in
einem Interview erklärt, das seien zwei unterschiedliche
Vorgänge. Deutschland hat erklärt, dass wir uns derzeit
an diesem AWACS-Einsatz nicht beteiligen,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt „derzeit“?)


weil unser Schwerpunkt auf dem Training und der Aus-
bildung liegt. Ansonsten ist es selbstverständlich, dass
wir in regelmäßigen Abständen mit unseren Bündnis-
partnern alles besprechen und alles überprüfen. Deswe-
gen ist eine Frage, ob ich etwas ausschließe, vielleicht

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(C (D ett für den parteipolitischen Hickhack, in der Sache ist s absolut unangemessen, wenn man weiß, dass wir nur einem Bündnis gemeinsam erfolgreich sein können – bsolut unangemessen! Ich sage Ihnen das auch, Herr Kollege, weil ich laube, dass Sie sich von der größeren Oppositionspari, der SPD, wirklich eine Scheibe abschneiden könnn. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gesülze!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


iese sozialdemokratische Partei ringt mit sich, disku-
ert, wägt die Argumente ab und erklärt öffentlich auf
en Antrag der Bundesregierung hin, dass sie die Ab-
icht habe, die Soldatinnen und Soldaten nicht alleinezu-
ssen, und sie ihnen den Rücken stärken wolle.

Bei Ihnen ist das ganz anders. Es hat noch niemals ein
ußenminister so viele Soldaten in Auslandseinsätze ge-

chickt wie der grüne Außenminister, nur, dass Sie da-
on nichts mehr wissen wollen, kaum dass Sie in der
pposition sitzen.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Blödsinn! Wann?)


s ist verantwortungslos, was Sie hier machen, verant-
ortungslos!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das waren viel weniger!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708511400

Herr Bundesminister, erlauben Sie noch eine Zwi-

chenfrage des Kollegen Stefan Liebich von der Linken?

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
ärtigen:
Ja.


Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708511500

Sehr geehrter Herr Außenminister, Sie haben gerade

in paar Passagen aus dem Text vorgelesen, der hier zur
bstimmung steht, allerdings nicht aus dem Teil, über
en abgestimmt werden soll. Können Sie bestätigen,
ass die Bedingung, die die SPD für ihre Zustimmung
estellt hat, im Beschlusstext des Antrags der Bundesre-
ierung überhaupt nicht erfüllt wird und dass das, was
ie hier vorgelesen haben, sowie jede Zahl, die einen
bzug andeutet, lediglich in der Begründung des Regie-
ngsantrags stehen?

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
ärtigen:
Ich will Ihnen kurz antworten. Sie sind doch nicht erst

eit ein paar Wochen, sondern schon seit ein paar Mona-
n im Deutschen Bundestag.


(Michael Brand [CDU/CSU]: Viel zu lange! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht so arrogant!)






Bundesminister Dr. Guido Westerwelle


(A) )


)(B)

Sie müssen doch wissen, Herr Kollege, bei allem Re-
spekt, dass es immer so gewesen ist, dass wir einen An-
tragstext vorlegen und dass die Begründung natürlich
auch die politische Einbettung dieses Antragstextes dar-
stellt. Soll denn der Deutsche Bundestag ernsthaft be-
schließen, dass die Bundesregierung zuversichtlich sei?
Ich glaube, hier sollte der Deutsche Bundestag etwas
selbstbewusster sein. Wir haben eine Parlamentsarmee
und keine Regierungsarmee. Deswegen hat dieser Deut-
sche Bundestag das letzte Wort; alles andere ist surreal.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben dann die Aufgabe, den Prozess, den wir
hier hoffentlich gemeinsam oder jedenfalls mit großer
Mehrheit verabschieden werden, in diesem Jahr hand-
werklich voranzubringen. Für die politische Lösung, die
wir anstreben, haben wir im letzten Jahr drei wichtige
Wegmarken gehabt: London, Kabul und die Konferenz
in Lissabon. In diesem Jahr werden wir eine sehr wich-
tige Wegmarke bei uns in Deutschland haben, nämlich
die Afghanistan-Konferenz in Bonn. Ich sage Ihnen vo-
raus, dass diese Konferenz, die am Ende des Jahres statt-
finden wird, die Schwerpunkte haben wird, um die es
geht: die politische Lösung, Reintegration, auch Aussöh-
nung, den Dialog. In den Mittelpunkt dieser Afghanis-
tan-Konferenz muss aber auch die Zeit ab 2014 rücken.
Das war der Gedanke, bevor die Zwischenfragen gestellt
worden sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer heute in Afgha-
nistan den Eindruck hinterlässt, ab 2014 sei man dort auf
sich allein gestellt, weil wir uns für die Menschen dort
nicht mehr interessieren, sie könnten machen, was sie
wollen, und sollten zusehen, wie sie klarkommen, der
wird nur erreichen, dass es weder Fortschritte bei der gu-
ten Regierungsführung sowie bei der Bekämpfung des
Drogenhandels und der Korruption noch Fortschritte im
demokratischen Prozess geben wird, den wir alle wollen.
Dann riskiert man, dass genau die Partner, die wir brau-
chen, um das Land auf Dauer sicher aufzubauen, nichts
mehr mit uns zu tun haben wollen, weil sie anschließend
um ihr Leben und das ihrer Familien fürchten müssen.

Weil so etwas keine verantwortungsvolle Politik
wäre, wollen wir einen Prozess der Übergabe der Verant-
wortung in Verantwortung. Man bringt etwas verantwor-
tungsvoll zu Ende, was man gemeinsam im Bundestag
beschlossen hat, und man enttäuscht nicht die Freunde,
die man braucht, um mit Blick auf Terrorismus auch un-
sere eigene Sicherheit hier in Deutschland vergrößern zu
können.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir haben im Rahmen unserer Mitgliedschaft im Si-
cherheitsrat der Vereinten Nationen die Koordination für
Afghanistan übernommen. Ich werde deswegen regel-
mäßig hier im Deutschen Bundestag zu diesem Thema
sprechen. Ich gehe davon aus, dass wir darüber regelmä-
ßig in den Ausschüssen diskutieren werden. Ich kann Ih-
nen zusagen, dass ich Sie – Ihre Obleute und Ihre Reprä-
sentanten –, wo immer ich kann, über die Fortschritte
parlamentarisch auf dem Laufenden halten werde. Ich

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(C (D laube, das konnten Sie in den letzten Monaten verfolen; das soll so fortgesetzt werden. Ich glaube nämlich, ass eine breite Mehrheit im Deutschen Bundestag viel eniger eine Angelegenheit der Politik als eine klare ückendeckung für die Frauen und Männer der Bundesehr ist, die in Afghanistan ihren Kopf für unsere Freieit und unsere Sicherheit hinhalten. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir gesehen!)


ine solche breite Mehrheit ist auch für unsere interna-
onalen Verbündeten, für unsere Bündnispartner wich-
g, damit sie wissen: Das wird von der Politik in der
reite getragen.

Man muss in der Politik bereit sein, Verantwortung zu
bernehmen, selbst wenn es einen in den Umfragen viel-
icht das eine oder andere Prozentpünktchen kostet.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das brauchen Sie uns nicht zu sagen!)


s geht erst einmal um die Sicherheit, die Freiheit, die
ukunft unseres Landes und Afghanistans. Meine Da-
en und Herren von der Opposition, von den Grünen,
ie sollten sich ein Beispiel an den Sozialdemokraten
ehmen. Wenn ich das sage, sollte Sie das nachdenklich
achen.

Herzlichen Dank.


(Anhaltender Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708511600

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Rolf Mützenich

on der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1708511700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Herr Bundesaußenminister, ich weiß nicht, ob
ie gedacht haben, dass Sie die Sozialdemokratinnen
nd Sozialdemokraten, insbesondere deren Redner, mit
o viel Lob irritieren könnten. Ich möchte aber zu Be-
inn sagen: Wir sollten bei solch einer bedeutenden De-
atte schon den wichtigen Versuch unternehmen, gegen-
eitig Brücken zu bauen; das scheint mir bei dieser Frage
ringend notwendig.

Wir haben hier im Deutschen Bundestag schwierige
ebatten über das Bundeswehrmandat erlebt; aber das,
as sich die Bundesregierung in den letzten Wochen bei
er Entwicklung dieses Mandates geleistet hat, war bei-
piellos:


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: So gut?)


ie haben irritiert und provoziert; Sie haben sich in der
egierung zerstritten. Frau Bundeskanzlerin, ich frage
ie: Haben Sie in diesem Kabinett eigentlich eine ord-
ende Hand?





Dr. Rolf Mützenich


(A) )


)(B)


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wie werden Sie der Verantwortung gerecht, dass Sie bei
dieser wichtigen internationalen Frage die Führung über-
nehmen müssen? Ich finde, Sie haben nicht nur das Par-
lament verunsichert, sondern auch die Bündnispartner.
Das hat die deutsche Politik im letzten Jahr ausgemacht:
Nach der Formulierung des Mandatstextes sind zwei
Pressekonferenzen durchgeführt worden, auf denen zwei
unterschiedliche Interpretationen vorgetragen wurden.
Das halte ich bei diesem wichtigen Mandat nicht nur für
ungewöhnlich, sondern auch für eine Zumutung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe mich schon gefragt: Wollen Sie wirklich eine
breite Zustimmung des Parlaments erreichen? Herr Bun-
desaußenminister, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie
heute hier wichtige Feststellungen – hoffentlich für die
gesamte Bundesregierung – getroffen haben. Wir wer-
den in den Ausschussberatungen darüber reden. Leider
waren Sie bisher nicht stark genug, um Querschüsse, ins-
besondere des Verteidigungsministers, zu verhindern.

Ich habe mich gefragt, ob das Primat des Politischen,
das beim Afghanistan-Mandat bisher Vorrang vor allem
anderen hatte, im Kabinett einem Primat des Militäri-
schen gewichen ist. Ich finde, hier müssen Sie das Ver-
trauen wiederherstellen. Es kann doch nicht sein, dass
sich ein Verteidigungsminister hinstellt und sagt: „Ein
Kabinettsbeschluss ist mir wurscht.“ Was ist das denn
für ein Umgang mit der Öffentlichkeit, aber auch mit Ih-
nen im Kabinett!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


Ich sage Ihnen: Am Ende ist es dieses Parlament, das
die Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan zurückführt,
nicht irgendein einzelner Minister. Es handelt sich um
eine Parlamentsarmee; das wird auch so bleiben.


(Beifall bei der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns Sozialde-
mokraten war Afghanistan immer mit politischen Zielen
verknüpft. Wir wollten, dass die Afghanen die Möglich-
keit, auch die Chance haben, nach verheerenden Jahr-
zehnten sowjetischer Besatzung, Bürgerkrieg und Inter-
ventionen Afghanistan wieder aufzubauen. Aber das
sind politische Ziele.

Wir haben die Chance gesehen, dass diese politischen
Ziele mit Präsident Obama und dann auch mit der Lon-
doner Konferenz verbindlich werden und dann das Mili-
tärische dem untergeordnet wird. In dem wichtigen Be-
schluss, der noch gilt und jetzt durch das neue Mandat
abgelöst werden soll, ist genau das aufgenommen wor-
den, was wir diskutiert haben. Hier gebe ich Ihnen recht,
Herr Bundesaußenminister: Das war für uns in der so-
zialdemokratischen Partei eine schwierige Debatte. Aber
wir haben auf unseren Konferenzen über den zivilen
Wiederaufbau gesprochen, wir haben über die Polizei-

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(C (D usbildung gesprochen. Wir wollten, dass die Sichereitsverantwortung den afghanischen Streitkräften, den fghanischen Behörden übergeben wird, wir haben über orruption gesprochen und viele andere Dinge. Das ist den Beschluss aufgenommen worden. Nicht das Milirische hat im Vordergrund gestanden, sondern wir haen eine Verknüpfung haben wollen. Genau das, glaube h, ist doch der Kern der Diskussion. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Krieg ist der Kern!)


eider, Herr Bundesverteidigungsminister, haben Sie da-
on abgelenkt.

Ein Abzugsplan mit militärischen Zielen, das ist doch
as Wichtige. Wir haben ein Signal in die Region, aber
uch an die afghanische Regierung geben wollen: Sie
üssen davon ausgehen, dass die internationale Gemein-

chaft irgendwann die Verantwortung übergeben will.
as wird bis 2014 der Fall sein. Dieser Abzugsplan wird
den nächsten Tagen auch bei den Beratungen in den
usschüssen eine Rolle spielen.


(Beifall bei der SPD)


Dann kommen Sie daher und sagen, ein solcher Ab-
ugsplan sei leichtfertig. Wollen Sie wirklich den Bünd-
ispartnern Kanada, den Niederlanden und den USA,
em amerikanischen Präsidenten, Leichtfertigkeit unter-
tellen, wenn sie einen solchen Abzugsplan unterstüt-
en? Diese Frage müssen Sie hier beantworten, und ich
offe, dass der Verteidigungsminister dies gleich tun
ird.

Herr zu Guttenberg, ich glaube, Ihr Problem bei Af-
hanistan ist, dass Sie nur noch durch die militärische
rille schauen und versuchen, in der Öffentlichkeit al-
in ein militärisches Bild darzustellen. Das ist nicht
ein Verständnis von einem Verteidigungsminister. Sie

ind ein Zivilist, der aus meiner Sicht an dieser Stelle
oderne Sicherheitspolitik mit den politischen Zielen

erbinden müsste, die die internationale Gemeinschaft
ill.

Diesen Eindruck hatte man beispielsweise bei Ihrem
uftritt bei Kerner – mir zumindest ist es so gegangen,

ls ich mir das angeschaut habe – nicht. Da ging es eben
icht um Kunduz, da ging es nicht um die Polizeiausbil-
ung, da ging es nicht um die Skepsis der Afghaninnen
nd Afghanen. Das gehörte nämlich nicht zu Ihrer Show.
nd das ist der entscheidende Punkt, den ich hier kriti-

iere. Ich glaube, Sie sind kein guter Sicherheitspolitiker,
ondern Sie wandeln nur auf den Wegen alter Militär-
olitik.


(Zuruf von Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU])


h glaube, das führt auch Sie in der Regierungskoalition
uf einen falschen Weg.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Frau Bundeskanzlerin, ich möchte Sie zum Schluss
olgendes fragen: Sie haben sich ja sozusagen – ich
eiß nicht, woran es liegt – diesem Trend ein bisschen





Dr. Rolf Mützenich


(A) )


)(B)

unterworfen. Vielleicht hat das auch etwas mit Mei-
nungsumfragen zu tun. Aber auch Sie scheuen sich ja
nicht, das Wort „Krieg“ zu nennen, auch als Sie damals
in Afghanistan gewesen sind. Der Bundesaußenminister
hat im letzten Jahr nach meinem Dafürhalten zu Recht
erklärt, dass es sich hier um einen bewaffneten interna-
tionalen Konflikt handelt, wenn man das Völkerrecht als
Grundlage nimmt. Ich glaube, Sie sollten sich doch ein-
mal die Frage stellen, ob Sie nicht eine Tendenz in der
öffentlichen Diskussion unterstützen, die nach meinem
Dafürhalten genau in die falsche Richtung geht. Wenn
zum Beispiel der Vorsitzende des Deutschen Bundes-
wehrVerbandes, Herr Kirsch, sagt: „Was interessieren
mich verfassungsrechtliche Spitzfindigkeiten?“, dann
müssen wir doch dagegenhalten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die völkerrechtlichen Fragen stehen doch im Vorder-
grund einer solchen Diskussion. Ich glaube, das muss
doch auch einer Kanzlerin ein bisschen durch den Kopf
gehen.

Wir werden in den kommenden Tagen streng darauf
achten, ob Sie glaubhaft die politischen Ziele mit einem
verbindlichen militärischen Abzugsplan verbinden wol-
len. Dann und nur dann können Sie mit einer breiten Un-
terstützung durch die SPD rechnen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708511800

Das Wort hat jetzt der Bundesminister der Verteidi-

gung, Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bun-
desminister der Verteidigung:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Lieber Herr Kollege Mützenich, das Rednerpult
scheppert noch. Ich danke Ihnen für die Feststellung, ein
Zivilist zu sein. Das ist richtig.

Bevor ich auf die Diskussion über das ISAF-Mandat
und gerne auch auf die Punkte, die Sie, Kollege
Mützenich, genannt haben, eingehe, darf ich noch einige
Sätze zu drei Fällen sagen, die die Bundeswehr, aber auch
die Öffentlichkeit in diesem Land beschäftigen. Hier gilt
der ganz klare Anspruch, dass man rückhaltlos aufklärt,
dass man die Dinge bewertet und man sie, wenn die Vor-
würfe Tatsachen entsprechen sollten, abstellt und die ent-
sprechenden, notwendigerweise harten Konsequenzen
zieht. Das ist die Herangehensweise. Ich glaube, so sollte
man solche Punkte angehen: nicht mit Vorverurteilungen,
nicht mit irgendwelchen Mutmaßungen oder Vermutun-
gen, sondern auf der Grundlage von Tatsachen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Thomas Oppermann [SPD]: Aber es muss schnell festgestellt werden!)


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(C (D In diesem Kontext darf ich auch sagen – auf der Triüne sitzen heute Soldaten; sie wurden vom Kollegen esterwelle bereits begrüßt –, dass in der Bundeswehr ehr als 300 000 Menschen arbeiten. Es ist nie auszu chließen, dass es auch mal zu Verfehlungen und zu Fehrn kommt. Daraus ein Pauschalurteil abzuleiten und leichzeitig die großartigen Leistungen der anderen hiunterzuziehen, wäre aber vermessen. Auch das können ir nicht machen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Wer tut denn das?)


Ich darf auch deutlich machen, dass ich mich mit aller
ntschiedenheit gegen Vorwürfe verwahre, meine Mitar-
eiter oder ich hätten das Parlament vorsätzlich ge-
uscht oder Tatsachen vertuscht. Solche Verdächtigun-
en sind infam und fallen letztlich auf diejenigen zurück,
ie sie abgeben. Es geht auch weiterhin darum, dass wir
ie Dinge mit größtmöglicher Offenheit ansprechen und
ortragen


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Wie bei Kunduz!)


nd man einen vertrauensvollen Umgang miteinander
flegt. Diesen haben wir in den letzten Jahren grundsätz-
ch entwickelt. Auch heute fand diesbezüglich eine Ob-
uteunterrichtung statt. Ich glaube, das ist der richtige
eg.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Kommen Sie einmal zu Afghanistan! Es wird Zeit!)


Ein Fall betrifft Afghanistan. Wenn man über Afghani-
tan spricht, ist es wichtig, über Tatsachen und nicht über

utmaßungen zu sprechen, insbesondere dann nicht,
enn der Schutz eines Soldaten, der gerade Ermittlungen

usgesetzt ist, deswegen gefährdet sein könnte. Ich
laube, es ist notwendig, auch das zu sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Was das ISAF-Mandat anbelangt, hat Kollege
esterwelle völlig zu Recht darauf hingewiesen, wie
ichtig und stark das Signal ist, das wir heute geben; das
egann mit der Regierungserklärung des Kollegen
iebel. Zum Bezugspunkt, lieber Kollege Mützenich: Es
äre verwegen, die Zukunft Afghanistans und die zu-
ünftige Gestaltung Afghanistans nur durch die militäri-
che Brille zu betrachten. Das würde zeigen, dass man
laubt, die Ziele in Afghanistan allein militärisch errei-
hen zu können. Das ist eine schiere Illusion. Das ist
icht machbar und nicht darstellbar. Das geht nur durch
in Zusammenwirken der Kräfte. Das geht nur, wenn die
ntwicklungshilfe, also die zivile und diplomatische He-
ngehensweise, eine wirklich starke Säule darstellt. Ich

ann nur sagen: Die ressortübergreifende Zusammenar-
eit innerhalb des Kabinetts in den letzten Monaten ist
esser als das, was wir in den Jahren vorher erlebt haben.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auweia!)






Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg


(A) )


)(B)

Dafür danke ich den Kollegen noch einmal. Das Zusam-
menwirken hinsichtlich der Zielsetzung Afghanistan ist
erstklassig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Sascha Raabe [SPD]: Selbstbeweihräucherung! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum führen Sie dann Krieg?)


Im Übrigen führt der Verteidigungsminister die
Truppe natürlich nicht heim. Das würde ich mir auch nie
anmaßen, lieber Herr Kollege Mützenich. Es ist interes-
sant, welche Zitatbrocken vermengt wurden. Aber der
Verteidigungsminister gibt während eines Mandates im-
mer wieder eine militärische Bewertung ab, so wie der
Minister des Auswärtigen eine Bewertung der anderen
Punkte – auch eine übergreifende Bewertung – vor-
nimmt, so wie der Entwicklungsminister eine entwick-
lungspolitische Bewertung abzugeben hat. Das ent-
spricht der Erwartungshaltung, die letztlich auch Sie an
uns haben.

Die NATO hat den in Lissabon und auf den Konferen-
zen in Kabul und London beschlossenen Strategiewech-
sel mittlerweile umgesetzt. Dieser Strategiewechsel trägt
in meinen Augen erste Früchte. Das kann man wirklich
sagen.

Über meinen Fachbereich haben wir auch im letzten
Jahr intensive Diskussionen geführt, etwa was das Kon-
zept des Partnerings anbelangt. Das Konzept des Partne-
rings – als ein Ausbildungskonzept, als ein Schutzkon-
zept,


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Offensivkonzept!)


ja, auch als ein Konzept, um die Aufständischen letztlich
aus ihren schon ergriffenen Räumen in andere Räume zu
verdrängen – ist eines, das erfolgreich läuft. Mit den
Ausbildungsleistungen sind wir im Zeitplan. Es ist sogar
so, dass wir vor dem Zeitplan liegen. Ich glaube, das
kann als ein Erfolg gewertet werden. Das ist ein Erfolg
der Leistungen der militärischen wie der zivilen Kräfte
vor Ort, ein Erfolg des Zusammenwirkens, und das funk-
tioniert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben natürlich Zielsetzungen zu erfüllen, auch
ehrgeizige, ambitionierte Zielsetzungen. Wir haben in
den letzten Monaten und im letzten Jahr gottlob auch
eine Diskussion über realistische Ziele geführt: Was ist
in Afghanistan erreichbar? Wann ist es erreichbar? Mit
welchen Partnern ist es erreichbar?

Vor diesem Hintergrund sage ich: Ja, 2011 wird für
uns ein forderndes Jahr werden.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie letztes Jahr auch schon gesagt! Nichts Neues!)


