Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alleherzlich zur ersten Plenarsitzung des Bundestages nachder Weihnachtspause und dem Jahreswechsel.In den sitzungsfreien Wochen haben die KolleginnenMechthild Dyckmans und Ulrike Flach sowie der Kol-lege Holger Ortel ihre 60. Geburtstage gefeiert. Dazumöchte ich im Namen des gesamten Hauses auch aufdiesem Wege noch einmal herzlich gratulieren.
Die guten Wünsche für das begonnene neue Jahr ha-ben wir mehrfach in vielfältiger Weise, schriftlich undmündlich, wechselseitig ausgetauscht. Sie sollten aberder guten Ordnung halber für das Protokoll ausdrücklichnoch einmal festgehalten werden.Interfraktionell gibt es eine Vereinbarung, die heutigeTagesordnung um eine Regierungserklärung der Bun-desministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-braucherschutz zu erweitern, die jetzt gleich im An-schluss als Erstes aufgerufen werden soll. Außerdem istvorgesehen, nach der Fragestunde eine von der SPD-Fraktion verlangte Aktuelle Stunde zum neuen ungari-eVgDWsRwmsalea2mheRedetschen Mediengesetz durchzuführen. Sind Sie mit dieserErgänzung der Tagesordnung einverstanden? – Das istoffensichtlich der Fall. Dann ist das so beschlossen.Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:Abgabe einer Regierungserklärung durch dieBundesministerin für Ernährung, Landwirtschaftund VerbraucherschutzVerbraucher konsequent schützen – Höchst-maß an Sicherheit für Lebensmittel gewähr-leistenIch mache darauf aufmerksam, dass zu diesordnungspunkt je ein EntschließungsantragFraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Gliegt.
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9264 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
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mitteln taugt, ist in die Nahrungsmittelkette gelangt. Unddas ist ein echter Skandal!Dioxin gehört nicht in Futtermittel, und Dioxin gehörtschon gar nicht in Lebensmittel.
Die Beimischung verstößt gegen geltende Gesetze. Ja,mehr noch: Wir müssen zum gegenwärtigen Zeitpunktdavon ausgehen, dass hier schlicht unverantwortlich undmit Vorsatz gehandelt wurde.Zu den Meldungen in der heutigen Presse, nach denendie kriminellen Machenschaften vermutlich schon vorMärz 2010 längere Zeit praktiziert worden seien, sagtedas federführende Ministerium in Kiel heute Vormittag,dass derzeit keine neuen Erkenntnisse vorliegen, die einesolche Annahme bestätigen.
Ich will den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nichtvorgreifen. Aus meiner Sicht besteht aber Grund zur An-nahme, dass wir es mit einem hohen Maß an kriminellerEnergie zu tun haben.Die Täter waren und sind skrupellos. Eines ist klarund war auch damals jedem klar, nämlich, dass sich dasbelastete Futtermittel mit einer extrem großen Streuwir-kung über die Republik verteilen würde. Auf dem Höhe-punkt mussten deshalb in unserem Land 4 760 Höfe vor-sorglich gesperrt werden, zugunsten des vorsorgendenVerbraucherschutzes. 931 Höfe sind noch immer ge-sperrt. Eier, Schweine und Legehennen durften und dür-fen während der Sperre nicht in die Lebensmittelkettegelangen. Die Sperre gilt, bis die Unbedenklichkeit fest-gestellt ist.Zur nüchternen Bestandsaufnahme gehört aber auch,dass in einigen Fällen Lebensmittel, die vor der Sperreerzeugt wurden und vielleicht belastet sein könnten, indie Ladenregale gelangt sind. So etwas darf nicht passie-ren.
Die bisher ermittelten Dioxingehalte bei Eiern undFleisch liegen bei einigen wenigen Proben über demGrenzwert. Dies stellt nach Einschätzung unserer Exper-ten zwar keine unmittelbare gesundheitliche Gefährdungfür Verbraucher dar, trotzdem gilt: Dioxin ist ein Um-weltgift, dessen Eintrag in Lebensmittel, egal woher undegal in welcher Konzentration, soweit wie möglich be-grenzt werden muss.
Gerade weil jede zusätzliche Belastung unterbundenwerden muss, sage ich den Verbraucherinnen und Ver-brauchern: Dieser Skandal wird Konsequenzen haben.
– Darauf können Sie sich verlassen.
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nd Gründlichkeit geht auch vor Schnelligkeit.Ich habe die Lage von Anfang an ernst genommen.h habe einen Krisenstab eingerichtet, ein Bürgertelefoningerichtet,
ich eng mit der EU abgestimmt, mich um die interna-onalen Märkte gekümmert, und ich habe täglich miten Ländern die aktuelle Lage geklärt. Ich habe zudemarallel an den Konsequenzen gearbeitet, damit sich soin Fall in Zukunft nicht wiederholt. Das ist ein solidesorgehen, und das ist das Gegenteil von blindem Aktio-ismus.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9265
Bundesministerin Ilse Aigner
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Ergebnis der soliden Arbeit in meinem Haus ist einAktionsplan für Sicherheit und Transparenz, der diewichtigsten Maßnahmen bündelt. Er ist umfassend, kon-kret und konsequent, und er stellt die gesamte Futtermit-telkette auf den Prüfstand: vom Stall bis auf den Teller.Wir werden die Zulassungspflicht für Futtermittelbe-triebe verschärfen. Strenge Auflagen müssen her, unddie Länder müssen diese umfassend und regelmäßigkontrollieren.Wir werden die Produktionsströme trennen. Es darfkünftig nicht mehr sein, dass Stoffe für Futter und Stoffefür die industrielle Produktion in derselben Anlage ver-arbeitet werden.
Wir werden vorschreiben, dass die Futtermittelkom-ponenten auf die Gesundheit gefährdende Stoffe unter-sucht werden.Und schließlich: Alle Prüfungsergebnisse müssennicht nur den Futtermittelherstellern mitgeliefert, son-dern auch den Behörden zur Verfügung gestellt werden.Als weitere Sicherheitsmaßnahme müssen die Laboreden Behörden Grenzwertüberschreitungen von sich ausmelden.Die Kontrollen vor Ort müssen funktionieren. DieVerbraucher müssen sich auch darauf verlassen können.Deshalb sind Verbesserungen in der Kontrollpraxis fürmich ein elementarer Punkt dieses Aktionsplans.
Hundertprozentige Sicherheit kann es zwar nicht geben.Aber das Sicherheitsnetz muss so eng geknüpft sein,dass allein die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden,abschreckt.
Nur so können wir für Sicherheit sorgen, Transparenzschaffen und das Vertrauen der Verbraucher wiederge-winnen.Bei allen Vorteilen des Föderalismus: Es kann dochnicht sein, dass heute zwar die EU die Befugnis hat, ineinzelnen Bundesländern zu prüfen, der Bund aber bis-her außen vor bleibt. Wir haben gestern beschlossen,dass wir eine gemeinsame Auditierung der Überwa-chungsbehörden vornehmen und sich alle zusammen dieQualität der Kontrollen anschauen. Ich freue mich, dasswir damit einen Paradigmenwechsel eingeleitet haben.Das ist ein großer Schritt für die Verbrauchersicherheit.
– Ja, in der Tat: Es ist wichtig, dass wir diesen Planschnell in die Tat umsetzen. Vieles wird noch in diesemJahr geschehen; das kündige ich an.
Genau, ja. – Ein konkreter Zeitplan liegt vor. Mit Ihrernterstützung, der des Parlaments und des Bundesrates,erden wir diesen Plan umsetzen.
Ich weiß nicht, warum Sie sich immer so aufregen. Est in jeder politischen Debatte ein normaler Vorgang,ass man sich ein Ziel setzt, es ankündigt und dann auchmsetzt. Das machen wir jetzt auch; das ist ganz normal.
Übrigens, meine Damen und Herren, setzen wir aufas, was Deutschland in Branchen wie dem Maschinen-au und der Automobilindustrie stark gemacht hat: Wirollen hohe Qualität gewährleisten.
as Qualitätssiegel „Made in Germany“ muss auch hierelten.
Am morgigen Tag steht die Eröffnung der Internatio-alen Grünen Woche auf der Tagesordnung. Die welt-rößte Ernährungsmesse begrüßt hier in Berlin Hundert-usende Besucher. Ich werde bei der diesjährigen Messeen Wert von Lebensmitteln in den Mittelpunkt stellen;enn es geht um einen verantwortlichen Umgang mit un-eren Lebensmitteln. Lebensmittel sind Mittel zum Le-en;
ebensmittel sind keine Industriegüter. Deswegen müs-en wir hier den Anfang machen. Deswegen müssen hierie Anforderungen an die Sicherheit und Qualität ganzesonders hoch sein.Wir sind zu besonderer Sorgfalt verpflichtet, und wirind zu Transparenz verpflichtet. Der Verbraucher mussissen und verstehen können, was er isst. Vor diesemintergrund habe ich die Initiative „Klarheit und Wahr-eit“ gestartet,
nd gestern ist eine überarbeitete Fassung des Verbrau-herinformationsgesetzes in die Ressortabstimmung ge-angen,
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9266 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
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Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Oh! Ganz toll!)ein Verbraucherinformationsgesetz, das Sie, FrauKünast, nicht zustande gebracht haben,
das von der Großen Koalition umgesetzt wurde
und das wir nun im Sinne der Verbraucher noch besserund verbindlicher gestalten werden. All das gehört zurumfassenden Verbraucherinformation dazu.Meine sehr geehrten Damen und Herren, 5 MillionenBeschäftigte gibt es in der Land- und Ernährungswirt-schaft. Wenige Einzelne haben offensichtlich mit hoherkrimineller Energie gehandelt und gegen alle gesetzli-chen, aber auch moralischen Regeln verstoßen. Es trifftdie ganze Branche und ganz besonders unsere Land-wirte. Sie sind diejenigen, die von harter und ehrlicherArbeit leben. Sie sind unverschuldet Opfer in diesemganzen Skandal geworden.
Auch für sie wollen wir schnell das Vertrauen der Ver-braucher zurückgewinnen, indem wir an der politischenAufarbeitung arbeiten, aber auch, indem wir den Wertvon Lebensmitteln hochhalten.In diesen Tagen steht die Landwirtschaft besondersim Fokus der Öffentlichkeit. Ich sehe darin auch eineChance für eine breite gesellschaftliche Debatte um dieRolle der Landwirtschaft. Die Ansprüche und Wünscheder Verbraucher sollen dabei die Richtschnur sein. Esgeht darum, unterschiedliche Zielvorstellungen mitei-nander in Einklang zu bringen: das Streben nach Nah-rungssicherheit, die verstärkte Produktion nachwachsen-der Rohstoffe und den Schutz unseres Klimas und derUmwelt. Das sind die großen Zukunftsthemen, die dis-kutiert werden müssen. Ich habe deshalb einen Prozessin meinem Haus angestoßen. Am Ende soll eine Chartafür Landwirtschaft und Verbrauchervertrauen stehen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie die heutige mo-derne Landwirtschaft funktioniert, weiß in der breitenBevölkerung leider eigentlich niemand so recht. Da herr-schen Vorstellungen von einem Idyll, und da kursierenallerhand Klischees. Was aber hat die Land- und Ernäh-rungswirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten nichtalles geleistet? Jeder achte Arbeitnehmer in Deutschlandarbeitet heute in dieser Branche. Produktivität, Ertragund Nachhaltigkeit sind mithilfe moderner Technikenorm gestiegen. Auch die Verbraucherinnen und Ver-bsadgdMhleVfuAtewinaWicvddreccsfäwBPUdasmvwsuCsVSg
Landwirtschaft geht nun auch einmal mit der Zeit.oderne Technik und eine stärkere Spezialisierung ge-ören auch hier dazu. Der Weg zwischen Acker und Tel-r ist heute länger: Futterwirtschaft, Landwirtschaft,erarbeitung und Handel arbeiten in einer Wertschöp-ngskette. Die Dioxinfunde haben es deutlich gemacht:llein Futtermittel gehen einen langen und komplizier-n Weg.Natürlich wäre es wünschenswert, wenn unsere Land-irte das Futter wieder mehr auf den eigenen Höfen oder der eigenen Region produzieren würden; das will ichuch befördern. So sind Eiweißstrategie und regionaleertschöpfungsketten in Ordnung, jedoch weiß auchh: Wir können uns nicht zu 100 Prozent unabhängigon Zukäufen machen. Deshalb müssen auch diese Pro-ukte allerhöchsten Sicherheitsmaßstäben gerecht wer-en und in der Qualität unantastbar sein.Damit nicht genug: Es ist auch wichtig, dass wir diegionale Herkunft stärken und „Region“ zur Marke ma-hen. Deshalb will ich ein regionales Herkunftskennzei-hen befördern.Ich will eine unternehmerische bäuerliche Landwirt-chaft, damit Landwirtschaft bei uns dauerhaft leistungs-hig sein kann.
Ich will auch in Zukunft eine flächendeckende Land-irtschaft. Deshalb wird in Deutschland nur noch dieewirtschaftung der Fläche gefördert und nicht mehr dieroduktion. Deshalb bekommt nach der jetzt laufendenmstellungsphase bei den Direktzahlungen ein Betrieb,er keine Fläche mehr bewirtschaftet und zum Beispielusschließlich mästet – auch wenn es Hunderte Tiereind –, ab 2013 keinen einzigen Eurocent Förderungehr.Das System verändert sich. Auch sonst hat sich vielerändert. Auch wenn vieles immer noch fälschlicher-eise in den Köpfen der Menschen ist: Die Butterbergeind abgeschmolzen, die Milchseen sind ausgetrocknet,nd ich bin mir mit dem zuständigen EU-Kommissariolos vollkommen einig: Wir setzen auf eine Landwirt-chaft, die für Mensch, Tier und Umwelt gleichermaßenerantwortung übernimmt und Wissen und Können miticherheit und Qualität zusammenbringt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landwirtschaftehört in die Fläche. Sie schafft dort Arbeitsplätze, sie
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9267
Bundesministerin Ilse Aigner
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produziert unser täglich Brot, sie belebt den ländlichenRaum. Ja, sie gehört in die Mitte der Gesellschaft.
Dafür braucht sie Akzeptanz. Landwirte und Verbrau-cher sind natürliche Verbündete. Für all das lohnt es sichzu kämpfen.Herzlichen Dank.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Dr. Priesmeier für die SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Sehr verehrte Frau Ankündigungsministerin!
„Wir müssen“, „wir wollen“, „wir werden“: NichtsNeues aus dem Hause Aigner. Wo konkrete Vorschlägeund Maßnahmen gefordert sind, hört man nur wieder un-verbindliche Phrasen, die uns letztendlich nicht weiter-bringen. Ich höre Ihre Worte, Frau Ministerin, allein mirfehlt der Glaube.Der Markt für Geflügelfleisch ist zusammengebro-chen, der Markt für Schweinefleisch und für Eier eben-falls. Die Kosten gehen mittlerweile weit über300 Millionen Euro hinaus und steigen täglich. DieKrise hat Folgen über Deutschland hinaus. Der russischeMinister fragt besorgt, warum er seit Tagen keine Ant-wort aus Berlin auf konkrete Fragen bekommt, und inden Niederlanden planen die Bauern Protestdemonstra-tionen.Die Frage ist: Wer hat das verursacht? Kriminelle Ma-chenschaften sind sicherlich ein Grund. Ein andererGrund ist die hausgemachte Krise bei der Bewältigungdieser Dioxinkrise.
Das ist die Folge Ihres persönlichen Führungsstils in Ih-rem Hause, und das ist die Folge einer fehlenden und un-zureichenden Lagebeurteilung und vor allen Dingen ei-ner mangelhaften Kommunikation nach außen in dieserKrise.
Das Vertrauen in das System, das bisher selbst unterdem Minister Seehofer bei dem Gammelfleischskandalnoch leidlich aufrechterhalten werden konnte, haben Siegründlich vernichtet.
Die deutschen Verbraucher sind zutiefst verunsichertund fragen sich natürlich: Was gedenken Sie zu tun?hsEsMdkgkzFmubMDdvFmDrauStiavtrhDSamGSmmdrewtrw
s hagelt Schlagzeilen wie: „UNGEAIGNERT! Werchützt uns Verbraucher vor dieser Ministerin?“ Frauinisterin, das sind die Folgen Ihres konkreten Han-elns: Zaudern, zögern, ankündigen. Das ist weiß Gotteine Strategie. Wo Ruhe, Übersicht und Führungsstärkeefordert sind, haben Sie in den letzten Wochen das kon-rete Gegenteil abgeliefert.
Erlauben Sie mir einige Worte, auch kritische Worte,um Ablauf dieses Krisenmanagements. Wir als SPD-raktion haben bereits am 8. Januar 2011 einen Katalogit 15 Forderungen vorgelegt,
m die Konsequenzen aus diesem Skandal zu ziehen. Ichin nicht in den Urlaub gefahren, sondern habe mir dieühe gemacht, konkret an diesem Katalog zu arbeiten.
er von Ihnen angekündigte und im Zusammenhang miter Bekanntgabe der Ergebnisse der gestrigen Konferenzeröffentlichte Plan enthält im Wesentlichen 14 dieserorderungen. Eine ist offengeblieben, nämlich der Infor-antenschutz.
arüber kann ich mich natürlich freuen. Wir wollen hie-uf kein Copyright haben.Wenn es bei diesem Problem um konkretes Handelnd auch um konkrete Vorschläge geht, stehe ich für denachverstand meiner Fraktion, der SPD-Bundestagsfrak-on. Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Pressekonferenzm letzten Freitag behauptet, dass das, was von der SPDorgeschlagen wurde, abgeschrieben worden ist. Damiteffen Sie mich persönlich. Das ist eine Unverfroren-eit. Das muss ich Ihnen deutlich sagen.
ie Behauptung, dass das, was vorgeschlagen wird, diePD abgeschrieben habe, haben Sie am letzten Freitaguf Ihrer Pressekonferenz gemacht. Dies stimmt nicht.Frau Aigner, die Menschen haben kein Verständnisehr für das föderale Kompetenzgerangel, wenn es umesundheit und Wohlergehen geht. Daher fordere ichie auf, bei der Novelle zum Lebensmittel- und Futter-ittelgesetzbuch endlich einen klaren, konkreten Rah-en mit gesetzlichen Bestimmungen vorzugeben, dieie Futtermittel- und Lebensmittelkontrollen dezidiertgeln, entsprechende Quoten vorschreiben, strafbe-ehrt sind und nach denen die Eigenkontrollen der Be-iebe in die gesetzlichen Kontrollen mit einbezogenerden sowie für betriebliche Kontrollen die gleichen
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9268 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
Dr. Wilhelm Priesmeier
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Voraussetzungen wie für staatliche Kontrollen gelten.Anders kommen wir in dieser Frage nicht weiter.
Egal ob die Bürger in Konstanz, Flensburg, Aachen oderGörlitz wohnen: Sie haben einen Anspruch darauf. Siehaben kein Verständnis dafür, dass die erforderlichenMaßnahmen im föderalen Kompetenzwirrwarr unterge-hen.Sie müssen jetzt konkrete Kontrollstandards vorlegen.Das erwarten wir von Ihnen. Sie müssen das auch durch-kämpfen. Sie haben ja vorhin gesagt, dass alle an einemStrick ziehen. Wie das aussieht, wissen wir: Auf der ei-nen Seite steht die Bundesministerin, auf der anderenSeite stehen beispielsweise die Landesminister, und ir-gendwann reißt der Strick. Wir haben das vielfach erlebt.Sie stehen an demselben Punkt, an dem schon der Kol-lege Seehofer gestanden hat, und Sie verfangen sich indenselben Bedingungen.
Die Kosten der Kontrollen für dieses System sindselbstverständlich nicht aus den öffentlichen Kassen,sondern von den Unternehmen bzw. Betrieben zu bezah-len.
Ein Landrat in Niedersachsen hat mir gesagt, dass er indem Bereich allenfalls 55 Prozent der Kosten vom Landersetzt bekommt. Den Rest tragen die Kommunen. So-lange sich daran nichts ändert, wird dieses System nichtfunktionsfähig sein. Wir können so auch nicht den Kon-trollumfang darstellen, der nötig wäre.Ihre Wettbewerbsidee à la PISA, was die Kontrollenbetrifft, finde ich gut. Mein Vorschlag wäre aber: PISAfür die Regierung, PISA für die Kanzlerin, PISA für dieMinister, vor allen Dingen PISA auch für die Agrarmi-nisterin.
Ich glaube, wir würden aus der PISA-Bewertung das Fa-zit ziehen, dass Sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichtgerade gut aussehen.Ich wünsche an dieser Stelle vor allen Dingen demneuen niedersächsischen Agrarminister Gert Lindemannviel Erfolg. Gert Lindemann ist ein sach- und fachkom-petenter Spezialist für den Agrarbereich. Das hat er im-mer wieder unter Beweis gestellt.
Aus meiner persönlichen beruflichen Erfahrung weiß ichnoch, welche dramatischen Folgen damals die Schwei-nepestkrise hatte. Er hat maßgeblich dazu beigetragen,diese Krise und auch die BSE-Krise in den Griff zu be-kommen, und zwar für Niedersachsen. Den Sachver-stand hatten Sie bis letztes Jahr in Ihrem Hause. Sie ha-bdnhvAmdtekkHeKDLSsVissVnnlilalufüsmozwVte
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!en Fachverstand von Herrn Priesmeier kennen wir alle.eider hat er uns davon keine Kostprobe gegeben.chade eigentlich. Ich finde, er hätte etwas Vernünftigesagen sollen.
Er hat vergessen, was wirklich unser Problem ist: Dieerbraucherinnen und Verbraucher sind verunsichert. Est auch unsere Aufgabe – nicht nur die der Wirtschaft,ondern auch die der Politik –, das verloren gegangeneerbrauchervertrauen wieder zu stärken. Dazu haben Sieichts beigetragen.
Es ist auch unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dassicht diejenigen die Zeche zahlen, die nicht daran betei-gt waren, nämlich die kleinen und mittelständischenndwirtschaftlichen Betriebe, die jetzt Einnahmever-ste haben und in ihrer Existenz gefährdet sind. Auchr die haben Sie absolut nichts getan. Ich finde daschmählich.
Wie wir alle wissen, ist die Qualität unserer Lebens-ittel hoch. Wenn sie kriminell – wie in diesem Fall –der fahrlässig gefährdet wird, dann müssen diejenigenur Verantwortung gezogen werden, die dafür verant-ortlich sind. Das sind wir den Verbraucherinnen underbrauchern schuldig. Das sind wir aber auch den Un-rnehmen schuldig, die darunter leiden.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9269
Dr. Christel Happach-Kasan
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Wir alle sind uns darin einig,
dass Dioxine nicht in das Frühstücksei und nicht in dasKotelett gehören. Wir wissen aber auch, dass es eine la-tente Umweltbelastung mit Dioxinen gibt und dass des-wegen das, was die Grünen immer fordern, nämlichNulltoleranz, in diesem Fall nicht umzusetzen ist, ob-wohl es wünschenswert wäre. Ich frage in Richtung derSPD: Sie haben einmal den Umweltminister gestellt. Er-innern Sie sich noch? Das ist noch gar nicht so lange her.Was hat er denn eigentlich gemacht, um die Dioxinbelas-tung in der Umwelt zu mindern? Wie sah seine Vermei-dungsstrategie aus? – Es ist so still bei euch. Ich verstehedas gar nicht.
Wir wollen genauso wenig Dioxine in Weiderindern.Auch deswegen ist eine Strategie zur Vermeidung vonDioxinen wichtig. Futtermittel sind Lebensmittel fürTiere. Abfallbeseitigung durch den Tiermagen war undist nicht akzeptabel.
Am 21. Dezember waren erstmals erhöhte Dioxin-werte durch Eigenkontrollen festgestellt worden. Heute,am 19. Januar, legen wir einen bereits zwischen Bundund Ländern abgestimmten Aktionsplan vor. Das ist zü-giges Handeln.
Ich bitte Sie herzlich, liebe Kolleginnen und Kollegenvon der linken Seite, sich im Bundesrat dafür einzuset-zen, dass der Maßnahmenkatalog, der von Bund undLändern erarbeitet wird, umgesetzt wird. Auch Sie sindhier in der Pflicht.
Ich finde, es ist nach wie vor ein Skandal, dass wir ineinem hochtechnologisierten Land immer noch nichtwissen, woher in diesem konkreten Fall die Dioxinekommen. Nach allen Analysen haben wir ein Dioxin-muster, das vollkommen unbekannt ist. Das heißt, dasswir in Dioxinforschung, -vermeidung und -analytik wei-ter verstärkt investieren müssen. Wir müssen aber auchzur Kenntnis nehmen und den Verbrauchern bewusstmachen: Das BfR hat festgestellt, dass keine gesundheit-lichen Beeinträchtigungen durch den Verzehr von belas-teten Eiern zu erwarten sind.
Wir sollten auch darauf hinweisen, dass die Dioxinbelas-tung seit den 90er-Jahren auf ein Drittel gesunken ist.Ursache dafür war das konsequente Handeln der letztenchristlich-liberalen Regierung in den 90er-Jahren.–wBDdeiscstrLPriim–gdnfäzdggn–egJhbbNuinGP
Sie waren nicht dabei, liebe Frau Höhn. Das müssenir schlicht und ergreifend feststellen.
Opfer des Vertrauensverlustes der Bürgerinnen undürger sind die kleinen und mittelständischen Betriebe.eswegen haben wir als Liberale von Anfang an gefor-ert, dass alle Betriebe, die mit Futtermitteln handeln,ine Haftpflichtversicherung haben, die so ausgestaltett, dass die Betriebe, die in Not geraten, die entspre-henden Gelder bekommen; das ist wichtig. Wer ange-ichts dieser für die kleinen und mittelständischen Be-iebe existenziellen Krise von einer industrialisiertenandwirtschaft spricht, der verfolgt eindeutig eigenearteiinteressen und hat nicht das Wohl der Verbrauche-nnen und Verbraucher sowie der betroffenen Betriebe Sinn.
Ich weiß gar nicht, warum du zuckst, Wilhelm; du bistar nicht gemeint.Wir müssen dafür sorgen, dass die Betriebe, die unterer momentanen Krise leiden, ohne dass sie in irgendei-er Weise schuldig geworden sind, nicht existenziell ge-hrdet werden.Blicken wir auf die Dioxinfälle in der Vergangenheiturück. 1999 ging es in Belgien um Verunreinigungenurch Transformatoröl. 2003 – daran erinnere ich michut; damit habe ich angefangen – gab es Fälle in Thürin-en. Frau Ministerin Künast war zwar da, hatte aberichts umzusetzen.
Sie hat nicht mehr gemacht, sondern hat schlicht undrgreifend andere mehr beschimpft, als Frau Aigner dasemacht hat. Was Sie sagen, Frau Höhn, ist nicht wahr.
Schauen wir uns die Lebensmittelskandale im letztenahr an. Damals gab es sieben Tote durch Listerien. Wasaben die Grünen gesagt? Nichts. 2 500 Tonnen dioxin-elasteter, aber biozertifizierter Mais wurden an Bio-etriebe geliefert. Was haben die Grünen dazu gesagt?ichts. Es sieht doch so aus: Ihr sagt prinzipiell nichts;nd euer Versagen,
sbesondere auf der linken Seite dieses Hauses, ist derrund, dass sich die Öffentlichkeit sehr viel mehr mitroblemen beschäftigt, die gar keine sind.
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9270 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
Dr. Christel Happach-Kasan
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Sie verschärfen die GVO-Analytik, statt sich mit Dio-xinanalytik zu beschäftigen.
Sie interessieren sich für Pflanzenschutzmittelrück-stände. Dioxin hingegen steht bei Ihnen überhaupt nichtauf dem Programm. Sie beschäftigen sich nicht mit dergrößten Gefahr für die Verbraucherinnen und Verbrau-cher.
– Herr Präsident, ich kann mein eigenes Wort nicht mehrverstehen.
Das ist sicherlich richtig. Sie wissen allerdings auch,
dass Ihre Redezeit eigentlich vorbei ist,
sodass wir vielleicht auf beiden Seiten ein bisschen – –
– Einen Augenblick, bitte.
Ich möchte noch meinen letzten Satz sagen. – Wir als
Politiker sind, auch gegenüber den Verbraucherinnen
und Verbrauchern, gefordert, das Hauptaugenmerk auf
die realen Gefährdungen zu legen. Das sind im Bereich
der Lebensmittelsicherheit zum einen die Dioxine; zum
anderen sind es aber auch bakterielle Verunreinigungen
in größerem Umfang. Das hat das Beispiel aus dem letz-
ten Jahr gezeigt. Wir sollten uns nicht von Skandalen
treiben lassen, sondern von einem selbstbewussten und
verantwortlichen Handeln für die Verbraucherinnen und
Verbraucher.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Bartsch für die
Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! FrauAigner, Sie haben in Ihrer Regierungserklärung sehrviele, sehr wohlfeile Worte gefunden. Klarheit undWahrheit, wer kann dem schon widersprechen? Da sindwir alle sehr dafür. Sie haben das Tempo gelobt. Sie sa-gen, Sie wollen die Maßnahmen schnell umsetzen.dgsSnvhgDFbdcDloDbdbdDWs–euSSbaFgbHadNTSkLs
ie müssen zum Jagen getragen werden. Sie haben zu-ächst zögerlich agiert und sind dann in Aktionismuserfallen. Dann sagen Sie so schöne Sätze wie: Sicher-eit vor Schnelligkeit. Das ist ganz großes Kino. Das sa-en auch die Formel-1-Manager nach einem Unfall.ann wird aber sofort weitergerast. Das ist die Praxis.Wer ist denn schuld am Dioxinskandal? Da gibt es dieirmen, die sich gegenseitig die Verantwortung zuschie-en; da gibt es die Kontrollbehörden der einzelnen Län-er, die die Schuld jeweils in den anderen Ländern su-hen. Am Ende kommt heraus: Es gibt schwarze Schafe.as haben Sie hier auch so dargestellt. Es gibt skrupel-se Täter. Das stimmt, aber das ist nicht die Ursache.ie Realität sieht anders aus.Fest steht allerdings eines: Leidtragende sind die Ver-raucherinnen und Verbraucher sowie die Landwirte iniesem Land. Auch Ihr Agieren hat das Vertrauen in sau-ere Lebensmittel erschüttert.
