Protokoll:
17078

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 78

  • date_rangeDatum: 2. Dezember 2010

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:27 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/78 gelaltersgrenze auf 67 Jahre (Drucksache 17/3814) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung, insbeson- dere über die Entwicklung der Einnah- men und Ausgaben, der Nachhaltigkeits- rücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Ka- lenderjahren gemäß § 154 Absatz 1 und 3 SGB VI (Rentenversicherungsbericht 2010) und Gutachten des Sozialbeirats zum Ren- tenversicherungsbericht 2010 (Drucksache 17/3900) . . . . . . . . . . . . . . . . Sigmar Gabriel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Sigmar Gabriel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . 8501 B 8501 B 8503 B 0000 A8504 C 0000 A8506 D 8506 D 8507 A 8508 A 8509 D 8511 D 8512 A 8512 D 8513 D Deutscher B Stenografisch 78. Sitz Berlin, Donnerstag, den I n h a l Erinnerung an die ersten gesamtdeutschen Wahlen am 2. Dezember 1990 . . . . . . . . . . . . Wahl der Abgeordneten Sonja Steffen zur Schriftführerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 8 s und 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung gemäß § 154 Absatz 4 des Sechsten Buches So- zialgesetzbuch zur Anhebung der Re- i Z A S w N d ( D 8499 A 8499 D 8499 D 8500 D 8501 A c) Antrag der Abgeordneten Anton Schaaf, Anette Kramme, Elke Ferner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: undestag er Bericht ung 2. Dezember 2010 t : Chancen für die Teilhabe am Arbeitsle- ben nutzen – Arbeitsbedingungen ver- bessern – Rentenzugang flexibilisieren (Drucksache 17/3995) . . . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 3: ntrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang trengmann-Kuhn, Fritz Kuhn, Kerstin Andreae, eiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- IS 90/DIE GRÜNEN: Voraussetzungen für ie Rente mit 67 schaffen Drucksache 17/4046) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8501 C 8501 D 8501 D Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . 8515 B 8516 A II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU) . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Abgeordneten Bernd Scheelen, Nicolette Kressl, Joachim Poß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Klare Perspektiven für Kommunen – Gewerbesteuer stärken (Drucksache 17/3996) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Frak- tion der SPD: Rettungsschirm für Kom- munen – Strategie für handlungsfähige Städte, Gemeinden und Landkreise (Drucksachen 17/1152, 17/4060) . . . . . . . Dr. Carsten Kühl, Staatsminister (Rheinland-Pfalz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Götz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Götz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Bernd Scheelen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Bernd Scheelen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Birgit Reinemund (FDP) . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Peter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Carsten Sieling (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) . . . . . . Tagesordnungspunkt 36: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Protokoll vom 23. Juni 2010 zur Änderung des Protokolls über die Übergangsbestimmungen, das dem Ver- trag über die Europäische Union, dem Vertrag über die Arbeitsweise der Eu- ropäischen Union und dem Vertrag zur b c d e f g h i 8517 A 8517 D 8519 A 8519 C 8520 C 8522 A 8522 A 8522 B 8524 A 8524 D 8526 B 8527 A 8528 D 8529 D 8531 D 8534 A 8536 A 8536 B 8536 C 8538 C 8539 C 8540 D 8541 C Gründung der Europäischen Atomge- meinschaft beigefügt ist (Drucksache 17/3357) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Berufs- kraftfahrer-Qualifikations-Gesetzes (Drucksache 17/3800) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des ZIS-Ausfüh- rungsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksache 17/3960) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 29. März 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und St. Vincent und die Grenadinen über die Unterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachen durch Informationsaustausch (Drucksache 17/3959) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 7. Juni 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und St. Lucia über den In- formationsaustausch in Steuersachen (Drucksache 17/3961) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Protokoll vom 17. Juni 2010 zur Änderung des Abkommens vom 8. März 2001 zwischen der Bundesrepu- blik Deutschland und Malta zur Ver- meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkom- men und vom Vermögen (Drucksache 17/3962) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von den Abgeordneten Burkhard Lischka, Dr. Peter Danckert, Martin Dörmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (Urheberrechtswahrneh- mungsgesetz – UrhWahrnG) (Drucksache 17/3991) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bei Ausset- zung der Wehrpflicht Hochschulpakt aufstocken (Drucksache 17/4018) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Birgitt Bender, Cornelia Behm, weiterer 8543 B 8543 B 8543 C 8543 C 8543 C 8543 D 8543 D 8543 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 III Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Umsetzung der EU-Health-Claims-Verordnung voran- bringen (Drucksache 17/4015) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Daniela Wagner, Oliver Krischer, Bettina Herlitzius, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Ungebundene EU- Mittel aus dem Konjunkturpaket (EEPR) unverzüglich für mehr Energieeffizienz und erneuerbare Energien nutzen (Drucksache 17/4017) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 37: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Viola von Cramon- Taubadel, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: OSZE-Vorsitz für Reformen in Kasachstan nutzen (Drucksachen 17/1432, 17/2476) . . . . . . . b) – k) Beschlussempfehlungen des Petitionsausschus- ses: Sammelübersichten 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 178, 179 und 180 zu Petitionen (Drucksachen 17/3918, 17/3919, 17/3920, 17/3921, 17/3922, 17/3923, 17/3924, 17/3925, 17/3926, 17/3927) Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Fehlende Aktivitäten der Bundes- regierung hinsichtlich der Zukunftsängste des wissenschaftlichen Nachwuchses . . . . . Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . D D T a b i Z A D I ( M A U A V R A S V C T a b 8544 8544 A 8544 B 8544 C 8545 C 8545 C 8547 A 8549 A 8550 A 8551 A 8552 A 8553 D 8555 A 8556 A 8557 A r. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . r. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . agesordnungspunkt 7: ) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Menschenrechtslage im Iran verbessern (Drucksache 17/4011) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Fraktion DIE LINKE: Die Hinrichtung der Iranerin Sakineh Mohammadi Ashtiani verhindern und weltweit die Todesstrafe abschaffen (Drucksache 17/3993) . . . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 6: ntrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN: Mehr Flüchtlinge aus dem ran aufnehmen Drucksache 17/3997) . . . . . . . . . . . . . . . . . . arina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . ngelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . te Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . nnette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . olker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . uprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . rnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . tefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . olker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hristoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 8: ) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gerechte Alterseinkünfte für Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen der DDR (Drucksache 17/3871) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gerechte Lösung für rentenrechtliche Situation von in der DDR Geschiedenen (Drucksache 17/3872) . . . . . . . . . . . . . . . 8558 A 8559 C 8560 C 8560 C 8560 D 8560 D 8562 A 8563 B 8565 A 8566 B 8567 C 8568 A 8568 D 8569 A 8569 C 8570 A 8571 C 8571 C IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 c) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gerechte Versor- gungslösung für Ballettmitglieder in der DDR (Drucksache 17/3873) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Regelung der An- sprüche der Bergleute der Braunkohle- veredlung (Drucksache 17/3874) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Beseitigung von Rentennachtei- len für Zeiten der Pflege von Angehöri- gen in der DDR (Drucksache 17/3875) . . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rentenrechtliche Lösung für Land- und Forstwirte, Handwerkerinnen und Handwerker, andere Selbständige sowie deren mithel- fende Familienangehörige aus der DDR (Drucksache 17/3876) . . . . . . . . . . . . . . . . g) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rentenrechtliche Anerkennung von zweiten und verein- bart verlängerten Bildungswegen sowie Forschungsstudien und Aspiranturen in der DDR (Drucksache 17/3877) . . . . . . . . . . . . . . . . h) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rentenrechtliche Anerkennung von DDR-Regelungen für ins Ausland mitgereiste Ehepartnerin- nen und Ehepartner sowie von im Aus- land erworbenen Ansprüchen (Drucksache 17/3878) . . . . . . . . . . . . . . . . i) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rentenrechtliche Anerkennung aller freiwilligen Beiträge aus DDR-Zeiten (Drucksache 17/3879) . . . . . . . . . . . . . . . . j) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Befristetes System k l m n o p q 8571 C 8571 D 8571 D 8572 A 8572 A 8572 A 8572 B „sui generis“ für die Beseitigung des Versorgungsunrechts bei den Zusatz- und Sonderversorgungen der DDR (Drucksache 17/3880) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Vertrauensschutz für Versorgungsberechtigte der DDR mit einem Ruhestandsbeginn bis zum 30. Juni 1995 schaffen (Drucksache 17/3881) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Regelung der An- sprüche und Anwartschaften auf Al- terssicherung für Angehörige der Deut- schen Reichsbahn der DDR (Drucksache 17/3882) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Regelung der An- sprüche und Anwartschaften auf Al- terssicherung für Angehörige der Deut- schen Post der DDR (Drucksache 17/3883) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Angemessene Al- tersversorgung für Professorinnen und Professoren neuen Rechts, Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Dienst und weitere Beschäftigte universitärer und anderer wissenschaftlicher Einrichtun- gen in Ostdeutschland (Drucksache 17/3884) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Angemessene Al- tersversorgung für Beschäftigte des öf- fentlichen Dienstes der DDR, die nach 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt haben (Drucksache 17/3885) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Angemessene Al- tersversorgung für Angehörige von Bun- deswehr, Zoll und Polizei, die mit DDR- Beschäftigungszeiten nach 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt haben (Drucksache 17/3886) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der 8572 B 8572 C 8572 C 8572 D 8572 D 8573 A 8573 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 V Fraktion DIE LINKE: Einheitliche Rege- lung der Altersversorgung für Angehö- rige der technischen Intelligenz der DDR (Drucksache 17/3887) . . . . . . . . . . . . . . . . r) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wertneutralität im Rentenrecht auch für Personen mit bestimmten Funktionen in der DDR (Drucksache 17/3888) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sebastian Blumenthal (FDP) . . . . . . . . . . . . . Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen der CDU/CSU und der FDP eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen (Drucksachen 17/3403, 17/4062) . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Z A N m h i Z A F r h i Z A s n z h i Z A M g z z p m h 8573 A 8573 B 8573 C 8574 C 8575 A 8576 B 8577 C 8578 A 8578 B 8579 B 8580 C 8582 A 8583 B 8584 A 8585 A 8585 C 8586 A 8588 A 8589 C 8590 C 8591 C 8592 A 8593 A 8593 C 8593 D usatztagesordnungspunkt 7: ntrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- EN: Irland unterstützen und Steuerhar- onisierung vorantreiben ier: Stellungnahme des Deutschen Bun- destages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deut- schem Bundestag in Angelegenhei- ten der Europäischen Union (Drucksache 17/4065) . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 8: ntrag der Fraktionen der CDU/CSU und der DP: Irland unterstützen – Euro stabilisie- en ier Stellungnahme des Deutschen Bun- destages gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Geset- zes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (Drucksache 17/4082) . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 9: ntrag der Fraktion der SPD: Irland unter- tützen und gerechten, wirksamen Mecha- ismus zur Bewältigung von Staatsfinan- ierungskrisen schaffen ier: Stellungnahme des Deutschen Bun- destages nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deut- schem Bundestag in Angelegenhei- ten der Europäischen Union (Drucksache 17/4014) . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 10: ntrag der Abgeordneten Alexander Ulrich, ichael Schlecht, Jan van Aken, weiterer Ab- eordneter und der Fraktion DIE LINKE: um Antrag der Republik Irland auf finan- ielle Unterstützung im Rahmen des Euro- äischen Finanzstabilisierungsmechanis- us (EuB-BReg 126/2010) ier: Stellungnahme des Deutschen Bun- destages nach Artikel 23 Absatz 2 8595 C 8595 D 8595 D VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Ab- satz 1 des Gesetzes über die Zusam- menarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Ange- legenheiten der Europäischen Union Profiteure der Krise zur Kasse bit- ten – Keine weitere Verstaatlichung fauler Bankkredite bei Finanzhilfen für Irland (Drucksache 17/4029) . . . . . . . . . . . . . Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . . Oliver Luksic (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Nord (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: a) Antrag der Fraktion der SPD: Vor Can- cún – Mit Glaubwürdigkeit zu einem globalen Klimaschutzabkommen (Drucksache 17/3998) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Andreas Jung (Konstanz), Marie-Luise Dött, Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Michael Kauch, Horst Meierhofer, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeord- neter und und der Fraktion der FDP: Die UN-Klimakonferenz in Cancún – Fort- schritte für den Klimaschutz erreichen (Drucksache 17/4010) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Ott, Bärbel Höhn, Thilo Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Internationaler Klimaschutz vor Cancún – Mit unter- schiedlichen Geschwindigkeiten zum Ziel (Drucksache 17/4016) . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . T – – B U R J K C K I H N E T – 8595 D 8596 A 8597 A 8598 C 8600 A 8601 C 8602 C 8603 D, 8604 A 8606 C, 8608 B 8604 A 8604 B 8604 D 8604 C 8611 A 8612 C 8613 C 8614 D 8615 D agesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Betei- ligung bewaffneter deutscher Streit- kräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens der Ver- einten Nationen von 1982 und der Reso- lutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1897 (2009) vom 30. November 2009 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/ GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. November 2008, dem Be- schluss 2009/907/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2009, dem Beschluss 2010/437/GASP des Rates der Europäischen Union vom 30. Juli 2010 und dem erwarteten Be- schluss des Rates der Europäischen Union vom 13. Dezember 2010 (Drucksachen 17/3691, 17/4048) . . . . . . . Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/4055) . . . . . . . . . . . . . . . urkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . . . llrich Meßmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . oderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . an van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . erstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hristine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . erstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ngo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . ans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . amentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . rgebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Be- teiligung bewaffneter deutscher Streit- kräfte an der EU-geführten Operation 8616 C 8617 A 8617 A 8618 B 8619 D 8620 D 8621 C 8623 A 8623 B 8623 D 8624 C 8625 C 8629 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 VII „ALTHEA“ zur weiteren Stabilisie- rung des Friedensprozesses in Bosnien und Herzegowina im Rahmen der Im- plementierung der Annexe 1-A und 2 der Dayton-Friedensvereinbarung so- wie an dem NATO-Hauptquartier Sara- jevo und seinen Aufgaben, auf Grund- lage der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 1575 (2004) und Folgeresolutionen (Drucksachen 17/3692, 17/4049) . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/4056) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Rudolf Körper (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Peter Beyer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streit- kräfte bei der Unterstützung der ge- meinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Verein- ten Nationen und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolu- tionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (Drucksachen 17/3690, 17/4050) . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/4057) . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . O J R J N E T Z t G c I ( T A d r ( C P D D K M T a b 8625 C 8625 D 8626 A 8627 A 8628 B 8632 A 8633 A 8633 D 8635 A 8636 D 8635 A 8635 B 8635 C 8639 A 8640 B 8641 C 8642 B 8643 B mid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . amentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . rgebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 14: weite und dritte Beratung des von der Frak- ion der SPD eingebrachten Entwurfs eines esetzes zur Verbesserung des Verbrau- herschutzes bei Vertragsabschlüssen im nternet Drucksachen 17/2409, 17/3588) . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 16: ntrag der Fraktion DIE LINKE: Den Frie- en befördern – Politische Gefangene in Is- ael freilassen Drucksache 17/3545) . . . . . . . . . . . . . . . . . . hristine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . hilipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . r. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . r. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . erstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 17: ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Übertragung ehebezogener Re- gelungen im öffentlichen Dienstrecht auf Lebenspartnerschaften (Drucksache 17/3972) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Dr. Konstantin von Notz, Birgitt Bender, weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Gleichstellung der eingetra- genen Lebenspartnerschaften mit der Ehe im Bundesbeamtengesetz und in weite- ren Gesetzen (Drucksache 17/906) . . . . . . . . . . . . . . . . 8643 B 8643 C 8644 B 8645 A 8645 C 8646 A 8648 D 8646 A 8646 B 8646 C 8647 A 8651 A 8652 B 8653 C 8654 D 8656 B 8656 B VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Tagesordnungspunkt 18: a) Antrag der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Birgitt Bender, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schutz von Patientinnen und Patienten bei der genetischen Forschung in einem Bio- banken-Gesetz sicherstellen (Drucksache 17/3790) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans- Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Biobanken als In- strument von Wissenschaft und For- schung ausbauen, Biobanken-Gesetz prüfen und Missbrauch genetischer Da- ten und Proben wirksam verhindern (Drucksache 17/3868) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung von Ver- brauchsteuergesetzen (Drucksachen 17/3025, 17/4052) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Zweite und dritte Beratung des vom Bundes- rat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Benachrichtigungswe- sens in Nachlasssachen durch Schaffung des Zentralen Testamentsregisters bei der Bun- desnotarkammer (Drucksachen 17/2583, 17/4063) . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Petermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Evaluierung der deutschen Betei- ligung an ISAF und des deutschen und internationalen Engagements für den Wie- deraufbau Afghanistans seit 2001 (Drucksachen 17/1964, 17/4051) . . . . . . . . . . Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . . D W D T Z d s R ( P M F D D T A H o A F d A W ( T D K D O T Z v w p m B z u z v ( M L D 8656 C 8656 D 8656 D 8657 B 8657 B 8659 A 8660 C 8661 B 8662 A 8663 A 8663 A 8663 D 8664 D r. Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . r. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 22: weite und dritte Beratung des von der Bun- esregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- etzes zur Umsetzung der Zweiten E-Geld- ichtlinie Drucksachen 17/3023, 17/4047) . . . . . . . . . . eter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . artin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . rank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . r. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 23: ntrag der Abgeordneten Dirk Becker, Rolf empelmann, Garrelt Duin, weiterer Abge- rdneter und der Fraktion der SPD sowie der bgeordneten Oliver Krischer, Hans-Josef ell, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und er Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: m Ausbau der hocheffizienten Kraft- ärme-Kopplung festhalten Drucksache 17/3999) . . . . . . . . . . . . . . . . . . homas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . irk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . laus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . orothee Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . liver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 24: weite Beratung und Schlussabstimmung des on der Bundesregierung eingebrachten Ent- urfs eines Gesetzes zu dem Änderungs- rotokoll vom 25. Mai 2010 zum Abkom- en vom 17. Oktober 1962 zwischen der undesrepublik Deutschland und Irland ur Vermeidung der Doppelbesteuerung nd zur Verhinderung der Steuerverkür- ung bei den Steuern vom Einkommen und om Vermögen sowie der Gewerbesteuer Drucksachen 17/3358, 17/4061) . . . . . . . . . . anfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . othar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . r. Birgit Reinemund (FDP) . . . . . . . . . . . . . 8666 B 8667 B 8668 B 8668 D 8668 D 8669 D 8671 A 8671 B 8672 A 8672 D 8673 A 8674 C 8675 C 8676 B 8676 D 8677 A 8678 A 8678 C 8680 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 IX Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Auch Ver- letztenrenten von NVA-Angehörigen der DDR anrechnungsfrei auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende stellen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Auch Ver- letztenrenten von NVA-Angehörigen der DDR anrechnungsfrei auf die Al- tersrente stellen (Drucksachen 17/2326, 17/3217, 17/3734) . . . . Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Umsetzung der Dienstleistungs- richtlinie in der Justiz und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drucksachen 17/3356, 17/4064) . . . . . . . . . . Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . . . Dr. Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Jens Petermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – – ( P E D K U T A J A K k t ( K D D N T T A C g D s m ( U J U J D 8681 B 8682 A 8682 D 8683 A 8683 C 8684 C 8685 A 8685 D 8686 B 8687 B 8687 C 8688 D 8689 D 8690 C 8691 B zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Lebensmittel-Smi- ley nach dänischem Vorbild bundes- weit einführen zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Nicole Maisch, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Smiley- Kennzeichnungssystem bundesweit ver- bindlich einführen Drucksachen 17/3434, 17/3220, 17/3994) . . . . eter Bleser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . lvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . r. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . arin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . lrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 28: ntrag der Abgeordneten Niema Movassat, an van Aken, Christine Buchholz, weiterer bgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: eine großflächige Landnahme und Spe- ulationen mit Land oder Agrarproduk- ion in den Ländern des Südens Drucksache 17/3541) . . . . . . . . . . . . . . . . . . laus Riegert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . r. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) . . . . . iema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . hilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 29: ntrag der Abgeordneten Dorothea Steiner, ornelia Behm, Ulrike Höfken, weiterer Ab- eordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN: Blockade beim Boden- chutz aufgeben – EU-Bodenschutzrah- enrichtlinien voranbringen Drucksache 17/3855) . . . . . . . . . . . . . . . . . . lrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . ohannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . te Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . udith Skudelny (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . 8692 A 8692 B 8693 B 8694 B 8695 B 8696 A 8697 A 8697 B 8698 A 8699 B 8700 D 8701 D 8702 C 8702 D 8704 A 8704 C 8705 B 8705 D X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) über die Be- schlussempfehlung zur Sammelübersicht 177 zu Petitionen (Tagesordnungspunkt 37 h) . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Tom Koenigs, Volker Beck (Köln), Agnes Malczak und Omid Nouripour (alle BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Menschenrechtslage im Iran verbessern (Tagesordnungspunkt 7 a) . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Niema Movassat, Karin Binder, Sevim Dağdelen, Heidrun Dittrich, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Ulla Jelpke und Harald Koch (alle DIE LINKE) zur Abstim- mung über den Antrag: Menschenrechtslage im Iran verbessern (Tagesordnungspunkt 7 a) Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Alexander Funk und Klaus-Peter Willsch (beide CDU/CSU) zum Antrag: Irland unter- stützen – Euro stabilisieren hier: Stellungnahme des Deutschen Bundes- tages gemäß Artikel 23 des Grundge- setzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregie- rung und Deutschem Bundestag in An- gelegenheiten der Europäischen Union (Zusatztagesordnungspunkt 8) . . . . . . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Winfried Hermann, Monika Lazar und Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut- scher Streitkräfte an der EU-geführten Opera- tion Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie v S t ( 2 2 1 n r m d v d z d 3 d 1 A E d U D B m z S A d r n ( 2 2 1 n d G te 2 R z d 3 d 1 A Z E V i M M M E 8706 D 8707 D 8709 A 8709 D 8710 B 8710 D 8711 C or der Küste Somalias auf Grundlage des eerechtsübereinkommens der Vereinten Na- ionen von 1982 und der Resolutionen 1814 2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom . Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 897 (2009) vom 30. November 2009 und achfolgender Resolutionen des Sicherheits- ates der Vereinten Nationen in Verbindung it der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP es Rates der Europäischen Union vom 10. No- ember 2008, dem Beschluss 2009/907/GASP es Rates der Europäischen Union vom 8. De- ember 2009, dem Beschluss 2010/437/GASP es Rates der Europäischen Union vom 0. Juli 2010 und dem erwarteten Beschluss es Rates der Europäischen Union vom 3. Dezember 2010 (Tagesordnungspunkt 11) nlage 7 rklärung nach § 31 GO der Abgeordneten er Abgeordneten Agnes Malczak, Katja Dörner, we Kekeritz, Beate Müller-Gemmeke, orothea Steiner und Dr. Harald Terpe (alle ÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim- ung über die Beschlussempfehlung: Fortset- ung der Beteiligung bewaffneter deutscher treitkräfte an der EU-geführten Operation talanta zur Bekämpfung der Piraterie vor er Küste Somalias auf Grundlage des See- echtsübereinkommens der Vereinten Natio- en von 1982 und der Resolutionen 1814 2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom . Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 897 (2009) vom 30. November 2009 und achfolgender Resolutionen des Sicherheitsrates er Vereinten Nationen in Verbindung mit der emeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Ra- s der Europäischen Union vom 10. November 008, dem Beschluss 2009/907/GASP des ates der Europäischen Union vom 8. De- ember 2009, dem Beschluss 2010/437/GASP es Rates der Europäischen Union vom 0. Juli 2010 und dem erwarteten Beschluss es Rates der Europäischen Union vom 3. Dezember 2010 (Tagesordnungspunkt 11) nlage 8 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung des ntwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des erbraucherschutzes bei Vertragsabschlüssen m Internet (Tagesordnungspunkt 14) arco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . echthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . arianne Schieder (Schwandorf) (SPD) . . . . lvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . 8712 C 8714 B 8715 D 8716 D 8717 C 8718 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 XI Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebenen Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Übertragung ehebezogener Regelungen im öffentli- chen Dienstrecht auf Lebenspartnerschaf- ten – Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe im Bundesbeamtengesetz und in weiteren Gesetzen (Tagesordnungspunkt 17 a und b) Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) – Schutz von Patientinnen und Patienten bei der genetischen Forschung in einem Bio- banken-Gesetz sicherstellen – Biobanken als Instrument von Wissen- schaft und Forschung ausbauen, Bioban- ken-Gesetz prüfen und Missbrauch geneti- scher Daten und Proben wirksam verhindern (Tagesordnungspunkt 18 a und b) Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8718 D 8719 C 8720 B 8720 D 8721 C 8726 C 8728 A 8729 B 8730 A 8731 A 8731 D Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: A Z d d o P I D R L 0000 A8722 B 0000 A8723 C 8724 A 8724 C 8725 A 8725 D nlage 11 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Än- erung von Verbrauchsteuergesetzen (Tages- rdnungspunkt 19) atricia Lips (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . ngrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . r. Birgit Reinemund (FDP) . . . . . . . . . . . . . ichard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . isa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 8732 D 8734 A 8735 A 8735 D 8736 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8499 (A) ) )(B) 78. Sitz Berlin, Donnerstag, den Beginn: 9.0
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    negativ auf Klima, Artenvielfalt und den Wasserhaushalt schen Union eingeführt wird; und wir verlangen, dass des Bodenschutzrecht. Da kann ich nur sagen: Wer im- mer noch in Grenzen von Nationalstaaten Umweltpolitik betreibt, scheint die letzten Jahre geschlafen zu haben. e z ine EU-Bodenschutzrahmenrichtlinie dafür einzuset- en, dass der deutsche Standard im Bodenschutzrecht Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8709 (A) ) )(B) eingesetzt werden muss“.Pols, Eckhard CDU/CSU 02.12.2010 ten Menschen im Rahmen des Persönlichen Budgets gerecht zu werden. … In der Regel kommt es“ – so heißt es in der Beschlussempfehlung – „für die Betroffenen nicht so weit, dass das gesamte die jeweilige Einkom- mensgrenze überschreitende Einkommen als Eigenanteil Nietan, Dietmar SPD 02.12.2010 Petermann, Jens DIE LINKE 02.12.2010 Anlage 1 Liste der entschuldigt * A s s D P S g z D p m g s „ c t Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Aigner, Ilse CDU/CSU 02.12.2010 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 02.12.2010 Bellmann, Veronika CDU/CSU 02.12.2010 Bülow, Marco SPD 02.12.2010 Burchardt, Ulla SPD 02.12.2010 Crone, Petra SPD 02.12.2010 Dyckmans, Mechthild FDP 02.12.2010 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 02.12.2010 Friedhoff, Paul K. FDP 02.12.2010 Fritz, Erich G. CDU/CSU 02.12.2010* Glos, Michael CDU/CSU 02.12.2010* Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02.12.2010 Gruß, Miriam FDP 02.12.2010 Heinen-Esser, Ursula CDU/CSU 02.12.2010 Hörster, Joachim CDU/CSU 02.12.2010* Kotting-Uhl, Sylvia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02.12.2010 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02.12.2010 Kunert, Katrin DIE LINKE 02.12.2010 Lötzer, Ulla DIE LINKE 02.12.2010 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02.12.2010 Möller, Kornelia DIE LINKE 02.12.2010 Nestle, Ingrid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 02.12.2010 D D D S S S W A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht en Abgeordneten für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union nlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) über die Beschlussempfehlung zur Sammel- übersicht 177 zu Petitionen (Tagesordnungs- punkt 37 h) Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Ich lehne die Be- chlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Aus- chuss) – Sammelübersicht 177 zu Petitionen – auf rucksache 17/3924 ab, weil damit dem Anliegen der etition 3-17-11-2171-006312 aus Oelsnitz unter dem tichwort „Hilfe für Behinderte“ nicht Rechnung getra- en wird. In dieser Petition fordern der Petent sowie 424 Mit- eichnende und 20 Personen, die die Petition mit einem iskussionsbeitrag unterstützten, die Umwandlung des ersönlichen Budgets von einer einkommens- und ver- ögensabhängigen in eine einkommens- und vermö- ensunabhängige Leistung. Der Petitionsausschuss kam mehrheitlich zur Ein- chätzung, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil er die bestehenden Regelungen als geeignet und ausrei- hend an(sieht), der Vielfalt der gesundheitlichen Beein- rächtigungen und der Lebenssituationen von behinder- r. Ramsauer, Peter CDU/CSU 02.12.2010 r. Ratjen-Damerau, Christiane FDP 02.12.2010 r. Röttgen, Norbert CDU/CSU 02.12.2010 cholz, Olaf SPD 02.12.2010 chreiner, Ottmar SPD 02.12.2010 trothmann, Lena CDU/CSU 02.12.2010 agenknecht, Sahra DIE LINKE 02.12.2010 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 8710 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 (A) ) )(B) Diese Einschätzung teile ich nicht. Seit Jahren wird genau dieser Punkt von Betroffenen immer wieder als ei- ner der Hauptmängel bei der Teilhabesicherung benannt. Behindertenverbände fordern seit langem die Abschaf- fung der Einkommens- und Vermögensprüfung für Teil- habeleistungen. Deshalb werden die Fraktion Die Linke und ich gegen diese Beschlussempfehlung stimmen. Dass die Fraktionen von CDU/CSU und FDP keinen Grund sehen, das Anliegen zu unterstützen, verwundert sicher niemanden. Dass aber auch die Fraktion der SPD das Anliegen der Petition ablehnt, verwundert schon. Auf Veranstaltungen höre ich andere Verlautbarungen. Aber man erinnert sich: Die SPD hatte – gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen – großen Anteil an den beste- henden – und hier kritisierten – Rechtsgrundlagen für das Persönliche Budget. Warum sollte die Petition an die Bundesregierung als Material und den Bundestagsfraktionen zur Kenntnis ge- geben werden, wie die Linke es forderte? Das Persönliche Budget wurde am 1. Juli 2001 mit dem SGB IX eingeführt. Seit dem 1. Januar 2008 besteht auf diese Leistungsform ein Rechtsanspruch. Trotz langer Erprobung, viel Werbung, Beratungshot- lines und begleitender Forschung ist das Persönliche Bud- get bis heute kein Erfolgsmodell. Warum dies so ist, gibt die Bundesregierung vor, nicht zu wissen. Dies wird unter anderem in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Lin- ken „Umsetzung der Leistungsform Persönliches Bud- get“, Drucksache 17/406 vom 6. Januar 2010, deutlich. Hängt es vielleicht damit zusammen, dass das Persön- liche Budget wie auch andere Leistungen für Menschen mit Behinderungen, die sie als Nachteilsausgleich benö- tigen, um am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben, eben nicht – wie in der Begründung behauptet – bedarfs- gerecht und einkommens- und vermögensunabhängig zur Verfügung gestellt wird? Meine Erfahrungen aus ei- ner Vielzahl von Gesprächen mit Betroffenen sprechen dafür. Wer die UN-Behindertenrechtskonvention ernst neh- men will – dazu haben sich der Bundestag und die Bun- desregierung mit der Ratifizierung der Konvention ver- pflichtet –, sollte also unbedingt diese Petition und weitere Meinungsäußerungen von Betroffenen zur Wir- kung des Persönlichen Budgets zur Kenntnis nehmen und sie bei der Erarbeitung von gesetzlichen Grundlagen für eine bedarfsgerechte sowie einkommens- und vermö- gensunabhängige Teilhabesicherung – auch durch die Gewährung von Persönlichen Budgets als einer mögli- chen Leistungsform – berücksichtigen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Tom Koenigs, Volker Beck (Köln), Agnes Malczak und Omid Nouripour (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim- mung über den Antrag: Menschenrechtslage im Iran verbessern (Tagesordnungspunkt 7 a) A t u r z F g t d B s p s r u u i B l s r D S N 2 i U t p d 1 V v r s A t e v n f S A (C (D Für die Oppositionellen im Iran läuft die Zeit ab. nwälte, Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivis- en, Journalistinnen und Journalisten und Bloggerinnen nd Blogger sind von willkürlicher Verhaftung, Folte- ung und Vergewaltigung bedroht. Faire Gerichtspro- esse können sie nicht erwarten. Auch ihre Familien und reunde sind bedroht. Viele sehen sich daher zur Flucht ezwungen. Diese Flüchtlinge haben sich unter schwers- en Entbehrungen für eine friedliche, freiheitliche und emokratische Entwicklung des Iran eingesetzt. Die undesregierung hat zu Recht mehrfach bekundet, dass ie diese Bemühungen unterstützt. Es ist daher ihre Ver- flichtung, unbürokratisch, großzügig und schnell irani- che Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen. Die Bundesregierung hat mit der Aufnahme von ge- ade einmal 50 Flüchtlingen ihre eigenen hehren Worte ntergraben. Das Zögern und Hinhalten gefährdet Leib nd Leben von Menschen und nimmt der Kritik an der ranischen Regierung ihre Substanz. Es ist klar und dringend geboten, mehr als die vom undesinnenminister bereits angekündigten 50 Flücht- inge aus dem Iran aufzunehmen. Die Bundesregierung ollte sich hier an anderen westlichen Staaten orientie- en, die weitreichendere Maßnahmen ergriffen haben. ie USA (1 169), Kanada (255), Australien (89), chweden (45), Großbritannien (5), Finnland (5), die iederlande (4) und Frankreich (3) haben allein im Jahr 009 bereits 1 575 iranische Flüchtlinge aus der Türkei m Rahmen eines Resettlement-Programms mit dem NHCR aufgenommen. Wir stimmen dem Antrag der SPD und unserer Frak- ion zu, betonen aber, dass die Zeit für langwierige Prüf- rozesse abgelaufen ist. Der Antrag der Grünen-Bun- estagsfraktion vom 7. Juli dieses Jahres – Drucksache 7/2439 – legt die Gründe dafür ausführlich dar: Die erhältnisse im Iran und in der Türkei sind bekannt und ielfach bezeugt. Jetzt ist der Zeitpunkt für die Bundes- egierung gekommen, ihren Worten Taten folgen zu las- en. nlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Niema Movassat, Karin Binder, Sevim Dağdelen, Heidrun Dittrich, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Ulla Jelpke und Harald Koch (alle DIE LINKE) zur Abstimmung über den Antrag: Menschen- rechtslage im Iran verbessern (Tagesordnungs- punkt 7 a) Neben dem kritikwürdigen Vorgehen der Opposi- ionsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die erst inen gemeinsamen Antrag mit der Fraktion Die Linke orbereitet, und dann den Regierungsantrag mitgezeich- et haben, lehnen wir den oben genannten Antrag aus olgenden Gründen ab: Die Linke hat sich bereits in den Beratungen mit der PD und dem Bündnis 90/Die Grünen für den Fall schtiani eingesetzt und die Verurteilung der Todes- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8711 (A) ) )(B) strafe weltweit gefordert. Wir wollen ein starkes Zeichen setzen, um das Leben von Sakine Aschtiani zu schützen. Diese wichtigen zwei Forderungen werden in dem An- trag der vier Fraktionen konterkariert. Der Fall Aschtiani kommt nur als eine kleine Randbemerkung vor. Die weltweite Abschaffung der Todesstrafe bleibt gänzlich unerwähnt. Das zeigt, dass es CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen nicht ernsthaft um das Leben von Frau Aschtiani geht. Der Antrag „Menschenrechtslage im Iran verbessern“ steht im Kontext der geopolitischen Eskalationsstrategie gegen den Iran. Der Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen missbraucht den Fall der zum Tode verurteilten Iranerin Aschtiani zu einer will- kürlichen und in Teilen auch unseriösen Ansammlung von Vorwürfen gegen den Iran insgesamt. Unseriös ist dabei vor allem der wiederholte Bezug auf den Präsiden- ten Ahmadinedschad als Hauptverantwortlichen für die Menschenrechtsverletzungen. Diese gab es schon vor der jetzigen Regierung, auch ohne Ahmadinedschad. Die Kontinuität der Menschenrechtslage wird somit auf- grund geopolitischer Interessen bewusst ausgeblendet. Wir lehnen den Antrag ab, weil er sich für Sanktionen ausspricht und dabei lediglich fordert, dass diese „in ers- ter Linie das Regime und nicht die Bevölkerung des Landes treffen“ sollen. Dass dies strukturell und prak- tisch unmöglich ist, ist spätestens seit den Sanktionen gegen den Irak bekannt, womit diese Forderung die geo- strategische Motivation hinter diesem „Menschenrechts- antrag“ weiter entlarvt. Wir lehnen Forderungen nach Sanktionen im Falle des Iran grundsätzlich ab. Ohnehin geht es beispiels- weise bei den EU-Sanktionen nicht um die Durchset- zung von Menschenrechten, sondern erklärtermaßen ein- zig und allein darum, Druck im Zusammenhang mit dem – zivilen – Atomprogramm auszuüben. Iran hat aller- dings nicht gegen den Atomwaffensperrvertrag versto- ßen, weshalb es auch in dieser Hinsicht keine Grundlage für Sanktionen gibt. Anstatt sich seriös für das Leben der Iranerin Aschtiani einzusetzen, werden Menschenrechte wieder einmal als Einfallstor genutzt, um andere politische Ziele durchzu- setzen. Dies untergräbt die Glaubwürdigkeit jeder Men- schenrechtspolitik. Dieser Antrag leistet damit vor dem Hintergrund der konkreten Kriegsdrohungen gegenüber Iran – wie sie erst jüngst durch Veröffentlichungen auf Wikileaks bestätigt wurden – einer Zuspitzung der ange- spannten Situation Vorschub und ist deshalb gefährlich. Der Antrag erinnert an Vorgänge und Kriegslegitima- tionsversuche, wie wir sie im Vorfeld des völkerrechts- widrigen Feldzugs gegen den Irak erlebt haben. Wir sind gegen einen neuen Krieg im Nahen und Mittleren Osten, der katastrophale und unkalkulierbare Konsequenzen für die Gesamtregion hätte, und wenden uns gegen jedwede ideologische Kriegsvorbereitung. Aus diesen Gründen lehnen wir den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen „Menschenrechte im Iran verbessern“ – Drucksache 17/4011 – ab. A F u g l Z B d i u b g S M a w K s g l k Z f r E r d d r s u d g s t b d g d d (C (D nlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Alexander Funk und Klaus- Peter Willsch (beide CDU/CSU) zum Antrag: Irland unterstützen – Euro stabilisieren hier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta- ges gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusam- menarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (Zusatztagesord- nungspunkt 8) Hiermit teilen wir mit, dass wir uns dem Antrag der raktionen der CDU/CSU und FDP „Irland unterstützen nd den Euro stabilisieren“ nicht anschließen werden. Unsere Entscheidung ist eine logische Folge unserer rundsätzlichen Ablehnung gegenüber der „Griechen- andhilfe“ und dem „Rettungsschirm für die Euro- one“. Bereits im Mai dieses Jahres haben wir unsere edenken gegenüber diesen Maßnahmen ausführlich argelegt“. An dieser Haltung hat sich nichts geändert – m Gegenteil: Die Entwicklungen an den Finanzmärkten nd Stellungnahmen renommierter Finanzexperten ha- en uns darin bestärkt. So verweisen wir beispielsweise auf die Sonderaus- abe „Ein Krisenmechanismus für die Eurozone“ des ifo chnelldienst vom Institut für Wirtschaftsforschung ünchen, erschienen am 23. November 2010, in dem nhand von Daten und Fakten überzeugend dargelegt ird, dass die gegenwärtigen Turbulenzen nicht eine rise des Euro indizieren, sondern Konsequenzen mas- iver wirtschafts- und fiskalpolitischer Fehlentwicklun- en der entsprechenden Länder sind. Das Ausspreizen der Zinsen, das für viele als bedroh- iche Krise erscheint, und in der Tat zur Belastung der reditfinanzierten Staatsausgaben wird, war zu keinem eitpunkt auch nur annähernd so groß wie vor der Ein- ührung des Euro, vgl. ifo Schnelldienst, Seite 3. Wäh- end indes die Länder in der Zeit vor Einführung des uro die Chance hatten, durch Abwertung ihrer Wäh- ung ihre Wettbewerbsfähigkeit und damit das Vertrauen er Märkte wiederherzustellen, sind sie nun gezwungen, urch Preis- und Lohnkürzungen und eine Konsolidie- ung des öffentlichen Budgets real abzuwerten. Dieser chmerzliche Weg ist aus unserer Sicht unausweichlich nd kann nicht über das ungerechtfertigte Verschenken er Bonität Deutschlands und des Vertrauens, das wir enießen, abgewendet werden. Im Gegenteil: Der mas- ive Kapitaltransfer generiert – entgegen seinen Absich- en – eine weitere Verschlechterung der Außenhandels- ilanzen der betroffenen Länder und befeuert zusätzlich en ökonomischen Abwärtstrend, den zu stoppen er vor- ibt. Ging es bei der „Griechenlandhilfe“ noch angeblich arum, die Liquidität eines Landes sicherzustellen, trifft iese Begründung auf Irland schon nicht mehr zu. Irland 8712 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 (A) ) )(B) muss sich nicht in den nächsten sechs Monaten am Kapi- talmarkt bedienen. Sollten die Maßnahmen dazu dienen, die Märkte „zu beruhigen“, kann man in den letzten Tagen, aber auch schon nach der „Griechenlandhilfe“ erkennen, dass die- ser Versuch gescheitert ist, ja scheitern musste. Einer kurzfristigen Beruhigung der Märkte nach dem Be- schluss zum Euro-Rettungsschirm folgte die Erkenntnis, dass zehnjährige Anleihen nicht geschützt sind, und die Spreads stiegen verständlicherweise wieder an. In der Fehlentwicklung konsequent werden bereits Stimmen laut, die eine dauerhafte Verstetigung des Rettungsschir- mes fordern. Den Maßnahmen liegt insgesamt ein ver- zerrtes Bild marktwirtschaftlicher Dynamik und Psycho- logie zugrunde: Wir erliegen der Illusion, über bereits jetzt unüberschaubare Garantiesummen nachvollzieh- bare und der ökonomischen Realität angemessene Be- wertungsmaßstäbe – CDS-Anstieg, Zinsspreads – aus- blenden zu können. Den Preis dieser Bemühungen wird der deutsche Steuerzahler mittelfristig und mindestens indirekt über steigende Zinslasten zu tragen haben. Weiterhin wird oftmals von den Befürwortern der „Euro-Rettung“ argumentiert, man müsse das europäi- sche Bankenwesen retten. Sollte dies ein ernsthaftes Ar- gument sein, lehne ich es strikt ab, da dies ebenfalls Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft außer Kraft setzt. Dies würde bedeuten, dass Finanzakteure Ge- winne mitnehmen dürfen – die Verluste aber muss der Steuerzahler tragen. So ist es zwar richtig, dass die Kurse vieler (süd-)europäischer Anleihen gefallen sind; dem stehen aber Kursgewinne anderer, beispielsweise deut- scher Anleihen, gegenüber. Sollte eine Bank wirklich in eine finanzielle Schieflage aufgrund von Abschreibungen ihrer Staatspapiere kommen, halten wir eine direkte Ret- tung für Banken im Notfall für sinnvoller. Dann könnte nach einer Verstaatlichung, Konsolidierung und einem späteren Verkauf der Bank dem Steuerzahler zumindest die Chance auf eine Gewinnbeteiligung ermöglicht wer- den. Viel wichtiger ist jedoch, dass es unserem Grundver- ständnis widerspricht, dass der Staat die Risiken von Finanzakteuren übernimmt und diese ihre Gewinne ein- streichen können. Nun zielt der konkrete Antrag auf eine Stabilisierung des Euro ab. Die entsprechende Debatte ist weiterhin ge- prägt vom Nichtvorliegen konkreter Daten und Fakten seitens der Bundesregierung: Bemessen sich Stabilitäts- kriterien an der Inflationsrate des Euro, bezüglich des Wechselkurses zum US-Dollar oder an möglichst mini- malen Kursschwankungen? Auch diesbezüglich monie- ren wir die für uns persönlich unklare wirtschaftliche Folgenabschätzung, die mit sinkenden bzw. steigenden Euro-Kursen verbunden ist. Diese Fragen und Überlegungen führen uns zu dem Schluss, dass es sich bei Fortführung der tadelnswerten Strategie nicht um eine unabweisliche Bewältigung einer Krise der Gemeinschaftswährung handelt, sondern da- rum, betroffene Finanzakteure von den desaströsen Fol- gen einer weiteren Kreditüberversorgung zu entlasten und unseren Partnern in der Euro-Zone – am Markt nicht gerechtfertigte – niedrige Zinssätze zu garantieren. f e ü A s w A B O v l O l I „ k P d b b w d A d (C (D Diesen Weg halten wir aus haushaltspolitischer Sicht ür Deutschland für höchst gefährlich und mit unseren uropapolitischen und marktwirtschaftlichen Grund- berzeugungen unvereinbar. Wir marschieren sehenden uges in eine Transferunion, die man aus europapoliti- chen Gründen befürworten mag, die wir persönlich aber eiterhin strikt ablehnen. nlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Winfried Hermann, Monika Lazar und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (alle BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Fortsetzung der Be- teiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Be- kämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 und der Reso- lutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Ok- tober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1897 (2009) vom 30. November 2009 und nach- folgender Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in Verbindung mit der Ge- meinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. November 2008, dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2009, dem Beschluss 2010/437/GASP des Rates der Europäischen Union vom 30. Juli 2010 und dem erwarteten Beschluss des Rates der Euro- päischen Union vom 13. Dezember 2010 (Tages- ordnungspunkt 11) Den Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der eteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der peration Atalanta lehne ich ab. Erstens. Das Einsatzgebiet der Bundeswehr ist in dem orgelegten Antrag nicht ausreichend bestimmt festge- egt. Es bleibt offen, in welchen Teilen des Indischen zeans die deutschen Streitkräfte eingesetzt werden sol- en. Der Indische Ozean ist groß. Er reicht von Afrika bis ndien und Australien. In der Begründung des Antrags wird ausgeführt, dass infolge der internationalen Maßnahmen zur Pirateriebe- ämpfung vor der somalischen Küste die somalischen iraten ihre Aktivitäten bis zu 1 300 Seemeilen weit in en Indischen Ozean ausgedehnt haben.“ In den Aufga- en für die Bundeswehr wird die „Überwachung der Ge- iete vor der Küste Somalias“ genannt, ohne Festlegung, ie weit die Gebiete vor der Küste reichen sollen – Nr. 3 c es Antrags. Das Einsatzgebiet der Operation Atlanta umfasst laut ntrag „zur See die Meeresgebiete innerhalb der Region es Indischen Ozeans vor der Küste Somalias und be- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8713 (A) ) )(B) nachbarter Länder. Innerhalb dieses Einsatzgebietes wird auf Vorschlag des Oberkommandeurs ein zur Erfül- lung seines Auftrages zweckmäßiges Operationsgebiet durch den Rat der EU bzw. dessen Gremium festgelegt.“ Ob zu dem Einsatzgebiet der Bundeswehr beispielweise die Meeresgebiete um die Seychellen oder vor der indi- schen Küste gehören, bleibt ungewiss. Zweitens. Die Bundesregierung kümmert sich nicht um die Ursachen der Piraterie vor der Küste Somalias. Fischer, denen von schwimmenden Fischfabriken im Meer vor Somalia die Existenzgrundlage geraubt wurde, wurden zu Piraten. Darüber ist die frühere Bundesregie- rung informiert gewesen und ausgegangen, als sie über den Beginn der Beteiligung der Bundesmarine an der Operation Atlanta entschieden hat. Das Auswärtige Amt hatte mir „einen erkennbaren Zusammenhang zwischen Piraterie und illegaler Fischerei bestätigt“. Von 2006 bis 2009 waren – nach der Antwort der Bun- desregierung auf die parlamentarische Anfrage 17/1287 – im Indischen Ozean ein italienisches Ringwaden-Fischerei- fahrzeug sowie, in einzelnen Jahren in unterschiedlicher Zahl, auch französische und spanische Fischereischiffe aktiv. Sie waren daran beteiligt, Fischgründe vor Soma- lia, die zu den ertragreichsten der Welt gehört hatten, weitgehend leerzufischen. Eine 2009 veröffentlichte Studie der singapurischen Rajaratnam School of International Studies besagt, dass vor der Küste Somalias jedes Jahr Fisch für 90 bis 300 Millionen Dollar illegal gefangen wird. Insgesamt sind laut Angaben der UNO-Ernäh- rungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO 700 Schiffe aus aller Welt beteiligt, die in mehreren Fällen einheimi- sche Fischer mit Hochdruckschläuchen, kochendem Wasser und sogar Schusswaffen abgedrängt haben. Inzwischen wird die Entführung von Handelsschiffen und deren Besatzungen mit anschließender Erpressung von zweistelligen Millionendollarbeträgen von den Ree- dereien von international vernetzten Syndikaten organi- siert. Die Piraterie ist zu einem Wirtschaftszweig gewor- den, durch den den Hintermännern in Somalia und am Golf der überwiegende Teil der erpressten Summen zu- fließen. Auch wenn heute „Fischer nur in geringer Zahl, hauptsächlich aufgrund ihrer seemännischen Erfahrung, in Aktivitäten der Piraten involviert sind“, wäre es Auf- gabe der Bundesregierung, lokale und nationale Fische- reirechte durchzusetzen. Der Kampf gegen die Raubfi- scherei könnte den Piraten zudem die angegebene Legitimation für ihr verbrecherisches Handeln nehmen, weil sie sich nicht mehr als Kämpfer gegen internatio- nale Kriminalität in Form von Raubfischerei ausgeben können. Die Durchsetzung von Fischereirechten, die Regene- rierung der Fischbestände und die gezielte Unterstützung der früheren Fischer und ihrer Familien an der Küste So- malias durch Versorgungs- und Entwicklungshilfe wäre der bessere Beitrag zur Eindämmung der Piraterie. Die Herstellung staatlicher Strukturen und Verwal- tung könnte den rechtlosen Raum beseitigen, in dem die Piraterie blüht und sich immer weiter ausdehnt. a i z h f s u r I g o a b S K b s w k w ö i S h r W g S w v D d u d c f t b W S s e d w c (C (D Zu Unrecht setzt die internationale Gemeinschaft fast usschließlich auf die Übergangsregierung TFG. Diese st durch Machtmissbrauch und Korruption gekenn- eichnet. Sie wird von der Bevölkerung Somalias bis eute nicht als legitime Regierung akzeptiert. Ihre Ein- lusssphäre ist auf nur wenige Teile der Hauptstadt be- chränkt. Laut Antiterrorismuszentrum Gulf Research Centre nterhalten die Islamisten, welche die Übergangsregie- ung bedrohen, keine direkten Kontakte zu den Piraten. m Gegensatz zu Abdullahi Yusuf Ahmed, dem Über- angspräsidenten: Dieser schützt die Piraten gewollt der unfreiwillig, denn er gehört zum Clan der Darod, us dem viele der Piraten stammen. Und Abdullahi raucht dessen Milizionäre im Kampf gegen die Al- habaab-Islamisten. Stattdessen müssen Gespräche mit allen dazu bereiten räften des Landes geführt, lokale Autoritäten einge- unden und unterstützt sowie Hilfe und Entwicklungszu- ammenarbeit angeboten werden. Erfolgreiche Beispiele in Südostasien machen vor, ie eine effektive Antipirateriepolitik gestaltet werden ann. Durch konzertierte multilaterale Politiken, die so- ohl die Strafverfolgung koordinierten als auch die sozio- konomische Lage der Küstenbewohner und -bewohner- nnen verbesserten, konnten Indonesien, Malaysia und ingapur die Piraterie in der Straße von Malakka nach- altig reduzieren. Aber im Mandat von Atalanta und den übrigen Ope- ationen ist dies nicht enthalten. Drittens. Zum Schutz der Versorgungsschiffe des elternährungsprogramms WEP ist der Einsatz einer anzen Armada von Kriegsschiffen und von bis zu 1 400 oldaten der Bundeswehr nicht notwendig. Bisher urde lediglich ein Schiff des WEP im Jahr 2007, also or Beginn der Operation Atalanta, tatsächlich entführt. as UN-Welternährungsprogramm wird viel stärker urch andere Faktoren gefährdet, etwa durch Korruption nd Misswirtschaft. So soll nach dem Bericht der von er UNO eingesetzten Beobachtergruppe für den UN-Si- herheitsrat etwa die Hälfte der Nahrungsmittelhilfen in alsche Hände kommen, nämlich 30 Prozent bei den Ver- eilerorganisationen oder WEP-Angestellten, 10 Prozent ei Transportunternehmen sowie 10 Prozent bei Milizen. Schutz für diese WEP-Schiffe könnte in anderer eise gewährt werden, etwa indem die Reedereien mehr chutzvorkehrungen treffen und nach Möglichkeit be- onders gefährdete Bereiche meiden, solange keine Ver- inbarungen mit der Küstenbevölkerung getroffen wer- en konnten. Viertens. Die Operation Atalanta, an der die Bundes- ehr weiter beteiligt ist, soll wichtige Handelswege si- hern. Dies ist nicht Aufgabe der Bundeswehr. Durch das Seegebiet vor Somalia und vor allem den Golf von Aden führt die wichtigste Handelsroute zwischen Europa, der arabischen Halbinsel und Asien. Deutschland hat als Exportnation an siche- ren Handelswegen großes Interesse, zumal es 8714 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 (A) ) )(B) gleichzeitig auf den Import von Rohstoffen ange- wiesen ist, die zu einem großen Teil auf dem See- weg ins Land gelangen. So steht es im Antrag der Bundesregierung. Darauf hat der Bundesverteidigungsminister jüngst öffentlich hingewiesen. Piraterie gab es schon immer und gibt es noch heute auf vielen Meeren, ohne dass dies bisher ein Grund für einen Einsatz der Bundeswehr war. Im Jahr 2009 waren es weltweit nach Auskunft der Bundesregierung 455 Pi- raterievorfälle. Davon entfielen 155 auf den Golf von Aden und 96 auf den Indischen Ozean. So war die Straße von Malakka viele Jahre kaum passierbar, ohne von Pi- raten bedroht zu werden. Aber deutsche Wirtschaftsinte- ressen waren wohl weniger betroffen. Der Schutz von Handelswegen und des Imports von Rohstoffen ist nicht Aufgabe der Bundeswehr. Handels- und Rohstoffkriege sind durch das Grundgesetz nicht ge- deckt. Fünftens. Der riesige Militäreinsatz von über 50 Kriegsschiffen ist kontraproduktiv. Durch den Einsatz der EU, NATO und von Schiffen vieler weiterer Natio- nen wurde die Piraterie nicht beseitigt oder auch nur ein- gedämmt. Die Piraten sind dem Druck ausgewichen. Die Zahl der Überfälle und Entführungen ist erheblich grö- ßer geworden. Derzeit befinden sich Hunderte von Men- schen in Geiselhaft. 29 Schiffe sind gekapert in der Hand der Piraten. Die Lösegeldsummen sind rapide gestiegen. Das Operationsgebiet ist unendlich weit ausgedehnt worden bis zu den Seychellen und nahe an die Küste In- diens. Ein Ende der Ausdehnung des Operationsgebiets ist nicht abzusehen. Immer mehr Meeresgebiete und Küstenregionen drohen in die Gewaltauseinandersetzun- gen einbezogen zu werden. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Agnes Malczak, Katja Dörner, Uwe Kekeritz, Beate Müller-Gemmeke, Dorothea Steiner und Dr. Harald Terpe (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Soma- lias auf Grundlage des Seerechtsübereinkom- mens der Vereinten Nationen von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1897 (2009) vom 30. November 2009 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsra- tes der Vereinten Nationen in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. Novem- ber 2008, dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezem- ber 2009, dem Beschluss 2010/437/GASP des w A u H E g e t B w l d s d l w g e n n v f s D l l n n f u d r ß e g S S f N s V e G l z w g s n d Ü (C (D Rates der Europäischen Union vom 30. Juli 2010 und dem erwarteten Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 13. Dezember 2010 (Tagesordnungspunkt 11) Die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundes- ehr gehört zu den schwierigsten Entscheidungen, die bgeordnete des Deutschen Bundestages zu treffen haben, nd fordert wie kaum eine andere das Gewissen und erz der Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Dem ngagement der im Rahmen der Operation Atalanta ein- esetzten Soldatinnen und Soldaten sowie ihren Famili- nangehörigen gilt unsere große Wertschätzung und zu- iefst empfundener Dank. Die Gründe für unsere Enthaltung zum Antrag der undesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung be- affneter deutscher Streitkräfte an der Operation Ata- anta möchten wir im Folgenden darlegen: Der Bürgerkrieg und der Staatszerfall in Somalia be- rohen die Sicherheit in der Region. Durch die Piraterie ind die Seewege am Horn von Afrika ernsthaft gefähr- et. Gemeinsames internationales Handeln ist erforder- ich. Es ist ein rechtsfreier Raum entstanden, in dem be- affnete Milizen operieren und Waffenschmuggel in roßem Ausmaß stattfindet. Die somalischen Gewässer ntziehen sich der staatlichen Kontrolle und sind zu ei- em Brennpunkt der internationalen organisierten Krimi- alität geworden. Das Fehlen einer Küstenwache wurde on ausländischen Fischereiflotten in großem Umfang ür illegalen Fischfang genutzt und begünstigte die mas- ive Verklappung von Giftmüll vor der Küste Somalias. urch die Überfischung der Gewässer wurde den soma- ischen Fischern die Lebensgrundlage entzogen. Hierin iegt auch eine von vielen Ursachen für die sich ausdeh- ende Piraterie am Horn von Afrika, die die internatio- alen Seewege und die Lieferung von Nahrungsmitteln ür die Not leidende somalische Bevölkerung bedroht. Die Operation Atalanta ist völkerrechtlich legitimiert nd setzt auf multilaterales Handeln. Doch die Ursachen es zerfallenden Staatswesens in Somalia und der Pirate- ie am Horn von Afrika lässt das vorgelegte Mandat au- er Acht. Der Schutz der internationalen Seewege ist ine kollektive Sicherheitsaufgabe und damit eine Auf- abe der Vereinten Nationen und der internationalen taatengemeinschaft. Die Hohe See steht nach dem UN- eerechtsabkommen von 1982 allen gleichermaßen zur riedlichen Nutzung zu. Mit dem Mandat der Vereinten ationen und der Gemeinsamen Aktion und den Be- chlüssen des Rates der Europäischen Union sind die ölker- und verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für ine deutsche Beteiligung nach Art. 24 Abs. 2 des rundgesetzes erfüllt. Die multilaterale Operation Ata- anta hat zum Schutz humanitärer Hilfslieferungen und ur Vereitelung von seeräuberischen Handlungen, be- affneten Raubüberfällen und Geiselnahmen beigetra- en. Sie setzt jedoch lediglich am Symptom an. Mit einem olchen Ansatz lässt sich das Problem der Piraterie aber icht lösen. Neben Atalanta ist die internationale und eutsche Strategie einseitig auf die Unterstützung der bergangsregierung ausgerichtet, die aufgrund von Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8715 (A) ) )(B) Machtmissbrauch und massiver Korruption von der so- malischen Bevölkerung nicht als legitime Regierung So- malias anerkannt wird. Die Ursachen des zerfallenden Staatswesens in Somalia und der Piraterie am Horn von Afrika werden nicht im erforderlichen Maß bekämpft. Die bisherigen Erfahrungen deuten darauf hin, dass sich die Probleme weiter verschärfen. Der Alltag der Men- schen ist von bitterer Armut, der Willkürherrschaft von Milizen, Flucht und Gewalt geprägt. Die Probleme in Somalia werden so nicht gelöst. Der Ausdehnung der Piraterie begegnet man lediglich mit ei- ner Ausdehnung des Operationsgebietes, das im Mandat nicht näher definiert ist und dessen Größe sich daher zu- nehmend der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen droht. Die Anzahl der Piratenangriffe hat sich seit Beginn der Militäraktion kontinuierlich erhöht, die Lösegeld- summen werden immer höher. Während die Piraterie im Golf von Aden gesunken ist, stieg sie im Somalibecken und Indischen Ozean an. Der erweiterte Aktionsradius der Piraten führt zu einer ständigen Ausweitung des Mandatsgebietes von Atalanta. Die einseitige Konzen- tration auf die Symptombekämpfung birgt die Gefahr ei- ner zunehmenden Tendenz zu schnellen, aber nicht nachhaltigen militärischen Antworten. Die Unbestimmt- heit des Operationsgebietes stellt zudem ein ernsthaftes Problem für die Wahrung der parlamentarischen Kon- trolle von Einsätzen der Bundeswehr dar. Es bedarf einer kohärenten Gesamtstrategie, in deren Rahmen die EU-geführte Operation Atalanta eine not- wendige und sinnvolle Komponente sein kann. Im Vor- dergrund muss dabei die Eindämmung der Gewalt und Suche nach einer politischen Lösung stehen. Deutsch- land muss sich für einen nachhaltigen Friedensprozess einsetzen, der alle gesprächsbereiten Gruppierungen in Somalia mit einbindet und einen Staatsaufbau von unten her durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit als legi- tim anerkannten lokalen Autoritäten unterstützt. Wichtig ist dabei, dass alle Konfliktparteien, einschließlich der so- malischen Übergangsregierung, sowie die Friedensmis- sion der Afrikanischen Union für Somalia, AMISOM, die Mindeststandards des humanitären Völkerrechts und Menschenrechte achten. Zur Förderung des Friedens und Bekämpfung von Pi- raterie gehört auch eine konsequente Entwaffnung. Dies beinhaltet auch, dem anhaltenden Waffenschmuggel ent- schieden entgegenzuwirken und sich für eine strikte Ein- haltung des Waffenembargos unter Überwachung durch die Vereinten Nationen einzusetzen. Die Ausrüstungs- und Ausbildungsprogramme für bewaffnete Kräfte der somalischen Übergangsregierung tragen zur Steigerung des Gewaltniveaus in Somalia bei und sollten daher aus- gesetzt werden. Die internationale Gemeinschaft und die Bundesrepublik müssen in Somalia den Fokus stärker auf Maßnahmen der Demilitarisierung, Demobilisie- rung und Reintegration von bewaffneten Kämpfern rich- ten. Für eine nachhaltige Ursachenbekämpfung ist zentral, durch Maßnahmen zur Armutsreduktion und die Eröff- nung von alternativen wirtschaftlichen Perspektiven der P d s g b u g b K x u K b g k e s s w s n i t t P s e s K h s t H m z g d d s A d s J i d t e I (C (D iraterie den Nährboden zu entziehen. Gezielte Ausbil- ungs- und Beschäftigungsmaßnahmen für die somali- che Bevölkerung und eine Verstärkung der Versor- ungs- und Entwicklungshilfe sind hierbei unverzicht- are Bestandteile. Der illegale Fischfang europäischer nd asiatischer Fischtrawler und die illegale Müllentsor- ung in somalischen Gewässern müssen wirksam unter- unden werden. Piraterie ist eine Form transnationaler organisierter riminalität, das Kapern von Schiffen nur Teil komple- er Strukturen und Prozesse. Um diese zu zerschlagen nd die Drahtzieher im Hintergrund aufzuspüren, nützen riegsschiffe und Aufklärungsflugzeuge wenig. Eine ewährte Methode zur Bekämpfung transnationaler or- anisierter Kriminalität sollte auch bei der Pirateriebe- ämpfung verstärkt umgesetzt werden: Geldwäsche von rpressten Lösegeldern der Piraten international wirk- am zu verfolgen. Bemühungen hierzu sind zwar in An- ätzen vorhanden, müssen aber noch deutlich ausgebaut erden. Die Mission setzt nicht bei den gesellschaftlichen Ur- achen der Piraterie an. Der Ursprung der Piraterie liegt icht auf dem Meer, sondern auf dem Land. Würde die nternationale Gemeinschaft mit dem gleichen Koopera- ionswillen und Engagement, wie sie ihn bei der Opera- ion Atalanta unter Beweis stellt, auch die Ursachen der iraterie bekämpfen, könnten deutlich größere Fort- chritte bei der Schaffung von Sicherheit in der Region rzielt werden. Wir brauchen daher eine kohärente Ge- amtstrategie, in der der Einsatz von Militär als eine omponente klar definiert und begrenzt ist. Hierzu ge- ört auch, eine Perspektive für die Beendigung des Ein- atzes von Anfang an mitzudenken. Trotz der Auswei- ung der Operation Atalanta nimmt die Piraterie am orn von Afrika zu. Die Antwort darauf kann nicht im- er wieder eine weitere Ausdehnung des Militäreinsat- es sein, während die Lösung der Probleme aus den Augen erät. Einem Mandat für den Einsatz von Militär ohne ie aufgezeigten zivilen Maßnahmen zur Bekämpfung er Wurzeln von Piraterie können wir daher nicht zu- timmen. nlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei Ver- tragsabschlüssen im Internet (Tagesordnungs- punkt 14) Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Das leidige Thema er sogenannten Internetabofallen beschäftigt uns leider eit geraumer Zeit. Wir haben hier beispielsweise im uni dazu diskutiert. Unseriöse Anbieter richten Schäden n erheblicher Höhe an, indem Sie die Verbraucher über ie Unentgeltlichkeit von Dienstleistungen oder Waren äuschen. Die Geschädigten erfahren das zumeist zudem rst Wochen später durch eine Rechnung. Den folgenden nkassobriefen halten wenige stand. 8716 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 (A) ) )(B) Sowohl Zivil-, Straf- als auch Wettbewerbsrecht bie- ten heute schon viele Möglichkeiten, um Abofallen im konkreten Einzelfall erfolgreich zu begegnen, ihnen schadlos zu entkommen und Täter zu verfolgen. Die vor- handenen Regelungen allein reichen aber nicht aus, um die Verbraucher ausreichend zu schützen. Nötiges Wis- sen fehlt oft. Es gibt Regelungslücken. Die christlich- liberale Koalition hat sich daher im Koalitionsvertrag zum Handeln verpflichtet. Wir haben dabei von Anfang an einen gemeinsamen europäischen Weg angestrebt. Das war unser Handlungsziel, und das ist es angesichts der vor den Landesgrenzen nicht haltmachenden Schur- kereien noch immer. In den letzten Monaten mussten wir aber zunehmend erkennen, dass dieser Weg leider so schnell nicht zu beschreiten ist, wie wir uns das wün- schen. Zwar wollen die europäischen Partner, will entge- gen den Behauptungen der Antragsteller auch EU-Kom- missarin Reding mitziehen, schnell wird auf dieser Ebene aber wohl leider nichts passieren. Solange die von Ministerin Ilse Aigner in Europa an- gestoßene, in unseren Augen absolut notwendige Voll- harmonisierung der europäischen Verbraucherschutzbe- stimmungen weitgehend nach dem Vorbild der bei uns bewährten Form aber auf sich warten lässt, halten wir Wort. Nun gibt es die nationale Lösung auf Zeit, der Re- ferentenentwurf des BMJ dazu liegt vor. Die sogenannte Button-Lösung wird kommen. Die Anbieter sind damit verpflichtet, bei elektronisch ge- schlossenen Verträgen durch einen hervorgehobenen und deutlich gestalteten Hinweis über den Gesamtpreis einer Ware oder Dienstleistung zu informieren. Darüber hi- naus müssen die Anbieter ihre Internetseiten so gestal- ten, dass Verbraucher ihre Bestellung erst aufgeben kön- nen, nachdem sie durch Anklicken eines hierfür einzurichtenden Buttons bestätigt haben, dass sie die Preisangabe zur Kenntnis genommen haben. Ein Vertrag auf diesem elektronischen Wege kann danach nur wirk- sam zustande kommen, wenn der Anbieter beide dieser Voraussetzungen erfüllt hat. Diese Button-Lösung ist aber nicht die des heute zu diskutierenden Entwurfs der SPD. Der SPD-Antrag geht in die richtige Richtung, den konkreten Weg aber können wir aus gutem Grund nicht mitgehen. Die in der An- tragsbegründung angesprochenen Regelungslücken lie- gen schon nicht in der Weise vor, wie es die SPD be- hauptet. Ihre Ausführungen lassen auf die Annahme schließen, dass Verträge aus Internetkostenfallen immer wirksam zustande kommen würden und Verbraucher nur dann geschützt wären, wenn sie gegen solche vermeint- lichen Verträge rechtzeitig vorgehen würden. Das ist falsch. Bereits nach aktueller Rechtslage fehlt es den typi- schen Abofallen an dem Zustandekommen eines entgelt- lichen Vertrages, da es an der Abgabe übereinstimmen- der Willenserklärungen der Parteien fehlt. Dazu gehört unter anderem, dass sich beide Parteien vorher über die wesentlichen Vertragsmerkmale einig geworden sind. Zu diesen gehören auch und insbesondere die mit dem Ver- trag verbundenen Kosten. Ein Vertrag kann demnach nicht wirksam durch einen Mausklick zustande kom- m n a i d t d p n k k D p w n d a d c N t u l k v a s e n E R S d S s s a t v v D k m K l d w s s (C (D en, wenn der Verbraucher bis zu diesem Mausklick icht hinreichend auf die Kosten hingewiesen wurde. Darüber hinaus ist der vorliegende SPD-Entwurf so ufgebaut, dass die Wirksamkeit des Vertrages von den n der Norm geforderten Angaben abhängt. Es fehlt je- och daran, dass der Anbieter verpflichtet wäre, sein In- ernetangebot entsprechend zu gestalten. Der vorgelegte Referentenentwurf hat demgegenüber en Vorteil, dass er den Verbraucherschutzverbänden ein räventives Tätigwerden ermöglicht, wenn die Seiten icht entsprechend gestaltet sind, also unabhängig von onkreten unwirksamen Vertragsschlüssen. Die Angaben zur Entgeltlichkeit und zu den Gesamt- osten sind im SPD-Entwurf nicht umfangreich genug. er Referentenentwurf umfasst hier neben dem Gesamt- reis auch etwaige Übersendungs- und Frachtkosten so- ie die Darstellung der Laufzeit bei Dauerschuldverhält- issen. Der Deutsche Richterbund fuhrt in seiner zustimmen- en Stellungnahme zum Referentenentwurf zutreffend us, dass die neuen Regeln vor allem die Pflichten aus er bestehenden Preisangabenverordnung vereinheitli- hen. Schon jetzt hat eine Vielzahl von Anbietern ihren etzauftritt so gestaltet, wie es das neue Gesetz zukünf- ig erfordert. Die Vorschrift richtet sich zielgenau gegen nseriös Agierende; für seriöse Anbieter ist sie keine Be- astung. Auch das ist mir wichtig, Stichwort: Bürokratie- osten. Daneben aber, das halte ich für genauso wichtig, ist es orrangig unsere Aufgabe, die Verbraucher umfassend ufzuklären. Wir müssen sie bei der Informationsbe- chaffung noch weitgehender unterstützen. Das ist die igentliche große Aufgabe der Politik. Mechthild Heil (CDU/CSU): „Sollte bis zum Herbst icht erkennbar sein, dass sich eine Button-Lösung auf U-Ebene abzeichnet, werden wir uns um eine nationale egelung bemühen“, so unsere Ministerin Ilse Aigner. ie macht verlässliche Politik. Sie handelt. Sie ergreift ie Initiative. Der Referentenentwurf liegt uns vor. Die PD ist auf den Zug aufgesprungen. Schön, wir nehmen ie gerne mit. Die Sachlage ist beschrieben: Kochrezepte, Horo- koperstellung und ähnliche Dienste werden dem Nutzer ngeboten. Oft steht ganz prominent auf der Seite „Gra- is“, „Free“ oder „Kostenlos“. Und weiter unten steht ersteckt: „Kostenpflichtig“ oder: „Nur frei für die erste on noch weiteren Sendungen“. Das Hinterhältige daran ist: Es handelt sich bei diesen iensten um solche, die üblicherweise kostenlos zu be- ommen sind. Mit dieser Erwartungshaltung übersieht an leicht die geschickt versteckten Hinweise zu den osten und der Laufzeit. Auch versierte Internetnutzer assen sich so überrumpeln. Klar, diese Firmen legen es arauf an. Das ist ihre Geschäftsidee: Abkassieren, die ahren Bedingungen verschleiern, verstecken, ver- chweigen. Das ist kriminell. Da gibt es nichts zu be- chönigen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8717 (A) ) )(B) Die Gesetzeslage ist klar. In den meisten dieser Fälle muss der Verbraucher nicht zahlen, weil gar kein Vertrag zustande gekommen ist, die AGB unwirksam sind oder nicht ausdrücklich auf die AGB hingewiesen wurde. Bei Minderjährigen kommt sowieso nur mit Zustimmung der Eltern ein Vertrag zustande. Oft wird das Gebot von Treu und Glauben nicht eingehalten. Der Vertrag kann heute nach geltendem Recht widerrufen werden, so lange bis die Leistung vollständig erbracht ist. Es kann ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung vorliegen. Hier kön- nen Geldbußen bis zu 25 000 Euro verhängt werden. Zu- ständig sind die Länder. Es kann auch ein Verstoß gegen die Gewerbeordnung vorliegen, mit der Folge, dass so- gar das Gewerbe untersagt werden kann. Bei Zuwider- handeln können 5 000 Euro verhängt werden. Rechtsan- wälte, die das Geld einfordern, können unter Umständen haftbar gemacht werden. Auch Rechtsanwaltskosten können geltend gemacht werden. Sie merken, der Ver- braucher ist ganz und gar nicht rechtlos! Das Problem ist nur: Welcher Verbraucher findet sich in diesen „Abwehrmöglichkeiten“ zurecht? Dies alles können natürlich Juristen gut beurteilen; aber der Ver- braucher ist selten Jurist. Der Verbraucher fühlt sich hilflos, wenn erst einmal eine Rechnung ist Haus geflattert ist und ihn ein Inkas- sounternehmen einzuschüchtern versucht und versucht, Druck aufzubauen. Viele Verbraucher ärgern sich über ihre eigene Naivität genauso wie über die Aggressivität und die offensichtliche Kriminalität der Anbieter – und zahlen am Ende, weil sie keine andere Lösung wissen. Dreistigkeit siegt über Gutgläubigkeit. Das werden wir nicht länger hinnehmen. Aber was kann der Verbraucher tun? Was können wir tun? Jeder Verbraucher, der in eine Internetkostenfalle getappt ist, sollte den guten Rat beherzigen, auf keinen Fall zu zahlen, sondern zunächst sich zu informieren, seine rechtlichen Möglichkeiten kennenzulernen, Hilfe zu suchen. Dies kann er zum Beispiel auf der Homepage des Justizministeriums tun, oder er wendet sich an eine der Verbraucherzentralen. Diese gehen dann gegebenen- falls gegen unlauteren Wettbewerb vor. Ordnungsgelder bis zu 250 000 Euro sind möglich und Gewinne können abgeschöpft werden. Und er sollte vorsichtig sein und Angebote im Internet gewissenhaft prüfen – wie das bei jedem anderen Angebot auch sinnvoll ist. Aber Information und Hilfe allein reichen leider manchmal nicht. Wie sonst wäre es möglich, dass auch geschäftlich gewiefte Menschen in die Abofalle tappen? Mit der sogenannten Button-Lösung gehen wir das Pro- blem in seinem Ursprung an. Die Lösung ist einfach, eindeutig und verbraucherfreundlich. Bevor es zu einem Vertrag kommt, muss der Anbieter einen Button, ein übersichtlich gestaltetes Feld, bestätigen, anklicken, ab- haken lassen. Dort muss er kurz und prägnant über die Kosten und die Laufzeit des Geschäfts informiert werden. Dies hat zwei Vorteile: Erstens. Der Verbraucher macht sich die Konsequenzen seines Tuns bewusst. Zweitens. Wir erschweren den Versteckern, Verschweigern, Vertu- schern der wahren Vertragsbedingungen ihr Handwerk. Noch besser wäre es, wenn Europa mitziehen würde. Deutsche Verbraucher surfen auch über Landesgrenzen h m e g v W V a s t v d b r t r w c D e t s d T d d v s – t b V h h w B b s t u b s w k p A o c d z f n a s f (C (D inweg. Die im Ausland sitzenden Anbieter erreicht man it einer nationalen gesetzlichen Lösung schwer. Eine uropäische Lösung ist besser als ein deutscher Allein- ang. Deshalb unterstützen wir auch weiter die Initiative on Bundesministerin Aigner auf europäischer Ebene. ir wünschen ihr viel Erfolg zum Vorteil aller Kunden. Circa 276 000 Unternehmen betreiben Onlinehandel. iele von ihnen haben ihre Seiten klar und übersichtlich ufgebaut. Dies werden wir nicht mit weiteren Formvor- chriften belasten. Den wenigen aber, die kriminell un- erwegs sind, Internetgeschäfte in Verruf bringen und on Kunden ungerechtfertigt Geld eintreiben, sagen wir en Kampf an. Wir unterstützen Verbraucher und Ver- raucherinnen. Das macht die Bundesregierung mit ih- em Referentenentwurf. Das ist christlich-liberale Poli- ik. Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD): Heute be- aten wir in zweiter und dritter Lesung den Gesetzent- urf meiner Fraktion zur Verbesserung des Verbrau- herschutzes bei Vertragsabschlüssen im Internet. iesen Gesetzentwurf haben wir bereits Anfang Juli ingebracht. Unser Ziel ist es damit, der Abzocke im In- ernet schnell einen Riegel vorzuschieben. Wir alle wis- en – und alle Fraktionen hier im Bundestag sind sich arin einig –, dass dringender Handlungsbedarf besteht. ausende von Verbraucherinnen und Verbrauchern wur- en bereits über Internetgeschäfte ausgenommen, über en Tisch gezogen und übers Ohr gehauen. Monatlich erzeichnen die Verbraucherzentralen über 20 000 Be- chwerden von Menschen, die wortwörtlich in die Falle in die Abzock- und Abofalle – getappt sind. Wir wollen, dass ein im Internet geschlossener Ver- rag nur wirksam wird, wenn Verbraucherinnen und Ver- raucher deutlich darauf hingewiesen wurden, dass ein ertragsabschluss zustande kommt und Kosten entste- en werden. Über einen separaten, besonders grafisch ervorgehobenen Hinweis müssen die Kosten dargestellt erden. Erst durch das Anklicken dieses sogenannten uttons kommt der Vertrag zustande, wird von den Ver- raucherinnen und Verbrauchern bestätigt, dass Einver- tändnis mit einem Vertrag besteht. Damit wird Kosten- ransparenz im Internet gewährleistet und es wird nseriösen und kriminellen Anbietern erschwert, Ver- raucherinnen und Verbraucher durch unklare oder ver- teckte Preisangaben in Kostenfallen zu locken. Es gibt im World Wide Web viele seriöse und be- ährte kostenlose Angebote, seien es Rezeptdatenban- en, Routenplaner oder Gratissoftwareangebote. Höchst roblematisch ist aber, dass es mehr und mehr dubiose nbieter gibt, die in ähnlicher Aufmachung Angebote fferieren. Es wird der Eindruck erweckt, als sei die Sa- he kostenlos, bei Nutzung des Angebotes aber schlägt ie Kostenfalle zu. Die Erfahrungen der Verbraucher- entralen zeigen, dass sich selbst erfahrene Internetsur- er auf Webseiten anmelden, um kostenlose Angebote zu utzen oder an Gewinnspielen teilzunehmen. Tatsächlich ber kommt mit der Anmeldung bereits ein Vertrag zu- tande. Besonders verwerflich ist es, wenn sich solche Of- erten an Kinder und Jugendliche wenden, etwa wenn 8718 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 (A) ) )(B) angeblich kostenlose Hausaufgabenhilfen angeboten werden. Die kriminelle Energie der unseriösen Ge- schäftemacher kennt hier wirklich keine Grenzen. Dass Kosten entstehen, ist auf den ersten Blick nicht zu erken- nen, sondern verbirgt sich versteckt im Kleingedruckten oder in den allgemeinen Geschäftsbedingungen. Diesem Missbrauch muss ein Riegel vorgeschoben werden. Mit der von uns vorgeschlagenen sogenannten But- ton-Lösung wird diesen Praktiken die Grundlage entzo- gen, weil Verbraucherinnen und Verbraucher ein Feld mit den Gesamtkosten noch einmal durch Anklicken be- stätigen müssen, also erkennen können, dass und welche Kosten entstehen. Warum, Frau Ministerin Leutheusser- Schnarrenberger und Frau Ministerin Aigner, haben Sie nicht schon lange gehandelt? Warum haben Sie monate- lang auf eine europäische Regelung vertröstet, obwohl diese nicht vor Ende 2012 zu erwarten ist. Sie haben wertvolle Zeit verstreichen lassen. Warum legten Sie erst am 29. Oktober einen ersten Referentenentwurf vor? Angesichts der Zahlen, die die Verbraucherverbände vorlegen – 20 000 Beschwerden monatlich und ein jähr- licher Schaden im mehrstelligen Millionenbereich – ist mir das unbegreiflich. Ich verstehe auch nicht, warum die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU und der FDP im Rechtsausschuss unserem Gesetzentwurf nicht zugestimmt haben, obwohl sie doch alle unseren Vor- schlag unterstützen und das Gleiche fordern. Ich erin- nere und verweise hier auf die erste Lesung unseres Ge- setzentwurfes am 8. Juli 2010. Frankreich hat die Button-Lösung. Dort sind Pro- bleme mit Kostenfallen im Internet kaum noch ein Thema. Der riesige kriminelle Abzocksumpf muss auch in Deutschland so schnell wie möglich trockengelegt werden. Ich appelliere deshalb an Ihre Vernunft. Ich ap- pelliere an Sie im Namen der Verbraucherinnen und Ver- braucher: Stimmen Sie hier und heute unserem Gesetz- entwurf zu! Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Ob Kochrezepte, Hausaufgabenhilfe oder Software – Hunderttausende von Verbrauchern in Deutschland sind im Internet schon in Kostenfallen getappt. Ein Vertragsschluss liegt bei Kostenfallen in der Regel zwar gar nicht vor. Aber selbst Juristen fällt die juristische Analyse oft schwer, ob der Verbraucher zahlen muss oder nicht. Zusätzlich wird oft mit Schufa-Einträgen und Inkas- sounternehmen gedroht. In der Entscheidungssituation, sich jetzt erst einen Anwalt zu suchen oder doch zu zah- len, wählen Verbraucher oft das für sie einfachere: Sie zahlen. Das ist die Rechtswirklichkeit. Wir müssen die Re- geln so formulieren, dass der Verbraucher erst gar nicht in eine Falle tappt! Eine Button-Lösung ist für redliche Anbieter kein Problem; deshalb sollten wir sie schnell verabschieden. „Alle wollen den Button – warum kommt er nicht?“ Diese Frage stellte der Verbraucherzentrale Bundesver- band im Juli 2010. i u G s f D k F f d e i t w B m f p d d l b b L s S w l o s n s r i b I b s t t n a h t K w u w h g t (C (D Wir wollten der Untätigkeit der Bundesregierung und hrer ewigen Ankündigungsrhetorik nicht länger zusehen nd haben deshalb im Juli 2010 in unserer Fraktion den esetzentwurf beschlossen, der heute zur Abstimmung teht. Am 14. Oktober haben wir die Bundesregierung ge- ragt, wann die Verbraucherinnen und Verbraucher in eutschland denn mit einem Regierungsentwurf rechnen önnen. Am 18. Oktober, also vier Tage nach unserer rage, hat das BMJ endlich einen ersten Entwurf veröf- entlicht und in die Ressortabstimmung gegeben. War as reiner Zufall, oder würden wir ohne unseren Gesetz- ntwurf und ohne unser beharrliches Nachfragen heute mmer noch auf Aktivitäten der Bundesregierung war- en? Auf einen Beschluss des Bundeskabinetts warten ir leider noch immer! Und was macht eigentlich das MELV, außer auf Entwürfe aus dem BMJ zu warten? Am 10. Dezember wird sich der EU-Wettbewerbsrat it dem Entwurf einer Verbraucherrechterichtlinie be- assen und voraussichtlich einen Gemeinsamen Stand- unkt verabschieden. Damit beginnt eine Stillhaltefrist, ie bis zu 18 Monate dauern kann. Wollen Sie wirklich ie Verbraucher noch weitere 18 Monate vertrösten? Dass sich die Bundesregierung mit ihrer Arbeit so ange Zeit lässt, kostet die Verbraucherinnen und Ver- raucher Millionen. Alleine in Baden-Württemberg ha- en sich im Jahr 2009 fast 12 000 Verbraucher bei der andesverbraucherzentrale beschwert. Weil windige Ge- chäftemacher die Kostenfallentricks inzwischen auf martphones ausweiten, wird diese Zahl in 2010 rasant eiter ansteigen. Liebe Regierungskoalition, heute haben Sie die Mög- ichkeit, den Verbraucherschutz im Internet zu stärken – der aber wegen der Stillhaltefrist auf die lange Bank zu chieben. Wenn sie dagegen stimmen, ist das nach mei- er Auffassung Verbraucherabzocke durch Unterlassen. Stephan Thomae (FDP): Kostenfallen im Internet ind ein Problem, das viele von Ihnen vielleicht aus Be- ichten von Freunden und Bekannten kennen. Vielleicht st es sogar schon dem einen oder anderen von Ihnen sel- er passiert: Man surft im Internet auf der Suche nach nformationen oder bestimmten Produkten und stößt da- ei auf ein verlockendes Angebot. Oft werden zum Bei- piel bestimmte Softwareprogramme vermeintlich kos- enfrei angeboten. Wer dann den entscheidenden Klick ätigt, um dieses Angebot anzunehmen, bekommt da- ach nicht selten Post von dem Unternehmen, in dem er ufgefordert wird zu zahlen. Es stellt sich dann nämlich eraus, dass das besagte Angebot eben doch nicht kos- enfrei war. Allerdings war der Hinweis auf entstehende osten nicht auf den ersten Blick erkennbar, weil er ent- eder sehr klein oder kontrastarm oder erst viel weiter nten auf der entsprechenden Internetseite zu finden ar. Was die wenigsten aber wissen, ist, dass man die er- obenen Forderungen der Unternehmen in aller Regel etrost ignorieren kann. Denn ein rechtskräftiger Ver- rag, auf den eine solche Forderung gestützt werden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8719 (A) ) )(B) könnte, ist in solchen Fällen in aller Regel nicht zustande gekommen. Ein solcher Vertrag setzt nämlich voraus, dass sich die Vertragsparteien über mindestens zwei Dinge geeinigt haben: Worum geht es bei dem Vertrag, und welche Kosten kommen auf den Verbraucher zu? Das ist im täglichen Leben nicht anders. Wenn ich zum Bäcker gehe, kaufe ich meine Brötchen auch erst dann, wenn ich weiß, wie viel diese kosten sollen. Das Problem bei den Unternehmen, die sich die Inter- netabzocke zum Beruf gemacht haben, ist, dass sie ihre vermeintlichen Forderungen mit viel Druck einfordern. Da werden Mahnschreiben von Anwälten oder Inkas- sounternehmen verschickt, mit denen die Verbraucher zum Zahlen aufgefordert werden. Wer dann nicht über das nötige juristische Sachverständnis verfügt, zahlt meist, allein schon um weiteren Ärger zu vermeiden. Diesem Geschäftsmodell muss die Grundlage entzo- gen werden. Der Gesetzentwurf der SPD geht zwar in die richtige Richtung. Er ist uns Liberalen jedoch nicht präzise genug. Um Kostenfallen im Internet zu vermei- den, fordern wir, dass sich auf den Internetseiten der Un- ternehmen ein separates Fenster öffnen muss, bevor es zu einem eventuellen Vertragsschluss im Internet kom- men kann. In diesem gesonderten Fenster muss der Ver- braucher genau über alle wesentlichen Vertragsmerk- male informiert werden. Dazu zählen erstens die Ware oder die Dienstleistung, die Gegenstand des Vertrages ist, zweitens sämtliche Kosten, die durch den Vertragsschluss verursacht wer- den, also der Preis für die Ware oder Dienstleistung so- wie gegebenenfalls anfallende Liefer- oder Versandkos- ten. Diese beiden Punkte finden sich zwar auch im Ge- setzentwurf der SPD. Die FDP will aber noch einen Schritt weiter: Geht es in dem Vertrag um regelmäßig wiederkehrende Leistungen, also zum Beispiel um ein Abo, wollen wir, dass der Unternehmer den Verbraucher in dem separaten Fenster drittens auch über die Mindest- laufzeit des Vertrages und vorgesehene Verlängerungen informiert. Nur so kann der Verbraucher vor überra- schenden Vertragsabschlüssen wirksam geschützt wer- den. Dieses Ziel geht aus der von der SPD vorgeschlage- nen Formulierung nicht eindeutig genug hervor. Der Ge- setzentwurf der SPD sieht vor, dass ein entsprechender Vertrag nur wirksam werde, wenn der Verbraucher – ich zitiere – vor Abgabe seiner Bestellung vom Unternehmer ei- nen Hinweis auf die Entgeltlichkeit und die mit dem Vertrag verbundenen Gesamtkosten in deutli- cher, gestaltungstechnisch hervorgehobener Form erhalten und die Kenntnisnahme dieses Hinweises in einer von der Bestellung gesonderten Erklärung bestätigt hat. Bei dieser Formulierung drängt sich mir der Eindruck auf, sie sei bewusst unklar gehalten. In jedem Fall er- möglicht dieser Wortlaut Unternehmern, die von uns ge- forderte Form des Hinweises zu umgehen. b b d s r i e t B T „ z e t d V ä h E m S h m g d t s d t M s w d m s n s z n V d o t u d c A n R i s z a (C (D Zudem löst der Gesetzentwurf der SPD nicht das Pro- lem, dass das Internet keine Landesgrenzen kennt. Die este deutsche Regelung zum Verbraucherschutz nützt eutschen Verbrauchern nichts, wenn sie auf ausländi- chen Internetseiten surfen und dort in Kostenfallen ge- aten. Daher kann erfolgreicher Schutz vor Kostenfallen m Internet auf europäischer Ebene nur im Rahmen einer uropäischen Lösung erreicht werden. Die FDP-Bundes- agsfraktion unterstützt daher ausdrücklich den von der undesregierung eingeschlagenen Kurs zu diesem hema. Denn die Bundesregierung hat das Problem Kostenfallen im Internet“ auch bei den Verhandlungen u dem Vorschlag der Europäischen Kommission für ine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Ra- es über Rechte der Verbraucher angesprochen. Die Bun- esregierung hat dabei für ein europaweit einheitliches orgehen gegen Kostenfallen im Internet geworben. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie ußern in Ihrem Gesetzentwurf die Sorge, dass eine Voll- armonisierung des Verbraucherrechts auf europäischer bene immer weniger Fürsprecher finde. Daher benötigt an nach Ihrer Ansicht eine nationale Lösung. Diese orge teile ich nicht. Denn wenn man sich vor Augen ält, dass auch die anderen europäischen Mitgliedstaaten it Kostenfallen im Internet konfrontiert sind, bin ich uten Mutes, dass wir hier eine europäische Lösung fin- en können. Aus diesen Gründen kann die FDP-Bundestagsfrak- ion den Gesetzentwurf der SPD, trotz seiner guten An- ätze, nicht unterstützen. Dr. Erik Schweickert (FDP): Ein unbedarfter Klick arf nicht weiterhin dazu führen, dass man auf einer In- ernetseite eine Zahlungsverpflichtung eingeht. Diese asche der Abzocker, bei der dem Verbraucher ver- teckte Kosten oder teure Abonnements untergejubelt erden, muss ein Ende haben. Auch muss Schluss sein amit, dass in unverständlichen und ellenlangen Allge- einen Geschäftsbedingungen zusätzliche Kosten ver- teckt werden, die für den Nutzer eines Internetangebots icht erkennbar waren. Der bisherige Rechtsrahmen hat nicht verhindert, dass chwarze Schafe den unbedarften Verbraucher abge- ockt haben. Denn so mancher Verbraucher weiß eben icht, dass in vielen Abzockefällen gar kein wirksamer ertrag zustande gekommen ist, da keine Einigung über en Preis erfolgte, insbesondere wenn vorher mit „free“ der „gratis“ geworben wurde. Dennoch werden die be- rogenen Internetnutzer durch Zahlungsaufforderungen nd Inkassobüros so sehr bedrängt und eingeschüchtert, ass viele am Ende doch einfach zahlen. Deshalb brau- hen wir einen wirksameren Schutz der Verbraucher vor bzocke im Internet. Bei Vertragsabschlüssen im Inter- et muss daher das verbindliche Bestätigungsfeld die egel werden. In diesem Ziel sind wir uns einig. Darum st die christlich-liberale Koalition auch dabei, eine ent- prechende Gesetzesänderung auf den Weg zu bringen. Der vorliegende Gesetzentwurf der SPD-Fraktion eigt darum zwar auch in die richtige Richtung, geht ber noch nicht weit genug. Was heißt denn, dass Ge- 8720 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 (A) ) )(B) samtkosten „in deutlicher, gestaltungstechnisch hervor- gehobener Form“ hervorgehoben werden sollen? Am Ende wird es doch so kommen, dass die schwarzen Schafe weiterhin die entstehenden Kosten zu verbergen versuchen, sei es durch eine willkürliche Platzierung des Kostenhinweises, sei es durch eine kleine Schriftgröße. Dies ist für den Verbraucher nur wenig effizient und ge- genüber dem Jetztzustand kaum eine Verbesserung. Was wir brauchen, ist eine Button-Lösung, die den Verbraucher nicht weiterhin in Kostenfallen tappen lässt. Wir brauchen ein wirkliches Bestätigungsfenster bei Vertragsabschlüssen im Internet. Ich möchte ein separates Fenster, das vor dem Vertragsschluss aufgeht. In diesem Fenster sollen dann die Gesamtkosten stehen sowie ein Button zur Bestätigung. Durch das separate Fenster wird der Verbraucher noch einmal viel deutlicher als bisher auf den nahenden Vertragsabschluss aufmerksam ge- macht. Durch das Klicken auf einen Bestätigungsbutton muss dieser aktiv seine Zustimmung zu den Kosten ge- ben. Ein Unterschieben verdeckter Kosten wird somit ef- fizient vermieden. Effizienter Verbraucherschutz setzt auf Transparenz und bessere Informationen. Der Gesetzentwurf der SPD trägt dazu aber leider nicht ausreichend dazu bei. Das wundert mich nicht, denn sie hat es auch in elf Jahren nicht fertiggebracht, eine vernünftige Lösung bei Ver- tragsabschlüssen im Internet vorzulegen. Darum können wir ihrem Antrag in der vorliegenden Form nicht zustim- men. Caren Lay (DIE LINKE): Wenn Sie sich die Internet- seite www.routenplaner-service.de anschauen, wird Ihnen – scheinbar kostenfrei – ein Routenplaner angeboten. Doch bevor die gewünschte Route berechnet wird, müs- sen Sie sich mit Ihren persönlichen Daten anmelden. Mit Ihrem Klick auf das Feld „Jetzt anmelden“ schließen Sie dann ein Abo ab. Kosten: 96 Euro pro Jahr. Da sind Sie schnell 200 Euro los, ehe Sie sich versehen haben. Das Abo gilt gleich für zwei Jahre. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Internetabzocke hat viele Gesichter, um Tag für Tag von neuem Men- schen in Kostenfallen zu locken. Mal wird mit Kochre- zepten, Hausaufgabenhilfe oder Psychotests geködert. Mal versprechen die Anbieter Gewinne, zum Beispiel Handys und Digitalkameras, um gezielt von den Kosten abzulenken. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen schätzt, dass bundesweit monatlich 22 000 Beschwerden einge- hen. Das ist nur die Spitze. Hinzu kommt die hohe Zahl an Menschen, denen eine Beschwerde zu aufwendig ist oder die unbemerkt auf Tricks hereinfallen. Grund für die leichte Abzocke im Internet ist die mangelnde Preistransparenz. Juristisch scheint das Pro- blem geklärt. Die Kosten müssen schon länger klar an- gegeben werden. Entscheidend ist aber, dass es in der Praxis nicht funktioniert: Erstens. Die Unternehmen halten sich nicht an die Regelungen. Zweitens. Die Verbrauche- rinnen und Verbraucher blicken bei den komplizierten Seiten häufig nicht durch. Drittens. Die Gerichte sind s t P s t l V „ b b b r H d K h d b V u t s R v r d h P s n B v d V w W b e a d B d a s l h R v (C (D ich uneinig. Davon zeugen unterschiedliche Urteile rotz vergleichbarer Rechtslage. Es ist daher unsere Aufgabe als Politikerinnen und olitiker, die Regelungen zu vereinfachen und zu ver- chärfen. Der Gesetzentwurf der SPD ist ein Schritt in die rich- ige Richtung: Ein Internetbutton, der die Kosten deut- ich nennt, schafft Klarheit: Die Verbraucherinnen und erbraucher müssen den Preis sehen und klar „Ja“ oder Nein“ sagen können. Zugleich sagen wir: Der Button allein kann das Pro- lem nicht lösen. Damit Unternehmen den Button nicht is zur Unkenntlichkeit kaschieren, brauchen wir ver- indliche Vorgaben. Die Beweislast, dass ein Vertrag echtsgemäß ist, muss bei den Unternehmen liegen. altlose Drohgebärden von Inkassounternehmen wären amit Vergangenheit. Gegen Anbieter, die Menschen in ostenfallen locken, müssen wirksame Bußgelder ver- ängt werden. Auch wenn der Gesetzentwurf der SPD Handlungsbe- arf übrig lässt, stimmen wir als Linke zu. Der Internet- utton ist eine wichtige Verbesserung im Interesse von erbraucherinnen und Verbrauchern. Auch die Bundesregierung sollte sich ein Beispiel an ns nehmen. Stimmen Sie ebenfalls zu! Noch im Koali- ionsvertrag haben Sie sich für den Internetbutton ausge- prochen. Wenn Sie heute hier zustimmen, könnte die egelung in Kraft treten, und Sie hätten ihr Koalitions- ersprechen sofort erfüllt. Packen Sie das Problem endlich an, und lassen Sie Ih- en Referentenentwurf nicht noch ewige Zeitschleifen urch die Lobbyverbände drehen. Ich frage mich ohne- in, warum Sie derart lang dafür gebraucht haben. Das roblem ist längst bekannt und verursacht jährlich mehr- tellige Millionenschäden – zulasten von Verbraucherin- en und Verbrauchern. Kein Mensch kann die ganzen Ankündigungen der undesregierung noch ernst nehmen. Fakt ist: Sie haben erbraucherpolitisch in dieser Legislatur noch nichts auf ie Reihe gekriegt. Das muss sich endlich ändern. Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): erbraucherschutz ist ein Thema, das kontinuierlich den irtschaftlichen Veränderungen angepasst werden muss. enn eine wesentliche Weiterentwicklung im Konsum- ereich stattfindet, dann betrifft das viele Menschen. In inem solchen Fall müssen wir hier im Parlament darauf chten, dass sich diese Veränderung nicht zum Nachteil er Verbraucherinnen und Verbraucher entwickelt. Im ereich der Vertragsabschlüsse im Internet hat sich in en letzten Jahren eine Vielzahl von Ungereimtheiten, uch verbunden mit juristischen Nachspielen, einge- tellt. Die Rückmeldungen der Verbraucherzentralen be- egen das deutlich. Auch wir alle wissen: Internetkäufe aben ihre Risiken. Ich rede dabei nicht nur davon, dass ein älterer Herr in ostock, der soeben einen VHS-Internetkurs belegt hat, ersehentlich ein Zweijahresabo von „Die Frau im Spie- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8721 (A) ) )(B) gel“ bestellt hat oder davon, dass eine 16-Jährige in Bad Teinach beim nächtlichen Surfen 130 Musiktitel down- geloadet hat. Nein, es geht nicht nur um Einzelfälle, son- dern um ein ernstes Massenphänomen, übrigens mit der Folge, dass es Tausende gerichtsanhängige Streitigkeiten gibt, mit entsprechenden Belastungen in der Justiz. Tausende Menschen kaufen im Internet Waren und Dienstleistungen ein, die sie eigentlich nicht wollen oder nicht brauchen. Hier stimmt etwas an der Struktur nicht, und deshalb müssen wir gesetzgeberisch tätig werden. Was können wir tun? Wir können uns an den seriösen Anbietern im Internet orientieren. Was machen die seriö- sen Anbieter im Internet? Sie vermeiden, dass ein einzi- ger versehentlicher „Klick zu viel“ schon einen Kauf auflöst. Sie stellen Angebot und Preis transparent und offenkundig dar. Sie unterscheiden zwischen kosten- freien und kostenpflichtigen Produkten, und sie stellen sich darauf ein, dass Menschen unterschiedlich kompe- tent in der Nutzung des Internets sind. Diese Firmen be- raten so, wie es früher in guten Geschäften auch der Fall war. Wir Grünen wollen den Internethandel nicht unter- binden. Seriöse Anbieter sollen diese Vertriebsform nut- zen können. Aber der Verbraucher und die Verbrauche- rin müssen vor unnötigen Kaufrisiken geschützt werden. Wir wollen im Internet eine Good Practice einführen und schwarzen Schafen keine Plattform bieten. Dafür setzen wir Grüne uns ein. Wir alle wissen: Im Internet ist die Zeit zwischen op- tischem Reiz und Kaufklick extrem kurz. Im Lebensmit- telgeschäft zum Beispiel ist das anders. Da kann ich auch eine Ananasdose einmal in die Hand nehmen, schauen, wie viel Zucker darin ist und die Dose dann bei Nichtgefallen wieder in das Regal stellen. Das muss auch im Internet möglich sein. Wir sind deshalb der Mei- nung, dass die sogenannte Button-Lösung für Vertrags- abschlüsse im Internet einen richtigen Schritt darstellt. Wenn der Button kommt, dann sind dem Nutzer und der Nutzerin das Produkt und der Gesamtpreis klar. Er und sie wissen dann: Jetzt wird es ernst; jetzt tippt der Ver- käufer die Rechnung ein; jetzt kostet es cash. Die But- ton-Lösung ist ein Verbraucherschutzinstrument, für das wir Grüne uns seit langem einsetzen. In diesem Sinne unterstützen wir den Gesetzentwurf der SPD zur Verbes- serung des Verbraucherschutzes bei Vertragsabschlüssen im Internet Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Übertragung ehebezogener Regelungen im öffentlichen Dienstrecht auf Lebenspartnerschaften – Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe im Bundesbeamtengesetz und in weiteren Gesetzen (Tagesordnungspunkt 17 a und b) f d h g b z b e s g A n s b n s w s a w w s B S e t z i r j b o M d t R e e w p l e v d M E s R s s l G g b L R m (C (D Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Re- ormen und Novellen sind die Frucht mühsamer Arbeit es Entgegenkommens und des schrittweise Vorange- ens. Das Thema Lebenspartnerschaften ist hierfür ein utes Beispiel. Mit dem von der Bundesregierung einge- rachten Entwurf eines Gesetzes zur Übertragung ehebe- ogener Regelungen im öffentlichen Dienstrecht auf Le- enspartnerschaften wollen wir das Dienstrecht wieder in Stück zeitgemäßer gestalten. Wir werden also insbe- ondere Lebenspartnerschaften im Bundesbesoldungs- esetz in die Regelungen zum Familienzuschlag und zur uslandsbesoldung integrieren. Wir werden Lebenspart- er nun auch im Beamtenversorgungsgesetz des Bundes owie im Soldatenversorgungsgesetz bei der Hinterblie- enenversorgung einbeziehen. Wir werden Lebenspart- er im Bundesbeamtengesetz bei der Beihilfe berück- ichtigen, und im Gesetz über den Auswärtigen Dienst erden wir die Fürsorge auf den Lebenspartner der ent- andten Beamtin oder des Beamten ausdehnen. Dies lles soll rückwirkend zum 1. Januar 2009 eingeführt erden. Auf der Ebene von Rechtsverordnungen werden ir dies in separaten Vorschriften umsetzen, zum Bei- piel in der Auslandszuschlagsverordnung oder in der undesbeihilfeverordnung. In diversen Bundesländen, zum Beispiel in Hessen, chleswig-Holstein und Niedersachsen, wurden bereits hebezogene Regelungen auf verpartnerte Beamte über- ragen. Ähnliche Anpassungen werden auch in Bayern um 1. Januar 2011 in Kraft treten. Wir haben uns daher m Gegensatz zu anderen Ländern, zum Beispiel Nord- hein-Westfalen, dazu durchgerungen, die Umsetzung etzt voranzutreiben und keinesfalls so lange zu warten, is uns ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtshofs der des Europäischen Gerichtshofs dazu zwingt. Parlamentarier haben sich mit den Entwicklungen im einungsbild unserer Gesellschaft proaktiv auseinan- erzusetzen. Wer dies beim Thema Lebenspartnerschaf- en macht, erkennt sehr schnell, dass sie längst Teil der ealität unserer modernen Gesellschaft geworden sind, iner Gesellschaft, die sich an den individuellen Lebens- ntscheidungen der Menschen ausrichtet. Konsequenter- eise müssen wir deshalb auch Regelungen zu Lebens- artnerschaften in das öffentliche Dienstrecht einfließen assen. Wie unchristlich wäre es für einen Staat, trau- rnde Hinterbliebene einer Lebenspartnerschaft nicht zu ersorgen. Dieser Lebenspartner hat sich doch auch für ie Sicherheit und das Wohl unseres Staates eingesetzt. it unserem christlich-abendländischen Verständnis von he ist das für mich gleichwohl vereinbar. Auch der Vor- itzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof obert Zollitsch, hat sich am 18. Februar 2008 mit ent- prechenden staatlichen Regelungen zur Lebenspartner- chaft einverstanden erklärt, soweit sie keine Gleichstel- ung zur Ehe darstellen. Darauf haben wir bei diesem esetzentwurf geachtet, sodass uns zwei Dinge gelun- en sind: Wir übertragen im Dienstrecht die versorgungs- und esoldungsrechtlichen ehebezogenen Regelungen auf ebenspartnerschaften. Aber vor allem setzen wir das echtsinstitut der Ehe nicht mit anderen Formen enschlichen Zusammenlebens gleich. Die CDU/CSU- 8722 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 (A) ) )(B) Fraktion wird also auch weiterhin die Besonderheit von Ehe und Familie als Keimzelle unserer Gesellschaft schützen und verteidigen. Deshalb lehnen wir die voll- ständige Gleichstellung von Lebenspartnerschaften, wie von Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag gefordert, aus Überzeugung ab. Wir lehnen den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen aber auch aus rechtlichen Gründen ab. Das Bundesver- fassungsgericht hat im Juli 2009 festgestellt, dass es dem Gesetzgeber freisteht, die Ehe gegenüber anderen Bezie- hungsformen zu begünstigen. Hierfür bedarf es gemäß dem Urteil jenseits des Schutzes der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes, der die Benachteiligung anderer Lebens- formen rechtfertigt. Dieser gewichtige Sachgrund liegt für uns auf der Hand. Meine sehr verehrten Damen und Herren von Bünd- nis 90/Die Grünen, wir sind uns sicher einig, dass die Vorgaben der Natur eine Richtschnur für die Logik unse- res Lebens sein sollten. Dann aber ist die Heterosexuali- tät allen Lebens die allgemeine Normvorgabe für die Weitergabe des Lebens, wie sie sich in Jahrmillionen entwickelt hat. So gibt es natürlicherweise bezüglich der Funktion der Weitergabe des Lebens bereits keine Gleichstellung einer heterosexuellen Ehe mit einer homosexuellen Partnerschaft. Es handelt sich um voll- kommen verschiedene Sachgegebenheiten. Dass es Le- benspartnerschaften gibt, wird damit nicht bestritten. Aus ihnen kann aber nie Elternschaft entstehen. Deshalb werden wir Ehe und Familie nicht relativieren, indem wir andere Formen menschlichen Zusammenlebens in gleicher Weise ordnen. Die gesetzliche Anerkennung als gleichgeschlechtliche Ehe ist und bleibt für uns nicht verfassungsgemäß. Ich verweise auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Oktober 1993. Es ist erklärtes Ziel der christlich-liberalen Koalition, den öffentlichen Dienst zukunftsfähig zu gestalten. Die hier eingebrachten Regelungen sind ein Mosaikstein, um die Attraktivität der Bundesverwaltung als öffentlicher Arbeitgeber wieder ein Stück voranzubringen. Wir ge- währleisten mit diesem Gesetzentwurf der Bundesregie- rung unseren politischen Auftrag, Ehe und Familie be- sonders zu schützen, erfüllen aber gleichzeitig die Erwartungen von Bürgerinnen und Bürgern, im Dienst- recht bestimmte ehebezogene Regelungen auf Lebens- partnerschaften im Einklang mit unserer Verfassung zu übertragen. Deshalb lehnen wir den Antrag von Bünd- nis 90/Die Grünen ab und stimmen dem Antrag der Bun- desregierung zu. Kirsten Lühmann (SPD): Im Jahr 2001 hat die SPD-geführte Bundesregierung mit ihrem grünen Koali- tionspartner das Lebenspartnerschaftsgesetz verwirk- licht. Damit hat sie einen Prozess in Gang gesetzt, im Zuge dessen gleichgeschlechtliche Paare mit Eheleuten gleichgesetzt werden. Mit dem vorliegenden Gesetzent- wurf der Bundesregierung sollen nun weitere ehebezo- gene Regelungen im öffentlichen Dienstrecht auf Lebenspartnerschaften übertragen werden: der Ehegat- tenzuschlag, die Auslandsbesoldung, die Beihilfe und d w s t S f s z K d w C N s e d d H m w a t b i E i M n t l d f d G n d w k m e R m b t B g s s t W E d R (C (D ie Hinterbliebenenversorgung. Das ist ein weiterer not- endiger Schritt auf dem Weg zu unserem Ziel: der voll- tändigen Gleichstellung homosexueller Partnerschaf- en. Dieses Ziel haben wir noch nicht erreicht, aber jeder chritt in die richtige Richtung ist gut. Ich freue mich, dass die Union, die sich seit nunmehr ast einem Jahrzehnt dagegen sträubt, Lebenspartner- chaften als gleichberechtigt anzuerkennen, sich endlich u diesem Schritt hat drängen lassen. Gratulation an die ollegen und Kolleginnen von der FDP: Das ist uns in en letzten beiden Legislaturperioden nicht gelungen, eder im Bundesrat noch in der Großen Koalition. Ich erinnere mich noch gut an die Gespräche mit dem DU-geführten Bundesinnenministerium im Zuge der euordnung des Dienstrechts, an denen ich als Gewerk- chaftsvertreterin beteiligt war. Die Übertragung der ben genannten Regelungen war von der SPD als Teil er Dienstrechtsreform vorgesehen. Genau hierhin hätte ie Reform gehört. Aber Herr Schäuble hat sich mit änden und Füßen dagegen gewehrt. Da war nichts zu achen. Heute sieht die Lage allerdings anders aus. Mittler- eile haben sowohl das Bundesverfassungsgericht als uch – gerade vor fünf Wochen – das Bundesverwal- ungsgericht bestätigt, dass die Benachteiligung von Le- enspartnerschaften in diesen Punkten diskriminierend st. Es liegt die Vermutung nahe, dass diese Urteile die insicht der Bundesregierung befördert haben. Dabei sollte der Fall so sonnenklar sein: Die Familie st staatlich begünstigt, und zwar deshalb, weil in ihr enschen auf Dauer Verantwortung füreinander über- ehmen. Sie stehen füreinander ein und leisten gegensei- ige Hilfe und Unterstützung in Situationen, in denen Al- einstehende gegebenenfalls auf Hilfe und Unterstützung es Staates angewiesen wären. Der Staat hat also hand- este Vorteile von einer solchen Verbindung. Ob es sich abei um zwei Personen unterschiedlichen oder gleichen eschlechts handelt, ob in Familien Kinder leben oder icht, ist dabei unerheblich. Insofern ist es logisch, dass ie Lebenspartnerschaft genauso wie die Ehe begünstigt erden muss. Wird sie benachteiligt, stellt das eine Dis- riminierung der Lebenspartnerschaft dar. Spätestens it der Antidiskriminierungsrichtlinie von 2003 sollte igentlich erreicht werden, dass die Gleichstellung in echt und Gesetz umgewandelt werden muss. Schon da- als haben die Gewerkschaften Verdi und dbb Beamten- und und Tarifunion gefordert, dass Lebenspartnerschaf- en von Beschäftigten im öffentlichen Dienst und von eamten und Beamtinnen der Ehe gleichgestellt werden. Selbst die unionsgeführten Bundesländer, die die so- enannte Homo-Ehe anfangs noch mit einer Verfas- ungsklage verhindern wollten, haben mittlerweile ent- prechende Regelungen für den öffentlichen Dienst ge- roffen, mit einer Ausnahme: Die Union in Baden- ürttemberg trägt immer noch unbeirrt die Fahne der wiggestrigen vor sich her. Vielleicht sollte man ihr emnächst einmal etwas Zeit geben, ihre Positionen in uhe zu überdenken und sich neu zu sortieren. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8723 (A) ) )(B) Die Gleichstellung der Lebenspartnerschaft im öffent- lichen Dienst ist ein Schritt auf dem richtigen Weg; aber es müssen noch weitere Schritte gegangen werden: Le- benspartner und Eheleute unterliegen zwar den gleichen Pflichten, genießen aber nicht die gleichen Rechte. Le- benspartner sind ebenso wie Eheleute im Falle einer Scheidung unterhaltspflichtig, können aber das Ehegat- tensplitting nicht in Anspruch nehmen. Sie dürfen ein Kind adoptieren, das der Partner oder die Partnerin aus einer vorherigen Beziehung mit in die Lebensgemein- schaft bringt, sind aber nicht berechtigt, als Paar ein fremdes Kind zu adoptieren. Warum dürfen sie das nicht? Verfechter traditioneller Geschlechterstereotypen be- fürchten den Untergang des Abendlandes, wenn Kinder von gleichgeschlechtlichen Paaren aufgezogen werden. Dabei könnten sich selbst die größten Bedenkenträger vom Gegenteil überzeugen, wenn sie einfach nur einmal die Realität in unserem Land anschauen. Die Universität Bamberg hat in einer repräsentativen Studie empirische Daten über sogenannte Regenbogenfamilien gesammelt und ausgewertet. Ergebnis: Persönlichkeitsentwicklung sowie schulische und berufliche Entwicklung der betrof- fenen Kinder verlaufen positiv. Sie entwickeln sich ge- nauso gut wie Kinder aus heterosexuellen Beziehungen. Das Adoptionsrecht ist ein weiteres Recht, das den Le- benspartnerschaften gewährt werden muss. Wir fordern die völlige Gleichstellung der Lebens- partnerschaft mit der Ehe in allen Bereichen. Wir kämp- fen weiter für dieses Ziel und haben auch in dieser Le- gislaturperiode wieder einen entsprechenden Antrag eingebracht. Ich appelliere an Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen von der Union, sich den aktuellen gesell- schaftspolitischen Erkenntnissen nicht zu verschließen und sich unserer Forderung anzuschließen. Wenn Sie so nicht über Ihren Schatten springen können, sondern nur getrieben durch den Reformmotor Bundesverfassungs- gericht, dann reagieren Sie eben auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts. Das oberste Gericht hat be- reits 2002 festgestellt, dass die Verfassung die rechtliche Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft zulässt. Es liegt in der Hand des Gesetzgebers, den rechtlichen Unterschied zu beseitigen. Das Verfassungsgericht hat in den folgenden Jahren in einer ganzen Serie von Urteilen immer wieder darauf hingewiesen, dass eine Benachtei- ligung der Lebenspartnerschaft nicht gerechtfertigt wer- den kann durch den Verweis auf das Schutzgebot der Ehe. Liebe Kollegen und Kolleginnen von der Union, Sie haben in Ihren Koalitionsvertrag mit der FDP geschrie- ben: „Wir werden gleichheitswidrige Benachteiligungen im Steuerrecht abbauen und insbesondere die Entschei- dungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstel- lung von Lebenspartnern mit Ehegatten umsetzen.“ Also nehmen Sie das Bundesverfassungsgericht beim Wort und setzen Sie die Gleichstellung der Lebenspartner- schaft um. Viele Länder in Europa haben dies bereits ge- tan, und das ist gut so, damit die letzten Schranken fallen und wir ein klares Signal setzen, dass Schwule und Les- ben nicht nur toleriert, sondern auch als gleichwertig ak- zeptiert werden. G l t s K e s s e e c s m E s a g d 2 e d s R V d D „ V v e n i s R B b B f r g G u s g n la B s s L v D A e d g f (C (D Dr. Stefan Ruppert (FDP): Mit dem vorliegenden esetzentwurf der Bundesregierung geht die christlich- iberale Koalition einen entscheidenden Schritt in Rich- ung Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartner- chaften. Wir haben damit einen wichtigen Punkt aus dem oalitionsvertrag umgesetzt. Mit dem „Gesetz über die ingetragenen Lebenspartnerschaften“, Lebenspartner- chaftsgesetz, vom 16. Februar 2001 wurde für gleichge- chlechtliche Paare erstmals die Möglichkeit geschaffen, ine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen. Die ingetragene Lebenspartnerschaft ist ein familienrechtli- hes Institut für eine auf Dauer angelegte gleichge- chlechtliche Paarbindung. Dieser Definition folgend üssen nun eingetragene Lebenspartnerschaften den hen gleichgestellt werden. Diese Gleichstellung bezieht ich nicht nur auf gleiche Pflichten, sondern ermöglicht uch gleiche Rechte. Eine der Grundlagen für die Gleichstellung von ein- etragenen Lebenspartnerschaften im Beamtenrecht ist ie Richtlinie 2000/78/EG der EU. Diese wurde am 7. November 2000 vom Rat verabschiedet. Ihr Ziel ist s, einen allgemeinen Rahmen für die Verwirklichung er Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf zu chaffen. Die Umsetzung der Richtlinie in nationales echt hätte bis zum 2. Dezember 2003 erfolgen sollen. on 2000 bis 2003 war die rot-grüne Bundesregierung in er Verantwortung. Geschehen ist in dieser Zeit nichts. eutschland hat die Richtlinie schließlich durch das Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur erwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung“ om 4. August 2006 umgesetzt. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun ebenfalls inen „Gesetzentwurf zur Gleichstellung von eingetrage- en Lebenspartnerschaften im Bundesbeamtengesetz und n weiteren Gesetzen“ vorgelegt. Es wäre besser gewe- en, die Grünen hätten schon während ihrer Zeit an der egierung dafür gesorgt, dass diese Gleichstellung im eamtenrecht vorangetrieben wird. Wir müssen nun aus- aden, was sie versäumt haben. Die christlich-liberale undesregierung ist wieder einmal der Reparaturbetrieb ür die Versäumnisse während der rot-grünen Regie- ungszeit. Da wir aber inhaltlich dieselben Ziele verfol- en, sollten wir nun zusammenarbeiten. Der vorliegende esetzentwurf der Bundesregierung ist sehr weitgehend nd wurde auch von Verbänden explizit gelobt. Eine voll- tändige Gleichstellung erfolgt insbesondere durch fol- ende Maßnahmen: Im Bundesbesoldungsgesetz werden die ehebezoge- en Regelungen zum Familienzuschlag und zur Aus- ndsbesoldung auf Lebenspartnerschaften erstreckt. Im undesbeamtengesetz werden Lebenspartner in die Vor- chrift über die Beihilfe aufgenommen. Im Beamtenver- orgungsgesetz und im Soldatenversorgungsgesetz werden ebenspartner in die Regelungen zur Hinterbliebenen- ersorgung einbezogen. Im Gesetz über den Auswärtigen ienst werden die Vorschriften über die Fürsorge des uswärtigen Amtes für die Ehegatten der ins Ausland ntsandten Beamten auf Lebenspartner ausgedehnt. Mit ieser umfassenden Übertragung von ehebezogenen Re- elungen auf eingetragene Lebenspartnerschaften im öf- entlichen Dienstrecht hat die christlich-liberale Bundes- 8724 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 (A) ) )(B) regierung einen wichtigen Schritt im Kampf gegen die Benachteiligung von gleichgeschlechtlichen Lebenspart- nerschaften getan. Michael Kauch (FDP): In diesen Tagen setzt die FDP-Fraktion im Bundestag weitere Projekte für die Rechte von Lesben und Schwulen um. Wir lösen unsere Wahlversprechen ein und arbeiten Punkt für Punkt den Koalitionsvertrag ab. Bereits jetzt – nach einem Jahr christlich-liberaler Koalition – hat die FDP in der Koali- tion mit der Union mehr erreicht als die SPD in den letz- ten vier Jahren. In der letzten Woche wurde mit den Stimmen von FDP und Union das Jahressteuergesetz verabschiedet. Darin enthalten ist die Gleichstellung eingetragener Le- benspartner mit Ehegatten bei Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer. Darüber hinaus hat der Bundestag am vergangenen Freitag den Bundeshaushalt 2011 verab- schiedet. Darin enthalten sind 10 bis 15 Millionen Euro für die Magnus-Hirschfeld-Stiftung des Bundes. Diese soll durch Bildung und Forschung der Diskriminierung Homosexueller in Deutschland entgegenwirken. Zwei Anläufe hatte Rot-Grün dazu seit 2000 gemacht – sie ha- ben es nicht erreicht, was wir nun schaffen. Nun also folgt die erste Lesung des Gesetzes zur Gleichstellung von Lebenspartnern im Beamten-, Solda- ten- und Richterrecht sowie im Entwicklungshelfergesetz. Bereits vor Veröffentlichung der einschlägigen Gerichts- urteile hatte die FDP in den Koalitionsverhandlungen dieses Projekt gegenüber der Union durchgesetzt. Das lassen wir uns auch nicht von den neidischen Grünen kleinreden. Denn die Grünen haben es in der rot- grünen Koalition nicht geschafft, das zu realisieren. Beim Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz 2005 hatte SPD-Innenminister Otto Schily noch erfolgreich Wider- stand gegen die Reform geleistet. Nun also beschließen wir, was längst überfällig war. Während gesetzliche Rentenversicherte beim Tod des Lebenspartners seit 2005 eine Hinterbliebenenrente er- halten, ging bisher der Lebenspartner eines Bundesbe- amten komplett leer aus. Eine himmelschreiende Unge- rechtigkeit – und eine soziale Härte, die der Dienstherr verursacht hatte, der doch eine besondere Fürsorge- pflicht hat. Außerdem erfolgt nun bei Besoldung und Beihilfe ebenfalls eine Gleichstellung mit verheirateten Kollegen. Das ist nur recht und billig, denn bei den Pflichten sind die eingetragenen Lebenspartner ja schon längst mit Ehegatten gleichgestellt. Wir Liberale meinen: Wer gleiche Pflichten hat, muss auch gleiche Rechte bekommen. Mit diesem Gesetzent- wurf wird ein weiterer Schritt zu diesem Prinzip ge- macht. Doch wir sind bei der Gleichstellung noch nicht am Ende. Bei der Einkommensteuer und beim Adoptions- recht werden eingetragene Lebenspartner noch immer benachteiligt. Auch diese Diskriminierung muss ein Ende haben. Daran werden wir im nächsten Jahr weiter- arbeiten. Gerade bei der Einkommensteuer erinnern wir den Koalitionspartner an die Bestimmungen des Koali- t i g t „ a B b p F s d E g m b S n r g i v e g g te D l v b z r z t s t L i 2 B w z s R z b g s s d p w d a l (C (D ionsvertrages. Dort haben wir vereinbart, dass wir auch m steuerlichen Bereich gleichheitswidrige Benachteili- ungen eingetragener Lebenspartner abbauen werden. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Im Koalitionsver- rag verpflichtete sich die Regierungskoalition dazu, gleichheitswidrige Benachteiligungen im Steuerrecht bzubauen und insbesondere die Entscheidungen des undesverfassungsgerichts zur Gleichstellung von Le- enspartnern mit Ehegatten umzusetzen“. Diese Ver- flichtung geschah nicht aus freien Stücken; sie war eine olge der Grundsatzentscheidung des Bundesverfas- ungsgerichts vom 7. Juli 2009 zur Ungleichbehandlung er eingetragenen Lebenspartnerschaft gegenüber der he. Das Gericht bezog sich dabei auf den Gleichheits- rundsatz des Grundgesetzes in Art. 3 Abs. 1 und achte deutlich, dass eine Ungleichbehandlung der Le- enspartnerschaft nicht durch den grundgesetzlichen chutz von Ehe und Familie legitimiert ist. Darüber hi- aus müsse „ein hinreichend gewichtiger Differenzie- ungsgrund“ vorliegen, um Lebenspartnerschaften ge- enüber der Ehe schlechterzustellen. Dieser Grund liegt m öffentlichen Dienstrecht ganz offensichtlich nicht or. Sie haben für den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf über in Jahr benötigt. Jetzt sollen erst das Bundesbesoldungs- esetz, das Bundesbeamtengesetz und das Bundesversor- ungsgesetz so geändert werden, dass Lebenspartnerschaf- n gleichgestellt sind. Dies begrüße ich ausdrücklich. och der Gesetzentwurf ist halbherzig. Sie stellen ledig- ich rückwirkend zum 1. Januar 2009 gleich. Das Bundes- erfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Gleich- ehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften ur Ehe bei der „Erbschafts- und Schenkungsteuer“ eine ückwirkende Gleichstellung seit Inkrafttreten des Geset- es im Jahr 2001 angemahnt. Dies sollte auch für den heu- igen Gesetzentwurf gelten. Es gibt nicht ein bisschen Gleichbehandlung. Wir ollten konsequent sein und rückwirkend seit Inkrafttre- en des Lebenspartnerschaftsgesetzes gleichstellen. Die inke wird einen dementsprechenden Änderungsantrag n den Bundestag einbringen. Die rot-rote Berliner Landesregierung hat im Jahr 008 die Diskriminierung von Lesben und Schwulen im eamtenrecht des Landes vollständig beendet, und sie ar konsequent. Rot-Rot hat wenigstens rückwirkend um Jahr 2003 gleichgestellt. Das Land Berlin bezog ich mit dem Datum der Rückwirkung auf eine EU- ichtlinie, in der Deutschland in diesem Jahr bindend ur Gleichstellung aufgefordert wurde. Berlin hat damit ereits vor dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungs- erichts einen deutlichen Schritt zur Gleichstellung be- chritten, sodass Lesben und Schwule gleichgestellt ind. Berlin war Vorreiter. Später folgten die Bundeslän- er Bremen, Hamburg, Brandenburg, Mecklenburg-Vor- ommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Hessen, Schles- ig-Holstein und Sachsen-Anhalt und sogar Bayern, och zumeist mit einer geringeren Rückwirkung und uch mit einigen Einschränkungen. 2001 war Deutsch- and mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz eines der fort- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8725 (A) ) )(B) schrittlichsten europäischen Länder in Bezug auf die Gleichstellung von Lesben und Schwulen. Heute sind wir es nicht mehr. Mittlerweile haben viele EU-Staaten die Gleichstellung viel konsequenter vollzogen. Wir müssen jetzt noch die Gleichstellung im Einkommen- steuerrecht und das gemeinsame Adoptionsrecht für les- bische und schwule Paare angehen. Die Gleichstellung von Lesben und Schwulen lässt sich gesellschaftlich nicht mehr aufhalten. Doch die Linke möchte sie politisch konsequent vorantreiben. Deshalb fordert die Linke, statt der umständlichen Gleichstellung der Rechtsinstitute Ehe und Lebenspart- nerschaft die Ehe vollständig für Lesben und Schwule zu öffnen. Wir benötigen kein gesondertes Rechtsinstitut für Lesben und Schwulen. Schweden, Norwegen, Spa- nien, Island und Portugal haben diesen Weg beschritten. Die Ehe für alle Menschen zu öffnen, ist ein wirklich konsequenter Weg. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundesregierung legt heute einen Gesetzentwurf vor, der endlich die verfassungswidrige Ungleichbehandlung der eingetragenen Lebenspartner gegenüber Ehepartnern im Beamtenrecht beendet. Sie hat sich damit sehr viel Zeit gelassen; denn das Bundesverfassungsgericht hat diese Gleichstellung bereits in seinem Entscheid vom 7. Juli 2009 angemahnt. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat deswegen bereits im vergangenen Frühjahr einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, den wir heute ebenfalls zur Beratung einbringen. Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktio- nen: Obwohl Sie sich mit der Ausarbeitung dieses Ge- setzentwurfes übermäßig viel Zeit gelassen haben, sind Sie an mindestens einer Stelle erneut hinter den Vorgaben der Gerichte zurückgeblieben. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat Ihnen am 8. Oktober dieses Jahres klipp und klar gesagt, dass Sie rechtlich verpflichtet sind, min- destens bis zum 2. Dezember 2003 rückwirkend gleich- zustellen. Dies ist der Tag, an dem Deutschland die Anti- diskriminierungsrichtlinien der Europäischen Union hätte umsetzen müssen. In Ihrem Gesetzentwurf wollen Sie die Betroffenen aber nur zum Anfang des Jahres 2009 gleichstellen – ein völlig willkürlich gewähltes Datum. Weiterhin wollen Sie also Menschen diskriminieren und die ihnen zustehenden Rechte vorenthalten. Ihr Handeln beruht ausschließlich auf dem Zwang durch das Verfas- sungsgericht. Sie schaffen es noch nicht einmal, die ver- fassungs- und europarechtlichen Vorgaben umzusetzen. Peinlich für die Liberalen, eine Blamage für konservative Rechtspolitiker! Meine Damen und Herren von der Koalition, seit ei- nem Jahr führen Sie immer denselben Schneckentanz auf. Erst verurteilt Sie das Verfassungsgericht, dann war- ten Sie bis zum letzten Moment und legen dann einen Gesetzentwurf vor, der unzureichend bleibt. Im parla- mentarischen Verfahren obliegt es dann uns als Opposi- tion, Sie auf Ihre handwerklichen Fehler hinzuweisen. Dafür sind wir uns nicht zu schade. Aber ist es Ihnen nicht langsam peinlich? F K s W w f S k d k p E d d d s D s u g r b d t s w a n j G n e V d k a s E D a T v B d i s r r B v G s d d (C (D Politisch ist Ihr Vorgehen ohnehin schäbig. Die FDP- raktion und ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender auch kündigt „Wochen der schwul-lesbischen Gleich- tellung“ an, um vermeintliche Wohltaten zu feiern. Die ahrheit ist: Die schwarz-gelbe Koalition diskriminiert, o sie nur kann. Sie von der FDP haben gegen die Ein- ührung der Lebenspartnerschaft gestimmt und Bayern, achsen und Thüringen haben dagegen in Karlsruhe ge- lagt. Sie haben im Bundesrat über Jahre verhindert, ass die Gleichstellung im Steuer- und Beamtenrecht ommt. Es war Ihre schwarz-gelbe Politik, die Lebens- artnerschaft systematisch schlechterzustellen als die he. Es ist Ihre Landesregierung in Baden-Württemberg, ie bis heute den lesbischen und schwulen Paaren sogar as Standesamt verweigert. Peinlich ist auch Ihr Vorgehen bei der Gleichstellung er Einkommensteuer. Wieder kündigt die FDP an, dass ie auf das Urteil des Verfassungsgerichts warten möchte. abei weiß jeder, der lesen kann, wie das Gericht ent- cheiden wird. Die Grundsätze sind doch längst klar: Ehe nd eingetragene Lebenspartnerschaft sind juristisch ver- leichbar, weil sie „eine auf Dauer übernommene, auch echtlich verbindliche Verantwortung für den Partner“ egründen. Auch für Herrn Finanzminister Schäuble hat as Gericht die passende Antwort: „Ein Grund für die Un- erscheidung von Ehe und eingetragener Lebenspartner- chaft kann nicht darin gesehen werden, dass typischer- eise bei Eheleuten aufgrund von Kindererziehung ein nderer Versorgungsbedarf bestünde als bei Lebenspart- ern. Nicht in jeder Ehe gibt es Kinder. Es ist auch nicht ede Ehe auf Kinder ausgerichtet.“ Schließlich stellte das ericht fest: „In zahlreichen eingetragenen Lebenspart- erschaften leben Kinder.“ Herr Schäuble, sehen Sie es ndlich ein: Ihre Ideologie des Abstandgebotes ist vom erfassungsgericht zertrümmert worden! Am 9. November 2010 hat das Finanzgericht in Nie- ersachsen geurteilt, dass die Benachteiligung beim Ein- ommensteuerrecht verfassungswidrig ist. Das Gericht nerkennt ausdrücklich, dass die eben zitierten Grund- ätze und Ausführungen auf die Ungleichbehandlung im inkommensteuerrecht übertragbar sind. Sie sehen also: ie nächste Klatsche des Bundesverfassungsgerichts ist bsehbar. Ich fordere Sie auf: Ändern Sie endlich Ihre aktik und seien Sie einmal mutig! Sie können das Un- ermeidliche ohnehin nur hinauszögern. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim undesminister des Innern: Der Gesetzentwurf der Bun- esregierung zur Übertragung ehebezogener Regelungen m öffentlichen Dienstrecht auf Lebenspartnerschaften ieht eine Gleichstellung von Verpartnerten und Verhei- ateten in zentralen Bereichen des öffentlichen Dienst- echts, insbesondere bei Besoldung, Versorgung und eihilfe, ab dem 1. Januar 2009 vor. Mit den im Entwurf orgesehenen gesetzlichen Änderungen kommt die leichstellung für Beamte, Soldaten, Richter und Ver- orgungsempfänger des Bundes zum Abschluss. Schon derzeit unterscheiden wichtige Teilbereiche es öffentlichen Dienstrechts, das Umzugskosten- und as Trennungsgeldrecht sowie das Sonderurlaubsrecht, 8726 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 (A) ) )(B) nicht mehr zwischen verpartnerten und verheirateten Be- amten. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, sieht der Entwurf der Bundesregierung nun auch die Einbeziehung von Lebenspartnerschaften in die ehe- und familienbezo- genen Regelungen bei Besoldung, Versorgung und Bei- hilfe vor. Im Einzelnen bedeutet dies: Im Besoldungsrecht werden Verpartnerte in die Rege- lungen zum Familienzuschlag einbezogen. Dies betrifft vor allem den Familienzuschlag der Stufe 1, den soge- nannten Verheiratetenzuschlag, der künftig verpartnerten genau wie verheirateten Besoldungsempfängern zusteht. Auch bei der Auslandsbesoldung werden die ehebe- zogenen Regelungen des Bundesbesoldungsgesetzes übertragen. Dies betrifft die Beamten, Soldaten und Richter in einer Lebenspartnerschaft, die ihren Dienst im Ausland versehen. Sie erhalten künftig einen erhöhten Auslandszuschlag, wie ihn auch Verheiratete erhalten. Auch bei der Versorgung entfällt künftig die Differen- zierung zwischen Verheirateten und Verpartnerten. Dazu werden hinterbliebene Lebenspartner von Beamten, Richtern und Soldaten im Beamtenversorgungs- und im Soldatenversorgungsgesetz wie Witwen und Witwer ge- stellt. Auch im dritten, neben Besoldung und Versorgung wichtigen Bereich, der Beihilfe, werden Lebenspartner künftig genauso berücksichtigt wie Ehegatten. Mit der im Entwurf vorgesehenen Änderung im Bundesbeam- tengesetz werden die notwendigen Voraussetzungen für eine entsprechende Änderung der Bundesbeihilfeverord- nung geschaffen. Das Bundesministerium des Innern be- reitet diese Änderungen in der Beihilfeverordnung be- reits vor. Daneben sieht der Entwurf schließlich auch Änderun- gen im Gesetz über den Auswärtigen Dienst vor. Hier- durch werden Lebenspartner den Ehegatten der deut- schen Diplomaten im Ausland gleichgestellt. Damit können künftig auch die Lebenspartner der Bediensteten die zahlreichen Fürsorgeleistungen des Auswärtigen Amtes erhalten. Dazu zählen zum Beispiel Sprachkurse, mit denen das Auswärtige Amt auch die Angehörigen seiner Bediensteten auf einen Auslandsaufenthalt vorbe- reitet. Ich möchte daran erinnern: Der von der Bundesregie- rung vorgelegte Gesetzentwurf ist das Ergebnis einer längeren Rechtsentwicklung, die sehr differenziert und keineswegs immer gradlinig verlaufen ist. Bis in die obersten Gerichte waren die Fragen rund um die Einbe- ziehung von verpartnerten Beamten in die ehebezogenen Regelungen des Dienstrechts sehr umstritten. Über rela- tiv lange Zeit standen das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht der Gleichstellung im Dienstrecht eher ablehnend gegenüber. Beide Gerichte haben erst vor kurzem ihre Rechtsprechung geändert. Auch ein Blick in die Länder, die ja seit der Föderalis- musreform das Recht ihrer Landesbeamten in eigener Zuständigkeit gestalten, ergibt bei weitem kein einheitli- ches Bild: Einige Länder sehen bislang weder bei der Besoldung noch bei der Versorgung, noch bei der Bei- hilfe eine Einbeziehung von Lebenspartnerschaften in d g G e v K e u g v R A v l p I d s s z v n s d l p w t e b a m d h n Z z a d d s (C (D ie ehebezogenen Regelungen vor. In einigen Ländern ibt es nur eine partielle, jedoch keine umfassende leichstellung. Nur in einigen Ländern gibt es bisher ine Gleichstellung, wie sie der Regierungsentwurf jetzt orsieht. Der Entwurf der Bundesregierung orientiert sich am oalitionsvertrag, in dem es heißt: Die familien- und hebezogenen Regelungen über Besoldung, Versorgung nd Beihilfe werden auf Lebenspartnerschaften übertra- en. – Dies geschieht für die Zukunft und für einen maß- ollen Zeitraum in der Vergangenheit und schafft damit echtssicherheit für die Betroffenen. nlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Schutz von Patientinnen und Patienten bei der genetischen Forschung in einem Bioban- ken-Gesetz sicherstellen – Biobanken als Instrument von Wissenschaft und Forschung ausbauen, Biobanken-Gesetz prüfen und Missbrauch genetischer Daten und Proben wirksam verhindern (Tagesordnungspunkt 18 a und b) Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Biobanken enthalten on Menschen stammende erbsubstanzhaltige Materia- ien mit den dazugehörigen Daten, welche wiederum mit ersonenbezogenen Angaben und gesundheitsbezogenen nformationen verknüpft sind. Diese Datenbestände wer- en für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung ge- ammelt oder aufbewahrt. Dabei handelt es sich bei- pielsweise um DNA-, Blut- oder Gewebeproben, die usammen mit Hintergrundinformationen der Spender erwaltet werden. Sie bilden die Grundlage für viele eue Verfahren in der Wissenschaft und Medizin und ind damit ein wichtiger Bestandteil bei der Suche nach en Ursachen vieler Krankheiten und deren Behand- ungsmethoden. Die Forschung mit menschlichen Kör- ermaterialen ist kein Phänomen der Neuzeit; vielmehr erden Körpersubstanzen schon seit vielen Jahrhunder- en für die Forschung gesammelt und ausgewertet. Ein rheblicher Teil unseres heutigen medizinischen Wissens eruht auf Sammlungen von menschlichem Gewebe, lso den Vorgängern der heutigen Biobanken. Neue Untersuchungsmöglichkeiten und das zuneh- end bessere Verständnis im Bereich der Genetik haben ie Bedeutung von Biobanken noch einmal deutlich er- öht. Das bessere Verständnis des menschlichen Ge- oms erweitert ihre Nutzungsmöglichkeiten erheblich. ur Heilung zahlreicher Volkskrankheiten können in- wischen nicht nur äußere Faktoren, sondern auch Erb- nlagen als Ursachen der Krankheiten untersucht wer- en. Um diese Effekte untersuchen zu können, ist es aller- ings nötig, dass eine große Anzahl von Daten unter- ucht wird. Deshalb entstehen immer größere Sammlun- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8727 (A) ) )(B) gen, und die einzelnen Sammlungen vernetzen sich immer besser untereinander. Ein aktuelles Beispiel einer großangelegten Biobank ist die als nationale Kohorte im Aufbau befindliche „Helmholtz-Kohorte“. In der Kohor- tenstudie sollen 200 000 Menschen eingebunden und über 10 bis 20 Jahre medizinisch begleitet werden, um Risikofaktoren für Volkskrankheiten zu entdecken und diesen vorbeugen zu können. Ähnlich große Biobanken existieren bereits in Großbritannien und Norwegen, die bereits über 500 000 Proben erfasst haben. In Schweden sind in der Nationalen Biobank bereits zwischen 50 und 100 Millionen Daten erfasst. Dies gilt insbesondere für meine Heimatstadt. Die Universität Leipzig hat ein Forschungsprojekt im Kampf gegen Volkskrankheiten mithilfe einer Biobank begon- nen. Beim Leipziger Forschungszentrum für Zivilisati- onserkrankungen, LIFE, werden mehr als 100 Ärzte und Wissenschaftler der Universität sowie der Universitäts- medizin bis 2013 rund 25 000 Leipziger klinisch und bio- analytisch untersuchen. Die knapp 40 Millionen Euro teure Bevölkerungs- und Patientenstudie soll die Zusam- menhänge zwischen genetischer Anlage, Stoffwechsel und individueller Lebensführung in großem Umfang er- forschen. Ziel ist es, Erkenntnisse über Ursachen und die unterschiedliche Ausprägung der wichtigsten Zivilisa- tionserkrankungen zu gewinnen. Besonderes Augen- merk werden die Forscher auf Gefäßerkrankungen und Herzinfarkt, Diabetes und Adipositas, Depression, De- menz, Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, Kopf- und Halstumore sowie Allergien und Stoffwechselstö- rungen richten. Ziel ist die Entdeckung neuer Ansätze für frühzeitige Prävention und Therapie. Ebenfalls ganz aktuell ist das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte „Projekt-Portal im Deutschen Biobanken-Register“, in dem die existieren- den Biobanken für die externe Forschungen zugänglich gemacht werden. Hier haben sich unter Beteiligung des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik, des TMF – Technologie- und Methodenplattform für die ver- netzte medizinische Forschung e. V. –, und ihrer Partner bisher 87 Biobanken registriert. Die steigende Größe der Biobanken, deren bessere Vernetzung und der wissenschaftliche Fortschritt machen aus den Biobanken einen ungemein wertvollen Daten- und Wissensschatz für die Forschung. Allerdings hat dies auch zur Folge, dass die Datensätze immer individueller werden, da der Informationsgehalt des menschlichen Ma- terials nahezu unerschöpflich ist. Dies löst bei vielen Menschen Unbehagen aus. Sie befürchten, dass ihre Da- ten unkontrolliert verwendet werden. Aber auch Forscher und Betreiber von Biobanken fühlen sich einer Rechtsun- sicherheit ausgesetzt. Denn die Frage der Voraussetzung der Verwendung von Materialen ist in Deutschland um- stritten. Die forschungspraktischen und rechtlichen Realitä- ten überschneiden sich auf diesem Gebiet. Eine ver- stärkte Zusammenarbeit der bestehenden Biobanken auf der einen Seite und die zersplitterte Regelung durch Standes- und Landesdatenschutzbestimmungen auf der a s l h S J S B l l b d R s d d w w d g n d z D s l z m s d p v e i s z w D d u s s S o D b n d z d s s b v R (C (D nderen Seite verlangen also eine übergreifende Be- chäftigung mit diesem wichtigen Thema. Dies sind nur einige Beispiele für ethische und recht- iche Fragestellungen, die sich in diesem Zusammen- ang ergeben. Auf weitere Probleme haben verschiedene tellungnahmen, zuletzt des Deutschen Ethikrates im uni dieses Jahres, hingewiesen. Diese kommen zu dem chluss, dass eine gesetzliche Regelung im Bereich der iobanken für die Forschung nötig ist. In seiner Stel- ungnahme schlägt der Deutsche Ethikrat ein Fünf-Säu- en-Konzept für die gesetzliche Regulierung von Bio- anken vor. Ziel der Empfehlungen ist es, für den Schutz er Persönlichkeitsrechte der Spender einen adäquaten echtsrahmen zur Verfügung zu stellen und für die For- chung mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Ich begrüße, ass der Deutsche Ethikrat zu Fragen der Biobanken in er Forschung eine Stellungnahme abgegeben hat. Wir erden diese bei den Überlegungen über die Weiterent- icklung der Rahmenbedingungen berücksichtigen. Bei er Abwägung der verschiedenen Belange ist allerdings roßes Augenmaß gefordert. Lassen Sie mich das an ei- igen Bespielen verdeutlichen. Die Grünen fordern in ihrem Antrag, dass die verwen- ete Probe unverzüglich nach Erreichen des Forschungs- weckes vernichtet werden wird und die gespeicherten aten gelöscht werden. Diese „unverzügliche Lösung“ teht, wie schon der Deutsche Ethikrat in seiner Stel- ungnahme bemerkte, oftmals in direktem Widerspruch ur Forschungspraxis, da die zugrunde liegenden Daten itunter auch nach dem Erreichen des angestrebten For- chungsziels als wichtige Informationsquelle, gerade für ie Evaluierung und Weiterführung von im Forschungs- rozess aufgetauchten Fragestellungen, von hoher Rele- anz bleiben können. In diesem Rahmen gilt es auch, zu bedenken, dass ine zu enge Eingrenzung der Verwendung im Zug der nformierten Einwilligung der Probanden die For- chungsarbeit erheblich beeinträchtigen kann. Was nut- en dem Forscher Daten, die er nicht verwenden kann, eil sie einem zu spezifischen Zweck zugeordnet sind. aher sind eine qualifizierte und einsichtige Information er Spender und ein hoher Grad an Transparenz nötig, m die Interessen sowohl der Spender als auch der For- cher zu wahren. Offene Fragen gibt es auch bei dem sogenannten For- chungsgeheimnis oder Biobankgeheimnis, welches den trafverfolgungsbehörden auch nach richterlicher An- rdnung und bei schwersten Straftaten den Zugriff auf aten der Biobanken verwehren würde. Die Befürworter egründen die Notwendigkeit dieses Forschungsgeheim- isses damit, dass nur über eine gesetzliche Zusicherung er ausschließlichen Verwendung der gespendeten Daten u Forschungszwecken Menschen dazu motiviert wer- en können, ihre Daten einer Biobank anzuvertrauen. An dieser Stelle ist es wichtig festzuhalten, dass deut- che Biobanken bereits heute hohe Standards des Daten- chutzes erfüllen und dass die beteiligten Forscher sehr ehutsam und verantwortungsbewusst mit den ihnen an- ertrauten Daten umgehen. Im Übrigen wurden die echte des Zugriffs auf diese Proben durch Dritte wie 8728 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 (A) ) )(B) Arbeitgeber und Versicherungen bereits im Gendiagnos- tikgesetz geregelt. Es besteht also für die Spender von menschlichem Material kein Grund zur Angst. Dass da- rüber hinaus weitere vertrauensbildende Maßnahmen sinnvoll sind, um die Forschung weiter zu fördern, scheint mir unbestritten. Bei Überlegungen zu einem Forschungsgeheimnis und einem damit verbundenen absoluten Ausschluss des Staa- tes halten dessen Kritiker allerdings die Frage dagegen, ob damit nicht leichtfertig Möglichkeiten ausgelassen werden, schwerste Straftaten aufzuklären oder zu verhin- dern. Es gehe ja nicht um eine undifferenzierte und breite Durchforstung von Biodatenbanken aus nichtigen Grün- den, sondern um die Möglichkeit, in extremen Ausnah- mefällen zur Verteidigung hochrangiger Rechtsgüter bei- zutragen. Bevor hier eine Entscheidung getroffen werden kann, muss meines Erachtens eine sorgfältige Güterab- wägung stattfinden, welche die Rechtsgüter des Daten- schutzes der Freiheit der Forschung, dem Schutz des In- dividualrechts und der Verfolgung schwerster Straftaten gegenüberstellt. René Röspel (SPD): Die Fortschritte in den vergan- genen Jahren bei der Weiterentwicklung der Anwendung der genetischen Diagnostik waren rasant. Heute sind mit bis vor kurzem noch undenkbarer Geschwindigkeit ge- netische Analysen von einzelnen Personen, aber auch von ganzen Personengruppen möglich. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Wissenschaft und Forschung das „1 000 Dollar Genom“ ermöglichen werden. Wenn also bald die Sequenzierung des gesamten Genoms eines Menschen für 1 000 Dollar möglich sein wird, so ist ab- sehbar, dass wir vor einer massiven Ausweitung der An- wendung dieser Technologie in Wissenschaft und For- schung, aber auch in der medizinischen Praxis stehen. Wie so oft liegen jedoch auch bei der Anwendung von genetischen Diagnosemethoden die Chancen ebenso auf dem Tisch wie das Missbrauchspotenzial. Deutschland nimmt heute international eine starke Position in der Nutzung der genetischen Diagnostik in Wissenschaft und Forschung und hierbei insbesondere bei der Nut- zung sogenannter Biobanken ein. Als Biobanken werden Sammlungen von Proben menschlicher Körpersubstan- zen wie Gewebe, Blut oder DNA bezeichnet, die mit personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen verknüpft sind und medizinischen oder wissenschaftli- chen Zwecken dienen. Der Großteil der existierenden Biobanken wird derzeit zu Forschungszwecken genutzt. Wir als SPD-Bundestagsfraktion wollen ausdrücklich diese führende Rolle Deutschlands sichern und durch eine gezielte Förderpolitik weiter vorantreiben. Wissen- schaft und Forschung können aber nur dort von der Gesellschaft akzeptiert gedeihen, wo klare rechtliche Rahmenbedingungen sicherstellen, dass Missbrauch ver- hindert und Datenschutz sichergestellt werden kann. Bis- her haben die in Deutschland tätigen Wissenschaftlerin- nen und Wissenschaftler bei der Nutzung von Biobanken ein großes Verantwortungsbewusstsein an den Tag gelegt. Dieses verantwortungsbewusste Handeln verhindert je- doch nicht das Aufkeimen von Kritik, wie die Debatte ü d o s d J s t r f d s ß B g u z w k K u b S u t N u s w w m B B D ü s i Ü E w z l a f k i M s m B d B B e l a (C (D ber die sogenannte Helmholtz-Kohorte zeigt. Aufgabe es Deutschen Bundestages muss es daher sein, ergebnis- ffen darüber zu diskutieren, wo und in welcher Form ein icherer Rechtsrahmen insbesondere für den Aufbau und ie Nutzung von Biobanken geschaffen werden sollte. Der Deutsche Bundestag hat sich in den vergangenen ahren bereits mehrfach und aus unterschiedlichen Per- pektiven mit der Anwendung der genetischen Diagnos- ik in Wissenschaft und Forschung befasst. In Zeiten der ot-grünen Regierungskoalition waren die Bemühungen ür ein Gendiagnostikgesetz, welches Regelungen für ie Forschung beinhalten sollte, bereits weit vorange- chritten. Die Neuwahl verhinderte jedoch eine abschlie- ende Beratung des damaligen Entwurfs. Es folgten die eratungen der Großen Koalition für ein Gendiagnostik- esetz. Schlussendlich wurde entschieden, Wissenschaft nd Forschung aus dem Anwendungsbereich des Geset- es ausdrücklich herauszunehmen. Der Grund hierfür ar jedoch mitnichten, dass SPD und CDU/CSU hier einen Regelungsbedarf sahen. Vielmehr waren sich die oalitionspartner von damals einig, dass man zunächst nd zügig etwas für den Datenschutz im Bereich des Ar- eits- sowie des Versicherungsrechts tun wollte. Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben anlässlich der chlussberatung des Gendiagnostikgesetzes öffentlich nd unmissverständlich betont, dass wir uns für eine in- ensive Prüfung des gesetzlichen Regelungsbedarfs der utzung der genetischen Diagnostik in der Forschung nd hierbei insbesondere im Bereich der Biobanken ein- etzen wollen. Mit dem heute vorliegenden Antrag setzen ir diese Ankündigung um. Mit unserem Antrag nehmen ir zahlreiche nationale wie internationale Stellungnah- en von Expertenkommissionen und Organisationen auf. eispielhaft möchte ich an dieser Stelle lediglich auf den ericht des Büros für Technikfolgenabschätzung vom ezember 2006 hinweisen. Dieser ebenso fundierte wie berzeugende Bericht kam zu dem Ergebnis, dass der Ge- etzgeber für den Bereich der Biobanken eine Regelung m Sinne eines Mittelweges finden müsse, „um sowohl berregulierung als auch ‚Wildwuchs‘ bei der weiteren ntwicklung zu vermeiden“. Genau diesen Weg wollen ir mit unserem Antrag beschreiten. Wir fordern die Bundesregierung auf, ergebnisoffen u prüfen, in welchen Punkten eine gesetzliche Rege- ung zum Umgang mit genetischen Daten und Proben ngebracht und zielführend sein würde. Darüber hinaus ordern wir die Regierung auf, ein umfassendes Förder- onzept für Biobanken in Deutschland aufzubauen. Es st zu begrüßen, dass die TMF, die Technologie- und ethodenplattform für die vernetzte medizinische For- chung, am 19. November 2010 angekündigt hat, ge- einsam mit zahlreichen Partnern eine zentrale deutsche iobanken-Infrastruktur aufzubauen. Es ist auch aus- rücklich zu begrüßen, dass das Bundesministerium für ildung und Forschung die Förderung einer „Nationalen iomaterialbanken-Initiative“ auf den Weg gebracht hat. Es ist mir aber trotz dieser finanziellen Zusagen für ine verstärkte Vernetzung von Biobanken in Deutsch- and nicht verständlich, warum die Bundesregierung trotz ller nationalen wie internationalen Bemühungen um Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8729 (A) ) )(B) klare rechtliche Rahmenbedingungen für den Umgang mit genetischen Daten und Proben keinerlei Anstalten macht, auch nur zu prüfen, ob eine gesetzliche Regelung für Biobanken sinnvoll sein könnte. Man könnte fast glauben, die Bundesministerin für Bildung und For- schung habe sich in dieser Frage nicht nur von der fach- wissenschaftlichen, sondern auch von der gesellschaftli- chen Debatte abgekoppelt. Man darf gespannt sein, ob das Bundesministerium für Bildung und Forschung hier demnächst eine Initiative zeigen wird. Denn es kann nicht sein, dass zwar der Aufbau und die Vernetzung von Bio- banken – richtigerweise – gefördert, die strukturellen Voraussetzungen etwa in Bezug auf einen hinreichenden Datenschutz jedoch bestenfalls in Förderrichtlinien be- schrieben werden. Nun noch einige kurze Worte zum Antrag der Frak- tion Bündnis 90/Die Grünen. Wir teilen die grundsätzli- chen Überlegungen der Grünen zum Umgang mit geneti- schen Daten und Proben. Allerdings fordern die Grünen bereits sehr konkret einen Gesetzentwurf mit zum Teil detaillierten Anforderungen. So richtig und wichtig die Pläne der Grünen sind, die ihre Fraktion an einen sol- chen Regelungsrahmen stellt, so sehr muss man sich doch fragen, ob wir parlamentarisch bereits hinreichend diskutiert haben, wo und wie man diese Regelungen am besten verorten sollte. Um es kurz und prägnant zu for- mulieren: Wir sehen unseren Antrag als Einstieg in eine ergebnisoffene Debatte über eine sinnvolle Ausgestal- tung der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Um- gang mit genetischen Daten und Proben in Wissenschaft und Forschung. Die Grünen hingegen scheinen die Auf- fassung zu vertreten, dass bereits genug Expertisen vor- liegen, um in die konkrete Gesetzgebung einzusteigen. Bei einigen Vorschlägen glaube ich aber, dass noch Klä- rungsbedarf besteht. Wir als SPD-Bundestagsfraktion wollen das Gespräch mit der Bundesregierung und den beteiligten Expertinnen und Experten suchen. Hierzu sollen auch die Beratungen unseres Antrages in den Aus- schüssen dienen. Wir sprechen, wenn wir über Biobanken diskutieren, über höchst persönliche Daten, die zumeist in einem en- gen Bezug zu einer Krankheit oder einer Krankheitsdis- position stehen. Es wäre unverantwortlich, wenn der Ge- setzgeber hier erst dann in eine Debatte über einen angemessenen Regelungsrahmen einsteigen würde, wenn man in der Presse über Missbrauchsfälle liest. In dieser Einschätzung sind wir uns mit der Fraktion von Bünd- nis 90/Die Grünen einig. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Fraktionen von CDU/CSU und FDP einer ergebnisoffe- nen Beratung in den Fachausschüssen nicht verschließen werden. Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Biobanken sind für die Forschung eine wichtige Ressource für Da- ten und eine Kernstück für die Aufklärung von Ursachen und Mechanismen von zahlreichen Krankheiten. Allein die krankheitsbezogene Genomforschung kann durch das umfangreiche Datenmaterial, das in den Biobanken zur Verfügung steht, auch Faktoren wie Geschlecht, Le- bensstil, Gene und genetische Epidemiologien in ihre Forschungen einbeziehen und Kenntnisse über die Ent- s z k d m I d s z d l g B a a d s D l h k F d e w b w m n g F b g tr B d s d n i t c g v P F j g d a v b n w n u f s (C (D tehung und den Verlauf von Krankheiten liefern, was ur Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze oder wir- ungsvollerer Methoden der Prävention führen kann. Aus iesen Gründen werden Biobanken zukünftig immer ehr an Bedeutung gewinnen, und die Daten und deren nformationsgehalt werden differenzierter und somit in- ividueller. Umso wichtiger ist es, bestehende Daten- chutzlücken zum Schutz der Patienten und Probanden u schließen und entsprechende Rahmenbedingungen für ie Forschung festzulegen. Die diesbezüglichen Rege- ungen des Bundesdatenschutzgesetzes sind nach Aussa- en des Bundesdatenschutzbeauftragten heute für den ereich der sicheren Verwahrung von Biodaten nicht usreichend. Daher müssen klare Rahmenbedingungen bgesteckt werden. Dabei ist es aus unserer Sicht beson- ers wichtig, dass der Grundsatz der Freiheit der For- chung nach Art. 5 Grundgesetz auch in einem künftigen eutschen Biobankengesetz gewährleistet wird. Die Forschung an genetischen Daten und Biomateria- ien hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt. Es andelt sich nicht mehr um einzelne Probensammlungen leiner Institute, die von Wissenschaftlern zu begrenzten orschungszwecken verwendet werden; vielmehr wer- en die Sammlungen immer größer, und sie werden auch lektronisch vernetzt. Wir sind der Auffassung – das erden wir in einem eigenen Antrag zum Ausdruck ringen –, dass die Erhebung, Aufbewahrung und Ver- endung genetischer Daten und Proben im Bereich der edizinischen Forschung explizit zu regeln sind, um ei- erseits den Betroffenen Sicherheit hinsichtlich des Um- angs mit ihren genetischen Daten und andererseits der orschung die notwendige Rechtssicherheit für ihre Ar- eit zu geben. Dieses Problem bedarf einer eigenständi- en Lösung. Die Prinzipien der Datensparsamkeit oder der Dezen- alität von Datenspeicherung können im Bereich einer iobank für die Forschung nicht aufrechterhalten werden; enn erst die Vielzahl von Daten und deren Vernetzung orgen für den Erkenntnisgewinn. Eine Anonymisierung er Daten und Proben ist in diesem Zusammenhang auch icht immer möglich und auch nicht gewünscht. Gefragt st daher eine Standardsetzung, die Sicherheit für die Be- roffenen schafft, aber auch die notwendige Rechtssi- herheit für die Forschung. Ein allgemeines Forschungs- eheimnis in Bezug auf Biobanken sollte gesetzlich erankert werden. Damit wird sichergestellt, dass die roben und Daten nur im Rahmen der Einwilligung zu orschungszwecken verwendet werden dürfen und vor edem anderen Zugriff absolut gesichert sind. Natürlich ibt es heute schon ein großes Interesse an den Daten aus em Bereich der Verbrechensbekämpfung. Diesem sollte ber von vornherein ein Riegel vorgeschoben werden. Es freut mich, dass die Kollegen von der SPD und on Bündnis 90/Die Grünen die Problematik erkannt ha- en. Jedoch sind die Forderungen im Antrag von Bünd- is 90/Die Grünen überzogen. Die Koalitionsfraktionen erden in den kommenden Wochen dem Bundestag ei- en Antrag vorlegen, um Rechtssicherheit für Betroffene nd Forschung zu schaffen. Ich freue mich auf eine ruchtbare und zielführende Diskussion in den Aus- chüssen. 8730 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 (A) ) )(B) Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Seitdem meine Fraktion beim Gesetzgebungsprozess zum Gendiagnostikgesetz angemahnt hatte, auch Regelungen zur Forschung mit ge- netischem Material anzugehen, drängt dieses Anliegen immer mehr. Zum einen machte der Deutsche Ethikrat in seiner Stellungnahme zu Humanbiobanken darauf auf- merksam, dass sie zurzeit eine rasante Entwicklung durchmachen. Bisher unterliegen die beispielsweise an Uniklinika oder in gendiagnostischen Labors vorhande- nen Probensammlungen keiner Qualitätskontrolle und keiner Zugriffsregelung. Neben vielen Neugründungen weitet sich der Austausch der dort eingelagerten Zell- und Gewebeproben bereits über Deutschland und Europa hi- naus. Zum anderen macht das aktuelle Interesse der schwe- dischen Behörden, für Ermittlungsarbeiten der Polizei noch umfassender auf Bestände der schwedischen Natio- nalen Biobank zuzugreifen, den politischen Sprengstoff deutlich. Biobanken sind ein stets wichtiger werdendes wissen- schaftliches Werkzeug. Der Bund fördert die Vernetzung ihrer Bestände, die Synergien in der Grundlagenfor- schung möglich machen, und das hat unsere volle Unter- stützung. Forscher und Forscherinnen sind insbesondere bei der Erforschung von Volkskrankheiten wie Diabetes-, Krebs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf viele me- dizinische Daten und Proben in Verbindung mit viel- schichtigen Daten der Probanden angewiesen. Eine große Rolle werden Biobanken auch für die junge Diszi- plin der Epigenetik, also des Zusammenspiels von Ge- nen mit Lebensweisen und Umweltfaktoren, spielen. Zugleich aber dringt die Einsicht durch, dass je viel- schichtiger die Daten werden, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Zuge wiederholter Erhebungen oder Recherchen sammeln, desto unverwechselbarer auch die Datensätze werden. Das heißt, man weiß immer mehr auch über das Leben von Personen, von denen man zugleich extrem sensible medizinische Daten bis hin zum genetischen Fingerabdruck lagert. Gerade letzteres, also genetisches Material, macht gängige Schutzinstru- mente wie Pseudonymisierung und Anonymisierung ex- trem schwierig. Es wird also einfacher, Datenbanken mit persönlichen Profilen nach bestimmten Rastern und Mustern anzule- gen. Daran haben, wie wir aus der Debatte um geneti- sche Tests wissen, immer auch Dritte Interesse, bei- spielsweise Versicherungen, kommerzielle Konsum- forschungsstellen oder große Arbeitgeber. Zudem we- cken Datenbestände immer auch Begehrlichkeiten bei staatlichen Stellen, wie die Nutzung für die Strafverfol- gung in Schweden zeigt. Für Deutschland will ich nur daran erinnern, dass die zentral gespeicherten Lkw- Mautdaten, die die Arbeit der Behörden des Verkehrs- ministeriums erleichtern sollten, bereits zur Fahndung nach einem Gewaltverbrecher zweckentfremdet worden sind. Zurzeit sind Biobanken bei uns zwar dezentral an- gelegt, doch die anlaufende große Bevölkerungsstudie bei der Helmholtz-Gemeinschaft, die am Ende 200 000 Personen umfassen soll, ändert die Dimensionen auch in Deutschland. d g S m s d D s Z n e s n z t r a d z d f l w g u S N V t n d b b P w V z a V d e w m A d d h r n t A d O k b G w (C (D Meine Fraktion schließt sich daher der Auffassung er SPD und der Grünen an, dass bei Fragen des Zu- angs und der Verwendung von Biobankdaten der chutz von Persönlichkeitsrechten geregelt werden uss. Dabei reicht es nicht, auf den bestehenden Daten- chutz zu verweisen. Zu den Hauptaufgaben eines mo- ernen Datenschutzes gehört es, die Speicherung von aten zeitlich genau zu begrenzen. Dahinter steht die Ein- icht, dass noch so gut austarierte Regeln, wer zu ihnen ugang hat, regelmäßig an Leckagen scheitern und dass ur das Löschen von Daten, nachdem sie ihren Zweck rfüllt haben, wirklich sicher ist. Der Ethikrat kommt in einer Expertise nun zu dem Schluss, dass es de facto icht möglich ist, die Nutzung der Proben und Daten eitlich zu begrenzen. Dem steht die digitale Ausbrei- ung von Kopien, die schon aus Gründen der Datensiche- ung der Bestände angelegt werden, entgegen. Vor allem ber spricht gerade das Interesse der Forschung dafür, ie Daten erstens möglichst gut zu vernetzen und sie weitens nicht sofort zu vernichten. Die Wissenschaft ist arauf angewiesen, dass sie für die kritische Überprü- ung der Ergebnisse oder auch für eine neue Fragestel- ung, die sich aus dem abgeschlossenen Projekt ergibt, eiter genutzt werden können. Was also kann der Ansatz sein, mit dem man beidem erecht wird, dem Erkenntnisfortschritt für Wissenschaft nd Patienten und der Wahrung der informationellen elbstbestimmung und der Persönlichkeitsrechte? Der ationale und der Deutsche Ethikrat haben dazu einen orschlag gemacht, den meine Fraktion ausdrücklich un- erstützt, nämlich ein Forschungs- bzw. Biobankgeheim- is gesetzlich zu verankern. Dieses soll sicherstellen, ass Daten und Proben nur zu Forschungszwecken erho- en und genutzt werden dürfen. Im Kern würde das Bio- ankgeheimnis umfassen: die Schweigepflicht für alle ersonen, die Zugriff zu Daten haben, ihr Zeugnisver- eigerungsrecht gegenüber allen Gerichten sowie das erbot, die Biobankenbestände zu beschlagnahmen oder um Zweck der Gefahrenabwehr zu verwenden. Als die ndere tragende Säule begreift meine Fraktion genaue orschriften zur informierten Einwilligung der Proban- en zum Zweck der Forschung, mit der Möglichkeit, inzelne Zwecke auszunehmen oder alle global zu be- illigen. Zu prüfen wäre zudem, inwiefern ein Widerruf öglich ist. Grundsätzlich befürworten wir beide vorliegenden nträge, haben aber mit beiden jeweils ein Problem: Mit em der SPD ein grundsätzliches, da sie Ausnahmen für en Zugriff durch Strafermittlungsbehörden für denkbar ält. Das lehnen wir ab. Dennoch benennt der Antrag die ichtigen Eckpunkte in Richtung eines Biobankgeheim- isses. Der Antrag der Grünen enthält wiederum sehr de- aillierte Vorstellungen zu Einwilligung, Aufklärung und uskunft über Ergebnisse der Forschung an Probanden, ie wir ähnlich in anderen Zusammenhängen mittragen. b sie aber im Detail nicht an entscheidender Stelle die omplizierte Kommunikation in Forschungsprojekten ehindern, sollte ein Beratungsprozess im Rahmen des esetzgebungsverfahrens zeigen. Daher unterstützen ir das politische Anliegen beider Anträge. Ob wir am Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8731 (A) ) )(B) Ende aber beiden zustimmen können, wollen wir erst nach weiterer parlamentarischer Beratung entscheiden. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Mit unserem Antrag für ein Biobanken-Gesetz fordern wir die Bundesregierung auf, endlich die Lücke zu schließen, die seit der Verabschiedung des Gendia- gnostikgesetzes der schwarz-roten Koalition besteht. Während in diesem Gesetz Regelungen für Gentests zu medizinischen Zwecken, zur Klärung der Abstammung sowie für Bereiche des Arbeitslebens und der Versiche- rungswirtschaft aufgenommen wurden, blieb der For- schungsbereich ausgenommen. Wir Grünen hatten da- mals schon einen eigenen Gesetzentwurf erarbeitet, der unter anderem Regelungsvorschläge für den For- schungsbereich enthielt, und wir hatten dafür auch viel Unterstützung in Anhörungen erhalten. Leider hat sich die damalige Mehrheit dem nicht anschließen wollen. Bündnis 90/Die Grünen setzen sich für ein Bioban- ken-Gesetz ein, in dem der Umgang mit genetischen Daten für die Forschung endlich geregelt wird. Dabei geht es uns darum, die Forschung mit genetischen Pro- ben zu fördern, sie auf eine rechtlich sichere Grundlage zu stellen und damit die Ziele und Vorgehensweisen ge- genüber den betroffenen Personen transparent zu ma- chen. Wir halten diese Forschung für notwendig und sinnvoll; gerade deshalb ist eine gesetzliche Regelung wichtig. Die Zahl der Biobanken in Deutschland hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Nun will das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Bio- bank der Helmholtz-Gemeinschaft mit Bundesgeldern unterstützen. Geplant ist der Aufbau einer riesigen Da- tenbank mit Proben von insgesamt 200 000 Bürgerinnen und Bürgern. Spätestens jetzt ist es höchste Zeit für eine gesetzliche Regelung. Dies wird nur möglich, wenn es eine Mehr- heit des Bundestages will, denn die Regierung hält es nicht für notwendig. Bislang ist der Datenschutz so ge- ring, dass wir Gefahr laufen, dass das Vertrauen der Pro- banden schwindet und die Bereitschaft abnimmt, sich an wichtigen Studienprojekten zu beteiligen. Dies kann nicht in unserem Interesse liegen. Umfassende Regelungen zu Biobanken sind bislang weder auf Landes- noch auf Bundesebene getroffen wor- den. Der Aufbau von Biobanken stellt eine erhebliche Herausforderung für den Datenschutz und den Schutz von Persönlichkeitsrechten dar. Diesen Problemen wer- den die bestehenden rechtlichen Regelungen in Deutsch- land nicht gerecht. Durch die zunehmende nationale und internationale Vernetzung, die Kommerzialisierung und Institutionalisierung von Biobanken treten verstärkt da- tenschutzrechtliche Probleme auf. Das kann dazu führen, dass die Daten für Zwecke verwendet werden, in die die Probanden bei einer umfassenden Aufklärung nie einge- willigt hätten. Sie haben derzeit kein Recht, auf Verlan- gen Auskunft über die wesentlichen, auf ihre Gesundheit bezogenen Erkenntnisse zu bekommen. Der Verkauf von Daten ist ebenso möglich wie der Austausch und die Vernetzung von Biobanken, ohne dass es datenschutz- rechtliche Regelungen gibt. Wer stellt sich unter solchen B d r s l s b s g b g s l F t S g g l c D R s a s D A c t h k d F b t m k b U b s in f h u d g d ö T s a (C (D edingungen gerne als Proband zur Verfügung, wenn ie Proben noch nicht mal vor dem staatlichen Zugriffs- echt beispielsweise bei der Strafverfolgung geschützt ind? So verständlich so etwas aus Sicht der Ermitt- ungsbehörden sein mag, für die Wissenschaft kann es ich jedoch als außerordentlich problematisch erweisen. Wir wollen die Probanden durch eine strikte Zweck- indung davor schützen, dass ihre Daten über die For- chung hinaus genutzt werden – etwa durch den Arbeit- eber oder die Polizei. Dafür fordern wir ein Bio- ankengeheimnis. Zudem soll mit der Forschung nur be- onnen werden, wenn eine unabhängige Ethikkommis- ion das Forschungsvorhaben in einer schriftlichen Stel- ungnahme positiv bewertet hat. Nach Erreichung des orschungsziels sollen die Daten gelöscht werden. Wei- erhin müssen durch eine gesetzliche Regelung klare tandards im Umgang mit Daten von nichteinwilli- ungsfähigen Personen festgeschrieben werden. Auch der Deutsche Ethikrat hat in seiner im Juni vor- elegten Stellungnahme eine eigene Regelung empfoh- en, die „den spezifischen Anforderungen an den rechtli- hen Schutz der in Biobanken vorhandenen Proben und aten Rechnung“ trägt. Damit die Empfehlungen des ates nicht immer nur im luftleeren Raum bleiben, müs- en wir die Konsequenzen daraus ziehen. Inzwischen ist uch die SPD für eine gesetzliche Regelung, nachdem ie dies in der Großen Koalition noch abgelehnt hatte. as finde ich gut, wenn ich auch nicht jede Passage des ntrags unterschreiben würde. Aber es geht in die glei- he Richtung, und deshalb freue ich mich auf die Bera- ungen im Ausschuss für Bildung und Forschung und offe, dass wir die anderen Kollegen noch überzeugen önnen. Ich bitte um Unterstützung für unseren Antrag. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bun- esministerin für Bildung und Forschung: Medizinische orschung ist seit jeher mit der Nutzung und Sammlung iologischer Proben verbunden. Mit verbesserten Me- hoden der Analyse und der Datenverarbeitung sind Bio- aterialbanken heute ein unverzichtbares Instrument der rankheits- und patientenorientierten Forschung. Bio- anken wirken als Multiplikator bei der Aufklärung von rsachen und Mechanismen zahlreicher Krankheiten. In vielen wichtigen Forschungsinitiativen sind Bio- anken wichtige Bestandteile der Forschung. Zu nennen ind etwa die vom BMBF geförderten Kompetenznetze der Medizin, das BrainNet oder das Nationale Genom- orschungsnetz, NGFN. Das Thema Biomaterialbanken, welches wir hier eute anlässlich der Anträge vonseiten der Kolleginnen nd Kollegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und er SPD-Fraktion erörtern, ist für die Forschung von roßer Bedeutung. Das BMBF begrüßt es daher sehr, ass der Deutsche Ethikrat mit seiner im Juni 2010 ver- ffentlichten Stellungnahme dieses vielfach diskutierte hema noch einmal vertieft aufgegriffen und für die ge- ellschaftliche Diskussion aufbereitet hat. Wir sind uns einig, dass ein besonderes Augenmerk uf dem Schutz der Spender liegen muss. So darf es kei- 8732 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 (A) ) )(B) nen Missbrauch der gesammelten Proben und Daten ge- ben. Ist ein solcher Missbrauch erkennbar, müssen die bestehenden Vorkehrungen überprüft werden. Bei den in Biobanken gespeicherten Informationen handelt es sich um medizinisch sensible Daten; daher muss der Daten- schutz einen hohen Standard erfüllen. Auch muss eine hinreichende Qualität der Biomaterialbanken sicherge- stellt sein. Schließlich muss die Nutzung der gespeicher- ten Proben und Daten hinreichend transparent sein. Gleichzeitig gibt es ein grundsätzlich berechtigtes In- teresse, das in den Biobanken liegende wissenschaftliche Potenzial ausschöpfen zu können, um die medizinische Forschung voranzubringen. Hierzu gehört es, wie auch der Deutsche Ethikrat hervorhebt, dass die Verwendung der Proben und Daten nicht auf spezifische Forschungs- vorhaben beschränkt bleibt und die Weitergabe von Pro- ben und Daten im Wissenschaftsbereich möglich ist. Wichtig ist es aus Sicht des BMBF, genau zu schauen, auf welche Weise die angesprochenen Aspekte bereits behandelt werden und welches Instrumentarium hierfür zur Verfügung steht. So sind wir uns zum Beispiel einig in dem Ziel, dass hinreichende Vorkehrungen gegen ei- nen Missbrauch von genetischen Proben und Daten eta- bliert sein müssen. Allerdings müssen wir sehr genau prüfen, welche Sachumstände es rechtfertigen, von einem Missbrauch von genetischen Proben und Daten zu spre- chen. So haben wir im Rahmen der Diskussionen für das Anfang des Jahres in Kraft getretene Gendiagnostikge- setz eine differenzierte Debatte in Bezug auf die Nut- zung genetischer Proben und Daten durch Versicherun- gen und Arbeitgeber geführt. Wir sind dabei zu abgewo- genen Regelungen gekommen, die hier einen Miss- brauch genetischer Proben verhindern. Die insbesondere vom DER vorgeschlagenen weiteren Schutzkonzepte zur Vertraulichkeit der genetischen Proben und Daten, zum Beispiel gegenüber Strafverfolgungsbehörden, müssen wir vor diesem Hintergrund sehr sorgfältig diskutieren und dabei die rechtlichen und tatsächlichen Gegebenhei- ten berücksichtigen. Auch hat das BMBF bereits erste Schritte unternom- men, um Qualität und Transparenz von Biobanken, die wir alle für erforderlich halten, in Deutschland sicherzu- stellen. Zu nennen ist die Förderung eines nationalen Biomaterialbankenregisters seit März 2010. Es soll Kerninformationen über alle für die medizinische For- schung relevanten Biobanken in Deutschland enthalten, wodurch ein effektiver und strukturierter Zugang zu die- ser nationalen Wissenschaftsressource möglich wird. Das Register wird dazu beitragen, die deutschen Bioban- ken national wie international besser sichtbar zu ma- chen, und es wird die Forscher dabei unterstützen, gemeinsam Qualitätsstandards für Biobanken zu entwi- ckeln. Zur Sicherstellung eines hohen Qualitätsniveaus von Biomaterialbanken hat das BMBF außerdem im Juni 2010 eine Initiative gestartet zum Aufbau übergeordne- ter Strukturen an Standorten mit bereits vorhandenen Biomaterialbanken, Nationale Biomaterialbanken-Initia- tive. Zu berücksichtigen ist in der Diskussion schließlich die Dynamik, die das Thema auf internationaler Ebene h f s 2 b a m i d s z n a d l s g H a d n g D d k G l d b n b b a W t g A d g d f r Z k L z g b (C (D at. Verschiedene internationale Richtlinien und Emp- ehlungen, stellen Grundsätze zum Umgang mit For- chungsbiobanken auf. Zu nennen sind insbesondere die 009 verabschiedeten OECD Guidelines on Human Bio- anks and Genetic Resesarch Databases. Zu nennen ist uch die Empfehlung des Europarates über Forschung it humanbiologischem Material, deren Überarbeitung n den kommenden Jahren geplant ist. Mit der europäischen Biobankeninitiative BBMRI, an er Deutschland beteiligt ist, verfolgen die EU-Kommis- ion und die Mitgliedstaaten das Ziel, tragfähige Kon- epte zu entwickeln, wie eine nationale und internatio- ale Vernetzung vorhandener Bestände aus Biobanken ls Forschungsinfrastruktur erreicht werden kann, um em wachsenden Bedarf für viele Forschungsfragestel- ungen in größerem Umfang und hoher Qualität zu ent- prechen. Mit gutem Grund hat die Bundesregierung im Gesetz- ebungsverfahren zum Gendiagnostikgesetz auch unter inweis auf die laufende Diskussion auf nationaler wie uf internationaler Ebene derzeit von einer Regelung für en Bereich der Forschung abgesehen. Bei jeder Maß- ahme, die wir diskutieren, müssen wir die Auswirkun- en für die Forschung in Deutschland im Auge haben. aher brauchen wir, ebenso wie in anderen Bereichen er modernen Biomedizin, eine fundiert geführte Dis- ussion, um im Konsens mit den gesellschaftlichen ruppen sowie in Zusammenarbeit mit der Forschungs- andschaft die Möglichkeiten von Biobanken für die me- izinische Forschung verantwortlich zu nutzen. Wir haben 2010 wichtige Fördermaßnahmen wie ins- esondere das Biomaterialbankenregister und die Natio- ale Biomaterialbanken-Initiative etabliert, um zur Ver- esserung von Qualität und Transparenz von Biobanken eizutragen. Die Bundesregierung wird sich weiterhin ktiv an der – auch internationalen – Diskussion und eiterentwicklung verantwortungsvoller und gleichzei- ig innovationsfördernder Rahmenbedingungen beteili- en. nlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Fünften Geset- zes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (Tagesordnungspunkt 19) Patricia Lips (CDU/CSU): Wir beschließen heute as „Fünfte Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuer- esetzen“. Die Neuerungen basieren auf einer Richtlinie er EU. Die darin enthaltenen Maßnahmen beinhalten ür Deutschland im Wesentlichen zunächst keine gravie- enden Änderungen: Mit einer Übergangsfrist werden igarren und Zigarillos, die Zigaretten vergleichbar sind, ünftig wie Zigaretten besteuert. Die Definition der änge von Zigaretten bzw. von Tabakabfällen wird prä- isiert, und die Schnittbreite bei Feinschnitt wird herauf- esetzt. Hinzu kommen Steuerbefreiungen zum Beispiel ei der Branntweinsteuer und weitere redaktionelle Än- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8733 (A) ) )(B) derungen. Diejenigen Elemente, die die Biersteuer be- treffen, werden ausgegliedert und in einem späteren Ver- fahren behandelt. Was damit eher unspektakulär klingt – und auch war –, hat in den vergangenen Wochen dann doch zu einer wei- teren Ergänzung geführt, die zeitweise lebhafte Diskus- sionen auslöste: einer Erhöhung der Tabaksteuer. Ich glaube, es wurde in den vergangenen Wochen deutlich, dass uns diese Erhöhung nicht leichtgefallen ist und bis zum Schluss auch umstritten war. Es bleibt jedoch fest- zustellen, dass die größte Wirtschafts- und Finanzkrise der Nachkriegsgeschichte an den öffentlichen Haushal- ten nicht spurlos vorbeigegangen ist. Die parlamentari- schen Beratungen zum Haushalt, die parallel stattgefun- den haben, machten deutlich, dass eine ursprünglich geplante Mehrbelastung energieintensiver Unternehmen nach Plänen des Kabinetts noch vor der Sommerpause zu einer massiven Gefährdung zahlreicher Arbeitsplätze in diesem für unser Land wichtigen, industriellen Be- reich geführt hätte. Insofern wurde nun beschlossen, dass diese Unternehmen zwar nach wie vor einen spür- baren Beitrag zum „Sparpaket“ leisten, jedoch nicht mehr in der vollen Höhe. Es entstanden Einnahmeaus- fälle; das sprechen wir ganz offen an. Doch angesichts der Notwendigkeit der Rückführung der Neuverschul- dung – Stichwort: strukturelles Defizit –, vor dem Hin- tergrund der Einhaltung der Schuldenbremse und zur Si- cherung beruflicher Existenzen sehen wir es als vertretbar an, die nun vorgelegte moderate Erhöhung der Tabaksteuer durchzuführen. Ich möchte bereits an dieser Stelle erwähnen: In der öffentlichen Anhörung am vergangenen Dienstag wurde mehrheitlich deutlich, dass, wenn es schon zur Erhöhung kommen soll, der von uns vorgeschlagene Weg am ehes- ten geeignet ist, das erstrebte Ziel auch zu erreichen. Nun ist die Vorgehensweise nicht grundsätzlich neu: In den Jahren 2002 bis 2005, damals noch unter der Füh- rung von SPD und Grünen, wurde die Tabaksteuer zur Konsolidierung an anderer Stelle erhöht. Was damals zur Begründung galt, muss auch heute grundsätzlich gelten dürfen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass es damals nicht zu Mehreinnahmen kam. Im Gegenteil: Der Anteil illegal eingeführter oder produzierter Tabakprodukte ist deutlich angestiegen und hat sich verfestigt. Ich komme darauf noch einmal zurück. Gleichzeitig gab es Verwerfungen innerhalb Deutsch- lands zwischen den einzelnen Tabakprodukten. Cross- Border-Käufe, also legale Grenzkäufe, nahmen ebenfalls zu. Der Anteil derer, die deshalb mit dem Rauchen auf- gehört oder als Jugendliche gar nicht erst angefangen ha- ben, blieb im Vergleich eher übersichtlich. Wir müssen es natürlich begrüßen, wenn Menschen nicht rauchen oder aufhören. Aber die Forderung, drastische Erhöhun- gen durchzuführen, um diesem Ziel näherzukommen, wird zumindest vorrangig die oben genannten Punkte zur Folge haben. Ich betone es noch einmal: Auch damals war das Ziel ein fiskalisches; es ging um erhoffte Mehreinnahmen, die aber ausblieben. Bleibt die Frage: Was ist diesmal anders? Die Steuererhöhung wird über mehrere Jahre bis 2 u 8 Z n e s e t v v Z r g t s d g t s D E V t h E r v g s u p a f s w l I S g w a f d S r k S h A f I d e c E a s (C (D 015 stufenweise stattfinden, beginnend ab Mai 2011 nd endend 2015. Die Stufen fallen mit 4 Cent bis Cent je Zigarettenpackung pro Jahr sehr moderat aus. um Vergleich: In den früheren Jahren entsprach dies ahezu der Erhöhung bezogen auf eine Zigarette. Großen Verwerfungen innerhalb Deutschlands, also iner Abwanderung in günstigere Produkte wie Fein- chnitt, soll entgegengewirkt werden, indem deren Steu- rbelastung nun proportional stärker ansteigt. Gleichzei- ig wird dort eine Umstellung der Mindeststeuer orgenommen. Die Spreizung bleibt, wird aber deutlich erringert. Es wird eine Mindeststeuer bei Zigarren und igarillos eingeführt, damit der Preisabstand von Ziga- etten bzw. Feinschnitt zu diesen Produkten nicht zu roß wird. Zudem soll es eine Mindeststeuer für Pfeifen- abak geben. Dies geschieht, um die EU-weite Mindest- teuer im Pfeifentabakbereich einzuhalten. Maßnahmen er EU zur Anhebung der Mindeststeuer für Zigaretten enerell sollen, auch nach Angaben des Zollkriminalam- es, die legalen Grenzeinkäufe reduzieren. In diesem Zu- ammenhang gilt mit der vorliegenden Richtlinie für eutschland auch eine Mengenbeschränkung der legalen infuhr von Zigaretten aus den Ländern, die diese EU- orgaben noch nicht umgesetzt haben. Unser Ziel, die Steuereinnahmen bei Tabak zu verste- igen und zu erhöhen, wurde in der Anhörung von na- ezu allen Fachleuten aufgrund dieser Strategie geteilt. s ist ein Gesamtpaket und kann nur als solches zielfüh- end sein. Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Argument orwegnehmen, welches seitens Teilen der Opposition erne bemüht wird: Eine große Zahl an Rauchern finde ich gerade in den einkommensschwächeren Kreisen, nd ausgerechnet diesen Personenkreis würden wir nun roportional stärker belasten. Ich sage: Es ist geradezu bsurd, uns dieses sozialpolitische Argument vorzuwer- en – gar noch in Verbindung damit, betroffene Men- chen würden in die „Illegalität“ getrieben werden –, enn gleichzeitig und allen voran ausgerechnet die Kol- eginnen und Kollegen der Sozialdemokratie eine eigene nitiative starten, die am Ende eine Verdreifachung der teuer bei Feinschnitt zur Folge hätte. Das wäre die rößte Belastung derer, die sie vermeintlich „schützen“ ill – von den unkalkulierbaren Marktverwerfungen mit bsehbaren Folgen am Arbeitsmarkt und völlig unklaren iskalischen Auswirkungen ganz zu schweigen. Einen großen Schwerpunkt in der Diskussion und in er Anhörung bildete die illegale Einfuhr, also der chmuggel, und die illegale Produktion von Tabakwa- en. Dabei waren die Meinungen der Fachleute durchaus ontrovers in Bezug auf die Frage, inwieweit der chmuggelanteil ursächlich mit dem Preis zusammen- ängt. Dennoch dürfen wir vor diesem Problem nicht die ugen verschließen. Es ist ein Grundsätzliches und er- ordert ein Handeln unabhängig von Steuererhöhungen. ch sage dies ausdrücklich. Umso mehr ist zu begrüßen, ass auf Einladung des zuständigen Finanzministeriums rst kürzlich mit allen Beteiligten entsprechende Gesprä- he stattfanden. Dies wurde von vielen Seiten betont. benso hervorgehoben wurde die gute Zusammenarbeit uf europäischer Ebene, denn nur gemeinsam kann die- em Problem entgegengewirkt werden. Ich möchte an 8734 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 (A) ) )(B) dieser Stelle den zuständigen Behörden unsere Anerken- nung und unseren Respekt vor ihrer Arbeit zum Aus- druck bringen. Ich fasse zusammen: Die Änderungen bei Verbrauch- steuergesetzen, basierend auf einer Richtlinie der EU, in Verbindung mit einer moderaten Steuererhöhung auf Ta- bakprodukte im Inland sollen die Einnahmen erhöhen und stabilisieren. Ziel ist es auch, Planungssicherheit für Verwaltung, Handel sowie Industrie herzustellen. Es fin- det die Kompensierung von Einnahmeausfällen im Haushalt statt; und dies trägt zum Erhalt von Arbeitsplät- zen an anderer Stelle bei. Damit ist das vorrangige Ziel ein fiskalisches. Sollte diese Maßnahme jedoch auch dazu beitragen, dass auch nur ein Mensch mit dem Rau- chen aufhört oder ein Jugendlicher erst gar nicht damit anfängt, dann wird diese gesundheitspolitische Maß- nahme mindestens ebenso von uns begrüßt. Ingrid Arndt-Brauer (SPD): Ich kann mich noch sehr gut an die volltönenden Ankündigungen der FDP erinnern: Steuerhöhungen wird es mit uns nicht geben. Von mehr Brutto vom Netto war die Rede. Offenbar waren ihre Steuerversprechen reine Wahl- kampftaktik, und der Koalitionsvertrag ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben worden ist: Heute werden sie bei der Tabaksteuer eine lupenreine Steuerer- höhung beschließen. Damit es möglichst wenige Men- schen merken, haben sie vorsorglich die heutige Debatte zu einer entsprechend späten Zeit angesetzt. Dieses Ab- ducken lassen wir ihnen aber nicht durchgehen. Wo im- mer es mir und meinen Fraktionskollegen möglich ist, werden wir den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort über ihre einseitige und ungerechte Steuerpolitik berichten. Darauf können sie sich verlassen. Sonnenklar ist, wer die Tabaksteuererhöhung zu be- zahlen hat: die Verbraucherinnen und Verbraucher, ge- nauer gesagt: die Gruppe der Raucherinnen und Rau- cher. Der „Raucher“ als solcher hat in Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern heutzutage fast keine Lobby mehr. Sein Image ist schlecht. Darum eig- net sich die Gruppe der Raucher auch so gut als Ziel- gruppe für ihre Steuererhöhungen. Das Risiko, dass es zu Solidarisierung durch nennenswerte Teile der Bevöl- kerung kommen wird, ist gering. Wes Geistes Kind die Erfinder der Tabaksteuererhö- hung sind, ist offenkundig: Das vorgelegte Tabaksteuer- modell hat das Bundesfinanzministerium zusammen mit Vertretern der Tabaklobby und des Handels entwickelt – bereits Monate vor der Kabinettsklausur. Kein Wunder also, dass dieses Gesetz von der Tabakindustrie gelobt wurde, werden doch praktisch alle wichtigen Ziele ver- fehlt: Die Steuermehreinnahmen werden kläglich sein, und präventive Wirkungen zum Schutz der Menschen vor den Folgen des Rauchens und Passivrauchens sind nicht einmal in der Begründung zum Gesetz zu finden. Verbesserter Jugendschutz: Fehlanzeige! Den Kollegen von der CDU/CSU und FDP geht es doch in allerster Linie darum, ihren Haushalt zu retten. Jedem, der auch nur halbwegs eins und eins zusammen- z l n w s u l s g A A d b g h S g g r G d H E M B p a w g w w g k s j l n a 5 t V h h s d g a P a s d s d M n (C (D ählen kann, ist in den vergangenen Monaten aufgefal- en, wie das von ihnen aufgelegte Sparpaket nach und ach löchrig wie der sprichwörtliche Schweizer Käse ge- orden ist. Überall, wo Wirtschaft oder Vermögende tärker in die Pflicht hätten genommen werden können nd müssen, ist fast nichts passiert. Vor gar nicht allzu anger Zeit haben Sie die Kernbrennstoffsteuer beschlos- en. Die ohnehin viel zu knapp bemessene Steuer wurde leich bei erster Gelegenheit durch einen vorgezogenen ustausch von Brennelementen in Biblis unterlaufen. Nicht die geringsten Abschläge hingegen wurden den rbeitslosengeld-II-Empfängerinnen und -Empfängern bei en umfangreichen Leistungskürzungen gewährt. Da ha- en sie all das, was sie streichen wollten, auch wirklich estrichen – ohne Ausnahme! Von der Tabaksteuererhö- ung werden wieder einmal besonders die ärmeren chichten betroffen sein. Die Anhörung hat einmal mehr ezeigt, dass in jenen Bevölkerungsgruppen mit niedri- em Einkommen und schlechter Bildung am meisten ge- aucht wird. Hier wird erneut ein zentrales steuerpolitisches erechtigkeitsproblem deutlich: Verbrauchsteuern – wie ie Tabaksteuer – sind von allen Menschen in gleicher öhe und unabhängig von der Höhe der individuellen inkommen zu zahlen. Arme zahlen so viel wie Reiche. it jeder Erhöhung der Steuersätze steigt auch die elastung der Armen gegenüber den Reichen überpro- ortional an. Menschen mit hohen Einkommen sind es ber, deren Steuern seit Jahren systematisch gesenkt erden, sodass sich Deutschland im internationalen Ver- leich der Vermögens- und Kapitalertragsteuern mittler- eile streueroasenähnlich im untersten Mittelfeld be- egt. Unter der Überschrift „Subventionsabbau und ökolo- ische Neuausrichtung“ sah das Sparpaket des Bundes- abinetts vom Juni 2010 eine Reduzierung der Energie- teuervergünstigungen der Wirtschaft im Umfang von ährlich 1,5 Milliarden Euro – 2011 war es genau 1 Mil- iarde Euro – vor. Nach massiven Protesten der betroffe- en Unternehmen entschloss sich die schwarz-gelbe Ko- lition im Herbst 2010, das Einsparvolumen um über 00 Millionen Euro pro Jahr zu verringern. Stattdessen wollen sie die Tabaksteuer in den nächs- en fünf Jahren schrittweise erhöhen. Ihr Vorhaben, die erbraucher zur Konsolidierung des Bundeshaushalts eranzuziehen, ist mit erheblichen Unsicherheiten be- aftet. Dies hat die Anhörung des Finanzausschusses be- tätigt. Ihre Erwartungen basieren einzig und allein auf er Hoffnung, dass die Steuererhöhungsschritte moderat enug ausfallen, um keine nennenswerten Ausweichre- ktionen der Verbraucher auszulösen. Wie bei früheren reiserhöhungen konnten die Sachverständigen nicht usschließen, dass die Konsumenten auf geringer be- teuerte oder illegale Tabakwaren umsteigen oder sogar as Rauchen aufgeben. Der verhaltene Beifall der Tabakwirtschaft für die chrittweise Steuererhöhung überrascht mich nicht, bietet iese doch hinreichend Gelegenheit zur Preis- und arktanteilsgestaltung. Auch für die organisierte Krimi- alität, so die unmissverständliche Warnung der Zollge- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8735 (A) ) )(B) werkschaft BDZ und des Zollkriminalamtes, werden die „Gewinnchancen“ steigen. Nach den Erfahrungen bei früheren Preiserhöhungen konnten und wollten die Sach- verständigen nicht ausschließen, dass die Konsumenten auf geringer besteuerte oder illegale Tabakwaren umstei- gen werden. Es war irritierend, dass gerade die Tabakin- dustrie das Argument des zunehmenden Schmuggels ins Feld führte. Schließlich hat diese im letzten Jahr ihre Preise um ganze 8 Prozent erhöht. Damals war von zu- nehmendem Schwarzhandel aber keine Rede. Weil gerade die ärmeren Schichten von der Steueran- hebung betroffen sein werden, halten wir es für zwin- gend notwendig, die Angebote zur Suchtbekämpfung und Hilfen bei der Rauchentwöhnung zu verstärken. An- ders als die Lobbyvertreter waren sich die Wissenschaft- ler einig, dass dieses Gesetz gesundheitspolitisch viel besser hätte wirken könnte, wenn die Steueranhebung möglichst kurzfristig und in einem Schritt erfolgen würde. Ein Vorschlag, dem die schwarz-gelbe Koalition wohl leider nicht folgen wird. Zu stark ist die Lobby! Für den Staat, unsere Gemeinschaft, wird die Rech- nung unter dem Strich kaum aufgehen: Die veranschlag- ten Steuermehreinnahmen, die bis 2015 auf 1 Milliarde Euro pro Jahr anwachsen sollen, werden nicht erzielt werden können; die exorbitanten Kosten für die Folgen des Rauchens bleiben uns erhalten. Ihrem Gesetzentwurf können wir daher auf keinen Fall zustimmen. Dr. Birgit Reinemund (FDP): 90 Prozent der heuti- gen Gesetzesvorlage umfassen unstrittige technische Änderungen zur Umsetzung von EU-Vorgaben. Eine kontroverse Diskussion entfachte sich lediglich an der geplanten Erhöhung der Tabaksteuer. Um nicht um den heißen Brei herumzureden: Laut Gesetzesbegründung dient diese Maßnahme in erster Linie fiskalischen Ziel- setzungen. Sie leistet einen Beitrag zur Haushalts- konsolidierung. Zusätzlich hat sie sicherlich positive Ne- beneffekte für den Jugendschutz und die gesundheitliche Prävention. Die Erhöhung der Tabaksteuer in fünf Schritten, ver- teilt über fünf Jahre, ist moderat. So wurde es von den meisten Experten während der Anhörung am Dienstag bestätigt, wie auch die gesamte Vorlage begrüßt wurde – und zwar eindeutig und in erstaunlich großer Einmütig- keit. Weniger eindeutig ist, was die Oppositionsparteien eigentlich wollen. Einerseits wird diese Erhöhung als unzumutbar für sozial schwache Raucher kritisiert; deshalb, so die Op- position, dürfe es diese Tabaksteuererhöhung eigentlich gar nicht geben. Andererseits sorgt sich die Opposition um den Jugendschutz. Deshalb kommt man zu dem Er- gebnis, dass die Erhöhung der Steuer auf Feinschnitt deutlich höher ausfallen müsse, damit die Jugendlichen nicht mit selbstgedrehten Zigaretten in die Droge Niko- tin einsteigen. Darüber hinaus macht man sich Gedanken um die Volksgesundheit: Auch aus dieser Sicht sollte die Tabaksteuer nicht moderat, sondern deutlich erhöht wer- den. Und zum guten Schluss wird noch über die Folgen der Steuererhöhung auf eine Ausweitung des Schwarz- marktes und des Schmuggels nachgedacht. Hierbei k h w m h p r d V m S S B S J m m d p n d v S u d s k b g g g c U E h a E w R u d A H z s e n p Z d f (C (D ommt die Opposition zu dem Ergebnis, dass die Erhö- ung nun doch nicht so hoch ausfallen darf, um eine Ab- anderung zu „Cross-Border-Einkäufen“, zum Schwarz- arkt und Schmuggelware zu verhindern. Was denn nun? Erhöhung ja? Erhöhung nein? Erhö- ung vielleicht? Meine Damen und Herren von der Op- osition, wie hätten Sie es gerne, und was sind Ihre Prio- itäten? Sie müssen sich schon entscheiden: Wollen Sie ie Tabaksteuer zum Wohle von Jugendschutz und olksgesundheit einheitlich deutlich erhöhen und dies öglichst sofort in einem kräftigen Schritt, oder wollen ie zum Wohle der niedrigen Einkommensgruppen die teuer gar nicht beziehungsweise nur moderat erhöhen? eides zusammen geht nicht. Für uns steht fest, dass die jährlich vorgesehenen teuerschritte Herstellern, Industrie und Handel über ahre Planungssicherheit geben und für den Verbraucher it 4 Cent bis 8 Cent Erhöhung pro Packung jährlich zu- utbar sind. Feinschnitttabak wird stärker erhöht, um ie Differenz zum Zigarettenpreis zu verringern. Die Ex- erten waren in der Anhörung überwiegend der Mei- ung, dass wir die geplanten Steuermehreinnahmen urchaus realisieren können: Die moderaten Erhöhungen erhindern, dass die Konsumenten verstärkt auf chmuggelware und legale Grenzeinkäufe ausweichen nd dass die auf europäischer Ebene erreichte Anhebung er Mindeststeuern, die zur Verringerung des Preisunter- chiedes zwischen einzelnen Staaten eingeführt wurde, onterkariert wird. Auch sind nennenswerte Ausweich- ewegungen auf Billigprodukte bei diesen geringen Stei- erungen nicht zu erwarten. Um noch auf die Aspekte Gesundheitspolitik und Ju- endschutz einzugehen: Ich bin mir sicher, dass auf- rund der höheren Kosten der eine oder andere Jugendli- he mit dem Rauchen erst gar nicht angefangen wird. nd wenn der eine oder andere erwachsene Raucher die rhöhung zum Anlass nimmt, mit dem Rauchen aufzu- ören, haben wir mit dieser fiskalischen Maßnahme uch etwas für Jugendschutz und Gesundheit erreicht. ntfallen dadurch Steuereinnahmen, profitiert die Volks- irtschaft dennoch aufgrund geringerer Folgekosten des auchens, das heißt durch weniger Krankheitskosten nd durch eine höhere Lebenserwartung. Ich verhehle nicht, dass diese Steuererhöhung nicht er Herzenswunsch der FDP-Bundestagsfraktion war. ber sie leistet einen Beitrag zur Konsolidierung des aushaltes, ohne die betroffenen Verbraucher übermäßig u belasten. Das können wir mittragen. Richard Pitterle (DIE LINKE): Der vorliegende Ge- etzentwurf verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele: Erstens werden Vorgaben der Europäischen Union für in neues allgemeines Verbrauchsteuersystem in natio- ales Recht umgesetzt. Zweitens wird die notwendige Umsetzung des euro- äischen Rechts zum Anlass genommen, um politische ugeständnisse an die Unternehmerverbände im Bereich er Ökosteuer über eine Erhöhung der Tabaksteuer zu inanzieren. 8736 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 (A) ) )(B) Der französische Schriftsteller Victor Hugo sagte ein- mal: „Tabak verwandelt Gedanken in Träume.“ Die Regierungskoalition will hier ihren Traum von Mehrein- nahmen in ein Gesetz verwandeln. Im Gegensatz zur FDP, die vor den Wahlen versprochen hatte, mit ihr werde es keine Steuererhöhungen geben, sind wir nicht grundsätzlich gegen Steuererhöhungen, wenn die Ver- mögenden dieser Gesellschaft erreicht werden. Aber Verbrauchsteuern zu erhöhen, ist sozial ungerecht, weil diese von allen Menschen, unabhängig von der Höhe ih- res Einkommens, zu zahlen sind. Mit der Erhöhung der Tabaksteuer verlagert Schwarz-Gelb die Finanzierung der Staatsaufgaben wieder einmal von der Wirtschaft auf die Bürgerinnen und Bürger. Frau Bundeskanzlerin und wir Bundestagsabgeordnete werden mit der Erhöhung weniger belastet als die Durchschnittsverdienerin und der Durchschnittsverdiener. Darum ist diese Erhöhung nicht nur unsozial, sondern auch ungerecht. Meine Frak- tion lehnt daher dieses Gesetz ab. In der Anhörung haben einige Sachverständige be- gründet, warum eine Tabaksteuererhöhung geeignet wäre, den Gesundheitsschutz zu stärken. Aber der Gesundheitsschutz lag nicht in der Absicht von Schwarz-Gelb. Ich selbst bin ein überzeugter Verfechter des Nichtraucherschutzes und nehme die Argumente zum Gesundheitsschutz ernst. Rauchen gefährdet die Raucherinnen und Raucher. Es schadet auch ihren Fami- lien und Freunden, die oft zum Passivrauchen gezwun- gen werden. Die Tabaksteuererhöhung, wie sie im Ge- setz angelegt ist, ist jedoch der falsche Weg, den wir nicht akzeptieren. Selbst die Sachverständigen, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes eine Erhöhung der Tabaksteuer befürworteten, kritisierten die Erhöhung in kleinen Schritten, wie im Gesetzentwurf vorgesehen. Dies sei zwar „marktschonend“, habe aber die Konse- quenz, dass möglichst wenige Leute deswegen aufhören, zu rauchen. Kein Wunder, dass die Tabaklobby für diese Art der Tabaksteuererhöhung in der Anhörung öffentlich gedankt hat. Die von Schwarz-Gelb geplante Erhöhung der Tabak- steuer bringt in keinem Fall die gewünschten Einnahmen und wird die Ökosteuergeschenke an die Wirtschaft nicht kompensieren können. Auch die Sachverständigen in der Anhörung haben dies bestätigt, sofern sie unab- hängig waren, und nicht zu dem Dutzend Vertretern der Tabakindustrie gehörten, die Schwarz-Gelb zu der An- hörung eingeladen hatte. Meine Damen und Herren von der Koalition, das von Ihnen angestrebte fiskalische Ziel werden Sie nicht errei- chen. Sie werden auch keine gesundheitspolitischen Wirkungen erzielen. Notwendig ist nämlich ein konse- quenter Nichtraucherschutz auf Bundesebene, der die Beschäftigten in den Betrieben vor Rauch schützt und das Rauchen nicht allein aufgrund von steigenden Kos- ten unattraktiv macht. Wer jedoch wie Sie nur an den In- teressen von Lobbyverbänden ausgerichtet ist, von dem kann man nicht erwarten, dass er sich ernsthaft um einen effektiven Nichtraucherschutz bemüht. s e m g h D e l R z d v d s e g d r d G n s G n t s e d I R l N z s h S h m a h g s e c i a l s s b b a b L s m E (C (D Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So lang- am hat man sich daran gewöhnt: Wenn Schwarz-Gelb in Gesetz verabschieden will, gibt es entweder Zustim- ung aus der Wirtschaft, oder das Gesetz wird nicht um- esetzt. Die mit dem vorliegenden Gesetz verbundene Erhö- ung der Tabaksteuer ist das perfekte Beispiel dafür. Der eutsche Zigarettenverband unterstützt den Gesetzes- ntwurf von schwarz-gelb ausdrücklich. Und der BDI acht sich leise ins Fäustchen. So etwas hat vor dieser egierung wohl noch keiner geschafft: die Tabaksteuer u erhöhen und ausgerechnet von denen bejubelt zu wer- en, die eigentlich dagegen wettern müssten, nämlich on der Zigarettenindustrie. Das ist ein deutliches Indiz afür, dass etwas faul ist im Staate Deutschland. Und tat- ächlich: Da ist etwas faul – und das mindestens in drei- rlei Hinsicht. Erstens bleiben bei diesem Gesetz esundheitspolitische Fragen ganz bewusst und aus- rücklich unberücksichtigt. Das Gesundheitsministe- ium war nicht beteiligt – und das bei der Tabaksteuer, azu gehört schon gehörige Chuzpe. Zweitens ist dieses esetz unsozial, denn Sie belasten mit diesem Gesetz er- eut einkommensschwache Schichten, um die Wirt- chaft zu entlasten. Drittens zeigen Sie mit diesem esetz, was dieser Koalition ihre vermeintlichen eige- en Prinzipien – nämlich „keine Steuererhöhungen“ – atsächlich wert sind, wenn sie für die gesamte Gesell- chaft gelten sollen und nicht nur für Mövenpick: nichts. Zur gesundheitspolitischen Wirkung Ihrer Tabaksteu- rerhöhung hat die Anhörung Erhellendes zutage geför- ert. Erstens, die Tabaksteuer kann ein sehr wirksames nstrument sein beim Nichtraucherschutz. Raucher und aucherinnen reagieren auf Preisänderungen nachweis- ich sehr stark mit Konsumänderungen. Ein wirklicher ichtrauchereffekt, also ein starkes Sinken der Raucher- ahlen braucht aber ein klares Preissignal. Ein paar Cent ind unterhalb der Wahrnehmungsschwelle für eine Ver- altensänderung. Und welche Schlussfolgerung ziehen ie von der Koalition daraus? Sie drehen die gesund- eitspolitische Debatte von den Füßen auf den Kopf und achen die Erhöhung peinlichst genau gerade so, dass uf jeden Fall niemand droht, mit dem Rauchen aufzu- ören. Kein Wunder, dass Sie dafür Applaus von der Zi- arettenindustrie bekommen. Aber versündigt haben Sie ich damit an den Kindern und Jugendlichen, die Sie ben gerade bewusst nicht davon abhalten, mit dem Rau- hen anzufangen. Hierzu hätten Sie die Steuererhöhung n ein oder zwei Schritten umsetzen können, sich dabei llerdings gegen die Tabaklobby stellen müssen. Vor al- em hätte Feinschnitt endlich genauso wie Zigaretten be- teuert werden müssen. Denn gerade für junge Men- chen gilt, dass sie erst gar nicht mit dem Rauchen eginnen oder dass sie damit wieder aufhören, wenn Ta- akprodukte schlagartig verteuert werden. Wer jedoch ls Kind oder Jugendlicher nicht zum Raucher wird, leibt mit großer Wahrscheinlichkeit auch sein restliches eben Nichtraucher. Kurz- und mittelfristig führt der ge- undheitspolitische Effekt sogar dazu, dass mit einem utigen Erhöhungsschritt die Steuereinnahmen bei der inkommensteuer und bei anderen Steuerarten steigen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8737 (A) (C) )(B) Verantwortungsvoll wäre es aber auch gewesen, die Steuermehreinnahmen nicht zur Subventionierung ener- gieintensiver Unternehmen, sondern für Präventions- und Entwöhnungsprogramme zu verwenden. Nachteil dieser Politik: Die Gewinnaussichten der Tabakindustrie wären gefährdet. Sie spekulieren stattdessen im Einver- nehmen mit der Zigarettenindustrie lieber darauf, dass sich genug Nachwuchskonsumenten finden und die be- reits Süchtigen weiterrauchen. Und um dem Zynismus noch die Krone aufzusetzen, haben Sie aber natürlich zu- vor den Hartz-IV-Empfängern die Zigaretten aus dem Budget herausgerechnet. Im Jahr 2012 werden wir das gesundheitspolitische Desaster dieser Tabaksteuererhö- hung in dem uns dann vorliegenden Evaluationsbericht nachlesen können. Mit Widerstand der Raucher gegen Ihre Pläne hatten Sie nicht zu rechnen. Problematischer sind da schon die Tabakunternehmen und deren Verbände. Deshalb haben Sie das Gesetz so gestrickt, dass auch die Tabakkonzerne Großkonzernen einknickt. Die Kanzlerin persönlich hat die Erhöhung der Ökosteuer kassiert. BDI und Co. haben gesiegt. Insgesamt 600 Millionen Euro war Ihnen von der Koalition dieser Zuruf wert. Damit spart die Wirt- schaft mehr als ein Drittel ihres ursprünglichen Beitrags zum Sparpaket. Das führt mich zum dritten Punkt. Bisher konnte man ja zumindest der FDP eine gewisse Prinzipientreue bei ihrem Kernmantra, keine Steuern zu erhöhen, unterstel- len. Ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag: „Was wir vor der Bundestagswahl den Wählerinnen und Wählern ver- sprochen haben, gilt auch danach: Steuererhöhungen zur Krisenbewältigung kommen für uns nicht in Frage.“ „Mit uns gibt es keine Steuererhöhungen“, sagten Merkel, Seehofer und Westerwelle nach der Sparklausur. Noch am vergangenen Wochenende verkündeten Brüderle und Lindner, die versprochenen Entlastungen würden bald kommen. Das Ergebnis bekommen wir nun serviert. Steuersenkungen waren vor allem das Wahlver- gut damit leben können. Sie nehmen dabei billigend in Kauf, dass sich die Menschen ihre Gesundheit ruinieren und die Kosten der Krankenversicherung in die Höhe ge- trieben werden. Hauptsache, das Haushaltsloch kann ge- stopft werden, ohne BDI, Philip Morris und Konsorten zu verprellen! Das bringt mich zum zweiten Punkt. Ihre Tabaksteu- erpolitik dient nicht nur der Zigarettenindustrie. Sie ist vor allem ein Geschenk an den BDI. Ihr Sparpaket vom Juni dieses Jahres hatte bereits eine erhebliche soziale Schieflage. Da legen Sie jetzt noch eins drauf. Nach dem Motto „Rauchen für die Konzerne“ sollen Tabakkonsu- menten mit ihren Steuerzahlungen die Dreckschleudern der Industrie subventionieren. Der ursprünglich geplante Abbau der Ökosteuersubventionen war einer der weni- gen Lichtblicke Ihres Sparpakets – auch wenn wir uns natürlich ein entschlosseneres Handeln gewünscht hät- ten. An dieser Stelle stimmte die Richtung. Aber Sie op- fern einen der extrem seltenen guten Vorschläge von Ih- rer Seite klientelistischen Interessen, für die einmal wieder besonders Geringverdienende und Hartz-IV- Empfänger zahlen werden. Ein Zuruf vom BDI-Präsi- dent Keitel hat gereicht, damit Angela Merkel vor den s p S d g e 2 k A z M S l P „ l M P S d f a (D prechen der FDP. Steuererhöhungen sind dessen real- olitische Umsetzung. Pünktlich zum Jahrestag, an dem ie die Tinte unter den Koalitionsvertrag gesetzt haben, er das Steuersenkungsmantra der FDP zum Motto der esamten Regierung Merkel gemacht hat, haben Sie das rste Steuererhöhungsgesetz in der Koalitionsrunde am 6. Oktober beschlossen. Im Fall der Tabaksteuer er- lärte der parlamentarische Geschäftsführer der Union, ltmaier, dass diese Steuererhöhung nicht als solche ählt, weil sie nicht zur Krisenbewältigung gedacht sei. eine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, ich frage ie: Für wie blöd halten Sie Ihre Wählerinnen und Wäh- er eigentlich? Spätestens mit diesem Gesetz ist glasklar: Das einzige rinzip, das bei Ihnen von Schwarz-Gelb noch gilt, ist: Wer hat, dem wird gegeben, wer nicht hat, darf bezah- en.“ Dabei ist es Ihnen völlig egal, was das für die ehrheit der Bevölkerung bedeutet. Sie betreiben Ihre olitik zugunsten der mächtigsten Lobbies mit einer chamlosigkeit, die Ihresgleichen sucht. Für mich lässt as alles nur einen Schluss zu: Schwarz-Gelb wählen ge- ährdet Ihre Gesundheit – fangen Sie gar nicht erst damit n! 78. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707800000