Präsident Karzai hat gesagt, er will diesen Prozess der
Übergabe in Verantwortung, von dem der Kollege

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(C (D esterwelle gesprochen hat, bis zum Jahr 2014 abchließen. Natürlich unterstützen wir ihn nachdrücklich diesem Vorhaben; das versteht sich von selbst. Das Jahr 2011 steht für den Gedanken, dass niemand auerhaft in Afghanistan bleiben will. Das ist ein Geanke, der nicht nur uns und die Bevölkerung in diesem ande umtreibt, sondern dieser Wunsch erfüllt natürlich uch die Menschen in Afghanistan. Gleichzeitig wäre es ber verantwortungslos, wenn wir jetzt unmittelbar und bereilt abziehen wollten. Das würde die jungen afghaischen Sicherheitskräfte zum jetzigen Zeitpunkt noch berfordern. Deswegen ist der Plan, die Ausbildung bis 014 konsequent abzuschließen. Wir liegen im Plan; das habe ich Ihnen gesagt. Wir ehen unseren Weg zum Abzug. Ich teile ganz ausdrückch die geäußerte Zuversicht, dass wir bereits in diesem ahr mit einem ersten Abzug beginnen können. (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Aber davon steht nichts im Mandat!)


en Satz, den Guido Westerwelle vorhin verlesen hat,


(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Aus der Begründung!)


ann man, wenn man irgendwo einen Streit hineinbrin-
en will, so und so deuten.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja! Allerdings!)


ir haben uns auf diesen Satz geeinigt. Er ist die Posi-
on der Bundesregierung.


(Lachen bei der SPD und der LINKEN – Stefan Liebich [DIE LINKE]: In der Begründung!)


ie Position der Bundesregierung enthält das Ziel und
ie Zuversicht, in diesem Jahr mit dem Abzug zu begin-
en. Guido Westerwelle hat auch klar gesagt – das ist ein
öllig logischer Ansatz –: wenn es die Lage erlaubt.


(Thomas Oppermann [SPD]: Ist die Jahreszahl denn jetzt zu hoch oder nicht?)


ir tun alles dafür, dass es die Lage erlaubt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich glaube, dieser Ansatz ist ehrgeizig. Lieber Kol-
ge Mützenich, dieser Ansatz wird auch vom Zivilisten
arl-Theodor zu Guttenberg mitgetragen, und zwar aus
erantwortung für unsere Soldatinnen und Soldaten, de-
en ich von dieser Stelle aus für ihren Dienst ausdrück-
ch danken will. Sie haben die Anerkennung in diesem
rdernden Einsatz verdient.

Dieser Ansatz ist von der Verantwortung mitgetragen,
ass wir immer auch sagen: Verantwortung haben wir
uch für diejenigen, die dort verbleiben. Auch daran ha-
en wir unsere Entscheidungen auszurichten. Es werden
emeinsam getragene und kluge Entscheidungen sein,
ie wir treffen, und solche, die endlich auch einer Per-
pektive für Afghanistan, die das Land verdient hat, die





Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg


(A) )


)(B)

aber auch unsere Soldaten und unsere zivilen Helfer ver-
dient haben, Ausdruck geben.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708511900

Das Wort hat jetzt der Kollege Paul Schäfer von der

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Paul Schäfer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708512000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Das Sprachrepertoire der
Bundesregierung hat sich in den letzten Monaten be-
trächtlich erweitert. Da hört man Worte, für die die
Linke in der Vergangenheit heftig angegangen worden
ist; „weltfremd“ sind wir genannt worden: „Abzug der
Truppen“, „Versöhnungsprozess“, „regionale Lösung“,
„Selbstbestimmung“, ja, selbst „Verhandlungen mit den
Taliban“ sind kein Tabu mehr. Aber wenn es um Afgha-
nistan und die Menschen dort geht, dann muss eines klar
sein: Rhetorische Wendungen sind nicht angesagt. Die
Politik muss sich ändern, und zwar gründlich. Darauf
kommt es an.


(Beifall bei der LINKEN)


Leider findet man das im Handeln dieser Regierung
nicht.

Mit der jetzt zu beschließenden Entsendung der Bun-
deswehr wird der Eindruck erweckt, man verfolge einen
Abzugsplan. Vorsicht! Man sollte das Kleingedruckte
genau lesen. Nach 2014 möchte man nur keine Kampf-
truppen mehr im Lande haben. Ausbildungseinheiten
sollen bleiben. Wie viele? Nobody knows. Es ist doch
so, schon jetzt sollen sich die Truppen auf die Ausbil-
dung der afghanischen Armee konzentrieren. Wo also
liegt der Unterschied?

Einen Generalvorbehalt hat man auch eingebaut. Der
Abzug soll nur dann stattfinden, wenn bestimmte – in
meinen Augen nicht sehr klare – Bedingungen erfüllt
sind, zum Beispiel eine stabile Regierung in Kabul. Der
Verteidigungsminister hat jetzt gesagt, ihm sei es völlig
wurscht – ja, er hat wirklich „wurscht“ gesagt –, ob der
Rückzug 2014 oder 2013, 2010 oder 2011 stattfinde, auf
die Konditionierung komme es an.

Im Klartext: Das kann noch um einiges länger dauern.
Ich kann nur sagen: Ein eindeutiger, unmissverständli-
che Abzugsplan sieht anders aus,


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und der müsste hier auch beschlossen werden. Es geht
nicht um vage Ankündigungen und Versprechungen,
sondern es geht darum, hier etwas konkret festzulegen
und zu beschließen. Das ist der Punkt.


(Beifall bei der LINKEN)


Man sieht daran auch, dass Ihre Politik nach wie vor
auf der falschen Annahme basiert, die Rückholung der

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(C (D ruppen stünde am Ende eines politischen Friedensproesses. Wenn es aber richtig ist, dass die Aufstandsbeweung so stark geworden ist, weil sie propagieren kann, ie wolle die Fremden aus dem Land werfen, und weil es ine Regierung gibt, die mit dieser im Bunde ist, die zuem noch sehr korrupt ist, dann wird umgekehrt ein chuh daraus. Der unzweideutige Sofortabzug der ATO-Truppen ist Voraussetzung für eine politische Lö ung. Und der sollte unverzüglich eingeleitet werden. as wäre verantwortliche Politik, lieber Kollege esterwelle. Alle sagen jetzt, man könne diesen Krieg nicht militäsch gewinnen. Der Widersinn ist nur: Trotzdem setzen ie weiter auf die militärische Karte, auf die offensive ufstandsbekämpfung. Am Anfang waren es ein paar ausend Soldaten in Afghanistan, zu Beginn des letzten ahres waren es 90 000, heute sind es über 40 000 NATO-Soldaten. Auch die Bundeswehr hat imer mitgezogen, zuletzt die Aufstockung auf über 5 000, ann schwere Artillerie, bald auch Kampfhubschrauber. ieles spricht dafür, dass das Bundeswehrkontingent ald auch noch um AWACS-Besatzungen aufgestockt erden wird und wir also ein Zusatzmandat bekommen. m die Zustimmung des Hauses jetzt nicht zu gefähren, hat man gegenüber der NATO erst einmal abgewunen und gesagt: jetzt nicht. Aber das wird kommen. An der Stelle ein Wort an die lieben Kolleginnen und ollegen von der SPD. Es genügt nicht, nur vor der Samitaktik dieser Regierung zu warnen, man muss diese trategie und diese Taktik auch einmal durchkreuzen, inem man Nein zu einem solchen Mandat sagt. Es ist einfach nicht nachvollziehbar, dass man davon det, jetzt müsse der politische Prozess in den Vorder rund gerückt werden, das Verhältnis Militär/Politik neu stiert werden, und dann mit Truppenaufwuchs, Aufrüsng und Kampfwertsteigerung um die Ecke kommt. as geht einfach nicht. Offensive Aufstandsbekämpfung eißt eben auch: noch mehr Gefechte, noch mehr Wafneinsatz, mit anderen Worten, noch mehr Tod und Zer törung. Im letzten Jahr ist die Zahl der Toten und Vertzten noch einmal beträchtlich nach oben gegangen, ach den Zahlen der UNO allein bei den zivilen Opfern is Oktober um 20 Prozent. Der Verteidigungsminister at jetzt schon angekündigt, es werde noch heftigere ämpfe geben, um die deutsche Öffentlichkeit auf diese age einzustimmen. Herr Minister, so wird das nichts it dem Friedensprozess in Afghanistan. Sehr geehrter Herr Verteidigungsminister, man wird en Krieg auch nicht dadurch gewinnen, dass man ihn ewissermaßen „afghanisiert“. Sehen wir einmal davon b, was es bedeutet, in einem Land mit einer extrem chwachen Regierung einen Sicherheitsapparat von 00 000 Mann aus Militär und Polizei aufzubauen. Das äre noch einmal ein gesondertes Thema. Entscheidend t, dass diese Truppen auf ganz lange Sicht von außen Paul Schäfer )


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)





(A) )

– namentlich den USA – bezahlt werden müssen und
dass sie natürlich auch als entscheidendes Machtinstru-
ment des dortigen Regimes, des Karzai-Regimes, ange-
sehen werden. Deshalb ist die Warnung nicht unbegrün-
det, die da sagt: Dieser Plan kann sich als Roadmap für
einen fortgesetzten Bürgerkrieg erweisen. Deshalb sind
wir entschieden dagegen.


(Beifall bei der LINKEN)

Alle reden inzwischen davon, dass man mit den Geg-

nern reden müsse, sie in einen auszuhandelnden Frie-
densprozess einbinden müsse. Aber trotz dieser schönen
Rhetorik klammern Sie sich an diese trügerische Hoff-
nung, mit militärischer Stärke könne man eine solche
Lösung herbeizwingen. Anders wäre dieser Truppenauf-
wuchs nicht zu erklären.

Und es bleibt eine Tatsache: Wenn Sie die Anführer
nachts mit Drohnen und Spezialkommandos jagen, wer-
den sie sich tagsüber nicht an den Verhandlungstisch set-
zen. Das ist widersinnig und muss beendet werden.


(Beifall bei der LINKEN)

Es wäre also klug, sich stattdessen auf eine Verhand-

lungslösung zu fokussieren, die mit Waffenstillstands-
vereinbarungen lokal und zentral eingeleitet werden
müsste, um dann zu einem Gesamtarrangement zu kom-
men, das uns allen hier nicht schmecken wird. Das
würde aber nicht mehr und nicht weniger bedeuten, als
dass endlich die Waffen schweigen und ein kontinuierli-
cher Aufbau im Land entstehen kann. Das ist die Voraus-
setzung dafür. Es geht also um eine langfristig angelegte
Entwicklungsarbeit mit den Schwerpunkten Bildung und
Ausbildung. Das alles wird aber nur funktionieren, wenn
der Krieg beendet wird. Das ist das A und O.


(Beifall bei der LINKEN)

Wir sagen: Das ist ein mühsamer Prozess, der jetzt in

Gang gebracht werden muss. Deshalb ist es umso wich-
tiger, dass die UNO nicht länger mit einem Beobachter-
status auf der Rückbank sitzt. Es geht eben nicht nur um
einen Deal zwischen der NATO und den Taliban, son-
dern es geht um einen umfassenden Friedensplan bzw.
Friedensprozess, der alle Akteure und Kräfte in Afgha-
nistan umfassen muss und ohne die sicherheitspolitische
Einbindung der Anrainerstaaten nicht gelingen wird.
Dies zu organisieren, sollte den Vereinten Nationen und
niemandem sonst obliegen. Das ist der Punkt.


(Beifall bei der LINKEN)

Es ist üblich geworden, einzugestehen, dass man Feh-

ler gemacht hat.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Dann tun Sie es doch!)

Jetzt müssen praktische Schlüsse daraus gezogen wer-
den, die darin bestehen – das sagt auch eine stabile
Mehrheit in der Bevölkerung –, die Bundeswehr zurück-
zuziehen und sich auf den zivilen Aufbau und eine inter-
nationale politische Lösung zu konzentrieren. Das ist
aussichtsreich. Ich finde, die Leute haben recht. Hören
Sie auf sie!

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Frithjof Schmidt on der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708512100
Herr Präsident! Herr zu Guttenberg, als Reaktion auf

re Vorbemerkung eben: Wir glauben, dass wir als Par-
ment im Fall des toten Soldaten in Afghanistan vom
inisterium objektiv falsch unterrichtet worden sind,


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


nd wir wollen wissen, warum.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


as wird noch weiter aufzuklären sein. Ich kann Ihnen
ur sagen: Das, was Sie hier erklärt haben, genügt uns
icht. Das reicht nicht aus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt komme ich zur Debatte des heutigen Tages. Ich
nde es wichtig, dass wir uns heute Morgen viel Zeit ge-
ommen haben, um über den zivilen Wiederaufbau in
fghanistan zu sprechen. Das kommt oft zu kurz. Dabei

ind gerade diese Anstrengungen entscheidend für die
ukunft Afghanistans. Herr Außenminister, etwas ande-
s ist dabei aber auch deutlich geworden: Durch diese
erkwürdige Zweiteilung der Debatte, die wir heute hier

rlebt haben – vormittags Entwicklungspolitik und zivi-
r Wiederaufbau, nachmittags, getrennt davon, militäri-

ches Mandat –, wird eine Menge über die Koordina-
onsprobleme der Regierung ausgesagt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Ach du liebes bisschen!)


Dass Sie es nach einem weiteren Jahr nicht geschafft
aben, ein integriertes Mandat vorzulegen, in das auch
ie zivile und die politische Dimension aufgenommen
ird, ist ein politisches Versagen; es tut mir leid.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Mir tut die Aussage leid!)


h sage auch: Hätten Sie dem Vorschlag von uns und
en Sozialdemokraten für eine gemeinsame, unabhän-
ige Evaluierung des Einsatzes keine Absage erteilt,
ann hätten wir nun wenigstens eine gemeinsame Lage-
inschätzung. Ihre Absage an uns ist und bleibt ein
chwerer Fehler.

Nun zur politischen Frage, ob die Bundeswehr ein
eiteres Jahr in Afghanistan bleiben soll. Unsere Ant-
ort ist klar: Ja, das soll sie. Ein Sofortabzug der inter-
ationalen Truppen ist und bleibt unverantwortlich. Das
äre ein Treibsatz für einen offenen Bürgerkrieg in
fghanistan. Herr Außenminister, dass Sie meinen, aus-
erechnet uns Grünen vorwerfen zu müssen, wir würden
s uns in dieser Frage leicht machen,





Dr. Frithjof Schmidt


(A) )


)(B)


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Absurd!)


ist sehr billig. Das sollten Sie eigentlich wirklich nicht
nötig haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber so ist er!)


Trotz dieser Einschätzung sage ich: Ich – das gilt
wohl auch für die Mehrheit meiner Fraktion – kann Ih-
rem Mandatstext, wie schon im letzten Jahr, nicht zu-
stimmen.

Wir sind mit einer Reihe von Punkten, wie sie im
Mandat stehen – manches fehlt auch – nicht einverstan-
den. Vor einem Jahr sprach die Bundesregierung davon,
man müsse sich eine Abzugsperspektive erarbeiten. Ein
Jahr später streiten sich die zuständigen Minister da-
rüber, und zwar öffentlich und ohne Ende. Was Sie sich
als Bundesregierung in den letzten Wochen geleistet ha-
ben, ist schon einmalig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Herr Außenminister, Sie haben ausgeführt, dass Sie
2011 mit dem Abzug beginnen wollen. Das nehmen wir
sehr wohl zur Kenntnis. Der Verteidigungsminister hat
Sie daraufhin quasi vom Feldherrenhügel herab abge-
kanzelt und erklärt, das sei ihm wurscht, nach dem
Motto: Wann und wie meine Truppen abziehen, das be-
stimme doch wohl eher ich. Da lasse ich mir auch nicht
von einem angeschlagenen Außenminister hineinreden.


(Dr. Bijan Djir-Sarai [FDP]: Ganz schlecht!)


Im Mandat haben Sie einen Satz aus 49 Wörtern ge-
bastelt, um diesen Konflikt zu übertünchen. Sie haben
ihn dankenswerterweise noch einmal vorgelesen. Am
Ende dieses Satzes steht nur fest, dass bei Ihnen gar
nichts feststeht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Hier ist Plenum und keine Märchenstunde!)


„Die Bundesregierung ist zuversichtlich …, Ende 2011“
mit dem Abzug beginnen zu können, allerdings mit der
Einschränkung: „soweit die Lage dies erlaubt“. Sie sind
Könige des Konjunktivs.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie können nicht weiter ausweichen. Seit über einem
Jahr beschwören Sie eine Abzugsperspektive. Legen Sie
endlich einen konkreten, verlässlichen Plan vor. In ande-
ren Ländern geht das doch auch. Sagen Sie, was Sie zwi-
schen 2011 und 2014 machen wollen. Sagen Sie, wie die
konkreten Schritte 2012 und 2013 aussehen sollen. Das
wollen die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes wis-
sen. Nur so werden wir Druck auf die afghanische Re-
gierung erzeugen, ihre Seite des Fahrplans einzuhalten.
In Interviews sprechen Sie durchaus an, Herr Außen-
minister, dass dieser Mechanismus notwendig ist. Sie
wissen es doch besser. Warum haben Sie sich in der Re-

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(C (D ierung auf den Kompromiss eingelassen? Nur so setzen ir der mittlerweile wohlbekannten Floskel „Dieses Jahr ind wir noch nicht so weit, aber im nächsten wird es esser“ ein strategisches Ende. Hören Sie im Übrigen auf, Unsicherheit über Ihre Abichten zu produzieren. Was ist denn nun mit dem Einatz der AWACS-Flugzeuge? Sie, Herr Westerwelle, lasen erklären, das Thema sei für dieses Jahr vom Tisch, es lgt also kein Mandatsnachklapp in drei Monaten. Das t doch die politische Frage. Aus dem Verteidigungsmiisterium heißt es, im Frühjahr dieses Jahres stehe eine rneute Prüfung an, also gibt es vermutlich doch einen andatsnachklapp in drei Monaten. Was gilt denn nun? ir reden über ein Mandat, für das wir die Zustimmung r ein ganzes Jahr erteilen sollen. Bei dieser Frage spien Sie ein Spiel. Das alles sieht nach Salamitaktik für ine mögliche Truppenaufstockung aus. Das ist das Geenteil von Transparenz und Seriosität. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Herr Außenminister, Sie haben vor einem Jahr das
artnering neu in das Mandat eingeführt, ohne es klar zu
efinieren. Dazu war seitdem in Ihren Erklärungen kein
ort zu hören. Wir hatten die Befürchtung, dass das ein

rozess der schrittweisen Veränderung des Mandats für
ie Bundeswehr bedeutet, nämlich die Abkehr von ISAF
ls Stabilisierungseinsatz hin zu einer Strategie der of-
nsiven Aufstandsbekämpfung. Ich muss leider fest-

tellen: Diese Befürchtung hat sich weitgehend bewahr-
eitet. Damit haben Sie den deutschen Einsatz in
fghanistan auf einen falschen Weg gebracht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt keine ausreichende Klarheit über den militäri-
chen Auftrag und die politischen Ziele. Auch bei der
ilfe für den zivilen Aufbau gibt es höchstens bis 2013
larheit. Unsere Verantwortung für Afghanistan endet

ber nicht mit einem Abzug der internationalen Truppen.
afür brauchen wir eine Strategie, ein Konzept für die
ortsetzung der zivilen Unterstützung nach 2014.

Statt ihres ewigen Streites könnte die Bundesregie-
ng Initiative zeigen. Das wäre ein sinnvoller Beitrag
r die Vorbereitung der Bonn-II-Konferenz Ende dieses

ahres.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708512200

Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Stinner von der

DP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1708512300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ieber Herr Mützenich, ich habe heute von Ihnen eine





Dr. Rainer Stinner


(A) )


)(B)

neue Form der politischen Debatte gelernt, nämlich die
entrüstete Zustimmung.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das finde ich sehr interessant. Für Ihre Entrüstung habe
ich politisch sehr großes Verständnis. Wir alle müssen
sozusagen unsere Kartoffeln zusammenkriegen. Für die
Zustimmung bedanke ich mich bei Ihnen ausdrücklich.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Nicht ganz so überheblich, Herr Stinner!)


Wir sind jetzt zum zehnten Mal dabei, ein Mandat zu
verlängern. Ich möchte an alle Kollegen und auch an die
Öffentlichkeit sowohl hier, als auch andernorts, wo die
Debatte verfolgt wird, appellieren, Folgendes zu verste-
hen: Wir verlängern nicht einfach ein weiteres Mal das
Mandat für Afghanistan wie vielleicht 2006 oder 2007.


(Zuruf von der LINKEN: Genau so!)


– Nein, das ist eindeutig nicht der Fall. Das möchte ich
begründen.

Wir haben heute, im Januar 2011, eine grundsätzlich
andere Situation als vor einem Jahr. Mit den Stichworten
London, Kabul und Lissabon haben wir in der NATO
durch Versammlungen und Meinungsbildung auf der
Ebene der Organisationen erstmals den Dreiklang einer
gemeinsamen Vision, eines gemeinsames Ziels und ge-
meinsamer Strategien.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und einen gemeinsamen Krieg!)


Wir definieren gemeinsame Maßnahmen, die wir auch
durchführen. Es ist insofern ein Vierklang. Das ist neu.
Deswegen gibt es jetzt auch erstmals die Perspektive ei-
nes Endes unseres militärischen Einsatzes, was Kampf-
truppen angeht.


(Zuruf von der LINKEN: Aber die steht nicht im Beschlusstext!)


Diese Differenzierung ist wichtig. Sie ist hier auch ge-
macht worden. Das ist völlig richtig. Das ist neu.

Ich habe ein gewisses Verständnis dafür – ich gebe
zu: ein marginales Verständnis –, dass man von Anfang
an sagt, eine Beteiligung sei unter allen Umständen aus-
geschlossen, weil wir nicht wissen, wann es zu Ende
geht. Aber diejenigen, die eine verantwortliche deutsche
Außen- und Sicherheitspolitik betreiben wollen, müssen
spätestens jetzt erkennen: Die Bundesregierung hat ge-
tan, was sie tun konnte. Sie hat eine Perspektive entwi-
ckelt, wann der Einsatz zu Ende ist.

Ich bitte Sie alle herzlich, dafür zu sorgen, dass wir
diesen Entwicklungspfad der schrittweisen Entscheidun-
gen von London Anfang 2010 bis zum 31. Dezember
2014 gemeinsam verantwortungsvoll gehen. Auf diesem
Entwicklungspfad von London 2010 bis Ende 2014 gibt
es bestimmte Zwischenstufen.

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(C (D Ich sage Ihnen aber ganz deutlich: Wichtig ist für ich die Perspektive 2014. Deshalb halte ich es fachlich nd sachlich nicht für geboten, Herr Kollege Schmidt, ass Sie jetzt von der Bundesregierung verlangen, zu saen, was sie im September 2013 machen will, und dass ie verlangen, dass uns der Verteidigungsminister und er Außenminister sagen, welche Kapazitäten wir im ahre 2013 brauchen. (Stefan Liebich [DIE LINKE]: 2011 nicht einmal!)


h sage Ihnen ganz offen, Herr Schmidt: Das weiß die
undesregierung nicht, und ich weiß es auch nicht. Ich
eiß aber eines: Auch Sie wissen es nicht. Deshalb ist es
öllig unsolide, dies zu tun.


(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Herr Stinner, halten Sie sich zurück!)


eshalb müssen wir den Pfad verfolgen, den wir ge-
einsam in der Koalition beschlossen haben und dem
ie auch zustimmen können.

Ich kann mich sehr gerne auf das beziehen, was ich
vergangenen Monat aus Ihren Reihen gehört habe,

ebe Kolleginnen und Kollegen der SPD. Herr Erler hat
ich dazu eingelassen, dass er bei einem Besuch in
fghanistan – ich glaube, es war im letzten Herbst – ge-

ehen hat: Jawohl, es hat sich etwas verändert.