Das Highlight allerdings war Niedersachsen. Hier for-ert die Bundesministerin personelle Konsequenzen.iese hat es aber nicht gegeben. Es stellt sich die Frage:ar die Forderung falsch, oder sind Herr McAllister undeine Regierung Futtermittelskandalvertuscher?
Das ist ja nur eine Frage. – Frau Merkel musste sichinschalten, damit CDU-Ministerpräsident McAllisternd Bundesministerin Aigner mit dem Schwarzer-Peter-piel aufhören. Das ist die Realität: Machtspiele undchuldzuweisungen. Die Verbraucherinnen und Ver-raucher wären froh, wenn die Regierung endlich damitnfinge, sie konsequent und wirksam vor kriminellenutterpanschern zu schützen. Vielleicht ist sogar ein ei-enes Verbraucherschutzministerium sinnvoll.Wir müssen aber vor allem die eigentlichen Ursachenenennen. Diese liegen nicht allein in den kriminellenandlungen. Gründe sind auch der unkontrollierte Welt-grarmarkt und der gnadenlose Preiskampf, der stattfin-et. Lebensmittel werden zum Sicherheitsrisiko, wenniedriglöhne und global gehandelte Billigrohstoffe denon angeben. Allein durch mehr Kontrolle und höheretrafen sind die grundlegenden Ursachen nicht zu be-ämpfen.
Nun haben Sie den mit den Landesministerinnen undandesministern erarbeiteten 14-Punkte-Plan hier vorge-tellt. Dieser ist durchaus vernünftig.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9271
Dr. Dietmar Bartsch
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Daran haben auch linke Minister aus den Ländern mitge-arbeitet sowie Grüne und Sozialdemokraten.
Dabei kommt manchmal etwas Gutes heraus. Das ist garkeine Frage, um Gottes Willen, wenn man auch über De-tails streiten kann.Die Linke aber fordert, dass die Bundesregierungnicht nur die Symptome behandelt, sondern auch die Ur-sachen bekämpft. Das ist das Entscheidende.
Es sieht doch jetzt so aus, dass eines gilt: Nach demSkandal ist vor dem Skandal. Schauen wir einmal zu-rück. Unter Seehofer gab es den Gammelfleischskandal,unter Frau Künast gab es BSE,
unter Frau Aigner gibt es den Dioxinskandal. Alle Mi-nisterinnen und Minister haben bessere Kontrollen ver-sprochen, wie auch Sie heute. Aber alle sind vor derNahrungsmittelindustrie eingeknickt. Das ist die Reali-tät.
Die Skandale werden doch durch die Bank zufällig ent-deckt.
Deswegen sage ich: Legen Sie zügig hier im HauseGesetze vor! Es waren die Länder, die gestern bei denBeratungen durchgesetzt haben, dass schon 2011 etwasgeschieht. Sie hingegen wollten erst 2012 Gesetze vorle-gen.
Der Druck der Landesminister unterschiedlicher Par-teien hat dafür gesorgt, dass Sie in diesem Jahr mit derArbeit anfangen. Das ist die Realität. Die Verbraucherin-nen und Verbraucher haben kein Verständnis für das Hinund Her zwischen Bund und Ländern. Man kann ihnenein solches Hin und Her auch nicht zumuten. Sie müssenvon der Ankündigungsministerin zu einer Handlungs-ministerin werden. Das wäre notwendig.
Damit könnten das Krisenmanagement vom Kopf aufdie Füße und die Verbraucherschutzinteressen wirklichauf Platz eins gestellt werden. Das wäre nötig. Ich hoffe,dass wir in diesem Hause darin einig sind.Danke schön.
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Weil Frau Ministerin Aigner in der Öffentlichkeit sehreschimpft und unter Druck gesetzt worden ist – Sie wa-n sich nicht zu schade, den Rücktritt der Frau Ministe-n zu fordern –, will ich ihr ganz formal Lob und Dankr die Vorgehensweise in dieser Krise aussprechen.
h weiß, dass gerade in den Tagen nach Weihnachten,ls viele von Ihnen ihren verdienten Urlaub und ihrereizeit genossen haben, eine ganze Reihe von Mitarbei-rn in den Untersuchungsämtern in Niedersachsen und den Ministerien durchgearbeitet haben, um dieserise in den Griff zu bekommen
nd sofort Maßnahmen vorzuschlagen, die wir jetzt zü-ig umsetzen können, um ein derartiges Geschehen iner Zukunft zu verhindern.Ich will aber nicht verschweigen, dass auch der Fut-rmittelwirtschaft eine große Verantwortung zukommt.
uch sie muss mithelfen, dass möglichst alle erfassterden, die durch diese Futterlieferung geschädigt wor-en sind.
h sage es ganz offen: Ich bin es langsam leid, dass ei-ige wenige in einer Branche das ganze Umfeld dergrar- und Ernährungswirtschaft in Verruf bringen. Dasssen wir uns nicht mehr bieten.
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9272 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
Peter Bleser
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Das werden wir mit dem 14-Punkte-Plan verhindern.Alle Punkte, die gestern einvernehmlich mit den Län-dern festgelegt worden sind, sorgen in voller Schärfe da-für, dass in Zukunft Derartiges nicht mehr geschieht. Ichhabe mir alle Punkte angesehen. Es sind wesentlichmehr, als von der Opposition bisher vorgeschlagen wur-den.
– Es sind wesentlich mehr! – Ich war Gott sei Dank– das gehört auch zum Führungsstil unserer Ministerin –bei der Erarbeitung der Punkte involviert. Sie hat sehrengen Kontakt mit den Koalitionsfraktionen gehalten,um sicherzustellen, dass diese Punkte unser aller Zu-stimmung finden,
damit sie in den nächsten Monaten möglichst schnellumgesetzt werden können.
Herr Bartsch, es ist in der Tat so – auch wenn es nichtin meinem Sinne ist –: Alle hier vertretenen Parteiensind in den Ländern in Verantwortung. Wir werden se-hen, ob die Länder bei der konkreten Umsetzung aufihren Kompetenzen bestehen, ob sie das Audit der Fut-termittelkontrollen, das der Bund jetzt einführen will,mittragen, ob sie sich gemeinsamen Standards stellen.Das werden wir in den nächsten Monaten sehen. Ich binsehr hoffnungsvoll, dass der Maßnahmenkatalog, der inder Kürze der Zeit erstellt worden ist, im Laufe diesesJahres in konkretes Regelwerk umgesetzt werden kann.Meine Damen und Herren, es ist auch richtig, dasswir darüber hinaus die Verbraucherinformation verbes-sern wollen.
Das steht übrigens schon in unserem Koalitionsvertrag.Auch durch viele öffentliche Erklärungen haben wir un-sere Forderung dokumentiert: Wir werden in der Novel-lierung des Verbraucherinformationsgesetzes vorsehen,dass Gesetzesverstöße – und das sind solche Überschrei-tungen von Grenzwerten – unverzüglich ins Netz gestelltwerden. Da braucht dann niemand mehr nachzufragen,ob das der Fall gewesen ist oder nicht.
Des Weiteren werden wir die von Bayern beantragteHomepage Lebensmittelwarnung.de endlich auf denWeg bringen. Da waren die Bundesländer jetzt dieReichsbedenkenträger, die ihre Kompetenzen nicht soschnell wahrgenommen haben, wie es notwendig gewe-sen wäre. Auf dieser Homepage werden alle beanstande-teTscmdssdökIcdMB–dinnteknOsDdsnhVgBdkDnM
h sage Ihnen eines: Wir hatten im letzten Jahr auchort einen Skandal. Ich erinnere an dioxinverseuchtenais aus Ungarn, der in ökologisch-landwirtschaftlicheetriebe geliefert worden ist.
Frau Höhn, wir werden uns – jetzt bin ich dankbar,ass Sie doch noch wach geworden sind –
Deutschland und auch in der Welt nicht mehr von ei-er arbeitsteiligen Landwirtschaft und von einer arbeits-iligen Produktion in Industrie und Handwerk trennenönnen. Diese Zeiten sind vorbei; ein Zurück wird esicht geben.
b ökologisch oder konventionell, alles muss sicherein.
ie Verbraucher müssen darauf vertrauen können, dassie Lebensmittel, die sie erhalten, absolut in Ordnungind. Das werden wir unter anderem mit diesem Maß-ahmenkatalog sicherstellen.Es hat mich schon auf die Palme getrieben, dass esier Rücktrittsforderungen und eine Skandalisierung desorfalls – den ich nicht verniedlichen will, ganz im Ge-enteil – gab. Aber ich will in Erinnerung rufen, dass dasundesinstitut für Risikobewertung erklärt hat, dass vonen hier genannten Überschreitungen beim Dioxingehalteine gesundheitlichen Gefahren ausgehen.
amit will ich nicht beschwichtigen; aber es wäre nichtotwendig gewesen, durch eine Skandalisierung dieärkte zusammenbrechen zu lassen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9273
Peter Bleser
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Ich will das noch einmal verdeutlichen: Es wird jetztauch in den Medien immer wieder darauf hingewiesen,dass nur die biologische Landwirtschaft die richtige ist.Ich selber bin Landwirt und habe überhaupt keine Präfe-renzen für die eine oder andere Form. Jeder soll die Ni-sche bedienen, in der er glaubt, seinen wirtschaftlichenErfolg erzielen zu können. Wer hier aber ständig denEindruck erweckt, dass man mit dieser Form der Land-bewirtschaftung die Menschheit ernähren kann, der be-trügt die Leute; er macht den Menschen etwas vor. NachAngaben der FAO können über diese Art der Produktionnur 4 Milliarden Menschen ernährt werden; auf der Erdeleben aber über 6 Milliarden Menschen.Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Wir habeneine Krise vorgefunden, die durch kriminelle Machen-schaften verursacht wurde. Es wurde konsequent gehan-delt, und es wurde sehr schnell ein Maßnahmenkatalogbeschlossen – das ist in dieser Krise ein Glücksfall; sonstist so etwas oft nicht möglich; das sage ich ganz offen –,der eine Form von Lebensmittelsicherheit erwarten lässt,die auf der ganzen Welt nicht vorzufinden ist. Es bestehtdie Möglichkeit, dass wir nach dieser Krise besser daste-hen als vorher.Ich bedanke mich.
Das Wort zu einer Kurzintervention erhält der Kol-
lege Thomas Oppermann. Bitte schön.
Herr Kollege Bleser, Sie haben eben ganz stolz darauf
hingewiesen, die Koalition habe den Verbraucherschutz
in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben. Da steht in
der Tat etwas davon; aber im Regierungshandeln können
wir nichts davon erkennen.
Ich darf da einmal nachfassen. Auch die Ministerin
hat gesagt: Wer die Verbraucher schützen will, wer ver-
hindern will, dass wir Gift im Essen haben, der muss die
kriminellen Machenschaften in der Futtermittelindustrie
und auch in der Lebensmittelindustrie beseitigen. Wer
die kriminelle Energie, die da ganz offenkundig vorhan-
den ist, wirklich bekämpfen will, der muss dann aber
auch wirksame Maßnahmen ergreifen.
Es ist schon schlimm genug, dass wir ein Kontrollsys-
tem haben, das so viele Mängel und Lücken hat, dass wir
derartige Vorgänge nicht feststellen können. Aber noch
schlimmer ist doch, dass Sie, die CDU/CSU-Fraktion,
eine Maßnahme verhindert haben, über die Frau Zypries,
Herr Scholz und Herr Seehofer in der letzten Wahl-
periode schon eine Einigung erzielt hatten. Wir wollten
die Arbeitnehmer in solchen Unternehmen ermutigen,
Meldungen zu machen und zu berichten, wenn in ihrem
Betrieb Gift beigemischt wird, wenn Unzulänglichkeiten
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Sagen Sie uns doch, ob Sie mit uns gemeinsam die
histleblower-Regelung in das Gesetz einführen wol-
n, um diejenigen Arbeitnehmer zu schützen, die solche
eldungen machen, damit sie nicht hinterher dafür be-
ahlen müssen.
Gift in Lebensmitteln ist das eine. Das müssen wir
erhindern. Aber die Kompetenz im Ministerium muss
inzukommen. Gift im Essen und Inkompetenz im Ver-
raucherschutzministerium sind die zwei Seiten einer
edaille, Frau Ministerin. Sie müssen die Missstände
ndlich abstellen, indem Sie tatkräftig handeln.
Herr Bleser, zur Erwiderung.
Herr Kollege Oppermann, ich freue mich, dass Sienseren Koalitionsvertrag gelesen haben. Dort steht,ass wir eine Evaluierung, die wir bei der Verabschie-ung des VIG, des Verbraucherinformationsgesetzes,urch die Große Koalition gemeinsam beschlossen ha-en, in diesem Jahr vornehmen. Es hat entsprechendeutachten gegeben. In Kürze liegen Referentenent-ürfe, die innerhalb der Regierung abgestimmt werden,or. Wir werden das VIG im Laufe dieses Jahres entspre-hend unseren Wünschen ändern.Außerdem haben Sie angesprochen, dass kriminellenergie vorhanden gewesen ist. Ich als Abgeordneterarf mit aller Vorsicht, was Beschuldigungen angeht, sa-en: Es gab wohl einen Betrieb, der überhaupt nicht zu-elassen war, Futtermittel herzustellen, und der infolge-essen nicht registriert war. So etwas können Sie auchann nicht vermeiden. Allerdings müssen wir – das istit der Abprobung von Futterzusatzstoffen, bevor sie inie Nahrungskette kommen, sichergestellt – die Hürdenrhöhen, um so etwas zu verhindern.Sie haben verlangt – das ist der Kern Ihrer Botschaft –,ass wir den Denunziantenschutz in Deutschland einfüh-n.
as bedeutet, dass Mitarbeiter ihren eigenen Betrieb beiehörden denunzieren, indem sie entsprechende Ereig-isse melden.
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9274 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
Peter Bleser
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Ich will Sie über Folgendes in Kenntnis setzen, HerrOppermann: Schon jetzt hat jeder Mitarbeiter, der eineStraftat meldet, Kündigungsschutz. Das wäre im vorlie-genden Fall so gewesen. Der Mitarbeiter hätte es alsomelden können. Das betroffene Unternehmen ist aller-dings bereits insolvent; insofern hätte er seinen Arbeits-platz ohnehin verloren.
Das ist aber nicht der Kern meiner Aussage. In keinerForderung der SPD-geführten Länder ist ein solcher An-satz enthalten. Warum wurde er gestern nicht vorgetra-gen? Diese Frage müssen Sie sich selber beantworten.Herzlichen Dank.
Nun erhält die Kollegin Bärbel Höhn das Wort für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An-gesichts des Skandals fragen sich die Menschen: Warumsind schon wieder Dioxine in Eiern und Fleisch gefun-den worden? Die Antwort des Bauernverbandes undauch die Antwort, die wir von Frau Ministerin Aignerund anderen Politikern bekommen haben, lautet: Dassind Einzelfälle. Das war ein Krimineller aus Schleswig-Holstein. Im Übrigen ist alles gar nicht so schlimm; denndie gefundenen Mengen sind nicht akut gesundheitsge-fährdend, und nur wenige Proben lagen über dem Grenz-wert. Eigentlich ist alles gar nicht so schlimm. – Durchdiese Antworten versuchen Sie, den Skandal zu ver-harmlosen, aber damit kommen Sie nicht mehr durch.
Die Verbraucher wollen mehr Antworten. Die Verbrau-cher merken, dass etwas anderes dahintersteckt und dassman viel intensiver diskutieren muss. Deshalb ist essinnvoll, hier im Bundestag die Grundsatzfrage zu stel-len: Welche Landwirtschaft wollen wir in Deutschland?Das ist die entscheidende Frage, über die wir debattierenmüssen.
Unter Rot-Grün hat Renate Künast nach der BSE-Krise einen deutlichen Schwenk in der Agrarpolitik ein-geleitet und klargestellt: Wir brauchen mehr Klasse undweniger Masse. Die Politik unter Schwarz-Gelb – leiderauch schon vorher unter Seehofer – ist darauf ausgerich-tet, in Deutschland immer mehr Fleisch zu produzieren,vor allen Dingen immer mehr Schweinefleisch. Dieganze Welt soll mit deutschem Schweinefleisch beglücktwerden. Das ist die Politik, die Sie in den letzten fünfJahren gemacht haben.
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enn nur dann lässt sich das Fleisch gut verkaufen.Eine solche Entwicklung bedeutet Arbeitsteilung. Dieetriebe werden immer größer. In den neuen Bundeslän-ern gibt es mittlerweile einzelne Betriebe mit Zehntau-enden von Schweinen. Die Arbeitsteilung ist wichtig,eil die großen Betriebe das Futter für ihre Tiere nichtehr selber anbauen können. Arbeitsteilung heißt: Esibt eine Futtermittelwirtschaft. Diese Futtermittelwirt-chaft handelt an vielen Stellen anonym. Da Futter derrößte Kostenfaktor ist, wird durch den Wunsch nachmer mehr Schweine- und Geflügelfleisch auch derruck auf den Futtermittelpreis erhöht. Die derzeitigeolitik erhöht also das Risiko, dass im Futtermittelbe-ich Panscher tätig werden. Mit Ihrer Politik erhöhenie das Risiko von Lebensmittelskandalen.
enn man technische Fette, die nur halb so teuer sind, inas Futtermittel mischt, dann kann man die Konkurrenznadenlos unterbieten und fette Gewinne machen. Ge-au das hat das Unternehmen in Uetersen in Schleswig-olstein gemacht.Seehofer hat damals das Signal gegeben: Wir kehrenur alten Landwirtschaftspolitik zurück; die Förderunges Ökolandbaus wird zurückgeschraubt. Für dieleischhändler bedeutete das: Wir können weitermachenie damals. Der Gammelfleischskandal war eine logi-che Folge dieser Politik. Deshalb müssen wir zurück zuiner anderen Landwirtschaftspolitik.
Ihr Krisenmanagement, Frau Ministerin, ist hart zuritisieren. Im Rahmen der vorhandenen Struktur habenie sogar richtig gehandelt. Sie haben sich erst gar nichtlicken lassen. Ich habe zwischen Weihnachten undeujahr wenig von Ihnen gehört. Da haben die Behör-en in Nordrhein-Westfalen gearbeitet, die Behörden iniedersachsen weniger.
ie Behörden in Nordrhein-Westfalen haben die Eierntersucht. Erst dann, als wir in Nordrhein-Westfalenstgestellt hatten: „Die Eierwerte liegen über denrenzwerten“, ist Niedersachsen tätig geworden.
as heißt, es ist gut, dass wir in Nordrhein-Westfalentzt einen grünen Landwirtschafts- und Verbraucher-chutzminister haben.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9275
Bärbel Höhn
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Es war natürlich im Sinne des Agrarsystems, dass dieMinisterin gesagt hat: Die Verantwortung liegt bei denLändern. Gar nicht so viel darüber reden! Am bestenrunterkochen!Spannend ist, wie Niedersachsen da gehandelt hat.S
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kein belastetes Schweinefleisch ist
auf dem Markt. – Am nächsten Tag musste er zugeben:
Das war doch der Fall. – Er hat die Ministerin nicht in-
formiert, obwohl er schon mehr wusste.
Spannend ist auch, dass es sich dabei um ein Unter-
nehmen in Damme handelte, ein Unternehmen, das zum
Raiffeisenverband gehört, für das am Ende jemand ver-
antwortlich ist, der Bauernpräsident in Westfalen ist, ei-
ner der höchsten Bauernfunktionäre in Deutschland,
nämlich Herr Möllers. Ich frage mich: Wo sind da die
Äußerungen des Bauernverbands? Auch in Damme ha-
ben Leute offensichtlich kriminell gehandelt; denn sie
haben nicht gesagt, dass sie verseuchtes Futtermittel be-
kommen haben.
Am Ende, Frau Aigner, haben Sie McAllister eine
Frist gegeben, um personelle Konsequenzen zu ziehen.
Die Frist ist verstrichen. McAllister hat das abtropfen
lassen. Damit haben Sie Ihre Autorität vollkommen ver-
spielt; denn in Zukunft können die Länder sich sagen:
Wenn es Forderungen von der Bundesministerin gibt,
dann machen wir den McAllister, das heißt, wir lassen
das einfach abtropfen.
Frau Höhn.
Damit haben Sie Ihre Macht vollkommen ausgehöhlt.
Sie sind nicht mehr in der Lage, den Ländern wirklich
Zugeständnisse abzutrotzen und etwas für den Verbrau-
cherschutz zu tun.
Frau Höhn, Sie müssten schon zum Ende gekommen
sein.
Ich komme zum Schluss. Letzter Satz. – Frau Minis-
terin, Sie haben gesagt, es gebe seit zehn Jahren das Ver-
braucherschutzministerium. Das war hart erkämpft.
Frau Höhn.
Renate Künast war die erste Verbraucherschutzminis-
terin. Handeln Sie endlich als Verbraucherschutzministe-
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Michael Goldmann hat das Wort für die FDP-Frak-
on.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!iebe Frau Höhn – seien Sie so nett, mir zuzuhören! –,amit wir da gar keinen Zweifel aufkommen lassen: Est ganz schlimm, was hier passiert ist. Es ist ganzchlimm für die Bauern. Ich bin bei Bauern gewesen, de-n Höfe gesperrt sind, die jeden Tag Tausende von Ei-rn weggeworfen haben. Es ist ganz schlimm für dieauern, die im Moment bei jedem Kilo Schweinefleisch0, 50, 60 Cent zusetzen müssen und daran pleitegehen.nd es ist ganz schlimm für die Verbraucher, die totalerunsichert sind, nicht zuletzt durch eine Kampagne,ie im Zusammenhang mit diesem Skandal läuft und zuer Sie eben entscheidend beigetragen haben, Frauöhn.
Sie haben skizziert, dass diese Branche im Kern ver-ifft ist. Das ist sie nicht. Diese Branche hat wie alle an-eren Branchen in unserer Gesellschaft schwarzechafe.
lle anderen in unserer Gesellschaft haben auch mit die-em Problem zu tun.
Frau Künast, das ist nicht ein Problem der Agrarwirt-chaft oder der Ernährungswirtschaft, das ist ein grund-ätzliches Problem mangelnder ethischer Verantwortung bestimmten Bereichen unserer Gesellschaft.
h bin ein überzeugter Liberaler, aber ich verstehe Libe-lität nicht so, dass ich in diesem Markt tun und lassenarf, was ich will, koste es den Verbraucher, was esolle.
Frau Höhn, Sie liegen völlig daneben. In der Sonder-itzung des Ausschusses am Dienstag hätten Sie der Frauinisterin die Füße geküsst, wenn sie gesagt hätte:iese 14 Punkte setzen wir um.
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9276 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
Hans-Michael Goldmann
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Da bin ich wirklich sauer auf Sie. Diese 14 Punkte sindfast identisch mit den 10 Punkten, die unter anderem Ihrgrüner Landwirtschaftsminister aus Nordrhein-West-falen in die Diskussion gebracht hat.
Diese 14 Punkte – das wissen Sie genauso gut wie ich –sind keine Erfindung der Ministerin, keine Erfindung derderzeitig amtierenden Landwirtschafts- und Verbrau-cherschutzminister, sondern sie sind im Grunde genom-men eine sehr alte Forderung an diesen Bereich.
Frau Künast, was die Umsetzung angeht, so haben Sienicht den Erfolg gehabt, und wir hatten ihn bis jetzt auchnicht. Jetzt werden wir darangehen.
– Ganz ruhig, Frau Künast! – Wir werden das Punkt fürPunkt abarbeiten
– langsam, Frau Höhn! –, weil wir Fairness in diesemMarkt wollen, weil wir wollen, dass in diesem Markt dieMachtverhältnisse richtig geordnet werden, weil wirnicht wollen, dass einige wenige dieses System miss-brauchen und im Grunde genommen Arbeitsplätze zer-stören. Ich wundere mich darüber, wie die Linken, dieSozialdemokraten und andere mit diesem Phänomenumgehen. Das Problem, das wir haben, kostet jedeMenge Arbeitsplätze.
Dafür übernehmen wir Verantwortung.Sie sollten sich einmal die Zeit nehmen, auf folgendeFrage einzugehen – vielleicht tut es auch eine nachfol-gende Rednerin aus Ihrer Fraktion –: Was stört Sie andiesen 14 Punkten? Welcher von Ihnen gewünschtePunkt ist in diesem Papier nicht drin?
– Da können Sie ruhig noch weiter dazwischenrufen. Siekönnen mir keinen Punkt nennen.
Alle Punkte sind drin. Wir werden sie umsetzen.KcrednemasBbdndihmdwgVGBmtrleIcbwDIcLKEbsdE
Herr Goldmann, möchten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Miersch zulassen?
Ja bitte, gerne.
Bitte schön.
Herr Kollege Goldmann, Sie haben eben gefragt, wel-
he Punkte uns nicht gefallen. Wir müssen nicht darüber
den, wer der Urheber dieser Punkte ist. Als Vorsitzen-
en des Landwirtschaftsausschusses möchte ich Sie den-
och etwas fragen.
Ministerin Aigner hat uns hier und heute erklärt, dass
s wahrscheinlich um vorsätzliches Handeln und um kri-
inelle Energie in der Futtermittelindustrie geht. Es gibt
ugenblicklich einen Vorschlag, der eine Haftpflichtver-
icherung für alle vorsieht. Wir alle, die wir mit diesem
ereich zu tun haben, wissen, dass keine Versicherung
ei Vorsatz eintreten wird. Ich habe bisher von Mitglie-
ern der Koalition und auch von der Frau Ministerin
och kein Wort darüber gehört, wie es den Landwirten,
ie geschädigt wurden, augenblicklich geht. Sie werden
ren Schaden nicht ersetzt bekommen; das ist jedenfalls
eine rechtliche Einschätzung. Wenn sie irgendwann
en Urheber des Schadens nennen können, geht dieser
ahrscheinlich in die Insolvenz.
Müssen wir alle nicht viel ehrlicher mit dem Fakt um-
ehen, dass die Landwirte und die Verbraucherinnen und
erbraucher nach dem derzeitigen Haftungssystem die
ekniffenen sind? Müssen wir nicht zusammen mit dem
auernverband, der ja zum Großteil in den Aufsichtsgre-
ien der Futterindustrie vertreten ist, und mit der Indus-
ie überlegen, wie wir verhindern können, dass das
tzte Glied in der Kette am Ende der Geschädigte ist?
h frage Sie also: Was sind Ihre Rezepte, um dieses Pro-
lem anzupacken?
Das ist natürlich eine gute Frage. – Herr Kollege, Siearen in den Prozess mit eingebunden und haben dieiskussion verfolgt. Lassen Sie mich als Erstes sagen:h bin Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung,andwirtschaft und Verbraucherschutz. Wir müssen imopf behalten, dass es nicht die Landwirtschaft und diernährungswirtschaft auf der einen Seite und den Ver-raucherschutz auf der anderen Seite gibt. Es handeltich vielmehr um einen Strang. Wir gehen jetzt daran,iesen Strang von bösen – von mir aus auch: kriminellen –lementen zu befreien. Die 14 Punkte sind die Grund-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9277
Hans-Michael Goldmann
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lage, um entsprechende Gesetze und Verordnungen aufden Weg zu bringen.Ich gebe Ihnen recht, dass wir über dieses Problemnicht nur nachdenken müssen, sondern dass wir Lösun-gen entwickeln müssen, um den Landwirten, deren Be-triebe völlig schuldlos gesperrt wurden und die vier oderfünf Tage keine Marktteilnehmer sein durften, zu helfen.Das ist doch überhaupt keine Frage. Wir können durch-aus zu einer gemeinsamen Aktion all derjenigen kom-men, die Sie eben genannt haben. Dazu gehören derBauernverband, die großen Futtermittelhersteller undauch die Politik.Ich habe an einer Stelle schon angedeutet: Wie wirden Bauern in der Milchkrise geholfen haben, könntenwir auch angesichts dieses Problems die Weichen inRichtung Hilfe für die Betroffenen stellen.
Wenn Sie bessere Vorschläge haben, dann nehmen wirsie gerne auf.Herr Kollege Miersch, lassen Sie mich noch einenwichtigen Punkt ansprechen. Es bringt nichts, zu sagen,dieser und jener habe in der Vergangenheit an der einenoder anderen Stelle Schuld gehabt. Das ist völlig uninte-ressant. Wir müssen alles unternehmen, damit ein sol-ches Problem nicht wieder auf uns zukommt und wirnicht mehr in eine solche schwierige Situation kommen.Lassen Sie mich anknüpfen an das, was Frau Höhnvorhin gesagt hat. Frau Höhn, es gibt da ein Problem:Eier von freilaufenden Hühnern enthalten mehr Dioxinals Eier von Hühnern aus Gruppenhaltung.
– Nein. Das ist so.
Das Fleisch von freilaufenden Rindern in Niedersachsenund in Nordrhein-Westfalen enthält mehr Dioxin als dasFleisch von Tieren aus der Massentierhaltung. Das müs-sen wir einfach zur Kenntnis nehmen.
Liebe Frau Wolff, das ist keine Diskussion über Öko-system, Regionalsystem und Intensivsystem.