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Gu-

ten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Heute vor 20 Jahren, am 2. Dezember 1990, fanden in
Deutschland die Wahlen zum 12. Bundestag statt. Es
waren ganz normale und zugleich ganz besondere Wah-
len. Denn ein gutes Jahr nach dem Fall der Mauer, zwei
Monate nach dem Tag der vollzogenen Einheit, konnten
alle Deutschen erstmals wieder in allgemeiner, unmittel-
barer, freier, gleicher und geheimer Wahl ihr gemeinsa-
mes Parlament wählen. 58 Jahre haben die Deutschen
darauf warten müssen; denn die letzte freie Wahl in ganz
Deutschland fand davor 1932 statt.

Nachdem die deutsche Einheit am 3. Oktober 1990
hergestellt war, wurde am 2. Dezember doch noch in
zwei getrennten Wahlgebieten gewählt, im Wahlgebiet
West mit rund 48 Millionen Wahlberechtigten und im
Wahlgebiet Ost mit rund 12 Millionen Wahlberechtigten,
wobei für jedes Wahlgebiet eine eigene Fünfprozent-
hürde galt. Neu war übrigens auch, dass die Westberliner
ihre Abgeordneten zum ersten Mal direkt in den Bundes-
tag wählen konnten. Bis dahin wurden diese vom Berli-
ner Abgeordnetenhaus in den Bundestag gesandt, der
seinen Sitz damals noch in Bonn hatte. Die Konstituie-
rung des gesamtdeutschen Bundestages fand hier in Ber-

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Redet
lin statt. Am 20. Dezember 1990 eröffnete der damalige
Alterspräsident Willy Brandt die Sitzung hier in diesem
Raum.

Auf den Tag sechs Monate später, am 20. Juni 1991,
fasste das erste gesamtdeutsche Parlament dann den Be-
schluss, seinen Sitz ganz nach Berlin zu verlegen, übri-
gens mit ähnlich knapper Mehrheit wie bei der Entschei-
dung im November 1949 für Bonn statt Frankfurt als
Sitz der Verfassungsorgane. Seither begleitet und flan-
kiert der Deutsche Bundestag von Berlin aus den Prozess
der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Einheit
Deutschlands.

Wenn wir, liebe Kolleginnen und Kollegen
jenen 2. Dezember 1990 zurückblicken, so im
sein, dass die ersten gesamtdeutschen Wahlen
lamentarischen Geschichte Deutschlands zwe

(C (D ung 2. Dezember 2010 0 Uhr reignis von besonderer Bedeutung darstellen. Als hisorisches Datum auf dem Weg zur deutschen Einheit geört dieser Tag in seiner verfassungsrechtlichen und olitischen Bedeutung in eine Reihe mit dem 9. Novemer 1989, dem 18. März 1990 und dem 3. Oktober 1990. Die Teilung Deutschlands liegt hinter uns, Gott sei ank. Wie sehr sie unser Leben und unsere Wahrnehung über Jahrzehnte auch in scheinbar unpolitischen esellschaftsbereichen bis zum Fall der Mauer geprägt at, davon vermittelt zurzeit eine Ausstellung im Paulöbe-Haus einen jedenfalls interessanten Eindruck, die usstellung „Ästhetik und Politik. Deutsche Sportfotorafie im Kalten Krieg“, die ich denjenigen, die nicht estern schon bei der Eröffnung dabei waren, zur geleentlichen Information unbedingt ans Herz legen öchte. Im Übrigen möchte ich den Kolleginnen und Kolleen, die heute vor 20 Jahren in den Deutschen Bundesag gewählt worden sind und damit heute gewissermaen ihr 20-jähriges Dienstjubiläum begehen, ganz erzlich dazu gratulieren. (Sigmar Gabriel [SPD]: Da gibt es einen Tag frei! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ext
– Nein. Einen Tag frei gibt es nicht, jedenfalls nicht,
wenn es sich um einen Sitzungstag handelt.

Die Fraktion der SPD hat mir mitgeteilt, dass der Kol-
lege Dr. Edgar Franke sein Amt als Schriftführer aufgibt.
Als Nachfolgerin wird die Kollegin Sonja Steffen vor-
geschlagen. Können Sie sich damit anfreunden? – Das
sieht so aus. Dann ist die Kollegin Steffen damit zur
Schriftführerin gewählt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ell ist vereinbart worden, die verbun-
nung um die in der Zusatzpunktliste auf-
te zu erweitern:
, heute auf
Bewusst-

in der par-
ifellos ein

Interfraktion
dene Tagesord
geführten Punk

8500 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)

ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla
Lötzer, Sabine Leidig, Eva Bulling-Schröter, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Einsetzung einer Enquete-Kommission
„Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität –
Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und ge-
sellschaftlichem Fortschritt“
– Drucksache 17/3990 –


(siehe 77. Sitzung)


ZP 2 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen
der CDU/CSU und der FDP

Schlichterspruch zum Bahnprojekt Stuttgart 21

(siehe 77. Sitzung)


ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Fritz Kuhn,
Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Voraussetzungen für die Rente mit 67 schaffen
– Drucksache 17/4046 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

ZP 4 Weitere Überweisung im vereinfachten Ver-
fahren
Ergänzung zu TOP 36

Beratung des Antrags der Abgeordneten Daniela
Wagner, Oliver Krischer, Bettina Herlitzius, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Ungebundene EU-Mittel aus dem Konjunk-
turpaket (EEPR) unverzüglich für mehr Ener-
gieeffizienz und erneuerbare Energien nutzen
– Drucksache 17/4017 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 5 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der
SPD

Fehlende Aktivitäten der Bundesregierung
hinsichtlich der Zukunftsängste des wissen-
schaftlichen Nachwuchses

ZP 6 Beratung des Antrags der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mehr Flüchtlinge aus dem Iran aufnehmen
– Drucksache 17/3997 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 7 Beratung des Antrags der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

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(C (D Irland unterstützen und Steuerharmonisierung vorantreiben hier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta ges nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union – Drucksache 17/4065 – P 8 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU und der FDP Irland unterstützen und den Euro stabilisieren hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union – Drucksache 17/4082 – P 9 Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Irland unterstützen und gerechten, wirksamen Mechanismus zur Bewältigung von Staatsfinanzierungskrisen schaffen hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union – Drucksache 17/4014 – P 10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Alexander Ulrich, Michael Schlecht, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zum Antrag der Republik Irland auf finanzielle Unterstützung im Rahmen des Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 2 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 1 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Profiteure der Krise zur Kasse bitten – Keine weitere Verstaatlichung fauler Bankkredite bei Finanzhilfen für Irland – Drucksache 17/4029 – Von der Frist der Beratungen soll, soweit erforderlich, bgewichen werden. Die Tagesordnungspunkte 8 s und 10 werden abgeetzt. An den Platz des abgesetzten Tagesordnungspunkes 10 sollen nunmehr mehrere Anträge, die sich mit der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8501 Präsident Dr. Norbert Lammert )


(EuB-BReg 126/2010)


(A) )

finanziellen Unterstützung Irlands befassen, aufgerufen
werden. Danach folgen der Tagesordnungspunkt 12 so-
wie unmittelbar nacheinander die drei Punkte zur Ver-
längerung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Das
sind die Tagesordnungspunkte 11, 13 und 15. Der dann
übersprungene Tagesordnungspunkt 14 folgt im An-
schluss an diese drei Entscheidungen über die Auslands-
einsätze, sodass Sie sich bitte auch auf die entsprechende
Abfolge von Abstimmungen einstellen mögen.

Ich mache außerdem auf eine nachträgliche Aus-
schussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste auf-
merksam:

Die am 25. November 2010 überwiesene nachfol-
gende Unterrichtung soll zusätzlich dem Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

zur Mitberatung überwiesen werden:

Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof

Bemerkungen des Bundesrechnungshofes
2010 zur Haushalts- und Wirtschaftsprüfung

(einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung 2009)


– Drucksache 17/3650 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Ich darf Sie fragen, ob Sie damit einverstanden sind. –
Das ist offenkundig der Fall. Dann ist das so beschlos-
sen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a bis 5 c sowie
den Zusatzpunkt 3 auf:

5 a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Bericht der Bundesregierung gemäß § 154 Ab-
satz 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch
zur Anhebung der Regelaltersgrenze auf
67 Jahre

– Drucksache 17/3814 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Bericht der Bundesregierung über die gesetz-
liche Rentenversicherung, insbesondere über
die Entwicklung der Einnahmen und Ausga-
ben, der Nachhaltigkeitsrücklage sowie des je-
weils erforderlichen Beitragssatzes in den
künftigen 15 Kalenderjahren gemäß § 154 Ab-

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(C (D satz 1 und 3 SGB VI (Rentenversicherungsbericht 2010)


und

Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversi-
cherungsbericht 2010

– Drucksache 17/3900 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Anton
Schaaf, Anette Kramme, Elke Ferner, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Chancen für die Teilhabe am Arbeitsleben
nutzen – Arbeitsbedingungen verbessern –
Rentenzugang flexibilisieren

– Drucksache 17/3995 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

P 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Fritz Kuhn,
Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Voraussetzungen für die Rente mit 67 schaffen

– Drucksache 17/4046 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Hier geht es um die Beratung mehrerer Vorlagen zur
entenpolitik.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
ie Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. –
uch dazu gibt es keinen Widerspruch. Dann ist das so
eschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
ie Bundesministerin Frau Dr. von der Leyen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
rbeit und Soziales:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Das Bundeskabinett hat vor zwei Wochen den
ericht der Bundesregierung zur Anhebung der Regel-
ltersgrenze auf 67 Jahre beschlossen. Das gesetzliche
enteneintrittsalter erhöht sich ab 2012 Schritt für
chritt behutsam um zwei Jahre bis zum Jahre 2029. Das
eißt, dass alle Beteiligten genügend Zeit haben, sich da-
auf einzustellen. Das ist auch sinnvoll; denn es gibt
och viel zu tun.

8502 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen


(A) )


)(B)

Die Erhöhung der Altersgrenze auf 67 im Jahr 2029
ist notwendig, und sie ist vertretbar. Ich will das an eini-
gen wenigen Zahlen deutlich machen. Allein in den letz-
ten 50 Jahren ist die Lebenserwartung von Männern
und Frauen um 11 Jahre gestiegen. Das ist gut für den
Einzelnen. Das sind gewonnene Jahre, die wir zum Teil
auch für die Schaffenskraft in diesem Land, für den Ar-
beitsmarkt nutzen können. Dadurch wird aber natürlich
auch die Frage nach der gerechten Lastenverteilung zwi-
schen den Generationen aufgeworfen.

Der zweite Tatbestand ist der durchschnittliche Ren-
tenbezug. In den letzten 50 Jahren hat sich die Dauer des
Rentenbezugs fast verdoppelt. Vor 50 Jahren bezog ein
Rentner im Durchschnitt zehn Jahre lang eine Rente,
heute sind es im Schnitt 18 Jahre. Vor zehn Jahren erar-
beiteten noch sechs Erwerbstätige eine Rente, heute sind
es drei Erwerbstätige.

Deshalb, meine Damen und Herren, hatte Franz
Müntefering recht, als er bei der Einführung der Rente
mit 67 sagte: „Die Rente mit 67 ist demografisch und fi-
nanziell unabdingbar.“


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Diese Aussage war damals richtig, aber sie ist auch
heute noch richtig, auch wenn das heute noch lange nicht
populär ist. Das weiß ich. Aber manchmal, meine Da-
men und Herren, braucht man in der Politik den Mut zur
Verlässlichkeit. In diesem Fall ist es der Mut zur Nach-
haltigkeit, den wir gemeinsam haben sollten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Eine Absage oder eine Verschiebung der Rente mit 67,
die von Teilen der SPD und den Gewerkschaften – ich
sage bewusst: von Teilen – diskutiert wird, wäre meines
Erachtens verantwortungslos. Denn wer das fordert, der
muss auch sagen, was die Konsequenzen für unser Land
sind:


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ganz genau! Und so steht es im Gesetz!)


entweder die Beiträge für die Jüngeren zu erhöhen oder
die Rente für die Älteren zu senken. Aber eine Ausset-
zung der Rente mit 67 zu fordern, ohne die Folgen zu
benennen, das ist meines Erachtens nicht in Ordnung,
meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich weiß, bis zur Rente mit 67 im Jahr 2029 ist es
noch ein weiter Weg. Aber es ist auch der Weg zur Stär-
kung des Generationenvertrages.

Die Rente mit 67 ist vertretbar. Wir haben im Augen-
blick weniger als 3 Millionen Arbeitslose. Unter den
OECD-Staaten haben wir in unserem Land das höchste
Wachstum. Noch nie waren so viele Menschen sozial-
versicherungspflichtig tätig. Uns geht nicht die Arbeit
aus – wir haben so viel Arbeit und so viele Aufträge wie
nie zuvor –, aber uns gehen die Arbeitskräfte aus. Des-
halb ist die Rente mit 67 bis 2029 auch ein wichtiger

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(C (D chritt, um im Arbeitsmarkt genügend Fachkräfte zu aben. Es zeigt sich inzwischen auch schon, dass ein Umdenen stattfindet. Dazu trägt natürlich bei, dass die Früherrentungsregelungen abgeschafft worden sind und ass sich der Blick auf ältere Menschen verändert. Das eigt sich auch in den Zahlen. Seit 2005 ist die Zahl der rwerbstätigen, die älter als 55 Jahre sind, um gut Million gestiegen. Die Älteren waren im letzten Jahr ehnt die Gewinner am Arbeitsmarkt. Das sollten wir an ieser Stelle auch einmal betonen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Anton Schaaf [SPD]: Das stimmt ja genau nicht!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es handelt sich dabei eben nicht um prekäre Jobs, wie
mmer, oft auch mit Absicht, behauptet wird. Das Ge-
enteil ist richtig. Drei von vier Beschäftigten im Alter
on 55 bis 64 Jahren haben sozialversicherungspflich-
ige Vollzeitjobs. Es gibt also mehr und bessere Jobs für
ltere, und die Zahl nimmt zu.

Wenn man den Blick auf die Gruppe der 60- bis 64-
ährigen richtet, also auf die Gruppe, die zum Teil noch
n hohem Maße von den Frühverrentungsregelungen
rofitiert hat, dann sieht man, dass sich deren Erwerbstä-
igenquote in den letzten zehn Jahren von 20 Prozent,
lso einem niedrigen Niveau, auf fast 40 Prozent im Jahr
009 nahezu verdoppelt hat.


(Elke Ferner [SPD]: Mit Minijobs!)


emäß den Daten des Europäischen Statistikamtes ist
ie Quote im zweiten Halbjahr 2010 inzwischen auf
1,1 Prozent gestiegen.


(Elke Ferner [SPD]: Sie rechnen sich alles schön! – Anton Schaaf [SPD]: Wie viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze sind das?)


ann, wenn nicht jetzt, wagen wir den Aufbruch in eine
ltersgerechte Arbeitswelt? Das ist doch die Frage, die
ir uns stellen sollten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


In den kommenden 15 Jahren werden uns 5 Millionen
rbeitskräfte fehlen. Das entspricht zum Beispiel knapp
er Hälfte der Einwohnerzahl von Baden-Württemberg.
eden wir doch einmal darüber, welche Lebenserfah-

ung, welches Betriebswissen und welche sozialen Kom-
etenzen Ältere besitzen und den Jüngeren voraushaben.
iejenigen, die sich mit aller Kraft gegen eine Rente mit
7 und damit auch gegen die Beantwortung der Frage
temmen, wie das Arbeiten bis 67 funktionieren kann,
lenden automatisch jedwede Überlegung über ein neues
ild des Alters aus.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707800100

Frau Ministerin, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8503


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)(B)

Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Arbeit und Soziales:

Ich führe den Gedanken zu Ende. – Wir müssen doch
anders diskutieren. Wir müssen über den richtigen Mix
aus betrieblicher Gesundheitsförderung und der Verein-
barkeit von Beruf und Pflege, über eine altersgerechte
Arbeitsplatzgestaltung, Weiterqualifizierung und Weiter-
bildung reden. Das sind die Themen, bei denen wir et-
was bewegen sollten.

Ich weiß, dass Kritiker einwenden: Was ist mit den
körperlich schweren Tätigkeiten? Soll der Dachdecker
bis 67 auf dem Dach arbeiten? – Nein, das soll er nicht.
Das macht er heute im Alter von 65 Jahren übrigens
auch nicht mehr. Er muss künftig frühzeitig auf den
Wechsel vorbereitet werden. Das ist die Denke, die wir
entwickeln müssen.

So jemand hat Lebenserfahrung, Kompetenzen und
Betriebswissen. Mit diesem Know-how kann er sich
zum Beispiel auf den Vertrieb, die Ausbildung oder den
Arbeitsschutz spezialisieren. Vorausschauende Unter-
nehmen und übrigens auch vorausschauende Sozialpart-
ner denken längst anders.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich weiß, sie sind noch in der Minderheit, aber sie sind
die Trendsetter einer altersgerechten Arbeitswelt.

Wir sind inzwischen eine Gesellschaft des langen Le-
bens, ob es uns passt oder nicht. Eine solche Gesellschaft
muss dementsprechend auch langfristig denken. Kluge
Politik ist nachhaltig und demografiefest, und nur durch
eine zukunftsfähige, nachhaltige und demografiefeste
Politik werden wir unser Land auch gut weiterbringen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707800200

Das Wort hat nun der Kollege Sigmar Gabriel für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1707800300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau

Ministerin von der Leyen, Sie sollten feststellen, ob jetzt
– so fordert es das Gesetz – und nicht irgendwann in der
Zukunft die arbeitsmarktpolitischen Voraussetzungen
und die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen
– auch das steht im Gesetz – für den Einstieg in die
Rente mit 67 vorliegen oder ob das nicht der Fall ist. Es
geht also nach dem Auftrag des Gesetzes heute gar nicht
darum, ob die Rente mit 67 eingeführt wird, sondern da-
rum, wann die Voraussetzungen für die Rente mit 67
vorliegen.

Denn dass wir nicht tatenlos zusehen können, dass
aufgrund kleiner werdender Geburtenjahrgänge immer
weniger aktive Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
eine immer größer werdende Zahl von Rentnern finan-
zieren müssen, ist völlig unbestritten. Ich glaube, die

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(C (D raktion Die Linke ist die einzige, die bestreitet, dass wir in demografisches Problem in der Rentenkasse haben; ir bestreiten das nicht. Dass zur Bewältigung dieses roblems die Anhebung des Renteneintrittsalters eine er notwendigen Antworten ist, Frau von der Leyen, ird von uns auch nicht bestritten. Die Frage ist aber, ob wir das Gesetz erfüllen. Denn as Gesetz will vorher geklärt wissen, ob die Anhebung es Renteneintrittsalters auf 67 die betroffenen Arbeiter nd Angestellten, die rentenversichert sind – um diese enschen, Frau von der Leyen, und nicht um eine allgeeine Erwerbstätigenquote geht es –, vor eine unlösbare ufgabe stellt oder ob sie eine reale Chance haben, läner zu arbeiten. Das will das Gesetz wissen. Um das zu klären, Frau Ministerin, muss man nicht it Taschenspielertricks die Zahl der älteren Erwerbstä igen, sondern die der älteren rentenversicherten Arbeier und Angestellten in Deutschland heranziehen. Denn s geht bei der Rentenkasse nicht um Beamte, um elbstständige, um Minijobber oder um 1-Euro-Jobber. iese rechnen Sie allerdings dazu, wenn Sie sagen: Es st doch alles wunderbar und auf gutem Wege. Bei der Betrachtung der Wirklichkeit, Frau von der eyen, helfen auch keine Rechentricks. Denn das Gesetz ordert zur Prüfung auf, ob ältere Arbeitnehmer eigentich die Chance haben, bis 67 zu arbeiten. Dazu muss an sich die Beschäftigten zwischen 60 und 64 an chauen. Wer hingegen auf die Altersgruppe der 55-Jähigen zurückgreift, will nur die Statistik schönen, aber icht die Realität zur Kenntnis nehmen. Wie ist die Lage, Frau Ministerin, dieser rentenversiherten Arbeiter und Angestellten heute? 23,4 Prozent, rau Ministerin, der 60bis 64-Jährigen waren 2009 soialversicherungspflichtig beschäftigt. Bei den 64-Jährien, meine Damen und Herren, sind es ganze 10 Proent. (Zuruf von der CDU/CSU: Der Rest ist in Altersteilzeit!)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)


Der Kollege meint, von den rentenversicherten Arbei-
ern und Angestellten dieser Altersgruppe seien
0 Prozent in Altersteilzeit.


(Elke Ferner [SPD]: Absurd!)


enn ich jetzt einmal unterstelle, dass das stimmen
ürde, dann wirft das bei mir die Frage auf: Warum

treichen Sie eigentlich die geförderte Altersteilzeit, ob-
ohl diese so gut sein soll? Das ist meine Frage an Sie.


(Beifall bei der SPD)


Meine Damen und Herren, heute reden wir darüber,
ass uns das Gesetz auffordert, zu prüfen, ob die Ar-
eitsmarktbedingungen gegeben sind. Dabei stellen wir
est, dass 80 Prozent der rentenversicherten Arbeiter und
ngestellten zwischen 60 und 64 nicht mehr arbeiten.

nsofern stellen Sie, Frau von der Leyen, knapp
0 Prozent auf dem Arbeitsmarkt vor eine unlösbare

8504 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Sigmar Gabriel


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Aufgabe. Denn sie finden entweder keine Arbeit im Al-
ter, oder sie sind körperlich so kaputt, dass sie nicht
mehr arbeiten können.

Genau das will das Gesetz nicht. Es will Arbeiter und
Angestellte nicht vor eine unlösbare Aufgabe stellen.
Vielmehr fordert es mehr Arbeitsmöglichkeiten für
Ältere,


(Elke Ferner [SPD]: So ist es!)


bevor die Rente mit 67 beginnt.


(Beifall bei der SPD)


Sie, Frau von der Leyen, wollen die Hände in den
Schoß legen, und tun so, als ob allein der demografische
Wandel dazu führen würde, dass mehr Ältere beschäftigt
werden. Ich zitiere einmal, was der Sozialbeirat der Bun-
desregierung – ich weiß ja nicht, ob Sie dessen Publika-
tionen lesen – dazu geschrieben hat:

Die Gutachter warnen deshalb: „Es gibt somit keine
Automatik, dass sich infolge des demografischen
Wandels die Arbeitsmarktchancen der Älteren we-
sentlich verbessern.“

Das schreiben Ihre eigenen Gutachter.

Sie müssen also etwas tun, damit Ältere Beschäfti-
gung finden. Tatsache ist aber, dass gerade die Arbeitslo-
sigkeit von Älteren zunimmt.


(Elke Ferner [SPD]: So ist es!)


Ältere rentenversicherte Arbeiter und Angestellte finden
oft keinen Arbeitsplatz; anders sind die 80 Prozent auch
nicht zu erklären. Für diese bedeutet die Erhöhung des
Renteneintrittsalters nichts anderes als eine Rentenkür-
zung.

Frau von der Leyen, ich frage Sie: Wissen Sie eigent-
lich, was Rentner an Renteneinkommen haben? Von
den 20 Millionen Rentnerinnen und Rentnern in
Deutschland beziehen über 16 Millionen eine Rente aus
der gesetzlichen Rentenversicherung und leben aus-
schließlich von dieser. Sehr viele dieser 16 Millionen
Rentnerinnen und Rentner beziehen eine Rente von
500 bis 1 000 Euro im Monat. In Ostdeutschland sind es
mehr als 50 Prozent der Männer, die nicht mehr als
500 bis 1 000 Euro Rente ausschließlich aus der gesetz-
lichen Rentenversicherung bekommen. Diesen Prozent-
satz sollte man sich merken, finde ich. In Westdeutsch-
land sind es 65 Prozent der Männer und 97 Prozent der
Frauen, deren gesetzlicher Rentenanspruch unter
1 200 Euro im Monat liegt.


(Elke Ferner [SPD]: So ist das!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707800400

Herr Kollege Gabriel, lassen Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Lehrieder zu?


Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1707800500

Ja, natürlich.

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(C (D Bitte schön. Herr Kollege Gabriel, ist Ihnen bekannt, dass sich die ntwicklung der Gesamtbeschäftigungsquote in Deutschnd von 33,6 Prozent im Jahr 2000 auf 33,2 Prozent im ahr 2009 fortgeschrieben hat, dass jedoch bei den 0bis 65-Jährigen 10,9 Prozent im Jahr 2000 und 3,4 Prozent im Jahr 2009 in einem sozialversicherungsflichtigen Beschäftigungsverhältnis waren und damit in Zuwachs zu verzeichnen ist? (Elke Ferner [SPD]: Das hat er doch gesagt! – Weitere Zurufe von der SPD)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707800600
Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1707800700


Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1707800800

Herr Kollege, das Arbeitsministerium hat verzweifelt

ersucht, bei Ihnen einen Redner zu finden, der mich das
ragt;


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ch hätte Ihnen empfohlen, meiner Rede zuzuhören.
enn genau das, was Sie eben vorgetragen haben, habe

ch auch schon gesagt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


nsofern vielen Dank für den Beweis, dass bei Ihnen
ommunikationsprobleme existieren.

Im Ernst, ich sage das nicht ohne Grund. Lassen Sie
s uns doch ehrlich zugeben: Wer von uns in diesem
aus kann sich vorstellen, im Alter mit einer Rente von
00 bis 1 200 Euro auszukommen? Der Zorn vieler
enschen, Frau von der Leyen – das richtet sich an uns

lle –, rührt doch daher, dass die faktische Rentenkür-
ung – dies bedeutet das, was Sie durchsetzen wollen,
ür viele – von Menschen gefordert und beschlossen
ird, die niemals auch nur annähernd in die Lage kom-
en, im Alter mit einem so geringen Renteneinkommen

uskommen zu müssen. Das ärgert die Menschen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Deshalb, Frau von der Leyen, müssen wir uns die De-
atte um die Rente mit 67, die ich nicht bestreite und von
er wir sagen, dass die Entscheidung richtig war,


(Zuruf von der LINKEN: Nein, das ist eine falsche Entscheidung!)


chwerer machen, als Sie es derzeit tun. Es wird nämlich
n Zukunft mehr Menschen mit geringen Renten geben.
enn Armutslöhne schaffen auch Armutsrenten. Des-
alb brauchen wir endlich einen gesetzlichen Mindest-
ohn für alle. Das ist entscheidend.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie verweigern den gesetzlichen Mindestlohn. In unse-
em Land arbeiten mehr als 6 Millionen Menschen für we-
iger als 8 Euro brutto pro Stunde. Minilöhne produzieren

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8505

Sigmar Gabriel


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Minirenten. Armutslöhne produzieren Armutsrenten. Wis-
sen Sie, Frau von der Leyen, welcher Rentenanspruch sich
aus 45 Arbeitsjahren bei einem Bruttostundenlohn von
8 Euro ergibt? Das sind 558 Euro. Wenn Sie dagegen
nichts unternehmen, dann müssen die Menschen zornig
auf die Barrikaden gehen, wenn sie hören, dass ihnen
diese Rente auch noch gekürzt werden soll.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie müssen Mindestlöhne einführen, damit die Men-
schen damit auskommen können.

Das gilt übrigens auch für das Prinzip „Gleicher Lohn
für gleiche Arbeit“ in der Leiharbeit, und zwar ohne jede
Ausnahme und ohne jedes Schlupfloch, Frau von der
Leyen, nicht so, wie Sie es gerade mit der Scheingesetz-
gebung versuchen. Wenn sich Leistung im Arbeitsleben
wie in der Rente lohnen soll, dann müssen wir in
Deutschland erst einmal Recht und Ordnung auf dem
Arbeitsmarkt schaffen. Das wäre Ihre Aufgabe, Frau von
der Leyen, statt statistische Tricks vorzuhalten.


(Beifall bei der SPD)


Viele von denen, die trotz eines sehr langen Arbeitsle-
bens von 45 Jahren nur einen Rentenanspruch von
500 bis 1 200 Euro haben, müssen bereits heute Renten-
kürzungen hinnehmen; denn sie schaffen es gar nicht,
bis 65 zu arbeiten.


(Zuruf von der LINKEN: 117 Euro im Schnitt!)


Wenn Sie denen jetzt noch einmal die Rente kürzen wol-
len, ohne ihnen Angebote zu machen, wie sie, weil sie
nicht mehr arbeiten können, ohne zusätzliche Rentenab-
schläge in Rente gehen können, dann ist das genau der
Zynismus in der Politik, den die Menschen in Deutsch-
land inzwischen abscheulich finden.

Das Gesetz fordert uns auf, die Wirklichkeit zu be-
trachten. Deshalb ist es ein gutes Gesetz. Das Gesetz
sagt uns: Tut genug dafür, dass Menschen wirklich län-
ger arbeiten können. Deshalb enthält es die Forderung,
den Arbeitsmarkt zu betrachten, bevor man handelt. Sie
machen das genaue Gegenteil: Sie kürzen im Bundes-
haushalt die Mittel für die Qualifizierung von Arbeitslo-
sen – auch von älteren Arbeitslosen – um 1,3 Milliarden
Euro. Statt sie zu qualifizieren, kürzen Sie bei der Quali-
fizierung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Frau von der Leyen, Sie gehören zu denjenigen, die in
der Diskussion über den Fachkräftebedarf der Zuwan-
derung aus dem Ausland das Wort reden. Ich sage Ihnen:
Sie kassieren den Druck, von dem Sie sagen, dass die
Arbeitgeber ihn spüren müssen, damit sie Ältere einstel-
len, wieder ein. Das kann doch nicht wahr sein.

Solange wir 70 000 Schüler ohne einen vernünftigen
Abschluss entlassen, solange der Anteil der Arbeitslosen
und der Älteren steigt, solange Frauen keine vernünfti-
gen Erwerbschancen haben, wenn sie Kinder haben, so
lange scheint der Fachkräftebedarf in Deutschland nicht

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(C (D esonders groß zu sein. Das müssen wir angehen, aber icht die leichte Flucht in die Zuwanderung. Meine Damen und Herren, das Gesetz fordert nicht ur, den Arbeitsmarkt zu betrachten, sondern es will uch wissen, ob das sozialpolitisch vertretbar ist. Frau on der Leyen, Sie haben in Ihrem Bericht kein Wort ber Menschen verloren, die beruflich schwere und chwerbelastende Arbeit leisten und das Renteneintrittslter von 65 oder 67 gar nicht erreichen können. Dies gilt eispielsweise für Schichtarbeiter, Krankenschwestern, ltenpfleger, Kraftfahrer, Handwerksgesellen und Fach rbeiter. Frau von der Leyen, das sind keine Einzelfälle. Nur ,9 Prozent aller Frauen und nur knapp 10 Prozent aller änner gehen aus sozialversicherungspflichtiger Be chäftigung abschlagsfrei in die Altersrente. Mehr schafen das gar nicht. Das ist nicht die Ausnahme, sondern as ist die Regel, Frau von der Leyen. Ich will Ihnen nicht vorwerfen, dass Sie solche Leensverhältnisse von Altenpflegern, Krankenschwesern, Facharbeitern und Schichtarbeitern nicht kennen. in bisschen mehr Empathie für diejenigen, denen Sie ur die Rente kürzen wollen und denen Sie keinerlei hance geben, das erhöhte Renteneintrittsalter überaupt zu erreichen, müssen Sie aber schon entwickeln. Herr Kollege Gabriel, darf Herr Kollege Hinsken Ih en eine Frage stellen? Nein. Meine Damen und Herren, damit Sie besser verstehen önnen, warum wir uns als Sozialdemokraten schwerun, mit der Rente mit 67 einfach loszulegen, will ich Ihen ein Beispiel erzählen. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Davonstehlen!)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707800900
Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1707801000

Ich weiß nicht, ob Sie anders als Ihr Kollege zugehört
aben. Wir versuchen, einen Blick auf die Wirklichkeit
u werfen, wie es das Gesetz fordert. Herr Kollege, Sie
gnorieren das Gesetz.


(Beifall bei der SPD)


Frau von der Leyen, ich erzähle Ihnen einmal ein
raktisches Beispiel, damit Sie unsere Empathie verste-
en können. Gerda Küchler ist 55 Jahre alt und Pflege-
raft in München. Mit 16 Jahren hat sie ihre Ausbildung
egonnen und ist in den Beruf gegangen. Sie hat
0 Jahre lang in der Pflege gearbeitet. Als das Kind da
ar, hat sie überwiegend Nachtschichten gemacht. Das

st ein harter Job. Gelenke und Wirbelsäule sind geschä-
igt aufgrund der Belastungen durch viele Erkrankun-
en, ganz zu schweigen von den Belastungen durch die
atienten.

8506 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Sigmar Gabriel


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Gerda Küchler hatte Glück. Im Alter von 55 Jahren
muss sie nicht mehr in der Pflege arbeiten. Sie ist jetzt
im Seniorenzentrum tätig. Sie sagt, für sie sei das der
Himmel auf Erden. Sie sagt aber auch, solche Stellen
seien ganz selten und man müsse Glück haben und Fach-
kraft sein.

Für die meisten ist das unerreichbar. Wer nicht Fach-
kraft ist, sondern Pflegehilfskraft – Sie wissen das, Frau
von der Leyen –, der hat keine Chance. Im Übrigen
schafft die Bundesregierung gerade ihre Chancen auf
Qualifizierung ab.

Gerda Küchler sagt weiter: Die wenigsten Pflege-
kräfte schaffen es, bis 60 zu arbeiten. Wer älter ist, muss
das Gleiche leisten wie die Jüngeren. Der Normalfall ist
die Erwerbsminderungsrente.

Gerda Küchler wird mit 65 einen Rentenanspruch von
1 100 Euro haben. Das ist nicht sehr viel nach einem lan-
gen Arbeitsleben. Wenn sie mit 63 in Rente gehen muss,
hat sie Abschläge von 80 Euro hinzunehmen. Wird das
gemacht, was Sie sagen, ohne ihr ein Angebot zu ma-
chen, dann verdoppelt sich der Abschlag.

Mathematisch gesehen und mit Blick auf die Renten-
versicherung sind die Abschläge sicher sinnvoll. Für die
meisten von uns, die hier sitzen, und auch für diejenigen,
die darüber schreiben, wäre ein Abschlag von 80 Euro
oder 160 Euro noch nicht einmal die Welt. Frau von der
Leyen, für diejenigen aber, die sich ihr Leben lang im
wahrsten Sinne des Wortes krumm gemacht haben und
sowieso schon wenig verdienen, sind 80 Euro oder
160 Euro pro Monat ein sehr großer Unterschied. Um
diese Menschen geht es, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD)


Offensichtlich plagt Sie Ihr schlechtes Gewissen;
denn anders könnte man sich einige Ihrer Anzeigen nicht
erklären. Sie schreiben beispielsweise in einer Anzeige,
die im Weser Kurier erschienen ist: „Wer heute 47 Jahre
oder älter ist, muss gar nicht oder nur wenige Monate
länger arbeiten.“

Damit wollen Sie den Leuten sagen: Beruhigt euch.
Wer 47 Jahre oder älter ist, den trifft das alles gar nicht.


(Elke Ferner [SPD]: Falsch!)


Ich weiß nicht, ob Sie klammheimlich das Gesetz ge-
ändert haben. Aber die Wahrheit ist, dass diejenigen, die
heute 47 Jahre alt sind, bereits bis 66 Jahre und 10 Mo-
nate arbeiten müssen, also fast bis 67.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Genau so ist es! 20 Monate länger!)


Nun kann man sicherlich Rechenfehler machen; das ist
bei Ihrer Regierung nicht verwunderlich.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Aber die Menschen in einem so zentralen Punkt mit An-
zeigen, die aus Steuergeldern finanziert sind, in die Irre
führen zu wollen, ist schon mehr als ein Tippfehler. Das
ist Ausdruck Ihres Wunsches, den Menschen etwas vor-
zumachen.

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(C (D (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Erstens. Wir wollen die Erwerbsminderungsrente aus-
auen. Wir wollen flexible Übergänge und Regelungen
ür all diejenigen schaffen, die heute noch nicht einmal
is 64 oder 65 arbeiten können. Zweitens wollen wir da-
ür sorgen, dass Armutslöhne verschwinden, Frau von
er Leyen, und sich Arbeit wieder lohnt. Sozial ist nicht,
as Arbeit schafft. Sozial ist vielmehr, was Arbeit

chafft, von der man leben kann, und zwar auch im Al-
er.


(Beifall bei der SPD)


rittens wollen wir mehr für die Beschäftigung älterer
rbeitnehmer tun. Sie machen das Gegenteil. Das sind
ie drei Voraussetzungen, die wir für die Rente mit 67
chaffen müssen. Das fordert das Gesetz.

Übrigens gibt es andere, die uns dabei helfen, zum
eispiel die Tarifpartner. Die IG BCE hat einen ersten
emografietarifvertrag geschlossen. Gesetzliche Rente,
rivate Vorsorge, betriebliche Renten und Tarifverträge
üssen zusammen dafür sorgen, dass die Probleme ge-

öst werden können. Solange wir das nicht getan haben,
olange kann die Rente mit 67 nicht in Kraft treten. So
ill es das Gesetz, Frau von der Leyen, und so wollen es

uch wir Sozialdemokraten.


(Anhaltender Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707801100

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Hinsken

as Wort.


Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1707801200

Herr Kollege Gabriel, da Sie meine Zwischenfrage

icht zugelassen haben, habe ich mich zu einer Kurzin-
ervention gemeldet. Ich frage Sie: Haben Sie die Rede,
ie Sie gerade gehalten haben, mit Ihrem Vorgänger im
mt des Parteivorsitzenden, dem ehemaligen Arbeitsmi-
ister Müntefering, abgestimmt und, wenn nicht, warum
icht? Des Weiteren ist mir sehr wohl aufgefallen, dass
ich Herr Müntefering des Beifalls nach Ihrer Rede ent-
alten hat. Er denkt wahrscheinlich ein bisschen anders
nd teilt nicht die Meinung, die Sie hier dargelegt haben.
s wäre angebracht, wenn Sie sich in diesem Fall im
ahmen eines Privatissimums von Herrn Müntefering
nterweisen ließen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1707801300

Herr Kollege, der Kollege Müntefering sitzt hinten,

laube ich. Sie können gerne ein Privatissimum mit ihm
bhalten. Wir haben darüber in der SPD-Fraktion disku-
iert. Vielleicht haben Sie trotz des ganzen Zorns, der an-
cheinend bei Ihnen über meine Rede existiert, bemerkt


(Lachen bei der CDU/CSU)


jedenfalls waren Ihre Ohren irgendwie ein bisschen
erstopft; das liegt vielleicht am Schnee –, dass ich wört-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8507

Sigmar Gabriel


(A) )


)(B)

lich gesagt habe: Das Gesetz ist ein gutes Gesetz. – Ich
habe nicht das Gesetz kritisiert. Vielmehr werfe ich Ih-
nen vor, dass Sie das Gesetz nicht einhalten.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707801400

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Heinrich Kolb

für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1707801500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Gabriel, wir halten das Gesetz ein und tun
genau das, was in § 154 SGB VI vorgeschrieben ist. Wir
legen den jährlichen Rentenversicherungsbericht und
den Fortschrittsbericht zur Einführung der Rente mit 67
vor. Beides tun wir, und zwar auf eine sehr sachliche
Weise. Was Sie hier tun, Herr Kollege Gabriel, ist ein
Stück weit beschämend für den angeblichen Opposi-
tionsführer in diesem Haus. Herr Gabriel, Sie können
sich doch nicht ernsthaft hier hinstellen, nachdem die
SPD bis vor einem Jahr über elf Jahre den Arbeitsminis-
ter in Deutschland gestellt hat, und sagen, es müssten erst
einmal Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt herge-
stellt werden. Haben Sie oder Ihre Minister elf Jahre lang
geschlafen?


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es ist wirklich nicht so, dass wir in den zwölf Mona-
ten Unordnung hätten schaffen können oder wollen. Wir
hatten vielmehr alle Hände voll mit den Baustellen zu
tun, die Sie uns hinterlassen haben. Ich nenne als Bei-
spiel die Jobcenter oder die Regelsätze für Hartz IV.


(Widerspruch bei der SPD)


Es ist doch unglaublich, welche Vorstellung Sie hier ab-
geliefert haben. Das ist eines Oppositionsführers unwür-
dig.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Das sieht man auch an dem konkreten Vorschlag, ei-
nen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, womit alle
Probleme gelöst seien und es keine Altersarmut in
Deutschland mehr gebe. Wenige Sätze später rechnen
Sie in Ihrer Rede vor, dass selbst bei einem Mindestlohn
von 8 Euro und bei 45 Erwerbsjahren der Rentenan-
spruch gerade einmal – ich habe es mir aufgeschrieben –
558 Euro betragen würde.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Deswegen sind wir auch für 10 Euro Mindestlohn!)


– Wenn Sie jetzt von 10 Euro sprechen – der Zwischen-
ruf kam gerade –, dann weise ich darauf hin, wie der ge-
setzliche Mindestlohn wirkt. Der gesetzliche Mindest-
lohn würde in ganz Deutschland einheitlich gelten, im
Erzgebirge wie im Rhein-Main-Gebiet. Es fragt sich,
wie sich das auf den Arbeitsmarkt im Erzgebirge aus-
wirkt, wie viele Jobs in Deutschland wegfallen und wie
viele Menschen dann ungleich schlechtere Vorausset-

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(C (D ungen haben, einen vernünftigen Rentenanspruch zu ererben. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte noch auf andere Aspekte verweisen, die
uch heute hier zur Debatte stehen und die erwähnt wer-
en müssen; denn ich finde, dass die Entwicklung der
esetzlichen Rentenversicherung in der jüngsten Ver-
angenheit eine wirkliche Erfolgsgeschichte, geradezu
ine sensationelle Erfolgsgeschichte ist.


(Anton Schaaf [SPD]: Wegen der Kurzarbeit!)


ie gesetzliche Rentenversicherung hat die weltweite
irtschafts- und Finanzkrise weitgehend unbeschadet

berstanden. Die Nachhaltigkeitsrücklage wächst von
0,8 Milliarden Euro auf fast 27 Milliarden Euro am
nde des Jahres 2014. Die Beiträge können ab dem
ahre 2014 gesenkt werden. Trotzdem wird es in den
ächsten Jahren – selbst wenn die Dämpfungen bei der
ente nachgeholt werden – Jahr für Jahr Rentenerhöhun-
en für die Rentner in diesem Land geben. Das heißt, die
undesregierung ist in diesem magischen Dreieck gut
nterwegs. Ich sage Ihnen auch, wieso: weil wir es ge-
chafft haben, mit einer vernünftigen Politik für ein star-
es Wachstum – es ist das stärkste in der EU – und für
ine geradezu sensationelle Entwicklung bei der Be-
chäftigung in diesem Land zu sorgen. Die Zahlen sind
erade erst vor zwei Tagen gekommen. Es gibt einen Re-
ord bei der sozialversicherungspflichten Beschäfti-
ung. Das bedeutet sprudelnde Beitragseinnahmen.
ährend die Prognose für das Jahr 2010 – Rechenergeb-

is der gesetzlichen Rentenversicherung – zu Beginn des
ahres noch gewesen ist, dass man mit einem Minus von
Milliarden Euro abschneidet, so können wir jetzt fest-

tellen: Wir werden ein Plus von 1,3 Milliarden Euro ha-
en. Das zeigt: Die Versicherten, also die Aktiven, die
eiträge entrichten, und die Rentner: In diesem Lande

itzen alle in einem Boot. Eine gute Rentenpolitik muss
or allen Dingen die Entwicklung auf dem Arbeits-
arkt in unserem Land im Auge behalten, und genau

as tun wir.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auf diesem Weg wollen wir weiter voranschreiten.
ch glaube, dass die Entscheidungen, die wir treffen, mit
ugenmaß getroffen werden. Ich möchte noch etwas zur
nhebung der Regelaltersgrenze sagen. Das Rentenein-

rittsalter von 65 Jahren ist in der Kaiserzeit festgesetzt
orden, 1911 und 1916. Damals betrug die Lebenser-
artung 48 Jahre für Frauen und 45 Jahre für Männer.
ie Lebenserwartung ist heute mindestens 30 Jahre hö-
er – und das bei ungleich besseren Arbeitsbedingungen.
s gibt immer noch Schwierigkeiten in einzelnen Beru-

en – das bestreite ich nicht –, aber dagegen muss man
twas tun. Das führt natürlich zu deutlich längeren Ren-
enbezugszeiten. Ich bin kein großer Anhänger der An-
ebung des fixen Renteneintrittsalters, aber es ist auch
icht unvertretbar, in dieser Situation, vor allen Dingen
ngesichts der auf dem Arbeitsmarkt erzielten Fort-
chritte, gerade was die Beschäftigung Älterer anbe-
angt, über eine maßvolle Anhebung nachzudenken.

8508 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Dr. Heinrich L. Kolb


(A) )


)(B)

Zum Schluss möchte ich Sie, Herr Gabriel, noch et-
was fragen. Was hat sich die SPD eigentlich vorgestellt,
als sie damals dieses Gesetz mit dieser Überprüfungs-
klausel gemacht hat? Sowohl die Zahl der sozialversi-
cherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse der 60-
bis unter 65-Jährigen als auch die Zahl der Erwerbstäti-
gen haben sich innerhalb weniger Jahre prozentual ver-
doppelt. Es ist ein Riesenfortschritt, den wir erreicht ha-
ben. Sie können sich doch heute nicht hier hinstellen und
sagen, Sie hätten sich alles viel besser vorgestellt. Nie-
mand konnte erwarten, dass wir am Ende des Jahres
2010 eine derart günstige Entwicklung am Arbeitsmarkt
haben. Jetzt müssen Sie springen und zu dem stehen,
was die SPD auf den Weg gebracht hat, als sie in Verant-
wortung war.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Richtig! Jawohl!)


Wir sind bereit, uns dieser Verantwortung zu stellen. Es
wäre schön, wenn auch Sie diesen Mut hätten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707801600

Klaus Ernst ist der nächste Redner für die Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707801700

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir erleben hier eine Debatte, die insofern selt-
sam ist, als mit Quoten und mit Zahlen jongliert wird.
Ich habe den Eindruck, hier wird einiges durcheinander
gebracht. Ich will mit dem anfangen, was Frau von der
Leyen und leider auch Teile der Sozialdemokratie – die
Grünen sowieso – als Argument dafür verwenden, dass
wir länger arbeiten könnten, und das ist die Erwerbstä-
tigenquote.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Auch Beamte und Selbstständige!)


Man muss sich die Erwerbstätigenquote ansehen und
fragen, was das eigentlich ist. Darin enthalten sind alle
Erwerbstätigen, auch diejenigen, die überhaupt nichts
mit der gesetzlichen Rentenversicherung zu tun haben.
Darin enthalten sind Beamte und Selbstständige, und es
sind diejenigen enthalten, die nur eine Stunde in der Wo-
che beschäftigt sind. Es sind die Minijobber enthalten.
Wenn man diese Quote heranzieht, dann stimmt es tat-
sächlich: In der Altersgruppe der 55- bis 65-Jährigen ist
inzwischen eine Beschäftigtenquote von 55,9 Prozent er-
reicht; sie ist um 10,5 Prozent gestiegen. Diese Erwerbs-
tätigenquote ist aber nicht der richtige Maßstab bei die-
ser Frage, und das verkennen Sie.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte jetzt versuchen, Ihnen das noch einmal zu
erläutern. Selbst wenn man bei dieser Erwerbstätigen-
quote bleibt, ist die Altersgruppe der 55- bis 65-Jährigen
vollkommen falsch.

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(C (D etrachtet man nämlich die 60bis 64-Jährigen, dann ind es nicht mehr 55,9 Prozent, die in Beschäftigung ind, sondern nur noch 38,4 Prozent. Frau von der eyen, selbst aus Ihrem eigenen Bericht geht aus eite 35 hervor, dass dann, wenn man die eigentlich ichtige Gruppe betrachtet, nämlich die der 64-Jährigen, ei den Erwerbstätigen nur noch eine Quote von 2,3 Prozent besteht. Das heißt, fast 80 Prozent derjenien haben keine Beschäftigung, die länger arbeiten solen. Das ist der Skandal in unserem Land, liebe Kolleinnen und Kollegen. Ich sage Ihnen: Richtig wäre, nicht die Erwerbstätienquote zu betrachten, sondern die Quote derjenigen, ie eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haen. Sie haben diese Gruppe in Ihrem Bericht dankenserterweise aufgeführt, und zwar auf der Seite 36. Dort önnen wir feststellen, dass bei den sozialversicherungsflichtig Beschäftigten in der Altersgruppe, die gar nicht elevant ist, nämlich in der Gruppe der 55bis 64-Jährien, inzwischen eine Quote von 37 Prozent beschäftigt st. Bezieht man dies auf die Gruppe der 60bis 64-Jähigen, die auch eine falsche Gruppe darstellen, dann sind s nur noch 16,6 Prozent. Es sind also weit über 80 Proent, die keine sozialversicherungspflichtige Beschäftiung haben. Wenn man jetzt die einzig relevante Gruppe nimmt ich sage auch gleich, warum das die einzig wirklich reevante Gruppe ist –, nämlich die Gruppe der 64-Jährien, dann stellen wir fest, dass wir nur noch eine Bechäftigtenquote von 9,9 Prozent haben. 90 Prozent der ozialversicherungspflichtig Beschäftigten der Altersruppe der 64-Jährigen haben keinen Job mehr. Frau von er Leyen, wenn Sie sagen: „Die sollen länger arbeiten“, uss ich entgegnen: Das geht nicht, weil in diesem Land it 65 keiner mehr eingestellt wird. Zeigen Sie mir zehn eute aus dieser Altersgruppe, die noch einen Job geriegt haben! Die gibt es nicht. (Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Auch diese Quote steht im Bericht!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb sagen wir: Das, was Sie vorlegen, ist voll-
ommen neben der Spur. Was ist letztlich die Konse-
uenz dessen, was Sie treiben? Die Konsequenz ist, dass
ie die Menschen mit höheren Abschlägen in die Rente
chicken. Ich komme gleich noch darauf zu sprechen.

Ich habe eben ausgeführt, dass nur 9,9 Prozent eine
ozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben.
enn man es genau nimmt, dann ist selbst das noch die

alsche Gruppe. Man müsste nämlich eigentlich schauen,
ie viele von denen eine sozialversicherungspflichtige
ollzeitbeschäftigung haben, wie viele tatsächlich noch
us einer vollen Erwerbstätigkeit heraus in die Rente ge-
en können. Die Quote derer, die im Alter von 64 Jahren
och eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäf-
igung haben, liegt bei 6,4 Prozent. Das sind weit unter
0 Prozent.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8509

Klaus Ernst


(A) )


)(B)

Ich greife jetzt einzelne Berufsgruppen heraus, zuerst
die Maler und Lackierer. Hier liegt die Quote bei
2,9 Prozent. Bei den Mechanikern liegt sie bei
2,8 Prozent. Bei den Bau- und Raumausstattern beträgt
sie nur 2,7 Prozent. Bei den Bäckern liegt sie bei nur
2,0 Prozent. Bei den berühmten Dachdeckern, Zimme-
rern usw. liegt sie bei 1,6 Prozent. Für einen großen Teil,
nämlich für die überwältigende Mehrheit der Menschen,
ist die Anhebung des Renteneintrittsalters nichts anderes
als eine gigantische Rentenkürzung um 7,2 Prozent.


(Beifall bei der LINKEN)


Besonders prekär ist übrigens die Lage der Frauen
– Frau von der Leyen, auch darauf möchte ich noch ein-
mal zu sprechen kommen –: Die Quote der sozialversi-
cherungspflichtig in Vollzeit beschäftigten Frauen liegt
bei den 60- bis 64-Jährigen bei 10 Prozent und bei den
64-Jährigen bei 4 Prozent. Somit werden insbesondere
Frauen von der Anhebung des Renteneintrittsalters be-
troffen sein.

Frau von der Leyen, ich kann es nicht anders sagen:
Sie verschleiern mit Ihren Zahlen die Wahrheit. Warum?
Weil Sie auf die Gruppe der 64-jährigen sozialversiche-
rungspflichtig Beschäftigten in Ihrem Bericht überhaupt
nicht eingehen. Die Zahlen, die ich jetzt genannt habe,
stammen aus einer Anfrage, die die Linken an Sie ge-
richtet haben; es sind somit Zahlen aus Ihrem Ministe-
rium. Warum schreiben Sie in Ihrem Bericht nicht die
Wahrheit, sondern verschleiern sie?


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Anton Schaaf [SPD] und Dr. Wolfgang StrengmannKuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schön, schöner, geschönt! Das ist der Bericht!)


Fakt ist, dass diese Abschläge – Herr Gabriel hat da-
rauf hingewiesen – bei dem Rentenniveau, das wir ha-
ben, für einen großen Teil der Menschen zu direkter Al-
tersarmut führen wird. Ich möchte darauf hinweisen,
dass zurzeit für mehr als 90 Prozent der Menschen das
Ergebnis Ihrer Anhebung des Renteneintrittsalters nichts
anderes sein wird als eine Rentenkürzung. Bereits 1998
hatten 1,4 Prozent der Neurentner Abschläge zu ver-
zeichnen. Selbst ohne Ihre Anhebung des Rentenein-
trittsalters hatten 2009 45 Prozent der Neurentner Ren-
tenabschläge hinzunehmen.

Ich garantiere Ihnen: Diese Rentenabschläge werden
natürlich größer werden, wenn die Menschen vor dem
Erreichen des Renteneintrittsalters aus dem Erwerbsle-
ben aussteigen. Sie werden in einer Größenordnung auf-
treten, die viele Menschen direkt in die Altersarmut
führt. Mit Ihrer Rentenpolitik treiben Sie die Menschen
in die Altersarmut. Das ist das, was diese Bundesregie-
rung macht.


(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Buh! – Anton Schaaf [SPD]: Das stimmt!)


Um auch noch einen Diskussionsbeitrag aus Ihren
Reihen zu bringen: Auf dem Bundesparteitag der CDU
wurde ein Antrag verabschiedet – offensichtlich gegen

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(C (D en Willen der Führung Ihrer Partei –, in dem es heißt ich darf zitieren –: Und die Anhebung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung darf nicht zu einer versteckten Rentenkürzung werden. as wurde sogar auf Ihrem Parteitag beschlossen. Sie ber machen genau das Gegenteil. Sie verordnen den enschen nichts anderes als eine Rentenkürzung. Eines ist offensichtlich auch bei der SPD immer noch icht angekommen, und darüber ärgere ich mich auch: igmar Gabriel, selbstverständlich wissen wir, dass deografische Veränderungen stattfinden. (Gustav Herzog [SPD]: Das ist aber schon mal ein kleiner Erfolg!)


olgendes ist aber Fakt: Wir haben in diesem Land eine
urchschnittliche Wachstumsrate – ich will es noch ein-
al sagen – von 1,4 Prozent jährlich. Das heißt, der Ku-

hen, der zu verteilen ist, wird größer, auch wenn es der
ine oder andere nicht wahrhaben will. Ich habe vorhin
ie Zahlen noch einmal beim Statistischen Bundesamt
achgelesen. Wir haben von 2008 bis 2030 – das ist die
gute“ Variante – 4,6 Millionen Menschen weniger in un-
erem Land bzw. – das ist die „schlechtere“ Variante –
Millionen Menschen weniger, also weniger Menschen,

ie sich von diesem Kuchen ernähren müssen. Wenn der
uchen größer wird, Sigmar Gabriel, und weniger Men-

chen sich diesen Kuchen teilen müssen, dann werden
das ist Volksschule Sauerland; da habe ich den Dreisatz

elernt; wo ist denn Herr Müntefering? – die einzelnen
uchenstücke größer und nicht kleiner. Trotz demografi-

cher Veränderungen können wir uns eine vernünftige
ente leisten.


(Zuruf von der LINKEN: Das ist eine Verteilungsfrage!)


Frau von der Leyen, Sie haben vorhin die Gewerk-
chaften angesprochen. Es ist allemal besser, die Renten-
eiträge – das ist der Vorschlag, den der DGB-Vorsit-
ende gemacht hat – um 0,5 Prozentpunkte zu erhöhen.
as macht bei 0,25 Prozent, paritätisch finanziert, weni-
er aus, als eine Maß Bier im Monat kostet. Ich habe noch
iemanden gefunden, der wegen einer Maß Bier weniger
m Monat zwei Jahre länger arbeiten will.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.


(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und das alles erst ab 2029 und nicht heute!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707801800

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Strengmann-

uhn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

ebatte über Stuttgart 21 zeigt, dass wir in der Politik
nders an Großprojekte herangehen müssen. Auch der
mbau der Rentenversicherung ist ein Großprojekt, bei

8510 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn


(A) )


)(B)

dem wir die Bevölkerung überzeugen und mitnehmen
müssen, sonst wird die Politikverdrossenheit weiter an-
steigen.

Die Schlichtung zu Stuttgart 21 hat gezeigt, was dazu
als Erstes passieren muss: Die Zahlen und Fakten müs-
sen offen und ehrlich auf den Tisch. Diesbezüglich hat
die Bundesregierung in ihrem Bericht „Aufbruch in die
altersgerechte Arbeitswelt“ eine große Chance verpasst.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Was nötig gewesen wäre, wären Prognosen über die zu-
künftige Entwicklung am Arbeitsmarkt – Fehlanzeige.
Was aber vor allen Dingen auch nötig gewesen wäre
– Sigmar Gabriel hat gesagt, das steht so im Gesetz –,
wäre eine ehrliche Darstellung der sozialen und wirt-
schaftlichen Situation der Älteren heute. Das passt aber
nicht zu der Welt von Ursula von der Leyen. Wir haben
gerade eben wieder erlebt, wie die rosarote Welt von
„Ursula Poppins“, wie sie in der Frankfurter Rundschau
vor kurzem bezeichnet wurde, aussieht:

„Erfolg, Erfolg, wir sind erfolgreich,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sind wir ja auch!)


ich bin erfolgreich, ich bin die Gröößte“, tirilierte
sie noch ein letztes Mal und flog wie Mary Poppins
durch die Lüfte.

So stand es in diesem Kommentar. Aber es ist nicht alles
gut, Frau Ministerin.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707801900

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Schlecht?


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im Moment noch nicht, später vielleicht. Ich bin ja
jetzt auch bei der Ministerin und nicht bei den Linken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Verzetteln Sie sich nicht! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Hätte ja auch gut gepasst, weil Sie zu Stuttgart 21 was gesagt haben! – Zuruf von der CDU/CSU: Kommen Sie mal zur Sache!)


– Und auch keine Frage zu Stuttgart 21, nein.

Aber es ist nicht alles gut, Frau Ministerin. Zwar stei-
gen die Erwerbsquoten und auch der Anteil der sozialver-
sicherungspflichtig Beschäftigten an den 60- bis 64-Jäh-
rigen an, Herr Lehrieder, selbst in der Krise sogar relativ
stark auf 23 Prozent. Aber der Anteil der sozialversiche-
rungspflichtig Beschäftigten an den 64-Jährigen – Herr
Ernst hat das schon gesagt –, also in dem Jahr vor dem
Renteneintritt, ist im letzten Jahr sogar gesunken. Der
Anteil der atypischen Beschäftigungen steigt. Der Anteil
der Arbeitslosengeld-II-Bezieher bei den Älteren steigt.
Das alles sind Zahlen, die in Ihrem Bericht vorkommen,
die Sie aber überhaupt nicht problematisieren, weil es
nicht in Ihre rosarote Welt und die der Regierung passt.
Schon gar nicht werden in diesem Bericht Lösungen da-

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(C (D ür aufgezeigt. Wir brauchen aber Lösungen – gerade für iese Probleme. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


ie Mehrheit der Bevölkerung ist nämlich nach wie vor
egen die Rente mit 67. Die Menschen sind dagegen,
eil sie echte Sorgen und Ängste haben. Für diese Sor-
en und Ängste brauchen wir Antworten und keine Ju-
elarien. Die Menschen haben Angst davor, dass sie
icht so lange arbeiten können. Sie haben Angst davor,
ass ihre Rente gekürzt wird. Die Menschen haben
ngst vor Altersarmut. Sie haben Angst davor, dass sie
is 67 arbeiten müssen, komme, was da wolle.

Wir nehmen diese Sorgen der Menschen sehr ernst und
achen Vorschläge, was man da tun kann. Wir sagen: Die
ente mit 67 wird nur dann akzeptiert werden, wenn ge-
ährleistet ist, dass Menschen, die lange versichert sind,
icht zum Sozialamt müssen, vorher ihr ganzes Alters-
ermögen aufbrauchen und sich einer stigmatisierenden
edürftigkeitsprüfung unterziehen müssen. Wir schlagen
eswegen eine Garantierente vor, die so ausgestaltet ist,
ass jemand nach 30 Versicherungsjahren eine Rente
ber dem Grundsicherungsniveau erhält – vom Staat ga-
antiert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir sagen: Wer nicht mehr kann und erwerbsgemin-
ert ist oder wer schwerbehindert ist, muss wie bisher
it 63 ohne Abschläge in Rente gehen dürfen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ir sagen – wie übrigens auch der Sachverständigenrat –:
ie Erwerbsminderungsrente muss insgesamt verbessert
erden. Wir sagen: Wer bereit ist, Abschläge in Kauf zu
ehmen, soll bereits ab 60 in Rente gehen dürfen und
icht gezwungen sein, weiter arbeiten zu müssen. Wir sa-
en: Es müssen fließende und selbstbestimmte Über-
änge in den Ruhestand geschaffen werden. Es soll mög-
ich sein, ab 60 die Arbeitszeit zu reduzieren und eine
eilrente zu beziehen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das hört sich schon vernünftig an!)


Von all dem finden wir in dem Bericht der Bundesre-
ierung nichts. Und ich sage Ihnen, Frau Ministerin: So
erden Sie die Menschen nicht für sich und nicht für die
ente mit 67 gewinnen können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ie sagte Heiner Geißler? Die Zeit der Basta-Politik ist
orbei.

Die Menschen machen sich aber auch Sorgen, ob ihre
ente in Zukunft noch bezahlbar ist, sie machen sich
orgen über die hohen Beiträge, die sie bezahlen müs-
en, und sie machen sich Sorgen, dass die Beiträge in der
ukunft noch ansteigen.

Was wir deshalb auch brauchen, ist eine nachhaltige
inanzierung der Rente. Wir wollen dazu die Rente zu
iner Bürgerversicherung weiterentwickeln, für die
lle auf alle Einkommen einzahlen, auch wir Politikerin-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8511

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn


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)(B)

nen und Politiker – eine für alle, auch bei der Rente. Das
stabilisiert die Finanzierung der Rentenversicherung und
erhöht gleichzeitig die Solidarität.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sehr stabil!)


Wir halten aber darüber hinaus die Rente mit 67 für
notwendig, weil dadurch die Beiträge noch geringer sein
können und das Rentenniveau höher. Höher, Herr Ernst!

Ich will Ihnen das an Ihrem Kuchenbeispiel verdeutli-
chen, das ich im Übrigen gar nicht so schlecht finde.
Wenn die Regelaltersgrenze bei 67 und nicht bei 65 liegt,
gibt es weniger Rentnerinnen und Rentner. Einverstan-
den? – Gut. Auf der anderen Seite gibt es mehr Beitrags-
zahlerinnen und Beitragszahler. Das heißt, der gesamte
Rentenkuchen wird zumindest nicht kleiner, sondern eher
größer. Herr Ernst, was ist denn mit den einzelnen Stü-
cken, wenn dieser Kuchen auf weniger Rentnerinnen und
Rentner verteilt wird:


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie werden größer!)


Werden die Stücke dann kleiner oder größer? – Sie wer-
den größer. Das heißt, mit der Rente mit 67 werden die
Rentenkuchenstücke für die einzelnen Rentnerinnen und
Rentner größer; das Rentenniveau steigt. Wir sind des-
wegen gegen die Abschaffung der Rente mit 67.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Genauso ist es! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Da hat er recht!)


Auch die Aussetzung der Rente mit 67, wie sie die
SPD vorschlägt, finden wir nicht überzeugend. Ich gebe
zu, dass wir darüber diskutiert haben; denn auch wir sind
der Meinung, dass die Voraussetzungen für die Rente
mit 67 heute noch nicht gegeben sind.


(Anton Schaaf [SPD]: Aber in zwei Jahren?)


Es geht aber nicht um die Rente mit 67 heute, sondern
im Jahr 2031. Das entscheidende Argument gegen eine
Aussetzung war für uns, dass eine Aussetzung von vie-
len – Herr Gabriel und Herr Schaaf, nicht von Ihnen –
als Einstieg in den Ausstieg aus der Anhebung der Re-
gelaltersgrenze verstanden würde. Das halten wir für fa-
tal, weil es zu einer Selffulfilling Prophecy werden kann:
Der Druck, die Voraussetzungen für die Rente mit 67 zu
schaffen, wird verringert.

Eine wichtige Voraussetzung für die Anhebung der
Altersgrenze ist ein veränderter Arbeitsmarkt. Wir hal-
ten es für ein wichtiges Signal insbesondere an die Un-
ternehmen, dass die Rente mit 67 kommen wird, damit
sich die Unternehmen endlich darum kümmern, mehr
Arbeitsplätze für Ältere zu schaffen. Vor allen Dingen
müssen sich die Unternehmen darum kümmern, die Ar-
beitsplätze so zu gestalten, dass die Menschen wirklich
länger und gesünder arbeiten können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])


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(C (D ie meisten Menschen würden gerne länger arbeiten, enn sie denn könnten. Wenn die Bedingungen aber icht so sind, dann müssen wir sie ändern: So gehen wir rüne an Probleme heran. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Die Arbeitsbedingungen müssen nicht nur für die Äl-
eren geändert werden: Wenn die Rente mit 67 ab 2031
darum geht es – für möglichst viele Menschen erreich-

ar sein soll, müssen wir auch die Arbeitsbedingungen
er Jüngeren ändern. Wir brauchen eine Kampagne für
ine umfassende Humanisierung der Arbeitswelt; damit
üssen wir sofort anfangen. Dabei sind wir alle gefor-

ert: Unternehmen, Gewerkschaften, Arbeitnehmerin-
en und Arbeitnehmer, natürlich auch die Politik. Die
aßnahmen, die im Bericht der Bundesregierung ge-

annt werden, reichen hier bei weitem nicht aus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir Grüne nehmen diese Herausforderungen ernst und
erden uns darum kümmern, die Voraussetzungen für die
nhebung der Regelaltersgrenze zu schaffen, für mehr
eschäftigung von Älteren, um Rentenkürzungen zu ver-
eiden, für bessere Arbeitsbedingungen, für eine Flexi-

ilisierung des Renteneintrittsalters und für eine Garan-
ierente, um Altersarmut zu verhindern.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707802000

Der Kollege Schlecht erhält die Möglichkeit zu einer

urzintervention.


Michael Schlecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707802100

Herr Strengmann-Kuhn, ich muss zunächst einmal

it Bedauern feststellen, dass Sie und die Grünen bei
er Frage der Rente mit 67 weiterhin programmatisch so
ah bei der CDU/CSU und der Regierungskoalition ste-
en, dass dazwischen im Grunde genommen kein Blatt
apier passt. Hier ist selbst die SPD mit der von ihr vor-
eschlagenen homöopathischen Modifikation weiter. Es
äbe aber sehr wohl eine Alternative zur Rente mit 67;
as ist in den letzten Wochen selbst von der Arbeitsmi-
isterin konzediert worden. Die Alternative heißt: um
,5 Prozentpunkte höhere Beitragssätze in der Renten-
ersicherung bis zum Jahr 2029. Man müsste also die
eiträge in einer zaghaften Stufung bis zum Jahre 2029
ochfahren.

Ich habe mich vorhin gemeldet, um eine Zwischen-
rage zu stellen, als Sie Ihre Ausführungen mit dem Satz
egonnen haben:

Die Debatte über Stuttgart 21 zeigt, dass wir in der
Politik anders an Großprojekte herangehen müssen.

s ist interessant, dass die Grünen das anscheinend erst
ei Stuttgart 21 gelernt haben. Der veränderte Umgang
ann sich doch nicht nur in der Kommunikation zeigen;
ntscheidend ist es, die Menschen zu beteiligen. Bei vie-
en anderen Dingen sind Sie, die Grünen, dafür, dass man

8512 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Michael Schlecht


(A) )


)(B)

Volksabstimmungen oder Volksbefragungen durchführt.
Die Frage ist eigentlich: Wären die Grünen nicht dazu be-
reit, sich dafür starkzumachen, eine Volksbefragung oder
Volksabstimmung – das müsste man juristisch prüfen –


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Das geht schief!)


zu der Frage durchzuführen, ob die Menschen ab 2029
zwei Jahre länger arbeiten wollen oder sie bereit sind, ab
2029 einen um 0,5 Prozentpunkte höheren Rentenversi-
cherungsbeitrag zu zahlen?


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das bringt uns alles nicht weiter, was Sie da fabulieren!)


Das ist doch eine sehr einfache Frage, die man auf einem
Stimmzettel unterbringen kann.

Wären Sie bereit, sich für ein solches Projekt starkzu-
machen? Ich würde das begrüßen.


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: Generationengerecht ist der Vorschlag nicht!)



(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Schlecht, ich weise mit Abscheu und
Empörung zurück, dass in dieser Frage zwischen CDU/
CSU und uns kein Blatt Papier passt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Anton Schaaf [SPD])


Wenn Sie bei meiner Rede vernünftig zugehört haben
und in unseren Antrag schauen, wissen Sie, was wir
noch alles tun müssen und wollen, um die Anhebung der
Regelaltersgrenze zu ermöglichen. In dieser Hinsicht tut
die Bundesregierung fast nichts; da gibt es also große
Unterschiede zwischen uns. Es gibt aber sehr große
Übereinstimmungen beispielsweise mit dem Inhalt des
Antrags der SPD.

Noch einmal zu der Frage, was die Konsequenzen
sind, wenn die Rente mit 67 kommt. Zum einen sinken
die Beitragssätze. Sie würden nicht sinken, wenn man
das Rentenalter nicht auf 67 Jahre anheben würde. Zum
anderen steigt die Rente. Wenn Sie in den Rentenversi-
cherungsbericht schauen, sehen Sie hinten das Gutach-
ten des Sozialbeirats; es ist aber auch so relativ einfach
zu berechnen. Wenn die Menschen zwei Jahre länger ar-
beiten, zahlen sie auch zwei Jahre länger in die Renten-
kasse ein. Die Rente steigt dadurch um über 50 Euro.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber nur für die, die Arbeit haben!)


Das heißt, es ist nicht nur so, dass die Beiträge sinken,
sondern die Rente erhöht sich. Ich habe das an einem
Beispiel deutlich gemacht.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das gilt nur für diejenigen, die so lange arbeiten! Aber was ist mit denen, die nicht arbeiten?)



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(C (D Natürlich gilt das nur für diejenigen, die so lange areiten. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Richtig!)


Das müssen wir in der Tat ermöglichen; da müssen
ir ran. Wir müssen ermöglichen, dass die Leute länger

rbeiten können, und wir müssen dafür sorgen, dass die-
enigen, die nicht länger arbeiten können, eine vernünf-
ige Rente bekommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])


Natürlich ist richtig, dass es auch auf die Verteilung
er Renten ankommt. Da müssen wir ran, und da unter-
cheiden wir uns massiv von der CDU und der CSU.

Was Volksabstimmungen angeht, sind wir natürlich
ofort dafür. Dann führen wir aber auch eine breite De-
atte darüber, wie hoch die Beitragssätze und wie hoch
ie Renten im Jahr 2031 tatsächlich sein werden. Wir ha-
en davor überhaupt keine Angst.


(Michael Schlecht [DIE LINKE]: Reden Sie hier doch nicht rum! Ja oder nein?)


Sie verweisen immer wieder auf Umfragen. Wenn die
mfrage nur auf Ja oder Nein abzielt, dann bekommt
an klare Ergebnisse. Sobald man differenzierter fragt,

um Beispiel: „Wären Sie auch unter bestimmten Bedin-
ungen für die Rente mit 67?“, sehen die Umfrageergeb-
isse schon ganz anders aus.


(Zuruf von der LINKEN: Aber wir fragen die Menschen!)


ir haben keine Angst vor Volksabstimmungen, im Ge-
enteil.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707802200

Nächster Redner ist der Kollege Karl Schiewerling

ür die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1707802300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

olleginnen und Kollegen! Herr Kollege Strengmann-
uhn, ich wäre sehr gespannt, wie ein moderiertes Ren-

enzukunftsprojekt analog Stuttgart 21 aussähe.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir können ja Heiner Geißler fragen!)


as hätte aber zur Konsequenz, dass Sie dann auch den
chlichterspruch annehmen müssten.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


as gilt für alle anderen auch.

Meine Damen und Herren, die Zahlen, die uns mit
em Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8513

Karl Schiewerling


(A) )


)(B)

und dem Bericht zur Rente mit 67 vorgelegt worden
sind, sprechen eine nüchterne Sprache. Bis 2029 werden
wir in Deutschland 6 Millionen Menschen weniger im
erwerbsfähigen Alter haben. Wir werden 5,5 Millionen
Menschen mehr haben, die älter als 65 Jahre sind. Die
Rentenbezugsdauer wird um zwei bis drei Jahre gestie-
gen sein. Der drohende Fachkräftemangel ist damit si-
gnifikant. Das ist uns allen längst geläufig. Wir in der
Politik haben die Aufgabe, dies zur Kenntnis zu nehmen
und uns die Welt nicht so bunt zu malen, wie wir sie
gerne hätten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben zusätzlich die Entwicklung, dass die Quote
der 60- bis 65-Jährigen, die im Erwerb sind, in den letz-
ten Jahren von 20 auf 41 Prozent gestiegen ist. Außer-
dem sind in den letzten fünf Jahren 1 Million mehr Men-
schen zwischen 55 und 65 Jahre in Beschäftigung.

Herr Kollege Gabriel, ich darf zitieren, was die SPD
zu § 154 SGB VI, zur sogenannten Überprüfungsklau-
sel, beantragt hat. In Ihrem Antrag steht – ich zitiere –:

Die Bundesregierung hat den gesetzgebenden Kör-
perschaften vom Jahr 2010 an alle 4 Jahre über die
Entwicklung der Beschäftigung älterer Arbeitneh-
mer zu berichten und eine Einschätzung darüber ab-
zugeben, ob die Anhebung der Regelaltersgrenze
unter Berücksichtigung der Entwicklung der Ar-
beitsmarktlage

– die ist wahrhaftig nicht schlecht –

sowie der wirtschaftlichen und sozialen Situation
älterer Arbeitnehmer weiterhin vertretbar erscheint
und die getroffenen gesetzlichen Regelungen beste-
hen bleiben können.

Nach einer ganz wichtigen Klausel, die in dem Antrag
steht, muss dargelegt werden, dass zur Beibehaltung ei-
nes Sicherungsniveauziels – vor Steuern – von 46 Pro-
zent über das Jahr 2020 hinaus von der Bundesregierung
entsprechende Maßnahmen unter Wahrung der Beitrags-
stabilität vorzuschlagen sind.

Die Bundesregierung hat nichts anderes getan, als
dem zu entsprechen. Wir haben eine wirtschaftliche Pro-
sperität, die die berechtigte Erwartung zulässt, dass wir
die Menschen länger in Beschäftigung halten können.
Wir haben einen signifikanten Anstieg der Zahl der Älte-
ren, die in Beschäftigung sind. Das reicht natürlich noch
nicht aus; aber wir haben auch noch nicht das Jahr 2029.
Mit dem Jahr 2012 begeben wir uns ja erst auf den Weg.

Ich halte das, was Sie damals beantragt haben, für
völlig richtig. Deswegen haben wir das mitgetragen, und
deswegen legen wir gemäß Ihrem Antrag einen sehr prä-
zisen Bericht vor. Die Frau Ministerin hat ihn vorge-
stellt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Mir liegt daran, dass wir zur Kenntnis nehmen, dass
wir aus der Geschichte lernen müssen. Vor 40 Jahren gab
es Forscher, die deutlich gemacht haben, dass die demo-
grafische Entwicklung so verlaufen wird, wie sie nun
verläuft. Damals haben wir das alle nicht ernst genom-

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(C (D en. Wir nehmen das erst ernst, seitdem weniger Kinder m Kindergarten sind, weil wir zu wenig Kinder haben. ir nehmen es sehr ernst, seitdem wir merken, dass in en Grundschulen weniger Kinder sind. Erst jetzt weren wir wach. Gott behüte, dass uns dasselbe im ahr 2029 passiert, weil wir die Weichen nicht rechtzeiig gestellt haben, weil wir nicht sehen wollten, wohin ich das Ganze entwickelt. Wir können machen, was wir ollen: Die demografische Entwicklung ist nicht umehrbar. Lieber Kollege Schiewerling, darf der Kollege irkwald Ihnen eine Zwischenfrage stellen? Ja. Bitte. Herr Kollege Schiewerling, erst einmal danke ich Ih en, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Frau Ministein von der Leyen hat das vorhin leider nicht getan. Hätte ich vielleicht besser auch nicht getan! Das spricht für sich. Sie haben eben behauptet, Sie hätten einen präzisen ericht vorgelegt. Deswegen möchte ich Sie bitten, mir ie Frage zu beantworten, warum ausgerechnet die eschäftigungsquoten der 64-Jährigen in dem Bericht icht zu finden sind. Diese Zahlen gibt es. Wir haben sie m Ministerium von Frau von der Leyen abgefragt. Daei ist herausgekommen, dass im März 2010 – das sind ie neuesten Daten, die vorliegen – insgesamt nur ,8 Prozent aller 64-Jährigen eine sozialversicherungsflichtige Vollzeitbeschäftigung haben. Bei den Frauen ind das nur mickrige 3,4 Prozent; bei den Männern sind s 8,3 Prozent. Diese Werte sind im Vergleich zum ahr 2009 noch einmal gesunken. Sie sind nicht gestieen, sondern gesunken. Sie haben eben das Gegenteil ehauptet. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das war der Run auf die Altersteilzeit!)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707802400
Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1707802500
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707802600
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
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Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1707802800

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707802900

Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, ob es aus Ihrer
icht vertretbar ist, dass die große Mehrheit der heute
4-Jährigen und derjenigen, die ihre Rente erst ab 67 be-
iehen sollen – das sind nicht die 47-Jährigen, sondern
lle ab dem Jahrgang 1947 –, massive Rentenkürzungen
ird hinnehmen müssen. Die Rentenkürzung beträgt

chon heute im Durchschnitt 117 Euro pro Monat. Eine
hnliche Summe ist für die Zukunft zu erwarten.

8514 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Matthias W. Birkwald


(A) )


)(B)

Ich möchte Sie ferner bitten, den Satz von Frau von
der Leyen zu bewerten, den sie auf ihrer Pressekonfe-
renz gesagt hat: Entweder kürzt man die Renten, oder
man erhöht den Beitragssatz drastisch, oder aber wir ar-
beiten alle etwas länger. – Sind 7 Euro im Jahr 2029
„drastisch“, und sind zwei Jahre arbeiten „etwas län-
ger“? Wenn Sie die Menschen fragen, kommt etwas an-
deres dabei heraus. Was sagen Sie dazu?


Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1707803000

Es hat eine Umfrage gegeben, in der die Menschen

gefragt wurden, ob sie für die Rente mit 67 sind. Ganz
viele haben gesagt: Nein. Dann wurden sie gefragt, ob
sie bereit sind, mehr Geld in die Rentenversicherung ein-
zuzahlen, um das Rentenniveau zu erhalten? Dazu waren
auch wenige bereit. Dann wurden sie drittens gefragt, ob
sie eine Alternativlösung hätten. Die allergrößte Mehr-
heit der Menschen hatte keine Alternativlösung parat. –
Genau so ist die Diskussion, die wir im Augenblick erle-
ben.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber da ist vielleicht die Politik gefordert! Es gibt Alternativen!)


Die Zahlen im Rentenbericht sind überprüfbar, ent-
sprechen den statistischen Angaben und weisen alle da-
rauf hin, dass wir in einer positiven Entwicklung sind
und dass wir es bis 2029 mit vereinten Kräften schaffen
können, dass ganz viele Menschen das 67. Lebensjahr in
Arbeit erreichen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Zahlen sinken!)


– Herr Kollege Birkwald, wir können uns die Zahlen na-
türlich zurechtlegen, wie sie uns politisch gerade passen.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Die Zahlen sind doch nicht von uns!)


Ich halte mich an die Zahlen, die vorgelegt worden sind.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ich auch!)


Sie sind überprüfbar und statistisch so dargelegt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Was Ihre Frage angeht, Herr Kollege Birkwald, ist es
in der Tat so – ich bin noch nicht fertig; Sie hatten mich
das gefragt –:


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wenn man so viele Fragen stellt, muss man lange stehen bleiben!)


Wir haben bei der Rente insgesamt nur drei Stellschrau-
ben. Entweder wir arbeiten länger, oder wir erhöhen die
Rentenversicherungsbeiträge, oder wir senken das Ren-
tenniveau ab. Hinsichtlich der Frage, was das Humanere
ist, eine niedrigere Rente oder ein höherer Rentenversi-
cherungsbeitrag, werden die allermeisten Menschen sa-
gen, dass, wenn die Rahmenbedingungen im Betrieb
stimmen, sie bereit sein werden, länger zu arbeiten – und
das tun sie schon.


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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das bezweifle ich!)