Ich habe mit großem Interesse heute das Interview
on Herrn Gabriel gelesen. Ich merke, dass das in Ihren
eihen diskutiert wird und dass Sie zu dem Schluss ge-
ommen sind, mehrheitlich diesem Mandat zuzustim-
en.

Selbstverständlich wird auch in dieser Bundesregie-
ng darüber diskutiert, was der richtige Weg ist. Es wird

uch in dieser Bundesregierung und in dieser Koalition
arüber diskutiert, wie die Worte im Mandat gewählt
erden sollen. Das machen Sie doch genauso. Wichtig
t aber, wie Helmut Kohl sagte, was am Ende heraus-
ommt.


(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Wie es ausgeht, wissen wir!)


m Ende kommt heraus, dass das Mandat der Beschrei-
ung entspricht und dass der Außenminister und der Ver-
idigungsminister heute wortgleiche Sätze vortragen
nd ein gemeinsames Konzept haben, das sie offensiv
ach außen vertreten.


(Beifall des Abg. Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU])


Das müssen wir im Deutschen Bundestag wissen. Da-
uf haben nicht nur Sie ein Anrecht, sondern auch wir,
err Mützenich. Wir haben dasselbe Interesse, und wir

ehen, dass die Bundesregierung nach Diskussionen hier
emeinsam auftritt. Insbesondere die Soldaten der Bun-
eswehr, aber auch die Öffentlichkeit haben einen An-
pruch darauf, dass die Bundesregierung ein Konzept
nd einen Gesamtrahmen vorlegt, dass sie innerhalb die-
es Gesamtrahmens verantwortungsvoll einzelne
chritte abarbeitet und etwas tut, was in der Vergangen-
eit nie in der Weise geschehen ist, nämlich in Zwi-





Dr. Rainer Stinner


(A) )


)(B)

schenberichten kritisch und selbstkritisch zu beobachten
und beleuchten, was geschehen ist. Auch das ist im letz-
ten Jahr erstmals geschehen.

Insofern kann ich sagen: Meine Fraktion wird auf-
grund dieser Situation diesem Mandat heute in voller
Übereinstimmung zustimmen. Es wird einige geben, die
sich anders verhalten werden; das wissen wir. Aber wir
glauben, dass wir auf einem richtigen Pfad sind. Die
Bundesregierung hat erstmals etwas erreicht, das es zu-
vor nicht gab. Das ist ein Fortschritt. Die Welt in Afgha-
nistan ist nicht schön. Sie kann aber besser werden. Dazu
wollen wir unseren Beitrag leisten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708512400

Herr Kollege Arnold, da Sie schon am Rednerpult ste-

hen: Normalerweise werden die Redner aufgerufen.


(Rainer Arnold [SPD]: Ich bitte um Entschuldigung! Das Wasser hat mich so gelockt!)


– Ich habe Verständnis für Ihren Durst. Aber Sie sollen
jetzt reden.


(Heiterkeit – Rainer Arnold [SPD]: Ich bitte um Nachsicht!)


Herr Kollege Arnold von der SPD-Fraktion hat jetzt
das Wort.


(Heiterkeit)



Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1708512500

Herr Präsident, bitte gehen Sie gnädig mit mir um. Ich

bitte um Entschuldigung.

Herr Kollege Stinner, Sie haben mit der „entrüsteten
Zustimmung“ einen netten Begriff geprägt, der deutlich
machen soll, wie Sozialdemokraten dem Mandat zustim-
men. Darf ich Ihnen etwas dazu sagen? – Meine Partei
kann stolz darauf sein, wie sie mit der ernsten Situation
in Afghanistan und dem schwierigen Auftrag der Solda-
ten umgeht. Ja, wir ringen mit uns – und zwar in der gan-
zen Breite unserer Partei –, manchmal sogar ein bisschen
stellvertretend für unsere Gesellschaft und andere Par-
teien, denen es guttäte, genauer zu diskutieren. Ich
komme noch darauf zurück.

Aus der Diskussion ist bei uns die Erkenntnis erwach-
sen: Ja, auch im elften Jahr ist der Einsatz in Afghanistan
nicht nur in militärischer, sondern vor allen Dingen auch
in ziviler Hinsicht notwendig, weil er im Interesse der
Welt und damit auch im Interesse Deutschlands liegt.
Niemand will sich ausmalen, was in dieser ohnehin
schon fragilen Region – unter anderem mit Pakistan als
Nachbar und gefährdeten zentralasiatischen Staaten –
passieren würde, wenn Afghanistan zum zerfallenden
Staat wird. Die Instabilität geht uns daher etwas an. Es
ist richtig, unserem Auftrag dort gerecht zu werden. Ich
sage Ihnen, meine Damen und Herren von der Linken:
Die Idee, dass die UNO Verantwortung in Afghanistan
übernimmt und die Staatengemeinschaft beauftragt, in

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(C (D rem Auftrag dort zu handeln, bleibt richtig. Sie darf icht diskreditiert werden. Das ist für uns genauso wichg. Herr Kollege Arnold, erlauben Sie eine Zwischen age des Kollegen Stefan Liebich von der Linken? Ja, gerne. Bitte, Herr Liebich. Herr Kollege Arnold, Sie haben auf das Ringen inner alb der SPD hingewiesen. Deshalb möchte ich Ihnen erne die gleiche Frage stellen wie vorhin dem Bundesußenminister. Die SPD hat – für die Öffentlichkeit relav klar – gesagt, dass sie einer Mandatsverlängerung ereut zustimmen wird, wenn diese beinhaltet, dass der bzug im Jahr 2011 beginnt. Nun habe ich gedacht, dass h etwas von dieser Bedingung in dem Beschlusstext ich meine nicht die politische Einbettung –, über den ir abstimmen werden, wiederfinden werde. Ich habe avon nichts wiedergefunden. Deshalb interessiert mich, ie Sie nach Ihrem Ringen zu der Einschätzung gekomen sind, dass Sie nunmehr, nachdem Ihre Bedingung icht erfüllt wurde, der Mandatsverlängerung zustimen wollen. Herr Kollege, Sie müssten eigentlich wissen, dass ers ns zum Beschluss auch die Begründung gehört und ass das zweitens Beschlusslage der NATO ist, auch die ielperspektive 2014. Die Amerikaner haben als größter ruppensteller diese Perspektive sehr deutlich aufgeeigt und werden Mitte des Jahres beginnen. Die Karzaidministration hat ebenfalls dieses Ziel formuliert. Zum lück liegt es nicht im Ermessen des Bundesministers er Verteidigung, ob wir den Einstieg in den Rückzug chaffen, sondern an der Beschlusslage und in der Einicht der Staatengemeinschaft. Deshalb bin ich ganz gessen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können wir ja nach Hause gehen!)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708512600
Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1708512700
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708512800
Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708512900
Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1708513000

ie Bundesregierung hat eine Brücke gebaut. Natürlich
ann man immer darüber streiten, ob eine Formulierung
icht noch verbessert werden kann. Herr Außenminister,
ir könnten uns im Vorfeld von Mandatsdiskussionen
urchaus eine größere Gesprächsbasis vorstellen. Da
ind wir bisher nicht immer ganz glücklich. Aber dieses

andat zeigt die richtige Richtung auf.

Im Übrigen, Herr Kollege, ist 2014 das entscheidende
ahr. Dies ist auch nicht konditioniert,


(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Das steht auch nicht drin!)






Rainer Arnold


(A) )


)(B)

sondern Beschlusslage der Staatengemeinschaft. Neh-
men Sie das bitte zur Kenntnis!


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Doch, das hat er gesagt: konditioniert!)


– Nein. Ich brauche nicht den Außenminister zu verteidi-
gen.


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Da hat der Außenminister etwas anderes erzählt!)


Herzlichen Dank für Ihre Zwischenfrage, Herr
Liebich.

Ich komme auf meine Rede zurück. Eines wurde
heute schon sichtbar – viele Vorredner haben darauf hin-
gewiesen –: Ein einfaches Weiter-so in Afghanistan
würde nicht zum Erfolg führen. London und die folgen-
den Konferenzen haben doch dazu geführt, dass endlich
Ernst gemacht wird, dass alle bei allem mehr tun, dass
man nicht mehr auf den anderen wartet, dass er das lie-
fert, was er zugesagt hat. Allerdings ist auch ganz wich-
tig, dass wir erkennen: Unsere Anstrengungen im Zuge
dieser veränderten Strategie brauchen auch das Jahr
2011, um zu greifen. Wir brauchen Zeit dafür. In diesem
Jahr wird man sehen, ob die Weichenstellungen in die
Richtung führen, die wir uns alle wünschen, nämlich hin
zu mehr Stabilität und hin zu mehr Möglichkeiten des
Aufbaus.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie aber auch letztes Jahr schon gesagt!)


Ganz wichtig ist auch, dass man bei der London-Kon-
ferenz endlich erkannt hat, dass es nicht nur um die Säu-
len der Stabilität und des zivilen Aufbaus geht, sondern
im Zentrum die dritte Säule steht, nämlich der politische
Prozess. Dies gilt sowohl für den regionalen Prozess in
Afghanistan – dabei können wir uns mehr Aktivitäten
der Regierung vorstellen – als auch für den Versöh-
nungsprozess, den die Gesellschaft in Afghanistan
selbstverständlich braucht, damit sie Menschen, die des
Geldes wegen bei den Aufständischen schießen, zurück-
gewinnen kann. All dies sind also vernünftige Entschei-
dungen.

Interessant ist allerdings Folgendes. Die Debatte, in
der wir Sozialdemokraten dies alles vor einem Jahr hier
in Berlin diskutiert haben, in der wir definiert haben,
dass man im Jahr 2011 den Einstieg schaffen und im
Jahr 2014 den Prozess abschließen muss, hat der Bun-
desverteidigungsminister als leichtsinnig bezeichnet.
Dies haben Sie, Herr Minister, in vielen Interviews ge-
sagt. Ist also Obama, ist also die Staatengemeinschaft
leichtsinnig? Wie gehen Sie eigentlich mit diesem
Thema um? Wenn wir zustimmen, stimmen wir nicht
wegen des Verteidigungsministers, sondern trotz des
Verteidigungsministers zu.


(Beifall bei der SPD)


Kann man von einem Verteidigungsminister, der er-
klärt, ihm sei all das wurscht, ernsthaft erwarten, dass er
sich anstrengt, dass all das, was wir hier miteinander dis-
kutieren, dann tatsächlich zum Tragen kommt? Herr

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(C (D inister, um Erfolg in Afghanistan zu haben, ist auch ertrauen in den Prozess nötig, und zwar bei den Menchen hier in Deutschland und vor allen Dingen bei den enschen in Afghanistan. Sie müssen wissen, was bei er Verantwortungsübernahme auf sie zukommt. Desalb darf ein Minister nicht sagen, dieser Prozess und die rage, ob auf politische Aussagen Verlass sei, seien ihm urscht. Herr Minister, Sie selbst haben heute diese drei akellen Fälle bei der Bundeswehr angesprochen. Ja, es ind Einzelfälle. Es genügt aber nicht, wenn der Verteidiungsminister auffordert, diese Fälle aufzuklären. Der erteidigungsminister und kein anderer ist der Verantortliche für die Aufklärung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Herr Minister, wir haben ja heute Morgen in dem von
nen angesprochenen Obleutegespräch miteinander dis-

utiert. Sie sagen, im Prinzip hätten Sie die Öffentlich-
eit richtig informiert, und in den Fällen, in denen das
arlament unvollständig informiert wurde, hätten zwei
hrende Militärs die Verantwortung übernommen. Jen-

eits der Frage, wie man die schlechte Informationspoli-
k ganz genau bezeichnet, ist festzuhalten: Das ist ty-
isch für Ihre Vorgehensweise. Wenn es unbequem wird,
gen Sie die Verantwortung anderen auf die Schulter.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Jetzt hören Sie doch einmal auf!)


Herr Minister, eine unvollständige Information ist
ine Halbwahrheit. Das ist für uns ein sehr ernstes
hema, auch wegen Afghanistan. Wir Sozialdemokraten
ollen mithelfen, das über das Thema Afghanistan in
er deutschen Gesellschaft diskutiert wird. Wir wollen
ie Menschen möglichst mitnehmen und ihnen erklären,
ass dieser Einsatz richtig und notwendig ist. Das wird
ns aber nur dann gelingen, wenn die Bürgerinnen und
ürger den Eindruck haben, dass wir als Parlamentarier
dabei sind Sie genauso angesprochen wie wir – wissen,
ber was wir reden, und dass die Bundesregierung uns
eitnah, korrekt und umfassend informiert. Dann schaf-
n wir Vertrauen in den Afghanistan-Einsatz. Dies hat

ie Bundesregierung in den vergangenen Wochen leider
icht geleistet.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)


Entscheidend ist, dass das Vorhaben in Afghanistan
elingt. Ich sehe eine ernsthafte Chance, dass die be-
chlossenen Maßnahmen in den nächsten Monaten wei-
re Erfolge zeitigen werden. Afghanistan ist nämlich
icht überall schlecht. Afghanistan muss man sehr diffe-
nziert betrachten: Es gibt sehr negative Nachrichten,

ber auch Entwicklungen, die Hoffnung und Mut ma-
hen. Dies bestätigen die Menschen auch bei den Umfra-
en in Afghanistan.

Ich sage ganz eindeutig: Könnten wir eigentlich ei-
em Mandat zustimmen, wenn wir nicht eine ernsthafte
hance auf Erfolg sehen würden? Es wäre nicht zu ver-





Rainer Arnold


(A) )


)(B)

antworten, Soldaten, denen wir Respekt und Anerken-
nung schuldig sind, in einen Einsatz zu schicken, wenn
wir nicht die Perspektive hätten, dass es am Ende ge-
lingt. Das Gelingen muss man allerdings richtig definie-
ren. Dabei gab es in den vergangenen zehn Jahren das
eine oder andere Missverständnis. Gelingen in Afghanis-
tan heißt nicht, militärisch den Terror zu besiegen. Das
wird nicht gelingen. Gelingen in Afghanistan heißt, Ter-
ror zurückzudrängen, jetzt zunehmend zusammen mit
den Afghanen; dort ist man schon so weit. Gelingen in
Afghanistan heißt außerdem, die Zeit zu nutzen und den
Afghanen zu helfen, damit sie im Jahr 2014 mit den Pro-
blemen, die es dort dann selbstverständlich noch geben
wird, selbst umgehen können. Das ist das Ziel. Ich
glaube, dieses Ziel ist erreichbar. Dass es erreicht wird,
ist für uns alle extrem wichtig.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708513100

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Hans-Peter

Friedrich von der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU):
Rede ID: ID1708513200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Lieber Herr Kollege Schmidt, ich möchte zu-
nächst einmal in aller Form, aber ganz klar Ihre Unter-
stellung zurückweisen, der Minister habe hier das Parla-
ment falsch unterrichtet.


(Rainer Arnold [SPD]: „Unvollständig“ hat er gesagt, Herr Kollege!)


– Nein, er hat gesagt, er habe es falsch unterrichtet. Herr
Arnold, Sie haben von unvollständig gesprochen. Weder
das eine noch das andere ist richtig. – Der Minister hat
das Parlament und die Öffentlichkeit vollständig über
die Tatsachen unterrichtet, die ihm vorlagen und die bis-
her ermittelt worden sind.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das kennen wir schon! Das ist nicht das erste Mal!)


Ich möchte insbesondere darauf hinweisen, dass nach
dem Tod des jungen Soldaten am 17. Dezember bereits
am 18. Dezember in Afghanistan, während der Herr
Minister noch vor Ort war, die Unterrichtung erfolgt ist
und dass jetzt zunächst einmal die Staatsanwaltschaft er-
mittelt. Sie versucht, die Tatsachen herauszufinden. Das
muss abgewartet werden. Erst wenn das geschehen ist,
ist der Zeitpunkt da, an dem der Minister über weitere
Tatsachen unterrichten kann. Ich erwarte von einem
Minister, dass er das Parlament nicht über Spekulationen
unterrichtet, sondern dass er über Fakten spricht. Das hat
er zu jedem Zeitpunkt getan.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708513300

Herr Kollege Friedrich, erlauben Sie eine Zwischen-

frage der Kollegin Keul?

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(C (D Ich erlaube keine Zwischenfrage. Herr Schmidt, lassen Sie mich noch etwas zu dem hema AWACS sagen. Die NATO hat beschlossen, die uftraumüberwachung in Afghanistan zunächst für 0 Tage mit AWACS-Flügen zu verbessern. Der erste lug hat bereits am 15. Januar stattgefunden. Zurzeit ibt es aber keinerlei Notwendigkeit dafür, dass sich eutschland mit Personal an diesem Einsatz beteiligt. sofern ist es auch gar nicht notwendig, dass wir ein andat für diesen Bereich erteilen oder darüber disku eren. Ich will nun das aufgreifen, was der Kollege Arnold m Schluss gesagt hat. Natürlich müssen wir bei jeder andatsverlängerung hier im Deutschen Bundestag uch die Fragen der Öffentlichkeit beantworten. Die eine utet: Was sind die Abzugsperspektiven? Das ist heute chon erörtert worden. Wir müssen aber auch immer ieder fragen, wie Herr Kollege Arnold es getan hat: arum sind wir eigentlich in Afghanistan? Es gilt unverändert das Ziel, das schon vor fast zehn ahren vonseiten des grünen Außenministers Fischer und es damaligen SPD-Bundeskanzlers Schröder umrissen orden ist: Mit Blick auf die Menschen, die über viele ahre unter diesem grausamen Regime gelitten haben, ist nbedingt zu vermeiden, dass das Unrechtsregime der aliban nach Afghanistan zurückkommt. Kollege Arnold hat auf ein zweites wichtiges Ziel ingewiesen. Afghanistan liegt an einem Knotenpunkt wischen vier Atommächten: Russland, China, Indien nd Pakistan, wobei Pakistan sich in einer außerordentch schwierigen, höchst fragilen politischen Situation efindet. Es liegt nicht nur im Interesse der Mächte vor rt, sondern auch im weltweiten Interesse, dass diese egion stabil wird und in Zukunft stabil bleibt. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie tun alles, damit dies nicht der Fall ist!)

Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU):
Rede ID: ID1708513400

as ist ein entscheidender Punkt. Er hat dazu beigetra-
en, dass die Völkergemeinschaft – dazu gehören nicht
ur die Deutschen, die Amerikaner, die Franzosen und
ie Engländer – die Entscheidung getroffen hat, mit dem
andat, das im Oktober vergangenen Jahres noch ein-
al bekräftigt worden ist, 46 Nationen zu beauftragen,
Afghanistan für die Stabilität zu sorgen, die notwen-

ig ist, um weltweit Sicherheit, also auch in Deutsch-
nd, garantieren zu können. Ich glaube, das ist etwas,
as man bei der Diskussion um Afghanistan immer wie-
er in den Vordergrund stellen muss.

Es geht aber auch um die Übergabe in Verantwortung,
o wie es im Grunde in London zu Recht als nächster
chritt der Stabilisierung vereinbart worden ist. Diese
bergabe in Verantwortung findet statt. Der Minister hat
as, glaube ich, sehr umfangreich ausgeführt.

Oft wird gesagt: Nichts ist gut in Afghanistan. – Es ist
ieles in Afghanistan gut geworden. Es ist gut, dass es,
achdem die Schulen zerstört waren und Mädchen und
rauen bis 2001 keinen Unterricht in Schulen erhalten





Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)



(A) )


)(B)

konnten, jetzt gelungen ist, 3 500 Schulen zu bauen, und
dass sich die Zahl der Schüler auf 7 Millionen verfünf-
facht hat, darunter ein Drittel Mädchen. Wir haben heute
Morgen in einer langen Debatte gehört, was in Afghanis-
tan alles gut geworden ist. Es ist noch nicht alles gut,
und es muss noch an vielem gearbeitet werden, aber vie-
les ist gut geworden, auch dank unserer Soldatinnen und
Soldaten. Ihnen gebührt unser Dank, den wir ihnen im-
mer wieder ausdrücken sollten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was die Abzugsperspektive angeht: Sie ist sehr kon-
kret und sehr klar.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja?)


Abzug findet in dem Maße statt, wie es möglich ist, Ver-
antwortung auf die afghanischen Kräfte zu übertragen.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Der Gipfel an Konkretheit und Klarheit! Nichts Genaues weiß man nicht!)


Es geht darum, dass eine Armee von 171 000 Soldaten
aufgebaut wird. Das wird zu schaffen sein im Rahmen
des jetzt zu erteilenden Mandates. Es geht darum, dass
134 000 Polizisten in Amt und Würden eingesetzt wer-
den und ihre Aufgabe wahrnehmen können.


(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Richtig!)


Das wird sich in den nächsten zwölf Monaten im Rah-
men des Mandats realisieren lassen. Dann kommt es auf
die Entwicklung vor Ort an.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Auch da: völlig eindeutig und klar!)


Es wäre schön, meine Damen und Herren, wenn Sie
sich ein bisschen in die Situation der Bevölkerung von
Afghanistan versetzen würden.


(Rainer Arnold [SPD]: Wie oft waren Sie schon da, Herr Kollege?)


Der Außenminister hat heute versucht, Sie ein bisschen
in die Gedankenwelt der Menschen einzuführen, die
auch durch Gerede im Westen über Abzugsperspektiven
und Zeitpunkte verunsichert werden, ohne dass dies da-
von abhängig gemacht wird, dass Fortschritte erreicht
wurden und die Sicherheit der Menschen dort gewähr-
leistet ist. Das muss das entscheidende Kriterium sein.
So gehen wir auch vor.

Wir stehen hinter dem Einsatz unserer Soldaten, die
mit sehr viel persönlichem Engagement und persönli-
chem Risiko, aber auch mit hoher Professionalität dort
agieren. Angesichts dessen, dass sich die Soldaten dort
mit der Kultur des Landes und dem Denken der Men-
schen auseinandersetzen, merkt man, dass sie ihre Auf-
gabe verinnerlicht haben und sie ernst nehmen, eine
Aufgabe, die dem Frieden und der Freiheit der Men-
schen dort und in der ganzen Welt dient.