– Entschuldigen Sie bitte. Ich habe es gut; denn ichkaufe meine Lebensmittel beim Sozialen Ökohof in Pa-penburg; das mache ich gerne. Allerdings habe ich auchdie Zeitungen gelesen. Auf der ersten Seite einer großenZeitung hatte der größte Marktteilnehmer Anzeigen ge-schaltet, in denen er garantierte, dass seine Produkte si-cher sind, weil er alles selbst in der Hand hat und weil erselbst dafür sorgt, dass dieser Bereich sauber ist.WmtrdwdwHgS–e–vdnEwSDNinPwcmd–dD1B
Nein, nicht kontrollieren. Die Betriebe müssen unter-inander ein Auge darauf haben
Frau Höhn –, dass die Marktteilnehmer sich ordentlicherhalten. Wenn Sie der Meinung sind, dass man diesurch Gesetze und Verordnungen erreicht, dann kann ichur sagen: Das wird Ihnen nicht glücken.
s muss das Miteinander aller Betroffenen geben, wennir zu Lösungen kommen wollen.Jetzt gehen wir daran und setzen diese 14 Punkte um.Wenn Sie dann noch weitere Punkte haben, bringenie die ins parlamentarische Verfahren ein.
ann gehen wir zu Ihrem Landwirtschaftsminister inordrhein-Westfalen und zu dem sozialdemokratischen Rheinland-Pfalz und sagen: Jungs, kommt in dieötte. Jetzt machen wir Lebensmittelkontrolle – rück-ärtsgerichtet und vorwärtsgerichtet! Jetzt veröffentli-hen wir die Proben, die über dem Grenzwert sind. Jetztachen wir etwas beim Strafmaß, um die zu erwischen,ie in diesem Markt Dinge kaputtmachen.Lassen Sie uns die Dinge gemeinsam anpacken!
Nein, Frau Höhn. Dieser Skandal ist nicht der Skandaler lauten Blubberbotschaften.
ieser Skandal muss durch konsequentes Abarbeiten der4 Forderungen bewältigt werden, die gestern zwischenund und Ländern vereinbart worden sind.
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9278 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
Hans-Michael Goldmann
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Als Vertreterin des Bundesrates hat die Staatsministe-
rin Margit Conrad das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Zunächst die gute Botschaft. Ja, es ist richtig:Die Länder haben gestern zusammen mit dem Bund eingemeinsames Handlungskonzept auf den Weg gebracht,das in der Summe – ich sage ausdrücklich, es ist ein Pa-ket – und nicht in den Einzelbausteinen Veranlassunggibt, zu sagen: Es bedeutet mehr Sicherheit für Futter-und damit auch für Lebensmittel. Es ist eine klare An-sage an die Futtermittelhersteller, dass wir alles tun wer-den, um kriminelle Machenschaften aufzudecken undmit höheren Strafen zu sanktionieren. Es ist auch ein Si-gnal an die Märkte, die ein solches Handeln dringendbrauchen.
Ich wollte eigentlich wenig zur Vergangenheit sagen.
– Ja. – Aber man wird auch provoziert, wenn man aufder Bundesratsbank sitzt.Eines können Sie hier nicht behaupten: dass diese ent-scheidende gestrige Agrar- und Verbraucherministerkon-ferenz auf Initiative des Bundes, der Union oder der FDPzustande gekommen wäre.
Das wäre Geschichtsklitterung. Aber das brauchen wirheute gar nicht mehr zu strapazieren. Ich bitte Sie nur:Rüsten Sie ab! Wenn man Gemeinsamkeit einfordert,muss man dies auch in der Diktion und im Handeln kon-kret unterstreichen.
Ich will etwas zu den Bausteinen der Länder sagen.Wir Länder wissen sehr wohl, dass wir die Standards fürdie Kontrollen verbessern müssen, und wir werden des-wegen auch länderübergreifend daran arbeiten. Dazu ge-hört auch, den Rahmenplan für die Futtermittelkontrolleweiterzuentwickeln. Es gehört auch – das war ein Vor-schlag, der von uns Ländern kam – eine unabhängigeund transparente Auditierung der Futtermittelkontrolledazu. In der Lebensmittelkontrolle haben wir das schoneingeführt. Wir haben auch beschlossen, dass dazu län-derübergreifend zusammengesetzte Auditorenteams ein-gerichtet werden unter – jawohl – Beteiligung des Bun-des.kVshWKDvhSbSgaBcIcvNsbEbneshSdlemMSfozbAmvwba
ur, wenn Sie sich in der Öffentlichkeit hinstellen undagen: „Allein die Tatsache, dass der Bund dabei ist,ürgt schon für Qualität“:
ntschuldigen Sie, angesichts des Standards, den wireim Krisenmanagement erlebt haben, kann ich dasicht automatisch nachvollziehen. Mehr will ich dazu,hrlich gesagt, nicht sagen.
Es gehört auch zur Länderzuständigkeit, die Organi-ation der Strafverfolgungsbehörden zu überprüfen. Wiraben in Rheinland-Pfalz sehr gute Erfahrungen mitchwerpunktstaatsanwaltschaften gemacht. Ich denke,ass wir in den Ländern – ich schaue da auf einige Kol-ginnen und Kollegen aus den Ländern – hier wirklichehr tun können. Es handelt sich um eine sehr spezielleaterie des Wirtschafts-, also des Fachrechts, die beichwerpunktstaatsanwaltschaften besser aufgehoben ist.
Wir wollen auch eine zentrale Lebensmittelwarnplatt-rm einrichten. Das ist eine Forderung, deren Umset-ung überfällig ist. Es bedarf einer Realisierung; sie istereits auf den Weg gebracht.Bessere Rechtsgrundlagen für bessere Kontrolle:uch das ist notwendig. 10 der 14 Punkte des Maßnah-enpakets sind federführend, vorrangig oder vor allemom Bund umzusetzen. Das zeigt, dass Defizite – Sieollen das glauben machen – nicht nur bei den Ländernestehen. Ich will natürlich nicht behaupten, dass bei unslles in Ordnung ist. Die 14 Punkte müssen aber ir-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9279
Staatsministerin Margit Conrad
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gendwo auch in Bundeszuständigkeit angepackt werden,damit das ganze System verbessert wird.Dazu gehört auch Folgendes: Wir brauchen neueRechtsvorschriften, etwa bessere Zulassungsvorschriftenfür die Futtermittelwirtschaft. Wir brauchen Standardsfür die innerbetrieblichen Kontrollen und eine Verbesse-rung der behördlichen Kontrollen. Wir brauchen eineWiedereinführung der Meldepflichten. Dazu gehört auchder Informantenschutz: Wir wollen, dass er nicht nur beiErkenntnissen in den Laboren gilt, sondern auch bei Er-kenntnissen verantwortlicher Mitarbeiter in den einzel-nen Betrieben; auch diese Erkenntnisse sind in Zukunftden Behörden zu melden.
Vor diesem Hintergrund und vor dem Hintergrunddessen, was ich in den letzten Monaten zu diesem Kom-plex gehört habe, gilt: Wir müssen die Maßnahmen um-setzen. Das ist der zweite Schritt, der wichtiger ist alsder erste. Ich gebe zu: Auch ich habe einige Zweifel– aber Sie können sie durch Taten ausräumen –, dass dieUmsetzung zügig erfolgt.Ich komme zu einem Punkt, der zu Recht in der De-batte angesprochen worden ist. Herr Goldmann, ichmuss scharfen Widerspruch zu Ihren Äußerungen einle-gen. Sie passen zur Diskussion: Sie von FDP und Unionwollen immer weismachen, dass es sich hier um denEinzelfall eines schwarzen Schafes im Futtermittelsektorgehandelt hat. Wir hangeln uns vom Lebensmittelskan-dal zum Futtermittelskandal und wieder zurück zum Le-bensmittelskandal. Wir müssen uns doch fragen: Was andiesen Skandalen ist ein Stück weit systembedingt?
Wollen wir mit der zunehmenden Industrialisierung derLandwirtschaft so weitermachen? Was ist uns die bäuer-liche Landwirtschaft noch wert, die jetzt das Opfer ist?Deswegen hatten wir gestern eigentlich vor – das könnenSie nachlesen –, dass Länder und Bund gemeinsam einKonzept auf den Weg bringen, sodass als eine der Kon-sequenzen aus dem Skandal eine entsprechende Debatteforciert wird. Union und FDP haben dies gestern ge-meinsam abgelehnt, nachzulesen in einer Protokollerklä-rung der SPD-geführten Länder.
Wir haben dennoch einen wichtigen Aufschlag ge-macht. Wir alle sind gehalten – jeder und jede in seineroder ihrer Verantwortung –, die Maßnahmen konsequentumzusetzen. Das ist das Signal, das die Verbraucherin-nuWduGegIcAwd–cfüdnbWstegdnnesenmtedtetesdnazn
Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen
oldmann das Wort.
Sehr geehrte Frau Ministerin Conrad, lassen Sie unsin Wort darüber verlieren, ob das systembedingt ist. Ichlaube, uns allen geht da eine Menge durch den Kopf.h fand es bei den Ausführungen von Frau Ministerinigner sehr wohltuend – Sie haben es leider nicht er-ähnt –, dass sie sehr deutlich darauf hingewiesen hat,ass wir im Grunde genommen das GesamtsystemLandwirtschaft, Ernährungswirtschaft und Verbrau-herschutz – zukunftsfähig machen müssen. Dazu gehörtr mich ein Mehrsäulensystem. Wenn wir gemeinsamarüber nachdenken, kommen wir doch zu dem Ergeb-is, dass die Problematik der Dioxinbelastung von Le-ensmitteln nichts mit dem System zu tun hat.
ir hatten Skandale mit sehr geringen Mengen im Öko-ystem. Wir hatten und haben auch im verdichteten Sys-m Probleme; das ist überhaupt keine Frage.Ich weiß nicht, ob es zulässig ist, das zu sagen: Esibt einen großen deutschen Hersteller in Südoldenburg,er Anzeigen geschaltet hat – er ist der größte Marktteil-ehmer –, wonach es dieses Problem in seinem Systemicht gibt, weil er sein Futter aus Südamerika holt, weilr eigene Schiffe hat, weil er einen eigenen Hafenum-chlagsplatz hat, weil er eigene Lastwagen hat, weil erine eigene Futtermittelfirma hat – nebenbei, er hat auchoch eine Arzneimittelfirma – und weil er eigene Ver-arktungsstränge hat. Er hat die besten und die sichers-n Produkte, und er hat die größte Nachfrage auf demeutschen Markt. Er hat auch zufriedene Kunden.
Ich warne entschieden davor, den schlimmen Markt-ilnehmern in diesem Bereich, den kriminellen Elemen-n, auch noch Rückendeckung zu geben, indem managt, dass das systembedingt ist. Nein, das ist kriminell,as ist ethisch nicht zu verantworten, das ist moralischicht zu verantworten, das ist wirtschaftlich nicht zu ver-ntworten, das ist unter Tierschutzgesichtspunkten nichtu verantworten, und das hat mit dem System überhauptichts zu tun. Das hat vielmehr etwas mit kriminellen
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9280 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
Hans-Michael Goldmann
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Elementen zu tun, die wir aus dem Markt herausbekom-men müssen. Lassen Sie uns das gemeinsam angehen.
Frau Conrad, Sie möchten antworten? – Bitte schön.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sehr verehrter Herr Abgeordneter, bei dem Beispiel,
das Sie angeführt haben, mag das ja funktionieren. Das
ist aber kein typisches Beispiel für die deutsche Land-
wirtschaft heute, und im Übrigen ist das meines Erach-
tens auch kein Beispiel dafür, wie es in Zukunft überall
aussehen sollte. Das ist das Erste.
Das Zweite ist: Ich habe nicht behauptet, dass es sich
hier nicht um kriminelle Täter handelt. Das werden die
Staatsanwaltschaften wahrscheinlich auch herausfinden.
Was wir aber registrieren müssen, ist, dass auf den ein-
zelnen Landwirten, auf den einzelnen Produzenten mitt-
lerweile ein enormer Druck liegt. Wir haben das gerade
erst bei der Diskussion über die Milchpreise erlebt.
Mittlerweile verfügt der Einzelhandel über viel Markt-
macht, auch gegenüber den Produzenten. Darüber muss
man doch einmal reden können.
Wir wissen, unter welchem finanziellen Druck die ein-
zelnen Betriebe mittlerweile stehen, und wir wissen,
dass immer billiger produziert werden muss. Das bedeu-
tet immer mehr Hochleistung. Das sind regelrecht Hoch-
leistungskühe. Das sind doch keine Legehennen mehr.
Heute braucht man fast Legemaschinen, um auf dem
Markt noch mitmischen zu können.
Hier stoßen wir an Grenzen. Darum geht es uns in der
Debatte. Damit wollen wir nicht davon ablenken, dass es
sich dabei um einen kriminellen Akt handelte, aber wir
wollen in diesem Zusammenhang wenigstens die Frage
stellen, was systembedingt ist. Das ist doch kein Einzel-
fall. Das mag jetzt zwar einer sein, aber morgen passiert
der nächste. Darum geht es. Den Auftakt zu dieser Dis-
kussion wollen wir damit verbinden.
Vielen Dank.
Die Kollegin Mechthild Heil hat jetzt das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion.
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ie werden unwillkürlich von Mensch und Tier täglichufgenommen. 95 Prozent der Dioxinbelastung kommtus der Nahrung. Die bedeutendsten Quellen in unsererahrung sind Milch und Milchprodukte, mit großembstand gefolgt von Fisch und Fleisch. Nur 10 Prozentachen Hühnereier aus.Die Dioxinbelastung ist seit Jahrzehnten rückläufig.eute ist zum Beispiel ein Drittel weniger Dioxin in derilch als vor 20 Jahren. Der Grund: Durch moderne Fil-rsysteme und optimierte Produktionsprozesse gelangteniger Dioxin in die Luft, zum Beispiel bei Müllver-rennungsanlagen.
Kilo Müll, im Garten verbrannt, setzt so viel Dioxinei wie 10 Tonnen Müll in einer Müllverbrennungsan-ge.
Vieles ist in der Vergangenheit getan worden, um dieelastung durch Dioxin zu reduzieren. Manches kannan aber nicht ändern. Ich komme aus einer Region, de-n Böden stärker mit Dioxin belastet sind als alle ande-n Regionen in Deutschland. Grund dafür sind die Vul-anausbrüche, die sich vor Tausenden von Jahrenreignet haben.
ine Nullbelastung ist mit der Natur also nicht zu ma-hen. Wer das behauptet, meine sehr verehrten Damennd Herren von der Linken, der lügt. Deshalb werdenensch und Tier immer mit Dioxin belastet sein, und sieerden über die Nahrung immer Dioxine aufnehmen.
icht hinnehmbar ist allerdings, dass wir das unnötign, dass unnötig Dioxin in unseren Körper gelangt. Des-egen müssen wir das, wenn wir es verhindern können,uch verhindern.Woher das Dioxin in der Fettsäure von Harles undentzsch kommt, wissen wir noch nicht. Wir wissen aber,ohin geliefert wurde. Vor fünf Jahren wäre es nochicht möglich gewesen, diese Lieferketten so schnellufzudecken. Wir wissen auch, dass kriminelle Energiem Werk war. Man hat, vorsätzlich oder nicht – das wirdie Staatsanwaltschaft entscheiden –, Fette, die nicht fürie Fütterung zugelassen sind, ins Futter gemischt. Ein
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Mechthild Heil
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einzelner Futtermittelpanscher schädigte Hunderttau-sende unschuldiger Nutzer.
Bauern und Verbraucher sind die Opfer dieser kriminel-len Machenschaften eines einzelnen Panschers.Nun rufen wir alle nach mehr Kontrollen. Kontrollensind gut und wichtig.
Wir sind dankbar, dass unsere Ministerin Frau Aignermit ihrem Aktionsplan die nötigen Voraussetzungen da-für schafft. Aber Kontrollen allein helfen gegen krimi-nelle Machenschaften nicht.In Baden-Württemberg gibt es auf 1 000 Betriebe nureinen Kontrolleur, in Niedersachsen sind es zwölf. Den-noch kam es in Niedersachsen zu diesem Skandal. FrauConrad, ich finde es sehr mutig, dass Sie hier ans Red-nerpult treten, obwohl Sie ganz genau wissen müssten,dass 80 Prozent der Kontrolleure in Rheinland-Pfalz dieBehörden nach ihrer Ausbildung verlassen und in dieWirtschaft gehen, weil ihnen von der Wirtschaft viel at-traktivere Angebote gemacht werden. Frau Conrad, Sieund Ihr Ministerpräsident Beck hatten nun 16 Jahre langdie Gelegenheit, dies zu ändern. Was haben Sie getan?Nichts.
Gegen kriminelle Energie ist kein Kraut gewachsen.
Wir sind für Kontrollen, wir sind für Eigenkontrollen,und wir sind für Kontrollen von Staats wegen. Aber wirwollen keinen Kontrollstaat.Noch einmal: Bauern und Verbraucher sind die Opferder kriminellen Machenschaften eines einzelnen Futter-mittelpanschers.
PnbMcsMFsvSbZcszDSinAravgPsc
it Aufklärung und Information geben Sie sich nicht ab.
Sie sagen nicht, dass Dioxin in Eiern vermehrt imalle der Freilandhaltung von Hühnern vorkommt. Sieagen auch nicht, dass bestimmte Fischarten besondersiel Dioxin einlagern.
ie schüren die Verunsicherung der Verbraucher, und Sieenutzen die Verbraucher für Ihre eigenen ideologischenwecke.
Das Schlimmste, was Sie tun, ist Folgendes: Sie ma-hen keinen Unterschied zwischen kriminellen Pan-chern und Landwirten und auch keinen Unterschiedwischen kriminellen Panschern und Tierhaltern.
as ist das, was ich Ihnen vorwerfe:
ie werfen die Landwirte und die kriminellen Panscher einen Sack und schlagen drauf.
uf diese Weise versuchen Sie, einen Vorteil für sich he-uszuholen.
Frau Höhn hat bereits darauf hingewiesen, dass Sieon einer Systemfrage sprechen. Ich zitiere Ihre Kolle-in Ulrike Höfken; sie ist Wahlkämpferin in Rheinland-falz, Grüne und stellvertretende Vorsitzende des Aus-chusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-herschutz. Sie sagte:Die Ursachen für die Verseuchung liegen in derStruktur und der zunehmenden Industrialisierungder Landwirtschaft …
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Mechthild Heil
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Das ist falsch, und es ist gefährlich, so etwas zu sagen.Die Ursachen liegen in der kriminellen Handlung eineseinzelnen Betriebes.
– Frau Höhn, es wäre schön, wenn Sie Folgendes bestä-tigen würden: Die Ursachen haben nicht die TausendeLandwirte und Bauern zu verantworten, die sich Tag fürTag um ihre Tiere kümmern und ihr Land bestellen.
Zumindest wenn ich die Aussage von Frau Höfken ausRheinland-Pfalz beurteile, muss ich feststellen: InRheinland-Pfalz sind Grün und Rot nicht zu wählen.
Wir als CDU/CSU spielen konventionell wirtschaf-tende Betriebe nicht gegen Ökobetriebe aus;
denn Vielfalt ist uns wichtig.
Kriminelle Energie kann jeden Betrieb treffen, und jedenhat sie schon getroffen. Doch Frau Künast – sie ist leidernicht mehr hier –
hat das wohl vergessen. Sie müsste eigentlich aus Scha-den klug geworden sein. Auch unter Landwirtschafts-ministerin Künast gab es Lebensmittelskandale.
Die Methode Bio hat in ihrer Amtszeit ihre Unschuldverloren.
Abertausende nicht notgeschlachteter Nitrofen-Hühnerwurden ein Beispiel dafür, dass es ohne Kontrollen auchbei Bioeiern zu einem Lebensmittelskandal kommenkann.WwteptrAntebbdgHbdAegdmblihsnztibHcdH
ir unterstützen Ökobetriebe genauso wie herkömmlichirtschaftende Betriebe. Denn überall können Futtermit-l lange Wege über Händler, Zwischenhändler, Trans-orteure und Verarbeiter zurücklegen.Wir, die CDU/CSU, spielen auch keine kleinen Be-iebe gegen große Betriebe aus.
uch hier schützt die schiere Größe eines Betriebesicht vor Kriminalität. Die Betriebsgrößen sind sehr un-rschiedlich; das begrüßen wir. Es ist einfach falsch, zuehaupten, dass in größeren Strukturen sicherere Le-ensmittel produziert werden, Frau Höhn. Sprechen Siearüber vielleicht einmal mit einem Betrieb, der überrößere Strukturen verfügt und Lebensmittel produziert.Es ist auch erschütternd, zu sehen, dass Sie, Frauöhn, Ihre Theorien am grünen Tisch entwickeln, undei jedem Wort Ihres Vortrags festzustellen, dass Sie voner Praxis und vom Wirtschaften keine Ahnung haben.
rbeitsteiliges Wirtschaften und die Konzentration aufine Kernkompetenz sind in der Wirtschaft gang undäbe, und das sollten wir auch der Landwirtschaft bzw.en Bauern ermöglichen.
Wir, die CDU/CSU, wollen erschwingliche Lebens-ittel, damit sie sich jeder leisten kann. Wir wollen Le-ensmittel, die sowohl nach den neuesten wissenschaft-chen als auch den alten erprobten Erkenntnissenergestellt sind: mit dem höchsten Stand an Hygiene undo arm an Schadstoffen, wie es eine moderne Wirtschaftur tun kann. Wir müssen weg von der Ideologie und hinu wissenschaftlich basierten Aussagen. Dass das funk-oniert, hat unsere Ministerin Ilse Aigner eindrucksvollewiesen.
Wir fangen nicht bei null an.
eute geht es darum, ein gutes System weiterzuentwi-keln. Mit dem Aktionsplan der Ministerin Aigner wer-en wir die Sicherheit bei Futtermitteln – egal welchererkunft – erhöhen.
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Mechthild Heil
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Der Verbraucher will Vertrauen in die Unbedenklichkeitseiner Nahrungsmittel haben können, und das will ichauch. Wir wollen das Nötige und Mögliche dafür tun.Wir wollen die Zulassungspflicht anstelle der heutigeneinfachen Registrierungspflicht für Betriebe. Wir wollendie Anlagen trennen. Da, wo morgens für die Industrieproduziert wird, dürfen nicht nachmittags Lebensmittelhergestellt werden.
Wir wollen, dass bei der Lieferung von Futterfetten dasAnalyseergebnis direkt mitgeliefert wird. Also: OhneZeugnis darf kein Lkw vom Hof fahren.
Frau Heil, kommen Sie bitte zum Ende.
Es wäre unehrlich, zu sagen, dass es einen 100-pro-
zentigen Schutz gibt. Wir von der CDU machen verant-
wortliche Politik, wir verharmlosen nicht,
wir spielen aber auch nichts hoch. Wir stehen auf der
Seite der Verbraucher und der Erzeuger der landwirt-
schaftlichen Produkte.
Vielen Dank.
Das Wort hat Kollegin Karin Binder für die Fraktion
Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Seit vier Wochen wissen wirvon diesem Dioxinskandal, und seit vier Wochen befas-sen wir uns damit. Seit vier Wochen stehen die Verbrau-cherinnen und Verbraucher aber im Regen. Frau Aigner,Sie haben die Menschen im Regen stehen lassen. Erstnachdem die Länder Sie an den Verhandlungstisch genö-tigt haben, kommt die Sache ins Laufen. Die Kompe-tenzrangeleien zwischen Bund und Ländern lösen dieProbleme nicht; Verbraucherschutz sieht anders aus.
Der designierte Landwirtschaftsminister von Nieder-sachsen, Gert Lindemann, schließt eine nochmalige Aus-weitung dieses Problems nicht aus. Es geht hier definitivnicht nur um einzelne schwarze Schafe. Das ist der ei-gentliche Skandal. Hier läuft etwas grundlegend falsch,und daran ist die Regierungspolitik zumindest mitschuld.
DsdSvbtrDpkEobdseBdDdzDgraDUSuDruMDVsbELgddIc
ie Linke fordert deshalb, dass die Bundesregierung diersachen des Dioxinskandals bekämpft und nicht an denymptomen herumdoktert.
Dazu gehört erstens: Der Bund muss noch intensivernd noch besser mit den Ländern zusammenarbeiten.er jeweils beste Kontrollstandard und die besten Erfah-ngen in den Bundesländern sind deutschlandweit zumaßstab zu machen.
urch die Koordination auf der Bundesebene wird dieerantwortung der Länder selbstverständlich nicht er-etzt.Zweitens. Für gesunde und sichere Lebensmittelrauchen wir eine wirksame Kontrolle in der gesamtenrzeugungskette vom Acker bis zur vorher genanntenadentheke.Herr Goldmann, ich muss sagen: Ich bin entsetzt. Sielauben trotz dieses Skandals und der Probleme, die aufem Tisch liegen, noch immer an die Eigenkontrollener Betriebe und die Selbstheilungskräfte der Branche.h verstehe das nicht.
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9284 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
Karin Binder
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Kontrollen der Betriebe und auch Prüfsysteme wiedas QS-System, das unter anderem für die Prozesszerti-fizierung notwendig ist, sind nach strengen gesetzlichenVorgaben zu regeln. Anders geht es nicht.
Prüfe ich, prüfe ich nicht, was prüft man, wie genaunimmt man es: Die Antwort auf all diese Fragen darfnicht dem Gutdünken der Privatwirtschaft überlassenwerden. Deshalb hilft es auch nicht, der Privatwirtschaftdiese Fragen zu stellen, sondern wir hier haben das Pro-blem durch Vorgaben zu lösen.
Zertifizierer wie die DEKRA müssen Verdachtsfälleund Grenzüberschreitungen an die Behörden melden.Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben,die die Behörden auf Missstände aufmerksam machen,müssen zum Beispiel nach dem Vorbild von Großbritan-nien als Whistleblower wirksam gesetzlich geschütztwerden.
Drittens. Unser Essen muss sauber bleiben. Die Über-prüfung jeder Futtercharge auf Schadstoffe vor der Wei-terverarbeitung kann sofort zur Pflicht gemacht werden.Viertens. Statt für den Export von Schweinefleisch zuwerben, brauchen wir eine finanzielle Förderung der re-gionalen Kreisläufe. Dadurch wird eine größere Chanceauf Lebensmittelsicherheit und im Verdachtsfall aufschnelle Untersuchungsergebnisse eröffnet. Deshalbmüssen wir hier die Entwicklung schneller und sichererNachweismethoden wirklich gezielt fördern.Fünftens. Das Verbraucherinformationsgesetz –
Frau Kollegin.
– ich bin gleich fertig – muss endlich verbessert werden.
Die Erzeugungskette von Lebensmitteln muss auch für
die Kundinnen und Kunden nachvollziehbar sein.
Frau Kollegin.
Daten der Behörden und Betriebe sind keine Betriebs-
geheimnisse, sondern wichtige Verbraucherinformatio-
nen.
Frau Kollegin, kommen Sie jetzt bitte zum Ende.
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as fällt Ihnen im Augenblick wirklich auf die Füße.
Frau Binder.
Wir sind gespannt, wie und wann Sie mit dem Ver-
raucherschutz ernst machen.
Danke schön.
Friedrich Ostendorff hat jetzt das Wort für Bünd-is 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr ge-hrte Frau Aigner, ja, Sie haben, wenn auch etwas zöger-ch, mittlerweile viele wichtige Forderungen verkündetzw. von Ihrem grünen Kollegen Remmel aus Nord-ein-Westfalen abgeschrieben. Über die Quelle desioxins können Sie bis heute aber gar nichts sagen, Frauigner. Laut Focus hat das Ministerium wesentlich mehrerunreinigte Futtermittelchargen an die EU gemeldet,ls Sie uns mitgeteilt haben. Erst hieß es, die Panschereiabe im November begonnen, dann hieß es: im März.etzt hören wir: schon lange davor.In Schleswig-Holstein wurden Giftproben vertauscht.as Landesamt LAVES in Oldenburg verheimlichte beirem Besuch vor Ort die Verstrickung des Raiffeisen-nternehmens in Damme. Der niedersächsische Staats-ekretär Ripke hält Sie öffentlich zum Narren. Die Fut-rmittelwirtschaft – ich glaube, Kollege Bleser, das giltuch für Ihre Raiffeisen-Waren-Zentrale Rhein-Main,eren Aufsichtsratsvorsitzender Sie sind – lässt sich wei-r bitten, auch wenn sie gerade mit ihrem QS-Systematastrophal gescheitert ist.
Der Skandal wächst Ihnen hoffnungslos über denopf, Frau Ministerin. Vor allem aber weichen Sie derntscheidenden Frage weiter aus. Der eigentlichen poli-schen Frage sind Sie in den Tagesthemen, im heute-urnal und auch heute wieder ausgewichen. Sie flüch-n sich in technische Details, wenn Sie eigentlich dientscheidende Frage stellen müssten. Wenn Sie das tunürden, hätten Sie aber in Ihren eigenen Reihen dierößten Probleme. Niemals würden Vertreter des Bau-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9285
Friedrich Ostendorff
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ernverbandes auf der CDU/CSU-Bank zulassen, dass Siediese Frage stellen. Zu eng ist Ihre Partei mit der Agrar-lobby verbandelt und verfilzt.
Spätestens mit der Genossenschaft in Damme hat derDioxinskandal die Saubermänner in Ihren Reihen er-wischt, von denen man auch viele auf den Funktionärs-listen von Raiffeisen, Agravis, Bauernverband und QSwiederfindet.
Die entscheidende Frage lautet, ob wir in der Land-wirtschaft heute mit der Industrialisierung, Exportorien-tierung und Massentierhaltung, auf deren VerbreitungSie von der Regierungsbank und aus der Regierungsko-alition tagtäglich hinarbeiten, auf dem richtigen Wegsind oder ob uns nicht erst dieses von der Gier getrie-bene System der Agrarfabriken in die Sackgasse geführthat.
Das ist die entscheidende Frage, Frau Ministerin, zuder Sie auch heute nichts gesagt haben.
Die Bürgerinnen und Bürger haben diese Frage bereitsbeantwortet. Wer dieser Tage mit den Menschen spricht,den überrascht das Niveau, auf dem die Verbraucherin-nen und Verbraucher, die angeblich alles billig wollen,wie Sie immer sagen, heute diskutieren. Die Verbrauche-rinnen und Verbraucher sind informiert. Sie glauben dasMärchen von den einzelnen schwarzen Schafen nichtmehr, Michael Goldmann. Sie glauben, dass die Herdegrundsätzlich schwarz ist, Frau Heil von der CDU/CSU.Verharmlosung hilft an diesem Punkt nicht mehr weiter.
Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind infor-miert. Sie sind auf dem Stand der Dinge und sagen ein-deutig: Dieses System vergiftet unsere Nahrung, machtuns Konsumenten zur Müllkippe, zerstört unsere Um-welt und hält das Mitgeschöpf Tier in unerträglichenVerhältnissen.