Wir werden unser Ziel


(Abg. Michael Schlecht [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


ich lasse keine Zwischenfrage mehr zu; das reicht – na-
ürlich nur durch gemeinsame Anstrengungen erreichen.
uch das steht im Rentenbericht und wurde sehr präzise
argelegt. Dazu gehört, dass wir in der deutschen Ren-
enversicherung im erfolgreichen und hervorragenden
ereich Reha nicht kürzen dürfen, sondern ihn weiter-
ntwickeln müssen. Das bedeutet, dass wir die Präven-
ion, um länger und besser leben zu können, stärken
üssen. Aber da sind nicht nur die Regierungen gefor-

ert, sondern auch die Tarifpartner, die Betriebe. Auch
eder einzelne Arbeitnehmer muss sich mit seinem Ver-
alten darauf einstellen. Auch das gehört zur Wahrheit,
b uns das passt oder nicht. Ich glaube, dass die Zahlen,
ie jetzt vorliegen, hoffen lassen, dass sich die Dinge
ernünftig entwickeln.

Wir diskutieren nicht nur die Rente mit 67, sondern
uch den Rentenversicherungsbericht. Ich möchte darauf
inweisen, dass die Rente in einer außerordentlich guten
erfassung ist. 2005 hatten wir gerade noch eine Rück-

age für drei Tage, mit der wir Renten hätten zahlen kön-
en.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Da war die SPD dran!)


ir haben jetzt eine Rentenrücklage von mehr als einer
onatsausgabe. Wenn sich das Ganze weiter gut entwi-

kelt, werden wir die Rentenversicherungsbeiträge im
ahr 2014 wieder senken können,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es spricht alles dafür!)


odass sowohl Arbeitnehmer als auch Versicherte etwas
avon haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich halte diese Gesamtentwicklung für hoffnungsvoll.
ch sage Ihnen auch mit Blick auf die Rentnerinnen und
entner in Deutschland: Norbert Blüm hat gesagt, die
ente sei sicher. Ich sage Ihnen: Ja, die Rente ist sicher. –
s mag Leute geben, die darüber lachen. Wir können das

etzige Rentenniveau aber nur halten, weil wir entspre-
hende Schutzmaßnahmen eingeführt haben, und zwar
icht erst jetzt, sondern seit 1992 durch verschiedene
undesregierungen parteiübergreifend.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!)


er große Vorteil der Rente war, dass man diese Dinge
emeinsam gestaltet hat.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Früher war das noch so üblich! Heute macht sich die SPD aus dem Staub!)


ch lade alle herzlich dazu ein, sich daran zu beteiligen;
enn die Rentnerinnen und Rentner brauchen Sicherheit.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8515

Karl Schiewerling


(A) )


)(B)

Wir werden aber die Botschaft ins Land geben müs-
sen: Die Rente wird nur so lange sicher sein, wie wir
auch über die nächsten Generationen genügend Men-
schen haben, die in die Rentenkasse einzahlen und dafür
sorgen, dass die dann ältere Generation davon leben
kann. Auch wird die Rente nur dann sicher sein, wenn
wir uns gemeinsam auf diesen Prozess verständigen und
uns gemeinsam auf diesen Weg begeben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zu dem Rentenbericht der Bundesregierung und den
Initiativen der Bundesarbeitsministerin nenne ich nur
Stichworte: bessere Lebens- und Gesundheitssituation in
den Betrieben, Stärkung von gesunder Arbeit in den Be-
trieben. Diese Entwicklungen müssen fortgeführt wer-
den; das ist keine Frage. Mit dem gesellschaftlichen
Konsens und mit gemeinsamen Anstrengungen in dieser
Richtung können wir einer guten Zukunft entgegense-
hen. Das sagen wir der jetzigen Rentnergeneration, und
das sagen wir den zukünftigen Rentnergenerationen.
Dass das ein Zuckerschlecken wird, hat diese Bundesre-
gierung und haben übrigens auch frühere Bundesregie-
rungen nie behauptet. Es ist eine Kraftanstrengung, die
sich lohnt; denn es geht um die Generationengerechtig-
keit in unserem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707803100

Der Kollege Schaaf hat nun das Wort für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Schnell! Drei Minuten sind nicht lang!)



Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1707803200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren hier heute
über § 154 SGB VI, weil die SPD-Bundestagsfraktion
im damaligen Gesetzgebungsverfahren darauf bestanden
hat, dass § 154, die Überprüfungsklausel, Bestandteil
des Gesetzes wird. Wir berufen uns auf diesen Bestand-
teil des Gesetzes, und wir nehmen ihn ernst.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir auch!)


Diese Überprüfungsklausel wurde trotz des massiven
Widerstands der Union ins Gesetz aufgenommen. Die
Union wollte diesen Teil in die Präambel oder die Be-
gründung aufnehmen, aber nicht verpflichtend ins Ge-
setz.

Ich habe nun gesehen, in welcher Art und Weise Sie
und insbesondere die Ministerin jetzt mit dem Bericht
umgegangen sind. Bevor der Bericht vorlag, sagte die
Ministerin: Die Rente mit 67 kommt auf jeden Fall. Bevor

Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1707803300

Die Rente mit 67 kommt auf jeden Fall. Bevor das Parla-
ment, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die-
sen Bericht in den Händen hatten, ist er veröffentlicht
worden. Da sieht man, wie ernst man die Berichtspflicht
gegenüber den Körperschaften des Deutschen Bundesta-
ges, die im Gesetz steht, nimmt.

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(C (D Die Ministerin sprach von Mut zur Nachhaltigkeit. ch kann Ihnen in Bezug auf das Verfahren, wie ich es ier erlebe, sagen: Es geht Ihnen nicht um Nachhaltigeit. Vielmehr ist es ein Verfahren nach dem Motto: Plan st Plan. Wir haben es einmal beschlossen, wir denken icht mehr darüber nach; wir ziehen es jetzt durch. – iele argumentieren jetzt mit der Finanzierung. Es geht n der Tat um 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte beim Beitragsatz. Es geht hier aber nicht um die Finanzierung, sonern um die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. Diese üssen wir herstellen und erhalten. Wir brauchen eine verbesserte Erwerbsminderungsente. Sie, meine Damen und Herren von der Union, haen in den Verhandlungen über die Rente mit 67 dafür esorgt, dass die Regelungen der Erwerbsminderungsente noch schlechter werden, dass man nicht mehr nach 5 Jahren, sondern erst nach 40 Jahren abschlagsfrei in rwerbsminderungsrente gehen kann. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Ihr habt da zugestimmt!)


Sie haben kein Interesse daran, dass die Menschen ihr
esetzliches Renteneintrittsalter in würdiger Arbeit er-
eichen; Ihnen ist es egal. Herr Fuchtel, beantworten Sie
ir einmal folgende Frage: Was machen wir mit Lang-

eitarbeitslosen, die jetzt gezwungen sind, mit 63 Jah-
en Rente zu beantragen? Sie haben überhaupt keine
hance; sie sind dazu gezwungen. Ab dem Jahre 2012
üssen sie die Abschläge nicht nur bis 65 hinnehmen,

ondern, Herr Strengmann-Kuhn, aufgrund der schritt-
eisen Erhöhung der Regelaltersgrenze auch darüber hi-
aus.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Den Zwang hat die SPD eingeführt!)


ie Menschen werden bestraft, obwohl sie nichts dafür
önnen, dass sie arbeitslos werden. Das müssen wir ver-
indern.

In der Analyse liegen Sie richtig. Aber da, wo es kon-
ret wird, wo es um Erwerbsminderungsrente, gleitende
bergänge, würdige Arbeit und Vollzeiterwerbstätigkeit
is zum Rentenalter geht, sagen Sie nicht konsequent,
ass man das in zwei Jahren nicht erreichen kann und
ir die Einführung der Rente mit 67 deswegen zumin-
est verschieben müssen. Darum geht es. Die Ministerin
prach von Mut zur Nachhaltigkeit. Ich sage Ihnen: Sie
aben nur nachhaltig Mut, wenn es darum geht, Arbeit-
ehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und
entner sowie Arbeitslose zu belasten. Das ist der Mut,
en Sie haben.


(Beifall bei der SPD – Max Straubinger [CDU/ CSU]: Ach je!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707803400

Nächster Redner ist der Kollege Johannes Vogel für

ie FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jung und aufstrebend!)


8516 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010


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Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1707803500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Danke für den Hinweis, dass ich noch etwas jünger bin,
lieber Kollege Kolb. Das ist auch ein interessanter
Punkt. Ich habe mir einmal die Geburtsjahre meiner ge-
schätzten Vorredner angeschaut und festgestellt, dass ich
von den Rednern in dieser Debatte der Erste bin, den die
Rente mit 67 betreffen wird, der Erste, der bis 67 arbei-
ten wird.


(Widerspruch bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Herr Strengmann-Kuhn, ich entschuldige mich in aller
Form, dass ich Sie vergessen habe. Es betrifft also uns
zwei; aber es betrifft nicht die bisherigen Redner von der
SPD.


(Sigmar Gabriel [SPD]: Sagen Sie mal: In welche Rentenkasse zahlen Sie denn ein?)


– Lieber Herr Gabriel, ich zahle freiwillig in die gesetzli-
che Rentenversicherung ein.


(Unruhe)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707803600

Einen Augenblick! Das Thema ist hochspannend und

verdient jede Menge kräftiger Kommentare. Aber wenn
sie alle gleichzeitig vorgetragen werden, erreicht nichts
davon die erstaunte deutsche Öffentlichkeit. Deswegen
wäre es schön, wenn der Kollege Vogel jetzt ein paar
Sätze hintereinander ungestört vortragen dürfte.


Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1707803700

Vielen Dank, Herr Präsident.

Damit sind wir beim Punkt. Es geht nicht darum, wie
die Situation auf dem Arbeitsmarkt heute ist – die Rente
mit 67 wird ja nicht morgen eingeführt –, sondern es geht
darum, ob die schrittweise Steigerung des Renteneintritts-
alters angesichts der aktuellen Entwicklung möglich ist.
Da kann ich nur sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen
von der SPD: Wie Sie es drehen und wenden, die Ent-
wicklung bei der sozialversicherungspflichtigen Be-
schäftigung ist besser, als Sie sich je erhoffen konnten.
Bei den 55- bis 60-Jährigen nahm die Zahl der sozialver-
sicherungspflichtig Beschäftigten in den letzten fünf Jah-
ren um 35 Prozent zu –


(Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– nein, Herr Kollege Ernst, keine Zwischenfrage;


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wie schade!)


es wurde gerade schon genug dazwischengebrüllt –, bei
den 60- bis 64-Jährigen sogar um 40 Prozent.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Aha! Auf wie viel denn?)


– Sie können sich gerne zu einer Kurzintervention mel-
den. Ich antworte Ihnen dann gerne.


(Anton Schaaf [SPD]: Ja! Auf 23,4 Prozent!)




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(C (D Ja. Aber es geht hier um die Entwicklung, Herr Schaaf. Übrigens, liebe Kolleginnen und Kollegen von den inken, handelt es sich dabei auch um gute Jobs. Die uote der geringfügigen Beschäftigung, der Minijobs, st stabil geblieben; diese Zahl ist nicht gestiegen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die ist viel zu hoch!)


Ich glaube, wenn man ehrlich ist, kann man konstatie-
en – hören Sie bitte gut zu, gerade Sie, Herr Kollege
chaaf –: Die allgemeine Entwicklung auf dem Arbeits-
arkt verbessert sich, auch bei den Älteren. Es ist eine
ewegung da, die in die richtige Richtung geht. Die
ente ab 67 ist notwendig, um die Rente zukunftsfest zu
achen und den Generationenvertrag fortzuführen. Des-

alb starten wir 2012 mit der schrittweisen Umsetzung
er Rente ab 67. – Das waren nicht meine Worte. Das
aren Ihre Worte, liebe Kolleginnen und Kollegen von
er SPD. Das haben Sie, Herr Schaaf, Herr Müntefering
nd Frau Mast, im Plenum des Deutschen Bundestages
esagt, als die Rente mit 67 beschlossen wurde.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Hört! Hört! An ihren Worten sollt ihr sie erkennen! Und natürlich an ihren Taten!)


er Punkt ist doch: Damals war von einer 50-Prozent-
uote, die Ihnen heute so wichtig ist, keine Rede. Hand

ufs Herz: Wenn Sie ehrlich sind, wissen Sie genau, dass
ie Entwicklung seitdem besser ist, als Sie sich je erhof-
en konnten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist wahr! Da beißt die Maus keinen Faden ab! Da kann der Herr Gabriel hier noch so lange am Rednerpult hin und her tänzeln! Das ändert auch nichts!)


amals haben Sie nicht davon geredet, dass 2012 eine
0-Prozent-Quote erfüllt sein muss. In Wahrheit ist das
erzögerungstaktik. Im Fußball heißt das: ängstlich auf
alten spielen. Das hat mit dem Offensivgeist, den Sie
erade bei der Reform der sozialen Sicherungssysteme
inmal hatten, nichts mehr zu tun.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Offensiv in die falsche Richtung! Das ist Ihre Politik!)


Ich kann nur feststellen: Die Unternehmer in Deutsch-
and sind auf dem richtigen Weg – ältere Arbeitnehmer
erden im Erwerbsleben besser anerkannt –, die Arbeit-
ehmerinnen und Arbeitnehmer sind auf dem richtigen
eg, und die Regierungskoalition ist auf dem richtigen
eg zu einem vernünftigen, generationengerechten Ren-

ensystem.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Rentenkürzung!)


uch Sie waren einmal auf diesem Weg. Sie sind aber
avon abgekommen. Sie haben sich verirrt. Davon wird
ich die Regierungskoalition allerdings nicht beirren las-
en. Wir setzen unsere generationengerechte Rentenpoli-
ik fort.

Vielen Dank.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8517

Johannes Vogel (Lüdenscheid)



(A) )


)(B)


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707803800

Nächster Redner ist der Kollege Max Straubinger für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1707803900

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Wir diskutieren heute über den Rentenversicherungsbe-
richt 2010 der Bundesregierung. Dieser Rentenversiche-
rungsbericht ist letztendlich ein Beweis für die gute Poli-
tik der Bundesregierung.


(Lachen der Abg. Elke Ferner [SPD] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sozialraub auf allen Ebenen!)


Mit der wirtschaftlichen Entwicklung, die unter Bundes-
kanzlerin Angela Merkel und den von ihr geführten Bun-
desregierungen eingetreten ist – das gilt für die Große
Koalition, genauso aber auch für die christlich-liberale
Koalition –, ist die Gesundung der Rentenversicherung
vorangeschritten. Es sind positive Ergebnisse zu ver-
zeichnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der Kollege Kolb und der Kollege Schiewerling ha-
ben bereits darauf hingewiesen, dass die Rücklagen der
Rentenversicherung steigen und bis 2014 möglicher-
weise die Marke von 1,5 Monatsrenten erreichen, sodass
eine Senkung des Rentenversicherungsbeitragssatzes in
Aussicht gestellt werden kann. Dies ist letztendlich auf
die gute wirtschaftliche Entwicklung und die Zunahme
der Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungs-
verhältnisse in unserem Land zurückzuführen. Eine fort-
schrittliche Sozialpolitik ist nur zu finanzieren, wenn wir
eine gute Wirtschaftspolitik betreiben. Darum haben wir
uns in der Vergangenheit in der Großen Koalition be-
müht, und darum bemühen wir uns auch jetzt in der
christlich-liberalen Koalition.

Ich glaube, heute ist es an der Zeit für einen kleinen
Rückblick, wie die Situation in früheren Jahren war. Von
einem meiner Vorredner ist schon dargestellt worden,
dass in früheren Jahren zumindest die Rentenpolitik
fraktionsübergreifend betrieben worden ist. Diese frak-
tionsübergreifende Zusammenarbeit wurde 1997/1998
vom damaligen SPD-Vorsitzenden Lafontaine aufgege-
ben.

Die damalige christlich-liberale Regierung hat die de-
mografische Entwicklung bereits als große Herausforde-
rung verstanden.


(Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])


Unter Norbert Blüm wurde der demografische Faktor
in die gesetzliche Rentenversicherung eingeführt.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!)


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(C (D PD und Grüne sind im folgenden Bundestagswahlampf dagegen vorgegangen (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wieder einmal war also der Kommunismus schuld!)


nd haben verbreitet, es sei gar nicht notwendig, eine
ntwort auf die demografische Entwicklung zu geben.
ie haben postuliert, den demografischen Faktor auszu-
etzen. Das haben sie dann auch getan, allerdings mit der
olge, dass die Rentenfinanzen, vor allen Dingen die
ücklagen der gesetzlichen Rentenversicherung, abge-

chmolzen sind; im Jahr 2005 sind sie bis auf null abge-
chmolzen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Genau! Auf Kante genäht war das!)


as war die Konsequenz der Politik, die Rot und Grün
etrieben haben. SPD und Grüne haben damals eine ren-
enpolitische Geisterfahrt unternommen, zum Schaden
er Bürgerinnen und Bürger und der Rentnerinnen und
entner.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Rentenpolitische Blindgänger sind das!)


s war daher sehr entscheidend – ich danke hier aus-
rücklich dem damaligen Bundesarbeitsminister Franz
üntefering –, dass in der SPD wieder rentenpolitischer

achverstand zur Durchsetzung gebracht worden ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Jetzt geht es um die Beibehaltung dieses rentenpoliti-
chen Sachverstandes. Wir haben zu beurteilen, ob es so-
ialpolitisch und wirtschaftlich sowie unter Arbeitsplatz-
esichtspunkten möglich ist, die Rente mit 67 bis zum
ahr 2029 einzuführen. Die wirtschaftlichen Daten ge-
en es her, die vermehrte Beschäftigung von älteren Ar-
eitnehmerinnen und Arbeitnehmern gibt es her. Auch
ie Bewegungen am Arbeitsmarkt und die Überlegungen
n den Betrieben, altersgerechte Arbeitsplätze zu schaf-
en, sind ein Beleg dafür, dass es verantwortbar ist, die-
en Weg zu beschreiten. Die SPD möchte sich letztlich
ur klammheimlich von ihrem Beschluss davonstehlen
nd steht nicht mehr für eine verantwortungsvolle Ren-
enpolitik für die Zukunft der Menschen in unserem
and.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707804000

Lieber Kollege Straubinger, gestatten Sie eine Zwi-

chenfrage des Kollegen Ernst?


Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1707804100

Ja.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707804200

Bitte.


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707804300

Herr Kollege, herzlichen Dank, dass Sie die Zwi-

chenfrage zulassen. – Ist Ihnen erstens bekannt, dass die

8518 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Klaus Ernst


(A) )


)(B)

Zahl der Arbeitslosen, die älter als 60 sind, von 42 000
in 2007 auf 91 000 im Jahr 2009 gestiegen ist?


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir hatten auch eine Wirtschaftskrise!)


Ist Ihnen zweitens bekannt, dass 36 Prozent der Betriebe
niemanden beschäftigen, der über 50 Jahre alt ist? Ist Ih-
nen drittens bekannt, dass in 44 Prozent der Betriebe
keine Weiterbildung stattfindet?

Haben Sie deshalb dafür Verständnis, dass viele Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer sagen, das Gesetz
sei folgendermaßen zu vergleichen: „Man verabschiedet
ein Gesetz, dass die Menschen vom Dreimeterbrett ins
Wasser springen müssen, hat aber vergessen, das Gesetz
so zu gestalten, dass im Becken Wasser sein muss“? Mo-
mentan ist die Situation doch so, dass viele Menschen
aufgrund der Situation, die sie vorfinden – im Jahr 2012
soll die Rente mit 67 beginnen –, dafür überhaupt keine
Möglichkeit sehen. Was sagen Sie dazu?


Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1707804400

Herr Kollege Ernst, erstens sind die Argumente, die

Sie vortragen, falsch.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das sind Fakten!)


Zweitens ist die Arbeitslosigkeit bei älteren Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmern gestiegen, weil wir die
Möglichkeit des vorzeitigen Renteneintritts richtiger-
weise abgeschafft haben. Wir stehen auch für den Kündi-
gungsschutz, der zum Segen der älteren Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer in den Betrieben besteht; das ist
eine zusätzliche Herausforderung für die Betriebe, vor al-
len Dingen wieder ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer einzustellen. Wir wenden uns zu Recht dagegen,
dies aufzuweichen, indem wir vermehrt zulassen sollen,
dass ausländische Facharbeitskräfte in Deutschland ar-
beiten können. Das wäre eine falsche Antwort.

Wir schaffen für die älteren Bürgerinnen und Bürger
Chancen, weiterhin in Arbeit zu sein, und wir wollen
dies nicht mit Belastungen für die Jüngeren verbinden,
wie es letztlich die Linken mit ihrem Vorschlag der Bei-
tragserhöhung zur Rentenversicherung immer wieder in
die Diskussion bringen.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: 7 Euro mehr in 2029!)


Ich kann verstehen, dass die Linken dies fordern.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist nicht mehr meine Frage!)


Wenn ihre Parteimitglieder ein Durchschnittsalter von
70 aufweisen, dann ist völlig klar, dass denen ein ordent-
licher Beitragsanstieg lieber ist. Sie selbst müssten ihn ja
nicht mehr schultern; aber sie hätten dafür die schöne
Rente.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D ie Jungen sollen nur kräftig zahlen. Das ist die Politik er Linken in unserem Land: nicht zukunftsgerichtet, ondern nur daseinsbezogen für ihre ältere Kundschaft. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Verdoppelung der Zahl der älteren Arbeitslosen!)


Es geht natürlich darum, dass wir zukünftig auch Ar-
eitsplätze für Ältere haben. Darin gebe ich Ihnen völlig
echt. Ich bin aber überzeugt, dass wir hier auf einem gu-
en Weg sind.

Alle Tarifpartner, die Arbeitgeber, die Gewerkschaf-
en, strengen sich an, altersgerechte Arbeitsplätze in den
etrieben zu schaffen. Das war in der Vergangenheit
icht notwendig, weil man immer sehr leicht Frühver-
entungsmaßnahmen beschließen konnte, die für viele,
enn das Geld gestimmt hat, natürlich eine Attraktion
aren. Früher in Rente zu gehen, ist natürlich immer an-
enehmer, als etwas länger arbeiten zu müssen.

Ich möchte aber durchaus noch feststellen: Es ist für
ie Zukunft schon eine Herausforderung, die Rente für
rwerbsgeminderte Menschen zu gestalten. Das ist si-
herlich eine Aufgabe, der auch wir als Koalition uns
idmen werden, weil ich der Überzeugung bin, dass die
enschen, die aus gesundheitlichen Gründen oder auf-

rund einer körperlichen Belastung nicht mehr arbeiten
önnen, eine Erwerbsminderungsrente erhalten müssen,
urch die sie ihren Lebensunterhalt sichern können.

Ich möchte aber auch herausstellen, dass wir, die Große
oalition, bei dem Beschluss über die Rente mit 67 auch

ingeführt haben, dass jemand, der 45 Beitragsjahre oder
leichgestellte Zeiten in der Rentenversicherung nach-
eisen kann, mit Vollendung des 65. Lebensjahres ab-

chlagsfrei in Rente gehen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Arbeitslosigkeit zählt da aber nicht mit!)


uch das ist eine soziale Regelung für die ältere Genera-
ion und insbesondere für die Bürgerinnen und Bürger,
ie sehr frühzeitig in das Arbeitsleben eintreten, also mit
em 16. Lebensjahr eine Lehre beginnen, und die ganze
eit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung
achgehen.

Werte Damen und Herren, eines möchte ich noch fest-
tellen: Auch heute wurde wieder der Ruf nach einer
ürgerversicherung laut. Das würde letztendlich aber
eine Entlastung für die Rentenversicherung hinsichtlich
er finanziellen und demografischen Herausforderungen
edeuten, weil jede Beitragszahlung in die Rentenversi-
herung unabhängig davon, ob sie ein Beamter, Ange-
tellter oder Arbeiter leistet, natürlich eine entspre-
hende Rentenleistung nach sich ziehen muss. Deshalb
ann die Rentenversicherung mit einer sogenannten Bür-
erversicherung nicht in die Zukunft geführt werden.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8519


(A) )


)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707804500

Das Wort erhält der Kollege Pascal Kober für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1707804600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im

vergangenen Jahr 2009 sind 651 000 Kinder geboren
worden. Im Jahr 2029, in dem die Rente mit 67 erstmals
vollumfänglich zur Geltung kommt, werden diese
651 000 Kinder 20 Jahre alt sein und damit gerade ihre
Berufsausbildung abgeschlossen haben bzw. vielleicht
mit dem Studium beginnen. In diesem gleichen Jahr
2029 werden 1,35 Millionen Menschen in den Ruhe-
stand treten. Diese beiden Zahlen, 651 000 zu 1,35 Mil-
lionen,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Beeindruckend!)


sind nicht nur beeindruckend, wie Herr Kolb gerade an-
gemerkt hat,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Zu Recht!)


sondern durch sie zeigt sich auch, wie ernst das Problem
ist und wie ernst wir dieses Problem nehmen sollten.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das Problem haben wir doch schon 40 Jahre!)


Das ist aber kein Grund, den Menschen Angst zu ma-
chen.


(Elke Ferner [SPD]: Sie machen den Menschen Angst!)


Es zeigt sich schon, dass die Entwicklungen in die rich-
tige Richtung gehen. Dass sich die Zahl der sozialversi-
cherungspflichtig Beschäftigten im Alter von 60 bis
64 Jahren in den letzten Jahren verdoppelt hat, ist hier in
der Debatte schon mehrfach gesagt worden.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das kann man nicht oft genug wiederholen!)


Dass sich der Trend vom falschen Jugendwahn der Ver-
gangenheit abkehrt und jetzt in die richtige Richtung
geht, ist bemerkbar. Dass der Fachkräftemangel, dem
wir entgegensehen, hier zusätzlich für Entlastung sorgen
wird, ist auch deutlich.

Der Trend geht in die richtige Richtung, aber die He-
rausforderungen sind trotzdem groß. Trotz dieser positiven
Entwicklungen werden wir natürlich eine innovativere
Politik für die Zukunft machen müssen, beispielsweise
eine innovativere Berufsbildungspolitik; denn eines ist
auch klar – darauf weisen hier alle zu Recht hin –: Es
gibt Berufe, in denen man nicht 30, 40 oder 50 Jahre
lang am Stück bei guter Gesundheit arbeiten kann. Auch
in diesem Bereich gibt es aber gute Anzeichen. So gibt
es zum Beispiel das von der Bundesregierung geförderte
„Demographie Netzwerk“. 220 Unternehmen haben sich
bereits zusammengeschlossen. Sie bieten einen Wissens-
transfer untereinander und tauschen miteinander Erfah-
rungen darüber aus, wie Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer auch über längere Zeit bei guter Gesundheit

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(C (D rbeiten können. Dass das möglich ist, lieber Herr Ernst, eigen auch Sie. Denn wenn Sie sich hier in unnachahmicher Eleganz in die Seitenlage legen, um mit der Frau inisterin zu sprechen, ann zeigt dies doch, dass man auch mit 56 Jahren eine anz gesunde Wirbelsäule haben kann. (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Heiterkeit bei der FDP)


as, was Ihnen gegönnt ist, sollten wir auch den anderen
enschen ermöglichen.

Wir als christlich-liberale Koalition, lieber Herr Ernst,
ieber Herr Gabriel, wollen den Menschen nicht Angst

achen. Vielmehr wollen wir den Herausforderungen
it Mut und Zuversicht begegnen. Das ist das Kennzei-

hen dieser christlich-liberalen Koalition im Angesicht
es demografischen Wandels: mit Ernst, aber auch mit
uversicht und Mut die Herausforderungen anpacken. –
ielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707804700

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der

ollege Peter Weiß für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1707804800

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

um Abschluss dieser Debatte fragen sich wahrschein-
ich viele derjenigen, die die Debatte verfolgt haben:

as ist denn nun wirklich los mit der Rente? Deswegen
omme ich zunächst einmal zu dem, was die über
0 Millionen Rentnerinnen und Rentner in unserem
and interessiert, und das steht im Rentenversicherungs-
ericht. Selten konnte eine Regierung einen Rentenver-
icherungsbericht mit so positiven Perspektiven vorle-
en, wie das jetzt Ursula von der Leyen tun konnte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


iese Feststellung treffe ich jetzt nicht einfach als Abge-
rdneter der Regierungskoalition, sondern aufgrund der
eurteilung der vielen Behauptungen und Fakten, die
on unterschiedlichen Rednerinnen und Rednern aufge-
tellt bzw. vorgetragen worden sind.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir haben nur Fakten vorgetragen! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir haben auch nur Fakten vorgetragen!)


Es gibt in Deutschland ein Gremium, nämlich den
ozialbeirat, zusammengesetzt aus Wissenschaftlern,
ertretern der Gewerkschaften und Vertretern der Ar-
eitgeberverbänden, das zu beiden Berichten, die wir
eute diskutieren, Stellung nimmt. Das einstimmige Vo-
um dieser Gewerkschafter, Arbeitgeber und Wissen-
chaftler ist,


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nicht einstimmig!)


8520 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Peter Weiß (Emmendingen)



(A) )


)(B)

dass sich die Rentenversicherung in der Krise, die wir
erlebt haben, als Fels in der Brandung erwiesen hat und
dass damit die Rentenversicherung weit vor allen ande-
ren Systemen der Alterssicherung als das stabilste Al-
terssicherungssystem in der Welt angesehen wird. Ich
glaube, das ist ein großartiges Lob, das der Sozialbeirat
abgegeben hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich will nur wenige Fakten nennen. Zu Beginn der
Krise haben wir befürchtet, dass die Mindestreserve bei
der Rentenversicherung eines Tages eventuell nicht aus-
reichen könnte. Heute erfahren wir, dass die Reserve in
der Rentenversicherung in der Krise sogar angewachsen
ist und weiter anwachsen wird


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Und zwar ohne Tricksereien, sondern aufgrund des wirtschaftlichen Wachstums!)


– und zwar ohne Tricksereien – und dass wir auf der si-
cheren Seite sind.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Trotz der Politik der Bundesregierung!)


Zweitens. Noch vor einem Jahr ist prognostiziert wor-
den, dass sich die Rentnerinnen und Rentner in Deutsch-
land wahrscheinlich über mehrere Jahre mit Nullrunden
bei der Rente zufriedengeben müssen. Jetzt sagt uns der
Rentenversicherungsbericht, dass wahrscheinlich in je-
dem der kommenden Jahre eine zwar bescheidene, aber
immerhin eine Rentenerhöhung möglich sein wird.


(Zuruf von der LINKEN: Nominal! Real nicht!)


In vielen Jahren haben die Rentnerinnen und Rentner
in unserem Land den Eindruck gehabt, dass ihnen zwar
zusätzliche Lasten aufgebürdet werden, sie aber keine
Entlastung erhalten. Die gute Nachricht des Rentenversi-
cherungsberichts lautet nun: Ja, die Rentnerinnen und
Rentner werden am Aufschwung in Deutschland teilha-
ben können. Ich finde, diese gute Nachricht sollte man in
einer Rentendebatte zuallererst herausstellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Vorha-
ben „Erhöhung der Altersgrenze bis zum Jahre 2029 auf
67 Jahre“ haben wir in der Großen Koalition beschlos-
sen, weil wir wollen, dass nicht nur heute, sondern auch
im Jahr 2030 und in den nachfolgenden Jahren die Ren-
tenversicherung in Deutschland zu den stabilsten Alters-
sicherungssystemen in Deutschland gehört. Darum geht
es.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich
verstehe nicht, dass Sie das Erbe von Franz Müntefering,
der diese Reform vorangetrieben und durchgesetzt hat,
heute so leichtfertig aufs Spiel setzen wollen.


(Zuruf von der SPD: Das habt ihr gemacht!)


Denn in Wahrheit setzen Sie die Sicherheit der gesetzli-
chen Rentenversicherung als eines der weltweit stabils-
ten Sicherungssysteme aufs Spiel.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707804900

Herr Kollege Weiß, lassen Sie noch eine – wenn, dann

llerdings ganz knappe – Zwischenfrage des Kollegen
uchtel zu?


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1707805000

Ja. Bitte schön.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1707805100

Herr Kollege Weiß, können Sie bestätigen, dass die

on der SPD jetzt wieder vorgeschlagenen Änderungen
n der Rentenberechnung zur Berücksichtigung der de-

ografischen Entwicklung schon einmal schiefgegan-
en sind, nachdem 1997 Blüm einen Demografiefaktor
ns Gesetzblatt gebracht hat, die SPD dann 1998 einen
entenwahlkampf geführt und in der Regierungserklä-

ung im selben Jahr die Aussetzung mit den schon ge-
annten Ergebnissen angekündigt hat, und dass Bundes-
anzler Schröder im Jahr 2003 kleinlaut im Parlament
rklärt hat: „Das war ein Fehler“?


(Anton Schaaf [SPD]: Darf man dazu Zusatzfragen stellen?)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1707805200

Herr Kollege Fuchtel, in der Tat befürchte ich auch,

ass die Sozialdemokraten das Abrücken von den ge-
einsam in der Großen Koalition gefassten Beschlüssen

chlichtweg deswegen praktizieren, weil sie angesichts
hrer schlechten Umfragewerte glauben, für die kom-
enden Wahlen des Jahres 2011 Wahlkampfmaterial zu

hren Gunsten sammeln zu können. Das war auch bei der
undestagswahl 1998 so.

Die damalige rot-grüne Bundesregierung – auch die
rünen tragen also Verantwortung dafür – hat die von
orbert Blüm beschlossene Reform der Rente mit dem
emografiefaktor zurückgenommen. Wenige Jahre

päter musste der damalige Bundeskanzler Gerhard
chröder vor dem Parlament erklären, dass es nicht nur
in Fehler, sondern einer seiner größten Fehler gewesen
ei, diese Reform zurückzunehmen.

Meine Aufgabe ist es nicht, mir als Christdemokrat
esondere Sorge um die Sozialdemokraten zu machen,


(Joachim Poß [SPD]: Das brauchen Sie auch nicht! – Thomas Oppermann [SPD]: Sehen Sie sich mal die Hamburger Umfragen an!)


ber ein gewisses christliches Mitgefühl hat man doch.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707805300

Lieber Kollege Fuchtel, die Frage ist erkennbar beant-

ortet. Sie dürfen sich wieder setzen. Die Zeit läuft wei-
er.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1707805400

Ich fürchte, dass es die Sozialdemokraten noch ein-

al erleben werden, dass sie sich vor dem Parlament da-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8521

Peter Weiß (Emmendingen)



(A) )


)(B)

für entschuldigen müssen, dass sie die Reform ihres ei-
genen Arbeits- und Sozialministers kaputtschießen
wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Thomas Oppermann [SPD]: Bestellte Frage, bestellte Antwort! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Beide schwach!)


Ich will nicht all das wiederholen, was zum Thema
Anhebung der Regelaltersgrenze für die Rente auf
67 Jahre bis zum Jahr 2029 gesagt worden ist, sondern
nur einen Punkt herausstellen, der von vielen Rednern
vorgetragen worden ist, nämlich dass das eigentlich eine
verkappte Rentenkürzung sei. Der Sozialbeirat hat – ich
wiederhole, es ist eine gemeinsame Stellungnahme von
Gewerkschaften, Arbeitgebern und Wissenschaftlern –
gesagt: Ein Blick auf die Zusammenstellung der einzel-
nen Gruppen von Rentnerinnen und Rentnern zeigt, dass
sich in vielen Fällen die Behauptung, dass die Anhebung
der Regelaltersgrenze zu einer Rentenkürzung führt,
nicht bewahrheiten wird. Der Sozialbeirat sagt also klipp
und klar: Die Behauptung, das sei eine generelle Renten-
kürzung, ist schlichtweg falsch.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich betone: unterschrieben von Gewerkschaftern, Ar-
beitgeberverbänden und Wissenschaftlern.

Nein, es entsteht der gegenteilige Effekt: Erstens wird
die Anhebung der Regelaltersgrenze dazu führen, dass
selbstverständlich diejenigen, die länger arbeiten, dann
auch zusätzliche Rentenansprüche erwerben. Zweitens
führt der Nachhaltigkeitsfaktor – das ist ein Faktor, der
in der Rentenformel vorhanden ist –


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Von Rot-Grün eingeführt!)


– von Rot-Grün übrigens eingeführt; das will ich gerne
mit erwähnen – dazu, dass sich dann, wenn länger gear-
beitet wird, die Renten derjenigen, die in Rente sind, er-
höhen werden. Sprich: Keine Rentenkürzung für die
Rentnerinnen und Rentner, sondern kontinuierliche Ren-
tenerhöhungen sind die Folge des Nachhaltigkeitsfak-
tors.

Deswegen kann man eine Feststellung treffen: Die
Rentenkürzer sitzen da, wo diejenigen sind, die die
Rente mit 67 ab dem Jahr 2029 kippen und außer Kraft
setzen wollen; denn diejenigen kürzen die Rente.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hanebüchen!)


Das ist die logische Mathematik der Rentenformel.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Und die Erde ist eine Scheibe!)


Vielleicht sollten die Kolleginnen und Kollegen, die hier
meines Erachtens unverantwortliche Reden halten, zu-
erst einmal die Rentenformel lesen, bevor sie das Gegen-
teil von dem behaupten, was tatsächlich die Wirkung der
Rente mit 67 sein wird.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Morgen kommt der Weihnachtsmann!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707805500

Lieber Kollege Weiß, Sie müssen zum Schluss kom-

en. Die Redezeit ist vorbei.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1707805600

Herr Präsident, ich will gern zum Schluss kommen

nd Folgendes sagen: Selbstverständlich ist die Erwerbs-
eteiligung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
er in Deutschland heute schlecht. Das ist gar keine
rage. Die Frage, die im Rentenversicherungsbericht zu
ntersuchen war, lautete aber: Verschlechtert oder ver-
essert sie sich über die Jahre hinweg? Gott sei Dank hat
ie sich in den letzten Jahren verbessert. Außerdem ste-
en die Chancen gut, dass sie noch besser wird, und
war insbesondere dann, wenn das Programm „50 plus“,
as von Franz Müntefering und Olaf Scholz initiiert
urde, in Deutschland seine Wirkung entfaltet.

Deshalb wollen wir alles tun, damit ältere Arbeitneh-
erinnen und Arbeitnehmer in Deutschland eine Chance

uf dem Arbeitsmarkt haben und damit die positiven
irkungen der Anhebung des Rentenalters dazu führen,

ass sich diese Menschen eine ordentliche und gute al-
erssicherende Rente erwirtschaften.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die jedes Jahr weniger wird, weil Sie sie kürzen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707805700

Ich schließe die Aussprache.

Noch ein Hinweis zum Debattenverlauf. Ich habe eine
eihe von Zwischenfragen und Kurzinterventionen zu-
elassen und eine ganze Reihe weiterer Wünsche nicht.
as löst bei denjenigen, die nicht zum Zuge gekommen

ind, keine große Freude aus. Ich möchte nur darauf auf-
erksam machen, dass wir zu Beginn dieser Debatte

invernehmlich beschlossen haben, diese Debatte soll
Stunde und 15 Minuten dauern. Tatsächlich hat sie je-

och 1 Stunde und 45 Minuten gedauert. Ich bitte ein-
ach zu berücksichtigen, dass für das Präsidium die vom
lenum selbst festgesetzte Debattenzeit ein jedenfalls
icht weniger relevantes Kriterium in der Moderierung
er Sitzung ist als die sich spontan ergebenden Rede-
ünsche. Das Dilemma ist nicht rundum überzeugend

uflösbar. Aber ich wollte das noch einmal dem Plenum
ur Kenntnis geben.

Nun stimmen wir ab über die Überweisung der Vorla-
en auf den Drucksachen 17/3814, 17/3900, 17/3995
nd 17/4046 an die in der Tagesordnung aufgeführten
usschüsse. Sind Sie damit einverstanden? – Das scheint
er Fall zu sein. Dann ist die Überweisung so beschlos-
en.

8522 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) )


)(B)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Bernd
Scheelen, Nicolette Kressl, Joachim Poß, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Klare Perspektiven für Kommunen – Gewer-
besteuer stärken

– Drucksache 17/3996 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Haushaltsausschuss

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu
dem Antrag der Fraktion der SPD

Rettungsschirm für Kommunen – Strategie für
handlungsfähige Städte, Gemeinden und Land-
kreise

– Drucksachen 17/1152, 17/4060 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Antje Tillmann
Bernd Scheelen

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll auch
diese Aussprache 1 Stunde und 15 Minuten dauern, was
der eine oder andere vielleicht zur Erinnerung auf einem
Zettel festhält. Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann
ist das so vereinbart.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
Herr Staatsminister Dr. Carsten Kühl für das Land
Rheinland-Pfalz. – Bitte schön.


(Beifall bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1707805800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich bedanke mich zunächst sehr herzlich für die
Gelegenheit, als Mitglied des Bundesrats und als Mit-
glied der Gemeindefinanzkommission zu diesem Thema
sprechen zu können.

Es ist ein Thema, das alle angeht: die Kommunen, die
Länder und den Bund. Es geht die Kommunen an, weil
sie natürlich an allererster Stelle diesen harten Konsoli-
dierungskurs konsequent beschreiten müssen, um aus
ihrer prekären Finanzsituation herauszukommen. Es
geht die Länder an, weil sie die vornehmste Aufgabe ha-
ben, die Kommunen dabei zu unterstützen, beispiels-
weise dadurch, dass sie ein konsequentes Konnexitäts-
prinzip pflegen, beispielsweise dadurch, dass sie einen
Entschuldungsfonds auflegen, um die hohen Liquiditäts-
kredite der Kommunen zurückzuführen und sie wieder
handlungsfähig zu machen, und beispielsweise dadurch,
dass sie – so etwas können die Länder – versuchen, die
Einnahmen, die sie den Kommunen über den Finanzaus-
gleich geben, über einen Solidarfonds im Zeitablauf zu
verstetigen und ihnen dadurch mehr Kalkulationsgrund-
lagen zu geben.

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(C (D Aber auch der Bund ist gefordert. Es gibt zwei Enticklungen in den letzten Jahren, die für die prekäre Si uation der kommunalen Haushalte sehr stark mit verantortlich sind und die vom Bund zu verantworten sind. er Bund muss sich engagieren, dass das in Zukunft aners und besser wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zum einen geht es um die Steuereinnahmen der
ommunen. Sie sind – genauso wie die von Ländern
nd Bund – in den letzten Jahren eingebrochen, bei den
ommunen aber ganz besonders stark. Wir haben heute

ine Steuerquote, die unter 21 Prozent liegt. Das sind
wei Prozentpunkte weniger als vor zwei Jahren. Wenn
ie das auf das Bruttoinlandsprodukt beziehen, dann er-
ennen Sie eine Lücke in Höhe von 50 Milliarden Euro.
as hat etwas damit zu tun, dass wir nicht befristet, son-
ern strukturell angelegt und damit dauerhaft Steuersen-
ungen in der Größenordnung von 36 Milliarden Euro
eit 2008 auf den Weg gebracht haben. Das belastet die
ommunalen Haushalte mit etwa 5 Milliarden bis 7 Mil-
iarden Euro. Da kommen sie nicht alleine heraus.

Zum anderen geht es – das ist ein weiterer kritischer
unkt – um die Soziallasten. Die Soziallasten, an denen
ie Kommunen finanziell partizipieren, die sie mit finan-
ieren müssen, sind in den letzten Jahren im Vergleich
ur Entwicklung der kommunalen Einnahmen weit über-
roportional gestiegen. Wir haben beispielsweise bei der
rundsicherung und der Eingliederungshilfe Steige-

ungsraten von über 40 Prozent und bei der Jugendhilfe
n den letzten zehn Jahren zum Teil Steigerungsraten von
30 Prozent zu verzeichnen gehabt. Gleichzeitig sind die
teuereinnahmen der Kommunen nur um 21 Prozent ge-
tiegen. Diese Schere, die sich da auftut, können die
ommunen alleine, ohne Hilfe Dritter, nicht schließen.
arin müssen wir sie unterstützen.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Situation ist dramatisch. Wenn eine Situation dra-
atisch ist, dann sollte man eigentlich sofort etwas tun.
eswegen haben sich das Land Rheinland-Pfalz, andere
änder und viele Kommunen gefreut, als die SPD-Frak-

ion im März dieses Jahres eine Initiative auf den Weg ge-
racht hat mit dem Ziel, unabhängig von längerfristigen
nd grundsätzlichen Maßnahmen ein Sofortprogramm
ufzulegen. Leider hat das offensichtlich hier in diesem
aus keine Mehrheit gefunden. Eine Mehrheit in diesem
aus gefunden hat etwas anderes, das die Haushalte der
ommunen zusätzlich belastet hat. Sie haben mit Ihrem
aushaltsbegleitgesetz Abgabenerhöhungen in Höhe
on 7 Milliarden Euro auf den Weg gebracht, und zwar
olche, die ausschließlich dem Bundeshaushalt zustehen
nd gleichzeitig die Bemessungsgrundlage der den Kom-
unen zustehenden Einnahmen schmälern, beispiels-
eise der Gewerbesteuer. Damit haben Sie die Situation
er Kommunen einmal mehr verschlimmert.


(Beifall bei der SPD)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8523

Staatsminister Dr. Carsten Kühl (Rheinland-Pfalz)



(A) )


)(B)

Sie haben die Rentenversicherungsbeiträge beim ALG II
abgeschafft. Sie haben die Heizkostenpauschale abge-
schafft. Ich garantiere Ihnen: Das wird sich irgendwann
bei der Grundsicherung im Alter und den Kosten der Un-
terkunft auf der Rechnung der Kommunen wiederfinden.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Bundesregierung hatte im Februar eine Gemeinde-
finanzkommission etabliert, die sich den Fragen anneh-
men sollte. Diese Kommission hat sehr intensiv und ana-
lytisch gearbeitet. Sie war im besten Sinne fleißig und hat
Ergebnisse produziert. Ich war daher etwas überrascht,
dass der Bundesfinanzminister vor ein paar Wochen nach
einem Gespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden
ein Fazit für sich gezogen und Ergebnisse verkündet hat.
Ich war nicht überrascht, dass der Bundesfinanzminister
zu dem Ergebnis kam, man müsse die Gewerbesteuer
unangetastet lassen. Denn alle Analysen der Kommission
zeigen, dass das Alternativmodell aus verschiedensten
Gründen – weil es quantitativ schwierige Ergebnisse pro-
duziert und kaum administrierbar ist – nicht umsetzbar
ist. Zudem ist die Gewerbesteuer trotz aller Unkenrufe
eine gute Steuer für die Gemeinde, weil sie das größte
Aufkommensentwicklungspotenzial hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Finanznot herrscht, dürfen wir nicht die Steuer ab-
schaffen, die langfristig die höchsten Erträge bringt.

Ich habe mich gefreut, dass der Bundesfinanzminister
den Vorschlag gemacht hat, zumindest über die Grund-
sicherung im Alter einen Einstieg in die Entlastung der
Kommunen von Soziallasten zu finden.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Alles nur Versprechungen!)


Der Bundesfinanzminister hat weiter vorgeschlagen,
dass man additiv zur Gewerbesteuer bei der Einkom-
mensteuer ein Zuschlagsrecht etablieren sollte. Wir und
die meisten kommunalen Verbände waren skeptisch, und
zwar aus einem ganz einfachen Grund: Wir befürchten
– diese Befürchtung ist ernst zu nehmen –, dass dadurch
der Konflikt zwischen armen und reichen Gemeinden in
Deutschland verschärft wird, dass Druck entsteht und
gerade die hochverschuldeten und in der Tendenz Kom-
munen mit einkommensschwachen Bürgern in die Situa-
tion versetzt werden, die Hebesätze anzuheben, und wir
dann in die etwas skurrile Situation kommen, dass zu-
künftig in manchen Orten Einkommensschwächere hö-
here Steuern bezahlen müssen als Einkommensstärkere
in anderen Orten, die es sich leisten können, die Hebe-
sätze zu senken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das widerspricht dem Prinzip, das über 60 Jahre bei der
Einkommensteuer in Deutschland Konsens ist, nämlich
dem Leistungsfähigkeitsprinzip, wonach Gleiches gleich

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(C (D u besteuern ist. Schließlich: Wir ärgern uns seit Jahren ber Steueroasen im Ausland. Ich vermag nicht einzuseen, warum wir Anreize für die Schaffung von Steuerasen in Deutschland setzen sollten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, wie sieht die Bilanz aus?
ch hätte mir zunächst einmal gewünscht, dass wir den
orschlag von Herrn Schäuble in der Gemeindefinanz-
ommission diskutieren. Aber was ist stattdessen pas-
iert? Es ist das passiert, was immer passiert, wenn diese
oalition versucht, steuer- und finanzpolitische Pro-
leme zu lösen: Es wird gestritten, es wird ein bisschen
haotisch, und es entsteht Stillstand. In der Zwischenzeit
oll eine Koalitionsrunde zu diesem Thema stattgefunden
aben. Die FDP scheint mittlerweile alles infrage zu stel-
en. Der Finanzminister und die Bundeskanzlerin relati-
ieren ihre Gewerbesteuergarantie, die sie gegenüber den
ommunen abgegeben haben, und von der Übernahme
on Soziallasten wird überhaupt nicht mehr geredet.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch Quatsch!)


Mittlerweile gibt es Koalitionsarbeitsgruppen. Aber
as heißt das denn für die Gemeindefinanzkommission?
ie Gemeindefinanzkommission wartet jetzt auf einen
orschlag der Koalitionsarbeitsgruppe. Den soll sie sich
ann zu eigen machen, um ihn anschließend der Bundes-
egierung zu empfehlen.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ie Aufgabe der Kommission ist eine Empfehlung an
ie Bundesregierung. Noch einmal: Die Gemeindefi-
anzkommission bekommt von der Bundesregierung er-
ählt, was sie der Bundesregierung empfehlen soll. Das
st ein Witz, über den weder die Kommunen noch die
änder lachen können;


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


enn die Finanzsituation ist zu ernst, um koalitionsin-
erne Befindlichkeiten auszuleben. Wiederbeleben soll-
en wir entweder die Gemeindefinanzkommission, oder
er Bundesfinanzminister sollte einen Vorschlag auf den
isch legen, der für alle, nicht nur für die Koalitionäre,
onsensfähig ist. Meine Bitte wäre, dass wir uns nicht
ehr allzu viel Zeit damit lassen. Die Liquiditätskre-
ite der Kommunen steigen von Tag zu Tag. Die Kom-
unen stehen nicht mehr nur mit dem Rücken an der
and, sondern der Rücken drückt sich immer mehr in

ie Wand hinein.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


8524 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010


(A) )


)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1707805900

Nächster Redner ist der Kollege Peter Götz für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Peter Götz (CDU):
Rede ID: ID1707806000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht nur der
Bund, sondern auch die Städte, Gemeinden und Kreise
befinden sich in einer schwierigen finanziellen Lage.
Das ist unbestritten. Es ist auch unbestritten, dass sich
eine große Zahl von Kommunen nur noch mit hohen
Kassenkrediten über Wasser halten kann. Trotz der im-
mer noch schwelenden Krise an den internationalen
Finanzmärkten sind wir in Deutschland dank einer gu-
ten, vorausschauenden Politik der CDU-geführten Bun-
desregierung auf einem guten Weg; das sollten wir auch
sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Arbeitslosenzahlen sind so niedrig wie noch nie
in den letzten 20 Jahren. Mit 41 Millionen ist die Zahl
der Erwerbstätigen so hoch wie noch nie.


(Bernd Scheelen [SPD]: Die Debatte darüber hatten wir gerade!)


Herr Kollege Scheelen, die internationale Wettbewerbs-
fähigkeit deutscher Unternehmen hat inzwischen ein
Niveau erreicht, um das uns andere Länder in Europa be-
neiden, und das wirkt sich auch auf die Kommunalfinan-
zen aus.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer – eine wich-
tige kommunale Steuer; das ist unbestritten – sind übri-
gens für viele überraschend stark gestiegen.


(Bernd Scheelen [SPD]: Deshalb wollen Sie die auch weg haben!)


Für 2011 rechnen die Steuerschätzer mit einem weiteren
kräftigen Anstieg auf 31,6 Milliarden Euro. Zu dieser
positiven Entwicklung hat übrigens nicht nur, aber auch
das Wachstumsbeschleunigungsgesetz maßgeblich bei-
getragen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD und der LINKEN: Oh! – Bernd Scheelen [SPD]: Das hat richtig Geld gekostet!)


Richtig ist, dass die Schere zwischen finanzstarken
und finanzschwachen Kommunen nach wie vor immer
weiter auseinandergeht. Herr Minister Kühl, das hat üb-
rigens auch etwas mit Landespolitik zu tun;


(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)


denn zum Beispiel streicht in Rheinland-Pfalz das Land
die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer ein. In dem
Land, aus dem ich komme, in Baden-Württemberg, be-
kommen die Kommunen die Einnahmen aus der Grund-

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(C (D rwerbsteuer. Das hat also auch etwas mit Landespolitik u tun. Viele Gemeindefinanzen werden von den Zinsen und on den Kosten für Soziales im wahrsten Sinne des Wores aufgefressen; das ist wahr. Herr Minister, wenn wir elfen wollen, dann müssen wir die Ursachen anschauen nd sie analysieren. Die Ursachen reichen weit zurück in ie Zeit der kommunalfeindlichen rot-grünen Regieungspolitik. Mit der Übernahme der Kanzlerschaft urch Angela Merkel hat sich das übrigens schlagartig von heute auf morgen – geändert. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: So ist es!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Jahre kurz vor der Krise waren für die Kommu-
en die besten Jahre seit Bestehen der Bundesrepublik.


(Joachim Poß [SPD]: In Ihren Jahren wurde ständig die Abschaffung der Gewerbesteuer gefordert! Er redet einen Stuss, wie ich ihn seit Wochen nicht gehört habe!)


er kommunale Saldo lag in dieser Zeit bei mehr als
Milliarden Euro, und viele Kommunen konnten inves-

ieren, auch wenn es Ihnen nicht passt, Herr Poß. Sie ha-
en Rücklagen gebildet und ihre Schulden abgebaut.

Herr Poß, in Zeiten rot-grüner Regierungsverantwor-
ung war daran nicht zu denken. Damals lag der kommu-
ale Saldo im Minus. Der Investitionsstau wurde immer
rößer.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707806100

Kollege Götz, darf ich Sie kurz unterbrechen? Der

ollege Hartmann würde Ihnen gern eine Zwischenfrage
tellen.


Peter Götz (CDU):
Rede ID: ID1707806200

Ich sage den einen Satz noch, dann bin ich sehr damit

inverstanden. – Nur zur Erinnerung: 2003 betrug der
egativsaldo der kommunalen Haushalte 8,4 Milliarden
uro – im Minus. – Bitte schön.


Michael Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1707806300

Herr Kollege Götz, Sie haben erfreulicherweise da-

auf hingewiesen, dass die Einnahmen der Kommunen
urch die Gewerbesteuer gestiegen sind. Diese erfreuli-
he Feststellung veranlasst mich zu der Frage: Bedeutet
ies ein klares und uneingeschränktes Bekenntnis von
hnen und Ihrer Fraktion zum Erhalt der Gewerbesteuer?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Peter Götz (CDU):
Rede ID: ID1707806400

Das ist ein klares Bekenntnis dazu, dass die Besteue-

ung aus wirtschaftlicher Betätigung in Zukunft auch für
ie kommunale Seite gelten muss – eindeutig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Das ist schon wieder eine Eierei! – Bernd Scheelen [SPD]: Was heißt das denn konkret?)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8525

Peter Götz


(A) )


)(B)

Lassen Sie mich auf den Gedanken zurückkommen,
den ich vorhin fortsetzen wollte. Die Verschuldung in
den Städten, Gemeinden und Kreisen ist in der Zeit Ihrer
Regierungsverantwortung gestiegen. Das ist die Ursa-
che. Herr Scheelen, davon haben sich gerade im Ruhrge-
biet viele Städte und Gemeinden noch lange nicht erholt.
Das geht nicht von heute auf morgen. Rot-Grün hat den
Kommunen ständig Geld weggenommen und ihnen Auf-
gaben übertragen, ohne die notwendige Finanzierung
mitzuliefern. Das war Ihre damalige Politik, und dafür
tragen Sie von Rot-Grün die Verantwortung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sich jetzt in der Opposition als Retter aufzuspielen, ist
nicht nur scheinheilig, sondern auch unanständig.


(Joachim Poß [SPD]: Wir haben 2003 den Vermittlungsausschuss gerettet – gegen Sie!)


– Herr Poß, noch kurz vor Toresschluss hat die Schröder-
Regierung beschlossen, den Bundesanteil von 3 Milliar-
den Euro an den Kosten der Unterkunft im Bereich der
Hartz-IV-Empfänger rückwirkend auf null zu reduzie-
ren. Ich wiederhole: auf null. Das war in Ihrer Zeit.


(Bernd Scheelen [SPD]: Das ist völliger Unsinn! Das wissen Sie auch! Das war im Bundesrat, den Sie damals beherrscht haben!)


Es war eine der ersten Entscheidungen der Regierung
Merkel, diesen kommunalfeindlichen Akt sofort zu be-
seitigen und die Bundesbeteiligung zugunsten der Kom-
munen wieder anzuheben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Jetzt als Opposition eine Erhöhung der Bundesbeteili-
gung zu fordern, ist mehr als durchsichtig und spricht ei-
gentlich für sich.


(Beifall des Abg. Dr. Max Lehmer [CDU/ CSU])


Rot-Grün hat übrigens auch die Grundsicherung im
Alter, die vorhin angesprochen worden ist, den Kommu-
nen aufs Auge gedrückt, aber vergessen, eine anständige
Finanzierung mitzuliefern.


(Bernd Scheelen [SPD]: Das stimmt auch nicht! Das sind 100 Millionen! Ist das nichts?)


Wir haben in unserer Regierungszeit die Mittel aufge-
stockt und dynamisiert. Das hatten Sie vergessen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Rot-Grün hat übrigens die von Ihnen so gelobte
Gewerbesteuerumlage erhöht und damit den Kommu-
nen Teile der Gewerbesteuereinnahmen genommen.
Auch das ist erst auf unseren Druck hin korrigiert wor-
den. Heute singen Sie das Hohelied der Gewerbesteuer.
Das hat mit glaubwürdiger Politik eigentlich gar nichts
zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


In diesen Tagen fordern die Grünen eine Boden-
schutzrichtlinie, die allein für die Kommunen zusätzli-

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(C (D he Bürokratiekosten von mehreren Hundert Millionen uro bedeuten würde, ohne dass in Deutschland der Boenschutz auch nur etwas verbessert würde. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Regieren muss man schon noch!)


ch könnte aus dem Katalog Ihrer kommunalfeindlichen
ntscheidungen beliebig weiter vortragen, aber dafür

eicht die Redezeit nicht.

Uns geht es darum, den Kommunen zu helfen und die
emeindefinanzen trotz schwierigster Haushaltslage, in
er sich der Bund, wie wir alle wissen, nach wie vor be-
indet, wieder auf eine solide Grundlage zu stellen.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Werden Sie doch mal konkret!)


ir wollen den Gemeinden mehr Eigenverantwortung
eben und dadurch die kommunale Selbstverwaltung
tärken. Deshalb begrüßen wir die positive Haltung des
tädte- und Gemeindebundes sowie des Deutschen
andkreistages zum vorgeschlagenen kommunalen He-
esatzkorridor auf den Einkommensteueranteil der
ommunen. Herr Minister Kühl, das hat mit Steuer-
asen in Deutschland wirklich überhaupt nichts zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Joachim Poß [SPD]: Die gibt es ja Gott sei Dank noch nicht!)


Notwendige Korrekturen bei der Gewerbesteuer dür-
en weder zulasten der Kommunen noch zulasten der
ürger gehen. Wir wollen, dass vor Ort wieder mehr ent-

chieden werden kann. Wir wollen eine Entlastung vor
llem in dem Bereich der sozialen Aufgaben und der so-
ialen Ausgaben.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie doch mal einen Vorschlag!)


on der eingesetzten Gemeindefinanzkommission, an
er Bund, Länder und die kommunalen Spitzenverbände
eteiligt sind – auch die Länder und die kommunalen
pitzenverbände sind dabei – und die auf Konsens ange-

egt ist – das ist auch gut so –,


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Sie sind stillgelegt!)


rwarten wir im Januar, also in einem Monat, die Ergeb-
isse.

Wir wollen, dass die Kommunen durch stabile Ge-
eindefinanzen wieder Luft zum Atmen bekommen

nd die vielen ehrenamtlichen Räte in den Gemeinden,
tädten und Kreisen ihre Heimat wieder eigenverant-
ortlich gestalten können;


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das ist doch Sand in die Augen! – Iris Gleicke [SPD]: Nichts als warme Worte! – Joachim Poß [SPD]: Das ist der Meister der warmen Worte!)


enn sie vor Ort wissen am besten, was für ihre Bürge-
innen und Bürger gut und richtig ist.

8526 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Peter Götz


(A) )


)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Unsere Kommunen haben sich in der schwersten
Krise unseres Landes hervorragend verhalten. Sie haben,
unterstützt durch unser Konjunkturpaket II,


(Joachim Poß [SPD]: Das haben wir in der Großen Koalition gemacht!)


mit klugen Entscheidungen maßgeblich dazu beigetra-
gen, dass Deutschland schneller und besser aus der Wirt-
schaftskrise herausgekommen ist, als wir alle gedacht
hatten. Dafür sagen wir heute in einer Kommunaldebatte
ein herzliches Dankeschön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Joachim Poß [SPD]: Da müssen Sie die SPD-Minister nennen aus der Großen Koalition!)


Jetzt geht es darum, unser Land und die Kommunen
zukunftsfest zu machen. Das ist nicht einfach. Das geht
nicht mit Jammern, sondern das geht mit Anpacken. Pa-
cken wir es also an! Mit Mut und Zuversicht können wir
gemeinsam viel erreichen. Ich lade auch Sie als Opposi-
tion sehr herzlich dazu ein.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707806500

Das Wort hat der Kollege Frank Tempel von der

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Frank Tempel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707806600

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Ich freue mich, an dieser Stelle mit direk-
tem Bezug zur Kommunalpolitik, genauer gesagt: zu den
Kommunalfinanzen, sprechen zu dürfen; denn diese
Möglichkeit zu haben, war einer der Gründe dafür, dass
ich als Kommunalpolitiker genau hierher wollte.

Die Probleme durch fehlende finanzielle Mittel in den
Kommunen kommen auf direktem Wege bei den Bür-
gern an, werden dort spürbar, und dann stehen oftmals
die kommunalen Mandatsträger in der Kritik – wegen
fehlender notwendiger Aktivitäten, die aber nur eine
Folge fehlender finanzieller Möglichkeiten sind. Oft
müssen Streichungen in den Bereichen Kultur, Bildung
und Soziales vorgenommen werden; denn trotz aller
Sparmaßnahmen in anderen Bereichen ist in den Kom-
munen das Geld dafür nicht mehr da.

Das wiederum liegt sehr häufig an Bundesgesetzen.
In meinem Kreistag im Altenburger Land führte das
dazu, dass wir bereits seit einem halben Jahr eine Haus-
haltssperre haben. Damit sind wir kein Einzelfall. Aus
allen Fraktionen im Kreistag werde ich immer wieder
aufgefordert, das hier an dieser Stelle noch stärker zu be-
tonen. Erst gestern Abend standen auf der Tagesordnung
Einschnitte wie Kürzungen in der Jugendhilfe und Strei-
chung des Zuschusses für das Schulessen. An solchen

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(C (D ürzungen haben Sie, meine Damen und Herren, eine itverantwortung. (Beifall bei der LINKEN – Antje Tillmann [CDU/CSU]: Gar nicht! Wir bezahlen all das demnächst!)


Bevor mein Kollege Axel Troost nachher zu Zahlen
nd Steuern kommt, geht es mir in allererster Linie um
in Instrument, das unabdingbar notwendig ist, um kom-
unale Realitäten und Aufgaben mit der Bundespolitik

n Einklang zu bringen. Die Regierungskoalition wird es
ielleicht überraschen: Ich meine den Unterausschuss
ommunales. Bisher haben Sie sich der Bedeutung und
ichtigkeit dieses Ausschusses weitestgehend verwei-

ert. Ich erinnere nur daran, wie lange Sie gebraucht ha-
en, um wenigstens Mitglieder für diesen Unteraus-
chuss zu benennen. Zu Beginn der Wahlperiode hatte
an sich im Ältestenrat des Bundestages auf diesen Un-

erausschuss geeinigt. Ein ordentlicher Ausschuss Kom-
unalpolitik, wie ihn die Linke gefordert hat, wäre

ngemessener gewesen; aber es war immerhin ein Kom-
romiss gefunden.


(Beifall bei der LINKEN)


Heute muss man feststellen, dass alle anderen Unter-
usschüsse ihre Arbeit aufgenommen haben; aber der
nterausschuss Kommunales hat sich lediglich konstitu-

ert,


(Peter Götz [CDU/CSU]: Aber wer hat denn die Tagesordnung zurückgezogen? Das wart doch ihr!)


nd das nach einem Viertel der Legislatur – Klasseleis-
ung. Nach dem Willen der Regierungskoalition soll der
nterausschuss zu einem Erfüllungsgehilfen des Innen-

usschusses werden. Aber das Aufgabenfeld ist sehr viel
eiter, und ein Selbstbefassungsrecht, also das Recht,

elbst Themen auf die Tagesordnung zu nehmen, ist eine
rundbedingung für die Wirksamkeit dieses Ausschus-

es.


(Beifall bei der LINKEN)


in eigenes Aufgabenfeld fehlt. Die kommunalrelevan-
en Angelegenheiten als Querschnittsbereich der Politik
nzuerkennen, ist eine klare, logische und konsequente
orderung der Linken.

90 Prozent der im Bundestag beschlossenen Gesetze
üssen letztendlich von den Kommunen ausgeführt
erden. Die schwarz-gelbe Koalition feiert sich nun, ei-
en Unterausschuss Kommunales vorweisen zu können.
atsächlich ist die Koalition dagegen, dass sich der Un-

erausschuss mit den unmittelbaren Problemen der Kom-
unalpolitik befasst. Zentrale Themen wie die Kommu-

alfinanzen wollen Sie von diesem Unterausschuss nach
öglichkeit fernhalten.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: So ist das! – Gegenruf der Abg. Antje Tillmann [CDU/ CSU]: Das liegt beim Finanzausschuss!)


Ich möchte deswegen einmal darauf verweisen, wie
er Deutsche Bundestag bereits 1952 die Aufgaben eines
olchen Ausschusses definiert hat: „… die indirekten

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8527

Frank Tempel


(A) )


)(B)

Auswirkungen der Bundesgesetzgebung auf die kommu-
nalen Angelegenheiten zu beobachten und sich gegebe-
nenfalls in die Bearbeitung von Vorlagen einzuschalten.“
Das heißt Selbstbefassungsrecht 1952. Schreiben Sie es
einfach ab! Aber einen entsprechenden Antrag von Lin-
ken, SPD und Grünen zu einem wohlformulierten
Grundsatzbeschluss haben Sie bereits am 27. Oktober
dieses Jahres im Innenausschuss ohne Debatte abge-
lehnt.

Sie wollen kein Medikament für die kranken Kom-
munalfinanzen, Sie wollen lieber ein Placebo, um den
Patienten ruhigzuhalten. Ich möchte Ihnen aber an dieser
Stelle versprechen: Die Linke wird das weitere Ausblu-
ten der Kommunen nicht hinnehmen.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707806700

Das Wort hat der Kollege Dr. Volker Wissing von der

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1707806800

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kollegin-

nen und Kollegen! Herr Minister Kühl, wir haben von
Ihnen gehört, dass die Kommunen sich sehr über die An-
träge der SPD gefreut haben. Ich will Ihnen einmal sa-
gen: Die Schönwetteranträge der Sozialdemokraten in
der Opposition helfen den Kommunen überhaupt nichts.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Bernd Scheelen [SPD]: Das können wir nur bestätigen! Sie müssen nur zustimmen!)


An den Gesetzen, die Rot-Grün in Regierungsverant-
wortung verabschiedet hat, haben die Kommunen bis
heute eine schwere Last zu tragen. Das ist die Realität.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Bernd Scheelen [SPD]: Die leiden unter euch!)


Sie reden in Ihrem Antrag, meine Kolleginnen und Kol-
legen von der Sozialdemokratie, nur über Einnahmen
der Kommunen. Von den Ausgaben wollen Sie gar nicht
so viel sprechen, weil die Ausgaben nämlich ein Pro-
blem sind, das Sie verursacht haben.


(Beifall bei der FDP – Nicolette Kressl [SPD]: Das ist doch nicht wahr! – Zuruf von der SPD: Blödsinn!)


Es sind 40 Milliarden Euro Sozialausgaben unter
Rot-Grün entstanden. Das ist die Folge Ihrer Sozialpoli-
tik.


(Joachim Poß [SPD]: So viel Unsinn kann man nicht mal in einem Redebeitrag von einer Stunde korrigieren!)


Sie wollten damals nicht auf uns hören. Wir hatten Ihnen
damals in der Föderalismuskommission I gesagt, dass
wir ein Konnexitätsprinzip brauchen, dass es mit den
Kommunen so nicht weitergehen kann. Wenn der Bund
Ausgaben beschließt, so wie Sie es zur Genüge getan ha-
ben, dann muss er auch die Finanzierung sicherstellen.

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(C (D ie haben das damals abgelehnt. Sie waren dagegen. Die rünen waren dagegen. Auf kommunaler Ebene spre hen Sie gern vom Konnexitätsprinzip. Aber dass es an hnen gescheitert ist, verschweigen Sie den Menschen in eutschland. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir reden heute wieder über ein Problem – die christ-
ich-liberale Koalition löst es –, das sich unter Ihrer Re-
ierungsverantwortung massiv verschärft hat. Sie sagen
n Ihrem Antrag nur unter einem einzigen Spiegelstrich
twas zu den Ausgaben der Kommunen; das ist bezeich-
enderweise auch noch der letzte Spiegelstrich. Sie for-
ern im Grunde genommen nichts anderes, als dass die
hristlich-liberale Koalition die Kommunen aus einer
isere befreit, in die sie von Sozialdemokraten und Grü-

en geführt wurden. Na, bravo!

Sie schlagen keine wirkliche Lösung vor. Wenn man
ie fragt, wie das Problem bewältigt werden soll, kommt

mmer die gleiche Antwort: durch eine Verstetigung der
ewerbesteuereinnahmen.


(Nicolette Kressl [SPD]: Genau!)


Frau Kressl sagt es wieder: Es geht um eine Versteti-
ung der Gewerbesteuereinnahmen; das sagt auch der
ozialdemokratische Landesfinanzminister Kühl. Das
oll die große Lösung sein.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Die Wissenschaft sagt das!)


Damit die Menschen verstehen, was Ihr Vorschlag be-
eutet: Ihr Vorschlag bedeutet nichts anderes, als dass
in Unternehmen, das zu wenig Einnahmen hat, um aus-
eichend Steuern zu zahlen, künftig auch Steuern auf die
usgaben zahlen soll.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Auf die Wertschöpfung, nicht auf die Ausgaben! – Joachim Poß [SPD]: Ja, das hätten wir gerne noch einmal gehört!)


as ist der Vorschlag der Sozialdemokraten. Sie ver-
chweigen, dass das am Ende zulasten der Arbeitnehme-
innen und Arbeitnehmer geht, weil Sie damit die Wett-
ewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft massiv
chwächen, was am Ende Arbeitsplätze kosten wird. Das
st keine sozial verantwortliche Politik. Deswegen ma-
hen wir da nicht mit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ihr Vorschlag ist nicht einmal logisch und schon gar
eine Lösung.


(Joachim Poß [SPD]: Er hat sich verirrt! Aber er verirrt sich ja öfter! – Manfred Zöllmer [SPD]: Erklären Sie das doch noch mal!)


as im Einkommensteuerrecht nicht einmal ansatzweise
on Ihnen angedacht wird, soll bei der Gewerbesteuer
mgesetzt werden. Kein Mensch außer Ihnen käme auf
ie Idee, die Mieten der Bürgerinnen und Bürger zu be-
teuern oder ihnen höhere Steuern abzuverlangen, weil
ie höhere Ausgaben haben.

8528 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Dr. Volker Wissing


(A) )


)(B)


(Bernd Scheelen [SPD]: Das sind ja auch keine umgewandelten Gewinne!)


Was im Einkommensteuerrecht schlicht Unsinn ist, das
wird bei der Gewerbesteuer nicht zu einer Form der hö-
heren Weisheit. Es ist gut, dass FDP und Union Ihrem
finanzpolitischen Unsinn ein Ende bereiten. Wir haben
mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz dafür ge-
sorgt, dass Unternehmen nicht – aufgrund Ihrer Gesetze –
in Insolvenz geraten. Wir werden diese Politik fortset-
zen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir Liberale werden an unserer Forderung festhalten,
die Gewerbesteuer zu ersetzen, um ein wettbewerbsfähi-
geres und besseres Unternehmensteuerrecht in Deutsch-
land zu erreichen, ganz im Interesse der Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer, die wir fest im Blick haben; das
bestätigen auch die günstigen, rückläufigen Arbeitslo-
senzahlen. Diese Politik ist gut für dieses Land und für
die Kommunen. Der Koalitionsvertrag sieht im Hinblick
auf die Ersetzung der Gewerbesteuer einen Prüfauftrag
vor. Wenn der Bundesfinanzminister in einzelnen Ge-
sprächen andere Vorstellungen hat, nehmen wir das zur
Kenntnis. Das Ziel der FDP bleibt jedenfalls, die Gewer-
besteuer zu ersetzen, die Kommunen solide zu finanzie-
ren, Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen und ein
besseres Unternehmensteuerrecht in Deutschland zu im-
plementieren. Das ist das Ziel, und an diesem Ziel halten
wir eisern fest.


(Beifall bei der FDP – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Welche Aufgabe hat dann noch die Kommission?)


Es geht aber nicht nur um die Gewerbesteuer. Auf-
grund der Beschlüsse der christlich-liberalen Koalition
ist eine Gemeindefinanzkommission eingesetzt wor-
den. Die Gewerbesteuer gehört hier aber untrennbar
dazu.

Rot-Grün hat mit den Hartz-IV-Reformen den Grund-
stein für die Finanznöte der Kommunen gelegt.
Schwarz-Gelb geht nun daran, die Gemeindefinanzen
auf eine solide Basis zu stellen. Wenn wir Ihre Fehler
korrigieren – –


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich!)


– Die Grünen wollen mit all dem nichts mehr zu tun ha-
ben; die Sozialdemokraten wollen mit Hartz IV nichts
mehr zu tun haben.


(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Doch!)


Die Kommunen zahlen aber bis heute; denn Sie haben
die Kommunen mit ihren ungelösten Problemen allein-
gelassen. Wir stellen uns all diesen Aufgaben.

Wir werden Ihre Fehler auch in diesem Bereich korri-
gieren. Es wäre nur besser, wenn Sie uns dabei konstruk-
tiv unterstützen würden, anstatt uns mit Ihren Anträgen
ohne jeden substanziellen Inhalt bei der Arbeit aufzuhal-
ten. Rot-Grün hat die Kommunen in die Schieflage ge-
bracht; Schwarz-Gelb wird die Kommunen sanieren.

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(C (D (Beifall bei der FDP – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Arbeit aufhalten – das machen Sie doch selber!)


Die Gemeindefinanzreform wird kommen. Sie wird
u einer Verbesserung der finanziellen Lage der Kom-
unen führen. Davon haben die Kommunen jedenfalls
ehr als von Ihrem Antrag, der nichts anderes ist als ein
ohelied der Gewerbesteuer.


(Nicolette Kressl [SPD]: Genau!)


ch würde Ihnen empfehlen, endlich einmal mit Ihrer un-
innigen Diskussion über die Verstetigung der Gewerbe-
teuereinnahmen aufzuhören. Wenn Sie mit der Gewer-
esteuer so konform gehen, dann machen Sie doch
inmal einen Vorschlag, wie Sie die Kommunen mit der
ewerbesteuer finanzieren wollen, ohne Arbeitsplätze

u gefährden.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das funktioniert seit 70 Jahren!)


as können Sie nicht.

Deswegen: Hören Sie mit Ihren Anträgen auf und dis-
utieren Sie konstruktiv mit uns! Wir brauchen eine bes-
ere kommunale Finanzierung und keine Fortführung
er Probleme, die Sie geschaffen haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Nicolette Kressl [SPD]: Das kann ja keiner ernst nehmen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707806900

Das Wort hat die Kollegin Britta Haßelmann vom

ündnis 90/Die Grünen.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707807000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Verehrte Anwesende auf den Besuchertribü-
en! Herr Wissing, Ihre Rede macht deutlich, wie blank
ie beim Thema Kommunen eigentlich sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


err Götz, Ihre Fraktion im Übrigen auch. Denn was Sie
onsequent machen, ist, sich mit der Regierungszeit von
ot-Grün und den Beschlusslagen aus den Jahren 2002
nd 2004 zu beschäftigen.


(Peter Götz [CDU/CSU]: Das ist leider notwendig!)


un kann man der FDP zugestehen, dass sie gerade erst
eit einem Jahr regiert. Aber auch nach einem Jahr Re-
ierung könnte man fragen: Wo ist denn der substan-
ielle Vorschlag in der Sache, der die Lage der Kommu-
en verbessert? Der ist bisher nicht da, weil Sie dazu
ichts zu sagen haben.

Das Einzige, was gerade wirklich gut war, war, dass
ie sowohl den Kommunen als auch der CDU noch ein-
al eindeutig gesagt haben, wo bei Ihnen die Fahrt hin-

eht. Ich habe mir den Satz gemerkt: Wir halten eisern
n der Abschaffung der Gewerbesteuer fest. Ich hoffe,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8529

Britta Haßelmann


(A) )


)(B)

das haben die Städte und Gemeinden gehört, und ich
hoffe, das haben auch die CDUler gehört.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Herr Götz, Sie bei der CDU können sich das in der
Sache nicht so einfach machen. Merken Sie eigentlich
nicht, dass sich die Menschen bei der Auseinanderset-
zung mit den Jahren 2002 und 2004 inzwischen fragen:
Was sind eigentlich die konzeptionellen Vorschläge der
CDU, die seit 2005 regiert und die Kanzlerin stellt?


(Peter Götz [CDU/CSU]: Seitdem ist es besser geworden für die Kommunen!)


Seit 2005, das sind immerhin fünf Jahre!

Wir können gerne über die Frage der Verantwortung
für die Auswirkungen der Kapitalertragsteuer auf die
Kommunen unter Rot-Grün reden. Diese habe ich schon
zu rot-grünen Zeiten kritisiert. Ich kann Ihnen aber auch
sagen, wie im Bundesrat Ihre CDU bei solchen Vor-
schlägen gehandelt, agiert und das Ganze befeuert hat.
Darüber können wir gerne reden.


(Bernd Scheelen [SPD]: Genau, da kamen die her!)


Das ändert aber für die Zukunft nichts. Das legt nur of-
fen, wie blank und nichtssagend Ihre Vorschläge bislang
sind. Sie haben in der Frage, wie wir denn die Probleme
der Städte und Gemeinden lösen, nichts zu bieten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn wir uns die Politik von heute ansehen – wir sind
ja im Hier und Jetzt, im Jahr 2010 –, dann kann man ei-
nige in Ihrer Verantwortung getroffene Beschlüsse fest-
stellen – ich will sie Ihnen gern in Erinnerung rufen; denn
das tun Sie anscheinend ungern –: 6,5 Milliarden Euro
Minus durch Steuersenkungsbeschlüsse seit dem Jahr
2008 für die Kommunen, 600 Millionen Euro Minus
durch Änderungen bei den Funktionsverlagerungen im
Rahmen der Unternehmensteuer. Dann als Nächstes die
SGB-II-Reform, die Streichung beim Heizkostenzu-
schuss und beim Kinderwohngeld; das sind über
300 Millionen Euro. Streichung bei den ALG-Renten-
beiträgen: über 1,8 Milliarden Euro. Das alles wurde ge-
strichen, und zwar zulasten der Kommunen, gerade im
aktuellen schwarz-gelben Haushalt. Wir haben eine Kür-
zung der Städtebaufördermittel zu verzeichnen. Das Ge-
bäudesanierungsprogramm ist gestrichen worden.


(Peter Götz [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr! Das ist doch einfach nicht wahr!)


Das alles ist massiv eingeschränkt worden. Wir haben
massive Kürzungen bei den Eingliederungshilfen und
bei den Arbeitsmarktmitteln. Das alles liegt in Ihrer jet-
zigen Verantwortung und ist den Städten und Gemeinden
aufgebürdet worden. Diese Beschlusslagen aus Ihrem
Haushalt werden die Städte und Gemeinden massiv tref-
fen.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


ir könnten über viele weitere Fragen reden.

Ich möchte Sie gern einmal an etwas erinnern. Sie sa-
en hier: Wir wollen, wir würden gern, wir möchten in
er nächsten Zeit. Was haben Sie denn letzte Woche hier
m Bundestag entschieden? Sie haben den Einspruch des
undesrates, der mit Stimmen der CDU-Länder formu-

iert worden ist, nämlich bei den Kosten der Unter-
unft zu einem höheren Bundesanteil zu kommen, ein-
ach ganz schnöde zurückgewiesen. Sie haben ohne jede
ebatte die höhere Bundesbeteiligung einfach abge-

ehnt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


ann kommen Sie mir doch nicht mit der Debatte über
004. Sie haben letzten Freitag die Chance gehabt, zu
ntscheiden, dass die Kommunen einen höheren Bun-
esanteil bekommen.

Ferner möchte ich gerade die CDUler aus NRW – die
üssten sich jetzt eigentlich alle wegducken –


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


aran erinnern, dass Ihre NRW-CDU noch am 26. Okto-
er 2010 gemeinsam mit Rot und Grün in NRW einen
andtagsantrag auf den Weg gebracht hat, mit dem der
und aufgefordert wird, einen Anteil von 50 Prozent der
osten der Unterkunft zu übernehmen, um zu einer Ent-

astung der sozialen Kosten zu kommen. Wo waren denn
ie über 40 Abgeordneten aus NRW letzten Freitag? Ich
age Ihnen: Wir werden es Ihnen nicht durchgehen las-
en, dass Herr Röttgen als neuer Vorsitzender der NRW-
DU hier im Bundestag gegen die Beschlusslage seiner
igenen Leute in NRW stimmt und sich in NRW für sol-
he Sachen feiern lässt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707807100

Frau Kollegin Haßelmann, lassen Sie eine Frage des

ollegen Götz zu?


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707807200

Gerne.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707807300

Bitte, Herr Götz.


Peter Götz (CDU):
Rede ID: ID1707807400

Frau Kollegin, ich würde Sie gerne fragen, ob Sie es

ls ehrlich empfinden, dass Sie sich darüber beklagen,
ass der Anteil des Bundes an den Kosten der Unter-
unft jetzt nicht erhöht wird, obwohl Sie während Ihrer
egierungszeit den Anteil des Bundes an diesen Kosten
uf null gesetzt haben. Finden Sie das in Ordnung?


(Bernd Scheelen [SPD]: Das ist doch Quatsch! Unsinn!)


8530 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010


(A) )


)(B)


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707807500

Herr Götz, wenn Sie meiner Rede gefolgt wären,

wüssten Sie, dass das, was Sie gesagt haben, in der Sa-
che nicht richtig ist.


(Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Aber selbstverständlich!)


Vielleicht hat ja jemand, der nach mir spricht, mehr Re-
dezeit und kann darauf eingehen.

Das Nächste ist: Sie regieren seit 2005. Warum haben
Sie den Bundesanteil nicht erhöht, wenn Sie glauben,
dass die Beschlusslagen falsch waren? In der letzten Le-
gislaturperiode lag uns hier sogar ein Antrag der damali-
gen Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, beste-
hend aus CDU und FDP, vor. Ich sage Ihnen: Sie
kommen damit nicht durch. Sie können nicht immer sa-
gen: 2004 ist etwas passiert; 2004 ist etwas falsch gelau-
fen.


(Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: So ist es! Dafür sind Sie verantwortlich! Da vorn steht die Angeklagte! – Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Das müssen Sie sich schon sagen lassen, immer wieder!)


Sagen Sie doch einmal, was Ihr Ansatz bei der Frage der
sozialen Kosten ist. Wie stehen Sie zu einem höheren
Bundesanteil? Sie haben keine Idee, und deshalb reden
Sie gerne über die Jahre 2002 oder 2004. Ich finde, das
darf man Ihnen nicht durchgehen lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707807600

Frau Haßelmann, erlauben Sie eine Nachfrage des

Kollegen Götz?


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707807700

Wenn Herr Götz sich so mehr Redezeit verschaffen

möchte, bitte.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707807800

Bitte.


Peter Götz (CDU):
Rede ID: ID1707807900

Mir geht es nicht um mehr Redezeit, sondern mir geht

es darum, dass wir einigermaßen bei der Wahrheit blei-
ben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bernd Scheelen [SPD]: Das wäre einmal schön!)



Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707808000

Ja, bitte. Das finde ich auch gut. Ich erinnere Sie nur

an den letzten Freitag.


Peter Götz (CDU):
Rede ID: ID1707808100

Dazu gehört, dass der Anteil des Bundes an den Kos-

ten der Unterkunft während der Zeit Ihrer Regierungs-
verantwortung auf null gesetzt wurde und dass sofort

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(C (D ach Übernahme der Regierungsverantwortung durch r. Angela Merkel als Bundeskanzlerin diese 3,2 Mil iarden Euro den Kommunen als Anteil des Bundes an en Kosten der Unterkunft sofort wieder zur Verfügung estellt worden sind. (Beifall bei der CDU/CSU – Bernd Scheelen [SPD]: Schwachsinn!)


Heute mehr zu fordern, ist die eine Sache. Darüber
ann man natürlich immer reden. Ich frage Sie, ob Ihnen
ewusst ist, dass wir gegenwärtig einen Bundeshaushalt
Sie sind, wenn ich richtig informiert bin, Haushälterin –
it einer Nettoneuverschuldung von nahezu 50 Milliar-

en Euro haben. Deshalb wird es auch in Zukunft
chwierig sein, die Auswirkungen auf die unterschiedli-
hen politischen Ebenen einigermaßen angemessen zu
erücksichtigen. Können Sie mir folgen?


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707808200

Das heißt, Sie sind dagegen, dass sich die Bundes-

bene an sozialen Kosten in einem höheren Umfang be-
eiligt. So habe ich Ihren Einwand verstanden.


(Peter Götz [CDU/CSU]: Im Gegenteil!)


Über die Jahre 2002 und 2004 können wir in aller
uhe diskutieren. Wir können auch über Verantwortlich-
eiten und Beschlüsse, die getroffen wurden, reden. Das
ntlässt Sie aber nicht aus der Verantwortung, Herr Götz.
ch bin seit fünf Jahren im Bundestag. Seit vier Jahren
iskutieren wir über einen höheren Bundesanteil, über
ine größere Verantwortung des Bundes bei den Kosten
er Unterkunft. Ich stelle fest, dass Sie sich seit vier Jah-
en im Bund dagegen wehren, zu einem anderen Berech-
ungsmodus zu kommen und den Anteil des Bundes zu
rhöhen. Auf kommunaler Ebene, auf Landesebene und
m Bundesrat streiten CDU-geführte Länder aber sehr
ohl dafür, dass der Anteil des Bundes steigt. Ich sage

hnen: Diese Widersprüchlichkeit wird man feststellen.
ie Leute bemerken das. Das darf man Ihnen nicht
urchgehen lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Jetzt lassen Sie uns einmal über die Kommission zur
emeindefinanzreform reden. Sagen Sie doch einfach

inmal, was Sie wollen. Die FDP hat gerade erklärt: Wir
alten an der Abschaffung der Gewerbesteuer eisern
est. Bei Ihnen ist das so: Erst erklärt der Finanzminister:
Wir schaffen die Gewerbesteuer ab und ersetzen sie“,
etzt ist er auf dem Trip, die Gewerbesteuer beizubehal-
en. Das ist ein Versprechen an die Kommunen – mittler-
eile von Angela Merkel und dem Finanzminister. Jetzt

st gemeinsam mit der FDP anscheinend die Lösung ge-
unden worden, die Gewerbesteuer zu entkernen, anstatt
ie auszubauen, sie also sozusagen zu einer Rumpfge-
innsteuer zu machen, um sie dann im zweiten Schritt

bzuschaffen. Ich sage Ihnen: Es gibt nur zwei Gemein-
esteuern. Diese Gemeindesteuern brauchen die Städte
nd Gemeinden als stabile Steuern und nicht etwa so
ntkernt und so entschlackt, dass sie sich nur noch auf
ewinne beziehen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8531

Britta Haßelmann


(A) )


)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich halte auch Ihre Analyse für falsch. Es ist nicht
richtig, zu sagen, wir bewerten Fremdkapital oder
Fremdfinanzierungen völlig anders als Eigenkapital.
Vielmehr brauchen wir auch die Hinzurechnungen. Ihr
Totschlagargument, dass damit eine Substanzbesteue-
rung vorliege, ließe sich doch auflösen. Wir finden genü-
gend Möglichkeiten, zum Beispiel über Freibeträge oder
Verlustvorträge, um im Rahmen der Gewerbesteuer zu
berücksichtigen, dass Unternehmen schlechte Jahre ha-
ben, aber dennoch weiterhin Hinzurechnungen erzielen.
Mehr als Ausreden sind bei Ihnen bisher konzeptionell
gar nicht drin. Schenken Sie den Leuten endlich einmal
reinen Wein ein, und sagen Sie als CDU – die FDP hat es
schon getan –, was Sie wollen!


(Peter Götz [CDU/CSU]: Das habe ich doch vorhin gesagt!)


Wohin wollen Sie denn bei der Gewerbesteuer? Einmal
sind Sie dafür, einmal sind Sie dagegen und wollen sie
irgendwie ersetzen. Das ist doch keine substanzielle
Politik einer Regierungspartei!


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Warten Sie doch mal ab!)


Sagen Sie den Leuten klar, ob Sie sie abschaffen oder ob
Sie sie ersetzen wollen! Legen Sie ein Modell vor, über
das man reden kann! Aber agieren Sie hier nicht mit
Teufelsszenarien nach dem Motto: Wir gingen hier voll
in die Substanzbesteuerung. – Es gibt genug Möglich-
keiten, das Thema Substanzbesteuerung zu regeln, zum
Beispiel durch Freibeträge und durch Verlustvorträge. In
der Sache können wir gerne darüber streiten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ein zweites Thema: die kommunale Einkommen-
steuer. Hierbei handelt es sich doch um ein vergiftetes
Angebot an die Städte und Gemeinden. Wollen Sie denn
den Städten und Gemeinden im Ruhrgebiet sagen: „Wir,
Schwarz-Gelb in Berlin, senken die Einkommensteuer
und machen uns als diejenigen beliebt, die Steuern sen-
ken; aber ihr vor Ort könnt dann schön den Hebesatz an-
heben, wenn es euch miserabel geht, und seid damit für
die Steuererhöhungen verantwortlich“? – Wie kann man
einen solchen Vorschlag in einer Situation machen, in
der Städte und Gemeinden 40 Milliarden Euro Kassen-
kredite haben?


(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])


Da kann man doch nicht einfach nur sagen, der Wettbe-
werb der Kommunen solle befördert werden. Wir müs-
sen dringend etwas tun, damit es nicht zu einem ruinösen
Wettbewerb der Städte und Gemeinden untereinander
kommt. Wenn Ihre Antwort darauf die kommunale Ein-
kommensteuer ist, dann hoffe ich, dass Ihnen genügend
Städte und Gemeinden, denen es schlecht geht, wirklich
einmal deutlich die Quittung für einen solchen Vorschlag
geben.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Angesichts einer Situation von 12 Milliarden Euro
efizit, von 40 Milliarden Euro Kassenkrediten und
0 Milliarden Euro Investitionsnotwendigkeiten gehört
n die Debatte ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit als nur
erweise auf frühere Regierungen und Absichtserklä-

ungen, die bei Ihnen heute so und morgen so aussehen.
egen Sie doch einmal vor, welche Form von Bundesbe-

eiligung Sie bei den Kosten der Unterkunft und bei der
rundsicherung im Alter wollen.


(Peter Götz [CDU/CSU]: Halten Sie es doch noch vier Wochen aus!)


ch sehe nur einen Finanzminister, der jeden Tag einen
euen Vorschlag macht, so jüngst den Vorschlag, dass
er für die Bundesagentur für Arbeit gedachte Mehr-
ertsteuerpunkt, der 8 Milliarden Euro ausmacht, an die
ommunen gehen soll.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707808300

Frau Haßelmann, Ihre Zeit ist schon lange abgelau-

en.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707808400

Ich komme sofort zum Ende.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707808500

Sie müssten wieder einmal durchatmen; das wäre

anz gut.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707808600

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann

einer Meinung nach nicht auf noch mehr Geld verzich-
en. Sie haben deren Haushalt um 16 Milliarden Euro ge-
chröpft. Das ist genug.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Holger Krestel [FDP]: Die Rede wird durch Länge nicht besser!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707808700

Das Wort hat die Kollegin Antje Tillmann von der

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Antje Tillmann (CDU):
Rede ID: ID1707808800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ern nutze ich erneut die Gelegenheit, mit Ihnen heute
ber die Finanzausstattung der Kommunen zu reden. Ich
ätte mich aber gerne einmal mit neuen Positionen und
euen Tatbeständen auseinandergesetzt und nicht zum
iederholten Male mit den immer gleichen Argumenten,
ie keine Lösung für die Kommunen darstellen.

8532 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Antje Tillmann


(A) )


)(B)

In Ihrem Antrag „Klare Perspektiven für Kommunen –
Gewerbesteuer stärken“, liebe Kollegen von der SPD,
fällt Ihnen wieder nur die Gewerbesteuer ein. Sie for-
dern uns auf, Gesetzesänderungen zu unterlassen, auf die
Einführung neuer Gestaltungsmöglichkeiten zu verzich-
ten und bei der Gemeindefinanzkommission, von der Sie
sowieso nichts halten, schnell zum Ende zu kommen.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht!)


Herr Minister Kühl, dass Sie sich hier hinstellen und
die Schuldfrage in dem Sinne klären, dass die Finanzsi-
tuation der Kommunen dadurch entstanden sei, dass der
Bund Gesetze im Sozial- und Steuerbereich gemacht
habe, die die Kommunen belasteten, finde ich einiger-
maßen dreist; denn jeder von uns weiß, dass diese Bun-
desgesetze selbstverständlich im Bundesrat gewesen
sind und dass Sie als Vertreter der Länder sich Ihre Zu-
stimmung haben gut abkaufen lassen. Das war ein rich-
tig teures Vergnügen für den Bund. Leider haben Sie
dann vergessen, das Geld an die Kommunen weiterzuge-
ben, sodass die Schuldfrage, wenn überhaupt, zwischen
uns beiden gemeinsam zu klären ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich finde, dass es zur Ehrlichkeit gehört – viele Red-
ner in dieser Debatte sind ja aus dem Finanzbereich –, zu
sagen, wie sicher die Gewerbesteuer ist. Sie ignorieren
immer noch, dass die Gewerbesteuer nicht nur konjunk-
turabhängig ist, sondern auch große Risiken aufgrund
veränderter Rechtsprechung birgt. Sie ignorieren, dass
sich bei den Körperschaften zwischenzeitlich ein Ver-
lustvortragspotenzial von über 506 Milliarden Euro
aufgebaut hat und dass diese Verlustvorträge zu Steuer-
ausfällen von 140 Milliarden Euro führen könnten. Die
bestehenden Verlustvorträge entsprechen dem 3,6-Fa-
chen des Jahresaufkommens von Körperschaftsteuer und
Gewerbesteuer gemeinsam. Diese Thematik hat auf-
grund des BFH-Beschlusses vom August 2010 an Bri-
sanz gewonnen. Der BFH hat bezüglich der Regelung
zur Mindestbesteuerung gesagt, dass sie in Sonderfäl-
len eventuell nicht rechtens ist und die Verluste geltend
gemacht werden dürfen.

Auch die Abschirmwirkung der Gewerbesteuer,
die die Kommunen bisher als Garant für die Kontinuität
der Steuereinnahmen gesehen haben, gilt nicht mehr,
weil die Rechtsprechung des EuGH auch hier zu Verän-
derungen führt.

Sie aber erzählen den Kommunen: Wir behalten die
Gewerbesteuer bei, dann wird alles gut, dann ist eure Fi-
nanzsituation gesichert. Das verstehen wir nicht unter
klaren Perspektiven für Kommunen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir sind froh, dass das Finanzministerium Vorsorge trifft
und überlegt, wie man diese Risiken, die gegebenenfalls
auf uns und insbesondere auf die Kommunen zukom-
men, auffangen kann und wie man schon heute Entschei-
dungen treffen kann, um die Kommunen in die Lage zu
versetzen, besser planen zu können.

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(C (D Was haben wir bisher gemacht? Diese Frage, die Sie estellt haben, ist berechtigt. Kollege Götz hat sehr beindruckend dargestellt, was wir in den vergangenen ahren für die Kommunen getan haben. ch kann die Liste der Gesetze, bei denen wir ausdrückich auf die möglichen Auswirkungen auf die Kommuen geachtet haben, fortführen: Konjunkturprogramme, O2-Programme. Ja, diese wurden in der Großen Koali ion beschlossen. Sie werden ja nicht verhehlen, dass wir abei waren und federführend mit an den Konjunkturrogrammen gearbeitet haben. Ich kann gerne auch Beispiele aus dieser Legislatureriode nennen. Wir werden morgen über das Bildungsaket abstimmen. Das Bildungspaket entlastet die Komunen bei den Kosten für Kitaund Schulmittagessen ür bedürftige Kinder. Das kostet den Bund 120 Millioen Euro. (Joachim Poß [SPD]: Indem Sie auf der anderen Seite Milliarden gestrichen haben!)


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)


ie Kommunen werden entlastet, indem wir 500 Millio-
en Euro für außerschulische Bildung zur Verfügung
tellen. Die Kommunen werden entlastet, indem wir die
ahrtkosten von bedürftigen Schülerinnen und Schülern
n weiterführenden Schulen übernehmen.


(Joachim Poß [SPD]: Wodurch werden sie im sogenannten Sparpaket belastet?)


atürlich kommen wir als Bund auch für die entspre-
henden Verwaltungskosten auf.

Herr Götz hat Ihnen die Energieprogramme darge-
tellt. Es gibt auch hier kein einziges Programm, bei dem
ie Kommunen nicht besonders gefördert werden.

Für Sprachförderung stellen wir 400 Millionen Euro
ur Verfügung.

Hinsichtlich der Steuervereinfachungsgesetze – diese
tehen ja noch an – haben wir schon gesagt, dass die
ommunen an deren Finanzierung nicht beteiligt werden.
Was tun Sie von den Sozialdemokraten und den Lin-

en? Sie diskutieren morgen mit uns über die Regelsätze
ei Hartz IV. Ihnen sind die 5 Euro Regelsatzerhöhung
u wenig.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Wesentlich zu wenig!)


ch habe von Ihnen noch kein Wort dazu gehört – auch in
hren Änderungsanträgen steht dazu nichts –, dass diese
egelsatzerhöhung selbstverständlich Auswirkungen

uf die Kommunen hat, weil sie automatisch auch Folge-
irkungen auf SGB XII hat. 5 Euro Regelsatzerhöhung
edeutet 143 Millionen Euro Kosten für die Kommunen.
azu haben Sie keinen Gegenfinanzierungsvorschlag
emacht;


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Doch!)

ordern aber hier eine weitergehende Regelsatzerhöhung
tändig ein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8533

Antje Tillmann


(A) )


)(B)

Sie sehen, dass die bundespolitischen Maßnahmen
massiv an Qualität gewonnen haben, seitdem wir an der
Regierung sind. Es gibt kein Gesetz, bei dem die Aus-
wirkungen auf die Kommunen nicht betrachtet werden,


(Lachen bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


natürlich unter dem Aspekt, dass Bund, Länder und
Kommunen massive finanzielle Schwierigkeiten haben.
Im Gegensatz zu einigen anderen im Haus, die der
Schuldenbremse nicht zugestimmt haben, finde ich nach
wie vor, dass das die beste Errungenschaft der letzten
Legislaturperiode war. Wir stehen dazu.


(Joachim Poß [SPD]: Die größte Zeitbombe, die wir beschlossen haben!)


Man muss natürlich alle drei Ebenen gleichzeitig be-
trachten.

Frau Kollegin Haßelmann, Sie weisen zu Recht darauf
hin, dass Vergangenheitsbewältigung schwierig ist, wenn
etwas schon sieben Jahre her ist. Die Kommunen leiden
aber tatsächlich immer noch unter den Kosten der
Grundsicherung. Das ist einer der Bereiche, in dem die
Kosten außerordentlich stark steigen. Deshalb finde ich
den Vorschlag des Bundesfinanzministers, die Kommu-
nen an dieser Stelle gegebenenfalls zu entlasten, richtig.
Wir werden hier Reparaturen an Problemen durchführen,
die Sie verursacht haben. Wir werden Spielräume schaf-
fen. Wir glauben, dass solche Spielräume nützlicher sind
als irgendwelche Sonderprogramme für die Kommunen.

Wir trauen den Kolleginnen und Kollegen auf kom-
munaler Ebene zu, verantwortlich eigene Entscheidun-
gen zu treffen.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Sie müssen aber auch Geld dafür haben, Entscheidungen zu treffen!)


Wir werden durch die Gesetzesänderungen bei SGB II
und SGB XII ein Satzungsrecht beschließen, demzu-
folge Kreise und Kommunen demnächst die Höhe der
Kosten für Unterkunft und Heizung in ihren Gebieten
angemessen selbst bestimmen dürfen und demzufolge
Kommunen demnächst auch Pauschalen für die Kosten
von Unterkunft und Heizung einführen dürfen. Liebe
Kollegin Haßelmann, liebe Kolleginnen und Kollegen
von den Grünen, Ihren im Ausschuss eingebrachten Än-
derungsantrag kann ich daher eigentlich nur als Miss-
trauensvotum gegenüber Stadträten sehen.


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Das heißt, den Schwarzen Peter weiterzuschieben!)


Die Grünen fordern in ihrem Antrag, diese Regelung zu
streichen. In Ihrem Antrag heißt es:

Die Regelungen zur Bestimmung der angemesse-
nen Kosten für Unterkunft und Heizung durch Sat-
zung führen zu sozialpolitisch unerwünschten Fol-
gen. Die Folge wäre eine verstärkte Segregation
und die Zunahme sozialer Brennpunkte.

Liebe Kollegen, was haben Sie für ein Verständnis von
Kommunalpolitik? Sind wir in Berlin die Einzigen, die

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(C (D ernünftig, sachlich und sozial gerecht entscheiden? ird es sofort eine Zunahme sozialer Brennpunkte ge en, bloß weil wir den Stadträten erlauben, über ihre tadt selber zu entscheiden? Das ist nicht unsere Auffasung. ir glauben, dass auf kommunaler Ebene sehr verantortungsbewusst und sehr vernünftig entschieden wird. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann definieren Sie doch mal die Angemessenheit!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das Gleiche gilt beim Thema Hebesätze. Die Kom-
unen und die kommunalen Spitzenverbände halten das
ebesatzrecht bei der Gewerbesteuer und der Grund-

teuer zu Recht hoch. Unterschiedliche Lebensverhält-
isse gibt es schon heute; der Geringverdiener in einer
roßstadt wird durch die Grundsteuer natürlich mehr be-

astet als der Geringverdiener in einer kleineren Stadt.
as Hebesatzrecht ist Ausdruck der kommunalen Selbst-
erwaltung. Wenn es bei der Gewerbesteuer und bei der
rundsteuer gerecht ist, warum soll es dann bei der Ein-
ommensteuer und der Körperschaftsteuer Gift sein?


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Dazu sage ich gleich noch etwas!)


Das Problem liegt doch eher bei den Ländern; das sa-
en die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände sehr
eutlich. Die kommunalen Spitzenverbände haben die
orge, dass das Hebesatzrecht von den Ländern sofort
enutzt wird, um Kommunen zu zwingen, eine Steuer zu
rheben.


(Joachim Poß [SPD]: Was? Die kommunalen Spitzenverbände sagen etwas ganz anderes!)


as werden wir durch ein Bundesgesetz ausschließen,
ollten wir uns tatsächlich auf dieses Hebesatzrecht ver-
tändigen. Das ist für uns wiederum ein Ausdruck des Be-
ühens, die Verantwortung auf die Ebene zu heben, wo

ie hingehört. Die Verantwortung für die Kommunen ge-
ört nicht nach Berlin, sondern in die Stadträte. Wir ver-
rauen unseren Vertreterinnen und Vertretern dort sehr.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Die kommunalen Spitzenverbände weisen übrigens auch darauf hin, dass Sie das Land spalten!)


Sie fordern in Ihrem zweiten Antrag schließlich, dass
undesgesetzliche Regelungen hinsichtlich ihrer Finan-
ierung bzw. ihrer Kosten künftig einer Stellungnahme
urch die Kommunen zu unterziehen sind. Das ist ein
uter Vorschlag. Die Gemeindefinanzkommission hat
hn aber schon längst gemacht; und ich schätze auch die
orschläge, die von dort kommen, sehr. Ich finde es
ämlich richtig, dass wir demnächst, wenn wir über
undesgesetze sprechen, auch die Auswirkungen auf die
ommunen, die die Kommunen in einer Stellungnahme

um Ausdruck bringen können, beraten. Es darf nicht
ur um den Gesetzestext, der vom Finanzministerium
owieso vorgelegt wird, gehen, sondern die kommunalen
pitzenverbände sollten ruhig eine Stellungnahme abge-

8534 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Antje Tillmann


(A) )



(B)

ben dürfen. Wir glauben, dass wir bei Bundesgesetzen
dann noch mehr auf die Kommunen achten könnten.
Aber ich wiederhole: Das wäre eigentlich Aufgabe der
Länder, die das offensichtlich aber nicht vernünftig ma-
chen, sodass wir diese Verantwortung gerne überneh-
men.

Liebe Kollegen, wir wollen klare Perspektiven für die
Kommunen: mehr Planungssicherheit, mehr Eigenver-
antwortung, mehr Handlungsspielraum. Das scheint für
Sie ein Experiment zu sein, das Sie sich nicht zutrauen.
Wir trauen uns das zu.


(Joachim Poß [SPD]: Sie trauen sich jeden Unsinn zu! Das ist ja das Problem!)


Wir glauben, dass die Stadträte in den Kommunen vor
Ort richtige, sozial verantwortliche und vernünftige Ent-
scheidungen treffen können.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707808900

Das Wort hat der Kollege Bernd Scheelen von der

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Bernd Scheelen (SPD):
Rede ID: ID1707809000

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Ich bin dem Finanzminister des Landes Rheinland-
Pfalz, Carsten Kühl, sehr dankbar, dass er hier deutlich
gemacht hat, dass Bund und Länder in der Verantwor-
tung stehen. Ich darf sagen: Rheinland-Pfalz ist, was die
Verantwortung für die Kommunen angeht, vorbildlich.


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Aha! Wie ist das denn beim Länderfinanzausgleich?)


Ich darf auf den Fonds zur Stabilisierung der kommuna-
len Finanzen hinweisen. Er hat Vorbildcharakter. Daran
sollten Sie sich ein Beispiel nehmen.


(Beifall bei der SPD – Peter Götz [CDU/ CSU]: Sagen Sie doch mal etwas zur Grunderwerbsteuer!)


– Jetzt sage ich etwas zur Grunderwerbsteuer, Herr
Götz, und komme damit zu Ihnen: Sie haben darauf hin-
gewiesen, in Baden-Württemberg gebe es andere Zustän-
digkeiten als in Rheinland-Pfalz. Das interessiert die
Kommunen eigentlich überhaupt nicht. Für die Kommu-
nen ist wichtig, was bei ihnen ankommt. Dafür sind die
Länder zuständig. Die Länder sind für die Verteilung der
Steuermasse zuständig, und da verhalten sich Rheinland-
Pfalz und andere SPD-regierte Länder vorbildlich.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707809100

Herr Kollegen Scheelen, möchten Sie eine Zwischen-

frage zulassen?


Bernd Scheelen (SPD):
Rede ID: ID1707809200

Nein, bitte nicht.

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(C (D Keine Zwischenfragen, okay. Nächster Punkt: Kosten der Unterkunft. Herr Götz, en Unsinn, den Sie hier verbreiten, muss man ein für lle Mal ausrotten. Sie verbreiten die Lüge, im Gesetz abe es im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft eine ullsumme gegeben. Das ist und bleibt eine Lüge. (Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Na, na! Jetzt wird es unanständig!)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707809300
Bernd Scheelen (SPD):
Rede ID: ID1707809400

n dem Gesetz, das am 1. Januar 2005 in Kraft trat – da-
als war von Angela Merkel als Bundeskanzlerin über-

aupt noch nicht die Rede –, haben wir eine Summe von
ber 4 Milliarden Euro festgelegt, wobei die Kommunen
m 2,5 Milliarden Euro entlastet wurden. Die Null, die
ie ansprechen, war ein Platzhalter im Gesetz, der auf-
rund der Tatsache, dass Sie diese Entscheidung im
undesrat verhindert haben, weil Ihnen das alles zu viel
ar, notwendig war.


(Beifall bei der SPD – Peter Götz [CDU/CSU]: Seit wann gibt es denn im Haushalt Platzhalter? – Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Ist hier schon Fastnacht? – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Aha! Wir sind also mal wieder schuld!)


Jetzt zum Thema. Im Jahre 2008 erzielten die circa
2 500 Städte und Gemeinden in Deutschland Einnah-
en von 183 Milliarden Euro, ihre Ausgaben betrugen

75 Milliarden Euro. Das heißt, sie hatten einen Finan-
ierungsüberschuss von 8 Milliarden Euro im Schnitt.
ir wissen, dass es Kommunen gab, denen es gut ging,

nd Kommunen, denen es schlecht ging. Sie wissen, wie
as mit dem Durchschnitt ist. Wenn Sie mit einem Bein
uf der Herdplatte stehen und mit dem anderen im Eis-
übel, haben Sie im Schnitt eine angenehme Temperatur.
rotzdem haben Sie hinterher ein verbranntes und ein
nterkühltes Bein.

Im Jahr 2010 sieht das aber anders aus. Bei 180 Mil-
iarden Euro Ausgaben gab es nur noch 168 Milliarden
uro Einnahmen. Das heißt, da ist jetzt plötzlich eine
ücke von 12 Milliarden Euro. Im Vergleich zu 2008

ehlen 20 Milliarden Euro. Diese Lücke ist groß, und da
üssen wir als Bund handeln und helfen.


(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])


iese Lücke ist krisenbedingt, aber sie ist auch durch
chwarz-Gelb bedingt. Durch Ihre Gesetze, die Sie in
em einen Jahr, in dem Sie regieren, gemacht haben – die
ollegin Haßelmann hat darauf hingewiesen; ich will
as nicht im Einzelnen ausführen –, haben Sie die Kom-
unen schon um 3 Milliarden Euro zusätzlich belastet.
as machen wir auf Dauer nicht mit.


(Beifall bei der SPD)


Deswegen haben wir den Antrag eingereicht, einen
ettungsschirm für die Kommunen zu spannen. Denn
ommunen sind genau wie Banken, genau wie Unter-
ehmen, genau wie Arbeitsplätze systemrelevant. All
)

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8535

Bernd Scheelen


(A) )


)(B)

das ist systemrelevant. In der Kommune erfahren die
Bürger Politik, dort nehmen sie wahr, welche Folgen
Politik hat, und deswegen muss man den Kommunen
helfen.

Wir haben in dem Antrag kurzfristige Maßnahmen
vorgeschlagen:

400 Millionen Euro zusätzlich für Kosten der Unter-
kunft; den Kommunen soll also der Betrag wiedergege-
ben werden, den Sie ihnen voriges Jahres weggenom-
men haben. Diesen Antrag haben wir letzte Woche im
Haushaltsausschuss eingebracht. Den Antrag haben Sie
abgelehnt. Da haben Sie Ihre Kommunalfreundlichkeit
bewiesen, Herr Götz.

Dann haben wir gefordert, die Belastungen, die Sie
durch Ihre Gesetze geschaffen haben, auszugleichen.
Auch dazu haben wir von Ihnen bisher nichts gehört


(Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Natürlich!)


außer Ihrer Aussage, in der Kommission müsse man mal
über die Gewerbesteuer reden.

Von der Abschaffung der Gewerbesteuer soll ja das
Heil kommen. Das ist für die Städte und Gemeinden die
wichtigste Steuer mit einem Aufkommen von 41 Milliar-
den Euro im Jahr 2008.


(Zuruf des Abg. Dr. Volker Wissing [FDP])


– Ja, zu Ihnen komme ich gleich, Herr Dr. Wissing. Ma-
chen Sie sich ruhig schon mal parat.


(Lachen bei der FDP – Zuruf von der FDP: Das sind wieder falsche Versprechungen, wie immer!)


Sie wollen den Kommunen die Gewerbesteuer wegneh-
men. Die Gewerbesteuer – das muss man für die Zuhöre-
rinnen und Zuhörer vielleicht einmal erläutern – ist eine
Steuer, die nur von den Unternehmen gezahlt wird, und
zwar von denen, die das auch können,


(Antje Tillmann [CDU/CSU]: Das ist relativ!)


weil sie auf den Gewinn erhoben wird, und zum Gewinn
werden tatsächlich bestimmte Dinge noch hinzugerech-
net. Sie haben gesagt, dabei handele es sich um Ausga-
ben. Das sind keine Ausgaben, sondern es sind in der
Regel umgewandelte Gewinne. Es ist für Unternehmen,
gerade für international tätige, überhaupt kein Problem,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der FDP)


Gewinne in Mieten, in Pachten, in Leasingraten zu ver-
wandeln. Diese Hinzurechnung haben wir gemeinsam in
der Großen Koalition – damals war die CDU/CSU ja
noch auf dem richtigen Weg – beschlossen. Das wollen
Sie jetzt zurückdrehen.


(Zuruf des Abg. Dr. Volker Wissing [FDP])


An die Stelle der Gewerbesteuer wollen Sie drei Säu-
len setzen: Sie wollen die Einkommensteuer- und Lohn-
steuerzahler belasten, Sie wollen die Verbraucher belas-
ten, und dann wollen Sie noch ein bisschen die

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(C (D nternehmen bei der Körperschaftsteuer belasten. Die örperschaftsteuer ist aber oft bei null; da sollte man ich einmal fragen, welcher Hebesatz auf null denn irendetwas bringt. Sie haben zwei Argumente gegen die Gewerbesteuer; it denen will ich mich noch kurz auseinandersetzen. ie sagen, die Gewerbesteuer hat Aufkommensschwanungen, und Sie sagen, die Gewerbesteuer wirkt krisenerschärfend. Das sind ja Ihre beiden Hauptargumente. (Dr. Volker Wissing [FDP]: Bestreiten Sie das?)


Ich werde Ihnen gleich einmal ein paar Grafiken zei-
en.

Erstes Argument: Wenn die Gewerbesteuer krisen-
erschärfend wirkte – wir haben ja nun eine Krise mit
inem Einbruch des Wachstums um 4,7 Prozent –, dann
üsste die Anzahl der Insolvenzen ja dramatisch nach

ben gegangen sein, dann müsste 2009 in etwa Folgen-
es passiert sein,


(Der Redner hält eine Grafik hoch – Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Das ist alles zu rot!)


ass nämlich wie hier auf der Grafik die Zahl der Insol-
enzen doppelt so hoch liegt. Das ist aber nur ein Fake,
enn tatsächlich ist die Zahl der Insolvenzen gleichge-
lieben.


(Zuruf des Abg. Peter Götz [CDU/CSU])


m Jahr 2009, im stärksten Krisenjahr, gab es sogar we-
iger Insolvenzen als 2006, als 2005, als 2004.


(Zuruf des Abg. Dr. Volker Wissing [FDP])


as Argument zieht also nicht.

Zweites Argument: Aufkommensschwankungen.
atürlich schwankt das Aufkommen aus der Gewerbe-

teuer. Allerdings hat der Deutsche Städtetag eine
chöne Broschüre mit dem Titel „Die Gewerbesteuer –
ine gute Gemeindesteuer“ herausgegeben; die sollten
ie mal lesen.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Sehr gut!)


s sieht nämlich folgendermaßen aus:


(Der Redner hält erneut eine Grafik hoch)


ie Gewerbesteuer schwankt mit einer Amplitude von
napp 30 Prozent – das ist richtig –, aber sie entwickelt
ich dynamisch; sie wächst nämlich jedes Jahr um
,7 Prozent. Das macht keine andere Steuer. Alle ande-
en Steuern wachsen nur um etwa 1,2 Prozent und haben
abei genau die gleiche Schwankungsgröße. Insoweit ist
uch dieses zweite Argument von Ihnen entkräftet.

Jetzt bleibt Ihnen nichts anderes mehr übrig, als ein
oblied auf die Gewerbesteuer zu singen. Darauf warten
ir jetzt. Die Gewerbesteuer ist vor kurzem 200 Jahre alt
eworden. Viele wollten sie abschaffen. Ich gebe Ihnen
ie Prognose: Sie werden das nicht schaffen. Die Gewer-
esteuer wird auch die nächsten 200 Jahre überdauern.

Vielen Dank.

8536 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Bernd Scheelen


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)(B)


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen des Abg. Holger Krestel [FDP])



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707809500

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege

Bernhard Kaster das Wort.


Bernhard Kaster (CDU):
Rede ID: ID1707809600

Vielen Dank. – Herr Kollege Scheelen, Sie haben in

Ihrer Rede einleitend auf die Mustersituation im Land
Rheinland-Pfalz hingewiesen. Aus Fürsorge auch in Be-
zug auf weitere Redebeiträge von Ihnen möchte ich Sie
damit konfrontieren, dass Rheinland-Pfalz bei einem
Vergleich der westlichen Flächenländer – so schreibt
dies der Rechnungshof Rheinland-Pfalz – im Jahre 2009
die absolute Spitze beim Defizitsaldo darstellte.


(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Im gleichen Bericht des Rechnungshofes Rheinland-
Pfalz für das Jahr 2010 ist ausgeführt:

Die finanzielle Lage der rheinland-pfälzischen
Kommunen ist desolat: …

In einem folgenden Spiegelstrich heißt es dazu:

Auch in Jahren, in denen die Kommunen der meis-
ten übrigen westlichen Flächenländer Überschüsse
erzielten, wies die Kassenstatistik für die rheinland-
pfälzischen Gemeinden und Gemeindeverbände
Defizite aus.

Die Frage ist, ob das nicht auch etwas mit Landespoli-
tik zu tun haben könnte. Ich weiß jetzt nicht, ob Sie die
Finanzierungsmodelle, die es in Rheinland-Pfalz gibt
und die sehr ungewöhnlich sind, wie beispielsweise das
vom Nürburgring, in dieser Form auch den Kommunen
empfehlen würden.


(Nicolette Kressl [SPD]: Peinliche Polemik!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707809700

Herr Kollege Scheelen, zur Erwiderung.


Bernd Scheelen (SPD):
Rede ID: ID1707809800

Herr Kollege, Sie können sich sicherlich daran erin-

nern, dass ich darauf hingewiesen habe, dass Rheinland-
Pfalz einen Stabilisierungsfonds für die Finanzen der
Kommunen eingerichtet hat.


(Antje Tillmann [CDU/CSU]: Das hätten sie einmal früher machen sollen!)


Das ist vorbildlich, weil es den Kommunen in Rhein-
land-Pfalz natürlich nicht deutlich besser geht als den
Kommunen im Rest der Republik.


(Antje Tillmann [CDU/CSU]: Nein, deutlich schlechter!)


Es gibt einige SPD-regierte Länder, die solche Fonds ha-
ben. Das letzte Land, das einen solchen eingerichtet hat,
ist Nordrhein-Westfalen.

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(C (D Ich halte fest: Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, ordrhein-Westfalen – überall dort wird vorbildliche andespolitik im Interesse der Kommunen gemacht. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707809900

Jetzt hat die Kollegin Birgit Reinemund für die FDP-

raktion das Wort.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Birgit Reinemund (FDP):
Rede ID: ID1707810000

Herr Präsident Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle

ahre wieder, nein, jede Woche wieder debattieren wir
ier im Bundestag auf Betreiben der SPD-Fraktion über
as Thema Gemeindefinanzen.


(Bernd Scheelen [SPD]: Das ist auch richtig und wichtig so!)


n der letzten Sitzungswoche geschah dies in einer Aktu-
llen Stunde, heute debattieren wir über zwei Anträge
leichen Inhalts.

Das ist das gute Recht der Opposition, doch wo blei-
en Ihre zusätzlichen Aspekte? – Neue Ideen? Fehlan-
eige!


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Setzen Sie erst einmal die alten um!)


eue Lösungsansätze? Heute waren keine zu hören.
tändige Wiederholungen bringen uns nicht weiter.


(Joachim Poß [SPD]: Sie haben auch immer die alten Ideen! Wie bei der Gewerbesteuer.)


chon Goethe wusste: „Getretener Quark wird breit –
icht stark“.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Seit der letzten Debatte hat sich an der Faktenlage
ichts geändert. Die Regierungskommission hat die Auf-
abe, einen nachhaltigen Vorschlag zu erarbeiten,


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Nein, ihr macht das! Die Kommission arbeitet gar nicht mehr!)


m die Finanzierung der Kommunen auf eine verlässli-
here Basis zu stellen. Das beinhaltet sowohl die struktu-
elle Verbesserung der Einnahmesituation als auch die
ntlastung auf der Ausgabenseite. Diese Regierungs-
ommission besteht aus Regierungsmitgliedern, Mitglie-
ern der Landesregierungen und Vertretern der kommu-
alen Spitzenverbände. Das ist übrigens die erste
egierungskommission, bei der die Vertreter der kom-
unalen Spitzenverbände gleichrangig mit am Tisch sit-

en. Das haben Sie damals, 2003, nicht geschafft.


(Beifall bei der CDU/CSU – Bernd Scheelen [SPD]: Das ist Quatsch! Das ist eine Lüge, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8537 Dr. Birgit Reinemund )


(A) )

Frau Reinemund! Das sollten Sie nicht wieder-
holen! Das ist gegen das neunte Gebot! –
Joachim Poß [SPD]: Bei der Kommission von
Eichel waren die Kommunen auch dabei!)

Auf die Ergebnisse der Kommission warten wir län-
ger als gedacht; das ist richtig. Wir erwarten diese ge-
nauso ungeduldig wie Sie. Auf Basis dieser Ergebnisse
wollen wir diskutieren. Sie veranstalten hier immer wie-
der den gleichen Schlagabtausch mit allseits bekannten
Positionen.

Seit der Wiedervereinigung haben die deutschen
Kommunen gemäß der volkswirtschaftlichen Gesamt-
rechnung einen Überschuss von 6,6 Milliarden Euro er-
wirtschaftet. Im gleichen Zeitraum machte der Bund ein
Defizit von fast 1 Billion Euro. Dennoch haben die
Kommunen aktuell ohne Zweifel an einer Notlage zu lei-
den. Der Deutsche Städtetag spricht von einem Haus-
haltsdefizit von 11 bis 12 Milliarden Euro im Jahr 2010.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das ist nach den Steuermehreinnahmen!)


Unabhängig von jeder Krise sind die Einnahmen der
Kommunen im Schnitt um 1,5 Prozent gestiegen, die
Ausgaben dagegen um 4 Prozent. Das ist doch eindeutig
ein strukturelles Defizit, das wir mit strukturellen Lö-
sungsansätzen beheben müssen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Frank Tempel [DIE LINKE]: Sie übertragen die Aufgaben! Dann steigen die Kosten!)


In der Krise zeigt sich die seit Jahrzehnten bekannte
Problematik der Gewerbesteuer drastisch: ihre gene-
relle Schwankungsanfälligkeit um bis zu 50 Prozent, ab-
hängig von der Konjunktur – das hat sogar Herr
Scheelen bestätigt –,


(Bernd Scheelen [SPD]: 32 Prozent, das ist doch ein Unterschied!)


ihre ungleiche Verteilung zwischen den Kommunen,
ohne dass ein direkter Bezug zwischen dem Steuerauf-
kommen und der Leistung der Kommune besteht, und
die Abhängigkeit vieler Kommunen von einzelnen gro-
ßen Gewerbesteuerzahlen, wie SAP in Walldorf, BASF
in Ludwigshafen, Audi in Ingolstadt usw.

Einen Punkt haben Sie bisher in jeder Debatte igno-
riert – Frau Tillmann hat es ausführlich ausgeführt –: die
aktuelle Rechtsprechung des EuGH und das Urteil des
Bundesfinanzhofes, infolge derer bzw. dessen


(Bernd Scheelen [SPD]: Vom EuGH gibt’s noch nichts! – Gegenruf von Antje Tillmann [CDU/CSU]: Nein, wir meinen keine Rechtsprechung! Wir meinen Erlasse! Die kann ich Ihnen noch schicken! – Joachim Poß [SPD]: Sie meinen sehr wahrscheinlich die BFHRechtsprechung!)


der Gemeindesteuer ein massiver Einbruch durch erwei-
terte Verlustverrechnungen drohen kann.

Was schreibt denn nun die SPD in ihren Anträgen? –
Ich zitiere:

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(C (D Der Bund hat in der Zeit sozialdemokratischer Regierungsverantwortung wichtige Maßnahmen zur Verbesserung der kommunalen Finanzlage ergriffen … (Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP: Das sieht man jetzt!)


Ich frage die Kolleginnen und Kollegen der SPD-
raktion: Ist das wirklich Ihr Ernst? Wie scheinheilig ist
as denn!


(Joachim Poß [SPD]: Wir haben die Gewerbesteuer in der Großen Koalition stabilisiert!)


ie Kommunen sind doch gerade deshalb in ihrer fatalen
age, weil der Bund ihnen immer mehr Aufgaben aufge-
ürdet hat, ohne ihnen gleichzeitig die finanziellen Mit-
el zur Verfügung zu stellen.


(Bernd Scheelen [SPD]: Das war zu Kohls Zeiten! Da waren Sie dabei!)


aran leiden die Kommunen aktuell. Das geschah vor
llem unter sozialdemokratischer Regierungsverantwor-
ung. Es war Ihr Minister Clement, der im Jahre 2005
en Anteil des Bundes bei den Kosten der Unterkunft
uf null setzen wollte. Dass dies ein Platzhalter war,
err Scheelen, ist das einzig Neue, was ich heute gehört
abe.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Bernd Scheelen [SPD]: Das war so, weil der Bundesrat das verhindert hat! Sie sollten sich ein bisschen mit der Geschichte beschäftigen!)


eute dagegen streiten wir hier darum, ob die derzeitige
ostenübernahme in der Höhe ausreichend ist; das ist

ine ganz andere Qualität, Herr Scheelen.


(Joachim Poß [SPD]: Prüfen Sie, was im Bundesrat los war!)


Wenn Ihre gebetsmühlenartigen Forderungen nach
erbreiterung der Bemessungsgrundlage der Gewerbe-
teuer erfüllt würden, würde das zu nichts anderem als
u einer weiteren Substanzbesteuerung der Unternehmen
ühren.


(Zuruf von der FDP: Genau!)


erade in der Krise hat sich gezeigt, wie krisenverschär-
end dies ist. Das gefährdet Unternehmen und Arbeits-
lätze. Jede Firmeninsolvenz ist ein Gewebesteuerzahler
eniger und bedeutet zig Arbeitslose mehr. Das ist Poli-

ik zulasten der Arbeitnehmer und zulasten der Kommu-
en.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auch die Einbeziehung der freien Berufe ist ein im-
er wieder gerne vorgebrachtes Placebo. Denn es be-

eutet viel Bürokratie für wenig Ertrag, und größtenteils
ringt es lediglich eine Verlagerung der Einnahmen von
und und Land auf die Kommune. Das freut natürlich
ie Kommunen, ist jedoch nicht im Sinne der Sache.

8538 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Dr. Birgit Reinemund


(A) )


)(B)

Was tun wir für die Kommunen,


(Zuruf von der SPD: Gar nichts!)


und zwar bereits vor jeder Gemeindefinanzreform? –
Wir haben die Städtebauförderung über dem Stand von
2008 weitergeführt.


(Zuruf von der SPD: Sie haben Mittel gekürzt! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo ist denn die „Soziale Stadt“?)


Wir haben die energetische Gebäudesanierung auf ho-
hem Niveau weitergeführt. Wir haben ein Bildungspaket
für bedürftige Kinder in Höhe von fast 1 Milliarde Euro
verabschiedet, das zum Großteil den Kommunen zugute-
kommt.

Die größte Unterstützung für die Kommunen ist un-
sere solide Finanz- und Wirtschaftspolitik,


(Bernd Scheelen [SPD]: Darüber kann ich nur lachen!)


angefangen mit einer Steuerentlastung für Bürger und
Unternehmen


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


von über 22 Milliarden Euro zum 1. Januar 2010 mit
dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz.


(Joachim Poß [SPD]: Einschließlich Bürgerentlastungsgesetz der großen Koalition!)


Nicht umsonst haben wir 2010 zusätzlich zum Export
erstmals wieder einen steigenden Binnenkonsum und ein
steigendes Investitionsvolumen in Deutschland. Nicht
umsonst haben wir ein geschätztes Wirtschaftswachstum
von 3,7 Prozent in diesem Jahr und von 2,2 Prozent im
nächsten Jahr.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707810100

Frau Kollegin Reinemund, Ihre Zeit ist seit einer ge-

wissen Weile abgelaufen.


(Beifall des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE] – Zuruf von der FDP: Nicht Zeit, sondern Redezeit!)



Dr. Birgit Reinemund (FDP):
Rede ID: ID1707810200

Nur die Redezeit, hoffe ich doch.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707810300

Ja. – Bitte schön.


Dr. Birgit Reinemund (FDP):
Rede ID: ID1707810400

Unser Ziel ist und bleibt eine nachhaltige strukturelle

Verbesserung der kommunalen Finanzen.

Klare Perspektiven für Kommunen – ja, das wollen
wir. Wir wollen klare Perspektiven für die kommunale
Selbstverwaltung, aber keine Zuwendungen und Ret-
tungsschirme.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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(C (D Das Wort hat der Kollege Dr. Axel Troost von der raktion Die Linke. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In inem hat meine Vorrednerin völlig recht: Es geht um in strukturelles Defizit, und insofern sollten wir hier icht von „ein bisschen Konjunktur rauf“ und „ein bisshen Konjunktur runter“ reden. Vielmehr sollten wir esthalten – und dabei finde ich es unwürdig, das eine der das andere zu machen –: Die rot-grünen Steuerreormen haben bei den Kommunen von 2000 bis 2009 zu ber 25 Milliarden Euro an Mindereinnahmen geführt, nd das eine Jahr unter Schwarz-Gelb hat 3,3 Milliarden uro an Mindereinahmen gebracht. Das ist so, und allein as Wachstumsbeschleunigungsgesetz wird im nächsten ahr zu über 1,5 Milliarden Euro an Mindereinnahmen ei den Kommunen führen. Herr Kollege Götz, wer immer noch sagt, dass der ufschwung rein exportorientiert begründet sei und am achstumsbeschleunigungsgesetz liege, der glaubt wohl uch, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Das ist nach ie vor Unsinn. Aber – damit hat Frau Haßelmann völlig recht – die ommunen interessiert nicht die Vergangenheit; wir üssen uns vielmehr mit dem Jetzt auseinandersetzen nd uns um Alternativen bemühen. Ich möchte an den Einsetzungsbeschluss für die ommission erinnern, weil das gar nicht mehr zur Disussion steht. In diesem Beschluss geht es um den aufommensneutralen Ersatz der Gewerbesteuer durch irendetwas anderes. Dazu heißt es: Dabei hat die Kommission auf die Vermeidung von Aufkommensund Lastenverschiebungen insbesondere zwischen dem Bund auf der einen und Ländern und Kommunen auf der anderen Seite zu achten. enn man das ernst nimmt, dann kommt für die Komunen überhaupt nichts heraus. Selbst wenn man zusagt, hnen auf der Ausgabenseite etwas abzunehmen, dann immt man ihnen das auf der Einnahmeseite wieder eg. Insofern muss, wenn man das strukturelle Defizit rnst nimmt, der Auftrag der Kommission verändert erden. Es muss festgelegt werden, dass am Ende mehr ür die Kommunen herauskommt, nd zwar muss für sie das herauskommen, was Sie den ommunen in den letzten Jahren durch Steuersenkungen enommen haben. Zu der Debatte um die Gewerbesteuer wird immer ieder gesagt, dass das ein alter Hut sei. Ich möchte auf in gemeinsames Gutachten der Deutschen Akademie ür Städtebau und Landesplanung und der Akademie für Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8539 Dr. Axel Troost )

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707810500

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Axel Troost (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707810600

(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(A) )

Raumforschung und Landesplanung – das sind die re-
nommiertesten Kommunal- und Regionalforscher der
Bundesrepublik – hinweisen, das im Herbst erstellt wor-
den ist. Diese Wissenschaftler haben nichts mit Parteien
zu tun. Sie kommen zum Schluss ihrer sehr guten Ana-
lyse auf vier Seiten zu Empfehlungen, aus denen ich drei
Passagen zitieren will, und zwar zuerst, weil das sehr
wichtig ist, zu den Kassenkrediten. Dazu sagt das Gut-
achten:

Hierzu gehören auf der Einnahmeseite kommunale
Entschuldungsfonds in denjenigen Ländern, in de-
nen Kommunen mit hohen Kassenkrediten eine
nennenswerte Rolle spielen.

Das ist sehr wichtig, weil viele Kommunen nicht mehr
aus dem Elend herauskommen.

Zum Thema unserer Debatte heißt es:

Die Gewerbesteuer (mit Hebesatzrecht) ist in drei
Richtungen fortzuentwickeln: Sie benötigt eine brei-
tere, das heißt weniger von Gewinnschwankungen
abhängige und regional weniger streuende Bemes-

(„freie Berufe“)

fristig sollten Möglichkeiten zum schrittweisen
Abbau der Gewerbesteuerumlage mit dem Ziel der
fiskalischen Entflechtung der Ebenen geprüft wer-
den.

Ich weise darauf hin, dass die Ansicht, es sei angeblich
völlig klar, dass die Gewerbesteuer nicht tragfähig ist,
von den Wissenschaftlern nicht geteilt wird und sie die
Situation völlig anders einschätzen. Sie kommen zu ge-
nau demselben Ergebnis wie wir in der Opposition mit
unseren Anträgen.


(Beifall bei der LINKEN)


Zwei Absätze weiter heißt es dann:

Der kommunale Anteil an der Einkommensteuer

(ohne Hebesatzrecht) ist beizubehalten. Für die Ab-

lehnung eines Hebesatzrechtes hier spricht vor al-
lem folgender Grund: Eine bedarfsorientierte Diffe-
renzierung der Hebesätze würde in den Städten zu
überdurchschnittlichen, im Umland zu unterdurch-
schnittlichen Hebesätzen führen und so die raum-
entwicklungspolitisch unerwünschte Stadt-Um-
land-Wanderung … befördern.

Das wird völlig zu Recht von den Wissenschaftlern fest-
gestellt.

Insofern kann ich nur sagen: Was Sie machen, wider-
spricht allen Erkenntnissen der Wissenschaft, und es ent-
spricht nicht den Forderungen der Kommunen. Es entspricht
allenfalls den Forderungen einiger Umlandgemeinden.
Deswegen müssen wir hier weiterkommen. Es kann aber
nicht allein darum gehen, nur einen aufkommensneutralen
Ersatz zu schaffen. Notwendig ist vielmehr eine Weiterent-
wicklung der Gewerbesteuer, die zu Mehreinnahmen der
Kommunen führt, damit diese wieder handlungsfähig
werden.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Das Wort hat der Kollege Peter Aumer von der CDU/ SU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707810700


Peter Aumer (CSU):
Rede ID: ID1707810800

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
ieder einmal dürfen wir über einen Antrag der SPD zu

en Kommunalfinanzen debattieren.


(Bernd Scheelen [SPD]: Freut euch!)


Sie werden sich gleich freuen.


(Bernd Scheelen [SPD]: Ihr macht das doch selber nicht!)


hr Antrag trägt den Titel „Klare Perspektiven für Kom-
unen – Gewerbesteuer stärken“. Wo war die klare Per-

pektive der SPD? Ich habe in der ganzen Debatte nichts
on einer Perspektive gehört.


(Bernd Scheelen [SPD]: Ihr müsst den Antrag lesen! Da steht alles drin!)


ie Forderungen Ihres Antrags werden in der Gemein-
efinanzkommission schon längst bearbeitet.

Die Bundeskanzlerin, der Bundesfinanzminister, der
ayerische Ministerpräsident und die CSU haben immer
esagt, dass wir ohne die Kommunen keine Entschei-
ung über die Gewerbesteuer treffen. Dieser Punkt, den
ie von der SPD und auch Sie, Frau Haßelmann, immer
nsprechen, hat sich also erledigt. Die Zusage des Bun-
esfinanzministers, einnahme- und ausgabenseitig etwas
u ändern, entspricht dem, was Sie in Ihrem Antrag for-
ern. Außerdem wird das Kommunalmodell in der Ge-
eindefinanzkommission bereits diskutiert und bearbei-

et.

Deshalb frage ich mich, weshalb Herr Staatsminister
r. Kühl vorhin gesagt hat, die Gemeindefinanzkommis-

ion sei ein Witz, obwohl er selbst Mitglied darin ist.
err Staatsminister, Sie kennen wahrscheinlich den An-

rag Ihrer Genossen aus dem Bundestag nicht. Bei der
PD weiß offensichtlich die Linke nicht, was die Rechte

ut, und das Land weiß nicht, was der Bund tut. Zudem
erabschiedet sich der Herr Staatsminister auch noch in
ine Pause, während wir über die Zukunft diskutieren.
as sollte man auch einmal ansprechen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707810900

Herr Kollege Aumer, erlauben Sie eine Zwischen-

rage der Kollegin Haßelmann?


Peter Aumer (CSU):
Rede ID: ID1707811000

Nein, keine Zwischenfrage.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPD,
erspektiven zielen auf die Zukunft. Sie haben die Zu-
unft aber doch schon längst aus dem Blick verloren. Es
eht nicht um ein bisschen „Rauf und Runter“; damit ha-
en Sie vollkommen recht, Herr Troost. Wir arbeiten für

8540 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Peter Aumer


(A) )


)(B)

eine klare Struktur der Kommunalfinanzen. Deswegen
nehmen wir uns in der Debatte Zeit, und zwar die Zeit,
die Sie uns nicht lassen wollen. Man braucht aber Zeit,
um ganz konkret über Themen zu diskutieren und um
das Band zwischen Ländern und Kommunen neu auszu-
richten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir, die christlich-liberale Koalition, arbeiten an un-
serem Wählerauftrag für die Zukunft unseres Landes.
Zur Zukunft gehört Verlässlichkeit, die Sie von der SPD
bei Stuttgart 21 und bei der Rente mit 67 vermissen las-
sen. Das ist keine verlässliche Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Bundeskanzlerin hat in Ihrer Haushaltsrede die
tragenden Säulen unserer Politik angesprochen:

Wir sind erstens für eine starke Wirtschaft, zweitens
für einen starken Staat und drittens für ein starkes
Gemeinwesen.

Um genau diese drei Punkte kümmert sich die Gemein-
definanzkommission. Damit soll erreicht werden, dass
das Band zwischen Wirtschaft und Kommunen eine
tragfähige Zukunft hat.

Das Gemeinwesen, das in einem noch stärkeren Wett-
bewerb um die besten Entscheidungen steht, muss sich
auf neue Gegebenheiten einstellen. Darüber hinaus müs-
sen in Zukunft die Menschen noch stärker an der politi-
schen Diskussion beteiligt werden. Genau daran arbeiten
wir als christlich-liberale Koalition. Lassen Sie uns kon-
struktiv zum Wohle unserer Kommunen, zum Wohle un-
seres Gemeinwesens und zum Wohle unseres Staates ar-
beiten. Frau Haßelmann, wo sind denn Ihre Vorschläge?


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Eine berechtigte Frage!)


Die Gemeindefinanzkommission hat angekündigt, im
Januar werde das Ergebnis bekannt gegeben. Dann kön-
nen wir im Parlament darüber diskutieren.


(Zuruf von der CDU/CSU: Die Grünen sagen immer nur, wogegen sie sind! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Februar!)


– Oder im Februar. Über einen Monat später oder früher
sollten wir uns nicht streiten. Ich weiß aber schon, was
die Grünen sagen werden. Sie werden sagen: Wir sind
dagegen.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Genau!)


Denn in den vergangenen Wochen und Monaten war es
immer so, dass wir für die Zukunft arbeiten und Sie da-
gegen sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir sind im Großen wie im Kleinen ein verlässlicher
Partner für die Kommunen. Der Bundesverkehrsminis-
ter, den die CSU stellt, Peter Ramsauer, hat zum Beispiel
eine Regelung für den Feuerwehrführerschein auf den

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(C (D eg gebracht. Das hat die SPD mit ihrem Bundesverehrsminister nie geschafft. Letztlich ist es bei Ihnen nur u einer kleinen Regelung gekommen, die aber nicht eitergeholfen hat. Wir kümmern uns jedoch um die Belange der Komunen. Sprechen Sie auch das einmal an. Wir sind ein erlässlicher Partner im Schulterschluss mit unseren Geeinden. Dafür arbeiten wir. Deshalb gibt es die Geeindefinanzkommission. Wir lassen uns von Ihnen icht drängen und lassen uns von Ihnen auch nicht in die alsche Ecke stellen. ie sind kein verlässlicher Partner – Herr Troost, Ihr rummen hilft auch nicht weiter –; denn Ihr Vorschlag st kein Vorschlag für die Zukunft. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das ist von den renommiertesten Wissenschaftlern in der Bundesrepublik!)


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Ja, ja!)


In der Politik muss man aber unterscheiden zwischen
em, was pragmatisch umzusetzen ist, und dem, was
issenschaftlich machbar ist. Wir arbeiten für eine prag-
atische und für eine verlässliche Politik, die Zukunft

chafft und die neue Perspektiven eröffnet.

Die SPD konnte das mit ihrem Antrag heute nicht er-
eichen. Machen Sie konstruktive Vorschläge! Machen
ie Vorschläge, die auf die Zukunft ausgerichtet sind, die
an mit Zahlen untermauern kann und die eine verlässli-

he Politik für unsere Gemeinden hinsichtlich der Finan-
en bedeuten.

Der Herr Staatsminister hat im Übrigen nicht gesagt,
ie er sein Land voranbringen möchte. Herr Kaster hat
orhin aufgezeigt, dass es eine gemeinsame Politik ge-
en muss, eine gemeinsame Politik von Bund, Ländern
nd Kommunen. Ich glaube, nur in einem verlässlichen
iteinander können wir zukunftsfähige Politik gestal-

en. Deswegen bitte ich Sie und fordere Sie auf: Lassen
ie uns nicht in Phrasen diskutieren, sondern lassen Sie
ns an der Zukunft arbeiten! Machen Sie substanzielle
orschläge! Lassen Sie die Gemeindefinanzkommission
um Ende ihrer Beratungen kommen! Wir werden auf
er Grundlage der Ergebnisse dieser Kommission und
m Einklang mit den Kommunen eine gute Zukunft ge-
talten.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707811100

Das Wort hat der Kollege Dr. Carsten Sieling von der

PD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Carsten Sieling (SPD):
Rede ID: ID1707811200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

iese Debatte zeigt, wie gemeingefährlich diese schwarz-
elbe Koalition für die Menschen und die Kommunen ist.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8541

Dr. Carsten Sieling


(A) )


)(B)

Sie haben hier in aberwitziger Weise darüber gejammert,
dass die Einnahmen aus der Gewerbesteuer Schwankun-
gen aufweisen; das ist in der Tat so. Sie haben aber keine
Vorschläge gemacht, aus denen hervorgeht, wie diese
Einnahmen zu stabilisieren sind. Vielmehr machen Sie
Vorschläge, die zum Ziel haben, sie weiter zu schwächen
und zu unterlaufen. Damit machen Sie die Kommunen
kaputt.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin sehr froh, dass meine Fraktion den vorliegen-
den Antrag eingebracht hat, in dem wir uns ausdrücklich
hinter das sogenannte Kommunalmodell stellen. Das
heißt, wir haben kein Verständnis dafür, dass die Gewer-
besteuer in der jetzigen Form – so bewährt sie auch ist –
den Handwerker belastet, während sein Steuerberater
und sein Rechtsanwalt von dieser Steuer befreit sind.
Das geht nicht. Das ist eine ungerechte Steuer.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Man muss die Bemessungsgrundlage der Gewerbe-
steuer erweitern; das ist ein Vorschlag. Dafür hätten Sie
sich einsetzen sollen. So käme man zu einem vernünfti-
gen Kompromiss in der Kommission zur Reform der Ge-
meindefinanzen. Aber Sie jagen diese Kommission – ich
will ausdrücklich wiederholen, was Herr Minister Kühl
hier sehr deutlich gemacht hat – von links nach rechts.
Die Bundesregierung setzt eine Kommission ein, und
dann kommt ein Koalitionsausschuss, der andere Vor-
schläge macht. Das hat nichts mit Demokratie zu tun. Sie
wollen eine Koalitionsherrschaft ausüben. Das geht
nicht. Das schadet den Menschen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Ich möchte in den letzten wenigen Sekunden, die mir
als Redezeit verbleiben, einen weiteren aberwitzigen
Punkt aufgreifen, den der schon nicht mehr anwesende
Vorsitzende des Finanzausschusses, Herr Wissing – ihm
ist das anscheinend nicht so wichtig –, angesprochen hat.
Er hat uns vorgeworfen, wir würden die Ausgabenpro-
blematik nicht angehen. Ich will es konkretisieren: In
der letzten Woche ist in diesem Haus der Haushalt be-
schlossen worden. Die SPD hat im Haushaltsausschuss
vorgeschlagen, die Kommunen bei den Kosten der Un-
terkunft um 400 Millionen Euro und bei der Grundsiche-
rung im Alter um 300 Millionen Euro zu entlasten sowie
vor allem die Streichungen bei der Städtebauförderung
zurückzunehmen. Wir haben insgesamt 1 Milliarde Euro
mehr für die Kommunen gefordert. Aber Sie von der
schwarz-gelben Koalition haben das abgelehnt. Auch da
haben Sie die Kommunen geschwächt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie reden über das eine, tun aber etwas ganz anderes.
Das ist nicht vertretbar. Ändern Sie Ihre Politik! Machen
Sie etwas für die Menschen!

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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(C (D (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707811300

Herr Kollege Sieling, ich möchte darauf hinweisen,

ass keine Fraktion in diesem Hause gemeingefährlich
t.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ir arbeiten nach demokratischen Prinzipien zusam-
en.

Das Wort hat der Kollege Dr. Mathias Middelberg
on der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Mathias Middelberg (CDU):
Rede ID: ID1707811400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue

ich, dass Sie, Herr Präsident, den Begriff „Gemeinge-
ährlichkeit“ abgeräumt haben. Ich wäre sonst ausführ-
ich darauf eingegangen. Ich glaube, dass die Politik der
hristlich-liberalen Koalition das genaue Gegenteil von
emeingefährlich im Hinblick auf die Kommunen ist.

Ich will das am Wachstumsbeschleunigungsgesetz,
as heute vielfach erwähnt worden ist, deutlich machen.
in wesentliches Element des Wachstumsbeschleuni-
ungsgesetzes ist, dass es durch die Erhöhung des Kin-
ergeldes und des Kinderfreibetrages 4,5 Milliarden
uro mehr für Familien, für „ganz normale“ Menschen

n diesem Land gibt.