Ich bin sehr froh – das möchte ich ausdrücklich in
Richtung der Sozialdemokraten sagen –, dass es uns

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(C (D ber die Grenzen der Koalition hinaus gelingen kann, ine Zustimmung zu diesem Mandat zu bekommen; enn wir müssen bei allem innenpolitischem Hickhack, as zwischen Regierung und Opposition notwendig ist, emeinsam an einem Strang ziehen, wenn es darum eht, festzustellen, was die sicherheitsund außenpolitichen Interessen unseres Landes sind. Das muss über die arteiund Fraktionsgrenzen hinweg möglich sein. Insorn bedanke ich mich für die verantwortungsvolle De atte, die vonseiten der Sozialdemokraten geführt wird. h hoffe, dass wir am 28. Januar, wenn es zur Abstimung kommt, als Demokraten zusammenstehen. Vielen Dank. Zu einer Kurzintervention erteile ich der Kollegin atja Keul von Bündnis 90/Die Grünen das Wort. – itte schön. Vielen Dank. – Herr Kollege Friedrich, Sie hatten zu eginn Ihres Debattenbeitrags gesagt, die Opposition eschwere sich zu Unrecht, dass das Parlament falsch ber den Vorfall vom 17. Dezember informiert worden ei. Das sei möglicherweise lediglich unvollständig, aber icht falsch gewesen. Ich möchte Sie daher darüber auflären, dass es in dem Wortlaut der Unterrichtung des arlaments vom 21. Dezember dazu wörtlich heißt: Am Abend des 17.12.2010 wurde in einem Außenposten des PRT in Pol-i-Khumri ein deutscher Soldat mit einer Schusswunde aufgefunden. ns wurde dazu erklärt, es habe sich dabei möglichereise um einen Unfall beim Reinigen einer Schusswaffe ehandelt. Wenn davon gesprochen wird, dass jemand aufgefunen worden ist, dann wird damit etwas anderes angedeut, als dass jemand in Anwesenheit von zehn Augenzeuen durch Fremdverschulden zu Tode gekommen ist. Zu em Zeitpunkt, als wir diese Unterrichtung bekommen aben, wusste Minister Guttenberg bereits – das hat er zwischen erklärt –, dass es sich um ein Fremdverschul en und nicht um ein Eigenverschulden handelte. Was ist as also anderes als eine Fehlinformation? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falschinformation!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708513500
Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1708513600


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708513700

Kollege Friedrich zur Erwiderung. – Bitte schön.


Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU):
Rede ID: ID1708513800

Liebe Frau Kollegin, ich weiß nicht, ob Sie hin und

ieder auch die Zeitung lesen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Zeitung?)






Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)



(A) )


)(B)

Ich habe bereits am 18. Dezember in der Zeitung gelesen
– das wurde auch von keiner Seite bestritten –, dass der
Soldat durch Fremdeinwirkung zu Tode gekommen ist.
Was wollen Sie denn noch?


(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Dass wir völlig anders informiert wurden!)


Die deutsche Öffentlichkeit ist insgesamt über diesen
Umstand der Fremdeinwirkung unterrichtet worden.


(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Das ist völlig belanglos! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und dann am 21. so eine Unterrichtung?)


Dass natürlich Einzelheiten, die am Ende auch straf-
rechtlich relevant sein können, zunächst von der Staats-
anwaltschaft untersucht werden und dass man zunächst
einmal in internen, nur für den Dienstgebrauch vorgese-
henen Dokumenten der Sache nachgeht, ist doch eine
Selbstverständlichkeit.


(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Lenken Sie jetzt nicht ab!)


Ich erwarte auch, dass wir den Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft nicht vorgreifen, sondern ihr Raum
geben, das zu tun, was ihre Aufgabe ist. Darauf kommt
es an. Das alles ist erfolgt. Insofern gibt es da keine Ver-
säumnisse.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Was reden Sie denn für einen Unsinn?)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708513900

Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt

erteile ich das Wort dem Kollegen Philipp Mißfelder von
der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Philipp Mißfelder (CDU):
Rede ID: ID1708514000

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Auch ich werbe, wie meine gesamte Fraktion
und die Kolleginnen und Kollegen der Liberalen, für
eine möglichst breite Unterstützung dieses Hauses. Wir
haben den Einsatz auch in verschiedenen Ausprägungen
von Mandaten durchweg unterstützt. Aber wir haben
auch immer ein Fragezeichen hinter die Grundsatzent-
scheidung gesetzt, durch die dieser Einsatz zustande
kam.

Zumindest für die diejenigen in der Union, die sich
damit heute im Bereich der Außen- und Verteidigungs-
politik federführend beschäftigen, kann ich hier feststel-
len: Unsere Aufgabe ist es jetzt nicht, den Einsatz auszu-
weiten, sondern unsere Aufgabe ist es jetzt, einen
Einsatz, der kopflos mit einem Einmarsch begonnen hat,
heute besonnen zu Ende zu führen. In diesem Spagat be-
wegt sich auch dieses Mandat.

Die schwierige Aufgabe, die sich stellt, ist natürlich
der schwierigen Situation in Afghanistan geschuldet,

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(C (D ber auch den früheren Versäumnissen. Für Einsätze, die ieses Haus vielleicht zukünftig beschließt, ist es demach eine wichtige Sache – das betrifft uns alle hier, aber sbesondere natürlich die Fraktionen, die zum Zeit unkt der Entscheidung die Regierungsverantwortung agen –, sich zu Beginn eines Einsatzes deutlich vor Auen zu führen, welche Exit-Strategie man hat und unter elchen Konditionen man wieder aus der Aufgabe heuskommt. (Beifall des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Auch das Ende bedenken!)


as ist eine der wichtigen Lehren, die man bereits heute
us dem Afghanistan-Einsatz ziehen kann. Das hätte
an bei dem Mandat damals schon bedenken können.


(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Da hat er recht! Heftiger Applaus bei der CDU/CSU!)


Ich war überrascht, dass vorhin kritisiert worden ist,
ass es in der heutigen Plenarsitzung zwei Debatten zu
fghanistan gibt. Herr Schmidt hat gesagt, man hätte das
gendwie zusammenfassen können. Wenn das so gese-
en wird, können wir uns eigentlich die Debatte in der
ächsten Woche sparen.

Am 16. Dezember letzten Jahres haben wir den Fort-
chrittsbericht diskutiert. Heute morgen haben wir aus-
hrlich und unter großer Beteiligung über den zivilen
ufbau diskutiert, und jetzt diskutieren wir in erster Le-

ung über das Mandat. Diese Diskussion werden wir in
er nächsten Woche fortsetzen. Ich finde es gut – ich
laube, dass das zur Demokratie und gerade auch unse-
r parlamentarischen Tradition gehört –, dass bei einer

o schwierigen Fragestellung wie der der Entsendung
on Soldaten ins Ausland das Parlament sich fortlaufend
it allen Aspekten beschäftigt und so ein Höchstmaß an
ransparenz der Entscheidungsfindung gewährleistet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Von Herrn Arnold wurde gesagt, er würde sich mehr
gionale Kooperation und auch politische Initiativen in

ieser Hinsicht wünschen. Es hat in den vergangenen
wölf Monaten starke Initiativen gegeben! Die Wahrheit
t doch, dass es heute kaum eine außenpolitische Dis-
ussion gibt, die wir als Politiker bzw. als Parlamentarier
it Partnern und Freunden, auch mit strategischen Part-

ern im Ausland, führen, in der nicht über die Frage von
fghanistan gesprochen wird. Selbstverständlich spielt
as bei nahezu allen wichtigen internationalen Konfe-
nzen eine große Rolle. Die Deutschen sind dabei füh-
nd. Es wird auch wahrgenommen, dass unser Strate-

iewechsel Erfolg hat.

Gerade das, was wir Deutsche in den Bereichen Aus-
ildung und ziviler Wiederaufbau leisten, wird weltweit
nerkannt und mit Respekt bedacht, gerade von unseren
artnern in der NATO.

Wie erklären Sie sich sonst, dass Länder, die eigentlich
ngekündigt hatten, dass sie aufgrund des innenpoliti-
chen Drucks nicht mehr mitmachen wollen, jetzt sagen:
Wir unterstützen die von den Deutschen ausgegebenen





Philipp Mißfelder


(A) )


)(B)

Ziele, und deshalb sind wir bereit, uns weiterhin an dem
Einsatz zu beteiligen und ihn zu unterstützen“? – Für ihre
Unterstützung bedanke ich mich natürlich bei diesen Län-
dern.

Es ist von daher wichtig, hier ein kraftvolles Zeichen
zu setzen. Ich hoffe, dass wir mit einer großen Mehrheit
in der nächsten Woche das Mandat verlängern. Damit
untermauern wir den Strategiewechsel und vergrößern
unsere Erfolgsaussichten in Afghanistan.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708514100

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/4402 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Matthias
W. Birkwald, Diana Golze, Heidrun Dittrich,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Aufgaben und Zusammensetzung der Alters-
armutskommission – Altersarmut umfassend
und mit den richtigen Mitteln bekämpfen

– Drucksache 17/4422 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Sind Sie da-
mit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist es so be-
schlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner dem Kollegen Matthias Birkwald von der Fraktion
Die Linke das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708514200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit mehr

als einem Jahr steht der schwarz-gelbe Beschluss, eine
Kommission zur Altersarmut einzusetzen, im Koali-
tionsvertrag. Im kommenden April soll sie ihre Arbeit
aufnehmen. Erst im September 2012 wird der Ab-
schlussbericht vorliegen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie wissen ja schon alles, Herr Birkwald!)


Das ist viel zu spät. Meine Damen und Herren aus Union
und FDP: Trödeln Sie nicht rum! Legen Sie einen Zahn
zu und den Abschlussbericht deutlich eher vor!

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(C (D (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Anton Schaaf [SPD]: Genau!)


Bereits heute gibt es Armut im Alter. In Zukunft wer-
en davon leider noch mehr Menschen betroffen sein.
ie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und
DP, sprechen in Ihrem Koalitionsvertrag von der „Ge-
hr einer ansteigenden Altersarmut“. Ihnen ist auch be-

annt, dass die Menschen im Osten besonders gefährdet
ind, künftig im Alter in Armut zu leben, weil die Löhne
u niedrig und die Arbeitslosigkeit zum Teil doppelt so
och ist wie im Westen.

Frauen waren, sind und werden auch in Zukunft wei-
rhin besonders stark von Altersarmut betroffen sein.
enschen, die von Erwerbsminderungsrente leben müs-

en, werden ebenfalls sehr häufig Renten unterhalb des
xistenzminimums beziehen. Auf Ihrem Parteitag im
ovember vergangenen Jahres haben Sie, liebe Kolle-
innen und Kollegen von der CDU/CSU, klar einge-
umt, dass Altersarmut politische Ursachen hat. Sie ge-

en zu, dass Altersarmut eine Folge des abgesenkten
entenniveaus und eine Folge niedriger Löhne ist. Sie
issen das alles, und trotzdem verschärfen Sie das Pro-
lem, anstatt es zu lösen. Kommen Sie endlich in die
änge und tun Sie etwas gegen die Altersarmut!


(Beifall bei der LINKEN)


Ich weiß, Sie wollen es nicht mehr hören, aber richtig
t es trotzdem: Nehmen Sie die Rente erst ab 67 zurück!
ühren Sie einen gesetzlichen Mindestlohn ein, und stel-
n Sie die Weichen für gute statt wie bisher für mies be-

ahlte Arbeit!


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Regierung kann
der will ja noch nicht einmal genau sagen, was sie nun
enau unter Armut versteht. Schwarz-Gelb will, dass die
ommission eineinhalb Jahre lang berät, aber kann oder
ill nicht sagen, worüber und mit wem eigentlich. Genau
ier setzt der vorliegende Antrag der Fraktion Die Linke
n. Die Linke will, dass die Menschen ein würdiges Le-
en im Alter führen können. Wir nehmen das Problem Al-
rsarmut sehr ernst. Deshalb sind uns die Zusammenset-

ung und die Aufgaben der Altersarmutskommission
ichtig.

Ich will hier nur einige unserer Forderungen nennen:
ie Linke will die Kommission aus den Hinterzimmern
er Ministerien an die Öffentlichkeit bringen. Deshalb
üssen alle Parteien genauso wie Gewerkschaften, So-

ialverbände, Seniorenorganisationen sowie Expertinnen
nd Experten aus der Wissenschaft der Kommission an-
ehören und nicht ausschließlich Regierungsmitglieder
nd Ministerialbeamtinnen und -beamte. Dass die Kir-
hen dazugehören, hat der Herr Staatssekretär freundli-
herweise schon erklärt.

Wir wollen, dass die gesetzliche Rente wieder den
inmal erreichten Lebensstandard sichert und dass sie
or Armut schützt.


(Beifall bei der LINKEN)






Matthias W. Birkwald


(A) )


)(B)

Deshalb soll die Kommission entsprechende Reform-
und Finanzierungsvorschläge entwickeln.

Erstens. Die Linke will eine solidarische Alterssiche-
rung. Darum soll die Kommission prüfen, wie die Rente
zu einer solidarischen Erwerbstätigenversicherung aus-
gebaut werden kann.

Alle Erwerbstätigen – sozialversicherungspflichtig Be-
schäftigte, Beamtinnen und Beamte, Politiker und Politi-
kerinnen und selbstverständlich auch Selbstständige –
sollen einbezogen werden.

Zweitens. Die Linke will, dass Altersarmut nicht nur
mit einer guten Rentenpolitik, sondern ebenso mit einer
guten Arbeitsmarktpolitik bekämpft wird. Kurz und gut:
Es geht um gute Arbeit, gute Löhne und gute Rente.


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb soll die Kommission Vorschläge entwickeln,
wie Frauen und Männer Familie und Beruf künftig bes-
ser vereinbaren können. Hierzu zählt auch, Zeiten der
Pflege und der Erziehung besser in der Rente zu berück-
sichtigen.

Nicht zuletzt wollen wir, dass die Kommission die Si-
tuation in Ostdeutschland ganz besonders im Blick hat.
Ich fordere die Kommission auf, Vorschläge zu machen,
wie die Menschen vor der bereits heute laut rauschenden
Welle von Altersarmut in Ostdeutschland geschützt wer-
den können. Denn das Ziel muss sein, dass alle Men-
schen in Deutschland in Würde alt werden können – in
Köln und in Greifswald.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1708514300

Das Wort hat der Kollege Frank Heinrich von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Frank Heinrich (CDU):
Rede ID: ID1708514400

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Das von Ihnen eingebrachte Thema lau-
tet: Aufgaben und Zusammensetzung der Altersarmuts-
kommission.

Ich möchte eines vorausschicken. Im Koalitionsver-
trag haben wir uns einiges vorgenommen und angekün-
digt, einige Änderungen anzugehen: Viele Dinge hat
man am Anfang belächelt, unter anderem auch, dass wir
diese Kommission zu diesem Zeitpunkt einsetzen wol-
len, der jetzt noch so steht. Jetzt steht dieses Versprechen
vor der Einlösung. Aber zuvor haben wir auch einige an-
dere – ich würde sagen – dicke Bretter gebohrt und sind
damit schon auf dem Weg. Vieles von dem, was ange-
kündigt war, ist angegangen worden und zum Teil schon
durchgesetzt worden.

Die Wirtschaftskrise ist fast vergessen. Natürlich ha-
ben auch Sie von der SPD Ihren Anteil daran; das ist in
der gestrigen Diskussion hier bestätigt worden. Wir müs-

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(C (D en aber aufpassen, dass wir sie nicht einfach nur vergesen, denn nun ist nicht mehr die Krise, sondern der oom in aller Munde. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was ist das Thema?)


Auch das Bildungspaket ist zu nennen und Reformen
verschiedenen anderen Bereichen. Wir haben Verspre-

hen bis hin zu Steuererleichterungen eingelöst. So viel
ls Einstieg.

Jetzt zum Thema Altersarmut, wie es uns hier unter
OP 24 begegnet. Gestern sprach mich eine Chemnitze-
n an – Chemnitz ist mein Wahlkreis – und fragte mich,
arum denn die Bundesregierung erst jetzt eine Regie-
ngskommission einsetze, die Konzepte gegen Alters-

rmut entwickeln soll.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aufräumen der Versäumnisse von Rot-Grün!)


a höre ich fast Sie, Herr Birkwald, durch. Altersarmut
ei doch bereits in aller Munde. Sie fragt sich, ob die Re-
ierung da nicht etwas spät dran sei. Dass Altersarmut
llerdings bereits jetzt ein akutes Problem sei und als
olches wahrgenommen wird, überrascht mich und ei-
entlich viele der Fachleute, die die Zahlen vor Augen
aben, tatsächlich.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, da müssen Sie genauer hinschauen!)


chließlich sind wir genau von dem Phänomen bislang
bis zum heutigen Tag – nahezu verschont geblieben.
um Glück und Gott sei Dank, sage ich dazu. Es zeigt
ich einmal mehr, dass es Medien oder Parteien, wie in
iesem Fall Sie, genau auf eine solche Verunsicherung in
er Bevölkerung anlegen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist doch Quatsch!)


Ich habe mein Arbeitsleben lang im Umfeld von Ar-
ut gearbeitet – zuerst als Sozialpädagoge, dann als Pas-
r in der Heilsarmee. Ich erinnere mich zum Beispiel

och an die alte Dame, die zu der von uns eingerichteten
afel kam, und ich sehe immer noch sowohl die Ohn-
acht bei ihr als auch die Ohnmacht bei mir. Aber – und

as ist mir ganz wichtig – das ist, und das will ich sehr
tark betonen, nicht der Regelfall in Deutschland.

Die Rentnerinnen und Rentner in unserem Land sind
u 97 Prozent nicht von Altersarmut betroffen.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist doch schlicht falsch!)


ie haben ein ausreichendes Einkommen und müssen
eine staatliche Unterstützung in Form von Grundsiche-
ng in Anspruch nehmen. Das ist eine beeindruckende

ituation, die ich ausdrücklich auch so darstellen will.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


internationalen Vergleich steht Deutschland sehr
ohl sehr gut da.





Frank Heinrich


(A) )


)(B)


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht, wir liegen im Mittelfeld!)


Das generelle Armutsrisiko – Sie schreiben das in Ih-
rem Antrag ganz am Anfang – bei Älteren liegt im Ver-
hältnis zu anderen Teilen der Bevölkerung bei ver-
gleichsweise niedrigen 13 Prozent. In Ihrem Antrag
heißt es „beinahe genau so viele“. Mathematisch gibt es
damit im Alter weniger Armutsgefährdete als im Durch-
schnitt der Bevölkerung.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Vorausschauend in die Zukunft gucken!)


Doch will ich natürlich nicht verhehlen – deshalb die-
ser Einschub und auch die berechtigte Beschäftigung der
Kommission mit dem Thema –, dass trotz dieser mo-
mentan positiven Lage demografische Herausforderun-
gen kommen werden, von denen die wirtschaftliche Ent-
wicklung geprägt werden wird. Dann kommt ein Wandel
auf uns zu, wenn wir jetzt nicht darüber nachdenken,
was in den nächsten 10 oder 20 Jahren passieren wird.
Dafür sind Weichen zu stellen, nachdem man einen Plan
gemacht hat.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nachdenken reicht nicht!)


– Da widerspreche ich Ihnen, Herr Birkwald: Wir brau-
chen Zeit, um in dieser Kommission gut zu arbeiten,
weil es sich um komplexe Fragen handelt. Auch mir ist
wichtig, dass wir das angehen; wir müssen uns aber die
nötige Zeit dafür nehmen.

Genaue Prognosen, verlässliche Vorhersagen – be-
züglich Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung,
Veränderungen des Erwerbsverhaltens, Erwerbsbiogra-
fien mitsamt der Brüche, die möglicherweise geschehen
oder auch schon geschehen sind, Einkommens- und
Preisentwicklungen, Höhe der Mieten und Verbraucher-
ausgaben und noch einiges mehr – sind außerordentlich
schwierig und sehr komplex.

Mein besonderes Anliegen auch als Berichterstatter
zu diesem Thema ist, gezielt gegen Altersarmut vorzu-
gehen – auch gegen die, die in 10 oder 15 Jahren auf uns
zukommen wird, wenn wir nichts tun – und frühzeitig
stimmige Konzepte zu entwickeln. Dafür stehe ich, und
genau dafür wird diese Regierungskommission einge-
setzt, worüber ich sehr froh bin.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sehr froh bin ich auch darüber, dass wir das Thema
schon in die Koalitionsverhandlungen und den Koali-
tionsvertrag eingebracht haben.

Ich verstehe allerdings nicht ganz, wieso Sie als Linke
in dem Antrag, über den wir heute diskutieren, die ge-
naue Aufgabenstellung und die Zusammensetzung der
Kommission kritisieren, bevor überhaupt ein Konzept
vorliegt und ebendiese Zusammensetzung feststeht. Ich
bin wirklich erstaunt, dass Sie teilweise schon genau zu
wissen scheinen, was in diesem Auftrag stehen wird und
warum es dort hinein soll oder nicht, obwohl es dazu
noch gar nichts Schriftliches gibt. In sämtlichen Antwor-

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(C (D n, die die Bundesregierung bisher – zuletzt vorgestern Ausschuss – gegeben hat, wurde betont, dass über die enauen Modalitäten, also die Zusammensetzung des remiums sowie dessen detaillierte Aufgabenstellung, och gar nicht entschieden ist. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Deswegen machen wir ja Vorschläge!)


Fest steht nur, dass die Kommission alle möglichen
nsätze zur Vermeidung von Altersarmut umfassend
rüfen soll. Dazu gehören auch die Auswirkungen von
angzeitarbeitslosigkeit, die Sie ansprechen, auf die spä-
re Absicherung im Alter. So sieht der Auftrag, über
en ich erst einmal sehr froh bin, aus, der bei mir gelan-
et ist. Wenn das Konzept für die Kommission vorliegt,
önnen wir uns gern kritisch damit auseinandersetzen;
ber lassen Sie uns doch bitte so lange warten, bis es tat-
ächlich vorliegt.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein, warten wollen wir nicht mehr!)


Laut aktueller Planung wird die Kommission – das
aben Sie vorhin auch schon gesagt – ihre Arbeit im
pril aufnehmen. Den Vorsitz wird das Bundesministe-
um für Arbeit und Soziales haben. Im September 2012
oll der Abschlussbericht vorgelegt werden, und wir
erden über die Qualität der Aussagen zu befinden ha-
en. Ich kann Ihnen versichern – auch das wurde von der
undesregierung in jeder Debatte zur Altersarmut vor-
etragen –, dass neben den fachlich betroffenen Ressorts
ie Wirtschaft, Finanzen und Justiz auch unabhängige
issenschaftler und Sachverständige aus den sozialen

nd arbeitsmarktspezifischen Bereichen vertreten sein
erden. Natürlich werden dann auch Beiträge von Ver-
etern aus der Wissenschaft, von Gewerkschaften und
er Arbeitgeberseite, von Sozial- und Betroffenenver-
änden eingeholt; das versteht sich von selbst. Wir sind
uf diese Expertise angewiesen, um jenseits von partei-
olitischen Argumenten zu einem Ergebnis zu kommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


ies wird uns Szenarien und damit auch Strategien auf-
eigen, wie wir darauf reagieren können.

Der Vorwurf aus Ihrem Antrag, liebe Kollegen der
inken, dass der Koalitionsvertrag eine einseitige Zu-
ammensetzung vermuten lässt, ist für mich nicht nach-
ollziehbar.

Abschließend komme ich noch einmal auf die wich-
gsten Voraussetzungen zur Vermeidung der von Ihnen
ngesprochenen Altersarmut zu sprechen. Zum einen
eht es um die Integration in den Arbeitsmarkt. Wir
prechen in diesen Tagen immer wieder davon, dass Bil-
ung in den Mittelpunkt gestellt werden und niemand
uf der Strecke bleiben soll. Es geht um eine dauerhafte
rwerbstätigkeit mit entsprechendem Einkommen und
öglichst vollständiger und adäquater Rentenbiografie

owie um eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie
nd Beruf, durch die die von Ihnen als nachteilig wahr-
enommene Situation von Frauen verbessert werden
oll.