Es degradiert es zum Produktionsfaktor, der mit demsel-ben Müll gefüttert werden kann wie ein Kraftwerk.Hauptsache billig: Das ist die Logik der Agrarindustrie.Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn wir alleJahre wieder Lebensmittel als Sondermüll entsorgenmüssen.„Branche gesund. Produkte gesund“ lautet das zyni-sche Motto des Bauernverbands auf der Grünen Woche,die übermorgen beginnt. Das System verrät sich schein-bar selbst. Gesunde Branche, gesunde Produkte? – Unge-sGSlarelinflebwgimgmdresdh„KgFuVSusdaNgCHSDsv
Frau Aigner, Ihr Problem ist, dass Sie auf das falscheystem und auf die falschen Leute gesetzt haben. Siessen Ihren Exportstaatssekretär Müller um die Weltisen, um Deutschland zum Exportweltmeister von Bil-gfleisch zu machen. Das Geschäft wird mit einer bishericht dagewesenen Veranstaltung, der Welt-Schweine-eisch-Konferenz 2011 in Deutschland, angekurbelt. Ihrrklärtes Ziel ist die Verdoppelung der Fleischexporteinnen fünf Jahren.Man fragt sich, ob es ein Ergebnis der Chinareisenar, dass jetzt auch noch chinesische Vitaminmischun-en mit dem verbotenen Antibiotikum Chloramphenicol Futter gefunden wurden. Zu Ihrer Exportideologieehören logischerweise auch massenhafter Sojaimport,assiver Ausbau der Massentierhaltung und Fleischpro-uktion auf billigstem Niveau. Dabei entsteht der An-iz, Futter auf Teufel komm raus billig zu beschaffen,ei es noch so risikobehaftet. Das ist kein Unfall, son-ern innere Logik.Man muss das nicht so machen. Wir verfüttern zu-ause in unserem Betrieb keines dieser Futtermittel.Billig und gut passt selten unter einen Hut“ sagt dasatholische Landvolk. Recht hat es!
Haben Sie endlich den Mut, Frau Ministerin, sich ge-en die Agrarlobby zu stellen! Wahrheit und Klarheit,rau Ministerin, vertragen sich nicht mit Seilschaftennd Klüngelei! Knüpfen Sie an die Agrarwende Ihrerorvorgängerin Frau Ministerin Künast an! Unterstützenie die CDU Brandenburg, die eine Wende vollzogen hatnd für die bäuerliche Landwirtschaft streitet! Die Men-chen erwarten jetzt die Agrarwende 2.0. Deshalb gehenie Menschen am Samstag hier in Berlin am Reichstaguf die Straße unter dem Motto „Wir haben es satt!“.ehmen Sie, die schwarz-gelben Lobbyisten, dies bitteanz persönlich!
Johannes Singhammer hat jetzt das Wort für die
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Wer Dioxingift in das Futter für Hühner oderchweine vorsätzlich hineinmischt, gehört eingesperrt.as wollen die Menschen in Deutschland. Was die Men-chen in Deutschland nicht wollen, ist, dass der Skandalerharmlost oder kleingeredet wird
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9286 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
Johannes Singhammer
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und dass Parteien übereinander herfallen. Herr Ostendorff,die Menschen in Deutschland wollen vor allem nicht,dass mit der tiefen Verunsicherung und den ÄngstenWahlkampf betrieben wird.
Herr Ostendorff, Sie sind nur der Stellvertreter vonFrau Künast, der sich zu Wort meldet. Frau Künast istleider nicht mehr da,
obwohl sie in der Öffentlichkeit das große Wort geführthat. Deshalb muss ich auf sie eingehen. Frau Künast hateine gewisse Skandalerfahrung; denn mindestens zweiDioxinskandale haben ihren Weg als Ministerin gepflas-tert. Wir brauchen schärfere Kontrollen für Futtermittelund Lebensmittel. Dafür soll die Zuständigkeit des Bun-des gestärkt werden. – Von wem stammt dieses Zitat?Wann sind diese Forderungen erhoben worden? DiesesZitat stammt aus der Welt am Sonntag von 2002 – daswar also vor rund neun Jahren – und wird der damaligenBundesministerin Künast zugeschrieben. Wer die jetzigeAgrarministerin kritisiert, weil sie das tut, was FrauKünast selber nie geschafft hat – sie ist nie über Ankün-digungen hinausgekommen; sie hat sich als die HeiligeJohanna der Dioxinbekämpfung aufgespielt und endetedann als Trümmerfrau der Schadensbegrenzung –, sollteruhiger sein und diese Debatte verfolgen.
Ministerin Aigner hat nicht nur ein 10-Punkte-Ak-tionsprogramm aufgelegt, sondern hat gestern auch mitden Bundesländern 14 entscheidende Schritte für mehrLebensmittelsicherheit vereinbart. Nur eine von vielenneuen Regelungen ist: Die Länder treten in einen vomBund koordinierten Qualitätswettbewerb ein. – Das istein ganz entscheidender Fortschritt. Dafür sage ich unse-rer Ministerin herzlichen Dank.
Herr Ostendorff, es gibt eine große Zahl von Opferndieses Skandals. Da sind zunächst Millionen Verbrau-cherinnen und Verbraucher, deren Vertrauen in die Un-bedenklichkeit von Eiern oder Schweinefleischproduk-ten erschüttert worden ist. Ebenso Opfer sind mehrereZehntausende landwirtschaftliche Betriebe, Bauern undihre Familien, deren Höfe gesperrt worden sindufüeNddEFEg–ssdtisndtedVzbgnmli
nd die deshalb nichts verdienen können, obwohl sie da-r keine Verantwortung tragen. Wer jetzt versucht, Bau-rn aufgrund bestimmter Produktionsbedingungen in dieähe des Generalverdachts einer Mitschuld zu schieben,
er handelt in einem außerordentlichen Maße infam.
Gruppen von Opfern und Geschädigten gegeneinan-er auszuspielen – seien sie Verbraucher oder bäuerlicherzeuger –, ist schlimm; aber Bauern, die jetzt mit ihrenamilien um ihre Existenz bangen müssen, weil sie ihreier oder Hühner nicht verkaufen dürfen oder weil siear keinen Käufer mehr finden
hören Sie genau zu –, auch noch mit hämischen Mit-chuldvorwürfen zu begegnen, das muss ein Ende haben.
Nachhaltiges Wirtschaften ohne Schielen auf denchnellen Euro wird nirgendwo anders so konsequenturchgeführt wie bei Familienbetrieben, die in Genera-onenfolge Bauernhöfe bewirtschaften und die aus die-em Grund das größte Interesse daran haben, dass dieachfolgende Generation auf Böden wirtschaften kann,ie in Ordnung sind.
Wir ziehen Konsequenzen nach dem Grundsatz „Ta-n statt Worte“, und das in Gemeinsamkeit mit den Län-ern. Unser Ziel – und das ist schwierig genug – heißt:ertrauen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchernurückgewinnen. Das wird ein langer Weg werden.Ein chinesisches Sprichwort lautet: Ein langer Marscheginnt mit dem ersten Schritt. Die Bundesministerin hatestern gemeinsam mit den Ländern 14 Schritte unter-ommen, die ab sofort gelten. Unser gemeinsames Zieluss es sein, dabei mitzuhelfen, damit diese Schritte ge-ngen.
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Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Ulrich
Kelber.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Löse das Problem, nicht die Schuldfrage – dieseLebensweisheit hat uns am vergangenen Montag dieheute wieder nicht anwesende zuständige Staatssekretä-rin aus dem Verbraucherschutzministerium mit auf denWeg gegeben. Das kam mir ein wenig so vor wie einversteckter Vorwurf an die eigene Chefin.
Seit drei Wochen ist Bundesministerin Aigner vor al-lem um den Selbstschutz bemüht. Da werden Ultimatenan die eigenen Parteifreunde gestellt und wieder zurück-gezogen; da werden Vorwürfe an die Opposition erfundenund konstruiert und ein künstlicher Streit um Bundes-kompetenz ausgetragen, statt sich um die Maßnahmen zukümmern, mit denen man im eigenen Zuständigkeitsbe-reich sofort beginnen könnte.
Dabei geht es um eine einfache Sache, nämlich wegvon Ankündigungen und hin zu Maßnahmen zu kom-men, um Vertrauen in Lebensmittel und in die staatlicheLebensmittelkontrolle zurückzugewinnen. Dafür ist derVorschlag der Verbraucherministerkonferenz von ges-tern durchaus eine geeignete Grundlage.Entscheidend aber ist, dass der Katalog diesmal um-gesetzt werden muss. Ich kann mich noch an den letztenKatalog, den Seehofer-Katalog beim Gammelfleisch-skandal, erinnern, den wir alle mit viel Elan angegangensind. Im Laufe der Zeit wurde Maßnahme um Maß-nahme verwässert, gestoppt und denunziert. Deswegenmuss es diesmal eine vollinhaltliche Umsetzung des Ka-talogs geben, nicht nur der Überschriften.Frau Aigner, dies wäre für Sie doch die Gelegenheit,den Vorwurf der Ankündigungsministerin zu widerle-gen, indem Sie die Maßnahmen schnell umsetzen undnicht verwässern lassen.Es gibt in der Politik kein Urheberrecht, und das istauch gut so. Für eine Opposition, die nicht allein handelnkann, ist es das größte Lob, wenn ihre Vorschläge von ei-ner Regierung übernommen werden. Deshalb freuen wiruns in der SPD natürlich, dass von den 15 Maßnahmen,die wir vor zehn Tagen präsentiert und vor acht Tagen imAusschuss vorgelegt haben, lieber Peter Bleser von derCDU/CSU, sich jetzt 14 Maßnahmen im Beschluss derVerbraucherministerkonferenz wiederfinden. Das mussman einmal aussprechen, nachdem vorhin etwas anderesgesagt wurde. Das ist wichtig. Sonst hätte ich hierzunichts gesagt.Als wir unsere Vorschläge vor zehn Tagen, zwei Tagevor der Ausschusssitzung, vorgelegt hatten, war Ministe-ridAMggGfr–udgbHFFV–esgm1fudFgaAüCsWsAnvms
m Tag der Ausschusssitzung gab es bereits ein Fünf-aßnahmen-Paket. Das ist acht Tage her. Vor fünf Ta-en gab es schließlich ein 10-Punkte-Programm; und seitestern sind es 14 Maßnahmen. Wir freuen uns über dieeschwindigkeit, und wir würden uns natürlich aucheuen, wenn auch der 15. Punkt, der Informantenschutz ich komme gleich dazu –, genauso akzeptiert würdend in dieser Beziehung so dazu gelernt würde wie inen letzten Tagen bei den anderen Maßnahmen.
Die entscheidende Frage, weswegen wir heute die Re-ierungserklärung eingefordert hatten, ist bis jetzt nichteantwortet worden; das kann aber eventuell der Kollegeolzenkamp noch machen. Es handelt sich um dierage, ob die Regierungskoalition von CDU/CSU undDP eigentlich bereit ist, das 14-Punkte-Programm dererbraucherministerkonferenz inhaltlich umzusetzen.
Nein, das ist keine idiotische Frage. – Wir gehen dasinmal Punkt für Punkt durch.
Am Dienstag vor acht Tagen hat die SPD im Aus-chuss die Ministerin Punkt für Punkt zu dem Pro-ramm befragt. Bei einigen Punkten hat sie gesagt, sieüsse noch nachhorchen, andere Punkte hat sie in den4-Punkte-Plan übernommen. Als es um die Verschär-ng des Verbraucherinformationsgesetzes ging, alsoen Zwang zur Veröffentlichung der Namen, war dieDP dagegen. Als es um die Beprobung jeder Chargeing, haben sich die Kollegen der CDU/CSU dagegenusgesprochen.
ls es um die Meldepflicht für die Labore bei Grenzwert-berschreitungen ging, sind Zwischenrufe aus der CDU/SU gekommen, das sei ein Bruch des Vertrauens zwi-chen Auftraggeber und Auftragnehmer.
ir sind gespannt, ob Sie hier diesen Maßnahmen zu-timmen. Wir stellen diese Maßnahmen gleich erneut zurbstimmung. Dann besteht die Chance, Farbe zu beken-en, anstatt nur Ankündigungen zu machen.
Frau Ministerin Aigner, im Ausschuss haben Sie mirorgeworfen, ich würde Sie zu den einzelnen Maßnah-en nur fragen, um eine Liste zu machen, bei der ichpäter abhaken könnte, wo Sie etwas angekündigt, aber
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9288 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
Ulrich Kelber
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nicht geliefert haben. Ich würde viel lieber Häkchen beiden Punkten machen, wo Sie angekündigt und gelieferthaben.
Nur, meine Aufgabe als Oppositionspolitiker ist dochauch, zu benennen, wenn Sie angekündigt, aber nicht ge-handelt haben.Ich komme zu dem letzten Punkt, dem Informanten-schutz, dem einzigen der 15 Punkte, den die SPD bishernicht hat durchsetzen können. Fast alle Futtermittel- undLebensmittelskandale der letzten Jahre sind durch mu-tige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgedecktworden, die sich an die Öffentlichkeit gewandt und vorsolchen Straftaten gewarnt haben.
Herr Singhammer, Sie sind von der CSU aus München.Herr Seehofer hat in München eine Medaille an denLkw-Fahrer vergeben, der sich an die Behörden gewandtund gesagt hatte, er werde gezwungen, Gammelfleischzur Lebensmittelverarbeitung zu fahren.
In Deutschland müssen diese mutigen Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmer immer noch befürchten, wennsie an den falschen Richter geraten, dass sie wegen Stö-rung des Betriebsfriedens entlassen werden, obwohl sieversucht haben, die Öffentlichkeit zu schützen. DassHerr Bleser, der erst den 10-Punkte-Katalog von HerrnSeehofer, in dem der Informantenschutz stand, gefeierthat, dann in den Verhandlungen in der Großen Koalition– ich war sein Gegenüber – diesen verhindert hat undmutige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Un-schuldige schützen wollen, in seiner Wortwahl mit De-nunzianten vergleicht, die Unschuldige an ein Unrechts-regime ausliefern wollen, ist eine Unverschämtheit.
Dass Ihr Fraktionsvorsitzender, der in der sechsten Le-gislaturperiode im Deutschen Bundestag sitzt, diese mu-tigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch nochmit einer NS-Institution, dem Blockwart, vergleicht, isteine bodenlose Frechheit. Herr Kauder, lernen Sie end-lich einmal Anstand.
Herr Kelber, Herr Bleser würde Ihnen gerne eine
Zwischenfrage stellen.
Aber selbstverständlich. Bitte, Peter.
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Der letzte Redner in dieser Debatte ist Franz-Josefolzenkamp von der CDU/CSU-Fraktion.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9289
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Nach den Beiträgen, die ich insbesondere vonder linken Seite gehört habe, möchte ich mit einem Zitatbeginnen:Eintausendsiebenhundertachtzehn Tage hatte dieBundesministerin für Verbraucherschutz, Ernäh-rung und Landwirtschaft zwischen dem 12. Januar2001 und dem 27. September 2005, um ein für alle-mal die Lebensmittel, Futtermittel … einer so straf-fen Kontrolle zu unterwerfen, dass nie mehr einNahrungsmittelskandal vorkommen könnte. FrauKünast hat ihre Chance für eine vorbildliche grünePolitik nicht nachhaltig genutzt.So die FAZ von vor wenigen Tagen. Ich finde, sie hat mitwenigen Sätzen – mit nur zwei Sätzen – alles auf denPunkt gebracht.
Wer selbst in einem Glashaus sitzt, sollte insbesonderenicht auf andere mit Steinen werfen.
Ihr kennt euch doch selber mit Dioxinskandalen inden unterschiedlichsten landwirtschaftlichen Betrieben– ob es um Freilandeier oder anderes geht – aus. Also,Sie selbst setzen nicht ganz viel um, hauen aber auf diePauke. Schließlich stehen Wahlen vor der Tür. Dem Ver-braucher helfen nicht Worte allein, dem helfen Taten,und die vollbringen wir.
Ich will dazu einen Punkt ansprechen, weil ich michin der letzten Woche in unserem Ausschuss wirklich sehrdarüber geärgert habe. Drinnen haben wir Fakten bear-beitet. Draußen mussten einige Damen und Herren derGrünen und der SPD den medialen Markt mit ihrer rot-grünen Apokalypse bedienen.
Ich habe da andere Vorstellungen von sachorientierterPolitik. Jedenfalls entspricht das nicht dem, was Sie hierheute einfordern, meine Damen und Herren von der Op-position. Das ist wieder einmal Klamauk und sonst garnichts.
In einem Punkt sind wir uns einig: Wir arbeiten daran,kriminelle Energie letztendlich so gut, wie es geht, inden Griff zu bekommen. Alle miteinander wissen wir,dass das sehr schwierig ist. Es gibt da immer neue He-rausforderungen, und wir müssen Regeln auf den Wegbringen. Doch ich sage Ihnen noch einmal: Wenn maneine dicke Lippe riskiert, sollte man selbst auch etwasvorweisen können.wvtewmsTusinIhwuaAtrtuwDHtuEaaambmdDhmabddteZnSGwtu
s hat letztendlich einfach nur etwas damit zu tun, dassngesichts der Verbraucherverunsicherung vernünftigufgeklärt werden muss.
Wenn wir über Aufklärung reden, dann müssen wiruch darüber sprechen, wie Dioxine entstehen – das istehrfach angesprochen worden –, nämlich durch Ver-rennungsprozesse; ich brauche auf die Details nichtehr einzugehen. Unser Ziel ist natürlich – ich hoffe,ass das unser gemeinsames Ziel ist – die Reduktion derioxinbelastung; sie sollte möglichst bei null liegen. Ichoffe, wir kommen da sehr weit. Ich persönlich freueich darüber, dass beispielsweise das Umweltbundes-mt feststellt, dass seit 1990 eine deutliche Reduktioneim Dioxin gelungen ist. Ich will gar nicht im Detailarauf eingehen, dass einen wesentlichen Beitrag dazuas Verbot des verbleiten Benzins im Jahre 1989 geleis-t hat. Ich will auch nicht darauf eingehen, wer in diesereit an der Regierung war; Sie wissen es ja.Aufklärung gehört zum Verbraucherschutz. Sie istotwendig und hilft dem verunsicherten Verbraucher, dieituation besser einzuschätzen. Deshalb legen wir imegensatz zu Ihnen, jedenfalls im Gegensatz zu dem,as ich heute von Ihnen gehört habe, darauf Wert, das zun, worauf es ankommt.
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9290 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
Franz-Josef Holzenkamp
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Zum 14-Punkte-Plan. Herr Kelber – Sie haben michdarauf angesprochen –, ich will Ihnen vorwegsagen: Ichbin überzeugtes Mitglied einer Volkspartei. In unsererVolkspartei ist es so, dass wir uns miteinander unterhal-ten, dass wir diskutieren. Bei uns ist es auch so, dass wirzuhören. Wenn es etwas Besseres gibt, dann nehmen wirdiese Erkenntnis auf. Das kann auch zur Folge haben,dass wir Pläne erweitern.Aber ich will deutlich sagen: Vorschläge müssen auchwirklich Sinn machen.
Im Hinblick auf das, was risikobasiert vernünftig ist, willich Ihnen einmal ein ganz einfaches Beispiel nennen:Fette sind grundsätzlich mit Risiken verbunden; das wis-sen wir.
Getreide birgt weniger Risiken. Wenn es darum geht,alle Chargen zu kontrollieren, dann will ich nicht, dassjeder Landwirt, der selbst mischt, sein gesamtes Getreideuntersuchen muss; dadurch würde der Strukturwandelnoch mehr forciert. Das kann nicht in unser aller Inte-resse sein.
Immer wieder wird die Systemfrage gestellt.
Hören Sie doch endlich auf, die Gesellschaft zu spalten,die Landwirtschaft aufzuteilen in Böse und Gute! Wassoll das? Herr Ostendorff, Sie haben von Lobbyisten ge-sprochen. Eigentlich sind Sie der Oberlobbyist; ich fragemich nur, für welche Klientel.
Ich habe mich vorhin sehr geärgert. Was maßen Sie sichan, wenn Sie gegen 300 000 Bauern in Deutschland zuFelde ziehen, diese stigmatisieren und diffamieren? Ichfinde, das ist nicht in Ordnung.
Ich will an diesem Punkt ergänzen: Die Landwirte sindin diesem Skandal wirklich Opfer und nicht Täter. Werdas noch nicht verstanden hat, der sollte sich tiefer damitbeschäftigen.Zu einem weiteren Punkt: Es wird die Systemfragegestellt und behauptet, das Problem sei die industrielleLdtenLBugSLduElivPTpbnzdsIcseMaIlmIcSDwVu–is
twa 5 500 Betriebe wurden in Niedersachsen vorsorg-ch gesperrt. Lassen Sie mich das deutlich sagen: Das istorsorglicher Verbraucherschutz. Die Ergebnisse derroben, die bereits vorgelegt wurden – in den nächstenagen werden weitere vorgelegt –, zeigen: Es gibt eineositive Probe beim Schwein und fünf positive Probenei Hühnereiern. Ich will nicht ausschließen, dass esoch mehr werden, aber die Tatsache, dass wir so groß-ügig gesperrt haben, ist ein eindeutiger Beweis dafür,ass der vorsorgliche Verbraucherschutz in Niedersach-en an allererster Stelle steht.
Es wird oft darüber diskutiert, wer was erreicht hat.h frage Sie: Wer hat letztendlich dafür gesorgt, dassich die Bundesländer auf eine gemeinsame Protokoll-rklärung geeinigt haben, der sich Berlin, Bremen,ecklenburg-Vorpommern, NRW und Rheinland-Pfalzngeschlossen haben? Das ist unsere Bundesministerinse Aigner gewesen. Wer hat das vorher geschafft? Nie-and, auch Renate Künast nicht.
h bin Ilse Aigner sehr dankbar, dass sie sich an diepeerspitze dieser Bewegung stellt.
ie 14 Punkte, Herr Kelber, die mehrfach angesprochenurden, werden wir umsetzen.
Abschließend will ich festhalten: Verbraucherpolitik,erbrauchersicherheit und Verbraucherschutz stehen beins an erster Stelle.
Herr Ostendorff, wenn Sie meinen, wir seien Lobby-ten, dann sind wir Lobbyisten;
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Franz-Josef Holzenkamp
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denn wir stehen zu den 350 000 landwirtschaftlichen Be-trieben in Deutschland. Sie tun das offensichtlich nicht.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zu den Entschließungsanträgen. Zu-nächst geht es um die Abstimmung zum Entschließungs-antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/4426.Wer stimmt für den Entschließungsantrag? – Gegenstim-men? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag istabgelehnt. Zugestimmt hat die einbringende Fraktion,die Koalitionsfraktionen waren dagegen, Bündnis 90/Die Grünen und Linke haben sich enthalten.Abstimmung über den Entschließungsantrag der Frak-tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/4430. Werstimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –Der Entschließungsantrag ist ebenfalls abgelehnt bei Zu-stimmung durch Bündnis 90/Die Grünen. SPD undLinke haben sich enthalten, CDU/CSU und FDP dage-gen gestimmt.Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 1 auf:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Migrationsbericht 2009.Wir hören zur Einführung den fünfminütigen Berichtdes Bundesministers des Innern, Thomas de Maizière.Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-nern:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Bundesregierung hat heute den Migrationsbericht2009 beschlossen. Das ist ein jährlich abzugebender Be-richt, der sich entwickelt hat zu einem, wenn Sie so wol-len, statistischen Standardwerk über das Migrationsge-schehen, das Wanderungsgeschehen, in Deutschland,auch im europäischen Vergleich. Er liegt Ihnen vor. Erist umfangreich, aufschlussreich und nüchtern. Er enthältkeine Strategien zur Bewältigung der Probleme und He-rausforderungen, sondern eben statistisches Material.Lassen Sie mich kurz auf einige wesentliche Zahlenund Aspekte eingehen:Der Anteil ausländischer Staatsangehöriger an derGesamtbevölkerung in Deutschland ist seit Mitte der90er-Jahre nahezu unverändert und liegt jetzt bei8,7 Prozent. Etwa 35 Prozent der Ausländer in Deutsch-land sind Unionsbürger, also Bürger der EuropäischenUnion, 24 Prozent aus den alten und 11 Prozent aus denneuen EU-Mitgliedstaaten. Die zweitgrößte Gruppe derAusländer in Deutschland stellen trotz eines relativenRückgangs die türkischen Staatsangehörigen dar. Ihr An-teil liegt bei ungefähr 24,8 Prozent. EU-Bürger und Bür-ger mit türkischer Staatsangehörigkeit zusammen stellenalso knapp 60 Prozent aller hier lebenden Ausländern.läInsDAmnghgDZehwSg5ImgngEsGsddkGtänhHgsevcdtüd3snslidwhU
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Bundesminister Dr. Thomas de Maizière
Ländern kommen die meisten Studenten, die bei uns ih-
ren Abschluss gemacht haben.
Menschen, die zu Erwerbszwecken hierherkommen,
kommen oft aus Indien und interessanterweise aus den
Vereinigten Staaten von Amerika. Allerdings ist die Zahl
absolut gesehen gering.
Wir untersuchen seit einiger Zeit auch die Zahl der
Abwanderungen. Allerdings ist die Statistik in diesem
Punkt nicht sehr aussagekräftig. Warum? Wenn jemand
abwandert, ist er nicht verpflichtet, zu sagen, welchen
Bildungsabschluss er hat, wohin er geht und warum er
auswandert. Außerdem wissen wir nicht genau, ob es
eine temporäre oder eine dauerhafte Abwanderung ist.
Wenn jemand nach dem Hochschulabschluss fünf Jahre
eine Doktorarbeit in Amerika schreibt, dann ist er für
diese Zeitspanne ausgewandert. Die Zahl der Abwande-
rungen ist, wie gesagt, nicht sehr aussagekräftig, weil es
keine Vergleichszahlen aus weit zurückliegenden Jahren
gibt.
Insgesamt muss man sagen, dass die Zahl der Aus-
wanderer in Deutschland rückgängig ist. Im Jahre 2009
gab es 154 000 Fortzüge von Deutschen aus dem Bun-
desgebiet. Das ist ein Rückgang um 11 Prozent gegen-
über dem Vorjahr. Allerdings ist dies deutlich mehr, als
wir es über viele Jahre gewohnt waren. Von den Fortzü-
gen aus Deutschland im Jahre 2009 entfielen 34,9 Pro-
zent auf die alten EU-Staaten. Das ist, wenn man so will,
das erwünschte Ergebnis des Zusammenwachsens in
Europa. In die USA zogen 13 000. Gleichzeitig kehrten
11 000 Deutsche aus den USA nach Deutschland zurück.
Das ist zwar ein negativer Wanderungssaldo von rund
2 000; aber man sieht daran, dass es auf diesem Gebiet
bei den Qualifizierten, was die USA angeht, viele Bewe-
gungen gibt.
Man kann dem Bericht für die Debatten, die wir vor
uns haben, und auch für die Debatten, in denen wir uns
befinden, eine ganze Menge an Information entnehmen.
Ich hoffe, er findet Ihr Interesse.
Vielen Dank für den Bericht. Es gibt Nachfragen. Zu-
nächst hat der Kollege Kilic das Wort.
Sehr geehrter Herr de Maizière, vielen Dank für Ihre
Berichterstattung. Sie haben aktuelle Zahlen über die
Einbürgerung genannt. Sie ist rückläufig; sie ging um
1 000 zurück. Langfristig betrachtet, muss man sagen,
dass die Bundesregierung die Einbürgerungspolitik der
Bundesrepublik Deutschland an die Wand gefahren hat.
Denn seit 2004 ist die Zahl der Einbürgerungen um ein
Viertel eingebrochen.
Wie Sie richtig festgestellt haben, erfüllen 73 Prozent
der Immigranten – das sind immerhin 5 Millionen Men-
schen – die wichtigste Einbürgerungsvoraussetzung,
nämlich einen Aufenthalt von acht Jahren. Trotzdem
können sie nicht eingebürgert werden. Es gibt immer
wieder Maßnahmen, die es den Migranten erschweren,
die Einbürgerung zu beantragen. Einige Studien kom-
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In der Großen Koalition haben wir die Situation derausländischen Absolventinnen und Absolventen, die fürden deutschen Arbeitsmarkt sehr attraktiv sind, so ver-bessert, dass sie die Möglichkeit haben, hier ein Jahr zubleiben, nämlich durch das Zuwanderungsgesetz. Da-nach gab es eine weitere Verbesserung: Sie haben keineNachrangigkeitsprüfung mehr und können später auchwieder zuwandern. Die Frage, die sich mir stellt, ist:Schlägt sich das in den Zahlen nieder? Nach den Zahlen,die mir bekannt sind, bleibt nach wie vor nur ein kleinerTeil der ausländischen Absolventinnen und Absolven-ten, die in Deutschland studiert haben, hier. Ich weiß,dass viele gern bleiben würden, aber innerhalb dieses ei-nen Jahres schlicht – wie viele Deutsche auch – keineentsprechende Anstellung finden. Wenn Sie mir die Zahlnennen, sie einschätzen und vielleicht auch sagen wür-den, was Sie als Minister vorhaben, um es mehr Men-schen zu ermöglichen, nach einem erfolgreichen Stu-dienabschluss in Deutschland zu bleiben, wäre mirgeholfen.Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-nern:Frau Abgeordnete Kolbe, ich habe diese Zahl natür-lich nicht ohne Grund genannt; denn ich habe mir schongedacht, dass das ein wesentlicher Punkt der Debatte ist.Das ist auch richtig so.Ich habe die Zahl aus diesem dicken Bericht jetztnicht im Kopf. Wahr ist aber, dass aus dem Reservoir de-rer, die aus dem Ausland kommen, diejenigen, die hierstudiert haben, das beste Potenzial für Zuwanderung ha-ben, das Deutschland bekommen kann. Bei allem Streitüber Zuwanderung ist das insoweit auch unstreitig. Des-wegen ist es wichtig – ohne dass ich einer Beratung vor-greifen kann oder will –, dass wir genau dort ansetzen.Wir müssen insbesondere nach einem erfolgreichen Ab-schluss erleichtern, dass man hier bleiben kann, dassman Arbeit aufnehmen kann. Das ist auch in der Koali-tion längst unstreitig. Die Punkte, die streitig und jetzthier nicht zu diskutieren sind, liegen woanders; sie lie-gen nicht hier.Nun muss man sehen, dass natürlich nicht alle Stu-denten, die aus dem Ausland kommen und hier studie-ren, hier bleiben wollen. Wir haben auch eine erheblicheZahl deutscher Studenten, die im Ausland studieren. Werim Ausland studiert, studiert deswegen dort, um seinenErfahrungshorizont zu erweitern, nicht unbedingt, um imAusland zu bleiben. Das ist auch kein vorwerfbares Ver-halten. Insofern stehen nicht 245 000 potenzielle Zuwan-derer zur Verfügung. Ein ganz erheblicher Teil will hierstudieren und geht wieder weg. Das hat auch Vorteile,weil es Kontakte in die ganze Welt hinein schafft. Dasmuss man auch einmal sehen.In den 70er-Jahren war die entwicklungspolitischeDebatte so, dass man sie gar nicht davon abhalten dürfte,zurückzugehen, weil das zu einem Braindrain bei denEntwicklungsländern führe; wir mussten sehen, dass siezurückgehen und dort ihre Länder aufbauen – jedenfallssoweit es um entwicklungsschwächere Länder ging. Da-rüber redet heute keiner mehr. Ich sage das nur einmalgdic–dusMdtitiÜumtidvHW2reDaunDz„mDntePddgnmfoWsMdnds
ich wundert, dass er bisher nicht zugeleitet worden ist;aran soll es nicht scheitern. Ob Sie es diskutieren odericht, müssen Sie entscheiden. Darüber entscheidet nichtie Bundesregierung; das müssen Sie dann im Deut-chen Bundestag erörtern.