(Nicolette Kressl [SPD]: Und wie viel gibt es für die Hotels?)


ir haben so die Kaufkraft der Menschen in den Kom-
unen gestärkt. An den aktuellen Zahlen sehen wir, dass

ie Menschen von der gestiegenen Kaufkraft Gebrauch
achen. Das schlägt sich erfreulicherweise in allen
teuerkassen nieder, auch in den Steuerkassen der Kom-
unen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich halte von diesen wissenschaftlichen Musterrech-
ungen, wonach die Kommunen aufgrund des Wachs-
umsbeschleunigungsgesetzes 1,5 Milliarden Euro Min-
ereinnahmen haben, gar nichts. Das sage ich ganz
ffen; denn diese Rechnungen gehen davon aus, dass die
irtschaft völlig statisch ist:


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


lle produzieren immer das Gleiche, alle verdienen das
leiche, und die Unternehmen machen bei diesen Rech-
ungen immer die gleichen Gewinne. Wir erleben im
oment aber einen grandiosen konjunkturellen Auf-

chwung in diesem Land.


(Bernd Scheelen [SPD]: Aber nicht durch dieses Gesetz!)


8542 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Dr. Mathias Middelberg


(A) )


)(B)

Dieser wirkt sich aus und schlägt sich in mehr Kaufkraft
und in höheren Steuereinnahmen nieder.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Strukturell haben sie Mindereinnahmen!)


Selbst wenn Sie niedrigere Sätze haben, haben Sie unter
dem Strich mehr Einnahmen. Das kann Ihnen jedes
Milchmädchen ausrechnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der Kollege Götz hat richtigerweise auf Folgendes
hingewiesen: Als wir 2005 mit Ihnen starteten, hatten
wir 5 Millionen Arbeitslose in diesem Land. Wir haben
jetzt die 3-Millionen-Grenze unterschritten. Die Per-
spektive für die kommende Zeit ist hervorragend. Wir
reden sogar schon über Facharbeitermangel. Das ist eine
Situation, die die Kommunen im Bereich der Sozialaus-
gaben ganz gewaltig entlastet. Das ist nicht nur – das
nehmen wir gar nicht für uns allein in Anspruch –, aber
auch Ausfluss des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes,
durch dessen zweiten Teil vor allem die Mittelständler
und die kleinen Unternehmen in diesem Land aufgrund
der Sofortabschreibungen, Verlustnutzung usw. entlastet
werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wenn wir schon von problematischer Politik im Hin-
blick auf die Kommunen reden – ich will gar nicht die
Vergangenheit bemühen, sondern auf die aktuelle Be-
schlusslage der SPD verweisen –, dann möchte ich Sie
auf ein Zitat des Geschäftsführers des Deutschen
Städte- und Gemeindebundes hinweisen, der sich mit
Ihren Vorschlägen zur Hartz-IV-Politik und der Verab-
schiedung von der Agendapolitik auseinandergesetzt hat.
Die Mehrleistungen und den Verzicht auf Vermögens-
und Einkommensprüfung, den Sie beschlossen haben,
bezeichnet der Deutsche Städte- und Gemeindebund als
unbezahlbar. Es gelte, die Eigenverantwortung der Bür-
ger zu stärken, statt immer wieder den Eindruck zu ver-
mitteln, der Staat könne weiter ein Rundum-sorglos-Pa-
ket finanzieren. Zitat:

Wer aus eigener Arbeitskraft oder mit eigenem Ver-
mögen seinen Unterhalt bestreiten kann, darf nicht
noch zusätzliche Transferleistungen erhalten …


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wenn wir das umsetzen würden, wäre das eine Belas-
tung der Kommunen. Was Sie hier vorschlagen, ist allen-
falls eine Mogelpackung; denn Sie wollen die Gewerbe-
steuer erhöhen, aber auf der anderen Seite sorgen Sie
auch für eine Mehrbelastung der Kommunen im Hartz-IV-
Bereich. Das ist doch völlig unglaubwürdig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt eingehen.
Die Gewerbesteuer hat Nachteile; diese sind genannt
worden. Sie hat auch manche Vorteile. Aber es geht doch
wirklich nicht, die Hinzurechnung so darzustellen, dass
man Gewinne gewissermaßen in Mieten und Pachten
übersetzen kann.

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(C (D as ist doch abwegig. Sie können Gewinne über verchiedene Jahre strecken, aber zum Schluss entsteht och folgende Situation: Wenn ein Einzelhändler mehere Jahre lang schlechte Geschäfte gemacht hat, dann ist r am Ende. Er hat keine Substanz mehr, aus der er Ihre inzurechnung bezahlen könnte. Irgendwann kann er ie Steuern nicht mehr strecken. (Joachim Poß [SPD]: Er hat einen Freibetrag! Er zahlt keine Gewerbesteuer!)


(Joachim Poß [SPD]: Das ist die Regel!)


Nein, Herr Poß, Sie haben es nicht begriffen. Der ist
ertig und macht Pleite, und dann sind die Arbeitsplätze
erloren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


as führt zu toten Innenstädten, wo vorher der Einzel-
andel floriert hat. Das wäre das Ergebnis Ihrer Politik.
eswegen haben wir die Hinzurechnungen nicht erhöht,

ondern reduziert; denn wir wollen etwas für das Leben
n den Innenstädten tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bernd Scheelen [SPD]: Sie müssen sich einmal entscheiden, ob das eine Großbetriebesteuer ist oder ob der Einzelhändler sie zahlt!)


s ist geradezu empörend, dass Sie diese Banalitäten im-
er wieder als Lösungsmodell anpreisen. Das halte ich
irklich für empörend.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte noch eine Bemerkung zu dem Zuschlag
ur Einkommensteuer mit kommunalem Hebesatz ma-
hen. Sie kritisieren das in aller Breite. Die kommunalen
erbände äußern sich dazu durchaus differenziert. Der
eutsche Städte- und Gemeindebund hat gesagt, die
orrorszenarien, von denen die SPD spreche, seien völ-

ig wirklichkeitsfremd, sonst hätten unterschiedliche Ab-
all- und Abwassergebühren längst zu einer Abwande-
ung ins Umland führen müssen. Die Kollegin Tillmann
at zu Recht auf das Thema Grundsteuer hingewiesen.
uch bei der Gewerbesteuer haben wir unterschiedliche
ätze, und das Land leidet nicht darunter. Im Gegenteil:
ie sprechen sich in dem Punkt ja sogar dafür aus. Pro-
essor Henneke vom Deutschen Landkreistag sagt, der
ebesatz stärke die kommunale Selbstverwaltung aus-
rücklich. Der Bürger könne damit besser sehen, was die
eistungen der Gemeinde kosten. Er rechne damit, dass
an sorgsam mit diesem Instrument umgehen werde.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Daran sollten wir uns auch halten und den Verlauf der
iskussion ganz sachlich abwarten. Ich finde, es handelt

ich in keiner Weise um ein Diktat des Ministers. – Herr
inister Kühl, es wäre zweckmäßig, wenn Sie während

iner Debatte, in der Sie als Auftaktredner aufgetreten
ind, weiterhin aufmerksam teilnähmen.


(Iris Gleicke [SPD]: Schulmeister!)


Ich finde, es ist überhaupt nicht empörend, dass es ei-
en Vorschlag des Ministers gibt. Es gibt eine gemein-
ame Presseerklärung des Ministeriums und der kommu-
alen Spitzenverbände. Es gibt gewissermaßen einen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8543

Dr. Mathias Middelberg


(A) )


)(B)

Zwischenbericht der Kommission, der zeigt, wo man
sich über die verschiedenen Punkte einig ist.


(Joachim Poß [SPD]: Dafür habt ihr zwei Tage gebraucht! Einen Tag hat die gehalten!)


Wir sollten jetzt die sachliche Diskussion über den
Vorschlag von Herrn Schäuble abwarten. Die Situation
der Kommunen ist zu ernst, als dass wir tatsächlich auf
die Schnellschüsse von Ihnen reagieren sollten.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707811500

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/3996 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall, dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Finanz-
ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD mit
dem Titel „Rettungsschirm für Kommunen – Strategie
für handlungsfähige Städte, Gemeinden und Land-
kreise“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 17/4060, den Antrag der
Fraktion der SPD auf Drucksache 17/1152 abzulehnen.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Dage-
gen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist an-
genommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
bei Gegenstimmen der SPD-Fraktion und Enthaltung der
Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 36 a bis 36 i sowie
Zusatzpunkt 4 auf:

36 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Pro-
tokoll vom 23. Juni 2010 zur Änderung des
Protokolls über die Übergangsbestimmungen,
das dem Vertrag über die Europäische Union,
dem Vertrag über die Arbeitsweise der Euro-
päischen Union und dem Vertrag zur Grün-
dung der Europäischen Atomgemeinschaft
beigefügt ist

– Drucksache 17/3357 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur
Änderung des Berufskraftfahrer-Qualifika-
tions-Gesetzes

– Drucksache 17/3800 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

(C (D c)

gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung des ZIS-Ausführungsgesetzes und ande-
rer Gesetze

– Drucksache 17/3960 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss

d) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
kommen vom 29. März 2010 zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und St. Vincent
und die Grenadinen über die Unterstützung in
Steuer- und Steuerstrafsachen durch Informa-
tionsaustausch

– Drucksache 17/3959 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss

e) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
kommen vom 7. Juni 2010 zwischen der Bun-
desrepublik Deutschland und St. Lucia über
den Informationsaustausch in Steuersachen

– Drucksache 17/3961 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss

f) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Pro-
tokoll vom 17. Juni 2010 zur Änderung des
Abkommens vom 8. März 2001 zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und Malta zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem
Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen

– Drucksache 17/3962 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss

g) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Burkhard Lischka, Dr. Peter Danckert, Martin
Dörmann, weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Änderung des Gesetzes über die
Wahrnehmung von Urheberrechten und ver-

(Urheberrechtswahrnehmungsgesetz – UrhWahrnG)


– Drucksache 17/3991 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Kultur und Medien

h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Swen
Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann,

8544 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) )


)(B)

Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der SPD

Bei Aussetzung der Wehrpflicht Hochschul-
pakt aufstocken

– Drucksache 17/4018 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Haushaltsausschuss

i) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike
Höfken, Birgitt Bender, Cornelia Behm, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Umsetzung der EU-Health-Claims-Verord-
nung voranbringen

– Drucksache 17/4015 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Daniela
Wagner, Oliver Krischer, Bettina Herlitzius, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Ungebundene EU-Mittel aus dem Konjunk-
turpaket (EEPR) unverzüglich für mehr Ener-
gieeffizienz und erneuerbare Energien nutzen

– Drucksache 17/4017 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach-
ten Verfahren ohne Debatte.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 37 a bis
37 k. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vor-
lagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 37 a:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)

von Cramon-Taubadel, Marieluise Beck (Bre-
men), Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

OSZE-Vorsitz für Reformen in Kasachstan
nutzen

– Drucksachen 17/1432, 17/2476 –

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(C (D Berichterstattung: Abgeordnete Manfred Grund Franz Thönnes Dr. Rainer Stinner Wolfgang Gehrcke Viola von Cramon-Taubadel Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehung auf Drucksache 17/2476, den Antrag der Fraktion ündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/1432 abzu ehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – egenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp ehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koaliionsfraktionen bei Gegenstimmen der Grünen und Entaltung von SPD und Linke. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Peitionsausschusses. Das sind die Tagesordnungspunkte 7 b bis 37 k. Tagesordnungspunkt 37 b: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 171 zu Petitionen – Drucksache 17/3918 – Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltunen? – Sammelübersicht 171 ist einstimmig angenomen. Tagesordnungspunkt 37 c: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 172 zu Petitionen – Drucksache 17/3919 – Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltunen? – Sammelübersicht 172 ist ebenfalls einstimmig ngenommen. Tagesordnungspunkt 37 d: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 173 zu Petitionen – Drucksache 17/3920 – Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltunen? – Sammelübersicht 173 ist angenommen mit den timmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion ei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und bei Entaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Tagesordnungspunkt 37 e: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 174 zu Petitionen – Drucksache 17/3921 – Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltunen? – Sammelübersicht 174 ist einstimmig angenomen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8545 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms )


(A) )

Tagesordnungspunkt 37 f:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 175 zu Petitionen

– Drucksache 17/3922 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Sammelübersicht 175 ist bei Gegenstimmen
von Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen der übri-
gen Fraktionen angenommen.

Tagesordnungspunkt 37 g:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 176 zu Petitionen

– Drucksache 17/3923 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Die Sammelübersicht 176 ist bei Gegenstim-
men der Fraktion Die Linke mit den Stimmen der übri-
gen Fraktionen angenommen.

Tagesordnungspunkt 37 h:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 177 zu Petitionen

– Drucksache 17/3924 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Die Sammelübersicht 177 ist mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Ge-
genstimmen der Linken und der Grünen angenommen.1)

Tagesordnungspunkt 37 i:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 178 zu Petitionen

– Drucksache 17/3925 –

Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltun-
gen? – Die Sammelübersicht 178 ist mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei
Gegenstimmen der SPD-Fraktion und der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen angenommen.

Tagesordnungspunkt 37 j:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 179 zu Petitionen

– Drucksache 17/3926 –

Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltun-
gen? – Die Sammelübersicht 179 ist mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der Grünen
bei Gegenstimmen von SPD und Linken angenommen.

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B1) Anlage 2

(C (D Tagesordnungspunkt 37 k: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 180 zu Petitionen – Drucksache 17/3927 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalungen? – Die Sammelübersicht 180 ist mit den Stimen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der ppositionsfraktionen angenommen. Jetzt rufe ich den Zusatzpunkt 5 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD Fehlende Aktivitäten der Bundesregierung hinsichtlich der Zukunftsängste des wissenschaftlichen Nachwuchses Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Reder das Wort dem Kollegen Swen Schulz von der SPDraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! eine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen ns Sorgen um den wissenschaftlichen Nachwuchs mahen. Es gibt eine aktuelle Studie, von der Bundesregieung in Auftrag gegeben, wonach Nachwuchswissenchaftler ihre Arbeit an sich durchaus positiv bewerten, ber Zukunftsängste haben. Letzteres ist auch nur zu erständlich; denn lediglich etwa 10 Prozent aller achwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswis enschaftler haben eine unbefristete Stelle, etwa 0 Prozent müssen sich mit einer befristeten Stelle zuriedengeben. In der Studie kommt sehr deutlich zum Ausdruck, ass die Leute Perspektiven haben wollen – das ist doch achvollziehbar –, dass sie Planbarkeit ihres Berufswees wünschen, (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Genau! Planwirtschaft!)


(Beifall bei der SPD)

Swen Schulz (SPD):
Rede ID: ID1707811600

ass sie eine unbefristete Stelle haben wollen. Das ist na-
ürlich auch wichtig für die Vereinbarkeit von Familie
nd Beruf, die uns so sehr am Herzen liegt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, warum ist
as nun ein Thema, warum diese Aktuelle Stunde? Weil
ir den wissenschaftlichen Nachwuchs brauchen! Wir
rauchen ihn für die Lehre an den Hochschulen. Immer
ehr Leute wollen studieren – das ist wunderbar –, aber

ie müssen natürlich auch ausgebildet werden. Dafür
raucht es entsprechend qualifiziertes Personal. Wir
rauchen daneben natürlich auch Forscherinnen und
orscher, die uns voranbringen, die uns in verschiedenen
ereichen Problemlösungen anbieten. Dabei entstehen

8546 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Swen Schulz (Spandau)



(A) )


)(B)

Schwierigkeiten, wenn Leute von schlechten Arbeitsbe-
dingungen abgeschreckt werden.

Ich möchte aus dieser aktuellen Studie gern etwas
vorlesen, nämlich das Zitat von einer im Bereich Natur-
wissenschaften tätigen wissenschaftlichen Mitarbeiterin
einer Universität:

Die Gefahr, nach jahrelangem „Durchschlagen“ auf
befristeten Stellen und einem gewissen „Berufsno-
madentum“ am Ende keine permanente Stelle zu
bekommen, ist hoch. Das Risiko, diesen Weg zu ge-
hen, ist mir persönlich zu hoch, auch wenn ich die
Arbeit in der Wissenschaft mag.

Wir sehen an diesem Zitat, dass wir Menschen verlieren,
dass wir ihre Kompetenzen verlieren. Das können wir so
nicht hinnehmen. Da müssen wir gegensteuern.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es gilt auch hier der sozialdemokratische Grundsatz
von der guten Arbeit. Nur mit Perspektiven und nur mit
guten Arbeitsbedingungen können wir die Leute gewin-
nen, und nur so können diese auch die exzellenten Leis-
tungen abliefern, die wir von ihnen sehen möchten. Das
wollen wir erreichen: gute Arbeit, auch in der Wissen-
schaft.


(Zuruf von der FDP: Wer will das nicht?)


Das Thema ist natürlich nicht ganz neu, auch wenn
wir hier eine aktuelle Studie haben. Die Bundesregie-
rung hat bereits 2008 in dem umfangreichen „Bundesbe-
richt zur Förderung des Wissenschaftlichen Nachwuch-
ses“ selbst festgestellt, dass es durchaus Probleme gibt.
Die Frage ist bloß: Was tut die Bundesregierung, um die-
ses Problem zu lösen? – Unter Rot-Grün haben wir Re-
gelungen zur Ausschaltung von Kettenbefristungen ge-
schaffen, und in der Großen Koalition haben wir das
Wissenschaftszeitvertragsgesetz gemacht. Wir haben
aber gleichzeitig gesagt, dass es evaluiert werden soll,
weil wir gucken müssen, was tatsächlich in der Realität
passiert. Wir haben die Bundesregierung damit beauf-
tragt, eine Evaluation vorzulegen.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist dringend notwendig!)


Meine sehr verehrten Herren Staatssekretäre, die Evalua-
tion durch die Bundesregierung ist überfällig. Wo ist der
Bericht? Legen Sie ihn vor, damit wir da weiterkommen.

Tatsächlich müssen wir überlegen: Reichen die jetzi-
gen Bestimmungen aus, oder sind sie vielleicht sogar an
der einen oder anderen Stelle kontraproduktiv? Ein
Punkt scheint mir jedenfalls jetzt schon klar zu sein: Die
Tarifsperre muss weg.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es sollte die Möglichkeit geben, dass Arbeitgeber und
Arbeitnehmer gemeinsam Regelungen über das Gesetz-
liche hinaus treffen. Das sollte gerade in diesem Bereich

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(C (D öglich sein. Wir als Sozialdemokraten haben das übriens in der Großen Koalition gefordert, aber unser daaliger Koalitionspartner CDU/CSU wollte die Tarif perre unbedingt drin haben. Ich hoffe, dass da jetzt ein mdenkprozess möglich ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Der zweite Punkt sind Juniorprofessuren. Unter Rot-
rün haben wir Juniorprofessuren eingeführt und auch
efördert, weil das vielen Nachwuchswissenschaftlern
erspektive gibt. Da stellt sich die Frage, warum unter
er Regie von Frau Schavan die Förderung beendet bzw.
ein neues Programm aufgelegt wurde. Wir wollen Ju-
iorprofessuren. Deswegen schlagen wir ein neues
und-Länder-Programm vor: 1 000 Juniorprofessuren –
as wäre ein guter Beitrag.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der dritte Punkt ist: Der sogenannte Tenure Track,
lso der Karriereweg an der eigenen Hochschule, muss
usgebaut werden. Die Bundesregierung sollte da aktiv
erden und mit den Ländern ins Gespräch kommen, wie
ir den Tenure Track ausbauen können.

Der vierte Punkt ist: Die Hochschulen müssen eine
olide Personalentwicklungsplanung machen. Das ist
eicht gesagt, aber schwerer getan. Da muss Überzeu-
ungsarbeit geleistet werden. Da müssen Kompetenzen
ufgebaut werden. Ich habe da einen kleinen Vorschlag
ür die Bundesregierung: Sie bieten seit neuerem Kurse
ür Hochschulen an, wie Stipendien eingeworben wer-
en können. Wie wäre es, wenn Sie einmal etwas Ver-
ünftiges machen und Kurse für Personalentwicklungs-
lanung anbieten? – Das wäre doch ein vernünftiger
eitrag.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Und der fünfte Punkt: Es gibt eine Menge Bund-Län-
er-Programme im Hochschulbereich, etwa den Hoch-
chulpakt und die Exzellenzinitiative. Die Bundesregie-
ung hat in ihrem Bericht gesagt, dass mit dem
ochschulpakt sicherlich alles viel besser für die Nach-
uchswissenschaftler wird. Aber Vertrauen allein reicht
icht. Da muss man auch genauer hinschauen und viel-
eicht auch einmal den Erhalt von Bundesmitteln an

indestarbeitsbedingungen knüpfen und Anreize für
ute Arbeit einbauen. Es kann nicht sein, dass – wie es
atsächlich insbesondere in der Hochschullehre häufig
assiert – Leute nachgerade ausgebeutet werden, zu
anz schlechten Bedingungen Arbeit leisten, die eigent-
ich von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ge-
eistet werden sollte. Dem müssen wir einen Riegel vor-
chieben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8547


(A) )


)(B)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707811700

Herr Kollege Schulz, kommen Sie bitte zum Schluss.


Swen Schulz (SPD):
Rede ID: ID1707811800

Herr Präsident, Sie wollen keine weiteren Punkte hö-

ren? Das ist natürlich traurig. Ich hätte noch einiges an-
zubieten, zum Beispiel aus dem Drittmittelsektor.

Letzter Satz: Wir sollten im Ausschuss dieses Thema,
das nicht leicht ist, seriös und sachlich auf der Basis der
Evaluation diskutieren, die dann hoffentlich bald kommt
– Herr Staatssekretär, Sie können dazu gleich etwas sa-
gen –, und dann tatsächlich Konsequenzen ziehen. Diese
Debatte hier sollte dafür ein Auftakt sein.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707811900

Das Wort für die Bundesregierung hat der Parlamen-

tarische Staatssekretär Dr. Helge Braun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1707812000


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zukunft
Deutschlands liegt ganz erheblich in den Händen junger
Nachwuchswissenschaftler. Wir erwarten von ihnen Bei-
träge zur Lösung unserer Klimaprobleme, der Welt-
ernährung, der Energieversorgung, der Volkskrankheiten
und internationaler Konflikte. Wir erwarten von ihnen
auch Innovationen, sodass Wachstum und soziale Si-
cherheit in Zeiten des demografischen Wandels verste-
tigt werden können.

Deshalb steht selbstverständlich der wissenschaftli-
che Nachwuchs mitten im Fokus der Politik der Bundes-
regierung und des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung.

Junge Forscher sind oft voller Begeisterung; aber ich
bin sicher, dass sie deutlich weniger davon begeistert
sind, dass diese Aktuelle Stunde – der Auftakt der De-
batte zum Thema Nachwuchswissenschaftler – mit dem
polemischen Titel „Fehlende Aktivitäten der Bundesre-
gierung hinsichtlich der Zukunftsängste des wissen-
schaftlichen Nachwuchses“ versehen wurde. Ich glaube
nicht, dass Sie damit die klügsten Köpfe in diesem Land
beeindrucken können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Als aktuellen Aufhänger haben Sie die HIS-Studie zi-
tiert, die sich der Situation der Nachwuchswissenschaft-
ler in Deutschland widmet. Es war Bundesministerin
Annette Schavan, die 2008 den ersten „Bundesbericht
zur Förderung des Wissenschaftlichen Nachwuchses“
vorgelegt hat.

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(C (D (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie haben daraus keine Konsequenzen gezogen!)


s war diese Bundesregierung, die den HIS-Bericht
Wissenschaftliche Karrieren“ in Auftrag gegeben hat,
amit wir erstmals empirische Zahlen zur Situation des
issenschaftlichen Nachwuchses erhalten. Schon dieser
ericht, aus dem Sie heute hier zitieren, ist ein erster Be-
eis dafür, dass die Bundesregierung nicht tatenlos ist,

ondern sich intensiv diesem Thema widmet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist daraus geworden? Nichts! – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Sie müssen auch Konsequenzen daraus ziehen!)


Wenn Sie sich den Bericht anschauen, dann sehen Sie,
ass die Nachwuchswissenschaftler gebeten wurden,
en folgenden Satz zu vervollständigen:

„Wenn ich meine berufliche Situation ändern
könnte, dann würde ich …“

er Punkt, der am meisten genannt wurde, war: „Unbe-
ristete Stelle“. An zweiter Stelle lag: „Bezahlung“. Ich
laube, dass es kaum eine Berufsgruppe gibt, in der die
rbeitszufriedenheit so hoch ist wie bei den Nachwuchs-
issenschaftlern, denn an dritter Stelle lag die Nennung:

Nichts ändern“. Ich denke, das macht deutlich, dass
ier viele junge Menschen mit Engagement und Freude
issenschaftlich tätig sind. Deswegen ist es aus meiner
icht völlig falsch, wie Sie bei diesem Thema stigmati-
ieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Was heißt denn hier „stigmatisieren“? Sie verschließen die Augen vor den Problemen! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schönreden hilft nicht!)


Die Studie macht im Hinblick auf die Einkommens-
ituation deutlich, dass junge Wissenschaftlerinnen und

issenschaftler geradezu mit großer Freude daran arbei-
en, ihren Weg an den Universitäten und außeruniversitä-
en Forschungseinrichtungen fortzusetzen; sie haben ein
roßes Interesse daran und sind sogar bereit, ein geringe-
es Einkommen in Kauf zu nehmen, wenn sie weiterhin
ber die Freiheiten des Wissenschaftssystems verfügen
ürfen.

Ich will etwas zur Situation von Akademikern am Ar-
eitsmarkt sagen, die nicht in die Wissenschaft, sondern
n die freie Wirtschaft gehen. Diejenigen mit einem aka-
emischen Abschluss haben die weitaus besten Chancen
m Arbeitsmarkt. Die Bundesagentur für Arbeit hat für
as Jahr 2009 entsprechende Zahlen herausgegeben: Da-
ach gibt es bei der Beschäftigung von Akademikern
ine positivere Entwicklung als bei allen Beschäftigten.
kademiker sind am kürzesten arbeitslos. Die Zahl der
eschäftigten hat bei den Akademikern in den letzten
ehn Jahren um 21 Prozent zugenommen, bei allen Be-
chäftigten hat sie um 2 Prozent abgenommen. Allein im
etzten Jahr hat sie um 3,5 Prozent zugenommen, bei al-

8548 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Parl. Staatssekretär Dr. Helge Braun


(A) )


)(B)

len Beschäftigten um 0,3 Prozent abgenommen. – Wenn
Sie die absoluten Zahlen wissen wollen: Am Ende der
Regierung Schröder gab es 244 000 arbeitslose Akade-
miker; heute sind es 167 000, also deutlich weniger als
damals.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Also ist alles gut, ja?)


Sie haben das Thema Tenure Track angesprochen. Sie
wissen genau, dass Sie sich damit am allerwenigsten an
die Bundesregierung richten müssen. Wir haben zum
Beispiel im Bereich der Helmholtz-Gemeinschaft den
Nachwuchswissenschaftlern und Gruppenleitern in vie-
len Fällen einen solchen Tenure Track angeboten, also
die Möglichkeit, bei positiver Evaluation ihrer Tätigkeit
unbefristete Stellen zu bekommen. Es treibt auch die
Bundesregierung um, dass sich der Tenure Track an vie-
len Universitäten – und zwar nicht aufgrund fehlender
Initiativen der Bundesregierung – noch nicht so durchge-
setzt hat, wie sich das viele junge Nachwuchswissen-
schaftler wünschen. Ich denke, die Berichte, die wir an
dieser Stelle abgegeben haben, können dazu beitragen,
dass dieses Thema in sachlicher Weise weiter vorange-
bracht wird.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht gar nicht voran! Das ist das Problem!)


Sie brandmarken hier die Untätigkeit der Bundesre-
gierung. Dazu will ich einige Sätze sagen, Herr Kollege:

Erstens. Sie haben selber die Exzellenzinitiative ange-
sprochen. Die vom Bund finanzierte Exzellenzinitiative
hat 3 800 neue Jobs für Nachwuchswissenschaftler ge-
schaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Patrick Meinhardt [FDP])


In der zweiten Runde der Exzellenzinitiative werden es,
wenn es sich verstetigt, bis zu 5 400 sein.

Zweitens haben wir darüber hinaus im Zusammen-
hang mit der Exzellenzinitiative 39 Graduiertenschulen
geschaffen.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber was kommt danach?)


Drittens sorgt der Pakt für Forschung und Innovation
dafür, dass das Gleiche auch an den außeruniversitären
Forschungseinrichtungen geschieht.

Viertens. Sie haben auch das Thema der Vereinbarkeit
von Familie und Beruf angesprochen. Das Programm
„Zeit gegen Geld“ ist ein erfolgreiches Programm zur
Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Familienkom-
ponente im Wissenschaftszeitvertragsgesetz haben Sie
selbst genannt.

Zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz will ich Ihnen
sagen: Sie werden die Evaluation Anfang nächsten Jah-
res bekommen. Sie wird sogar noch viel umfangreicher
werden als das, was dem ursprünglichen Auftrag ent-
spricht, und um weitere Facetten ergänzt.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Na super!)


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(C (D ir haben nämlich gesehen, wenn wir die Situation im etail beleuchten wollen, dann brauchen wir mehr Zah en, mehr Daten, mehr Fakten und auch eine Umfrage nter den Betroffenen, um die Situation richtig einschäten zu können. Ich glaube deshalb, dass Sie Anfang ächsten Jahres einen Bericht bekommen werden, der die rwartungen, die der Bundestag damals in das Thema geetzt hat, bei weitem übertreffen wird. Deshalb bitte ich ie an der Stelle einfach noch um ein wenig Geduld. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fakten sind doch Fakten!)


Was haben wir fünftens getan? Wir haben die Mittel
ür die Begabtenförderung, insbesondere für die Promo-
ionsstipendien, von 30 auf 50 Millionen Euro jährlich
ngehoben. Damit steht einem Promotionsstudierenden
n den Begabtenförderungswerken jetzt ein monatliches
alär von 1 050 Euro zur Verfügung.

Was haben wir sechstens gemacht? Wir haben in den
roßen Forschungsprogrammen Nachwuchsgruppen eta-
liert, zum Beispiel im Gesundheitsforschungspro-
ramm oder im Programm der empirischen Bildungsfor-
chung.

Wir haben siebtens die Programme „PhD-Net“ und
ganz erfolgreich – auch das Programm „International
romovieren“ gestartet.

Und wir haben achtens mit dem KISSWIN-Netzwerk
in erfolgreiches Netzwerk etabliert. Ich konnte im letz-
en Jahr selber die entsprechende Tagung eröffnen, auf
er junge Nachwuchswissenschaftler nicht nur Transpa-
enz im Hinblick auf ihren Karriereweg bekommen, son-
ern sich auch erfolgreich vernetzen können.

Wir haben neuntens die Rückkehrperspektiven nach
uslandsaufenthalten verbessert. Ich glaube, die
lexander-von-Humboldt-Professur ist etwas, was in der
anzen Welt Beachtung findet. Gleichzeitig, seit 2009,
ibt es auch das DAAD-Programm zur Rückführung und
ückgewinnung von deutschen Wissenschaftlern.

Doch nicht nur die Bundesregierung direkt, sondern
uch die DFG hat ermöglicht, dass zukünftig Promovie-
ende – Sie haben ihre Arbeitsverhältnisse angespro-
hen – mehr als 50 Prozent einer Stelle in Anspruch
ehmen können. Die DFG hat 301 Graduiertenkollegs
nd -schulen gebildet. Wir haben das Emmy-Noether-
rogramm und die Heisenberg-Professur, den Heinz-
aier-Leibnitz-Preis und vieles andere.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist alles nicht neu!)


Also, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen
nd Kollegen von der SPD, ich glaube, es wird deutlich:
as, was die Regierung in den letzten Jahren auf den
eg gebracht hat, ist das, was Deutschland braucht,

ämlich die Leistungsträger in unserem Land – und das
ind die Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nach-
uchswissenschaftler – deutlich zu stärken. Wir haben

ine Vielzahl von Initiativen. Mit der vorliegenden Stu-
ie und der Fortschreibung des von uns erstmals vorge-
egten „Bundesberichtes zur Förderung des Wissen-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8549

Parl. Staatssekretär Dr. Helge Braun


(A) )


)(B)

schaftlichen Nachwuchses“ werden wir an dem Thema
weiter arbeiten, damit die jungen Menschen in Deutsch-
land, die Nachwuchswissenschaftler, bei guten berufli-
chen Perspektiven entscheidend dazu beitragen können,
dass Deutschland eine gute Zukunft hat.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu hat Ihre Rede aber nicht beigetragen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707812100

Das Wort hat die Kollegin Dr. Petra Sitte von der

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707812200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man muss

Studien wirklich ernst nehmen und auch lesen können.
Und die Studie der HIS GmbH, die Anlass dieser De-
batte ist, zeigt eines ganz deutlich: Das Rennen um die
Einwerbung zusätzlicher Forschungsgelder, also um die
sogenannten Drittmittel, führt zu einer deutlichen Ver-
schlechterung der Beschäftigungsbedingungen des wis-
senschaftlichen Nachwuchses an Wissenschaftseinrich-
tungen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Zwischenzeitlich arbeiten mehr Wissenschaftlerin-
nen und Wissenschaftler auf solchen Drittmittelstellen
als auf Stellen, die aus den regulären Haushalten finan-
ziert werden. Der wissenschaftliche Mittelbau bzw.
Nachwuchs bildet heute die Verschiebemasse in den
Haushalten von Hochschulen und Instituten. Die Betrof-
fenen sind quasi zum akademischen Proletariat gewor-
den.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU)


Alle bisherigen Studien, auch diese jüngste, zeigen uns:
Wer in das deutsche Wissenschaftssystem einsteigt, kann
auch gleich auf einem Vulkan tanzen. Es ist nämlich völ-
lig offen, ob man sich halten kann, oder ob man wieder
ausgestoßen wird. Wissenschaftliche Dauerstellen – das
haben Sie schon gesagt, Herr Kollege – im Mittelbau
verglühen nämlich immer mehr. Laut HIS-Umfrage ha-
ben nur noch 9 Prozent der Befragten an Universitäten
und 6 Prozent an außeruniversitären Einrichtungen eine
unbefristete Stelle inne. Es dominiert die befristete Be-
schäftigung. Doch damit nicht genug: Auch die Dauer
der Befristung wird ständig eingedampft. Deutlich mehr
als die Hälfte der Befragten hat einen Vertrag mit einer
Laufzeit von weniger als 24 Monaten. Ein Viertel der
Bezugsgruppe hat einen Vertrag mit einer Laufzeit von
weniger als einem Jahr. Dann finden sich noch ganz bi-
zarre Erscheinungen. Uns wird in jüngster Zeit immer
öfter von Monats- oder sogar Wochenverträgen berich-
tet, und das im Wissenschaftsbereich.

Deutschland, ein Land der Ideen, wie Sie immer so
schön sagen? Angesichts dieser Entwicklung kommen
Hochqualifizierte nur auf eine Idee: Weggehen, und das

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(C (D ieber heute als morgen. Das tun sie auch in großem aße. Sie tun das, weil sie mit den Perspektiven ihres erufs, mit ihrem Einkommen und mit den Ungewisseiten, die solche existenziellen Konkurrenzkämpfe mit ich bringen, unzufrieden sind. Wie schon gesagt: Das alles ist nicht neu. Zuletzt hat ich der Forschungsausschuss 2009 in einer großen Anörung damit beschäftigt. Die Erkenntnisse daraus blieen nahezu folgenlos. Was Sie aufgezählt haben, Herr raun, existiert schon lange. Das sind überhaupt keine riginären Leistungen dieser Bundesregierung. (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as Einzige, was Sie nach dieser Anhörung gemacht ha-
en, ist, ein Internetportal zu schaffen, damit man die
tellenvermittlung besser gestalten kann. Ansonsten se-
en Sie Ihre Aufgaben der Förderung des Nachwuchses
it der Projektförderung und vor allem mit der Exzel-

enzinitiative als erledigt an.

Die Exzellenzinitiative löst die Probleme aber nicht,
ondern sie verschärft sie weiter. Ich will das kurz erklä-
en. Man hat also, wie Sie schon erwähnt haben, etwa
000 Projektstellen in einem hochspezialisierten Be-

eich geschaffen. Das ist zusätzliches Personal. Dieses
nd das bereits vorhandene Personal steuern auf das
leiche Nadelöhr zu. Dahinter liegen die bereits erwähn-
en höchst seltenen Dauerstellen. Dort aber gibt es, wie
ir wissen, keinen Aufwuchs. Deshalb werden von den
ielen über die Exzellenzinitiative Geförderten später
iele keine Beschäftigung an Hochschulen und Instituten
inden. Die Gewerkschaften haben uns früh auf diesen

iderspruch hingewiesen. Schon deshalb hätte weder
ot-Grün die Exzellenzinitiative noch Schwarz-Rot spä-

er das Wissenschaftszeitvertragsgesetz beschließen dür-
en. Erst dieses Gesetz hat die unbegrenzte Befristung
on Drittmittelstellen möglich gemacht.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Wie dem auch sei: Wenn sich mit dieser Debatte eine
hance eröffnet, diese Fehler zu korrigieren, dann soll-

en wir sie entschlossen nutzen. Tilgen Sie die Fehler im
esetz; einige sind schon genannt worden. Kippen Sie
ie Tarifsperre, damit Gewerkschaften und Arbeitgeber
ktiv gegen diese miesen Arbeitsbedingungen im Dritt-
ittelbereich vorgehen können. Stellen Sie endlich das
ooperationsverbot ins Abseits, damit das Ausufern des
rittmittelsektors begrenzt werden kann. Stellen Sie die
asisfinanzierung von Hochschulen und Forschungsein-

ichtungen auf sichere Füße. Schließlich – da kann ich
ich meinem Kollegen aus der SPD-Fraktion nur an-

chließen –: Legen Sie ein Stellenprogramm von Bund
nd Ländern vor, damit insbesondere im Postdocbereich,
lso in der Zeit nach der Promotion, verlässliche Be-
chäftigungschancen angeboten werden können.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


8550 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010


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)(B)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707812300

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Martin Neumann

von der FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Martin Neumann (FDP):
Rede ID: ID1707812400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die Zukunftsperspektive junger Menschen
beschäftigt dieses Haus des Öfteren. In der Vergangen-
heit haben wir oft über Bildungsverlierer, Schulabbre-
cher und dergleichen gesprochen. Heute, in dieser De-
batte, stellen wir uns die Frage nach der Situation derer,
die eigentlich auf der Sonnenseite der Gesellschaft ste-
hen müssten. Letztendlich geht es um diejenigen, die den
Sprung in das wissenschaftliche Ausbildungssystem ge-
schafft haben und – das sage ich auch als Hochschulpro-
fessor – den Weg in Richtung Wissenschaft gehen wol-
len.

Wie geht es also unseren Doktoranden, Postdoktoran-
den und Juniorprofessoren? Die Studie, auf die diese Dis-
kussion Bezug nimmt, die HIS-Studie, basiert auf Zahlen
aus dem Jahr 2009. Die Frage, wie es heute aussieht,
muss man sicherlich durchaus differenziert beantworten.
Bei den Doktoranden – das will ich an dieser Stelle deut-
lich sagen – sind wir im Vergleich mit dem EU-Durch-
schnitt viel besser. In den 27 Mitgliedstaaten der EU gibt
es im Durchschnitt 2,7 Promotionen je 100 Hochschulab-
schlüsse. Wir haben eine Quote von 14,2 Prozent. Wir
sind besser als Frankreich, besser als Großbritannien und
sogar besser als Finnland. An dieser Stelle sage ich: Die
OECD hat es versäumt, uns dafür einen Lorbeerkranz zu
überreichen. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Punkt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Hier kann – das ist in der Bildung allgemein so – sicher-
lich das eine oder andere besser gemacht werden.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Darüber reden wir doch jetzt!)


Ein Artikel in der FAZ stand unter der Überschrift
„Fördert mich, ich bin Forscher!“. In diesem Zusammen-
hang ist die Frage zu klären: Wie kann man Defizite mit
Programmen beispielsweise auch aus der Bundespolitik
bereinigen? Ich spreche auch die Landespolitik an; dazu
komme ich gleich noch. Im Kern – das ist eine Diskus-
sion, die wir im Herbst vergangenen Jahres hatten – geht
es um die qualifizierte Betreuung, die Planbarkeit und
die Finanzierungsmöglichkeiten. Die Hochschulen ma-
chen das schon, wenn wir sie nur lassen. Wir müssen den
Hochschulen die Möglichkeit geben. Sie antworten mit
strukturierten Promotionsprogrammen und Graduierten-
kollegs, um an der Stelle nur einige Punkte zu nennen.
Auch die Stipendienprogramme der Begabtenförder-
werke sind ein wesentlicher Bestandteil, um hier etwas
deutlich zu verbessern.

Das Thema Projektarbeit sowie befristete Arbeitsver-
träge sind in der Tat ein Problem. Wenn Sie einmal in die
Studie gucken, werden Sie feststellen, woher die Klage
kommt. Die Klage kommt nicht von den Menschen mit
befristeten Arbeitsverträgen, sondern sie kommt im Re-

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(C (D elfall von denen, die einen unbefristeten Vertrag haben. ir müssen hier wirklich etwas tun, auch in Richtung ommunikation und Darstellung. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das ist Quatsch! Es gibt kaum Leute mit unbefristeten Verträgen!)


Das steht da drin, Herr Schulz. Das ist so.

Was tut die Bundesregierung? Ich will an dieser Stelle
och einmal deutlich hervorheben – Staatssekretär Braun
at das gerade gesagt –: Wir haben mit der dritten Säule
es Hochschulpakts etwas für eine bessere Lehre getan.
Milliarden Euro gibt es beispielsweise für mehr Stel-

en. Klar ist, dass das eine oder andere zu tun ist. Wir ha-
en nicht die Verhältnisse wie beispielsweise in Großbri-
annien, etwa einen Lecturer oder solche Dinge. Wir
rauchen sicherlich eine strukturiertere Position.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das ist ja schon mal was!)


Natürlich. Darüber muss man in Zukunft nachdenken. –
ir brauchen rechtliche Rahmenbedingungen – das ist

ie Aufgabe dieser Bundesregierung –, um Deutschland
ttraktiv, forschungsfreundlich und international konkur-
enzfähig zu machen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir reden über ein Thema, das von ureigenem landes-
olitischen Interesse ist. Das ist an verschiedenen Stellen
iskutiert worden. Ich komme aus Brandenburg. Die
issenschaftspolitik im rot-rot regierten Brandenburg

st meiner Ansicht nach wirklich beängstigend.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


tellen Sie sich bitte Folgendes vor: Die Landesregie-
ung vereinbart mit den Hochschulen einen Hochschul-
akt. Die Hochschulen bilden Rücklagen. Das wird ge-
an, um eine langfristige Perspektive zu bekommen.
ann gibt es plötzlich Probleme im Haushalt, und dann
reift man einfach einmal in die Tüte.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Sie haben das Geld aus dem Personalhaushalt! Das ist Quatsch, was Sie erzählen! Sie haben die Leute nicht eingestellt! Deshalb ist das Geld übrig geblieben!)


Fragen Sie doch einmal die Kollegen, die letztendlich
eine Perspektive sehen, weil es keine verlässliche
ochschulpolitik gibt. Es geht nicht nur um diese
0 Millionen Euro. Es geht darum, dass man in beste-
ende Verträge eingreift und so Planbarkeit verhindert.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das Geld ist nicht für die Personalpolitik ausgegeben worden!)


Liebe Frau Sitte, das sind Rücklagen. Man bildet
ücklagen für eine langfristige Personalentwicklung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


as führt meiner Ansicht nach dazu – gestatten Sie mir
iesen Satz –, dass junge Wissenschaftler dann nicht
ehr an einen Vertrag glauben, sondern fragen: Was ist

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8551

Dr. Martin Neumann (Lausitz)



(A) )


)(B)

die Perspektive an dieser Hochschule? Das schadet uns
sehr. Darum habe ich Angst.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Die Hochschulen haben nicht eingestellt! Deshalb war das Geld übrig!)


Ich bitte Sie, diese Angst an der Stelle so zu erkennen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir brauchen in der Zukunft Aktivitäten, die langfris-
tig und planbar sind, um ein besseres und in der Tat im-
mer wieder zu veränderndes und weiterzuentwickelndes
Hochschul- und Wissenschaftssystem zu haben.

Ich bedanke mich. Glück auf!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707812500

Das Wort hat die Kollegin Krista Sager von

Bündnis 90/Die Grünen.


Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707812600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr

Braun, Sie haben richtig festgestellt, dass unser wissen-
schaftlicher Nachwuchs Spaß an der wissenschaftlichen
Arbeit hat. Aber das muss er nicht an deutschen Hoch-
schulen machen. Das muss er noch nicht einmal in
Deutschland machen. Sie haben offensichtlich überhaupt
keine Ahnung, wie es für den wissenschaftlichen Nach-
wuchs an deutschen Hochschulen inzwischen aussieht.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)


Befristete Arbeitsverhältnisse, Teilzeitarbeit, neben-
berufliche Tätigkeit, prekäre Beschäftigungsverhält-
nisse, und zwar für Leute, die Daueraufgaben in For-
schung und Lehre leisten – das ist inzwischen der
Normalfall. Für einen wirklich guten Postdoc gibt es
kaum Möglichkeiten, durch den engen Karriereflaschen-
hals zu einer ordentlichen Professur zu kommen. Auf
30 Promovierte kommen 3 Habilitierte und eine ordent-
liche Professur.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja!)


Sie weisen darauf hin, dass wir so viele Graduiertenpro-
gramme haben. Durch diese wird doch der Druck auf
diesen engen Flaschenhals nur größer. Dadurch wird das
Problem nicht gelöst.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Sie haben für den wissenschaftlichen Nachwuchs
überhaupt keine Berechenbarkeit, überhaupt keine Plan-
barkeit der Karriere geschaffen. Im Gegenteil: Der wis-
senschaftliche Nachwuchs läuft heute Gefahr, dass er im
fünften Lebensjahrzehnt immer noch befristete Stellen
hat, immer noch als Nachwuchs gilt und am Ende als
Überqualifizierter und Gescheiterter im beruflichen Nir-
wana landet. Das kann doch nicht die Perspektive in un-
serem Wissenschaftssystem sein.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Viele deutsche Postdocs arbeiten in den USA. Sie wür-
en liebend gerne nach Deutschland zurückkommen;
ber das ist für sie ein Hochrisikounternehmen. Wenn
an in den USA ein guter Postdoc ist, nützt es einem

ichts, wenn man gesagt bekommt, man könne auch bei
ns Postdoc werden. Die Postdocs wollen wissen, was da-
ach kommt. Herr Schulz hat recht, wenn er sagt, dass die
amiliengründung in dieser Lebensphase eher schwierig
t.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Es geht hier nicht um ein individuelles Problem einiger
ochqualifizierter, sondern um die Frage, wie attraktiv
er wissenschaftliche Beruf in Deutschland ist. Dies be-
rifft nicht nur unsere Hochschulen und unsere außeruni-
ersitären Forschungseinrichtungen, sondern dies ist ein
xistenzielles Problem unseres Wissenschaftssystems
nsgesamt. Es geht um dessen Wettbewerbsfähigkeit und
ualität in der Zukunft. Die Bundesregierung reagiert da-

auf mit Realitätsverweigerung. Wir haben eine Kleine
nfrage gestellt. Sie haben auf unseren Hinweis auf die

asante Zunahme von befristeten und nebenberuflichen
eschäftigungsverhältnissen noch am 10. November die-

es Jahres geschrieben, dass die Beschäftigungsverhält-
isse Ihrer Auffassung nach attraktiv und konkurrenzfä-
ig sind.

Wenn man Bund, Länder und auch einen Teil der
issenschaftsorganisationen betrachtet, sieht man, dass
egschauen oder kollektive Verantwortungslosigkeit – man

chiebt sich den Schwarzen Peter für das Problem ge-
enseitig zu – herrschen. Ich glaube, es ist überfällig,
ass Bund, Länder und Wissenschaftsorganisationen die
ragen nach den Arbeitsbedingungen für hauptberufli-
he Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den
ochschulen in Deutschland und nach den Perspektiven
nseres wissenschaftlichen Nachwuchses gemeinsam
anz oben auf die Tagesordnung setzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Dieses Problem ist weder beim Hochschulpakt, also
em Pakt für mehr Studienplätze, noch beim Pakt für For-
chung und Innovation angesprochen worden. Die Grund-
inanzierung in den Ländern bricht weg. Die Drittmittelfi-
anzierung des Bundes kann das nicht kompensieren. Wir
aben dadurch eine rasant ansteigende Zahl befristeter
eschäftigungsverhältnisse. Die Personalstruktur ist im

nternationalen Vergleich extrem ungünstig: 14 Prozent
rdentliche Professuren und darunter Nachwuchs und un-
elbstständiger Mittelbau mit unklaren Perspektiven in
efristeten Beschäftigungsverhältnissen. Mit einer sol-
hen Personalstruktur können wir in Deutschland nicht
eiter erfolgreich sein im Wettbewerb um die besten
öpfe.

8552 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Krista Sager


(A) )


)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Deswegen sage ich Ihnen: Wir brauchen jetzt ganz drin-
gend einen Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs, ei-
nen Pakt für die Zukunftsperspektiven der hauptberufli-
chen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Wir
brauchen Änderungen im Wissenschaftszeitvertragsge-
setz. Es hat nicht die gewünschten Ziele erreicht. Es ist ge-
scheitert; das muss man heute anerkennen. Wir brauchen
wissenschaftsgerechte Bedingungen. Wenn wir das nicht
schaffen, wird uns der demografische Wandel böse einho-
len. Die jungen Leute sind heute viel internationaler
orientiert, als es noch vor 20 Jahren der Fall war. So wer-
den wir die besten Köpfe weder für die Wissenschaft ge-
winnen noch sie hier halten können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707812700

Das Wort hat der Kollege Dr. Thomas Feist von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Thomas Feist (CDU):
Rede ID: ID1707812800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Der sagt uns jetzt, dass alles in Ordnung ist!)


– Ich habe doch noch gar nichts gesagt, Herr Schulz. Sie
müssen sich doch noch nicht aufregen.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Na ja! Man kennt sich!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben die
SPD als Partei der konsequenten Enthaltung kennenler-
nen dürfen, und zwar immer dann, wenn es um die Zu-
kunftsfragen unseres Landes geht. Eine Partei, die zu-
dem das Abrücken von ihren eigenen Programmpunkten
– das Zeitvertragsgesetz gehört dazu – zur alleinigen
Strategie erklärt, muss sich nicht wundern, wenn sie in
der öffentlichen Diskussion keine Rolle mehr spielt.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ach! Das ist doch einfach Unfug! – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Hören Sie doch mit diesem Popanz auf!)


Die Umfragewerte sprechen hier eine deutliche Sprache.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Man könnte sich nun fragen, welch eine Verzweiflung
bei den Chefideologen dieser Partei herrschen muss,


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Zum Thema! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Hallo?)


wenn sie versuchen, nicht nur ein Thema für sich zu be-
setzen, welches eine erschreckende Realitätsferne be-

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(C (D eugt, sondern gleich noch die medienkompatible Schlageile dazu liefern: „Fehlende Aktivitäten der Bundesegierung hinsichtlich der Zukunftsängste des wissenchaftlichen Nachwuchses“. an könnte vermuten, dass diese Formulierung auf die ektüre eines Buches des Psychologen Michael Thiel urückgeht, in dem er die Strategie „Mit Jammern zum rfolg“ ausbreitet. it der Realität hat das Beschwören von Zukunftsängsen allerdings nichts zu tun. (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Tun Sie doch nicht so, als wenn Sie das bei der GAIN-Conference nicht mitgekriegt haben!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Eine Art Zukunftsoptimismus breitet sich aus, „No
uture“ war gestern – so bilanzierte der Zukunftsforscher
orst Opaschowski vor wenigen Tagen. Das Sinus-Insti-

ut kommt in einer Studie zu dem Ergebnis: Zukunfts-
ngste sind zwar vorhanden, beziehen sich jedoch meist
uf die Tatsache, dass noch kein konkretes Berufsziel
orliegt. Die hohe Anziehungskraft, die von dem Berufs-
iel Wissenschaftler ausgeht, ist ungebrochen; das stel-
en wir fest. Allerdings gibt es strukturelle und weitge-
end bekannte Probleme


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ah!)


das kommt noch hinzu –, die insbesondere die Karriere-
lanbarkeit, die berufliche Sicherheit und die Gerechtig-
eit von Personalentscheidungen sowie die Möglichkei-
en der Vereinbarkeit von Familie und Beruf betreffen.


(Florian Pronold [SPD]: Mensch! Er spricht ja jetzt fast zur Sache!)


Allerdings ist auch das Problem der Verengung der
obperspektive allein auf den Hochschulraum bekannt.
enau das haben wir festgestellt, verehrte Kollegin
ager, als wir bei der GAIN-Conference in Boston wa-
en. Wir müssen die Studenten natürlich auch dafür sen-
ibilisieren, dass sie sich für Jobs in der Wirtschaft oder
n der Verwaltung interessieren; genau das brauchen wir.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht das Problem! Das Problem ist: Sie gehen in die Wirtschaft, weil sie in der Wissenschaft keine Chance mehr sehen!)


ine Verengung auf die Hochschulperspektive wird die-
es Problem nicht lösen.

Jetzt noch ein paar Fakten. An den deutschen Hoch-
chulen ist die Zahl der hauptberuflichen wissenschaftli-
hen Stellen in den letzten zehn Jahren um 26 Prozent
estiegen. Ist das Versagen? Die Zahl der Professoren-
tellen stieg im gleichen Zeitraum um 6 Prozent. Ist das
ichts?


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gilt nur für Fachhochschulen! An den anderen Hochschulen sind die Zahlen heruntergegangen!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8553

Dr. Thomas Feist


(A) )


)(B)

Die Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter stieg um
knapp 50 Prozent. Das sind doch Ergebnisse, die sich se-
hen lassen können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Allein für Sachsen bedeutet dies einen Anstieg um
27 Prozent. Ich kann Ihnen sagen: Das sind für die
Hochschulen in Sachsen die richtigen Impulse. Das sind
genau die Impulse, die die Bundesregierung gesetzt hat.
Trotz der Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung –
auch das gehört zur Wahrheit – ist das Volumen des Bil-
dungshaushalts in dieser Legislaturperiode so groß wie
nie. Das BAföG wurde erhöht, ebenso der Elternfreibe-
trag. Die Altersgrenze für den BAföG-Bezug wurde
deutlich heraufgesetzt. Mit der Einrichtung des Deutsch-
landstipendiums kämpfen wir für die Etablierung einer
neuen Anerkennungs- und Förderkultur für den wissen-
schaftlichen Nachwuchs.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Sie können zur Sache nichts sagen! Deshalb reden Sie ständig drum herum und spielen irgendwelche alten Platten ab!)


Nicht nur wir, sondern auch die Studierenden und die
Nachwuchswissenschaftler sehen deutlich: Von Tatenlo-
sigkeit der Bundesregierung kann hier keine Rede sein.
Das bestreiten wir. Auch die Zahlen und Fakten spre-
chen dagegen. Zukunftsangst ist vor allem eines: in der
Sache unbegründet.


(Florian Pronold [SPD]: Das klingt aber nicht überzeugend, so wie Sie das sagen!)


Eine aktuelle Studie stellt fest: 86 Prozent der Studen-
ten gehen davon aus, im Anschluss an das Studium zü-
gig eine Anstellung zu finden, die ihren Erwartungen
und Qualifikationen entspricht.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Thema!)


Ich wiederhole: 86 Prozent. Das durchschnittliche Ein-
stiegswunschgehalt stieg von 37 000 Euro im Jahr auf
38 000 Euro im Jahr. Das alles sind doch deutliche Si-
gnale, die Sie nicht negieren können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Thema!)


Diese Studie kommt zu dem Schluss: Von Zukunfts-
angst kann, jedenfalls in dieser Studentengeneration,
trotz der weltweiten Krise keine Rede sein.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gar nicht das Thema! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Thema verfehlt!)


Jetzt komme ich auf einen weiteren Aspekt zu spre-
chen. Frau Kollegin Sager, auch Sie haben, wie gesagt,
an der GAIN-Conference in Boston teilgenommen.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ja! Das wissen wir ja jetzt! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie hat aber etwas gelernt!)


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(C (D ir haben uns dort mit den Zukunftsängsten der Nachuchswissenschaftler, insbesondere der Postdocs, be chäftigt. uf die Frage, welche Zukunftsängste es gibt, wurde gentwortet: Es ist zu unsicher, dass befristete Professorentellen verlängert werden. An genau dieser Stelle haben ir nachgefragt. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine be ristete Professorenstelle verlängert wird, liegt bei „nur“ 0 Prozent. Wenn wir auf diesem hohen Niveau weiterammern wollen, bitte schön, dann können wir das gerne n. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum gehen sie denn dann ins Ausland, wenn sie davon nichts haben?)


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Spannend!)


Abschließend: Der Soziologe Ralf Dahrendorf hat
icht zu Unrecht gesagt: Das 20. Jahrhundert war das
ahrhundert der Sozialdemokratie. Willkommen im
ahr 2010!

Einen schönen Tag noch.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707812900

Nächste Rednerin ist die Kollegin Daniela Kolbe für

ie SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Daniela Kolbe (SPD):
Rede ID: ID1707813000

Frau Präsidentin! Werte Kollegen und Kolleginnen!

ber die Performance der schwarz-gelben Regierung
isher kann man ja wirklich trefflich streiten. Ich halte
ie für denkbar schlecht. Nur in einem Punkt würde ich
chwarz-Gelb halbwegs gute Noten ausstellen, und
war, wenn es darum geht, Sachen schön zu reden und
ohltaten anzukündigen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der CDU/CSU – Zurufe von der FDP: Oh, oh!)


Glaubt man Ihrer Rhetorik und der Rhetorik der Bun-
esregierung, dann sind die Arbeitssituation und die Zu-
unftsaussichten junger Wissenschaftler in unserem
and wirklich ganz ausgezeichnet.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: So ist das!)


ber wie sieht die Realität aus? Viele junge Forschende
ind in Teilzeit eingestellt und arbeiten trotzdem fast
ollzeit. Der übergroße Teil ist befristet eingestellt, und
as ohne eine wirklich längerfristige Perspektive. Zu
iele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen
n den Universitäten und Forschungseinrichtungen unse-
es Landes nur eine begrenzte Perspektive. Laut der ak-
uellen Studie sehen nur 20 Prozent der Befragten eine
arriere, die sie planen können. Zum Teil werden selbst
ostdocs, also Menschen, die eine Promotion hinter sich
aben, noch Stipendien angeboten. Das ist wirklich eine

8554 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Daniela Kolbe (Leipzig)



(A) )


)(B)

ziemliche Frechheit. Wenn man dann weiß, dass das
nicht nur an Universitäten passiert, sondern auch an vom
Bund mitfinanzierten Forschungseinrichtungen, dann
wird schlussendlich doch mindestens klar, dass es auch
in der Verantwortung des Bundes liegt, da etwas zu tun.

Aber was tut Frau Schavan? Da ist nichts zu hören au-
ßer warmen Worten, und heute ist von ihr nicht mal was
zu sehen. Sicherlich stimmt es, dass die Arbeitsverhält-
nisse für den wissenschaftlichen Nachwuchs einige Spe-
zifika haben. Denn viele junge Wissenschaftler und Wis-
senschaftlerinnen schätzen es durchaus, dass sie eine
Zeitlang einfach nur forschen und sich beweisen können.
Ihnen geht es oft gar nicht um den unbefristeten Arbeits-
vertrag mit einer 40-Stunden-Woche. Das zeigen auch
die Zahlen. Trotz dieser hochprekären Arbeitsbedingun-
gen und unsicheren Perspektiven sind die meisten Wis-
senschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ihrem Job zu-
frieden. Sie schätzen eigenverantwortliches Forschen,
und sie sind hochgradig motiviert. Aber wissenschaftli-
cher Idealismus allein sichert auf Dauer kein Auskom-
men.


(Beifall bei der SPD)


Nur mit Kant, Planck, Einstein usw. wird weder die
Wohnung warm noch Hunger gestillt noch für die Rente
vorgesorgt. Vor allem bedrücken junge Wissenschaftler
in unserem Land die Unsicherheit und die fehlende Plan-
barkeit ihrer Karrieren.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Zurück zur Planwirtschaft!)


Meine Damen und Herren, ein Blick auf die soziale
Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses wirft die
Frage auf: Können und wollen wir es uns wirklich leis-
ten, junge Akademikerinnen und Akademiker, die wir so
dringend brauchen, so lange in Unsicherheit zu lassen?
Wir sagen Nein. Weder wollen wir, dass junge Men-
schen in solcher Unsicherheit verharren, mit allen für sie
schmerzhaften persönlichen Konsequenzen wie Kinder-
losigkeit, dem Gedanken, auszuwandern, und schlicht
schlechter Lebensqualität, noch können wir es uns als
wissensbasierte Gesellschaft leisten, diese jungen Wis-
senschaftlerinnen und Wissenschaftler in solcher Unsi-
cherheit zu lassen.

Wir Sozialdemokraten meinen, Beschäftigungsver-
hältnisse müssen auch für Forscher in der Promotions-
phase zur Norm werden. Allein durch Stipendien können
wir diese Gruppe auf Dauer nicht halten


(Zuruf von der CDU/CSU: Nehmen Sie doch mal Geld in die Hand, Frau Kolbe!)


und nicht zufriedenstellen. Hier muss der Bund


(Zurufe von der CDU/CSU: Alles muss der Bund machen! Natürlich!)


als regelmäßiger Mittelgeber höhere Anforderungen an
gute Arbeitsbedingungen stellen.


(Uwe Schummer [CDU/CSU]: Haben die Länder auch eine Aufgabe?)


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(C (D Besonders dramatisch wirkt sich die permanente Unicherheit auf junge Frauen aus. Nicht nur, dass Frauen n wissenschaftlichen Führungspositionen noch immer o dramatisch unterrepräsentiert sind, dass selbst dem lieralsten Verfechter der reinen Leistungsgesellschaft das rausen kommen muss – n systematisch geringerer Leistung kann das ja wohl icht liegen –, nein, auch die mangelnde Vereinbarkeit on Familie und Beruf trifft in besonderem Maße rauen. Seien wir ehrlich: Die derzeitigen Arbeitsbedinungen im akademischen Berufsumfeld lassen es kaum u, dass junge Wissenschaftlerinnen Mütter werden. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr! Das wissen Sie!)


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Wer ist das?)


iele Frauen verschieben den Wunsch nach Kindern in
ine ferne Zukunft, doch der ideale Zeitpunkt für ein
ind kommt unter diesen Bedingungen selten oder nie.
erade junge Frauen – lesen Sie ruhig mal die Studie –

orgen sich mehr um ihre berufliche Perspektive und se-
en die größere Gefahr, abgehängt zu werden, wenn sie
inder bekommen.

Wir brauchen auch in den wissenschaftlichen Arbeits-
ruppen eine andere Kultur. Oft hängt es von der Stim-
ung und der Kultur in den Instituten ab, ob Kinder-
ünsche erfüllt werden. Dadurch wird die Bundes-

egierung aber nicht aus der Verantwortung entlassen.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das interessiert die Herren auf der Regierungsbank wenig!)


Gerade in der Postpromotionsphase, in der viele junge
orscherinnen an vom Bund mitfinanzierten außeruni-
ersitären Forschungseinrichtungen arbeiten, müssen
erlässliche Karriereperspektiven her: Arbeitsstellen in
er Wissenschaft, durch die ein Leben an einem Ort für
ine längere Zeit ermöglicht wird. Wir sagen: Tenure-
rack-Karrieren müssen auch in Deutschland häufiger
erden.


(Beifall bei der SPD – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das sagen wir auch!)


Die Probleme liegen auf dem Tisch, und sie sind er-
rückend. Wir reden in der Tat über eine Gruppe von Ar-
eitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die die Zukunft
nseres Landes mitbestimmen können. Nehmen Sie die
orgen dieser jungen Wissenschaftlerinnen und Wissen-
chaftler nicht nur in Sonntagsreden, wie heute hier im
eutschen Bundestag, sondern endlich auch in der rea-

en Politik ernst.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Tankred Schipanski [CDU/ CSU]: Machen wir!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707813100

Das Wort hat der Kollege Patrick Meinhardt für die

DP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8555


(A) )


)(B)


Patrick Meinhardt (FDP):
Rede ID: ID1707813200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen

und Kollegen! Ich darf nochmals den Titel dieser Aktu-
ellen Stunde zitieren: „Fehlende Aktivitäten der Bundes-
regierung hinsichtlich der Zukunftsängste des wissen-
schaftlichen Nachwuchses“.


(Beifall bei der SPD)


Das ist ein beachtlicher Titel, so präzise auf den Punkt
gebracht und so knackig. Vielleicht könnte man in Rich-
tung SPD eher sagen: fehlende Fähigkeit der SPD hin-
sichtlich der verständlichen Formulierung des Themas
einer Aktuellen Stunde.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Unheimlich witzig!)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, um was geht
es in der Debatte? Es geht um die grundlegende Frage:
Wie attraktiv ist Deutschland für junge Wissenschaftle-
rinnen und junge Wissenschaftler? Wenn wir in die Stu-
die hineingucken, dann sehen wir eine zentrale Aussage
dazu: Trotz aller Hürden ist der Beruf der Wissenschaft-
lerin und des Wissenschaftlers ein attraktives Ziel.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja, der Beruf, aber nicht in Deutschland!)


Durch unendlich viele Aktivitäten im Rahmen des
Pakts für Forschung und Innovation, des Hochschul-
pakts, der Exzellenzinitiative, des Professorinnenpro-
gramms und des Stipendiatenprogramms wird sehr deut-
lich, dass Deutschland im Moment sein Gesicht ändert.
Deutschland wird als Wissenschaftsstandort von Jahr zu
Jahr attraktiver.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es ist aber richtig: Man muss sich anhören, was bei-
spielsweise die jungen Studierenden und die Doktoran-
den auch in den Netzwerken wie GAIN, dem German
Academic International Network, sagen. Dabei werden
natürlich auch Punkte angesprochen, denen wir uns un-
ter allen Umständen mit einer gewissen Sorgsamkeit
widmen müssen, zum Beispiel wird dort gefordert, dass
es auch für Partnerinnen und Partner verstärkt Angebote
geben soll und dass es auch eine familienfreundliche In-
frastruktur an unseren Hochschulen geben muss, um die
Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erhöhen.

Gucken wir uns doch einmal die Realität an. Wir ha-
ben Schritt für Schritt Veränderungen herbeigeführt. Die
TU und das Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbio-
logie und Genetik in Dresden betreiben gemeinsam eine
Kindertagesstätte. Genau das ist der Weg, den wir be-
schreiten müssen, um familienfreundliche Strukturen in
den Forschungseinrichtungen und den Universitäten her-
zustellen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es ist dringend notwendig, dass wir uns auch damit
auseinandersetzen, wo wir jungen Menschen, jungen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Perspekti-
ven geben können. Natürlich ist der Hochschul- bzw.
Universitätsbereich dabei von zentraler Bedeutung. Es

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(C (D st aber eine genauso klare Ansage, dass wir attraktive erspektiven auch im Bereich der Wirtschaft, im Mitteltand und bei den forschenden Unternehmen anbieten ollen. Im vergangenen Jahr haben wir sage und chreibe 67 Milliarden Euro durch Unternehmen geneiert, in denen Forschung und Entwicklung der zentrale unkt ihres unternehmerischen Schaffens gewesen ist. s ist doch gut, wenn die jungen Menschen dort arbei en, eine Perspektive für sich entwickeln können und ine attraktive Zukunftsperspektive für sich sehen, und as muss man auch als klares Ziel einer vernünftigen issenschaftspolitik deklarieren. Schauen Sie sich an, was wir nicht nur durch die Forchung, sondern auch durch die Lehre in den Bereich ualitätsoffensive investieren. Das ist ein ganz klares eichen. Mit den 2 Milliarden Euro aus dem Qualitätsakt Lehre leisten wir eine Investition in die Zukunft unger Menschen. Dadurch soll auch dazu beigetragen erden, dass der Lehrstandort Hochschule für junge achwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ttraktiver gestaltet wird. Das ist ein Ergebnis unserer hristlich-liberalen Politik. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Wissenchaftsorganisationen konnten von 2006 bis 2010 eine ährliche Steigerung von 3 Prozent verzeichnen, und ab 011 wird die Steigerung bei 5 Prozent jährlich liegen. ies unterstützt diese Koalition, um außeruniversitäre orschungsstandorte zu stärken und um jungen Wissenchaftlern Alternativen und attraktive Möglichkeiten zu ieten. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das muss aber auch ankommen in dem Bereich!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brau-
hen in diesem Land ein richtiges Grundgefühl, eine
ichtige Grundstimmung, eine richtige Grundeinstellung.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Und Sie sagen uns, wie die Stimmung ist?)


eswegen ist es immer wieder schön, wenn junge Wis-
enschaftlerinnen und Wissenschaftler von sich aus sa-
en, dass sie in diesem Land eine Perspektive haben.
iese Perspektive lassen wir uns von der Opposition

uch nicht kaputtreden.

Der nächste Schritt – diesen hat der Staatssekretär für
ächstes Jahr angekündigt –, den wir jetzt nach der De-
atte machen müssen, ist, dass wir aufzeigen, wie wir
ieses Land im Bereich der Wissenschaftsfreiheit voran-
ringen. Dann haben wir die Chance, im kommenden
ahr eine Diskussionskultur über mehr Wissenschafts-
reiheit in der Bundesrepublik Deutschland zu etablieren
nd auf diesem Wege die dynamische Forschungspolitik,
ie ein Qualitätszeichen dieser Bundesregierung ist, fort-
uschreiben.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


8556 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010


(A) )


)(B)


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707813300

Der Kollege Klaus Barthel ist nun der nächste Redner

für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Klaus Barthel (SPD):
Rede ID: ID1707813400

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Ich will zuerst versuchen, das Thema in den Ge-
samtzusammenhang zu stellen.

Wir haben heute Vormittag eine heftige Debatte über
die Rente mit 67 geführt. Die Koalitionsredner haben
wieder einmal ihr Mantra von der Demografie herunter-
geleiert. Aber ein Blick in die Demografiegeschichte
zeigt doch, dass wir den gravierendsten demografischen
Wandel, was das Verhältnis der erwerbstätigen Bevölke-
rung zur Gesamtbevölkerung angeht, bereits hinter uns
haben. Obwohl sich dieser demografische Wandel bei
uns in den letzten 100 Jahren vollzog, haben wir hohe
Wachstumsraten erzielt und den Sozialstaat ausgebaut,
und zwar trotz der Kriege und Krisen.

Warum ging das überhaupt? Es ging, weil sich die
Produktivität der Arbeit schneller entwickelt hat als der
demografische Wandel. Denn wenn es nur nach der De-
mografie ginge, müssten Bangladesch, Guatemala und
der Kongo das beste Rentensystem haben.

Die Produktivität hängt von der Qualität der Arbeit ab
und diese Qualität wiederum von den Fertigkeiten und
Fähigkeiten der Erwerbstätigen. Dabei spielen die Berei-
che Wissenschaft, Forschung und Entwicklung eine zen-
trale Rolle, weil wir aus dem Wertprodukt dieser Arbeit
alles, also auch den Staat, die Sozialversicherung und die
Wissenschaft, finanzieren.

Umgekehrt gilt: Fehlende Bildung, fehlende Qualifi-
kation, fehlende Wissenschaft und fehlende Forschung
würden uns erhebliche Wohlstandsverluste bescheren.
Die Prognos AG hat zum Beispiel errechnet, dass sich,
sofern wir nichts tun – und hier sind wir bei der Untätig-
keit der Bundesregierung –, eine immer größere Arbeits-
kräftelücke insbesondere im Bereich der Fachkräfte und
Akademiker auftun wird.

Man kann nicht allen Zahlenspielen, die es dazu gibt,
folgen, aber die Größenordnungen, die aufgezeigt wer-
den, müssen uns doch zu denken geben. Von heute bis
2030, so Prognos, baut sich unter Berücksichtigung der
Qualifikation ein Wachstumsverlust von mehr als 5 Bil-
lionen Euro auf. Damit fällt das Bruttoinlandsprodukt je
Einwohner im Jahre 2030 um 4 000 Euro weniger aus,
wenn wir nichts tun. 2030 haben wir nur noch ein halb
so großes Wachstum, wenn wir nichts tun. Daher ist es
notwendig, dass wir in den Bereichen Bildung und Wis-
senschaft handeln.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Gut, dass ihr mal zum Thema redet!)


Man wird den Eindruck nicht los, dass die Bundesre-
gierung hier zwischen Ignoranz und Untätigkeit einerseits
– das haben wir heute gerade wieder gehört – und einer
interessengeleiteten Hysterie andererseits schwankt.

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(C (D Sie führen gerade eine kurzatmige Debatte über Zuanderung und darüber, wie man Hochqualifizierte ins and holt. Herr Brüderle und Teile der Union würden um Beispiel gerne die Einkommensmindestgrenzen für achkräfte absenken. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sie können schon kommen! Jeder, der kommen will, kann kommen!)


ie wollen Akademiker aus aller Welt anlocken, um
ruck auf die Arbeitsbedingungen für die Wissenschaft-

erinnen und Wissenschaftler auszuüben. Das ist reines
ohndumping auch noch in diesem Bereich. Es ist alles
ndere als eine Lösung des Problems, über das wir heute
eden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Noch gibt es keinen generellen Fachkräftemangel. Ich
ill nicht in die Hysterie mit einstimmen, aber Sie sind
abei, ihn zu produzieren. Deswegen müssen Sie endlich
ie Studien- und Arbeitsbedingungen für den wissen-
chaftlichen Nachwuchs deutlich verbessern. Es kann
och nicht wahr sein, dass ausgerechnet der öffentliche
orschungs- und Wissenschaftsbetrieb vom Idealismus
er dort Tätigen lebt und ansonsten in diesem Bereich
ie Prekarität die Regel ist: von Befristung zu Befristung
ei Teilzeitbezahlung für Vollzeitarbeit frei nach dem
otto „Nur die Not gebiert Großes“, wenngleich sie

uch keine Kinder gebiert, weil die Zukunft unklar ist,
ie wir gehört haben.

Die Entwicklung zieht sich inzwischen bis in die Eh-
enamtlichkeit hinein. Mir ist heute der Mustervertrag
iner namhaften deutschen Hochschule vorgelegt wor-
en. Darin ist unter anderem vorgesehen, dass sich
ehrbeauftragte, die in einem öffentlich-rechtlichen
echtsverhältnis stehen, verpflichten, die einschlägigen
rbeitssicherheits- und Unfallverhütungsvorschriften

inzuhalten. Das Ganze nennt sich Lehrauftrag. Der
ernsatz lautet:

Eine Vergütung des Lehrauftrages erfolgt nicht.

Meine Damen und Herren, heben Sie die Tarifsperre
m Wissenschaftszeitvertragsgesetz auf!


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das war Ihre eigene Ministerin, die das eingeführt hat! Sie sind schon lange dabei! Das müssen Sie doch wissen!)


uch wissenschaftliche Arbeit ist Arbeit, und Arbeit
uss der Tarifautonomie unterliegen. Ersetzen Sie pre-

äre durch reguläre Arbeit! Schaffen Sie Dauerstellen
ür Daueraufgaben! Sie wollen sicherlich nicht behaup-
en, dass die wissenschaftliche Arbeit keine Dauerauf-
abe ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir werden den internationalen Wettbewerb um die
esten Köpfe, wie es so schön heißt, nicht im Wettlauf
m die miserabelsten Arbeitsbedingungen gewinnen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8557

Klaus Barthel


(A) )


)(B)


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707813500

Nächster Redner ist der Kollege Tankred Schipanski

für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Tankred Schipanski (CDU):
Rede ID: ID1707813600

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Die SPD veranstaltet heute eine erstaunlich
populistische Aktuelle Stunde.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Linke tanzt auf einem heißen Vulkan, und die SPD
springt auf die jüngst veröffentlichte HIS-Studie „Wis-
senschaftliche Karrieren“ auf. Die darin angesprochenen
Probleme sind allseits bekannt. Lösungsvorschläge wer-
den diskutiert und Maßnahmen ergriffen.

Die Vertreter der christlich-liberalen Koalition sind
im regen Gedankenaustausch mit jungen Wissenschaft-
lern vor Ort in den Hochschulen, aber auch mit den Ver-
tretern der Jungen Akademie. Wir haben ein Ohr für
diese Probleme. Dazu braucht es keine Aktuelle Stunde.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Bereits in vorangegangenen hochschulpolitischen De-
batten haben wir uns klar dazu bekannt, eine kalkulier-
bare Laufbahnperspektive für junge Wissenschaftler
zum Beispiel nach dem Vorbild des Tenure Track weiter
auszubauen und den Ausbau unbefristeter Stellen im
akademischen Mittelbau voranzutreiben. Die Befristung
von Stellen im akademischen Mittelbau auf maximal
zwölf Jahre durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz
ist aber im Grundsatz sehr sinnvoll. Sie dient dem Wett-
bewerb. Sie gibt dem wissenschaftlichen Nachwuchs ei-
nen Orientierungsrahmen und den nötigen Schub, um
Dissertationen abzuschließen und Habilitationen anzu-
gehen. Sie vermeidet, dass Menschen über Jahrzehnte
auf Qualifizierungsstellen sitzen, ohne nennenswerte
Forschungsergebnisse zu produzieren und ohne Anreize
zu haben, im akademischen System weiter aufzusteigen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Doch sehen wir durchaus auch einen Korrekturbedarf
mit Blick auf bessere Rahmenbedingungen für den wis-
senschaftlichen Nachwuchs.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja ganz neu!)


Die Kollegen der SPD sollten aber auf den Adressaten
ihrer Aktuellen Stunde achten. Gefordert ist nicht primär
der Bund; gefordert sind die Länder und die Hochschu-
len.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D chon heute haben die Wissenschaftseinrichtungen die öglichkeit, Mitarbeiterstellen nicht zu teilen, Junior rofessorenstellen einzurichten und Tenure-Track-Opionen zuzulassen. Sie machen davon aber einfach nicht usreichend Gebrauch. Der Bund stellt bereits umfassend Mittel zur Verfüung, die allen voran dem wissenschaftlichen Nachuchs zugutekommen. Wir haben von Graduiertenschu en im Rahmen der Exzellenzinitiative gehört. ußerdem geben wir Mittel im Rahmen des Hochschulakts 2020. Ferner stellen wir Mittel bereit im Rahmen es Pakts für Forschung und Innovation. Darüber hinaus nterstützen wir Promotionsstipendien, Nachwuchsruppen und Netzwerke. Meine Damen und Herren, wir dürfen nicht verkenen, dass die Grundfinanzierung einer Hochschule Länersache ist. Drehund Angelpunkt sind die Haushaltstellen, die eine Hochschule braucht. Dabei ist nicht der und, sondern dabei sind die Länder in der Pflicht. Das Handelsblatt titelte am 12. Oktober dieses Jahes: Bund sichert Überleben der Hochschulen. eiter heißt es dort: Stück für Stück steigt der Bund in die Grundfinanzierung der Hochschulen ein – und übernimmt damit ureigene Aufgaben der Länder. Die FAZ berichtet am 25. November: Das Fundament iner Grundfinanzierung der Hochschulen bröckelt. Den nis fehlt Planungssicherheit für ihre Entwicklungen nd Profilbildungen. Länder verweigern sich, ihre Hausalte zugunsten von Bildungsund Innovationsausgaben mzugewichten. Fakt ist, dass die Länder nicht mehr gieren, sondern nur noch reagieren. Schlimmer noch: Sozialdemokratische Kultusminiser, wie beispielsweise der Kultusminister in Thüringen, paren im Hochschulbereich. Wir haben heute auf der esuchertribüne Gäste aus Thüringen. In der Zeit hieß es am 11. November: Allen Versprechungen zum Trotz geben die Landesregierungen weniger Geld für Bildung aus. Im kleinen Bundesland Thüringen kürzt SPD-Bilungsminister Christoph Matschie für das Haushaltsjahr 011 den Hochschulen 20 Millionen Euro. Er kündigt infach aus heiterem Himmel einen Pakt des Landes mit en Hochschulen. Der Kollege Neumann hat dies für randenburg bereits dargestellt. Im gleichen Atemzug erhält Thüringen durch den ochschulpakt 2020 hören Sie doch erst einmal zu – vom Bund 16 Millioen Euro für das Jahr 2011 zusätzlich für seine Hoch 8558 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Tankred Schipanski )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Zurufe von der SPD)


(Zurufe von der SPD)


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schulen, also für Studienplätze und wissenschaftlichen
Nachwuchs.

Wissen Sie, was die Demonstranten in Thüringen sa-
gen? Sie sagen: Uni-Tod in Raten: Danke, liebe Sozial-
demokraten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die SPD sollte sich lieber darum kümmern, nicht die
Grundfinanzierung der Hochschulen zu kürzen. Damit
wäre dem wissenschaftlichen Nachwuchs mehr geholfen
als mit einer populistischen Aktuellen Stunde im Bun-
destag.

Die christlich-liberale Koalition in Berlin schürt keine
Zukunftsangst beim wissenschaftlichen Nachwuchs.
Dies macht die SPD mit ihren Ministern wie Christoph
Matschie, der das Fundament der Grundfinanzierung der
Hochschulen nachhaltig schädigt, und dies im Zeitalter
der Bildungsrepublik Deutschland.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707813700

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Ernst Dieter

Rossmann für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1707813800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Beste bei solchen Debatten wäre, wenn wir uns alle
vornehmen, dass diese Reden, die wir hier wechselseitig
halten, an den Hochschulen im Bereich des wissen-
schaftlichen Nachwuchses verteilt werden oder auch bei
der Landesregierung von CDU und SPD in Thüringen.


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Wer ist Kultusminister?)


Ich will damit nur sagen: Wir können uns das jetzt wech-
selseitig in die Schuhe schieben. Ein Kollege hat Bran-
denburg angeführt. Wir könnten Bayern anführen. Sie,
Herr Schipanski, haben Thüringen angeführt. Wir könn-
ten fragen, wer in Thüringen regiert. Lassen wir das.

Ich finde, wir hatten einen guten Einstieg in das
Thema durch die Rede des Kollegen Schulz. Herr Staats-
sekretär Braun hat dann richtigerweise auf die Ambiva-
lenz in der HIS-Studie abgehoben. Dieser Studie ist bei
den Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaft-
lern viel Begeisterung für die Wissenschaft zu entneh-
men, aber auch viel Sorge um die Bedingungen, unter
denen man eine optimale Leistung der Wissenschaft
schaffen will und kann.

Diese Ambivalenz muss uns doch Ansporn sein. Es
muss doch unser Ansporn sein, dass es nicht mehr eine
Ambivalenz bleibt, sondern zu ganz konkreter Unterstüt-
zung wird, aus der besseren Absicherung von wissen-
schaftlicher Tätigkeit heraus dann mit aller Energie für
die Wissenschaft arbeiten zu können.

Ich will in gleicher Weise für eine Balance werben.
Diese Balance ist etwas aus dem Ruder geraten. Im wis-

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(C (D enschaftlichen System muss es natürlich immer Innovaionen, Erneuerungen und Wechsel geben. Daher sind ir in der Zeit von Rot-Grün und in der Großen Koali ion bei einem Zeitvertragsgesetz und bei dem Modell zweimal sechs Jahre“ angekommen. Wenn aber auf der nderen Seite 75 Prozent des wissenschaftlichen Nachuchses nur befristet beschäftigt sind, dann ist die Ba ance in die falsche Richtung gegangen, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


nd wir müssen eine neue Balance finden.

Aus diesem Grund will ich noch einmal die fünf
andlungsfelder beschreiben, die uns Sozialdemokraten
esonders wichtig sind.

Zunächst einmal muss es doch eine institutionelle Si-
herheit für Hochschulen und Wissenschaftseinrichtun-
en geben, damit sie ihre Hochschuletats, ihre For-
chungsetats und ihre Mitarbeiteretats nicht immer nur
urch Projektförderung finanzieren können. Dabei ist
atürlich existenziell wichtig – das spreche ich ganz ru-
ig an –, dass es an erster Stelle eine auskömmliche Wis-
enschaftsfinanzierung durch die Länder gibt. Aber ohne
ine auskömmliche Finanzierung der Länder gibt es
eine auskömmliche und sichere Wissenschaftsfinanzie-
ung. Lassen Sie uns das gemeinsam festhalten, und
war sowohl für die CDU als auch die SPD in Thürin-
en.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das Zweite ist, dass es eine neue Betrachtung von
ochschule geben muss. Frau Sager, vielleicht habe ich
ie Tragweite Ihrer Ausführungen nicht ganz verstan-
en. Aber das Ziel jedenfalls, dass jede wissenschaftli-
he Laufbahn am Ende in eine wissenschaftliche
pitzenposition, in eine Professur, zu münden hat, darf
icht das ausschließliche Leitbild des wissenschaftlichen
achwuchses sein.


(Beifall bei der CDU/CSU)


ie Hochschulen sind breiter aufgestellt. Sie sind For-
chungseinrichtungen und kümmern sich auch um Wis-
enschaftsvermittlung, Vermittlung von beruflichem Wis-
en und Weiterbildung. Vor diesem Hintergrund bedarf es
ines neuen Ethos und einer neuen Wahrnehmung dessen,
as früher akademischer Mittelbau genannt wurde.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Personalstruktur!)


ie Personalstruktur der Hochschulen muss deshalb in
weierlei Hinsicht weiterentwickelt werden: in Richtung
orschung und in Richtung Lehre.

Wenn es hier zu einem neuen Aufbau kommt, dann
ibt es auch Sicherheit für den wissenschaftlichen Nach-
uchs. Im Qualitätswettbewerb entscheidet sich dann,

n welcher Stelle sich der wissenschaftliche Nachwuchs
m Wissenschaftssystem einbringen kann. Wenn wir die
ehre aufwerten, dann schaffen wir schließlich auch hier
unehmend qualitativ hochwertige Stellen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8559

Dr. Ernst Dieter Rossmann


(A) )


)(B)

Das Dritte ist: Wir müssen einerseits die Juniorprofes-
sur über den Tenure Track ausbauen und andererseits die
Graduiertenkollegs noch mehr profilieren. Ich will den
bedenkenswerten Punkt dessen, was Sie, Herr Feist, an-
gesprochen haben, aufgreifen. Es muss auch im Rahmen
des Graduiertenkollegs und des Promotionsbereichs eine
Vermittlung von beruflichen Kenntnissen geben, die auf
eine Tätigkeit außerhalb der Hochschule abzielen. Ich
bitte Sie, bei den Graduiertenkollegs nachzufragen, wie
es nicht nur um die Wissenschaftsorientierung, sondern
auch um die Berufsorientierung bestellt ist. Das könnte
zu einer neuen Qualität in Deutschland, dem Spitzenland
in Europa bei den Promotionen, führen.

Der vierte Punkt bezieht sich auf die Familienförde-
rung. Diese scheint uns Sozialdemokraten in der Debatte
unterbelichtet zu sein. Wenn 25 Prozent der männlichen
Nachwuchswissenschaftler, aber nur 12 Prozent der weibli-
chen Kinder haben, dann kann uns das nicht ruhen lassen.
Das ist nicht nur diskriminierend. Vielmehr verschenken
wir hier auch Potenzial. Dass Nachwuchswissenschaftle-
rinnen so wenige Kinder haben, ist Ausdruck einer Not-
lage; denn sie haben den gleichen Wunsch nach Verein-
barkeit von Beruf und Familie, von Wissenschaft und
Familie. Dennoch haben sie deutlich geringere Chancen,
Beruf und Familie zu vereinbaren. Schwache Studenten-
werke und schwache Beratungsstellen, wenn es um Kin-
dertagesstätten und Unterstützung geht, schwächen den
wissenschaftlichen Nachwuchs. Es ist eine gemeinsame
Aufgabe, hier für Verbesserungen zu sorgen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Der fünfte Punkt betrifft den Tarifbereich. Es sollte
einen Wissenschaftstarifvertrag in Ergänzung der gesetz-
lichen Regelungen geben. Ich sage an Ihre Adresse,
meine Damen und Herren von der Koalition: Das Strei-
ten für die Wissenschaftsfreiheit ist sicherlich richtig.
Aber Freiheit erzeugt auch Bedarf nach Sicherheit. Nur
wenn es Freiheit und Sicherheit gleichzeitig gibt, kom-
men wir voran. In dieser Hinsicht fand ich Ihre Ausfüh-
rungen, Herr Neumann, im Hinblick auf das nächste Jahr
verheißungsvoll.

Aber es geht nicht nur um das nächste Jahr. Ich
möchte auch Rückschau auf das letzte Jahr halten. Im
Dezember letzten Jahres haben wir mit großen Erwar-
tungen auf den Bildungsgipfel der Bundeskanzlerin mit
den Ministerpräsidenten geschaut. Auch dieses Jahr fin-
det wieder eine Ministerpräsidentenkonferenz statt. Dort
soll ein Resümee in Bezug auf die Qualifizierungsinitia-
tive gezogen werden. Ich werbe und kämpfe bei Frau
Merkel und den Ministerpräsidenten dafür: Nehmen Sie
auch die Fragen betreffend den wissenschaftlichen
Nachwuchs in Ihre Agenda auf, wenn Sie bei der nächs-
ten Ministerpräsidentenkonferenz überprüfen, was bei
der Qualifizierungsinitiative gut und was schlecht gelau-
fen ist! Machen Sie das rechtzeitig! Verschenken Sie
nicht wieder ein Jahr! Warten Sie nicht erst die Studie
ab, sondern sorgen Sie jetzt für entsprechende Weichen-
stellung! Tun Sie jetzt mehr für die Qualifizierung des
wissenschaftlichen Nachwuchses! Das ist der Anlass für

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(C (D iese Aktuelle Stunde und nicht das, was manche meinen uns Sozialdemokraten als Polemik ins Stammbuch chreiben zu müssen. Die wissenschaftlichen Nachuchskräfte sollten uns jede gemeinsame Anstrengung ert sein, auch den Ministerpräsidenten und der Bundesanzlerin. Danke schön. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707813900

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

r. Reinhard Brandl für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Reinhard Brandl (CSU):
Rede ID: ID1707814000

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! In dieser Woche wurde die große HIS-Studie „Wis-
enschaftliche Karrieren“ vorgelegt.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Na ja! Mittelgroße Studie!)


ür diese Studie wurden 2 300 Nachwuchswissenschaft-
er befragt. Als ich die Auswertung der Antworten gele-
en habe, habe ich mich zuerst sehr gefreut. Denn entge-
en der Meinung vieler, die den Wissenschaftsstandort
eutschland permanent schlechtreden, haben die Be-

ragten mit überwältigender Mehrheit angegeben, dass
ie mit den Bedingungen und den Inhalten ihrer Arbeit
ehr zufrieden oder zufrieden sind.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Es geht um Perspektiven!)


er Beruf des Wissenschaftlers stellt ein erstrebenswer-
es Ziel dar. Die Studie zeichnet insgesamt ein sehr posi-
ives Bild vom Klima und von den Arbeitsbedingungen
n den Hochschulen und an unseren Forschungseinrich-
ungen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von den Arbeitsbedingungen nicht!)


Doch, Arbeitsbedingungen auch. – Darüber können
ir uns auch, bevor wir gleich wieder ins Kritisieren fal-

en, wahrlich freuen, und darauf können wir zumindest
ür einen Moment stolz sein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Und jetzt zu den Perspektiven!)


In der Studie werden auch Sorgen angesprochen. Die
orgen der Nachwuchswissenschaftler, die zum Aus-
ruck kommen, drehen sich vor allem um die Befristung
on Stellen und die dadurch entstehenden Unsicherhei-
en für die Karriere und für die Familienplanung. Man
uss ehrlicherweise sagen: Diese Unsicherheiten wer-

en wir nie ganz aus dem System nehmen können. Es

8560 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Dr. Reinhard Brandl


(A) )


)(B)

kann in der Wissenschaft nicht jeder als Professor oder
als Dozent unbefristet beschäftigt werden.


(Klaus Barthel [SPD]: Das haben wir auch nicht gefordert!)


Ich kann daher nur jedem Wissenschaftler empfehlen,
immer auch eine berufliche Option außerhalb der Wis-
senschaft im Blick zu haben. Nichtsdestotrotz nehmen
wir die Sorgen der jungen Wissenschaftler sehr ernst.
Frau Bundesministerin Schavan war die erste Ministerin,
die diese Situation systematisch erfasst und 2008 den
ersten „Bundesbericht zur Förderung des wissenschaftli-
chen Nachwuchses“ vorgelegt hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Was folgte daraus?)


Parallel dazu wurde zum Beispiel die KISSWIN-Platt-
form freigeschaltet; der Staatssekretär hat es vorhin an-
gesprochen. Auch die erwähnte HIS-Studie, die am
Montag vorgelegt worden ist, wurde im Auftrag der
Bundesregierung erstellt. Diese Untersuchungen sind für
alle Beteiligten eine wichtige Bestandsaufnahme und
bieten Ansatzpunkte zur Verbesserung der Situation.


(Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Ja, hoffentlich!)


Ich will einen herausgreifen, der mich persönlich
nachdenklich gestimmt hat. Laut HIS-Studie sind – da-
rüber ist heute noch nicht debattiert worden – nur etwa
20 Prozent der Befragten der Meinung, dass Personal-
entscheidungen in der Wissenschaft im Allgemeinen fair
ablaufen. Wir setzen die jungen Wissenschaftler einem
harten Wettbewerb aus und erwarten von ihnen Topleis-
tungen. Aber dann müssen wir auch darauf achten, dass
die Bedingungen und die Regeln in diesem Wettbewerb
fair sind und die Regeln auch so wahrgenommen wer-
den. Das kann der Bund nicht von oben verordnen, son-
dern das ist ein Thema, das die ganze Community an-
geht. Vorbild kann zum Beispiel das Auswahlverfahren
für das Emmy-Noether-Programm der DFG sein. Das
hat in der Wissenschaft einen hervorragenden Ruf.

Wenn es um die Schaffung attraktiver Rahmenbedin-
gungen für Nachwuchswissenschaftler geht, sind alle Be-
teiligten gefordert. Der Bund fördert die Wissenschaft in
großem Umfang. Alleine über die Exzellenzinitiative
– Herr Staatssekretär Braun hat es vorhin angesprochen –
sind in den letzten Jahren über 4 000 neue Stellen für Wis-
senschaftler geschaffen und an die 330 Professuren neu
eingerichtet worden.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Davon distanzieren wir uns nicht!)


Ähnlich erfolgreich sind die Initiativen Hochschul-
pakt und Pakt für Forschung und Innovation.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das ist alles gut, aber Sie sehen nicht die Probleme!)


Die Länder sind ebenfalls gefordert, ihren Beitrag zu
leisten. Wir haben das eben in der Debatte von den Kol-
legen Schipanski und Neumann gehört. Es stehen auch
die Hochschulen und die Forschungseinrichtungen in der

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(C (D erantwortung. Sie haben durch neue Hochschulgesetze nd durch die Wissenschaftsfreiheitsinitiative Spieläume erhalten, die sie jetzt nutzen müssen, um eine ransparente, streng leistungsorientierte und eine an den edürfnissen der jungen Wissenschaftler ausgerichtete ersonalentwicklung zu betreiben. Nur gemeinsam könen wir besser werden im Sinne unserer jungen Wissenchaftler. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707814100

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a und 7 b sowie
en Zusatzpunkt 6 auf:

7 a) Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Menschenrechtslage im Iran verbessern

– Drucksache 17/4011 –

b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE

Die Hinrichtung der Iranerin Sakineh
Mohammadi Ashtiani verhindern und welt-
weit die Todesstrafe abschaffen

– Drucksache 17/3993 –

P 6 Beratung des Antrags der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mehr Flüchtlinge aus dem Iran aufnehmen

– Drucksache 17/3997 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Interfraktionell wurde vereinbart, darüber eine Drei-
iertelstunde zu debattieren. – Ich sehe, damit sind Sie
inverstanden. Dann können wir so verfahren.

Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat die
ollegin Marina Schuster für die FDP-Fraktion das
ort.


(Beifall bei der FDP)



Marina Schuster (FDP):
Rede ID: ID1707814200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Wir sprechen heute über die ernste Menschen-
echtslage im Iran. Erst gestern wurde eine Frau ge-
ängt; erst gestern wurde wieder die Todesstrafe voll-
treckt. Unabhängig davon, ob Frau Schahla Dschahed
nschuldig oder schuldig war – an ihrer Schuldigkeit
ibt es nach Amnesty International sehr wohl Zweifel –,
laube ich, wir alle hier im Hohen Haus können sagen:
ir sind gegen die Todesstrafe, und sie gehört weltweit

bgeschafft.


(Beifall im ganzen Hause)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8561

Marina Schuster


(A) )


)(B)

Diese Hinrichtung ist leider kein Einzelfall. Nach
Schätzungen von Amnesty International sollen im letz-
ten Jahr 388 Menschen hingerichtet worden sein. In die-
sem Jahr sollen bereits 146 Todesurteile vollstreckt wor-
den sein. Weitere Menschen sind von der Todesstrafe,
auch von der besonders grausamen Art der Hinrichtung,
nämlich der Steinigung, bedroht. Darunter ist Frau
Sakine Aschtiani. Redner aller Fraktionen haben in vor-
herigen Debatten zu Recht und unablässig gefordert, sie
von der Steinigung zu verschonen.

Deswegen ist es wichtig und richtig, dass sich die Bun-
desregierung regelmäßig gegenüber Vertretern der Isla-
mischen Republik Iran für die Abschaffung der Todes-
strafe einsetzt. Daneben initiiert und unterstützt sie
regelmäßig EU-Demarchen oder EU-Erklärungen, wie
zum Beispiel im Juli 2010. Da drohte die Hinrichtung ei-
nes zur Tatzeit Minderjährigen. Oder: Im Mai 2010 wur-
den ohne vorherige Ankündigung fünf Kurden hingerich-
tet. Hier hat die Bundesregierung eine Protesterklärung
der Hohen Vertreterin der EU, Lady Catherine Ashton,
initiiert.

Deswegen ist auch unser interfraktioneller Antrag
richtig. Wir fordern darin die iranische Regierung auf,
die Todesstrafe nicht mehr zu vollstrecken und endlich
dem 2. Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt
über bürgerliche und politische Rechte beizutreten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die iranische Bevölkerung ist tagtäglich gravierenden
Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Unter Mahmud
Ahmadinedschad hat sich die Lage verschlechtert. Neben
fehlender Versammlungsfreiheit und eingeschränkter
Meinungsfreiheit kommt es auch zu willkürlichen Ver-
haftungen. Seit Juni 2009 gab es rund 6 000 Verhaftungen
von Demonstranten, politisch Andersdenkenden oder
Unterstützern von regimekritischen Kreisen. Anderen ge-
lang glücklicherweise die Flucht. Deswegen hat die Bun-
desregierung zu Recht entschieden, iranische Bürger auf-
zunehmen, die nach der sogenannten Grünen Revolution
in die Türkei geflohen sind und ohne gesicherte Aufent-
haltsperspektive waren. 29 sind mittlerweile in Deutsch-
land angekommen.

Ich möchte an dieser Stelle dem Menschenrechtsbe-
auftragten der Bundesregierung, Markus Löning, sehr
herzlich danken. Er war gestern bei uns im Menschen-
rechtsausschuss und hat über seinen Besuch in der Tür-
kei berichtet. Er hat auch darüber berichtet, dass er sich
dort mit iranischen Flüchtlingen getroffen und mit den
Familien gesprochen hat. Das zeigt: Wir nehmen dieses
Thema sehr ernst.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es geht uns bei diesem Antrag aber nicht nur um die
Todesstrafe oder um die Flüchtlinge. Es geht uns darum,
dass wir uns für die allgemeine Verbesserung der Men-
schenrechtslage einsetzen, damit politische und bürgerli-
che Freiheiten endlich gewährt werden. Universitätspro-

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(C (D essoren, die nicht die staatliche Meinung vertreten, urde die Lehrbefugnis entzogen. Die Bandbreite des nternets wird staatlich eingeschränkt, und Mobilfunketze, die für die Zivilgesellschaft sehr wichtig sind, erden regelmäßig blockiert. Das zeigt: Die grundlegenen Prinzipien der Presseund Meinungsfreiheit werden icht eingehalten. Deswegen ist es, auch für die iranichen Blogger und für die iranische Zivilgesellschaft, so ichtig, dass diese Prinzipien endlich gewährleistet weren. Die Diskriminierung von Oppositionellen, von rauen, von Homosexuellen, von anderen Minderheiten, or allem religiösen Minderheiten wie den Bahai, ist im ran leider an der Tagesordnung. Diese Diskriminierung st massiv. Die Maßnahmen während der Grünen Revoution haben gezeigt, wozu das Regime fähig und bereit st. Es ist daher auch an uns, für all diejenigen einzutreen, die nicht mehr gehört werden können. Wir müssen eiter das Sprachrohr sein für die Frauen und Männer, ie sich für die Menschenrechte und für ihre Mitmenchen im Iran einsetzen. Das Regime im Iran bewertet die Lage natürlich aners. Die Anwendung der Todesstrafe wird gerechtferigt mit der Bekämpfung von Umstürzlern oder von enschen, die als terroristische Gefahr gebrandmarkt erden. Rechtsstandards werden mit dem Vorrang der slamischen Scharia begründet. Diese Entwicklungen önnen wir nicht gutheißen. Erinnern wir uns: Eine Vielzahl von Menschenrechen ist bereits in der iranischen Verfassung niedergechrieben. Das heißt, es ist auch an uns, die Islamische epublik immer wieder an die eigenen Standards zu er nnern, amit diese endlich eingehalten werden. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Ruprecht Polenz [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Das iranische Volk blickt auf eine erfolgreiche und
tolze Geschichte innerhalb der Völker dieser Welt zu-
ück. Es verdient eine Regierung, eine Justiz und Sicher-
eitsbehörden, die es beschützen und fördern, statt es zu
nterdrücken. Deswegen ist es wichtig, dass wir Parla-
entarier im Bundestag, aber auch die Bundesregierung
it unserer Arbeit weitermachen und den vorliegenden
ntrag verabschieden. Wir senden damit ein Signal an
as Regime, aber vor allem auch an die Zivilbevölke-
ung.

Die Islamische Republik muss sich ihrer Verantwor-
ung bewusst werden und endlich ein klares und deutli-
hes Bekenntnis zu Freiheit, zu Rechtsstaatlichkeit und
egen die Todesstrafe, gegen Folter, gegen Unterdrü-
kung und gegen Diskriminierung ablegen – nicht durch
orte, sondern durch Taten.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Für die Islamische Republik steht viel auf dem Spiel.
s geht nämlich um die Zukunft, um die Zukunft von

8562 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Marina Schuster


(A) )


)(B)

74 Millionen Menschen. Deswegen ist es richtig und
wichtig, dass wir mit unserem Engagement nicht nach-
lassen, dass wir aber auch nicht die Gesprächskanäle in
den Iran verschließen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707814300

Nächste Rednerin ist die Kollegin Angelika Graf für

die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Angelika Graf (SPD):
Rede ID: ID1707814400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Fall der Sakine Aschtiani beschäftigt uns und die
Medien seit Monaten. Ihr Schicksal ist nach wie vor un-
klar. Selbst wenn die entsetzliche Strafe der Steinigung
nicht vollstreckt wird, droht ihr nun der Tod durch Er-
hängen.

Ich selbst habe Ende September an einer Pressekonfe-
renz teilgenommen, um für die SPD-Fraktion gegen die-
ses schreckliche Schicksal von Frau Aschtiani zu protes-
tieren – immer in der Hoffnung, dass internationaler
Protest die Verurteilte und ihre Angehörigen schützen
könnte. Ich danke ausdrücklich Frau Mina Ahadi, die
uns als Dissidentin und Gründungsmitglied des Komi-
tees gegen Steinigung auf dieses schreckliche Steini-
gungsurteil aufmerksam gemacht hat und damals auch
den Telefonkontakt mit dem Sohn von Frau Aschtiani
hergestellt hat.

Todesurteile gibt es im Iran zuhauf. Frau Kollegin
Schuster hat gerade schon die Nachricht angesprochen,
dass die Iranerin Schahla Dschahed gestern im Tehera-
ner Evin-Gefängnis wegen Mordes an einer Rivalin
durch den Strang hingerichtet wurde. Diese Nachricht ist
nur wenige Stunden alt. Die Angehörigen des Opfers
übernahmen laut Presseberichten bei der Hinrichtung
eine aktive Rolle. Frau Dschahed war die Ehefrau auf
Zeit eines iranischen Fußballprofis.

Ob die Anklagen gegen Frau Aschtiani oder Frau
Dschahed gerechtfertigt waren oder nicht, kann ich nicht
beurteilen. Es gibt erhebliche Zweifel daran; das hat
eben auch die Kollegin Schuster schon angesprochen.
Wir wissen aber wohl, dass ihr Verfahren weder fair
noch rechtsstaatlich war.

Gefangenen im Evin-Gefängnis droht generell die
Folter. So hat Frau Dschahed nach fast einem Jahr Un-
tersuchungshaft ihr Geständnis vor Gericht widerrufen –
unter Hinweis auf die Umstände, unter denen es zu-
stande gekommen ist.

Wir müssen leider seit Jahren feststellen: Die Men-
schenrechtssituation im Iran ist katastrophal, in jeglicher
Hinsicht. Die zivile Opposition, die gegen das Regime
aufbegehrt, wird blutig niedergeschlagen, und ihre An-
hänger werden politisch verfolgt. Ich darf darauf hinwei-
sen, dass der WDR am Montag, dem 6. Dezember, ab

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(C (D 2 Uhr eine Fernsehsendung mit dem Titel „Wo ist eine Stimme?“ ausstrahlt. Da werden Bilder von die em Aufstand in Teheran gezeigt. Jeder möge sich selbst in Bild davon machen. Es kommt nach Geltung der Scharia in diesem Land u für uns unglaublichen Urteilen für zweifelhafte Verehen wie zum Beispiel der Steinigung bei Abfall vom lauben, Ehebruch oder Homosexualität. Dieben, die chokolade stehlen, wird öffentlich die Hand abgehackt – rausige Vorgänge in diesem Land! Auch das Thema Zeitehe – ich habe es im Zusamenhang mit Frau Dschahed erwähnt – ist ein Thema, it dem man sich genauer auseinandersetzen sollte. Die he auf Zeit kann für Jahre, Tage, Stunden oder auch nur ür den Geschlechtsverkehr geschlossen werden. Zeithen werden übrigens auch mit zum Tode verurteilten rauen vor ihrer Hinrichtung eingegangen, um sie legitiiert vergewaltigen zu können. All dies sind furchtbare orgänge im Iran. Man muss sie deutlich ansprechen, amit man weiß, was in diesem Land passiert. Aber nicht nur diese Todesurteile – 2 000 Verurteilunen allein im Jahre 2009 – müssen uns zu denken geben. er Iran ist ein Staat, der seine Bürgerinnen und Bürger errorisiert. Journalisten, Studenten, Lehrer, Menschenechtsverteidiger und Frauenrechtsaktivistinnen, die sich ür eine Öffnung des Irans engagieren wollen, werden erfolgt, gegängelt, inhaftiert, ihre Familien werden beroht, sie werden gefoltert, körperliche Züchtigungen ind an der Tagesordnung, und die Todesstrafe droht ihen. Akbar Gandschi hat das bei einem Zeitungskongress n Hamburg, wo dem ebenfalls im Evin-Gefängnis inaftierten iranischen Journalisten Ahmad Zeid-Abadi die Goldene Feder der Freiheit“ verliehen wurde, sehr eutlich ausgesprochen. Er brachte sich damit wohl elbst wieder in Gefahr. Er war schon einmal wegen eier Äußerung, die er im sogenannten Westen gemacht at, sechs Jahre in ebendiesem Evin-Gefängnis. Man ann den Mut dieser Menschen nur bewundern, die dait deutlich an die Öffentlichkeit gehen. Dass auch ausländische Journalisten von Verfolgung icht verschont werden, ist jedem von uns bekannt. Ich abe es sehr gut gefunden, dass sich eine Delegation des undestages in Teheran für die Freilassung der Journa isten eingesetzt hat, und hoffe, dass der Antrag, den wir eute besprechen, auch dabei hilft, hier tätig zu werden nd die Regierung in Teheran entsprechend zu beeindruken. Die Situation in Teheran, im Iran, ist auch sehr chwierig, was die Medien betrifft. Das Internet wird ontrolliert. Ich möchte noch einen kurzen Satz zu dem Antrag saen, den wir vorliegen haben: Die Abscheu gegen diejeigen, die mit einem solchen Terrorregime Menschen eherrschen, und der Kampf gegen die Todesstrafe eint ns alle. Deswegen haben wir das leider sehr kurzfristige ngebot der Koalition angenommen, nach einigen nöti Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8563 Angelika Graf )


(Beifall im ganzen Hause)


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gen Ergänzungen diesen Antrag, über den wir heute re-
den, gemeinsam einzubringen – auch um dem Anliegen
der Frau Aschtiani mehr Gewicht zu geben. Wir hätten
uns allerdings gefreut, wenn es möglich gewesen wäre,
die Anzahl der Flüchtlinge – das haben Sie angespro-
chen – von 50 auf eine größere Zahl zu erhöhen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollten, dass es geprüft wird. Es war also kein ir-
gendwie unsittliches Ansinnen, das wir da formuliert ha-
ben. Es handelte sich um einen Prüfauftrag an die Bun-
desregierung. Ich denke, die Bundesregierung und die
sie tragenden Parteien hätten da über ihren Schatten
springen sollen; denn 50 ist zu willkürlich, es ist zu we-
nig, und es ist ein zu schwaches Signal.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir sollten etwas nicht vergessen: Die Menschen, die
wir aufnehmen, sind fähig, nach der Schreckenszeit des
Herrn Ahmadinedschad den Iran wieder aufzubauen.
Auch das sollten wir bedenken, wenn wir über solche
Dinge reden. Es hat auch etwas mit unserer eigenen Ge-
schichte zu tun. Wo wären wir heute, wenn wir nicht die
Menschen gehabt hätten, die geholfen haben, unseren
Staat wieder aufzubauen?

Darum meine Bitte an Sie bei den weiteren Beratun-
gen: Gehen Sie in sich! Vielleicht ist es doch noch mög-
lich, diesen Satz in den Antrag einzufügen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707814500

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ute Granold für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Ute Granold (CDU):
Rede ID: ID1707814600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Kollegin Graf, zunächst ein Wort an Sie. Wir sind
heute in der Lage, über einen interfraktionellen Antrag
zu debattieren; das kommt in diesem Haus nicht sehr oft
vor.


(Angelika Graf [Rosenheim] [SPD]: Das liegt aber nicht an uns!)


Es ist per se gut, dass wir uns alle bei diesem Thema sehr
einig sind; das wurde auch in den Redebeiträgen deut-
lich.

Zusätzlich liegt ein Antrag von SPD und Grünen zur
Aufnahme weiterer Flüchtlinge aus dem Iran vor. Wir
haben uns auf die Aufnahme von 50 Flüchtlingen aus
dem Iran geeinigt. Unsere Regierung – unter anderem
der Außenminister und der Menschenrechtsbeauftragte –
waren hier aktiv. Inzwischen sind 29 Flüchtlinge in
Deutschland angekommen; Kollegin Schuster hat es be-
reits gesagt. Die anderen Fälle befinden sich derzeit in
der Prüfung. Frau Kollegin Graf, bei allem Verständnis

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(C (D ür Ihr Begehren muss ich schon darauf hinweisen: Wir üssen bei solchen Fragen immer die Länder mit einbe iehen; es ist nicht so einfach, über ihre Köpfe hinweg u entscheiden. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir könnten auch so mehr aufnehmen! – Angelika Graf [Rosenheim] [SPD]: Es ist ein Prüfauftrag!)


Ich möchte ein Beispiel dafür anführen, dass die Bun-
esregierung und das Parlament in der Lage sind, zu
andeln, wenn die Lage prekär wird, wenn die Men-
chenrechte mit Füßen getreten werden und die Men-
chen in Not sind. Ich erinnere an eine Aktion auf euro-
äischer Ebene, die von Deutschland ausging: 10 000
rakische Flüchtlinge sollten nach Europa gebracht wer-
en. 2 501 Flüchtlinge sind in Deutschland angekom-
en; wir haben unsere Hausaufgaben erfüllt; wir sind

ach wie vor sehr eng bei den irakischen Flüchtlingen.
ir brauchen also keine Aufforderung von Ihnen. Wenn
ir sehen, dass etwas nicht funktioniert, sind wir durch-

us in der Lage, zu handeln und den Menschen zu hel-
en. In diesem Fall war Deutschland der Motor in Eu-
opa. Das zeigt, dass wir uns um die Menschen in Not
ümmern. Das wollte ich zunächst einmal zu dem an-
erken, was Sie gesagt haben.

Wir haben das Thema Iran bereits mehrfach hier im
ohen Haus – im Plenum, aber auch im Menschen-

echtsausschuss – behandelt. Wir haben Betroffene, zum
eispiel die Bahai, gehört. Wir stehen aber auch in Kon-

akt zu Exiliranern, die uns über die Situation in ihrer
eimat berichten.

Wir sollten an dieser Stelle daran erinnern, dass Iran
itunterzeichner der Allgemeinen Erklärung der Men-

chenrechte von 1948 ist. Am 8. Dezember findet in Er-
nnerung an die Unterzeichnung der Internationale Tag
er Menschenrechte statt. Wir werden dann noch einmal
ie Situation im Iran thematisieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Pascal Kober [FDP])


er Iran ist aber auch Vertragsstaat des Internationalen
aktes über bürgerliche und politische Rechte und schon
on daher verpflichtet, die grundlegenden Menschen-
echte zu gewähren.

Die Realität sieht aber leider anders aus. Beide Kolle-
innen haben bereits davon berichtet; ich brauche das
icht zu wiederholen. Fundamentale Menschenrechte
ie das Recht auf Leben, auf angemessene Behandlung

m Gefängnis und auf Rechtsstaatlichkeit – keine Inhaf-
ierung aus Willkür, sondern nur nach Überprüfung
urch den Haftrichter –, aber auch die Meinungsfreiheit,
ie Pressefreiheit und viele andere Rechte werden im
ran nicht gewährleistet. Menschen, deren Angehörige
epressalien und Folter erfahren oder zu Tode kommen,
rfahren Druck und Zwang, wenn sie Kontakt mit der
resse aufnehmen, um Öffentlichkeit zu schaffen.

Auch ausländische Journalisten, die sich darum küm-
ern, sind der Schikane ausgesetzt. Aktuell sind zwei

eutsche Journalisten im Zusammenhang mit dem Fall,

8564 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Ute Granold


(A) )


)(B)

den die Kollegin gerade angesprochen hat, inhaftiert.
Hier ist das Auswärtige Amt dabei, zu helfen. Wir hof-
fen, dass es im Fall Aschtiani vorangeht. Erst weg von
der Steinigung, dann hin zum Erhängen, und jetzt even-
tuell eine Begnadigung.

Eine Steinigung ist grausam: Die Männer werden bis
zur Hüfte, die Frauen bis zur Brust eingegraben und
dann gesteinigt. Teilweise ist es ein stundenlanger
Kampf, bis man tot ist. Das ist ganz barbarisch. Im Ver-
gleich dazu erscheint der Tod durch Erhängen fast wie
ein Gnadenakt; aber das ist auch nicht viel besser. Es
handelt sich um ein Todesurteil aus Willkür. Geständ-
nisse werden durch Folter erpresst. Man hört vom Men-
schenrechtsrat im Iran, dass im Fall Aschtiani eine Be-
gnadigung anstehen könnte. Wir wissen nicht, ob das
stimmt; aber ich denke, dass der weltweite öffentliche
Druck in diesem Fall etwas bewirken konnte und kann.
Wir sollten in diesem Fall dafür sorgen, dass der Druck
so lange aufrechterhalten wird, bis auch der Sohn und
der Anwalt und auch die beiden deutschen Journalisten
aus der Haft entlassen werden. Ich denke, da sind wir
uns sehr einig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dieser Fall zeigt, dass wir durch öffentlichen Druck
Einfluss auf die Geschehnisse im Iran nehmen können,
wenn auch nicht massiv, aber doch langsam und stetig.
Dieser Druck muss international aufgebaut und dann
aufrechterhalten werden; wir haben mit vielen Reisen
des Ausschusses dazu beigetragen. Frau Kollegin Graf,
wir waren gerade in Kairo. Auch dort konnte man fest-
stellen: Die Deutschen haben einen guten Ruf in der
Welt, gerade im Hinblick auf die Einforderung der Men-
schenrechte. Ich erwähne in diesem Zusammenhang ge-
rade auch Indien und viele andere Länder mehr. Wir
schauen danach. Wenn man insistiert, hat man auch Er-
folg. Wir wollen dieses Pfund, unseren guten Ruf als
Deutsche nutzen, um immer wieder darauf hinzuweisen,
dass die fundamentalen Menschenrechte eingehalten
werden müssen.

Wenn man sich die Bilanz des derzeitigen Präsidenten
ansieht, muss man sagen, dass sich die Menschenrechts-
situation dramatisch verschlechtert hat. Ich hatte die Si-
tuation geschildert, die Grüne Revolution und all das,
was den Menschen, die für ihre fundamentalen Rechte
auf die Straße gehen, geschieht: Sie werden inhaftiert,
gefoltert und kommen zu Tode. Davon sind auch Min-
derjährige betroffen. Auch die traurigen Rekorde an Hin-
richtungen wurden genannt. In diesem Jahr wurden bis-
lang 2 000 Todesurteile verhängt; einige Hundert sind
bis jetzt vollstreckt worden. Zu den Details der Hinrich-
tungen habe ich mich bereits geäußert.

Es gibt viele Straftatbestände, auch vermeintliche
Straftatbestände, auf deren Grundlage jemand in Haft
kommt und mit dem Tode bestraft werden kann. Es gibt
zum Beispiel den Straftatbestand der Gottesfeindschaft.
Das kann man sehr weit auslegen. Ein Beispiel dafür,
dass man auch dafür schwere Repressalien erfahren
kann, ist die 26-jährige Bloggerin und Menschenrechts-

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(C (D ktivistin Frau Ahari, die seit Dezember 2009 im beühmt-berüchtigten Evin-Gefängnis einsitzt. Auch ihr roht der Tod. Die iranische Verfassung – das hatte ich im Rahmen iner Rede vor knapp einem Jahr hier schon im Detail eschrieben – ist auf den ersten Blick eine Verfassung, it der man leben kann. Sie enthält Menschenrechte und rundfreiheiten – das ist dort gewährleistet –; aber alles teht unter dem Vorbehalt der Scharia, und das ist das roblem. Die Scharia erlaubt körperliche Strafen wie eitschenhiebe und Amputationen, die Todesstrafe und teinigungen – auch bei Minderjährigen. Die Frauen das möchte ich als Frau noch erwähnen; es sprechen eute zum Thema ja einige Frauen – sind alles andere als leichberechtigt; das ist ganz schwierig. Frau Kollegin raf hat die Möglichkeit der Ehe als Nebenfrau auf Zeit, uf Stunden, angesprochen. Das war auch bei der Frau er Fall, die gestern Morgen gehängt wurde. Die Situation der Bahai und anderer religiöser Minerheiten ist ganz prekär. In diesem Zusammenhang abe ich gerade die Nachricht erhalten, dass einem iranichen Pfarrer, 35 Jahre alt, wegen des Übertritts vom uslimischen zum christlichen Glauben über seinen Analt das Todesurteil zugestellt worden ist. Männer erhal en dafür die Todesstrafe, die Frauen eine lebenslange aft. In diesem Fall sind beide Eheleute konvertiert. Sie aben zwei Söhne im Alter von sechs und acht Jahren. as ist eine schwierige Situation. Ich denke, wir sollten ns gemeinsam auch dieses Falles annehmen und sehr ezidiert darauf achten, ob sich die Situation im Iran verndert. Wir müssen aber auch schauen, dass wir für die Menchen, die hier in Deutschland leben oder im Iran sind nd die Situation aushalten wollen, die Situation verbesern. Ich habe in meinem Wahlkreis aktuell eine junge rau, eine Iranerin, die in Deutschland lebt und mit eiem Iraner verheiratet ist. Sie hat sich nicht so verhalten, ie der Mann es wollte. Er hat gesagt: „Wir fahren zu eiem Besuch in die Heimat“ und hat sie dann dort ins Geängnis geschafft mit dem Argument, sie habe Ehebruch egangen und müsse gesteinigt werden. Es ist nur unter chwierigsten Umständen möglich gewesen, die Frau ieder aus dem Gefängnis zu holen. Wir müssen die Situation derer, die geflohen sind, ragfähig machen, aber auch dafür sorgen, dass sich die ituation im Land verändert. Das gilt auch für den Irak. ir müssen zusehen, dass die Menschen in ihrer Heimat ine Perspektive haben. Nur dort, wo es überhaupt nicht öglich ist und der Tod vor der Tür steht, müssen wir uch hierfür aus Deutschland Hilfe leisten. Ich möchte zusammenfassen: Wir müssen in diesem aus – auch durch die heutige Debatte – eine Öffentlicheit für dieses Thema schaffen. Wir müssen aber nach ie vor auch versuchen, mit der Regierung, den Opposi ionellen, Organisationen und Religionsvertretern vor rt im Gespräch zu bleiben. Wir müssen auch auf der rundlage der internationalen Verpflichtungen, die der ran eingegangen ist, dafür sorgen, dass die fundamentaen Menschenrechte eingehalten werden. Wenn wir uns n diesem Haus beim Thema Iran so einig sind wie Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8565 Ute Granold )


(A) )

heute, dann sollte das auch bei anderen Staaten der Welt
gelten, in denen es ähnlich prekäre Situationen gibt.

Noch einmal zu der Prüfung der Annahme weiterer
Flüchtlingen: Da werden wir, wenn es so weit ist, wei-
tere Gespräche führen. Wir haben das Kontingent von 50
noch nicht ausgeschöpft. Wenn sich die Situation ver-
schärft und Bedarf besteht, dann können wir sicherlich
auch mit den Vertretern der Länder darüber reden, ob
und wie wir hier eine weitere Hilfestellung geben kön-
nen, so wie wir es auch beim Irak gemacht haben. Ich
denke, dann werden wir, die Bundesregierung, der Au-
ßenminister und auch der Menschenrechtsbeauftragte
das Ohr am Volk, nah bei den Menschen haben und hel-
fen. Ich denke, darin sind wir uns einig, und das sollten
wir weiter so machen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707814700

Das Wort hat die Kollegin Groth für die Fraktion Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Annette Groth (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707814800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich möchte einmal kurz auf die Entstehung
des Antrags der Regierungskoalition, von SPD und Grü-
nen eingehen. Es waren die Grünen, die die Regierungs-
fraktionen gebeten hatten, einen interfraktionellen An-
trag gegen die Hinrichtung der Iranerin Sakine Aschtiani
zu unterstützen. Die Koalition lehnte dies aus innenpoli-
tischem Kalkül ab. So sind die Grünen und die SPD auf
uns, die Linke, mit der Bitte zugekommen, gemeinsam
einen Oppositionsantrag zu formulieren. Das ist der jetzt
vorliegende Antrag der Linken. Nachdem wir drei Frak-
tionen einen gemeinsamen Antrag erarbeitet hatten, sind
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungs-
fraktionen, zu SPD und Grünen gegangen und haben
plötzlich für einen gemeinsamen Antrag geworben. Dem
haben Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD
und Grünen, zugestimmt. Sie wollen es sich nicht mit
der CDU verderben, stehen nächstes Jahr doch etliche
Wahlen an, bei denen es interessante Koalitionsmöglich-
keiten gibt.


(Angelika Graf [Rosenheim] [SPD]: So ein Unsinn!)


Dieses Spiel machen wir nicht mit.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir haben uns entschieden, den gemeinsam mit SPD
und Grünen ausgearbeiteten Antrag als eigenständigen
Antrag zur Abstimmung zu stellen, da er schlicht und
einfach besser ist. Also gibt es keine Zustimmung zu Ih-
rem Antrag.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir setzen uns gegen die Vollstreckung des Todesur-
teils an Frau Aschtiani ein und fordern die iranische Re-

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(C (D ierung sowie alle anderen Regierungen auf, das von der NO-Generalversammlung beschlossene Hinrichtungsoratorium zu befolgen. Insbesondere betrifft dies ne en dem Iran China, den Irak, Saudi-Arabien, den Jemen nd die USA. Diese Länder vollstrecken die meisten inrichtungen. Wir unterstützen auch eine Resolution, die demnächst n die UNO-Generalversammlung eingebracht wird. lle Staaten, die die Todesstrafe noch nicht abgeschafft aben, werden aufgefordert, dem UNO-Generalsekretär nd der Öffentlichkeit sämtliche Informationen über Toesstrafe und Arten der Hinrichtung zur Verfügung zu tellen, um so die staatliche Geheimhaltung zu überwinen. Ich setze mich ganz bewusst für Frau Aschtiani, ihr echt auf ein faires Gerichtsverfahren und ihr Recht auf eben ein. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ruprecht Polenz [CDU/CSU])


ch halte es im Kampf für die Abschaffung der Todes-
trafe für enorm wichtig, immer wieder auf Einzel-
chicksale von Menschen, die weltweit durch die eigene
egierung vom Tode bedroht sind, aufmerksam zu ma-
hen. Darum beteilige ich mich seit Jahren an der inter-
ationalen Kampagne für Mumia Abu-Jamal, der in den
SA von der Todesstrafe bedroht ist.


(Marina Schuster [FDP]: Der musste ja noch kommen!)


Bei unserem Einsatz für die Menschenrechte und ge-
en die Todesstrafe dürfen andere politische Interessen
egenüber den betreffenden Staaten keine Rolle spielen.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD])


ie Fraktion Die Linke wird sich nicht an Ihrer Debatte
ber die Achse des Bösen beteiligen. Die Todesstrafe im
ran ist genauso barbarisch wie die Todesstrafe in China
der den USA.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn ich mir Ihren gemeinsamen Antrag ansehe, bin
ch mir nicht ganz sicher, worum es Ihnen eigentlich
eht.


(Marina Schuster [FDP]: Das steht doch da drüber!)


ollen Sie sich für Frau Aschtianis Recht auf Leben ein-
etzen, oder benutzen Sie sie, um einmal richtig gegen
en Hort des Bösen, den menschenfeindlichen Islam,
om Leder ziehen zu können? Wir lehnen es ab, unseren
ppell gegen die Todesstrafe für außenpolitische und
eostrategische Machtinteressen instrumentalisieren zu
assen. Für die Fraktion Die Linke ist immer wichtig,
ass Menschenrechtsverletzungen, die von unseren Ver-
ündeten begangen werden, nicht einfach unter den
isch gekehrt werden, während sie, wenn sie von unlieb-
amen Regimen begangen werden, offensiv aufgegriffen
erden. Eine solche Menschenrechtspolitik ist unehrlich

8566 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Annette Groth


(A) )


)(B)

und schadet unserem Bemühen, die Achtung der Men-
schenrechte weltweit durchzusetzen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Menschenrechtsverletzungen im Iran sind
schwerwiegend; das wissen wir alle. Aber schauen Sie
auch einmal in die ägyptischen Folterkammern oder
nach Saudi-Arabien. Warum schreien Sie nicht auf,
wenn unzählige Kinder und Frauen bei dem israelischen
Krieg gegen den Gazastreifen ums Leben kommen? Wo
ist Ihre Stimme, wenn Kinder in israelischen Gefängnis-
sen gefoltert oder bei friedlichen Demonstrationen er-
schossen werden?

Wir stellen uns gegen jeden Versuch, die iranische
Oppositionsbewegung als Vorwand für eine Neuordnung
der Ölregion im Interesse der westlichen Industriena-
tionen zu missbrauchen. Sanktionen, die die Bevölke-
rung treffen – Sanktionen treffen immer die Bevölke-
rung –, lehnt die Linke ab. Sanktionsdrohungen tragen
zur Verschärfung von Konflikten bei. Wem es wirklich
um Demokratisierung und Menschenrechte im Iran geht,
der muss alles tun, um die internationale Lage des Iran
zu entspannen. Wir alle kennen die Kriegsdrohungen ge-
gen den Iran.

Sie sollten sich für eine Politik starkmachen, die den
Iran einbindet und statt Konfrontation und Isolation eine
Politik des wirklichen Dialogs wählt. Solange deutsche
Iranpolitik im Kern auf Sanktionen und Androhung mili-
tärischer Intervention beschränkt bleibt, ist eine wir-
kungsvolle Menschenrechtspolitik unmöglich.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707814900

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kol-

lege Volker Beck das Wort.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707815000

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einen

gemeinsamen Antrag mit der Koalition eingebracht, weil
es uns darum geht, das gemeinsame Signal dieses Hau-
ses an den Iran zu senden:


(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das stimmt überhaupt nicht!)


Stoppen Sie die Steinigung von Aschtiani! Führen Sie
sie einem fairen Gerichtsverfahren zu! Lassen Sie sie so-
fort frei, wenn die Schuld nicht erwiesen ist!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Darum geht es in dieser Debatte, nicht um die Kinde-
reien zwischen CDU/CSU-Fraktion und Linksfraktion.
Ich finde, unser Signal wäre stärker – das will ich deut-
lich sagen –, wenn alle fünf Fraktionen auf dem Antrag
stünden. Themen, bei denen wir uns einig sind, Men-
schenrechtsverletzungen in anderen Ländern zu kritisie-
ren, sollten wir hier im Hohen Haus gemeinsam tragen.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich bin nicht bereit, wegen der Probleme, die Sie mit
er Linken haben, das gemeinsame Signal gegenüber ei-
em menschenrechtsverletzenden Regime zu schmälern.
eshalb haben wir uns auf diesen Antrag eingelassen.
er Antrag zur Menschenrechtssituation im Iran ist um-

assend. Er beinhaltet nicht nur das Problem der Steini-
ung, sondern auch Themen, die Oppositionelle und reli-
iöse Minderheiten sowie Homosexuelle und Frauen
egelmäßig betreffen.

Die Kollegin Schuster hat vorhin angesprochen, dass
ir den Iran auffordern, das Zusatzprotokoll zur völligen
bschaffung der Todesstrafe zu unterzeichnen. Im Fall
schtiani und auch in anderen Fällen reicht es aber, ihn

n seine Verpflichtung zu erinnern, die er zur Einschrän-
ung der Todesstrafe im Internationalen Pakt über bür-
erliche und politische Rechte eingegangen ist. Danach
arf die Todesstrafe nur bei schwersten Verbrechen, bei
iner klaren Beweislage und in einer nicht brutalen Form
erhängt werden. All diese Punkte verletzt der Iran. Des-
alb müssen wir den Iran aufgrund seiner selbstständig
ingegangenen völkerrechtlichen und menschenrechtli-
hen Verpflichtungen daran erinnern, dass das so nicht
eht und dass die Staatengemeinschaft das nicht hin-
immt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


hebruch, Abfall vom Glauben oder Homosexualität
ind häufig Gründe für Todesurteile im Iran. Keiner die-
er Gründe ist ein schwerstes Verbrechen. Das kann man
chon dem entnehmen, dass es über die Strafbarkeit die-
er Tatbestände in der Staatengemeinschaft überhaupt
einen Konsens gibt. Dann können es keine schwersten
erbrechen sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wie die Urteile zustande kommen, kann man auch an
em Fall von Ibrahim Hamidi nachvollziehen, einem 18-Jäh-
igen, der von der Hinrichtung durch Erhängen am Kran
edroht ist, weil er mit drei anderen jemanden homo-
exuell vergewaltigt haben soll. Der Tatvorwurf der ho-
osexuellen Vergewaltigung ist der häufigste Vorwurf,

er gemacht wird, um Homosexuelle zu verfolgen. Die
eständnisse der Zeugen sind in der Regel erpresst oder
ehen, wie in diesem Fall, auf Familienstreitigkeiten zu-
ück. Später ziehen die Zeugen ihre Aussagen zurück,
ber das Todesurteil bleibt in Kraft. Während seiner Ver-
ehmung war Ibrahim Hamidi an den Beinen aufgehängt
nd geschlagen worden. Bei einer weiteren Vernehmung
ing ein Glastisch zu Bruch. Auf diese Art bekommt der
ran in seinen Moralverfahren die Beweise. Das ist ver-
recherisch. Ein solches Vorgehen müssen wir verurtei-
en.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8567

Volker Beck (Köln)



(A) )


)(B)

Wenn wir das glaubwürdig tun, können wir aber nicht
sagen, dass wir nur 50 Flüchtlinge – Oppositionelle, An-
hänger religiöser Minderheiten und Homosexuelle aus
dem Iran – aus der Türkei aufnehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es gibt dazu einen umfangreichen Antrag unserer Frak-
tion, über den wir gestern im Ausschuss gesprochen ha-
ben. Die Türkei akzeptiert gegenwärtig nicht die Regeln
der Genfer Flüchtlingskonvention für nichteuropäische
Flüchtlinge. Oppositionelle, die aus dem Iran fliehen,
werden regelmäßig eingesperrt, so übrigens der Anwalt
von Frau Aschtiani. Ich habe mich persönlich dafür ein-
gesetzt, dass sich das Auswärtige Amt für seine Freilas-
sung einsetzt. Mohammed Mostafai wurde von den türki-
schen Behörden zunächst festgenommen und konnte
später nach Norwegen ausreisen. Wir sehen: Homosexu-
elle, Oppositionelle und Menschenrechtsverteidiger ha-
ben in der Türkei aufgrund deren Außenpolitik gegenüber
dem Iran oftmals weitere Verfolgung und Diskriminie-
rung zu ertragen. Deshalb müssen wir Menschen aus der
Türkei aufnehmen, die es geschafft haben, den Iran zu
verlassen, aber in der Türkei nicht in einem sicheren Ha-
fen sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich bitte Sie: Stimmen Sie diesem Prüfauftrag oder
unserem umfassenden Antrag zur Aufnahme von Flücht-
lingen zu. Es ist nicht so – damit möchte sich die Koali-
tionsmehrheit in diesen Debatten immer herausreden –,
dass es dafür nach unserem Ausländerrecht der Zustim-
mung der Länder bedarf und deswegen so kompliziert
ist. Ich lese Ihnen, mit Erlaubnis der Präsidentin, zum
Schluss meiner Rede § 22 des Aufenthaltsgesetzes vor:

Einem Ausländer kann für die Aufnahme aus dem
Ausland aus völkerrechtlichen oder dringenden hu-
manitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis er-
teilt werden. Eine Aufenthaltserlaubnis ist zu ertei-
len, wenn das Bundesministerium des Innern oder
die von ihm bestimmte Stelle zur Wahrung politi-
scher Interessen der Bundesrepublik Deutschland
die Aufnahme erklärt hat.

Welches politische Interesse könnte höher stehen als die
Wahrung der Menschenrechte und die Unterstützung
von Menschenrechtsverteidigern, die sich in Gefahr für
Leib, Leben und Freiheit für Demokratie und Rechts-
staatlichkeit einsetzen!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Die Frau Präsidentin darf gerne die Zwischenfrage
der Kollegin Granold zulassen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707815100

Kollege Beck, das hätten Sie mit der Kollegin vorher

klären müssen. Sie haben, wie Sie wissen, Ihre Redezeit
bereits überschritten.

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(C (D Ich hätte die Frage gerne beantwortet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Ute Granold [CDU/CSU]: Oh, schade!)

Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707815200


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707815300

Für die Unionsfraktion spricht nun der Kollege

olenz.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1707815400

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

egen! Der Iran ist eine alte und große Kulturnation. Die
raner sind zu Recht stolz darauf. Schon im 13. Jahrhun-
ert hat der berühmte persische Dichter Saadi in seinem
oetischen Meisterwerk Golestan – auf Deutsch Rosen-
arten – die Solidarität der Menschen über alle Grenzen
inweg beschworen. Ich möchte gerne einen Vers aus
em Rosengarten zitieren:

Als Adams Nachfahr’n sind wir eines Stammes
Glieder.
Der Mensch schlägt in der Schöpfung als Juwel
sich nieder.
Falls Macht des Schicksals ein Organ zum Leiden
führt,
Sind alle Andern von dem Leid nicht unberührt.
Wenn niemals Du in Sorge um den andern brennst,
Verdienst du nicht, dass Du Dich einen Menschen
nennst.

ie weit hat sich die heutige iranische Regierung von
ieser Humanität, von diesem Respekt vor der Würde ei-
es jeden einzelnen Menschen entfernt?


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Vertreter der iranischen Regierung werden nicht
üde, immer wieder einzufordern, mit Respekt, mit
ürde und auf gleicher Augenhöhe behandelt zu werden.
ie gleiche Regierung verhält sich dem eigenen Volk ge-
enüber nicht so. Jeder, der nicht ihrer Meinung ist, wird
edroht; er läuft Gefahr, unterdrückt und misshandelt zu
erden, wenn die Kleidungsvorschriften nicht exakt ein-
ehalten werden oder wenn eine Party mit westlicher Mu-
ik gefeiert wird.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707815500

Kollege Polenz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

ollegen Liebich?


Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1707815600

Ja.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707815700

Bitte.

8568 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010


(A) )


)(B)


Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707815800

Sehr geehrter Herr Kollege Polenz, wir arbeiten im

Auswärtigen Ausschuss sehr gut zusammen, und ich
schätze Ihre faire Verhandlungsführung. Mich würde in-
teressieren, wieso es Ihre Fraktion eigentlich ablehnt,
dass wir in dieser Frage, in der wir uns über die Frak-
tionsgrenzen hinweg einig sind, einen gemeinsamen An-
trag einbringen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Thilo Hoppe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1707815900

Ich stelle mir diese Frage gerade bei Themen, die die

Menschenrechte betreffen, immer wieder. Aber ich muss
Ihnen ganz ehrlich sagen: Der Beitrag Ihrer Kollegin, die
vorhin gesprochen hat, hat mich darin bestärkt, dass es
diesmal richtig war.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich fordere die iranische Regierung auf, ihre eigenen
Bürgerinnen und Bürger mit Respekt zu behandeln. Ich
fordere sie auf, Respekt vor der politischen Entschei-
dung des iranischen Volkes zu haben, wenn es an die
Wahlurnen gerufen wird. Ich fordere die iranische Re-
gierung auf, Respekt vor der politischen Meinung der
Iranerinnen und Iraner zu haben, sie sie frei äußern zu
lassen, friedliche Demonstrationen zuzulassen und Me-
dien- und Pressefreiheit zu gewährleisten.

Wir müssen auch Respekt vor der Würde des Men-
schen einfordern: im Strafvollzug, im Gerichtsverfahren
mit anwaltlicher Vertretung und fairen rechtsstaatlichen
Regeln. Weil wir die weltweite Abschaffung der Todes-
strafe aber nicht in einem Anlauf erreichen werden, müs-
sen wir, wie ich finde, mit allem Nachdruck fordern,
dass die Steinigung, die die barbarischste Form der To-
desstrafe ist, sofort abgeschafft wird.


(Beifall im ganzen Hause)


Man kann sich zur Begründung dieser barbarischen
Strafe auch nicht auf den Koran berufen. Ajatollah
Ghaemmaghami, ein oberster schiitischer Rechtsgelehr-
ter, der in Teheran Theologie studiert hat und das Islami-
sche Zentrum Hamburg leitete, an dem früher auch der
ehemalige iranische Präsident Chatami tätig war, hat ge-
rade erst in einem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen
Zeitung geschrieben: „Im Koran finden wir keine Bestä-
tigung dieser Strafmethode“. Außerdem stellte er fest,
„dass die Steinigung aus koranischer Sicht nicht akzepta-
bel sein kann“. So äußerte sich ein oberster schiitischer
Rechtsgelehrter.

Ich fordere auch in dieser Debatte dazu auf, die deut-
schen Journalisten Marcus Hellwig und Jens Koch, die
schlimmen Haftbedingungen ausgesetzt sind, zügig vor
Gericht zu stellen, wenn sie gegen iranische Vorschriften
verstoßen haben sollten, und ihnen ein faires Verfahren
zu gewährleisten, damit sie nach Deutschland zurück-
kehren und das Weihnachtsfest mit ihren Familien feiern
können.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Iran hat den
N-Zivilpakt unterschrieben. Wie kommt es dann zu
iesen schweren Menschenrechtsverletzungen? Der Phi-
osophieprofessor Reinhard Brandt aus Marburg hat ge-
ade an einer UNESCO-Konferenz in Teheran zum
hema „Philosophie: Theorie und Praxis“ teilgenommen
nd einen Erfahrungsbericht darüber veröffentlicht. Er
itiert einen iranischen Teilnehmer, Mohammad Hossein
alebi, der auf diesem Kongress Folgendes gesagt hat:

Das Menschenrecht richte sich nach dem islami-
schen Recht, das den Menschen zum Tier erklärt,
wenn er von Gott abfällt. … Von einem Menschen-
recht auf der Grundlage eines unverlierbaren Perso-
nenstatus jedes Menschen, selbst des Verbrechers

(so Immanuel Kant), könne keine Rede sein.


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer einen Men-
chen zum Tier erklärt, hat ein bestialisches Verständnis
on Menschenwürde und Menschenrechten.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


as steht im Gegensatz zu den internationalen Verpflich-
ungen des Iran und zur UN-Charta, übrigens auch im
egensatz zur Auffassung vieler hervorragender islami-

cher Theologen – auch aus dem Iran. Es steht außerdem
m Gegensatz zu den Worten des großen iranischen Poe-
en Saadi:

Wenn niemals Du in Sorge um den andern brennst,
Verdienst Du nicht, dass Du Dich einen Menschen
nennst.

Aus Sorge um Frau Aschtiani, die beiden deutschen
ournalisten, die Bahai, die verfolgten Studenten und
rofessoren und aus Sorge um die ins Gefängnis gewor-
enen Blogger und Journalisten führen wir im Deutschen
undestag heute diese Debatte.

Wir führen sie aus Sorge um die Humanität im Iran,
ie immer mehr von dieser Regierung und ihren Helfe-
innen und Helfern mit Füßen getreten wird.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707816000

Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Arnold

aatz das Wort.


Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1707816100

Der Kollege Polenz hat soeben zu dem Thema Stel-

ung genommen, ob es nicht zusammen mit der Linken
emeinsame Anträge zum Thema Menschenrechte ge-
en sollte. Ich möchte der Antwort des Kollegen Polenz
twas hinzufügen: Ich halte es für richtig, dass unsere
nträge so stark wie möglich sind und eine so breite Un-

erstützung wie möglich erfahren, wenn sie dem Thema
enschenrechte gelten, weil es um die Betroffenen geht

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8569

Arnold Vaatz


(A) )


)(B)

und nicht um uns. Aber das setzt voraus, dass man sicher
ist, dass alle Unterstützenden unter dem Wort „Men-
schenrechte“ in etwa dasselbe verstehen.


(Zurufe von der LINKEN: Oijoijoi!)


Das große Problem, das ich mit den Kolleginnen und
Kollegen von der Linken habe, ist, dass mir in meinem
Wahlkreis sehr viele Vertreter der Linken-Basis begeg-
nen, die in der DDR behauptet haben, dass dieser Staat
die Menschenrechte optimal verwirkliche. Genau das
zeigt, dass es hier eine dramatische Differenz im Ver-
ständnis dieses Begriffs gibt. Ich möchte ein gemeinsa-
mes Votum dieses Hauses nicht dadurch schwächen,
dass ich mich dem Verdacht aussetze, unter Menschen-
rechten etwas Ähnliches zu verstehen, was die aus der
DDR kommende Parteibasis der Linken ihr Leben lang
darunter verstanden hat und noch heute darunter ver-
steht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707816200

Der Kollege Liebich hat das Wort.


Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707816300

Herr Kollege Vaatz, zunächst einmal möchte ich Ih-

nen sagen, dass Ihre Aussage schon in der Sache über-
haupt nicht zutrifft. Sie machen sich gar nicht die Mühe,
sich mit uns auseinanderzusetzen und mit uns eine Dis-
kussion darüber zu führen, was wir in Fragen der Men-
schenrechte hier vertreten wollen, sondern Sie sagen von
vornherein – nicht nur unserer Fraktion, sondern allen
anderen Fraktionen im Haus –, dass Sie, egal, was wir
finden, immer gemeinsame Anträge mit uns ablehnen
werden. Machen Sie sich insofern hier nicht die Mühe,
sich irgendwelche Ausreden einfallen zu lassen!


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zum Zweiten. Wenn es in unseren Reihen jemanden
gäbe, der die Universalität der Menschenrechte infrage
stellte, dann wäre er nicht lange Mitglied unserer Frak-
tion. Dass es in Parteien Menschen gibt, die da durchaus
abweichende Meinungen haben, möchte ich gerne an Sie
zurückgeben; denn das gibt es durchaus auch in Basis-
organisationen der CDU. Ich habe hin und wieder auch
mit der CDU meine Diskussionen.

Wir sind die gewählten Mitglieder des Deutschen
Bundestages. Wir versuchen gemeinsam ein starkes Si-
gnal in Richtung Iran zu senden; aber Ihre Fraktion
macht aus rein parteipolitischem Kalkül jedes Mal das
gleiche Spiel. Da müssen Sie nicht im Nachhinein nach
irgendwelchen Ausreden suchen. Es wäre wirklich
schön, wenn Sie den besonderen Worten Ihres Vorred-
ners, Herrn Polenz, ein wenig Aufmerksamkeit schenk-
ten und zumindest darüber einmal nachdächten.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D Zu einer weiteren und damit letzten Kurzintervention n dieser Phase der Debatte hat der Kollege Volker Beck as Wort. Ich möchte auch auf diesen Punkt in der Rede von errn Polenz zurückkommen. Ich meine, dass wir uns einen Gefallen tun, wenn wir bei Menschenrechtsfraen nicht gemeinsam agieren. Wir müssen akzeptieren, dass jeder der Abgeordneten er Linksfraktion das gleiche Mandat hat wie wir; er urde von Wählerinnen und Wählern dieses Landes geählt und ist deshalb legitimiert, mit uns gemeinsam olitik zu machen. Niemand will doch behaupten, dass iese Linksfraktion anstrebt, die DDR wieder zu errichen und damit eine Diktatur. Das ist doch wirklich alern. Aber bei ganz konkreten Menschenrechtsanträgen ibt es Differenzen mit der Linken, weil sie bei betimmten Ländern nicht so genau hinschaut, zum Beipiel wenn es um China oder Kuba geht. Wir hatten da in er letzten Wahlperiode eine scharfe Auseinandersetung in der Frage, ob man nur auf Guantánamo schaut der auch um Guantánamo herum die Maßstäbe der inernationalen Menschenrechtsverträge anlegt. Diese Auseinandersetzung ersparen Sie den Linken amit, dass Sie sie hier zu Schmuddelkindern erklären. ch will die politische Auseinandersetzung mit ihnen ühren und auch hart darüber streiten. Wir hatten auch chon Diskussionen mit Vertretern der Unionsfraktion arüber, dass man das bei bestimmten befreundeten Länern nicht ganz so streng sieht und dass man bei ihnen inen Weichzeichner benutzt. Wir sind der Meinung: Die Richtlinien in der Menchenrechtsdebatte und der Menschenrechtspolitik müsen die internationalen Verträge und die Allgemeine Erlärung der Menschenrechte sein. Wer das unterstützt, st uns willkommen, auch wenn er eine schwierige Gechichte hat. Ich meine, auch in den Fraktionen auf der bürgerlihen Seite des Hauses gibt es schwierige Vergangenheien von einzelnen Mitgliedern dieser Partei. Das hat uns ie davon abgehalten, Richtiges zu unterstützen. Desalb werden wir zu den richtigen Forderungen der inkspartei und der Koalition immer Ja und zu falschen orderungen und falschen Sichtweisen genauso deutlich ein sagen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707816400
Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707816500


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707816600

Das Wort hat der Kollege Strässer für die SPD-Frak-

ion.