Frank Heinrich


(A) )


)(B)

Die Arbeit der Kommission dient zuallererst der Mei-
nungsbildung der Bundesregierung hinsichtlich be-
stimmter Maßnahmen und Modelle zur Vermeidung von
Altersarmut. Dieser Prozess ist in alle Richtungen offen.
Es geht eben nicht um eine ideologische Debatte zu der
Frage, ob staatliche oder private Vorsorge zu bevorzugen
ist, sondern um eine gründliche Prüfung und Analyse der
Maßnahmen zur Sicherung im Alter. Ziel ist es, ein lang-
fristiges Konzept zu entwickeln. Dieses gilt es gut vor-
zubereiten. Ich denke, ein Zeitraum von eineinviertel
Jahren ist dafür nicht zu lang. Gleichwohl ist der Termin
für den Abschluss der Tätigkeit der Kommission so an-
gelegt, dass wir noch in dieser Wahlperiode gesetzgebe-
risch tätig werden können.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Können!)


Je nachdem, welche Empfehlungen von dieser Kommis-
sion ausgehen, werden wir weit über die Legislaturpe-
riode hinaus daran zu arbeiten haben.

Lassen Sie es mich mit einem Bild beschreiben: Mir
kommt es so vor, als führen wir alle in einem gut funk-
tionierenden Fahrzeug, das bis zur nächsten Inspektion
noch 10 000 Kilometer einwandfrei fahren kann. Wir
sind in die richtige Richtung unterwegs – davon bin ich
überzeugt –


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Besser in der richtigen Richtung als als Geisterfahrer!)


und haben schon einen Termin für die nötige Inspektion
festgelegt. Aber Sie, liebe Kollegen, tun so, als stünden
wir seit Monaten auf dem Schrottplatz.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Auf dem Schlauch! Nicht auf dem Schrottplatz!)


Das ist absolut nicht legitim.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich halte dies nicht nur für unangemessen, sondern
auch für ein weiteres Beispiel dafür, dass Sie soziale
Themen für parteipolitische Zwecke missbrauchen: Sie
schüren Ängste. Sie sagen, Sie würden sich um diese
Anliegen bemühen, aber Sie nutzen sie nur für Ihre par-
teipolitischen Interessen, ohne die statistischen Grundla-
gen ernst zu nehmen.

Möglicherweise versuchen Sie sogar wieder, uns eine
Ideologiedebatte aufzuzwingen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ganz bestimmt nicht!)


Wir haben gleich noch eine Aktuelle Stunde, in der wir
eine Ideologiedebatte führen werden. Vielleicht wollen
Sie unser ganzes Gesellschaftssystem infrage stellen;
aber das ist mit uns nicht zu machen. Wir wollen eine
gute, saubere Planung, auf deren Grundlage wir dann
Entscheidungen treffen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE W m L g P H g g s o N je – g v w a g a s k m u ic ra m d te h n s p d d d h k P S h A n ti (C (D LINKE]: Ich will eine Gesellschaft ohne Altersarmut und überhaupt ohne Armut!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708514500

Der Kollege Schaaf hat für die SPD-Fraktion das

ort.


(Beifall bei der SPD)



Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1708514600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn

an sich die konkrete Fragestellung des Antrags der
inken anschaut, dann erkennt man, dass das mit Ideolo-
ie wenig zu tun hat. Der Antrag greift ein dringendes
roblem auf, das aus meiner Sicht von Ihnen, Herr
einrich, unzureichend beschrieben wurde. Sie haben
erade gesagt, Altersarmut sei aktuell kein besonders
roßes Problem. Aber die Menschen, die im Alter arm
ein werden, gehen jetzt zu miserablen Löhnen arbeiten
der sind arbeitslos.


(Iris Gleicke [SPD]: Das ist leider wahr!)


atürlich haben wir es mit Altersarmut zu tun, und zwar
tzt und sehr konkret.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben eine gute Entwicklung bei der Rentenkasse
das stimmt sogar –, weil die Anzahl der Beschäftigten
ewachsen ist. Jetzt schauen Sie sich aber einmal an, wie
iele Entgeltpunkte ein Einzelner durchschnittlich er-
irbt: Diese Zahl geht systematisch nach unten. Da ist

lso Altersarmut vorprogrammiert. Dem muss man ent-
egenwirken; dem muss man sich stellen. Da reicht die
llgemeine Ankündigung der Einsetzung einer Kommis-
ion zur Altersarmut nicht aus; man muss auch den kon-
reten Arbeitsauftrag beschreiben.

Herr Birkwald, ich bin da nicht bei Ihnen: Wenn ich
ir den Koalitionsvertrag anschaue und sehe, was FDP

nd Union dort miteinander vereinbart haben, dann weiß
h, dass ich einer Kommission, deren Arbeitsauftrag da-
uf beruht, überhaupt nicht angehören möchte. Ich
öchte einer solchen Arbeitsgruppe nicht angehören,

enn ihr geht es um die weitere Privatisierung der Al-
rsvorsorge. Das, was Sie miteinander vereinbart haben,
at mit der gesetzlichen Rentenversicherung überhaupt
ichts zu tun; es sorgt eher dafür, dass immer mehr Men-
chen, die nicht in der Lage sind, eine betriebliche oder
rivate Altersvorsorge aufzubauen, im Alter arm wer-
en. Man muss sich einmal vergegenwärtigen, was Sie
a miteinander vereinbart haben.

Es ist übrigens spannend, dass der CDU-Parteitag
as, was Sie im Koalitionsvertrag miteinander vereinbart
aben, richtigerweise komplett zurückgeholt hat. Ich
ann dem Beschluss des CDU-Parteitages in fast allen
unkten zustimmen; das haben Herr Laumann und die
ozialausschüsse prima hinbekommen. Nur ist mir über-
aupt nicht erklärlich, wie Sie einen gemeinsamen
uftrag für eine solche Kommission finden wollen,
achdem der CDU-Parteitag die Vereinbarung im Koali-
onsvertrag zurückgeholt hat. Das wird nicht gehen,





Anton Schaaf


(A) )


)(B)

weil der Beschluss des Parteitages der Vereinbarung dia-
metral gegenübersteht.

Das kann man schon am Beispiel der Soloselbststän-
digen erkennen. Da wird überlegt, ob man jetzt nach
Riester und Rürup nicht irgendwie noch einen dritten
Weg findet. Der CDU-Parteitag sagt, dass im Zweifel in
den Fällen, in denen die Leute keine eigene private Vor-
sorge aufbauen können, weil sie als Soloselbstständige
nicht genügend verdienen, überprüft werden soll, ob sie
in die gesetzliche Rentenversicherung hineinkommen
können.

Wie Sie diese beiden diametral entgegengesetzten
Dinge miteinander verbinden wollen, ist mir rätselhaft.
Deswegen, Herr Birkwald, würde ich einer solchen
Kommission lieber nicht angehören wollen. Denn man
wird sich noch nicht einmal auf einen Arbeitstitel für
eine solche Kommission wirklich einigen können.

Ich würde einer solchen Kommission, in der die bei-
den Fraktionen eine herausragende Rolle spielen, auch
aus einem weiteren Grund nicht beitreten wollen: weil
zumindest ein Teil dieser Koalition eine Tatsache
schlichtweg nicht anerkennt, nämlich dass man, bevor
man eine Kommission zur Altersarmut und zur Zukunft
der Rente einrichtet, zunächst einmal die Ursachen für
Armut ordentlich benennen und bekämpfen muss. Das
betrifft die Frage der Arbeitseinkommen und der daraus
resultierenden Beiträge. Zumindest muss man sich da-
rauf verständigen, dass man anfängt, die Ursachen für
Altersarmut zu beseitigen.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da sind wir uns einig!)


Da geht es natürlich um gesetzliche Mindestlöhne.
Übrigens gibt es dazu auch einen Beschluss des Parteita-
ges; der wurde hier noch nicht zitiert. Der Beschluss C 1
des CDU-Parteitags – C 2 ist übrigens die Frage der Al-
tersarmut – sagt:

Die CDU Deutschlands setzt sich in der christlich-
liberalen Bundesregierung für eine Aufnahme der
Zeitarbeitsbranche ins Arbeitnehmer-Entsendege-
setz … ein.

Wenn wir so weit schon einmal wären! Wahrscheinlich
müssen wir Sie jetzt im Rahmen der SGB-II-Verhand-
lungen dazu zwingen, dass Sie das tun. Aber es gibt im-
merhin dieses Anerkenntnis. Ich bin einmal gespannt,
wie das weiterläuft.

Das gilt übrigens ebenso für andere Passagen dieses
Textes, der beschlossen worden ist, zum Beispiel – der
Kollege Birkwald hat darauf hingewiesen –:

Niedrige Renten resultieren nicht nur aus einer Ab-
senkung des Rentenniveaus, sondern auch aus nied-
rigen Löhnen.

Was ist denn Ihre Strategie dagegen? Was macht diese
Koalition, damit Löhne stabil werden, damit Löhne so
hoch werden, dass man auch eine vernünftige Alterssi-
cherung aufbauen kann und nicht nur ausreichend An-
sprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung erwirbt,

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(C (D ondern darüber hinaus aus dem Geld, das man mit seier Arbeit verdient, auch noch privat vorsorgen kann? ichts tun Sie an der Stelle, sondern versuchen, im Ko litionsvertrag dritte Wege zu beschreiben. Einen Punkt will ich unbedingt noch ansprechen, weil r mit drohender Altersarmut eine Menge zu tun hat. Sie aben vereinbart, eine Kommission einzurichten. Wozu h bisher von Ihnen noch nichts gehört habe, ist eine ereinbarung, die ebenfalls im Koalitionsvertrag steht: Das gesetzliche Rentensystem hat sich auch in den Neuen Ländern bewährt. Wir führen in dieser Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem in Ost und West ein. ird denn die Ost-West-Angleichung Teil einer Armutsrbeitsgruppe sein, oder wie soll man sich das jetzt vor tellen? Oder haben Sie vor, das, was Sie den Menschen Ihrem Koalitionsvertrag versprochen haben, zu bre hen und die Ost-West-Angleichung, zumindest die rennrechtliche, in dieser Legislaturperiode nicht mehr tattfinden zu lassen? Ich vermute, Herr Birkwald – auch wenn Sie inhaltch vieles richtig beschrieben haben, was man als Areitsauftrag für eine solche Kommission durchaus forulieren könnte –, dass diese Koalition und diese egierung vor dem Hintergrund dessen, dass sie sich bei er Frage, wie man mit sozialen Sicherungssystemen mgeht, diametral gegenüberstehen, nicht in der Lage ein werden, einen vernünftigen Arbeitstitel zu formulien, und erst recht wird kein vernünftiges Ergebnis dabei erauskommen. Sie ignorieren das Thema Ost-West, obohl Sie den Menschen versprochen haben, sich damit u beschäftigen. Übrigens ist die Frage, wie man mit der ngleichung umgeht, auch eine zentrale Frage beim hema Armutsbekämpfung. Zu all diesen Fakten konnte man bisher nichts sagen, eil man mit der SGB-II-Neuregelung so überlastet ist. as Haus müsste eigentlich – das habe ich schon einmal esagt – groß genug sein, und eigentlich müssten diejeigen unter Ihnen, die Ahnung vom Thema Rente haben, uch in der Lage sein, so etwas zumindest vorzubereiten. on daher viel Zustimmung zu dem, was Sie, Herr irkwald, gesagt haben, aber keine Hoffnung auf der chten Seite. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wahrscheinlich haben Sie leider recht!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708514700

Den Beitrag des Kollegen Kolb für die FDP nehmen

ir zu Protokoll.1)


(Anton Schaaf [SPD]: Oh, wie schade! – Gegenruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich hatte alles vorgeahnt und schon richtig beantwortet in meiner Rede!)


Anlage 2





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) )


)(B)

Das Wort hat der Kollege Dr. Wolfgang Strengmann-
Kuhn.


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich hätte gerne auf das reagiert, was der Herr Kolb ge-
sagt hätte. Das müssen wir aber leider nachlesen und
können dann erst in späteren Debatten darüber diskutie-
ren.


(Anton Schaaf [SPD]: Wir wissen doch, was er sagen würde! Von daher ist es gar nicht so schlimm!)


– Zum Teil wissen wir das ja auch.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich habe so eine Ahnung, dass wir noch öfter über dieses Thema reden werden!)


Armut im Alter ist ein Problem, vor dem niemand
mehr die Augen verschließen kann. Ich begrüße es des-
wegen ausdrücklich, dass die Regierungskommission
der Bundesregierung im April ihre Arbeit beginnt. Aller-
dings ist Teilen der Regierungsfraktionen die Bedeutung
des Problems immer noch nicht bewusst. So hat Herr
Heinrich gerade eben wieder behauptet – wahrscheinlich
hätte Herr Kolb das auch gesagt –, dass Altersarmut
heute noch kein Problem ist.


(Frank Heinrich [CDU/CSU]: Nicht keins!)


Das ist schlicht falsch. Zwar ist es richtig, dass Kin-
derarmut das vordringliche Problem ist, aber nach den
Zahlen des Statistischen Bundesamtes ist die Armuts-
quote der über 65-Jährigen fast so hoch wie im Durch-
schnitt, Herr Heinrich. Die Zahl der Fälle, in denen
Grundsicherung im Alter gezahlt wird, steigt kontinuier-
lich an. Sie haben vorhin gesagt, dass 13 Prozent der Äl-
teren ein Einkommen haben, das unterhalb der Armuts-
grenze liegt. Das sind fast 2 Millionen Menschen in
diesem Land. Das ist schon heute ein Problem.

Wenn man die Zahl der Grundsicherungsempfänge-
rinnen und -empfänger als Maßstab nimmt – das sind
jetzt fast 500 000 –, dann ist das der falsche Maßstab. Es
ist nämlich trotz der Verbesserungen unter Rot-Grün im-
mer noch so, dass viele die Grundsicherung im Alter
nicht in Anspruch nehmen und die verdeckte Armut im
Alter besonders hoch ist. Deswegen muss man andere
Maßstäbe heranziehen, und danach ist Altersarmut heute
schon ein Problem. Die Leute gehen nicht zum Amt, und
zwar nicht, weil sie das Geld nicht bräuchten, sondern
weil sie sich schämen oder ihre Rechte nicht kennen. Ich
halte das nicht für einen tragbaren Zustand.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Wir möchten, dass diejenigen Älteren, die einen An-
spruch auf Leistungen haben, diesen auch wahrnehmen.
Deswegen ist der Vorschlag der FDP – über den haben
wir hier leider nichts gehört, aber das können wir ja
nachlesen –,

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(C (D (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Unser Vorschlag ist schon einmal in den Deutschen Bundestag eingebracht worden!)


ltersarmut durch Einführung von zusätzlichen Freibe-
ägen in der Grundsicherung zu bekämpfen, nicht taug-
ch. Dadurch würde die Zahl der Alten, die zum Sozial-
mt müssen, nämlich steigen und nicht sinken, die armen
lten wären weiterhin stigmatisiert, und die verdeckte
rmut würde nicht bekämpft.

Alle anderen Parteien – da schließe ich die CDU aus-
rücklich ein – haben einen anderen Ansatz. Sie wollen
erade das verhindern. Der CDU-Parteitag ist gerade
chon erwähnt worden. Auch die CDU setzt innerhalb
er Rente an und will dort Lösungen finden. Man sieht:
ie Regierung kann sich wieder einmal nicht einigen.
eswegen ist es auch nicht erstaunlich, dass die Bundes-
gierung weder die genaue Zusammensetzung der
ommission noch den genauen Arbeitsauftrag festgelegt
at. Klar ist nur, dass es eine regierungsinterne Kommis-
ion sein wird und diese bis 2012 arbeitet.

Mich wundert es nicht, dass die Regierungskoalition
ine interne Kommission braucht, um bei diesem Thema
oranzukommen. Die einen bestreiten das Problem, die
nderen sehen es zumindest. Die einen wollen Änderun-
en bei der Grundsicherung, die anderen wollen Ände-
ngen innerhalb der Rente. Nun soll eine regierungs-
terne Kommission weiterhelfen. Wie heißt es so

chön? Wer nicht mehr weiterweiß, der gründet einen
rbeitskreis.

Wichtig ist, dass die Regierungskommission keine
ine Selbstfindungsgruppe wird, sondern dadurch eine

ffentliche Debatte über die besten Lösungen angesto-
en wird. Wir fordern deshalb, dass die Kommission
em Parlament regelmäßig Bericht erstattet und hier, im
eutschen Bundestag, über Ergebnisse, Zwischenergeb-
isse und vor allem über Lösungsmöglichkeiten disku-
ert wird. Ob etwas aus der Kommission folgt, ist auch
och völlig unklar. Gerade eben hieß es, dass danach
eit vorhanden sei. Dazu, ob danach tatsächlich etwas
assiert, gibt es bisher aber noch keine klaren Aussagen.
ie Ministerin hat irgendwann einmal in einem Inter-
iew gesagt, dass dafür kein Geld zur Verfügung steht.
ir müssen also abwarten, was daraus wird.

Sehen wir einmal das Positive: Zumindest über die
efahr einer Zunahme bei der Altersarmut sind wir uns
ittlerweile einig. Der Beschluss der CDU auf ihrem
arteitag deutet an, dass sie Lösungen innerhalb der
ente will und über die Rente nach Mindesteinkommen
achdenkt. Darüber denken übrigens auch SPD und
inke nach. Wir halten diesen Vorschlag nicht für geeig-
et, weil er nicht zielgenau ist und Armut im Alter nicht
ffektiv genug bekämpft.

Wir setzen auf eine Garantierente, mit der geringe
entenansprüche auf ein Minimum aufgestockt werden.
ir wollen, dass jemand mit 30 Versicherungsjahren

ine Rente auf der Basis von mindestens 30 Entgelt-
unkten erhält. Das entspricht heute etwa 800 Euro. Das
llein reicht aber nicht aus. Wir brauchen auch präven-
ve Maßnahmen. Wir wollen die Weiterentwicklung zu





Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn


(A) )


)(B)

einer Bürgerversicherung – wir wollen keine reine Er-
werbstätigenversicherung –, um Versicherungsbiogra-
fien komplett erfassen zu können.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt sind die Strengmann-Kuhn-Minuten um!)


Eine durchbrochene Erwerbs- und Versicherungsbiogra-
fie ist eine wesentliche Ursache für Altersarmut.

Wir müssen natürlich auch beim Arbeitsmarkt anset-
zen – das haben Kolleginnen und Kollegen der SPD und
der Linken schon gesagt –: Absenken der Löhne durch
Mindestlohn verhindern, Equal Pay etc.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708514800

Kollege Strengmann-Kuhn, die Redezeit des Kolle-

gen Kolb ist nicht auf Sie übertragen worden. Sie müs-
sen bitte zum Schluss kommen.


(Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP] – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist das! Da hätte ich auch etwas gegen, Frau Präsidentin!)



(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Letzter Satz: Für uns Grüne ist Altersarmut ein zen-
trales Thema, und wir werden sowohl die Regierungs-
fraktionen als auch die anderen Oppositionsfraktionen
weiter fordern und eigene Lösungen vorschlagen; denn
es geht um nicht mehr und nicht weniger als darum, den
Menschen ein Altern in Würde zu ermöglichen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sehr richtig!)


In diesem Sinne freue ich mich auf eine konstruktive
Diskussion und danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708514900

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/4422 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried
Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Dr. Valerie
Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Strategie für Klimaschutz im Verkehr vorle-
gen

– Drucksache 17/4040 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

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(C (D Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Beiträge zu iesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. – h sehe, Sie sind damit einverstanden. Es handelt sich m folgende Kolleginnen und Kollegen: Steffen Bilger nd Karl Holmeier für die Unionsfraktion, Ute Kumpf r die SPD, Werner Simmling für die FDP, Sabine eidig für die Fraktion Die Linke und Winfried ermann für Bündnis 90/Die Grünen.1)


Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage auf
rucksache 17/4040 an die in der Tagesordnung aufge-
hrten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit ein-

erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe den Zusatzpunkt 9 auf:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
der FDP

Forderungen der Vorsitzenden der Partei DIE
LINKE, Dr. Gesine Lötzsch, Wege zum Kom-
munismus auszuprobieren – Opfer nicht ver-
höhnen

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
ermann Gröhe für die Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wo ist Herr Gysi? Wo ist Frau Lötzsch?)



Hermann Gröhe (CDU):
Rede ID: ID1708515000

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

erren! In Bezug auf Wege zum Kommunismus formu-
erte am 3. Januar dieses Jahres die Vorsitzende der Par-
i Die Linke, Frau Kollegin Lötzsch, folgendermaßen
ich zitiere –:

Die Wege zum Kommunismus können wir nur fin-
den, wenn wir uns auf den Weg machen und sie
ausprobieren …


(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Unglaublich!)


ugleich entwarf sie in schaurig-wohliger Weise das
zenario von zerbrechender EU und niedergehenden de-
okratisch-marktwirtschaftlichen Staaten, denunzierte

ie unsere politische Ordnung als Verteilungs- und
ohlstandsdemokratie.


(Zuruf von der CDU/CSU: Pfui!)


arianne Birthler stellt zu Recht fest, dass sie damit vie-
n Mitgliedern ihrer Partei aus dem Herzen spricht.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: So ist das!)


ie Linkspartei ist und bleibt die Erbin der alten SED.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir sagen klar: Unser Land braucht keine Anstren-
ungen, neue Wege zum Kommunismus auszuprobieren.
s gab wahrlich schon genug schaurige Experimente in

Anlage 3





Hermann Gröhe


(A) )


)(B)

der Welt: in China mit 65 Millionen Toten, in der So-
wjetunion mit über 20 Millionen Toten, in Nordkorea
mit über 2 Millionen Toten, auf den Killing Fields von
Kambodscha mit über 2 Millionen Toten, in Osteuropa
und Mitteleuropa mit 1 Million Toten.


(Zuruf des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])


– Ja, da werden Sie unruhig. – Wo immer Wege zum
Kommunismus ausprobiert wurden, endete es in Terror
und Unterdrückung und in Summe in millionenfachem
Mord.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist eben keine gute Idee, die nur stets und überall
falsch umgesetzt wurde, sondern es ist eine menschen-
verachtende Ideologie, der Ihre Vorsitzende bis heute an-
hängt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Traurig, traurig!)


Schauen wir uns doch einmal das Umfeld der Veran-
staltung an. Da diskutiert die Kollegin Jelpke mit der
RAF-Terroristin Inge Viett und der DKP-Vorsitzenden
Jürgensen über das Thema: Wo bitte geht’s zum Kom-
munismus? Frau Viett meint, sie könne das – Zitat –
„Abfackeln von Bundeswehrausrüstung“ legitimieren.
Welche Frage stellt daraufhin Frau Jelpke der lieben
Inge? Zitat: „… ob das wirklich zu einer antimilitaristi-
schen Bewegung führt“. Hier wird die Rechtfertigung
von Terror und Gewalt nicht klar zurückgewiesen, son-
dern nur auf ihre Nützlichkeit hin überprüft. Ein klares
Nein zur Gewalt sieht wahrlich anders aus. Das ist eine
Schande.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Und sollen wir dann an einen Zufall glauben – ich tue
es nicht –, wenn just im Umfeld dieser Veranstaltung
Linksextremisten Opfer der SED tätlich brutal angreifen
– einige von ihnen sind heute auf dieser Besuchertribüne –,
dann diese linksradikalen Täter auf der Konferenz Un-
terschlupf finden und bis heute Frau Lötzsch kein Wort
der Verurteilung oder wenigstens des Bedauerns gegen-
über diesen Opfern linker Gewalt zum Ausdruck bringt?
Auch das ist eine Schande.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Einer solchen Haltung glaubwürdig entgegenzutreten,
muss eine Aufgabe aller Demokratinnen und Demokra-
ten in diesem Hause sein.