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9294 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
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Bundesminister Dr. Thomas de Maizière
Was die Frage des Saldos angeht, so haben Sie den
Punkt schon richtig dargestellt. Wir machen hier zu einem
Stichtag eine Statistik, und dahinter verbergen sich Wan-
derungsbewegungen verschiedener Art. Richtig ist, dass
der Wanderungssaldo abgenommen hat. Ich könnte jetzt
auch sagen: Die gute Nachricht ist, dass sich der Wande-
rungssaldo um zwei Drittel reduziert hat. Nur wäre diese
Aussage angesichts der Zahlen nicht besonders glaubwür-
dig: Von 60 000 sind wir jetzt bei 12 000 angelangt. Das
ist zwar ein Trend in die richtige Richtung; aber wahr ist,
dass immer noch mehr Menschen weggehen als kom-
men. Insoweit stimmt, was die Zahlen angeht, objektiv
die Aussage, dass Deutschland im Moment kein Zuwan-
derungsland, sondern ein Auswanderungsland ist.
Man muss aber immer sehen, wer mit welchen Moti-
ven und mit welchen Folgen kommt. Die Statistik kann
wohl etwas über Abschlüsse sagen; aber sie sagt zum
Beispiel nichts über die Zahl der Empfänger von Sozial-
leistungen und der Menschen mit einem gesicherten Le-
bensunterhalt aus. Diese Debatte haben wir in einem an-
deren Zusammenhang geführt. Wir wollen natürlich
Zuwanderung von Menschen, die hier einen Beitrag leis-
ten, die Arbeit haben, die Steuern zahlen, die Familien
gründen und einen gesicherten Lebensunterhalt haben.
Das sind wiederum nicht alle. Deswegen lässt allein die
Tatsache, dass wir faktisch ein Auswanderungsland ge-
worden sind, nicht den Schluss zu, dass wir alle, die
nach Deutschland kommen wollen, auch nach Deutsch-
land kommen lassen sollten; vielmehr geht es immer um
gesteuerte Zuwanderung.
Drittens. Die Pendelwanderung ist ein wichtiger
Punkt. Ich mache es Ihnen an der größten Gruppe, den
Polen, einmal deutlich: Im Jahre 2009 sind ungefähr
120 000 polnische Staatsbürger nach Deutschland zuge-
wandert, aber es sind auch etwa 120 000 aus Deutsch-
land abgewandert. Ob das die Gleichen sind – vielleicht
Pflegekräfte – oder andere, das weiß ich nicht. Aber na-
türlich haben wir Pendelwanderungen. Die zweitgrößte
Gruppe bilden hier die Rumänen: Wir hatten ungefähr
48 000 Zuwanderungen aus Rumänien und circa
37 000 Fortzüge. Die Zu- und Abwanderungen sind
nicht ganz ausgeglichen, aber auch hier gibt es erhebli-
che Veränderungen. Im Falle Griechenland sieht es wie-
derum anders aus – man kann das erklären –: Es gab
8 200 Zuwanderungen und 16 000 Fortzüge.
Wenn man zu einer qualitativen Zuwanderungsde-
batte kommen möchte, müsste man die Statistik eigent-
lich anders darstellen und sagen: Unionsbürger sind das
eine; denn wir wollen Freizügigkeit in der Europäischen
Union. Unter Zuwanderungsgesichtspunkten ist es ei-
gentlich fast egal, ob ein Belgier in Deutschland wohnt,
ob er ein Deutscher oder ein Belgier ist. Als Zweites
sollte man die Asylbewerberzahlen herausnehmen, weil
es sich hier mit Blick auf die Bearbeitung, die Abschie-
bung, die Duldung usw. um eine Sondergröße handelt.
Die Zuwanderungspolitik, über die wir uns sonst strei-
ten, befasst sich mit der Frage, aus welchen Drittstaaten
Zuwanderer aus welchem Grund kommen und wie lange
sie bleiben, sowie mit der Frage, wer in Drittstaaten ab-
wandert. Eine entsprechende Unterteilung böte eigent-
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Danke, Frau Präsidentin. – Ich will zunächst zur Kol-gin Dağdelen sagen: Der Migrationsbericht 2008 wurdens am 8. Februar 2010 mit der Drucksache 17/650 zuge-itet.
as der Bundestag damit im Innenausschuss macht, istatürlich seine eigene Angelegenheit. Es ist nicht dieufgabe des Innenministers, sich dazu zu verhalten.Herr Innenminister, ich habe eine Frage zur demogra-schen Entwicklung. Wir hatten eine aufgeregte De-atte, angestoßen von Exsenator Sarrazin, der immereint, seine Behauptungen seien unwiderlegt. Insofernage ich Sie: Haben Sie nach Lektüre des BerichtesSie haben ihn schon ein paar Tage länger als wir – In-izien dafür gefunden, dass der Anteil der Unterschichtn der Bevölkerung kontinuierlich wächst bzw. dass dieigrantengruppen besonders viele Nachkommen haben,ie als bildungsfern eingestuft werden müssten, alsoach Meinung Sarrazins vor allem die Migranten aus derürkei, dem Nahen Osten und Afrika? Stimmen Siearrazins These zu, dass „die enorme Fruchtbarkeit deruslimischen Migranten eine Bedrohung für das kultu-lle und zivilisatorische Gleichgewicht im alterndenuropa“ darstellt, beispielsweise hier in Deutschland?Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-ern:Herr Abgeordneter, darüber gibt der Migrationsbe-cht keine Auskunft. Wir sind statistisch außerstande,ine Unterschicht zu definieren, dann die Kinder zu zäh-n und vorher noch nach der Religionszugehörigkeit zuagen. Ich glaube auch nicht, dass Sie diese Statistik ha-en wollen, auch nicht den Erhebungsaufwand, der da-it verbunden ist.Man kann anhand der Sozialstatistik – ich habe schonesagt: sie ist hier nicht Gegenstand – feststellen, weron den hier lebenden Ausländern seinen Lebensunter-alt aus eigener Arbeit bestreiten kann. Es lässt sichicht bestreiten, dass der Anteil derer, die ihren Lebens-nterhalt nicht aus eigener Arbeit bestreiten können, un-r Ausländern verglichen mit der deutschen Bevölke-ng überproportional hoch ist. Jetzt kann man natürlichagen: Wenn man es Asylbewerbern verbietet, zu arbei-n, dürft ihr euch nicht wundern. Das wäre Ihr Gegen-rgument.
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Erwischt!Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-nern:Ja. Man muss das also ein bisschen auseinanderkla-müsern.Ich kann die Thesen, die Sie zitieren, nicht statistischuntermauern. Wir wissen: Je länger jemand hier ist,desto mehr passt sich sein sogenanntes generatives Ver-halten – also die Frage, wie viele Kinder man bekommt –an die Aufnahmegesellschaft an. Migranten der zweitenoder dritten Generation kriegen also eher so viele Kinderwie die Familien in ihrer Umgebung als so viele, wie siees von zu Hause gewohnt sind.Statistisch ist ein zweiter, sehr langfristiger Trend zuerkennen, der für uns ein schweres Dilemma bedeutet:Der Kinderreichtum nimmt in der Regel mit steigendemWohlstand ab und nicht zu. Ich bezeichne das alsDilemma, weil das ja nicht bedeuten kann, dass dieLeute einfach, weil wir mehr Kinder haben wollen, är-mer werden sollen, weil sie dann mehr Kinder bekom-men. Eine solche These wäre absurd. Wahr ist aber lei-der: Je wohlhabender eine Gesellschaft ist, umsoweniger Kinder werden geboren. Das gilt mehr oder we-niger weltweit. Es gibt ein paar Ausnahmen. Schwedenund Frankreich werden genannt. Wie nachhaltig das ist,wissen wir aber nicht genau. Von daher kann man sagen,dass die erste Generation derjenigen, die hierherkom-men, mehr Kinder bekommt als die folgenden Genera-tionen. Solche grundsätzlichen Plausibilitätsüberlegun-gen kann man vielleicht anstellen. Ihr Nicken zeigt, dassSie das nicht ganz abwegig finden. Die Äußerungen, dieSie aus dem Sarrazin-Buch anführen, kann ich anhandder Statistik nicht bestätigen.
Die nächste Frage kommt von Rüdiger Veit.
Herr Minister, zunächst auch von mir herzlichen
Dank für Ihren Vortrag. Sie haben in erfrischender Deut-
lichkeit und gestützt auf die Zahlen des Migrationsbe-
richts eine Aussage getroffen, die ich teile: Im Augen-
blick ist Deutschland – das gilt schon seit einigen Jahren –
kein Einwanderungsland, sondern ein Auswanderungs-
land.
Ist vor dem Hintergrund der Entwicklung, dass in
Deutschland immer weniger Menschen leben, zumal im-
mer weniger Menschen hier geboren werden und sie im
Durchschnitt sehr viel älter werden, nicht alle Anstren-
gung geboten, um diejenigen, die bereits in Deutschland
leben – namentlich die Kinder und Jugendlichen, die hier
aufgewachsen oder sogar hier geboren worden sind –,
hierzubehalten und dafür zu sorgen, dass sie eine Per-
spektive in Deutschland bekommen, anstatt sie – daran
sollte man nicht im Entferntesten denken – nach sechs
oder acht Jahren Kettenduldung – davon können ihre El-
tern oder sie selbst betroffen sein – abzuschieben? Meine
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Die zweite Frage, die damit zusammenhängt, die ich
ie ebenfalls bitte zu beantworten: Andere europäische
taaten sind ganz offensichtlich überproportional stark
avon betroffen, dass Flüchtlinge über das Mittelmeer
der auf dem Landweg zu ihnen gelangen. Ist es ange-
ichts dieser Situation aus Sicht der Bundesregierung
icht geboten, im Sinne einer echten Lastenteilung in
uropa zu sagen: „In Ordnung, wir nehmen nicht nur im
isherigen Rahmen wenige Flüchtlinge auf – in letzter
eit haben wir Flüchtlinge aus dem Iran, wenige aus
alta, aus Syrien und Jordanien als Kriegsflüchtlinge
ufgenommen –, sondern wir beteiligen uns sehr viel
tärker an der Aufnahme von Flüchtlingen“? Wir hätten
ier wesentlich mehr Platz für sie als andernorts und bes-
ere Möglichkeiten, um sie zu versorgen.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
ern:
Herr Abgeordneter Veit, Ihrer Aussage, dass wir alle
nstrengungen unternehmen sollten, damit alle Men-
chen, die hier leben, auch hier bleiben, würde ich gerne
it zwei Ergänzungen zustimmen: erstens, wenn sie sich
ier legal aufhalten, und zweitens, wenn sie ihren Le-
ensunterhalt bestreiten können. Das ist genau der
unkt, über den wir im Rahmen der Bleiberechtsdebat-
n diskutieren. Es kann keine Prämie dafür geben, dass
an hier illegal eingereist ist und mit cleveren Anwälten
öglichst lange hierbleibt. Wir können nicht sagen: Ihr
eid schon lange hier, also dürft ihr hierbleiben. – Dafür
önnen wir keinen Anreiz schaffen, weil das nur dazu
hrt, dass Verfahren verlängert werden.
Insbesondere bei Kindern – das ist ein Beschluss der
nenministerkonferenz, den Sie kennen –, die sich gut
tegriert haben, die einen Schulabschluss haben und de-
n Eltern, sofern sie keine Straftäter sind, hier für ihren
ebensunterhalt sorgen können, kann eine Bleiberechts-
gelung sinnvoll sein. Aber eine Bleiberechtsregelung,
ie eine Prämie dafür gibt, dass man illegal nach
eutschland gekommen ist, und die auch noch dazu
hrt, dass diejenigen, die illegal nach Deutschland ge-
ommen sind, dem Steuerzahler dauerhaft zur Last fal-
n, wird meine Zustimmung nicht finden.
Wir müssen aber erst einmal die Voraussetzungen da-r schaffen, dass sie hier arbeiten können und dürfen.Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-ern:Ja, auch darüber werden viele Debatten geführt. Iniesen Diskussionen geht es zum Beispiel um Arbeits-erbote und die Residenzpflicht; Sie kennen diese De-atten.
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9296 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
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Bundesminister Dr. Thomas de Maizière
Noch einmal: Voraussetzung muss sein, dass der Be-
troffene nicht straffällig geworden ist und die Gewähr
dafür bietet, den Lebensunterhalt für sich und seine Fa-
milie dauerhaft selbst zu bestreiten. Es reicht nicht aus,
dass er sich nur darum bemüht hat. An diesem Punkt gibt
es zwischen Union und SPD einen Streit. Viele von Ih-
nen sagen: Es muss reichen, wenn sich die Betroffenen
ernsthaft darum bemüht haben, ihren eigenen Lebensun-
terhalt zu bestreiten. Wir sagen: Nein, der Lebensunter-
halt muss gesichert sein. Das ist, wie ich glaube, ein
wichtiger Unterschied. Eine Regelung nach dem Motto
„Wer ewig strebend sich bemüht“ reicht nicht aus; denn
diejenigen, die sich bemühen, es aber nicht schaffen,
würden auf Kosten der Steuerzahler Sozialleistungen be-
ziehen. Im Hinblick auf Personen, die ihren Lebensun-
terhalt selbst bestreiten und nicht straffällig geworden
sind, ist eine Bleiberechtsregelung in dem Sinne, wie Sie
es formuliert haben, auch unter dem Gesichtspunkt der
Zuwanderungspolitik sicherlich sinnvoll.
Jetzt zu der Frage des sogenannten Resettlements.
Wahr ist: Aufgrund der geografischen Lage ist die Situa-
tion in Europa unterschiedlich. Bestimmte Staaten, die
sogenannten Anrainerstaaten, leiden besonders unter Zu-
wanderung, andere Staaten weniger. Griechenland, Ita-
lien, Malta, Zypern und Spanien haben damit beispiels-
weise mehr zu tun als etwa Finnland. Vor diesem
Hintergrund wurde die Idee geboren – auch die Europäi-
sche Kommission hat diesen Vorschlag gemacht –, ein
sogenanntes Resettlement-Programm aufzulegen, das
dazu führen soll, dass die Lasten geteilt werden.
Es ist allerdings so, dass verpflichtende Quoten für
die Anrainerstaaten keinen Anreiz darstellen, illegale
Migration zu verhindern. Vielmehr würden diese Staaten
Zuwanderer aufnehmen, ein bisschen abwarten und sie
dann in Europa verteilen. Das kann nicht sinnvoll sein.
Wir halten es vielmehr für sinnvoll, die Staaten, die be-
sondere Lasten zu tragen haben und sich mit ihren
Flüchtlingen große Mühe geben, wie es etwa Malta tut,
freiwillig mit einem Rückkehrprogramm bzw. einem
Hilfsprogramm zu unterstützen.
Wenn man sich die entsprechenden Zahlen im Hin-
blick auf das Resettlement ansieht, stellt man fest, dass
die Länder, die sich freiwillig zu einer Neuansiedlung
bereit erklären, mehr Zuwanderer aufnehmen als die
Länder, die nach Quoten vorgehen. Unser Nachbarland
Frankreich zum Beispiel nimmt nach einer Quote pro
Jahr 400 Zuwanderer auf. Deutschland hingegen nimmt
freiwillig Zuwanderer auf. Wir gehen gezielt und in Ab-
sprache mit den Bundesländern vor, berücksichtigen hu-
manitäre Gesichtspunkte und wollen die Länder, die sich
im Hinblick auf Zuwanderer besonders große Mühe ge-
ben, entlasten. Insgesamt nimmt Deutschland eine grö-
ßere Anzahl von Zuwanderern auf als Frankreich. Auch
mit Blick auf die nachfolgende Integration haben wir da-
mit bessere Erfahrungen gemacht als Länder, die nach
einer verpflichtenden Quote vorgehen. Zu Resettlement-
Programmen, wie sie fachlich heißen, sage ich also Ja,
aber auf freiwilliger Basis. Das ist auch im Interesse der
Flüchtlinge.
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amit Sie das diskutieren können. An dem Terminus –berweisung oder Zuleitung – soll das nicht scheitern.ielleicht können wir uns darauf verständigen.Jetzt zu Ihrer Frage. Dies ist der Migrationsbericht009. Sie fragen nach den Asylbewerberzahlen des Jah-s 2010. Die sind in der Tat sehr hoch; sie sind angestie-en. Wenn etwa die Zahlen der Asylbewerber ausfghanistan und dem Irak hoch sind, ist das verständ-ch. Völlig unverständlich ist aber ein erheblicher – ichage: dramatischer – Anstieg der Asylbewerberzahlenus Serbien, insbesondere nachdem die Visumpflicht fürerbien abgeschafft worden ist. Das riecht nach einemissbrauch des Asylverfahrens, und das werden wiricht hinnehmen. Wir sind hier mit der serbischen Re-ierung im Gespräch. So kann es nicht weitergehen. Wiraben die Rückkehrhilfen eingestellt; wir werden ent-prechende Maßnahmen ergreifen. Ähnliches gilt fürontenegro und andere Balkanstaaten. Der Wegfall desisumverfahrens soll nicht dazu dienen, dass Ausländer,ie Mitglied der Europäischen Union werden wollen, be-uemer in Deutschland einreisen und dann hier einenntrag auf Asyl stellen. So war das Asylverfahren nichtedacht; das kann nicht richtig sein.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9297
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Bundesminister Dr. Thomas de Maizière
Ich kann Ihre Frage zwar nicht im Detail beantwor-
ten; jedoch haben wir hier keine Rechtsänderungen vor.
Wenn Sie einverstanden sind, würde ich Ihnen die Be-
gründung im Einzelnen gern schriftlich nachliefern.
Sehr gern.
Die letzte Frage stellt nun der Kollege Dr. Ernst
Rossmann.
Herr Minister, Sie haben einen Zusammenhang zwi-schen dem Migrationsbericht und Bildungsfragen herge-stellt. Ich möchte deshalb zweigeteilt auf ein Anliegenzurückkommen, das uns verbindet, nämlich dass wir ausallgemeinen Berichten wissen, dass es in Deutschlandgeschätzte 300 000 bis 500 000 eingewanderte Men-schen mit akademischer bzw. beruflicher Qualifikationgibt, deren Qualifikation nicht anerkannt wird. Das Vor-haben der Bundesregierung ist ja, das über ein Anerken-nungsgesetz zu ermöglichen. Das wird diesen Menschennun schon seit über einem Jahr versprochen, und wir fra-gen im zuständigen Bildungsausschuss immer wiedernach: Wie weit ist das denn? Nun wurde uns gesagt, dasssich bis zum 15. November letzten Jahres alle Ressortsdazu äußern sollten und es auch durch Personalaufsto-ckung leider noch nicht gelungen ist, das abzuarbeiten,damit das Verfahren trotz der Zerklüftung dieser Materiein Gang kommt. Ich bitte darum – die Regierungsbankist jetzt stark besetzt –, dass die Ministerien mit Hoch-druck daran arbeiten, damit dieses Versprechen gegen-über diesen qualifizierten Menschen zügig eingeleitetwerden kann.Meine erste Frage lautet daher: Können Sie als ver-antwortlicher Innenminister, als Treuhänder für diesequalifizierten Menschen, nicht Ihren ganzen Einfluss fürdie Bundesregierung geltend machen, damit es nichtnoch weitere Monate dauert? Was können Sie sich vor-stellen, um dies zu erreichen?Um eine präzise Frage zu einer anderen Materie nach-zuschieben: Frau Kolbe wollte gern wissen, was Sie sichals Innenminister in Bezug auf die von Ihnen so apostro-phierten 32 000 hochinteressanten ausländischen Absol-ventinnen und Absolventen konkret vorstellen. Da habenSie gesetzgeberische Möglichkeiten, zum Beispiel dasBleiberecht betreffend.Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-nern:Herr Abgeordneter, zur ersten Frage: Ich werde gernmeine ganze Kraft dafür einsetzen, dass das Gesetzschnell verabschiedet wird. Ich biete Ihnen auch an,noch einmal bilateral mit dem Staatssekretär zu spre-chen. Er hat mir eben einen Zeitraum zugeflüstert, denich aber nicht verbindlich nennen will.Es liegt nicht an bösem Willen, sondern die Sache istkompliziert. Es ist nicht nur ein Bund-Länder-Streit. Esgibt über 400 Stellen in Deutschland, die Abschlüsse an-ekreAEwsndfüSnmIcdgAteblaDddJneisnnÜRzwhShmeLDrewdsdGMafüs
h werde Ihnen diesen Gefallen nicht tun. Wir werdenarüber vortragen, wenn wir so weit sind. Ich habe nuresagt, dass wir etwas tun wollen, um die hier lebendenbsolventen besser zu stellen als jetzt.Wie ist die Lage jetzt? Sie erhalten jetzt eine befris-te Aufenthaltsgenehmigung für ein Jahr, um sich Ar-eit zu suchen. Der erste Vorschlag, der gemacht wird,utet, diese Frist zu verlängern. Ich halte davon wenig.as würde eher dazu führen, dass Arbeitgeber, die Aka-emiker, also Personen mit einem abgeschlossenen Stu-ium, ohnehin mit Praktika abspeisen, dies dann zweiahre statt ein Jahr lang tun. Ich halte das nicht für ver-ünftig.Es gibt aber noch ein zweites Hindernis. Dabei gehts darum, wie viel nebenbei gearbeitet werden darf. Est schlecht, sie hier zu halten, wenn sie ein Jahr lang ei-en Job suchen, keine Arbeit finden und sich sozusagenicht über Wasser halten können. Deswegen gibt esberlegungen, bei dem Betrag oder den Tagen – wie dieegelung genau ist, habe ich jetzt nicht im Kopf – etwasu verändern, sodass sie ihren eigenen Lebensunterhaltährend dieses Jahres besser darstellen können als bis-er. Das hat zwei Vorteile: Sie erhalten so lange keineozialleistungen, und sie sorgen selbst für ihren Unter-alt. Das führt zu mehr Bindungen.Es gibt allerdings einen Pferdefuß; deswegen mussan das klug machen. Wir wollen nämlich nicht, dassin Diplom-Ingenieur, der Taxi fährt und dadurch seinenebensunterhalt bestreitet – quasi unter Niveau –, sagt:ann bleibe ich halt Taxifahrer, und was nach fünf Jah-n ist, weiß ich nicht. – Wir wollen ihn ja da einsetzen,ofür er ausgebildet ist. Das heißt, das Ganze darf wie-erum nicht zu Fehlanreizen führen. Wir sind im Ge-präch darüber, das im Detail herauszuklamüsern.Das sind die angedachten Instrumente: Verlängerunger Frist – davon halte ich wenig – und das Schaffen derelegenheit, in diesem einen Jahr wirklich Zeit und dieöglichkeit zu haben, einen Arbeitsplatz zu finden, dernschließend zu einem dauerhaften Aufenthaltsrechthrt. Ich glaube, das ist in der Koalition ziemlich un-treitig. Wie das im Einzelnen genau geht, werden wir
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9298 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
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Bundesminister Dr. Thomas de Maizière
noch entscheiden, aber die Zielrichtung ist unstreitig,
und die unterstütze ich auch.
Damit haben wir den zeitlichen Rahmen der Regie-
rungsbefragung mehr als ausgeschöpft. Herr Bundes-
minister, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fra-
gen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksachen 17/4406, 17/4421 –
Wir beginnen mit den dringlichen Fragen auf Druck-
sache 17/4421. Sie betreffen den Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Re-
aktorsicherheit. Für die Beantwortung der Fragen steht
Frau Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche
zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die dringliche Frage 1 der Kollegin
Dorothee Menzner auf:
Welche Auffassung über die Sicherheitsrelevanz hat die
Bundesregierung bezüglich des durch Ultraschallmessungen
festgestellten möglichen Risses einer Hauptkühlleitung inner-
halb des Reaktors im Atomkraftwerk Grafenrheinfeld, über
den seit dem Wochenende in den Medien berichtet wird?
Ka
Frau Kollegin Menzner, ich beantworte Ihnen die Frage
wie folgt: Das Bundesministerium für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit ist nach seiner Sachverhalts-
ermittlung unter Hinzuziehung eigener Sachverständiger
und insbesondere unter Würdigung der Bewertungen der
Reaktor-Sicherheitskommission zu der Auffassung ge-
langt, dass eine Klärung eines bei einer Ultraschallunter-
suchung festgestellten Befundes erforderlich ist, die nur
bei abgeschalteter Anlage erfolgen kann. Ob das Ultra-
schallsignal tatsächlich von einem Riss herrührt, ist unbe-
kannt. Es wird jedoch sicherheitsbedingt ein Riss unter-
stellt.
In der betreffenden Sitzung der RSK hatte keiner der
anwesenden Experten eine Wachstumsgeschwindigkeit
des möglichen Risses für vorstellbar gehalten, welche
vor März 2011 zu einem Erreichen der sogenannten kri-
tischen Risstiefe, ab welcher ein Durchriss des Rohres
nicht mehr auszuschließen wäre, führen würde. Deshalb
ist das BMU mit einer Klärung der Ursache im Rahmen
der Revision im März 2011 einverstanden.
Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin? – Bitte.
Frau Staatssekretärin, wie Sie sich denken können,
haben wir das Thema schon heute Morgen im Umwelt-
ausschuss behandelt. Dort hat der Vertreter des bayeri-
schen Ministeriums für Umwelt und Gesundheit, Herr
Lazik, sehr ausgiebig versucht, uns deutlich zu machen,
wie sicher Grafenrheinfeld ist, dass überhaupt kein Pro-
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tausch stattfand. Am 9. Dezember fand dann das Fach-gespräch statt.Es bleibt festzuhalten, dass es einen intensiven Aus-tausch gab. Es bleibt vor allem festzuhalten, dass es zur-zeit keinen Gefahrenverdacht gibt und dass die RSK zudem Schluss gekommen ist, dass wir bis März wartenkönnen, um dann weiterzusehen und intensivere Unter-suchungen vorzunehmen. Das ist zum jetzigen Standdas, was das Ministerium heute Morgen im Ausschusssagen konnte und was ich jetzt dazu sagen kann.
Eine Zusatzfrage hat die Kollegin Kotting-Uhl.
Danke schön, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretä-
rin, Sie sagten, die Wachstumsgeschwindigkeiten gäben
keinen Anlass, davon auszugehen, dass vor März 2011
oder überhaupt Handlungsbedarf bestehe. Ich wüsste
gerne, auf welcher Grundlage Sie die Wachstumsge-
schwindigkeiten berechnen.
Wir haben gehört, dass der vermutete Riss eine Tiefe
von maximal 2,7 Millimetern hat und dass die kritische
Risstiefe bei 19 Millimetern liegt. Woher wissen Sie, in
welcher Zeit dieser 2,7 Millimeter tiefe Riss entstanden
ist? Schon 2001 ist bei einer Revision ein auffälliges
Echogeräusch festgestellt worden. Man ging bereits da-
mals davon aus, dass es sich um einen Riss handeln
könnte. Aber woraus schließen Sie, dass anzunehmen
ist, dass das Ganze – so habe ich es gelesen – um
0,1 Millimeter im Jahr wächst? Woher nimmt man die
Gewissheit, dass dieser Riss, sofern es sich um einen
handelt, gleichmäßig wächst? Wenn wir zum Beispiel
davon ausgehen – ich finde, diese Vermutung ist nicht
allzu fern –, dass, wie wir heute nebenbei gehört haben,
der Lastfolgebetrieb, in dem der Reaktor gefahren wurde
– ich nehme an, nicht seit zehn Jahren, sondern erst in
jüngster Zeit –, durchaus etwas damit zu tun haben und
eine solche Rissbildung beschleunigen kann, dann kön-
nen diese 2,7 Millimeter sehr schnell entstanden sein.
Worauf gründen sich also bitte Ihre Berechnungen?
Ka
Wir werden im März vertiefte Prüfungen vornehmen.
Ich gehe davon aus, dass die Messungen, die regelmäßig
im Rahmen periodischer Prüfungen vorgenommen wer-
den, so zustande kommen, dass sie allen Sicherheitsan-
forderungen entsprechen. Wir haben in diesem Fall auch
aktiv mehr Informationen angefordert. Gleichwohl ist
nicht ein Gremium im BMU alleine, sondern die RSK
als fachliche Behörde nach Austausch mit Experten zu
der Überzeugung gekommen, dass keine Sicherheitsbe-
denken bestehen, jedenfalls keine, die nicht bis zum
März auf eine vertiefte Prüfung warten könnten.