(Beifall bei der SPD)


8570 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010


(A) )


)(B)


Christoph Strässer (SPD):
Rede ID: ID1707816700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Bis vor kurzem habe ich gedacht, dass wir hier über ein
Thema sprechen, bei dem nichts weniger am Platz ist als
parteipolitisches Gezänk.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Weil das jetzt vielleicht ein bisschen subjektiv rüber-
kommt, will ich das auch noch einmal in aller Deutlich-
keit sagen:


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Die decken alles zu, wie der Schnee draußen!)


Ich als Mitglied dieses Deutschen Bundestages unter-
stelle bei einer solchen Forderung keinem Kollegen, aus
welcher Fraktion auch immer, unlautere Motive; das tue
ich nicht. Alle Kolleginnen und Kollegen, die hier sit-
zen, sind gewählt und haben, wenn sie gegen die Todes-
strafe eintreten, das Recht, dass ihnen das abgenommen
wird. Ich nehme ihnen das ab und sage nicht: Die haben
eine Vergangenheit, mit der sie sich auseinanderzusetzen
haben, und deshalb dürfen sie nicht die Abschaffung der
Todesstrafe im Iran fordern.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das haben wir doch gar nicht gesagt!)


Ich glaube, wenn die Menschen, die wir damit anspre-
chen wollen, diesen Teil der Debatte hören, dann werden
sie sich von dem Schauspiel, das hier in diesem Hohen
Hause gerade abgelaufen ist, beschämt abwenden.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage das auch vor dem Hintergrund ganz deutlich,
dass man sich – ich verlasse jetzt einfach einmal mein
Manuskript – natürlich mit bestimmten Fragen auseinan-
dersetzen kann und muss; das ist doch überhaupt nicht
das Problem. Man muss aber zumindest ein Angebot
machen, und dann kann man sehen, wo die Leute eigent-
lich stehen und was da eigentlich los ist.

Ich sage das für mich persönlich ganz klar – wir ha-
ben das auch in unserer Fraktion so besprochen –: Die
Forderung nach einer Nichtvollstreckung der Todes-
strafe für Frau Aschtiani ist bei uns ebenso Konsens wie
die Forderung, die Todesstrafe weltweit abzuschaffen.
Deshalb werden wir dem Antrag, den wir selber mit for-
muliert haben, am Schluss dieser Debatte auch zustim-
men. Das ist für mich überhaupt keine Frage.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Darüber kann man sich natürlich auseinandersetzen,
aber ich hätte mir gewünscht, dass das in dieser Plenar-
sitzung heute nicht erforderlich gewesen wäre.

Frau Kollegin Groth, ich verstehe Sie nicht. Sie haben
keinen einzigen Ton dazu gesagt, was an dem Antrag,
den wir hier eingebracht haben, falsch ist. Sie haben ge-
sagt: Unser Antrag ist besser. – Damit kann man natür-
lich leben und sich einen schlanken Fuß machen. Ich bin
aber wirklich einmal gespannt – das würde ich von Ihnen

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(C (D erne hören –, zu welchem Punkt unseres Antrags Sie ein sagen wollen. Man kann hier natürlich die großen mperialistischen Verschwörungen bemühen – das ist in rdnung –, aber ich sage: Wir als Bundesrepublik eutschland haben hier eine Verantwortung. Ich habe gelesen – das ist wohl auch so – dass der Atomdialog“ mit dem Iran in diesen Tagen wieder aufenommen wird. Ich darf hier einfach einmal an die inernen Schicksale dort erinnern. Mir wird schlecht – ich laube, das gilt für viele von uns –, wenn ich alleine die öglichkeit in Betracht ziehe, dass dieses Regime im ran über Atomraketen, über Massenvernichtungswafen, verfügt. eshalb finde ich die Verhandlungen darüber, sie davon bzubringen, auch vernünftig und sinnvoll. Ich möchte aber an die Bundesregierung appellieren: ines darf bei diesen Verhandlungen und bei dem diploatischen Geplänkel nicht passieren, nämlich dass wir abei die Menschen im Iran vergessen. Ich glaube, das st die Kernbotschaft, mit der wir umgehen müssen: Die assenvernichtungswaffen, die der Iran möglicherweise nstrebt, sind das eine, aber die Instrumente dafür – ich age das jetzt einmal etwas zynisch –, sein eigenes Volk ach innen zu unterdrücken und zu drangsalieren, hat er chon. Deshalb sage ich einmal ganz deutlich und offen: ch wünsche mir, dass die Bundesregierung in den Geprächen genau auch dieses Thema der Menschenrechte m Iran anspricht. Denn ansonsten verlieren wir – jedenalls nach meiner Überzeugung – jede Glaubwürdigkeit, ber diese Fragen global zu reden. Einige Punkte sind schon angesprochen worden. Ich ill zwei, drei Punkte, die mir im Katalog über die moentane Lage im Iran besonders aufgefallen sind, an prechen. Mir liegt – schließlich werden wir in absehbarer Zeit uch über das Thema Religionsfreiheit sprechen – das chicksal der Bahai besonders am Herzen. Ich sage das, eil die Bahai nach meiner Einschätzung – ich bin nicht eligiös oder konfessionell gebunden – eine der Religioen sind, die weltweit zwar in sehr kleinem Umfang gieren, aber seit Anfang an Friedfertigkeit gegenüber edermann, gegenüber anderen Religionen und gegenber anderen Konfessionen, predigen. Insofern ist es beonders pervers, dass sieben führende Mitglieder der Baai seit mehr als zwei Jahren im Iran ohne Gerichtsurteil nhaftiert sind. Ich zitiere aus einer Stelle, die mir besoners aufgefallen ist, dass die Anklage gegen diese Menchen zu Beginn dieses Jahres um einen Vorwurf erweiert wurde, der in der deutschen Übersetzung noch chlimmer klingt, als er es vielleicht ist; ich weiß es icht. Dieser Vorwurf lautet „Verdorbenheit auf Erden“. eine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle en, da sitzen Menschen im Knast, die einer Religionsemeinschaft angehören, die den Frieden predigt. Genau iesen Menschen wird „Verdorbenheit auf Erden“ vorgeorfen, und auf diesen Tatbestand steht im Iran die Toesstrafe. Das ist für mich eine der vielen Perversionen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8571 Christoph Strässer )


(Annette Groth [DIE LINKE]: Ja!)


(Beifall bei der SPD)


(A) )

dieses Regimes, und diese Perversion müssen wir in die-
sem Hohen Hause einheitlich aufzeigen. Deshalb
möchte ich noch einmal an die Linksfraktion gerichtet
werben – dabei ist es mir egal, ob es den Kollegen von
der CDU gefällt –: Stimmen auch Sie diesem Antrag zu!
Denn nur damit gewinnen Sie die Glaubwürdigkeit, die
Sie in Anspruch nehmen und mit der wir uns auseinan-
dersetzen müssen.

In diesem Sinne würde ich mir wünschen, Frau Kolle-
gin Granold – vielleicht noch als Ergebnis zum 8. De-
zember, dem Tag der Menschenrechte; das wäre ein
klasse Signal –, dass die Bundesregierung verkünden
würde: Wir öffnen uns. Wir nehmen von den 4 000 In-
haftierten in der Türkei ein paar mehr als diese 50 auf,
deren Aufnahme wir schon zugesichert haben. – Das
wäre für diese Menschen – obwohl sie keine Christen
sind – ein schöner Auftakt für die Weihnachtszeit. –
Danke schön.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707816800

Ich schließe die Aussprache. – Mir liegt von den Kol-

legen Koenigs, Nouripour, Malczak und Beck (Köln)

eine Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung
vor.1) Eine weitere Erklärung nach § 31 unserer Ge-
schäftsordnung liegt mir von zahlreichen Abgeordneten
der Fraktion Die Linke vor.2) Entsprechend unseren Re-
gularien nehmen wir diese zu Protokoll.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 17/4011 mit dem Titel „Men-
schenrechtslage im Iran verbessern“. Wer stimmt für die-
sen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Der Antrag ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der
SPD-Fraktion, der FDP-Fraktion, der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen gegen vier Stimmen aus der Fraktion
Die Linke bei Enthaltung der übrigen Fraktion Die Linke
angenommen.

Tagesordnungspunkt 7 b. Abstimmung über den An-
trag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/3993
mit dem Titel „Die Hinrichtung der Iranerin Sakineh
Mohammadi Ashtiani verhindern und weltweit die To-
desstrafe abschaffen“. Wer stimmt für diesen Antrag? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag
ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-
Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der
Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen abgelehnt.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/3997 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

1) Anlage 3
2) Anlage 4

(C (D Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a bis 8 r auf: a)


Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE
Gerechte Alterseinkünfte für Beschäftigte im
Gesundheits- und Sozialwesen der DDR
– Drucksache 17/3871 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Gerechte Lösung für rentenrechtliche Situa-
tion von in der DDR Geschiedenen
– Drucksache 17/3872 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Gerechte Versorgungslösung für Ballettmit-
glieder in der DDR
– Drucksache 17/3873 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Kultur und Medien

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Regelung der Ansprüche der Bergleute der
Braunkohleveredlung
– Drucksache 17/3874 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Beseitigung von Rentennachteilen für Zeiten
der Pflege von Angehörigen in der DDR
– Drucksache 17/3875 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

8572 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Vizepräsidentin Petra Pau


(A) )


)(B)

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Rentenrechtliche Lösung für Land- und Forst-
wirte, Handwerkerinnen und Handwerker,
andere Selbständige sowie deren mithelfende
Familienangehörige aus der DDR

– Drucksache 17/3876 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

g) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Rentenrechtliche Anerkennung von zweiten
und vereinbart verlängerten Bildungswegen
sowie Forschungsstudien und Aspiranturen in
der DDR

– Drucksache 17/3877 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

h) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Rentenrechtliche Anerkennung von DDR-Re-
gelungen für ins Ausland mitgereiste Ehepart-
nerinnen und Ehepartner sowie von im Aus-
land erworbenen Ansprüchen

– Drucksache 17/3878 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

i) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Rentenrechtliche Anerkennung aller freiwilli-
gen Beiträge aus DDR-Zeiten

– Drucksache 17/3879 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

j) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Befristetes System „sui generis“ für die Besei-
tigung des Versorgungsunrechts bei den Zu-
satz- und Sonderversorgungen der DDR

(C (D – Drucksache 17/3880 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales Innenausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend k)

Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Vertrauensschutz für Versorgungsberechtigte
der DDR mit einem Ruhestandsbeginn bis
zum 30. Juni 1995 schaffen

– Drucksache 17/3881 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

l) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Regelung der Ansprüche und Anwartschaften
auf Alterssicherung für Angehörige der Deut-
schen Reichsbahn der DDR

– Drucksache 17/3882 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

m) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Regelung der Ansprüche und Anwartschaften
auf Alterssicherung für Angehörige der Deut-
schen Post der DDR

– Drucksache 17/3883 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

n) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Angemessene Altersversorgung für Professo-
rinnen und Professoren neuen Rechts, Ärztin-
nen und Ärzte im öffentlichen Dienst und wei-
tere Beschäftigte universitärer und anderer
wissenschaftlicher Einrichtungen in Ost-
deutschland

– Drucksache 17/3884 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8573

Vizepräsidentin Petra Pau


(A) )


)(B)

o) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Angemessene Altersversorgung für Beschäf-
tigte des öffentlichen Dienstes der DDR, die
nach 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt haben
– Drucksache 17/3885 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

p) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Angemessene Altersversorgung für Angehö-
rige von Bundeswehr, Zoll und Polizei, die mit
DDR-Beschäftigungszeiten nach 1990 ihre Tä-
tigkeit fortgesetzt haben
– Drucksache 17/3886 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

q) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Einheitliche Regelung der Altersversorgung
für Angehörige der technischen Intelligenz der
DDR
– Drucksache 17/3887 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

r) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Wertneutralität im Rentenrecht auch für Per-
sonen mit bestimmten Funktionen in der DDR
– Drucksache 17/3888 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Es handelt sich um die Beratung mehrerer Vorlagen
zur Überleitung von DDR-Rentenrecht in Bundesrecht.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Dr. Martina Bunge.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle en! Seit fast 20 Jahren haben wir es bei der Rentenübereitung mit Überführungslücken, Versorgungsunrecht nd auch Rentenstrafrecht zu tun. Trotz vieler Ankündiungen der Kanzlerin und im Koalitionsvertrag von chwarz-Gelb ist bisher nichts geschehen. Die Betroffenen waren voller Hoffnungen. Auch wir ls Linke sind erst einmal zurückhaltend geblieben. Im ai dieses Jahres haben wir sozusagen als Gedanken tütze einen Gesamtantrag für eine umfassende Korrekur der Rentenüberleitung vorgelegt mit der Auffordeung, bis Ende des Jahres aktiv zu werden. Bis Ende 010 ist nichts geschehen. Das ist untragbar. ir und die Betroffenen erwarten einfach nur die Anerennung gelebten Lebens und die Gleichbehandlung von erufsgruppen und Erwerbsbiografien Ost wie West. Zum Abschluss der letzten Legislaturperiode hatte regor Gysi angekündigt: Solange wir im Bundestag ind, werden wir diese Anträge in jeder Legislatureriode vorlegen. ie haben es sich also selbst zuzuschreiben, dass wir eute wieder ein Gesamtpaket mit allen zu lösenden Einelproblemen vorlegen. Sie haben weder den im Geundheitswesen der DDR Beschäftigten noch den eichsbahnerinnen, Postlern oder Akademikerinnen und kademikern zu einer ihren Berufskolleginnen und -kol egen West wenigstens annähernd vergleichbaren Altersersorgung verholfen. Besonders grotesk finde ich die Broschüre zum 0. Jahrestag der Einheit. Darin rühmt sich die Bundesegierung mit Fotos, dass der Raum Bitterfeld von der reckschleuder zum „Solar Valley“ wurde. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So ist es!)

Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707816900

(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


ber denen, die in der Nähe im Raum Borna/Espenhain
it seiner zerstörten Umwelt in der Braunkohlevered-

ung gearbeitet haben


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wer hat sie denn zerstört? – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dank DDR! Das sind keine normalen Arbeitsbedingungen da, Frau Kollegin Bunge! Wer trägt denn da die Verantwortung?)


die dort geschuftet haben, muss man sagen –, streichen
ie einfach den besonderen Rentenanspruch. Das finden
ir beschämend.


(Beifall bei der LINKEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie haben die bettelarm in die Einheit entlassen!)


Wie sehen denn Ihre Aktivitäten aus? In der CDU/
SU-Fraktion wurden die Verantwortlichen ausge-

auscht. Zumindest sah das in der Debatte zum Gesamt-
ntrag im Mai so aus. Denn in der letzten Legislatur-
eriode hatte Kollegin Maria Michalk aus Sachsen

8574 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Dr. Martina Bunge


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wenigstens einen gewissen Handlungsbedarf einge-
räumt. Ein neuer Abgeordneter, der Kollege Frank
Heinrich, sprach am 20. Mai dieses Jahres hingegen von
„Härten, Verwerfungen und Randschwächen“, mit denen
wir bei der Rentenüberleitung leben müssten. Hoffent-
lich stehen Sie heute zu Ihrem Wort, Kollegin Michalk.
Ich habe gesehen, dass Sie noch sprechen werden. Aber
wo sind die Taten?


(Beifall bei der LINKEN)


Es geht um die Anerkennung gelebten Lebens von Hun-
derttausenden älteren Menschen im Osten.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Wer hat denn das Leben entwertet? Wir waren es nicht!)


Das haben übrigens auch die Kolleginnen und Kollegen
von der FDP-Fraktion in der letzten Legislaturperiode so
gesehen und einen Antrag mit fast allen der von uns er-
kundeten Probleme vorgelegt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir haben eine andere Lösung als Sie!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707817000

Kollegin Bunge, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Lazar?


Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707817100

Das ist jetzt zwischendrin etwas schwierig, weil ich

gerade bei der FDP-Fraktion bin. Vielleicht nach dem
Passus. Ich bin gerade mittendrin.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Lesen Sie erst einmal vor! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nicht dass Sie noch durcheinanderkommen!)


Ich will mich erst einmal mit der FDP beschäftigen.
Sie haben als Oppositionsfraktion fast alles in Ihren An-
trag hineingebracht. Sie hatten beispielsweise erkannt,
dass ein Techniker Ost eine ähnliche zusätzliche Versor-
gung hatte wie ein Techniker West, und waren scho-
ckiert, wie dann bei der Überführung der Rentenansprü-
che vorgegangen wurde.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir haben eine Lösung vorgeschlagen!)


Sie haben damit bewiesen, dass das keine Absurditäten
im Alterssicherungssystem der DDR waren, sondern
Ansprüche in Systemen, in die der Einzelne zum Teil er-
hebliche Beiträge eingezahlt hatte.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Wo sind denn die Beiträge hin?)


Ich denke, wir müssen hier den Vertrauensschutz einfor-
dern.


(Beifall bei der LINKEN)


Jetzt bin ich mit meiner Bemerkung über die FDP fer-
tig.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707817200

Wenn die Wortmeldung zu der Zwischenfrage noch

besteht, dann lasse ich sie jetzt zu.

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(C (D Kollegin Bunge, ich kann nachvollziehen, dass Sie ich für viele Gruppen, meines Erachtens teils für die ichtigen Gruppen, aber auch für Gruppierungen einseten, die wir kritisch sehen, weil dies die privilegierten ruppierungen waren, die die DDR in den Ruin getrieen haben. Sie haben ein sehr schönes Beispiel aus der egion, aus der ich komme, nämlich aus dem Süden eipzigs, sehr treffend beschrieben. Sie sollten einmal zur Kenntnis nehmen, dass es in er DDR mit den älteren Menschen, mit den Rentnerinen und Rentnern auch nicht so gut bestellt war. Sie sind enauso wie ich in der DDR aufgewachsen. Bitte nehen Sie doch zur Kenntnis, dass es auch in der DDR Al ersarmut gab. Es gab privilegierte Rentner. Das waren eistens die Rentner, die sehr staatsnah waren. Die Ren en in der DDR waren aber teilweise so niedrig, dass uch Verarmung stattgefunden hat. Ich möchte, dass in dieser Debatte auch dieser Aspekt um Tragen kommt. Ich bitte Sie, dies zur Kenntnis zu ehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707817300


Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707817400

Frau Kollegin, das DDR-Rentensystem war nicht üp-

ig. Es gab aber eine Mindestrente. Man konnte zumin-
est bescheiden davon leben, weil es eine zweite Lohn-
üte gab, da die Mieten sehr viel niedriger waren. Eine
weiraumwohnung kostete beispielsweise 30 Mark.

Insofern sind die Zusatzversorgungssysteme denen mit
öheren Qualifikationen aus dem Westen nachgebildet
orden. Rentenrecht hat eine Wertneutralität. Deshalb
ann man nicht a priori sagen, dass es sich um privilegier-
es Einkommen handelt. Das ist einfach nicht möglich.

Sie können doch nicht einfach alles auf die Rente zu-
ückstufen und sagen, dass sei für Sie alles Luft. Es gibt
inen Vertrauensschutz, weil Beiträge gezahlt wurden.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Wo ist denn das Geld hin?)


Schauen Sie doch einmal genau hin. Das hat sogar
err Seehofer damals als Staatssekretär zugegeben, der
iese Rentenüberleitung gemacht hat.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun zur SPD-Fraktion. Kollege Anton Schaaf, meine
ochachtung. Sie haben das Versagen zu SPD-Regie-

ungszeiten eingestanden. Ich hoffe nur, dass Sie jetzt
rnst machen. Ich denke, wir haben viele Gemeinsam-
eiten. Sie, verehrte Kollegen von den Grünen, hatten ei-
en Antrag zu den Geschiedenen gestellt, den Sie leider
eute zurückgezogen haben. Lassen Sie uns das doch ge-
einsam anpacken. Ich denke, es ist nun an der Zeit, ei-

en gangbaren Weg zu suchen. Umsetzen muss dies na-
ürlich das Ministerium für Arbeit und Soziales. Dort
ind die personellen Kapazitäten vorhanden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8575

Dr. Martina Bunge


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)(B)

Ich fordere insbesondere die Koalitionsfraktionen und
die Kanzlerin auf: Machen Sie die Sache zur Chefsache
Ost. Machen Sie endlich Schluss mit den Ungerechtig-
keiten und der Diskriminierung von Hunderttausenden
älterer Bürgerinnen und Bürgern im Osten.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707817500

Für die Unionsfraktion hat der Kollege Weiß das

Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1707817600

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Herr Bundestagspräsident Dr. Lammert hat heute Morgen
die Plenarsitzung des Bundestages mit einem Gedenken
an den 20. Jahrestag der ersten Wahl eines gesamtdeut-
schen Bundestages eröffnet. Zu den großen Leistungen
dieses ersten gesamtdeutschen Bundestags gehört es, dass
er die Rentenüberleitung Ost-West beschlossen hat, eines
der markantesten und wichtigsten sozialpolitischen Vor-
haben des wiedervereinigten Deutschlands. Ich möchte
an dieser Stelle zunächst einmal den Abgeordneten, die
damals im ersten gesamtdeutschen Bundestag diese Ren-
tenüberleitung beschlossen haben, einen herzlichen Dank
aussprechen für den Mut und die Weitsicht, die sie damals
mit diesem Beschluss bewiesen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Renten-
überleitung war und ist eine großartige Solidarleistung
zuallererst der Versicherten und des Staates. Durch diese
Rentenüberleitung wurden die Rentnerinnen und Rent-
ner in den neuen Bundesländern nicht benachteiligt, son-
dern sie sind die eigentlichen Gewinner des gemeinsa-
men deutschen Rentenrechts. Für die Rentnerinnen und
Rentner in den neuen Bundesländern war die Renten-
überleitung ein echter Zugewinn im Vergleich zu dem,
was sie nach altem DDR-Recht je hätten bekommen
können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte das an folgendem Beispiel deutlich machen.
Wurden ihnen in der alten DDR gerade einmal 30 bis
40 Prozent des durchschnittlichen Arbeitseinkommens
ausgezahlt und wurden ihnen im ersten Jahr der Vereini-
gung nur 35 Prozent der Westrente ausgezahlt, kletterte
dieser Anteil im Laufe der letzten 20 Jahre auf 89 Pro-
zent des Westwertes. Um es kurz und knapp zu sagen:
Hätten wir keine Rentenüberleitung geschaffen, lebten
heute die Rentnerinnen und Rentner im Osten Deutsch-
lands allesamt in Armut. Sie könnten von ihren Renten
nie und nimmer leben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Bei aller Kritik, die man an einzelnen Regelungen
üben kann, sollten wir heute, am 20. Jahrestag der Wahl

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(C (D es ersten gesamtdeutschen Parlaments, festhalten: Es ar, ist und bleibt bis zum heutigen Tag eine großartige olidarleistung der Deutschen, dass wir durch die Ren enüberleitung den älteren Menschen in der ehemaligen DR bzw. in den neuen Bundesländern eine Alterssiche ung garantieren, die es ihnen ermöglicht, nicht in die rmutsfalle zu geraten und einen angemessenen Lebens bend zu verbringen. Das DDR-Recht hätte ihnen das ie und nimmer ermöglicht. Wenn man nun zwei völlig unterschiedliche Altersersorgungssysteme, nämlich das der alten Bundesrepulik Deutschland und das der alten DDR, im Rahmen eier Rentenüberleitung langsam zu einem gemeinsamen ystem zusammenführen will, dann muss man – übriens wie bei jeder anderen Regelung, mit der zwei unterchiedliche Systeme zusammengebracht werden sollen – it Stichtagen arbeiten. In der Tat haben Stichtage etwas illkürliches. Aber Stichtage sind notwendig, weil man as vor diesem Stichtag existierende System und das iesem System innewohnende Unrecht nicht für alle Zeien auslöschen und nachträglich heilen kann. Auch das entenüberleitungsgesetz sieht daher Stichtagsregelunen vor. Ich möchte das beispielhaft am Versorgungsausgleich ür Geschiedene deutlich machen. Die Linke beantragt, eschiedenen Frauen und Männern, die nach altem DDRecht keinen Versorgungsausgleich bekommen – das ist ür die Betroffenen sicherlich finanziell hart –, nachträgich ein mit Mitteln der heutigen deutschen Steuerzahleinnen und Steuerzahlern finanzierten Versorgungsausleich zu zahlen. Das hört sich gut an. Aber ich frage: Wo leibt die Gerechtigkeit? Was sollen die in den alten Bunesländern lebenden Rentnerinnen und Rentner sagen, ie zum Beispiel vor dem Jahr 1977 geschieden wurden nd ebenfalls keinen Versorgungsausgleich bekommen? iese würden dann mit dem gleichen Recht fragen: Wa um wird nicht auch uns nachträglich ein mit Steuermiteln finanzierter Versorgungsausgleich gezahlt? Oder: üssten dann nicht auch diejenigen Männer und Frauen, ie einen Teil ihrer Versorgungsansprüche im Rahmen es Versorgungsausgleichs an den geschiedenen Partner bgegeben haben, sagen: „Alles zurück zu mir! Der Staat oll das ausgleichen.“? Diese Beispiele zeigen: Wer behauptet, mit Einzelanrägen für bestimmte Gruppen für mehr Gerechtigkeit zu orgen, sorgt in Wahrheit für noch mehr Ungerechtigeit, weil dann andere Gruppen fragen, warum nicht uch sie das bekommen, was man den anderen gegeben at. Das ist das Problem. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Es gibt auch noch einen anderen Vorschlag!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben schon im Mai 2009 über die meisten der
un vorliegenden Anträge debattiert und eine Anhörung
it Fachexperten durchgeführt. Die Experten haben ein-

ellig darauf hingewiesen, dass sie keinen Handlungsbe-
arf, wohl aber die Gefahr weiterer Ungerechtigkeiten
ehen, wenn wir das beschließen, was vorliegt.

8576 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Peter Weiß (Emmendingen)



(A) )


)(B)


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Das liegt an der Auswahl! Es gibt solche und solche!)


Bevor wir angebliches Unrecht durch Beschlüsse ver-
meintlich beheben, was wieder anderen Unrecht zufügt
oder andere zu der Auffassung bringt, dass ihnen Unrecht
geschieht, sollten wir diesem Expertenrat folgen. Wir
brauchen – das haben wir uns in der Koalition vorgenom-
men – ein einheitliches Rentenrecht in Deutschland. Das
muss unser großes Ziel sein.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wann kommen Sie denn endlich mit einem Vorschlag? Sie kommen ja nicht in die Gänge!)


Aber mit den vielen vorliegenden Einzelanträgen wider-
fährt niemandem Gerechtigkeit. Es bleibt dabei: Mit der
Rentenüberleitung haben wir ein ungerechtes Rentensys-
tem Ost abgeschafft und den Rentnerinnen und Rentnern
in den neuen Bundesländern eine Lebensgrundlage ge-
geben. Das wäre mit einer Rente nach DDR-Recht nie
möglich gewesen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707817700

Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Schaaf das

Wort.


(Beifall bei der SPD)



Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1707817800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Frau Bunge, ich glaube nicht, dass es der
Sache, die Sie hier vortragen – auch wenn man sie in
Teilen für berechtigt halten kann –, guttut, wenn man das
Rentenrecht und die Rentenüberleitung, die allen Men-
schen, die Rentenansprüche aus der DDR hatten, ein
Auskommen gesichert haben, hier als Rentenstrafrecht
bezeichnet. Ich glaube, der Sache tut man damit nichts
Gutes.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe es schon letztes Mal gesagt und sage es jetzt
noch einmal: Ich habe maximales Verständnis dafür,
dass es hier in diesem Hause Kolleginnen und Kollegen
gibt, die an einer Stelle schlichtweg nicht springen kön-
nen, nämlich an der Stelle, wo es darum geht, dass man
die Privilegien derjenigen, die in der DDR besonders
partei- und staatsnah waren, in heutige Rentenansprüche
überträgt. Das kann ich absolut nachvollziehen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie tun der Sache keinen Gefallen, wenn Sie die Renten-
überleitung als Nachteil für eine riesige Masse von Men-
schen im Osten der Republik darstellen. So finden wir
keine gemeinsame Lösung.

Sie haben jetzt bis auf einen neuen Antrag wieder
wortgleiche Anträge eingebracht.

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(C (D (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Zwei neue!)


u diesem neuen Antrag kann ich Folgendes sagen: Ich
abe mir alle Mühe gegeben, zu verstehen, wen Sie da-
it genau meinen. Ich weiß nicht, welcher Professor die-

en Antrag geschrieben hat. Aber ich konnte noch nicht
inmal herausfinden, welche Anspruchsberechtigten Sie
einen. Auch Leute, die wirklich Ahnung vom Renten-

echt haben, haben vergeblich versucht, herauszufinden,
as eigentlich mit diesem Antrag gemeint ist. Sie haben
ier und da einen Finanzvorschlag in den Anträgen ge-
acht. All das bewegt sich innerhalb des Rentenrechts.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Lassen Sie uns das im Ausschuss bereden!)


ch sage Ihnen: Sie werden mich damit nicht dazu bewe-
en, meine Zustimmung zu einer neuen Anhörung zu
ieser Thematik zu geben. Das ergibt überhaupt keinen
inn. Solange sich Ihre Vorschläge im Rahmen des Ren-

enrechts bewegen, wo sie nichts zu suchen haben, kom-
en wir keinen Schritt voran.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir Lösungen
ür einzelne Fallgruppen, die dort beschrieben sind, su-
hen müssen. Ich finde, man kann den Standpunkt recht-
ertigen, dass sich aus der Rentenüberleitung für einen
eil der Bevölkerung besondere Härten ergeben haben.
afür muss man aber eine sozialpolitische Lösung fin-
en und keine rentenpolitische Lösung, die auf Dauer
entenwirksam wird. Das kann man von mir aus tun,
ber dazu höre ich von Ihnen nichts. Ihr Erkenntnisge-
inn hat bisher nicht dazu ausgereicht, zu sagen: Lasst
ns doch einmal überlegen, wie wir soziale Härten au-
erhalb des Rentenrechts mildern können. – Deswegen
rbeiten wir an einem Vorschlag zur Errichtung eines
ozialfonds, der besondere Härten, die sich aus der Ren-

enüberleitung ergeben haben, abmildern soll.


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Sehr interessant!)


as wäre ein sinnvoller Vorschlag. Damit trifft man ziel-
enau die, die wirklich betroffen waren.

Ich nenne noch eine Gruppe, die Sie ständig vergessen,
ie ich aber immer auf dem Schirm habe und auf die man
enau achten sollte. Es handelt sich um die Menschen, die
us der DDR geflüchtet sind und nach dem Fremdrenten-
esetz zunächst einmal Ansprüche hatten, aber nach der
entenüberleitung nach dem allgemeinen Rentenrecht
ehandelt worden sind. Auch diese Menschen haben
urch die Einigung und den Rentenüberleitungsvertrag
achteile erlitten. Wir müssen also schauen, dass wir

uch an dieser Stelle etwas bewegen. Das ist nicht Ihre
lientel, das ist mir klar, aber auch für diese muss aus
einer Sicht eine sozialpolitische Lösung gefunden wer-

en. Die sollten wir gemeinsam suchen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


An die Regierung gerichtet – da pflichte ich Ihnen
erne bei – würde ich sagen: Meiner Kenntnis nach gibt
s einen konkreten Vorschlag für Menschen, die in der
arbonchemie gearbeitet haben. Es gibt einen vernünfti-
en Vorschlag zur Umsetzung der Ansprüche. Ich bitte

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8577

Anton Schaaf


(A) )


)(B)

Sie, diesen zügig zu bearbeiten. Es gibt 500 Leute, die
dringend darauf warten, dass ihre Ansprüche erfüllt wer-
den. Wenn es einen Lösungsvorschlag gibt, der tragbar
ist, dann kümmern Sie sich darum, sonst sind die
500 Leute weggestorben, bevor sie diese Ansprüche gel-
tend machen können. An die Regierung gerichtet sage
ich, dass es einen Vorschlag einiger Bundesländer im
Bundesrat gibt, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzu-
richten, um die Problematik der Geschiedenen in der
DDR aufzugreifen und vielleicht Lösungsvorschläge zu
unterbreiten. Lassen Sie sich auf den Versuch ein, Lösun-
gen zu finden, damit wir einige Schritte vorankommen.
Ich glaube, wir können die Lage nur dann befrieden,
wenn man schaut, wo soziale Härten entstanden sind und
wie man diese sozialen Härten vernünftig abmildert. Be-
wegen Sie sich an dieser Stelle. Ich kann damit leben,
wenn wir das alles nicht im Rentenrecht lösen; denn da
hat es im Allgemeinen nichts zu suchen. Wenn man das
Ganze sozialpolitisch mit einem Sozialfonds löst, um
Härten abzumildern, dann hat man einmalige Aufwen-
dungen, aber man hat den Menschen tatsächlich und sehr
konkret geholfen. Bewegen Sie sich also an dieser Stelle.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ein letzter Punkt, den ich ansprechen möchte: Sie ha-
ben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass es eine renten-
rechtliche Ost-West-Angleichung geben soll.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Davon sieht man nur nichts!)


Ich sage Ihnen dies als Mahnung: Wenn man ein solches
Versprechen macht, bei dem am Ende substanziell für
die Menschen keine Verbesserung herauskommt, dann
sollte man sich besser an dieses Podium stellen und sa-
gen: Das können wir zurzeit nicht stemmen. – Das sollte
man besser tun. Gehen Sie nicht mit einem Vorschlag
raus, der nicht wenigstens ein Stück weit etwas von dem
einlöst, was die Menschen im Osten erwarten. Das tut
uns allen nicht gut und Ihnen sowieso nicht. Ich sage Ih-
nen: Wenn Sie schon etwas machen, dann muss dabei et-
was Substanzielles für die Menschen passieren, sonst
lassen Sie besser die Finger davon. Sagen Sie den Men-
schen: Wir kriegen es nicht gewuppt.

Frau Bunge, ganz zum Schluss: Ich weiß, wie schwie-
rig es ist, die Problematik zu lösen, und wie viel Geld
man bewegen müsste, um alle Bedürfnisse zu befriedi-
gen. Vor diesem Hintergrund habe ich gesagt: Wir haben
das in den letzten Legislaturperioden, in denen wir Ver-
antwortung getragen haben, nicht hinbiegen können. Das
ist kein Schuldeingeständnis, sondern es zeigt nur auf,
wie schwierig es ist, diese Problematik tatsächlich zu lö-
sen; denn es kostet enorm viel Geld und befriedigt unter
Umständen nicht alle. Wir haben eine wechselseitige
Diskussion: Wenn wir auf der einen Seite ein bisschen
mehr machen, dann wird auf der anderen Seite darüber
diskutiert, dass das bezahlt werden muss. Das ist auch
nicht gut für unser Land.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der ollegin Dr. Bunge. Danke, Frau Präsidentin. – Kollege Schaaf, da Sie ich mehrmals angesprochen haben, ich aber nicht anauernd Zwischenfragen stellen wollte, möchte ich zum bschluss einiges sagen. Ich weiß nicht, welchen Antrag Sie vorliegen hatten. ch denke, vieles von dem, was Sie angesprochen haben, ollten wir in der Ausschussarbeit klären. Es sind jetzt brigens insgesamt 19 Anträge. In der vorigen Legislaur waren es 17, die aktualisiert sind, weil durch Geichtsverfahren Neueres hinzugekommen ist und, und, nd. Wir beziehen nicht alles auf die Rente, sondern wir tellen uns für die Zusatzbzw. Sonderversorgung ein ystem sui generis vor, ein System besonderer Art für ine befristete Zeit. Das liegt also außerhalb des Rentenechts. Denn wir meinen, diese Menschen können ihr eben nicht wiederholen, und deshalb muss eine Lösung efunden werden. Was die Gruppe derjenigen angeht, die „freiwillig“ us der DDR gegangen sind oder die DDR verlassen haen, weil sie dort unter Druck waren, – – (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das ist eine verräterische Sprache! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Wie bitte? Wahrscheinlich Aussiedler, Umsiedler möglicherweise!)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707817900
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707818000

(Beifall bei der LINKEN)


Das ist ja prima, das ist ja nett, wie Sie sich getroffen
ühlen. Es ist bezeichnend.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das ist unglaublich, was Sie hier sagen! Das ist eine Beleidigung dieser Menschen! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


ch hatte Verständnis dafür, dass diese Gruppe nicht zu
ns gekommen ist, solange wir noch PDS waren. Die
efindlichkeiten konnte ich gut nachvollziehen. Können
ie sich aber vorstellen, dass diese Menschen sich jetzt
uch an uns wenden, weil Sie einfach nichts tun?


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wo ist Ihr Antrag dazu?)


o groß ist deren Not, dass sie sagen: Dieses Problem
uss gelöst werden. Wir sehen: Die Linke macht hier et-
as. Wir möchten möglichst, dass Sie gemeinsam etwas
nternehmen, um auch unser Problem zu lösen.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ein Haus in Brand setzen und dann Feuerwehr spielen! Großartig! – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wo ist Ihr Antrag dazu?)


8578 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010


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Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707818100

Herr Kollege Schaaf, bitte.


Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1707818200

Frau Kollegin Bunge, ich wollte nur sagen, dass ne-

ben dem Personenkreis, den Sie benannt haben, andere
betroffene Gruppen da sind, die durch die Rentenüber-
leitung auch Nachteile erlitten haben. Ich habe das noch
einmal angesprochen: Wir sollten die Debatte vollstän-
dig und mit allen betroffenen Personengruppen führen,
und wir sollten das Ganze einer sozialpolitischen Lösung
zuführen.

Ich habe am Anfang etwas gesagt, zu dem ich weiter-
hin stehe: Ich nehme vieles von dem, was Sie an Anträ-
gen gestellt haben, ebenso wie die Schicksale dahinter
sehr ernst. Das ist nicht mein Problem. Ihr Erkenntniszu-
gewinn in den letzten Anträgen, dass die Rentenüberlei-
tung für die allermeisten Menschen aus der DDR wirk-
lich glatt gelaufen ist, ist ein Erkenntniszugewinn, den
wir in dieser Form vorher noch nicht hatten. Ich konsta-
tiere das wirklich als einen positiven Schritt nach vorn.
Wenn Sie hier permanent damit argumentieren, das, was
da praktiziert werde, sei ein Rentenstrafrecht,


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Unglaublich!)


wohl wissend, dass niemand – niemand! – ohne Rente
durch die Überleitung gegangen ist, dann ist das dem
Versuch einer gemeinsamen Lösung nun wirklich nicht
angemessen. Deswegen weise ich das in aller Deutlich-
keit zurück.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Das war eine Aufzählung! Können Sie nicht zuhören?)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707818300

Nun hat das Wort der Kollege Dr. Heinrich Kolb für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1707818400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich bin mit den Kollegen Weiß und Schaaf nachdrück-
lich der Meinung, dass die Rentenüberleitung, das heißt
die Integration des Rentensystems der DDR in das Ren-
tensystem der Bundesrepublik, eine riesige Leistung ist.
Man muss einfach festhalten, Frau Bunge: Millionen
von Menschen haben wir dadurch im Alter einen Le-
bensstandard gesichert, von dem sie zu DDR-Zeiten
nicht zu träumen wagten. Das muss man hier einmal sehr
deutlich sagen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Sie konnten nicht erhoffen, dass es ihnen so gut gehen
würde, wie es durch das bundesdeutsche Rentensystem
am Ende gewährleistet werden konnte.

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(C (D Man sollte hier nicht den Eindruck erwecken, dass as Leben als Rentner in der DDR ein Zuckerschlecken ewesen wäre; Sie haben das aber ein Stück weit getan, rau Bunge. ch bin kein DDR-Bürger gewesen, aber ich kenne viele enschen, die in der DDR aufgewachsen sind und auch ls Ältere dort gelebt haben. Sie haben mir sehr deutlich emacht, dass die Rentner in der DDR eine benachteiigte Gruppe waren. Daran muss man erinnern. Das weren die Menschen nicht vergessen. Auch die älteren enschen aus der ehemaligen DDR wissen das bis heute ehr genau. Dass es bei der Überleitung zu Verwerfungen, zu geühlten oder tatsächlichen Ungerechtigkeiten kam, war nvermeidlich, weil die Systeme nicht völlig kompatibel aren. Die Rentensysteme der DDR konnten dem, was m Westen, in der alten Bundesrepublik, Standard war, icht einfach nachgebildet werden. Es waren unterchiedliche Systeme. Daraus ergeben sich in der Übereitung notwendigerweise Ungerechtigkeiten. (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Ach, das war sehr, sehr ähnlich!)


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Nein!)


Nein, das kann man nicht sagen. – Das sehen Sie auch
n den drei Fallgruppen, in die man die 18 Fälle im We-
entlichen einteilen kann. Es gibt die Menschen, die aus
echtlichen, politischen, persönlichen Gründen in der
DR keine Rentenversicherungsbeiträge leisten konn-

en; sie konnten einfach keine Beiträge leisten. Dann
ibt es die Menschen, deren Rentenansprüche aus der
DR-Zeit nicht mit dem SGB VI kompatibel waren
das sind im engeren Sinne die, von denen ich gespro-

hen habe –, deswegen auch nicht überführt werden
onnten. Und schließlich gibt es die Menschen, die An-
artschaften hatten, die aber statt in andere Versor-
ungssysteme ins SGB VI übergeleitet wurden, einfach
eil es kein bundesdeutsches Äquivalent gab.

Die vierte Fallgruppe, eine Sondergruppe, so will ich
inmal sagen, bilden diejenigen, die geflüchtet sind, die
lso noch vor der Maueröffnung die DDR verlassen ha-
en. Es war wirklich ein starkes Stück, fand ich, wirklich
ine Unverschämtheit, mit Blick auf diese Gruppe zu sa-
en: Na ja, wir wissen ja nicht, aus welchen Gründen die
egangen sind. – Sie wussten ganz genau, warum sie die
DR verlassen haben. An mir nagt, dass diese Men-

chen bis heute keine Gerechtigkeit erfahren konnten.

Schwierig wird die Sache durch Folgendes: Ein Teil
erjenigen, mit denen wir gesprochen haben – wir haben
ns mit jeder einzelnen Gruppe unterhalten –, fordert,
as frühere DDR-Recht nicht mehr wirken zu lassen
ich bringe es einmal auf diese kurze Formel –, und ein

nderer Teil fordert gerade, dass Ansprüche nach eben-
iesem früheren Recht komplett anerkannt werden. Man
rkennt sehr schnell, dass das zu Ungerechtigkeiten füh-
en muss und dass es keine einfache Lösung gibt. In die-
em Sinne ist auch das Ergebnis zu verstehen, das wir in
er Anhörung im Mai 2009 erzielt haben. Die Sachver-
tändigen haben die Empfehlung abgegeben, keine Kor-
ektur der geltenden Gesetze vorzunehmen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8579

Dr. Heinrich L. Kolb


(A) )


)(B)


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Ihre Sachverständigen! Das waren nicht unsere!)


Sie haben uns deutlich gemacht, dass die Nachjustierung
zu neuen Ungleichbehandlungen, also zu neuen Unge-
rechtigkeiten, führen würde.

In dieser Situation haben wir versucht, einen Lö-
sungsvorschlag zu entwickeln. Unser Vorschlag bewegt
sich innerhalb des Rentensystems, also innerhalb des
SGB VI. Da gilt nun einmal der Grundsatz: ohne Beitrag
keine Leistung. Deswegen war unsere Idee – sie ist es
unverändert –, günstige Nachversicherungsmöglichkei-
ten zu schaffen, sodass die Menschen aus diesen
18 Fallgruppen Ansprüche erwerben können. Wir su-
chen also eine Lösung auf dem Boden der Beitragsäqui-
valenz, eine Nachversicherungslösung auf freiwilliger
Basis. Wir halten das für gut geeignet. Wir sind mit dem
Kollegen Schaaf, den ich persönlich und fachlich sehr
schätze, und allen Gutwilligen in diesem Hause dabei,
gemeinsam eine Lösung zu suchen. Nur eines geht nicht,
Frau Bunge: Ich bin nicht bereit, diese Larmoyanz, mit
der Sie hier angetreten sind, zu akzeptieren. Dass Men-
schen in der DDR unter schwierigsten Arbeits- und Um-
weltbedingungen gearbeitet haben, dass sie haben schuf-
ten müssen bis zum Umfallen – da frage ich mich schon,
wer am Ende die Verantwortung dafür gehabt hat, dass
die Umwelt in der DDR zerstört wurde und dass Men-
schen unter teils unmenschlichen Bedingungen gearbei-
tet haben.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Ich alleine war auch nicht zuständig! Jetzt hören Sie mal auf!)


Deswegen will ich Ihnen ein Stück weit auch die Kom-
petenz absprechen, hier einfach als die Gutmenschen,
die bei allem wissen, wie es geht, aufzutreten. Sie tragen
einen Gutteil Verantwortung daran,


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


dass sich die Menschen in der Situation befinden, in der
sie heute sind.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707818500

Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Wolfgang

Strengmann-Kuhn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen.


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Auch wir finden, dass die Überleitung der DDR-Alters-
sicherung in die deutschen Rentenversicherungen eine
große Leistung war. Ich kann nur wiederholen, was an-
dere Kollegen, Herr Weiß und Herr Schaaf, gesagt ha-
ben: Die Rentnerinnen und Rentner sind die Gewinner
der deutschen Einheit gewesen. Das zeigen alle empiri-
schen Untersuchungen. Sie sind diejenigen, die am meis-
ten von der Einheit profitiert haben.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Dr. Martina Bunge [DIE LINKE])


Im Übrigen konnte das nur funktionieren, liebe Kolle-
innen und Kollegen von der FDP, weil wir ein umlage-
inanziertes Rentensystem haben und kein kapitalge-
ecktes. Da wäre das nämlich nicht möglich gewesen.


(Anton Schaaf [SPD]: So ist es!)


Nun ist es so, dass immer noch einige Regelungen des
entenüberleitungsgesetzes bei einigen Betroffenen zu
iskussionen führen, sie sich diskriminiert fühlen und
enken, dass ihre Lebensleistung aberkannt wurde. Da-
ür haben wir im Einzelnen durchaus Verständnis. Aber
ch glaube, dass es nicht möglich ist, im Rahmen eines
olchen Rentenüberleitungsgesetzes tatsächlich alle Ein-
elfälle zu lösen und jedem Einzelfall gerecht zu wer-
en. Deswegen finden wir auch heute, dass vor diesem
intergrund eine grundlegende Korrektur des Renten-
berleitungsgesetzes nicht sinnvoll ist.

Aber es gibt einige wenige Gruppen, bei denen tat-
ächlich Handlungsbedarf besteht; das sehen wir ganz
hnlich wie die SPD. Da greife ich eine Gruppe heraus:
ie Geschiedenen der ehemaligen DDR. Bei der Renten-
berleitung wurde keine Gewährung der Geschiedenen-
itwenrenten für Frauen vorgesehen, die vor Einführung
es Versorgungsausgleichs im Jahr 1992 in den neuen
undesländern geschieden wurden. Eine Frau aus den
lten Bundesländern, deren Ehe vor 1977 geschieden
urde, kann Geschiedenenwitwenrente beziehen, wenn

hr geschiedener Ehemann vor seinem Tod Unterhalt ge-
ahlt hat. Eine Frau aus den neuen Bundesländern, deren
he vor 1977 geschieden wurde, hat keinen Anspruch
uf Geschiedenenwitwenrente, auch dann nicht, wenn
hr Mann gerichtlich dazu verurteilt wurde, ihr Unterhalt
u zahlen. Der Versorgungsausgleich trat erst 1992 nach
em Einigungsvertrag in Kraft. Dies führt im Vergleich
u den alten Ländern tatsächlich zu einer Schlechterstel-
ung dieser Personengruppe und zu einer Benachteili-
ung gegenüber den Personen, die nach dem ab dem
. Januar 1992 geltenden Recht in den neuen Ländern
it einem Anspruch auf Versorgungsausgleich geschie-

en worden sind. Wir finden, dass diese Gerechtigkeits-
ücke tatsächlich geschlossen werden muss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Unter Berücksichtigung des überwiegend schon sehr
ortgeschrittenen Alters der Betroffenen sollte die Erar-
eitung und Festlegung konkreter Lösungen zügig in
ngriff genommen und die beschlossenen Maßnahmen
nverzüglich umgesetzt werden. Auch wenn die Bun-
esregierung, wie auf eine unserer schriftlichen Fragen
m Juli zu erfahren war, keinen Handlungsbedarf sieht,
at meine Fraktion hierzu bereits in der letzten Legisla-
ur konkrete Vorschläge gemacht, und wir werden das
uch in dieser Legislaturperiode wieder tun.

Wir sind nicht die Einzigen, die diesbezüglich Hand-
ungsbedarf sehen – der Kollege Schaaf hat schon darauf
ingewiesen –: Der Bundesrat hat am 24. September die-
es Jahres die Bundesregierung nachdrücklich gebeten,

8580 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn


(A) )


)(B)

eine befriedigende Lösung für diese Gruppe herbeizu-
führen. Wenn Sie schon nicht unserem Vorschlag folgen
können, fordern wir Sie auf, wenigstens dem Beschluss
des Bundesrates zu folgen und endlich etwas zu tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir sehen noch eine Gruppe, die zum Teil durch das
Rentenüberleitungsgesetz benachteiligt wurde, die nicht
bei den Linken vorkommt – auch darauf hat Herr Schaaf
schon hingewiesen –, nämlich die DDR-Flüchtlinge.
Den Flüchtlingen wurden damals im Zuge der Wieder-
vereinigung und im Rahmen der neuen Sozialgesetzge-
bung die bereits zuerkannten Rentenansprüche nach
Fremdrentengesetz wieder aberkannt. Sie wurden ren-
tenrechtlich wie Bürgerinnen und Bürger des Beitrittsge-
biets behandelt, obwohl sie zum Teil schon viele Jahre
vor dem Mauerfall die DDR verlassen hatten, ihre Ren-
tenverläufe längst festgestellt waren und sie dann in der
berechtigten Erwartung ihrer Rentenanwartschaften ent-
täuscht wurden. Die formale Anwendung mag juristisch
vertretbar sein, schafft aber Ungerechtigkeiten, ausge-
rechnet gegenüber Menschen, die die DDR teils unter
Lebensgefahr, teils unter großen Repressalien und teils
unter großen persönlichen Entbehrungen vor 1989 ver-
lassen haben.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nicht freiwillig!)


Wir finden, auch hier muss es eine gerechte Lösung ge-
ben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Zum Schluss ein Blick nach vorne. Zurzeit sind die
Renten im Osten immer noch höher als im Westen; das
muss einmal zur Kenntnis genommen werden. Das wird
sich aber in den nächsten Jahren dramatisch ändern.
Aufgrund der Arbeitsmarktsituation im Osten und der
Lebensläufe derjenigen, die jetzt oder künftig in die
Rente eintreten, wird das durchschnittliche Rentenni-
veau im Osten erheblich sinken. Deswegen brauchen wir
auch hier eine Garantierente für langjährig Versicherte,
die über dem Grundsicherungsniveau liegt. Davon profi-
tieren vor allem Menschen in Ostdeutschland, die in den
nächsten Jahren von Armut bedroht werden. Ich habe
gesagt, dass es aus unserer Sicht nicht möglich war und
ist, bei der Rentenüberleitung jedem einzelnen Fall ge-
recht zu werden. Eine Garantierente hilft aber zumindest
denjenigen, die sich benachteiligt fühlen und zurzeit ge-
ringe Rentenansprüche haben.

Die Regierungsparteien haben in ihrem Koalitions-
vertrag versprochen, in dieser Legislaturperiode ein ein-
heitliches Rentenrecht in Ost und West einzuführen.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Aber das ist ein anderes Thema!)


Wir finden in der Tat, dass es dafür 20 Jahre nach der
Einheit höchste Zeit ist. Es ist nicht hinnehmbar, dass
der Rentenwert im Osten immer noch niedriger ist als im
Westen. Wir sind für einheitliche Rentenregelungen in
Ost und West. Die Vereinheitlichung sollte so schnell
wie möglich umgesetzt werden.

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(C (D Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707818600

Das Wort hat die Kollegin Maria Michalk für die

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1707818700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine sehr verehrten Damen und Herren! Alle Jahre
ieder bringt die Fraktion der Linken Anträge ein, in de-
en gefordert wird, die Altersversorgung zahlreicher
enschen mit DDR-Erwerbsbiografie in bestimmten
erufsgruppen aufzubessern.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Daran sind Sie mit schuld!)


ir haben zuletzt – das wurde schon gesagt – im Mai
etzten Jahres hier im Hohen Haus darüber debattiert und
ntschieden; wir haben Anhörungen dazu durchgeführt.
rotzdem bringen Sie heute 18 Anträge ein, die alle ei-
es gemeinsam haben, nämlich die Aufforderung: Bis
um 30. Juni nächsten Jahres muss alles geregelt sein.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Das ist ein hohes Ziel!)


Haben Sie als Antragsteller die Argumente vergessen,
ie ausgetauscht und uns in der Anhörung von Sachver-
tändigen vorgetragen worden sind?


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Ihre Sachverständigen!)


aben Sie keine Auswertung vorgenommen? Hier gab
s keine Willkür, sondern eine Entscheidung auf rechts-
taatlicher Basis, untermauert mit guten Argumenten
on Experten. Dort, wo bestimmte rentenrechtliche Re-
elungen aus der Vergangenheit nicht bestätigt wurden,
at das Hohe Haus Gesetzesänderungen vorgenommen,
n vielen Fällen übrigens auf der Grundlage von Urteilen
um Leidwesen der SED-Opfer.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ja, so ist es!)


Ich glaube, wir sollten uns deshalb einig sein, dass die
berführung der rentenrechtlichen Regelungen die Si-

uation der Menschen in den neuen Bundesländern ver-
essert hat; sie ist eine Erfolgsgeschichte.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Fragen Sie mal die Betroffenen! Die sehen das anders!)


s wurde von meinen Vorrednern herausgearbeitet – ich
öchte das bestätigen –: Die Überführung der renten-

echtlichen Regelungen war gut. Natürlich hat sie auch
u Verwerfungen geführt. Jeder von uns kennt einzelne
eispiele: Verwerfungen durch Stichtagsregelungen,
ufgrund der Besonderheit, dass es in der DDR ein be-
ufsspezifisches Rentenrecht gab. Wir haben selbstver-
tändlich darüber diskutiert. In bestimmten Fällen disku-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8581

Maria Michalk


(A) )


)(B)

tieren wir weiter darüber; das will ich hier durchaus
einräumen.

Es ist historisch gesehen schon ein starkes Stück, dass
sich diejenigen, die die Komplexität und Kompliziertheit
der Materie der rentenrechtlichen Zusammenführung
verursacht haben, heute zu Fürsprechern bestimmter Be-
rufsgruppen aufschwingen. Das will ich Ihnen heute be-
scheinigen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich halte Ihre Anträge für durchweg opportunistisch.
Gleichwohl bestätige ich Ihnen noch einmal, dass es
Einzelschicksale, einzelne Gruppen gibt, die auch uns
am Herzen liegen und mit deren Problemen wir uns be-
schäftigen. Das geht aber nicht so: Hopp, hopp, hopp,
Pferdchen, lauf Galopp.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: 20 Jahre hatten Sie Zeit!)


Am 30. Juni 2011 kann nicht alles erledigt sein. Es han-
delt sich um eine hochkomplexe Materie, mit der wir uns
intensiv beschäftigen. Wir werden unsere Zusage aus
dem Koalitionsvertrag einhalten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Na, da bin ich aber gespannt!)


Die angeblichen Ungerechtigkeiten bei der Renten-
überleitung haben – das muss man einmal sagen – ihre
Ursache in der Willkür des DDR-Rentenrechts.


(Widerspruch bei der LINKEN)


Zum Beispiel gab es in der DDR keine eindeutigen, ein-
heitlich angewendeten und einklagbaren Regeln für Zu-
satzrenten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Zu diesem Punkt haben bereits frühere Regierungen ganz
unterschiedlicher Zusammensetzung umfangreiche Prü-
fungen vorgenommen und letztlich die Überführungsre-
geln bestätigt. Die Gerichte haben das auch getan, und das
müssen Sie jetzt einfach einmal zur Kenntnis nehmen.

Wir haben in den vorangegangenen Debatten auch
immer wieder festgestellt, dass eine pauschale Besser-
stellung der heute wieder in Rede stehenden einzelnen
Gruppen die Debatte nicht beenden, sondern – das
wurde schon gesagt – neue Ungerechtigkeiten bei ande-
ren Gruppen hervorrufen würde.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Wir wollen keine Besserstellung, sondern eine Gleichstellung! – Weiterer Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])


Uns in der Union war immer bewusst, dass mit der
Regelung zur Rentenüberleitung nicht sämtliche Erwar-
tungen aller Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bun-
desländern erfüllt werden. Mir tun die Leute an vielen
Stellen schon auch leid.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dafür können sie sich nichts kaufen!)


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(C (D ber ein Preis der deutschen Einheit war, ein überhaupt icht kompatibles Rentenrecht zu überführen. Das hat ur Deutschland gemacht. Die anderen Staaten im soziaistischen Block, Ihre Brüder und Schwestern, haben das icht machen müssen. Wir sind an dieser Stelle die Einigen. Wie kompliziert das ist, möchte ich einmal kurz an em Beispiel Ihres Antrages zeigen, der sich mit den geechten Alterseinkünften für Beschäftigte im Gesundeitsund Sozialwesen der DDR beschäftigt. Zur Erinerung: Für Versicherte, die mindestens zehn Jahre nunterbrochen in Einrichtungen des Gesundheitsund ozialwesens eine versicherungspflichtige Tätigkeit auseübt haben, sah die 1. Rentenverordnung der DDR aus em Jahr 1979 vor, dass bei der Bestimmung des Steigeungsbetrages der Altersund Invalidenrente jedes Jahr er Tätigkeit in einer solchen Einrichtung statt mit Prozent mit 1,5 Prozent zu berücksichtigen ist. (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Fünf Jahre!)


iese Regelung müssten wir in das SGB VI überneh-
en. Das ist schon deshalb problematisch, weil wir ein
leichbehandlungsgebot zu erfüllen haben. Denn die da-
it verbundene Begünstigung würde sich nur auf Be-

chäftigte des Gesundheits- und Sozialwesens und nur
uf die Berechnung der Alterseinkünfte, nicht aber auf
ie Berechnung der Erwerbsminderungsrenten beziehen.
as ist ein Beispiel, das zeigt: Wenn wir das so lösen
ürden, hätten wir eine neue Ungerechtigkeit.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Vergleichen Sie doch mal die Einkommen der Beschäftigten!)


ei der Rentenüberführung in diesem Punkt haben die
erichte dezidiert keinen Verstoß gegen Art. 14 des
rundgesetzes festgestellt, da dieser nicht einzelne Be-

echnungselemente, sondern den Geldwert der Rente
chützt. Wir haben uns in vorangegangenen Debatten be-
eits darüber ausgetauscht, wie hoch der Geldwert nach
er Mark der DDR im Vergleich zum heutigen Euro-
uszahlbetrag wäre. Auch das müssen wir uns noch ein-
al in Erinnerung rufen.

Meine Empfehlung ist: Ziehen Sie Ihre 18 Anträge,
hre 18-Punkte-Wunschliste, zurück


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Davon träumen Sie nachts!)


nd konzentrieren Sie sich auf die Fragen einer zu-
unftssicheren Rentenregelung im vereinten Deutsch-
and. Wir in der Union werden das jedenfalls tun.

Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hoffentlich haben das viele der Betroffenen gehört und gesehen!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707818800

Nächste Rednerin ist die Kollegin Sonja Steffen für

ie SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)


8582 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010


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)(B)


Sonja Steffen (SPD):
Rede ID: ID1707818900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wir reden heute über ein unbequemes Thema,
dem bereits seit der Wiedervereinigung, also seit 20 Jah-
ren, mit allerlei Sonderregelungen ausgewichen wurde:
gerechte Alterseinkünfte für Rentner und Rentnerinnen
im Osten.

Die Bilanz der Rentenangleichung ist bislang – zu-
mindest aus ostdeutscher Sicht – ernüchternd. Nach ei-
nem rasanten Anstieg stagniert die Ostrente, und viele
Ostdeutsche sehen ihre Arbeitsleistung nicht ausrei-
chend anerkannt. Darauf zielen auch die meisten der
18 bzw. 19 Anträge der Fraktion Die Linke ab.

In meiner Eigenschaft als Mitglied des Petitionsaus-
schusses sind mir die Petitionen, die dieses Anliegen
verfolgen, hinlänglich bekannt. Ich sehe hier auch einige
andere Mitglieder des Petitionsausschusses, die das mit
Sicherheit bestätigen können.

Das ist ein sehr schwieriges Thema. Ich will das
Thema heute zum Anlass nehmen, als Abgeordnete aus
Ostdeutschland zu Ihnen zu reden.

In Ihrem Koalitionsvertrag, meine Kolleginnen und
Kollegen von Union und FDP, haben Sie festgeschrie-
ben, die Unterschiede im Rentensystem in Ost und West
endlich zu beseitigen. „Wir führen in dieser Legislatur-
periode ein einheitliches Rentensystem in Ost und West
ein“, heißt es in Ihrer Vereinbarung, und in einem Be-
schluss des CDU-Bundesausschusses kann man lesen:

Wir wollen ein einheitliches Rentenrecht in Ost und
West schaffen.

Herr Kolb, ich glaube, auch Sie haben das verschiedent-
lich in der Presse bestätigt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir haben dazu in der letzten Legislaturperiode Anträge eingebracht!)


Unterschlagen wurde in den Papieren bisher aber der
Zeitpunkt. Ich befürchte, dass die Lösung weiterhin auf
den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Bisher hatten wir viel damit zu tun, die vom Verfassungsgericht verworfenen Gesetze zu heilen!)


Aber auch in den alten Bundesländern – das ist heute
schon mehrfach zur Sprache gekommen – rumort es be-
reits seit längerem bei diesem Thema, weil die Men-
schen in den alten Bundesländern die Ostruheständler
bevorzugt sehen. Nach der Wiedervereinigung 1990
mussten die Ostrenten aufgewertet werden – das wissen
Sie alle hier –, um es den Rentnern im Osten zu ermögli-
chen, ihren Ruhestand bei gesamtdeutschen Mieten und
Lebenshaltungskosten zu finanzieren. Dadurch sehen
sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Westen
benachteiligt. Allerdings – Herr Weiß, hören Sie bitte
gut zu – sind die Löhne im Osten nach wie vor viel nied-
riger. Wesentlich niedrigere Renten sind die Folge.

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(C (D (Widerspruch des Abg. Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU])


Sigmar Gabriel hat uns heute Morgen in seiner Rede
rastisch vor Augen geführt, dass eine Arbeitsbiografie
it 35 Erwerbsjahren bei einem Stundenlohn von 8 Euro

u einer Rente von 558 Euro monatlich führt. 558 Euro
onatlich!


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: 45 Jahre!)


er Gang zum Sozialamt zur Beantragung von Leistun-
en nach der Grundsicherung ist damit unvermeidbar.

In meinem Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern
ehören Menschen mit einem Stundenlohn von 8 Euro
chon fast zu den Gutverdienenden; glauben Sie mir das.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Richtig! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir glauben Ihnen das!)


ie Bundesregierung muss also dringend gegensteuern,
m Altersarmut vor allem im Osten zu verhindern.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


abei muss auch berücksichtigt werden, dass viele Men-
chen im Osten nach 1990 meist unverschuldet ihre Ar-
eit verloren haben, lange arbeitslos waren oder sind und
ftmals nur sehr schlecht bezahlte Arbeit gefunden ha-
en. Dies wird dramatische Spätfolgen für die Rente ha-
en. Das Problem bleibt nicht auf Ostdeutschland be-
chränkt, wenn prekäre Beschäftigung und Niedriglöhne
icht bekämpft werden.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Meine Kolleginnen und Kollegen, wir müssen die so-
iale Einheit vollenden. Dazu gehört ein einheitliches
entensystem in Ost und West, und zwar noch in dieser
egislaturperiode.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


bsichtserklärungen der Regierungskoalition reichen
icht aus.


(Anton Schaaf [SPD]: Richtig!)


n 20 Millionen Rentnern kommt man nicht vorbei. Wie
ieht die Bundesregierung auch an dieser Stelle aus,
enn sie 2013 feststellt, dass sie hinsichtlich der ver-

prochenen Angleichung der Altersbezüge in Ost und
est nichts erreicht hat?

Ich warne jedoch davor, auf diesem Wege erneut die
elange der ostdeutschen Bevölkerung zu vernachlässi-
en. In einem Welt-Online-Artikel von heute dämpft der
nionskollege Michael Kretschmer – ich weiß nicht, ob

r heute hier ist – die Erwartungen der ostdeutschen Be-
ölkerung sehr deutlich. Man kann dort lesen – ich zi-
iere –:

Die Anpassung bedeutet für Ostdeutsche nicht au-
tomatisch eine Anhebung des Niveaus.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hört! Hört!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8583

Sonja Steffen


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Darauf hat der Kollege Schaaf schon hingewiesen. Las-
sen Sie die Leute nicht im Ungewissen. Sie haben hohe
Erwartungen an diese Ost-West-Angleichung.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Maria Michalk [CDU/CSU]: Sie sollten sie nicht weiter schüren! Das ist ja der Punkt!)


Ich muss heute an dieser Stelle noch einmal darauf
hinweisen, dass die Ostdeutschen, dass wir Ostdeutsche
ohnehin schon die Gebeutelten des sogenannten Sparpa-
ketes sind. Die Zahlen der Paritätischen Forschungs-
stelle sprechen eine sehr deutliche Sprache: Die Kür-
zungsbeträge pro Einwohner und Jahr für den Zeitraum
2010 bis 2014 beginnen bei 22 Euro in Bayern und en-
den bei 96 Euro in Berlin. Da die Hauptmasse der Kür-
zungen im SGB-II-Bereich liegt, sind die ostdeutschen
Länder besonders betroffen.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Was hat das jetzt mit den Anträgen der Linken zu tun?)


Mecklenburg-Vorpommern drohen dadurch Wertschöp-
fungsverluste von insgesamt 840 Millionen Euro. Die
Angleichung der Rente muss daher mit einem ausgewo-
genen und wirksamen Programm zur Bekämpfung der
Altersarmut und mit der Einführung gesetzlicher flä-
chendeckender Mindestlöhne verbunden sein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707819000

Nächster Redner ist der Kollege Sebastian

Blumenthal für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Sebastian Blumenthal (FDP):
Rede ID: ID1707819100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich

möchte auf die Drucksache 17/3888 aus dem Antragsrei-
gen, den die Linken vorgelegt haben, eingehen. Darin
geht es um Personen mit besonderen Funktionen in der
DDR.

In der heutigen Debatte können wir sicherlich festhal-
ten, dass es Sachverhalte gibt, die von niemandem hier
infrage gestellt werden. Dazu gehört auf jeden Fall, dass
es in individuellen Wahrnehmungen in den neuen Bun-
desländern gefühlte Ungerechtigkeit gibt. So gibt es Ru-
heständler, die aufgrund der Diktatur in der DDR keine
persönliche Karriere machen konnten. Auch sie haben
Ungerechtigkeitsgefühle. Das sollte hier nicht ver-
schwiegen werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie von den Linken gehen aber immer nur auf den ande-
ren Teil ein. Das zumindest besagt der Antrag, den Sie
uns hier vorgelegt haben. Wie wollen Sie es aber den
eben genannten Menschen als angemessen oder gerecht

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(C (D erkaufen, wenn Sie, wie es heißt, „Personen mit betimmten Funktionen“ eine höhere Rente bescheren öchten? Diese Frage drängt sich in diesem Zusammen ang einfach auf. Konkret fordern Sie in Ihrem Antrag, die Regelung es § 6 Abs. 2 im Anspruchsund Anwartschaftsüberührungsgesetz zu streichen. Wir können hier ganz konret benennen, um welche Personengruppen es sich hanelt. Dazu schweigt sich Ihr Antrag nämlich ganz ornehm aus. Es geht um Personen mit Amt und Würen, zum Beispiel um ehemalige Staatssekretäre im olitbüro der SED. (Zuruf der Abg. Dr. Martina Bunge [DIE LINKE])


s geht um ehemalige Minister und ehemalige General-
ekretäre des Zentralkomitees.


(Zuruf von der FDP: Hört! Hört!)


s geht um Staatsanwälte, Richter, Vorsitzende des
taatsrats und weitere. Genau das ist der Personenkreis.
nd diesem Personenkreis möchten Sie eine
öchstrente bescheren, indem Altersansprüche, die nicht
ur durch Arbeitsleistung erworben wurden, dargestellt
erden sollen.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Nein, keine Höchstrente! Einen zusätzlichen Anspruch!)


Frau Bunge, mir ist schon die ganze Zeit aufgefallen,
ass Sie ständig dazwischenbrüllen, wenn wir versu-
hen, auch einmal andere Standpunkte darzustellen.
eine Familie gehört zu denen, die damals „freiwillig

ie DDR verlassen“ haben, wie Sie es hier so süffisant
argestellt haben.


(Zuruf der Abg. Dr. Martina Bunge [DIE LINKE])


s war eine große Herausforderung, Ihrem Beitrag zuzu-
ören, ohne die Fassung zu verlieren, bzw. während Ih-
es Beitrages die parlamentarischen Gepflogenheiten
inzuhalten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


etzt möchte ich Sie bitten, einfach einmal zuzuhören.

Das Bundesverfassungsgericht hat ja im Sommer
estgestellt, dass die Rentenansprüche der eben genann-
en Personenkreise zum Teil „Prämien für Systemtreue“
ewesen sind. Aber Prämien für Systemtreue sieht unser
entensystem einfach nicht vor.

Wir von der FDP sehen als Zielsetzung ganz klar, hier
ine ganzheitliche Lösung zu finden. Das haben die Kol-
egen Vorredner schon ausgeführt. Auf die Wiederein-
ührung einer Prämie für Systemtreue werden wir ganz
icher verzichten. Aus diesem Grund werden wir zumin-
est diesen einzelnen Antrag, den Sie vorgelegt haben,
n der weiteren Beratung entschieden ablehnen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


8584 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010


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Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707819200

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Frank

Heinrich für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Frank Heinrich (CDU):
Rede ID: ID1707819300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich stehe als Letzter in dieser Debatte und
merke, dass eigentlich schon alles gesagt ist. Die Argu-
mente wurden nicht nur letztes Jahr, sondern auch in die-
sem Jahr schon einmal ausgetauscht und liegen heute
schon wieder auf dem Tisch. Daher möchte ich nur zu-
sammenfassen und zwei Grundgedanken in die Debatte
einbringen.

Der erste Gedanke, der mir dabei kommt, ist: Quanti-
tät vor Qualität. Quantitativ haben Sie sich ausgiebig mit
den unterschiedlichsten Ansprüchen verschiedenster
Gruppen beschäftigt. Das bedeutet aber nicht automa-
tisch, dass damit auch eine Annäherung an Lösungen
stattfindet.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Wir machen wenigstens Vorschläge!)


Viele Kolleginnen und Kollegen verschiedener Fraktio-
nen – Herr Schaaf, Sie haben das gesagt – haben sich in
den letzten Jahren bemüht, differenziert mit diesem
Thema umzugehen. Ein abschließendes Ergebnis gibt es
noch nicht. Wir gehen davon aus und ich setze mich da-
für ein, dass wir nächstes Jahr an die nächsten Anglei-
chungsschritte herangehen. Das heißt, dann wird noch
einmal debattiert werden. Mein Einsatz wird in diese
Richtung gehen. Wir sind aber noch bei keinem Ergeb-
nis. Das zeigt die Komplexität.

Wie müssen sich die Betroffenen zum Teil fühlen,
wenn es immer wieder hü und hott geht? Sie machen ih-
nen neue Hoffnungen, sprechen sie von Ihrer Seite aus
immer wieder an und machen sie heiß. Denken Sie nur
einmal daran – Herr Blumenthal hat es gerade gesagt;
auch mir ist da einiges durch den Kopf gegangen –, wie
Sie diese eine Gruppe ansprechen und wie Sie darüber
reden.

Ihre 18 Anträge sind meines Erachtens nicht im Inte-
resse der einzelnen Gruppen. Das Vorgehen wird keiner
oder kaum einer der Gruppen gerecht. Da wird eher in-
strumentalisiert, und ich hinterfrage die Motive.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Dann machen Sie doch einen Vorschlag!)


Am Ende kann die Linke allen, jeder dieser Gruppen, sa-
gen: Für eure Gruppe haben wir uns eingesetzt.


(Zuruf von der LINKEN: Richtig! Sehr richtig! Das stimmt!)


Schauen Sie in den Mai 2009, in das Jahr 2010, in den
November und auf den 2. Dezember dieses Jahres. – Wie
komplex die Lösung von und das Herangehen an Ren-
tenfragen ist, kommunizieren Sie allerdings nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Wie ernsthaft gehen Sie dieses Anliegen an? Einzelne leine Nachbesserungen mögen eine geringe Chance haen, die meisten der Forderungen in Ihren Anträgen sind llerdings realitätsfern; so denke ich, so denken wir. Die rößten Chancen für einen Ausgleich – an dieser Stelle öchte ich tatsächlich doch noch eine Gruppe nennen – ehe ich bei den Wissenschaftlern und Professoren, die ach der Wende die Wissenschaftslandschaft in den euen Bundesländern maßgeblich aufgebaut haben. Ihre enten müssen diese Lebensleistung nach der friedlihen Revolution widerspiegeln. Vertreter dieser Gruppe, it denen ich in Kontakt bin, haben mir gesagt: Wir füh en uns in diesem Antrag nicht richtig wiedergegeben. (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Dann nehmen Sie jetzt einmal den Einzelantrag!)


ir sehen – so haben Sie es genannt, Frau Dr. Bunge –
as Gesamtpaket. Wir wollen nicht in den gemeinsamen
opf geworfen werden. Das wird unserer Problematik
berhaupt nicht gerecht. – Ich bin sicher, dass es anderen
n anderen Bereichen ganz ähnlich geht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Wir haben auch mit denen zusammengearbeitet!)


Der zweite Gedanke, den ich ansprechen möchte, ist,
ass einige der Anträge mit dem Wort „Gerecht“ begin-
en, zum Beispiel „Gerechte Alterseinkünfte“. Da gibt
s ein Problem, eine Kollision. Durch die Wende – das
aben wir nicht verschwiegen – und durch die Stichtage,
ie angesetzt wurden, sind Ungerechtigkeiten gehalten
orden oder entstanden. Dies betrifft aber auch generell
ie Frage der Generationengerechtigkeit. Junge Leute
agen mir: Wie können Sie immer noch darüber disku-
ieren? Es ist so geschehen. Wir müssen Rechtssicherheit
chaffen und neu in die Zukunft denken.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Das sagen Sie einmal den Enkeln von Betroffenen! Die werden nicht so reden!)


Man kann nicht in allen Fällen völlige Gerechtigkeit
rreichen. Ich habe die Frage im Ohr, warum man das in
inem Rechtsstaat nicht schafft. Die Herausforderung
er Einzelfallgerechtigkeit können wir so nicht meistern.
eine Kritik ist auch hier: Sie klären die Menschen

icht auf. Ich weiß – das ist bei meinen Vorrednern
ehrfach angeklungen –, dass Vertrauen enttäuscht wor-

en ist. Aber es ist viel mehr vor der Wende, vor der
riedlichen Revolution enttäuscht worden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


orauf wurde überhaupt vertraut? Viele Planungen und
rwartungen sind hinfällig geworden. Es ist nachvoll-
iehbar, dass auf die sozialen Versprechungen der DDR
ertraut wurde.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Und Beiträge gezahlt in Zusatzversorgung!)


etzt machen Sie in Ihren Anträgen ähnliche Verspre-
hungen. Das Wort „Willkür“ ist im Zusammenhang mit
em Rentenrecht gefallen. Die Ungerechtigkeiten, die
ch hier aufgelistet habe, sind alle genannt worden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8585

Frank Heinrich


(A) )


)(B)

Ich möchte zum Schluss sagen: Insgesamt betrachtet
war die Übertragung des Rentensystems West auf das
Rentensystem Ost eine große gesellschaftliche Leistung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es war eine tolle Leistung, die in kürzester Zeit stattfand.
Die Löhne sind danach gestiegen. Wir haben es ge-
schafft, die Rentnerinnen und Rentner daran zu beteili-
gen. Das war überhaupt nicht selbstverständlich. Dies
geschah immer in dem Bewusstsein, dass Ungerechtig-
keiten dabei passieren. Auch jetzt führt jede Verände-
rung zu neuen Ungerechtigkeiten. Ich habe das Bild ei-
nes Mobiles vor Augen: Wenn wir es an einer Stelle
belasten, wird das System kippen.

Die wirtschaftlichen Fehler von damals, die sich auch
in unzähligen Lebensläufen, in die widerrechtlich einge-
griffen wurde, niedergeschlagen haben, heute entspre-
chend ausgleichen zu wollen, ist trotz aller Bestrebungen
nicht möglich.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Warum denn nicht? Möglich ist das immer! Man muss nur wollen! Alles eine Frage des politischen Willens!)


Wir würden die Leistungsfähigkeit unseres Staates über-
dehnen, wenn wir für alle negativen Folgen, die das Sys-
tem für den Bürger hatte, einen Ausgleich schaffen woll-
ten. Gerechtigkeit kann man nicht gegen Gerechtigkeit
aufwiegen, auch ein demokratischer Rechtsstaat kann
das nicht.

Schwer nachvollziehbar ist für mich allerdings – da-
mit komme ich zum Schluss –, dass die angeblichen oder
tatsächlichen Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten in
regelmäßigen Abständen von Ihrer Seite immer wieder
so stark betont werden. Dies steht nicht im Verhältnis zu
den Chancen, die mit der Erlangung der Freiheit verbun-
den waren. Deshalb erinnere ich zum Ende noch einmal
an den Satz von Peter Weiß, der heute den Jahrestag be-
tont hat.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707819400

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.


Frank Heinrich (CDU):
Rede ID: ID1707819500

Er hat damit genau diese Freiheit dokumentiert.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707819600

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 17/3871 bis 17/3888 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 9 auf:

Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten

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(C (D Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen – Drucksache 17/3403 – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses – Drucksache 17/4062 – Berichterstattung: Abgeordnete Ansgar Heveling Christine Lambrecht Christian Ahrendt Halina Wawzyniak Jerzy Montag Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der PD vor. Interfraktionell wurde vereinbart, darüber eine Dreiiertelstunde zu debattieren. – Ich sehe, damit sind Sie inverstanden. Dann werden wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der arlamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler das ort. D Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und erren! Wir beraten heute abschließend eines der umangreichsten, schwierigsten und wichtigsten rechtspoliischen Vorhaben dieser Legislaturperiode. Es handelt ich um nicht mehr und nicht weniger als um die seit 970 größte Reform des Rechts der Sicherungsverwahung aus einem Guss. amit werden die teils verfehlten Detailkorrekturen der etzten Jahre abgelöst. Wir schaffen nun ein in sich stim iges System, das den rechtsstaatlichen Anforderungen oll entspricht und die Sicherheitsinteressen der Bevölerung wahrt. Ich finde, dies ist ein sehr zufriedenstelendes Ergebnis der intensiven Beratungen aller Fraktioen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1707819700

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Sicherungsverwahrung bedeutet weiteren Freiheits-
ntzug nach vollständiger Verbüßung einer schuldange-
essenen Strafe aufgrund einer Gefährlichkeitsprog-

ose. Das bedeutet zugleich: Dieses Institut ist zwar
otwendig, es kann und darf in einem Rechtsstaat aber
ur die Ultima Ratio, das letzte Mittel, sein. Ich bin des-
egen sehr zufrieden, dass die Parlamentarier in den Be-

atungen des Rechtsausschusses den Katalog der Anlass-
aten, also derjenigen Taten, bei denen dieses
inschneidendste und letzte Mittel des Strafrechts noch
ur Anwendung kommen darf, sehr genau durchforstet
aben. Das Ergebnis ist, dass nun im Wesentlichen nur
och schwere Gewalt- und Sexualdelikte und einige wei-
ere schwere Straftaten mit hoher Strafandrohung Anlass

8586 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Parl. Staatssekretär Dr. Max Stadler


(A) )


)(B)

für die Verhängung von Sicherungsverwahrung sein
können. Damit ist der Ultima-Ratio-Charakter, den ich
erwähnt habe, deutlich gewahrt. Das ist ein gutes Ergeb-
nis der Beratungen des Rechtsausschusses.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, unserer Meinung nach hat
sich die nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht be-
währt. Es ist daher besser, den Anwendungsbereich der
schon im Urteil vorbehaltenen Sicherungsverwahrung
auszubauen. Genau dies geschieht mit diesem Gesetz.

Schließlich mussten wir auf eine Sondersituation rea-
gieren, nämlich auf die Situation, dass Verurteilte aus der
Sicherungsverwahrung schon entlassen wurden oder
noch zu entlassen sind, und zwar wegen eines Ihnen be-
kannten Urteils des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte. Für diese Fälle schaffen wir das Gesetz
zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter
Gewalttäter. Wir haben damit als Bundesgesetzgeber das
getan, was uns möglich ist, um diese schwierige Situa-
tion zu meistern. Es handelt sich dabei um eine Sonder-
situation, auf die wir mit speziellen Vorschriften reagie-
ren.

Ich möchte am Ende meiner kurzen Einführung allen
Mitgliedern des Rechtsausschusses dafür danken, dass
sie in sehr konstruktiven Beratungen die Vorschläge, die
das Bundesjustizministerium erarbeitet hat und die die
Koalitionsfraktionen eingebracht haben, noch einmal
verbessert haben. Ich finde, jetzt liegt ein anspruchsvol-
les und ausgewogenes Gesamtkonzept vor, das sich
durchaus sehen lassen kann.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707819800

Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine

Lambrecht für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Christine Lambrecht (SPD):
Rede ID: ID1707819900

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Vor fast genau einem Jahr hat der Europäische Ge-
richtshof für Menschenrechte festgestellt, dass die nach-
trägliche Verlängerung der zunächst auf zehn Jahre
begrenzten Sicherungsverwahrung gegen die Europäi-
sche Menschenrechtskonvention verstößt. Ein Jahr spä-
ter – spät, aber nicht zu spät – liegt uns jetzt ein Gesetz-
entwurf vor, der, wie ich finde und wie die SPD-
Bundestagsfraktion findet, durchaus eine Antwort auf
die Vorgaben, die uns der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte gemacht hat, ist. Damit wird nämlich
vor allem ermöglicht, Kinder, Jugendliche und Frauen
auch weiter vor Gewalttätern zu schützen, die als hoch-
gefährlich gelten müssen.


(Beifall bei der SPD und der FDP)


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(C (D Die SPD-Fraktion hat als Oppositionspartei von Anang an gesagt, dass wir Sie in diesem Prozess gern, uch gemeinsam mit unseren sozialdemokratischen Jusizund Innenministern, konstruktiv begleiten, und wir aben auch eine Lösung für die Altfälle eingefordert. on Anfang an haben wir diese Zusage gemacht, und ich enke, wir haben sie auch entsprechend konstruktiv einehalten. Uns war es wichtig, dass bei dieser Neuregelung, zu er wir ja verpflichtet sind, die Anlasstaten, die Vortaten, eschränkt werden auf Taten, die es tatsächlich wert ind, dass jemand nach Verbüßen der Strafhaft weiter die reiheit entzogen bekommt. So haben wir darauf hingeirkt, dass diese Taten auf schwerste Taten gegen Leen, körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbetimmung beschränkt wurden. Deswegen – das muss ich n dieser Stelle auch sagen – bin ich froh, dass Sie nicht it einem Gesetzentwurf in die anstehenden Beratungen ineingegangen sind und gesagt haben, so bleibt es – das äre ja auch eine Möglichkeit gewesen –, sondern dass s im Beratungsprozess gelungen ist, gemeinsam diese eränderungen herbeizuführen. Somit möchte ich mich an der Stelle noch einmal bei llen Kolleginnen und Kollegen dafür bedanken, dass ir bei diesem hochemotional beladenen Thema in sehr onstruktiven und sehr sachlichen Diskussionen hingeriegt haben, entsprechende Neuregelungen zu schaffen. ch denke, dieses Klima herrschte auch zu Recht. Herzlihes Dankeschön! (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Die Sicherungsverwahrung – Herr Staatssekretär
tadler hat es gesagt – ist ja die schärfste Sanktion, die
as deutsche Strafrecht überhaupt kennt. Sie bedeutet
reiheitsentzug zum Schutz der Allgemeinheit trotz be-
eits erfolgter vollständiger Verbüßung der Haftstrafe,
enn zu befürchten ist, dass bei jemandem weiterhin

ine Gefahr für die Sicherheit der Allgemeinheit besteht.
eswegen soll diese Ultima Ratio nur für eng begrenzte
älle möglich sein. Ich will es deutlich sagen: Es geht
icht um ein subjektives Sicherheitsgefühl in der Bevöl-
erung. Wir müssen die Tatsache akzeptieren, dass es
inzelne, Gott sei Dank sehr wenige Menschen gibt, die
atsächlich eine permanente Gefahr für die Gesellschaft
arstellen. Für diese begründeten Einzelfälle, wirklich
ur für die, muss es unserer Überzeugung nach auch in
ukunft die Möglichkeit der Sicherungsverwahrung ge-
en.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Zu Beginn der Beratungen hatten wir noch einen Ent-
urf auf dem Tisch liegen, gegenüber dem wir sehr kri-

isch waren, insbesondere weil darin auch Vermögensde-
ikte enthalten waren. Unsere Position war: Wenn wir es
etzt schon neu regeln, dann sollten wir es wirklich eng
uf eine geringe Anzahl von Anlasstaten begrenzen –
uch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit. Ich habe es
chon gesagt: Es ist gelungen, diese Konzentration zu er-
eichen, und das ist auch gut so.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8587

Christine Lambrecht


(A) )


)(B)

Unserer Meinung nach immer noch nicht gut ist, dass
es nicht gelungen ist, Sie davon zu überzeugen, den letz-
ten Schritt zu gehen, eben auch die Sicherungsverwah-
rung für Heranwachsende und für Jugendliche neu zu re-
geln. Dass uns das nicht gelungen ist, ist sehr schade.
Wir bedauern das. Da haben Sie Handlungsbedarf. Da
sind Sie gefordert. Ich gehe davon aus, dass das dann
auch zügig erfolgen wird.


(Beifall bei der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zu
dem Therapieunterbringungsgesetz kommen. Diese Re-
gelung wurde geschaffen, weil nach dem vorhin schon
genannten Urteil Menschen aus der Sicherungsverwah-
rung entlassen wurden bzw. jetzt entlassen werden, teil-
weise völlig unvorbereitet auf das, was sie nach jahrelan-
ger Haft und auch noch Sicherungsverwahrung in
Freiheit erwartet, und dann noch umgeben von mehreren
Polizisten, die sie rund um die Uhr bewachen. Ich glaube,
das ist ein untragbarer Zustand. Deswegen ist dieses The-
rapieunterbringungsgesetz sicherlich ein schmaler Grat,
ein schwieriger Weg, den man aber nichtsdestotrotz ge-
hen muss. Ich glaube auch, dass die Eingrenzung, die vor-
genommen wurde, eine durchaus sachgerechte und auch
akzeptable Einschränkung ist.

Ich will es deswegen noch einmal deutlich sagen:
Diese Unterbringung im Nachhinein ist nur möglich – als
Auswirkung des Urteils –, wenn Verurteilungen aufgrund
von Taten erfolgt sind, die auch jetzt nach der Neurege-
lung als Vortaten der Sicherungsverwahrung gelten wür-
den, und wenn zwei externe Gutachter feststellen, dass
eine Störung vorliegt, aufgrund der die Gefahr besteht,
dass der Verurteilte weitere Straftaten begehen wird,
durch die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschä-
digt werden, oder dass eine hinreichend konkretisierte
potenzielle schwere Straftat droht.

Ich glaube, wir haben es mit diesen ganz engen
Voraussetzungen geschafft, dass wirklich nur der Perso-
nenkreis erfasst ist, den wir auch erfassen wollen. Wir
wollen nämlich nicht, dass durch das Therapieunterbrin-
gungsgesetz alle, die nach dem genannten Urteil entlas-
sen wurden und werden, erfasst werden, sondern wirk-
lich nur die Schwerstkriminellen, von denen zu erwarten
ist, dass sie in genau den gerade angeführten Bereichen
hinterher rückfällig werden. Ich glaube, für diese ist der
Gesetzentwurf auch angemessen.

Es ist ein Novum, dass im Gesetzentwurf von der psy-
chischen Störung gesprochen wird. Diesen Begriff kann-
ten wir im deutschen Recht bisher nicht. Wir kennen die
psychische Krankheit, aber nicht die psychische Stö-
rung. Ich glaube aber durchaus, dass das mit dem, was
uns aus Europa vorgegeben worden ist, zu vereinbaren
ist. Ich sage aber auch: Es kommt jetzt darauf an, was
die Länder daraus machen. Allein die Buchstaben des
Gesetzes werden nicht entscheidend sein. Auch das Ur-
teil ist ja nicht erfolgt, weil etwas im Gesetz stand, son-
dern weil die Sicherungsverwahrung in Deutschland so
ausgestaltet war, dass sie nichts anderes als eine Verlän-
gerung der Strafhaft war. Das war die Situation, die vor-
gefunden wurde. Darauf wurden wir auch hingewiesen.
Trotzdem wurde in den Ländern nichts verändert.

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(C (D An diesem Knackpunkt wird sich hinterher auch entcheiden, ob mit dem ThUG, diesem Therapieunterbrinungsgesetz, das erreicht wird, was beabsichtigt ist, ämlich Menschen in einer entsprechenden Maßnahme uf das vorzubereiten, was auf sie zukommt. Das sollte nser aller Anspruch sein: Jeder, der in Sicherungsverahrung untergebracht ist, muss einen Anspruch darauf aben, eine Perspektive zu besitzen. Diese Unterbrinung darf für niemanden bedeuten: Tür zu, und das war s. Für jeden muss vielmehr eine Perspektive eröffnet erden. Das muss in den Ländern geleistet werden. Ich sage aber auch: Das wird die Länder richtig viel eld kosten, weil sie Therapieangebote zu machen haen und für entsprechende räumliche Ausgestaltungen orgen müssen. Deswegen habe ich auch an dieser Stelle och einmal die ganz klare Forderung: Wir dürfen die änder hier finanziell nicht im Regen stehen lassen, sonern hier ist, bitte schön, auch der Bund gefragt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es nach dem Inkraftreten des Gesetzes wirklich in allen Ländern möglich st, den entsprechenden Tätern eine sogenannte Fußfesel anzulegen; denn ich weiß nicht, ob alle Länder entprechend darauf vorbereitet sind. Ich glaube, eher nicht. s wird also wohl eine Übergangsphase geben. Wie geagt: Hier kommt auf die Länder richtig viel Arbeit zu, nd wir sollten sie entsprechend begleiten. Zusammenfassend sage ich: Der Gesetzentwurf liegt pät vor, nämlich erst nach einem Jahr, aber immerhin icht zu spät. Die geforderten Korrekturen bezogen auf ie Anlasstaten haben wir immerhin erreicht. Schwachunkt bleibt natürlich, wie gesagt, dass Sie sich nicht zu eränderungen bei den Jugendlichen und Heranwachenden durchringen können. In der Gesamtabwägung ommen wir von der SPD-Bundestagsfraktion aber zu em Schluss, dass mit diesem Gesetzentwurf ein gangarer Weg aufgezeigt wird. Ich frage mich nämlich: Was äre ein alternativer Weg gewesen? (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Alternativen entwickeln!)


(Beifall bei der SPD)


twa nichts zu tun und dabei zuzuschauen, wie höchst ge-
ährliche Straftäter völlig unvorbereitet in eine untrag-
are Situation entlassen werden, sodass Gefahr von ihnen
usgeht? Ich sage Ihnen: Das ist kein verantwortbarer
eg. Deswegen haben wir uns entschieden, Verantwor-

ung zu übernehmen. Wir werden diesem Gesetzentwurf
ustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707820000

Das Wort hat nun die Kollegin Andrea Voßhoff für

ie CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


8588 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010


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Andrea Astrid Voßhoff (CDU):
Rede ID: ID1707820100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen!


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1707820200
Die
christlich-liberale Koalition legt heute einen Gesetzent-
wurf zur abschließenden Neugestaltung der Sicherungs-
verwahrung vor, einen Gesetzentwurf mit einer rechts-
politischen Tragweite von – ich glaube, das sagen zu
können – grundsätzlicher Bedeutung. Nach meiner Erin-
nerung hat es, seitdem ich im Bundestag bin, kein anderes
Gesetzgebungsverfahren in der Rechtspolitik gegeben,
das in der öffentlichen Wahrnehmung zu Recht so auf-
merksam diskutiert und verfolgt worden ist.

Ich denke auch, sagen zu können – das wissen all die,
die sich intensiver damit befasst haben –, dass gerade
diese Materie zu den komplexesten und schwierigsten
im Bereich des Strafrechts, des Strafprozessrechts und
des Strafvollzugs gehört und es demzufolge in besonde-
rer Weise eine Herausforderung war. Das wird jeder fest-
stellen, der schon einmal in den Gesetzentwurf hineinge-
schaut hat.

Mit dem Gesetzentwurf, den wir Ihnen heute zur ab-
schließenden Beratung vorlegen, regeln wir nicht nur
das Recht der Sicherungsverwahrung nahezu komplett
neu, sondern – das ist auch die Auffassung der Union –
wir werden hiermit künftig auch ausgewogen und ver-
antwortbar Schutzlücken im Recht der Sicherungsver-
wahrung schließen und damit den Ansprüchen gerecht,
die die Bürger an uns haben. Ich glaube, all das wird mit
diesem Gesetzentwurf zu einem großen Teil erreicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Die Neuordnung der Sicherungsverwahrung gehörte
ja von Anfang an – auch das hat der Staatssekretär er-
wähnt – zu den umfassendsten rechtspolitischen Vorha-
ben dieser christlich-liberalen Koalition. Nachdem in ei-
ner Vielzahl von Gesetzesinitiativen der vergangenen
Jahre immer wieder einzelne Bereiche geregelt wurden,
ist das Recht insgesamt unübersichtlich geworden. Es
gibt wohl kaum eine andere Materie, die mit so unter-
schiedlich divergierenden Entscheidungen von Bundes-
gerichten bis hin zum EGMR leben musste. Die Ursa-
chen kennen wir. Die Folgen haben wir heute mit dem
Gesetzentwurf nicht nur zu lösen versucht, sondern auch
auf einem guten Weg – wie ich finde – lösen können.

Wir standen vor der schwierigen Frage – ich sagte es
bereits –, im Lichte der divergierenden Entscheidungen
von Obergerichten einschließlich des EGMR das Recht
der Sicherungsverwahrung neu zu regeln und im Span-
nungsfeld dieser unterschiedlichen Entscheidungen auch
einen Weg zu finden, um die Lücken, die die Entschei-
dungen des EGMR, aber auch Entscheidungen des Bun-
desverfassungsgerichts und infolgedessen des BGH auf-
gerissen haben, zu schließen.

Die durch das EGMR-Urteil entstandene Situation
wurde hier schon angesprochen; ich brauche es daher
nicht im Einzelnen zu thematisieren. Viele betroffene
Bürger und Eltern haben sich an uns gewandt und ge-
fragt: Ist es richtig und was tut der Staat dagegen, dass
immer noch Straftäter, die erklärtermaßen als gefährlich

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(C (D ingestuft werden, aufgrund des Urteils des EGMR entassen werden? All dieses stellte für die Bürger ein Prolem dar, und sie wussten nicht, wie sie mit den dadurch usgelösten Ängsten umgehen sollten. Schutzlücken im Gesetz zu schließen, war demzuolge der Auftrag und der Anlass für unsere Reform. Es st schon gesagt worden: Wir haben Ihnen heute in drei ereichen gute Regelungen vorgelegt. Erstens. Für künftige schwere Gewaltund Sexualtraftäter haben wir die Sicherungsverwahrung unter Beücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung und auch es Urteils des EGMR neu geregelt. Aufgrund der Neurdnung der primären, aber auch der Ausweitung der orbehaltenen Sicherungsverwahrung insbesondere auch uf Ersttäter sind wir ebenso wie viele Sachverständige er Auffassung, dass die umstrittene nachträgliche Siherungsverwahrung in Zukunft entbehrlich ist. Deshalb nterstützen wir dies – und das haben wir auch nachhalig gefordert – gerade im Bereich der Sicherungsverwahung für künftige Fälle. Zweitens. Für die Altfälle haben wir mit der Beibealtung der bisherigen Regelungen zur Sicherungsverahrung eine, wie wir meinen, im Ergebnis tragfähige ösung gefunden. Ich weiß – darüber haben wir auch im echtsausschuss diskutiert –, dass das nicht unumstritten st. Ich denke allerdings, dass das BMJ sehr abgewogen nd im Ergebnis sehr überzeugend dargelegt hat, dass ie im Gesetz beabsichtigte Übergangsregelung als verretbar anzusehen ist. Einen dritten Punkt möchte ich noch nennen, der hier uch schon angesprochen worden ist, nämlich die sogeannten Parallelfälle. Es geht darum, wie wir mit denjeigen umgehen, die aufgrund des Urteils des EGMR beeits in die Freiheit entlassen werden mussten oder in bsehbarer Zeit in die Freiheit entlassen werden. Es ist on meinen Vorrednern gesagt worden: Mit dem Theraieunterbringungsgesetz haben wir auf eine Sondersituaion, die einen begrenzten Personenkreis betrifft, reaiert. Für den vorliegenden Gesetzentwurf – ich weiß, es st nicht unumstritten, und es gibt immer auch Arguente dagegen – gilt hier mein besonderer Dank dem MJ, das den engen Korridor, den das EGMR in Art. 5 rmöglicht hat, sehr abgewogen und rechtstechnisch ehr gut umgesetzt hat. Von Vertretern der Linken musste ich heute lesen, mit iesem Gesetz würden wir uns dem Druck der Stammtiche beugen. Dazu kann ich nur sagen: Meine Damen nd Herren von der Linken, sprechen Sie doch einmal it den besorgten Eltern, in deren Nachbarschaft solche traftäter wohnen, die aus einem ganz anderen Grund reigelassen wurden als aus dem, dass sie nicht mehr geährlich sind. Ich glaube nicht, dass Sie mit solchen Paolen dort überzeugen können. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, es ist schon erwähnt wor-
en: Im Nachgang zur Anhörung haben wir einige wei-
ere Änderungen vorgenommen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8589

Andrea Astrid Voßhoff


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Sozusagen im Lichte der Auswertung der Anhörung
haben wir den Kreis der Anlasstaten nochmals einge-
grenzt, um die Ultima-Ratio-Funktion der Sicherungs-
verwahrung deutlich zu dokumentieren.

Wir haben weiterhin das Erlöschen des Vorbehalts
beim Bewährungswiderruf rückgängig gemacht. Das be-
deutet, dass der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung bei
jemandem, der vorzeitig auf Bewährung freigelassen
wird, nicht automatisch erlischt. Vielmehr kann der Vor-
behalt der Sicherungsverwahrung wieder aufleben, wenn
die Bewährung aus welchen Gründen auch immer – bei-
spielsweise weil er Straftaten begangen hat oder erneut
auffällig geworden ist – aufgehoben wird. Im Nachgang
zu der Anhörung ist es auch gelungen, die Frist für die
Rückfallverjährung von 10 auf 15 Jahre zu verlängern.

Wenn man dies alles zusammennimmt, dann ist diese
grundlegende Reform der Sicherungsverwahrung – das
habe ich eingangs gesagt – ein tragfähiges Konzept für
die Zukunft. Das ist – nach den Regelungen der vergan-
genen Jahre – ein großer Erfolg der christlich-liberalen
Koalition. Es ist nicht in allen Punkten unumstritten; das
wissen wir. Aber die Materie ist außerordentlich kom-
plex und schwierig.

Ich meine, die christlich-liberale Koalition hat in die-
ser Frage den richtigen Weg gefunden und in den offe-
nen Punkten einen guten Kompromiss erzielt. Dass sich
die Linken dem nicht anschließen können, kann man
schon deren Stellungnahme entnehmen. Die Kollegin
Lambrecht hat es bereits angesprochen. Die Grünen ent-
wickeln sich leider zu einer Dagegen-Partei. Es gibt – so
wurde es auch von der SPD vorgetragen – gute Gründe,
diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.


(Zuruf des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Das muss nicht sein, keine Frage. Es zeigte sich aber in
den Beratungen, dass wir in vielen Fragen nicht nur ei-
nen guten Kompromiss, sondern auch einen vertretbaren
Weg gefunden haben.

Auch ich darf mich beim BMJ und beim Koalitions-
partner für die guten konstruktiven Gespräche im Rah-
men unserer Berichterstattung bedanken. Das war wich-
tig und gut. Wir haben viele Anregungen aufgenommen
und, wie Sie sehen, die eine oder andere auch umgesetzt.

In diesem Sinne darf ich an die Länder appellieren. Es
ist von entscheidender Bedeutung – das wäre es schon
die ganzen Jahre über gewesen, aber jetzt erst recht –,
dass die Länder die Umsetzung der Sicherungsverwah-
rung jetzt endlich neu anpacken. Ich weiß, dass es eine
Arbeitsgruppe auf Länderebene und ein erstes Kriterien-
papier gibt. Auch dort ist man also auf einem guten Weg.
Unser Gesetz kann nur so gut sein wie die anschließende
Umsetzung in den Ländern. Deshalb darf ich hoffen,
dass die Länder an dieser Stelle zügig weitermachen.
Wir sind es der Sicherheit unserer Bürger schuldig.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Nächste Rednerin ist die Kollegin Halina Wawzyniak ür die Fraktion Die Linke. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und erren! Mir scheint, dass wir in zwei verschiedenen elten leben. In der Debatte um die zukünftige Ausge taltung der Sicherungsverwahrung hat ein von mir sehr eschätzter Kollege aus den Reihen der Union sinngeäß gesagt: Absolute Sicherheit wird es nicht geben. eshalb ist immer eine Abwägung zwischen den Sichereitsinteressen der Bevölkerung und dem rechtsstaatlihen Umgang mit Straftätern notwendig. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ein guter Mann!)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707820300

(Beifall bei der LINKEN)

Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707820400

iese Aussage kann ich bedingungslos teilen.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie werden langsam klüger!)


ch glaube, wir können sie alle bedingungslos teilen. Sie
ntspricht auch den übereinstimmenden Einschätzungen
ller Sachverständigen, die wir in den letzten Wochen zu
iesem Thema gehört haben.

Aber mit dem vorgelegten Gesetzentwurf kommt die
oalition in ihrer Abwägung zu einem Ergebnis, das
iesem Anspruch bedauerlicherweise nicht gerecht wird
nd bei dem erhebliche rechtsstaatliche Bedenken beste-
en bleiben. Deshalb können wir Linken den Gesetzent-
urf nicht mittragen.


(Beifall bei der LINKEN)


Dass die Sicherungsverwahrung unter rechtsstaatli-
hen Gesichtspunkten ein problematisches Instrument
st, wird selbst von konservativen Strafrechtlern nicht
estritten. Deshalb sagen auch Befürworter der Siche-
ungsverwahrung, dass dieses Mittel nur die Ultima Ra-
io sein darf. In der Abwägung der Koalition wird jedoch
ieses rechtsstaatlich fragwürdige Instrument nicht be-
chränkt. Das postulierte Ziel der Sicherungsverwahrung
ls Ultima Ratio wird nicht eingehalten. Massive Beden-
en hinsichtlich der Europarechtskonformität werden
gnoriert. Das Gesetzgebungsverfahren war allenfalls
ormal von dem Bemühen geprägt, ein größtmögliches
invernehmen herzustellen. Inhaltlich hat die Koalition
s schlicht durchgezogen.

Sicherungsverwahrung bedeutet im Kern, dass Men-
chen, die für früher begangene Straftaten eine Freiheits-
trafe verbüßt haben, aufgrund einer vermuteten Gefähr-
ichkeit für die Zukunft präventiv weggesperrt werden.
as aber steht im Widerspruch zum Schuldprinzip des
eutschen Strafrechts. Der Gesetzentwurf manifestiert
iesen Widerspruch, und deshalb lehnen wir ihn ab.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir erleben heute die zweite und dritte Beratung ei-
es Gesetzentwurfs, der fast genauso aussieht, wie er
ingebracht wurde. Ich erinnere daran: Der Gesetzent-

8590 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Halina Wawzyniak


(A) )


)(B)

wurf wurde von der Koalition wenige Tage vor der ers-
ten Lesung eingebracht. Die Begründung umfasste
knapp 100 Seiten. Danach gab es eine Sachverständigen-
anhörung und zwei sogenannte Orientierungsgespräche.
Wir Linke waren die einzige Fraktion, die trotz erhebli-
cher grundsätzlicher Bedenken gegen den ganzen Ansatz
nach der Sachverständigenanhörung eine schriftliche
Stellungnahme für das Orientierungsgespräch vorgelegt
haben, in der wir detailliert und sehr konkret einen er-
heblichen Änderungsbedarf aufgezeigt haben. Aber was
ist jetzt das Ergebnis der Anhörung und der Orientie-
rungsgespräche? Lediglich an einem einzigen Punkt ha-
ben Sie Veränderungen vorgenommen, nämlich bei den
Anlassstraftaten. Der Preis für diese Veränderung war
die Verlängerung der Frist für die Rückfallverjährung
auf 15 Jahre. So etwas nennt man Kopplungsgeschäft.
Selbst die Veränderung bei den Anlassstraftaten führt
nicht zu dem Ziel, die Sicherungsverwahrung als Ultima
Ratio zu gestalten. Immer noch zählen Staatsschutzde-
likte und Delikte nach dem Betäubungsmittelgesetz zu
den Anlassstraftaten.

Doch damit nicht genug. Trotz erheblicher Bedenken
reicht es aus, dass der Hang nicht festgestellt, sondern
weiter nur wahrscheinlich sein muss. Aber auch damit
nicht genug: Trotz erheblicher Kritik an der Europa-
rechtskonformität wurde die vorbehaltene Sicherungs-
verwahrung ausgeweitet mit der Begründung, dies sei
günstig für die Therapie. Wir sind der Auffassung, dass
diese Begründung absurd ist. Mit dem Damoklesschwert
der Sicherungsverwahrung wird jeder Therapieansatz
konterkariert.


(Beifall bei der LINKEN)


Trotz erheblicher Kritik an der Europarechtskonfor-
mität bleibt die Regelung der nachträglichen Sicherungs-
verwahrung für Altfälle bestehen. Wir werden also bis
zu 15 Jahre weiter eine nachträgliche Sicherungsverwah-
rung haben. An dieser Stelle frage ich Sie mit den Wor-
ten von Herrn Renzikowski: Wer zahlt eigentlich die
Schadensersatzforderungen, wenn diese Fälle vor dem
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verhan-
delt werden und die Betroffenen recht bekommen?

Zum Schluss zum Therapieunterbringungsgesetz; das
ist Art. 5 des Gesetzentwurfs. Die vorgeschlagenen Rege-
lungen zum Therapieunterbringungsgesetz wurden von
allen Sachverständigen als problematisch bezeichnet.
Sie wissen, dass die Gesetzgebungskompetenz umstrit-
ten ist. Sie etikettieren Menschen um zu psychisch Ge-
störten, trotz erheblicher europarechtlicher Bedenken.
Das führt zu einer Psychiatrisierung, hilft aber nieman-
dem weiter. Wir haben einen Rechtsanspruch auf Thera-
pie gefordert. Sie haben das nicht aufgegriffen. Deshalb
ist es gut und richtig, dass das Land Brandenburg den
Vermittlungsausschuss in Sachen Sicherungsverwahrung
anrufen wird.


(Beifall bei der LINKEN)


Für uns ist es unmöglich, diesem Gesetzentwurf zuzu-
stimmen. An dieser Stelle möchte ich eine Bitte an die
Kolleginnen und Kollegen der SPD richten: Überlegen
Sie sich noch einmal, ob Sie diesem Gesetzentwurf

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(C (D irklich zustimmen wollen. Manchmal – nicht nur an ieser Stelle – ist es richtig, auch einmal dagegen zu ein. Der Rechtsstaat würde es Ihnen danken. Der Kollege Jerzy Montag hat nun das Wort für die raktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ehr geehrte Frau Kollegin Voßhoff, in der gestrigen echtsausschusssitzung haben wir Grünen – auch die PD, aber ich rede jetzt von uns – Ihnen diverse, gut beründete Vorschläge unterbreitet, wie man den Gesetzntwurf zur Reform der Sicherungsverwahrung verbesern kann. Die Union war an dieser Stelle die Dagegenartei; denn Sie haben immer dagegen gesprochen. Sie aben die Vorschläge sogar abgelehnt, als wir darüber bgestimmt haben. Lassen Sie also bitte schön diese Mätzchen, zu denen ie sich offensichtlich in dieser Woche verabredet haen. Die Bürgerinnen und Bürger wissen, was das hier ür eine Veranstaltung ist. In einer Demokratie streiten ie Parteien und Fraktionen um die beste Lösung. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!)


(Beifall bei der LINKEN)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707820500
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707820600

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


enn man die beste Lösung gefunden hat, dann stimmt
an dieser zu. Wenn man aber mit einer schlechten Lö-

ung konfrontiert wird, wie Sie sie uns vortragen, dann
st man dagegen. Das ist das Wesen der Demokratie und
es Parlamentarismus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


assen Sie also diese gegen uns Grüne gerichteten Mätz-
hen. Uns schadet das nicht; aber es fällt Ihnen auf die
igenen Füße.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber es scheint Sie zu treffen!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Koalition aus
DU/CSU und FDP hat vor über einem Jahr vereinbart
nd in der Koalitionsvereinbarung zu Papier gebracht,
ie Sicherungsverwahrung grundlegend zu reformieren.
aum war die Tinte trocken, entschied der Europäische
erichtshof für Menschenrechte im Dezember 2009,
ass die frühere schwarz-gelbe Koalition unter Kohl im
anuar 1998 einen entscheidenden Fehler im Rahmen
er Sicherungsverwahrung gemacht hat und dass dieser
ehler im Ergebnis ein Verstoß gegen europäische Men-
chenrechte ist. Es wäre also an der Zeit gewesen, sich
ofort im Dezember 2009 an die Arbeit zu machen, um
hren eigenen Reformwillen zu zeigen und um der Ent-
cheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschen-
echte nachzukommen.

Was haben Sie aber gemacht? Sie haben eine Be-
chwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschen-
echte eingereicht, die von vornherein aussichtslos war.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8591

Jerzy Montag


(A) )


)(B)

Der Gerichtshof hat sie nicht einmal zur Entscheidung
angenommen. Auf diese Art und Weise haben Sie viele
Monate verstreichen lassen, viele Monate, in denen wir
im Parlament über eine Reform hätten diskutieren kön-
nen, die uns, den Ländern und der Polizei viele Probleme
erspart hätte, die wir jetzt haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nun beraten wir abschließend über einen Gesetzent-
wurf der Koalitionsfraktionen. Zuerst zum einzigen
positiven Punkt. Dass Sie schon in Ihrem ersten Vor-
schlag eine Begrenzung bei den Anlasstaten vorgenom-
men haben, haben wir gesehen und gewürdigt. Wir alle
– nicht nur die SPD – haben kritisiert, dass der Anlassta-
tenkatalog zu weit gefasst ist. Dieser ist nun eingeengt
worden; das ist gut. Aber die Vorschriften betreffend den
Staatsschutz, das Drogenstrafrecht und die Kriegsverbre-
chen – dies sind sicherlich schwere Straftaten – haben
mit der Sicherungsverwahrung nicht das Geringste zu
tun. Es wäre deshalb richtig gewesen, sich, wie es die
Ministerin im Sommer versprochen hat, auf schwerste
Gewalttaten und schwere Sexualstraftaten zu beschrän-
ken. Das haben Sie nicht getan. Selbst beim einzigen gu-
ten Punkt sind Sie auf halbem Weg stehen geblieben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zu den negativen Punkten. Sie haben gesagt, Sie
wollten die nachträgliche Sicherungsverwahrung ab-
schaffen. Aber Sie haben es nicht getan. Aufgrund fal-
scher Übergangsbestimmungen wird es noch in über
15 Jahren Fälle geben, in denen die nachträgliche Siche-
rungsverwahrung drohen kann und eventuell verhängt
werden wird. Über 15 Jahre werden wir einen Doppel-
standard haben, weil Sie sich nicht entschließen konnten,
eine vernünftige Übergangsregelung zu schaffen. Beson-
ders schlimm ist, dass Sie nicht die Kraft gefunden ha-
ben, die nachträgliche Sicherungsverwahrung im Jugend-
strafrecht – diese halten Sie selbst für falsch –
abzuschaffen; das wäre notwendig gewesen. Das kriti-
sieren wir. Auch deswegen werden wir Ihrem Gesetzent-
wurf nicht zustimmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dass Sie die vorbehaltene Sicherungsverwahrung
ausbauen, ist ein Fehler, meine Damen und Herren von
der Koalition. Sie beziehen die Ersttäter ein und setzen
das Maß der Wahrscheinlichkeit für den Richter so ge-
ring an, dass es Hunderte, vielleicht sogar Tausende
Fälle geben wird, in denen der Vorbehalt erklärt wird.
Das führt zu einem Chaos im Strafvollzug; denn diese
Menschen werden ganz anders behandelt als andere.

Des Weiteren stellt das geplante Therapieunterbrin-
gungsgesetz keine Lösung für die Zukunft dar. Dieses
Gesetz gilt für einen sehr begrenzten Personenkreis. Von
diesem Personenkreis werden Sie nur einen ganz kleinen
Subkreis erfassen, nämlich diejenigen, bei denen sich ein
Zivilgericht dazu hergibt, sie für psychisch gestört zu er-
klären. Da die Länder in diesen wenigen Fällen keine
Möglichkeiten haben, die Betroffenen entsprechend un-
terzubringen, werden sie diese Menschen in psychiatri-
sche Krankenhäuser stecken. Diese Häuser wehren sich
schon heute gegen die Aufnahme solcher Menschen;

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(C (D enn darunter werden auch solche sein, die weder theraiewillig noch therapiefähig sind. Die Lösung unter Berücksichtigung des Urteils des uropäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hätte ein müssen – das haben wir auch gefordert –, diesen erstoß gegen die Menschenrechte wiedergutzumachen, ndem man die betroffenen Menschen auf freien Fuß etzt. Unter dem Strich ist der Gesetzentwurf zu chlecht, als dass wir ihm zustimmen könnten. Wir weren ihn ablehnen. Nächster Redner ist der Kollege Christian Ahrendt für ie FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707820700


Christian Ahrendt (FDP):
Rede ID: ID1707820800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Kol-

eginnen und Kollegen! Bevor ich unangenehm werde,
olgendes vorweg: Es waren gute Beratungen. Wir
reuen uns, dass wir nun ein gutes Gesetzeswerk vorle-
en und dass es uns gelungen ist, viele gute Vorschläge
er Opposition, insbesondere von der SPD-Fraktion,
ufzunehmen. Aber das, was Sie vorgetragen haben,
err Montag, ist eine bodenlose Frechheit. Die nachträg-

iche Sicherungsverwahrung, über die Sie sich beklagen,
aben Sie 2004 im Bundestag beschlossen. Nun bekla-
en Sie, dass wir sie nicht so abschaffen, wie Sie wollen.
ie hätten diese Regelung erst gar nicht einführen sollen.
as ist der erste Fehler.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Damit bin ich auch beim Kernproblem. Das gesamte
echt der Sicherungsverwahrung ist ein Flickenteppich.

ch gebe Ihnen recht: Es war ein Fehler, 1998 die
öchstgrenze von zehn Jahren abzuschaffen – das hat
ns das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Men-
chenrechte dieses Jahr eingebracht –, weil wir damit ge-
en das Rückwirkungsverbot verstoßen haben. Aber was
n diesem Jahr gelungen ist, ist Folgendes: Wir haben

it dem Gesetzentwurf das Recht im Hinblick auf die
icherungsverwahrung wieder vom Kopf auf die Füße
estellt. Deswegen muss man sich an dieser Stelle bei
er Bundesjustizministerin bedanken; denn sie hat den
ielen, relativ forsch vorgetragenen Vorschlägen wider-
tanden und ist konsequent bei ihrem Gesetzentwurf ge-
lieben. Sie hat einen guten Gesetzentwurf vorgelegt,
en wir bei den Beratungen im Parlament noch weiter
erbessert haben. Deswegen geht mein ganz besonderer
ank an das Justizministerium.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707820900

Herr Kollege Ahrendt, gestatten Sie eine Zwischen-

rage des Kollegen Ströbele?


(Marco Buschmann [FDP]: Same procedure as every time!)


8592 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010


(A) )


)(B)


Christian Ahrendt (FDP):
Rede ID: ID1707821000

Gerne.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707821100

Bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Ahrendt, wenn Sie die Frau Justizminis-
terin loben,


(Marco Buschmann [FDP]: Was immer gut ist!)


dann kann das nicht nur daran liegen, dass sie aus Ihrer
Partei und Fraktion kommt. Sie sollten auch dazu Stel-
lung nehmen, was der Kollege Montag gesagt hat, näm-
lich dass die Justizministerin nicht nur in einer Veran-
staltung, sondern den ganzen Sommer über in der
Diskussion über die Veränderung der Sicherungsverwah-
rung immer wieder betont hat, dass sie dieses verfas-
sungsrechtlich schwierige und problematische Instru-
ment nur ganz eng bei Gewalttaten und Straftaten gegen
die sexuelle Selbstbestimmung einsetzen will.

Nun legen Sie einen Gesetzentwurf vor – dafür loben
Sie die Bundesministerin auch noch –, der eine Auswei-
tung auf viele andere Tatbestände wie Diebstahl, Zerstö-
ren einer Telefoneinrichtung und Ähnliches vorsieht.
Das passt irgendwie nicht zusammen. Wollen Sie Ihr
Lob nicht ein bisschen einschränken?


Christian Ahrendt (FDP):
Rede ID: ID1707821200

Nein, im Gegenteil. Der Gesetzentwurf veranlasst

mich, mein Lob zu verstärken. Denn das Justizministe-
rium und die Koalition haben zusammen mit der SPD
gezeigt, dass es im Gesetzgebungsverfahren möglich ist,
ein Gesetz ein Stück weit zu verbessern. An einer Stelle
gebe ich Ihnen recht. In dem Entwurf stand, dass alle
Straftaten mit einer Strafe über zehn Jahren zu einer Si-
cherungsverwahrung führen können. Wir haben das, was
Herr Montag in der ersten Lesung kritisiert hat, in den
Beratungen aufgenommen, diese Einwände mit dem Jus-
tizministerium abgeklärt und das Gesetz neu gefasst, so-
dass jetzt die Ultima Ratio im Gesetz steht: nur schwere
Straftaten.


(Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Lassen Sie mich ausreden, Herr Kollege. – Deshalb
haben wir gemeingefährliche Straftaten aufgenommen;
denn es ist gefährlich, wenn jemand in Serie Brände legt.
Wenn eine entsprechende Gefährlichkeit des Täters ge-
geben ist, kann die Sicherungsverwahrung verhängt wer-
den. Wir können uns als Parlament für diese entschei-
dende Verbesserung, die im Gesetzgebungsverfahren
erfolgt ist, selbst loben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich möchte an der Stelle die Gelegenheit ergreifen,
die weiteren Punkte auszuführen, die wir bei der Siche-
rungsverwahrung verbessern. Dadurch, dass wir die
nachträgliche Sicherungsverwahrung abschaffen, was

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(C (D err Montag kritisiert hat, und dafür die vorbehaltene icherungsverwahrung ausbauen, erreichen wir zwei inge: Wir machen die Anwendung des Rechts sowohl ür die Bevölkerung, die wir schützen müssen, als auch ür die Täter, die resozialisiert werden sollen, sicherer. enn die Täter den Vorbehalt auf dem Weg in die Haft itbekommen, dann wissen sie, worum sie sich in der aft kümmern müssen. Dann können sie aktiv an der esozialisierung, an Therapien mitwirken; denn sie wis en: Wenn sie aktiv sind, können sie den Vorbehalt wierlegen. Das ist viel besser, als wenn sie am Ende der trafverbüßung erfahren, dass die nachträgliche Sicheungsverwahrung verhängt wird und sie nicht mehr die hance haben, in die Freiheit entlassen zu werden. Inso ern ist das ein ganz entscheidender Fortschritt, wobei ir bei der Abwägung darauf achten, dass wir die rundrechte der Täter schützen. Wir geben ihnen mit iesem Instrument die Möglichkeit, in Freiheit zu komen. Es ist auch richtig gewesen, dass wir die Frist für die ückfallverjährung für Sexualstraftäter auf 15 Jahre ver ängert haben; denn das ist ein ganz besonders gefährliher Täterkreis. Die Beratungen im Rechtsausschuss und ie Beratungen mit den Sachverständigen haben gezeigt, ass wir ein gutes Stück vorangekommen sind. Was ein Problem bleibt – das ist eine schwierige Gratanderung, die das Justizministerium aber erfolgreich emeistert hat –, ist das Therapieunterbringungsgesetz. uf der einen Seite beschäftigen wir uns mit der Frage: ind wir zuständig? Oder ist der Aspekt der Gefahrenabehr schon so groß, dass eigentlich die Länder zuständig ind? Auf der anderen Seite haben wir das Problem mit em Rückwirkungsverbot, weil die Sicherungsverwahung vom Bundesverfassungsgericht als Strafe angeseen worden ist und die Zuständigkeit deshalb beim Bund iegt. Mit dem Recht, das wir hier geschaffen haben, haben ir zum einen den Schutz für die Bevölkerung herge tellt, den wir vor dem Hintergrund, dass es jetzt Straftäer gibt, die zu entlassen sind, brauchen. Wir haben aber um anderen dafür gesorgt, dass diese Straftäter aus dem ormalen Vollzug herauskommen und in eine gesonderte herapie kommen und somit in der Lage sind, sich dort ntsprechend zu resozialisieren. An dieser Stelle muss man einfach sagen, dass dies icht immer im Verantwortungsbereich der Bundesregieung liegt, und zwar aus dem einfachen Grund, weil die änder für die Strafvollstreckung zuständig sind. Es iegt auch an den Ländern, in diesem Bereich besser zu erden; denn im Urteil des Europäischen Gerichtshofs ür Menschenrechte steht, über mehrere Seiten deutlich usgeführt, dass das, was in der Vergangenheit im Vollug der Sicherungsverwahrung in den Ländern geleistet orden ist, nicht ausreicht. Hier sind jetzt die Länder ge ordert. Auch das muss an dieser Stelle gesagt werden. Wir haben heute die Möglichkeit, ein gutes Gesetz zu erabschieden. Dieses Gesetz verbessert die Situation er betroffenen Sicherungsverwahrten. Was aber entcheidend ist: Es schützt die Bevölkerung, und darum Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8593 Christian Ahrendt )


(A) )

geht es uns. Deswegen können wir diesem Gesetz guten
Gewissens zustimmen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707821300

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen

Montag das Wort.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707821400

Danke, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Ahrendt, ich

habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil Sie mich
in Ihrem Beitrag persönlich angesprochen haben und mir
nicht nur meine sachliche Kritik, sondern eine ungeheu-
erliche Unverschämtheit meinerseits oder etwas in die-
sem Sinne vorgeworfen haben.

Herr Kollege, ich will Ihnen sagen: Sie erleben jetzt
die Schwierigkeiten, die man in einer Regierungskoali-
tion hat, wenn man der kleinere Koalitionspartner ist. Ich
hatte nicht die Zeit, in meinen fünf Minuten darüber zu
reden, dass die Frist für die Rückfallverjährung, die bis-
her – über Jahrzehnte – mit fünf Jahren eine gute Vorlage
für die Justiz in Deutschland in Sicherungsverwahrungs-
fällen gewesen ist, von der Union auf zehn Jahre ange-
hoben worden ist. In den letzten Beratungen wurde of-
fensichtlich in der Koalition ein Geschäft gemacht; denn
sie wurde sogar auf 15 Jahre angehoben.

Ich wage die Hypothese: Das hat Ihnen und der FDP
nicht gefallen, aber Sie mussten das schlucken. So ähn-
lich war die Situation bei der nachträglichen Sicherungs-
verwahrung im Jahr 2004. Die SPD wollte sie unbedingt,
wir Grüne wollten sie nicht. Deswegen haben wir uns
mit Erfolg dafür eingesetzt, dass sie so rechtsstaatlich
eingeführt wurde, dass in den sechs Jahren seitdem nicht
mehr als 20 Menschen in nachträgliche Sicherungsver-
wahrung gekommen sind.

Sie kennen unsere grundsätzliche Kritik an der nach-
träglichen Sicherungsverwahrung. Deswegen haben wir
viel Gemeinsames und nicht so viel Trennendes; Sie
wollen sie doch auch nicht. Ich habe mir die Freiheit ge-
nommen, Sie darauf hinzuweisen, dass Sie sie im Ju-
gendstrafrecht immer noch nicht abgeschafft haben, ob-
wohl Ihr Kollege van Essen in keiner Rede zu diesem
Thema vergisst, zu sagen, dass das auf dem FDP-Zettel
steht. Dennoch schaffen Sie es nicht, in dieser Angele-
genheit zu Ihrem Koalitionspartner durchzudringen.

Ich habe mir ferner erlaubt, zu sagen, dass die Über-
gangsregelung für viele Jahre – bis zu 15 Jahre und
mehr – zu einer Doppelstruktur im Strafvollzug führen
wird. Das sind sachliche Argumente. Die können Sie gut
oder richtig finden, aber Sie dürfen darauf nicht in einer
so persönlichen und emotionalen Art erwidern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707821500

Herr Kollege Ahrendt, bitte.

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(C (D Herr Kollege Montag, ich hätte nicht so vehement eagiert, wenn Sie das, was Sie eben gesagt haben, auch n Ihrer Rede angesprochen hätten. Sie hatten den Einruck erweckt, mit der nachträglichen Sicherungsverahrung nichts zu tun zu haben. Tatsächlich haben Sie ie verabschiedet. Es wäre also anständig von Ihnen geesen, sich so zu äußern, wie ich es gemacht habe. Die DP hat damals 1998 zusammen mit der CDU/CSU die ehnjahresfrist abgeschafft, das war ein Fehler. Desween müssen wir diesen Fehler korrigieren, indem wir das rteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschen echte berücksichtigen. Aber diese Kraft haben Sie nicht aufgebracht. Sie haen hier den Eindruck erweckt, als hätten Sie mit der achträglichen Sicherungsverwahrung, die viele Proleme mit sich bringt, die in der Wissenschaft und in der raxis nicht gerade mit freundlichen Kommentaren beacht wird, nichts zu tun. Die Äußerung von Ihnen, dass em nicht so ist, hat mir gefehlt. Es ist natürlich schwierig – das ist der zweite Teil einer Antwort –, sich in einer Koalition durchzuset en. Aber wenn man sich diesen Gesetzentwurf anchaut und sich klarmacht, was die Ministerin dazu beietragen hat, dann muss man feststellen: Sie hat sich in ieser Koalition trotz der Kompromisse, die gemacht orden sind – die Kompromisse sind gut; ich trage sie it –, sehr erfolgreich durchgesetzt. Wir haben das echt der Sicherungsverwahrung wieder vom Kopf auf ie Füße gestellt. Deswegen freue ich mich, dass wir das esetz heute zusammen mit der CDU/CSU und auch mit er SPD verabschieden können. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Christian Ahrendt (FDP):
Rede ID: ID1707821600


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707821700

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

nsgar Heveling für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Ansgar Heveling (CDU):
Rede ID: ID1707821800

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Wären wir der ideale Gesetzgeber, könnten wir
eute ein perfektes Gesetz zur Reform der Sicherungs-
erwahrung vorlegen. Doch den idealen Gesetzgeber
ibt es nur in der idealen Welt. Wir leben aber nicht in
iner idealen Welt. Wir leben in einer Welt, in der es
enschen gibt, die eine Gefahr für andere sind. Wir le-

en in einer Welt, in der es potenzielle Straf- und auch
iederholungstäter gibt, die jederzeit wieder zuschlagen

önnen.

Wir haben das zu Beginn dieser Woche in Duisburg
rlebt. Ein gerade aus der Sicherungsverwahrung Entlas-
ener


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Nach einem Gutachten!)


nach einem Gutachten, das ist richtig; er wurde als
icht gefährlich eingestuft –

8594 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Ansgar Heveling


(A) )


)(B)


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Was soll man noch machen?)


hat ein kleines Kind angegriffen und gewürgt. Es konnte
sich Gott sei Dank losreißen. So ist sicherlich Schlimme-
res verhindert worden.

Wir dürfen als Politiker vor solchen Situationen nicht
die Augen verschließen. Wir müssen deshalb um gesetz-
liche und rechtsstaatliche Lösungen ringen. Aber was wir
auch tun – darauf müssen wir klar und deutlich hinweisen –:
Wir können keine perfekten gesetzlichen Regelungen
zum Schutz vor gefährlichen Straftätern schaffen. Weil es
keine perfekten Regelungs- und Schutzmechanismen ge-
ben kann, wird auch niemals ein hundertprozentiger
Schutz vorhanden sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Aber wir stehen in der Verantwortung, unser Möglichs-
tes zu tun, diesem Risiko mit rechtsstaatlichen Mitteln
zu begegnen. Das ist ohne Zweifel nicht einfach, geht es
doch um unterschiedliche, teils widerstreitende Rechts-
positionen. Es sind im Wesentlichen drei Faktoren, die
dieses Spannungsfeld, in dem wir unsere gesetzgeberi-
sche Entscheidung zu treffen haben, ausmachen:

Erstens. Der Staat hat einen Schutzauftrag gegenüber
den Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere den
Schwächsten gegenüber. Freiheit und Sicherheit zu ge-
währleisten, ist die existenzielle Aufgabe auch und ge-
rade des Rechtsstaats.

Zweitens. Ohne Zweifel, auch die persönliche Frei-
heit ist ein hohes Gut. Freiheitsentziehungen sind daher
zu Recht nur in engen Grenzen zulässig.

Drittens. Freiheitsentziehung als Strafe knüpft an be-
reits begangenes Unrecht, damit an Schuld und damit an
einen objektivierbaren Faktor an.

Freiheitsentziehung aufgrund von vermuteter Gefähr-
lichkeit ist demgegenüber von einer Prognoseentschei-
dung abhängig und damit durch Unwägbarkeiten
gekennzeichnet. Es können immer falsche Prognoseent-
scheidungen getroffen werden, in jeglicher Richtung. Es
können Gefährliche als nicht gefährlich und Nichtge-
fährliche als gefährlich begutachtet werden. Progno-
seentscheidungen können sich als falsch erweisen; so
war es in Duisburg.

Wir müssen versuchen, dieses Spannungsverhältnis
aufzulösen, und zwar rechtsstaatlich aufzulösen. Ich
glaube, wir haben es uns dabei alle miteinander – ge-
nauer gesagt: weitgehend alle – nicht leicht gemacht.
Denn nicht nur das oben skizzierte Spannungsfeld hat
die Reformdiskussion beherrscht, sondern auch der
durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte ausgelöste Regelungsdruck hat uns
unter Zug- und Entscheidungszwang gesetzt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Si-
cherungsverwahrung verfolgen wir das Ziel, dafür zu
sorgen, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung in

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(C (D ukunft nicht mehr gebraucht wird. Wir konsolidieren ie primäre Sicherungsverwahrung. Wir weiten – das ist as Kernstück der Reform – die vorbehaltene Sicheungsverwahrung aus. Mit dieser Neujustierung wird es uch zukünftig möglich sein, die Bürgerinnen und Bürer vor gefährlichen Straftätern auch nach dem Verbüen der Strafe zu schützen. Gleichzeitig werden die engen rechtsstaatlichen renzen für eine Freiheitsentziehung auf Grundlage eier prognostischen Beurteilung beachtet, es wird der Ulima-Ratio-Grundsatz eingehalten. Dem wird insbesonere dadurch Rechnung getragen, dass als Anlasstaten ür die Sicherungsverwahrung zukünftig nur noch chwerste Gewaltund Sexualstraftaten, schwerste Verrechen, in Betracht kommen. Trotz des immensen Entscheidungsdrucks und trotz es eng gesteckten Beratungszeitraums haben wir die einung von Experten nicht nur gehört, sondern ihren at auch in die weiteren Überlegungen mit einbezogen, odass es im Verfahren und nach der Anhörung noch ubstanzielle Änderungen gegeben hat. Trotz des eng gesteckten Zeitrahmens hat es auch ach der Anhörung im weiteren Verfahren Gespräche nter Einbeziehung aller Fraktionen gegeben. Ich darf ich an dieser Stelle insbesondere bei den Kolleginnen nd Kollegen der SPD bedanken. Sie haben frühzeitig ignalisiert, am Gesetzgebungsverfahren konstruktiv eilzunehmen. Sie haben nicht nur das getan, sie haben, bwohl sie im Verfahren weiter gehende Wünsche und orstellungen artikuliert haben, in der Schlussberatung m Rechtsausschuss dem Gesetzentwurf zugestimmt. as ist ein gutes Signal, nicht zuletzt auch mit Blick auf ie Bundesländer. Auf diese wird es jetzt in der Umsetzung entscheiend ankommen. Die Sicherungsverwahrung wird in en Ländern vollzogen. Wir wissen, dass die Entscheiung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenechte sehr intensiv auf die tatsächlichen Bedingungen er Sicherungsverwahrung abhebt. Hier kommt eine enge Arbeit auf die Länder zu – Arbeit, die der Bund hnen aufgrund der Kompetenzregelung in unserem Verassungsgefüge nicht abnehmen kann. Allerdings sind ie Länder auch bereits intensiv mit den Vorbereitungen ur Umsetzung des neuen Rechts befasst. Ich bedauere, dass sich die Fraktion von Bündnis 90/ ie Grünen, obwohl ihre Hinweise erkennbar auf fruchtaren Boden gefallen sind, schlussendlich nicht zu einer ustimmung hat durchringen können. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Die sind wieder dagegen!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


atürlich kann man stets unterschiedliche Schlussfolge-
ungen aus Erkenntnissen ziehen. Natürlich kann man
mmer noch mehr regeln. Aber wir haben uns doch er-
ennbar aufeinander zubewegt. Dann kommt es letztlich
uf das Wollen an. Wenn es daran mangelt, dann redu-
iert es sich nachher doch auf das Dagegen-Sein.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8595

Ansgar Heveling


(A) )


)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollten ja nicht!)


Leider ist bei der Fraktion Die Linke nicht einmal im
Ansatz die Bereitschaft zur Problemlösung erkennbar.
Mir fehlt offen gestanden jedes Verständnis für deren
Position.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das ist mir egal!)


Ihre Skepsis gegenüber allem, was mit Rechtsstaat zu
tun hat, mag man vor dem Hintergrund Ihrer Geschichte
noch nachvollziehen können.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Na, na, na!)


Vielleicht ist es aber auch besser, wenn man erst gar
nicht versucht, eine Fraktion zu verstehen, die in der
Tradition einer Partei steht, die das eigene Volk jahr-
zehntelang selbst für gefährlich gehalten und wegge-
sperrt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707821900

Herr Kollege, gestatten Sie am Ende Ihrer Redezeit

eine Zwischenfrage der Kollegin Klein-Schmeink?


Ansgar Heveling (CDU):
Rede ID: ID1707822000

Nein, ich möchte jetzt zum Schluss kommen. – Wir

schließen heute die Neuordnung des Rechts der Siche-
rungsverwahrung ab. Wir haben es uns dabei alle nicht
leicht gemacht. Wir wissen auch um die Schwierigkeiten
im Detail, aber wir stehen den Bürgerinnen und Bürgern
gegenüber in der Verantwortung, um deren Freiheit und
Sicherheit zu gewährleisten. Dieses Gesetz wird dazu ei-
nen Beitrag leisten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707822100

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den von den
Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Ge-
setzentwurf zur Neuordnung des Rechts der Sicherungs-
verwahrung und zu begleitenden Regelungen. Der Rechts-
ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 17/4062, den Gesetzentwurf der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/3403 in der
Ausschussfassung anzunehmen.

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der SPD auf Druck-
sache 17/4066 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer
stimmt für den Änderungsantrag der SPD-Fraktion? –
Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsan-
trag ist damit abgelehnt. Dafür hat die SPD-Fraktion ge-
stimmt, dagegen die anderen Fraktionen.

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(C (D Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in er Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handeichen. – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Geetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei egenstimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion ündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – er ist dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Der Gesetz ntwurf ist damit mit dem gleichen Stimmenverhältnis ie bei der zweiten Beratung angenommen. Ich rufe die Zusatzpunkte 7 bis 10 auf: P 7 Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Irland unterstützen und Steuerharmonisierung vorantreiben hier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta ges gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union – Drucksache 17/4065 – P 8 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU und der FDP Irland unterstützen – Euro stabilisieren hier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta ges gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union – Drucksache 17/4082 – P 9 Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Irland unterstützen und gerechten, wirksamen Mechanismus zur Bewältigung von Staatsfinanzierungskrisen schaffen hier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta ges nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union – Drucksache 17/4014 – P 10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Alexander Ulrich, Michael Schlecht, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zum Antrag der Republik Irland auf finanzielle Unterstützung im Rahmen des Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus 8596 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt )


(EuB-BReg 126/2010)


(A) )

hier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta-
ges nach Artikel 23 Absatz 2 des Grund-
gesetzes i. V. m. § 9 Absatz 1 des Gesetzes
über die Zusammenarbeit von Bundesre-
gierung und Deutschem Bundestag in
Angelegenheiten der Europäischen Union

Profiteure der Krise zur Kasse bitten – Keine
weitere Verstaatlichung fauler Bankkredite bei
Finanzhilfen für Irland

– Drucksache 17/4029 –

Über den Antrag der Fraktion der SPD und über den
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werden wir
später namentlich abstimmen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich sehe,
Sie sind damit einverstanden. Dann werden wir so ver-
fahren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner dem Kollegen Manuel Sarrazin für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707822200

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Es ist Ihnen sicherlich aufgefallen, dass wir
Grüne in dieser Woche als Erste beantragt haben, dass
der Bundestag Verantwortung für Irland übernimmt. Für
die Kredithilfen für Irland sprechen aus unserer Sicht
Solidarität und Rationalität im europäischen Sinn.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Geschichtsphilosoph Alfred Vierkandt sagte einmal:

Solidarität ist das Zusammengehörigkeitsgefühl, das
praktisch werden kann und soll.

Echte Solidarität gibt es also nur dann, wenn man sie am
Ende auf die Wirklichkeit bezogen eintreten lässt. Wir
finden, das gilt auch heute.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist nicht so, dass wir alles, was die Europäische
Kommission und die irische Regierung ausgehandelt ha-
ben, einfach gut finden. Wir finden es falsch und unklug
für Irland, auf dem harten Weg des Sparens nicht auch die
Anhebung des Unternehmensteuersatzes anzupacken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir finden es falsch, auf dem Sanierungsweg nicht auch
die Vermögen heranzuziehen.


(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])


Wir wollen, dass Europa endlich bei der Harmonisierung
der Unternehmensteuern vorankommt. Wir denken, dass
gerade Irlands Probleme zeigen, dass es jetzt Zeit ist,
hier voranzukommen und zu handeln.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D Jetzt aufgrund der Entscheidungen gegen die Kreditilfen zu stimmen, würde aber nicht dazu führen, dass as Sparprogramm sozialer oder besser würde; es würde rland dem reinen Spiel der Märkte überlassen – nicht ehr –, und das in einer Situation, in die Irland natürlich or allem durch das außergewöhnliche Ereignis der Fianzkrise geraten ist. Natürlich hat die irische Politik eine zu laxe Aufsicht ber die Finanzmärkte betrieben und die Unternehmenteuern zu niedrig gehalten. Europa hat aber diese Politik urchgehen lassen und nicht voraussehend mit europäichen Regelungen reagiert. Wenn wir ehrlich sind, müsen wir auch sagen, dass gerade Deutschland unter dieser undesregierung in Brüssel regelmäßig bei der strengen egulierung der Finanzmärkte bremst. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Linken, s reicht aus unserer Sicht nicht aus, den Iren vorzuweren, dass sie eine schlechte Regierung haben, zumal Sie u Hause nicht gegen die Neoliberalen gewinnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es steckt ein tieferer Sinn hinter unserem Antrag.


(Joachim Poß [SPD]: Es wäre schade, wenn das nicht der Fall wäre!)


ei der Tat der Solidarität geht es uns nicht einfach nur
arum, Europa zu bewahren, sondern wir wollen Europa
eiterentwickeln. Diese Tat fordert auch politisch ein:
eht endlich die Koordination der nationalen Wirt-

chaftspolitiken an! Geht endlich die Steuerharmonisie-
ung an und geht endlich den Abbau der wirtschaftlichen
ngleichgewichte in der Europäischen Union an!

Denn – um es mit Robert Schuman zu sagen, der
iese Erkenntnis schon 1950 hatte; ich zitiere –: Europa
wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst
ine Solidarität der Tat schaffen“. Wer also will, dass Eu-
opa mehr wird, als es 1950 war und als es heute ist, der
ollte aus unserer Sicht heute für die Solidarität der Tat
timmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, dass wir mit unserem An-
rag eine Stellungnahme nach Art. 23 des Grundgesetzes
infordern, liegt daran, dass wir möchten, dass der Bun-
estag zeigt, dass er seine Verantwortung übernimmt, zu
agen, dass die Parlamente beteiligt werden müssen,
enn wir wollen, dass Europa gelingt. Das ist notwen-
ig, um die irische Hilfe verfassungsgerichtsfest zu ma-
hen.

Die Beschlussvorlage der Kommission liegt uns noch
icht vor. Das Finanzministerium hat uns heute den Ent-
urf für die Beschlussvorlage zur Verfügung gestellt.
ir denken deshalb, dass eigentlich den Rechten des

arlamentes auf Stellungnahme gemäß Art. 23 GG nicht
enüge getan worden ist. Wir geben mit dieser Stellung-
ahme aber ideell unsere Zustimmung dazu, dass die
undesregierung im Ecofin für die Kredithilfen für Ir-

and stimmt. Wir wahren trotzdem unser Recht auf Stel-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8597

Manuel Sarrazin


(A) )


)(B)

lungnahme, die wir erst dann abgeben können, wenn wir
auch die endgültigen Beschlussvorlagen kennen und
richtig bewerten können. Wir kennen den Inhalt durch
die Information im Ausschuss aber relativ gut. Deshalb
ist das sachlich möglich und auch geboten. Das bedeutet
aber nicht, dass wir auf unsere Rechte verzichten. Darauf
werden wir auch weiterhin pochen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707822300

Der nächste Redner ist der Kollege Norbert Barthle

für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1707822400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wir diskutieren heute über ein 85-Milliarden-
Euro-Paket, das zwischen der Europäischen Kommis-
sion, dem Internationalen Währungsfonds und der Euro-
päischen Zentralbank verabredet wurde. Es soll dazu
dienen, die Zahlungsfähigkeit Irlands wiederherzustellen
und gleichzeitig auch die Finanzstabilität der Euro-Zone
sicherzustellen.

Dieses Paket beinhaltet verschiedene Teile, für die
auch verschiedene Beteiligungen gelten. Da ist zunächst
einmal der EFSF-Teil, also die Europäische Finanzstabi-
litätsfazilität. Für diesen Teil ist das Einvernehmen mit
dem Haushaltsausschuss herzustellen. Ich möchte fest-
stellen, dass dieses Einvernehmen eindeutig hergestellt
wurde. Ich will an dieser Stelle auch dem Bundesfinanz-
minister ganz herzlich danken, der uns aktuell und lau-
fend über die jeweiligen Beratungen informiert hat, zu-
letzt noch am Sonntag über Telefonkonferenzen, mit
einer umfassenden Unterrichtung am Montag im Haus-
haltsausschuss und erneut unter dem entsprechenden Ta-
gesordnungspunkt am Mittwoch.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieses Einvernehmen wurde mit den Stimmen der
Koalition, mit den Stimmen der SPD und mit den Stim-
men der Grünen hergestellt. Dafür ein ganz herzliches
Dankeschön. Das zeigt, dass an dieser Stelle doch ein
Verantwortungsbewusstsein besteht. Ich möchte aber
nochmals betonen, dass wir im Haushaltsausschuss auch
– entgegen anderslautender Agenturmeldungen von ges-
tern – eine eigenständige Mehrheit hatten. Wir hatten
eine eigene Mehrheit von 14 : 11, daran gibt es nichts zu
rütteln.


(Zurufe von der SPD)


Damit sind diese Bedingungen für den Rettungsschirm
erfüllt.

Es geht heute aber eigentlich um den zweiten Teil.
Das ist – EFSM genannt – der Europäische Finanzstabi-
lisierungsmechanismus. Hierfür ist die Beteiligung des
Parlaments, des Deutschen Bundestages, vorgesehen.
Diese erfolgt hier und heute und damit auch rechtzeitig

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(C (D or der Tagung der Ecofin am Dienstag, dem 7. Dezemer 2010, und der Tagung des Europäischen Rates am 6. und 17. Dezember 2010. Inzwischen liegen auch der Antrag unserer Koalition u diesem Thema und auch der Entwurf – der Kollege arrazin hat darauf hingewiesen – der Europäischen ommission für den Beschluss des Rates vor. Dieser ntwurf enthält drei Hauptelemente: erstens eine Strateie für den Finanzsektor, zweitens eine ehrgeizige Straegie zur Haushaltskonsolidierung und drittens eine trukturreformstrategie zur Verbesserung der Arbeitsarktsituation und zur Stärkung des wirtschaftlichen achstums. Es ist sicherlich interessant, das genauer zu eleuchten; darauf werde ich noch zurückkommen. Über eines sind wir uns alle im Klaren: Irland ist nicht it Griechenland vergleichbar. Es handelt sich um ein ollkommen eigenständiges Phänomen. In Irland überiegt das Problem des aufgeblähten Bankensektors, obohl natürlich auch das Staatsdefizit, das trotz der Sparaßnahmen im kommenden Jahr immer noch bei fast 0 Prozent liegen wird, dazu beiträgt, dass Irland sich icht selbst helfen kann. Deshalb ist es notwendig, dass ir als Europäer Solidarität üben, Irland helfen und leichzeitig unsere eigene Währung, unseren Euro, chützen. Letztendlich geht es nämlich genau darum. Ich denke, wir können froh und stolz sein, dass wir ei uns, so sagt es der Finanzminister, schon im komenden Jahr die 3-Prozent-Grenze der Maastricht-Krite ien wieder unterschreiten. Wir sollten aber nicht in den ehler verfallen, darauf mit Überheblichkeit und zu viel tolz zu reagieren. m Gegenteil: Wir sollten den anderen in der Europäichen Union nicht sagen, wie es richtig zu machen ist, elche Steuern sie erheben sollen, wie sie ihre Wirt chaft gestalten sollen. Da unterscheiden wir uns von Ihen. Wir wollen umgekehrt aber auch nicht, dass andere ns sagen, wie hoch unser Körperschaftsteuersatz sein oll, wie hoch unser Mehrwertsteuersatz sein soll, wie nsere Wirtschaftspolitik aussehen soll. Ich denke, es ist ut und richtig, dass die Europäische Union auf die tärke ihrer Mitglieder setzt. Es gilt, die Stärke der Mitlieder zu stärken. Deshalb machen wir dies heute. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Das stimmt!)