Wenige Tage nach den Äußerungen von Frau Lötzsch
erklärte der Kollege Oppermann von der SPD, an der
Spitze der Linkspartei stünden halt eine „Fernziel-Kom-
munistin“ und ein „Salonbolschewist“. Herr Gabriel er-
hob öffentlich Zweifel an der demokratischen Grund-

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(C (D rientierung. Ludwig Stiegler sprach sogar von dem Blut n den Händen dieser Partei. (Lachen des Abg. Ulrich Maurer [DIE LINKE])


s sind ja nicht gerade wenige Sozialdemokratinnen und
ozialdemokraten unter den Opfern des kommunisti-
chen Terrors gewesen.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


ber dann müssen Sie, Kolleginnen und Kollegen von
er SPD, sich auch fragen, wie Sie es verantworten kön-
en, diese Partei zur Regierungspartei in Berlin und
randenburg zu machen. Das passt nicht mit den klaren
orten zur Distanzierung vom Linkskurs dieser Partei

usammen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wenige Meter von diesem Haus entfernt erinnern
chlichte weiße Kreuze daran, wo in diesem Land Wege
um Kommunismus endeten. Die Opfer sollten uns Ver-
flichtung sein, gemeinsam dafür zu arbeiten, dass diese
eologie nie wieder Unheil über unser Land oder die
elt bringt. Daran sollten sich alle Demokraten in die-

em Haus messen lassen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708515100

Das Wort hat der Kollege Dr. Wolfgang Thierse für

ie SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1708515200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

t das, worüber wir hier lästigerweise zu reden haben,
loß unglücklich formuliert oder überinterpretiert oder
öswillig missverstanden, wie Lafontaine, Gysi und
ötzsch behaupten?

Ich lese den Text von Frau Lötzsch und stelle fest:
wei Jahrzehnte nach der friedlichen Revolution in der
DR macht sich die Vorsitzende der Partei Die Linke er-
eut auf die Suche nach dem „richtigen Weg“, dem Weg
den Kommunismus. Die Wege dahin – so schreibt sie

könne man nur finden, wenn man sie ausprobiere, ob
der Opposition oder in der Regierung.

Man mag es kaum glauben: Die Vorsitzende einer im
undestag vertretenen Partei propagiert im Jahre 2011
en Kommunismus als ein mögliches gesellschaftspoliti-
ches Ziel, als sei der Kommunismus eine normale
enkoption, ein unschuldiges gedankliches Konstrukt,

in noch immer erstrebenswertes, unbeflecktes Ziel.
ass der Kommunismus eine ganz reale, nämlich eine
rutale und blutige Geschichte hat, spielt im politischen
enken der Gesine Lötzsch offensichtlich keine Rolle.





Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt in ihrem mehrseitigen Text vom 3. Januar 2011
zwar eine Passage über die „offene Barbarei“ im
20. Jahrhundert; aber diese bezieht sich ausdrücklich auf
Perioden der Entfesselung des Kapitalismus. An den ent-
fesselten Kommunismus, den entfesselten Stalinismus
verschwendet die Autorin kein einziges Wort, keinen
einzigen Gedanken, obwohl sie doch selbst SED-Mit-
glied war und heute deren Nachfolgepartei vorsitzt.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Reisekader war sie!)


Diese Geschichtsvergessenheit, diese Ignoranz
gegenüber den Opfern des kommunistischen Großver-
suchs, dieses großzügige Hinwegsehen über die Verant-
wortung der eigenen politischen Bewegung ist beschä-
mend, ist verletzend, ist skandalös.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Und es ist verräterisch; denn unüberhörbar ist die Bot-
schaft von Frau Lötzsch an Anhänger, Sympathisanten
und Funktionäre der Linkspartei gerichtet, die die Ver-
brechen des Stalinismus verdrängen und die Opfer der
kommunistischen Diktatur verhöhnen. Sie macht damit
die ständig wiederholte Behauptung unglaubwürdig, die
Linkspartei hätte sich radikal selbstkritisch mit ihrer ei-
genen Geschichte befasst und Konsequenzen gezogen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ihr Verweis darauf, dass der Kommunismus etwas
ganz Fernes, noch niemals Verwirklichtes sei, ist schlicht
intellektuell unredlich. Frau Lötzsch sollte vielleicht
doch einmal ihre – wie hieß das? – Klassiker lesen. In
Die Deutsche Ideologie von Marx und Engels heißt es:

Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand,
der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die
Wirklichkeit sich zu richten haben wird. Wir nen-
nen Kommunismus die wirkliche Bewegung, wel-
che den jetzigen Zustand aufhebt.

Kommunismus ist „die wirkliche Bewegung“, nicht das
ferne Ziel.

Das wichtigste politische Instrument dieser Bewe-
gung hieß Diktatur: Diktatur des Proletariats und tat-
sächlich Diktatur der Kommunistischen Partei. Die
Wirklichkeit des Kommunismus begann mit Lenin und
seinen Bolschewiki. Seine Bewegung reagierte nicht nur
auf Gewalt, sondern erzeugte sie auch. Für Stalin wurde
Gewalt dann allgegenwärtiges Machtinstrument mit Mil-
lionen von Opfern im Namen des Kommunismus.

Die herrschenden Parteien im sowjetischen Machtbe-
reich verstanden sich, durch Lenin und Stalin geprägt, zu
Recht als kommunistische Parteien und handelten auch
so – auch die SED.


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Richtig!)


Meine Damen und Herren von der Linken, Sie kennen
hoffentlich die unbequeme Frage von Ernst Bloch schon

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(C (D us den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts: Hat der talinismus den Kommunismus bis zur Unkenntlichkeit erzerrt oder vielmehr zur Kenntlichkeit gebracht? Diese rage ist durch die blutige Bilanz der kommunistischen ewegung endgültig beantwortet. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wer am Traum von einer gerechten Gesellschaft und
iner gerechteren Welt festhalten will – dafür gibt es
ahrlich gewichtige und sehr anständige Motive –, der
ann das nur – jedenfalls nach der furchtbaren Ge-
chichte der kommunistischen Bewegung im 20. Jahr-
undert –, wenn er oder sie radikale Kommunismuskri-
k übt und nicht kalkuliert naiv von Wegen zum
ommunismus schwadroniert; sonst diskreditiert er
zw. sie sich moralisch und politisch.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie müssen sich endgültig entscheiden, was Sie wol-
n.


(Anhaltender Beifall bei der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708515300

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege

ckermann das Wort.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Jens Ackermann (FDP):
Rede ID: ID1708515400

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen

nd Kollegen! Wenn ich mit Besuchergruppen hier im
eutschen Bundestag diskutiere, dann höre ich jedes
al einen aufgewühlten Bericht darüber, was die Men-

chen von ihrem Besuch in Hohenschönhausen mitneh-
en. Die Berichte der ehemaligen Gefangenen über Fol-
r und Leid machen selbst gestandene Menschen
ssungslos. Hier zeigt sich, was der Mensch dem Men-

chen antun kann, wenn er sich auf den Weg zum Kom-
unismus begibt. Hohenschönhausen ist aber nur eines

er Schreckensbilder, die die Opfer und auch die über-
roße Mehrzahl unserer Bevölkerung vor Augen haben,
enn sie den Begriff „Kommunismus“ hören.

Wenn man nun ausgerechnet im 50. Jahr des Mauer-
aus den Weg zum Kommunismus zur politischen Auf-
abe erklärt, dann ist das geschichtsvergessen, zynisch
nd in jedem Fall ein Angriff auf die Gefühle der vielen
pfer des Kommunismus.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


llein schon aus diesem Grund wäre eine Entschuldi-
ung gerechtfertigt gewesen.

Frau Lötzsch verletzte aber nicht nur die Gefühle der
pfer, Frau Lötzsch startete auch eine Kampfansage an
emokratie, Grundrechte, Freiheit und staatsbürgerli-

he Gleichheit, kurz: an unsere freiheitlich-demokrati-
che Grundordnung.





Jens Ackermann


(A) )


)(B)


(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Ja, natürlich! Das fehlte auch noch!)


Das ist nicht nur meine persönliche Meinung, sondern
auch die Haltung des Bundesverfassungsgerichts. Das
Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands, der
KPD, hat das höchste deutsche Gericht unter anderem
mit einer umfassenden Auswertung des politischen Kon-
zepts des Kommunismus begründet. In der Begründung
heißt es:

Der Mensch wird in diesem System als Mitglied ei-
ner Klasse gesehen. … Das macht jeden Eingriff
grundsätzlich zulässig, der aus der Klassenzugehö-
rigkeit des Einzelnen und der Klassensituation im
Ganzen von der herrschenden Klasse hergeleitet
wird. Damit tritt an die Stelle der Gleichheit aller
Staatsbürger die Scheidung in „führende“ … und
„unterdrückte“ Klassen … Grundrechte im Sinne
der freiheitlichen Demokratie können hier dem Ein-
zelnen … nicht zustehen.

Kurz gesagt: Der Kommunismus scheidet die Menschen
in solche von unbegrenzter Macht und solche ohne jedes
Recht, wie zum Beispiel die Opfer von Hohenschönhau-
sen. Kommunismus spaltet die Gesellschaft in Hammer
und Amboss.

Frau Lötzsch hat sich bewusst oder fahrlässig als
geistige Brandstifterin betätigt.


(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Ja, natürlich!)


Wer den Kommunismus predigt, der gibt die freiheitlich-
demokratische Grundordnung rhetorisch zum Abschuss
frei und muss damit rechnen, dass sich Linksextremisten
ermutigt fühlen, die Rechte des Einzelnen buchstäblich
mit Füßen zu treten. So passierte es auch am Rande der
Rosa-Luxemburg-Konferenz. Sie wollten Stimmen am
linksextremistischen Rand fischen und sind erwischt
worden.

Dass Kommunismus nicht funktioniert, haben wir
schon gehört. Das hat auch die Geschichte bewiesen.
Der Ostblock ist zusammengebrochen. Auch in der Ge-
genwart funktioniert der Kommunismus nicht. Staaten
wie Weißrussland, Kuba, Venezuela oder Nordkorea
sind das beste Beispiel dafür. Er wird auch in Zukunft
nicht funktionieren. Diese Idee gehört auf den Müllhau-
fen der Geschichte.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. h. c. Wolfgang Thierse [SPD])


Kommunismus ist nicht eine gute Idee, die nur
schlecht ausgeführt wurde, sondern eine durch und
durch schlechte Idee. Unsere Demokratie gibt Ihnen die
Möglichkeit, über den Kommunismus nachzudenken
und zu philosophieren. Im real existierenden Sozialis-
mus war es leider nicht möglich, über Freiheit auch nur
nachzudenken oder offen und ehrlich darüber zu spre-
chen. Wir werden es Ihnen auch weiterhin ermöglichen,
über Ihre Philosophie, über diese Utopie nachzudenken
und zu sprechen. Wir werden es aber nicht zulassen, dass
Sie diese falsche Idee in die Tat umsetzen.

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(C (D (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Solange von der Kollegin Lötzsch keine Entschuldi-
ung an die vielen Opfer des Kommunismus ausgespro-
hen wird, möchte ich die Kolleginnen und Kollegen der
rünen und der SPD bitten und herzlich aufrufen, die
ooperation mit der Partei Die Linke einzustellen.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Kooperation? – Iris Gleicke [SPD]: Auf kommunaler Ebene machen Sie das doch auch!)


s gehört sich nicht, dass man hier in Berlin oder – ich
enke da an die Tolerierung – in Nordrhein-Westfalen
it Feinden der Demokratie kooperiert.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


ines muss alle Demokraten einen: Nie wieder Kommu-
ismus auf deutschem Boden!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708515500

Der Kollege Ulrich Maurer hat das Wort für die Frak-

on Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wo ist Herr Gysi? – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist Frau Lötzsch?)



Ulrich Maurer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708515600

Meine Damen und Herren! Die Tatsache, dass man et-

as salbungsvoll vorträgt, rechtfertigt es nicht, eine
ummation falscher Anschuldigungen und Unver-
chämtheiten an die Partei Die Linke zu richten.


(Beifall bei der LINKEN – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Lächerlich!)


eder, der auch nur eines der Dokumente unserer Partei
der der PDS, die es nicht mehr gibt und die in der Partei
ie Linke aufgegangen ist,


(Zuruf von der CDU/CSU: Das sind Sie doch!)


elesen hat, der kann sich nur wünschen – das sage ich
nen nach der Debatte von vorgestern –, dass sich die
nion von ihrer Zusammenarbeit, ihrem Kollaborieren
it den Nazis in der Adenauer-Ära auf die gleiche Weise

istanziert, wie wir das mit der DDR getan haben.


(Beifall bei der LINKEN – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Sagen Sie das dem Büroleiter von Frau Lötzsch! Wo ist Frau Lötzsch?)


o geht es nicht, meine Damen und Herren.

Uns Übergriffe von Extremisten auf andere Menschen
uf der Straße in die Schuhe zu schieben, obwohl wir die
inzige Partei im Bundestag sind – die einzige leider –,
ie Gewalt als Politik und Krieg als Mittel der Politik
blehnt – wir haben gerade eine Afghanistan-Debatte ge-
hrt –, ist eine besondere Unverschämtheit.





Ulrich Maurer


(A) )


)(B)


(Beifall bei der LINKEN – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Das ist peinlich!)


Ich merke, dass Sie offensichtlich wenig über Kom-
munismus gelesen haben.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, allerdings! – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


Sie halten ihn nämlich für eine Erfindung von Marx und
Engels. Deswegen will ich Ihnen aus der Apostelge-
schichte vorlesen – hören Sie gut zu! –: Die Menge der
Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele; auch nicht
einer sagte von seinen Gütern, dass sie sein wären, son-
dern es war ihnen alles gemeinsam. Jeder, der einen
Acker hatte, verkaufte diesen und brachte den Erlös in
die Gemeinschaft ein. Das ist Kommunismus pur, liebe
Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU.


(Beifall bei der LINKEN – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Deswegen die Christenverfolgung! – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Deswegen haben die Kommunisten die Christen verfolgt!)


Im Übrigen hat dann einer namens Ananias einen Teil
des Erlöses beiseitegeschafft.


(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Unglaublich!)


– Nein, das sind kommunistische Ideen, von denen Sie
sich distanzieren – na klar.


(Beifall bei der LINKEN – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Im Kommunismus sind die Christen am schlimmsten von Ihresgleichen verfolgt worden!)


Sie müssen das einmal zur Kenntnis nehmen.

Sie würden uns gerne in diese Ecke stellen. Sie ma-
chen schließlich Wahlkampf – na klar.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


– Sie können schäumen, so viel Sie wollen. Ich sage Ih-
nen: Meine Partei steht für die Wiedergewinnung von
Sozialstaat und Gerechtigkeit. Sie steht für die Wieder-
gewinnung von Demokratie und die Ablehnung von
Krieg als Mittel der Politik.


(Beifall bei der LINKEN)


Alle großen Utopien in der Menschheitsgeschichte
sind für die Rechtfertigung von Verbrechen missbraucht
worden. Die urchristliche Utopie von Gemeinsamkeit
und der Abschaffung von Privateigentum – das habe ich
Ihnen gerade vortragen – ist für die Verbrechen Stalins
und Pol Pots missbraucht worden. Sie ist an der Berliner
Mauer und mit dem Begriff der Diktatur des Proletariats
missbraucht worden.

Aber die christliche Idee ist dafür missbraucht wor-
den, dass in Jerusalem im Blut der Muslime gewatet
wurde. Sie ist für die Hexenprozesse und die Folter der
Inquisition missbraucht worden.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Immer wieder „missbraucht worden“! Der Missbrauch D d k e m m u w s n D s a S Z te s ti a d h in b g (C (D scheint dem Kommunismus immanent! – Burkhard Lischka [SPD]: Jetzt wird es peinlich!)


ie Idee des Kapitalismus hat Millionen von Toten unter
er Zivilbevölkerung in Vietnam zu verantworten.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Karin Strenz [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich!)


Zum Schluss sage ich Ihnen eines – zu diesem Be-
enntnis können Sie mich bekommen –: Wir sind die
inzige Partei, die sich gegen den Finanzmarktkapitalis-
us erhebt. Dazu stehen wir, und wir sind stolz darauf.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit oder ohne Kommunismus? – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Eindrucksvolle Selbstkritik! – Zuruf von der FDP: Wenn Heucheln quietschen würde!)


Sie sind prokapitalistische Parteien, die mit der Kom-
unismusdebatte nur von den eigentlichen Problemen

nserer Gesellschaft ablenken wollen. In diesen Tagen
erden durch die Spekulanten an den Warenterminbör-

en die Getreidepreise und andere Lebensmittelpreise
ach oben getrieben.


(Burkhard Lischka [SPD]: Jetzt sind wir wieder ganz am Thema vorbei!)


aran werden in diesem Jahr Millionen von Kindern
terben. Das ist eine elegante Art zu töten, aber sie ist
uch durch und durch verwerflich.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn schon Wahrheit, dann die ganze Wahrheit.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Der Dioxinverantwortliche ist Stasi-Mann gewesen! Unglaublich! Herr Maurer, Sie können uns nicht einmal anschauen! Das gibt es doch überhaupt nicht!)


ie werden uns nicht in die Kommunismusecke kriegen.
u der Logik der Geschichte gehört, dass im selben zar-
n Alter, in dem ich Oberministrant war, Ihre Parteivor-

itzende FDJ-Funktionärin für Propaganda und Agita-
on war. Auch das gehört zu dem, was Sie erst einmal
ufarbeiten dürfen, statt bei uns die Dinge abzuladen.


(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Falsch, und das wissen Sie!)


Dass Sie sich das Vermögen der Blockparteien unter
en Nagel gerissen haben, müssen Sie aufarbeiten. Sie
aben auch verschwiegen, dass Sie mit unseren Stimmen
der Uckermark Ihren Mann zum Landrat gewählt ha-

en. Sie sind opportunistisch und scheinheilig. Deswe-
en lassen wir uns das nicht bieten.


(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der LINKEN: Bravo! – Zurufe von der FDP: Nicht zu fassen! – Das Allerletzte!)







(A) )


)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708515700

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kol-

lege Wolfgang Wieland das Wort.


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1708515800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Kollege Maurer, Ihr Beitrag war wirklich unterirdisch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Oskar Lafontaine fing schon bei Anne Will so an, als er
sagte, man könne über Raiffeisenkassen, das Spiegel-Re-
daktionsstatut und das Urchristentum reden. Sie haben
hier den Ministranten herausgekehrt. Sie tun so, als ob
sich Frau Lötzsch und Frau Viett bei der besagten Veran-
staltung zum Beten zusammenfinden wollten. Es war
aber anders. Frau Viett kam von der RAF, überwinterte
in der DDR und predigt jetzt wieder den Gang in den
Untergrund. Der Saal dort tobte. Man wusste schon vor-
her, welche Veranstaltung dort zu Ihrem sonstigen staats-
rituellen Gedenken arbeitsteilig stattfinden sollte. Sie
stellen sich nun hier hin, spielen den Harmlosen, stellen
Nebelkerzen auf, reden über den Hunger in der Welt und
anderes und behaupten auch noch: Unsere Partei hat mit
Kommunismus ja überhaupt nichts zu tun. – Wer soll Ih-
nen diese Heuchelei eigentlich glauben?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Wen haben Sie denn vor einem Jahr zu Ihrer stellver-
tretenden Parteivorsitzenden gewählt, auf Vorschlag von
Gregor Gysi, dem diese Frau zuvor noch peinlich gewe-
sen ist? Sahra Wagenknecht, Sprecherin der Kommunis-
tischen Plattform seit jeher.


(Zuruf von der Linken: Sie ist keine Sprecherin!)


– Stimmt, dieses Amt hat sie inzwischen niedergelegt. –
Wie aber schreibt sie denn ihre erleuchteten Texte? Laut
Auskunft ihres Ehemanns – der wird es ja wohl wissen –
unter einer Fahne der DDR, einer roten Fahne und einem
Porträt von Walter Ulbricht. So sind diese Texte dann
auch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Widerspruch bei der LINKEN)


– Da Sie es offenbar hören wollen, bitte schön! – Sie er-
klärt, Erich Honecker gebühre „unser bleibender Res-
pekt“.


(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Sie glauben das offensichtlich wirklich!)


Wofür? Dafür, dass er die Mauer gebaut hat. Sie erklärt
ferner, dass die DDR – Zitat – „das friedfertigste und
menschenfreundlichste Gemeinwesen, das sich die
Deutschen im Gesamt ihrer Geschichte bisher geschaf-
fen haben“, gewesen sei. Die Mauer ist für sie eine Maß-
nahme zur – Zitat – „Grenzbefestigung, die dem lästigen
Einwirken des feindlichen Nachbarn ein längst fälliges
Ende setzte“. So weit Sahra Wagenknecht, so weit ihr
Beitrag im 50. Jahr des Mauerbaus. Es gab keine Ent-

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(C (D chuldigung. Nichts wurde zurückgenommen. Sich dann ier hinzustellen und die beleidigte Leberwurst, die verlgte Unschuld zu spielen, weil wir das ernst nehmen, as Ihre Parteivorsitzende sagt, so billig kommen Sie icht davon. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ein Wort zu Ihrer Parteiführung, weil Sie gesagt ha-
en, wir sollten Marx lesen. Dazu fällt mir die Stelle aus
em 18. Brumaire ein, wonach sich die großen Taten
iederholen: Sie finden einmal als Tragödie und einmal

ls Farce statt. Die Ermordung von Rosa Luxemburg
nd Karl Liebknecht war sicherlich eine Tragödie.


(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Ach so! Ein Verbrechen war das! Ein Verbrechen!)


re neue Parteiführung – Gesine Lötzsch und Klaus
rnst – ist die Farce, um das deutlich zu sagen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


ie weist auf die vielen Wege zum Kommunismus hin
man müsse sie nur beschreiten –, und er weiß darob

icht, auf welchem er mit seinem Porsche voranfahren
oll. Deswegen steht er auf der Stelle und sagt ewig das-
elbe.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


ie beiden, die Sie sich als Vorsitzende ausgesucht ha-
en, sind Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auf
eistigem Mindestregelsatz.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


ber das macht ihre Äußerungen nicht besser.