Eine weitere Zusatzfrage hat der Kollege Fell.
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nd der Abschaltung hätten gelöst werden können und
) durch die Schnellabschaltung möglicherweise noch
eschleunigt wurden?
Ka
Sie haben bereits heute Morgen erfahren, dass der
ÜV Süd in einer Stellungnahme vom 15. Juni zu dem
rgebnis kam, dass es aufgrund einer sehr geringen Be-
ndtiefe sicherheitstechnisch unbedenklich ist, den Re-
ktor fahren zu lassen. Die Untersuchungen im Rahmen
on Revisionen finden in Verantwortung der zuständigen
enehmigungsbehörde statt, in diesem Fall also in Zu-
tändigkeit des Landes Bayern. Das Bundesumweltmi-
isterium wird über die Prüfergebnisse betreffend Kern-
raftwerke in der Regel nicht informiert und schaltet
ich in die Entscheidung über das Wiederanfahren
rundsätzlich nicht ein. Das ist die übliche Praxis; das
ar schon immer so. Ich finde, allein dass wir im Ver-
ufe des Jahres nachgefragt haben, die RSK damit be-
sst haben, Informationen gesammelt haben und unsere
ufsichtspflicht ernst genommen haben, sollte Ihnen ei-
en Teil Ihrer Bedenken – hoffentlich – nehmen können.
Herr Kollege Röspel, bitte.
Frau Staatssekretärin, von welcher Haltbarkeitsdauereht man bei einer solchen Hauptkühlleitung aus? Istiese bereits überschritten?
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9300 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
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)
Ka
Ich kann Ihnen keine Jahreszahlen nennen. Es geht
aber auch nicht um eine Jahreszahl, sondern darum, ob
ein Teil funktionsfähig und intakt ist oder nicht. Sollten
Zweifel bestehen, muss ein sensibles Teil ausgetauscht
werden. Ich wiederhole mich: Sollten im März die ver-
tieften Ultraschallmessungen und andere Messungen zu
dem Ergebnis kommen, dass ein Austausch erforderlich
ist, muss und wird ein Austausch vorgenommen werden.
Ich kann Ihnen die Ergebnisse zum jetzigen Zeitpunkt
aber noch nicht nennen.
Damit kommen wir zur dringlichen Frage 2 der Kol-
legin Dorothee Menzner:
Welche unmittelbaren Maßnahmen zur Gefahrenabwehr
und zur Prüfung des neuesten Vorfalls im Atomkraftwerk
Grafenrheinfeld hat die Bundesregierung eingeleitet?
Ka
Frau Kollegin Menzner, ich antworte wie folgt: Das
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit hat sich von der zuständigen Atomauf-
sichtsbehörde des Freistaates Bayern schriftlich und
mündlich über den Sachverhalt informieren lassen und
hat darüber hinaus Bewertungen von eigenen Gutachtern
und der Reaktor-Sicherheitskommission eingeholt, so
wie ich es eben dargestellt habe.
Im Hinblick auf die weiter gehende Bedeutung des
Ereignisses hat das BMU die Gesellschaft für Anlagen-
und Reaktorsicherheit, GRS, mit der Erstellung einer
Weiterleitungsnachricht beauftragt. Durch diese Weiter-
leitungsnachrichten soll sichergestellt werden, dass an-
dere deutsche Kernkraftwerke über den Sachverhalt auf-
geklärt werden und, soweit erforderlich, geeignete
Prüfungen vornehmen sowie Maßnahmen ergreifen.
Ihre Zusatzfrage, Frau Menzner.
Danke, Frau Vorsitzende. – Diesen recht umfangrei-
chen Maßnahmen – wenngleich sie mit deutlichem Zeit-
verzug erfolgen – entnehme ich, dass die Bundesregie-
rung diesen Befund als nicht ganz so harmlos einstuft,
wie uns glauben gemacht werden soll. Ich frage Sie, ob
Sie es für normal halten, dass sogar die Mitglieder des
zuständigen Ausschusses solche Vorgänge, solche Pro-
bleme, solche Debatten erst aus den Medien erfahren.
Ka
Ich weise zurück, dass die Bundesregierung Vor-
kommnisse verharmlost oder Informationen nicht in er-
forderlichem Maße gibt. Wir haben im Ausschuss die
entsprechenden Informationen gegeben. Auch im Aus-
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Jahres bei irgendeiner Begegnung übermittelt wurde, derdem BMU aber immerhin bekannt war, nicht sofort, wiees – das will ich betonen – üblich ist bei Befunden imPrimärkreislauf, dazu geführt hat, das entsprechendeAtomkraftwerk abzuschalten, der Ursache auf denGrund zu gehen und, nachdem man die Ursache für denBefund kennt, zu entscheiden, ob das Atomkraftwerkwieder ans Netz kommt. Erklären Sie mir bitte, wie essein kann, dass dieses Atomkraftwerk von August bisheute ungehindert weiterlief und man jetzt sagt: Jetzt las-sen wir es weiterlaufen; denn es steht demnächst ohne-hin eine Revision an, das reicht. – Das ist ein Tabubruch.Dies bricht mit dem, was bisher üblich war.Ka
Auf Basis der Berechnungen, die vorliegen, kann
nicht festgestellt werden, dass es ein von Ihnen unter-
stelltes erhebliches Sicherheitsrisiko gibt. Noch einmal:
Das haben Experten des Umweltministeriums in Zusam-
menarbeit mit der RSK festgestellt. An der Betriebssi-
cherheit des Kernkraftwerks – das ist entscheidend – be-
stehen keine Zweifel. Auch wenn ein hypothetischer
Abriss – das ist das, was Sie beunruhigt – der Volumen-
ausgleichsleitung an der befundbehafteten Stelle im
Kraftwerk Grafenrheinfeld unterstellt würde, würde ein
solcher Störfall von der Anlage beherrscht werden. Auch
das ist eine Aussage, die heute Morgen im Ausschuss so-
wohl von der Leitung des Hauses als auch von dem
bayerischen Ministerium so bestätigt wurde.
Herr Kollege Fell zur nächsten Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, Sie sagen, an der Sicherheit des
Kernreaktors bestünden keine Zweifel. Ich könnte das
nur dann nachvollziehen, wenn es Beobachtungen gäbe,
deren jeweilige Erklärung wir kennen würden. Aber es
gibt Beobachtungen, die Fragen aufwerfen, die auch die
Experten heute – weder die vom bayerischen Umwelt-
ministerium noch die vom Bundesumweltministerium –
nicht zufriedenstellend beantworten konnten. Im Gegen-
teil: Sie konnten sogar überhaupt keine Antwort auf
meine Frage geben.
Der Zeitraum der Revision wurde im letzten Jahr um
über einen Monat verlängert, weil Auffälligkeiten, näm-
lich erhebliche Mengen von radioaktivem Eisen, Chrom
und Nickel, festgestellt wurden. Dieses Eisen, Chrom
und Nickel kann nur aus der Leitung an anderer Stelle
gekommen sein. Das heißt, es muss irgendwo etwas ero-
dieren; sonst wären in dem Kühlmittel nicht solche gro-
ßen Mengen, die immerhin zu einer Verlängerung des
Revisionszeitraums geführt haben.
Auf meine Frage, ob das denn nicht untersuchenswert
wäre und ob sie denn eine Antwort darauf hätten, woher
diese Mittel kommen, hatten sie eigentlich nur ein Ach-
selzucken übrig. Sie wussten nichts. Dasselbe gilt für die
andere Frage, nämlich ob eine Schnellabschaltung mög-
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9302 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin, ich habe Sie bei der Beantwortung der
ersten Frage so verstanden, als sei es ungewiss, dass es
einen Riss gebe. Es sei unwahrscheinlich, dass dieser
Riss vor März eine relevante Größe erreichen werde.
Der Kollege Fell hat jetzt Fragen gestellt, die sehr be-
sorgniserregend sind und auf die es keine Antworten ge-
geben hat. Das Ganze erscheint mir sehr schwammig.
Obwohl ich die Wiederholung von Ihnen gehört habe,
dass dieser Riss keine relevante Größe hat, dass alles gut
ist und dass eine Prüfung im März reicht, habe ich
– auch hinsichtlich der Bürgerinnen und Bürger, die in
der Nähe und im weiteren Umkreis leben müssen – Be-
fürchtungen. Denn es erscheint doch sehr deutlich, dass
Sie nicht wissen: Ist es nun gefährlich, oder ist es nicht
gefährlich?
Dazu meine Frage. Wenn es sich bei dem Störfall um
die Stufe 3 handeln würde, dann würde das bedeuten,
dass der ganze Bereich verseucht wäre. Sie sagen, das
habe man im Griff. Sind Sie sich da sicher? Können Sie
angesichts all dieser Ungewissheiten, all dieses Nicht-
wissens und Nicht-Beantworten-Könnens von relevan-
ten Fragen gerade in diesem Bereich, der eine derartige
Gesundheitsgefährdung für Menschen bedeutet, so
leichtfertig damit umgehen, dass Sie sagen: „Es reicht,
wenn das im März überprüft wird“?
Ka
Erstens: Die Bundesregierung nimmt ihre Aufsichts-
funktionen und ihre Aufsichtspflichten sehr ernst. Zwei-
tens: Den Vorwurf der Leichtfertigkeit möchte ich auch
an dieser Stelle zurückweisen. Drittens: Es gibt Ultra-
schalluntersuchungen – es tut mir leid, dass ich mich
wiederhole; aber offenbar ist es doch noch nicht ange-
kommen –, die vermuten lassen, es könnte ein Riss vor-
liegen. Wir wissen nicht, ob tatsächlich ein Riss vorliegt.
Aber allein die Vermutung, dass ein Riss vorhanden sein
könnte, lässt uns alle Maßnahmen ergreifen, weiter auf
diesen Befund hin zu forschen. Der aktuelle Befund ist
allerdings nicht geeignet, einen Gefahrenverdacht zu be-
gründen. Auch die Experten der Reaktor-Sicherheits-
kommission haben dies so bestätigt.
Im Zusammenspiel von TÜV, RSK und GRS, aber
auch im Zusammenspiel der Aufsichtsbehörden in Bay-
ern und dem Bundesumweltministerium sind wir zu dem
Ergebnis gekommen, bei der Revision im März vertieft
zu schauen. Der Reaktor wäre allerdings nicht angefah-
ren worden, hätten die Behörden in Bayern Gegenteili-
ges oder Besorgniserregendes festgestellt.
Ihre zweite Zusatzfrage, Frau Möller.
Meine zweite Zusatzfrage ist: Können Sie definitiv
ausschließen, dass dieser Riss eine relevante Größe er-
reicht?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9303
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matischen Störfall in diesem Reaktor führt? Können Siediese Ereignisse mit Sicherheit ausschließen?Ka
Wir reden von März – der ist in zwei Monaten – und
nicht vom kommenden Jahr. Ich bin der Überzeugung,
dass auf Grundlage der Erkenntnisse der Reaktor-Sicher-
heitskommission, des TÜV Süd und der aufsichtsführen-
den Behörden dieses Kernkraftwerk weiterlaufen wird.
Um mögliche weitere Erkenntnisse zu gewinnen, wer-
den wir die Revision im März sorgfältig durchführen
und gegebenenfalls Teile austauschen.
Frau Kollegin Kotting-Uhl.
Frau Staatssekretärin, Sie haben eben zum einen aus-
geführt, dass die erneuerbaren Energien ziemlich schnell
wachsen, und Sie haben zum anderen noch einmal die
Laufzeitverlängerung begründet; sie sei notwendig und
gerechtfertigt. Vonseiten der Befürworter der Laufzeit-
verlängerung haben wir immer wieder das Argument ge-
hört, Atomkraft und erneuerbare Energien passten gut
zusammen, man könne Atomkraftwerke sehr gut im
Lastfolgebetrieb fahren. Bisher wussten wir offiziell
nicht, welche Atomkraftwerke tatsächlich im Lastfolge-
betrieb gefahren werden. Wir haben heute im Umwelt-
ausschuss eher zufällig gehört, dass Grafenrheinfeld so
gefahren wurde. Es gab schon immer und es gibt bei
vielen Wissenschaftlern den Vorbehalt gegen diesen
Lastfolgebetrieb. Sie sagen: Das führt zu schnellerer
Versprödung, und schnellere Versprödung könnte zu
Rissbildung führen. Wie weit gehen Sie den Fragen nach
einem Zusammenhang zwischen gefahrenem Lastfolge-
betrieb und dieser Rissbildung nach?
Ka
Ich kann die Frage nach einem Zusammenhang, gerade
im Fall Grafenrheinfeld – darüber reden wir hier ja –, we-
der bejahen noch verneinen. Gleichwohl ist es richtig,
dass ein Kernkraftwerk, das stark beansprucht ist, das
hoch- und herunterfahren muss, ein hohes Maß an Si-
cherheit liefern muss. Wir werden dieser Frage – ich
wiederhole mich – im März erneut nachgehen, nachdem
eine Revision erfolgt ist, um sicherzustellen, dass dieses
Kernkraftwerk weiter sicher betrieben werden kann.
Sollten sich Teile als nicht mehr gebrauchsfähig erwei-
sen, dann müssen und werden sie ausgetauscht werden.
Nun rufe ich die dringliche Frage 4 der Kollegin
Kornelia Möller zum selben Sachverhalt auf:
Wie kann es sein, dass ein Vorfall, der nach Meinung von
Experten in der Abteilung für Reaktorsicherheit des BMU ei-
nen möglichen „Störfall der Stufe 3 – meldepflichtiger Stör-
fall“ zur Folge hätte bzw. als solcher kategorisiert worden
wäre, von dem Betreiber Eon als ungefährlich eingestuft wor-
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9304 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
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sicht alles tut, um den sicheren Betrieb von Kernkraft-werken zu gewährleisten, um in einem engen Austauschder Aufsichtspflicht nachzukommen, und mit den auf-sichtsführenden Behörden darauf achtet, dass ein maxi-males Maß an Sicherheit gegeben ist.
Frau Kollegin Kotting-Uhl.
Frau Staatssekretärin, Sie sagten eben, der Betreiber
hielt die Meldepflicht für nicht angemessen. Es handelt
sich um eine Unregelmäßigkeit im Primärkreislauf. Tei-
len Sie die Ansicht des Betreibers, dass hier die Melde-
pflicht nicht angemessen war?
Ka
Wir haben im Verlauf des Erkenntnisgewinns – –
– Entschuldigung, Sie möchten eine Antwort von mir,
Frau Kotting-Uhl. Ich unterbreche Sie auch nicht bei der
Fragestellung. Ich würde also gerne antworten, Frau
Kollegin Kotting-Uhl.
Wir haben den Betreiber und auch die aufsichtsfüh-
rende Behörde gebeten, die RSK damit zu beschäftigen,
um Sicherheit beim Erkenntnisgewinn und auch bei ei-
ner Entscheidung über einen Weiterbetrieb zu erhalten.
Wir haben dies in der Diskussion mit den Experten ent-
schieden und sind deshalb zu dem Schluss gekommen,
dass während der Revision im März 2011 die umfängli-
che Prüfung erfolgen kann.
Frau Kollegin, die Frau Staatssekretärin antwortet.
Frau Staatssekretärin, Sie haben das Wort.
Ka
Ich habe geantwortet.
Dann kommen wir zur Nachfrage der Kollegin
Menzner.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9305
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D
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Herr Kollege
Röspel, das Gesundheitsforschungsprogramm ist die
strategische Grundausrichtung der Gesundheitsfor-
schung der Bundesregierung für die nächsten Jahre. Des-
halb gliedert es sich in verschiedene Aktionsfelder. Selbst-
verständlich ist der Bereich von Hilfsangeboten
insbesondere für chronisch Kranke ein wichtiges Arbeits-
feld. Sie fragen hier, warum wir nicht konkrete For-
schungsansätze im Gesundheitsforschungsprogramm the-
matisieren. Das liegt daran, dass dieser Bereich
sicherlich im Wesentlichen unter das Aktionsfeld 4
– Versorgungsforschung – subsumiert werden kann. Un-
ter dem Dach des Rahmenprogramms, das sich in
Schwerpunkte aufteilt, werden konkrete Förderlinien ins
Leben gerufen. Aktuell gibt es zum Beispiel die Förder-
maßnahme „Versorgungsnahe Forschung“, die sich sehr
stark mit der langfristigen Wirksamkeit von Versor-
gungsleistungen beschäftigt. Das ist quasi eine Ebene
unterhalb des Rahmenprogramms und damit an dieser
Stelle nicht thematisiert.
Aber dass wir auf dem Gebiet viel tun, mögen Sie da-
ran sehen, dass wir gemeinsam mit der Deutschen Ren-
tenversicherung Bund, der gesetzlichen und der privaten
Krankenversicherung insgesamt 11 Millionen Euro für
diesen Bereich aufgewendet haben. Davon beträgt allein
der Anteil des BMBF 7 Millionen Euro. Bereits im Mai
dieses Jahres werden wir eine neue Förderrunde einlei-
ten. Insofern ist dies sicherlich ein Ansatz, der auch im
Rahmen der Gesundheitsforschung der Bundesregierung
verfolgt wird; aber er ist zu konkret, als dass wir ihn im
Gesundheitsforschungsprogramm neben all den vielfälti-
gen Aktivitäten der Gesundheitsforschung in Deutsch-
land so ansprechen könnten, wie Sie es sich vielleicht er-
hofft haben.
Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege? – Bitte.
Vielen Dank. – Ich stelle allerdings fest, dass der Be-
reich „Pflege- und Versorgungsforschung“ nur einen ganz
geringen Teil des Gesundheitsforschungsprogramms aus-
macht, nämlich nicht einmal 2 Seiten von 50. Da finde ich
keine Ansätze für konkrete Maßnahmen. Warum misst
die Bundesregierung der Pflege- und Versorgungsfor-
schung, die vor dem Hintergrund des demografischen
Wandels und für ganz viele Menschen, die pflegend tätig
sind oder gepflegt werden müssen, so wichtig ist, nur ei-
nen so geringen Stellenwert bei?
D
Lieber Herr Kollege Röspel, wenn bei Ihnen der Ein-
druck entstanden ist – Sie haben die Seiten, die sich mit
diesem Thema befassen, gezählt –, dass für uns dieser
Bereich nicht wichtig ist, dann muss ich Ihnen sagen,
dass das nicht der Fall ist. Es ist ein ganz wichtiger
Punkt. Wir haben bereits im Jahr 2010 gemerkt, dass im
Bereich der Versorgungsforschung die von uns durchge-
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9306 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
)
Wir kommen zur Frage 2 des Kollegen Röspel:
Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung
im Nachgang zur Vorstellung des Gesundheitsforschungspro-
gramms, um die Defizite bei den strukturellen Voraussetzun-
gen für die klinische Forschung in Deutschland abzumildern?
D
Sehr geehrter Herr Kollege, ich danke Ihnen für diese
Frage, weil sie ein Thema anspricht, das auch aus unse-
rer Sicht eine große Bedeutung hat.
Die klinische Forschung ist diejenige Forschung in
Deutschland, die dazu beiträgt, dass die vielen Erkennt-
nisse, die in der Grundlagenforschung gewonnen wer-
den, letztlich dem Menschen zugutekommen. Deshalb
ist die klinische Forschung für uns außerordentlich wich-
tig.
Der Wissenschaftsrat hat in den letzten Jahren und
Jahrzehnten immer wieder bemängelt, dass die klinische
Forschung in Deutschland nicht den Stellenwert hat, den
sie haben sollte. Darauf hat die Bundesregierung in viel-
fältiger Weise reagiert. So haben wir zum Beispiel rund
200 Millionen Euro für die Integrierten Forschungs- und
Behandlungszentren aufgewandt, die ihre Arbeit in den
Jahren 2008 bis 2010 begonnen haben. Im Jahr 2011 be-
ginnt die zweite Förderphase der Initiative „Klinische
Studienzentren“. Wir haben fünf solcher Zentren.
Darüber hinaus haben wir für Mai geplant, eine Zwi-
schenbilanz des gemeinsamen Förderprogramms „Klini-
sche Studien“ von DFG und unserem Hause zu ziehen.
Wir unterstützen auch die Beteiligung deutscher Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftler an europäischen
Initiativen wie zum Beispiel einem Netzwerk von
klinischen wissenschaftlichen Infrastrukturen auf euro-
päischer Ebene. Damit das gut funktioniert, werden wir
in den Jahren 2011 bis 2014 den Aufbau eines entspre-
chenden Büros vorantreiben. Wir wollen die Wissen-
schaftler mit insgesamt 2 Millionen Euro unterstützen,
damit sie sich im europäischen Kontext besser an den
klinischen Studien beteiligen können.
Ich will zum Schluss auf Folgendes hinweisen: Man
kennt zwar nicht genau die Anzahl der klinischen Stu-
dien in Gänze. Aber wir kennen die Zahl der klinischen
Prüfungen von Arzneimitteln sehr präzise. Da finden im
europäischen Vergleich inzwischen in Deutschland in
absoluten Zahlen die allermeisten statt. Insofern kann
man davon ausgehen, dass Deutschland heute ein Stand-
ort für klinische Studien ist – mit außerordentlich großer
Expertise.
Ihre Nachfrage.
Welche Maßnahme wird die Bundesregierung in die-
sem Jahr konkret durchführen, um den wissenschaftli-
chen Nachwuchs im Bereich der medizinischen und ins-
besondere klinischen Forschung stärker zu fördern?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9307
)
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Liebe Frau Kollegin Schieder, den Hauptteil an dem
Bologna-Mobilitätspaket hatte der DAAD mit dem Vor-
haben „Bologna macht mobil“. Zwei wichtige und stark
aufwachsende Programme – darunter sind das Doppel-
diplom und Bachelor Plus – zielen auf die Schaffung von
nachhaltig mobilitätsfördernden Strukturen an den ein-
zelnen Hochschulen ab und nicht auf die Förderung ein-
zelner Studierender.
Auf die direkte Mobilitätsförderung dagegen zielen
vor allem die Programme ISAP, die integrierten Studien-
und Ausbildungspartnerschaften im Rahmen von Hoch-
schulkooperationen, sowie RISE, das sich um die For-
schungspraktika im Ausland bemüht, ab.
Außerdem wird unter dem Stichwort „Bologna macht
mobil“ eine stark erweiterte Informationskampagne für
das Auslandsstudium gefördert, die den Titel „go out!“
trägt. Die Erkenntnisse daraus werden erst in den nächs-
ten Jahren sichtbar.
Zur Mobilität von Studierenden trägt natürlich auch
das Auslands-BAföG und das Internationalisierungs-Au-
dit der Hochschulrektorenkonferenz bei. Sie sprechen
hier von 1 600 Geförderten. Nach den ersten Schätzun-
gen ist es so, dass 2010 wahrscheinlich sogar 1 900 Per-
sonen gefördert werden konnten. Wir gehen davon aus,
dass in den Folgejahren die Zahlen noch steigen werden.
Eine Nachfrage zu diesem Thema hat der Kollege
Schummer.
Herr Staatssekretär, gibt es auch eine Entwicklung der
Zahlen der Studenten, die durch Auslands-BAföG in den
letzten drei Jahren gefördert wurden? Welche Prognose
haben Sie für die nächsten drei Jahre?
D
Lieber Herr Kollege, wir haben im letzten Jahr den
18. BAföG-Bericht bekommen, in dem sich gezeigt hat,
dass die Verbesserungen der Rahmenbedingungen für
das Auslands-BAföG auch dazu geführt haben, dass viel
mehr deutsche Studierende im BAföG-Bezug ins Aus-
land gehen. Während es im Jahr 2005 noch 21 000 wa-
ren, waren es zum Abschluss des BAföG-Berichts schon
28 000. Das bedeutet eine Zunahme um 32 Prozent, was
ich für eine erstaunlich hohe Zahl halte. Offenkundig ist
es für die Studierenden besonders attraktiv, einen Aus-
landsaufenthalt im deutschsprachigen Raum, also in
Österreich oder in der Schweiz, anzugehen; diese beiden
Länder waren Spitzenreiter beim Zuwachs mit über
140 Prozent. Ich denke, dass das BAföG auch in den
kommenden Jahren einen Beitrag leisten wird, mehr Stu-
dierenden – gerade denjenigen, die aus weniger guten
Verhältnissen kommen, was die Einkommen der Eltern
angeht – einen Auslandsaufenthalt zu ermöglichen. Das
ist insgesamt eine sehr erfreuliche Entwicklung.
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9308 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
)
forderlich. Wichtig ist, dass Sie und wir alle gemeinsamuns auf das verlassen, was die Länder und die Hochschu-len gesagt haben. Im Hinblick auf die Bedeutung kannich nur noch einmal unterstreichen, dass im Augenblick– „alternativlos“ darf man ja nicht mehr sagen – kein an-deres konkurrierendes oder ergänzendes Verfahren ange-dacht ist, mit dem es möglich sein könnte, dafür zu sor-gen, dass in den zulassungsbeschränkten Studiengängenalle Studierenden möglichst schnell zu Semesterbeginnauch einen Studienplatz zugewiesen bekommen. Inso-fern halten wir die Beteiligung aller Hochschulen fürwünschenswert.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Ja, gerne.
Bitte.
Herr Staatssekretär, vielen Dank. Sie haben also keine
Bedenken und glauben, dass das funktionieren wird, und
die Bundesregierung wird hier keine Maßnahmen ergrei-
fen. Haben Sie aber darüber hinaus die Sicherheit, dass
die Teilnahme an dem Verfahren für die am Studium
Interessierten gebührenfrei sein wird, wie es ursprüng-
lich von Bundesseite – auch vom Haushaltsausschuss –
gefordert war?
D
Wir haben in der KMK über die Frage der Betriebs-
kosten gesprochen. Dort wurde vonseiten der Länder
versichert, dass die Finanzierung des Betriebs auf Ebene
der Länder sichergestellt wird.
Wir kommen zur Frage 8 des Kollegen Swen Schulz:
Wieso liegen die vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung zugesagten Erfahrungen und Ergebnisse der Studien-
platzbörse, die als Zwischenlösung bis zur Einführung des
neuen Serviceverfahrens dient, für das Wintersemester 2010/
2011 immer noch nicht vor?
D
Lieber Herr Kollege Schulz, die entsprechenden Er-
fahrungen werden in den Ländern zusammengetragen.
Die Kultusministerkonferenz legt den entsprechenden
Bericht, den Sie sehnlich erwarten, vor und leitet ihn an
die Bundesregierung weiter. Zum gegenwärtigen Zeit-
punkt liegt uns der Bericht vonseiten der Kultusminister-
konferenz noch nicht vor. Sobald er der Bundesregierung
vorliegt, werden wir ihn selbstverständlich unverzüglich
dem Parlament zur Verfügung stellen.
Keine Nachfrage? – Doch. Bitte.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9309
)
Eine weitere Zusatzfrage.
Sie haben eben für die Bundesregierung gesprochen.
Darf ich an der Stelle fragen, ob Sie damit auch für Ihre
Ministerin gesprochen haben? Wir erinnern uns schwach,
dass es von der zuständigen Bundesministerin durchaus
Äußerungen gibt, dass sie sich eine Fortsetzung wün-
schen würde und sie sich dafür einsetzen möchte. Ich
will die Frage ergänzen – die Beantwortung der ersten
Frage könnte ja kompliziert für Sie werden –: Können
Sie sagen, ob Sie Ihre euphorische Unterstützung des
Ganztagsschulprogramms durch begleitende Unterstüt-
zung wie zum Beispiel Begleitforschung untermauern
wollen?
D
Herr Kollege, wir haben das Ganztagsschulpro-
gramm, das jetzt abgeschlossen ist, einer wissenschaftli-
chen Evaluierung unterzogen. Wir werden den Ausbau
der Ganztagsschulen, der an anderer Stelle stattfindet,
dadurch unterstützen, dass wir die Ergebnisse und die
daraus gewonnenen Erkenntnisse zur Verfügung stellen.
Ich denke, ich kann Ihnen bestätigen, dass es eine
Diskussion um das Kooperationsverbot gibt und es aus
bildungspolitischer Sicht immer wieder Gründe gibt, da-
ran zu zweifeln, dass das Kooperationsverbot uneinge-
schränkt nützlich ist.
Wir kommen zur Frage 10 des Kollegen Dr. Rossmann:
Wie bewertet die Bundesregierung die Forderungen nach
einem Ausbau der Jugend- und Schulsozialarbeit zur besseren
Verwirklichung des Rechts auf Bildungsteilhabe und sozio-
kulturelle Teilhabe von bedürftigen Kindern?
D
Sehr geehrter Herr Kollege Rossmann, auch hier gilt:
Das Schulwesen liegt in der Zuständigkeit der Länder.
Die Umsetzung von Maßnahmen der Kinder- und Ju-
gendhilfe liegt in der Verantwortung der Länder und der
kommunalen Gebietskörperschaften. Da Schulsozial-
arbeit ein integraler Bestandteil des Alltagslebens in der
Schule und damit auch des Schulwesens ist, ist der Aus-
bau der Schulsozialarbeit folglich eine Aufgabe, die im
Kontext des schulischen Bildungsauftrags von den Län-
dern wahrgenommen wird.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, könnten Sie jenseits dieser Ein-
schätzung sagen, ob Sie damit ausschließen, dass es bun-
desgesetzliche Rechtsgrundlagen gibt, die dem Bund
Zuständigkeiten zuweisen und es ihm ermöglichen, in
dem offenen Feld, das von Schulsozialarbeit bis Bil-
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9310 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
)
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr
Braun, mir ging es bei der Frage insbesondere um ein
Angebot des DAAD, das meiner Kenntnis nach mittler-
weile vollkommen eingestellt worden ist, nämlich die
einsemestrigen und kurzfristigen Stipendien, die bisher
üblich waren. Dadurch war es möglich, dass Stipendia-
tinnen und Stipendiaten für ein Semester auch ins fer-
nere Ausland reisen konnten. Für mich mutet ein solcher
Schritt angesichts der Reform in Richtung Bachelor und
Master ein wenig anachronistisch an. Schließlich emp-
fehlen alle Dozentinnen und Dozenten ihren Studieren-
den, das fünfte Semester im Ausland zu verbringen.