Ich will nochmals darauf verweisen, dass wir froh und
tolz sind, dass wir eine so gute industrielle Basis haben,
ass wir eine mittelständische Struktur haben, die sich in
ieser Krise als flexibel und resistent erwiesen hat, dass
nsere Industrie eine Grundstruktur hat, die in der Lage
ar, möglichst schnell wieder Impulse aufzunehmen.
ie Marktreaktionen in Irland zeigen allerdings, dass die
ärkte die industriellen Voraussetzungen nicht immer

enau im Visier haben, sondern auch spekuliert wird.
iesen Spekulationen müssen wir den Boden entziehen.
azu dient dieses Paket, das jetzt auf den Weg gebracht
ird.

8598 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Norbert Barthle


(A) )


)(B)

Lassen Sie mich an dieser Stelle nochmals daran erin-
nern, dass das Sparpaket, das in Irland jetzt auf den Weg
gebracht wird, zu etwa einem Drittel aus Mehreinnah-
men und zu zwei Dritteln aus Ausgabenreduzierungen
besteht, und zwar mit teilweise ernst zu nehmenden
Maßnahmen: Erhöhung des Renteneinstiegsalters auf
68 Jahre,


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Die Arbeitnehmer wieder!)


Stellenabbau im öffentlichen Dienst, Absenkung der
Mindestlöhne um 1 Euro, Erhöhung des Mehrwertsteu-
ersatzes. An dieser Stelle empfehle ich vor allem den
Kolleginnen und Kollegen von der linken Seite des Hau-
ses, einmal nachzuschauen, wie die Länder, die quasi ge-
zwungen sind, heftige Sparprogramme aufzulegen, diese
Aufgabe angehen, und eine Analogie zu Deutschland
herzustellen. In diesem Zusammenhang lohnt sich ein
Blick auf unser Zukunftspaket.


(Joachim Poß [SPD]: Das ist die Entschuldigung für das unsoziale Sparpaket!)


Mit unserem Zukunftspaket machen wir genau dasselbe:
ein Drittel Einnahmeverbesserungen, zwei Drittel Spa-
ren bei den Ausgaben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Deshalb lohnt sich ein Blick darauf. Das ist genau die-
selbe Grundstruktur.

Sosehr ich es begrüße, dass Grüne und SPD dabei
sind, wenn es um dieses Rettungspaket geht, so sehr
empfehle ich, dass Sie darauf achten, dass Sie nicht, um
außenpolitisch seriös zu erscheinen, innenpolitisch das
Gegenteil tun und gemeinsam mit den Gewerkschaften
die Menschen gegen unsere Zukunftspakete auf die
Straße treiben. Das beißt sich. Das widerspricht sich.
Das ist nicht konsistent.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Das ist ja eine absolute Frechheit!)


Ich begrüße es außerdem, dass auf europäischer
Ebene ernsthaft darüber nachgedacht wird, wie ein Sta-
bilisierungsmechanismus für die Zeit nach Auslaufen
dieser Maßnahmen, also für die Zeit nach 2013 einge-
richtet werden kann.


(Joachim Poß [SPD]: Vor allen Dingen die Einigkeit der Koalition an der Stelle!)


Dazu gibt es Vorschläge der Van-Rompuy-Gruppe. Ich
begrüße es sehr, dass unsere Position von Bundeskanzle-
rin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble immer wieder vorgetragen wird.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Erfolglos!)


Wir setzen darauf, dass es gelingt, den Mechanismus
einzuführen, der in unserem Antrag dargelegt ist, mit
dem wir in der Lage sind, zukünftige Krisen zu beherr-
schen, und zwar auch unter Beteiligung der Gläubiger.

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(C (D (Joachim Poß [SPD]: Gut, dass Sie immer einer Meinung waren!)


as steht in unserem Antrag mit drin. Ich glaube, damit
ind wir auf dem richtigen Weg.

Es geht immer – dessen müssen wir uns stets verge-
issern – um die Stabilität unserer Währung. Es geht um
as Vertrauen der Menschen in unsere Währung. Dafür
ilt es sich auch auf europäischer Ebene einzusetzen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707822500

Das Wort hat der Kollege Carsten Schneider für die

PD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1707822600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ir Sozialdemokraten stimmen den Hilfen für Irland zu.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ir tun dies im Bewusstsein unserer Verantwortung für
in friedliches Europa. Wir tun dies nicht – entgegen den
erade wieder vorgetragenen Argumenten – für eine
ettung des Euro, Kollege Barthle. Es geht nicht um den
urs des Euro, der tagtäglich schwankt. Vielmehr geht

s darum, dass, wenn ein Land aus der Währungsunion
ussteigt, der zweite Schritt der Ausstieg aus der Euro-
äischen Union ist. Das ist die Gefahr, vor der wir ste-
en. Wir wollen eine gemeinsame Europäische Union,
eil nur sie zum Beispiel dafür sorgen kann, dass die Fi-
anzmärkte gezähmt werden. Das geht nur durch eine
emeinsame Linie innerhalb der Europäischen Union.


(Beifall bei der SPD)


eswegen muss sie erhalten bleiben. Vor dieser Frage
tehen wir.

Eine politische Union muss aber auch politische Ant-
orten geben. Alles, was bis jetzt verabredet wurde, sind
eld und Kredite – und das alles sehr kurzfristig. Wir

ind Getriebene der Märkte. Politische Entscheidungen
erden mittlerweile morgens im Kanzleramt mit dem
lick auf den Ticker bzw. darauf getroffen, wie sich die
urse ändern. So werden heute politische Entscheidun-
en durch Ihre Regierung getroffen. Das ist fatal.


(Beifall bei der SPD)


as ist nicht das Primat der Politik, Frau Bundeskanzle-
in, das Sie vor einer Woche hier gefordert haben, son-
ern das ist das Gegenteil.

Eine politische Antwort wäre, die Spirale der Speku-
ation und der Verunsicherung zu durchbrechen. Wir So-
ialdemokraten haben in unserem Antrag ganz konkrete
orschläge dazu gemacht. Sie als Koalitionsfraktionen
ind nicht mit einer Silbe darauf eingegangen und haben
ie sich nicht zu eigen gemacht. Die Verunsicherung bei
hnen ist so stark – ich brauche mir nur die Pressemittei-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8599

Carsten Schneider (Erfurt)



(A) )


)(B)

lungen der FDP vom gestrigen Tag anzuschauen –, dass
es schwer genug ist, diesen Laden zusammenzuhalten,


(Joachim Poß [SPD]: So ist es!)


geschweige denn für eine gemeinsame Initiative und
eine gemeinsame Aktion aller hier vertretenen Fraktio-
nen zu sorgen. Ich bedauere dies ausdrücklich.


(Beifall bei der SPD)


Es zeigt sich die Abhängigkeit der Politik von den
Märkten. Da Sie uns Irland immer als das Heilsmodell
der ökonomischen Entwicklung gepriesen haben und
weil die Märkte für Sie das Evangelium sind, frage ich
Sie, warum Sie die Märkte dann so treiben lassen. Wa-
rum greifen Sie nicht ein, indem Sie klare Regularien
aufstellen? Warum greifen Sie nicht ein, indem Sie unse-
ren Vorschlägen folgen?

Zur Akzeptanz dieses Programms in der deutschen
Bevölkerung gehört, Frau Bundeskanzlerin, auch einmal
klar öffentlich dazu Stellung zu beziehen. Diese klare
Ansage würde aber auch bedeuten zu sagen: Das ist
nicht umsonst. Das wird uns höchstwahrscheinlich etwas
kosten. Die Frage ist dann, wer dafür zahlt. Die Position
der SPD ist da eindeutig: Wir wollen auf europäischer
Ebene, dass diejenigen, die die Krise verursacht haben,
auch zahlen.


(Beifall bei der SPD)


Das bedeutet die Einführung einer Finanztransaktion-
steuer. Dazu ist von Ihnen nichts zu hören.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wie kann man so etwas fordern, wenn man genau weiß, dass es nicht durchsetzbar ist?)


Zur Ehrlichkeit und zur Akzeptanz der Stabilisie-
rungsmaßnahmen: Wir erleben Gipfel für Gipfel. Nach-
dem die EZB gerade keine Entscheidung für eine Aus-
weitung des Ankaufsprogramms getroffen hat – dies
begrüße ich sehr –, wird darüber spekuliert, dass es viel-
leicht schon wieder einen Gipfel gibt. Als Nächstes sind
Portugal, Spanien, Belgien und Italien im Fokus. Aber
das alles hilft uns nicht.

Ich hätte erwartet, dass von dem Gipfel am Sonntag in
Brüssel – Stichwort „Ecofin“ – ein klares Signal des
Sich-ehrlich-Machens der Staaten ausgeht, die im Feuer
stehen. Das heißt erstens, deutlich zu machen, wie die
Situation ist, und zweitens, die Rettungsmaßnahmen, die
Hilfsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen und nicht so
lange zu warten, bis es gar nicht mehr anders geht. Das
ist die Bankrotterklärung der Politik.


(Beifall bei der SPD)


Ich will auf einen für uns Sozialdemokraten sehr
wichtigen Punkt zu sprechen kommen, der von Ihnen
wie eine Monstranz vor sich her getragen, aber nicht ver-
wirklicht wird. Das ist die Frage der Gläubigerbeteili-
gung.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Richtig!)


Es ist vollkommen klar, dass derjenige, der eine Anleihe
zeichnet, einen höheren Zins bekommt, aber auch ein

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(C (D öheres Risiko trägt und im Zweifel haften muss. Die aftung wird jetzt für zwei Jahre komplett ausgesetzt. rau Bundeskanzlerin, Sie haben in Deauville nicht nur lle europäischen Partner mit Ihrer Verhandlungsführung nd dem mit Herrn Sarkozy erzielten Ergebnis vor den opf gestoßen, sondern Sie haben auch die Märkte vernsichert, weil Sie sie im Unklaren lassen. Sie haben gar ein Konzept, wie die Gläubigerbeteiligung aussehen oll. Deswegen ist es berechtigt, dass aus den anderen uropäischen Hauptstädten zu hören ist, dass Sie zum eil Schuld daran haben, dass es Verunsicherung gibt. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. HansChristian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das, was verabredet wurde, machen Sie sich jetzt zu
igen. Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist beinahe
ine Art Misstrauensvotum gegenüber dem Ergebnis,
as Finanzminister Schäuble erzielt hat. Sie sprechen
ich für automatische Sanktionen aus. Dies haben Sie
ber in Deauville geopfert. Es gibt keine automatischen
anktionen; Sie fordern sie lediglich. Sie sprechen sich
afür aus, dass Gläubiger immer beteiligt werden sollen.
ir als Sozialdemokraten unterstützen das. Wer ein Ri-

iko eingeht, wer einen höheren Zins bekommt, muss die
eche zahlen. Nicht der Steuerzahler muss einspringen,
ondern die Investoren müssen zahlen. Das gehört zur
arktwirtschaft; sonst wird sie auf den Kopf gestellt.


(Beifall bei der SPD)


Das ist aber nicht verabredet. Man muss sich das ge-
au anschauen. Sie unterscheiden in dem vorgeschlage-
en Kompromiss bei der Frage der Gläubigerbeteili-
ung, ob der betroffene Staat Liquiditätsprobleme oder
olvenzprobleme hat. Bisher konnte mir niemand erklä-
en, woran dieser Unterschied festgemacht wird.


(Joachim Poß [SPD]: Das wird gleich erläutert!)


arüber wird eine politische Entscheidung getroffen
erden, auch wenn Sie das ausschließen wollen. Genau
as wird passieren. Deswegen befürchte ich, dass diese
lausel niemals in Kraft treten wird, dass es niemals zu

iner Gläubigerbeteiligung kommen wird. Sie werden
mmer politische Entscheidungen treffen. Das ist ein
ehler.


(Beifall bei der SPD)


Wir brauchen hier klare Ansagen, klare Regularien
nd keine Betrachtung von Fall zu Fall und auch keine
nterscheidung von Aspekten, die man gar nicht unter-

cheiden kann. Das Finanzministerium konnte mir ges-
ern im Haushaltsausschuss anhand der beiden Fälle Ir-
and und Griechenland nicht erklären, wer ein
iquiditäts- und wer ein Solvenzproblem hat. Ich habe
o schon kein Vertrauen in dieses Vorgehen, wie soll es
ann in der Zukunft sein?


(Otto Fricke [FDP]: Weil es bei Irland nicht geht!)


Diese Frage wurde nicht beantwortet, Herr Kollege
ricke. – Das führt nur dazu, dass die Verunsicherung

8600 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Carsten Schneider (Erfurt)



(A) )


)(B)

bestehen bleibt, dass es höhere Risikoaufschläge und
Prämienzinsen geben wird. Aber das, was eine Markt-
wirtschaft ausmacht, nämlich dass Anleger und nicht der
Steuerzahler für das höhere Risiko zahlen und geradeste-
hen – ich vermute, es wird zu einem Ausfall der Gläubi-
gerbeteiligung kommen –, wird nicht passieren.

Ich wäre froh und dankbar, Sie würden dem dezidier-
ten und sehr konkreten Antrag der SPD-Fraktion zustim-
men. Das würde Europa sicherer machen. Das würde zu
einem sozialen Europa führen, in dem nicht immer die
Spekulanten herrschen. Stimmen Sie unserem Antrag zu.
Dann hätten Sie mehr als Herr Sarkozy, der den Spatz in
der Hand hat, wenn diese Rettungsaktionen vorüber
sind. Sie, Frau Merkel, haben nach dem derzeitigen Ver-
handlungsstand jedenfalls nicht die Taube auf dem
Dach.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707822700

Nächster Redner ist der Kollege Oliver Luksic für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Oliver Luksic (FDP):
Rede ID: ID1707822800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

2010 wird als das Jahr der Prüfung unserer Gemein-
schaftswährung in die Geschichte der Europäischen
Union eingehen. Nach den schwierigen Entscheidungen
über die Griechenland-Hilfe und den Rettungsschirm
müssen wir jetzt über die Hilfen für Irland entscheiden.
Wir müssen uns vor allem zu den Eckpunkten des robus-
ten Krisenmechanismus nach 2013 positionieren. Das ist
die zentrale Frage, die beantwortet werden muss, damit
der Teufelskreis von Krisen und Rettungspaketen end-
lich durchbrochen werden kann.

Irland-Hilfen sind notwendig, um den Euro zu schüt-
zen. Die nun beschlossenen Grundzüge des künftigen
Mechanismus sind ein guter Kompromiss. Die Bundes-
regierung hat in Brüssel das realpolitische Maximum he-
rausgeholt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Oh!)


Irland hat als erstes Land Hilfen aus dem Rettungs-
schirm beantragt und wird diese zu Recht erhalten. Es
zeigt sich im Fall Irlands, dass die Konzeption des Ret-
tungsschirms, die Wahrung der strikten Konditionalität
der Hilfen und die aktive Einbindung des IWF, richtig
war und ist.

Die drei Elemente des Hilfspakets sind richtig: die Re-
form des Bankensektors, die Stabilisierung des irischen
Haushaltes sowie wachstumsorientierten Strukturrefor-
men. Das sind strenge Bedingungen. Diese Maßnahmen
sind in Irland innenpolitisch schwer umzusetzen. Wir
sind aber fest davon überzeugt, dass es nur so eine Hilfe
zur Selbsthilfe geben kann. Deswegen will ich, wie es
auch der Kollege Barthle getan hat, betonen: Griechen-

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(C (D and und Irland sind verschiedene Fälle. Sie dürfen nicht n einen Topf geworfen werden. (Dr. Peter Danckert [SPD]: Bravo! Gut erkannt!)


rland hat aufgrund der Bankenkrise ein temporäres Fi-
anzierungsproblem. Es muss geholfen werden, die Spe-
ulation zu stoppen.

Wichtig ist – das kommt im Antrag der Linken falsch
erüber –: Eine zwingende Beteiligung der Gläubiger ist
ach dem derzeitigen Mechanismus gar nicht vorgese-
en. Sie ist für Irland weder rechtlich möglich noch poli-
isch und ökonomisch sinnvoll. Solidarität ist für Sie lei-
er ein Fremdwort. Sie lassen Irland alleine. Ihr Antrag
st leider ein reiner Showantrag.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich begrüße es ausdrücklich, dass sich SPD und
rüne in ihren Anträgen jetzt für Hilfen für Irland aus-

prechen.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Was heißt denn hier „jetzt“? Vorher mussten wir das doch gar nicht tun!)


ie zeigen damit europapolitische Verantwortung, die Sie
ei den vorherigen Abstimmungen zu Griechenland
zw. zum Euro-Schirm nicht an den Tag gelegt haben.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


hre jetzige Zustimmung zeigt, dass Sie damals falsch
ntschieden haben.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Wie bitte? Davon kann ja wohl keine Rede sein! – Joachim Poß [SPD]: Das Gegenteil ist richtig!)


ber es ist gut, dass Sie diesen Fehler jetzt korrigieren.
ie reden hier immer von europäischer Solidarität. Gut,
ass Sie Ihren Worten jetzt auch Taten folgen lassen!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Sie haben es wirklich nicht verstanden! – Dr. Peter Danckert [SPD]: Wer ahnungslos ist, sollte hier nicht reden!)


Für die Zukunft müssen neue Lösungen gefunden
erden, um den Euro langfristig zu stabilisieren. Kol-

ege Schneider, Sie haben eben von den Märkten gespro-
hen. Das eigentliche Problem war, dass die Regeln, die
s in Europa gibt, von Rot-Grün aufgeweicht wurden.
ndem damals der blaue Brief verhindert wurde, wurde
as falsche Zeichen gesetzt, dass jeder ungestraft Schul-
en machen kann. Wir brauchen jetzt harte Regeln für
inen harten Euro.


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Sie haben unseren Antrag nicht gelesen!)


Die Bundesregierung hat in schwierigen Verhandlun-
en die richtigen Weichen für den zukünftigen Mecha-
ismus gestellt. Der neue Mechanismus wird den derzei-
igen Rettungsschirm vollständig ablösen, sowohl was
ie bilaterale Hilfe angeht als auch was das Gemein-
chaftsinstrument betrifft. Es ist ein besonderer Erfolg
er Bundesregierung, dass sie im Gegensatz zu dem, was

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8601

Oliver Luksic


(A) )


)(B)

Sie wollen, die Vergemeinschaftung des Zinsrisikos in
Form von Euro-Anleihen abgewendet hat. Das wäre die
Transferunion. Das ist der Unterschied zwischen uns und
Ihnen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wie kommen Sie denn darauf, dass wir das wollen?)


– Das steht in Ihrem Programm.


(Joachim Poß [SPD]: Was? Wo genau steht das denn? Das ist eine böse Unterstellung! – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Schwachsinn!)


Stattdessen muss auch nach dem neuen Mechanismus
Einstimmigkeit herrschen. Das ist gut. So kann gegen
den Willen Deutschlands nichts beschlossen werden. Die
Bundesregierung hat hier im Interesse Deutschlands und
eines stabilen Euros die richtigen Akzente gesetzt.

Der wichtigste Punkt, den Sie, Herr Schneider, weg-
gelassen haben, ist die Einführung von Umschuldungs-
klauseln, den sogenannten Collective Action Clauses, ab
2013. Wer hätte vor einem halben Jahr gedacht, dass wir
das hinbekommen?


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Was, bitte schön, haben wir denn bis jetzt hinbekommen? – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso? Gegen die Collective Action Clauses war doch nie jemand!)


Das Thema „Beteiligung privater Gläubiger“ ist nicht
in der Schublade verschwunden, obwohl viele Mitglied-
staaten dagegen waren und es auch vonseiten der Euro-
päischen Kommission und der EZB Widerstand gab. Das
ist ein großer Erfolg. Dass Sie ihn kleinreden, ist in Ord-
nung. Dennoch ist es ein großer Erfolg, dass wir die Be-
teiligung privater Gläubiger jetzt durchsetzen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Nun muss Sorge dafür getragen werden, dass dies in
der Praxis geschieht. Es ist wichtig, dass wir die Hürden
der politischen Manipulierbarkeit höher legen, damit der
Rettungsschirm nicht zur Geldpumpe wird. Was den prä-
ventiven Arm angeht, müssen wir bei Sanktionen eine
weitgehende Automatisierung hinbekommen. Bei der
Gläubigerbeteiligung ist die Schuldentragfähigkeitsana-
lyse von Europäischer Kommission, EZB und IWF
wichtig. Hier brauchen wir ein Stück Entpolitisierung.
Dabei sind wir auf einem guten Weg.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Sie machen das Gegenteil! Wissen Sie das eigentlich?)


Nur so wird sichergestellt, dass die Unterstützung durch
die Staatengemeinschaft erst nach den Anstrengungen
des Schuldnerlandes einsetzt und die Beteiligung der
Gläubiger wirklich das letzte Mittel darstellt.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Wieso eigentlich?)


Klar muss auch sein: Der zukünftige Schirm darf nicht
zu groß werden. Das wäre ein falsches Signal.

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(C (D (Joachim Poß [SPD]: Aha! Ihre Fraktion hat sich aber darauf eingelassen! Sie lesen wohl noch nicht mal Ihre eigenen Fraktionsbeschlüsse!)


Im Laufe der Beratungen im Europäischen Rat und in
er Euro-Gruppe werden noch viele Präzisierungen vor-
enommen. Das erfordert europapolitischen Mut. Diesen
ut hat sowohl die FDP als auch die christlich-liberale
oalition. Mit unserem Antrag stärken wir der Bundes-

egierung für ihren guten und richtigen Kurs in Brüssel
en Rücken.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707822900

Das Wort hat der Kollege Thomas Nord von der Frak-

ion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Thomas Nord (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707823000

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

nd Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Linke
das ist bekannt – hat als einzige Fraktion gegen das
ilfspaket für Griechenland und gegen den Euro-Ret-

ungsschirm gestimmt. Wir stimmen heute gegen die
ilfsmaßnahmen für Irland; denn auch in diesem Fall

chützt der Euro-Rettungsschirm nicht den Euro, son-
ern die Banken.


(Beifall bei der LINKEN)


iese benötigen unsere Hilfe nicht. Unsere Solidarität,
err Sarrazin, Herr Luksic, gilt den Arbeitnehmerinnen
nd Arbeitnehmern, den Rentnerinnen und Rentnern und
en vielen anderen Menschen, die jetzt die Suppe auslöf-
eln müssen, die sie nicht bestellt haben.


(Beifall bei der LINKEN)


ier wird gesagt, es gebe keine Handhabe gegen Krisen-
rofiteure und für eine sofortige Regulierung der Finanz-
ärkte, die EU-Verträge ließen dies nicht zu. Wir sagen,

ie Verträge sind in Kernbereichen ohnehin nicht mehr
n Kraft und müssen verändert werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Wer jetzt europaweit den Sozialabbau gegen die Men-
chen vorantreibt, der hätte auch die Kraft, jetzt Speku-
anten zur Kasse zu bitten.

Sie sagen, wer nicht hilft, die Banken zu retten, ris-
iert die politische Stabilität der Europäischen Union.
ir sagen, wer Banken rettet, aber Finanzmärkte jetzt

icht reguliert, der treibt die Europäische Union in eine
xistenzielle Krise.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Fakten sprechen für sich. Am 6. Mai wurde hier
as Griechenland-Paket beschlossen. Die Kanzlerin er-
annte eine Notsituation. Sicherlich, Griechenland war
n Not. Aber die Ursache war keine Naturkatastrophe.
ie Verträge wurden verletzt, geholfen hat es nicht. Am

8602 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Thomas Nord


(A) )


)(B)

19. Mai sagte die Kanzlerin, dass der Euro in Gefahr ist.
In zwei Wochen wurde aus der Griechenland-Krise eine
Euro-Krise. Der Euro-Rettungsfonds wurde installiert.
Die Verträge wurden erneut außer Kraft gesetzt und die
Krise eben nicht gestoppt. Die Folgen für die betroffe-
nen Staaten waren unabsehbar.

Absehbar jedoch sind sie für die Banken. Sie werden
immer auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzah-
ler saniert. Sie zahlen, wie zum Beispiel die Hypo Real
Estate, weiter satte Gewinne und Boni an ihre Aktionäre
und Manager. Sie können sich ohne Risiko immer auf
Staatshilfen verlassen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ausgeblieben ist die Regulierung der Finanzmärkte.
Die Debatte über einen zukünftigen Mechanismus zur
Krisenbewältigung treibt das Dilemma auf die Spitze.
Bei der Zinsentwicklung für portugiesische und für spa-
nische Staatsanleihen ist das doch zu beobachten. Es
wird behauptet, man komme an die Gewinner der Spe-
kulationen nicht heran. Es sei unmöglich, die irische Re-
gierung zu bewegen, die Dumpingsteuer für Unterneh-
men anzuheben. Die nationale Souveränität würde eine
Steuerharmonisierung behindern. Wo bleibt dieses Argu-
ment beim größten Sozialabbau in Europa seit dem
Zweiten Weltkrieg?

Alle europäischen Mitgliedstaaten, die Hilfe benöti-
gen, werden durch EU und IWF genötigt, die Mehrwert-
steuer anzuheben, die Löhne zu senken, den Kündigungs-
schutz abzubauen, das Renteneintrittsalter zu erhöhen
usw. Alles ist erlaubt. Nichts hindert die EU und den IWF
daran, das durchzusetzen. Wenn aber Profite abgeschöpft
werden sollen und Spekulation verhindert werden soll,
dann geht in der Europäischen Union gar nichts mehr. So
schützt man den Euro nicht vor weiteren Angriffen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Rettung Irlands ist eben kein unabhängiges Phäno-
men. Es ist eine Frage der Zeit, bis Portugal fällig wird –
oder auch Belgien. Portugal soll unter den Schirm, damit
Spanien nicht fällt. Schon wird die Forderung nach einer
Verdoppelung des Umfangs des Rettungsschirms laut.
Nach Spanien kommt Italien, meine Damen und Herren,
und was kommt dann?

Wenn der irische Haushalt am 7. Dezember verab-
schiedet sein wird, wird die dortige Regierung zerbre-
chen. Was 2008 als Finanzmarktkrise begonnen hat, ist
2010 eine Krise der europäischen Institutionen.

Was auch immer das heißt, eines ist sicher: Wenn es
nach Ihnen geht, dann sollen weiterhin die Bürgerinnen
und Bürger, diejenigen, die jetzt schon wenig haben, die
Zeche bezahlen. Das wird Europa weiter destabilisieren.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wollen das nicht. Deshalb lehnt die Linke das Fi-
nanzpaket für Irland ab. Deshalb fordern wir die Regu-
lierung der Finanzmärkte, fordern wir, die Profiteure der
Krise zur Verantwortung zu ziehen, fordern wir eine EU-
weite Mindestbesteuerung, fordern wir eine Komplettre-
vision der europäischen Verträge.

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(C (D Danke schön. (Beifall bei der LINKEN – Oliver Luksic [FDP]: Immer gegen Europa!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707823100

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat

etzt der Kollege Alois Karl von der CDU/CSU das
ort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Alois Karl (CSU):
Rede ID: ID1707823200

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

amen und Herren! Wir haben uns die Situation, in der
ir heute sind, nicht ausgesucht; wir haben gehofft, dass

ie an uns vorübergeht. Trotzdem musste Irland am
1. November 2010 diesen Antrag auf finanzielle Hilfe
tellen. Das war notwendig, auch wenn wir fast den Ein-
ruck hatten, Irland musste ein wenig gedrängt werden.

Es geht aber nicht nur um Irland, sondern es geht auch
m unsere Währung, um den Euro. Aus diesem Grunde
st es wichtig, dass es hier in Europa ab dem 21. Novem-
er 2010 zu einer solidarischen, gemeinschaftlichen Leis-
ung gekommen ist. Ich danke dem Herrn Bundesfinanz-
inister, dass er mutig, schnell und entschlossen mit den
ollegen gehandelt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wenn es richtig ist, dass die deutsche Sicherheit am
indukusch verteidigt wird, wie es ein ehemaliger Ver-

eidigungsminister gesagt hat, dann wird unsere Wäh-
ung, der Euro, auch in Irland verteidigt. Ansonsten fällt
r. Das können wir uns nicht leisten; das ist jedem klar.

Es ist kurz angedeutet worden: Irland ist nicht Grie-
henland. Irland hat sein Bruttosozialprodukt in zehn
ahren verdoppelt. Das Wirtschaftswachstum war enorm
och, die Arbeitslosigkeit war gering. Irland ist mit dem
irtschaftswunderland Deutschland verglichen worden.
as hat für die Menschen in Irland außerordentlich viel
ebracht.

Wie Sie von den Linken jetzt fordern können, dass
ir in der jetzigen prekären Situation Irland alleine las-

en, ist Ihr Geheimnis. Dämlicher könnte es für die Iren
icht zugehen, dämlicher könnten Sie sich nicht ausdrü-
ken. Für Irland wäre es eine Katastrophe, wenn wir
eute nicht helfen würden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich bin sehr dankbar, dass sich die Hilfe für Irland in
öhe von etwa 85 Milliarden Euro – das ist gesagt wor-
en – auf viele Schultern verteilt. Irland selbst hat sich ja
chon großartig beteiligt. 15 Milliarden Euro sind in den
etzten Jahren für die eigene Konsolidierung schon auf-
ewendet worden. Jetzt wendet Irland weitere 17,5 Mil-
iarden Euro dadurch auf, dass die Barreserven aufge-
raucht werden und die Pensionskasse in Anspruch
enommen wird.

Ich bin sehr dankbar, dass sich der IWF zu einem
rittel an den restlichen Kosten, also mit 22,5 Milliar-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8603

Alois Karl


(A) )


)(B)

den Euro, beteiligt und dafür Zinsen in Höhe von
3,12 Prozent verlangt. Dadurch wird den Iren in der Tat
geholfen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich bin dankbar, dass durch die Fazilitäten ebenfalls
mit 22,5 Milliarden Euro unterstützt wird, und es ist ein
Gebot der Korrektheit, dass man sagt: Auch Länder wie
Großbritannien, Schweden und Dänemark, die nicht zur
Euro-Zone gehören, unterstützen diesen Rettungsfonds
mit ihrem Beitrag von etwa 5 Milliarden Euro. Auch das
ist ein großartiger Beitrag im Rahmen der Solidarität in
Europa.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich möchte hier ausdrücklich erwähnen, dass Irland tat-
sächlich auch Freunde außerhalb der Euro-Zone hat,
auch deshalb, weil Vertrauen darin besteht, dass sich Ir-
land weiterhin anstrengen wird, um aus der jetzigen Si-
tuation herauszukommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben
viel gehört. Irland muss sich anstrengen. Die Steuern
werden erhöht, die Zahl der Mitarbeiter im öffentlichen
Dienst wird um 25 000 gekürzt und die Bediensteten des
öffentlichen Dienstes bekommen zwischen 10 und 30 Pro-
zent weniger Entlohnung.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Die Arbeitnehmer!)


Ich habe heute Vormittag mit dem irischen Botschaf-
ter in Deutschland gesprochen. Er wird einen gehörigen
Abschlag hinnehmen müssen. Trotzdem steht er dahinter
und sagt: Wir werden das schaffen. Wir werden es auch
deshalb schaffen, weil wir unsere niedrigen Körper-
schaftsteuersätze halten können. – Das ist die Vorausset-
zung dafür, dass Irland auch in den nächsten Monaten
und Jahren wieder zu einer blühenden Volkswirtschaft
wird. Gerade dies ist nötig, damit Irland das Geld erwirt-
schaftet, um die jetzigen Konsolidierungsanstrengungen
in der Tat zu meistern.

Meine Damen und Herren, wir sollten doch nicht
glauben, dass wir von Deutschland aus eine Steuerhar-
monisierung in Europa jetzt lostreten oder verordnen
könnten. Vor dem Hintergrund, dass es uns schon in
Deutschland nicht gelingt, dass für die Städte und Ge-
meinden vergleichbare oder gleiche Hebesätze für die
Gewerbesteuer, für die Grundsteuer A und die Grund-
steuer B gelten – unsere Städte und Gemeinden haben
also unterschiedliche Steuersätze –, frage ich Sie: Wie
sollten wir uns erdreisten, unseren Freunden in Europa
– und jetzt insbesondere unseren Freunden in Irland – zu
sagen, welche Steuersätze sie anwenden müssten? – In-
sofern sind die Überlegungen, die Sie jetzt äußern, völlig
verwoben und übersteigert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich bin optimistisch und zuversichtlich, dass Irland
mit den großen Anstrengungen, die es auf sich genom-
men hat, in wenigen Jahren wieder auf einem sicheren
Pfad sein wird. Es kommt auf uns an, die richtigen Leh-

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1)

2)

(C (D en zu ziehen. Es wird eine Diskussion sein, die wir in er Tat vor dem Jahr 2013 führen müssen. Es wird daum gehen, dass wir eine Rangfolge werden einhalten üssen und dass wir sagen, dass sich in allererster Linie as Schuldnerland wird beteiligen müssen. Diejenigen, ie Gläubiger sind, werden sich in zweiter Linie beteilien müssen, und dann wird auch die Staatengemeinchaft in Europa ihren Anteil leisten müssen. Bis dahin, meine sehr geehrten Damen und Herren, erden wir uns hoffentlich nicht mehr zu häufig zu die em Thema hier sprechen müssen. Heute ist klar: Wir üssen an der Seite von Irland stehen. Alles andere wäre ine Katastrophe für uns, für Europa und für unsere ährung, den Euro. Vielen herzlichen Dank. Ich schließe die Aussprache. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir nun zwei naentliche Abstimmungen und zwei einfache Abstimungen im Wechsel durchführen werden. Zu dem An rag der Koalitionsfraktionen liegen einige wenige ersönliche Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordung vor, die wir zu Protokoll nehmen.1)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707823300

Wir kommen zunächst zu dem Antrag der Fraktion
ündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/4065 mit
em Titel „Irland unterstützen und Steuerharmonisie-
ung vorantreiben, hier: Stellungnahme des Deutschen
undestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundge-

etzes“. Wir stimmen über den Antrag auf Verlangen der
raktion Bündnis 90/Die Grünen namentlich ab.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
rnen zu besetzen. – Sind Schriftführerinnen und
chriftführer an allen Urnen? – Das ist der Fall. Damit
röffne ich die Abstimmung.

Haben jetzt alle Mitglieder des Hauses ihre Stimm-
arte abgegeben? – Das ist der Fall. Dann schließe ich
ie Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und
chriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.2)

Ich bitte die Mitglieder der Fraktionen, sich zu ihren
lätzen zu bewegen, weil wir jetzt eine einfache Abstim-
ung durchführen.

Zusatzpunkt 8: Abstimmung über den Antrag der Frak-
onen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/4082
it dem Titel „Irland unterstützen und den Euro stabilisie-

en, hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages ge-
äß Artikel 23 des Grundgesetzes“. Wer stimmt für die-

en Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
er Antrag ist angenommen mit den Stimmen der Koali-
onsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und der
raktion Die Linke bei Enthaltung der Grünen.

Damit kommen wir zum Zusatzpunkt 9: Abstimmung
ber den Antrag der Fraktion der SPD auf Druck-

Anlage 5
Ergebnis Seite 8606 C

8604 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) )


)(B)

sache 17/4014 mit dem Titel „Irland unterstützen und
gerechten, wirksamen Mechanismus zur Bewältigung
von Staatsfinanzierungskrisen schaffen, hier: Stellung-
nahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23
Absatz 3 des Grundgesetzes“. Wir stimmen über diesen
Antrag auf Verlangen der Fraktion der SPD namentlich
ab.

Sind die Schriftführerinnen und Schriftführer noch an
ihren Plätzen? – Das ist offenkundig der Fall. Dann bitte
ich, mit der Abstimmung zu beginnen.

Hat ein Mitglied des Hauses seine Stimmkarte noch
nicht eingeworfen? – Das ist nicht der Fall. Dann
schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen
werden Ihnen später bekannt gegeben.1)

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Antrag
der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/4029 mit dem
Titel „Profiteure der Krise zur Kasse bitten – Keine wei-
tere Verstaatlichung fauler Bankkredite bei Finanzhilfen
für Irland, hier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta-
ges nach Artikel 23 Absatz 2 des Grundgesetzes“. Wer
stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Dann ist der Antrag abgelehnt mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der
FDP und Bündnis 90/Die Grünen bei Zustimmung der
Fraktion Die Linke.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 a bis 12 c auf:

a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD

Vor Cancún – Mit Glaubwürdigkeit zu einem
globalen Klimaschutzabkommen

– Drucksache 17/3998 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Auswärtiger Ausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Andreas
Jung (Konstanz), Marie-Luise Dött, Peter
Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Michael
Kauch, Horst Meierhofer, Angelika Brunkhorst,
weiterer Abgeordneter und und der Fraktion der
FDP

Die UN-Klimakonferenz in Cancún – Fort-
schritte für den Klimaschutz erreichen

– Drucksache 17/4010 –

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Hermann Ott, Bärbel Höhn, Thilo Hoppe,

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t1) Ergebnis Seite 8608 B

(C (D weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Internationaler Klimaschutz vor Cancún – Mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten zum Ziel – Drucksache 17/4016 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Wierspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das o beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Reder dem Kollegen Frank Schwabe von der SPD-Fraktion as Wort. Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen nd Kollegen! In den vergangenen Tagen stand in der üddeutschen Zeitung ein Bericht, der sich auf den ersen Blick sehr skurril anhört, aber die Dramatik des Theas schildert, über das wir heute reden. In dem Artikel ist die Rede davon, dass es seit 332 Jahen ein Gebet im schweizerischen Wallis gibt, dass der letschgletscher nicht weiter wachsen soll. Er ist näm ich über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg gewachen. Immer dann, wenn ein Stück von diesem Gletscher bgebrochen ist, gab es Überschwemmungen und Erdutsche. Mittlerweile wurde die Bitte an den Vatikan gerichtet, ieses Gebet verändern zu dürfen, und zwar dahin geend, dass der Gletscher nicht schrumpfen soll. Der Vatian hat dem zugestimmt. Das macht deutlich, wie weit er Klimawandel mittlerweile auch in Europa vorangechritten ist. Wenn man sich den Klimawandel im globaen Maßstab vor Augen führt, dann stellt man fest, dass s weit dramatischer ist. Ähnlich ist die Situation in den Anden. In Lima leben Millionen Menschen, die auf eine aus den Anden-Glet chern gespeiste Wasserversorgung angewiesen sind. ie Menschen sind massiv bedroht, weil demnächst rinkwasser nicht mehr in gleichem Umfang wie bisher ur Verfügung steht. Für Inseln wie Mikronesien und Tualu ist der Klimawandel keine ferne Theorie mehr. Die ort lebenden Menschen planen bereits, ihre Inseln zu erlassen. Guatemala und Costa Rica wurden in diesem ahr von mehreren Tropenstürmen heimgesucht. In El alvador findet während der Erntezeit keine Schule statt, amit die Kinder bei der Ernte helfen können. Da sich ie Zeiten der Einsaat und der Ernte wegen des Klimaandels verschoben haben, gibt es einen neuen Schulka ender, damit man wieder genau weiß, wann auf die Ernezeit Rücksicht zu nehmen ist. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8605 Frank Schwabe )


(Beifall bei der SPD)

Frank Schwabe (SPD):
Rede ID: ID1707823400

(A) )

Man sieht also: All die Herausforderungen, über die
wir jetzt diskutieren und in Cancún reden werden, war-
ten nicht. Es geschieht hier und jetzt. Der Klimawandel
wird sich weiter verstärken. Er wird nicht warten, egal
ob wir in Kopenhagen, Cancún oder sonst wo über die-
ses Thema diskutieren. Wir alle wissen: Ein allumfas-
sendes Abkommen wird es nicht geben, auch nicht in
Cancún. Dennoch formulieren wir Erwartungen. Wir er-
warten beispielsweise Fortschritte beim Waldschutz. Da-
rüber müssen wir noch einmal mit unserer Delegations-
leitung reden; denn Deutschland ist nicht gerade sehr
progressiv, wenn es um das Thema LULUCF geht. Ich
kann hier nicht näher darauf eingehen. Aber wir sollten
uns das zu Herzen nehmen und noch einmal mit dem
Bundesumweltminister darüber reden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen in Cancún Verbesserungen und Fort-
schritte im Bereich der Anpassungsmaßnahmen erzielen,
genauso wie beim Technologietransfer und bei der Fi-
nanzierung dieser Maßnahmen. Insofern gibt es durch-
aus Anforderungen an Cancún. Wir müssen aber aufpas-
sen, dass wir die Anforderungen nicht zu gering
bemessen, vor allen Dingen nicht die an uns selbst. Wir
müssen Schluss mit dem Warten auf den Langsamsten
im internationalen Klimaprozess machen. Der Kollege
Ott, der gleich reden wird, hat das „Klimapolitik der un-
terschiedlichen Geschwindigkeiten“ genannt. Darum
wird es nun gehen: Was ist fortschrittlich, und welches
ist der Erfolgsweg für die Volkswirtschaften in Europa,
wenn man bedenkt, dass die Ressourcen knapper werden
und dass der Klimawandel in Zukunft dramatischer
wird? Darauf müssen wir uns stärker besinnen. Der Er-
folgsweg kann nur darin bestehen, Energie und Roh-
stoffe deutlich effizienter einzusetzen. Wir sollten diesen
Weg aus eigener Erkenntnis gehen, vollkommen egal,
was andere auf der Welt machen. Das ist das Gebot der
Stunde.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva BullingSchröter [DIE LINKE])


Wir sollten Allianzen der Fortschrittlichen bilden,
also mit den Teilen der Erde, in denen die Menschen be-
reit sind, diesen Weg mit uns gemeinsam zu gehen. Ich
glaube, man kann solche Allianzen mit Lateinamerika
beim Schutz des Regenwaldes und mit Südostasien bei
der technologischen Entwicklung schließen. Südkorea,
China und andere asiatische Länder sind bereits auf ei-
nem guten Weg. Das bedeutet aber auch, dass wir unsere
Außenpolitik anders ausrichten müssen. Klimaschutz
und Energiesicherheit müssen in Zukunft zentrale The-
men unserer Außenpolitik sein.

Jetzt komme ich zum kritischen Teil. Was tun wir in
Deutschland unter Schwarz-Gelb? Mein Eindruck ist,
dass wir in das Mittelmaß zurückgefallen sind. Wenn ich
mir die aktuellen Debatten in diesem Land anschaue,
dann stelle ich fest: Es gibt ein sogenanntes Energiekon-
zept. Der Umweltbericht 2010 der Bundesregierung,
über den wir gestern bereits diskutiert haben, macht
deutlich, dass das Klimaprogramm von 2007 auf vielfa-

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(C (D he Weise besser und vor allem zehnmal konkreter war ls Ihr sogenanntes Energiekonzept. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


enn ich mir die Situation in Europa anschaue, dann
telle ich fest, dass wir seit mehreren Jahren über die
rage reden, ob wir unser Minderungsziel auf 30 Prozent
rhöhen sollen. Herr Umweltminister Röttgen hat das
ehrfach gefordert. Durchsetzen kann er sich in der Re-

ierung aber nicht. Leider findet sich dieses Ziel auch im
ntrag der Koalition nicht wieder. Mir ist nicht klar, wie
ie das nationale Ziel von 40 Prozent erreichen wollen,
enn Sie nicht gleichzeitig innerhalb der Europäischen
nion eine Erhöhung des Minderungsziels auf 30 Pro-

ent durchsetzen. Schließlich wird der gesamte Emis-
ionshandel auf europäischer Ebene geregelt. Wenn Sie
hr 40-Prozent-Ziel erreichen wollen, müssen wir inner-
alb der Europäischen Union das 30-Prozent-Ziel festle-
en.

Am schlimmsten ist es allerdings bei dem Thema Fi-
anzierung der Klimaschutzziele. Was glauben Sie ei-
entlich, wie es die Entwicklungsländer, von denen ich
m Anfang geredet habe, finden, wenn sie sehen, wie Sie
ei der Finanzierung des internationalen Klimaschutzes
ricksen?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


ie haben 1,26 Milliarden Euro in Kopenhagen zuge-
agt, am Ende werden es aber nur 10 Prozent dieser
umme sein, die neu und zusätzlich – das ist das Ent-
cheidende – zur Verfügung gestellt werden. Auch Frau
taatssekretärin Kopp wird in Cancún sein, wie ich gele-
en habe. Frau Staatssekretärin Kopp hat in der letzten
oche in einem AFP-Gespräch gesagt, diese Mittel

eien insofern zusätzliche Mittel, als sie neu und zusätz-
ich zu den Leistungen des BMZ in 2009 auf ein be-
timmtes Thema bezogen seien, nämlich den Klima-
chutz. Ich habe zuerst überhaupt nicht verstanden, was
amit gemeint ist. Das heißt, immer dann, wenn man
elder, die schon zugesagt worden sind, umdeklariert
nd auf ein anderes Thema bezieht, ist es neues und zu-
ätzliches Geld. So meinen Sie das offenbar in diesem
usammenhang. Das heißt, wenn dieselben 1,26 Mil-

iarden Euro demnächst auf irgendeiner Konferenz für
ie Malariabekämpfung zugesagt werden, dann ist das
ach Ihrer Interpretation – so muss ich das verstehen –
eues und zusätzliches Geld.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Ihr habt gar nichts verstanden!)


s ist abenteuerlich, was die Bundesregierung macht. Es
st ein dicker Klotz für die Verhandlungen in Cancún; es
st ein dicker Klotz, den Sie, Frau Kopp, im Gepäck ha-
en werden.


(Beifall bei der SPD – Ulrich Kelber [SPD]: Wo die leben, heißen solche Leute Heiratsschwindler!)


8606 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Frank Schwabe


(A) )


)(B)


SPD
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf (Rosenheim)


Gabriele Lösekrug-Möller
Kirsten Lühmann

Carsten Schneider (Erfurt)

Swen Schulz (Spandau)

Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Hans-Peter Bartels
Sören Bartol
Bärbel Bas
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann


(Hildesheim)

Edelgard Bulmahn
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger

Michael Groschek
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Hubertus Heil (Peine)

Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Frank Hofmann (Volkach)

Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe (Leipzig)

Fritz Rudolf Körper

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atja Mast
ilde Mattheis
etra Merkel (Berlin)

llrich Meßmer
r. Matthias Miersch
ranz Müntefering
r. Rolf Mützenich
anfred Nink

homas Oppermann
olger Ortel
ydan Özoğuz
einz Paula

ohannes Pflug
oachim Poß
r. Wilhelm Priesmeier
lorian Pronold
r. Sascha Raabe
echthild Rawert
erold Reichenbach
r. Carola Reimann
önke Rix
ené Röspel
r. Ernst Dieter Rossmann
arin Roth (Esslingen)

ichael Roth (Heringen)


Frank Schwabe
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
Kerstin Griese Caren Marks Ewald Schurer
Ich kann leider im Einzeln
eingehen. Ich möchte nur ein
fordern, wenn ich das richtig ve
weitung der CDM-Projekte. D
gerade zum Glück das Gegente
ob man die CDM-Projekte nich
war am Montag in einer Schu
die Schüler gefragt, ob der Em
was wie ein Ablasshandel sei.
des CDM muss ich sagen, dass
mer mehr zum Ablasshandel v
ist nicht eine Ausweitung vo
Stunde, sondern eine Reduzieru

Nichtsdestotrotz, wir werde
Delegation des Deutschen Bun
Wir werden uns bemühen, gem
zielen und gemeinsam zu agier
zelne beruft, ist jedem selbst ü
ziale Verantwortung für die be
ob es die Ehrfurcht vor der Ar
Pflanzen ist. Man kann es
Dr. Zimmer von der Union fo
einer bemerkenswerten Rede

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 576;
davon

ja: 195
nein: 378
enthalten: 3

Ja

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en auf die Anträge nicht
en Punkt aufgreifen. Sie
rstanden habe, eine Aus-

ie Europäische Union tut
il. Sie diskutiert darüber,
t einschränken muss. Ich

lklasse. Dort haben mich
issionshandel nicht so et-
Gerade für den Bereich
der Emissionshandel im-
erkommen ist. Deswegen
n CDM das Gebot der
ng dieser Maßnahme.

n gemeinsam mit einer
destages in Cancún sein.
einsam Fortschritte zu er-
en. Worauf sich der Ein-
berlassen, ob es die so-

troffenen Menschen oder
tenvielfalt bei Tieren und
aber auch wie Herr
rmulieren, der gestern in
zur Einsetzung der En-

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arin Evers-Meyer
abriele Fograscher
r. Edgar Franke
agmar Freitag
eter Friedrich
igmar Gabriel
ichael Gerdes
artin Gerster
is Gleicke

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B
uete-Kommission „Wachstum
ität“ gesagt hat, dass die chr
rinzip der Nachhaltigkeit einl
an unterstützen. In diesem S

am nach Cancún reisen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und DIE GRÜN Vizepräsident Dr. Herman Bevor ich dem nächsten Red ch Ihnen die von den Schriftfü ern ermittelten Ergebnisse de ungen bekannt. Zunächst zur ersten nament en Antrag der Abgeordn r. Gerhard Schick und der F rünen mit dem Titel „Irland armonisierung vorantreiben“ 76. Mit Ja haben gestimmt 1 timmt 378, Enthaltungen 3. D ehnt. nette Kramme icolette Kressl ngelika Krüger-Leißner te Kumpf hristine Lambrecht hristian Lange r. Karl Lauterbach teffen-Claudio Lemme urkhard Lischka M A A B M U S (C (D , Wohlstand, Lebensquaistliche Sicht auch zum ädt. Ich glaube, das kann inne sollten wir gemein dem BÜNDNIS 90/ EN)


n Otto Solms:
ner das Wort erteile, gebe
hrerinnen und Schriftfüh-
r namentlichen Abstim-

lichen Abstimmung über
eten Manuel Sarrazin,
raktion Bündnis 90/Die
unterstützen und Steuer-
. Abgegebene Stimmen
95, mit Nein haben ge-

er Antrag ist damit abge-

arlene Rupprecht

(Tuchenbach)

nton Schaaf
xel Schäfer (Bochum)

ernd Scheelen
arianne Schieder

(Schwandorf)

lla Schmidt (Aachen)

ilvia Schmidt (Eisleben)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8607

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) )


)(B)

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Kerstin Andreae
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Cornelia Behm
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Priska Hinz (Herborn)

Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Stephan Kühn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth (Quedlinburg)

Monika Lazar
Agnes Malczak
Jerzy Montag
Kerstin Müller (Köln)

Beate Müller-Gemmeke
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann Ott
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Dr. Gerhard Schick
Dr. Frithjof Schmidt
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Daniela Wagner
Wolfgang Wieland
Dr. Valerie Wilms
Josef Philip Winkler

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DU/CSU

eter Altmaier
eter Aumer
orothee Bär
homas Bareiß
orbert Barthle
ünter Baumann
rnst-Reinhard Beck

(Reutlingen)

anfred Behrens (Börde)

r. Christoph Bergner
eter Beyer
teffen Bilger
lemens Binninger
eter Bleser
r. Maria Böhmer
olfgang Börnsen

(Bönstrup)

olfgang Bosbach
orbert Brackmann
laus Brähmig
ichael Brand
r. Reinhard Brandl
elmut Brandt
r. Ralf Brauksiepe
r. Helge Braun
eike Brehmer
alph Brinkhaus
itta Connemann
eo Dautzenberg
lexander Dobrindt
homas Dörflinger
arie-Luise Dött
r. Thomas Feist
nak Ferlemann
grid Fischbach
artwig Fischer (Göttingen)

irk Fischer (Hamburg)


(KarlsruheLand)

r. Maria Flachsbarth
laus-Peter Flosbach
r. Hans-Peter Friedrich

(Hof)

ichael Frieser
r. Michael Fuchs
ans-Joachim Fuchtel
lexander Funk
go Gädechens
r. Thomas Gebhart
orbert Geis
lois Gerig
berhard Gienger
ichael Glos

osef Göppel
eter Götz
r. Wolfgang Götzer
te Granold
einhard Grindel
ermann Gröhe
ichael Grosse-Brömer
arkus Grübel
anfred Grund
onika Grütters
r. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg

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lorian Hahn
olger Haibach
r. Stephan Harbarth

ürgen Hardt
erda Hasselfeldt
r. Matthias Heider
echthild Heil

rank Heinrich
udolf Henke
ichael Hennrich

ürgen Herrmann
nsgar Heveling
rnst Hinsken
eter Hintze
hristian Hirte
obert Hochbaum
arl Holmeier
ranz-Josef Holzenkamp
nette Hübinger
homas Jarzombek
ieter Jasper
r. Franz Josef Jung
ndreas Jung (Konstanz)

r. Egon Jüttner
artholomäus Kalb
ans-Werner Kammer
teffen Kampeter
lois Karl
ernhard Kaster

(VillingenSchwenningen)


olker Kauder
r. Stefan Kaufmann
oderich Kiesewetter
ckart von Klaeden
wa Klamt
olkmar Klein
ürgen Klimke
ulia Klöckner
xel Knoerig

ens Koeppen
r. Kristina Schröder
anfred Kolbe
r. Rolf Koschorrek
artmut Koschyk
homas Kossendey
ichael Kretschmer
unther Krichbaum
r. Günter Krings
üdiger Kruse
ettina Kudla
r. Hermann Kues
ünter Lach
r. Karl A. Lamers

(Heidelberg)

ndreas G. Lämmel
r. Norbert Lammert
atharina Landgraf
lrich Lange
r. Max Lehmer
aul Lehrieder
r. Ursula von der Leyen

ngbert Liebing
atthias Lietz
r. Carsten Linnemann
atricia Lips
r. Jan-Marco Luczak

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r. Patrick Sensburg
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homas Silberhorn
ohannes Singhammer
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arola Stauche
r. Frank Steffel
rika Steinbach

8608 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) (C)


)(B)


Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber

Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Marco Wanderwitz

Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann

Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger

Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz

Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel

Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert

Dorothee Menzner
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Kai Wegner
Marcus Weinberg (Hamburg)

Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Dagmar Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew

FDP

Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine Aschenberg-

Dugnus
Daniel Bahr (Münster)

Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann

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Nun zur zweiten namentlich
Antrag der Fraktion der SPD
r. Werner Hoyer
einer Kamp
ichael Kauch
r. Lutz Knopek
ascal Kober
r. Heinrich L. Kolb
udrun Kopp
r. h. c. Jürgen Koppelin
ebastian Körber
olger Krestel
atrick Kurth (Kyffhäuser)

einz Lanfermann
ibylle Laurischk
arald Leibrecht
ars Lindemann
r. Martin Lindner (Berlin)

ichael Link (Heilbronn)

r. Erwin Lotter
liver Luksic
orst Meierhofer
atrick Meinhardt
abriele Molitor

an Mücke
etra Müller (Aachen)

urkhardt Müller-Sönksen
r. Martin Neumann

(Lausitz)

irk Niebel
ornelia Pieper
isela Piltz
r. Christiane Ratjen-
Damerau
r. Birgit Reinemund
r. Peter Röhlinger
r. Stefan Ruppert

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en Abstimmung über den
. Abgegebene Stimmen

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(Lüdenscheid)

r. Daniel Volk
r. Guido Westerwelle
r. Claudia Winterstein
r. Volker Wissing
artfrid Wolff (Rems-Murr)


IE LINKE

an van Aken
gnes Alpers
erbert Behrens
arin Binder
atthias W. Birkwald
eidrun Bluhm
teffen Bockhahn
hristine Buchholz
va Bulling-Schröter
r. Martina Bunge
oland Claus
evim Dağdelen
r. Diether Dehm
eidrun Dittrich
erner Dreibus
r. Dagmar Enkelmann
laus Ernst
olfgang Gehrcke
icole Gohlke
iana Golze
nnette Groth
r. Gregor Gysi
eike Hänsel
r. Rosemarie Hein

nge Höger
r. Barbara Höll

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75. Mit Ja haben gestimmt 19
ungen 1. Auch dieser Antrag is

(D olfgang Nešković homas Nord etra Pau ichard Pitterle vonne Ploetz grid Remmers aul Schäfer ichael Schlecht r. Ilja Seifert athrin Senger-Schäfer r. Petra Sitte ersten Steinke abine Stüber lexander Süßmair r. Kirsten Tackmann r. Axel Troost lexander Ulrich athrin Vogler ohanna Voß arald Weinberg atrin Werner örn Wunderlich abine Zimmermann nthalten PD laus Barthel erner Schieder ÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN ans-Christian Ströbele 7, mit Nein 377, Enthalt damit abgelehnt. Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel Heinz Golombeck Joachim Günther Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein D T D S r. Max Stadler orsten Staffeldt r. Rainer Stinner tephan Thomae Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8609 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms )


(A) )

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 575;
davon

ja: 197
nein: 377
enthalten: 1

Ja

SPD

Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Bärbel Bas
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)

Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann


(Hildesheim)

Edelgard Bulmahn
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Ulrike Gottschalck
Angelika Graf (Rosenheim)

Kerstin Griese
Michael Groschek
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Hubertus Heil (Peine)

Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Frank Hofmann (Volkach)

Dr. Eva Högl
Christel Humme
Josip Juratovic
Oliver Kaczmarek

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ohannes Kahrs
r. h. c. Susanne Kastner
lrich Kelber
ars Klingbeil
ans-Ulrich Klose
r. Bärbel Kofler
aniela Kolbe (Leipzig)

ritz Rudolf Körper
nette Kramme
icolette Kressl
ngelika Krüger-Leißner
te Kumpf
hristine Lambrecht
hristian Lange (Backnang)

r. Karl Lauterbach
teffen-Claudio Lemme
urkhard Lischka
abriele Lösekrug-Möller
irsten Lühmann
aren Marks
atja Mast
ilde Mattheis
etra Merkel (Berlin)

llrich Meßmer
r. Matthias Miersch
ranz Müntefering
r. Rolf Mützenich
anfred Nink

homas Oppermann
olger Ortel
ydan Özoğuz
einz Paula

ohannes Pflug
oachim Poß
r. Wilhelm Priesmeier
lorian Pronold
r. Sascha Raabe
echthild Rawert
erold Reichenbach
r. Carola Reimann
önke Rix
ené Röspel
r. Ernst Dieter Rossmann
arin Roth (Esslingen)

ichael Roth (Heringen)

arlene Rupprecht

(Tuchenbach)

nton Schaaf
xel Schäfer (Bochum)

ernd Scheelen
arianne Schieder

(Schwandorf)

erner Schieder (Weiden)

lla Schmidt (Aachen)

ilvia Schmidt (Eisleben)

arsten Schneider (Erfurt)

wen Schulz (Spandau)

wald Schurer
rank Schwabe
r. Martin Schwanholz
olf Schwanitz
tefan Schwartze
ita Schwarzelühr-Sutter
r. Carsten Sieling
onja Steffen
eer Steinbrück
r. Frank-Walter Steinmeier
hristoph Strässer

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r. h. c. Wolfgang Thierse
ranz Thönnes
olfgang Tiefensee
üdiger Veit
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r. Marlies Volkmer
ndrea Wicklein
eidemarie Wieczorek-Zeul
r. Dieter Wiefelspütz
altraud Wolff

(Wolmirstedt)

ta Zapf
agmar Ziegler
anfred Zöllmer
rigitte Zypries

ÜNDNIS 90/
IE GRÜNEN

erstin Andreae
arieluise Beck (Bremen)


olker Beck (Köln)

ornelia Behm
irgitt Bender
lexander Bonde
iola von Cramon-Taubadel
kin Deligöz
atja Dörner
ans-Josef Fell
r. Thomas Gambke
ai Gehring
ritta Haßelmann
ettina Herlitzius
infried Hermann

riska Hinz (Herborn)

lrike Höfken
r. Anton Hofreiter
ärbel Höhn

ngrid Hönlinger
hilo Hoppe
we Kekeritz
atja Keul
emet Kilic

ven-Christian Kindler
aria Klein-Schmeink
te Koczy
om Koenigs
liver Krischer
gnes Krumwiede
tephan Kühn
enate Künast
arkus Kurth
ndine Kurth (Quedlinburg)

onika Lazar
gnes Malczak

erzy Montag
erstin Müller (Köln)

eate Müller-Gemmeke
r. Konstantin von Notz
mid Nouripour
riedrich Ostendorff
r. Hermann Ott
isa Paus
rigitte Pothmer
abea Rößner
laudia Roth (Augsburg)

rista Sager
anuel Sarrazin

lisabeth Scharfenberg

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(C (D hristine Scheel r. Gerhard Schick r. Frithjof Schmidt orothea Steiner r. Wolfgang StrengmannKuhn r. Harald Terpe arkus Tressel ürgen Trittin aniela Wagner olfgang Wieland r. Valerie Wilms osef Philip Winkler ein DU/CSU eter Altmaier eter Aumer orothee Bär homas Bareiß orbert Barthle ünter Baumann rnst-Reinhard Beck anfred Behrens r. Christoph Bergner eter Beyer teffen Bilger lemens Binninger eter Bleser r. Maria Böhmer olfgang Börnsen orbert Brackmann laus Brähmig ichael Brand r. Reinhard Brandl elmut Brandt r. Ralf Brauksiepe r. Helge Braun eike Brehmer alph Brinkhaus itta Connemann eo Dautzenberg lexander Dobrindt homas Dörflinger arie-Luise Dött r. Thomas Feist nak Ferlemann grid Fischbach artwig Fischer irk Fischer xel E. Fischer (KarlsruheLand)


(Reutlingen)


(Bönstrup)

r. Maria Flachsbarth
laus-Peter Flosbach
r. Hans-Peter Friedrich

(Hof)

ichael Frieser
r. Michael Fuchs
ans-Joachim Fuchtel
lexander Funk
go Gädechens
r. Thomas Gebhart
orbert Geis
lois Gerig
berhard Gienger

8610 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) )


)(B)

Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr

zu Guttenberg
Olav Gutting
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Mechthild Heil
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung (Konstanz)

Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster

(Villingen Schwenningen)

Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Kristina Schröder
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach

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r. Karl A. Lamers

(Heidelberg)

ndreas G. Lämmel
r. Norbert Lammert
atharina Landgraf
lrich Lange
r. Max Lehmer
aul Lehrieder
r. Ursula von der Leyen
gbert Liebing
atthias Lietz
r. Carsten Linnemann
atricia Lips
r. Jan-Marco Luczak
r. Michael Luther
arin Maag
ans-Georg von der Marwitz
ndreas Mattfeldt
tephan Mayer (Altötting)

r. Michael Meister
r. Angela Merkel
aria Michalk
r. h. c. Hans Michelbach
r. Mathias Middelberg
hilipp Mißfelder
ietrich Monstadt
arlene Mortler
r. Gerd Müller
tefan Müller (Erlangen)

adine Schön (St. Wendel)

r. Philipp Murmann
ernd Neumann (Bremen)

ichaela Noll
r. Georg Nüßlein
ranz Obermeier
duard Oswald
enning Otte
r. Michael Paul
ita Pawelski
lrich Petzold
r. Joachim Pfeiffer
ibylle Pfeiffer
eatrix Philipp
onald Pofalla
hristoph Poland
uprecht Polenz
aniela Raab
homas Rachel
ckhardt Rehberg
atherina Reiche (Potsdam)

othar Riebsamen
osef Rief
laus Riegert
r. Heinz Riesenhuber

ohannes Röring
r. Christian Ruck
rwin Rüddel
lbert Rupprecht (Weiden)

nita Schäfer (Saalstadt)

r. Wolfgang Schäuble
r. Annette Schavan
r. Andreas Scheuer
arl Schiewerling
orbert Schindler
ankred Schipanski
eorg Schirmbeck
hristian Schmidt (Fürth)

atrick Schnieder

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ernhard Schulte-Drüggelte
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(Weil am Rhein)

etlef Seif

ohannes Selle
einhold Sendker
r. Patrick Sensburg
ernd Siebert
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ohannes Singhammer
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arola Stauche
r. Frank Steffel
rika Steinbach
hristian Freiherr von Stetten
ieter Stier
ero Storjohann
tephan Stracke
ax Straubinger
arin Strenz
homas Strobl (Heilbronn)

ena Strothmann
ichael Stübgen
r. Peter Tauber
ntje Tillmann
r. Hans-Peter Uhl
rnold Vaatz
olkmar Vogel (Kleinsaara)

tefanie Vogelsang
ndrea Astrid Voßhoff
arco Wanderwitz
ai Wegner
arcus Weinberg (Hamburg)


eter Weiß (Emmendingen)

abine Weiss (Wesel I)

ngo Wellenreuther
arl-Georg Wellmann
eter Wichtel
nnette Widmann-Mauz
laus-Peter Willsch
lisabeth Winkelmeier-
Becker
agmar Wöhrl
r. Matthias Zimmer
olfgang Zöller
illi Zylajew

DP

ens Ackermann
hristian Ahrendt
hristine Aschenberg-
Dugnus
aniel Bahr (Münster)

lorian Bernschneider
ebastian Blumenthal
laudia Bögel
icole Bracht-Bendt
laus Breil
ainer Brüderle
ngelika Brunkhorst
rnst Burgbacher
arco Buschmann

ylvia Canel
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einer Deutschmann
r. Bijan Djir-Sarai
atrick Döring

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(C (D echthild Dyckmans ainer Erdel örg van Essen lrike Flach tto Fricke r. Edmund Peter Geisen r. Wolfgang Gerhardt ans-Michael Goldmann einz Golombeck oachim Günther r. Christel Happach-Kasan einz-Peter Haustein anuel Höferlin lke Hoff irgit Homburger r. Werner Hoyer einer Kamp ichael Kauch r. Lutz Knopek ascal Kober r. Heinrich L. Kolb udrun Kopp r. h. c. Jürgen Koppelin ebastian Körber olger Krestel atrick Kurth einz Lanfermann ibylle Laurischk arald Leibrecht ars Lindemann r. Martin Lindner ichael Link r. Erwin Lotter liver Luksic orst Meierhofer atrick Meinhardt abriele Molitor an Mücke etra Müller urkhardt Müller-Sönksen r. Martin Neumann irk Niebel ornelia Pieper isela Piltz r. Christiane RatjenDamerau r. Birgit Reinemund r. Peter Röhlinger r. Stefan Ruppert jörn Sänger rank Schäffler hristoph Schnurr immy Schulz arina Schuster r. Erik Schweickert erner Simmling udith Skudelny r. Hermann Otto Solms oachim Spatz r. Max Stadler orsten Staffeldt r. Rainer Stinner tephan Thomae lorian Toncar erkan Tören ohannes Vogel Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8611 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms )


(Lausitz)


(Lüdenscheid)


(A) )


führt, die Deutschland und die Europäische Union über
viele Jahre im Klimaschutz hatten.

des IPCC im Jahr 2015 darüber möglicherweise hinaus-
gehen müssen. Das wollen wir dort als Mindestziel fest-
Gescheitert ist dieser Gipfe
nerseits die USA und andererse
ren, die von ihnen geforderten V
rungen bzw. Beiträge – zu üb
Situation vor einem Jahr. Lei
dem Gipfel in Cancún nicht vi
wir auch nicht die konkrete Er
der Durchbruch passieren wird
hagen erhofft hatten. Nach wi
China nicht bereit, diese Verp
men.

Andererseits wissen wir ab
von Cancún kein verlorener G
sen in ganz konkreten Schr
Schritten, zu denen es keine Al
zu dem mühsamen Prozess des
auf internationaler Ebene. Es
l letztlich daran, dass ei-
its China nicht bereit wa-
erpflichtungen – Minde-
ernehmen. Das war die

der ist die Situation vor
el anders. Deshalb haben
wartung, dass in Cancún
, den wir uns für Kopen-
e vor sind die USA und
flichtungen zu überneh-

er auch, dass der Gipfel
ipfel sein darf. Wir müs-
itten weiterkommen, in
ternative gibt, auch nicht
Einstimmigkeitsprinzips
geht uns immer viel zu

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chreiben.

Im Übrigen ist dies auch d
olitik der Bundesregierung, n
chen Kontext. Warum haben w
ls Deutscher Bundestag zu de
ung bekannt, bis 2040 ein M
reibhausgasen zu erreichen, u
achen? Dieses Ziel leitet sich

as beinhaltet, dass wir den T
eit bis Mitte des Jahrhunderts
lar, dass Industriestaaten wie
eblich mehr übernehmen mü
020 das 40-Prozent-Ziel. Bis 2
nergiekonzept festgeschriebe
on 80 bis 95 Prozent, das im E
tändlich mit ganz konkreten
ird.
ie Grundlage der Klima-
ational und im europäi-
ir uns als Koalition und

r unbedingten Verpflich-
inus von 40 Prozent an

nd zwar egal, was andere
aus dem 2-Grad-Ziel ab,
reibhausgasausstoß welt-
halbieren müssen. Es ist
die Bundesrepublik er-
ssen. Kurzfristig gilt bis
050 gilt das ebenfalls im

ne Ziel einer Minderung
nergiekonzept selbstver-
Maßnahmen unterlegt
Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)


DIE LINKE

Jan van Aken
Agnes Alpers
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Steffen Bockhahn
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen

Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Caren Lay

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Wir kommen jetzt zum Redebeitrag des Kollegen
Andreas Jung von der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1707823500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

ist jetzt rund ein Jahr her, dass die Konferenz in Kopen-
hagen stattgefunden hat. Natürlich haben wir die Enttäu-
schung über die Konferenz in Kopenhagen miteinander
geteilt. Das Ziel, das wir erreichen wollten, nämlich ein
völkerrechtlich verbindliches Klimaabkommen, das das
2-Grad-Ziel festschreibt, bei dem sich alle Staaten global
verpflichten, beim Klimaschutz mitzumachen, haben wir
nicht erreicht.

Wir haben es trotz des Einsatzes der Bundesrepublik
Deutschland und der Europäischen Union nicht erreicht.
Wir haben gemeinsam mit vielen Partnern auf der Welt
dafür gekämpft, dass wir dieses Ziel erreichen. Wir ha-
ben dabei die Vorreiterrolle unterstrichen und fortge-

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(A) )

Damit nehmen wir die Herausforderung an, die uns
die Wissenschaft mit auf den Weg gibt, und dafür wollen
wir in Cancún verhandeln. Frank Schwabe hat angespro-
chen, wie unsere Position zu der Festlegung der Europäi-
schen Union ist. Ich denke, dass in dem Antrag auch
eine Offenheit für eine Erhöhung des Klimaziels der Eu-
ropäischen Union enthalten ist. Wir sagen: Wir wollen
den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates folgen,
die lauten: Wir müssen nach Cancún unsere Ziele über-
prüfen. Wir müssen prüfen, ob wir von 20 auf 30 Prozent
hinaufgehen. – Wir sagen ferner ganz konkret: Dabei ist
anzustreben, dass die anderen Staaten in Europa und die
Europäische Union ambitionierte Ziele übernehmen, die
mit denen der Bundesrepublik Deutschland vergleichbar
sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir wollen erreichen, dass es in Cancún einen Ent-
scheidungstext zu den Fragen von Messungen, Überprü-
fungen und Verifizierungen gibt; denn wir glauben, dass
dies wichtig ist, um Transparenz und Vertrauen in die-
sem Prozess zu schaffen. Wir wollen auch die Fragen der
Finanzierung angehen. Wir wollen, dass die wichtigen
und entscheidenden Schritte hin zu einem Klimafonds in
Cancún gegangen werden können. Hier geht es selbst-
verständlich auch um Finanzierungsfragen. Bei den The-
men, bei denen wir weit fortgeschritten sind, erhoffen
wir uns, dass wir zu tatsächlichen Umsetzungsentschei-
dungen kommen. Das gilt für die Fragen der Technolo-
giekooperation, die Fragen der Anpassung und die Fra-
gen des Waldschutzes.

Wenn es zu einem solchen Klimafonds kommt, dann
– das ist uns klar – führt das zu Verpflichtungen der Bun-
desrepublik, der Industriestaaten überhaupt, auch der Eu-
ropäischen Union. Deshalb will ich an dieser Stelle und in
Anwesenheit des Bundesfinanzministers sagen: Einer der
großen Erfolge im Rahmen des Energiekonzepts ist mit
Sicherheit die Festlegung, dass bei einem Aufstocken auf
100 Prozent bei der Auktionierung im Bereich des Emis-
sionshandels das, was zusätzlich eingenommen wird, für
Klimaschutz, für nationalen Klimaschutz, aber auch für
internationalen Klimaschutz, verwendet werden kann.
Das ermöglicht uns, das umzusetzen, für das wir mit die-
sem Klimafonds die Grundlagen schaffen wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich will ein letztes Wort sagen, und zwar zu dem von
Frank Schwabe angesprochenen CDM, also zu dem fle-
xiblen Mechanismus nach dem Kioto-Protokoll. Wir se-
hen nach wie vor eine Perspektive für diesen Mechanis-
mus. Wir wollen, dass die Deckelung überprüft wird.
Wir sagen aber gleichzeitig – das haben wir auch in den
Antrag hineingeschrieben –: Es muss als Voraussetzung
die ökologische Integrität dieses Instruments erhöht wer-
den. Es muss klargestellt werden, dass es sich tatsächlich
um zusätzliche Projekte in Entwicklungsländern zur
Reduzierung von Treibhausgasemissionen handelt, die
ohne die Mittel aus dem Emissionshandel nicht durchge-
führt worden wären. Das ist uns wichtig.

Wenn das gewährleistet ist, sehen wir darin eines der
Instrumente, die zu einer globalen Klimaschutzarchitek-

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(C (D ur beitragen können. Es ist ein Instrument, das zeigt: as wir in den Industrieländern machen, steht in einem anz engen Zusammenhang mit dem, was in den Enticklungsländern gemacht wird. Nur gemeinsam könen wir erfolgreich sein. Das wollen wir in Cancún erreihen. Ich bitte alle in diesem Haus, daran mitzuarbeiten, ass dieser Gipfel mit einer starken Position der Bundesegierung tatsächlich ein Erfolg werden kann. Herzlichen Dank. Das Wort hat jetzt die Kollegin Eva Bulling-Schröter on der Fraktion Die Linke. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die rrwitzige Kluft macht ratlos. 700 Gigatonnen an Treibausgasen dürfen wir bis 2050 weltweit noch emittieren; ann ist die Erwärmung des Klimas um 2 Grad Celsius rreicht. Bei dem jetzigen Ausstoß wird diese Menge in ehn Jahren erreicht. Das heißt, es muss sich viel ändern, amit das 2-Grad-Ziel überhaupt eingehalten werden ann. Wenn das nicht passiert, wird es zu einer Erwärung um 4 oder 5 Grad kommen, oder die jährlichen insparziele werden sehr viel schmerzlicher. Im Wettlauf gegen die Zeit herrscht enormer Gegenind. Die USA haben sich erneut von ernsthaften Verandlungen verabschiedet. Im Repräsentantenhaus sitzen u viele Klimaleugner und zu viele Industrielobbyisten, m Übrigen jetzt auch von Bayer und BASF unterstützt. (Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eon!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707823600

(Beifall bei der LINKEN)

Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707823700

ür China und Indien wird es keinen Grund für Zuge-
tändnisse geben. Es drohen also eine gegenseitige Blo-
kade von Interessenblöcken und somit ein erneutes
cheitern der UN-Klimaverhandlungen.

Was bleibt, ist die dürre Hoffnung, dass von den Re-
ierungschefs in Cancún wenigstens jene Pakete zuge-
chnürt werden, die von den Ad-hoc-Arbeitsgruppen in
er UN schon weitgehend gepackt wurden. Es geht um
echtsverbindliche Entscheidungen zu den Themenblö-
ken Waldschutz, Anpassung, Technologiekooperation.

Die entscheidende Frage „Wer zahlt’s?“ lässt Cancún
edoch wohl genauso offen wie Kopenhagen. Auch Be-
chlüsse über konkrete und verbindliche Minderungs-
iele – eigentlich sollte das das Kerngeschäft der Klima-
iplomaten sein – wird man in Mexiko wieder einmal
ermissen.

Umso wichtiger wäre eine Vorreiterrolle Europas. Der
achweis, dass mit CO2-armen Technologien Vorteile für
irtschaft und Beschäftigung verbunden sind, könnte

ine neue Dynamik in Gang setzen und auch den Falken
ei den Großmächten das Wasser abgraben.

(B)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8613

Eva Bulling-Schröter


(A) )


)(B)


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Frank Schwabe [SPD] und Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Doch auch hier ist Optimismus fehl am Platze. Die
EU kann sich nicht durchringen, ihr Minderungsziel für
Treibhausgasemissionen, nämlich 20 Prozent weniger
Emissionen gegenüber 1990, bedingungslos auf 30 Pro-
zent zu verbessern. Auch die Bundesregierung stützt das
leider nicht. Sie tritt ebenso wenig dafür ein, den gewal-
tigen Überschuss an Emissionszertifikaten stillzulegen,
der EU-weit durch die Wirtschaftskrise 2008/2009 ent-
standen ist. Wird er aber künftig genutzt, so kann sich
Europa von CO2-Zertifikatepreisen verabschieden, die
eine Lenkungswirkung hin zu einer weniger klimaschäd-
lichen Gesellschaft hätten. Das haben wir auch neulich
erst wieder diskutiert.

Offensichtlich setzt sich die Lobby von Großindustrie
und überkommener Energiewirtschaft auch dabei durch,
die ohnehin schwachen Minderungsziele über den soge-
nannten Clean Development Mechanism – CDM – weiter
aufzuweichen. Es werden Zertifikate dafür vergeben,
dass in Entwicklungsländern bestimmte Projekte stattfin-
den. Wenn es die aber nicht gibt, ist es kein zusätzlicher
Klimaschutz, aber sie werden angerechnet. Trotz des
mittlerweile nachgewiesenen Skandals – ich sage es noch
einmal – um die sogenannten HFC-23-Projekte – das ist
ein Abfallprodukt von Kältemitteln, das in den Industrie-
ländern extra dafür produziert wird – zögert die EU ge-
nauso wie der CDM-Exekutivrat der UN, wenigstens
diese endgültig vom CO2-Handel auszuschließen. Das
wäre dringend notwendig.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Auch das ist kein Wunder, haben doch maßgebliche
Teile der Wirtschaft großes Interesse an niedrigen CO2-
Zertifikatepreisen. Die faulen, aber sehr preiswerten
HFC-23-Zertifikate machen dabei 60 Prozent aus. Wenn
wir es ehrlich meinen, müssen die endlich weg.


(Beifall bei der LINKEN)


2010 war ein neues Rekordjahr bei den Temperaturen,
aber auch beim CO2-Ausstoß. Es ist dringend notwen-
dig, dass wir Erfolg bei den Verhandlungen haben, dass
die Entwicklungsländer endlich sehen, dass wir, die In-
dustrieländer, es ernst meinen, dass wir ihnen die Hände
reichen und nicht wieder zu etwas drängen, was sie
selbst nicht wollen, sondern dass es wirklich fair zugeht.
Diese Fairness haben wir bis jetzt noch nicht bewiesen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707823800

Das Wort hat jetzt der Kollege Michael Kauch von

der FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutsch and ist und bleibt Vorreiter beim Klimaschutz. Wir als hristlich-liberale Koalition haben Klimaschutzziele bechlossen, wie sie noch keine Bundesregierung zuvor eschlossen hat. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1707823900

0 bis 95 Prozent bis 2050 – das ist international vor-
ildlich.

Wir haben mit unserem Energiekonzept auch deutlich
emacht, dass das kein Wolkenkuckucksheim ist, son-
ern dass man das realistisch, seriös und fachlich fun-
iert umsetzen kann. Und wir werden es tun.

Aber klar ist auch: Wir brauchen im internationalen
limaschutz Mitstreiter; denn allein national werden wir
icht die Erfolge erzielen, die wir erzielen müssen.
Grad als Perspektive werden wir nur dann schaffen,
enn wir andere Länder – die großen Emittenten dieser
elt – ins Boot holen. Wir in Deutschland haben nur gut
Prozent, die Europäische Union etwa 15 Prozent An-

eil am weltweiten Treibhausgasausstoß. Das macht
eutlich: Wir können noch so gut sein – wenn es uns
icht gelingt, die anderen ins Boot zu holen, werden wir
rfolglos bleiben. Außerdem müssen wir sehen: Ein in-
ernationales Abkommen ist auch deshalb wichtig, damit
s nicht zu Produktionsverlagerungen in Länder kommt,
ie es mit Klimaschutz nicht ernst meinen. Das kann
uch nicht im Interesse des internationalen Klimaschut-
es sein.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb müssen wir auf den internationalen Konfe-
enzen wirklich sinnvoll vorgehen. Es geht nicht nur um
ut Fühlen, sondern es geht um gut Machen.


(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/ CSU])


Wir haben weiterhin das Ziel, ein globales Klima-
chutzabkommen zu erreichen. Dieses Ziel gibt diese
oalition nicht auf. Wir sehen aber auch die Realitäten

n der Welt. Wir sehen, dass die Vereinigten Staaten ge-
ade nach den Zwischenwahlen völlig unbeweglich sind
nd nicht damit zu rechnen ist, dass sich hier eine
chnelle Änderung ergibt.

Der zweite große Emittent China wird häufig in ei-
em Atemzug mit den USA genannt. Ich glaube aber,
ier muss man differenzieren. Ich war Anfang des Mo-
ats in China und war überrascht, wie fortschrittlich die
hinesische Regierung in dieser Beziehung ist und wie
ie ihre Positionen ändert. China wird jetzt, mit dem
ächsten Fünfjahresplan, ein nationales, unkonditionier-
es Energieeffizienzziel auf den Weg bringen. Momentan
rüft China, ob es einen nationalen Emissionshandel ein-
ührt. All das ist noch nicht so viel wie das, was wir ma-
hen; aber es sind Schritte in die richtige Richtung.
enn es mit den USA nicht gelingt, dann muss man sich

n dieser Stelle gegebenenfalls andere Partner in der

8614 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Michael Kauch


(A) )


)(B)

Welt suchen, die mit uns zumindest Stück für Stück vo-
rangehen.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die Rolle der Au-
ßenpolitik in diesem Prozess stärken; alleine mit den
Umweltministerkonferenzen werden wir nicht voran-
kommen. Insofern ist es ein großer Fortschritt, dass der
Antrag der Koalition die Bundesregierung erstmals dazu
auffordert, „die umweltpolitischen Anstrengungen stär-
ker durch die Außenpolitik zu unterstützen“. Ich bin sehr
froh, dass das Auswärtige Amt signalisiert hat, dass es
diese Rolle übernehmen will. Denn nur im Rahmen ei-
nes Interessenausgleichs, der über die Umweltpolitik hi-
nausgeht und beispielsweise die Sicherheitspolitik und
die Handelspolitik einbezieht, wird es dazu kommen,
dass die USA und China erkennen, dass es sich lohnt,
mit uns zu kooperieren, weil wir dann auch an anderen
Stellen der internationalen Politik Leistungen erbringen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir sehen nicht, dass es unmittelbar ein globales Kli-
maschutzabkommen geben wird. Deshalb hat die Koali-
tion hier das beantragt, was die Europäische Union in
Bezug auf das Kioto-Protokoll schon vereinbart hat:

Deutschland ist gemeinsam mit der EU bereit, eine
zweite Verpflichtungsperiode einzugehen …

Das bedeutet, dass wir nicht auf die Vereinigten Staaten
warten werden. Die Voraussetzung ist aber, dass wir in
den Vereinigten Staaten zumindest auf nationaler Ebene
Schritte erkennen können und es dort in den nächsten
Jahren zu vergleichbaren Anstrengungen kommt. Wenn
schon kein internationales Abkommen mit den USA zu-
stande kommt, dann erwarten wir aber von den amerika-
nischen Partnern, dass sie auf nationaler Ebene ihre
Hausaufgaben machen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Um zu weiteren Fortschritten in der Klimaschutzpoli-
tik zu kommen, ist es ein ganz wichtiger Schritt, verstärkt
mit unseren Partnern in den Schwellen- und Entwicklungs-
ländern zusammenzuarbeiten. Es ist schon angesprochen
worden: Technologiekooperation, Anpassungsmaßnah-
men und Waldschutz sind zentrale Voraussetzungen da-
für, dass wir Emissionen in den Ländern mindern können,
die sich gerade entwickeln und industrialisieren.

Man sollte an dieser Stelle das Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aus-
drücklich loben.


(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Für die Tricksereien, die es begangen hat!)


Die Einschränkung bei Maßnahmen, die es in früheren
Jahren gegeben hat – Waldschutz wurde hauptsächlich in
Brasilien betrieben –, war nicht ausreichend. Ich finde es
wichtig, dass das BMZ jetzt auch Afrika stärker in den
Blick nimmt und insbesondere zur Kenntnis nimmt, dass
das Kongobecken neben dem Amazonas-Gebiet eine der
grünen Lungen unseres Planeten darstellt. Dirk Niebel
hat sehr deutlich gemacht, dass wir auch in dieser Re-
gion den Waldschutz forcieren müssen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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(C (D Es ist richtig: Wir müssen mehr Transparenz schaffen, enn es darum geht, welche zusätzlichen Finanzausgaen wir tatsächlich zusagen. Die entsprechende Formuierung im Antrag der SPD ist etwas ausgewogener als as, was Herr Schwabe gerade vorgetragen hat: Wir üssen Vertrauen schaffen. (Dr. Matthias Miersch [SPD]: Das ihr verspielt habt!)


s geht darum, klarzustellen: Was ist unsere Zusage?
ir müssen es schaffen, dass die Entwicklungsländer

nsere Zusage auch so verstehen. Das war in der Vergan-
enheit leider nicht der Fall. Das müssen wir ändern; ich
laube, das ist ein gemeinsames Anliegen dieses Hauses.


(Beifall bei der FDP – Dr. Matthias Miersch [SPD]: Dann stimmt doch unserem Antrag zu!)


Abschließend komme ich zum Clean-Development-
echanismus. Es ist richtig – da muss ich Frau Bulling-

chröter von den Linken einmal zustimmen –:


(Zurufe von der LINKEN: Oh! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Die hat das gut gemacht! – Dr. Matthias Miersch [SPD]: Na ja! Es geht doch!)


er Umgang mit den HFC-23-Industriegasen stellt einen
issbrauch des Clean-Development-Mechanismus dar.
as ist mit Blick auf die Umwelt im Prinzip ein – –


(Josef Göppel [CDU/CSU]: Sauladen! – Dr. Hermann Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nonsens!)


Ja. Im Prinzip ist es ein Hintertreiben des Clean-Deve-
opment-Mechanismus.

Wir sollten aber nicht das Kind mit dem Bade aus-
chütten. Es gibt gute, glaubwürdige Projekte des Clean-
evelopment-Mechanismus. Es ist unser gemeinsames

nteresse, mit dem Geld, das wir investieren, möglichst
iele Treibhausgasemissionen zu verhindern. Dazu trägt
er Clean-Development-Mechanismus bei.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707824000

Das Wort hat der Kollege Dr. Hermann Ott vom

ündnis 90/Die Grünen.


Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707824100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

abe seit 1994 fast alle Klimakonferenzen erlebt, mit ih-
en Höhen und vor allem auch mit ihren Tiefen. Ja, in
er Rückschau scheint es, als sei die Geschichte der Kli-
apolitik eine einzige lange Geschichte der Krisen.
ber es ging immer wieder aufwärts. Das Scheitern der

etzten Konferenz in Kopenhagen ist allerdings nach un-
erem Eindruck ein Bruch, der mit business as usual
icht geheilt werden kann. Ein einfaches Weiter-so kann
nd darf es deshalb nicht geben.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8615

Dr. Hermann Ott


(A) )


)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Gründe dafür sind vielfältig, doch liegen sie vor
allem in der Lähmung der USA begründet. Schon in Ko-
penhagen war sichtbar geworden, dass der Bewegungs-
spielraum von Präsident Obama sehr gering war. Nach
den letzten Wahlen, den Midterm Elections, ist jedoch
klar, dass dieses Land, welches historisch den größten
Ausstoß an Treibhausgasen hat, sehr wahrscheinlich in
den nächsten zehn Jahren keinem internationalen Vertrag
zum Schutz des Klimas beitreten wird. Dabei drängt die
Zeit; denn schließlich muss bis spätestens 2020 der glo-
bale Treibhausgasausstoß ein Maximum erreichen, wenn
wir unter der wichtigen 2-Grad-Grenze bleiben wollen.

Doch anstatt beherzt das Schicksal in die Hand zu
nehmen, verlieren sich die Verhandlungen im Gescha-
cher der Supermächte. Das Spektakel erinnert an einen
Kampf der Elefanten, die mit großem Getöse aufeinan-
der losgehen. Die Erde bebt, viel Staub wird aufgewir-
belt, und die Europäische Union steht dabei und sagt:
Tut uns leid, die konnten sich nicht einigen. Jetzt können
wir auch nichts tun. – Das, meine Damen und Herren,
nennt man Flucht vor der Verantwortung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Der erste faule Trick ist, dass sich die Elefanten über-
haupt nicht einigen wollen und nur einen Schaukampf
veranstalten. Der zweite faule Trick dabei ist, dass die
EU kein Mäuschen ist, das sich ducken muss, sondern
durchaus eine gewisse Masse aufweist und auf Augen-
höhe agieren kann, und es gibt keinen Grund, das nicht
zu tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Natürlich wäre ein Vertrag unter Einbeziehung aller
großen Verursacher die optimale Lösung. Wenn aller-
dings die optimale Lösung nicht erreichbar ist, dann
muss man die zweitbeste Lösung wählen; ansonsten be-
steht die Gefahr, dass wir in ein paar Jahren immer noch
mit leeren Händen dastehen, und das können wir uns
einfach nicht leisten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die zweitbeste Lösung ist aus unserer Sicht eine Klima-
politik der unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Was
wir brauchen, sind Vorreiter, also Länder und Regionen,
die den Zögerern und Zauderern zeigen, dass Klima-
schutz funktioniert und dass Klimaschutz die Arbeits-
plätze der Zukunft schafft.

Was ist also in Cancún zu tun? Zunächst müssen
Deutschland und die EU sich vor allem für eine Weiter-
geltung der Pflichten des Kioto-Protokolls nach 2012
einsetzen, und zwar ohne die Bedingung, Herr Kauch,
dass andere mitziehen. Ein „offener Himmel“, wo alle

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(C (D missionen wieder möglich sind, muss verhindert weren. Die freiwillige Weitergeltung der eigenen Verflichtungen sollte von Umweltminister Röttgen öffentich gefordert und in Cancún von der Europäischen nion einseitig und ohne Vorleistungen erklärt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


odann muss die Europäische Union mit den Schwellen-
ändern und mit der großen Mehrheit der Entwicklungs-
änder Verhandlungen über ein Klimaschutzprotokoll be-
innen, ohne auf ein Einlenken der USA zu warten. Für
inen erfolgreichen Fortgang der internationalen Klima-
erhandlungen muss die EU, muss aber auch die Bun-
esregierung in den nächsten Jahren ihre Strategie auf-
eben, erst Vorleistungen von anderen zu verlangen, ehe
ie selber etwas tut.

Meine Fraktion ist bereit, eine solche Politik aktiv zu
nterstützen. Frau Staatssekretärin, für die anstehenden
erhandlungen wünschen wir trotz aller politischen Un-

erschiede dem Minister und seinem Team viel Erfolg.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707824200

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat

er Kollege Josef Göppel von der CDU/CSU-Fraktion
as Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Josef Göppel (CSU):
Rede ID: ID1707824300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ach der Ernüchterung von Kopenhagen flammte die
iskussion über die Ursachen des Klimawandels wieder

uf. Diese Debatte wird zwar heftig geführt, aber sie ist
üßig. Der haushälterische Umgang mit den Gütern der
rde ist auch wirtschaftlich vernünftig, und der sparsa-
ere Einsatz von Rohstoffen und Energie bringt wirt-

chaftliche Vorteile. Das sind Argumente, die die Kli-
askeptiker immer für sich beanspruchen. Deshalb ist

ieser Streit müßig.

Das nun schon mehrfach angesprochene Thema der
osition der Europäischen Union in Cancún hängt damit
irekt zusammen. 20 Prozent Minderung der Treibhaus-
ase bis 2020 – das ist unsere größte Schwäche in der
onferenz, weil die anderen wissen, dass wir 17 Prozent

rreicht haben. Ich schätze das so ein: Wenn die Europäi-
che Union nicht wieder wie in Kopenhagen an den
and gedrängt werden will, sondern an den Schlussta-
en der Konferenz eine aktive Rolle spielen will, dann
uss sich die Delegation hier bewegen. Gott sei Dank

ibt es einige Anzeichen dafür.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


8616 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Josef Göppel


(A) )


)(B)

Ich komme zu einem zweiten Bereich, der ebenfalls
schon mehrfach angesprochen wurde, zum Waldschutz.
Es besteht jetzt die Chance, mit dem Schwung der gelun-
genen Konferenz zur biologischen Vielfalt den Wald-
schutz konkret voranzubringen. Waldschutz heißt mehr
Klimaschutz, bedeutet aber auch Sicherung der biologi-
schen Vielfalt, und er trägt zur Armutsbekämpfung bei.
Wir haben in Deutschland eine lange Tradition der nach-
haltigen Forstwirtschaft. Jetzt geht es darum, das Wissen
des hochqualifizierten Personals mit anderen zu teilen.
Ich nenne dafür zwei Beispiele.

Erstens. Die Fähigkeit der Wälder, Kohlenstoff zu
speichern, hängt mit ihrer biologischen Vielfalt zusam-
men. Man muss ganz klar sagen: Pappelkulturen und Eu-
kalyptuswälder – Monokulturen – sind keine echten
Wälder. Sie können die Funktion der Klimaanpassung
nicht wahrnehmen.

Zweitens. Je stärker wir den Wald nutzen, desto stär-
ker sinkt die Speicherfähigkeit. Auch im Zusammen-
hang mit unserer Waldstrategie in Deutschland ist es
wichtig, die Nutzung so auszubalancieren, dass die Wäl-
der eine Senke bleiben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Erfreulich ist, dass sich von den 193 Staaten, die an
der Konferenz teilnehmen, 140 bereit erklärt haben, den
2-Grad-Appell von Kopenhagen mit freiwilligen Ver-
pflichtungen zu unterlegen. Aber die unschöne Seite an
der Sache ist, dass diese Verpflichtungen gerade einmal
ausreichen, um den Anstieg der mittleren Erdtemperatur
auf 4 Grad zu begrenzen. 2 Grad wollen wir erreichen.
Damit wird deutlich: Es muss noch kräftig nachgelegt
werden.

Deutschland ist in der Gruppe der Willigen, in der so-
genannten Cartagena-Gruppe. In dieser Cartagena-
Gruppe sind Industrieländer, aber auch Entwicklungs-
länder und hochbedrohte Inselstaaten. Ich erhoffe mir
von der Mitarbeit in der Cartagena-Gruppe eine abge-
stimmte Vorgehensweise, die auf der Konferenz in Can-
cún eine gewisse Dynamik in Gang setzen kann, insbe-
sondere im Hinblick auf unseren Nachbarkontinent
Afrika. Es geht darum, die Lebensbedingungen dort so
zu stabilisieren, dass die Menschen in ihrer Heimat blei-
ben können. Wir sind uns im Umweltausschuss darin ei-
nig, dass wir das ureigene afrikanische Projekt eines gro-
ßen Pflanzgürtels am Südrand der Sahara unterstützen
wollen.

Damit komme ich abschließend zur Verhandlungs-
strategie in Cancún. Ich möchte an dieser Stelle kurz an
unseren verstorbenen Kollegen Hermann Scheer erin-
nern. Er war der Erste, der in die Niedergeschlagenheit
nach Kopenhagen hinein gesagt hat: Wendet euch kon-
kreten Aktionen zu. Geht die Schritte, die jetzt gegangen
werden können. Dann können die konkreten Aktionen
zu einem Abkommen zusammenwachsen.

Ich wünsche unserem Umweltminister Verhandlungs-
glück und eine starke Rolle, um an jedem Tag der Ver-
handlungen deutlich zu machen, dass Deutschland vo-

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(C (D angehen will. Ich war in Nagoya. Ich habe miterlebt, ie glaubwürdig Deutschland neben Norwegen war, eil wir als einzige konkrete Beiträge erbracht haben. iese Glaubwürdigkeit erwarten viele in der Welt von ns, weil Deutschland in diesem Zusammenhang einen uten Namen hat. Wir haben aber auch eine große Verntwortung. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707824400

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
en Drucksachen 17/3998 und 17/4016 an die in der Ta-
esordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
ind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
ind die Überweisungen so beschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
raktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache
7/4010 mit dem Titel „Die UN-Klimakonferenz in Can-
ún – Fortschritte für den Klimaschutz erreichen“. Wer
timmt für diesen Antrag? – Gegenstimmen? – Enthal-
ungen? – Der Antrag ist angenommen mit den Stimmen
er Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposi-
ionsfraktionen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

– Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)


Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
scher Streitkräfte an der EU-geführten Opera-
tion Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie
vor der Küste Somalias auf Grundlage des
Seerechtsübereinkommens der Vereinten Na-
tionen von 1982 und der Resolutionen 1814

(2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom

2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008,
1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1897

(2009) vom 30. November 2009 und nachfol-

gender Resolutionen des Sicherheitsrates der
Vereinten Nationen in Verbindung mit der Ge-
meinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates
der Europäischen Union vom 10. November
2008, dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates
der Europäischen Union vom 8. Dezember
2009, dem Beschluss 2010/437/GASP des Rates
der Europäischen Union vom 30. Juli 2010
und dem erwarteten Beschluss des Rates der
Europäischen Union vom 13. Dezember 2010

– Drucksachen 17/3691, 17/4048 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Philipp Mißfelder
Edelgard Bulmahn
Dr. Rainer Stinner
Jan van Aken
Kerstin Müller (Köln)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8617

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) )


)(B)

– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung

– Drucksache 17/4055 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Klaus Brandner
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Michael Leutert
Sven-Christian Kindler

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor. Über die Beschlussempfeh-
lung werden wir später namentlich abstimmen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Wi-
derspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner dem Kollegen Burkhardt Müller-Sönksen von der
FDP-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der FDP)



Burkhardt Müller-Sönksen (FDP):
Rede ID: ID1707824500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Zeit, in der die Piraterie ausschließlich als regionales
Problem am Horn von Afrika wahrgenommen wurde, ist
vorbei. Seit knapp anderthalb Wochen läuft der Prozess
gegen zehn somalische Staatsbürger vor dem Landge-
richt Hamburg und verdeutlicht uns erneut die globale
Tragweite des Problems.

Die Operation Atalanta leistet nicht nur einen Beitrag
im Kampf gegen die Piraterie, sondern sie leistet durch
den Schutz der Hilfsgutlieferungen vor allem direkte
Hilfe für die notleidende Bevölkerung Somalias. Der
Seeweg ist für die humanitäre Hilfe alternativlos. Nur
durch den Einsatz der Marine ist es gelungen, dass in
diesem Jahr alle UN-Hilfslieferungen ihr Ziel unbescha-
det erreicht haben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hierin liegen der Schwerpunkt und der Erfolg der Ope-
ration Atalanta. Die Entscheidung über die Fortsetzung
des Mandats ist gleichzeitig eine Entscheidung über den
Erfolg dieser notwendigen humanitären Hilfe für die Be-
völkerung Somalias.

Aber die militärischen Maßnahmen sind nicht isoliert,
sondern Teil eines umfassenden Konzepts. Neben den
Hilfslieferungen sind die Unterstützung beim politischen
Wiederaufbau und die Ausbildung von Polizeikräften
von zentraler Bedeutung. Nur wenn es gelingt, die Pro-
bleme in Somalia zu lösen, entziehen wir der Piraterie
dauerhaft die Grundlage.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei den
über 300 vor allem bei der Marine befindlichen Soldatin-
nen und Soldaten bedanken. Sie leisten hervorragende
Arbeit und einen von den Bündnispartnern hochge-

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(C (D chätzten Beitrag im Rahmen dieser internationalen Mision. hr großes Engagement, ihr Einsatz und ihre Bereitchaft, persönliche Entbehrungen in Kauf zu nehmen, erdienen unseren Respekt und unsere Anerkennung. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall des Abg. Dr. Rainer Stinner [FDP])


Wir müssen aber die fortbestehenden Probleme in al-
er Offenheit analysieren. Noch immer ist die Zahl der
ngriffe auf Handelsschiffe ausgesprochen hoch. Aber
und das ist neu – die Anzahl der erfolgreichen Kape-
ungen und Geiselnahmen nimmt im Verhältnis ab. Es
eigt sich, dass die militärische Präsenz Wirkung zeigt.

Ausdrücklich möchte ich an dieser Stelle auch die Ei-
eninitiative der Reeder zum Schutz ihrer Besatzungen
egrüßen. Vorsorgemaßnahmen wie die Einrichtung von
chutzräumen an Bord, die bewusst deeskalierend wir-
en, sind ein besonders wichtiger Beitrag, der aus mei-
er Sicht ausbaufähig ist. Die am Freitag erfolgreich
bgewendete Entführung des deutschen Frachters „Bre-
en“ ist für mich ein überzeugendes Beispiel für den Er-

olg solcher privaten Maßnahmen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


eute Abend, zu dieser Stunde, tagt in Hamburg der
erband Deutscher Reeder mit Hans-Joachim Otto, dem
arlamentarischen Staatssekretär beim Bundeswirt-
chaftsminister. Ich bin mir sicher, dass die privaten
orsorgemaßnahmen der Reeder dort Gesprächsthema
ein werden.

Auch der von der Europäischen Union im Februar
etzten Jahres eingerichtete Sicherheitskorridor hat sich
ls großer Erfolg herausgestellt. Ich rege an, dass sich
ie Bundesregierung mit unseren Partnern in Atalanta
arüber verständigt, wie wir die Bekämpfung der Pirate-
ie über die Begleitung von Schiffen hinaus intensivieren
önnen. Ich glaube, dass es ein guter Weg ist, neben dem
andat Atalanta und den Eigenvorsorgemaßnahmen
eitere Initiativen zusammen mit den Partnern herbeizu-

ühren.

Als Abgeordneter der Freien und Hansestadt Ham-
urg liegt mir die Bewegungsfreiheit im offenen Meer
esonders am Herzen. Bei dieser Bewegungsfreiheit
eht es nicht nur um die Wahrung der wirtschaftlichen
nteressen der westlichen Länder, sondern sie ist auch
ine zentrale Errungenschaft des zivilisatorischen Fort-
chritts. Es ist diese Freiheit, die wir im Kampf gegen
ie Piraterie verteidigen.

Der Welthandel braucht die internationalen Seehan-
elswege. Sie sind die Grundlage unserer globalisierten
eltwirtschaft.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


ber 90 Prozent des Handels weltweit erfolgt über die-
en Weg. Diese Zahl – über 90 Prozent des Welthandels –
erdeutlicht, dass es hierbei nicht um ein egoistisches In-

8618 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Burkhardt Müller-Sönksen


(A) )


)(B)

teresse einer exportorientierten Nation wie Deutschland
geht, sondern um ein gemeinsames Interesse der Völker-
gemeinschaft. Das breite Bündnis, das die Maßnahmen
zur Sicherung der Seeverbindungswege trägt, geht weit
über die Europäische Union und die NATO hinaus. Auch
Länder wie China, Indien, Pakistan und Indonesien ko-
operieren mit uns im gemeinsamen Kampf gegen die Pi-
raterie. Auch die breite Zustimmung für das Mandat hier
im Deutschen Bundestag zeigt die allgemeine Akzeptanz
dieser Operation.

Ich möchte mich hier – dies ist mein letzter Punkt –
ganz deutlich gegen die Romantisierung des Problems
Piraterie aussprechen. Es handelt sich bei diesen Piraten
nicht um mittellose Fischer, denen die Existenzgrund-
lage entzogen wurde und die nun in ihrer Verzweiflung
mit ihren Booten Handelsschiffe angreifen. Wer über
500 Seemeilen von Somalia entfernt, vor der indischen
Küste, mit Granatwerfern und modernsten Schnellboo-
ten agiert, ist auf andere Weise motiviert und finanziert.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Bei dieser Erscheinungsform von Piraterie handelt es
sich um eine der schwersten Formen von Kriminalität;
sie ist ausschließlich von wirtschaftlichen Interessen ge-
leitet. Die Entführung der malaysischen „Albedo“ diesen
Montag, mehr als 1 500 Kilometer von der somalischen
Hauptstadt entfernt, verdeutlicht, dass sich das Problem
keinesfalls auf die somalischen Küstengewässer be-
schränkt. Deswegen ist es gut und richtig, das Opera-
tionsgebiet auszuweiten.

Eines müssen wir uns vor Augen führen: Wenn wir
die Operation Atalanta jetzt einstellten, wie es die Lin-
ken immer wieder fordern, würden die Menschen in So-
malia wieder Hunger leiden und würde neuer Nährboden
für die Piraterie geschaffen. Ich bitte Sie daher um Un-
terstützung für dieses Mandat.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707824600

Das Wort hat der Kollege Ullrich Meßmer von der

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Ullrich Meßmer (SPD):
Rede ID: ID1707824700

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Die Hohe See ist Freiheit. Nach völkerrechtlichen
Grundsätzen bedeutet dies, dass die Hohe See, also das
Meer außerhalb der Küstengewässer, von jeder Staatsan-
gehörigkeit frei ist. Einzelpersonen und Staaten ist das
Meer insgesamt frei zugänglich. Dies wurde zuletzt im
Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von
1982 bestätigt. Von diesem freien Zugang hängen gerade
für Afrika der überlebenswichtige Transport humanitärer
Hilfsgüter, aber auch – mein Vorredner hat es gerade an-
gesprochen – der freie und ungehinderte Verkehr von zi-
vilen Schiffen und damit der Waren- und Güterverkehr
ab.

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(C (D Insbesondere vor Somalia und im Golf von Aden ist iese Freiheit nach dem Völkerrecht gefährdet. Zurzeit efinden sich nach Schätzungen unabhängiger Organisaionen 24 Schiffe mit circa 430 Geiseln in der Hand von iraten. Ich möchte, weil wir immer über Freiheit und andelswege reden, an dieser Stelle sehr deutlich sagen: iese ungefähr 430 Menschen haben keine Freiheit. Sie ind in der Hand von Piraten, und sie werden als Geiseln enutzt. Ihre Freiheit ist schändlich eingeschränkt. Ich eine, wir müssen mit dazu beitragen, dass diese Men chen wieder in Freiheit kommen. Ich wünsche mir für ie wie für andere Geiseln, dass sie Weihnachten mit ihen Familien oder in Kontakt zu ihren Familien feiern önnen. Wenn ich die Aussage von General Glatz, die heute in er Presse zu lesen ist, richtig verstanden habe, sind ittlerweile nahezu 100 Millionen US-Dollar an Löse eld geflossen. 100 Millionen US-Dollar, das deutet eher uf organisierte Kriminalität denn auf die Bekämpfung on Armut hin. Trotzdem bleibt meine Fraktion dabei, ass die Ursachen dieser Kriminalität dort zu bekämpfen ind, wo die Menschen keine anderen Perspektiven haen. Die Armut und die Bereitschaft, sich Piratenorganiationen auszuliefern, hängen nicht zuletzt damit zusamen, dass in Somalia und in den Ländern am Horn von frika insgesamt die Lebensperspektiven fehlen. Wir un gut daran, innerhalb der EU, aber auch mit eigenen itteln dazu beizutragen, dass die Menschen wieder hancen und Perspektiven bekommen und von ihrer ände Arbeit leben können, sodass sie sich keinen Pira enorganisationen oder kriminellen Vereinigungen ausiefern müssen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall im ganzen Hause)


Somalia selbst ist nicht in der Lage, gegen die Pirate-
ie vorzugehen. Deshalb hat man sich an die Vereinten
ationen gewandt. Die Europäische Union hat im Rah-
en der Umsetzung der entsprechenden Aufträge der
ereinten Nationen die Operation Atalanta beschlossen.
ie Operation Atalanta soll erreichen, dass die Piraten-
etzwerke zerschlagen werden, dass die Piraterie einge-
ämmt wird und vor allen Dingen dass Personen, die bei
iesem Vorgehen gefangen genommen bzw. festgesetzt
erden, rechtsstaatlichen Verfahren zugeführt werden.
ugegebenermaßen haben wir hier noch einiges zu tun.
achdem Kenia die entsprechenden Abkommen aufge-
ündigt hat, müssen wir dringend daran interessiert sein,
it anderen Staaten entsprechende Lösungen zu finden.

Drei Ziele verfolgt diese Operation vorrangig: die Si-
herstellung der durch Piratenüberfälle gefährdeten hu-
anitären Hilfe für die notleidende Bevölkerung am
orn vom Afrika, den Schutz der zivilen Schifffahrt und
ie Verhinderung von Geiselnahmen einschließlich der
eiselbefreiung. Da mein Vorredner schon auf eine ent-

prechende Aktion hingewiesen hat, erspare ich mir
usführungen dazu.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8619

Ullrich Meßmer


(A) )


)(B)

Nun zur freien Handelsschifffahrt und zur Kritik, die
in diesem Zusammenhang gelegentlich geäußert wird.
Wir reden immer davon, dass ein freier Handelsverkehr
unseren Interessen dient. Insgesamt geht es aber um Fol-
gendes: Bei den jährlich etwa 16 000 Schiffen, die den
Golf von Aden passieren, handelt es sich nicht nur um
Schiffe, die Europa verlassen, sondern auch um Schiffe,
die sich aus anderen Ländern, zum Beispiel aus Ländern
Asiens, nach Europa bewegen. Arbeit und Wohlstand in
Deutschland, aufgrund der Globalisierung aber auch in
der Welt insgesamt hängen nicht zuletzt davon ab, ob ein
freier Handelsverkehr gewährleistet ist oder nicht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich denke, dass wir daran ein großes Interesse haben
müssen, übrigens auch im Sinne der Menschen, die in
Drittländern oder Schwellenländern leben und sich auf
diesem Weg ihre Existenz sichern.


(Beifall bei der SPD)


Ich möchte nicht versäumen, an dieser Stelle den Sol-
datinnen und Soldaten zu danken, die im Einsatz sind.
Die Bedeutung ihres internationalen Einsatzes zeigt sich
gerade erneut, auch an der Bereitschaft, auf den Schiffen
multinational zu operieren, sogar mit dieser Gruppe, die
bereit ist, Einsätze zum Schutz von Handelsschiffen
durchzuführen.


(Beifall der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD])


Ich möchte darauf hinweisen, dass auch Reeder in der
Verantwortung stehen. Sie müssen zum Schutz ihrer ei-
genen Schiffe etwas tun. Deshalb finde ich es wichtig
und richtig, dass es Sicherheitsräume gibt. Aber was
nützt auf einem Schiff die beste Sicherheitseinrichtung,
wenn es nicht auch eine Einsatzgruppe gibt, die im
Zweifelsfall bereit ist, sich auf diesem Schiff für die
Mannschaft, die sich in Sicherheit gebracht hat, einzu-
setzen? Dies ist ein weiteres Argument für unsere Initia-
tive im Rahmen der Operation Atalanta. Die Erfolge
sind messbar. Alle im Auftrag des Welternährungspro-
gramms durchgeführten Schiffstransporte für Somalia
haben ihre Zielhäfen sicher erreicht. Über 90 000 Ton-
nen Lebensmittel und weitere wichtige Hilfsgüter ge-
langten an ihr Ziel und halfen, circa 1,8 Millionen Men-
schen zu versorgen. Auch Mittel für verschiedene
Projekte der Hilfe zur Selbsthilfe konnten so sicher ihren
Weg finden.

Obwohl die Zahl der Angriffe steigt, ist es seit dem
Beginn der Operation immer mehr möglich geworden,
zivile Schiffe zu schützen. Während 2009 noch 19 – so
heißt es schön in der Formulierung – größere Piratenein-
heiten neutralisiert wurden, konnten bis Oktober 2010
bereits 116 Pirateneinheiten neutralisiert und damit An-
griffe verhindert werden. Das hat natürlich dazu geführt,
dass die Piraten ihren Einsatzraum ausgeweitet haben;
mein Vorredner hat darauf hingewiesen. Deshalb um-
fasst das jetzige Mandat auch mehr als nur den Bereich
vor der somalischen Küste. Der Einsatzraum umfasst
mittlerweile Teilgebiete des Indischen Ozeans. Das ist

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(C (D uch notwendig, um diese Mission erfolgreich zu erfülen. Die Verhinderung von Geiselnahmen und die Geiselefreiungen sind teilweise erfolgreich; aber wir dürfen ns nicht damit zufriedengeben, solange wir wissen, ass es dort noch Geiseln gibt, dass Menschen festgehalen werden. Wir müssen uns aber auch klar darüber sein darauf lege ich ausdrücklich Wert –, dass wir die rundlage dafür schaffen müssen, dass die Menschen in frika von ihrer Hände Arbeit leben können, dass sie ine Perspektive haben. Das werden wir auch mit noch o vielen Kriegsschiffen nicht schaffen können, sondern as ist eine Aufgabe der Politik. Hier zu sparen, wäre alsch. Wir müssen Somalia in die Lage versetzen, sich elbst zu helfen. Solange das noch nicht der Fall ist, wird es zur Operaion Atalanta keine Alternative geben. Wir werden sie nterstützen müssen. Wir werden diesem Mandat zutimmen im Interesse der Menschen, im Interesse der reien Handelswege und ganz besonders im Interesse erjenigen, die in Zukunft eine Perspektive haben wolen, wozu der freie Handel durchaus gehört. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1707824800

Das Wort hat jetzt der Kollege Roderich Kiesewetter

on der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1707824900

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen

nd Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit
em 22. November, also seit einer guten Woche, stehen
n Hamburg zehn Somalis, der Piraterie angeklagt, vor
ericht. Sie sind gewiss die schwächsten Glieder der
ette. Aber es wird in der Diskussion über das Gerichts-
erfahren deutlich, dass viele behaupten, Deutschland,
uropa, die Vereinten Nationen hätten Somalia und die
egion aufgegeben.

Wir zeigen mit unserer heutigen Debatte: Wir haben
ie Region nicht aufgegeben, wir kümmern uns um die
egion. Wir setzen uns für die Operation Atalanta ein.
ntscheidend ist nicht, dass wir hier die Mythologie und
ine griechische Jägerin bemühen; aber sie war auf der
agd. Wir müssen deutlich machen, dass diejenigen, die
inter der Piraterie stecken, die organisierte Kriminalität,
usgehoben werden müssen. Die Piraterie bekämpft das
echt. Die Piraterie beraubt Menschen der Freiheit. Die
iraterie verletzt Menschen, und sie tötet sie auch. Das
ürfen wir nicht durchgehen lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


8620 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Roderich Kiesewetter


(A) )


)(B)

Die organisierte Kriminalität, die dahintersteckt, ist
nicht nur organisiert, sie ist militärisch straff organisiert;
das sind Hightechorganisationen. Das müssen wir auf-
klären. Damit wird klar: Mit der Operation Atalanta al-
lein werden wir des Problems nur auf See Herr werden.
Die Zahlen sprechen für sich. Die Kollegen Meßmer und
Müller-Sönksen haben das sehr deutlich angesprochen.
Ich bin Ihnen auch sehr dankbar dafür; das war sehr hilf-
reich. Ich möchte das auch nicht im Einzelnen wiederho-
len. Aber ich möchte deutlich machen: Wenn wir nichts
unternehmen, schaden wir den 3,5 Millionen Einwoh-
nern Somalias, der internationalen Gemeinschaft, dem
Welternährungsprogramm und nicht zuletzt den Welt-
handelswegen.

80 Prozent des Welthandels wird über die Meere ab-
gewickelt. Mit der Operation Atalanta, die die Europäi-
sche Union im Juli 2010 glücklicherweise ausgeweitet
hat, weil auch die Piraten ihr Einsatzgebiet ausgeweitet
haben, werden wir ein klares Zeichen setzen. Unsere
Fraktion unterstützt deshalb die Operation Atalanta voll
und ganz, und ich werbe auch fraktionsübergreifend um
Zustimmung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Über eines müssen wir uns aber auch klar sein: Teile
davon sind aus der Not heraus geboren. Durch Not wird
aber keine Gewalt gerechtfertigt. Wir müssen das grund-
sätzlich und ganzheitlich angehen.

Ich bin unserem Außenminister sehr dankbar, dass er
auf dem diesjährigen EU-Afrika-Gipfel vor zwei Tagen
deutlich gemacht hat, dass wir AMISOM und die Afri-
kanische Union unterstützen und dass wir hier auch Zei-
chen für Afrika setzen und Afrika nicht alleine lassen. Es
geht um vernetzte Sicherheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben ja etliche Kollegen, die sich in dem Be-
reich intensiv engagieren. Ich möchte an dieser Stelle
auch dem Kollegen Holger Haibach danken, der für un-
sere Fraktion einen Kongress zur vernetzten Sicherheit
mit über 300 Teilnehmern organisiert hat, der in dieser
Woche stattfand. Es waren übergreifend – auch partei-
übergreifend – Fachleute und Experten eingeladen, und
es wurde klargemacht, dass wir Krisen nur übergreifend
und vernetzt mit einem zivil-militärischen Ansatz be-
kämpfen können.

Genau das müssen wir auch in Afrika tun. Wir haben
dafür auch den Unterausschuss „Zivile Krisenprävention
und vernetzte Sicherheit“, das heißt, auch unser Parla-
ment stellt sich neu auf und nimmt die neuen Herausfor-
derungen an. Das müssen wir klarmachen. Die Opera-
tion Atalanta ist ein Beispiel für vernetzte Sicherheit. Ich
glaube, dass das Außenministerium in dieser Richtung
sehr gut arbeitet, insbesondere auch hinsichtlich der an-
schließenden Evaluation.

Lassen Sie mich in den letzten zwei Minuten auf den
regionalen Kontext und auf die Perspektive eingehen. Es
ist ganz wichtig, dass wir Somalia nicht isoliert betrach-

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(C (D en. Die Bundesregierung kümmert sich auch um die inbindung von zum Beispiel Tansania und Kenia und nterstützt eine Reihe ganzheitlicher Projekte, zum Beipiel den Aufbau des Polizeiausbildungsprogramms und es Soldatenausbildungsprogramms. Daneben hilft sie ei der Finanzierung von AMISOM und leistet Untertützung mit Blick auf Strafverfolgungskapazitäten. 8 Millionen Euro sind seit 2008 für diese zivilen Misionen geflossen. Dadurch wird auch unsere Glaubwürigkeit erhöht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie ich zum Schluss noch einen wesentlichen Punkt auf reifen. Wenn wir vernetzte Sicherheit erreichen wollen, ann müssen wir uns auch immer darüber klar sein, was as für ein Gegner ist. Wir haben in diesem Jahr bereits ber 115 Angriffe von Piraten abgewehrt. Im vergangeen Jahr waren es fast 200. Wir haben über 470 000 Tonen Lebensmittel zu der betroffenen Bevölkerung geracht. Allein in diesem Jahr waren es 90 000 Tonnen. In iesem Jahr sind 31 Schiffe mit entsprechenden Nahungsmitteln, die den Menschen zugutekommen, in die egion gefahren. Das kann keine Dauerlösung sein. Die Dauerlösung iegt darin, dass wir gemeinsam mit der Kontaktgruppe ür eine Stabilisierung in Somalia sorgen. Das erreichen ir durch Transparenz, durch regionale Ansätze und urch eine ganzheitliche, klare Politik. Wir unterstützen den Antrag der Bundesregierung, nd ich werbe für einen breiten Ansatz. Ich hoffe, dass ich weite Teile des Parlaments anschließen. Herzlichen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Jan van Aken für die raktion Die Linke. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich enke, eines ist sicher: So funktioniert es nicht. Wir rauchen uns die Zahlen doch nur anzuschauen. Vor wei Jahren gab es in den ersten neun Monaten des Jahes genau 77 Piratenangriffe. In diesem Jahr waren es 27, Tendenz steigend. Es ist auch logisch, dass das so icht funktionieren kann; denn Sie können kein einziges roblem dadurch lösen, dass Sie nur an den Symptomen erumdoktern, aber überhaupt nicht an die Ursachen heangehen. Die Ursachen liegen an Land, in Somalia. In Somalia errscht bitterste Not. 3,2 Millionen Menschen sind auf ahrungsmittelhilfe angewiesen. Das Land schlittert imer weiter in einen Bürgerkrieg hinein. Sie können das roblem der Piraterie nur mit einer politischen Lösung in omalia lösen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8621 Jan van Aken )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707825000

(Beifall bei der LINKEN)

Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707825100

(Beifall bei der LINKEN)


(A) )

(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens
[CDU/CSU]: Deshalb bringen wir die Nah-
rungsmittel dahin!)

Das sagen einem nicht nur die Zahlen der letzten zwei
Jahre. Das sagt einem nicht nur der gesunde Menschen-
verstand. Das sagt auch unser Außenminister, Herr
Westerwelle, der an dieser Stelle vor genau einer Woche
gesagt hat – ich zitiere Sie jetzt, Herr Westerwelle –:

Der Einsatz gegen die Piraterie wird nicht

– „nicht“, Herr Kiesewetter –

auf der Hohen See gewonnen, sondern nur an Land.

Das ist die Wahrheit. Ich gebe Ihnen recht, Herr
Westerwelle. Allerdings verstehe ich nicht – das müssen
Sie mir hier erklären –, dass Sie hier zwar eine richtige
Analyse vorlegen, aber trotzdem 50 Millionen Euro und
1 400 Soldaten beantragen, um sie auf die Hohe See zu
schicken, obwohl das Problem dort gar nicht zu lösen ist.
Das verstehe ich wirklich gar nicht.


(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Wie sollen denn die Menschen an die Lebensmittel kommen?)


Wenn Sie so weitermachen, können Sie die ganze Bun-
desmarine in den Indischen Ozean schicken. Sie können
sie für 30 Jahre dort hinschicken, aber es wird sich nichts
ändern, solange Sie nicht an die Ursachen herangehen.

Da frage ich auch die Kolleginnen und Kollegen von
den Grünen. Sie machen in Ihrem Antrag genau die glei-
che Analyse auf. Sie fragen sogar richtigerweise: Wie
lange soll es denn noch so weitergehen? Wann ist ein
Ende abzusehen? – Aber wie können Sie nach dieser
richtigen Analyse diesem Mandat noch zustimmen? Ich
verstehe es einfach nicht.

Herr Westerwelle hat letztes Mal noch etwas Zweites
gesagt. Er hat behauptet, die Bundesregierung werde
auch den politischen Wiederaufbau in Somalia unterstüt-
zen. Das allerdings war schlichtweg gelogen. Wir haben
ihn gestern zweimal im Ausschuss gefragt. Wir haben
uns das Mandat genau durchgelesen, und es gibt sehr ge-
naue Zahlen darüber, was die Bundesregierung in Soma-
lia macht und was sie nicht macht.

Sie liefert Nahrungsmittelhilfe. Wunderbar! Das finde
ich richtig, und diese Hilfe muss auch weiterhin geleistet
werden. Allerdings ist das kein politischer Wiederauf-
bau. Und sie bildet 2 000 somalische Soldaten aus. Das
ist nicht nur falsch, das ist richtig kontraproduktiv. Denn
wie wollen Sie überhaupt einen politischen Friedenspro-
zess in Somalia anstoßen, wenn Sie eine Seite im Bür-
gerkrieg mit Militärs ausrüsten? Sie haben doch jeden
Kredit verspielt. Sie sind jetzt Partei. Sie können in So-
malia doch überhaupt nicht mehr als Mediator bzw. als
Friedenspartei auftreten. Das heißt, Sie machen das Ge-
genteil eines politischen Wiederaufbaus.


(Beifall bei der LINKEN)


Dabei gibt es doch viele gute und konstruktive Ideen.
Beispielsweise haben Amnesty International oder der
Evangelische Entwicklungsdienst in den letzten Tagen

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(C (D underbare Vorschläge gemacht; zum Beispiel hätte ntwicklungshilfe im Norden in Somaliland oder in untland eine positive Wirkung auf ganz Somalia. Es gibt ja lokale Autoritäten, die funktionieren. Diese önnen Sie unterstützen und einen demokratischen Aufau von unten fördern. Natürlich können Sie endlich uch etwas gegen die illegale Fischerei unternehmen. enn auch sie ist eine der Ursachen – sie ist keine echtfertigung – der Piraterie in Somalia. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland eine Waffen mehr exportieren sollte. 8 Milliarden Euro at Deutschland im letzten Jahr an Rüstungsexporten erdient, und ich finde, dass jedes einzelne Sturmgewehr nd jede einzelne Maschinenpistole eine zu viel ist, enn sie exportiert wird. Denn über kurz oder lang lanen sie alle in Kriegsgebieten – auch in Somalia –, und ir, die Linke, sind dafür, dass die Waffenexporte end ich aufhören. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/ CSU: Das ist grauenhafter Zynismus!)


(Beifall bei der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707825200

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kol-

egin Kerstin Müller das Wort.

Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr van

ken, es kam jetzt nicht wirklich überraschend, dass
hre Fraktion den Atalanta-Antrag ablehnen wird.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wir sind konsequent, im Gegensatz zu Ihnen!)


ch finde allerdings: Wenn Sie es hier wieder einmal ab-
ehnen, sollten Sie auch realistische Alternativen benen-
en.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Hat er klar gesagt! Zuhören, Frau Müller!)


Ich frage mich, wie Ihr Beitrag zu verstehen ist, wenn
ie sagen, die Ursachen liegen an Land. Das sagen übri-
ens alle. Niemand behauptet, dass wir mit diesem Ein-
atz die Ursachen bekämpfen. Es geht um Symptombe-
ämpfung.


(Zurufe von der LINKEN: Ah!)


Ja, natürlich. Sie haben es echt nicht verstanden.

Aber wie ist Ihr Beitrag zu verstehen? Fordern Sie,
ass wir Truppen nach Somalia schicken, weil wir da die
rsachen bekämpfen müssen und weil es da ein Sicher-
eitsproblem gibt?


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: So ein Quatsch!)


8622 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Kerstin Müller (Köln)



(A) )


)(B)

Ich jedenfalls sehe hier nur schlechte Alternativen, die
die notwendigen Aufgaben erfüllen könnten.

Da ist zum einen die notwendige humanitäre Versor-
gung – dazu haben Sie besser nichts gesagt – von im-
merhin 3,2 Millionen Menschen erforderlich. Sie ist nur
auf dem Seeweg mit dem Welternährungsprogramm
möglich. Die Schiffe des Welternährungsprogramms
fahren inzwischen nur noch mit internationalem Geleit-
schutz. Die Reeder stellen sonst keine Schiffe mehr zur
Verfügung. Allein in diesem Jahr sind 46 Schiffe beglei-
tet worden. Was ist Ihr Vorschlag, damit die Nahrung bei
den Menschen in Somalia ankommt? Ich habe dazu
nichts gehört.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Wir haben keine internationale Seepolizei – erst recht
keine so robuste, das wollen wir nach deutschem Recht
schon gar nicht –, die zivile Schiffe und wehrlose Matro-
sen wirksam schützen könnte. Die Zahl ist schon er-
wähnt worden: 438 Geiseln sind in der Gewalt somali-
scher Piraten.


(Jan van Aken [DIE LINKE]: Trotz Atalanta!)


Wie wollen Sie die befreien? Mit Polizei? Das ist kein
Spaziergang. Deswegen fahnden auch keine Polizisten,
sondern Soldaten nach den Piraten. Ich will klar sagen:
Atalanta ist im Grunde ein quasipolizeilicher Einsatz,
der von Soldaten geführt werden muss.

Hätten wir Atalanta nicht, was wären die Alternati-
ven? Manche sähen zum Beispiel lieber die NATO als
diesen UN-mandatierten und EU-geführten Einsatz. Ich
sage für meine Fraktion sehr deutlich: wir nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Wir wollen, dass diese Missionen im Wesentlichen von
der UNO geführt werden. Oder es gäbe noch mehr natio-
nale Alleingänge – es gibt einige, die dort mit nationalen
Schiffen herumfahren –, oder – das ist die eigentliche
Gefahr – es würden künftig die Blackwaters dieser Welt
auf den Decks von Containerschiffen und Getreidefrach-
tern stehen. Wollen Sie das?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Das wäre eine gefährliche Militarisierung der zivilen
Schifffahrt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das
wollen.

Die Alternative ist ganz einfach. Die Alternative zu
diesem multilateralen Einsatz heißt: entweder Rena-
tionalisierung oder Privatisierung des Sicherheitsrisi-
kos. Die große Mehrheit meiner Fraktion will das nicht.
Deswegen werden wir heute diesem vernünftigen Man-
dat zustimmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Jan van Aken [DIE LINKE]: Ist aber falsch!)


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(C (D Es geht auch nicht nur um das sichere Geleit für die chiffe des Welternährungsprogramms, sondern auch m den Schutz der freien Seewege für alle und deren riedliche Nutzung. Das ist ein internationales Rechtsgut nd ein anerkanntes Völkerrecht, weil es im Interesse aler ist, die zivile Schifffahrt und wehrlose Matrosen am orn von Afrika zu schützen. Das sehen alle UNO-Mitliedstaaten so. Sie sind doch eigentlich die Völkerechtspartei. Alle UNO-Mitgliedstaaten sehen das so. elbst die Chinesen und Russen haben diesem Mandat ugestimmt. Ich will aber auch etwas zu Herrn Minister uttenberg sagen, der in dem Zusammenhang von der ilitärischen Absicherung nationaler Rohstoffinteres en gesprochen hat. Darum geht es auch nicht, meine amen und Herren von der Koalition. Damit suggeriert an, deutsche Soldaten wollen vor der Küste Somalias agd auf Öl oder seltene Ressourcen machen. Das ist nsinn. Darum geht es nicht. Es geht um den Schutz der freien Seewege. Das ist ein nternationales Rechtsgut und eine Errungenschaft, weil ie Weltmeere heute nicht mehr zwischen den Großächten aufgeteilt werden. Es ist also klar: Atalanta dämmt nur die Symptome in. Sie kann die Ursachen der Piraterie nicht beseitigen. s muss darum gehen – das ist unsere klare Forderung n die Bundesregierung und auch an Sie, Herr Außeninister –, dass wir viel stärker den Friedensprozess in omalia fördern und Ideen präsentieren. Es muss einen mfassenden politischen Versöhnungsund Dialogproess geben. Man kann nicht allein auf die korrupte Überangsregierung setzen. Das ist zum Scheitern verurteilt. Wir müssen auf jeden Fall versuchen, mit verhandungsbereiten Kräften von al-Schabab und Hisb al-Islam ialoge aufzubauen. Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Redezeit. Kerstin Müller EN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707825300
Ich komme zum Schluss. – Ich frage mich, warum wir

icht Somaliland stärker einbeziehen. Dieses unmittel-
are Nachbarland ist völlig stabil mit einer demokrati-
chen Entwicklung. Ich verstehe nicht, warum man das
icht als gutes Beispiel nutzt.

Politisch muss viel mehr geschehen. Dieses Mandat
eseitigt nicht die Ursachen. Es muss vielmehr ein poli-
isches Gesamtkonzept geben. Das fehlt uns noch. Dazu
agen wir etwas in unserem Entschließungsantrag. Wir
ürden uns freuen, wenn Sie auch dem zustimmen.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8623


(A) )


)(B)


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707825400

Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Kollegin

Buchholz.


Christine Buchholz (DIE LINKE.):
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Frau Müller, ich habe zwei Fragen. Die erste Frage

zielt hauptsächlich auf die Versorgung der Menschen in
Somalia mit Nahrungsmitteln ab. Wie können Sie ange-
sichts dessen erklären, dass sich das Mandat bis in den
Indischen Ozean fast vor die Küste des Irans ausgeweitet
hat? Wie passen diese beiden Argumente zusammen?

Meine zweite Frage bezieht sich auf die politische Al-
ternative. Das Mandat Atalanta und die Politik der Bun-
desregierung sind absolut einseitig auf die Unterstützung
des Transitional Federal Government ausgerichtet. Das
ist eine scharfe Kritik der Nichtregierungsorganisation
Amnesty International. Dieser Ansatz ignoriert kom-
plett, dass in den letzten 19 Jahren versucht wurde, in
Somalia Regierungen aufzubauen, die von den Somalis
nicht akzeptiert werden. Diese Realität können Sie nicht
ignorieren. Wenn Sie dem Mandat zustimmen, stimmen
Sie auch dieser Politik zu. Das widerspricht allerdings
den schönen Worten, die Sie am Ende Ihrer Rede gefun-
den haben.


(Beifall bei der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707825600

Frau Müller, bitte.

Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Wenn Sie zugehört haben, dann haben Sie mitbekom-
men, dass ich von zwei zentralen Zielen dieses Mandats
gesprochen habe.

Das eine Ziel ist der Geleitschutz für die Schiffe des
Welternährungsprogramms. Auch in Ihrer Kurzinterven-
tion haben Sie nichts dazu gesagt, was denn Ihr Vor-
schlag ist, wie 3,2 Millionen Menschen – das ist die
Hälfte der Bevölkerung in Somalia – mit Nahrungsmit-
teln versorgt werden sollen. Das finde ich für eine Partei,
die einen humanitären Anspruch hat, ziemlich schlecht
und ziemlich wenig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Das ist das erste Ziel.

Das zweite Ziel ist der Schutz der Seewege. Der freie
Zugang zur See ist eine Errungenschaft des modernen
Völkerrechts, des UN-Seerechtsübereinkommens von
1982. Ihre Haltung dazu verstehe ich nicht. Sie suggerie-
ren immer, Sie seien die Völkerrechtspartei. Wenn aber
Völkerrecht geschrieben wird und wenn es ein einstim-
mig gefasstes UN-Mandat gibt, das zur Durchsetzung
dieses Völkerrechts Schiffe auf See schickt, dann sagen
Sie: Wir sind nicht dabei. – Das finde ich nicht sehr
glaubwürdig. Um diese beiden Rechtsgüter geht es.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


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(C (D Der letzte Punkt: Man muss das eine tun, ohne das anere zu lassen. An dieser Stelle ziehe ich eine Parallele ur Innenpolitik. Wenn es Kriminalität auf den Straßen n Deutschland gibt, dann fordert doch selbst die Linke icht die Abschaffung der Polizei. Vielmehr haben wir ie Polizei, und wir bekämpfen präventiv Kriminalität. enau darum geht es hier auch. Wir schützen die freien eewege und brauchen ein umfassendes politisches onzept. In diesem Zusammenhang üben wir natürlich Kritik n der Bundesregierung. Da läuft viel zu wenig. Ich sage hnen aber auch aus einer zehnjährigen Erfahrung heraus ich bin überall in der Region gewesen –: Ganz schnell ird das keiner aus der Tasche ziehen. Es gibt nicht das i des Kolumbus, um Somalia an einem Tag zu retten. s gibt aber noch einige Vorschläge, bei denen die Bunesregierung engagierter sein könnte. Wir müssen die Ursachen bekämpfen und gleichzeitig twas gegen die Kriminalität auf den Seewegen tun. eshalb brauchen wir beides. Es wäre schön, wenn Sie sich damit einmal auseinanersetzen könnten. Man muss die Symptome angehen nd die Ursachen bekämpfen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707825700

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Ingo

ädechens für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Ingo Gädechens (CDU):
Rede ID: ID1707825800

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr van
ken, Ihre Rede war schwer zu ertragen. Die Kurzinter-
ention, Frau Buchholz, hätten Sie sich sparen können.
ie Antwort von Frau Müller empfand ich aber als sehr

rfrischend.


(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Atalanta, eigentlich eine schöne und klangvolle Be-
eichnung, die auch Namensgeber für eine friedliebende
egion sein könnte. Atalanta ist aber leider die Bezeich-
ung einer EU-geführten Operation in einer weniger
riedliebenden Region zur Bekämpfung der Piraterie auf
er Grundlage des Seerechtsübereinkommens und der
ntsprechenden Resolution des Sicherheitsrats der Ver-
inten Nationen.

Die multinationale Operation stemmt sich mit einer
onzertierten Kraftanstrengung gegen eine hässliche und
enschenverachtende Fratze einer skrupellosen Pirate-

ie. Selbst diejenigen, die womöglich einer Art Sir-
rancis-Drake-Romantik hinterherlaufen, müssen erken-
en, dass auf den strategisch positionierten Piratenmut-
erschiffen und Skips Verbrecher der übelsten Sorte an
ord sind, für die ein fremdes Menschenleben wertlos

st. Stehen sie erst vor Gericht, so wie aktuell in Ham-
urg, geben sie sich scheinheilig, demütig und unterwür-

8624 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Ingo Gädechens


(A) )


)(B)

fig. Sind sie bewaffnet auf See, werden Schiffe mit un-
barmherziger Brutalität geentert, wird rücksichtslos auf
Besatzungsmitglieder geschossen. Diese Piraten schre-
cken weder vor Erpressung noch vor Mord zurück.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Vor dem Hintergrund eigener staatlicher Machtlosigkeit
hat die somalische Übergangsregierung den Sicherheits-
rat um Hilfe gebeten, die nunmehr seit zwei Jahren
– auch mit deutscher Unterstützung – gewährt wird.

Das Engagement und der Einsatz der Einheiten unse-
rer deutschen Marine sowie insbesondere die hohe Flexi-
bilität der Soldatinnen und Soldaten verdienen gerade
von den Mitgliedern des Deutschen Bundestages aller-
höchste Wertschätzung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wie nahezu bei allen Einsätzen gelten die deutschen
Schiffe und deren Besatzung als wichtige, erfahrene und
professionell handelnde Einheiten auch in diesem multi-
nationalen Verband. Das internationale Engagement geht
mittlerweile weit über die Einheiten der EU-Mission
Atalanta hinaus. Unilateral operieren Staaten wie – um
nur einige zu nennen – Russland, Saudi-Arabien, Singa-
pur, Thailand, Indien, China und die Vereinigten Arabi-
schen Emirate im Einsatzgebiet.

Neben dem bereits erwähnten Schutz der Hilfsschiffe
des World Food Programme und dem Schutz der African
Union haben Deutschland und die gesamte freie Welt
eine vehementes Interesse an freien Seehandelswegen.
Es geht nicht, wie von den Linken wiederholt behauptet,
um eine Art Kanonenbootpolitik, sondern es geht um le-
gitimiertes internationales Recht auf Hoher See, das al-
len Staaten ungehinderte Durchfahrt gewährt. So wie
Deutschland in Nord- und Ostsee im Seehoheitsgebiet
und selbstverständlich auf den internationalen Seeschiff-
fahrtsstraßen eine sichere Passage gewährt, erwarten wir
gemeinsam mit den verbündeten Staaten eine ungehin-
derte Fahrt auf den Weltmeeren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die ungehinderte Fahrt unserer Schiffe, egal ob gechar-
tert oder unter deutscher Flagge fahrend, gilt es, zu
schützen, weil freie Handelswege von elementarer Be-
deutung gerade für ein Exportland wie Deutschland sind.

Ich möchte an dieser Stelle keine tiefergehende Ana-
lyse über die Entstehung der Piraterie auf einem ge-
schundenen Kontinent, insbesondere in einem armen
und unsicheren Land wie Somalia, machen. Selbstver-
ständlich ist uns allen bewusst, dass Maßnahmen not-
wendig sind, damit Piraterie erst gar nicht entsteht. Auch
hier setzt die deutsche Außenpolitik an wichtigen Stellen
an, um die unübersichtliche Situation in Somalia und in
der gesamten Region zu verbessern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Als größtes Problem für die im Kampf gegen die Pira-
terie eingesetzten Marineeinheiten erweist sich nach wie

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(C (D or die Größe des Operationsgebietes. Weit entfernt von er Küste gibt es in jüngster Zeit Überfälle. Als Beispiel enne ich nur mögliche Erreichbarkeiten. Wenn in einer ntfernung von lediglich 300 Seemeilen ein Schiff angeriffen wird, benötigt eine Fregatte unter Höchstfahrt wölfeinhalb Stunden, um am Ort des Geschehens einutreffen. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des ollegen Ströbele? Herr Ströbele ist immer herzlich willkommen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707825900
Ingo Gädechens (CDU):
Rede ID: ID1707826000
Herr Kollege, Sie selber haben sich gerade auch für

ndere Maßnahmen ausgesprochen. Geben Sie mir recht,
ass in den Gewässern vor Somalia und den Nachbar-
taaten nach wie vor – so lautet jedenfalls die Auskunft
es Auswärtigen Amtes – große schwimmende Schiff-
inheiten etwa aus Italien, Frankreich und anderen euro-
äischen Staaten sowie aus Asien fischen und dass das
eerfischen dieser ursprünglich sehr fischreichen Ge-
ässer eine der Ursachen ist, warum auch Fischer zu
iraten geworden sind? Dabei verkenne ich nicht, dass
s sich hier inzwischen um eine international agierende
riminelle Organisation handelt. Was gedenken Sie vor-
uschlagen, um das Leerfischen der Gewässer rund um
omalia zu beenden?

Ein weiterer Punkt. Ist Ihnen ein Bericht der Kontroll-
ommission des Weltsicherheitsrates bekannt, wonach
twa 50 Prozent der Versorgungsgüter des Welternäh-
ungsprogramms zwar in Somalia ankommen, dort aber
erloren gehen, weil 30 Prozent so versickern sowie je-
eils 10 Prozent an die Transportunternehmen und die
ilizen in den Gebieten gehen, durch die die Güter

urchgeschleust werden? Was soll gemacht werden, um
inen viel größeren Schwund zu verhindern, der bewirkt,
ass die Waren und Nahrungsmittel des Welternährungs-
rogramms nicht zu den Bedürftigen gelangen? Haben
ie dazu Vorschläge, statt immer nur vom Militär zu re-
en?


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)



Ingo Gädechens (CDU):
Rede ID: ID1707826100

Herr Ströbele, ich verkenne nicht das Problem der

ischtrawler, der großen Fischfangfabrikschiffe, die in
nternationalen Gewässern weit vor der Küste Somalias
ie Meere leerfischen. Es gibt sicherlich einen Zusam-
enhang, aber ich sehe keinen direkten Zusammenhang,
eil der somalische Fischer Küstenfischerei betrieben
at. Ich könnte jetzt einen großen Exkurs über die Pro-
leme, die unsere Ostseefischer und unsere Nordsee-
ischer haben, vortragen. Die sind auch nicht Piraten ge-
orden.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8625

Ingo Gädechens


(A) )


)(B)

Aber die Küstenfischerei leidet natürlich darunter, dass
größere Mengen von Fischen in internationalen Gewäs-
sern genau von den Schiffen, die Sie eben genannt ha-
ben, weggefischt werden. Es muss internationale Ver-
handlungen geben, damit in internationalen Gewässern
eine vernünftige Regelung getroffen wird.

Ich sage Ihnen noch etwas: Wenn Sie lobend erwäh-
nen, dass die Hilfsgüter in Somalia ankommen, dann
sage ich Ihnen, dass das dem Part geschuldet ist, den
Atalanta übernimmt. Wir bringen die Schiffe des World
Food Programme sicher in die Häfen. Dass auf außen-
politischem Wege etwas getan werden muss, damit die
Hilfsgüter nicht in die falschen Hände geraten, sondern
bei den notleidenden Menschen ankommen, darüber
sind wir uns beide einig. Diese Aktivitäten müssen noch
verstärkt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Leider ist die Zahl der Überfälle noch gestiegen, aber
die Abwehr ist effektiver geworden. Das kann man als
Erfolg für das neue Sicherheitskonzept der Marine, des
Verbands Deutscher Reeder und der Bundespolizei wer-
ten. Die Besatzungen wissen sich besser zu wehren und
melden Vorfälle und Beobachtungen schneller, sodass
auch schneller Hilfs- und Schutzmaßnahmen eingeleitet
werden können. Die enge Verbundenheit beim gemein-
samen Vorgehen gegen die Piraterie können Sie daran
erkennen, dass sich auf der Fregatte „Hamburg“, die zur-
zeit im Einsatzgebiet ist, ein estnisches Vessel Protection
Detachment Team befindet, das zuvor auch in Deutsch-
land für den Einsatz ausgebildet wurde.

Wir brauchen heute ein klares und deutliches Signal
für die Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der
EU-Mission Atalanta. Eine breite Zustimmung, um die
ich Sie alle bitte, wäre zugleich ein deutliches Signal für
alle Soldatinnen und Soldaten, die hochmotiviert ihren
oftmals gefährlichen Dienst auf See verrichten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707826200

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An-
trag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteili-
gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-
geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Pira-
terie vor der Küste Somalias. Dazu liegen mehrere per-
sönliche Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 unse-
rer Geschäftsordnung vor.1)

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 17/4048, den Antrag der Bundes-
regierung auf Drucksache 17/3691 anzunehmen. Über
diese Beschlussempfehlung stimmen wir namentlich ab.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze an den Urnen einzunehmen. Sind

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1) Anlagen 6 und 7 2)

(C (D lle Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. ann eröffne ich die Abstimmung. Sind Kolleginnen oder Kollegen im Saal, die ihre timmkarte noch nicht abgegeben haben? – Das ist nicht er Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die chriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh ung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird hnen später bekannt gegeben.2)


Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent-
chließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
uf Drucksache 17/4067. Wer stimmt für diesen Ent-
chließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-
en? – Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Dafür
aben die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Bünd-
is 90/Die Grünen gestimmt, dagegen die Koalitions-
raktionen und die Fraktion Die Linke. Die SPD-Frak-
ion hat sich enthalten.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 13:

– Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)


Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
scher Streitkräfte an der EU-geführten Opera-
tion „ALTHEA“ zur weiteren Stabilisierung
des Friedensprozesses in Bosnien und Herze-
gowina im Rahmen der Implementierung der
Annexe 1-A und 2 der Dayton-Friedensverein-
barung sowie an dem NATO-Hauptquartier
Sarajevo und seinen Aufgaben, auf Grundlage
der Resolution des Sicherheitsrates der Ver-
einten Nationen 1575 (2004) und Folgeresolu-
tionen

– Drucksachen 17/3692, 17/4049 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Philipp Mißfelder
Dr. Rolf Mützenich
Dr. Rainer Stinner
Sevim Dağdelen
Marieluise Beck (Bremen)


– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung

– Drucksache 17/4056 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Klaus Brandner
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Michael Leutert
Sven-Christian Kindler

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
ündnis 90/Die Grünen vor.

Über die Beschlussempfehlung werden wir später na-
entlich abstimmen.

Ergebnis Seite 8629 D

8626 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt


(A) )


)(B)

Interfraktionell wurde vereinbart, eine halbe Stunde
zu debattieren. – Ich höre und sehe keinen Widerspruch.
Dann werden wir so verfahren.

Ich eröffne die Aussprache.

Als erster Redner hat der Kollege Dr. Rainer Stinner
für die FDP-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1707826300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Heute vor genau 15 Jahren hat der Deutsche Bundestag
das IFOR-Mandat für Bosnien-Herzegowina verabschie-
det. Wenn man diese 15 Jahre Revue passieren lässt,
dann muss man sagen, dass auch dieses Mandat insge-
samt sehr erfolgreich gewesen ist. Vor 15 Jahren waren
in diesem Rahmen noch über 50 000 NATO-Soldaten im
Einsatz. Nachdem es in eine EU-Mission umgewandelt
wurde, sind es nunmehr noch 1 900 internationale Solda-
ten. Dazu zählen zum heutigen Zeitpunkt 126 deutsche
Soldaten.

Das ist ein Entwicklungspfad, der in die richtige
Richtung gegangen ist. Wir haben in Bosnien-Herzego-
wina in den letzten Jahren deutliche Verbesserungen er-
reicht. Dafür Dank und Anerkennung allen, die daran
mitgewirkt haben!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir alle wissen, dass in Bosnien-Herzegowina noch
vieles ungelöst ist. Aber eines wissen wir auch: Die Si-
cherheitslage ist weitestgehend stabil.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Stimmt!)


Man kann sagen: Es hat lange genug gedauert, aber im-
merhin haben wir es erreicht. Liebe Kolleginnen und
Kollegen, wenn wir uns anschauen, wie es in anderen
Konfliktgebieten nach 15 Jahren internationalem Enga-
gement aussieht, müssen wir feststellen: Wir sind in
Bosnien-Herzegowina besser dran.