Es wurde doch schon gesagt, dass Menschen, die in
er DDR in Haft saßen – Vera Lengsfeld ist inhaftiert
orden wegen eines Plakates, das sie bei einer Rosa-
uxemburg-Demonstration gezeigt hat –, getreten wur-
en und geradezu in drei Angriffswellen, selbst als sie an
ine Bushaltestelle gingen, von sogenannten jungen An-
fas verfolgt wurden, die an dieser Veranstaltung teilge-
ommen und Ulla Jelpke zugejubelt haben. Von Ulla
elpke wissen wir, dass ihre Hauptsorge der Entdämoni-
ierung der DDR und der Stasi gilt. Sie war bei der Ver-
nstaltung Moderatorin. Man muss sagen: Wie die Mo-
eratorin, so das Publikum. Auch das können Sie nicht
bstreiten. Das ist ihr Publikum gewesen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Es ist eine Schande, was vor diesem Saal passiert ist.
s ist eine Schande, dass Frau Lötzsch kein offizielles
ort des Bedauerns dazu gefunden hat. Es ist richtig,
as hier gesagt wurde, dass gerade die Opfer der DDR-
iktatur uns dazu zwingen, diese Auseinandersetzung
it Ihnen in aller Schärfe zu führen und keine Relativie-





Wolfgang Wieland


(A) )


)(B)

rungen und erst recht keine Rehabilitierung der Täter zu-
zulassen.

Vielen Dank.


(Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708515900

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär

Dr. Bergner.

D
Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1708516000


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Ver-
treter des Bundesministeriums, das für politische Bildung
und für Extremismusbekämpfung zuständig ist, stelle ich
fest: Die große Aufmerksamkeit und die öffentliche Erre-
gung, die die schriftlichen und mündlichen Aussagen von
Kollegin Lötzsch als Parteivorsitzende der Linken anläss-
lich der Rosa-Luxemburg-Konferenz gefunden haben,
sind berechtigt, und die Debatte über diese Äußerungen
ist notwendig, auch die Debatte, die hier im Deutschen
Bundestag geführt wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Maurer, unter dem Eindruck Ihrer Rede
füge ich hinzu, dass die massive Kritik, der Ihre Fraktion
in dieser Debatte ausgesetzt ist, für die politische Kultur
in unserem Land offensichtlich unverzichtbar ist, wenn
Sie nicht ein einziges Wort der Einsicht oder der Zurück-
nahme in dieser Debatte zu verkünden haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Was ist denn da zurückzunehmen?)


Die Debatte ist wichtig, weil es um den demokrati-
schen Grundkonsens und die Wertegrundlagen unseres
Gemeinwesens geht.

Die Äußerung von Frau Lötzsch, viele weitere Wege
hin zum Kommunismus auszuprobieren, sowie die Inter-
pretation des aktuellen Handelns der Partei Die Linke
und der Fraktion Die Linke im Sinne dieser Viele-Wege-
Theorie hin zum Kommunismus – auch das ist bemer-
kenswert – mögen auf unterschiedliche Bewertungsper-
spektiven treffen.

Ich muss zusammen mit anderen in diesem Parlament
Wert darauf legen, dass es zwischen Frau Lötzsch und mir
eigentlich keine Missverständnisse geben dürfte, wenn es
um den Begriff des Kommunismus geht. Sie wie ich ha-
ben im Rahmen unserer Schulpflicht in der DDR den
Staatsbürgerkundeunterricht besucht. Sie wie ich und an-
dere haben im Rahmen ihres Studiums die obligatorische
Marxismus-Leninismus-Ausbildung erfahren. Sie wie
ich haben die indoktrinierende M-L-Weiterbildung wäh-
rend des Berufslebens über uns ergehen lassen müssen.

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(C (D Herr Maurer, weil Sie sich auf das Neue Testament eziehen, kann ich aus eigener Erfahrung hinzufügen: ir haben erlebt, dass der Kommunismus, mit dem wir onfrontiert waren, aufs Äußerste aggressiv atheistisch nd kirchenfeindlich war. Insofern ist die Berufung auf ie Apostelgeschichte völlig deplatziert. Dies gilt auch r einen ehemaligen Ministranten. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wissen, was diejenigen, die diese Idee begründe-
n, gemeint haben: klassenlose Gesellschaft. Engels

prach vom Sprung des Menschen aus dem Reich der
otwendigkeit in das Reich der Freiheit. Das ist eine an-

pruchsvolle und endzeitliche Sozialutopie, die von ei-
er berufenen Elite erreicht werden sollte, von der Partei
er Arbeiterklasse; es war die Rede von der historischen
ission der Arbeiterklasse. Die berufene Elite nahm

eshalb für sich das Recht in Anspruch, die eigenen Vor-
tellungen im Rahmen der Diktatur des Proletariats mit
talitären Mitteln durchzusetzen. Das heißt, die Sozial-

topie des Kommunismus ist untrennbar verbunden mit
em Totalitarismus, der seiner Zielerreichung zugrunde
egt.


(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Das ist eine kühne Behauptung!)


Wenn Herr Gysi nun sagt, als Politiker müsse man be-
cksichtigen, dass andere unter dem Begriff „Kommu-

ismus“ Stalin verstehen oder an die Mauer denken, so
uss ich sagen: Das stimmt. Aber das ist nicht das Er-

ebnis einer schöpferischen Fantasie, sondern das Er-
ebnis leidvoller Erfahrungen, die sich auf vielfache
eise weltweit niedergeschlagen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir eine Debatte über die Wertegrundlagen un-
erer Gesellschaft führen wollen, dann ist für uns un-
weifelhaft: Der Kommunismus ist nicht die Gesell-
chaft des Grundgesetzes.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


er Wege zum Kommunismus sucht, der sucht Wege
us der Gesellschaft des Grundgesetzes.


(Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Ein Verfassungsfeind!)


r braucht sich dann nicht zu wundern, dass das Bundes-
erwaltungsgericht am 21. Juli letzten Jahres entschie-
en hat, dass die praktische Beobachtung der Partei Die
inke durch das Bundesamt für Verfassungsschutz recht-
äßig ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben es hier mit einer Leitbildkonkurrenz zu
n, mit einem Leitbildgegensatz, der nicht deutlich ge-

ug benannt werden kann. Das Leitbild des Grundgeset-
es ist eine Gesellschaft, die allen Menschen, auch denen





Parl. Staatssekretär Dr. Christoph Bergner


(A) )


)(B)

der zukünftigen Generation, ein Leben in Würde ermög-
lichen will. Die Erfüllung dieses Leitbildes ist eine an-
spruchsvolle und täglich wiederkehrende Aufgabe. Wer
den Kommunismus propagiert, der will sich mit der
Flucht in eine Sozialutopie der täglichen Mühe dieser
Aufgabe entziehen. Wie mühevoll diese Aufgabe ist, das
erleben wir in den Debatten, aktuell bei der Debatte um
die Hartz-IV-Sätze im Vermittlungsausschuss. Diese
Aufgabe ist mühevoll, und es ist streitig, was im Einzel-
nen auf der Grundlage des Leitbildes des Grundgesetzes
verhandelt wird. Aber gerade weil es streitig ist, ist es so
wichtig, dass der Streit auf dem gleichen Fundament ge-
führt wird, wenn er zu regierungsfähigem Handeln füh-
ren soll. „Gleiches Fundament“ bedeutet eben nicht das
Ausprobieren von Wegen zum Kommunismus, sondern
sich täglich der Mühe zu unterziehen, jedem Menschen
in dieser Gesellschaft ein Leben in Würde zu ermögli-
chen.

Wenn Sie sich an der Debatte beteiligen, so setzen Sie
sich – hier hat Frau Lötzsch vielleicht nur eine Offenba-
rung längst bekannter Positionen verkündet – dem be-
rechtigten Misstrauen aus, dass Ihr Beitrag zur Debatte
um Hartz-IV-Sätze, um Altersarmut, um Steuerpolitik,
um Friedenspolitik kein Beitrag ist, hinter dem die indi-
viduelle Menschenwürde als wirklich letztendliches und
entscheidendes Ziel steht. Vielmehr ist sie nur ein takti-
sches Ziel.


(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Ach! Noch eine Unverschämtheit!)


– Sie haben den Beitrag von Frau Lötzsch hoffentlich
ebenfalls gelesen.


(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Ja!)


Ich rede nicht über irgendetwas, sondern ich rede über
das, was ihre Haltung prägt und was in diesem Aufsatz
zum Ausdruck kommt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Manche illusionäre Finanzforderung an den Staat findet
unter Umständen darin eine logische Erklärung; denn es
geht Ihnen offenkundig nicht darum, tagtäglich das Ziel
der Wahrung der individuellen Menschenwürde zu errei-
chen, sondern Sie folgen einer Utopie, für deren Durch-
setzung in der Geschichte immer wieder Gewalt gerecht-
fertigt wurde.

Es ist nicht so, dass ich gegen das eine oder andere Ih-
rer Parteimitglieder Einwände hätte. Ich habe schon in-
dividuelle Personen Ihrer Partei für ihren Einsatz gewür-
digt. Aber weil ich der Meinung bin, dass zur
Regierungsfähigkeit eine Übereinstimmung in den Wert-
grundlagen erforderlich ist, war für mich immer klar,
dass mit Ihnen keine Koalition und keine Zusammen-
arbeit in der Bundesrepublik Deutschland auf Regie-
rungsebene praktiziert werden sollte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich nehme den Beitrag von Frau Lötzsch als eine Mah-
nung. Jeder sollte in diesem Sinne seine Verantwortung
bei seinem politischen Handeln wahrnehmen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708516100

Die Kollegin Gleicke hat für die SPD-Fraktion das

ort.


(Beifall bei der SPD)



Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1708516200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

esine Lötzsch hat Unsinn geredet und geschrieben. Das
issen hier alle. Frau Lötzsch weiß das sicher auch sel-
er. Das macht das Ganze kein bisschen besser, sondern
ur noch viel ärgerlicher und noch viel peinlicher. Frau
ötzsch sollte zugeben, dass sie bestimmten Leuten nach
em Maul reden wollte. Damit wäre zwar nichts wirk-
ch gut, aber zumindest vieles geklärt. Dann könnten
ir diese Debatte beenden und uns wieder um wirklich
ichtige Dinge kümmern, um die Zensur von Soldaten-
ost zum Beispiel, um vergiftete Lebensmittel oder um
en Zynismus, mit dem diese Bundesregierung Hartz IV
strumentalisiert, um all die großen und kleinen Skan-

ale, die unsere volle Aufmerksamkeit verdient hätten.

Aber nein, sie gibt gar nichts zu. Sie bleibt lieber in
rem rot lackierten Elfenbeinturm sitzen und spinnt dort

enau das Garn, aus dem die CDU ihre nächste Rote-
ocken-Kampagne stricken möchte. Wenn Frau Lötzsch
ich selbst als demokratische Sozialistin bezeichnet und
ehauptet, nach irgendwelchen Wegen zum Kommunis-
us suchen zu wollen, dann ist das erstens intellektuell

rmselig, weil das eine das andere definitiv ausschließt.
as hat uns die Geschichte gezeigt.


(Beifall bei der SPD)


weitens ist das purer Opportunismus, weil sie damit im
rüben fischt. Sie geht damit bei denjenigen auf Stim-
enfang, die aus der Geschichte nichts, aber auch gar

ichts gelernt haben. Das sind die, die von der Ge-
chichte nichts wissen, das sind die, die von der Ge-
chichte nichts wissen wollen, oder die, die die Ge-
chichte kennen und keine Konsequenzen aus ihr ziehen
ollen. Die dritte Gruppe sind die völlig Unbelehrbaren.
as sind die herz- und hirnlosen Zyniker, die finden,
ass all dieser Schrecken und all diese Verbrechen insge-
amt irgendwie doch richtig und notwendig gewesen
ind: die Schauprozesse, die Gulags, Bautzen, die
auer, der Schießbefehl. Es gibt tatsächlich immer noch

eute, die der Meinung sind, dass das bedauerliche, aber
istorisch irgendwie notwendige Irrtümer auf den ver-
chlungenen Wegen ins Paradies gewesen sind. Es gibt

mer noch Leute, die nicht begreifen können oder wol-
n, dass der Kommunismus des 19. Jahrhunderts seine
nschuld für immer verloren hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Aber es gibt noch ein Drittes, was ich Ihnen ankreide
nd übel nehme. Diese unsägliche Debatte beschädigt all
ie anständigen Menschen, die wirklich und aufrichtig
n eine bessere Welt glauben und die jeden Tag versu-
hen, sie ein kleines bisschen besser zu machen. Damit





Iris Gleicke


(A) )


)(B)

meine ich auch durchaus Leute in der Linkspartei, ge-
rade unter den Jüngeren.


(Zuruf von der FDP: Aha!)


Die sitzen jetzt da und wissen nicht so recht, was sie ma-
chen sollen – mit einer Vorsitzenden auf der Suche nach
Wegen in den Kommunismus und mit einem Vorsitzen-
den auf der Suche nach dem besten Rotwein unter
10 Euro. Rosa Luxemburg wäre da speiübel geworden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Sie gehen schlecht um in der Linkspartei mit Ihren
jungen Leuten und deren Träumen von einer besseren
Welt. Das müssen Sie letztlich selber wissen; da mische
ich mich nicht ein. Aber wir werden Ihnen nicht durch-
gehen lassen, dass Sie auf der einen Seite kalten Kaffee
vom Kommunismus erzählen und auf der anderen Seite
uns Sozialdemokraten immer wieder als Totengräber des
Sozialstaats oder als Kriegstreiber denunzieren. Sie ha-
ben den Traum von der besseren und von der gerechte-
ren Welt nicht gepachtet; im Gegenteil: Sie sind dabei,
ihn für einen billigen Applaus der Ewiggestrigen zu ver-
raten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie glauben, dass Sie mit dieser billigen Masche
durchkommen, dann werden Sie Ihr rotes Wunder erle-
ben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708516300

Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Kurth das Wort.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Patrick Kurth (FDP):
Rede ID: ID1708516400

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Sehr geehrter Herr Maurer, das Christentum will
das Individuum ändern, durch Einsicht, und nicht die
Gesellschaft.


(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Die Bibel nicht gelesen!)


Der Kommunismus will durch Revolution die Gesell-
schaft verändern. Der Kommunismus scheitert regelmä-
ßig. Das Christentum bleibt. Das ist der gewaltige Unter-
schied.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Hexenverbrennung aus Überzeugung!)


Frau Lötzsch hat einen Beitrag geschrieben. Hohe
Wellen hat dieser Beitrag geschlagen: öffentlicher Auf-
schrei, zahlreiches Kopfschütteln. Ja, das beruhigt: Das
gesellschaftliche und demokratische Immunsystem ist
intakt.

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(C (D Die Art und Weise aber, wie die Linke mit diesem hema umgegangen ist, wie sie sich heute hier auch präentiert hat, die Übergriffe auf friedlich demonstrierende ED-Opfer, das Ausbleiben von Bedauern, das zeigt: as gesellschaftliche und demokratische Immunsystem er Partei Die Linke ist kaputt. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Sie können froh sein, dass Sie hier geschützt sind! Das ist zehn Beleidigungsklagen wert!)


Etwas ist schon ein bisschen erstaunlich; das muss ich
irklich sagen. Eine Frage stellt sich vielleicht vielen
Sie haben auch keine Antwort gegeben –: Wo ist ei-

entlich Frau Lötzsch? Wo ist eigentlich Herr Gysi? Wo
t denn eigentlich Klaus Ernst? Wo ist denn Sahra
agenknecht? Und noch einmal: Wo ist Gesine

ötzsch?


(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Sie sitzt da drüben! Schau mal da rüber!)


Hier wird über ihre Diskussionsbeiträge gesprochen.
esine Lötzsch geht offensichtlich viel lieber zu links-
riminellen Demagogen und Terroristen. Sie ehrt, sie
delt eine solche Veranstaltung, aber dem Deutschen
undestag bleibt sie fern. Eine hervorragende parlamen-
rische Auffassung hat diese Dame, die Sie hier heute
och einmal bestätigt haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Die Aussagen von Frau Lötzsch lassen in ihrer Ein-
eutigkeit wenig Interpretationsspielraum. Sie bekennt
ich klar zur „strukturellen Veränderung der Eigentums-
nd Machtverhältnisse“. Sie sieht ihre Partei in der „Tra-
ition gesellschaftsverändernder radikaler Realpolitik“.
n diesen Aussagen kann man ebenso wenig deuteln
ie an der Verwendung eines sehr problematischen Zi-
ts. Sie zitiert Rosa Luxemburg. Ich zitiere:

So soll die Machteroberung nicht eine einmalige,
sondern eine fortschreitende sein, indem wir uns hi-
neinpressen in den bürgerlichen Staat, bis wir alle
Positionen besitzen und sie mit Zähnen und Nägeln
verteidigen.

esine Lötzsch!

Ich frage Sie: Was verstehen Sie unter „hineinpres-
en“? Ich frage Sie: Wie sind in diesem Zusammenhang
Zähne“ und „Nägel“ zu verstehen? Ich frage Sie: Was
önnen Sie denn dagegen haben, dass die Verfassungs-
chutzämter Sie beobachten? Wer mit Zähnen und Nä-
eln in der Demokratie umgehen will, der hat nichts an-
eres als Gewalt oder Härte vor. Ich möchte Sie bitten,
iese Frage hier noch schnell zu klären.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Unglaublich!)


Eines lässt einen ganz erschaudern. Es gibt einen Ab-
chnitt mit der Überschrift „Fortschreitende Macht-
roberung“. Der Begriff „Eroberung“ ist höchst interes-
ant. Er hat relativ wenig gemein mit dem
emokratischen Grundkonsens, mit der Willensbildung
nd dem politischen Wettbewerb. „Machteroberung“





Patrick Kurth (Kyffhäuser)



(A) )


)(B)

– andere haben es übrigens „Machtergreifung“ ge-
nannt –,


(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Unglaublich!)


unter diesem Aspekt schreibt Frau Lötzsch verschiedene
Dinge auf. Sie schreibt darüber, ob sich Krisen mögli-
cherweise zum Vorteil für die Linken auswirken könn-
ten; sie schreibt über die Klimaerwärmung und über
Missstände in Verbindung mit der Euro-Krise und stellt
die Frage, ob die EU eventuell auseinanderbricht. Dann
folgert sie – das ist ganz interessant –: Angenommen,
das tritt alles so ein, dann werden wir gefragt.

Wir, die demokratischen Fraktionen, versuchen ja,
diese Krisen – wenn auch mit unterschiedlichen politi-
schen Mitteln – zu verhindern. Das Ziel ist aber das
Gleiche, nämlich dass es den Menschen in diesem Land
gut gehen soll. Sie aber wollen Ihren politischen Gewinn
aus der Tatsache ziehen, dass diese Krisen eintreten. Ich
habe mir gedacht, dass ich diese Haltung von irgendwo-
her kenne. Ich habe etwas gefunden, das Ihnen sicherlich
bekannt ist:

Für den Marxisten unterliegt es keinem Zweifel,
dass eine Revolution ohne revolutionäre Situation
unmöglich ist …

An anderer Stelle steht sinngemäß: Erst wenn das Volk
hungert, ist es bereit zur Revolution. – Das hat Wladimir
Iljitsch Lenin vor ungefähr 100 Jahren zum Zusammen-
bruch der Zweiten Internationale geschrieben, nachzule-
sen in Lenin, Werke, Band 21.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Was Frau Lötzsch in der Sprache des 21. Jahrhunderts
geschrieben hat, ist genau das Gleiche: Aus Krisen wol-
len Sie Ihren politischen Gewinn erzielen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Hans-Joachim Hacker [SPD])


Ich halte fest: Wer glaubt, es handele sich um einen
gesellschaftspolitischen Aufsatz, der irrt. Dahinter steckt
eiskalte Parteitaktik. Der Unterschied zu irgendwelchen
DDR-Shows ist der, dass Frau Lötzsch eine Politik ma-
chen will, die in unser künftiges Leben eingreifen soll.
Für viele Menschen ist der kommunistische Gedanke
möglicherweise hipp und modern. Aber diese Menschen
wissen gar nicht, dass diese Haltung von Ihnen partei-
politisch ausgenutzt wird.

Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass ausgerechnet
der Kommunismus mit seiner menschenausgrenzenden,
bevorteilenden und nach Klassen unterscheidenden
Theorie und in seiner gewalttätigen, freiheitsberauben-
den und tödlichen Praxis als die gerechtere Gesell-
schaftsform dargestellt wird. Einem solchen im Kern
völlig ungerechten Gesellschaftssystem müssen auf-
rechte Demokraten aufklärerisch, aber auch wehrhaft
entgegentreten.

Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksam-
keit.

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(C (D (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708516500

Für die Unionsfraktion hat der Kollege Dobrindt das

ort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Alexander Dobrindt (CSU):
Rede ID: ID1708516600

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Demokraten! Anwe-

ende Kommunisten!


(Lachen bei der LINKEN)


eine Damen und Herren! Herr Maurer, das, was Sie
ier abgeliefert haben, ist nicht nur unterirdisch.


(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Dann lesen Sie es noch einmal nach!)


s ist auch abartig und pervers. Das muss man einmal an
ieser Stelle sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ie haben das Bekenntnis zum Kommunismus hier im
eutschen Bundestag erneuert. Außerdem waren Sie
och bereit, dass Christentum mit hineinzuziehen. Sie
ollten sich an die geschichtliche Wahrheit halten. Kom-
unisten haben überall auf der Welt die Christen ver-
lgt, unterdrückt und entrechtet. Das ist die geschichtli-

he Wahrheit und nichts anderes.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie reden von den Wegen zum Kommunismus. Es
ibt in diesem Artikel noch weitere schöne Zitate von
esine Lötzsch. Sie schreibt:

Egal, welcher Pfad zum Kommunismus führt, alle
sind sich einig, dass es ein sehr langer und steiniger
sein wird. Warum eigentlich?

ie fragt also, warum es keinen schnellen Weg geben
oll, warum es nicht bald geschehen soll. Sie hat mit die-
er Aussage klar gesagt, dass sie in Deutschland den
ommunismus einführen will.


(Zuruf von der LINKEN: Was? Das hat sie nicht gesagt!)


Damit stellen Sie sich außerhalb des Verfassungsbo-
ens. Wer in Deutschland ein menschenverachtendes
ystem verherrlicht, wer in Deutschland den Kommu-
ismus predigt, der sagt damit deutlich, dass er die frei-
eitlich-demokratische Grundordnung in diesem Land
chleifen will und sie ablehnt. Wer dies tut, muss flä-
hendeckend vom Verfassungsschutz beobachtet wer-
en.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der Kollege Kurth hat gerade zu Recht gefragt, wo
enn eigentlich Ihre Parteivorsitzende Lötzsch ist.


(Johannes Kahrs [SPD]: Wo wohl? Im Porsche!)






Alexander Dobrindt


(A) )


)(B)

Draußen bei den Menschen, in Hinterzimmern und wo
auch immer sind Sie gerne bereit, den Kommunismus zu
predigen. Hier aber, wo Sie eine politische Debatte füh-
ren könnten, stehlen Sie sich feige davon. Warum stellt
sich Ihre Vorsitzende nicht dieser Debatte?

Ich sage Ihnen: Die Linken lassen sich heutzutage
eindeutig mit drei Wörtern beschreiben: antidemokra-
tisch, verfassungsfeindlich und feige. Das ist die Realität
der Linken in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: So ist das!)


Aber Sie hätten auch einmal die Wahrheit sagen kön-
nen.


(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Wo lebt denn Herr Schalck-Golodkowski?)