Vielleicht können Sie mir diesen Schritt einmal erklären.
D
Frau Kollegin, mit den strukturellen Veränderungen,
die der DAAD in letzter Zeit vorgenommen hat, hat er
sich zum Teil von der Förderung einzelner Studierender
wegbewegt und stattdessen Hochschulen ertüchtigt bzw.
dabei unterstützt, selbst strukturierte Auslandsprogramme
aufzulegen. Der DAAD kann sicherlich nicht die allei-
nige Förderinstitution sein, wenn es darum geht, die Mo-
bilität von Studierenden zu fördern. Deshalb hat es eine
Umstrukturierung bei den Programmen des DAAD ge-
geben. Diese ist aber nicht aufgrund der Finanzlage er-
folgt, sondern aufgrund sachlicher Erwägungen.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Ja.
Bitte.
Sie müssen mir vielleicht einmal erklären, wieso ge-
rade diese kurzfristigen Stipendien gekürzt worden sind.
Wenn strukturelle Überlegungen dahinterstecken, dann
möchte ich die Nachfrage stellen, wie lange diese struk-
turellen Überlegungen gediehen sind; denn die Strei-
chung der kurzfristigen und einsemestrigen Stipendien
hat die Universitäten und die betroffenen Studierenden
extrem kurzfristig erreicht. Die Studierenden wurden da-
durch sehr kurzfristig vor die Wahl gestellt, entweder für
zwei Semester ins Ausland zu gehen, was ihnen auf-
grund ihrer Lebensplanung mitunter schwerfällt, oder
ganz auf ein solches Stipendium zu verzichten. Was
steckt dahinter, dass der DAAD diese Umstrukturierung
so kurzfristig vorgenommen hat?
D
Die Frage nach der Kurzfristigkeit der Umstrukturie-
rung seitens des DAAD kann ich Ihnen jetzt nicht beant-
worten. Ich würde vorschlagen, dass Sie im Rahmen des
Ausschusses oder der Arbeitsgruppe einmal das direkte
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9311
)
vonseiten des DAAD auf die Kooperationen der jeweili-gen Universitäten angewiesen, zumindest dann, wenn sienicht das dicke Geld haben. Unter anderem hat derDAAD Semestergebühren für den Besuch von Universi-täten in nicht geringer Höhe übernommen. Wenn eineStudierende oder ein Studierender jetzt eine Universitätauswählt, die keine Kooperation mit der eigenen Univer-sität pflegt, bleibt ihr bzw. ihm ein Wechsel verwehrt.Sehen Sie hier Änderungs- oder Nachbesserungsbedarf,oder sollte es aus Ihrer Sicht dabei bleiben?D
Will man die Auslandsmobilität fördern, muss man
insbesondere diejenigen, die im Studium hervorragende
Leistungen erbringen, unterstützen. Mit dem Deutsch-
landstipendium ist gerade für begabte Studierende ein
neues Instrument geschaffen worden, um ihre finanzielle
Situation zu verbessern und ihnen zusätzliche Möglich-
keiten zu geben, Auslandsaufenthalte zu finanzieren.
Ansonsten ist die nun gewählte Struktur der Programme
des DAAD aus meiner Sicht sinnvoll und nachvollzieh-
bar und aus Sicht der Bundesregierung nicht kritikwür-
dig.
Herr Dr. Feist, bitte.
Herr Staatssekretär, könnte man eine verstärkte Ko-
operation zwischen Studierenden und Hochschulen nicht
auch als Vorteil und Chance für beide Seiten begreifen?
D
Selbstverständlich ist der Gedanke, für eine stärkere
Vernetzung der Hochschulen zu sorgen und Hilfe zur
Selbsthilfe zu leisten, an dieser Stelle sehr wichtig.
Studierende brauchen nicht allein die Expertise des
DAAD. Vielmehr bietet auch die Kooperation zwischen
Hochschulen zusätzlich zur Chance auf einen Auslands-
aufenthalt weitere Vorteile, zum Beispiel bei der wissen-
schaftlichen Zusammenarbeit oder bei dem Bemühen,
Wissenschaftler und Studierende mit guter Expertise
nach Deutschland zu holen und in unser Hochschulsys-
tem zu integrieren. Ich glaube, ein solcher hochschul-
zentrierter Ansatz ist grundsätzlich sehr zu begrüßen.
Herr Dr. Rossmann.
Herr Staatssekretär, Sie haben absolute Zahlen ge-
nannt. Werden absolute Zahlen erwähnt, muss man im-
mer nach der Relation fragen. Garantieren Sie vor dem
Hintergrund Ihrer Finanzplanung für den DAAD, dass
Sie in Zukunft bei deutlich zunehmenden Studierenden-
zahlen mindestens den gleichen Prozentsatz an Förder-
fällen erreichen wie bisher?
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teriums für Bildung und Forschung, BMBF, finanziert wer-
den, und welche Kosten erwartet die Bundesregierung für die
Umsetzung des diesbezüglichen Gesamtkonzepts des BMBF
?
D
Sehr geehrter Herr Kollege Brase, die Bürgerdialoge
ind für uns ein wichtiges Instrument, das in diesem Jahr
tartet. Wir wollen mit den Bürgerinnen und Bürgern ein
tensives Gespräch über moderne Hoch- und Spitzen-
chnologie führen und ihnen, indem wir ihnen die wis-
enschaftliche Expertise der Experten in Deutschland di-
kt zugänglich machen, die Möglichkeit geben, die
hancen, aber auch die Risiken dieses Innovationsmo-
rs für die Fortentwicklung Deutschlands abzuwägen,
amit die Nutzung von Hoch- und Schlüsseltechnolo-
ien in Zukunft im gesellschaftlichen Konsens erfolgen
ann. Deshalb wendet das Bundesministerium für Bil-
ung und Forschung in Zukunft 2 Millionen Euro pro
ahr für diese Bürgerdialoge auf. Sie finden sie im Haus-
alt unter dem Kapitel 3003 Titel 541 01.
Haben Sie eine Nachfrage dazu? – Bitte sehr.
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär Braun. – Wennh das alles richtig mitbekommen habe, wollen Sie stär-er auf die Bürgerinnen und Bürger zugehen, wollen Sieie Meinung der Bürgerinnen und Bürger zur Kenntnisehmen. Ich erlebe gleichzeitig in der Presse, dass diepitze des Hauses – also die Ministerin und auch Sie als
Metadaten/Kopzeile:
9312 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
Willi Brase
)
)
Staatssekretär – sehr viel unterwegs ist, vielfach mit För-derbescheiden; es gibt also schon einen Dialog mit denMenschen vor Ort. Mir ist nicht ganz ersichtlich, wieman das da einbauen kann. Ist der Besuch der Ministerinjetzt nicht mehr so wichtig? Oder sind diese Besuchekein Bürgerdialog, weil beim Bürgerdialog eben nichtgleich Geld in Form eines Förderbescheides verteiltwird? Wie kann man das miteinander in Verbindungbringen? Ich wäre dankbar, wenn Sie mir das noch erklä-ren könnten.D
Ich glaube, dass das, was Sie beschreiben, etwas an-
deres ist als das, was der Bürgerdialog bedeutet. Mit
Wissenschaftlern darüber zu reden, welche Forschungs-
projekte wir für die Zukunft initiieren, was wir finanziell
unterstützen, ist eine andere Form des Dialogs als der
mit der Breite der Gesellschaft und zwischen den Bür-
gern. Es geht also nicht darum, einen Dialog zwischen
Politik und Wissenschaft, sondern einen Dialog im Drei-
ecksverhältnis zwischen Bürgern, Politik und Wissen-
schaft zu organisieren. Dabei wollen wir nicht darauf
warten, bis die Bürger zu uns kommen und uns Fragen
stellen, sondern auf die Bürger zugehen, um mit ihnen
über die Zukunftstechnologien zu reden.
Technologiedialoge gibt es ja an vielen Stellen. Wir
fangen jetzt mit dem Dialog über Gesundheitstechnolo-
gien aus Anlass des Jahres der Gesundheitsforschung an.
Da gibt es zahlreiche Fragen und unglaublich viele Sor-
gen: Ich nenne die Segnungen der modernen Medizin
auf der einen Seite und die Sorge bezüglich Entpersona-
lisierung, Entfremdung und der vermeintlichen Appara-
temedizin auf der anderen Seite. Um darüber zu reden,
brauchen wir ein spezielles Veranstaltungsformat. Bei
den Bürgerdialogen werden wir die Bürger zunächst
über eine Onlineplattform dazu ermutigen, alle Fragen,
die sie zu den jeweiligen Schlüsseltechnologien haben,
an uns zu richten. Daraufhin kümmern wir uns darum,
dass sie adäquate Antworten von den besten Wissen-
schaftlern auf dem jeweiligen Gebiet bekommen. Dabei
kristallisieren sich dann öffentlich interessante Frage-
stellungen heraus. In konkreten Veranstaltungen, bei de-
nen Wissenschaft, Politik und Bürger an einem Tisch sit-
zen, sollen vor einem sehr fundierten Hintergrund
Antworten auf die wirklich drängenden Fragen der Ge-
sellschaft gefunden werden. Das halte ich für außer-
ordentlich vielversprechend und für eine gute Ergänzung
der Veranstaltungsformate, die von der Bundesregierung
heute schon genutzt werden.
Eine weitere Zusatzfrage?
Ich habe nur noch eine kleine Nachfrage: Kann es
sein, dass die Auseinandersetzungen um das Projekt
Stuttgart 21 im Ministerium in gewisser Weise die Ge-
danken beflügelt haben bzw. Pate für die Idee standen,
auf einem anderen Weg für eine bessere Kommunikation
bei der Weiterentwicklung von Spitzentechnologien oder
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9313
)
die Bürgerinnen und Bürger das Dialogangebot wahr-nehmen. Angesichts der drängenden Probleme unsererGesellschaft, die wir ansprechen, und angesichts der Ex-pertisen, die wir auf der wissenschaftlichen Seite dafüranbieten, bin ich mir ganz sicher, dass die Menschen die-sen Bürgerdialog sehr positiv annehmen werden. Da-rüber mache ich mir keine Sorgen.
Wir kommen zur Frage 14 des Kollegen Willi Brase:
Durch welche Maßnahmen stellt die Bundesregierung si-
cher, dass die Ergebnisse der „Bürgerdialoge“ auch in die Ar-
beit des BMBF einfließen und Auswirkungen auf die Förder-
tätigkeit oder Prioritätensetzung haben?
D
Herr Kollege, das Ergebnis der Bürgerdialoge muss
natürlich Eingang in das finden, was wir politisch im
weiteren Kontext tun. Wir müssen das bewerten und
daraus auch Schlüsse ziehen. Das muss nicht nur die
Politik, sondern das müssen die Bürger insgesamt tun.
Deshalb werden wir parallel zu den Initiativen einen so-
genannten Bürgerreport aus den verschiedenen Veran-
staltungen erstellen, in dem alle wesentlichen Fragen
und Ergebnisse festgehalten werden. Er wird dann so-
wohl der Politik als auch den Repräsentanten von Wirt-
schaft und Wissenschaft übergeben werden, sodass alle
Lehren aus ihm ziehen können. So kann es dazu kom-
men, dass der Bürgerdialog nicht nur Punktuelles be-
wirkt, sondern wirklich auch Konsequenzen für die
praktische Arbeit mit sich bringt.
Haben Sie Nachfragen, Herr Kollege?
Ja.
Bitte.
Vielen Dank für die Antwort, Herr Staatssekretär. –
Ich will nur noch eine Frage stellen: Ist geplant, die Er-
gebnisse, also diesen Report, auch dem Bundestag zuzu-
leiten, damit wir über möglicherweise gute Erkenntnisse
hier gemeinsam diskutieren können?
D
Da wir sogar beabsichtigen, diese Ergebnisse öffent-
lich zu machen, ist es selbstverständlich, dass sie auch
dem Deutschen Bundestag zur Verfügung gestellt wer-
den.
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9314 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
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waltungen oder deren Verwandten und Begünstigten ab-gezweigt zu werden.Zurzeit steht in Rede – wir wissen im Moment nochnicht, ob es stimmt –, dass der bisherige Präsident Tune-siens mit einer größeren Summe Geld ins Ausland ge-gangen sei. Ich kann die genaue Höhe nicht benennen,aber man kann sicher sein, dass solche Summen – inwelcher Höhe auch immer – nicht durch normale regie-rungsamtliche Tätigkeit erworben werden können. DieFrau Bundeskanzlerin zum Beispiel wird später sicher-lich niemals 100 Millionen Euro übrig haben.Es sind also entsprechende Vorkehrungen zu treffen.Auch wenn sie bei uns und auf internationaler Ebenenoch nicht perfekt sind, ist der Weg dorthin richtig undnotwendig und muss intensiv weiterverfolgt werden.Was geschieht in diesem Bereich nun konkret bei derMittelvergabe?Gu
Das ist selbstverständlich der größte Knackpunkt. Wir
wollen ja erreichen, dass mit der staatlichen Entwick-
lungszusammenarbeit die größtmögliche Wirkung er-
zielt wird und Gelder denjenigen, die Hilfe brauchen, zu-
gutekommen. Wir müssen also dafür sorgen, dass sie
nicht in irgendwelchen dunklen Kanälen verschwinden.
Genau diesen Punkt machen wir in allen Regierungsver-
handlungen und bei allen Vertragsverhandlungen über
Projekte, die wir angehen wollen, zur Auflage und ver-
langen entsprechende Nachweise. Wir führen dann mit
der jeweiligen Regierung bzw. dem jeweiligen Partner
– auch das ist wichtig – einen Evaluierungsdiskurs und
schauen, wie mit den Geldern und Auflagen umgegan-
gen wurde.
Ein sehr positives Beispiel für gute Korruptionsbe-
kämpfung kann der Umgang mit Rohstoffinitiativen
sein. Mithilfe der Ihnen sicherlich bekannten Transpa-
renzinitiative EITI werden Regierungen aufgefordert, im
Rohstoffbereich Partner zu suchen, die bereit sind, be-
stimmte Auflagen betreffend die Mitarbeiter, gegen Kin-
derarbeit sowie betreffend Gesundheits- und Arbeitsnor-
men zu erfüllen. Wir helfen Regierungen, die willig sind
– das sind leider nicht alle –, ein Finanzsystem aufzu-
bauen, und vermitteln ihnen, wie man die Einnahmen in
den Staatshaushalt transparent einstellen kann, um dann
mit mehr Staatseinnahmen Sozial-, Gesundheits- oder
Bildungssysteme aufzubauen.
Ich nenne Ihnen Ghana als Beispiel. Ghana wird ab
diesem Jahr im Rahmen einer solchen Rohstoffinitiative
wahrscheinlich pro Jahr 1 Milliarde US-Dollar einneh-
men. Dieses Geld wird dann über transparente Struktu-
ren – darauf legen wir großen Wert, und darauf achten
wir – in den Staatshaushalt fließen und die Entwick-
lungspolitik sowie den Aufbau von Strukturen vor Ort
entsprechend befördern. Es ist sehr wichtig, unseren
Partnern und den Unternehmen, die sich einer solchen
Transparenzinitiative anschließen, zu vermitteln, dass
wir darauf großen Wert legen und mit unserem Know-
how – Evaluierungs-Know-how, Finanz-Know-how –
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9315
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tragen können, Korruption effizient und effektiv zu be-kämpfen. Das werden wir in Zukunft weiter ausbauen.
Frau Kollegin Roth, bitte.
Vielen Dank, Frau Kollegin Kopp. – Mit Blick auf
Ihre Ausführungen möchte ich Sie fragen: Welche Ver-
einbarungen haben Sie mit der Regierung von Afghanis-
tan getroffen, damit der Vorwurf der Korruption, der öf-
fentlich immer genannt wird, eingedämmt wird? Gibt es,
beispielsweise im Bereich des Handels, aber auch bei
anderen entwicklungspolitischen Maßnahmen, die wir
dort finanzieren, ähnliche Vereinbarungen seitens der
Bundesregierung mit der Regierung Karzai?
Gu
Frau Kollegin Roth, ich kann Ihnen bestätigen, dass
bei allen Regierungsverhandlungen genau diese Fragen
Inhalt der Gespräche und der konkreten Verhandlungen
waren. Gerade jetzt, da weitere Projekte entwickelt und
umgesetzt werden, kommt es darauf an, dass wir alles
tun, um schon jedem Anfangsverdacht von Korruption
nachzugehen und sie effizient und effektiv zu bekämp-
fen. Es ist, gerade in Afghanistan, nicht leicht, solche
Strukturen zu durchschauen und in die Teilevaluierung
zu gehen. Aber auch hier ist es uns ein Anliegen, Kor-
ruption, wo immer möglich, zu bekämpfen.
Herr Kollege Raabe, bitte.
Frau Staatssekretärin, es ist wirklich wichtig – auch
im Sinne der deutschen Steuerzahler und der vielen
Spender –, dass wir, wie Sie gerade sagten, darauf ach-
ten, in Entwicklungsländern umfassend gegen Korrup-
tion vorzugehen und schon jeden Anfangsverdacht zu
verfolgen.
In dem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie man
Korruption definiert. Würden Sie es als Korruption anse-
hen, wenn in einem Land eine Regierungspartei, sagen
wir einmal, Steuern für eine gewisse Branche senkt und
diese Partei anschließend eine beträchtliche Summe von
dieser Branche gespendet bekommt?
Würden Sie das in einem Entwicklungsland in die Nähe
von Korruption rücken oder nicht?
Gu
Lieber Herr Kollege, wir sprechen von Entwicklungs-
zusammenarbeit. Alles, was ich zur Korruptionsbekämp-
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9316 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
)
Aus einem weiteren Titel leistete das BMZ zusätzlichanlassbezogene, entwicklungsorientierte Not- und Über-gangshilfe. Diese belief sich 2010 auf 11,67 MillionenEuro und wurde von einer staatlichen Durchführungs-organisation sowie deutschen Nichtregierungsorganisa-tionen umgesetzt. Im Rahmen des Stabilitätspakts Afgha-nistan wurden dem Auswärtigen Amt für das Jahr 2010insgesamt 180,7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.Davon sind nach derzeitigem Stand etwa 97 Prozent ab-geflossen. Jedoch sind noch nicht alle Auszahlungen imSystem erfasst. Die Quote kann sich daher noch erhöhen.Die endgültigen Zahlen werden erst in der dritten Kalen-derwoche 2011 vorliegen, also in Kürze. Mittel des Sta-bilitätspakts Afghanistan, die nicht im Jahr 2010 veraus-gabt wurden, fließen an das Bundesministerium derFinanzen zurück.
Haben Sie Nachfragen? – Bitte sehr.
Vielen Dank, Kollegin Kopp, für die interessanten
Zahlen. – Eine Frage steht aber trotzdem noch im Raum.
Ich habe nach dem Abfluss der Mittel für die Fonds ge-
fragt. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind die
24 Millionen Euro und die 22 Millionen Euro bisher
nicht abgeflossen. Sie haben erst die Fonds gegründet,
dann haben Sie sich Projekte angeschaut. Das Geld ist
aber noch nicht abgeflossen. Insofern danke ich Ihnen
zwar für die Darlegung der Zahlen; aber meine zentrale
Frage lautet: Ist denn im Jahr 2010 bezogen auf diese
Fonds – natürlich ist auch das andere schön und gut und
wichtig – Geld geflossen oder nicht? Aus der Beantwor-
tung dieser Frage ergibt sich nämlich, wo wir – das spielt
eine Rolle bei der Diskussion über die Verlängerung des
Mandats – stehen. Auf der einen Seite ist die Abzugsper-
spektive entscheidend, auf der anderen Seite die Demo-
kratisierung, die wir gerade mit diesen beiden Fonds un-
terstützen wollen. Darauf möchte ich eine ehrliche
Antwort, nicht nur die Zahlen.
Gu
Frau Kollegin Roth, Sie haben völlig recht, wenn Sie
diese beiden absolut wichtigen Fonds ansprechen. Sie
wissen aber auch, dass diese Fonds zunächst einmal vor-
bereitet werden mussten bzw. müssen. Sie mussten ein-
gerichtet werden, es müssen Verträge geschlossen wer-
den, und es sind strukturelle Maßnahmen zu treffen. Es
sind Projekte auszuwählen, auszuschreiben, und diesen
muss dann der Zuschlag erteilt werden. Ich habe eben
auf die dritte Woche im Januar verwiesen, in der weitere
Details zum Abfluss von Mitteln bekannt gegeben wer-
den. Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt lediglich die Zah-
len nennen, die ich eben genannt habe. Was die beiden
Fonds betrifft, so muss ich Sie noch einige wenige Tage
um Geduld bitten, bis wir wissen, wie viel Geld konkret
abgeflossen ist.
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Gu
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Raabe,
ich hoffe, Sie sind einverstanden, wenn ich Ihre beiden
Fragen zusammenfasse, denn sie gehören zusammen.
Dann rufe ich auch die Frage 20 des Kollegen
Dr. Sascha Raabe auf:
Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der in ei-
nem Interview mit der Rheinischen Post am 3. Januar 2011
gemachten Äußerung des Parlamentarischen Geschäftsführers
der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Stefan
Müller , wonach es keine Entwicklungszusammen-
arbeit mit Ländern mehr geben solle, in denen Christen ihre
Religion nicht ungehindert ausüben können, und sieht die
Bundesregierung die Gefahr, dass diese Forderung radikalen
Kräften in den betreffenden Ländern in die Hände spielen
könnte?
Gu
Sie fragen danach – ich sage es einmal mit meinen
Worten –, ob wir als BMZ bereit sind, bestimmte Reli-
gionsgruppen in besonderer Weise bei der Entwick-
lungszusammenarbeit zu bedenken. Dazu kann ich Ihnen
sagen: Wir legen als BMZ allergrößten Wert darauf, dass
die Einhaltung der Menschenrechte in jedem Fall die
Messlatte unseres Handelns ist. Das bedeutet natürlich
auch die Gewährleistung von Religionsfreiheit. Für uns
ist das ein ganz wichtiges Gut. Daran richten wir auch
unsere staatliche Projektförderung aus.
Wir sind nicht der Ansicht, dass bestimmte Religions-
gruppen in bestimmter Weise besonders mit staatlichen
Mitteln zu fördern sind. Da geht es zum Beispiel um
nichtstaatliche Projekte; da kann man in bestimmter
Weise hinschauen. Wir achten aber natürlich auf aller-
größte Neutralität. Und wir achten darauf, dass Minder-
heiten nicht unterdrückt werden. Es geht uns darum, dass
wir nicht durch bestimmte Bevorzugung von Gruppen
möglicherweise konfliktverschärfend handeln.
Insofern kann ich die Frage so beantworten: Wir han-
deln nach neutralen Regelungen, ausgerichtet an der
Einhaltung von Menschenrechten, an der Religionsfrei-
heit für jedermann und jede Frau in allen Gruppen.
Ihre Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, es freut mich, dass das Ministe-
rium offensichtlich eine andere Meinung als der Frak-
tionsvorsitzende der Union, Volker Kauder, und Stefan
Müller von der CSU hat. Der Hintergrund der Frage war,
dass nach den furchtbaren Anschlägen in Ägypten – die,
was die Brutalität angeht, eigentlich nicht in Worte zu
fassen sind – von Herrn Kauder und Herrn Müller die
Schlussfolgerung gezogen wurde, dass die Entwick-
lungsarbeit in Zukunft danach ausgerichtet werden solle,
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Herr Kollege Raabe, ich habe eben ausgeführt: Das
eitprinzip unserer Entwicklungszusammenarbeit – üb-
gens der Entwicklungszusammenarbeit auch der Bun-
esregierung, nicht nur des BMZ – ist die Einhaltung der
enschenrechte. Ich bin mir sehr sicher, Herr Kollege
aabe, dass das die Kollegen und Kolleginnen der
nion genauso sehen.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.rau Staatssekretärin, ich danke Ihnen für die Beantwor-ng der Fragen.Ich rufe den Geschäftsbereich der Bundeskanzlerinnd des Bundeskanzleramtes auf. Für die Beantwortunger Fragen steht Frau Staatsministerin Professorr. Maria Böhmer zur Verfügung.Wir kommen zunächst zur Frage 21 des Kollegen Janorte:Wer trägt nach Auffassung der Bundesregierung die politi-sche Verantwortung dafür, dass die beim Vorläufer des Bun-desnachrichtendienstes, BND, Organisation Gehlen, schon1952 vorhandenen Informationen zum Aufenthaltsort des NS-Verbrechers Adolf Eichmann in Argentinien seitens der Bun-desregierung nicht genutzt bzw. an die zuständigen Strafver-folgungsbehörden des Bundes oder befreundeter Staaten wei-tergegeben wurden, und wieso wurde die entsprechendeInformation erst 1958 an die USA weitergeleitet?Frau Staatsministerin.
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9318 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
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)
D
Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Korte,
ich nehme wie folgt Stellung zu Ihrer Frage: Die Organi-
sation Gehlen befand sich vom 1. Juli 1949 bis Ende
März 1956 in der Verantwortung der CIA der Vereinig-
ten Staaten von Amerika. Der Bundesnachrichtendienst
als dem Bundeskanzleramt unterstellte Behörde wurde
erst am 1. April 1956 gegründet. So weit diese Vorbe-
merkung.
Die im BND derzeit vorhandene Aktenlage zu diesem
Vorgang erlaubt überdies keine eindeutige Aussage zur
damaligen Bewertung und Verwendung der in dieser
Frage angesprochenen Information über den angeblichen
Aufenthaltsort von Adolf Eichmann. Daher können der-
zeit auch die von Ihnen aufgeworfenen Fragen seriöser-
weise nicht belastbar beantwortet werden. Dies muss
vielmehr – das halte ich für ganz entscheidend – der jetzt
eingeleiteten wissenschaftlichen Erforschung der Früh-
geschichte des Bundesnachrichtendienstes und seiner
Vorläuferorganisation überlassen bleiben.
Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege? – Bitte.
Schönen Dank. – Ich möchte Sie, Frau Staatsministe-
rin, gerne fragen, ob Sie mir in der Bewertung zustim-
men, dass die Geheimhaltung des Aufenthaltsorts von
Adolf Eichmann, seit 1952 bekannt, als Strafvereitelung
im Amt zu bewerten ist?
D
Herr Kollege, dies ist eine Unterstellung. Ich habe Ih-
nen eben mitgeteilt, dass es keine Belastbarkeit bei den
Aussagen gibt. Das ist gerade in einer solchen Frage ent-
scheidend. Ich darf Ihnen sagen: Wir haben ein hohes In-
teresse daran, dass Transparenz hergestellt wird. Wir
werden jegliche Unterstützung dazu leisten, dass in die-
ser Frage Aufklärung gegeben wird. Ich glaube, wir in
diesem Hohen Hause sind uns einig, dass jeder ein Inte-
resse daran hat, dass jeder Punkt aufgeklärt wird. Des-
halb ist es so wichtig, dass jetzt Forschungen in diesem
Bereich stattfinden. Darauf setzen wir. Wir haben die Er-
gebnisse dieser Forschungen in der gebotenen Gründ-
lichkeit abzuwarten und auszuwerten.
Eine weitere Nachfrage.
Ich versuche es einmal anders herum: Wie würden Sie
aus heutiger Sicht – ich verweise auf den Stand der Wis-
senschaft und der politischen Entwicklung der Bundes-
republik Deutschland – das damalige Verhalten einord-
nen? Wo sehen Sie die politische Verantwortung für
diesen schier unglaublichen Vorgang?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9319
)
Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte sehr.
Ich würde gerne wissen, wie sich das Kanzleramt
bzw. die Bundesregierung zu diesen Vorfällen verhält.
Wie verhalten Sie sich politisch dazu, dass wir fast jeden
Sonntag entweder im Spiegel oder in der Süddeutschen
Zeitung neue Informationen bekommen?
Wenn man den Fall Barbie betrachtet, dann stellt man
fest, dass das vielleicht auch für Frankreich interessant
ist. Was tut das Kanzleramt von sich aus politisch dafür,
die maximale Transparenz herzustellen?
D
Es gibt keinen Zweifel daran, dass wir maximale
Transparenz haben wollen. Das erkennt man daran, dass
ein Großteil der Akten weitergegeben worden ist. Da-
rüber hinaus wird die Erforschung der Unterlagen nach-
haltig unterstützt. Das ist transparent und gegenüber der
Öffentlichkeit deutlich gemacht worden. Im Übrigen
wissen Sie – dafür bin ich sehr dankbar –, dass all dies
– das wissen wir von den betreffenden Stellen, die sich
sehr intensiv mit dieser Frage beschäftigen – auch im In-
ternet vorhanden ist. Ich glaube, Transparenz ist klar ge-
geben.
Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Bitte.
Ich habe noch eine Nachfrage. – Ich würde gerne wis-
sen: Gibt es zu diesen oder ähnlichen Vorgängen – insbe-
sondere was die NS-Vergangenheit in den Behörden, in
dem Falle beim BND angesiedelt beim Kanzleramt, an-
geht – weitere Unterlagen, Akten etc. direkt in den Ar-
chiven des Kanzleramtes? Wenn dies der Fall wäre, wä-
ren Sie dann bereit, diese offenzulegen?
D
Herr Kollege, mir ist das nicht bekannt; aber ich
glaube, es macht Sinn, wenn die Frage geprüft wird. Ich
würde Sie bitten, das klären zu lassen. Ich bin gerne be-
reit, das im Kanzleramt weiterzugeben.
Eine Zusatzfrage hat die Kollegin Menzner.
Frau Präsidentin, ich spreche im Namen meiner Frak-
tion. Wir haben gesehen, wie umfänglich dieses Thema
ist. Die Fragestellung ist schwierig, und die Fragen wur-
den nicht zu unserer Zufriedenheit beantwortet. Deswe-
gen beantrage ich im Namen meiner Fraktion eine Aktu-
elle Stunde nach § 106 GO Anlage 5.