Wir wollen ALTHEA weiter reduzieren. Wir möchten
dazu kommen, dass wir diese Mission beenden und in
eine Ausbildungsmission umwandeln. Das werden wir
Schritt für Schritt tun. Der Entwicklungspfad ist vorge-
zeichnet. Das heißt, wir beenden Mandate. Eine wichtige
Botschaft an die Bevölkerung ist: Wir tun das Richtige
und Wichtige, aber wir hören auf, wenn das nicht mehr
in diesem Umfang notwendig ist.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat noch-
mals die Mandatierung beschlossen und uns beauftragt.
Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat das Land
Bosnien-Herzegowina mitgestimmt, weil Bosnien-
Herzegowina seit Herbst letzten Jahres Mitglied im
Weltsicherheitsrat ist. Das heißt, wir trauen diesem Land
zu, die Welt mit zu regieren. Ich werbe dringend dafür,
dass wir diesem Land auch zutrauen, sich selbst zu re-
gieren.

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(C (D (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von den
rünen, muss ich auch dafür plädieren, Ihren Antrag ab-

ulehnen. Sie wollen ein weiteres Mal die Hürden für die
bschaffung des Hohen Repräsentanten erhöhen. Es gibt

chon jetzt hohe Hürden, vielleicht zu hohe. Eine Hürde
st: nachhaltige Finanzpolitik. Wo gibt es die schon?


(Heiterkeit bei der FDP)


Was die Abschaffung des Büros des Hohen Repräsen-
anten, OHR, angeht, gibt es bereits fünf Ziele und zwei
edingungen. Das ist schon eine ganze Menge. Sie von
en Grünen – ich weiß, wer es geschrieben hat – wollen
iese Hürden nochmals erhöhen, indem Sie formulieren:
ir müssen das Büro des Hohen Repräsentanten auf-

echterhalten, bis es in diesem Land endlich eine Verfas-
ung gibt. – Wir alle wissen, wie wichtig es ist, über
ayton hinwegzukommen, aber diese Hürde ist zu hoch.
lle, die sich mit dem Thema näher beschäftigen, wis-

en, dass die Hohen Repräsentanten der letzten Jahre an
irksamkeit verloren haben, auch wenn sie guten Wil-

ens waren. Ich darf es so deutlich sagen: Die letzten Ho-
en Repräsentanten haben einen eher traurigen Eindruck
emacht, weil sie wussten, dass sie nichts mehr errei-
hen können. Deshalb ist es hohe Zeit, dass wir damit
chritt für Schritt Schluss machen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb sagen wir, dass das OHR aufgelöst werden
uss, spätestens dann, wenn das SAA abgeschlossen ist.
arüber sind wir im besten Einvernehmen mit der Bun-
esregierung.

Wo stehen wir in Bosnien-Herzegowina, und wo
öchten wir in Zukunft stehen? Ich wiederhole für alle

ier im Raum, aber auch mit Blick nach draußen noch
inmal, dass meine Fraktion unverändert zu dem politi-
chen Commitment von Thessaloniki des Jahres 2003
teht, dass der westliche Balkan und damit auch Bos-
ien-Herzegowina eines Tages Teil eines geeinten,
reien, demokratischen Europas in der EU sein soll.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist unser politisches Ziel. Das möchten wir
chrittweise erreichen. Die Hürden sind mannigfaltig,
ber wir müssen daran arbeiten, weil es auch in unserem
igenen Interesse ist, dass wir das erreichen. Da ist noch
ieles zu tun,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!)


n Bosnien-Herzegowina insbesondere. Wir müssen Hil-
estellung leisten – wir alle wissen das –, und wir versu-
hen auch, sie zu leisten. Die Probleme sind bekannt: ein
nwilliger Herr Dodik, zu viel Administration in der Fö-
eration. Es gibt 180 Minister. Das wünschen sich viel-
eicht auch manche bei uns.


(Heiterkeit bei der FDP – Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8627

Dr. Rainer Stinner


(A) )


)(B)

Das ist ein bisschen viel für dieses Land und kaum zu fi-
nanzieren. Es gibt keine Verfassung. Es werden Gesetze
nicht zügig genug verabschiedet etc.

Aber, meine Damen und Herren, wir haben erlebt,
dass Bosnien-Herzegowina ans Laufen kommt, wenn
man ein konkretes Ziel vorhält, nämlich die Visabefrei-
ung. Das hat im Lande einen sehr starken Druck hervor-
gerufen, Reformen einzuleiten. Ich bin froh darüber,
dass unsere Freunde in Bosnien-Herzegowina endlich
das Europa kennenlernen können, in dem das Land eines
Tages aufgehen soll.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Diesen Weg werden wir weitergehen. Wir werden Bos-
nien-Herzegowina weiter unterstützen. Wir werden weiter
deutlich sagen: Der Weg nach Europa ist offen, das Tor ist
offen, aber, liebe Leute, ihr müsst selbst – durch eigene
Reformanstrengungen – durch das Tor hindurchgehen.
Wir helfen, ihr müsst auf diese Hilfe antworten, müsst
euer eigenes Schicksal in die Hand nehmen. Ihr seid in
Europa willkommen, wir helfen euch dabei.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707826400

Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Fritz

Rudolf Körper.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1707826500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! ALTHEA

ist eine Begrifflichkeit aus der griechischen Sage und be-
schreibt die Göttin der Gesundheit. Ich bin im vergange-
nen Jahr auf diese Sage eingegangen. Ich will das nicht
wieder tun, sondern nur so viel sagen: Die Namenswahl
ist ganz gut, weil Bosnien-Herzegowina in der Tat Ge-
sundung braucht. Dieses Land braucht weiterhin Gesun-
dung, und es muss sich etwas bewegen.

Wenn man die letzten zwölf Monate verfolgt hat, ist
das, was sich zum Positiven bewegt hat, relativ leicht
und schnell aufzuzählen. Da sind einmal in der Tat die
für die Befreiung von der Visapflicht für Schengen-Staa-
ten notwendigen Reformen. Sie sind erfolgreich durch-
geführt worden, und das ist gut für Bosnien-Herzego-
wina.


(Beifall bei der SPD)


Was einem auch ein Stück weit Anlass gibt, optimisti-
scher als vielleicht noch vor zwölf Monaten zu sein, ist
das Wahlergebnis am 3. Oktober: Die nicht nationalis-
tisch gesinnten Parteien haben Stimmenzuwächse er-
zielt. Jetzt ist wirklich Hilfe zu leisten, damit es zu der
Bildung einer Regierung kommt, die die ethnischen
Konflikte überwinden kann.

Wenn wir heute den militärischen Anteil dieses Man-
dates beschließen – dazu ist schon etwas gesagt worden;
wir haben im Grunde genommen nur noch 120 Soldatin-
nen und Soldaten im Einsatz und die Obergrenze zum
Glück bei weitem nicht erreicht –, gibt es einen Punkt,
der, glaube ich, zu beachten ist, nämlich dass dieser mili-

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(C (D ärische Anteil, der diese Mandatsdebatte zur Folge hat, ls Ergebnis bringt, dass Bosnien-Herzegowina in der ffentlichen politischen Debatte in Europa nicht vergesen wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


enn das Schlimmste wäre, wenn es zu einem vergesse-
en Konflikt käme.

Dass wir diese Konfliktsituation auf dem Balkan
icht gelöst bekommen kann sich Europa im Grunde ge-
ommen nicht leisten. Denn die Konfliktlösung ist auch
ür uns wichtig, nicht nur für den Balkan selbst, sondern
ür Gesamteuropa.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


eswegen ist es notwendig, dass wir hier diesem Land
en Weg zu einem vollkommen souveränen Staat ebnen
nd da unsere Hilfe leisten.

Meine Damen und Herren, ich habe etwas zur Regie-
ungsbildung gesagt. Zur Regierungsbildung ist es not-
endig, eine multiethnische Verfassung in Bosnien-
erzegowina zu verabschieden, damit wir den Weg für
ieses Land nach Europa öffnen und begradigen.

In diesem Land muss auch die polizeiliche EU-Mis-
ion Beachtung finden. Deutschland ist mit einem ganz
esentlichen Beitrag an der insgesamt 120-köpfigen Po-

izeimission mit Polizeibeamtinnen und -beamten betei-
igt, die dort ihren Dienst insbesondere in der Qualifizie-
ung und in der Ausbildung leisten. Ihnen ist an dieser
telle ebenso zu danken wie den Soldatinnen und Solda-

en in diesem Bereich.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn man über die Situation dieses Landes redet,
ommt man an einem nicht vorbei: Wir waren bei der
ekämpfung der organisierten Kriminalität und der Kor-

uption noch nicht erfolgreich. Ich finde, das muss deut-
ich gesagt werden: Dieses Land hat nur Erfolg, wenn es
ie organisierte Kriminalität und die Korruption erfolg-
eich bekämpft.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


enn diese Bekämpfung nicht erfolgreich ist, wird es
einen direkten Weg zu einem vollkommen souveränen
taat mit einer freiheitlich-demokratischen Grundord-
ung geben können. Insofern ist hier unsere Hilfe ge-
ragt und gefordert.

Es ist gut, dass im militärischen Teil der Operation
ine ganze Menge umorganisiert worden ist; eine Aus-
ildungs- und Beratungskomponente wurde integriert.
amit beschreiten wir den richtigen Weg.

Es wird immer wieder vergessen, dass die EU auch
uf Kapazitäten der NATO zurückgreift. So wird das
auptquartier in Bosnien-Herzegowina in Fragen der
erteidigungs- und Sicherheitsarchitektur und im Hin-

8628 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Fritz Rudolf Körper


(A) )


)(B)

blick auf eine euro-atlantische Integration von der
NATO unterstützt, und das ist gut so.

Ich bin sicher: Das Hauptrisiko für Bosnien-Herzego-
wina liegt nicht so sehr auf militärischer Ebene, sondern
viel stärker auf politischer Ebene, auch in den Bereichen
der Wirtschaft und der inneren Sicherheit; da liegt leider
nach wie vor ein hohes Risiko für die Entwicklung die-
ses Landes. Insofern ist es nach wie vor richtig, an den
fünf Zielen festzuhalten, die wir gemeinsam vereinbart
haben, nämlich: Aufteilung und nachhaltige Regelung
des Staatsvermögens, Regelung des Vermögens im Ver-
teidigungssektor, Umsetzung des Schiedsspruchs zum
Sonderbezirk Brcko, fiskalische Nachhaltigkeit und Ver-
ankerung des Rechtsstaatlichkeitsprinzips in der Verfas-
sung von Bosnien-Herzegowina. Es ist lohnenswert, für
diese Ziele zu kämpfen.


(Beifall bei der SPD)


Meine Damen und Herren, die Konflikte in und um
Bosnien-Herzegowina dürfen nicht vergessen gemacht
werden; sie dürfen auch nicht verdrängt werden. Das ist
ganz wichtig; denn die Verwirklichung von Frieden,
Freiheit und Sicherheit auf dem Balkan, in den Balkan-
staaten, ist für Gesamteuropa von existenzieller Bedeu-
tung. Deshalb stimmt meine Fraktion, die SPD-Bundes-
tagsfraktion, dieser Mandatsverlängerung zu.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707826600

Nächster Redner ist der Kollege Peter Beyer für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Peter Beyer (CDU):
Rede ID: ID1707826700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie brüchig das
gesellschaftliche Gefüge und wie aufgewühlt die Situa-
tion in Bosnien und Herzegowina zuweilen auch heute
noch ist, zeigen die Emotionen, die in diesen Wochen im
Zusammenhang mit einem Filmprojekt hochkochen. In
dem Film geht es um eine junge muslimische Frau und
um einen Serben, der diese Frau während des Bürger-
kriegs im Flüchtlingslager vergewaltigt hat. Angelina
Jolie, die bekannte US-amerikanische Schauspielerin,
führt bei diesem Filmprojekt Regie. Zugleich ist sie Son-
derbotschafterin des UN-Flüchtlingswerks UNHCR und
damit auch für die Opfer des bosnischen Bürgerkrieges
zuständig.

Sie sorgt mit ihrem Filmprojekt in diesen Tagen für
großen Unmut. Sie stößt vor allem bei weiblichen
Kriegsopfern mit ihrem Projekt auf Widerstand. Die
Frauen sehen sich nämlich erneut einem großen menta-
len Leid ausgesetzt. Die Drehgenehmigung für das Film-
projekt in Bosnien ist derzeit annulliert, und UNHCR
beschäftigt sich mit dem Fall.

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(C (D Meine Damen und Herren, warum nenne ich diesen all? Das Beispiel zeigt, dass das schwierige Verhältnis er gesellschaftlichen Gruppen in Bosnien und Herzegoina zueinander noch sehr fragil und emotional aufgeühlt ist. Das Beispiel zeigt darüber hinaus, dass Men chen, die in einem unerträglichen Maße schutzlos den ggressionen und der Gewalt ausgeliefert sind, über sehr ange Zeiträume unter den traumatischen Erfahrungen zu eiden haben. Angesichts des Mordens und des Vertreiens, des unvorstellbar großen Leids, das der Bürgerkrieg n den Jahren zwischen 1992 und 1995 über die Menchen gebracht hat, können wir alle miteinander – außer ielleicht Herr Gysi mit seiner linken Truppe – eststellen, dass das, womit wir die Bundeswehr seit ayton in Bosnien und Herzegowina beauftragt haben, ichtig und notwendig ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Zurufe von der LINKEN)


Über diesen weitgehenden Konsens in diesem Haus
reue ich mich ausdrücklich, auch wenn es – jetzt an die
rünen gerichtet – für die Grünen vielleicht ein langer
ernprozess gewesen sein mag.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir denken halt immer nach!)


eute würdigen Sie in Ihrem Entschließungsantrag aus-
rücklich das Engagement der Bundeswehr, und das ist
ut so.


(Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


s war ein langer Weg dorthin, eine beachtliche Lern-
urve, die Sie so gerade noch hinbekommen haben.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir stimmen zu, seit Jahren!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707826800

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?


Peter Beyer (CDU):
Rede ID: ID1707826900

Nein. – Nach dem 11. September 2001 haben Sie zu-

ächst für den Einsatz in Afghanistan gestimmt, obwohl
ie in der Sache dagegen waren. Das nennt man wahr-
cheinlich grüne Dialektik, meine Damen und Herren.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Besser als fantasielos!)


ir werden sehen, wie weit es bei Ihnen mit der außen-
olitischen Verantwortung her ist, wie ernst Ihnen dieses
hema ist, und zwar spätestens dann, wenn wir Anfang
es kommenden Jahres hier im Hohen Hause über die
erlängerung des ISAF-Mandats für Afghanistan zu ent-
cheiden haben werden. Es stellt sich die Frage, ob Sie
ich dort erneut den Luxus leisten werden, drei Positio-
en gleichzeitig zu vertreten. Denn seinerzeit haben
5 Ihrer Kollegen sich nicht entschieden – sie konnten
der wollten nicht –, 8 waren dafür und 21 dagegen. Wo-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8629

Peter Beyer


(A) )


)(B)


ropa lohnt sich für die Menschen im Land, in der Region
größte EU-geführte Operation im Militärbereich. In die-
sem Rahmen nehmen unsere Soldaten eine ganze Reihe
wichtiger Aufgaben in Verantwortung wahr. Sie bündeln
vor allem die Anstrengungen für die zivil-militärische
Zusammenarbeit und führen dabei nicht zuletzt Experten
der unterschiedlichsten Disziplinen zusammen.

Das funktioniert in Bosnien und Herzegowina weit-
aus besser als andernorts. Gerade in dieser Woche, an
diesem Montag, hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion
hier im Bundestag einen Kongress zu diesem Thema
veranstaltet, um die zivil-militärische Zusammenarbeit
auch konzeptionell voranzubringen.


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Oje, eine Katastrophe!)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, weil ALTHEA,
gemessen an der Aufgabenstellung, erfolgreich ist, weil
sich die militärische Sicherheitslage stabilisiert hat, des-
halb konnte die Friedenstruppe in der Vergangenheit
schrittweise reduziert werden. Das ist auch und gerade
ein Erfolg der Europäischen Union.

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Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 567;
davon

ja: 487
nein: 68
enthalten: 12

Ja

CDU/CSU

Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann

Ernst-Reinhard Beck

(Reutlingen)


Manfred Behrens (Börde)

Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen


(Bönstrup)

Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe

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(D ang leistet Deutschland mit der ALTHEA-Mission eien wichtigen Beitrag. Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich unseren Solatinnen und Soldaten für ihren Einsatz in diesem auch eute noch nicht einfachen Umfeld. Sie leisten eine herorragende Arbeit. Ich danke Ihnen. Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, ebe ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und chriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen bstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregie ung „Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher treitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta“ beannt: abgegebene Stimmen 567. Mit Ja haben gestimmt 87, mit Nein 68, Enthaltungen 12. Die Beschlussempehlung ist damit angenommen. r. Helge Braun eike Brehmer alph Brinkhaus itta Connemann eo Dautzenberg lexander Dobrindt homas Dörflinger arie-Luise Dött r. Thomas Feist nak Ferlemann ngrid Fischbach artwig Fischer irk Fischer xel E. Fischer (KarlsruheLand)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707827000
r. Maria Flachsbarth
laus-Peter Flosbach

Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof)


Michael Frieser
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Und hier kommt ALTHEA ins Spiel, meine sehr ge-
ehrten Damen und Herren. ALTHEA ist die bisher

des Westbalkans und in Europa. In diesem Zusammen-
für, so frage ich, stehen Sie e
auch in dieser Frage einfach nu


(Beifall bei Abgeordnete vom BÜNDNIS 90/DIE ha!)


Meine Damen und Herren, d
Bosnien und Herzegowina vo
– Kollege Stinner deutete es sc
Kriegsende, 15 Jahre nach dem
ja und auch 15 Jahre nach den
nica. Leider ist das Land nac
nicht so weit, dass es von innen
sen kann. Bis heute konnten
linge nicht in ihre Heimatorte z
zeit, die ethnischen Säuberunge
wie ich finde –, die Not in den F
ist noch immer sehr präsent.
igentlich? Oder sind Sie
r dagegen?

n der FDP – Zuruf
GRÜNEN: Ha, ha,

er Frieden selbst muss in
n innen heraus wachsen
hon an –, 15 Jahre nach
Abkommen von Dayton,
Gräueltaten von Srebre-
h 15 Jahren selbst noch
heraus in Frieden wach-
Hunderttausende Flücht-
urückkehren. Die Kriegs-
n – ein schlimmes Wort,
lüchtlingslagern: All das

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Da ich von der Europäische
ch darauf hinweisen, dass zwe
nd sicherheitspolitischen Auf
nion die dauerhafte Stabilität
ontinents und die Integration

tlantischen Strukturen bleiben

Meine Damen und Herren, i
eobachte ich auch erfreut die
iv und stabilisierend wirkende

Die optimistische Einschätzu
chließungsantrag der Grünen
erzegowina „baldmöglich“ M
nion werden sollen, teile ich
aten gelten die EU-Beitritts
iemand sollte zeitlich bevor
eitritt gibt es nur bei strikter
ller Kriterien, ansonsten eben

(Cn Union spreche, möchte i der wichtigsten außengaben der Europäischen auf diesem Teil unseres der Staaten in die euro werden. n diesem Zusammenhang mehr und mehr konstrukRolle Serbiens. ng im vorliegenden Ent, wonach Bosnien und itglied der Europäischen so nicht. Für alle Kandikriterien gleichermaßen. zugt werden. Einen EU, vollständiger Erfüllung nicht. Der Weg nach Eu 8630 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt )


(A) )

Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr

zu Guttenberg
Olav Gutting
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Mechthild Heil
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung (Konstanz)

Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster

(Villingen Schwenningen)

Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Kristina Schröder
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers


(Heidelberg)

Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen

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gbert Liebing
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r. Carsten Linnemann
atricia Lips
r. Jan-Marco Luczak
r. Michael Luther
arin Maag
ans-Georg von der Marwitz
ndreas Mattfeldt
tephan Mayer (Altötting)

r. Michael Meister
aria Michalk
r. h. c. Hans Michelbach
r. Mathias Middelberg
hilipp Mißfelder
ietrich Monstadt
arlene Mortler
r. Gerd Müller
tefan Müller (Erlangen)

adine Schön (St. Wendel)

r. Philipp Murmann
ernd Neumann (Bremen)

ichaela Noll
r. Georg Nüßlein
ranz Obermeier
duard Oswald
enning Otte
r. Michael Paul
ita Pawelski
lrich Petzold
r. Joachim Pfeiffer
ibylle Pfeiffer
eatrix Philipp
onald Pofalla
hristoph Poland
uprecht Polenz
aniela Raab
homas Rachel
ckhardt Rehberg
atherina Reiche (Potsdam)

othar Riebsamen
osef Rief
laus Riegert
r. Heinz Riesenhuber

ohannes Röring
r. Christian Ruck
rwin Rüddel
lbert Rupprecht (Weiden)

nita Schäfer (Saalstadt)

r. Wolfgang Schäuble
r. Annette Schavan
r. Andreas Scheuer
arl Schiewerling
orbert Schindler
ankred Schipanski
eorg Schirmbeck
hristian Schmidt (Fürth)

atrick Schnieder
r. Ole Schröder
ernhard Schulte-Drüggelte
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(Weil am Rhein)

etlef Seif

ohannes Selle
einhold Sendker
r. Patrick Sensburg
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homas Silberhorn

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arola Stauche
r. Frank Steffel
rika Steinbach
hristian Freiherr von Stetten
ieter Stier
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tephan Stracke
ax Straubinger
arin Strenz
homas Strobl (Heilbronn)

ena Strothmann
ichael Stübgen
r. Peter Tauber
ntje Tillmann
r. Hans-Peter Uhl
rnold Vaatz
olkmar Vogel (Kleinsaara)

tefanie Vogelsang
ndrea Astrid Voßhoff
arco Wanderwitz
ai Wegner
arcus Weinberg (Hamburg)


eter Weiß (Emmendingen)

abine Weiss (Wesel I)

ngo Wellenreuther
arl-Georg Wellmann
eter Wichtel
nnette Widmann-Mauz
laus-Peter Willsch
lisabeth Winkelmeier-
Becker
agmar Wöhrl
r. Matthias Zimmer
olfgang Zöller
illi Zylajew

PD
ngrid Arndt-Brauer
ainer Arnold
einz-Joachim Barchmann
r. Hans-Peter Bartels
laus Barthel
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ärbel Bas
irk Becker
we Beckmeyer
othar Binding (Heidelberg)

erd Bollmann
laus Brandner
illi Brase
ernhard Brinkmann

(Hildesheim)


delgard Bulmahn
lla Burchardt
artin Burkert

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r. Peter Danckert
artin Dörmann

lvira Drobinski-Weiß
arrelt Duin
ebastian Edathy
iegmund Ehrmann
r. h. c. Gernot Erler
etra Ernstberger
arin Evers-Meyer
abriele Fograscher
r. Edgar Franke

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(C (D agmar Freitag eter Friedrich igmar Gabriel ichael Gerdes artin Gerster is Gleicke lrike Gottschalck ngelika Graf erstin Griese ichael Groschek ichael Groß olfgang Gunkel ans-Joachim Hacker ettina Hagedorn laus Hagemann ichael Hartmann ubertus Heil olf Hempelmann r. Barbara Hendricks ustav Herzog abriele Hiller-Ohm rank Hofmann r. Eva Högl hristel Humme osip Juratovic liver Kaczmarek ohannes Kahrs r. h. c. Susanne Kastner lrich Kelber ars Klingbeil ans-Ulrich Klose r. Bärbel Kofler aniela Kolbe ritz Rudolf Körper nette Kramme icolette Kressl ngelika Krüger-Leißner te Kumpf hristine Lambrecht hristian Lange r. Karl Lauterbach teffen-Claudio Lemme urkhard Lischka abriele Lösekrug-Möller irsten Lühmann aren Marks atja Mast ilde Mattheis etra Merkel llrich Meßmer r. Matthias Miersch ranz Müntefering r. Rolf Mützenich anfred Nink homas Oppermann olger Ortel einz Paula ohannes Pflug oachim Poß r. Wilhelm Priesmeier lorian Pronold r. Sascha Raabe echthild Rawert erold Reichenbach r. Carola Reimann önke Rix ené Röspel r. Ernst Dieter Rossmann Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8631 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt )


(Wackernheim)


(A) )

Karin Roth (Esslingen)

Michael Roth (Heringen)

Marlene Rupprecht


(Tuchenbach)

Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)

Bernd Scheelen
Marianne Schieder


(Schwandorf)

Werner Schieder (Weiden)

Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Carsten Schneider (Erfurt)

Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine Aschenberg-

Dugnus
Daniel Bahr (Münster)

Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Joachim Günther (Plauen)

Dr. Christel Happach-Kasan

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irgit Homburger
r. Werner Hoyer
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r. Lutz Knopek
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r. Heinrich L. Kolb
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r. h. c. Jürgen Koppelin
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atrick Kurth (Kyffhäuser)

einz Lanfermann
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ars Lindemann
r. Martin Lindner (Berlin)

ichael Link (Heilbronn)

r. Erwin Lotter
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orst Meierhofer
atrick Meinhardt
abriele Molitor

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etra Müller (Aachen)

urkhardt Müller-Sönksen
r. Martin Neumann

(Lausitz)

irk Niebel
ornelia Pieper
isela Piltz
r. Birgit Reinemund
r. Peter Röhlinger
r. Stefan Ruppert
jörn Sänger
rank Schäffler
hristoph Schnurr

immy Schulz
arina Schuster
r. Erik Schweickert
erner Simmling

udith Skudelny
r. Hermann Otto Solms

oachim Spatz
r. Max Stadler
orsten Staffeldt
r. Rainer Stinner
tephan Thomae
lorian Toncar
erkan Tören
ohannes Vogel


(Lüdenscheid)

r. Daniel Volk
r. Guido Westerwelle
r. Claudia Winterstein
r. Volker Wissing
artfrid Wolff (Rems-Murr)


ÜNDNIS 90/
IE GRÜNEN
erstin Andreae
arieluise Beck (Bremen)


olker Beck (Köln)

ornelia Behm
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iola von Cramon-Taubadel
kin Deligöz
ans-Josef Fell
r. Thomas Gambke
ai Gehring
ritta Haßelmann
riska Hinz (Herborn)

lrike Höfken
ärbel Höhn

ngrid Hönlinger
hilo Hoppe
atja Keul
om Koenigs
liver Krischer
enate Künast
arkus Kurth
ndine Kurth (Quedlinburg)


erzy Montag
erstin Müller (Köln)

r. Konstantin von Notz
mid Nouripour
riedrich Ostendorff
rigitte Pothmer
abea Rößner
laudia Roth (Augsburg)

rista Sager
anuel Sarrazin

lisabeth Scharfenberg
hristine Scheel
r. Gerhard Schick
r. Frithjof Schmidt
arkus Tressel

ürgen Trittin
aniela Wagner
olfgang Wieland
r. Valerie Wilms

osef Philip Winkler

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altraud Wolff

(Wolmirstedt)


IE LINKE
an van Aken
gnes Alpers
erbert Behrens
arin Binder
atthias W. Birkwald
eidrun Bluhm
teffen Bockhahn
hristine Buchholz
r. Martina Bunge
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evim Dağdelen
r. Diether Dehm
eidrun Dittrich
erner Dreibus
r. Dagmar Enkelmann
laus Ernst
icole Gohlke
iana Golze
nnette Groth
r. Gregor Gysi
eike Hänsel
r. Rosemarie Hein

nge Höger

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(A) )

Nun setzen wir die Debatte fort. Das Wort hat die
Kollegin Inge Höger für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Inge Höger-Neuling (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707827100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit

15 Jahren ist die Bundeswehr in Bosnien-Herzegowina
präsent. Worum geht es bei diesem Einsatz im armen
Vorhof der Europäischen Union? Geht es um Sicherheit
und Frieden? Geht es um den Aufbau eines lebensfähi-
gen, demokratischen Rechtsstaates?

Die EU-Mission ALTHEA ist ein Musterbeispiel da-
für, dass Sicherheit und Frieden mit Militär nicht zu er-
reichen sind.


(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: In welchem Film waren Sie denn?)


Die beiden Landesteile Bosnien und Herzegowina sind
weiterhin tief gespalten. Die Korruption blüht. 30 Pro-
zent der Menschen leben in extremer Armut. Die Ar-
beitslosigkeit liegt bei 40 Prozent. Insbesondere junge
Menschen sind von Erwerbslosigkeit betroffen. Das Ein-
zige, was ALTHEA in Bosnien-Herzegowina teilweise
gelingt, ist die Privatisierung öffentlichen Eigentums.
Aber das Verkaufen öffentlichen Eigentums ist kein Re-
zept zur Bekämpfung von Armut, weder in Bosnien
noch anderswo.


(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Jetzt kommen Ihre Rezepte, Frau Höger! Jetzt wollen wir etwas hören!)


Die neoliberale europäische Agenda


(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Ah!)


löst die Probleme in Bosnien-Herzegowina nicht, sie
verschärft sie noch.


(Beifall bei der LINKEN)


Menschen in wirtschaftlicher Not sind häufig anfälliger
für nationalistische Feindbilder und Hetze gegen ver-
meintlich andere. Das gilt für die Bevölkerung in Bos-
nien-Herzegowina ebenso wie für die Menschen hier bei
uns in Deutschland.

Die Linke distanziert sich von jeder Form des Rassis-
mus und Nationalismus.


(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Aber nicht von Hetze! – Peter Beyer [CDU/CSU]: Die Gutmenschen!)


Solange die Armut in Bosnien-Herzegowina nicht nach-
haltig bekämpft wird, bleibt eine Abkehr vom Nationa-
lismus eine Illusion. In vielen osteuropäischen EU-Län-
dern bringt die gepriesene Freiheit des Kapitals mehr
soziale Spaltung und mehr Armut hervor, und sie führt
leider auch zur Stärkung nationalistischer, rechtsextre-
mistischer Parteien.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das war früher viel besser!)


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(C (D as ist der Pfad, auf den die ALTHEA-Mission Bosien-Herzegowina führen will. Die Linke spricht sich ehement gegen diese gefährliche Entwicklung aus. Durch die Präsenz der EU-Truppen wird das Land miitärisch, politisch und auch wirtschaftlich kontrolliert. er Balkan ist ein Übungsfeld für die neue EU-Militärnd Interessenpolitik. Es ist nicht zu übersehen, dass ierbei alte Traditionen kolonialer Herrschaft wieder ufleben, nd die Bundeswehr ist aktiv daran beteiligt. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Ihre Rede ist nicht zu ertragen! – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Das tut körperlich weh, was Sie hier abliefern! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


(Beifall bei der LINKEN)


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


Die geschichtliche Kontinuität wird in Bosnien-Her-
egowina besonders deutlich mit Blick auf den größten
ruppensteller, auf Österreich. Dieses Land schickt wie
eutschland nicht nur Soldatinnen und Soldaten, son-
ern auch Investoren. Seit Jahren konkurriert die Tele-
om Austria mit der serbischen Telekom um Marktan-
eile in Bosnien. Nicht nur die Menschen in diesem Land
ühlen sich dabei an die Zeiten des Habsburger Reichs
rinnert.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wer hat denn mit Milosevic verhandelt? – Zuruf von der FDP: Keine Ahnung von Geschichte!)


Einerseits wird Bosnien-Herzegowina durch die EU
ezwungen, bei Gesundheit und Sozialem massiv zu
paren. Andererseits wird das Land zu hohen Militäraus-
aben ermutigt. Um eng mit der NATO kooperieren und
rgendwann NATO-Mitglied werden zu können, gibt das
and viel zu viel Geld für Militär aus. 4,5 Prozent des
ruttoinlandsprodukts fließen in Ausbildung und Aus-

üstung des Militärs. Das ist im Verhältnis dreimal so
iel wie in Deutschland. Mit diesem Geld könnten Ar-
eitsplätze geschaffen, könnte Armut überwunden wer-
en.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Bundeswehr ist in Bosnien-Herzegowina nicht
eil der Lösung; sie ist Teil des Problems.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Ungeheuerlich ist das! Jetzt hören Sie aber auf!)


ie 7,7 Millionen Euro, die dieser Einsatz kostet, wären
n sozialen bosnischen Projekten viel besser aufgehoben.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke lehnt dieses Mandat ab.


(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Jetzt haben Sie den Abgang aber verdient!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8633


(A) )


)(B)


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707827200

Das Wort hat die Kollegin Marieluise Beck für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Plötzlich wieder ganz große Koalition!)


Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Manchmal möchte man sagen: Denn sie wissen nicht,
was sie tun – oder sprechen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Inge Höger [DIE LINKE]: Hauptsache, Sie wissen, was Sie tun!)


Ich habe einen Reisevorschlag für Sie, Frau Höger: Fah-
ren Sie doch einfach einmal nach Bosnien. Sprechen Sie
mit den Menschen, und fragen Sie sie einmal, wie ihr
Blick auf diesen Einsatz ist.


(Inge Höger [DIE LINKE]: Wir sprechen auch mit den Menschen!)


Bevor man den Vorgaben der CDU-Parteizentrale
folgt – jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Beyer – sollte
man einmal in der Geschichte zurückschauen:


(Peter Beyer [CDU/CSU]: Das kann ich Ihnen alles zeigen! Hier!)


Es war in den Jahren 1990 bis 1994 die kleine Gruppe
der Bürgerrechtler, die hier als Ost-Grüne die Grünen-
Fraktion vertreten haben – wir waren ja auf die Reser-
vebank getreten – und die ganz früh und durchaus nicht
unbedingt zum Gefallen von uns allen in der grünen Par-
tei Position für Bosnien bezogen haben. Damals wurde
in den Debatten die Situation auf dem Balkan verdrängt
– das geht an Sie, Herr Stinner; denn Sie waren damals
mit der CDU an der Regierung – und immer und immer
wieder ein friedenserhaltendes Mandat beschlossen. In
Bosnien gab es aber keinen Frieden mehr zu erhalten,
sondern dort tobte der offene Krieg, und 100 000 Men-
schen fielen der Verdrängung und dem Selbstbetrug, den
diese Regierung mitgemacht hat, zum Opfer. Hier kom-
men Sie nicht so einfach davon. Sie sollten sich hüten, in
dieser Frage auf dem hohen Ross zu sitzen. Es steht Ih-
nen einfach nicht zu.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sie recht hat, hat sie recht!)


Weil es innenpolitisch so stark drängt, dass wir end-
lich einmal vermelden können: „Jetzt ist ein Mandat
vollständig abgeschlossen“, Herr Stinner, sollten wir
eine Situation, die durchaus prekär und fragil ist, jedoch
nicht schönreden.

Der bosnische Präsident Izetbegovic hat dem Friedens-
implementierungsrat vor zwei Tagen sehr deutlich ge-
sagt, in welche Situation sein Land mit Dayton versetzt
wurde: Bei der Verankerung des Entitätenvetos in der als
Übergangsverfassung gedachten Verfassung wurde näm-

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(C (D ich noch davon ausgegangen, dass dann, wenn die Wafen schweigen, gemeinsam an einem Staat gebastelt ird. Jetzt stellt sich die Situation aber ganz anderes dar: ie eine Entität ist zu einer serbisch-homogenen Entität eworden, was so nie intendiert war; denn es ist immer on der Rückkehr der Flüchtlinge ausgegangen worden. iese Annahmen sind aber nicht eingetreten. Nun gibt es ine homogene Republik Srpska und damit ein geteiltes and, in dem ein Präsident – bisher Ministerpräsident – ber ein Entitätenveto immer und immer wieder destrukiv tätig werden kann und den Schlüssel in der Hand hat, u verhindern, dass es zu einem funktionsfähigen Geamtstaat kommt. Dafür trägt die westliche Staatengeeinschaft, die mit Herrn Milosevic und mit Herrn aradzic die Bosnier zu dem Vertrag von Dayton ge wungen hat, die Verantwortung. Wir können uns jetzt nicht vom Acker schleichen, err Stinner, nur weil Sie in Ihren Wahlkreisen sagen ollen: Das Mandat ist abgeschlossen, auf dem Balkan st alles in Ordnung. (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Nein, das stimmt nicht! – Zuruf von der LINKEN: Wie lange wollen Sie denn noch da bleiben?)


olange diese Instabilität besteht, muss in Bosnien eine
euerwehr vorgehalten werden. Dies gilt, bis es dort
ndlich – hoffentlich unter tätiger Mitwirkung des deut-
chen Außenministers und der europäischen Staaten; wo-
ei ich mir nur wünschen kann, dass diese vereint agieren
nd nicht getrennt, wie es bisher der Fall war – eine Ver-
assung gibt, die diesen Staat lebensfähig macht und den
erzeitigen fragilen Zustand beendet. Wir alle wissen
och, dass es nur einen Funken braucht, damit es wieder
u kleineren Konflikten und Krisen kommt, von denen
ir nicht wissen, welche Dynamik sie entwickeln könn-

en.

Wir müssen also Verantwortung übernehmen, und,
enn man so will, die Polizei muss vor Ort bleiben, bis
ieses Land eine Verfassung hat, die das friedliche Le-
en im Staat für alle gemeinsam möglich macht. Das ist
nser Vorschlag.

Schönen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707827300

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

lorian Hahn für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Florian Hahn (CSU):
Rede ID: ID1707827400

Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kolle-

en! Wenn wir Politiker über die Verlängerung eines
andats diskutieren, was den weiteren Einsatz deut-

cher Soldatinnen und Soldaten im Ausland zur Folge
at, denken die meisten an den Einsatz in Afghanistan.
eider erleben unsere Streitkräfte in den anderen Ein-

8634 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Florian Hahn


(A) )


)(B)

satzgebieten nicht dieselbe Aufmerksamkeit. Aber auch
sie erledigen ihre Aufgabe hervorragend, oft unter
schwierigen Rahmenbedingungen. Das bedarf ausdrück-
lich unserer Anerkennung. Ich möchte deshalb die Gele-
genheit nutzen, allen Soldatinnen und Soldaten, aber
auch den Polizeikräften, den zivilen Helfern und den Di-
plomaten im Einsatz für ihren Mut und für ihr Engage-
ment zu danken und ihnen weiterhin Gottes Segen zu
wünschen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Das Einzige, was Ihnen einfällt! Zu Ihnen, Frau Höger: Die Qualität Ihres Beitrages ist selbst mit der vorweihnachtlich gebotenen Milde kaum zu ertragen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, es ist schon Advent! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist bald Nikolaus! – Dr. Rainer Stinner [FDP]: Welche Qualität? – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Raten Sie einmal, wie es uns geht, wenn Sie reden!)


Schon letztes Jahr in der Debatte über diese Mandatsver-
längerung wurden Sie, die Linken, aufgefordert, sich mit
der Geschichte dieser Region, beispielsweise mit dem
Überfall auf die Stadt Vukovar und dem Genozid in Sre-
brenica zu beschäftigen. Nach Ihrer Einlassung heute,
die uns einmal mehr fassungslos machen muss, wird
deutlich, dass Sie sich weigern, der Geschichte ins Ge-
sicht zu sehen. Wenn ich noch den Blick auf den Tages-
spiegel von gestern werfen darf: Gegenüber dieser Zei-
tung hat sich Ihre Partei nicht einmal davor gescheut,
deutsche Soldaten als Mörder zu bezeichnen. Auch das
finde ich – ich drücke es milde aus – reichlich unange-
bracht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der westliche Balkan und insbesondere Bosnien und
Herzegowina gehören zu den wichtigsten Betätigungs-
feldern der deutschen Diplomatie. Die Region grenzt in
allen Himmelsrichtungen an die EU und hat die EU-Per-
spektive zudem von uns und unseren Partnern fest zuge-
sagt bekommen. Seit April dieses Jahres nimmt Bosnien
und Herzegowina am Membership Action Plan der
NATO teil. Deutschland hat hohes Interesse daran, dass
die Region mit bi- und multilateraler Hilfe langfristig
und nachhaltig stabilisiert wird, damit sich Zukunftsper-
spektiven, Wohlstand und Demokratie weiter entwickeln
können. Das ist die Voraussetzung dafür, dass ethnische
Auseinandersetzungen irgendwann hoffentlich für im-
mer der Vergangenheit angehören können.

Die Stabilisierung dieser Region liegt aber auch in
unserem ureigenen deutschen Interesse. Deshalb müssen
wir den Staaten des Westbalkans eine Beitrittsperspek-
tive zur EU geben. Langfristiger Frieden, Stabilität und
Wohlstand sorgen nicht zuletzt dafür, dass es für den in-
ternationalen Terrorismus keinen Nährboden in Europa
geben kann. Deutschland war und ist auf dem Balkan ein

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(C (D ichtiger, verantwortungsvoller und vor allem zuverläsiger Akteur, dem alle Seiten Vertrauen entgegenbrinen. Damit das auch in Zukunft so bleibt, müssen wir ieses Mandat verlängern. Es ist in der letzten Woche an dieser Stelle, unter anerem vom Kollegen Mißfelder, schon vorgetragen woren: Die Politik in Bosnien und Herzegowina ist vielfach lockiert. Aus unserer Sicht gibt es zu viel Stagnation nd zu wenig Fortschritt. Die Wahlen in Bosnien und erzegowina sind nun fast zwei Monate her. Die Regie ungsbildung ist in vollem Gange. Wichtigstes Ziel muss abei sein, dass sich die Akteure auf einen breiten Konens für den europäischen Weg einigen. Die neue Regierung muss dann schleunigst die längst berfälligen Verfassungsreformen angehen. Hier bitte ch vehement darum, Partikularinteressen hinten anzutellen und die Reformen endlich eigenverantwortlich zu inem guten Ende zu bringen. Diesen Beitrag erwarten ir vonseiten Bosniens und Herzegowinas ausdrücklich. ALTHEA hat dafür gesorgt, dass Bosnien und Herzeowina heutzutage militärisch so gut wie befriedet ist. ie Lage, die ich dort bei meinem ersten Besuch 2003 orfand, hat sich seither drastisch verbessert. Doch der rozess muss weitergehen und langfristig abgesichert erden. Deshalb halte ich die beabsichtigte schrittweise mwandlung ALTHEAS von einer exekutiven in eine usbildungsmission unter entsprechendem Rückzug aus er Fläche und vorsichtiger Reduzierung der Mannstärke n den nächsten Monaten grundsätzlich für richtig. Bosien und Herzegowina braucht für eine chancenreiche ukunft dringend weitere Erfolge. Mit einer Mandatserlängerung werden wir auch künftig dazu beitragen, ass das Land diese Erfolge realisieren kann. Kolleginnen und Kollegen, Bosnien-Herzegowina ist uch ein Beispiel dafür, wie sich die EU seit Mitte der 0er-Jahre verändert hat. Die EU, damals noch die EG, tand dem Ausbruch des Bosnien-Krieges noch weitgeend hilflos gegenüber. Ihr fehlten die Foren zur Abstimung; ihr fehlten auch die entsprechenden außenund si herheitspolitischen Instrumente. Heute ist ALTHEA als inzige Operation gemäß Berlin-Plus-Vereinbarung, unr EU-Führung und mit Rückgriff auf NATO-Fähigkei en aktiv. Sie hat damit auch Vorbildcharakter. Deshalb ollte Deutschland durch seine Beteiligung an der Opeation, wie von der Regierung vorgeschlagen, weiterhin onkret mitwirken. In diesem Sinne bitte ich Sie noch einmal um die Verängerung des Mandats und bedanke mich für Ihre Auf erksamkeit. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zur Abstimmung über die Bechlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu em Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der eteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8635 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707827500

(A) )

EU-geführten Operation ALTHEA. Der Ausschuss emp-
fiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 17/4049, den Antrag der Bundesregierung auf
Drucksache 17/3692 anzunehmen. Über diese Be-
schlussempfehlung stimmen wir nun namentlich ab.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze an den Urnen einzunehmen.

Sind alle Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der
Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.

Sind noch Kolleginnen oder Kollegen im Saal, die
ihre Stimmkarte nicht abgegeben haben? – Das ist nicht
der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Das Ergeb-
nis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gege-
ben.1)

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 17/4068. Wer stimmt für diesen Ent-
schließungsantrag? – Wer ist dagegen? – Wer enthält
sich? – Für den Entschließungsantrag haben gestimmt
die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen. Dagegen haben gestimmt die Koalitions-
fraktionen, die SPD-Fraktion und die Fraktion Die
Linke. Enthaltungen gab es keine.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

– Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)


Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deut-
scher Streitkräfte bei der Unterstützung der
gemeinsamen Reaktion auf terroristische An-
griffe gegen die USA auf Grundlage des Arti-
kels 51 der Satzung der Vereinten Nationen
und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrags
sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373

(2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Natio-

nen

– Drucksachen 17/3690, 17/4050 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Philipp Mißfelder
Dr. Rolf Mützenich
Dr. Rainer Stinner
Wolfgang Gehrcke
Dr. Frithjof Schmidt

– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung

– Drucksache 17/4057 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Klaus Brandner
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Michael Leutert
Sven-Christian Kindler

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M1) Ergebnis Seite 8636 D

(C (D Über die Beschlussempfehlung werden wir später naentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich sehe, amit sind Sie einverstanden. Dann werden wir so verahren. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der ollege Joachim Spatz für die FDP-Fraktion das Wort. Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol egen! Wir haben bei den letzten beiden Mandatsdebaten eine breite Mehrheit der – ich sage es einmal so – ernünftigen Kräfte dieses Hauses erleben dürfen. Leier zeichnet sich bei diesem Mandat etwas ab, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil es unvernünftig ist!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Joachim Spatz (FDP):
Rede ID: ID1707827600

as es eigentlich nicht geben sollte, nämlich, dass, an
ormalien aufgehängt, SPD und Grüne angekündigt ha-
en, diesem Mandat nicht zuzustimmen.

Da rentiert sich schon ein Blick auf die rechtliche
rundlage. Es wurde ja argumentiert, dass mit immer
eiterer zeitlicher Entfernung der terroristischen An-
riffe auf New York und Washington im Jahr 2001 die
egitimation immer schwächer würde. Dazu kann man
ur sagen: Es mag vielleicht eine Argumentationslinie
eben, anhand derer man rechtlich in diese Richtung ar-
umentiert, aber wie bei vielen juristischen Fragen ist
och auch hier zu klären, wer letztendlich entscheidet,
as gilt. Dabei muss man schon zur Kenntnis nehmen,
ass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auch in
iesem Jahr, am 13. Oktober, seine Meinung geäußert
nd festgestellt hat, dass die rechtliche Grundlage wei-
erhin gilt. Ich denke, das ist das entscheidende Gre-

ium bei diesen Fragen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Im Übrigen darf darauf hingewiesen werden, dass
ich auch die NATO auf ihrer jüngsten Konferenz in Lis-
abon ausweislich des Schlussdokumentes unwiderspro-
hen zu diesem Einsatz bekannt hat. Das heißt, zu argu-
entieren, es gebe keine rechtlichen Grundlagen mehr,

st nicht einschlägig.

Nichtsdestoweniger sagen wir Ihnen zu, dass wir ge-
auso wie bei OEF daran arbeiten werden, dass dieses
andat eine andere Struktur erhält, und zwar aus politi-

chen Gründen, weil zwar nicht rechtlich, aber natürlich
olitisch zur Kenntnis zu nehmen ist, dass 9/11 schon ei-
ige Zeit her ist. Deshalb werden wir versuchen, dieses
andat in ein Standing Defense Program zu überführen.
ie Standing NATO Maritime Groups, die im Mittel-
eer operieren, können dafür die Basis sein. Genauso
ie wir das bei OEF eingehalten haben, werden wir das
davon können Sie ausgehen – auch hier einhalten.

Kollege Groschek, ich finde es schon ein bisschen
utig, der Regierung vorzuwerfen: Na ja, beim letzten
al habt ihr noch ein Jahr für OEF beantragt und es

8636 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Joachim Spatz


(A) )


)(B)


stimmung mit den NATO-Partnern. schieden. Nutzen Sie diesen billigen Vorwand nicht, son-
[FDP] und Michael Groschek [SPD])

So kann man das machen, und so sollten wir das ma-
chen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Was den Inhalt der Mission angeht, ist im Übrigen
schon festzustellen: Auch das Mittelmeer als eine der
Hauptadern des internationalen Verkehrs – des Seever-
kehrs natürlich –, ist einer der Hauptangriffspunkte ter-
roristischer Kräfte. Nur dadurch, dass dort noch nichts
passiert ist, wird natürlich in überhaupt keiner Weise be-
gründet, dass unsere deutsche Marine durch ihre Präsenz
nicht auch einen entsprechenden Beitrag dazu geleistet
hat.

Weil die Mandatsobergrenze von 700 Soldatinnen
und Soldaten kritisiert worden ist, sei einmal darauf hin-
gewiesen, dass wir noch im Mai dieses Jahres 578 Sol-
daten für die entsprechenden Schiffseinheiten, die dort
eben präsent waren, gebraucht haben. Diese Obergrenze
ist also keinesfalls Teil eines Vorratsbeschlusses, son-

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Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 562;
davon

ja: 498
nein: 58
enthalten: 6

Ja

CDU/CSU

Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle

Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen


(Bönstrup)

Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt

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(D em Hintergrund der Aussagen, die ich gemacht habe, icht doch zustimmen können. (Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Sehr richtig! – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben wohl das Mandat nicht richtig gelesen! Lesen bildet!)


Danke schön.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707827700

Ich gebe Ihnen zunächst das von den Schriftführerin-

en und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentli-
hen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des
uswärtigen Ausschusses zum Antrag der Bundesregie-

ung auf Drucksache 17/3692: „Fortsetzung der Beteili-
ung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-ge-
ührten Operation ‚ALTHEA‘“, bekannt: abgegebene
timmen 562. Mit Ja haben gestimmt 498, mit Nein 58.
s gab 6 Enthaltungen. Die Beschlussempfehlung ist da-
it angenommen.

r. Ralf Brauksiepe
r. Helge Braun
eike Brehmer
alph Brinkhaus
itta Connemann
eo Dautzenberg
lexander Dobrindt
homas Dörflinger
arie-Luise Dött
r. Thomas Feist
nak Ferlemann

ngrid Fischbach
artwig Fischer (Göttingen)

irk Fischer (Hamburg)


(KarlsruheLand)

r. Maria Flachsbarth

Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold

(Beifall der Abg. Burkhardt Müller-Sönksen dern überlegen Sie noch einmal, ob Sie dem Mandat vor schon nach einem halben Jahr a Damen und Herren, ich finde e benswert, dass man nicht das g um die entsprechenden Maßn dern es schneller geschafft hat. Eines ist doch auch klar: Wir leingang. Als verlässliche Part sind wir natürlich gehalten, da mung mit den NATO-Partnern sem Jahr beim Summit in Lissa liche Dinge zu diskutieren ge Rechtsform von Active Endeav ten Fokus der Diskussion gerü uns das vielleicht schon dieses es der Regierung ruhig zu – wir die entsprechende Überführung mission umgesetzt wird, aber uslaufen lassen. – Meine s bemerkenswert und loanze Jahr gebraucht hat, ahmen umzusetzen, son machen das nicht im Alner innerhalb der NATO s in großer Übereinstimzu machen. Wenn in diebon nicht andere wesentwesen wären, sodass die our nicht in den absolu ckt werden konnte, wäre Mal gelungen. Trauen Sie tun das jedenfalls –, dass in eine ständige Einsatzeben in großer Überein d s s t c w a w a l T m a n r ern der jetzigen Situation a elbstverständlich keine Auswe ene und notwendige Obergren en. Zu den Aufgaben: Wenn Sie he Aufgaben die Bundesweh ahrnimmt, dann sehen Sie, d postrophiert haben, einfach nu urden. Vielmehr hat die Bund ngemessen zu überwachen, Pr iche defensive Dinge zu tun, ätigkeiten im Zusammenhang In diesem Sinne wünsche ic ente, die Sie das letzte Mal ls Vorwand benutzen – diesem icht aussetzen –, um sich hier er, die es eigentlich für vern (Cngemessen. Wir wollen itung, aber die angemesze wollen wir beibehal sich genau ansehen, welr innerhalb des Mandats ass diese nicht, wie Sie r aus OEF abgeschrieben eswehr dort die Aufgabe, äsenz zu zeigen und ähnwas eben nichts mit den von OEF zu tun hat. h mir, dass Sie die Arguvorgebracht haben, nicht Vorwurf sollten Sie sich aus der Gemeinschaft deünftig halten, zu verab Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8637 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt )


(A) )

Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr

zu Guttenberg
Olav Gutting
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Mechthild Heil
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Anette Hübinger
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung (Konstanz)

Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster

(Villingen Schwenningen)

Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Eckart von Klaeden
Ewa Klamt
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Kristina Schröder
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers


(Heidelberg)

Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange

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r. Max Lehmer
aul Lehrieder
r. Ursula von der Leyen
gbert Liebing
atthias Lietz
r. Carsten Linnemann
atricia Lips
r. Jan-Marco Luczak
r. Michael Luther
arin Maag
r. Thomas de Maizière
ans-Georg von der Marwitz
ndreas Mattfeldt
tephan Mayer (Altötting)

r. Michael Meister
aria Michalk
r. h. c. Hans Michelbach
r. Mathias Middelberg
hilipp Mißfelder
ietrich Monstadt
arlene Mortler
r. Gerd Müller
tefan Müller (Erlangen)

adine Schön (St. Wendel)

r. Philipp Murmann
ernd Neumann (Bremen)

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r. Georg Nüßlein
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duard Oswald
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r. Michael Paul
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r. Joachim Pfeiffer
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uprecht Polenz
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ckhardt Rehberg
atherina Reiche (Potsdam)

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osef Rief
laus Riegert
r. Heinz Riesenhuber

ohannes Röring
r. Christian Ruck
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lbert Rupprecht (Weiden)

nita Schäfer (Saalstadt)

r. Wolfgang Schäuble
r. Andreas Scheuer
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hristian Schmidt (Fürth)

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r. Ole Schröder
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(Weil am Rhein)

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ohannes Selle

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einhold Sendker
r. Patrick Sensburg
ernd Siebert
homas Silberhorn
ohannes Singhammer
ens Spahn
arola Stauche
r. Frank Steffel
rika Steinbach
hristian Freiherr von Stetten
ieter Stier
ero Storjohann
tephan Stracke
ax Straubinger
arin Strenz
homas Strobl (Heilbronn)

ena Strothmann
ichael Stübgen
r. Peter Tauber
ntje Tillmann
r. Hans-Peter Uhl
rnold Vaatz
olkmar Vogel (Kleinsaara)

tefanie Vogelsang
ndrea Astrid Voßhoff
arco Wanderwitz
ai Wegner
arcus Weinberg (Hamburg)


eter Weiß (Emmendingen)

abine Weiss (Wesel I)

ngo Wellenreuther
arl-Georg Wellmann
eter Wichtel
nnette Widmann-Mauz
laus-Peter Willsch
lisabeth Winkelmeier-
Becker
agmar Wöhrl
r. Matthias Zimmer
olfgang Zöller
illi Zylajew

PD

ngrid Arndt-Brauer
ainer Arnold
einz-Joachim Barchmann
r. Hans-Peter Bartels
laus Barthel
ören Bartol
ärbel Bas
irk Becker
we Beckmeyer
othar Binding (Heidelberg)

erd Bollmann
laus Brandner
illi Brase
ernhard Brinkmann

(Hildesheim)


delgard Bulmahn
lla Burchardt
artin Burkert

etra Crone
r. Peter Danckert
artin Dörmann

lvira Drobinski-Weiß
arrelt Duin
ebastian Edathy
iegmund Ehrmann

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(C (D r. h. c. Gernot Erler etra Ernstberger arin Evers-Meyer abriele Fograscher r. Edgar Franke agmar Freitag eter Friedrich igmar Gabriel artin Gerster is Gleicke lrike Gottschalck ngelika Graf erstin Griese ichael Groschek ichael Groß olfgang Gunkel ans-Joachim Hacker ettina Hagedorn laus Hagemann ichael Hartmann ubertus Heil olf Hempelmann r. Barbara Hendricks ustav Herzog abriele Hiller-Ohm rank Hofmann r. Eva Högl hristel Humme osip Juratovic liver Kaczmarek ohannes Kahrs r. h. c. Susanne Kastner lrich Kelber ars Klingbeil r. Bärbel Kofler aniela Kolbe ritz Rudolf Körper nette Kramme icolette Kressl ngelika Krüger-Leißner hristine Lambrecht hristian Lange r. Karl Lauterbach teffen-Claudio Lemme urkhard Lischka abriele Lösekrug-Möller irsten Lühmann aren Marks atja Mast ilde Mattheis etra Merkel llrich Meßmer r. Matthias Miersch ranz Müntefering r. Rolf Mützenich anfred Nink homas Oppermann olger Ortel einz Paula ohannes Pflug oachim Poß r. Wilhelm Priesmeier lorian Pronold r. Sascha Raabe echthild Rawert erold Reichenbach r. Carola Reimann 8638 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt )


(Wackernheim)


(A) )

Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)

Michael Roth (Heringen)

Marlene Rupprecht


(Tuchenbach)

Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)

Bernd Scheelen
Marianne Schieder


(Schwandorf)

Werner Schieder (Weiden)

Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Carsten Schneider (Erfurt)

Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

FDP

Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Christine Aschenberg-

Dugnus
Daniel Bahr (Münster)

Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Sylvia Canel
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Dr. Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke

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r. Edmund Peter Geisen
r. Wolfgang Gerhardt
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oachim Günther (Plauen)

r. Christel Happach-Kasan
einz-Peter Haustein
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lke Hoff
irgit Homburger
r. Werner Hoyer
einer Kamp
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r. Lutz Knopek
ascal Kober
r. Heinrich L. Kolb
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r. h. c. Jürgen Koppelin
ebastian Körber
olger Krestel
atrick Kurth (Kyffhäuser)

einz Lanfermann
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r. Martin Lindner (Berlin)

ichael Link (Heilbronn)

r. Erwin Lotter
liver Luksic
orst Meierhofer
atrick Meinhardt
abriele Molitor

an Mücke
etra Müller (Aachen)

urkhardt Müller-Sönksen
r. Martin Neumann

(Lausitz)

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ornelia Pieper
isela Piltz
r. Birgit Reinemund
r. Peter Röhlinger
r. Stefan Ruppert
jörn Sänger
rank Schäffler
hristoph Schnurr

immy Schulz
arina Schuster
r. Erik Schweickert
erner Simmling

udith Skudelny
r. Hermann Otto Solms

oachim Spatz
r. Max Stadler
orsten Staffeldt
r. Rainer Stinner
tephan Thomae
lorian Toncar
erkan Tören
ohannes Vogel


(Lüdenscheid)

r. Daniel Volk
r. Guido Westerwelle
r. Claudia Winterstein
r. Volker Wissing
artfrid Wolff (Rems-Murr)


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ÜNDNIS 90/
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iola von Cramon-Taubadel
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ans-Josef Fell
r. Thomas Gambke
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ritta Haßelmann
ettina Herlitzius
riska Hinz (Herborn)

lrike Höfken
ärbel Höhn

ngrid Hönlinger
hilo Hoppe
we Kekeritz
atja Keul
emet Kilic

ven-Christian Kindler
aria Klein-Schmeink
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om Koenigs
liver Krischer
gnes Krumwiede
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enate Künast
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ndine Kurth (Quedlinburg)

gnes Malczak

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erstin Müller (Köln)

r. Konstantin von Notz
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r. Hermann Ott
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rigitte Pothmer
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laudia Roth (Augsburg)

rista Sager
anuel Sarrazin

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hristine Scheel
r. Gerhard Schick
r. Frithjof Schmidt
orothea Steiner
r. Harald Terpe
arkus Tressel

ürgen Trittin
aniela Wagner
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r. Valerie Wilms

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(C (D teffen Bockhahn hristine Buchholz r. Martina Bunge oland Claus evim Dagğelen r. Diether Dehm eidrun Dittrich erner Dreibus r. Dagmar Enkelmann laus Ernst icole Gohlke iana Golze nnette Groth r. Gregor Gysi eike Hänsel r. Rosemarie Hein ge Höger r. Barbara Höll ndrej Hunko lla Jelpke r. Lukrezia Jochimsen atja Kipping arald Koch aren Lay alph Lenkert ichael Leutert tefan Liebich r. Gesine Lötzsch homas Lutze lrich Maurer orothee Menzner ornelia Möhring iema Movassat olfgang Nešković homas Nord ichard Pitterle vonne Ploetz grid Remmers aul Schäfer ichael Schlecht r. Ilja Seifert athrin Senger-Schäfer abine Stüber lexander Süßmair r. Kirsten Tackmann r. Axel Troost lexander Ulrich athrin Vogler ohanna Voß arald Weinberg atrin Werner örn Wunderlich abine Zimmermann nthalten PD etra Hinz ÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN infried Hermann onika Lazar eate Müller-Gemmeke r. Wolfgang StrengmannKuhn ans-Christian Ströbele Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8639 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt )


(A) )

Jetzt erteile ich dem Kollegen Dr. Rolf Mützenich für
die SPD-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1707827800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Um es vorab klarzustellen: Unter bestimmten
Umständen kann es richtig sein, im Sinne von Aufklä-
rung, Überwachung und Kontrolle im Mittelmer militä-
risch präsent zu sein. Das war vor dem 11. September
2001 so gewesen, und das wird auch in Zukunft so sein.

Nur, Herr Spatz, genau das ist das Problem: Sie füh-
ren diesem Mandat, dieser Aufgabe das Motiv eines
Antiterrorkampfes zu, der im Grunde genommen über-
haupt nicht das hergibt, was Sie letztendlich mit diesem
Mandat – ich erwähne beispielsweise die Einheiten, die
Sie zur Verfügung stellen – bezwecken. Damit schaffen
Sie hier ein neues Mandat, Herr Außenminister. Aus
meiner Sicht hätten Sie versuchen sollen, vorher mit der
Opposition darüber zu reden, wie dieses ausgestaltet und
begründet werden könnte. Ich erinnere an die Diskus-
sion, die der Deutsche Bundestag hier vor einigen Jahren
geführt hat. Herr Spatz hat dagegen versucht, konkrete
Aussagen zur Begründung zu umschiffen. Somit muss
ich Ihnen sagen, Herr Bundesaußenminister: Das war
kein gutes Gesellenstück der Bundesregierung. Denn Sie
haben ein neues Mandat geschaffen, und Sie haben die
Opposition wissentlich von der Möglichkeit, an dieser
Mandatierung mitzuwirken, ausgeschlossen.


(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)


Der Widerspruch wird ja schon daran deutlich, dass
Sie für dieses Mandat – und darauf haben Sie im Grunde
genommen gerade auch hingewiesen – offensichtlich gar
nicht die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen.
Sie von der FDP haben jedoch, als wir vor einigen Jah-
ren das Parlamentsbeteiligungsgesetz diskutiert haben,
stets Mandatsklarheit und Mandatswahrheit gefordert.
Beides ist bei diesem Mandat aber nicht gegeben. Sie er-
öffnen damit eine Diskussion über das Mandat. Das ist
der große Fehler, den die Bundesregierung heute hier zu
verantworten hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich glaube, es ist doch ganz offensichtlich, dass die
rechtliche Ableitung fragwürdig ist; es wird ja das wie-
der aufgenommen, was Sie bei OEF – aus meiner Sicht
zu Recht – kritisiert haben. Der Kollege Hoyer hat im
Jahre 2007, als wir hier im Deutschen Bundestag da-
rüber diskutiert haben, zum Beispiel gesagt: Wir müssen
aufpassen, dass wir in den Mandaten nicht immer das
Selbstverteidigungsrecht anführen. Denn damit machen
wir es wertlos.


(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)


Genau dieses Argument haben Sie aber in die Debatte
eingeführt, und das ist auch einer der Gründe, warum wir
diesem Mandat nicht zustimmen können.

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(C (D ch glaube, das ist sehr realistisch, und ich finde, die Kolitionskoalitionen tragen die Verantwortung dafür, dass ieses Problem im Rahmen der Debatte, insbesondere uch gestern im Ausschuss, nicht gelöst worden ist. Daher muss ich Ihnen sagen: Das ist keine politische ogik. Denn auf der einen Seite sagen Sie, dass dieses elbstverteidigungsrecht, dieser Bündnisfall nicht mehr ür OEF gilt. Auf der anderen Seite bringen Sie es aber ür das neue Mandat OAE in die Debatte wieder ein. Das alte ich wirklich für leichtfertig. Das ist keine gute Areit, die die Bundesregierung hier gezeigt hat. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Als Sie in der Regierung waren, haben Sie zugestimmt!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Gestern haben wir im Ausschuss – das war, glaube
ch, auch für Sie sehr überraschend, Herr Bundesaußen-
inister – eine sehr lange Debatte über dieses Mandat

eführt. Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie diese De-
atte mit uns geführt haben. Es hat mich aber gewundert,
ass Sie plötzlich die Resolution 1943 des Sicherheits-
ats wieder so massiv in die Debatte eingeführt haben.
ie findet sich in Ihrem Antrag sozusagen nur als Rand-
otiz auf Seite 3 ganz unten, und plötzlich wird sie zur
egitimationsgrundlage. Sie verschweigen aber, dass die
esolution des Sicherheitsrates ausdrücklich das ISAF-
andat in Afghanistan unterstützt; OEF hat auch einen

fghanischen Teil. Dass Sie diese Unklarheit auch heute
och in der Debatte zulassen, ist, finde ich, ein großer
issgriff, was diesem Mandat überhaupt nicht gerecht
ird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Kommen wir zu den Aktivitäten. Das haben Sie uns
estern sehr eindrücklich vor Augen geführt: Seit 2004
st zwischen dem Mandat für OEF damals und diesem

andat, das Sie sozusagen als neues Mandat erfunden
aben, keine Aktivität mehr erfolgt. Sie haben keine Ein-
ätze mehr durchgeführt. Das, was Sie gemacht haben,
aren eher Transitfahrten. Wenn Sie in die Straße von
ibraltar eingefahren sind, dann haben Sie das Mandat

ozusagen umgewidmet.

Aus der Unterrichtung des Parlaments geht hervor,
ass die 16 Aktionen in letzter Zeit eben nicht mit deut-
cher Beteiligung erfolgt sind. Insofern können Sie Ihre
egründung nicht im Deutschen Bundestag vertreten.

ch finde, Sie haben wissentlich sowohl das Völkerrecht
edehnt als auch das Parlament nicht mit der notwendi-
en Mandatswahrheit und -klarheit informiert, wie es
otwendig gewesen wäre.

Kollege Spatz, Sie haben gesagt, es sei kein Problem,
ass ein Personaleinsatz von 700 Soldatinnen und Solda-
en gefordert wird; denn es seien schon früher insgesamt
00 eingesetzt worden. Ich finde, so kann man keine
olitik machen. Sie können nicht einfach sagen: OEF
asst nicht mehr. Damals hat die Personalstärke bei bei-
en Mandaten zusammen 700 betragen, und plötzlich

8640 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Dr. Rolf Mützenich


(A) )


)(B)

werden für die Operation Active Endeavour alleine
700 Soldatinnen und Soldaten für notwendig gehalten.
Ich finde es sehr willkürlich, wie Sie dieses Vorgehen in
Ihrem Mandat beschreiben.

Ich glaube, Sie haben einfach nur abgeschrieben. Sie
haben sich keine Mühe gemacht, länger über das Mandat
nachzudenken, und Sie haben die anderen Bundestags-
fraktionen, die Sie eigentlich gerne dabei haben wollen,
nicht ausreichend mit einbezogen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Für die FDP-Fraktion sehen Sie jetzt einen möglichen
Ausweg darin, demnächst wieder den NATO-Hut aufzu-
setzen. Warum haben Sie das nicht sofort gemacht?
Dann müssten Sie aber hier sagen, dass Sie es nicht ge-
schafft haben bzw. dass Sie diese Debatte geführt haben,
aber dass Ihnen niemand gefolgt ist. Zur Wahrheit und
Klarheit gehört auch, zuzugeben, dass Sie nicht nur kein
gutes Gesellenstück abgeliefert haben, sondern dass Sie
sich möglicherweise auch in den NATO-Gremien poli-
tisch nicht durchgesetzt haben. Ich finde, darüber müss-
ten Sie dem Deutschen Bundestag genauso Rechenschaft
ablegen, wie es auch im Hinblick auf das Völkerrecht
notwendig ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Angesichts der Vielzahl von Unklarheiten und Wider-
sprüchen in dem Mandat und angesichts der mangelnden
völkerrechtlichen Grundlagen müssen wir als SPD-Frak-
tion dieses Mandat ablehnen. Wir tun das aus Überzeu-
gung und haben das gestern im Auswärtigen Ausschuss
ausführlich begründet.

Herr Bundesaußenminister, ich kann Sie mit Blick auf
zukünftige Mandate nur nachdrücklich darum bitten, die
Opposition früher in diese Mandate einzubinden und mit
uns darüber zu reden, damit Sie den Konsens, den Sie
angeblich mit dem gesamten Deutschen Bundestag er-
zielen wollen, möglicherweise auch für weitere Mandate
erreichen.

Ganz herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707827900

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Wolfgang Götzer

für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Wolfgang Götzer (CSU):
Rede ID: ID1707828000

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Man muss vielleicht erst einmal ein paar Punkte
sachlich klarstellen, was dieses Thema angeht. Die Ope-
ration Active Endeavour stellt den gemeinsamen Beitrag
des NATO-Bündnisses als Reaktion auf terroristische
Angriffe dar. OAE erfolgt völkerrechtlich auf der Grund-
lage des Art. 51 der VN-Charta, der das naturgegebene

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(C (D echt zur individuellen und kollektiven Selbstverteidiung gegen einen Angriff anerkennt. Der VN-Sicherheitsrat stellte mit Resolution vom 2. September 2001 fest, dass terroristische Anschläge ie die vom 11. September 2001 eine Bedrohung des eltfriedens und einen Angriff auf die internationale Si herheit darstellen. Da der Angriff vom 11. September 2001 von außeralb der USA erfolgt ist, trat der Bündnisfall nach Art. 5 ATO-Vertrag ein. Daraus resultiert bekanntlich eine ündnisverpflichtung der übrigen Bündnispartner. Die er Verpflichtung dürfen wir uns nicht entziehen. Dass der Angriff auf die internationale Sicherheit icht mit den Anschlägen vom 11. September 2001 bendet war, erleben wir bis heute in trauriger Realität. Beonders deutlich wird uns dies in diesen Tagen angeichts der konkreten Terrorwarnungen bei uns in eutschland vor Augen geführt. Die fortbestehende globale und zeitlich nicht einrenzbare Bedrohung durch den internationalen Terroismus erfordert auch weiterhin entsprechende militäriche Vorkehrungen. Vor diesem Hintergrund und ngesichts des Charakters der global agierenden Terroisten ist unsere Beteiligung an OAE nach wie vor ein ichtiger Beitrag zur nationalen Sicherheitsvorsorge nd zur Bündnisverteidigung. National fanden sich die Beteiligungen an der Operaion Active Endeavour und an der Operation Enduring reedom bisher in einem gemeinsamen Bundestagsmanat. Da einerseits die deutsche Beteiligung an OEF beenet wurde, wir andererseits aber eine Fortsetzung des beeits mandatierten OAE-Einsatzes für notwendig halten, st nunmehr ein eigenständiges Mandat zu OAE erforerlich. Bei dem vorliegenden und heute zur Abstimung stehenden Antrag handelt es sich somit um die ortschreibung des erstmals im Jahr 2003 erteilten Bunestagsmandats zu OAE. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Rahmenbeingungen der terroristischen Bedrohung und deren Beämpfung haben sich seit der erstmaligen Verlängerung m Jahr 2003 nicht grundlegend geändert. Deshalb ist er Antrag auf Verlängerung von OAE ausreichend und uch richtig begründet. Die OAE hat zum Ziel, einen Beitrag dazu zu leisten, ührungsund Ausbildungseinrichtungen von Terroris en auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangen u nehmen und vor Gericht zu stellen. Um dies zu eröglichen, muss Präsenz auf See gezeigt werden. Es üssen Aufklärung, Überwachung und Lagebilderstel ung auf und über See stattfinden sowie ein intensiver ustausch und Abgleich gewonnener Lagebildinforma ionen mit weiteren Akteuren im Rahmen des Auftrags rfolgen. Außerdem ist eine Kontrolle des Seeverkehrs rforderlich. Dies alles beschreibt sehr genau, worum es ei der Operation geht. OAE sieht des Weiteren im Falle einer Lageverschärung den Schutz ausgewählter Schiffe und Einrichtungen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8641 Dr. Wolfgang Götzer )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(A) )

sowie gegebenenfalls das direkte Vorgehen gegen Terro-
risten vor. Die deutschen Streitkräfte leisten ihren Bei-
trag im Rahmen der Lagebilderstellung und nehmen im
Bedarfsfall auch Schutzaufgaben wahr.

Auch nach der Abtrennung der Operation Active En-
deavour von der Operation Enduring Freedom sieht der
Aktionsplan nach wie vor exekutive Befugnisse sowie
die Durchsetzung mit militärischer Gewalt vor. Deshalb
stellt die Operation einen bewaffneten Einsatz im Sinne
des Parlamentsbeteiligungsgesetzes dar. Aus diesem
Grunde haben wir heute darüber abzustimmen.

In der jüngsten Vergangenheit konnten Angriffe ge-
gen den Luftverkehr vereitelt werden, da der Luftver-
kehr einer lückenlosen Überwachung unterliegt. Für den
Bereich des Seeverkehrs im Mittelmeerraum existiert ein
solches Überwachungssystem bisher nicht. Der Kollege
Schwartze hat schon zu Recht ausgeführt, dass der See-
verkehr durch die enorme Menge des Transportraums
und die verhältnismäßig ungeschützten Zugangsmög-
lichkeiten ein erhebliches Potenzial für terroristische Be-
drohung bietet. Das Mittelmeer ist darüber hinaus als
maritimes Tor zwischen Europa, Afrika und Asien für
Deutschland als größte Exportnation von enormer Be-
deutung. Außerdem besteht die Gefahr, dass das Mittel-
meer als Nachschubverbindung für Terroristen genutzt
wird.

Das alles sind Gründe, die für eine Fortsetzung dieser
Operation sprechen. Dass das Mittelmeer – dieses wird
immer gern als Gegenargument angeführt – bisher nicht
Schauplatz terroristischer Aktivitäten war, spricht nicht
gegen die Richtigkeit von OAE, sondern vielmehr dafür,
dass die Operation erfolgreich ist.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, zukünftig wird
allerdings zu prüfen sein, ob die Gewinnung von Infor-
mationen in der Region auch mit nichtmilitärischen Mit-
teln erfolgen kann und die abschreckende Präsenz durch
Kräfte anderer Organisationen gewährleistet werden
kann. Wäre dies der Fall, könnte die Aufrechterhaltung
eines spezifischen Antiterrormandats entbehrlich wer-
den. Im Rahmen einer sich ändernden Sicherheitsstruk-
tur könnte die Bündnisverteidigung im Mittelmeer in ei-
nen sogenannten Standing Defense Plan überführt
werden. Überlegungen hierzu und somit auch zu einer
Beendigung der OAE-Mission werden bekanntlich der-
zeit in der NATO angestellt.

Wesentlich für einen solchen Plan ist aber eine ausrei-
chende Informationsüberlegenheit, die den Grad der Be-
drohung kalkulierbar macht. Bis es so weit ist, ist die
Operation Active Endeavour unverzichtbar.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deshalb werden wir dem Antrag zustimmen. Ich appel-
liere an die Opposition, dies auch zu tun.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Für die Fraktion Die Linke spricht der Kollege Stefan iebich. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! or einem Jahr durfte ich hier in diesem Hause meine rste Rede halten. Damals ging es um die Operation nduring Freedom, einen sogenannten Antiterroreinsatz, er mit der Operation Active Endeavour verbunden ist. ber die Fortsetzung dieser Mission stimmen wir heute b. Es war damals nicht nur meine erste Rede, sondern arüber hinaus das erste Mal, dass SPD, Bündnis 90/Die rünen und meine Fraktion, Die Linke, gemeinsam eien Antrag der Bundesregierung, Bundeswehrsoldaten ns Ausland zu entsenden, abgelehnt haben. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie verbrochen!)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707828100

(Beifall bei der LINKEN)

Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707828200

Damals wie heute ist klar, dass unsere Gründe dafür
ehr unterschiedlich sind. – Der Kollege Nouripour gibt
ich gerade große Mühe, darauf hinzuweisen. – Ja, un-
ere Gründe dafür sind sehr unterschiedlich; das ist Fakt.
eider hat es nicht gereicht. CDU/CSU und FDP haben
ich durchgesetzt und erneut ein Mandat verlängert.
ber unsere unterschiedlichen Argumente sind nicht
hne Wirkung geblieben. Eine weitere Verlängerung des
EF-Einsatzes hat die Bundesregierung erst gar nicht
eantragt. Er ist nicht fortgesetzt worden. Damit ist die
eteiligung Deutschlands an dem durch die von Gerhard
chröder gestellte Vertrauensfrage herbeigeführten Anti-

erroreinsatz zu Ende. Das ist doch eine gute Nachricht.


(Beifall bei der LINKEN – Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Wir hören auf, wenn es keinen Sinn macht, und machen weiter, wenn es Sinn macht!)


Man muss sagen: Dieser Einsatz ist fast zu Ende.
enn wir stimmen nun über die Fortsetzung der damit
erbundenen Operation Active Endeavour ab. Die glei-
hen Argumente, die gegen OEF gegolten haben, gelten
uch gegen den Bundeswehreinsatz im Mittelmeer. Der
ollege Mützenich hat bereits darauf hingewiesen, dass
as Argument des Bündnisfalls hier nicht zieht. Ich
inde, wer A sagt, muss auch B sagen und sollte diesen
insatz beenden.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun sind für den aufmerksamen Zuhörer durchaus
nterschiede bei den Koalitionsfraktionen herauszuhö-

en. Das war im Ausschuss noch ein wenig deutlicher.
er Kollege Stinner hat im Prinzip argumentiert, dass
ieses Mandat unnütz ist. Der Außenminister selbst
ürde lieber heute als morgen dieses Mandat beenden.
enn das schon bei Ihnen so ist, dann können Sie von

ns, der Opposition, doch nicht im Ernst verlangen, ei-
er Fortsetzung des Mandats zuzustimmen.


(Beifall bei der LINKEN)


8642 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Stefan Liebich


(A) )


)
Ich möchte auch in der Sache argumentieren. Wir fin-
den, dass es weiterhin nicht richtig ist, eine Blankovoll-
macht für den Einsatz von Soldaten wegen eines Terror-
anschlags von vor neun Jahren zu erteilen. Wir sind
weiterhin der Meinung, dass die Bekämpfung von Terror
bei den Ursachen beginnen muss und dass man Krimina-
lität mit polizeilichen Mitteln und Strafverfolgungsmit-
teln beantworten muss, auch international. Dass der
neunjährige Krieg gegen den Terror nicht gewonnen
wurde, erleben wir in diesen Tagen hier im abgesperrten
Reichstag wieder selbst. Deshalb wird meine Fraktion
die Fortsetzung dieses Einsatzes aus diesen Gründen
wieder ablehnen.


(Beifall bei der LINKEN)


Der Kollege Mißfelder hatte in der ersten Lesung an-
gekündigt, dass er Missverständnisse ausräumen und
Fragen der Opposition beantworten wird. Das ist nicht
gelungen. Die Missverständnisse und Fragen sind eher
größer geworden. Der Kollege Mißfelder hatte sich zu-
dem eine breite Mehrheit für den Regierungsantrag ge-
wünscht. Auch das ist nicht gelungen. Insofern schlage
ich zum Abschluss vor, dass Sie Konsequenzen ziehen
und dass nicht nur die Opposition, sondern auch die
CDU/CSU und die FDP den Antrag der Regierung ab-
lehnen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707828300

Nächster Redner ist der Kollege Omid Nouripour für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707828400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege

Liebich, herzlichen Dank dafür, dass Sie mich an etwas
erinnert haben: Ich möchte den Leuten draußen, die uns
bei einem Wetter, bei dem man nicht wirklich gerne hin-
ausgeht, Tag und Nacht beschützen – das ist wirklich
keine angenehme Aufgabe –, herzlich danken. Ich
glaube, das tue ich im Namen aller hier im Hohen
Hause. Sie tun es für uns. Herzlichen Dank dafür.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Gegen diese Mission, bei der es um die Überwachung
im Mittelmeer geht, kann man eigentlich relativ wenig
sagen. Die NATO ist dort gemeinsam mit Russen und
Georgiern im Einsatz. Das ist eine Konstellation, die
politisch sehr spannend und zu begrüßen ist. Das Pro-
blem ist, dass Sie diese Mission komplett vermurksen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deutschland hat demnächst einen Sitz im VN-Sicher-
heitsrat. Darauf sind wir alle stolz, und darüber sind wir
glücklich.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Nicht alle!)


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(C (D ir wollten schon immer einmal wissen, was Sie eigentich damit machen. Eine Antwort wäre, dass man dafür orgt, eine sichere völkerrechtliche Grundlage für diese ission zu erarbeiten. Das ist versäumt worden. Es ist er Hinweis auf die Resolution 1943 erfolgt. Über diese esolution kann man nicht wirklich streiten. Denn auf er Basis dieser Resolution operiert ISAF, allerdings 000 bis 6 000 Kilometer weiter im Osten. Das ist für nsere Fraktion der ausschlaggebende Grund, warum ir diesem Mandatstext nicht zustimmen können. Sie haben es vermurkst, aus zwei Operationen eine zu achen und zu erklären, dass die Mandatsobergrenze esenkt werden kann. Für OEF und die Operation Active ndeavour zusammen lag die Obergrenze bei 700 Solda en. Jetzt ist OEF weggefallen, aber die Obergrenze ist leich geblieben. Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Die rklärung dafür von Staatssekretär Kossendey im Verteiigungsausschuss war – ich sage das jetzt mit den Woren eines Ministers – intellektuell überschaubar. Es geht uch um die Frage der Exekutivgewalt. Ich sage noch inmal: Wir reden hier über eine Überwachungsmission. lles, was ich von der Koalitionsseite jetzt gehört habe Sie sagen, was an der Mission richtig ist –, bezieht sich uf Überwachungsaufgaben. Sie schreiben aber Maßahmen in das Mandat, die dafür nicht geeignet sind. as ergibt keinen Sinn. Vermurkst haben Sie es auch – das ist bereits mehrach gesagt worden –, einen Konsens herzustellen. In der ebatte zur ersten Lesung gab es Beiträge des Kollegen ißfelder, von Herrn Staatssekretär Kossendey und von errn Staatsminister Hoyer, in denen die Herstellung eies Konsenses angedeutet wurde. Gespräche gab es alerdings keine. Es gab in den Ausschüssen nur eine Deatte, in der wir Forderungen gestellt haben und in der ich die Koalition aber keinen Millimeter bewegt hat. Kabarettistisch wird es, wenn man sich diesen Manatstext anschaut. In dem Text steht – das muss man sich inmal vorstellen –, dass wir an der Marinemission teilehmen, um Ausbildungslager der Terroristen zu verichten. (Zuruf von der CDU/CSU: Einen Beitrag dazu zu leisten!)


ch bin versucht, den Innenminister zu fragen, warum er
ns bisher verschwiegen hat, dass es Ausbildungslager
er al-Qaida gibt, die sich auf dem Grund des Mittel-
eers befinden. Das ist völlig absurd.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


ie haben einfach den Text für das OEF-Mandat abge-
chrieben und nicht darüber nachgedacht, was Sie ei-
entlich tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707828500

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

ollegen Spatz?

(B)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8643


(A) )


)(B)


Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707828600

Nein, ich möchte endlich namentlich abstimmen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


Sie haben einen Text vorgelegt, den man der Öffent-
lichkeit nicht erklären kann. Sie haben einen Text vorge-
legt, der den Soldatinnen und Soldaten keinen Gefallen
tut. Sie haben einen Text vorgelegt, der mit dem Selbst-
verständnis eines Parlamentes, das tatsächlich über den
Einsatz der Parlamentsarmee entscheiden will, nichts zu
tun hat.

Die Mission ist aus meiner Sicht nicht falsch. Des-
halb, Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, bitte
ich Sie: Überlegen Sie doch einmal, ob Sie nicht der ei-
genen Regierung sagen sollten: Setzt euch auf euren Ho-
senboden und schreibt einen Mandatstext, der tatsäch-
lich etwas mit der Mission zu tun hat und der vor allem
eine völkerrechtliche Grundlage hat.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707828700

Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Spatz das

Wort.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!)



Joachim Spatz (FDP):
Rede ID: ID1707828800

Getretener Quark wird breit, nicht stark, Herr Kollege

Nouripour. Auch wenn die allgemeinen Aufgaben so
sind, wie Sie es sagen, sollten Sie dennoch nicht ver-
schweigen, dass die konkreten Aufgaben der Bundes-
wehr nicht dem entsprechen, wovon Sie reden. Im An-
trag ist nämlich von militärischer Präsenz auf See,
Aufklärung und Überwachung, Lagebildherstellung,
Kontrolle des Seeverkehrs, temporärer Führung der
Operation, Lufttransport zur Unterstützung, Nothilfe und
Eigensicherung die Rede. Sie können uns doch nicht
ernsthaft das vorwerfen, was dem allgemeinen Auftrag
zuzurechnen ist und womit die Deutschen nichts zu tun
haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707828900

Herr Kollege Nouripour, Sie haben das Wort.


Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707829000

Danke, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Spatz, Sie

wissen, ich bin ein großer Bewunderer Ihrer poetischen
Künste. Herzlichen Glückwunsch! Von Ihnen möchte ich
gern noch etwas lernen. Was Sie als Parlamentarier aber
auch können sollten, ist lesen. Denn im Antrag heißt es:

Die Operation Active Endeavour hat weiterhin zum
Ziel, einen Beitrag dazu zu leisten, Führungs- und
Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszu-
schalten.

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(C (D ch sage noch einmal: Ich bitte den Innenminister, uns zu rklären, ob unsere U-Boote am Meeresgrund tatsächich Terrorausbildungslager der al-Qaida suchen. (Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Zu Ende lesen!)


as ist einfach abstrus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Joachim Spatz [FDP]: Lesen Sie zu Ende!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707829100

Als letzter Redner in dieser Debatte hat der Kollege

ürgen Hardt für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Jürgen Hardt (CDU):
Rede ID: ID1707829200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

err Nouripour, Sie haben es eben selbst vorgelesen:


(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


enn es terroristische Stationen am Meeresgrund des
ittelmeeres gäbe, können Sie sicher sein, dass die deut-

chen Minenabwehrkräfte und die deutschen U-Boote
iese finden würden.

Es geht darum, dass die Deutschen einen Beitrag dazu
eisten, das Lagebild zu vervollständigen. Nur so bleibt
ns das Mittelmeer als sicheres und friedliches Meer für
andel, das es für uns Europäer und für die Nordafrika-
er seit 4 000 Jahren ist, erhalten. Diesen Beitrag werden
ir Deutsche selbstverständlich leisten.

Bereits in der letzten Woche haben wir hier sowie
uch in den zuständigen Ausschüssen über den Antrag
iskutiert. Die CDU/CSU-Fraktion wird dem Antrag zu-
timmen. Er ist personell, räumlich und auftragsmäßig
ngemessen ausgestattet. Das gilt auch für das Völker-
echt. Ich füge hinzu: Herr Kollege Mützenich, es geht
elativ weit, wenn Sie von einer mangelnden völker-
echtlichen Grundlage sprechen. Mit einer solchen For-
ulierung muss man sehr vorsichtig sein. Eine mangel-

afte rechtliche Grundlage ist als völkerrechtswidrig zu
erstehen. Diesen Vorwurf werden Sie wohl kaum erhe-
en wollen. Ansonsten lade ich Sie herzlich ein, vor das
undesverfassungsgericht zu gehen und dies prüfen zu

assen. Sie werden dann eine Antwort bekommen, die
hnen nicht gefallen wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Der Auftrag des Mandates ist klar definiert. Es geht
arum, den internationalen Terrorismus mit angemesse-
en Mitteln zu bekämpfen. Wer, wenn nicht wir Euro-
äer, ist dafür zuständig, dies im Mittelmeer zu leisten.
ir sollten das nicht den Amerikanern überlassen. Die

atsache, dass im Mittelmeer derzeit keine akute und
ichtbare terroristische Bedrohung besteht, ist kein Be-
eg dafür, dass der Einsatz überflüssig ist. Im Gegenteil:

ollen Sie etwa warten, bis die ersten Terroristen einen
astanker gekapert haben und mit diesem nach Haifa,

8644 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Jürgen Hardt


(A) )


)(B)

Marseille oder Neapel fahren? In einem solchen Fall
wäre das Geschrei nämlich groß. Ich bin der Meinung,
dass wir uns auf die bewährten Instrumente der Abschre-
ckung und der Militärpräsenz verlassen sollten. Ich
denke, in diesem Bereich ist das der richtige Weg.

Herr Nouripour, die Mandatsobergrenze ist intellektu-
ell überschaubar. Für Sie rechne ich es noch einmal vor:


(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte! Unbedingt!)


Die Beteiligung der Deutschen Marine an einem NATO-
Einsatzverband mit einer Fregatte und einem Versorger
erfordert rund 250 Soldaten. Operieren gleichzeitig drei
deutsche Einheiten im Rahmen eines Minenabwehrver-
bands, so sind weitere 150 Soldaten erforderlich. Wenn
Sie dann noch mit AWACS Luftaufklärung betreiben
und noch ein Schiff von Wilhelmshaven in den Indi-
schen Ozean schicken, kommen Sie ziemlich genau auf
700 Soldaten. Deswegen ist die Mandatsobergrenze völ-
lig angemessen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707829300

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Nouripour?


Jürgen Hardt (CDU):
Rede ID: ID1707829400

Wenn er es immer noch nicht verstanden hat, dann

bitte.


(Zuruf von der CDU/CSU: Er hat es nicht verstanden!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707829500

Bitte.


Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707829600

Ich mache es kurz, damit wir endlich zur Abstim-

mung kommen können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Herr Kollege Hardt, ist Ihnen bekannt, dass der Einsatz-
truppenversorger auch unabhängig vom Mandat im Mit-
telmeer operiert?


Jürgen Hardt (CDU):
Rede ID: ID1707829700

Ich selbst habe an Einsätzen von Marineverbänden im

Mittelmeer teilgenommen, auf einer deutschen Fregatte.
Die hatte damals 200 Mann Besatzung. Die Schiffe sind
heute größer, die Besatzung besteht immer noch aus
200 Mann. Dabei ist in der Regel ein Betriebsstofftrans-
porter oder ein ähnliches Fahrzeug, das mit 25 bis 30,
vielleicht auch 40 oder 50 Mann besetzt ist. Das sind die
250 Mann, von denen ich gesprochen habe. Herr
Nouripour, fahren Sie einfach mal mit! Machen Sie eine
kleine Reserveübung!


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Der hat nicht gedient!)


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(C (D Ich möchte noch ganz kurz das Wort an die SPD richen. Ich sehe in der Nichtzustimmung zu dem Mandat eien Teil der asymmetrischen Absetzbewegung der SPD on den internationalen Aufgaben der Bundesrepublik eutschland und der Bundeswehr. ie laufenden Mandate werden mit fadenscheinigen Arumenten untergraben, in diesem Fall sogar abgelehnt. Den Kunduz-Untersuchungsausschuss haben Sie ittlerweile zu einem Symbol des Misstrauens gegen ber den Soldatinnen und Soldaten im Einsatz gemacht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der SPD – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, gegenüber der Bundesregierung!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


eit über einem Jahr führen wir dort endlos lange und
nsinnige Vernehmungen durch. Die Dinge sind für uns
ängst klar. Im Grunde müssten wir die Sache jetzt zügig
eenden.

Als wir am vergangenen Dienstag die sechs Aufklä-
ungstornados, die über fast vier Jahre in Afghanistan
ertvolle Arbeit für die ISAF geleistet haben, zusam-
en mit dem Bundesverteidigungsminister in Jagel wie-

er in Deutschland begrüßt haben, war kein einziger Ab-
eordneter der Grünen, der SPD oder der Linken
nwesend.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir hatten parlamentarische Verpflichtungen! – Weitere Zurufe von der SPD)


Das kann ich Ihnen sagen. Die Abgeordneten haben
ie Tornados dorthin geschickt, und deswegen war es
ut, dass wir gemeinsam mit dem Minister in Jagel ge-
esen sind und sie begrüßt haben, als sie zurück in
eutschland waren.


(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie für Bilder posiert mit dem Minister! Das war es doch!)


Ich glaube, dass in diesem Land für eine dritte Nein-
ager-Partei – so gibt sich die SPD im Augenblick – kein
latz ist. Ich bin ziemlich fest davon überzeugt, dass die
ürgerinnen und Bürger von der SPD eine verantwor-

ungsvolle Außen- und Verteidigungspolitik im Stile von
illy Brandt, Helmut Schmidt, Hans Apel und Schorsch

eber erwarten und nicht das, was im Augenblick hier
eboten wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707829800

Herr Kollege Hardt, der Herr Arnold möchte gern

ine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie die?


(Rainer Arnold [SPD]: Eine Kurzintervention!)


Also keine Zwischenfrage.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8645


(A) )


)(B)


Jürgen Hardt (CDU):
Rede ID: ID1707829900

Ich komme zum Schluss. Die CDU/CSU wird dem

Antrag zustimmen. Jeder ist herzlich eingeladen, das
auch zu tun – im Interesse der Soldatinnen und Soldaten,
die dort den Einsatz leisten.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707830000

Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Arnold das

Wort.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)



Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1707830100

Da gibt es überhaupt nichts zu lachen. Was wir hier

erlebt haben, ist die Aufkündigung des eigentlich vor-
handenen Grundkonsenses in der Sicherheits- und Ver-
teidigungspolitik,


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Durch Sie!)


und das ist für uns ein sehr ernstes Thema. Herr Kollege,
ich begründe das in zwei Punkten:

Erstens. Sie werfen Parlamentariern vor, dass sie
nicht die Tornado-Piloten in Empfang nehmen. Tatsache
ist: Sie haben sie deshalb nicht in Empfang genommen,
weil sie an diesem Dienstag ihre parlamentarischen
Pflichten hier im Deutschen Bundestag zu erfüllen hat-
ten.


(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Wollen Sie behaupten, wir nicht?)


Es stellt sich doch eine ganz andere Frage, nämlich: Will
diese Regierung, dass Parlamentarier an solchen Veran-
staltungen in der Breite teilnehmen? Wenn ja, dann muss
sie Termine finden, die nicht mit unserem Geschäft hier
kollidieren. Dann sind wir dabei. Wir lassen uns von Ih-
nen überhaupt nichts nachsagen. Wir haben unsere Aner-
kennung für Soldaten an vielen symbolischen Stellen
immer wieder, auch was die Personen angeht, deutlich
gemacht. Was Sie sagen, ist völlig inakzeptabel.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zweitens. Sie sagen, Sozialdemokraten verabschiede-
ten sich von ihrer Verantwortung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das ist falsch. Wenn die Regierung will, dass eine Oppo-
sitionspartei sich der Verantwortung stellt und gemäß
dem Grundkonsens in der Sicherheits- und Verteidi-
gungspolitik handelt – wir haben immer gesagt, dass wir
das tun; Sie merken an der Seriosität unserer Debatten
im Verteidigungsausschuss, dass sich das auch im Alltag
widerspiegelt –, wenn die Regierung dies also bewahren
will, dann lautet die Anforderung, die auch heute wieder
formuliert wurde, dass die Regierung im Vorfeld von
Mandatsentscheidungen den Dialog mit der Opposition
sucht. Das ist wirklich notwendig für den Grundkonsens.

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(C (D Um es anders zu sagen: Hätte die Regierung diesen esprächsfaden geknüpft, dann hätte sie kein vom Text er so schlechtes Mandat vorgelegt. Sie wissen doch elbst, dass die Formulierung des Mandats mies und chludrig ist. Wir hätten der Regierung geholfen, daraus twas Vernünftiges zu machen, und am Ende hätten wir ine breite Zustimmung erhalten. Herr Kollege Hardt, bitte. Herr Kollege Arnold, ich möchte die Sache nicht un ötig verlängern; sonst bekomme ich Ärger mit Herrn ouripour, der schon seit 15 Minuten abstimmen will. Ich stelle fest: Die Einwände gegen den Mandatstext alte ich für vorgeschoben. Es geht Ihnen darum, ein Signal zu setzen, dass Sie ei der Sache nicht mehr dabei sind. Sie erhoffen sich avon einen politischen Vorteil. Das werden wir Ihnen icht durchgehen lassen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der SPD)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707830200
Jürgen Hardt (CDU):
Rede ID: ID1707830300

weitens. Die Verteidigungspolitiker der CDU/CSU und
er FDP haben ihre Arbeitsgruppensitzung eben am
ienstagabend nach den Fraktionssitzungen abgehalten,
amit sie am Dienstagmorgen dabei sein konnten. Ich
and das keine unzumutbare oder sehr komplizierte Um-
tellung des normalen Ablaufplans.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


enn Sie allerdings mit Ihrer Wortmeldung deutlich ma-
hen wollen, dass Sie in Zukunft auf dem Weg der Bes-
erung sind, was das Verhältnis zwischen SPD und Bun-
eswehr angeht, bin ich im Interesse der Soldaten froh
arüber.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Pure Arroganz!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707830400

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
mpfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An-
rag der Bundesregierung zur Fortsetzung des Einsatzes
ewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung
er gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe
egen die USA, Operation Active Endeavour im Mittel-
eer.

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
ung auf Drucksache 17/4050, den Antrag der Bundesre-
ierung auf Drucksache 17/3690 anzunehmen. Über
iese Beschlussempfehlung stimmen wir namentlich ab.
ch bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre
orgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind an allen Ur-

8646 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt


(A) )


)(B)

nen die Plätze besetzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne
ich die Abstimmung.

Sind noch Kolleginnen oder Kollegen im Saal, die
ihre Stimmkarte nicht abgegeben haben? – Das ist nicht
der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte
die Schriftführerinnen und Schriftführer, auszuzählen.
Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später be-
kannt gegeben.1)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion
der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei
Vertragsabschlüssen im Internet

– Drucksache 17/2409 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)


– Drucksache 17/3588 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Marco Wanderwitz
Marianne Schieder (Schwandorf)

Stephan Thomae
Halina Wawzyniak
Ingrid Hönlinger

Interfraktionell wurde vorgeschlagen, die Reden zu
diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. –
Damit sind Sie einverstanden. Es sind die Reden folgen-
der Kolleginnen und Kollegen: Marco Wanderwitz,
Mechthild Heil, Marianne Schieder, Elvira Drobinski-
Weiß, Stephan Thomae, Dr. Erik Schweickert, Caren
Lay und Ingrid Hönlinger.2)

Wir kommen zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache
17/3588, den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD auf
Drucksache 17/2409 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ge-
setzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der
Oppositionsfraktionen abgelehnt. Damit entfällt nach un-
serer Geschäftsordnung die weitere Beratung.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE

Den Frieden befördern – Politische Gefangene
in Israel freilassen

– Drucksache 17/3545 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Damit sind
Sie, wie ich sehe, einverstanden.

Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat
das Wort die Kollegin Christine Buchholz für die Frak-
tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


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1) Ergebnis Seite 8648 D
2) Anlage 8

(C (D Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frieden n Nahost kann es nur geben, wenn die politische Betätiung der Palästinenserinnen und Palästinenser nicht weier eingeschränkt wird. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation ddameer befanden sich am 30. September dieses Jah es 6 180 Palästinenser aus politischen Gründen in israeischer Haft. Unter diesen politischen Gefangenen befinen sich 212 Palästinenser in sogenannter Administraivhaft. Diese Gefangenen bleiben ohne Anklage und hne Recht auf ein Gerichtsverfahren im Gefängnis. Sie erden aufgrund angeblicher geheimer Informationen estgehalten. Das israelische Militär kann palästinensiche Zivilistinnen und Zivilisten ohne Begründung für echs Monate einsperren; die Gefangennahme kann kurz or Ablauf der Frist beliebig oft verlängert werden. Einer der Betroffenen ist der 37-jährige Reda Khaled. r ist verheiratet und Vater von fünf Kindern. Er arbeitet ür das UN-Hilfswerk UNRWA in einem Flüchtlingslaer im Westjordanland. Reda Khaled wird seit dem 9. Dezember 2008 ohne Gerichtsverfahren oder Anlage festgehalten. Die Vereinten Nationen haben Israel uletzt am 29. Juli 2010 für seine Praxis der Administraivhaft kritisiert, und zwar zu Recht. In den letzten Jahren sind vermehrt Aktivisten, die gealtfrei gegen die Besatzung und speziell gegen den Bau er Mauer durch ihre Dörfer protestiert haben, verhaftet orden, zum Beispiel Ibrahim Amireh aus dem Dorf i’lin. Er ist Gründer und Vorsitzender des lokalen Pro estkomitees. Er wurde für schuldig befunden, sich in eier militärischen Sperrzone aufgehalten zu haben. Die on der Armee verhängte Sperrzone beginnt direkt auerhalb des Dorfes und schließt die Olivenhaine mit ein, on deren Ertrag die Menschen leben. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Mit Sperrzonen kennen Sie sich ja aus!)

Christine Buchholz (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707830500

(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


ie Bewohner dürfen nichts ernten, nicht ihre Bäume
flegen. Die Proteste bestehen in wöchentlichen friedli-
hen Prozessionen der Dorfbewohner zu ihren Bäumen.

Ibrahim Amireh wurde im unterirdischen Trakt eines
sraelischen Militärgefängnisses eingesperrt und dort ge-
chlagen. Dann wurde er in ein Freiluftlager in der

üste verlegt. Dort wird es tagsüber unerträglich heiß,
achts unerträglich kalt. Seine Familie muss Geld sam-
eln, damit er dort Wasser und Nahrung kaufen kann.
ie Armee verweigert ihm Medikamente zur Behand-

ung seines Herzleidens. Ibrahim Amireh ist nur einer
on über 160 Menschen, die die Armee seit 2008 allein
n diesem Dorf verhaftet hat.

Die Hohe Vertreterin der Außen- und Sicherheitspoli-
ik der EU, Catherine Ashton, wies kürzlich darauf hin,
ass die Verhaftung politischer Aktivisten dazu diene,
alästinenser von ihrem legitimen Recht auf Protest ab-
uhalten.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8647

Christine Buchholz


(A) )


)(B)

Die Linke fordert die Freilassung der politischen Ge-
fangenen in Israel, die Aufhebung der militärischen Son-
dergerichtsbarkeit und die Abschaffung der Administra-
tivhaft.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke fordert die israelische Regierung auf, die
Menschenrechte der Gefangenen bis zu ihrer Freilassung
zu respektieren. Das gilt insbesondere für die 691 Gefan-
genen aus dem Gazastreifen, denen seit Juni 2007 jegli-
cher Familienbesuch verweigert wird.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich bitte Sie, die Abgeordneten der anderen Fraktio-
nen, unserem Antrag zuzustimmen, um ein Zeichen für
die Wahrung der Menschenrechte zu setzen und damit
einen Beitrag zu Frieden und Gerechtigkeit in Nahost zu
leisten.


(Beifall bei der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707830600

Das Wort für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege

Philipp Mißfelder.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Philipp Mißfelder (CDU):
Rede ID: ID1707830700

Frau Präsidentin! Frau Kollegin Buchholz, Ihr Antrag

fügt sich in den Rahmen einer Debatte ein, die wir erst
kürzlich hier erlebt haben, nämlich in die um die Freilas-
sung von Gilad Schalit. Gilad Schalit ist ein junger israe-
lischer Soldat, der im Zuge des Gaza-Konfliktes entführt
worden ist, dessen Eltern diese Woche vom Bundesprä-
sidenten Christian Wulff besucht worden sind und des-
sen Schicksal in der israelischen Gesellschaft mit gro-
ßem Bangen verfolgt wird.

Ich erwähne das deshalb, weil in der Debatte damals
Ihr Fraktionsvorsitzender hier theatralisch gesagt hat, er
plädiere für die bedingungslose Freilassung von Gilad
Schalit.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich habe den Eindruck, dass das in Ihrer Fraktion nicht
ganz bedingungslos abgelaufen ist


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Reden Sie doch zum Thema und spekulieren Sie nicht, was in der Fraktion ist!)


und dass Sie deshalb diesen eigenen Antrag eingebracht
haben. Denn ich glaube, dass Sie einen Kuhhandel inner-
halb Ihrer Fraktion gemacht haben,


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Reden Sie doch bitte zum Thema! Was sagen Sie zu den Gefangenen in der Administrativhaft in Israel?)


dass Sie nämlich für die Freilassung Gilad Schalits stim-
men, um dann die Stimmen in Ihrer eigenen Fraktion für
diesen Antrag zu bekommen, den Sie quasi aus dem
Nichts eingebracht haben. Anders kann ich mir nicht er-

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(C (D lären, warum das Problem aus Ihrer Sicht so dringend eworden ist. Es kann nur eine interne Kompensation für en überraschenden Schritt gewesen sein, den Sie beim etzten Mal gegangen sind. (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)


Sie haben in Ihrer Rede so getan, als seien alle 6 180
efangenen nach der gängigen Definition von politi-

chen Gefangenen, wie wir sie hier auch in anderen
enschenrechtsdiskussionen anwenden, auch wirklich

olitische Gefangene. Das ist nicht so. Von den 6 180
efangenen sind viele Terroristen, und von vielen geht

ine akute Gefahr für Israel und für das Existenzrecht Is-
aels aus.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Niema Movassat [DIE LINKE]: Wo sind Gerichtsurteile? – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Was ist mit einem fairen rechtlichen Verfahren?)


Sie haben nicht unrecht, dass in Israel in manchen
ällen nicht nach unseren rechtlichen Maßstäben vorge-
angen wird. Das ist uns allen bewusst. Im Übrigen
pielt das in unseren bilateralen Kontakten zu Israel im-
er eine sehr große Rolle. Aber hier im Deutschen Bun-

estag so zu tun, als würde es sich bei einem Großteil
er Gefangenen um solche handeln, denen dort – wahr-
cheinlich sogar auch noch vorsätzlich – Unrecht getan
ird, halte ich doch für falsch. Denn an dieser Stelle
eht es um die Schutzinteressen Israels,


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Da sind die Menschenrechte egal!)


ie durch die Administrativhaft auch durchaus gewähr-
eistet werden. Nun darf man sich doch nicht einbilden,
en rechtlichen Rahmen, den wir uns für Israel und den
esamten Nahen Osten, im Übrigen auch für die Länder
m Israel herum, wünschen und den wir hier in Deutsch-
and haben, automatisch eins zu eins auf die israelische
ituation übertragen zu können. Wir kämpfen dafür, dass
ie Menschenrechte in Israel gewährleistet werden.


(Zuruf der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE])


ir werben dafür. In Gesprächen, in denen wir mit Ent-
cheidungsträgern Israels zusammen sind, ist dies ein
unkt, der – durchaus auch an unangenehmer Stelle – an-
esprochen wird. Aber es ist trotzdem so, dass Sie auch
ie existenzielle Bedrohung Israels zur Kenntnis nehmen
üssen. Davon haben Sie nichts, aber auch rein gar nichts

ier in Ihrer Rede gesagt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


as ist auch der Rahmen, in dem sich diese Diskussion
bspielt.

Vergleichen Sie doch einmal unsere Gesellschaft mit
er israelischen. Es gibt durchaus soziologische Mög-
ichkeiten, das gut miteinander zu vergleichen. Sie müs-
en sich einmal fragen, wie die Menschenrechtssituation

8648 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Philipp Mißfelder


(A) (C)


)(B)


in unserem Land wäre, wenn Sie diese Gefährdungssi-
tuation, wie sie Israel tagtäglich hat, in Deutschland hät-
ten.


(Zuruf der Abg. Christine Buchholz [DIE Sie arbeiten mit Doppelstandards. Die Kritikpunkte, die Sie hier gerade vorgebracht haben, haben in Ihrer Rede keine Rolle gespielt. Im Zusammenhang mit der Situation im Gazastreifen oder der Terrorherrschaft der LINKE])


Deshalb werbe ich zwar dafür, die Maßstäbe, die wir
hier bei uns haben, auch für Israel anzulegen – selbstver-
ständlich –,


(Zuruf der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE])


aber eine Vorverurteilung Israels und auch Pauschalisie-
rungen lasse ich an dieser Stelle nicht zu, sondern weise
sie entschieden zurück.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Christine Buchholz [DIE LINKE]: Das sind keine Vorverurteilungen!)


Zum Nahostkonflikt haben Sie nichts gesagt. Wir
wünschen uns Frieden. Dazu gehört einerseits, dass alle
Seiten zu Gesprächen und zu Zugeständnissen bereit
sind,


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Genau! Das wäre sinnvoll!)


und andererseits ein genereller Verzicht auf Terror und
Gewalt. Dazu ist die Hamas, der ein großer Teil der Ge-
fangenen angehört bzw. nahesteht, nicht bereit. Die Ha-
mas ist nicht bereit, der Gewalt abzuschwören, und die
Hamas ist nicht bereit, das Existenzrecht Israels auch nur
im Ansatz anzuerkennen.


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Deswegen enthält man den Menschen die Menschenrechte vor?)


– Nein, das ist kein Grund, Menschenrechte zu ignorie-
ren. Ich weiß nicht, ob Sie persönlich schon einmal in Is-
rael waren, aber ich weiß, dass zumindest Kollegen von
Ihnen schon dort waren. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis,
dass in Israel sehr engagiert über dieses Thema diskutiert
wird. Es ist aber nicht Aufgabe des Deutschen Bundes-
tages, Israel hier im Rahmen einer Debatte an den Pran-
ger zu stellen und so zu tun, als sei die israelische
Gesellschaft per se gegen die Verwirklichung von Men-
schenrechten. Das ist nicht so.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten. Selbst
wenn sie an dieser Stelle Defizite hat,


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: „Defizite“?)


die angesprochen gehören, weigere ich mich, eine Pau-
schalverurteilung vorzunehmen.

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(D amas haben Sie kein Sterbenswörtchen dazu gesagt. eshalb werfe ich Ihnen vor, dass Sie mit doppelten tandards messen. Einerseits fordern Sie Israel auf, die enschenrechte anzuerkennen, andererseits sind dieje igen, für die Sie hier eintreten, kein Garant dafür, dass ie Menschenrechte, auch die der Israelis, gewährleistet erden. Zum Teil sind das Terroristen. Davon haben Sie ichts gesagt. Deshalb fordere ich Sie auf, aus dieser Deatte zu lernen, auf Ihrem Weg umzukehren und sich den irklich entscheidenden Fragen im Nahen Osten zuzuenden. Dazu gehört am Ende auch, dass Gefangene freigelasen werden. Ich bin aber nicht dafür, sich hier für die beingungslose Freilassung von potenziellen Terroristen der sogar von Terroristen einzusetzen. Das würde auch nser Rechtsstaat im Zweifel nicht hergeben. Deshalb in ich an dieser Stelle entschieden dagegen. Wenn es um den Nahostkonflikt geht, möchte ich ochmals – ich habe das schon kurz angeschnitten – die eise unseres Bundespräsidenten erwähnen. Ich glaube, r hat in dieser Woche ein wichtiges Zeichen gesetzt, inem er mit sehr ruhigen Tönen dafür gesorgt hat, dass ie Menschen aufeinander zugehen. Allein durch die Art nd Weise, wie er sich dort eingebracht hat, hat er ein eichen gesetzt. Ohne eine große Rede und ohne große erlautbarungen vorher ist er auf die Konfliktparteien ugegangen und hat gezeigt, dass er sich für das Schickal der Menschen interessiert, inklusive der Eltern von ilad Schalit. Selbst dies ist in der israelischen Gesell chaft nicht immer unumstritten und einfach. Deshalb ar es richtig, dass Christian Wulff sich mit Vertretern ller gesellschaftlichen Gruppen getroffen hat, auch mit ritikern der Regierung in Israel selbst, und damit ge eigt hat, dass Deutschland Anteil am Schicksal Israels immt und sich insbesondere für Israel einsetzt. Herzlichen Dank. Vor dem nächsten Redebeitrag möchte ich Ihnen das on den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte rgebnis der namentlichen Abstimmung über die Be chlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu em Antrag der Bundesregierung „Fortsetzung des Einatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Untertützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische ngriffe gegen die USA“ bekannt geben: abgegebene timmen 557, Jastimmen 308, Neinstimmen 249. Entaltungen gab es keine. Die Beschlussempfehlung ist dait angenommen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8649 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707830800

(A) )

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 557;
davon

ja: 308
nein: 249

Ja

CDU/CSU

Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Manfred Behrens (Börde)

Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)

Dirk Fischer (Hamburg)


(Karlsruhe Land)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel

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onika Grütters
r. Karl-Theodor Freiherr
zu Guttenberg
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lorian Hahn
olger Haibach
r. Stephan Harbarth

ürgen Hardt
erda Hasselfeldt
r. Matthias Heider
echthild Heil

rank Heinrich
udolf Henke
ichael Hennrich

ürgen Herrmann
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rnst Hinsken
eter Hintze
hristian Hirte
obert Hochbaum
arl Holmeier
ranz-Josef Holzenkamp
nette Hübinger
homas Jarzombek
ieter Jasper
r. Franz Josef Jung
ndreas Jung (Konstanz)

r. Egon Jüttner
artholomäus Kalb
ans-Werner Kammer
teffen Kampeter
lois Karl
ernhard Kaster

(VillingenSchwenningen)


olker Kauder
r. Stefan Kaufmann
oderich Kiesewetter
ckart von Klaeden
wa Klamt
olkmar Klein
ürgen Klimke
ulia Klöckner
xel Knoerig

ens Koeppen
r. Kristina Schröder
anfred Kolbe
r. Rolf Koschorrek
artmut Koschyk
homas Kossendey
ichael Kretschmer
unther Krichbaum
r. Günter Krings
üdiger Kruse
ettina Kudla
r. Hermann Kues
ünter Lach
r. Karl A. Lamers

(Heidelberg)

ndreas G. Lämmel
r. Norbert Lammert
atharina Landgraf
lrich Lange
r. Max Lehmer
aul Lehrieder
r. Ursula von der Leyen
gbert Liebing

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atthias Lietz
r. Carsten Linnemann
atricia Lips
r. Jan-Marco Luczak
r. Michael Luther
arin Maag
ans-Georg von der Marwitz
ndreas Mattfeldt
tephan Mayer (Altötting)

r. Michael Meister
aria Michalk
r. h. c. Hans Michelbach
r. Mathias Middelberg
hilipp Mißfelder
ietrich Monstadt
arlene Mortler
r. Gerd Müller
tefan Müller (Erlangen)

adine Schön (St. Wendel)

r. Philipp Murmann
ernd Neumann (Bremen)

ichaela Noll
r. Georg Nüßlein
ranz Obermeier
duard Oswald
enning Otte
r. Michael Paul
ita Pawelski
lrich Petzold
r. Joachim Pfeiffer
ibylle Pfeiffer
eatrix Philipp
hristoph Poland
uprecht Polenz
aniela Raab
homas Rachel
ckhardt Rehberg
atherina Reiche (Potsdam)

othar Riebsamen
osef Rief
laus Riegert
r. Heinz Riesenhuber

ohannes Röring
r. Christian Ruck
rwin Rüddel
lbert Rupprecht (Weiden)

nita Schäfer (Saalstadt)

r. Wolfgang Schäuble
r. Andreas Scheuer
arl Schiewerling
orbert Schindler
ankred Schipanski
eorg Schirmbeck
hristian Schmidt (Fürth)

atrick Schnieder
r. Ole Schröder
ernhard Schulte-Drüggelte
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(Weil am Rhein)

etlef Seif

ohannes Selle
einhold Sendker
r. Patrick Sensburg
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ohannes Singhammer
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(C (D arola Stauche r. Frank Steffel rika Steinbach hristian Freiherr von Stetten ieter Stier ero Storjohann tephan Stracke ax Straubinger arin Strenz homas Strobl ena Strothmann ichael Stübgen r. Peter Tauber ntje Tillmann r. Hans-Peter Uhl rnold Vaatz olkmar Vogel tefanie Vogelsang ndrea Astrid Voßhoff arco Wanderwitz ai Wegner arcus Weinberg eter Weiß abine Weiss go Wellenreuther arl-Georg Wellmann eter Wichtel nnette Widmann-Mauz laus-Peter Willsch lisabeth WinkelmeierBecker agmar Wöhrl r. Matthias Zimmer olfgang Zöller illi Zylajew DP ens Ackermann hristian Ahrendt hristine AschenbergDugnus aniel Bahr lorian Bernschneider ebastian Blumenthal laudia Bögel icole Bracht-Bendt laus Breil ainer Brüderle ngelika Brunkhorst rnst Burgbacher arco Buschmann ylvia Canel elga Daub einer Deutschmann r. Bijan Djir-Sarai atrick Döring echthild Dyckmans ainer Erdel örg van Essen lrike Flach tto Fricke r. Edmund Peter Geisen r. Wolfgang Gerhardt ans-Michael Goldmann einz Golombeck oachim Günther r. Christel Happach-Kasan einz-Peter Haustein 8650 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt )


(A) )

Manuel Höferlin
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Sebastian Körber
Holger Krestel
Patrick Kurth (Kyffhäuser)

Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Lars Lindemann
Dr. Martin Lindner (Berlin)

Michael Link (Heilbronn)

Dr. Erwin Lotter
Oliver Luksic
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Petra Müller (Aachen)

Burkhardt Müller-Sönksen
Dr. Martin Neumann


(Lausitz)

Dirk Niebel
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Birgit Reinemund
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Christoph Schnurr
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Torsten Staffeldt
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel


(Lüdenscheid)

Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)


Nein

CDU/CSU

Wolfgang Börnsen

(Bönstrup)


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r. Hans-Peter Bartels
laus Barthel
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irk Becker
we Beckmeyer
othar Binding (Heidelberg)

erd Bollmann
laus Brandner
illi Brase
ernhard Brinkmann

(Hildesheim)


delgard Bulmahn
lla Burchardt
artin Burkert

etra Crone
r. Peter Danckert
artin Dörmann

lvira Drobinski-Weiß
arrelt Duin
ebastian Edathy
iegmund Ehrmann
r. h. c. Gernot Erler
etra Ernstberger
arin Evers-Meyer
abriele Fograscher
r. Edgar Franke
agmar Freitag
eter Friedrich
igmar Gabriel
artin Gerster
is Gleicke
lrike Gottschalck
ngelika Graf (Rosenheim)

erstin Griese
ichael Groschek
ichael Groß
olfgang Gunkel
ans-Joachim Hacker
ettina Hagedorn
laus Hagemann
ichael Hartmann

(Wackernheim)

ubertus Heil (Peine)

olf Hempelmann
r. Barbara Hendricks
ustav Herzog
abriele Hiller-Ohm
etra Hinz (Essen)

rank Hofmann (Volkach)

hristel Humme

osip Juratovic
liver Kaczmarek

ohannes Kahrs
r. h. c. Susanne Kastner
lrich Kelber
ars Klingbeil
r. Bärbel Kofler
aniela Kolbe (Leipzig)

ritz Rudolf Körper
nette Kramme
icolette Kressl
ngelika Krüger-Leißner
te Kumpf

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hristine Lambrecht
hristian Lange (Backnang)

r. Karl Lauterbach
teffen-Claudio Lemme
abriele Lösekrug-Möller
irsten Lühmann
atja Mast
ilde Mattheis
etra Merkel (Berlin)

llrich Meßmer
r. Matthias Miersch
ranz Müntefering
r. Rolf Mützenich
ietmar Nietan
anfred Nink
olger Ortel
einz Paula

ohannes Pflug
oachim Poß
r. Wilhelm Priesmeier
r. Sascha Raabe
echthild Rawert
erold Reichenbach
r. Carola Reimann
önke Rix
ené Röspel
r. Ernst Dieter Rossmann
arin Roth (Esslingen)

ichael Roth (Heringen)

arlene Rupprecht

(Tuchenbach)

nton Schaaf
xel Schäfer (Bochum)

ernd Scheelen
arianne Schieder

(Schwandorf)

erner Schieder (Weiden)

lla Schmidt (Aachen)

ilvia Schmidt (Eisleben)

arsten Schneider (Erfurt)

wen Schulz (Spandau)

wald Schurer
r. Martin Schwanholz
olf Schwanitz
tefan Schwartze
ita Schwarzelühr-Sutter
r. Carsten Sieling
onja Steffen
eer Steinbrück
r. Frank-Walter Steinmeier
hristoph Strässer
r. h. c. Wolfgang Thierse
ranz Thönnes
olfgang Tiefensee
üdiger Veit
te Vogt
r. Marlies Volkmer
ndrea Wicklein
eidemarie Wieczorek-Zeul
r. Dieter Wiefelspütz
altraud Wolff

(Wolmirstedt)

ta Zapf
agmar Ziegler
anfred Zöllmer
rigitte Zypries

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(C (D IE LINKE an van Aken gnes Alpers erbert Behrens arin Binder atthias W. Birkwald eidrun Bluhm teffen Bockhahn hristine Buchholz r. Martina Bunge oland Claus evim Dağdelen r. Diether Dehm eidrun Dittrich erner Dreibus r. Dagmar Enkelmann laus Ernst icole Gohlke iana Golze nnette Groth r. Gregor Gysi eike Hänsel r. Rosemarie Hein ge Höger r. Barbara Höll ndrej Hunko lla Jelpke r. Lukrezia Jochimsen atja Kipping arald Koch aren Lay alph Lenkert ichael Leutert tefan Liebich r. Gesine Lötzsch homas Lutze lrich Maurer orothee Menzner ornelia Möhring iema Movassat olfgang Nešković homas Nord ichard Pitterle vonne Ploetz grid Remmers aul Schäfer ichael Schlecht r. Ilja Seifert athrin Senger-Schäfer abine Stüber lexander Süßmair r. Kirsten Tackmann r. Axel Troost lexander Ulrich athrin Vogler ohanna Voß arald Weinberg atrin Werner örn Wunderlich abine Zimmermann ÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN erstin Andreae arieluise Beck olker Beck ornelia Behm Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8651 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt )


(A) )


machen, ist, dass beide Dinge in den Blick genommen
Israel Frieden in den Grenzen von 1967 garantieren. Das
ist ein wichtiger Aspekt.
werden müssen. Dort gibt es z
nensische Menschenrechtsorga
sich sowohl um die in Israel ein
fangenen kümmert, aber gleich
tischen Gefangenen in Palästi
darüber, was sowohl bei der Ha
tah passiert ist, nämlich dass es
fangene gibt. Wenn man scho
Thema für eine politische D
sinnvoll ist und mit der versuch
Änderungen zu erreichen – da
auch wir –, dann hätte man di
chen sollen. Ich finde, an dies
Chance vertan.
um Beispiel die palästi-
nisation Addameer, die
sitzenden politischen Ge-
zeitig auch über die poli-
na spricht, insbesondere
mas als auch bei der Fa-
dort auch politische Ge-
n versucht, ein solches

ebatte aufzubringen, die
t wird, auf beiden Seiten
s wollen Sie, das wollen
eses Thema auch anspre-
er Stelle haben Sie eine

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Wir müssen zur Kenntnis ne
ogar innerhalb der Hamas eine


(Beifall der Abg. Mechth estern hat Regierungschef Ha as würde sich einem in einer ästinensischen Bevölkerung e enn diese Volksabstimmung um Schluss zum Ergebnis hab en werden wir in die europäis olitik, die deutsche Außenpoli en Osten aufnehmen müssen undesregierung dankbar dafü hmen, dass diese Debatte Rolle spielt. ild Rawert [SPD])


nija gesagt, auch die Ha-
Volksabstimmung der pa-
rlangten Votum beugen,
das Existenzrecht Israels
e. Ich finde, diese Debat-
che Politik, die deutsche
tik im Nahen und Mittle-
. Deswegen bin ich der
r, dass sie mit anderen
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Priska Hinz (Herborn)

Ulrike Höfken
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger

Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Memet Kilic
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Oliver Krischer
Agnes Krumwiede
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth (Quedlinburg)

Monika Lazar
Agnes Malczak

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Nun setzen wir die Debatte fort. Der nächste Redner
ist der Kollege Dr. Rolf Mützenich für die SPD-Frak-
tion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1707830900

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-

legen! In der Tat wird mit dem Antrag ein richtiges An-
liegen und ein Punkt angesprochen, mit dem man sich in
demokratischen Rechtsstaaten wird auseinandersetzen
müssen und auch dürfen. Insbesondere ist es wichtig,
dass internationale Organisationen, auch die Vereinten
Nationen, das getan haben. Deswegen fordern auch wir,
die SPD-Bundestagsfraktion, dass die Genfer Konven-
tion beachtet wird, der Zugang des Roten Kreuzes zu
den Gefängnissen gewährleistet wird und die Möglich-
keiten, die den Vereinten Nationen in dieser Situation
zur Verfügung stehen, genutzt werden.

Auf der anderen Seite muss ich Ihnen sagen – ich will
versuchen, das ruhig zu tun –, dass ich glaube, dass Ihr
Antrag durchaus auch im Zusammenhang mit Ihrem Ab-
stimmungsverhalten bezüglich der Freilassung von
Schalit steht. Das wissen Sie, und das werden Sie nicht
in Abrede stellen können. In Ihrem Antrag, in dem es um
politische Gefangene geht, zeichnen Sie ein sehr einsei-
tiges Bild von Israel, aber auch von Palästina.

Was Nichtregierungsorganisationen, insbesondere pa-
lästinensische Nichtregierungsorganisationen, Ihnen vor-

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(C (D erzy Montag erstin Müller eate Müller-Gemmeke r. Konstantin von Notz mid Nouripour riedrich Ostendorff r. Hermann Ott isa Paus rigitte Pothmer abea Rößner laudia Roth rista Sager anuel Sarrazin lisabeth Scharfenberg hristine Scheel Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Auch – hierüber sollten Sie noch einmal nachdenken; ch weiß gar nicht, ob Sie das in Abrede stellen wollen – üssen Sie anerkennen, dass Israel in der Region weiter in ein Rechtsstaat ist. Insbesondere im Verhältnis zu Isael darf es nicht nur Schwarz-Weiß-Malerei geben. uch Palästinenser haben vor israelischen Gerichten echt bekommen. Dieses Recht ist dann unter schwierien Bedingungen durchgesetzt worden. Auch das gehört ur Realität dazu. Wenn man sich einer so schwierigen ebatte um die Rechtsstaatlichkeit und um die Frage des ölkerrechts stellt, dann müssen auch diese rechtsstaat ichen Institutionen, worauf auch Palästinenser zugehen önnten, in einer solchen Debatte angesprochen werden. Sie wissen aus den Diskussionen, die wir im Auswärigen Ausschuss führen, dass es ein Problem ist, wenn eiem Staat die Existenz durch andere abgesprochen wird. s kann sogar sein, dass dieser Staat möglicherweise andlungen unternimmt, die wir nicht für richtig halten. as ist ein großes Problem, was diesen Konflikt in der egion ausmacht. Deswegen wäre es gut, wenn wir hier on der Schwarz-Weiß-Malerei absähen und uns den ositiven Aspekten aus den letzten Tagen stellten. Dann möchte ich noch sagen, dass die arabische Frieensinitiative, die 2001/2002 vom saudi-arabischen Köig, aber auch von anderen arabischen Regierungschefs orgestellt worden ist, möglicherweise wieder eine Subtanz in der politischen Diskussion bekommt. Viele nehen diese arabische Friedensinitiative wieder so ernst, ie sie es verdient, nämlich dass die arabischen Staaten 8652 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Dr. Rolf Mützenich )


(A) )

Partnern innerhalb der Europäischen Union genau das
kritisiert, was von Israel immer wieder als Friedenshin-
dernis in den Weg gestellt wird, nämlich der Siedlungs-
bau. Genau dieser Punkt gehört mit dazu. Dazu gehört
auch der Mut – darin unterstützen wir Sie –, dass das im-
mer wieder angesprochen wird.

Die Reise des Bundesaußenministers in den Gaza-
streifen ist richtig gewesen. Dennoch werden wir nicht
umhinkommen, Frau Staatsministerin, dass Sie dem
deutschen Parlament gegenüber zumindest andeuten
müssen, was aus diesem Besuch erfolgt; denn das Pro-
blem ist doch, was die Nichtregierungsorganisationen in
ihrem gemeinsamen Bericht über die Situation im Ga-
zastreifen berichtet haben. Die humanitäre Situation ist
weiterhin eine Katastrophe.


(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])


Deswegen muss der Boykott, muss die Blockade gegen-
über dem Gazastreifen aufgehoben werden. Genau das
gehört zu einer realistischen Politik, die auch hier eine
Rolle hätte spielen müssen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Kollege Mißfelder, der Bundespräsident hat in der Tat
die richtigen Worte gefunden. Ich finde es auch richtig,
dass er die Angehörigen von Schalit besucht hat. Ich
glaube, das war auch in unser aller Namen. Schließlich
haben wir hier im Bundestag gemeinsam einen Antrag
beschlossen, in dem die Freilassung des Soldaten Schalit
gefordert wird. Die Botschaften waren also richtig.

Wir hier im Deutschen Bundestag und, ich glaube,
insbesondere die europäischen Regierungen sind jetzt
stärker gefordert. Nach den Kongresswahlen in den USA
– die Befürchtungen sind offensichtlich Realität gewor-
den – haben der amerikanische Präsident und die ameri-
kanische Außenministerin nicht mehr die Unterstützung
für eine Friedensinitiative für den Nahen und den Mittle-
ren Osten. Möglicherweise müssen sie nun von der
Europäischen Union – auch von der deutschen Außen-
politik – stärker unterstützt werden. Sie hätten die Unter-
stützung der SPD-Bundestagsfraktion und, ich glaube,
des gesamten Hauses.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707831000

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Rainer Stinner

für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1707831100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ohne jeden Zweifel ist die Menschenrechtssituation im
Nahen Osten für uns alle besorgniserregend. Das ist gar

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(C (D eine Frage. Wir haben uns vor einigen Wochen mit dem eilaspekt Gaza beschäftigt. In Gaza ist die Menschenechtssituation allenthalben unbefriedigend. Ich weise ie darauf hin, welche unmenschliche Politik die Hamas m Gazastreifen fortführt. Auch das gehört zum vollstänigen Bild. Hier ist von der Einhaltung der Menschenechte vonseiten der Hamas nicht die geringste Rede. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Philipp Mißfelder [CDU/CSU] – Christine Buchholz [DIE LINKE]: Lenken Sie doch nicht vom Thema ab!)


ort werden tagtäglich Menschenrechtsverletzungen
rößeren Ausmaßes begangen.

Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen von den
inken, es fehlt Ihnen an Verständnis – vielleicht sind
ie persönlich zu wenig in Israel gewesen –: Der Kern
es Denkens jedes einzelnen Israelis ist primär nur von
inem Thema, dem Thema Sicherheit, geprägt. Das ist
erständlich. Noch heute fliegen Raketen auf israelische
äuser, und Menschen werden verletzt. Jahrelang muss-

en israelische Bürger fürchten, dass ihr Sitznachbar im
us eine Bombe am Leibe trägt.


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Interessiert Sie auch, was die Palästinenser denken?)


ch erinnere Sie an das – ich sage das jetzt einmal so,
iebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen – dra-

atische Erlebnis von Herrn Fischer, in dessen Nähe, als
r in Jerusalem war, eine Bombe hochgegangen ist.
urch so ein Erlebnis wacht man richtig auf. Ich hatte

in solches Erlebnis nicht, aber eine Bombe ist dort ex-
lodiert, wo ich eine Woche zuvor war. Dieses Urver-
tändnis über die Sicherheit Israels müssen wir immer
m Sinn behalten, wenn wir über Israel richten und rech-
en.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707831200

Herr Kollege Stinner, gestatten Sie eine Zwischen-

rage der Kollegin Hänsel?


Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1707831300

Nein, ich möchte keine Zwischenfrage zulassen; sonst

erne, aber zu diesem Zeitpunkt heute Abend nicht
ehr.

Es gibt, wie gesagt, problematische Menschenrechts-
ituationen. Diese müssen wir an diesem Urverständnis
sraels spiegeln. Ich darf Ihnen sagen, liebe Kollegin von
en Linken: Frau Groth hatte eine Anfrage an die Bun-
esregierung gestellt. Die Regierung hat Ihnen, Frau
roth, am 4. November dieses Jahres geantwortet und

rklärt, was genau sie tut und dass – das hat auch Herr
ißfelder gesagt – wir als Bundesregierung, als deut-

ches Parlament sehr kritisch betrachten, was hinsicht-
ich der Menschenrechte dort passiert. Jawohl, wir sagen
as auch hier ganz offen: In Israel sind einige Dinge pas-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8653

Dr. Rainer Stinner


(A) )


)
siert und passieren noch, die unseren hundertprozentigen
Maßstäben nicht entsprechen. Das sprechen wir deutlich
an.

Ich glaube, wir wollen und werden nicht so weit ge-
hen, wie Sie das in Ihrem Antrag vorschlagen. In diesem
wird kursorisch die Freilassung sämtlicher politischer
Gefangener gefordert. Nun stellt sich die Frage, was
politische Gefangene eigentlich sind. Nach meinem Ver-
ständnis sind politische Gefangene solche Gefangene,
die ausschließlich aufgrund ihrer politischen Äußerun-
gen in Haft genommen werden. Viele der Gefangenen,
um die es sich hier handelt, waren politisch aktiv, haben
aber auch andere Dinge getan, die weiß Gott über nor-
male politische Streitigkeiten hinausgehen, zum Beispiel
das Werfen von Steinen. Das mag ja für manche Aus-
druck einer bestimmten kulturellen Einstellung sein, für
mich ist es jedenfalls nicht Folklore, sondern durchaus
ein Verbrechen, das entsprechend geahndet werden
sollte.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Von daher glaube ich, dass wir uns Ihrer pauschalen
Forderung zu Recht nicht anschließen. Sehr wohl weist
die Bundesregierung, weist die Europäische Union auf
problematische Situationen hin. Man arbeitet daran. Der
Dialog wird ständig gesucht. Das wissen wir, und das
wissen auch Sie. Wir haben es Ihnen, falls Sie es noch
nicht wussten, am 4. November durch die Bundesregie-
rung nochmals sehr deutlich bestätigen lassen.

Meine Damen und Herren, die Sicherheitslage in Tei-
len Israels hat sich zum Glück verbessert. Auch die Si-
cherheitslage in der Westbank wird Schritt für Schritt et-
was besser. Dort geschieht nämlich etwas, das bei uns zu
wenig beachtet wird: Israelische und palästinensische Si-
cherheitsbehörden arbeiten in der Westbank vertrauens-
voll – ich nehme dieses Wort bewusst in den Mund – zu-
sammen, um dafür zu sorgen, dass keine weiteren
Bomben explodieren, keine weiteren Attentate verübt
werden etc. Das ist im Interesse Israels und, wie sich
zeigt, auch im wohlverstandenen Interesse der Palästi-
nenser.

Die Palästinenser, jedenfalls die vernünftigen, wissen
genau, dass sie ihrem Ziel der Eigenstaatlichkeit, das wir
unterstützen, nur näher kommen können, wenn sie selbst
dafür sorgen, dass in ihren Reihen keine Verbrechen be-
gangen und Bombenattentate verfolgt und geahndet und
die Attentäter abgeurteilt werden. Darum geht es.

Wir können Ihrem Antrag nicht zustimmen. Wir be-
trachten die Situation in Israel durchaus kritisch. Aber
wir wissen, dass Israel in einer Lage ist, in der sich kein
anderes Land der Welt befindet. Es steht immer noch die
Drohung im Raume, dieses Volk, das über 2 000 Jahre
geschunden wurde und gelitten hat, grundsätzlich zu
vernichten. Auf diese Sondersituation wollen wir Rück-
sicht nehmen.


(Mechthild Rawert [SPD]: Na ja! Das ist jetzt aber auch ein bisschen schwarz-weiß!)


– Das mag für Sie dramatisch klingen. Ich sage: Die Si-
tuation ist nicht so, wie ich sie gerne hätte. Wenn es Ih-

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(C (D en nicht nahegeht, dass die Hamas Israel mit seiner uslöschung bedroht, dann kann ich nur sagen: Armes eutschland und arme Linke! iese Drohung steht nach wie vor im Raum. Wir werden diesen Prozess weiterhin kritisch begleien, Ihren Antrag heute aber aus voller Überzeugung und oller Inbrunst ablehnen. Das Wort hat die Kollegin Kerstin Müller für die raktion Bündnis 90/Die Grünen. Kerstin Müller EN)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707831400
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

a wir heute Abend die Gelegenheit haben, über dieses
hema zu diskutieren, will ich, bevor ich zum Antrag
er Linken komme, kurz auf die aktuellen Entwicklun-
en in Nahost eingehen. Herr Mützenich hat schon er-
ähnt: Aktuellen Tickermeldungen zufolge haben die
alästinenser erklärt, für sie sei der Friedensprozess ge-
torben, weil es keine Verlängerung des Siedlungsmora-
oriums gibt.

Ich will an dieser Stelle sehr deutlich sagen: Es wäre
ehr bedauerlich, wenn es tatsächlich zu einem Ende der
erade erst begonnenen direkten Gespräche kommen
ürde. Ich möchte an beide Seiten appellieren: Setzen
ie diese Gespräche fort! Sie liegen nicht nur in Ihrem
igenen Interesse, sondern auch im internationalen Inte-
esse. Meine Bitte und Aufforderung an die israelische
eite lautet: Eine Verlängerung des Siedlungsmoratori-
ms muss doch, zumindest solange diese Gespräche an-
auern, möglich sein. Alles andere wäre im Hinblick auf
en Friedensprozess wirklich hinderlich. Man muss auch
ie Position der anderen Seite verstehen. Ich kann mir
ur wünschen, dass es zu einer Fortsetzung dieser Ge-
präche kommt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Konflikt im Nahen Osten hat uns in diesem Jahr
chon öfter beschäftigt. Es ist uns im Deutschen Bundes-
ag nicht nur gelungen, konstruktive Debatten über die-
es Thema zu führen, sondern wir haben gemeinsam
uch substanzielle Beschlüsse gefasst, sowohl zur Auf-
ebung der Gaza-Blockade als auch zur Freilassung von
ilad Schalit. Ich glaube – das entspricht auch den
ückmeldungen, die wir bekommen –, damit haben wir
ls Deutscher Bundestag ein starkes Zeichen gesetzt, so-
ohl in Richtung internationaler Gemeinschaft als auch

n die Adresse der Konfliktparteien.

Ich bedaure allerdings, dass die entsprechenden An-
räge nicht von allen Fraktionen gemeinsam eingebracht
erden konnten; das will ich an dieser Stelle sagen.
eute zum Beispiel haben wir wieder einmal über einen

nterfraktionellen Antrag zur Verbesserung der Men-

(B)


8654 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010

Kerstin Müller (Köln)



(A) )


)(B)

schenrechtslage im Iran diskutiert. Ich möchte, da bald
Weihnachtspause ist, vor allen Dingen an die CDU/
CSU-Fraktion appellieren: Denken Sie doch einmal da-
rüber nach! Es bringt nichts, die Linke pauschal unter
Quarantäne zu stellen. Es ist doch besser, eine Auseinan-
dersetzung in der Sache zu führen und konkret zu sagen:
Dem stimmen wir zu, dem nicht. – Und wenn wir bei ei-
nem außenpolitischen Thema Übereinstimmung erzielt
haben, wäre es ein noch stärkeres Signal, wenn wir bei
entsprechenden Anträgen auch gemeinsam abstimmen
würden. Sie, meine Damen und Herren von den Linken,
haben mit Ihrem Antrag zur Lage der palästinensischen
Gefangenen in Israel ein wichtiges Thema aufgesetzt.
Auch ich meine, wir dürfen die Augen nicht davor ver-
schließen, dass heute über 200 Personen in Israel in die-
ser sogenannten Administrativhaft einsitzen. Die palästi-
nensische Menschenrechtsorganisation Addameer – Herr
Mützenich hat sie erwähnt – beziffert die Zahl auf 212
im Oktober dieses Jahres.

Administrativhaft – das kritisieren wir auch an ande-
rer Stelle, bei anderen Ländern – heißt, eine Person kann
auf der Basis der vagen Annahme, sie stelle ein Sicher-
heitsrisiko dar, festgenommen und eingesperrt werden –
monatelang, ohne Verfahren, ohne dass Verteidiger aus-
reichend Informationen über den Anklagegrund erhal-
ten.

Ich will zu dieser Frage für meine Fraktion ganz klar
sagen: Das ist mit unseren Vorstellungen von Rechtsstaat
und Menschenrechten nicht vereinbar. Ich sage auch
sehr deutlich: Das muss man kritisieren, ganz besonders,
wenn auch Minderjährige Opfer einer solchen Praxis
werden. Wir tun das; denn Menschenrechte sind unteil-
bar, und sie sind für alle verbindlich.

Es gibt allerdings einen Unterschied, ob diese Admi-
nistrativhaft in Israel angewendet wird oder etwa in
China. In Israel haben wir es mit einer Demokratie zu
tun, und zwar mit einer sehr lebendigen, und wir haben
es mit einem gut funktionierenden Rechtsstaat zu tun,
Frau Buchholz. Deshalb meine auch ich, dass Israel sol-
che Verfahren eigentlich nicht nötig hat. Wir jedenfalls
haben die Erwartung, dass diese rechtsstaatlichen Prinzi-
pien auch gegenüber den Palästinensern eingehalten
werden.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will aber trotzdem zu Ihrem Antrag sagen, dass
der Duktus den Eindruck erweckt, dass sie ihn quasi als
Antwort auf den Beschluss zur Befreiung von Gilad
Schalit hier als Kontrapunkt setzen. Das finde ich völlig
falsch. Denn ich finde, beide Sachen müssen für sich be-
trachtet werden.


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Betrachten Sie das als falsch, aber stimmen Sie zu!)


– Jetzt hören Sie an der Stelle mal zu! –


(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)


Ich finde auch nicht, dass wir dann, wenn wir – wie Sie
schreiben – den Frieden fördern wollen, eine aufrech-
nende Logik des „Auge um Auge“ zugrunde legen soll-

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(C (D en: Nur wenn palästinensische Gefangene freigelassen erden, bin ich auch für eine Freilassung von Gilad chalit. (Widerspruch der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE])


Doch, so liest sich Ihr Antrag. –


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707831500

Frau Kollegin, denken Sie an die Redezeit, bitte.

Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
– Da steht: „Ebenso wie … fordern wir die Freilas-

ung der palästinensischen Gefangenen.“ Das führt mei-
er Meinung nach nicht zum Frieden, das führt nicht
eiter. Gilad Schalit ist kein politischer Gefangener. Wir

ordern seine Freilassung unabhängig davon, ob auch
alästinensische Gefangene freigelassen werden. Des-
alb werden wir uns bei Ihrem Antrag enthalten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE])



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707831600

Letzter Redner ist nun der Kollege Michael Frieser

ür die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1707831700

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Gerade im Kontext des heutigen Tages mit einer
anzen Reihe von namentlichen Abstimmungen, die mit
em Thema „Frieden in der Welt“ und der Frage „Wie
ann unser Beitrag zu einer Befriedung aussehen?“ zu
un hatten – niemand hier in diesem Haus hat es sich bei
en namentlichen Abstimmungen leicht gemacht –,
ommt Ihr Antrag mit dem sehr problematischen Titel
Den Frieden befördern“ wie ein Kanonenschlag daher.
lles andere ist leider Gottes der Fall.

Ich glaube, wir haben schon einiges gehört. Der
rößte Fehler, der sich hinter diesem Antrag der Linken
erbirgt, ist sicherlich das Simplifizieren des Sachver-
altes. Es geht immer um das ganz Schräge, um den Ver-
uch, es möglichst irgendwie zu verschleiern.


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Dann differenzieren Sie mal konkret!)


ie scheren höchst unterschiedliche Dinge und absolut
icht mehr zu vergleichende Einzeltaten einfach über ei-
en – in diesem Zusammenhang leider Gottes – sehr gro-
en Kamm. Das bedeutet am Ende, dass man, glaube
ch, niemandem mehr gerecht wird. Sie werden demjeni-
en, der wirklich in erster Linie aus politischen Motiven
n Israel inhaftiert wird, nicht gerecht, weil er gleichge-
tellt wird mit demjenigen, bei dem man, was das Exis-
enzrecht anbetrifft, wirklich Sorge haben muss. Es wer-
en alle über einen Kamm geschoren. Ich glaube, dass
ir anhand dieses Antrags deutlich machen können – er

st der Beweis –, dass es gar kein wirkliches Interesse

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8655

Michael Frieser


(A) )


)(B)

gibt, diesen Frieden in irgendeiner Art und Weise zu be-
fördern.


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Das ist eine ungeheuerliche Unterstellung!)


Es kommt kein Wort zum Existenzrecht des Staates
Israel vor. Es geht mit keinem Wort um Sicherheitsinte-
ressen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christine Buchholz [DIE LINKE]: Ihnen geht es nicht um die Palästinenser!)


Es geht mit keinem Wort um die Tatsache, dass es auch
um die Freilassung von Menschen geht, die nicht zu ver-
nachlässigende Straftaten mit einem vielleicht sogar ter-
roristischen Hintergrund begangen haben. So können wir
dieses Thema sicherlich nicht angehen.

Ich glaube, dass es ein Hohn wäre, wenn wir dem An-
trag mit dem Titel „Den Frieden befördern – Politische
Gefangene in Israel freilassen“ zustimmen und damit et-
was beantragen würden, wodurch der Frieden in diesem
Landstrich gefährdet würde, nämlich das Freilassen von
Menschen, die am nächsten Tag wieder gegen den Staat
Israel vorgehen könnten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich glaube, mit diesem Antrag befördern Sie nicht den
Frieden, sondern Sie befördern damit allenfalls die deut-
sche Außenpolitik ins Abseits. Das ist das Einzige, was
damit erreicht wird. Davon kann WikiLeaks nur träu-
men. Ich muss aber ehrlich sagen: Dass damit eine sol-
che Katastrophe vorbereitet werden könnte, ist vielleicht
genau die Absicht, die hinter diesem Antrag steht.


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Unglaublich!)


Dieser Verdacht bleibt zumindest bestehen.

Wir haben in unserem Antrag zu den Ereignissen um
die Gaza-Flottille, den wir gemeinschaftlich vorbereitet
haben, darauf hingewiesen, dass es eben auch darum
geht, einen Gefangenenaustausch vorzubereiten. Auch
das ist schon angesprochen worden. Ich glaube, die is-
raelische Regierung steht in dieser Hinsicht mehr als un-
ter Druck.

Geradezu infam ist es natürlich, dass Sie im Andeu-
tungsstil unterstellen – „nach Einschätzung mehrerer
Menschenrechtsorganisationen“ –, dass es zu Menschen-
rechtsverletzungen gekommen ist, und dass Sie dazu
auffordern, dass Menschenrechtsverletzungen unterblei-
ben sollen. Hier wird alles über einen Kamm geschoren.
Es wird quasi gesagt, Folter sei an der Tagesordnung,
und es wird suggeriert, dass man in übersteigerter Form
als Mahner auftritt. Ich glaube, auch an dieser Stelle
muss man sagen, dass Israel das einzige nach unseren
Maßstäben vorhandene rechtsstaatliche Prinzip immer
noch tatsächlich durchsetzen kann und dass es die Mög-
lichkeit gibt, dort auch rechtsstaatlich zu arbeiten und
sich zur Wehr zu setzen;

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(C (D (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Haben Sie sich schon einmal mit den Organisationen unterhalten?)


ielleicht nicht ausreichend in jedem Fall, aber diese
öglichkeit besteht. Davon könnten sich andere Länder,

ie im Fokus stehen, wenn es um diese sicherheitstheo-
etische und sicherheitspolitische Problematik geht, viel-
eicht ein Stück abschneiden. Ich glaube aber, auch da-
um geht es Ihnen in Wahrheit nicht.