Sie hätten die Chance gehabt, heute die Wahrheit zu sa-
gen, warum Sie sich eigentlich mit dem Thema Kommu-
nismus jetzt mehr beschäftigen als vielleicht in der Ver-
gangenheit. Ihre Vorsitzende Gesine Lötzsch hat es ja in
ihren ersten Wortmeldungen nach diesem Artikel getan,
danach nicht mehr. In den ersten Wortmeldungen hat sie
gesagt, es solle ein Ansporn sein, auch diejenigen für die
Linken zu gewinnen und zu halten, denen die Partei
heute zu angepasst erscheint.

Das ist Ausdruck einer tief verwurzelten antidemo-
kratischen kommunistischen Haltung in Ihrer Partei, die
Sie jetzt billig bedienen wollen, die Sie mit in die Ver-
antwortung nehmen wollen, deren Weg Sie mit beschrei-
ten wollen. Sie haben sich klar dafür entschieden, eine
Kommunismusdebatte in Deutschland zu führen, um ei-
nige Menschen in Ihrer Partei, die antidemokratisch
sind, billig wieder auf Linie zu bringen. Es ist feige und
populistisch, was an dieser Stelle stattfindet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Man kann den Ursprungsentwurf dieses Artikels
heute nachlesen. Der Ursprungsentwurf, den einer Ihrer
Philosophen geschrieben hat, hat in der Tat einen Hin-
weis auf kommunistischen Terror enthalten. Er hat in der
Tat darüber gesprochen, dass es Millionen von Opfern
aufgrund kommunistischer Regime gegeben hat. Genau
diesen Satzteil haben Sie bewusst aus diesem Manu-
skript herausgestrichen und die Wege zum Kommunis-
mus, die es vorher gab, hineingeschrieben.


(Zuruf von der FDP: Hört! Hört!)


Das ist es, was ich dabei eigentlich mit am schlimmsten
finde. Da zeigt sich deutlich, wes Geistes Kind hinter
diesem Schreiben steht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Hans-Joachim Hacker [SPD])


Ich habe sehr genau zugehört, wie Sie, Herr Thierse,
beschrieben haben, welche Auswirkungen der Kommu-
nismus auf die Welt hat. Ich kann es nur mit großem
Respekt zur Kenntnis nehmen. Ich hätte allerdings ge-
hofft, dass Ihre Kollegin Frau Gleicke Ihnen genauso gut
zugehört hätte wie ich. Dann hätte sie nämlich fest-
gestellt, dass es nicht um die Frage irgendeiner Rote-

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(C (D ocken-Kampagne geht. Es geht um grundsätzliche Fraen unserer Gesellschaftsstruktur, die wir heute hier disutieren. Dabei geht es natürlich auch darum, wer sich it wem am Ende gemeinmacht. Deswegen wäre der inweis richtig gewesen, (Iris Gleicke [SPD]: Das machen Sie auf kommunaler Ebene schon lange!)


enn Sie heute zu Recht dieses Bekenntnis gegen den
ommunismus abgeben, dass Sie sagen, dass sich in
erlin und Nordrhein-Westfalen Sozialdemokraten nicht
it den Linken gemeinmachen dürfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der LINKEN)


Das trifft leider Gottes auch die Grünen. Kollege
ieland, ich habe mit Entsetzen feststellen müssen, dass
an genau nach diesem Bekenntnis der Linken zum
ommunismus nicht als Erstes einen Aufschrei aller de-
okratischen Parteien gehört hat,


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Wir haben geschrien!)


ondern dass als Allererstes auch eine Wortmeldung Ih-
r Parteivorsitzenden Frau Roth dabei war, die gesagt

at: Egal, was ist, ich schließe eine Zusammenarbeit mit
en Linken in Deutschland nicht aus.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Dobrindt, schwach!)


h kann für die Christlich-Soziale Union hier feststel-
n: Wir schließen für alle Zeiten aus, mit denen gemein-

ame Sache zu machen, der Kommunismus darf in
eutschland keine Chance mehr haben! Dafür müssen
ir alle sorgen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708516700

Das Wort hat der Kollege Hacker für die SPD-Frak-

on.


(Beifall bei der SPD)



Hans-Joachim Hacker (SPD):
Rede ID: ID1708516800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

er Kommunismus – ob in den Farben des real existie-
nden Sozialismus in der DDR oder beispielsweise als
owjetsystem – ist geschichtlich gescheitert. Eine De-
atte zum Kommunismus würde sich eigentlich vor dem
intergrund anderer wichtiger Themen hier im Hause

rübrigen, wenn irgendjemand diese Diskussion ange-
toßen hätte.

Aber es ist nicht so. Es ist die Parteivorsitzende der
inken, Frau Lötzsch, die scheinbar in dem Führungs-
uo ihrer Partei die Rolle für Agitprop und ideologische
estandspflege übernommen hat,


(Zuruf von der FDP: Jawohl, genau!)






Hans-Joachim Hacker


(A) )


)(B)

während sich der Kovorsitzende mehr um die angeneh-
men Seiten des Lebens kümmert. Hier kommt erneut die
Doppelgesichtigkeit dieser Partei zum Ausdruck.

Frau Lötzsch ist heute nicht anwesend. Das ist ange-
sichts des Eklats, den sie in der deutschen Gesellschaft
provoziert hat, für mich unverständlich. Bei ihrem Aus-
flug in den Kommunismus kommt mir ein Song aus dem
DDR-Oktoberklub ins Gedächtnis, den Frau Lötzsch da-
mals im Gegensatz zu mir vielleicht mit vollem Herzen
und aus voller Brust mitgesungen hat. Der Titel lautet:
„Sag mir, wo du stehst und welchen Weg du gehst“. Frau
Enkelmann kennt diesen Song; sie gehört wahrschein-
lich ebenfalls zu den Anhängern dieser Musik, was auch
in Ordnung ist. Bei dem anderen Thema ist die Bewer-
tung anders.

Bei allen Bemühungen fällt es schwer, herauszufin-
den, was Frau Lötzsch mit ihren Äußerungen eigentlich
politisch und gesellschaftlich will. Mir kommt ihr Agie-
ren während der Diskussion und auch danach wie eine
Schifffahrt auf hoher See ohne Kompass und Radar vor.
Oder sie strebt tatsächlich an, was ihrer diffusen Wort-
meldung über Wege zum Kommunismus in der Konse-
quenz zu entnehmen ist. Das könnte dann aber nur eine
andere Gesellschaft als die nach unserem Grundgesetz
sein; dann wären Diktatur und Unterdrückung statt Frei-
heit und Demokratie die Folge.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Menschen in
unserem Land haben nach den geschichtlichen Erfahrun-
gen des vorigen Jahrhunderts mit Weltverbesserern ideo-
logischer Prägung genug von solchen Angeboten und
stehen fest zu unserer verfassungsrechtlichen Grundord-
nung. Frau Lötzsch hat nicht zum ersten Mal mit der
Kommunismusdebatte die Frage danach aufgeworfen,
wie sie es tatsächlich mit dem Grundgesetz hält. Damit
hat sie auch die Frage gestellt, wie diese Partei es mit
dem Grundgesetz hält. Ihre Äußerungen sind kein Aus-
rutscher.


(Zuruf von der LINKEN: Zitieren Sie doch mal Art. 15 Grundgesetz!)


– Ich komme gleich zu einem Zitat. Die Äußerungen von
Frau Lötzsch sind kein Ausrutscher – hier sind genügend
Zitate gebracht worden –, sondern ein weiterer Punkt in
einer Reihe von Wortmeldungen, in denen sie ihre Ab-
neigung zu unserer Demokratie und zu unserem Rechts-
staat unverhohlen zum Ausdruck bringt. Ich will nur ein-
mal ein Zitat aus ihrer Rede zum Jahresbericht zur
Deutschen Einheit am 30. September 2010 vortragen.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Ja, das war grausig!)


Einige werden sich an diese Rede noch erinnern; auch
einige aus der Fraktion Die Linke. Einige werden sich
auch daran erinnern, dass sie die Rede von Frau Lötzsch
mit Abscheu zur Kenntnis genommen haben. Ich will
hier keine Namen nennen. Sie hat dort ausgeführt:

Es geht darum, dass es eine Alternative zu dieser
kapitalistischen Gesellschaft geben muss. Wir als
Linke lassen uns nicht abschrecken.


(Zuruf von der LINKEN: Genau!)


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(C (D Wenn sie eine Alternative zu dieser kapitalistischen esellschaft – das war die Diskussion zum Stand der eutschen Einheit – in Deutschland im Jahr 2010 fordert, ann meint sie damit eine Alternative zur parlamentarichen Demokratie in Deutschland und zu unserem echtsstaat. Wenn sie zugleich Wege zum Kommunisus fordert, dann ist das ein klares Infragestellen unses Verfassungskonsenses. Das muss hier einmal so aus esprochen werden. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Mitglieder ihrer eigenen Partei Die Linke mahnen an,
ass die Blutspur, die der Kommunismus hinterlassen
at, nicht ausgeblendet werden darf. Ich sage dazu: Jeder
olitischer Häftling, jeder Zwangsausgesiedelte an der
hemaligen innerdeutschen Grenze, jeder Mauertote und
der Flüchtling aus der DDR ist ein Argument gegen
en Kommunismus und die neuen Wege, die Frau
ötzsch empfiehlt.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Den Kommunismus, der teilweise verklärt und schön-
eredet wird, Herr Maurer, gibt es nicht halb. Das ist wie
ei der Schwangerschaft; Kommunismus gibt es nur
anz oder gar nicht. Wir in Deutschland wollen auch
icht die Hälfte vom Kommunismus haben.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, jene Mit-
lieder der Linken, die nicht nur mit Lippenbekenntnis-
en unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung an-
rkennen, müssen sich fragen lassen, wie sie eine
erartige Wegbeschreibung ihrer Parteivorsitzenden mit-
ehen können.

Herr Maurer, ich bin ernüchtert. Heute hätte hier eine
rklärung erfolgen können. Es ist ein weiterer Skandal,
ass Sie sich auf die Bibel berufen und mit ihr Enteig-
ungen rechtfertigen;


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


as haben Sie hier getan. Sie haben kommunistische
aßnahmen mit dem Unrecht anderer gerechtfertigt; das
t ein weiterer Skandal.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Lötzsch muss sich allerdings am Ende die Frage
efallen lassen, ob sie mit ihrer Kommunismusposition
ine Partei führen kann, die den Anspruch erhebt, eine
nke, demokratische Partei in Deutschland zu sein. Die
ntwort darauf muss uns Frau Lötzsch noch geben.


(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Sie hat sie schon gegeben: Nein!)


Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) )


)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708516900

Der Kollege Baumann hat für die Unionsfraktion das

Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Günter Baumann (CDU):
Rede ID: ID1708517000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Herr Maurer, Ihre Rede war für jeden, der in der
DDR gelebt hat, der das System kennt, der in der DDR
zum Opfer geworden ist, der dort gelitten hat, der dort
Christ war, eine bodenlose Frechheit. Ihre Rede war eine
Verhöhnung der Opfer.


(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich mit einem Beispiel aus der DDR be-
ginnen. Ein 17-jähriger Schüler trägt eine Jeansjacke.
Darauf ist ein Aufnäher, der unerwünscht ist. Er kommt
mit der SED in Schwierigkeiten. Man verhaftet ihn,
schlägt ihn mit einem Knüppel. Als Jugendlicher ver-
sucht er, sich zu wehren. Es folgen sechs Monate Ju-
gendgefängnis wegen Widerstandes gegen die Staatsge-
walt. Er kommt frei und schreibt handschriftlich sieben
Flugblätter, die er verteilt. Man kann sagen: ein Dumme-
jungenstreich. Darauf folgte die Inhaftierung im Stasi-
gefängnis Hohenschönhausen. Nach der Entlassung
kommt er gleich in das nächste Gefängnis, in das Gelbe
Elend von Bautzen; viele wissen, was das war. Danach
wird ihm Republikflucht unterstellt, obwohl er diese nie-
mals unternehmen wollte – es gab keine Beweise da-
für –, und er wird ständig wieder ins Gefängnis gesteckt.
Bis November 1989 bleibt er durchgehend in Haft, in
DDR-Gefängnissen, mit allem, was dazugehörte. In der
Summe: sieben Jahre schlimmster Haft ohne jeden
Grund, eine zerstörte Jugend, eine gebrochene Persön-
lichkeit. Das war Kommunismus live. Dort möchten
Frau Lötzsch und einige Gestrige wieder hin.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!)


– Genau das wollen Sie!


(Ulrich Maurer Wiederholung nicht besser!)


Ich könnte viele Beispiele anführen; viele von uns ken-
nen genügend Beispiele, man findet sie an vielen Stellen.

Ich möchte von der täglichen Arbeit im Petitionsaus-
schuss sprechen. Wir haben im Petitionsausschuss des
Deutschen Bundestages in den letzten acht Jahren etwa
2 000 Petitionen von Opfern des SED-Regimes erhalten:
Sie führen berechtigte Gründe dafür an, dass sie für das
Schicksal, das sie in der DDR erleiden mussten, Ent-
schädigung verlangen. Noch heute gehen wöchentlich
mehrere Petitionen von Bürgern ein, die eine Rehabili-
tierung im strafrechtlichen oder beruflichen Bereich
wünschen. Sie haben ihr Hab und Gut verloren, saßen im
Gefängnis oder ihre Karriere wurde zerstört, einfach nur
wegen einer anderen politischen Meinung. Herr Maurer,
das war DDR live, das war Kommunismus.

Nicht nur beim Bundestag gehen jeden Tag Petitionen
ein; auch die Zahl der Eingaben bei Landesparlamenten

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(C (D nd den zuständigen Behörden ist riesig. Die DDR war allen Punkten ein Unrechtsstaat. Man kann viele Bei piele dafür anführen: Es gab keine freien Wahlen, alles ar manipuliert und gesteuert. Es gab keine freie Meiungsäußerung; man durfte nur das sagen, was der Staat ngeordnet hat, alles andere wurde verfolgt. Viele fanen sich wegen einer Meinung, wegen eines Witzes in autzen oder Hohenschönhausen wieder. Die Staats icherheit hat das Land flächendeckend kontrolliert. chauen Sie sich einmal die Zahlen an: Es gab einen IM uf 89 Einwohner. Heute kennen wir diese Zahlen. Es andelte sich also um flächendeckende Kontrolle. Der Staat wurde auch noch von einer privilegierten chicht ausgeplündert, die sich alles genommen hat, die infach da oben war. Es gab eine sogenannte Planwirtchaft, die den Staat wirtschaftlich kaputtgemacht hat. ndersdenkende wurden – wir kennen die Beispiele – egen Devisen freigekauft und verließen das Land. Der lleinvertretungsanspruch der SED war – kurzum – eine iktatur. Die Hinterlassenschaften haben wir 1989/90 rlebt: marode Wirtschaft, kaputtes Umweltsystem, kautte Infrastruktur. Das Schlimmste war: Der Staat und ie Menschen waren moralisch kaputt. Damit haben wir hrelang zu kämpfen gehabt; über die Auswirkungen reen wir heute noch. Man muss deutlich sagen: Zum System des Kommuismus hat auch die Gewalt gehört – 1953 in der DDR; err Thierse hat die Zahlen genannt. Wir sprechen heute on 100 Millionen Menschen weltweit, die unter der ommunistischen Schreckensherrschaft, den kommunisschen Fehlentwicklungen gelitten haben. Meine Damen und Herren, es ist schon einiges zu em gesagt worden, was Frau Lötzsch auf der Podiumsiskussion unter dem Titel „Wo bitte geht’s zum Komunismus?“ der Rosa-Luxemburg-Konferenz am . Januar von sich gegeben hat. Ich möchte, weil meine edezeit knapp ist, einfach die Gelegenheit nutzen, mich ei denen ganz herzlich zu bedanken, die vor dem Geäude friedlich demonstriert haben und dann von linken haoten zusammengeschlagen worden sind. Einige daon sitzen heute auf der Tribüne. Ganz herzlichen Dank r Ihren Einsatz; er wird unvergessen bleiben. (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Ermordet!)


h hätte mir nicht vorstellen können, dass im Jahr 2011
och Menschen für eine demokratische Gesinnung zu-
ammengeschlagen werden.

Ich möchte noch ein Zitat von Günter Schabowski
ringen, der garantiert nicht zu meinen Freunden zählt.
r hat 2009 ein Buch geschrieben und in der Pressekon-
renz, als er das Buch vorgestellt hat, folgendes Zitat

erwendet: Zentralismus, Planwirtschaft, das ganze
ystem war ein Konstruktionsfehler. – So Günter
chabowski. – Herr Maurer, das Buch können Sie sich
uch einmal anschauen.





Günter Baumann


(A) )


)(B)

Meine Damen und Herren, diese Partei muss weiter-
hin vom Verfassungsschutz kontrolliert werden. Das ist
absolut notwendig; es ist gerichtlich bestätigt. Wir müs-
sen wachsam sein. Diese Partei möchte die Grundord-
nung des Staats zerstören, ein anderes System aufbauen.
Das werden wir als Demokraten nicht zulassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Gerade für uns aus den neuen Bundesländern, die wir
heute in demokratischen Parteien arbeiten dürfen, die
wir dankbar sind, im Bundestag sein zu dürfen, die wir
jeden Tag Demokratie live erleben, ist es Verpflichtung,
uns mit all unseren Mitteln dagegenzustellen. Dies darf
nicht wieder passieren.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Johannes Kahrs [SPD] und Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708517100

Das Wort hat der Kollege Dr. Jung für die Unions-

fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Jetzt reden wir über die jüdischen Testamente, nicht? – Gegenruf der Abg. Maria Michalk [CDU/CSU]: Sie scheuen ja vor nichts zurück!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1708517200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Als ich an dem historischen 9. November 1989
nach Ostberlin gefahren bin, um mich mit Reformkräf-
ten der CDU zu treffen, die den Brief aus Weimar für
Meinungsfreiheit, für Reisefreiheit, für Rechtsstaat, für
Demokratie in der DDR geschrieben hatten, hatten wir
auch die Absicht, über Werte auf der Grundlage des
christlichen Menschenbildes zu sprechen, über Werte
unseres Grundgesetzes. Das Grundgesetz hatte ich da-
mals dabei. Aber ich musste es verstecken, weil die
Grenzwächter des real existierenden Sozialismus es mir
sonst abgenommen hätten. Daran wird deutlich – ich
fand, der Kollege Baumann hat das sehr überzeugend
dargestellt –:


(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Sagen Sie mal, in welche Partei er 1972 eingetreten ist! – Gegenruf des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Hören Sie doch einfach zu! Dann können Sie etwas lernen!)


Im Sozialismus und Kommunismus der DDR gab es we-
der Meinungsfreiheit noch Reisefreiheit, freie Wahlen
und Demokratie. Was es gab, war Unfreiheit, Unterdrü-
ckung, Stasibespitzelung, waren Mauer, Stacheldraht
und Schießbefehl. Einen derartigen Sozialismus und
Kommunismus darf es auf deutschem Boden nicht mehr
geben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN s ti s G e d m fü m S s re g S tu s z d d ic W n B e W te N M fü is v te m z d Ü g m (C (D und des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich erinnere mich daran – und viele mit mir –, wie
ich die Bürger damals, während der friedlichen Revolu-
on, vom Joch des Kommunismus befreit haben und
ich eindeutig zu Werten wie Freiheit, zu Werten unseres
rundgesetzes bekannt haben. Ich denke, deswegen darf

s kein Zurück geben. Das Elend des Kommunismus,
as es auf deutschem Boden gegeben hat, muss für im-
er der Vergangenheit angehören.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Herr Maurer, für mich war das, was Sie hier ausge-
hrt haben, bezeichnend. Sie haben im Grunde genom-
en alles gerechtfertigt.


(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Ach!)


ie haben gezeigt, was Ihre geistigen Wurzeln sind. Ich
age Ihnen, der Sie zur Nachfolgepartei der SED gehö-
n: Ich bin und bleibe der Auffassung, dass die geisti-

en Väter und Mütter von Mauer, Stacheldraht und
chießbefehl in Deutschland keine politische Verantwor-
ng mehr tragen dürfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Sie sind die Nachfolgepartei der Ost-CDU!)


Herr Kollege Thierse, Ihre Ausführungen haben mich
ehr nachdenklich gestimmt. Ich kann Ihnen sehr wohl
ustimmen. Was ich nicht nachvollziehen kann, ist, dass
ie SPD mit einer solchen Partei in Berlin und in Bran-
enburg eine gemeinsame Regierung bildet. Das sage
h im Übrigen auch an die Adresse der Grünen. Herr
ieland, ich kann Ihre Ausführungen ebenfalls sehr gut

achvollziehen. Ich kann mich auch noch sehr gut an das
ündnis 90 erinnern. Sie führen es in Ihrem Namen, und
inige sind sogar noch im Parlament.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


ie man sich aber von einer so antidemokratischen Par-
i, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, in
ordrhein-Westfalen tolerieren lassen kann, nur um der
acht willen, kann ich nicht nachvollziehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU toleriert uns viel mehr als die Linke!)


In dieser Woche hat der Präsident des Bundesamtes
r Verfassungsschutz, der übrigens Mitglied der SPD
t, die Notwendigkeit formuliert, dass die Linke weiter
om Verfassungsschutz beobachtet wird. Wenn die Par-
ivorsitzende der Linken den Weg in den Kommunis-
us gehen will und die stellvertretende Parteivorsit-

ende die Kommunistische Plattform vertritt, dann ist
as mit den Werten unseres Grundgesetzes nicht in
bereinstimmung zu bringen. Das zeigt, dass sie sich
egen unsere Verfassung richten. Deshalb sind alle De-
okraten aufgerufen, ihnen ein eindeutiges Nein entge-





Dr. Franz Josef Jung


(A) (C)



(D)(B)


genzurufen, sich abzugrenzen und nicht mit einer sol-
chen politischen Gruppierung zusammenzuarbeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich finde es bezeichnend, dass Frau Lötzsch hier, im
Deutschen Bundestag, einen Mitarbeiter beschäftigt, der
eine Stasivergangenheit hat.


(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Endlich!)


Das sind Folgewirkungen. Das kommt daher, dass Sie
eine derartige Vergangenheit haben.

Lassen Sie mich auch Folgendes sagen: Der Kommu-
nismus – das wurde bereits vorgetragen –, der so viel
Elend, so viel Unmenschlichkeit und Tod in diese Welt
gebracht hat, ist gescheitert, weil er sich gegen die Natur
des Menschen richtet. Der Mensch ist nicht unfehlbar in
der klassenlosen Gesellschaft. Der Kommunismus ist
immer verbunden mit Unfreiheit, mit Unterdrückung
und Diktatur. Das darf und kann nicht die politische
Zielvorstellung in einem demokratischen Parlament
sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Hans-Joachim Hacker [SPD] und Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der Kommunismus gehört auf den Müllhaufen der
Geschichte. Er hat in all seinen Ausprägungen versagt.
Eine derartige Perspektive kann es nicht mehr geben.
Deshalb ist es notwendig, dass auch die Bürgerinnen und
Bürger den Linken die Rote Karte zeigen. Mit solchen
Zielvorstellungen dürfen sie keine politische Verantwor-
tung in Deutschland tragen.

Besten Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1708517300

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, den 26. Januar 2011, 13 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.