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9320 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
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Vernichtungslager rollten. Übrigens war Hans Globkeseit 1953 Chef des Kanzleramtes.Gut eine Woche später berichtet Der Spiegel, dassKlaus Barbie für den BND gearbeitet hat. Der soge-nannte Schlächter von Lyon, so steht es in den Akten, seivon „kerndeutscher Gesinnung“ und „entschiedenerKommunistengegner“. – Er war ein Massenmörder, ei-ner der schlimmsten Massenmörder überhaupt, und erarbeitete für den BND.So läuft es seit einigen Wochen; jede Woche gibt esneue Meldungen. Ich frage mich schon, wo der notwen-dige Grad der Empörung über diese unfassbaren Vor-gänge aufseiten der Regierung und der Koalitionsfrak-tionen bleibt.
Es wäre doch richtig, angesichts der empörenden Vor-gänge gemeinsam darüber zu diskutieren, was die ange-messene politische Schlussfolgerung wäre. Die politi-sche Schlussfolgerung aus diesen schier unfassbarenVorgängen kann doch nur in der schonungslosen Offen-legung all dieser Akten liegen, die zum Teil 50 oder60 Jahre alt sind. Das ist die angemessene politischeSchlussfolgerung, die wir ziehen sollten.
Ich glaube, in der Debatte in den Medien ist die Fragezu kurz gekommen, wie diese Fälle eigentlich auf dieOpfer wirkten: Wie wirkte es auf die Opfer, dass jemandwie Eichmann gedeckt wurde, dass jemand wie Barbieim Dienst des BND stand?In der neuen Biografie über Fritz Bauer, den hessi-schen Generalstaatsanwalt und großen Sozialdemokra-ten, steht Folgendes:Wie stellt sich diese Sicht auf die frühe Bundes-republik eigentlich aus der Perspektive des Remi-granten, des verfolgten Juden und Sozialdemokra-ten dar?Das ist die entscheidende Frage, um die es hier geht:Welche Schlussfolgerungen ziehen wir, auch im Respektvor den Opfern?
Ich glaube, dass es auch aus einem ganz anderenGrund für den Bundestag wichtig ist, über diese Fragenzu diskutieren: Welche Folgen hatten eigentlich dieseFälle – alle Forschungen in diesem Bereich besagen,dass das nur die Spitze des Eisberges ist – für die Ent-wicklung der Bundesrepublik Deutschland, für die De-mokratie und den Rechtsstaat? Das ist eine ganz ent-scheidende Frage.Das wirkte sich bis in die Justiz hinein aus. Es kamnicht nur zu einer Rückkehr der alten Nazirichter in Amtund Würden. In den 50er- und 60er-Jahren wurden selbstdie schlimmsten Massenmörder, zum Beispiel der Kom-mandeur der Einsatzgruppe 8, der für die Ermordungvon 15 000 Jüdinnen und Juden verantwortlich war, odersnnvmZbzusfrindsulearabmlinVJVdsegteaauaGCHimSg
Heute geht es darum, dass wir Ordnung in diese De-atte bringen. Dazu gehören die Offenlegung aller Aktenu diesem Punkt, der völlig offene Zugang zu den Akten,nd zwar nicht nur zu den Akten, die vorher durchge-iebt worden sind. Das hat übrigens auch etwas miteier Wissenschaft zu tun. Ich glaube, dass alle Bürger diesem Lande – wir hier im Bundestag, aber auch je-er andere draußen auf der Straße – und die Wissen-chaft, insbesondere die jungen Wissenschaftlerinnennd Wissenschaftler, die gerade in diesem Bereich in dentzten Jahren hervorragende Arbeit geleistet haben, vorllem aber die Opfer und ihre Angehörigen ein Recht da-uf haben, dass hier alles offengelegt wird, dass nichtsehindert wird, sondern dass es bei diesen Fragen größt-ögliche Transparenz gibt. Ich glaube, das ist jetzt wirk-ch geboten.
Letzte Anmerkung, die ich machen will: Wir müssenatürlich auch darüber diskutieren, wer die politischeerantwortung für diese Zustände in den 50er- und 60er-ahren trägt – das ist eine wichtige Frage – und welcheerantwortung wir hier und heute haben. Ich glaube,ass unsere gemeinsame Verantwortung heute darin be-teht, eine ungehinderte Offenlegung aller Unterlagen, dies gibt – inklusive der Unterlagen des Kanzleramtes –, zuewährleisten.Fritz Bauer ist einsam gestorben, weil er allein ermit-lt hat, weil er den Auschwitz-Prozess damals fast alleinnstrengen musste. Leuten wie Fritz Bauer sollten wiruch im Nachhinein, obwohl sie schon so lange tot sind,nsere Anerkennung zollen. Das können wir, glaube ich,m besten, indem wir alles offenlegen und über dieseeschichte offen miteinander diskutieren.Schönen Dank.
Manfred Grund ist der nächste Redner für die CDU/
SU-Fraktion.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine Damen underren! Dies ist eine der unnötigsten Aktuellen Stunden Deutschen Bundestag.
ie ist unnötig, weil die Fragen, die die Linksfraktionestellt hat, während der Fragestunde vom Kanzleramt
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9321
Manfred Grund
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beantwortet wurden und im Innenausschuss heute bereitsdazu Stellung genommen wurde.
Herr Kollege Korte, ein Nachrichtendienst wäre keinNachrichtendienst, wenn er alle seine Unterlagen aufden Marktplätzen dieser Welt ausbreiten würde. EinNachrichtendienst in einer Demokratie – der Bundes-nachrichtendienst ist ein Nachrichtendienst in einer De-mokratie – hat natürlich ein demokratisches Profil. ImRahmen dieses demokratischen Profils hat er aufgeklärt,und er hat auch selbstkritisch mit seinen eigenen Wur-zeln umzugehen.Seit ungefähr fünf, sechs Jahren gibt es eine Aufarbei-tung der Quellen. Diese Quellen des Bundesnachrichten-dienstes und seines Vorläufers, der Organisation Gehlen– ich glaube, das sind 10 000 auf Mikrofilm niederge-legte Dokumente –, werden von einer Historikerkom-mission erforscht, um die Anfänge zu beleuchten undum das Wissen zu bekommen, das man braucht, um Leh-ren zu ziehen. Es geht nicht darum, den Nachrichten-dienst in ein Zwielicht zu rücken, was Sie, Herr Korte,versuchen.
In unserem Parlament gibt es ein Kontrollgremium,das Parlamentarische Kontrollgremium, in dem alleFraktionen, auch die Linke, vertreten sind. Bei dernächsten Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgre-miums, nächste Woche Mittwoch, steht das, was in eini-gen Magazinen und Zeitungen zum Thema Eichmannangeführt und von Ihnen aufgegriffen worden ist, auf derTagesordnung. Wir werden im Kontrollgremium auchmit Ihrem Vertreter ernsthaft über das diskutieren, worü-ber diskutiert werden kann.Es ist nicht so, dass diese Akten geheim und irgendwoverschlossen sind, sondern ein Großteil der Akten wurdeder Öffentlichkeit bekanntgegeben. Auch die Unterla-gen, die mit dem Fall Eichmann zusammenhängen, wer-den, nachdem die Historikerkommission, die beim Bun-desnachrichtendienst tätig ist, sie gesichtet hat, derÖffentlichkeit bekanntgemacht werden, mit allen Impli-kationen, die damit verbunden sind.Aber noch einmal: Ein Nachrichtendienst kann nichtall seine Quellen öffentlich ausbreiten. Danach könnte ersich selber auflösen. Zwischen selbstkritischer Aufklä-rung, Selbstvergewisserung und den Aufgaben einesNachrichtendienstes ist der richtige Weg zu finden. Dieswird das Parlamentarische Kontrollgremium leisten.Dazu leistet auch dieses Parlament seinen Beitrag.
Ich rufe Michael Hartmann für die SPD-Fraktion auf.
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ass der Anlass diese Debatte in gleichem Maße recht-rtigt, darüber habe auch ich Zweifel; vielleicht lassenie sich im Rahmen dieser Debatte noch aus dem Wegumen.Im Übrigen finde ich es gut, wenn eine Fraktion wie diere, die nicht nur Menschen mit blütenweißer Biografie ihren Reihen hat, die Aufarbeitung der Geschichte vonachrichtendiensten offensiv angeht. Vielleicht stellenie ähnliche Anträge wie heute auch einmal im Hinblickuf die Vergangenheit mancher Ihrer Fraktionsmitglieder;h nenne stellvertretend für andere nur Herrn Nord.
Zur Sache selbst. Es sei sehr deutlich gesagt: Auch diePD-Bundestagsfraktion ist natürlich der Meinung, dassine historische Fragestellung wie der Fall Eichmann imteresse der deutschen Geschichtsschreibung und unse-r internationalen Positionierung unbedingt und unein-eschränkt aufgeklärt gehört. Wenn da noch etwas unklart, muss es auf den Tisch des Hauses und soll es auf denisch des Hauses. Wir werden jedes Bemühen, das iniese Richtung geht, unterstützen.
Allerdings werden wir ein anderes Spiel, wenn es sicharaus entwickeln sollte, nicht mitmachen, nämlich einND-Bashing. Wir wissen, dass der Bundesnachrichten-ienst eine unerlässliche Aufgabe für unsere Sicherheits-teressen im Ausland wahrnimmt. Wir unterstützen denundesnachrichtendienst dabei. Wir sind froh, dass auchank der guten, qualifizierten und engagierten Aufklä-ngsarbeit des BND beispielsweise die deutschen Sol-aten in ihren schwierigen Auslandseinsätzen ein Stückeit sicherer sind, als sie es ohne den BND wären.
er Bundesnachrichtendienst erfüllt eine wichtige Pflicht Interesse Deutschlands. Dafür danke ich ihm bei die-er Gelegenheit.
Wir haben eine klare Gesetzeslage, die vorschreibt,ie jeder BND-Präsident, wie die Bundesregierung, dasanzleramt und der Koordinator agieren müssen.
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9322 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
Michael Hartmann
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Erstens. Es ist eine Historikerkommission – ich nennesie einmal so – aus vier unabhängigen, durchaus kriti-schen Wissenschaftlern eingesetzt worden, die diesesThema aufarbeiten soll. Dann ist in den zuständigenGremien – da haben Sie recht, Herr Kollege Grund – zubewerten, wie mit den Ergebnissen im Einzelfall umzu-gehen ist.Zweitens. Es gibt ein Urteil des Bundesverfassungs-gerichts, das von der Fraktion der Grünen, die sich dasehr engagiert hat, im Zusammenhang mit dem BND-Untersuchungsausschuss erwirkt wurde. Wir waren da-mals – die Frontstellung gab es nicht her – zwar nichtdafür, ein Urteil zu erwirken; aber mit dem Ergebniskönnen wir als Parlamentarier insgesamt zufrieden sein.Dieses Urteil besagt nämlich, dass die BundesregierungAkten nicht einfach wegschließen oder schwärzen oderbestimmte Teile herausnehmen darf mit der Begründung„Das ist ein Kernbereich exekutiver Eigenverantwor-tung“ oder Ähnlichem, sondern es muss detailliert be-gründet werden, warum was nicht vorgelegt wird. Wirwollen, dass auch der Fall Eichmann nach Maßgabe die-ses Urteils aufgearbeitet wird. Das müsste eigentlich vonallen Seiten dieses Hauses unterstützt werden.
Letzter Punkt. Der BND arbeitet genauso wenig wieandere geheime Nachrichtendienste im luftleeren Raum.Das bedeutet, dass wir nicht nur von eigenen Informatio-nen leben und eigene Informationen, die von eigenenQuellen gewonnen wurden, aufarbeiten. Vielmehr habenwir sehr viele unserer Informationen nur deshalb erhal-ten, weil wir mit Partnerdiensten zusammenarbeiten,weil uns Quellen von dort zugearbeitet haben. Auch dasmüssen wir, ob es uns gefällt oder nicht, respektieren,wenn wir nachrichtendienstliches Handeln nicht insge-samt bedrohen wollen. Dieses Geschäft lebt nun einmalvom Geben und Nehmen.Ich hoffe sehr und vertraue darauf, dass der skanda-löse Fall Eichmann ohne Schonung aufgearbeitet wirdund der Öffentlichkeit alle Akten zur Verfügung gestelltwerden. Ich sehe und höre nicht, dass sich irgendjemanddem verweigert. Seien wir also nicht vorauseilend unge-horsam, sondern warten wir ab, was erarbeitet wird!Dann ist vielleicht Zeit für Kritik. Bis jetzt gehe ich al-lerdings davon aus, dass die Bundesregierung ebensowie das gesamte Haus daran interessiert ist, dass einegründliche, solide und vollständige Aufarbeitung statt-findet.Vielen Dank.
Das Wort hat Dr. Stefan Ruppert für die FDP-Frak-
tion.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9323
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die Linke weiter beobachtet, hat er die Situation aus-schließlich dazu genutzt, sozusagen einen Ausfallangriffzu starten und diesen historischen Sachverhalt ausdrück-lich zu thematisieren, und zwar ohne einen einzigen Mo-ment der Selbstkritik, ohne eine einzige Reflexion, dassIhre „Vergangenheitspolitik“ – um mit Norbert FreisWorten zu sprechen – so defizitär ist, dass Sie sich schä-men müssten, dass Sie dieses Thema nicht ordnungs-gemäß und sachlicher angehen.
Wozu machen Sie das? Ich habe als Vertreter einerjüngeren Generation kein Problem damit, die Geschichtemeiner Partei historisch aufzuarbeiten.
Sowohl im Archiv des Liberalismus als auch bei anderen– genauso wie bei Ihnen übrigens auch – gibt es Leute,die daran sehr gut arbeiten. Ich habe damit kein Problem.Womit ich ein Problem habe, ist, wenn von der Links-partei in einer Art Entlastungsangriff eine Frage hochge-spielt wird, ohne dass diese Frage in dem zuständigenAusschuss auch nur einmal thematisiert worden ist.
Da, lieber Herr Korte, bekommt die Frage ein ausdrück-liches Geschmäckle, weil Sie eben nicht an ernsthafterhistorischer Vergangenheitsbewältigung interessiert sind,sondern einen Entlastungsangriff fahren wollen, weil SieIhre Wege zum Kommunismus noch nicht so genau be-werten können.
– Auch der Vorgang zu Herrn Globke ist natürlich aufzu-arbeiten. Wir sollten nicht einen anderen Eindruck erwe-cken. Über diese Dinge forschen Generationen von His-torikern, angefangen in den frühen 70er-Jahren unterschwierigen Bedingungen, in den letzten vielleicht15 Jahren zunehmend erfolgreicher, sachlicher und auchbesser.Ich nehme Ihnen Ihr ernsthaftes Interesse an histori-scher Aufarbeitung erst dann ab, wenn Sie sich der Auf-arbeitung Ihrer eigenen Vergangenheit mit dergleichenErnsthaftigkeit stellen.
Diese lassen Sie jeden Tag wieder vermissen.
Stattdessen faseln Sie über Wege zum Kommunismus.Dies ist unseriös, sodass ich Ihnen Ihr Interesse nicht ab-nehme. Es besteht eben ein Unterschied zwischen demverantwortungsvollen Redebeitrag der Opposition, vonHerrn Hartmann, und dem Redebeitrag von Ihnen, HerrKorte, der eben nicht ernst zu nehmen ist.Vielen Dank.
nOtehzswTisagleDLKdwnuFfewVzwhHdazhwhridmDgtes
Trotz aller Berechtigung der Vorwürfe gegenüber derinken, dass sie in dieser Sache „Leichen im eigeneneller“ liegen hat – bezüglich ihrer Verantwortung füren Staatssicherheitsdienst der DDR zum Beispiel –,ürde ich diese Themen gerne trennen und nicht in ei-em Atemzug nennen
nd die Debatte über den Nationalsozialismus und seineortwirkung bis heute nicht zusammen mit der über diehlende Aufarbeitung des Unrechts in der DDR führenollen. Auch durch den Hinweis darauf, dass das heuteormittag in einer nichtöffentlichen Innenausschusssit-ung vielleicht schon besprochen worden ist,
erden wir nicht davon entbunden, über dieses Themaier im Plenum zu diskutieren, wenn es aus diesemause den Wunsch danach gibt.Die Situation ist so – jedenfalls aus meiner Sicht –,ass sich die Historiker auch in den letzten Jahren unduch auf der Seite der FDP darum bemüht haben, auf-udecken, was man eigentlich schon vor Jahrzehntenätte offenlegen müssen. Mich schmerzt, ärgert undundert, dass es offensichtlich das Faktum gibt – das isterausgekommen –, dass in den Akten des Bundesnach-chtendienstes aus dem Jahre 1952 steht, dass dem Bun-esnachrichtendienst bekannt war, wo sich der Massen-örder Eichmann aufgehalten hat und unter welchemecknamen er wo gelebt hat. Davon haben wir nichtsewusst.Ich würde mir wünschen, dass der Bundesnachrich-ndienst – ich mache wirklich kein BND-Bashing – vonich aus ein Symposium organisiert,
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9324 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
Jerzy Montag
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in dem er sich zum Beispiel mit seiner Frühgeschichteauseinandersetzt
und von sich aus offenlegt, dass er Informationen überden Fall Eichmann in seinem Keller hat. Solange so et-was nicht geschieht,
habe ich die Befürchtung, dass nicht nur in den Akten-beständen des BND, sondern auch in denen des Bundes-amtes für Verfassungsschutz und vielleicht auch in denalten Akten des Bundeskriminalamtes noch mehr solcherInformationen zu finden sind.
Solange wir die Vergangenheit und unsere Verantwor-tung aus der Frühzeit der Bundesrepublik Deutschlandnicht lückenlos aufarbeiten, wird uns die Geschichte desNationalsozialismus immer wieder einholen. Deswegenist es mein Wunsch bzw. meine Forderung an die Bun-desregierung, wirklich in einer radikalen Art und Weisezu sagen: Wir drehen jetzt die Richtung um. Die Ämtersind nicht in erster Linie daran interessiert, ihre altenAktenbestände, ihre Historie aus 60 Jahren abzudeckenund zu kuvrieren, sondern wir werden diese Unterlagen,soweit es unter der notwendigen Beachtung der Persön-lichkeitsrechte und auch der heute aktuell noch vorhan-denen Probleme mit benachbarten Staaten und befreun-deten Diensten geht, selbst auf den Tisch legen. Wennwir drei- oder viermal erleben, dass uns die Exekutivemit neuem Material versorgt, statt dass wir immer nurvon investigativen Journalisten aus der Presse oderdurch Zufall etwas erfahren, dann ändert sich etwas. Dasist mein Wunsch. Das wäre ein Gewinn aus dieser De-batte.
Clemens Binninger hat das Wort für die CDU/CSU-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Herr Kollege Montag, gestatten Sie mir, dass ichzunächst auf Ihren Beitrag eingehe. Ich bin mit Ihneneinig, dass wir Verstrickungen oder Verbindungen zwi-schen Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik Deutsch-land in ihrer Anfangszeit und Nazis und anderen Verbre-chern aus dieser schlimmen Zeit deutscher Geschichteaufklären, jedem Einzelfall nachgehen und ihn bewertenmüssen, um damit einen weiteren Beitrag dazu zu leis-ten, dass wir hier nichts, aber auch gar nichts zu verde-cken haben. Darin sind wir uns, glaube ich, alle einig.deddwSddgWbDicsgsuZzDgZwimdseg2–guddhme
ie gleiche Debatte haben Joschka Fischer im Auswärti-en Amt und der Präsident des Bundeskriminalamtesiercke in seinem Amt angestoßen. Das liegt schon et-as zurück. Der BND-Präsident Ernst Uhrlau hat schon letzten Jahr eine Historikerkommission eingesetzt,ie inzwischen ihre Arbeit aufgenommen hat. Sie befasstich mit genau solchen Fragen und soll aufarbeiten, wos solche schlimmen Verstrickungen gab.Dafür stellt die Bundesregierung Mittel zur Verfü-ung, und zwar je eine halbe Million Euro in 2010 und011.
Herr Kollege Lange, wenn es uns wie mir, den Kolle-en Montag und Hartmann – das nehme ich ihm ab –nd auch dem Kollegen Ruppert von der FDP ernsthaftarum geht,
ann müssen wir uns, glaube ich, nicht gegenseitig vor-alten, wer wie viel zu wenig oder noch nicht genug ge-acht hat. Entscheidend ist für uns, dass wir uns darininig sind, dass wir das machen wollen, und dass wir als
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011 9325
Clemens Binninger
)
)Parlamentarier auch im Blick behalten, dass es umge-setzt wird. Aber wir sollten nicht so tun, als ob nichts ge-macht würde.Trotz aller Aufarbeitung und der Notwendigkeit, his-torische Akten aufzuarbeiten und Versäumnisse aufzu-decken, bleibt ein Spannungsfeld. Das wissen Sie, Kol-lege Montag. Ein Geheimdienst wird immer daraufhinweisen, dass eine Aufarbeitung in der Öffentlichkeitproblematisch ist.
– Ja, wie Sie gerade sagen: Soweit irgend möglich, mussjeder Fall offengelegt werden. Aber da es um den ge-samten Aktenbestand geht, gilt für die Fälle, wo dies,wie auch seitens der Gerichte festgestellt wurde, nichtmöglich ist, dass das Parlament nicht außen vor ist. Wirhaben das Parlamentarische Kontrollgremium, das ge-nau dieses Thema in der nächsten Woche auf die Tages-ordnung setzen wird. Dieses Gremium ist schließlichdafür da, nachzufragen, ob wirklich eine Geheimhal-tungspflicht besteht oder ob die betreffenden Fälle nichtdoch offengelegt werden können.
– Das tun wir ja offensiv. Aber tun Sie bitte nicht so, alsob das Parlament damit nicht befasst wäre. Wir sind da-mit in der heutigen Aktuellen Stunde befasst.Es eint uns, dass wir diese Fälle so weit wie möglichaufklären wollen, und zwar jeden Fall und je schwerwie-gender, desto umfassender. Aber zur Wahrheit gehörtauch, dass es Vorgänge geben kann, die zuerst dem Gre-mium vorgelegt werden müssen, das sich dieses Parla-ment für die Kontrolle der Geheimdienste gegeben hat.Das Parlamentarische Kontrollgremium wird sich in dernächsten Woche damit befassen. In diesem Gremium istauch der Kollege Nešković von der Linken Mitglied, derfür die heutige Debatte leider keine Zeit gefunden hat.So viel zum Thema Interesse.Wir werden alles tun, um das gemeinsam in unseremSinne aufzuklären und aufzuarbeiten. Wir sind dazu be-reit. Die Bundesregierung ist dazu bereit. Ich habe dieserDebatte entnommen, dass auch alle Fraktionen dazu be-reit sind. Ihnen, meine Damen und Herren von der Lin-ken, unterstelle ich eine etwas doppelzüngige Motiva-tion. Das ist schade und dient nicht der Sache.Herzlichen Dank.
Luk Jochimsen hat jetzt das Wort für die Fraktion Die
Linke.
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ondern aufgrund irgendwelcher politischen Vorwändeiese – unbedingt notwendige – Diskussion zu führen.
Hunderttausende Franzosen lesen zurzeit das Buches 93 Jahre alten Kämpfers der Résistance Stéphaneessel mit dem Titel Empört euch! Empört euch end-ch; es gibt so viele Anlässe dazu. Würden sich dochunderttausende auch bei uns und dieses Parlament überie ans Licht kommende Wahrheit über unseren demo-ratischen Staat und sein Verhältnis zu Massenmördernie Eichmann und Barbie empören, darüber, wie er sieicht verfolgt hat, sondern geschützt und sogar noch inienst genommen hat, und zwar im Jahr 1966 und nicht956, als Gehlen noch in der Verantwortung der CIA ar-eitete. 1966 in Dienst genommen! Welch ein Abgrundt sich da auf!1987 habe ich für die ARD eine Dokumentation übereate und Serge Klarsfeld gedreht, die Geschichte, wieich zwei Individuen, der französische Rechtsanwalt,essen Vater im KZ ermordet wurde, und seine deutschehefrau, unterstützt von einer kleinen Gruppe Überle-ender des Naziterrors, weltweit und verzweifelt auf dieuche nach dem Verbrecher Barbie gemacht habenweil die Staaten untätig blieben –, einem Mann, deren Tod unzähliger Frauen und Männer und vor alleningen unzähliger Kinder betrieben und zu verantwor-n hatte. Zwei Einzelpersonen haben sich dies zur Auf-abe machen müssen, während die Herren des BNDahrscheinlich grinsend zugeschaut haben, wie die bei-en nicht zum Zuge und zum Erfolg kamen. Nicht nuras: Serge und Beate Klarsfeld wurden von der bundes-publikanischen Polizei und Staatsanwaltschaft verfolgtnd drangsaliert. Bis heute wird Beate Klarsfeld dasundesverdienstkreuz, dessen Verleihung wir beantragtaben, verweigert.
eate und Serge Klarsfeld haben versucht, die Wahrheiterauszufinden und die Geschichte aufzuarbeiten. Aberir sind mit ihnen so umgegangen und tun das bis zumeutigen Tag so.Es stimmt einfach nicht, dass wir an der Aufklärunger Wahrheit und an Transparenz nicht interessiert seien.Lügen haben kurze Beine“, sagt der Volksmund. Wennie lange Beine haben und die Wahrheit erst spät, unend-ch spät herauskommt, ist die Erkenntnis aus meiner
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9326 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 83. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. Januar 2011
Dr. Lukrezia Jochimsen
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Sicht doppelt belastend. Uns geht es nicht darum, alleinden BND in den Fokus der Diskussion zu stellen, son-dern darum, die Verantwortung des Bundeskanzleramtesin der Diskussion herauszuarbeiten.Ich lasse mich übrigens auch nicht mehr mit dem Satzabspeisen, ein Geheimdienst sei nun einmal ein Geheim-dienst und könne nicht alle seine Dokumente der Öffent-lichkeit zugänglich machen. Das verlangt auch niemand.Die Akten von Massenmördern und von Kriegsverbre-chern hingegen öffentlich zugänglich zu machen, wirddoch wohl im Namen der Demokratie und des Staates zuverlangen sein.
Man kann in dem Zusammenhang doch nicht sagen:„Ein Geheimdienst ist ein Geheimdienst, so wie eineRose eine Rose ist, und weil das so ist, kann man nichtsmachen“, aber gleichzeitig darauf bestehen, dass mandie Wahrheit sucht.Ich kann nur sagen: Die Wahrheit, die hier gesuchtwird, ist längst überfällig. Sie wird uns seit Jahrzehntenvorenthalten. Für Menschen meiner Generation, die inder Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen, erzogenund gebildet worden sind, bedeutet es eine Zerstörungdes Glaubens an die Substanz dieser Bundesrepublik so-wie ihres Anspruchs, ein im Grunde demokratischerStaat zu sein. Wenn wir die Angelegenheit nicht – sospät es auch sein mag – vollständig aufklären und dieWahrheit auf den Tisch bringen, machen wir uns wiedereinmal vor der Geschichte schuldig.
Christian Ahrendt hat das Wort für die FDP-Fraktion.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Da-
men und Herren! Ich glaube, wir sind uns in der Debatte
darüber einig, dass aufgeklärt werden muss und dass an
die Aufklärung ein hoher Maßstab hinsichtlich des
Wahrheitsgehalts zu legen ist. Ich glaube aber auch, dass
die Partei, die heute die Aktuelle Stunde beantragt hat,
an der einen oder anderen Stelle nicht bereit ist, die
Maßstäbe, die sie bei anderen anlegt, auch bei sich selber
anzulegen.
Erster Punkt. Solange Ihr Fraktionsvorsitzender, Herr
Gysi, mit einstweiligen Verfügungen versucht,
die Wahrheit darüber zu verschweigen, ob er den Bür-
gerrechtler Havemann bespitzelt hat oder nicht, haben
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Zweiter Punkt. Der Kollege Hartmann hat zutreffend
arauf hingewiesen, dass die Aktuelle Stunde keine
berraschende Stunde ist. Sie wissen, dass Aktuelle
tunden vorbereitet werden. Wenn man die Bericht-
rstattung zum Thema Eichmann und zu der Frage, ob
er BND diesbezüglich schon frühzeitig Kenntnis hatte,
cherchiert, dann stellt man fest, dass der Spiegel hierzu
ereits am 8. Januar dieses Jahres berichtet hat. Hätten
ie dieses Thema ordnungsgemäß anmelden und aufbe-
iten wollen, hätten Sie das lange vor Beginn dieser Sit-
ungswoche machen können. Ihnen ging es aber nur da-
m, die für morgen angesetzte Aktuelle Stunde zu
erdrängen, die sich mit der Frage auseinandersetzt, ob
ie in Deutschland nach wie vor den Kommunismus
ollen.
Dritter Punkt. Es ist unstreitig, dass es um die Frage
eht, ob Akten offengelegt werden. Auch hierüber ist in
ieser Woche berichtet worden: Am 13. Januar meldete
er Spiegel, dass der Bundesnachrichtendienst seine um-
ngreichen Akten für Recherchen bereitstellt. Das zeigt,
ass die Bereitschaft zur Offenlegung sogar beim Nach-
chtendienst vorhanden ist. Wir werden uns in den ent-
prechenden Gremien mit dieser Frage auseinanderset-
en. Es muss aufgeklärt werden: Was wusste man?
arum hat man hinsichtlich der fraglichen Personen
eine Ermittlungen aufgenommen und dadurch dazu bei-
etragen, dass sie vor Gericht gestellt werden? Das ge-
ört zur Geschichte der Nachrichtendienste und muss
ufbereitet sowie historisch ordnungsgemäß bewertet
erden.
Die Debatte, wie wir sie hier führen, bedeutet aber
einen wesentlichen Fortschritt in der Bewältigung die-
er Arbeit. Deswegen bleibt es dabei: Ich erwarte von Ih-
en, dass Sie bei der Frage der Aufklärung Ihrer eigenen
ergangenheit endlich die Maßstäbe anlegen, die Sie
on anderen verlangen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Damit schließe ich die Aussprache.
Die Sitzung ist beendet.
Ich rufe Sie auf, die nächste Sitzung des Deutschen
undestages am morgigen Donnerstag um 9 Uhr zu be-
uchen.
Genießen Sie den restlichen Abend und die gewonne-
en Einsichten.