Ich kann an dieser Stelle am Ende dieses Tages wirk-
ich nur dazu auffordern, dass die Linke in Deutschland
ine längst überfällige Klärung herbeiführt, und zwar
insichtlich ihres Verhältnisses zum Staate Israel. Diese
lärung wurde immer noch nicht geleistet. Sie haben

ich immer noch nicht von der fortwährenden Prägung
hrer Organisation durch den Antizionismus und den
ntisemitismus der DDR gelöst.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


on dieser Vergangenheit haben Sie sich immer noch
icht verabschiedet.

Es ist bekannt, dass die DDR damals als einziger
taat des Warschauer Paktes keine Beziehungen zu Is-
ael aufgenommen hat. Man wollte sich jahrelang nicht
ur Verantwortung für die Judenvernichtung im NS-Re-
ime bekennen.


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Das ist eine Unterstellung! – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Genau so ist das!)


as muss man aufarbeiten, und es wäre Ihre Pflicht ge-
esen, genau das an dieser Stelle zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Broder hat schon gesagt, dass dieser Antizionismus
in getarnter Antisemitismus ist. Es geht darum: Dieses
chüren von Ressentiments – das müssen Sie sich vor-
alten lassen – kann letztendlich auch genau in die fal-
che Richtung führen.


(Zurufe von der LINKEN)


Ich glaube, es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass
hre Äußerungen zum Existenzrecht Israels reine Lip-
enbekenntnisse sind. Leider Gottes sind Sie nämlich
icht in der Lage, das zu tun, was man eben tun müsste,
ämlich deutlich zu machen, dass man das Einhalten von
echtsstaatlichen Prinzipien fordern kann, ohne auf der
nderen Seite antisemitische Ressentiments zu bedienen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707831800

Denken Sie bitte an Ihre Redezeit.


Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1707831900

Ich will deshalb deutlich machen: Vielleicht stand

inter diesem Antrag nicht unbedingt ein antisemitischer
edanke.


(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Das ist eine unglaubliche Unterstellung!)


8656 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010


(A) )


)(B)


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707832000

Herr Kollege, denken Sie an die Redezeit.


Michael Frieser (CSU):
Rede ID: ID1707832100

Ich komme mit meinem letzten Satz zum Ende. – Viel-

leicht kann und soll damit aber genau das erzeugt wer-
den. Ich kann Sie nur bitten: Werden Sie mit so etwas
nicht zum Katalysator für antisemitische Reaktionen,
egal von welcher Seite, ob von links oder von rechts.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das war wirklich eine Unverschämtheit!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707832200

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/3545 mit dem Ti-
tel „Den Frieden befördern – Politische Gefangene in Is-
rael freilassen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer ist
dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist damit abge-
lehnt. Die Fraktion Die Linke hat für den Antrag ge-
stimmt, dagegen haben die Fraktionen der CDU/CSU
und der FDP gestimmt. Enthalten haben sich die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen und die SPD-Fraktion.

Wir werden jetzt eine ganze Reihe von Überweisun-
gen und Abstimmungen vornehmen. Dabei handelt es
ich um Tagesordnungspunkte, bei denen die Reden zu
Protokoll gegeben wurden. Es wurde interfraktionell
vereinbart, dass ich die Namen der Redner nicht zu nen-
nen brauche; diese sind dem Protokoll zu entnehmen.


(Beifall)


Wir kommen zunächst zu den Tagesordnungspunkten
17 a und 17 b:1)

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Über-
tragung ehebezogener Regelungen im öffentli-
chen Dienstrecht auf Lebenspartnerschaften

– Drucksache 17/3972 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Volker
Beck (Köln), Dr. Konstantin von Notz, Birgitt
Bender, weiteren Abgeordneten und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Gleichstellung der
eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der
Ehe im Bundesbeamtengesetz und in weiteren
Gesetzen

– Drucksache 17/906 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)


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1) Anlage 9
2)

3)

(C (D Auswärtiger Ausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzentürfe auf den Drucksachen 17/3972 und 17/906 an die n der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgechlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der all. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 18 a und 18 b auf:2)


a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Priska
Hinz (Herborn), Birgitt Bender, Markus Kurth,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Schutz von Patientinnen und Patienten bei der
genetischen Forschung in einem Biobanken-
Gesetz sicherstellen

– Drucksache 17/3790 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten René
Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-
Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der SPD

Biobanken als Instrument von Wissenschaft
und Forschung ausbauen, Biobanken-Gesetz
prüfen und Missbrauch genetischer Daten und
Proben wirksam verhindern

– Drucksache 17/3868 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

Die Vorlagen auf den Drucksachen 17/3790 und 17/3868
ollen an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus-
chüsse überwiesen werden. – Damit sind Sie einver-
tanden, wie ich sehe. Dann sind die Überweisungen so
eschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:3)

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften

Anlage 10
Anlage 11

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8657

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt


(A) )


)(B)

Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuer-
gesetzen

– Drucksache 17/3025 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-
schusses (7. Ausschuss)


– Drucksache 17/4052 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Patricia Lips
Ingrid Arndt-Brauer
Dr. Birgit Reinemund

Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 17/4052, den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/3025 in
der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim-
men wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dage-
gen? – Gibt es Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist
damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfrak-
tionen und einer Enthaltung seitens der FDP-Fraktion
angenommen.

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
wurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie bei der
zweiten Beratung angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Mo-
dernisierung des Benachrichtigungswesens in
Nachlasssachen durch Schaffung des Zentra-
len Testamentsregisters bei der Bundesnotar-
kammer

– Drucksache 17/2583 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)


– Drucksache 17/4063 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Ute Granold
Christoph Strässer
Stephan Thomae
Halina Wawzyniak
Ingrid Hönlinger


Ute Granold (CDU):
Rede ID: ID1707832300

Wir beraten heute abschließend über den vom Bun-

desrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ein-
richtung eines zentralen, elektronisch geführten Testa-
mentsregisters bei der Bundesnotarkammer. Die
Erfahrungen aus der geltenden Benachrichtigungspra-
xis zeigen, dass dieses System völlig veraltet und nicht
mehr zeitgemäß ist. Die Zielsetzung und das Konzept des
Gesetzentwurfs sind daher zu Recht von Anfang an all-

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(C (D emein begrüßt worden. Derzeit ist die Benachrichtiung in Nachlasssachen dezentral und papiergebunden rganisiert. Die Orte, an denen die erbfolgerelevanten rkunden verwahrt werden, sind bei rund 5 200 ver chiedenen Stellen auf Karteikarten registriert. Diese arteikarten befinden sich, sofern der Erblasser im In and geboren wurde, bei den Standesämtern am Geurtsort des Erblassers. In allen anderen Fällen sind die ngaben in der sogenannten Hauptkartei beim Amtsgeicht Schöneberg in Berlin registriert. Es reicht ein Blick auf das derzeitige Verfahren, um ie offensichtlichen Mängel im Benachrichtigungswesen u erkennen: Zunächst wird das Standesamt des Sterbertes, beispielsweise vom Krankenhaus oder vom Pfleeheim, über den Tod des Erblassers informiert. Das tandesamt am Sterbeort ermittelt sodann die Stelle, bei er die Verwahrangaben über ein Testament registriert ein könnten, also beim Standesamt des Geburtsortes der beim Amtsgericht Schöneberg, und benachrichtigt iese Stelle postalisch über den Tod des Erblassers. Beim Standesamt des Geburtsortes bzw. beim Amtsericht Schöneberg erfolgt als Nächstes eine manuelle rüfung, ob im dortigen Register irgendwelche Verahrangaben vorhanden sind. Falls ja, wird in einem ächsten Schritt die Stelle ermittelt, bei der das Testaent aktuell verwahrt wird. Dies ist in der Regel das mtsgericht im Gerichtsbezirk, in dem der Verstorbene einen Wohnsitz hatte. Nachdem die Verwahrstelle vom tandesamt über den Todesfall informiert wurde, inforiert diese wiederum das Nachlassgericht und übersenet das Testament dorthin. Das Nachlassgericht schließich stellt auf Grundlage des Testaments den Erben inen Erbschein aus. Im gesamten Verfahren nehmen dabei weder die achlassgerichte noch die Standesämter die Möglicheiten moderner Kommunikationsund Speichermedien ahr. Man mag es kaum glauben, aber noch heute weren alle Angaben über den Verwahrort des Testaments der eines Erbvertrages auf Papierkarteikarten erfasst. undesweit, so schätzt man, gibt es hiervon circa 5 Millionen. Neben den bereits beschriebenen kompliierten Meldewegen führen auch veraltete Verwahrdaten nd Kapazitätsgrenzen zu weiteren, nicht unerheblichen erzögerungen. Man kann also auf den ersten Blick erennen, dass dieses System veraltet, langsam und fehlernfällig ist und darüber hinaus zu unnötig hohen erwaltungskosten führt. Kurz gesagt, das geltende Beachrichtigungswesen stellt angesichts des technischen ortschritts einen verwaltungstechnischen Anachronisus dar, der dringend einer Modernisierung bedarf. An dieser Stelle setzt das neue Konzept an. Das Geetz schafft die gesetzlichen Voraussetzungen, damit ünftig bei der Bundesnotarkammer ein elektronisch geührtes, zentrales Register eingerichtet werden kann. In iesem sollen dann alle erbfolgerelevanten Urkunden egistriert werden. Das Register soll also, so der Plan, ie alten Karteikarten komplett ersetzen. Die Einrichung und dauerhafte Führung des neuen Registers soll m Wege der mittelbaren Staatsverwaltung der Bundesotarkammer als Registerbehörde zugewiesen werden, )


(A) )

die der Rechtsaufsicht des Bundesjustizministeriums un-
terliegt.

Mit dem neuen Register soll auch das Benachrichti-
gungswesen deutlich vereinfacht werden: Die Standes-
ämter werden verpflichtet, jeden Sterbefall der neuen
Registerbehörde mitzuteilen. Diese prüft sodann, ob im
zentralen Testamentsregister Verwahrangaben vorliegen
und benachrichtigt dann im Wege der automatisierten
Datenübertragung das Nachlassgericht sowie die ver-
wahrenden Stellen über den Sterbefall und etwaige Ver-
wahrangaben. Damit ist gewährleistet, dass das Nach-
lassgericht zeitnah von dem Tod und allen für das
Nachlassverfahren erforderlichen Informationen Kennt-
nis erlangt. Für die Erben ergibt sich somit der Vorteil,
dass ihnen künftig deutlich schneller als bisher ein Erb-
schein ausgestellt wird. Darüber hinaus wird das Ver-
fahren deutlich weniger fehleranfällig.

Die Bundesnotarkammer steht jetzt vor der großen
technischen Herausforderung, zunächst alle in den Pa-
pierkarteikarten registrierten Informationen zu digitali-
sieren und dann in das neue, elektronische Register zu
überführen. Dies ist in der Tat keine leichte Aufgabe.
Nach den guten Erfahrungen mit dem zentralen Register
für Vorsorgevollmachten können wir aber darauf ver-
trauen, dass die Bundesnotarkammer auch diese techni-
sche Herausforderung meistern und das neue Register
zeitnah an den Start bringen wird. Auch die im Vorfeld
durchgeführten Machbarkeitsstudien zeigen, dass hier
gründlich und sorgfältig geplant und kalkuliert wurde.
Insbesondere mit Blick auf die Anregungen der Experten
im Rahmen eines erweiterten Berichterstattergesprächs
haben wir in den Beratungen im Rechtsausschuss noch
diverse Änderungen eingefügt. Diese sind jedoch alle-
samt nicht prinzipieller Natur und lassen aus guten
Gründen im Übrigen das Grundkonzept unberührt. Ich
möchte im Folgenden nur die Wichtigsten davon kurz er-
läutern:

Es ist davon auszugehen, dass nur in etwa 25 bis
30 Prozent der Sterbefälle eine letztwillige Verfügung
vorliegt, wovon wiederum ein Großteil eigenhändige
Testamente sind, die sich nicht in amtlicher Verwahrung
befinden. Bei einem Großteil der Meldungen an die
Nachlassgerichte dürfte es sich folglich um sogenannte
Negativmeldungen handeln, die lediglich den Inhalt ha-
ben, dass keine Verwahrangaben registriert sind. Ein
Bedarf für derartige Negativmeldungen besteht an sich
nur in jenen Bundesländern, in denen die Nachlassge-
richte nach dem jeweiligen Landesrecht auch beim Feh-
len einer verwahrten Verfügung die gesetzlichen Erben
von Amts wegen zur ermitteln haben, also in Bayern und
Baden-Württemberg.

Für die anderen Länder besteht hingegen kein Be-
darf, dass auch in besagten Negativfällen eine obligato-
rische Meldung an die Nachlassgerichte ergeht, da diese
nur auf Antrag der Erben tätig werden. Die anderen
Länder sollen daher durch die geplante Rechtsverord-
nung, mit der die Details der Umsetzung geregelt wer-
den sollen, die Möglichkeit erhalten, auf die Negativ-
meldung im Sterbefall dauerhaft zu verzichten. Der
Änderungsvorschlag enthält hierzu eine entsprechende

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(C (D onkretisierung der Ermächtigungsgrundlage für den rlass der Rechtsverordnung. Intensiv haben wir uns zudem mit der Frage beschäfigt, ob die Rechtsverordnung der Zustimmung des Bunesrates bedarf. Wir gehen davon aus, dass die Regeung und Ausgestaltung des Benachrichtigungswesens icht unerhebliche Auswirkungen auf die Landesjustizerwaltungen haben wird. Daher sollten die Bundesläner hier stets eingebunden sein. Wir haben uns vor dieem Hintergrund entschieden, dass die Verordnung ustimmungspflichtig sein soll. Auch zum Schutz des informationellen Selbstbestimungsrechts enthält die Beschlussempfehlung des echtsausschuss eine Ergänzung: Es wird klargestellt, ass die Erhebung und Verwendung der Daten auf das ür die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben Erforderlihe beschränkt bleibt. Auf die Regelung eines bereichsspezifischen Ausunftsanspruchs haben wir hingegen bewusst verzichtet, a dem Erblasser ein solcher Anspruch bereits nach den llgemeinen Vorschriften des Bundesdatenschutzes zuteht und insofern für eine solche spezielle Regelung eine Notwendigkeit besteht. Das haben uns auch die xperten in den Beratungen noch einmal bestätigt. Zuem bestand das Risiko, dass man mit einem solchen beeichsspezifischen Anspruch Wertungswidersprüche um Vorsorgeregister geschaffen hätte, für das es eine olche spezielle Regelung nicht gibt. Eine weitere und sicherlich auch für die Bürgerinnen nd Bürger zentrale Rolle spielte in den Beratungen die öhe der künftigen, von der Bundesnotarkammer für die egistrierung zu erhebende Gebühr. Die Einrichtung es Registers sowie die Finanzierung der laufenden osten des Registrierbetriebes sollen durch eine einma ige Registrierungsgebühr in Höhe von circa 15 Euro edeckt sein. Das ist ein Betrag, der fair, realistisch und ngesichts der für die Bürgerinnen und Bürger spürbaen Verbesserung auch zumutbar ist. Unabhängig davon wollen wir bei den Gebühren ein öchstmaß an Transparenz und damit auch eine hohe kzeptanz für das neue Register erreichen. Die Registerehörde soll deshalb verpflichtet werden, die Höhe der ebühren regelmäßig auf ihre Angemessenheit hin zu berprüfen, um sie gegebenenfalls anpassen zu können. ir erwarten, dass in Zukunft und hier insbesondere ach erfolgter Refinanzierung der Einrichtungskosten nd Bildung einer betriebswirtschaftlich gebotenen ücklage die Gebühr gesenkt werden kann. Das zeigen uch die positiven Erfahrungen beim ebenfalls von der undesnotarkammer geführten Vorsorgeregister. Nach er Inbetriebnahme konnten dort die Gebühren erhebich gesenkt werden. Wir gehen davon aus, dass das undesministerium der Justiz im Rahmen seiner Rechtsufsicht und der Prüfung der Haushaltspläne der Regiserbehörde regelmäßig auch die Höhe und Angemesseneit der Gebühren überprüfen und, soweit erforderlich, npassungen herbeiführen wird. Abschließend und lediglich der Vollständigkeit halber öchte ich noch einen anderen Punkt erwähnen, der die 8658 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Ute Granold gebene Reden )


(A) )

Verlängerung der Hofraumverordnung um weitere fünf
Jahre zum Gegenstand hat. Die Hofraumverordnung
würde ohne eine entsprechende gesetzliche Änderung
zum 31. Dezember dieses Jahres auslaufen. Entgegen
der ursprünglichen Erwartung gibt es in den neuen Län-
dern jedoch immer noch zahlreiche ungetrennte Hof-
räume, deren Auflösung noch nicht erfolgt ist. Aus die-
sem Grund bedarf es einer temporären Verlängerung,
die wir an dieser Stelle regeln wollen.

Wir sind überzeugt, mit dem vorliegenden Gesetzent-
wurf ein gutes Konzept zu haben. Das Benachrichti-
gungswesen in Nachlasssachen erfährt jetzt eine längst
überfällige Erneuerung und wird auf den Stand der Zeit
gebracht. Es wird schneller, einfacher und weniger feh-
leranfällig. Das ist ein großer Fortschritt.


Christoph Strässer (SPD):
Rede ID: ID1707832400

Die Formulierung eines Testaments ist schon schwie-

rig genug; das gilt nicht so sehr für die Form als für den
Inhalt. Im Zweifel kann es der Erblasser nicht allen
recht machen. Das wusste auch schon Goethe, als er
schrieb: „Wenn ich scheid aus diesem Elend und lass
hinter mir ein Testament, so wird daraus nur ein Zank
und weiß mir’s niemand keinen Dank.“ An diesem Pro-
blem können wir als Gesetzgeber nichts ändern. Aber
wir können das Verfahren und die Abwicklung zumindest
für alle Beteiligten vereinfachen, beschleunigen und mit
den uns zur Verfügung stehenden Mitteln modernisieren.

Viele Bürgerinnen und Bürger setzen sich frühzeitig
mit dem Sterben auseinander und verfassen ihren letzten
Willen. Viele Millionen hinterlegen diesen rechtzeitig bei
einem Notar oder einem Amtsgericht. Über 15 Millionen
Testamente und Erbverträge werden zurzeit von den öf-
fentlichen Urkundenstellen in ganz Deutschland ver-
wahrt. Stirbt ein Erblasser, setzt dies einen schwerfälli-
gen Benachrichtigungsprozess in Gang. Die Bearbei-
tung eines Sterbefalls kann sich bei den zuständigen
Stellen unter Umständen über mehrere Monate hinzie-
hen. Grund für diesen langen Zeitraum ist die Tatsache,
dass die Angaben auf den Karteikarten im Laufe der Zeit
mangels regelmäßiger Aktualisierung und Pflege ihre
Richtigkeit verlieren können. Die Recherche des neuen
Verwahrungsorts der Urkunden kostet Zeit, was gleich-
bedeutend ist mit höheren Personalkosten. Das bishe-
rige Registerwesen ist dezentral-zersplittert, papierge-
bunden, nicht auf dem neuesten Stand der Technik,
kurzum: nicht mehr zeitgemäß.

Dazu kommt die für den Bürger als auch für die zu-
ständigen Stellen fehlende Transparenz dieses Benach-
richtigungssystems. Im Zeitalter der Neuen Medien ist
es notwendig und richtig, dass die Länder auf eine
schnellere und sicherere Bearbeitung in Nachlasssachen
und auf das Austauschen von Informationen durch elek-
tronischen Schriftwechsel setzen wollen.

Das neue Register sichert das Erbrecht des Bürgers
und sorgt für einen Effizienzgewinn. Mit dem Gesetzent-
wurf wird durch die Schaffung eines elektronischen zen-
tralen Testamentsregisters das Benachrichtigungswesen
in Nachlasssachen modernisiert. Damit sparen sowohl
die Gerichte und Notare als auch die Bürgerinnen und

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(C (D ürger Zeit und die Verwaltungen Geld. Ein solches zenrales Testamentsregister wird die Zettelwirtschaft in en über 5 200 öffentlichen Stellen beenden, Synergien chaffen und somit die Arbeit der öffentlichen Stellen zuunsten der Erben erleichtern. Das neue elektronische Register wird bei der Bundesotarkammer entstehen. Die Bundesnotarkammer verügt bereits über elektronische Datenbanken zur Verwalung von Namen und Adressen von Notaren und Amtserichten. Sie verfügt auch über Erfahrungen mit der andhabung ähnlicher Register, zum Beispiel dem zen ralen Vorsorgeregister. Die Notarkammer geht davon us, dass die Überführung der Altdaten etwa fünf Jahre n Anspruch nehmen wird. War vor 10 bis 15 Jahren ein olches Anliegen technisch noch gar nicht möglich, so rscheint das Vorhaben nunmehr umsetzbar. Um eine änger andauernde Zweigleisigkeit des alten und des euen Benachrichtigungssystems aber in jedem Fall zu ermeiden, sieht der nun vorliegende Änderungsantrag m Gegensatz zum ursprünglichen Gesetzentwurf gleichohl explizit eine Frist von sechs Jahren vor, innerhalb er die Überführung der Altdaten abgeschlossen sein oll. Das begrüße ich. Mit der Einführung eines neuen elektronischen Regisers gehen natürlich auch entsprechende Kosten einher. as sind einmalig 12,6 Millionen Euro sowie jährlich nfallenden Kosten für die Pflege des Systems in Höhe on 2,8 Millionen Euro. Diese Kosten übernimmt die undesnotarkammer. Die Rückfinanzierung soll über ine Registergebühr von 15 Euro pro Eintrag und über ebühren für Auskünfte laufen. Die Gebühren dienen ur der Finanzierung der Anlaufkosten, des Unterhalts nd technischer Erneuerungen. Sobald eine Gewinnone erreicht wird, werden die Gebühren angepasst. Die ebühren sind also zweckgebunden. Der Break-even ird in etwa in zehn Jahren erwartet. Auch hier begrüen wir es, dass im Sinne einer größeren Transparenz ie Verpflichtung zur regelmäßigen Kontrolle der Geühren durch die Registerbehörde auf ihre Angemesseneit nun ausdrücklich vorgeschrieben wird, um sie gegeenenfalls anpassen zu können. Die Umsetzung dieser flicht ist Gegenstand der Rechtsaufsicht des Bundes ustizministeriums. Die Idee eines zentralen elektronischen Testamentsreisters berücksichtigt auch die europäische Entwickung. Seit 2007 strebt die Europäische Kommission beeits eine Vereinheitlichung des Benachrichtigungsystems in Nachlasssachen an, um das Leben der EUürger zu erleichtern. Menschen werden innerhalb der U immer mobiler. Deshalb haben bereits 19 europäiche Staaten ein zentrales Testamentsregister eingeührt. Das elektronische Testamentsregister erleichtert ie europäische Vernetzung. EU-Projekte verschiedener änder zur Vernetzung laufen bereits. Es gibt aber keien Zwang zum Anschluss an diese Projekte. Die Vernetung müsste noch vertraglich geregelt werden. Entscheiet sich Deutschland ebenfalls für ein solches Register, äre aber aus europäischer Sicht bereits ein großer chritt Richtung Vereinheitlichung in Nachlasssachen nternommen. Endlich würden die ersten VoraussetzunDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8659 Ute Granold gebene Reden )


(A) )

gen für ein grenzüberschreitendes Auskunftswesen mög-
lich gemacht.

Bei der Sachverständigenanhörung im Rahmen des
erweiterten Berichterstattergesprächs haben daneben
vor allem Fragen zum Datenschutz eine wichtige Rolle
gespielt; schließlich werden unter dem neuen System
mehr Daten zentral gebündelt als zuvor. Es sei aber
noch einmal klargestellt: Das Register soll und wird
nicht die Urkunden oder deren Inhalt, sondern nur An-
gaben enthalten, von wem das Testament oder der Erb-
vertrag stammt und wo diese Urkunden hinterlegt sind.
Für die Bundesnotarkammer als öffentliche Körper-
schaft gilt außerdem unmittelbar das Bundesdaten-
schutzgesetz.

Nun kann man darüber streiten, ob die Regelungen
und Formulierungen des Bundesdatenschutzgesetzes an
entsprechenden Stellen auch in den Gesetzentwurf ein-
fließen sollten oder ob eine Verweisung ausreicht. Der
Gesetzentwurf hat sich eher für eine schlanke Lösung
entschieden. So wie die Datenschützer habe ich mich
aber auch dafür eingesetzt, die Datensammlung auf das
Notwendigste zu begrenzen. Auch deshalb unterstützen
wir den Änderungs- und Ergänzungsvorschlag, die Er-
mächtigungsvorschrift weiter zu konkretisieren.

Insbesondere wird im Sinne des Datenschutzes nun
ergänzt und klargestellt, dass die Erhebung und Verwen-
dung der Daten auf das „Erforderliche“ zu beschränken
ist. Damit soll und kann auch nach den Auffassungen
der Datenschützer im erweiterten Berichterstatterge-
spräch sichergestellt werden, dass lediglich die zum Auf-
finden des Testaments erforderlichen Verwahrangaben
gespeichert werden. Ansonsten wäre eine Ausweitung
der Datenmenge über die Speicherung zusätzlicher An-
gaben möglich, die diesem Zweck nicht dienen.

Dem Gebot der Datensparsamkeit soll eine weitere
Regelung Rechnung tragen: Es kann zwar auch Sterbe-
fallmitteilungen mit dem Hinweis geben, dass es keine
Verwahrmitteilung über ein Testament gebe, sodass
überschießende Informationen entstehen könnten, mit
denen die Gerichte nichts anfangen können. Doch das
Gesetz ist hinreichend flexibel. Um Datenfriedhöfe zu
vermeiden, wird die Möglichkeit für eine Ausnahme von
der Benachrichtigungspflicht des Nachlassgerichts
durch Rechtsverordnung geschaffen, sodass die Länder
auf eine automatische „Negativbenachrichtigung“ über
den Sterbefall dauerhaft für die Zukunft verzichten kön-
nen.

In den Bundesratsausschusssitzungen, aber auch in
den Sitzungen des Bundestages hat der Gesetzentwurf zu
großen Teilen Zustimmung erfahren. Einige Kritik-
punkte, die einige Kollegen und ich teilten, konnten
durch die Änderungsvorschläge beseitigt werden. Die
verbliebenen Streitfragen wiegen nicht so schwer, als
dass man dem Gesetzentwurf nicht zustimmen könnte.
Insgesamt ist die Einführung eines zentralen Testa-
mentsregisters positiv zu bewerten – für die Länder, den
Bund, aber auch für die Bürger. Ich hätte mir durchaus
vorstellen können, dass auch privat hinterlegte Testa-
mente registriert werden können. Aber wie bei der Re-
gistrierung von Vorsorgevollmachten bleibt es dem Ge-

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(C (D etzgeber unbenommen, nach einem erfolgreichen Start es elektronischen Testamentsregisters diese Frage in ukunft noch einmal anzugehen. Insgesamt sprechen och gute Gründe dafür, dem Gesetzentwurf zuzustimen. Wenn Menschen einen letzten Willen schriftlich nie ergelegt haben, verlangt es unsere Rechtsordnung, ass dieser zuverlässig umgesetzt wird. Mit der Schafung eines Zentralen Testamentsregisters kommen wir iesem Ziel erheblich näher. In dem zentralen Testamentsregister werden künftig lle erforderlich Daten über amtlich verwahrte Testaente und Erbverträge zentral registriert. Ab dem . Januar 2012 gelangen diese Daten dann im Zusamenhang mit Sterbefällen an die zuständigen Nachlasserichte, indem das zuständige Standesamt die Bundesotarkammer als die zuständige Registerbehörde über inen Todesfall informiert. Die Bundesnotarkammer rüft daraufhin, ob im Zentralen Testamentsregister Verahrangaben über erbfolgerelevante Urkunden – also um Beispiel Testamente, Erbverträge oder Ähnliches – er verstorbenen Person vorliegen. Falls dies der Fall st, informiert die Registerbehörde unverzüglich das zutändige Nachlassgericht und die verwahrenden Stellen. ie Benachrichtigung erfolgt dabei elektronisch. Der islang vorgesehene, umständliche Mitteilungsweg vom terbestandesamt über das Geburtsstandesamt bzw. die auptkartei für Testamente, die die erbrechtlich rele anten Unterlagen verwahrende Stelle bis hin zum achlassgericht, wird damit obsolet. Dieser neue Inforationsweg ermöglicht eine wesentlich schnellere Um etzung von letztwilligen Verfügungen. Der vorliegende Gesetzentwurf schafft aber auch eitere Verbesserungen. So bietet ein Zentrales Testaentsregister Notaren die Möglichkeit, zu recherchie en, ob ein Erblasser gegebenenfalls schon früher eine indende erbrechtliche Verfügung getroffen und öffentich hinterlegt hat, an die er sich jetzt nicht mehr erinert. Auf diesem Weg können Nachfolgeprobleme von ornherein für den Fall ausgeschlossen werden, dass die estierfreiheit durch eine frühere Verfügung eingechränkt sein sollte. Darüber hinaus eröffnet ein Zentrales Testamentsegister Deutschland die Gelegenheit, sich an grenzberschreitenden Informationsaustauschen in Nachlassachen zu beteiligen. Bislang haben 19 europäische taaten zentrale Testamentskarteien erstellt. In Zeiten mmer größerer Mobilität der Bürgerinnen und Bürger er Europäischen Union muss Deutschland zu diesem reis hinzustoßen. Dies zu ändern ist unter anderem die estrebung des vorliegenden Gesetzentwurfes. Ein solches Gesetz kann nicht erlassen werden, ohne ass wir über den Datenschutz sprechen. Auch in diesem spekt findet das Gesetz die volle Zustimmung der FDP. er Gesetzentwurf ist von Datenschützern geprüft und icht beanstandet worden. So wurde zum Beispiel die atenerhebung auf das für den Betrieb des Zentralen estamentsregisters unerlässlich erforderliche Maß be8660 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Christoph Strässer gebene Reden )

Stephan Thomae (FDP):
Rede ID: ID1707832500

(A) )

grenzt. Dadurch wurde dem Grundsatz der Datenspar-
samkeit Rechnung getragen. Weiter hat die FDP-Bun-
destagsfraktion in den Verhandlungen zu dem Gesetz
dafür gesorgt, dass der Anspruch auf Information aus
§ 19 BDSG durch das Gesetz nicht beeinträchtigt wird.
So wird gewährleistet, dass der Erblasser kostenfrei
Auskunft über von ihm selber in Verwahrung gegebene
Testamente, Erbverträge oder ähnliche Dokumente ver-
langen kann.

Abschließend möchte ich erwähnen, dass die ge-
plante Gesetzesänderung niemanden zwingt, sein Testa-
ment zu hinterlegen. Wer sein Testament privat verwal-
ten möchte, kann dies auch in Zukunft tun. Wer seine
letztwillentliche Verfügung aber registrieren lassen will,
muss hierfür eine Gebühr bezahlen. Eine solche Gebüh-
renpflicht ist angemessen und auch erforderlich, da sie
zur Finanzierung des Zentralen Testamentsregisters bei-
trägt. Dabei müssen die Belastungen für die Bürger aber
so gering wie möglich gehalten werden. Die vorgese-
hene Gebühr von 15 Euro pro Neuregistrierung muss re-
gelmäßig durch das Bundesministerium der Justiz als
Aufsichtsbehörde auf ihre Angemessenheit überprüft
werden. Wenn die mit der Errichtung eines zentralen
Testamentsregisters verbundenen Kosten refinanziert
sind und eine betriebswirtschaftlich gebotene Rücklage
gebildet wurde, sollten die Gebühren nach Möglichkeit
abgesenkt werden.

Vor diesem Hintergrund unterstützt die FDP-Bundes-
tagsfraktion den vorliegenden Gesetzentwurf.


Jens Petermann (Plos):
Rede ID: ID1707832600

Die Modernisierung des Benachrichtigungswesens in

Nachlasssachen und die damit verbundene zukünftige
Nutzung der technischen Möglichkeiten ist zu begrüßen.
Die Landesregierungen wollen zu diesem Zweck ein
elektronisch geführtes zentrales Testamentsregister bei
der Bundesnotarkammer einrichten. Diese soll mit der
Benachrichtigung der Nachlassgerichte über den Tod
eines Erblassers und den Verwahrungsort erbfolgerele-
vanter Urkunden eine bisher von der Justiz erfüllte Auf-
gabe übernehmen.

Die Registrierung von erbrechtlichen Urkunden bei
den circa 5 200 Geburtsstandesämtern, bei im Inland
registrierter Geburt, auf Karteikarten nach dem Zettel-
kastenprinzip mutet nicht nur vorsintflutlich an, sondern
bedeutet auch für den die Dienste in Anspruch nehmen-
den Bürger unnötige bürokratische Hürden. Die kompli-
zierten Meldewege, erhebliche Verzögerungen und die
Kapazitätsgrenzen der Hauptkartei beim Amtsgericht
Schöneberg für Erbfälle mit Auslandsbezug sind ein büro-
kratischer Zopf aus dem vorigen Jahrhundert, der einer
grundlegenden Revision bedarf. Mit der nunmehr ge-
planten Einrichtung eines zentralen Registers beschrei-
tet das BMJ den richtigen Weg. Allerdings soll dieses
löbliche Ziel in nicht gänzlich unbeanstandbarer Art
und Weise umgesetzt werden.

Durch die Einrichtung des zentralen Testamentsregis-
ters entstehen voraussichtlich Kosten in Höhe von
12,6 Millionen Euro, wobei die laufenden Kosten mit
jährlich 2,8 Millionen Euro veranschlagt werden. Die

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(C (D undesnotarkammer hat sich bereit erklärt, die Kosten orzufinanzieren. An sich haben die Länder die Kosten afür zu übernehmen. Die vorfinanzierten und auch die aufenden Kosten holt sich die Bundesnotarkammer von en Nutzerinnen und Nutzern zurück. Es ist nicht auszuschließen, dass hier in absehbarerer eit Gewinn erzielbar ist, für eine Dienstleistung, die er Staat gegenüber dem Steuerzahler erbringen muss. ie ins Auge gefasste „moderate“ Registrierungsgeühr von 15 Euro soll nämlich mit einem Einsparpotenial im Bereich der Justizund Innenverwaltung gerechtferigt werden. Daneben kann die Bundesnotarkammer ebühren für Auskünfte aus dem zentralen Testaments egister und für jede Änderung, die der Erblasser beim otar beurkundet, verlangen. Die Bundesnotarkammer meint, dass die Gebühren erade ausreichen, um die Kosten zu decken. Wenn die inrichtungskosten nach einigen Jahren eingespielt sind nd eine „Gewinnzone“ erreicht ist, sind die technichen Anlagen angeblich schon wieder veraltet. Der Geinn soll dann für technische Erneuerungen genutzt erden. Betrachten wir also die Kehrseite der Medaille, ällt auf, dass die Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Reistrierungsbeitrag letztlich wohl Personalabbau in den andesverwaltungen finanzieren werden. Dabei gibt es iele Bereiche in der Justiz, wo dringend Personal geraucht wird. Mir fallen da spontan die überlasteten Sozialgerichte in, deren Verfahrenspensum jenseits von Gut und Böse iegt und denen auch aufgrund der Hartz-IV-Fehlentcheidungen von Schwarz-Gelb eine neue Klagewelle ns Haus steht. Bereits jetzt fehlen dort nicht nur Richteinnen und Richter, sondern auch Rechtspflegerinnen, echtspfleger und Geschäftsstellenangestellte. Der lektronische Zugriff der Nachlassgerichte auf die gepeicherten Daten bringt einen enormen Zeitgewinn bei er Suche, ob überhaupt und wo ein Testament amtlich erwahrt wird. Das Risiko eines Verlustes von Verwahungsnachrichten auf dem Postweg bestünde damit nicht ehr; jedoch ist auch eine vollelektronische Datenbank icht vor Fehlern sicher. Es besteht die Gefahr, dass Daen bei der Übersendung und Speicherung durch techniches oder menschliches Versagen verloren gehen; zual sich die Bundesnotarkammer zur Überführung der erwahrungsnachrichten eines oder mehrerer Auftragehmer bedienen können soll. Als überaus problematisch sehe ich die unzureichenen datenschutzrechtlichen Vorkehrungen im Gesetz elbst an. Es reicht nicht aus, konkrete Maßnahmen zur ewährleistung von Datenschutz und Datensicherheit rst in einer Verordnung zu regeln. Nein, entsprechende egelungen sollte der parlamentarische Gesetzgeber ielmehr selbst treffen. Der vorliegende Gesetzentwurf st insoweit mangelhaft. Wenigstens hat man die Hineise unserer Sachverständigen in dem erweiterten Be ichterstattergespräch beherzigt. Schön, dass man einen chritt in die richtige Richtung gegangen ist, noch schöer wäre es allerdings gewesen, wenn man den richtigen eg bis zu Ende gegangen wäre. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8661 Stephan Thomae gebene Reden 8662 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Jens Petermann )


(A) )

Neben Namen, Geburtstag, Geburtsstandesamt, Tag
der Beurkundung, dem Vorhandensein einer Verfügung
von Todes wegen an sich und dem Verwahrungsort wer-
den auch die Namen der Eltern gespeichert. Durch die
Speicherung dieser besonders schutzwürdigen Daten
sind die Anforderungen an den Datenschutz bereichs-
spezifisch besonders hoch anzusetzen. Dennoch wird in
diesem Gesetzentwurf die Datensicherheit nicht dem
Maßstab des Bundesdatenschutzgesetzes gerecht. Des-
halb würde ich persönlich ein Testament nicht in amtli-
che Verwahrung geben.

Gestatten Sie mir noch einen letzten Hinweis. Ich be-
fürchte, dass die im Gesetzentwurf vorgesehene Überlei-
tung der Altdaten weder reibungslos noch zeitnah von-
statten gehen wird. Sorgen sie dafür, dass den
Bürgerinnen und Bürgern keine Nachteile entstehen,
wenn die Daten der Standesämter und des Amtsgerichts
Schöneberg durch Einscannen digitalisiert werden. Ob
der eingeschlagene Weg hält, was er verspricht, sollte
kurzfristig evaluiert und im Interesse der Bürgerinnen
und Bürger gegebenenfalls korrigiert werden.


Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707832700

Wir befinden uns heute in der abschließenden Bera-

tung des Gesetzentwurfs zur Schaffung eines zentralen
Testamentsregisters. Ziel des Gesetzes ist es, das Auffin-
den von Testamenten im Zeitpunkt des Eintritts eines
Erbfalls zu erleichtern. Das ermöglicht eine schnellere
und sicherere Klärung von Erbfällen. Das ist ein Anlie-
gen, das wir ausdrücklich begrüßen.

Im Gesetzentwurf sind verschiedene Auskunftsrechte,
zum Beispiel für Gerichte, geregelt. Im Entwurf ist aber
nicht ausdrücklich festgehalten, dass auch der Erblasser
oder die Erblasserin selbst Auskunft über seine oder ihre
letztwilligen Verfügungen vom Register erhalten kann.
Natürlich kann man sagen: Das ergibt sich implizit aus
der Verweisung aus diesem Gesetz in das Bundesdaten-
schutzgesetz. Dennoch ist es für den Bürger und die Bür-
gerin klarer und einfacher, zu erkennen, wenn sein und
ihr Auskunftsanspruch direkt im einschlägigen Gesetz
nachzulesen ist. Wenn wir schon neue Gesetze entwer-
fen, dann sollten wir sie auch so gestalten, dass nicht der
Bürger vor der Anwendung Rechtsbeistand aufsuchen
muss.

Noch auf ein weiteres Thema möchte ich eingehen. In
dem Gesetz sind verschiedene Regelungen zum elektro-
nischen Rechtsverkehr beinhaltet. Wir alle wissen, dass
der elektronische Rechtsverkehr den bürokratischen
Aufwand erheblich vereinfachen und beschleunigen
kann. Allerdings birgt die elektronische Übermittlung
von Daten auch Risiken. Für uns lauten die zentralen
Fragen: Wie können wir den Datenschutz bei einem so
umfassenden Vorhaben lückenlos gewährleisten? Wie
können wir also das Grundrecht auf informationelle
Selbstbestimmung am besten gewährleisten?

Im Gesetzentwurf wird auf den Datenschutz einge-
gangen. Er ist mittels einer Verweisung auf das Bundes-
datenschutzgesetz geregelt. Das verkennen wir nicht.

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(C (D ir bezweifeln aber, dass das ausreichend ist. Das Bunesdatenschutzgesetz ist in seiner Anwendung sehr weit; nsbesondere § 9 BDSG und die dazugehörende Anlage inden eine weite Anwendung auf viele unterschiedliche ebenssachverhalte. Aus unserer Sicht wäre es sinnvol er, eine passgenaue Regelung für das zentrale Testaentsregister zu schaffen. Gerade im Hinblick auf die rößenordnung der Vorhabens – gerechnet wird mit Ge amtkosten in Höhe von 12,6 Millionen Euro und laufenen Kosten für den Registerbetrieb in Höhe von jährlich ,8 Millionen Euro – sollte der Datenschutz nicht nur m Rande geregelt werden. Bloße Verweisungen auf das undesdatenschutzgesetz bergen immer Lücken. Das haben wir auch in dem erweiterten Berichterstatergespräch am 22. November 2010 ausführlich erörert. Die Experten des Datenschutzes – Herr Holzapfel om Berliner Beauftragten für Datenschutz und Inforationsfreiheit und Frau Körffer vom Unabhängigen andeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein – aben in diesem Gespräch darauf hingewiesen, dass für ie speziellen Bedürfnisse des Testamentsregisters beeichsspezifische Datensicherheitsregelungen geschafen werden sollten. Das würde mehr Datensicherheit geährleisten und mehr Klarheit schaffen. Noch eine eitere Frage stellt sich: Für wen sollen die Überfüh ungsvorschriften und auch die Regelungen zum Datenchutz und zur Datensicherheit konkret gelten? Der Gesetzentwurf sieht vor, dass sich die Registerbeörde zur Überführung der Verwahrnachrichten eines der mehrerer Auftragnehmer bedienen kann. In dem ereits erwähnten Expertengespräch mit den Datenchützern am 22. November 2010 kam klar zum Ausruck, dass bei Unterauftragsverhältnissen erhebliche omplikationen mit dem Datenschutz und der Datensiherheit auftreten können. Sie haben daher angeraten, nterauftragsverhältnisse auszuschließen. Auch sollte us Sicht der Datenschützer das Testamentsverzeichnisberführungsgesetz für den Auftragnehmer zur Anwenung kommen. Das ist im Gesetzentwurf nicht geregelt orden. Zusammenfassend kann ich sagen: Wir befürworten ie Einführung eines zentralen Testamentsregisters. Jeoch sehen wir den Datenschutz und die Datensichereit in dem Gesetzentwurf nicht ausreichend gewähreistet. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung nthalten. Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschluss mpfehlung auf Drucksache 17/4063, den Gesetzenturf des Bundesrats auf Drucksache 17/2583 in der usschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die em Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen ollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Entaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beatung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der PD-Fraktion und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung er Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8663 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt )

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707832800

(A) )

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist
damit mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie bei der
zweiten Beratung angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Auswärtigen Ausschusses

(3. Ausschuss) zu dem Antrag der Fraktionen

SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Evaluierung der deutschen Beteiligung an
ISAF und des deutschen und internationalen
Engagements für den Wiederaufbau Afghanis-
tans seit 2001

– Drucksachen 17/1964, 17/4051 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Roderich Kiesewetter
Johannes Pflug
Dr. Bijan Djir-Sarai
Wolfgang Gehrcke
Dr. Frithjof Schmidt


Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1707832900

Die bereits erwähnte Anhörung im Bundestag zur

Lage in Afghanistan und zum Kriterienkatalog der Bun-
desregierung letzte Woche hat für die Öffentlichkeit
sichtbar gemacht, dass wir Parlamentarier verfügbare
wissenschaftliche Expertisen intensiv in unsere tägliche
Arbeit einbinden. Die CDU/CSU hat zudem vor drei Ta-
gen einen Kongress zur zivil-militärischen Zusammen-
arbeit veranstaltet. Auch hier haben wir wertvolle Anre-
gungen von den geladenen Experten erhalten.

Es wird deutlich, wie umfassend wir externes Fach-
wissen in unsere Arbeit einfließen lassen und uns, im
konkreten Fall, mit unserem zivil-militärischen Engage-
ment in Afghanistan befassen. Dieser Rückgriff auf
Experten entlässt uns aber selbstverständlich nicht aus
der Verantwortung für den von uns mandatierten Ein-
satz. Genau dies wäre aber die Folge einer Evaluierung
durch eine wissenschaftliche Institution, die die Bundes-
regierung aus der Pflicht nimmt, oder gar einer Kom-
mission mit externen Experten als Substitut für unsere
parlamentarische Arbeit. Dies fordern SPD und Grüne
in ihrem Antrag, den wir deshalb nicht mittragen kön-
nen. Entscheidend ist, dass wir Parlamentarier unsere
politische Verantwortung wahrnehmen.

Der Kriterienkatalog der Bundesregierung und der
demnächst vorliegende Fortschrittsbericht, der einen
ganzheitlichen, zielführenden Ansatz mit guter Betonung
ziviler Aspekte verspricht, ermöglicht es uns Parlamen-
tariern, den Prozess der Übergabe in Verantwortung,
die sogenannte Transition, in Afghanistan eng zu be-
gleiten. Jetzt gilt es zunächst, die bisher erfolgte Umset-
zung der in London und Kabul entschiedenen neuen
Strategie auszuwerten. Dafür brauchen wir einen brei-

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(C (D en Ansatz bei der Auswahl der verfügbaren Auswerteittel und -methoden. Die entsprechenden Erkenntnisse ürfen aber nicht im luftleeren Raum stehen bleiben; onst wären sie Wissen ohne Wert. Sie müssen einfließen n eine möglicherweise notwendige flexible Nachsteueung unseres militärischen und zivilen Engagements im egionalkommando Nord. Das entspricht unserem par amentarischen Auftrag! Die CDU/CSU unterstützt alle Vorhaben, die den rozess der Übergabe in Verantwortung stärken. Dazu ehört, dass die Vereinten Nationen über die UNAMA hren Einfluss intensiver wahrnehmen und eng verzahnt it ISAF die „Transition“ nach gemeinsamen Kriterien ornehmen. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang en pragmatischen Ansatz des COMISAF, der uns verangene Woche im Auswärtigen Ausschuss unterrichtet at. Während der Übergabe der Verantwortung wird es anz besonders auf Bündniskohäsion ankommen, um die irkkraft unserer Arbeit – zivil und militärisch – zu stär en. Eine Ausweitung des AWACS-Einsatzes zur Untertützung des zivilen Luftverkehrs in Afghanistan wäre war wünschenswert, ist aber wegen unserer Mandatsrenze mit einer deutschen Beteiligung nicht möglich. Bei aller detaillierten Betrachtung der Lage in Afghaistan selbst müssen wir immer auch die Gesamtregion m Auge behalten. Wir dürfen nicht die politischen Inteessen der regionalen Akteure ausblenden, sondern müsen diese vielmehr in unsere Handlungen einbeziehen. hne die Zusammenarbeit mit Pakistan kann es keine ösung geben, wofür wiederum eine Entschärfung des onflikts mit Indien dienlich wäre. Auch die zentralsiatischen Staaten, etwa Usbekistan und Tadschikistan, aben größtes Interesse an Stabilität in Afghanistan. ran ist bereits eingebunden und leidet unter dem Drogenxport aus seinem Nachbarland, ebenso wie Russland. ir begrüßen das russische Engagement zur Drogenbe ämpfung in Afghanistan ausdrücklich. Es wird deutich: Es ist im Interesse deutscher Außenpolitik, regioale Sicherheit durch eine geteilte Verantwortung der egionalen Akteure im Sinne der Vereinten Nationen zu chaffen, um langfristige Stabilität zu erreichen. Für uns bleibt, auch in Anbetracht der anstehenden ebatte um die Verlängerung des Mandats im Januar, er afghanische Wille entscheidend: Wir unterstützen ine Mission der Vereinten Nationen, um die die afghaische Regierung gebeten hat. Unser Einsatz ist kein elbstzweck, sondern dient der Stabilisierung Afghanisans, damit des regionalen Umfelds und somit letztlich nserer eigenen Sicherheit. Für die Übergabe der Verntwortung in Afghanistan ist es entscheidend, realistiche Ziele und Zeitkorridore zu benennen. Auch hierzu ird der Fortschrittsbericht der Bundesregierung einen ichtigen Beitrag leisten. In der vergangenen Woche hat der Auswärtige Aus chuss eine öffentliche Anhörung zu unserem Engageent in Afghanistan durchgeführt. Externe Sachverstänige haben uns ihre unabhängige Einschätzung der age in Afghanistan gegeben. Anlass für diese Anhö )

Dr. Andreas Schockenhoff (CDU):
Rede ID: ID1707833000

(A) )

rung war die Vorlage eines Katalogs von Kriterien
durch die Bundesregierung, auf deren Grundlage unter
Federführung des Auswärtigen Amts von nun an halb-
jährlich ein evaluierender ressortübergreifender Fort-
schrittsbericht unseres Engagements vorgelegt wird.

Die Regierungsfraktionen hatten dieses Vorgehen den
Kollegen von SPD und Grünen in einem Schreiben An-
fang Oktober vorgeschlagen. Herr Erler und Herr
Schmidt hatten für ihre Fraktionen zugestimmt. Es war
gut, dass wir uns in einer öffentlichen Sitzung mit dem
Kriterienkatalog der Bundesregierung und der Lage in
Afghanistan unter Einbeziehung von externen Sachver-
ständigen befasst haben. Wir haben eine ernsthafte und
sehr sachliche Diskussion, die frei von politischer Pole-
mik war, geführt. Das hat dem Bundestag gut angestan-
den.

Die Abzugsperspektive für unsere Soldaten im Ein-
satz in Afghanistan, die wir mit dem Anfang des Jahres
beschlossenen Strategiewechsel fest im Auge haben,
muss sich an konkreten Fortschritten vor Ort bemessen.
Dafür müssen wir Kriterien definieren. Deshalb haben
die Regierungsfraktionen bereits im Frühjahr – noch
bevor SPD und Grüne ihren Antrag, den wir heute de-
battieren, vorgelegt haben – die Bundesregierung dazu
aufgefordert, einen Katalog von Kriterien – neudeutsch
„Benchmarks“ – sowie regelmäßige Fortschrittsbe-
richte vorzulegen. Somit ist gewährleistet, dass wir den
Prozess der Übergabe der Verantwortung in afghani-
sche Hände intensiv parlamentarisch begleiten und be-
werten können.

Diese Benchmarks und der Fortschrittsbericht, der
im Dezember nun erstmals von der Bundesregierung
vorgelegt wird, müssen von uns Parlamentariern einer
genauen Überprüfung unterzogen werden, bevor wir im
Januar eine neue Mandatierung unseres Einsatzes dis-
kutieren. Hierzu hat die Anhörung einen wichtigen Bei-
trag geleistet. Aus unserer Sicht ist der Kriterienkatalog
mit 27 Indikatoren umfassend und zielführend angelegt.

Es ist selbstverständlich, dass wir auch externe Ex-
pertise berücksichtigen und hinzuziehen. Dies geschieht
ja ständig. Wir alle lassen die Erfahrung von Nichtregie-
rungsorganisationen oder die Arbeit unserer Stiftungen
oder die wissenschaftliche Analyse von Forschungs-
institutionen und anderer in unsere Arbeit zu Afghanis-
tan einfließen.

Es ist aber bezeichnend, dass die Linke keinen Sach-
verständigen nominieren konnte. Es wollte sich schlicht-
weg kein seriöser Experte hergeben für ihren aus-
schließlich ideologisch getriebenen Populismus bezüg-
lich eines Einsatzes, der seit 2001 von den Vereinten Na-
tionen jedes Jahr einstimmig mandatiert wurde. Es ist
doch kein Zufall, dass sie keinen Wissenschaftler ausfin-
dig machen konnte, der ihre naive und scheinheilige Ar-
gumentation teilt, dass sich mit einem sofortigen Abzug
der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan über
Nacht alles zum Besten wendet.

SPD und Grüne fordern nun in ihrem Antrag zweier-
lei: eine wissenschaftliche Evaluierung durch eine ex-
terne Institution sowie eine Begleitung des weiteren En-

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Zu Protokoll ge

(C (D agements in Afghanistan durch eine Kommission. Wir aben in den letzten Monaten hierzu verschiedene Gepräche miteinander geführt. Dabei ist klar geworden, ass beide Seiten, die Regierungsfraktionen sowie SPD nd Grüne, auf Grundlage des von uns eingeforderten ortschrittsberichts den Afghanistan-Einsatz einer kon inuierlichen Bewertung unterziehen wollen. Uns unterscheidet aber, dass wir eine Evaluation icht ausschließlich an Externe, etwa wissenschaftliche xperten, übertragen wollen. Wir sehen hier die Bunesregierung in der Pflicht. Deshalb legt sie jetzt den geannten Fortschrittsbericht vor. Für unsere Bewertung es Berichts ziehen wir dann selbstverständlich Experise von außen hinzu; das haben wir ja mit der Anhörung ezeigt. Mit einer Kommission, die unser Engagement in Afhanistan bewerten würde, würde eine Arbeit nach auen verlagert, die vor allem wir Parlamentarier leisten üssen. Wir Abgeordnete, die den Einsatz in Afghanis an mandatiert haben, stehen hier gegenüber unserer evölkerung und den Sodaltinnen und Soldaten im Einatz in der Pflicht. Ein gleichberechtigtes Stimmund itentscheidungsrecht für externe Experten in einem zu ätzlichen Gremium darf es deshalb nicht geben. Entscheidend für die CDU/CSU ist, dass die Bundesegierung und wir Parlamentarier – niemand sonst – die olitische Verantwortung für den Einsatz in Afghanistan aben und weiter intensiv wahrnehmen. Wir wollen eine Auslagerung unserer Verantwortung. Deshalb lehen wir ihren Antrag ab. Bereits vor der Sommerpause hat die SPD-Fraktion emeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen den Antrag zur valuierung des Afghanistan-Einsatzes eingebracht. rotz intensiver Bemühungen unsererseits ist es nicht elungen, einen fraktionsübergreifenden Antrag mit den oalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP zustande u bringen. Uns ging es dabei vor allem darum, neun ahre nach Beginn des Afghanistan-Einsatzes einen uneschminkten Blick auf das Erreichte, aber auch auf die efizite unseres Engagements werfen zu lassen, um da aus die notwendigen Konsequenzen ziehen zu können. as internationale Engagement befindet sich in einer ritischen Phase. 2011 wird von vielen als das Jahr der ntscheidung über Erfolg oder Misserfolg der Mission ngesehen. Deswegen hätten wir es außerordentlich berüßt, wenn sich auch die Fraktionen von CDU/CSU nd FDP dazu hätten durchringen können, einer unabängigen, wissenschaftlichen Evaluation zuzustimmen. rotz zunächst positiver Signale hat die Koalition offenar kalte Füße bekommen und eine unabhängige Evauation abgelehnt. Das bedauern wir zutiefst. Dabei hat ie öffentliche Anhörung des Auswärtigen Ausschusses m 23. November gezeigt, wie dringend notwendig eine olche Evaluation wäre. Alle eingeladenen Expertinnen nd Experten haben dies nicht zuletzt durch den Inhalt hrer Ausführungen eindringlich bestätigt. Nach wie vor wird der Aufbau politischer Institutioen durch Korruption und Nepotismus erheblich behin8664 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Dr. Andreas Schockenhoff gebene Reden )

Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1707833100

(A) )

dert. Sowohl die Präsidentenwahl im vergangenen Jahr
als auch die Parlamentswahlen im September dieses
Jahres waren von gravierenden Missständen begleitet.
Inzwischen wurde 27 Abgeordneten, die im September
vermeintlich gewählt worden waren, wegen erwiesener
Wahlmanipulationen ihr Mandat wieder aberkannt. So
schafft man kein Vertrauen in die politischen Institutio-
nen Afghanistans.

Gerade weil das Jahr 2011 mutmaßlich darüber ent-
scheiden wird, ob der Afghanistan-Einsatz letztendlich
doch noch zu einem erfolgreichen Ende geführt werden
kann oder nicht, wäre eine unabhängige, wissenschaftli-
che Expertise dringend geboten gewesen. Die Probleme
beschränken sich nicht allein auf die militärische Situa-
tion. Wir alle wissen: Letztendlich kann auch ein militä-
rischer Erfolg nur dann dauerhaft von Bestand sein,
wenn er im zivilen Bereich unterfüttert wird. Was nützt
es, wenn in einem Distrikt die Taliban in die Flucht ge-
schlagen werden, sich an den Lebensverhältnissen der
Menschen aber nichts Grundlegendes ändert? Deutsch-
land und die internationale Gemeinschaft haben ihre
Mittel für den zivilen Wiederaufbau mit dem eingeleite-
ten Strategiewechsel der Londoner Konferenz vom Ja-
nuar 2010 deutlich erhöht. Das begrüßen wir. Zugleich
müssen wir aber feststellen, dass es offenbar große Pro-
bleme beim Mittelabfluss und bei der Umsetzung gibt.
Auch das hätten wir gerne von einer unabhängigen Seite
näher beleuchtet bekommen, um gegebenenfalls noch
gegensteuern zu können.

Aus vielen Berichten und aus eigener Anschauung
weiß ich, dass sich die Umsetzung zahlreicher sinnvoller
Projekte verzögert, weil qualifizierte Fachleute nur
schwer zu finden sind. Häufig bildet sich eine erhebliche
Diskrepanz zwischen dem, was mit der afghanischen
Seite vereinbart wird, und dem, was am Ende tatsächlich
realisiert wird.

Lassen Sie mich das am Beispiel des im Frühjahr
2010 in Anwesenheit von Entwicklungshilfeminister
Niebel feierlich eröffneten Teacher Training Center,
TTC, in Masar-i-Scharif erläutern. Ich hatte Gelegen-
heit, dieses Projekt im September dieses Jahres zu
besichtigen. Dort wurde mit Hilfe der GTZ ein hervorra-
gend ausgestattetes Ausbildungsgebäude plus anliegen-
dem Wohnheim für die auszubildenden Lehrer errichtet.
Im Vorfeld wurde mit der afghanischen Seite vertraglich
vereinbart, dass sie dafür Sorge zu tragen haben, dass
das Gebäude mit Strom versorgt und die Lehrkräfte re-
gelmäßig bezahlt werden. Leider musste ich bei meinem
Besuch feststellen, dass die afghanische Seite ihren Ver-
pflichtungen bislang gar nicht bzw. nur unzureichend
nachgekommen ist und damit ein sehr sinnvolles Pro-
jekt, in das von deutscher Seite bereits viel investiert
wurde, zu scheitern droht, bevor es richtig begonnen
hat, und zwar nicht aufgrund von Talibanangriffen, son-
dern aufgrund des Unwillens bzw. Unvermögens der of-
fiziellen afghanischen Institutionen. Solche Beispiele
lassen sich zahlreiche finden. Sie sind eine der Ursachen
dafür, warum der zivile Aufbau in Afghanistan nicht so
vorankommt, wie von uns erwartet und wie er für das
Land dringend nötig wäre.

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Zu Protokoll ge

(C (D Eine weitere Plage, unter der Afghanistan zu leiden at, ist die grassierende Korruption. Die International risis Group, ICG, hat dies in ihrem kürzlich erschienen ericht „Reforming Afghanistan’s Broken Judiciary“ indrucksvoll belegt. Dort heißt es unter anderem: „Die inmischung des Präsidentenpalasts ist so intensiv, dass elbst die von der Regierung zur Korruptionsbekämpung ernannten Untersuchungsbeamten durchaus von em engsten Beraterkreis des Präsidenten unter Druck esetzt werden, Fälle gegen Regierungsangestellte oder olitische Kumpel/Gefolgsleute ,cronies‘ fallen zu lasen.“ Wenn dieses Problem nicht ernsthaft angegangen ird, dann werden die Menschen in Afghanistan das etzte Stückchen Vertrauen, das sie der Regierung und hren Institutionen noch entgegenbringen, auch noch erlieren. Für die Zukunft Afghanistans verheißt das ichts Gutes. Auch im militärischen Bereich gibt es zum Teil sehr idersprüchliche Meldungen. So ist die Zahl der Bomenanschläge in Afghanistan nach Angaben der Internaionalen Schutztruppe ISAF in den vergangenen sechs onaten deutlich zurückgegangen. Bombenanschläge achen inzwischen weniger als 50 Prozent der Angriffe egen Soldaten und Zivilisten aus. Auf der anderen Seite st 2010 das bislang blutigste Jahr für die NATO-Trupen seit Beginn des Einsatzes in Afghanistan. Seit Jauar 2010 verloren mehr als 660 ausländische Soldaten m Hindukusch ihr Leben, so viel wie in keinem Jahr zuor. Inzwischen hören wir, dass die NATO beabsichtigt, im ommenden Frühjahr mit der Übergabe von drei Proinzen im Norden Afghanistans – Sar-i-Pol, Samangan nd Badakhshan – zu beginnen. Wir wüssten gerne von er Bundesregierung, ob diese Berichte zutreffen und, alls ja, welche Konsequenzen das für die Stationierung er Bundeswehr vor Ort nach sich zieht. Die SPD hat ereits Anfang dieses Jahres gefordert, die Übergabe er Sicherheitsverantwortung im Jahr 2011 einzuleiten, m damit die Voraussetzungen für den Rückzug der Buneswehr zu schaffen. Wir halten an diesem Fahrplan est. Die Bundesregierung hat sich damals zunächst nur ehr widerwillig auf dieses Datum eingelassen. Inzwichen spricht Außenminister Westerwelle davon, dass 012 mit dem Rückzug der Bundeswehr begonnen weren soll. Damit steht er jedoch im Widerspruch zu seiner egierungserklärung vom 10. Februar 2010, als er festtellte, bereits Ende 2011 mit dem Rückzug beginnen zu ollen. US-Präsident Obama hat schon im Dezember 009 in seiner Westpoint-Rede erklärt, mit dem Rückzug er amerikanischen Truppen Mitte 2011 beginnen zu ollen. Dies muss auch Richtschnur für den Beginn der eduzierung des deutschen ISAF-Kontingents sein. Wir ollen von der Bundesregierung daher Klarheit darüber aben, welches Datum für sie jetzt gilt – 2011 oder 2012. Anfang dieses Jahres lehnte es die Bundesregierung unächst entschieden ab, sich auf ein Datum für den Abug der letzten Kampftruppen festzulegen, als wir den orridor 2013 bis 2015 vorgeschlagen haben. Inzwi chen ist dieses Datum international längst gesetzt. Der ATO-Gipfel in Lissabon hat dies gerade erst bestätigt. ie Bundesregierung konnte daher gar nicht anders, als Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8665 Dr. h. c. Gernot Erler gebene Reden )


(A) )

sich diesem Fahrplan anzuschließen. Doch bis dahin ist
es noch ein schwieriger und komplizierter Weg.

Es hätte dieser Bundesregierung gut zu Gesicht ge-
standen, wenn sie sich auf das Verfahren einer unabhän-
gigen Analyse von dritter Seite eingelassen hätte. Da sie
das nicht getan hat, sehen wir erwartungsvoll dem ange-
kündigten Fortschrittsbericht entgegen, den sie uns in
wenigen Tagen vorlegen will. Was wir erwarten, ist eine
schonungslose Analyse der gegenwärtigen Lage in Af-
ghanistan, in der keine Schönfärberei betrieben wird
und in der Probleme und Herausforderungen, vor denen
die internationale Gemeinschaft nach wie vor steht, of-
fen beim Namen genannt werden. Eine systematische
Evaluation und Wirksamkeitsanalyse des bisherigen
deutschen diplomatischen, militärischen, entwicklungs-
politischen und polizeilichen Engagements, so wie wir
sie vorgeschlagen haben, wäre dabei von großem Nutzen
gewesen.

Die Koalition hat sich für einen anderen Weg ent-
schieden. Wir werden daher umso gründlicher prüfen,
ob der von der Bundesregierung vorgelegte Fortschritts-
bericht den Kriterien, die ich gerade benannt habe, ge-
recht wird. Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes,
die dem Einsatz in Afghanistan mit wachsender Skepsis
begegnen, haben Anspruch auf eine umfassende Be-
standsaufnahme. Sie wollen ein ungeschminktes Bild der
aktuellen Lage, und sie wollen wissen, wann und auf
welche Weise die Bundesregierung gemeinsam mit der
internationalen Gemeinschaft die Verantwortung in af-
ghanische Hände legt, um den Rückzug der internatio-
nalen Truppen einzuleiten und in spätestens vier Jahren
zu beenden.


Bijan Djir-Sarai (FDP):
Rede ID: ID1707833200

Eines steht außer Frage: Wir als Parlament brauchen

ein realistisches Bild der aktuellen Lage in Afghanistan;
wir brauchen eine verlässliche Einschätzung der Ent-
wicklung des Einsatzes. Was wir heute wiederholt disku-
tieren ist das Wie, also die Art und Weise, wie wir zu ei-
ner realitätstreuen Einschätzung kommen. Und da sehe
ich große Unvollkommenheiten in Ihrem Antrag, liebe
Kolleginnen und Kollegen von der Opposition.

Viele Ihrer Forderungen sind entweder von der Bun-
desregierung längst in die Tat umgesetzt oder sie sind
schlichtweg nicht zielführend. Der uns vorliegende An-
trag zur Evaluierung des Afghanistan-Einsatzes ist
– und das muss ich ganz zu Anfang klarstellen – längst
überholt. Seit dem Tag, an dem wir hier das erste Mal
über dieses Thema diskutiert haben, hat sich einiges ge-
tan – nicht nur im Land Afghanistan selbst, sondern
auch hier im parlamentarischen Umgang mit diesem
wichtigen Thema. Inzwischen hat die Konferenz in Ka-
bul, auf die wir mit Spannung geschaut haben, stattge-
funden. Dort wurde ein weiterer wichtiger Schritt getan:
hin zu einem erfolgreichen internationalen Engagement
in Afghanistan. Die Probleme Afghanistans werden
zwar nicht durch eine einzige Konferenz gelöst. Die in-
ternationale Gemeinschaft hat aber nach der Konferenz
in Kabul ein gemeinsames, erfolgversprechendes Kon-
zept. Dieses Konzept verdient eine faire Chance.

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(C (D Wir alle wissen aber auch, dass die Umsetzung nicht infach ist. Sie erfordert noch große Anstrengungen und nser weiteres Engagement. Stress und Eile bei der Umetzung helfen weder der afghanischen Bevölkerung, och können sie die realen regionalen und globalen Siherheitsgefahren bannen. Die Sicherheit, die Gerichtsarkeit und auch die Regierungsführung müssen weiter erbessert werden, damit die Aufständischen wirksam ekämpft und Bedingungen für eine nachhaltige politiche Lösung geschaffen werden können. Auch insofern in ich sehr zufrieden mit einem Ergebnis der Kabuler onferenz: Die afghanische Regierung wird stärker als isher in die Pflicht genommen. Das ist jetzt schon unbeingt nötig. Ganz besonders wichtig ist – das ist meine Meinung – ie diplomatische und politische Begleitung des Prozeses. Die Nachbarstaaten in der Region müssen in diesen rozess mit eingebunden werden. Auch die in afghanicher Eigenregie durchgeführten Wahlen im September etrachte ich als einen ersten Erfolg – im Gegensatz zu inigen anderslautenden Meinungen hier im Hohen aus. Immerhin öffneten von circa 6 900 Wahllokalen 355 Wahllokale zur Stimmabgabe. Viele Menschen ha en sich nicht abschrecken lassen, zu zeigen, dass sie am emokratischen Prozess im Land teilhaben wollen. Dieen gilt größte Hochachtung. Es ist ein Erfolg, dass irca 40 Prozent aller Wahlberechtigten an der Wahl eilgenommen haben. Aber über eins müssen wir uns im laren sein: Es sind noch Wahlen über mehrere Genera ionen notwendig bis zur Akzeptanz dieses demokratichen Mittels und bis zum fairen Umgang mit dem Wahlecht. Auch die Nachbereitung der Wahl lag in afghanischen änden. Und auch hier sehe ich Positives: Ich meine icht den massiven Betrug, wohl aber die Prüfung der ingaben durch die Beschwerdekommission und die taträftigen Handlungen. So wurde fast ein Viertel der rund ,6 Millionen abgegebenen Stimmen für ungültig erklärt, nd des Wahlbetrugs überführten Abgeordneten wurde hr vorläufiges Mandat wieder entzogen. Die Staatsanaltschaft nahm Ermittlungen auf und ließ mehrere Verächtige festnehmen. Wir haben weiterhin ein ambitioniertes Ziel: die bernahme der Sicherheitsverantwortung durch Afghaistan im Jahr 2014. Dennoch – und das möchte ich hier eutlich sagen – werden wir die Afghaninnen und Afhanen auch danach nicht im Stich lassen. Besonders ie Terrorismusnachsorge wird im Fokus unserer Bemüungen liegen. Auch bei unseren Bemühungen hier im Parlament, ie dortige Situation konkret einzuschätzen, hat sich eiiges getan. In wenigen Wochen stellt die Regierung uns inen Fortschrittsbericht vor. Ein umfassender Fragenatalog hierzu wurde ressortübergreifend erarbeitet. Ich in der Auffassung, dass Ihrer Forderung nach einer valuierung in diesem Bericht Rechnung getragen wird. Zur Forderung der Opposition nach einer Einbinung unabhängiger Wissenschaftler kann ich Ihnen eins agen: Das ist passiert. Am 23. November erst fand zu em Fortschrittsbericht eine öffentliche Anhörung statt. 8666 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Dr. h. c. Gernot Erler gebene Reden )


(A) )

Dabei waren erstens alle beteiligten Ausschüsse einge-
bunden und zweitens zahlreiche Wissenschaftler betei-
ligt. Wir hatten über drei Stunden hinweg die Möglich-
keit, über den Fragebogen zur Einsatzeinschätzung zu
diskutieren. Die Einschätzung an sich ist jedoch ganz
klar Aufgabe des Parlaments.

Über die baldige Vorlage des Fortschrittsberichts bin
ich sehr froh. Wir werden darüber im Detail diskutieren.
Das ist unsere Aufgabe und nicht die Aufgabe außenste-
hender Experten. Die Federführung, und damit auch un-
sere Verantwortung, in diesem Bereich wird von uns
nicht einfach outgesourct.

Wir wollen ein realistisches Bild der Lage in Afgha-
nistan. Wir wollen sehen, in welchen Bereichen es Ver-
besserungen gibt und wo wir und die internationale Ge-
meinschaft noch stärker aktiv werden müssen. Das ist
das, worin wir einer Meinung sind. Denn diese ehrli-
chen Einschätzungen sind unerlässlich für unser zukünf-
tiges Engagement und das Ergebnis, auf das wir seit Be-
ginn des Einsatzes hinarbeiten: die Übergabe von
Verantwortung in Verantwortung. Wir haben als Koali-
tion klar gesagt: Wir wollen den Einstieg in den Aus-
stieg. Und wir haben unser Wort gehalten. Bis zum Jahr
2014 soll die Übernahme der Sicherheitsverantwortung
durch Afghanistan abgeschlossen werden. Ich begrüße
aber ausdrücklich, dass Kompetenz und Fachwissen der
unterschiedlichen Wissenschaftler in den Prozess der
parlamentarischen Begleitung des Einsatzes so gut ein-
fließen konnten.

Genau so sehe ich Ihre Forderung nach einer Kom-
mission. Wir alle zusammen – als Parlament – müssen
die Arbeit der Bundesregierung begleiten und nicht ir-
gendeine externe Kommission, wie es in Ihrem Antrag
gefordert wird. Die Ausschüsse bieten genug Spielraum
und Einflussmöglichkeiten, um verantwortungsvoll mit
der Sache umzugehen. Zusätzlich wird das Parlament
vierteljährlich über die Entwicklungen in Afghanistan
sowie wöchentlich über die Einsätze der Deutschen
Bundeswehr unterrichtet. Die Informationslage befindet
sich doch weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. Aus
all diesen Gründen wird die FDP-Fraktion Ihrem An-
trag nicht zu stimmen.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707833300

„Nichts ist gut in Afghanistan“. Mit dieser Feststel-

lung brachte die damalige Vorsitzende des Rates der
Evangelischen Kirchen in Deutschland, Frau Margot
Käßmann, ihre Wahrnehmung auf den Punkt. Nach die-
ser klaren Feststellung teilte sich die Öffentlichkeit in
viel Zustimmung hier und harschen Widerspruch dort zu
dieser Aussage. Heute wird kaum einer bestreiten kön-
nen, dass die Aussage von Margot Käßmann richtig war.
„Nichts ist gut in Afghanistan“, das meint nicht, dass
nicht in einzelnen Bereichen Verbesserungen erreicht
worden seien. „Nichts ist gut in Afghanistan“ ist der Wider-
spruch zu all jenen, die sich verantwortungslos die Lage
schön- und der Öffentlichkeit einreden wollen, alles sei
besser geworden oder zumindest auf dem Wege der Bes-
serung. Solche Propagandamärchen werden jeden Tag
durch Meldungen über die Verschlechterung der Sicher-

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(C (D eitslage, durch Nachrichten über Wahlfälschungen und orruption, durch Drogenanbauzahlen und Waffenhanel widerlegt. Auch die Polizistinnen und Polizisten und um den Deutschen Bundestag, die auch für unsere icherheit dahin beordert worden sind, sind indirekt ein usdruck dafür, dass nichts gut ist in Afghanistan. Der rieg gegen den Terror hat nicht den Terror bekämpft, ondern den Terroristen jeden Tag neue Aktivisten in die rme getrieben. Es ist mehr als befremdlich, dass erst jetzt, fast zehn ahre nach dem Beginn des Krieges, eine „Evaluierung er deutschen Beteiligung an ISAF und des deutschen ngagements in Afghanistan“ stattfinden soll. Das heißt och nichts anderes, als dass Deutschland Krieg am indukusch führt, begonnen unter einer rot-grünen undesregierung, fortgesetzt von einer schwarz-roten nd übernommen von der schwarz-gelben, ohne dass ich Regierung und Parlament ein einziges Mal nüchern die Frage vorgelegt hätten: Was hat dieser Krieg en Menschen in Afghanistan und was hat dieser Krieg ns gebracht? Eins ist sicher: Er hat vielen Menschen eid, Not und Elend gebracht. Er hat Afghaninnen und fghanen wie auch dort eingesetzten Soldaten das Leben eraubt. Nichts ist gut in Afghanistan! Fast zehn Jahre Krieg ohne eine Bilanz, das ist unverntwortlich. Die Linke will den Abzug der Bundeswehr us Afghanistan. Wir hören jetzt aus anderen Fraktioen, sie möchten einen „Abzug in Verantwortung“. Umekehrt ist es richtig: Verantwortung heißt Abzug, und as nicht irgendwann und nicht vage, sondern sofort! eder Tag der Fortführung dieses Krieges setzt die Kette es Unheils fort und erschwert einen Friedensschluss. Die Bundesregierung hat für den 16. Dezember eine egierungserklärung angekündigt. Sie will einen Fortchrittsbericht für Afghanistan vorlegen. Dass dieser ericht bis heute nicht vorliegt, hatte ich bereits kritiiert. Ich möchte zumindest, dass er jetzt so rechtzeitig n alle Abgeordneten des Bundestages geht, dass ihn ine jede und ein jeder gründlich prüfen und zum Beipiel mit den Berichten der Vereinten Nationen, den Beichten nichtstaatlicher Hilfsorganisationen und den Beichten aus Afghanistan selbst vergleichen kann. Das ist uch deshalb wichtig, da jede und jeder von uns mit dem a oder Nein zur Truppenentsendung über das Leben der den Tod von Menschen entscheidet. Wir sollten uns ragen: Ist die Gefahr terroristischer Anschläge durch en Krieg in Afghanistan, durch den „Krieg gegen den error“ kleiner geworden? Jeder wird sofort antworten, ie ist gewachsen. Ist mit dem ISAF-Einsatz die Chance für mehr Demoratie für die Menschen in Afghanistan gewachsen oder icht? Es sollte ja auch, wie wir immer wieder gehört aben, ein Krieg für mehr Demokratie und für die Umetzung von Frauenrechten sein. Jetzt hört man von Kolegen der FDP – übrigens wortidentisch mit den Aussaen des US-Oberbefehlshabers General Petraeus –, ass niemand vorgehabt hätte, in Afghanistan eine Deokratie nach Schweizer Vorbild einzuführen. Solche ussagen empfinde ich nur noch als zynisch. Interessan er hingegen wäre eine Analyse, wie mit WahlfälschunDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8667 Dr. Bijan Djir-Sarai gebene Reden 8668 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Wolfgang Gehrcke )


(A) )

gen und sozialer Unsicherheit umgegangen wird und
wie tatsächlich Frauenrechte gesichert werden können.
Afghanistan braucht keinen Zynismus, sondern wirklich
Hilfe.

Immer wieder wurde gesagt, dass der Krieg in Afgha-
nistan, der „Krieg gegen den Terror“, ein Krieg für Ab-
rüstung sei. Das schien vielen Menschen besonders mit
Blick auf das Nachbarland Afghanistans, Pakistan, das
ein Atomwaffenstaat ist, plausibel. Tatsache jedoch ist,
dass der Krieg den Waffenhandel erst so richtig in
Schwung gebracht hat. Kriege reduzieren Waffen nicht,
sondern Kriege heizen Waffenproduktion und deren Ver-
breitung an.

Letztlich: Der Krieg in Afghanistan darf jetzt endlich
Krieg genannt werden. Über lange Zeit benutzten die mit
uns konkurrierenden Parteien im Bundestag alle mögli-
chen Umschreibungen für den Begriff. Warum? Man
wusste, dass die Bevölkerung unseres Landes keinen
Krieg will. US-Politiker wie der Verteidigungsminister
Robert Gates bemängeln den in Europa vorhandenen
Pazifismus. Ich bin froh über eine Bevölkerung, die mehr-
heitlich Nein zu Kriegen sagt. Ich bin gespannt auf die
Bilanz, die die Bundesregierung vorlegen wird, möchte
aber, dass der Bundestag selbst sich an die Arbeit einer
solchen Bilanz macht.

SPD und Grüne schlagen dazu die Bildung einer Eva-
luierungskommission vor. In einer solchen Kommission
werden wir gern mitarbeiten. Aber im Moment gilt noch
immer: Ich verlasse mich mehr auf Wikileaks als auf Be-
richte der Bundesregierung.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir schließen heute ein langes Verfahren ab. Bereits
im März dieses Jahres haben wir uns zusammen mit der
SPD an die Koalitionsfraktionen gewandt, um eine ge-
meinsame Initiative zur Evaluierung des Afghanistan-
Einsatzes zu ergreifen.

Seit März haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen
von Union und FDP, dieses Vorhaben immer wieder ver-
schleppt und verzögert, sich dann doch wieder millimeter-
weise bewegt, nur um jetzt am Ende den sinnvollen und
notwendigen Schritt zu einer unabhängigen Evaluierung
abzulehnen. Ich finde es sehr schade, dass wir hier nicht
zu einem gemeinsamen Beschluss gekommen sind. Mit
Ihrer Haltung sind Sie Ihrer Verantwortung für Afgha-
nistan und für die sich dort im Einsatz befindenden Sol-
datinnen und Soldaten und zivilen Kräfte nicht gerecht
geworden.

In unserem Antrag fordern wir die Einsetzung einer
unabhängigen Kommission, die den Afghanistan-Ein-
satz in seiner ganzen Komplexität und in seiner mittler-
weile achtjährigen Dauer auswerten und Lehren daraus
ziehen sollte. Das haben viele unserer Bündnispartner
getan, und das hat, daran habe ich ja bei unserer letzten
Debatte hierzu schon erinnert, auch Ihr Verteidigungs-
minister noch vor zwei Jahren gefordert.

Die Bundesregierung will uns nun noch im Dezember
erstmals einen Fortschrittsbericht vorlegen. Ich begrüße

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(C (D as. Sie kommt damit endlich – wenigstens in Bezug auf fghanistan – der Verpflichtung aus dem Parlamentsbe eiligungsgesetz nach, einmal jährlich dem Bundestag ilanzierend über die Einsätze der Bundeswehr und ihr olitisches Umfeld zu berichten. Es war auch gut und ichtig, dass wir in einer Anhörung des Auswärtigen usschusses über die Kriterien eines solchen Fortchrittsberichts beraten haben. Aber bei dieser Anhöung haben mehrere Sachverständige eben auch die Deizite Ihres Vorgehens deutlich gemacht. Die Kriterien ür den Fortschrittsbericht sind zu umfangreich und age, und sie stellen zu wenig auf die Wirkung der Maßahmen ab; vor allem aber evaluiert sich die Bundesreierung hier selber. Das wurde mehrfach, zu Recht, beängelt, und eine unabhängige Evaluierung, so wie wir ie in unserem Antrag fordern, wurde angemahnt. Das Verhalten der Bundesregierung gegenüber unseem Vorschlag hat meinen Eindruck verfestigt, dass es hr eben nicht darum geht, eine ehrliche Bestandsaufahme vorzunehmen, sondern dass sie mit der Praxis olitischer Schönfärberei fortfahren will. Genau das ber hat uns in Afghanistan in die Sackgasse gebracht. iel zu lange wollte man negative Entwicklungen, zum eispiel bei der Sicherheitslage in der Region Kunduz, icht wahrhaben. Ich befürchte, dass sich genau diese chönfärberei auch in der Abzugsdebatte widerspiegelt. ch fordere die Bundesregierung auf: Wenn Sie es ernst einen mit der Übergabe in Verantwortung bis 2014, ann legen Sie mit dem neuen Mandat auch einen Abugsplan vor. Der Auswärtige Ausschuss empfiehlt in seiner Be chlussempfehlung auf Drucksache 17/4051, den Antrag er Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf rucksache 17/1964 abzulehnen. Wer stimmt für diese eschlussempfehlung? – Wer ist dagegen? – Enthaltunen? – Die Beschlussempfehlung ist damit mit den Stimen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der raktionen Bündnis 90/Die Grünen und SPD und bei nthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Zweiten E-Geld-Richtlinie – Drucksache 17/3023 – Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses – Drucksache 17/4047 – Berichterstattung: Abgeordnete Peter Aumer Martin Gerster Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzt die Bun esregierung die Richtlinie des Europäischen Parlaents und des Rates vom 16. September 2009 in natioales Recht um. Der damalige Binnenmarkt-Kommis )

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707833400
Peter Aumer (CSU):
Rede ID: ID1707833500

(A) )

sar Charlie McCreevy bewertete die Richtlinie im Ja-
nuar 2010 folgendermaßen: „Diese Richtlinie wird
nicht nur das Zahlungssystem in der EU verbessern,
sondern ebenfalls den Weg für konkrete Vorteile der Ver-
braucher aus der Integration der Finanzmärkte ebnen.”

Die neue E-Geld-Richtlinie soll den Weg für neue, in-
novative und sichere E-Geld-Dienstleistungen ebnen,
neuen Unternehmen Zugang zum Markt verschaffen so-
wie echten und wirkungsvollen Wettbewerb unter den
Marktteilnehmern fördern. Davon sollen Verbraucher,
Unternehmen und die europäische Wirtschaft im Allge-
meinen profitieren. Das Hauptziel der Richtlinie besteht
darin, EU-Vorschriften zu elektronischem Geld zu mo-
dernisieren und insbesondere die Beaufsichtigung von
E-Geld-Instituten an die im Rahmen der Zahlungsdiens-
terichtlinie geltenden Aufsichtsregelungen für Zah-
lungsinstitute anzupassen. Die Zweite E-Geld-Richtlinie
über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der
Tätigkeit von E-Geld-Instituten wird fristgerecht bis zum
30. April 2011 in deutsches Recht umgesetzt. Von den
Änderungen betroffen sind das Finanzdienstleistungs-
aufsichtsgesetz, das Geldwäschegesetz, das Handelsge-
setzbuch und das Unterlassungsklagengesetz. Die auf-
sichtsrechtlichen Vorschriften der Zweiten E-Geldricht-
linie sehen für die neue Institutskategorie der E-Geld-
Institute ein spezifisches Erlaubnisverfahren und beson-
dere Regelungen für die laufende Aufsicht vor. Diese
werden in das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz aufge-
nommen, und im Gegenzug dazu werden E-Geld-Insti-
tute aus dem Kreditwesengesetz herausgelöst.

Im Zuge der Umsetzung werden weitere Änderungen
in den genannten Aufsichtsgesetzen vorgenommen, die
Defizite bei den geldwäscherechtlichen Normen beseiti-
gen sollen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland
wirksamer vor einem Missbrauch durch Geldwäsche
und Terrorismusfinanzierung zu schützen. Die Umset-
zung der Zweiten E-Geld-Richtlinie in den Vertragsstaa-
ten der EU bringt wesentliche Vorteile für unseren Wirt-
schaftsraum. Sie schafft einen modernen und rechtlich
kohärenten Zahlungsverkehrsraum für die Ausgabe von
elektronischem Geld im europäischen Binnenmarkt. Auf
diese Weise wird der Weg für neue innovative und si-
chere E-Geld-Dienstleistungen geebnet. Sie fördert faire
Wettbewerbsbedingungen und setzt gleiche Marktzu-
gangskriterien für alle Zahlungsdiensteanbieter, ein-
schließlich der E-Geld-Institute. Sie initiiert einen ech-
ten und wirkungsvollen Wettbewerb. Sie schafft einen
einheitlichen aufsichtsrechtlichen Rahmen.

Wie sehen die Änderungen konkret aus? Nach der
Zweiten E-Geld-Richtlinie ist die Kreditinstitutseigen-
schaft nun nicht mehr zwingende Voraussetzung für das
Betreiben des E-Geld-Geschäfts. Mit der Durchsetzung
des Erlaubnisvorbehaltes, der Zulassung und der lau-
fenden Aufsicht über die E-Geld-Institute wird die Bun-
desanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin, be-
auftragt werden. Durch die Modifizierung der bestehen-
den Regelungen soll bewirkt werden, dass in Deutsch-
land die Nachfrage nach E-Geld-Lizenzen erhöht wird
und dass sich auch deutsche E-Geld-Institute auf dem
europäischen Markt etablieren können. Entscheidend ist
hier, dass diese nun ein erweitertes Tätigkeitsfeld haben

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(C (D ollen und zusätzliche Dienstleistungen anbieten dürfen. ukünftig sollen Internetzahlungen verstärkt mit E-Geld öglich werden. In dieses Marktsegment sind bereits usländische Anbieter wie PayPal vorgestoßen. Die Geetzesänderung soll nun auch inländischen Unternehen diesen Markt eröffnen. Zudem soll die Geldkartenfunktion, über welche viele nländische EC-Karten-Besitzer die Möglichkeit haben, hre Karte an SB-Terminals mit E-Geld aufzuladen, ereitert werden. Damit sollen die Handhabung benutzer reundlicher gestaltet und auch der Einsatz von E-Geld ielseitiger und attraktiver gemacht werden. Überdies eseitigt die Richtlinie Defizite im deutschen Rechtssysem, die die Financial Action Task Force on Money aundering, FATF, im „Deutschland-Bericht“ vom 18. ebruar, bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Ter orismusfinanzierung, feststellte. Gerade in Deutschland sind die Umsetzung der ichtlinie und die Beseitigung der angesprochenen De izite besonders wichtig. Im europäischen Vergleich ist as Angebot qualitativ hochwertiger Finanzdienstleisungen bei uns besonders hoch. Hinzu kommen die zenrale geografische Lage Deutschlands, die engen wirtchaftlichen Beziehungen und die internationale Veretzung der deutschen Wirtschaft, die eine lückenlose, enaue und effiziente Implementierung der internatioalen Vorgaben gerade in Deutschland besonders wichig machen. Deutschland ist als Gründungsmitglied der ATF seit ihrer Bildung 1989 aktiv an der Erarbeitung nd Weiterentwicklung der international anerkannten tandards zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terroismusfinanzierung beteiligt und hat sich immer zur naionalen Umsetzung der FATF-Empfehlungen bekannt. er vorliegende Gesetzentwurf muss begrüßt werden. Vom früheren US-Präsidenten Thomas Jefferson soll as Zitat stammen, dass „der Preis der Freiheit bestänige Wachsamkeit“ ist. Im Guten wie im Schlechten bliken wir gerne über den Atlantik – wenn es um die Zuunft unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft insesamt geht. Die Entwicklung in den Vereinigten Staaten ildete den Auftakt der jüngsten Finanzund Wirtchaftskrise. Amerika war und ist aber auch ein wichtier Vorreiter, was technische Fortschritte, gesellschaftiche Trends und ökonomische Innovationen angeht. Das ilt auch für die Kreditwirtschaft und Neuerungen im ereich digitaler Zahlungskonzepte wie dem E-Geld. effersons geflügeltes Wort sollten wir uns deshalb gut u Herzen nehmen, wenn wir heute über eine auch für eutschland und Europa bedeutsame Innovation in die em Sektor beraten: die Umsetzung der zweiten europäichen E-Geld-Richtlinie. Wenn wir in den vergangenen Jahren eine finanzpoliische Lektion gelernt haben, dann lautet sie: Wo neue irtschaftliche Spielräume eröffnet werden, muss auch er ordnungspolitische Rahmen gestärkt werden. Nur urch konsequente Aufsicht und Regulierung können wir rohende Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen und erhindern. Über das Thema E-Geld diskutieren wir auf Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8669 Peter Aumer gebene Reden )

Martin Gerster (SPD):
Rede ID: ID1707833600

(A) )

EU-Ebene seit Ende der 1990er-Jahre. Als digital ge-
speichertes Zahlungsmittel soll es in Zukunft zu einer
dritten tragenden Säule zwischen Bargeld und Buchgeld
werden.

Um den rechtlichen Rahmen zu regeln, wurde im Jahr
2000 die erste europäische E-Geld-Richtlinie verab-
schiedet. In ihrer Wirkung wurde die Regelung den in sie
gesetzten Erwartungen jedoch nicht gerecht. Eine ernst-
hafte Belebung des E-Geld-Anbietermarktes blieb aus.
Das sollte mit der 2009 beschlossenen zweiten E-Geld-
Richtlinie geändert werden, deren Umsetzung einen Teil
des heute diskutierten Gesetzesentwurfs ausmacht. Sie
soll einen einheitlichen Aufsichts- und Rechtsrahmen für
die Anbieter von Dienstleistungen im E-Geld-Sektor
schaffen.

Das ist im Prinzip in Ordnung. Es mag tatsächlich
sinnvoll sein, mehr E-Geld-Anbietern den Zutritt zu die-
sem Markt zu ermöglichen und den Wettbewerb zu bele-
ben. Denn Konkurrenz erhöht den Innovationsdruck und
schlägt sich tendenziell in günstigeren Konditionen für
die Endverbraucher nieder. Solange durch klare auf-
sichtsrechtliche Regelungen gewährleistet ist, dass die
angebotenen Dienstleistungen aus Verbrauchersicht se-
riös und mit hinreichendem Eigenkapital abgesichert
sind, spricht nichts dagegen, entsprechende Freiräume
zu schaffen.

Es deutet einiges darauf hin, dass der anspruchsvolle
Regelungsrahmen des KWG, an den E-Geld-Anbieter
bislang gebunden sind, dafür nicht den notwendigen
Raum lassen. Insofern erscheint der Weg zielführend,
die E-Geld-Institute als eigenen Institutstyp an das Zah-
lungsdiensteaufsichtsgesetz zu koppeln. Ob sich hieraus
tatsächlich eine ernsthafte Belebung eines eigenständi-
gen E-Geld-Marktes auf nationaler und europäischer
Ebene ergibt, bleibt aber abzuwarten. Meine Einschät-
zung ist: Würde dies in größerem Stil gelingen, ergäben
sich daraus neuer Regelungsbedarf bei der Überwa-
chung der in E-Geld-Form kursierenden Geldmenge und
eine Reihe anderer Fragestellungen, die auch auf euro-
päischer Ebene noch nicht hinreichend berücksichtigt
worden sind. Einstweilen ist das aber Zukunftsmusik.

Zurück zur Gegenwart: Ginge es bei der Beratung
des vorliegenden Gesetzentwurfs tatsächlich nur um die
aktuelle Ausgestaltung der E-Geld-Thematik, hätten wir
ihm wohl zustimmen können. Doch greift die Bundesre-
gierung darin ein zweites, ebenfalls wichtiges Thema
auf, bei dem Deutschland international am Pranger
steht: die Geldwäscheprävention. Zwar ist es gleichsam
überraschend und erfreulich, dass sich eine Bundesre-
gierung unter FDP-Beteiligung dieses Themas über-
haupt annimmt, nicht hinnehmbar ist jedoch, dass der
Entwurf gerade auf diesem zentralen Feld entschieden
zu kurz greift.

Zu den Hintergründen: Im Februar 2010 erschien der
„Deutschland-Bericht“ der Financial Action Task Force
on Money Laundering. Dabei handelt es sich um ein
1989 gegründetes OECD-Gremium, das sich mit dem
Kampf gegen Geldwäsche und der Finanzierung des in-
ternationalen Terrors befasst. Das Frühjahrszeugnis für

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(C (D ie Bundesrepublik fiel verheerend aus: In 20 von 49 gerüften Punkten wurden die vereinbarten Empfehlungen icht oder nur teilweise eingehalten. Der Handlungsbearf könnte kaum deutlicher sein. Wohl deshalb hat sich ie Bundesregierung im vorliegenden Gesetzentwurf enigstens eines Teils der Kritik angenommen, der sich it den aufsichtsrechtlichen Monita der FATF befasst. och keiner der fünf zentralen Mängel, die seitens der rganisation moniert wurden, greift der Gesetzentwurf uf. Die noch offenen Punkte berühren vor allem die usstehende Umsetzung der FATF-Empfehlungen für en Bereich der Kammerberufe und den Nichtfinanzsekor. Betroffen sind hiervon vor allem die Bundesländer, eren laxer Umgang mit dem Thema Geldwäsche in der ergangenheit immer wieder Anlass zu heftiger Kritik ar, unter anderem im Juni 2010 in Form eines EU-Ver ragsverletzungsverfahrens. Beim Juweliergewerbe, im Geschäftsalltag landeseiener Spielbanken und privater Kasinos, bei der Verittlung von Versicherungen oder in der Immobilienaklerbranche werden seit Jahren massive Defizite in achen Geldwäscheprävention beobachtet. Allzu oft leiben die Behörden untätig. Das Bundesministerium er Finanzen sieht die Ursachen in Streitigkeiten zwichen Innenund Wirtschaftsministerien der Länder, die ich nicht einigen können, wem die Aufsicht obliegen oll. Wir sehen hier den Bund in der Pflicht, im Rahmen iner Zuständigkeitsbereinigung Klarheit zu schaffen – benso wie dort, wo die Bundesministerien die Rechtsufsicht über die Kammern besonders geldwäscheaffier Berufe innehaben. In den Vorgesprächen zur Beratung des Gesetzes urde seitens der Koalition immer wieder darauf veriesen, die bislang nicht verfolgten Punkte der FATFritik würden zeitnah, in einem „großen Wurf“, angeangen. Davon ist bislang jedoch nichts zu sehen. Stattessen stellt Schwarz-Gelb weitere kleinteilige Ändeungsvorschläge in den Raum und verweist auf msetzungsfristen und Länderbeteiligungen, die sich etztendlich nur aus dem anscheinend bewusst unprakisch gewählten Zuschnitt der Gesetzespäckchen ergeen. Dieser Eindruck verschärft sich bei einem Blick auf ie so verschnürten Inhalte, beispielsweise wenn die trafrechtlichen Aspekte der FATF-Kritik mit einer eher andzahm ausfallenden Neuregelung der strafbefreienen Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung verknüpft erden sollen. So sieht es jedenfalls der in Umlauf be indliche Referentenentwurf vor, der einen weiteren rippelschritt im Kampf gegen Geldwäsche und Steuerinterziehung markieren soll. Die strategische Entscheidung, die bemängelten Deizite häppchenweise anzugehen, zeigt deutlich: Diese egierung versucht, das Thema Geldwäsche möglichst ief zu hängen und sie als süßes Gift zu verwenden, um er Opposition unsinnige Paketlösungen schmackhaft u machen. Das Thema ist zu ernst für solche Spielchen. ir Sozialdemokraten werden sie nicht mitmachen. Bei llen richtigen Ansätzen, die das Gesetz präsentiert, erden wir uns deshalb enthalten. 8670 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Martin Gerster gebene Reden )


(A) )


Frank Schäffler (FDP):
Rede ID: ID1707833700

Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen

verfolgen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zwei
Ziele. Das erste Ziel ist die Schaffung eines modernen
Zahlungsverkehrsraums im Binnenmarkt mit dem
Zweck, den Wettbewerb auch in diesem Bereich zu inten-
sivieren. Diesem Ziel dient die Umsetzung der zweiten
E-Geld-Richtlinie. Hier werden sich für die Unterneh-
mer neue Marktchancen bieten, von deren Nutzung dann
die Verbraucher profitieren werden. Es geht uns jedoch
gerade nicht darum, unnötige Bürokratie zu schaffen.
Deshalb haben wir in den Ausschussberatungen klarge-
stellt, dass Kreditinstitute, die schon die Voraussetzun-
gen des Kreditwesengesetzes erfüllen, im Rahmen ihrer
Vollbankenerlaubnis auch das E-Geld-Geschäft betrei-
ben dürfen. Eine weitere Erlaubnis nach § 8a Abs. 1
ZAG ist für sie nicht erforderlich. In diesem Sinne haben
wir in den Ausschussberatungen noch einige weitere
Klarstellungen getroffen und redaktionelle Korrekturen
am Gesetzentwurf vorgenommen.

Das zweite Ziel, das die christlich-liberale Koalition
mit diesem Gesetzentwurf verfolgt, ist die Bekämpfung
der Geldwäsche. Zum Thema Geldwäsche wurde im Fe-
bruar der Bericht der Financial Action Task Force on
Money Laundering, der FATF, über die Einhaltung der
FATF-Standards – der sogenannten 40+9 Empfehlun-
gen – in Deutschland veröffentlicht. Deutschland ist ver-
pflichtet, diese Standards in nationales Recht umzuset-
zen und deren Umsetzung in regelmäßigen Abständen
von der FATF überprüfen zu lassen. Wir haben nun bis
Februar 2012 Zeit, die festgestellten Defizite zu behe-
ben.

Im vorliegenden Gesetzentwurf beseitigen wir auf-
grund der Sachnähe zunächst die Defizite, die den Fi-
nanzsektor betreffen. Unter anderem wird der Sorgfalts-
pflichtenmaßstab, den die Institute im Rahmen der
Erfüllung von Hochrisikokategorien bzw. in Fällen eines
niedrigen Risikos anzuwenden haben, vollständig dem
FATF-Standard angepasst. Gleiches gilt für die Anpas-
sung der institutsinternen Sicherungsmaßnahmen gegen
Geldwäsche und des Risikomanagements der Institute.
Eine Revision des Geldwäschegesetzes im Rahmen die-
ses Gesetzgebungsverfahrens konnte angesichts der kur-
zen Umsetzungsfrist für die Zweite E-Geld-Richtlinie bis
zum 30. April 2011 nicht erfolgen. Änderungen des
Geldwäschegesetzes wären, anders als der vorliegende
Gesetzentwurf, aufgrund der Zuständigkeiten der Län-
der nur über eine Gesetzesinitiative aufzugreifen, die
der Zustimmung der Länder bedarf.

Wir werden die Forderungen der FATF also nach und
nach abarbeiten. Bereits jetzt erarbeiten wir auch einen
Gesetzentwurf zur Beseitigung der von der FATF festge-
stellten Defizite im Strafrecht vor, der voraussichtlich
bereits in der nächsten Woche vom Kabinett beschlossen
wird.


Dr. Axel Troost (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707833800

Das Gesetz zur Umsetzung der Zweiten E-Geld-

Richtlinie soll im Wesentlichen zwei Dinge regeln: Ers-
tens soll dem Gesetzestitel entsprechend eine EU-Richt-

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(C (D inie in nationales Recht umgesetzt werden, die dem eutschen Bundestag faktisch kaum Spielraum bei der msetzung lässt. Zweitens sollen Mängel bei der Be ämpfung von Geldwäsche abgestellt werden, die von iner Expertengruppe der OECD festgestellt wurden. Bei der Umsetzung der E-Geld-Richtlinie müssen wir eststellen, dass die bereits zur ersten Lesung von uns ritisierten Punkte unverändert im Gesetz stehen bleien sollen. Dabei kritisieren wir vor allem, dass mit der erauslösung der E-Geld-Institute aus dem für die Ban en ansonsten verbindlichen Kreditwirtschaftsgesetz ine weniger strenge Aufsicht und deutlich geringere nforderungen verbunden sein werden. Das hätte aners geregelt werden können und ergibt sich nicht wangsläufig aus der EU-Richtlinie. Dass die Bundesreierung sich dem dennoch verweigert, zeigt aufs Neue, ass ihr das Wohl der Finanzbranche im Zweifel wichtier ist, als ein gewisses Schutzniveau im Interesse von erbrauchern und Allgemeinheit zu erhalten. Wäre dies anders, dann würde sie sich in Brüssel uch gegen den Wahnsinn wehren, dass in immer mehr weigen des deutschen Finanzmarktes – ohne weitere rüfung der hiesigen Aufsicht – Anbieter aus anderen taaten aktiv werden dürfen. Die einzige Voraussetzung esteht regelmäßig nur darin, dass sie in ihren Herunftsländern zugelassen sind. Ob die Zulassungsbedinungen auch nur halbwegs mit den hiesigen vergleichar sind, ist dabei weitgehend bedeutungslos. Der etisch des totalen Marktes und die Bedienung der Lobyinteressen gehen dieser lernresistenten Koalition ach wie vor über alles. Das, was zur Bekämpfung und Vermeidung der Geldäschekriminalität in dieses Gesetz aufgenommen urde, halten wir weitgehend für unbedenklich. Wenn ie Übermittlung von Verdachtsmeldungen nach rechtstaatlich einwandfreien Kriterien erfolgt, dann braucht s auch keinen zusätzlichen Ermessenspielraum der anken mehr. Die Schwäche des Gesetzes besteht hier her darin, dass nur ein kleiner Teil der angemahnten issstände aus der Welt geschafft wird. So wäre es zur ehebung der Mängel auch notwendig gewesen, die undesländer mit ins Boot zu holen, wie etwa bei den Siherheitslücken der landeseigenen Spielbanken. Doch urde die Problemlösung einfach vertagt. Insofern dür en wir gespannt sein, ob die angekündigte Novellierung es Geldwäschegesetzes die angezeigten Mängel in zuriedenstellender Weise beheben wird. „Zufriedenstellend“ heißt für uns dabei aber auch, ass die Unschuldsvermutung nicht durch den Generalerdacht abgeschafft wird. Wenn etwa ein Bericht des inanzministeriums darauf verweist, dass es zur Beheung der Beanstandungen auch nötig wäre, die Verachtsschwelle so weit abzusenken, dass dies einer Entoppelung vom strafprozessualen Anfangsverdacht leichkäme, dann ist hier besondere Vorsicht geboten. leichfalls wird auch sehr genau zu prüfen sein, ob eine esondere Zuverlässigkeitsprüfung einfacher Bankanestellter mit deren Persönlichkeitsrechten überhaupt in bereinstimmung gebracht werden kann. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8671 gebene Reden 8672 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 )


(A) )


Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707833900

Das vorliegende Gesetz umfasst zwei Themen: Die

Umsetzung der E-Geld-Richtlinie und – viel wichtiger –
Bestimmungen zum Kampf gegen Geldwäsche und Ter-
rorismusfinanzierung. Der Gesetzesvorschlag reagiert
damit zumindest teilweise auf die Kritik der Financial
Action Task Force, FATF. Sie hatte im Februar 2010 einen
Katalog vorgelegt, in dem anhand von 49 Kriterien die
Rechtslage in Deutschland begutachtet wurde. Das Er-
gebnis war nicht überzeugend. Lediglich in fünf Punkten
war die FATF vollständig zufrieden, in 19 Punkten hin-
gegen sind die Kriterien ganz oder größtenteils nicht er-
füllt. Für ein Land, das zu den Gründungsmitgliedern
der FATF gehört und das sich den Kampf gegen Geldwä-
sche und Terrorfinanzierung auf die Fahnen geschrie-
ben hat, ist das ein beschämendes Ergebnis.

Das vorliegende Gesetz soll nun laut Bundesregie-
rung ein erster Baustein sein, um die bestehenden Män-
gel zu beseitigen. Es ist höchstens ein Steinchen, mehr
nicht. Es geht lediglich die Mängel im Finanzsektor an.
Kernstück der Kritik ist aber der Nichtfinanzsektor. Ent-
scheidend ist, dass die Bundesregierung keinen klaren
Fahrplan vorlegt, bis wann und wie sie die Kritikpunkte
der FATF beseitigen will. Bisher ist lediglich bekannt,
dass sie zwei Gesetzentwürfe vorlegen will. Bleibt es da-
bei bei dem, was bislang im Referentenentwurf zur Be-
kämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung
steht, wird aber die geplante Gesetzgebung bei Weitem
nicht alle Kritikpunkte ausräumen können. Im Gegen-
teil: Er geht lediglich einen kleinen Teil an; es geht da-
bei um Vortaten des Geldwäschetatbestandes. Es sollen
bestimmte Delikte in einen Vortatenkatalog aufgenom-
men werden. Eine überzeugende Antwort auf die heftige
Kritik der FATF sieht anders aus. Das Bundesfinanz-
ministerium weist aber in seiner eigenen Stellungnahme
darauf hin, dass „der Löwenanteil der von der FATF ge-
äußerten Monita … nur durch die Änderung des Geld-
wäschegesetzes beseitigt werden“ kann, und schiebt an-
schließend die Verantwortung auf das federführende
Bundesinnenministerium ab.

Nun muss man fairerweise sagen, dass die Ansprüche
der FATF teilweise nur schwer und mit hohem Aufwand
mit dem deutschen Rechtssystem vereinbar sind. Die
Transparenz bei juristischen Personen – und hier vor allem
Treuhandkonstruktionen – wäre nur zu erhöhen, wenn
das öffentliche Registerwesen umgestellt würde. Das
rechtfertigt aber nicht, dass an anderer Stelle die Bun-
desregierung nicht forsch genug voran geht. Beispiels-
weise versucht sie die mangelnde Umsetzung der Rege-
lungen dadurch zu rechtfertigen, dass vieles auf
Länderebene zu regeln sei und sie da nichts machen
könne. Klar ist aber auch, dass der Bund gemäß Art. 84
Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes die zuständige Landes-
behörde benennen könnte.

Besondere Schwächen sieht die FATF beim Nichtban-
kensektor. Hier sind Geldwäsche und Terrorfinanzie-
rung nach wie vor Tür und Tor weit geöffnet. Es gibt
keine systematische Umsetzung von Auflagen zur Geld-
wäsche und Terrorismusfinanzierung durch Immobilien-
makler, Trust- und Unternehmensdienstleister sowie

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(C (D delsteinhändler. Die Aufsicht über diese Berufsgrupen ist nicht effektiv. Bei Rechtsanwälten und Wirtchaftsprüfern erschwert eine weite Auslegung des Beufsgeheimnisses die Zusammenarbeit mit den Behörden nd führt dazu, dass nur wenige verdächtige Transaktioen gemeldet werden. Darüber hinaus sind Rechtsanälte und Notare nicht verpflichtet, verdächtige Transktionen bei Immobiliengeschäften zu melden. Im orliegenden Gesetzentwurf fehlen Sanktionsmöglicheiten gegen Delikte aus dem Geldwäschebereich. Waum hat die Bundesregierung nicht die Möglichkeit einer ewinnabschöpfung eingeführt? Wir werden vom Ausland zu Recht für unsere schlechen Vorschriften gerügt. Wir brauchen gerade im Nichtinanzsektor stärkere Sanktionsmöglichkeiten. Die verleibenden Monita der FATF müssen rasch beseitigt erden. Die Bundesregierung muss dazu mehr vorlegen, ls sie es bisher getan hat bzw. beabsichtigt. Weil der esetzentwurf erste Schritte in die richtige Richtung eigt, können wir uns in der Abstimmung enthalten. Wir rwarten, dass die Bundesregierung 2011 ehrgeizige chritte unternimmt, um der FATF-Kritik zu begegnen. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschluss mpfehlung auf Drucksache 17/4047, den Gesetzenturf der Bundesregierung auf Drucksache 17/3023 in er Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, ie dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimen wollen, um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – nthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter eratung angenommen mit den Stimmen der Koalitions raktionen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke nd Enthaltung der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ ie Grünen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – er ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf st damit mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie bei er zweiten Beratung angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk Becker, Rolf Hempelmann, Garrelt Duin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Oliver Krischer, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Am Ausbau der hocheffizienten KraftWärme-Kopplung festhalten – Drucksache 17/3999 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuss )

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707834000

(A) )


Thomas Bareiß (CDU):
Rede ID: ID1707834100

Wir beraten heute über einen Antrag der Opposition,

der sich mit der Bedeutung der Kraft-Wärme-Kopplung
für unsere Energieversorgung befasst. KWK fristet kei-
neswegs ein Schattendasein bei der deutschen Energie-
versorgung. Gegenwärtig macht in Deutschland der An-
teil von KWK rund 12 Prozent am Strommix aus. Das ist
nicht wenig.

Wir finden KWK wichtig und richtig. Genau aus die-
sem Grund kommt der KWK in zahlreichen Regelungen
eine besondere Bedeutung zu, auf die ich gleich noch nä-
her eingehen werde. Denn wir halten diese Technologie
für einen intelligenten Weg, effizient mit Energiequellen
umzugehen. Zum einen ermöglicht KWK eine doppelte
Dividende: Sie fängt die bei der Erzeugung von Elektri-
zität entstehende Wärme ab und führt diese einer weite-
ren Nutzung in Wohnimmobilien und Industriebetrieben
zu. Die Novelle des KWK-Gesetzes – seit dem 1. Januar
2009 in Kraft – soll dazu beitragen, den KWK-Stroman-
teil auf 25 Prozent bis 2020 anzuheben.

Ich möchte Ihnen aber in aller Offenheit sagen: Nach
meiner Einschätzung ist dieses Ziel nach derzeitigem
Stand nicht zu schaffen. Ich bedaure das sehr, weil ich
der Überzeugung bin, dass die Technologie gut und rich-
tig ist. KWK hat einen hohen Wirkungsgrad. Während in
konventionellen Kraftwerken zwischen 45 und 70 Pro-
zent der Energie, die für die Stromerzeugung eingesetzt
wird, als Abwärme verloren gehen, schaffen moderne
KWK-Technologien Nutzungsgrade von bis zu 90 Pro-
zent. Die abgefangene Wärme versorgt Wohnimmobilien
und Industrie effizient und umweltschonend mit Strom
und Wärme. Bei einer Stromerzeugung kann die anfal-
lende Abwärme also nahezu vollständig für die Wärmer-
zeugung genutzt werden. Ziel ist es daher, die Stromer-
zeugung so zu gestalten, dass in vorhandenen oder zu
erschließenden Wärmesenken die Abwärme aus der
Stromerzeugung genutzt werden kann. Dies gilt auch für
die Nutzung erneuerbarer Energien.

Deshalb lassen Sie mich gleich auf Ihren Antrag ein-
gehen: Die Äußerungen in Ihrem Antrag finde ich ab-
surd. Wir planen keinen Verzicht auf KWK, und die stän-
dige Kernkraft-Rhetorik, die Sie zelebrieren, hilft uns
auch nicht weiter. Ganz im Gegenteil: Dass wir das
Thema KWK ernst nehmen, zeigt sich darin, dass wir die
KWK über viele Instrumente und in zahlreichen Rege-
lungen fördern. Als Beispiel nenne ich das Erneuerbare-
Energien-Gesetz. Durch den KWK-Bonus von 3 Cent/
kWh erfolgt im EEG eine zusätzliche Förderung für
Strom aus Biomasse und Geothermie, soweit er in einer
KWK-Anlage erzeugt wird. Hier wollen wir im ersten
Halbjahr 2011 prüfen, ob und – wenn ja – inwieweit eine
verpflichtende KWK-Nutzung im Vergleich zur reinen
Stromerzeugung eingeführt werden kann.

Kommen wir zum Beispiel Kraft-Wärme-Kopplungs-
gesetz: Auch das KWKG fördert KWK-Strom, regelt
seine vorrangige Einspeisung ins Stromnetz und sieht
außerdem den Aus- und Aufbau von Fernwärmenetzen
vor. Auch hier werden wir im nächsten Jahr, im Rahmen
des Zwischenberichts für das KWKG, die Wirksamkeit
überprüfen und nachsteuern, wenn es nötig ist. Als wei-

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(C (D eres Beispiel nenne ich das Erneuerbare-Energienärme-Gesetz: Das EEWärmeG fördert bei Neubauten eit dem 1. Januar 2009 auch die Deckung des Wärmenergiebedarfs aus KWK, beispielsweise wenn die ärme aus Biogas über KWK erzeugt wird. Und chließlich zum Beispiel Marktanreizprogramm: Das rogramm fördert KWK-Biomasseund Geothermiean agen mit zinsgünstigen Darlehen und Tilgungszuschüsen. Zusammen mit der Förderung der dazugehörigen ärmenetze und Wärmespeicher können so gute Ge amtkonzepte zur effizienten Wärmeversorgung von Geäuden umgesetzt werden. Im Rahmen des KfW-Anteils es Marktanreizprogramms wurden in 2009 und 2010 und 4 000 Darlehen für Investitionsvorhaben mit einer arlehenssumme von über 600 Millionen Euro zuge agt. Darüber hinaus hat das Bundesumweltministerium emeinsam mit der Deutschen-Energie-Agentur GmbH, er dena, und Branchenakteuren ein Dokumentationsystem, das „Biogasregister Deutschland“, eingerichtet, as bei der dena angesiedelt ist. Dieses Register erleichert Marktakteuren den Handel mit Biomethan. Außerem leistet es Hilfestellung beim Transport über das rdgasnetz und der Vergütung über das EEG. Das Bioasregister steht der Branche seit diesem Monat zur Verügung. Es wird die Nachfrage von Biogas im Strom-/ WK-Sektor verbessern. Es ist deshalb nur richtig, dem hema KWK eine hohe Priorität einzuräumen und die rreichung von 25 Prozent Stromerzeugung aus KWK m Auge zu behalten. Wir müssen aber auch die aktuelen Herausforderungen zur Kenntnis nehmen und die WK-Ziele verstärkt in einem Gesamtkontext betrach en. In diesem Zusammenhang möchte ich auf zwei Proleme mit der KWK hinweisen, die meist unerwähnt leiben. Zwar ist die KWK energetisch überlegen. Aber ies macht sie nicht automatisch unantastbar. Erstens. ie KWK konkurriert immer mit anderen Effizienzstra egien im Bereich energieoptimierten Bauens. Exemplaisch für diese Entwicklung verweise ich auf die Niedigbzw. Null-Energie-Häuser. Hier ist festzustellen, ass im Gebäudebereich eine zunehmend bessere Wäredämmung erreicht wird. Diese dämpft den Energie erbrauch und erhöht Einsparpotenziale. Das ist gut nd richtig. Wenn aber der Energiebedarf von vielen odernen Gebäuden gegen null strebt, dann steht aber och die Frage im Raum, wie viel sinnvoller Spielraum ann noch für eine möglichst umfassende Abschöpfung er Wärme durch KWK-Technologie übrig bleibt. Dies st einer der großen Herausforderungen, die wir berückichtigen müssen. Dies führt mich zu einem zweiten Problem mit KWK, as mit der Verteilung der Wärme zu tun hat. Selten sind usreichend Wärmeverbraucher am Standort von KWKnlagen. Die fehlende direkte Abnahmemöglichkeit von ffizient erzeugter Wärme führt nun zu Effizienzprobleen ganz anderer Art. Sinnvoll ist die Nutzung von KWK ort, wo ein hoher Wärmebedarf über das ganze Jahr alkulierbar ist. Denn Wärme ist massegebunden und aher nicht wie Strom über größere Strecken effizient zu ransportieren. Muss überschüssige Wärme über länDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8673 gebene Reden )


(A) )

gere Wege geleitet werden, beispielsweise von einem ab-
seits liegenden Aussiedlerhof zu weiter entfernten Ver-
sorgungsobjekten, fallen relativ hohe Transport- und
Übertragungskosten an. Insofern sollte darauf geachtet
werden, die Stromerzeugungsanlagen möglichst nah der
Wärmesenken anzusiedeln.

Im Grunde ist es paradox: „Besonders effizient“ pro-
duzierter Strom und Wärme fährt im Weg zum Verbrau-
cher oft hohe Effizienzverluste ein. Diese Überlegung
findet in der rot-grünen Gedankenwelt wohl wenig Be-
achtung. Sie wirft jedoch die Frage auf, welche Rolle
große KWK-Anlagen für die Wärmeerzeugung tatsäch-
lich spielen können. Diese Aspekte sollte jeder im Hin-
terkopf haben, der mit dem Gedanken spielt, die KWK-
Förderung weiter zu stärken, um der Umwelt uneinge-
schränkt etwas Gutes zu tun.

Ich möchte die KWK nicht schlechtreden, aber wir
müssen pragmatisch prüfen, welche konkreten Ziele für
den KWK-Ausbau vor dem Hintergrund der angespro-
chenen Probleme angemessen und sinnvoll sind. In Ih-
rem Antrag nennen Sie eine Reihe von Maßnahmen, wie
der KWK verstärkt unter die Arme gegriffen werden
sollte, beispielsweise mit einer Überprüfung des Förder-
deckels oder dem Abbau bürokratischer Hemmnisse bei
der Modernisierung von KWK-Anlagen.

Ich will Ihnen ganz offen sagen: Was die Überprüfung
der KWK-Instrumente betrifft, kann ich mir durchaus ei-
niges vorstellen. In der Zielsetzung sind wir gar nicht so
weit voneinander entfernt, wie Sie vielleicht meinen.
Ebenso wie Sie stelle ich die grundsätzliche Sinnhaftig-
keit von KWK als einen intelligenten Weg effizienter
Energienutzung überhaupt nicht infrage. Ich möchte Ih-
nen aber auch sagen: Die Opposition lässt keine Gele-
genheit ungenutzt, um unsere energiepolitischen Maß-
nahmen anzuprangern. Aber im Unterschied zu Ihnen
haben wir seit nunmehr 20 Jahren ein energiepolitisches
Konzept aus einem Guss vorgelegt. Zum ersten Mal wird
ein Ziel verbindlich. Dieses besteht darin, dass wir am
Industriestandort Deutschland die effizienteste, klima-
verträglichste und wettbewerbsfähigste Energieversor-
gung realisieren werden, die es weltweit gibt. Insgesamt
planen wir über 60 Maßnahmen. Dabei ist die KWK ei-
ner von vielen Faktoren, um unsere Energieversorgung
umzustellen: von fossiler Energie und Kernenergie auf
regenerative Energien. Aber Ihnen fehlt eine solche
energiepolitische Strategie. Deshalb ist es einfach, diese
und jene Stellschraube zu kritisieren. Anspruchsvoller
hingegen, eine Langfriststrategie umzusetzen.

Ich bin überzeugt, die KWK-Frage sinnvollerweise
nur vor einem langfristigen Horizont entscheiden zu
können. Unser Energiekonzept lebt von seinem Ziel. Was
ist dieses Ziel? Bis 2050 unsere Energieversorgung na-
hezu vollständig auf erneuerbare Energien umzustellen –
und dabei das Prinzip der Wirtschaftlichkeit nicht aus
den Augen zu verlieren. Deshalb ist es auch ein Gebot
von Verantwortlichkeit, nicht hier und dort isoliert nach-
zusteuern, sondern die Förderung von KWK in der ge-
samten Beziehung unserer energiepolitischen Ziele an-
zugehen. Für die KWK bedeutet das mittelfristig: In der
ersten Jahreshälfte 2011 werden wir über die Wirksam-

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(C (D eit der KWK-Förderinstrumente entscheiden und gegeenenfalls dort nachbessern, wo es langfristig sinnvoll rscheint – auf Grundlage des Zwischenberichts zum WKG und des Erfahrungsberichts zum EEG. Dabei erden wir uns leiten lassen von einer Orientierung, die esellschaftlich gewollt und volkswirtschaftlich sinnvoll st. Dabei zeigt uns das Energiekonzept einen guten Weg, ie wir die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sichern nd gleichzeitig das Herzstück unseres Industriestandrts, eine zuverlässige und bezahlbare Energieversorung, langfristig gestalten können. Mit dem Integrierten Energieund Klimaprogramm 007 und der Novelle des Kraft-Wärme-Kopplungsgeetzes im Jahr 2008 hat sich die damalige schwarz-rote undesregierung dazu verpflichtet, den Anteil des troms aus hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung, KWK, uf 25 Prozent der Stromerzeugung zu erhöhen. Die WK sollte mit einer Reduktion von rund 20 Millionen onnen CO2-Emissionen im Jahr 2020 zur Erreichung es Klimaziels von minus 40 Prozent CO2 beitragen. Davon findet sich im Energiekonzept der schwarzelben Bundesregierung nichts mehr. Zwar verfolgt man och immer ambitionierte Klimaziele, doch vertraut an bei der Erreichung der Ziele in erster Linie auf die erlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken. Von WK und deren Anteil ist dagegen kaum noch die Rede. er „Zusatznutzen“ und die „Zusatzkosten“ der KWKörderung sollen überprüft werden, und beim Trostflaster für die Stadtwerke aufgrund deren Benachteiliung durch die Laufzeitverlängerung sollen auch ein aar Cent für die KWK abfallen. Mehr steht nicht im nergiekonzept zur KWK. Sie haben sich vom 25-Prozent-Ziel für die KWK verbschiedet und trauen sich nicht, dies wenigstens deutich zu sagen. In Ihrer Euphorie über die Laufzeitverlänerung, die nun langsam in Katerstimmung umschlägt, aben Sie einige Dinge übersehen: Der Weiterbetrieb lter, ineffizienter und risikobeladener Atomkraftwerke ührt zum Investitionsattentismus beim Neubau und bei er Modernisierung von alternativen Stromerzeugungsnlagen wie zum Beispiel KWK-Anlagen. Ohne den Ausau der KWK können Sie Ihre Ziele zur Steigerung der nergieeffizienz vergessen. Kein konventionelles fossil der nuklear betriebenes Kraftwerk kann mit dem Wirungsgrad einer KWK-Anlage konkurrieren. Damit verassen Sie auch Ihr Klimaschutzziel von minus 40 Prozent O2-Emissionen bis 2020 – oder die Emissionsminde ung muss sehr teuer erkauft werden. Da KWK auch mit erneuerbaren Energien betrieben erden kann, legen Sie ein wichtiges Instrument für den limaschonenden Umbau des Wärmemarktes aus der and. Der ganz überwiegende Teil der mit dem KWKusbau verbundenen Wertschöpfung findet in Deutsch and statt. Es werden dadurch Arbeitsplätze in Deutschand geschaffen und gesichert. Doch Sie verzichten das ist Ihnen aber bewusst – auf Wettbewerb und de entrale Erzeugungsstrukturen auf dem Strommarkt. 8674 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Thomas Bareiß gebene Reden )

Dirk Becker (SPD):
Rede ID: ID1707834200

(A) )

Erst vor kurzem haben Sie der Fernwärme noch einen
Schlag versetzt, als Sie in einer Hauruck-Aktion die Be-
günstigung für die Fernwärme bei der Energiesteuer ge-
strichen haben. Neben der Benachteiligung der Fern-
wärme im europäischen Emissionshandel in den Jahren
nach 2012 wird die Fernwärme mit diesem Schritt dop-
pelt gegenüber ineffizienten und dem Emissionshandel
nicht unterworfenen Einzelfeuerungsanlagen benachtei-
ligt.

SPD und Grüne bieten Ihnen mit diesem Antrag nun
ihre Hilfe an, um einen Fehler zu korrigieren bevor er
gemacht wird. Es besteht ein großes Potenzial für KWK
in Deutschland – sowohl im Wärmemarkt als auch im
Strommarkt. Halten Sie daher zumindest am 25-Prozent-
Ziel fest. Dadurch kann unsere Volkswirtschaft ihre Im-
portabhängigkeit bei fossilen Primärenergieträgern re-
duzieren. Die Modernisierung unseres Kraftwerkparks
auf Basis der KWK wirkt wie ein Konjunkturprogramm
für den Mittelstand. Es werden hier Arbeitsplätze ge-
schaffen und gesichert. Der Maschinenbau und das
Handwerk würden es Ihnen danken.

In den vergangenen Jahren haben neue Energiean-
bieter und vor allem Stadtwerke in die Erneuerung und
Verjüngung des Kraftwerksparks investiert. Durch Ihre
Atompolitik verkommen nun viele Investitionen zu
„stranded investments“. Planungen mit einem Milliar-
denvolumen werden auf Eis gelegt. Am besten beerdigen
Sie die Laufzeitverlängerung, denn dann wird auch wie-
der in den Strommarkt Deutschland investiert.

Um das 25-Prozent-Ziel zu erreichen, müssen wir
aber auch die bisherigen Instrumente, insbesondere das
KWKG, auf ihre Wirksamkeit überprüfen. Das Gesetz
muss einem Monitoring unterzogen werden. Was muss am
Gesetz verändert werden, damit es wirkt? Auf jeden Fall
muss der Anmeldezeitraum für Anlagenbau und -moder-
nisierung über das Jahr 2016 hinaus verlängert werden.
Reichen aber die Vergütungsklassen und die Höhe der
Vergütung? Wirkt sich der jährliche Deckel in Höhe von
750 Millionen Euro als Investitionshindernis aus? Kann
mit der Struktur des Gesetzes das Potenzial bei der in-
dustriellen KWK gehoben werden?

Öffnen Sie für die kleinere und mittlere KWK den
Markt für Regel- und Ausgleichsenergie. Insbesondere
die gasbetriebene KWK ist die eigentliche Brücke ins
Zeitalter der erneuerbaren Energien. Führen Sie das Im-
pulsprogramm für Mini-KWK wieder ein. Die Mini-
KWK bietet nicht nur eine sinnvolle und wirtschaftliche
Lösung im Bereich von kleineren Mehrfamilienhäusern,
die weder an ein Fernwärmenetz angeschlossen werden
können noch ausreichend Potenzial für die Nutzung von
erneuerbaren Energien bieten. Sie stärkt auch die deut-
sche und regionale Wirtschaft. 93 Prozent der bisher in
Deutschland geförderten Anlagen stammen aus heimi-
scher Produktion; der Handwerker vor Ort installiert
die Anlage im Keller.

Bauen Sie Hemmnisse und Benachteiligungen ab. In
unserem Antrag listen wir Ihnen einen ganzen Katalog
von geeigneten Maßnahmen dazu auf. Arbeiten Sie in
Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen daran,
dass Kommunen klare und individuell geschneiderte

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(C (D nergiekonzepte entwickeln können. Denn ab einer geissen Größe und einer gewissen Bevölkerungsdichte ietet sich für Kommunen ein Stromerzeugungsund ärmekonzept an, dass in erster Linie auf KWK basiert. tädte und Gemeinden sollen autonom festlegen können, o zum Beispiel ein Nahwärmenetz sinnvoller ist als inzelfeuerungsanlagen mit anteiliger Nutzung von ereuerbaren Energien. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Nordrhein-Westfalen. ort hat die neue Landesregierung im Koalitionsvertrag wischen SPD und Grünen eine klare und mit anderen aßnahmen der Energiepolitik abgestimmte Politik pro WK vereinbart. Dort wird versucht, mit einer eigenen örderund Anreizpolitik sowie mit dem konsequenten bbau von Hemmnissen den KWK-Anteil an der Stromrzeugung auf über 25 Prozent zu erhöhen. Seien Sie nicht atomfixiert. Glauben Sie nicht an die ärchen der Atomlobby. Schlagen Sie den richtigen eg ein in Richtung der klimapolitisch gebotenen Ziele. nterstützen Sie diesen Antrag. Beenden Sie den Irrweg er Atomenergie und setzen Sie auf den idealen Partner er erneuerbaren Energien. Die Grünen und die SPD wollen uns heute mit ihrem ntrag weismachen, wir vernachlässigten die Kraftärme-Kopplung als effiziente Ressourcenund Klima chutzoption, stellten sie sogar zugunsten anderer kürzich verlängerter Energieformen zurück. Ich sage dazu olgendes: Indem sie die Situation hierzulande mit der n anderen Ländern vergleichen, machen sie die Fortchritte der deutschen Industrie und mittelständischen nergieversorger in der KWK madig. Sie vergleichen ie Bundesrepublik mit flächenmäßig weitaus kleineren ändern wie Dänemark und den Niederlanden. Dort ist ie Größe eines Fernwärmenetzes doch beinahe verleichbar mit unseren Nahwärmenetzen. Da ist es kein unststück, auf einen so hohen KWK-Anteil zu kommen. Wir sind auf dem Weg, den Anteil von KWK-Strom uszubauen. Seit der letzten Änderung des KWK-Gesetzes nfang 2009 sind über 6 000 Anträge zur Förderung von WK-Anlagen beim BAFA eingegangen. Die Anzahl der nträge zum Wärmenetzausbau lag bei über 600. Davon ind bis zum Ende des dritten Quartals dieses Jahres und 5 600 Zulassungen für Anlagen und 230 Zulassunen für Wärmenetzinvestitionen erteilt worden. Auch der iese Woche von der Bundesnetzagentur vorgestellte onitoringbericht widerlegt Ihre These, dass keine WK-Anlagen in Deutschland mehr errichtet werden. WK ist nicht tot! Mehr als 5 200 Megawatt KWKtromkapazitäten gehen allein im Zeitraum von 2010 bis 012 an das Netz. Das entspricht mehr als einem Drittel er Gesamtstromerzeuger, die in diesem Zeitraum mit er Einspeisung beginnen. Dass dem wieder aufgegeene Investitionen gegenüberstehen, ist gängige Praxis m Rahmen solcher Projekte. Entsprechend interessant st ein Blick in die Zukunft. Dort sieht es ganz gut aus: ehr als 700 Megawatt sind bereits genehmigt, über 00 Megawatt im Bau. Ob wir damit das Ziel einer Veroppelung des KWK-Anteils an der Stromerzeugung erDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8675 Dirk Becker gebene Reden )

Klaus Breil (FDP):
Rede ID: ID1707834300

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reichen, wird die Zwischenüberprüfung im nächsten
Jahr zeigen. Ich bin zuversichtlich!

Sie, Grüne und SPD, beklagen ferner in Ihrem An-
trag, dass die Weiterführung des Impulsprogramms für
Mini- und Mikro-KWK-Anlagen unsicher ist. Mir ist be-
kannt, dass sie gerne Geld ausgeben, das sie nicht ha-
ben. Ich finde die Idee mit dem Schwarmstrom ebenso
vielversprechend wie die Antragsteller. Dazu braucht es
aber intelligente Netze. Bis sie flächendeckend in
Deutschland vorhanden sind, sind die Anlagen, die
heute beim Verbraucher zu Hause stehen, schon nicht
mehr up to date. Das bedeutet, wir müssten schon wie-
der neue Anreize setzen, um nicht einen ganzen Investi-
tionszyklus abwarten zu müssen, und das ist ganz ein-
fach Quatsch!

Tun Sie mir bitte einen Gefallen: Hören Sie endlich
mit Ihren Lügen auf! Ihre Anträge zur Energiepolitik
sind voll davon. Die Bundesregierung würde auf den
Ausbau der KWK weitestgehend verzichten, um in den
Netzen Platz für den zusätzlichen Strom aus der Lauf-
zeitverlängerung der Kernkraftwerke zu machen. Bloßes
Wiederholen macht einen Sachverhalt lange noch nicht
wahr. Lesen Sie die Netzstudie II der dena! Marktwirt-
schaftlich gesehen hat ganz einfach immer der Strom im
Netz zu sein, der zu genau diesem Zeitpunkt am kosten-
günstigsten produziert wird. Das ist nach den Erneuer-
baren nun einmal der Strom aus den deutschen
Kernkraftanlagen, wenn wir einmal vom Import von Er-
neuerbaren absehen.


Dorothee Menzner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707834400

Die Bundesregierung gibt sich allenthalben Mühe,

sinnvolle Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffi-
zienz nicht in Betracht zu ziehen. Das konnte man bei
den Beratungen zum Gesetz für Endenergieeffizienz gut
beobachten, und das manifestiert sich auch in ihrem
Energiekonzept.

Energieverschwendung können wir uns nicht leisten.
Was bei der energetischen Umwandlung von der Pri-
mär- zur Nutzenergie tagtäglich an Ressourcen vergeu-
det wird, ist unbegreiflich. Allein die Abwärme, die stän-
dig aus Kraftwerken in die Umwelt verpufft, reicht aus,
den Wärmebedarf des gesamten Gebäudebestandes zu
decken.

Hier gibt es wesentliche Ansatzpunkte, den Energie-
verbrauch zu minimieren, Ressourcen zu schonen und
die weitere Beschädigung des Weltklimas zumindest ein-
zudämmen. Dass sich Deutschland mit einem Anteil von
nur etwa 15 Prozent Kraft-Wärme-Kopplung im Strom-
mix europaweit im unteren Mittelfeld bewegt, ist ein
Zeichen von eklatanten Versäumnissen und verfehlter
Energiepolitik: Fernwärme beispielweise wird durch
den jüngsten Beschluss des Haushaltsbegleitgesetzes
schlechter gestellt – eine Technologie, die in Finnland
selbst vom größten Stromversorger als die mit Abstand
wirtschaftlichste Variante für die Stromerzeugung be-
zeichnet wird und dort zu einem großen Boom der Kraft-
Wärme-Kopplung geführt hat.

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Zu Protokoll ge

(C (D Auf kommunaler Ebene ließe sich gerade die Fernärme mit sehr positiven Effekten für Energieeinsparung nd für die regionale Wertschöpfung etablieren, würde an die kommunalen Konzessionsverträge im Sinne der ffentlichen Hand stricken und würde man Kommunen nreize und Fördermöglichkeiten zur Verfügung stellen, in eigenes, regionales Energieversorgungsunternehmen u gründen. Das bedeutete eine Regionalisierung und ezentralisierung von Energieerzeugung und Verrauch. Das würde die Netze und die Verbraucher entasten. Das hieße jedoch ein Aufbrechen der Marktvorachtstellung der großen vier Energiekonzerne; aber enau das will Schwarz-Gelb verhindern. Und die Rahenbedingungen dahin gehend zu verändern, dass der usbau der Kraft-Wärme-Kopplung fortschreiten kann, eißt auch, den großen vier Energiekonzernen ordnungsechtliche Effizienzvorschriften machen. Ob die Bundesegierung da ihrem eigenen Anspruch, den sie in ihrem nergiekonzept formuliert hat – Energieeffizienz als chlüsselrolle zu begreifen –, gerecht wird, wage ich zu ezweifeln. Denn es gilt bei Schwarz-Gelb und in den onzernetagen auch in Zeiten des ökologischen Umruchs die Kapitallogik – Profite gehen vor, auch vor den chutz des Klimas. Bei allen Effizienzbestrebungen und wünschensweren Entwicklungen muss aber auch klar sein, dass bei er Verfeuerung und energetischen Nutzung von Bioasse auch der KWK-Bereich an seine Grenzen stoßen ird. Nicht alles, was regenerativ heißt, ist auch nachaltig nutzbar. Es braucht viel Augenmaß, den ökologichen Flächenschutz und die Nahrungsmittelproduktion icht gegen die erneuerbaren Energien auszuspielen. Man muss auch klar feststellen, dass Kraft-Wärmeopplung auf Grundlage fossiler Brennstoffe bereits etzt ein Auslaufmodell ist; denn 100 Prozent erneuerare Energien gibt es damit nicht. Aber es ist ein wichtier Übergang, ein Schritt auf dem Weg dorthin. Und da reden wir dann von Brückentechnologie, denn ur das ist tatsächlich energieund klimapolitisch sinnoll. Ein Erdgasblockheizkraftwerk, also Kraft-Wärmeopplung in angewandter Form bei Verbrennung einer ossilen Ressource, hat eine bessere CO2-Bilanz als ein tomkraftwerk. Das deutsche Atomforum und mit ihm emeinsam die Bundesregierung verschweigen das gelissentlich und streuen weiter die Lüge vom emissionsreien Atomstrom. Wir halten den vorliegenden Antrag von SPD und rünen für einen tragfähigen Ansatz, mit einer Novellie ung des KWK-Gesetzes unter den Zwängen des freien arktes einen Anstoß zum Einsparen von Energie zu ge en. In dem vorliegenden Antrag, den wir gemeinsam mit er SPD aufgesetzt haben, fordern wir die Bundesregieung auf, an den Ausbauzielen für die hocheffiziente raft-Wärme-Kopplung, KWK, festzuhalten. KWK ist ie gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme und amit eine hocheffiziente Technologie mit Wirkungsgraen von bis zu 90 Prozent. Sie führt zu deutlichen Ener8676 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Klaus Breil gebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8677 Oliver Krischer )

Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707834500

(A) )

gieeinsparungen, sowohl in privaten Haushalten als
auch in der Industrie. Diese innovative und flexible
Technologie stellt darüber hinaus eine ideale Ergänzung
für Strom aus erneuerbaren Energien mit einem fluktuie-
renden Einspeiseverhalten dar. Doch die schwarz-gelbe
Bundesregierung hat in den vergangenen 14 Monaten
ihrer Regierungszeit alles getan, um den weiteren Aus-
bau dieser Technologie zu verhindern und der gesamten
Branche mit circa 40 000 Beschäftigten vor den Kopf zu
stoßen. Dies ist der Grund, warum wir uns gemeinsam
mit der SPD zum Handeln gezwungen sehen.

Lassen Sie uns zunächst einen kurzen Blick zurück
werfen: Es ist gerade einmal drei Jahre her, da hat die
damalige Große Koalition unter der Kanzlerin Angela
Merkel ihr Integriertes Energie- und Klimapaket, IEKP,
vorgelegt. In diesem Paket wurde als oberste Maßnahme
das Ziel vereinbart, den Anteil der hocheffizienten KWK
auf 25 Prozent am deutschen Stromverbrauch zu erhö-
hen. Auch wenn in Deutschland noch deutlich größere
KWK-Potenziale existieren und erschließbar sind, ha-
ben wir Grüne es damals begrüßt, dass ein deutlicher
Ausbau der KWK stattfinden soll. Viele Unternehmen in
Deutschland haben in den vergangenen Jahren in diese
Klimaschutztechnologie in dem Vertrauen investiert,
dass die Politik den Ausbau dieser Technologie fördert
und forciert.

Doch schon beim Regierungswechsel vor etwas mehr
als einem Jahr wurde erkennbar, dass die neue schwarz-
gelbe Bundesregierung ungeachtet des Vertrauens auf
Investitionssicherheit seitens der Branche und vieler
Stadtwerke eine Kehrtwende bei der KWK vollzieht. Mit
keinem Wort wurde die KWK im Koalitionsvertrag er-
wähnt. Die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke
wurde dagegen im Koalitionsvertrag bereits angekün-
digt und auch der Neubau von „hocheffizienten Kohle-
kraftwerken“, bei denen mehr als die Hälfte der Energie
immer noch sinnlos als Abwärme in die Atmosphäre ab-
gegeben wird, sollte ausdrücklich ermöglicht werden.
Schon zu diesem frühen Zeitpunkt zeichnete sich die be-
vorstehende Klientelpolitik der neuen Bundesregierung
zugunsten der großen Energiekonzerne deutlich ab. Als
Folge dieser Politik stehen viele Stadtwerke – diese in-
vestieren hauptsächlich in KWK – nun vor sogenannten
„Stranded Investments“.

Diese Politik gegen die KWK setzte sich in dem zu-
rückliegenden Jahr durchweg fort. So wurde das Im-
pulsprogramm zur Förderung von Mini-KWK-Anlagen
ohne jede Not im März diesen Jahres eingestellt, und
das, obwohl selbst das Bundesumweltministerium in ei-
ner Studie nachgewiesen hat, dass jeder Förder-Euro
mindestens 7 Euro Investitionen auslöst und sich das
Programm durch die damit verbundenen Steuereinnah-
men von selbst trägt. Dies ist ein wahrer Schildbürger-
streich, den sich die Bundesregierung da geleistet hat.
Ohne das Impulsprogramm wird es die noch junge Tech-
nik mit ihrem großen Potenzial, die einen wichtigen Bei-
trag zur Erreichung der Klimaschutzziele und zur De-
zentralisierung der Stromerzeugung leistet, sehr viel
schwerer haben, den Durchbruch im Markt zu erreichen.

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(C (D In ihrem Energiekonzept schließlich, welches die undesregierung nach monatelangen Ankündigungen m September veröffentlicht hat und das nach den Woren der Kanzlerin geradezu eine Revolution darstellt, at sich die Bundesregierung endgültig von ihren Ausauzielen für die KWK verabschiedet. Bitte erzählen Sie ns jetzt nicht das Märchen, Sie seien damit einer Empehlung der drei Institute gefolgt, die sich für die Enerieszenarien verantwortlich zeichnen. Es ist bekannt, ass diesen Instituten gewisse Vorgaben gemacht wuren, und ein forcierter Ausbau der KWK war mit Sichereit nicht Bestandteil dieser Vorgaben; das haben die obbyisten von RWE und Co. erfolgreich verhindert. iese Unternehmen wurden im Energiekonzept dagegen it einem schönen Geschenk in Form von längeren aufzeiten für Atomkraftwerke bedacht. Jetzt gab es nur in Problem: Wohin mit dem ganzen Atomstrom? Dass ir ihn nicht brauchen, um eine angebliche Stromlücke u decken, hat man inzwischen sogar bei Union und DP begriffen. Sie lösten das Problem, indem sie die WK aus ihren Strategiepapieren strichen. Da sie genau issen, dass der konsequente Ausbau der erneuerbaren nergien nicht mehr aufzuhalten ist, entschieden sie sich ür die vergleichsweise unbekannte KWK, aus Angst vor rotesten. Aus Gründen des Klimaschutzes und im Interesse eier ganzen Branche fordern wir daher auf, die KWK icht, wie im Energiekonzept vorgesehen, den Gewinnineressen der großen vier Oligopolisten im Strommarkt zu pfern, sondern an den im IEKP und dem Kraft-Wärmeopplungs-Gesetz formulierten Ziel von 25 Prozent tromerzeugung aus KWK in Deutschland festzuhalten nd auch die entsprechenden Maßnahmen zur Erreihung dieses Ziels einzuleiten. Wie dies gelingen kann, önnen sie in unserem fraktionsübergreifenden Antrag achlesen. Wir haben dort alle notwendigen Punkte aufeführt. Ich freue mich auf eine konstruktive Diskussion arüber mit Ihnen in den Ausschüssen des Deutschen undestages. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf rucksache 17/3999 an die in der Tagesordnung aufgeührten Ausschüsse vorgeschlagen. – Damit sind Sie, ie ich sehe, einverstanden. Dann ist die Überweisung o beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Änderungsprotokoll vom 25. Mai 2010 zum Abkommen vom 17. Oktober 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Irland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuer – Drucksache 17/3358 – 8678 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt )

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707834600

(A) )

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-
schusses (7. Ausschuss)


– Drucksache 17/4061 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Manfred Kolbe
Lothar Binding (Heidelberg)

Dr. Birgit Reinemund


Manfred Kolbe (CDU):
Rede ID: ID1707834700

Dem Deutschen Bundestag liegt heute der Gesetzent-

wurf zur Ratifikation des Änderungsprotokolls zum
Doppelbesteuerungsabkommen mit Irland vor. Grund-
sätzlich dienen Doppelbesteuerungsabkommen dazu,
die doppelte Besteuerung in den Vertragsstaaten für Un-
ternehmen und Privatpersonen zu vermeiden. Damit
kann die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit
verbessert und Investitionshemmnisse können aufgrund
einer doppelten Steuerlast abgebaut werden.

Das bestehende Abkommen mit Irland wird nach dem
heutigen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens an die
bestehenden wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst.
Zum Inhalt: Am 17. Oktober 1962 wurde erstmalig ein
Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Irland und der
Bundesrepublik unterzeichnet. Zur damaligen Zeit war
es ein Grundsatz der bundesdeutschen Außensteuerpoli-
tik, Doppelbesteuerungsabkommen mit als Instrument
der bundesdeutschen Hilfe zur wirtschaftlichen Ent-
wicklung zu nutzen, um das ärmere Land zu fördern. So
wurde auf die Dividenden aus Irland in Deutschland
eine fiktive irische Steuer von 18 Prozent angerechnet,
die tatsächlich so nicht angefallen war, sondern nur
fiktiv angenommen wurde. Somit wurden deutsche In-
vestitionen in Entwicklungsländern gefördert, da sich
die Steuerschuld gegenüber dem deutschen Fiskus im
Verhältnis zu wirtschaftsstarken Ländern ohne fiktive
Quellenbesteuerung verringert.

Da die teilweise rasante wirtschaftliche Entwicklung
Irlands dieses Instrument heute nicht mehr erfordert,
war es aufzuheben. Das Änderungsprotokoll vom
25. Mai 2010 enthält die notwendigen Regelungen, die
fiktive Anrechnung von Quellensteuern zu beseitigen.
Mit dem vorliegenden Vertragsgesetz soll das Ände-
rungsprotokoll zu dem geltenden Doppelbesteuerungs-
abkommen die für die Ratifikation erforderliche Zustim-
mung durch unser Haus erlangen.

Zur Bewertung: Das geltende Doppelbesteuerungs-
abkommen ist aufgrund der wirtschaftlichen und steuer-
rechtlichen Entwicklung in beiden Staaten überholt und
sollte insbesondere an das aktuelle OECD-Musterab-
kommen angepasst werden. Irland hat bereits vor dem
Abschluss dieses Änderungsprotokolls einer Gesamtre-
vision des Doppelbesteuerungsabkommens zugestimmt
und somit dem Wunsch der deutschen Seite entsprochen.
Die Aufhebung der fiktiven Quellensteueranrechnung
orientiert sich an den Empfehlungen des Steueraus-
schusses der OECD aus dem Jahre 1998. Der Bericht
stellt den Nutzen der Gewährung fiktiver Quellensteuer-
anrechnungen insbesondere wegen der Missbrauchs-
anfälligkeit, der Wirksamkeit als Instrument zur

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(C (D irtschaftlichen Entwicklung und der Erosion der Beteuerungsgrundlagen zwischen den Staaten infrage. er Steuerausschuss der OECD kam zu dem Schluss, ass dieses Instrument nur mit solchen Staaten in Beracht gezogen werden sollte, deren wirtschaftlicher ntwicklungsstand wesentlich unter dem von Mitgliedtaaten der OECD liegt. Zum Ausblick: Der Parlamentarische Staatssekretär m Bundesfinanzministerium, Hartmut Koschyk, hat den inanzausschuss im Juli dieses Jahres über die Parahierung eines neuen Doppelbesteuerungsabkommens it Irland informiert. Der entsprechende Ratifikationsrozess wird durch unser Haus in den nächsten Monaten eginnen, nachdem das Bundeskabinett entsprechend eraten und beschlossen hat. Damit werden wir dann mfänglicher auf die im Vergleich zu 1962 veränderte ituation im Bereich der Doppelbesteuerungspolitik mit rland eingehen. Nach bisherigem Stand wird dabei der ECD-Standard umgesetzt, und es werden Neuregelunen unter anderen in den Bereichen Dividenden, Renten nd Informationsaustausch in Steuersachen getroffen. ies alles werden wir dann zu gegebener Zeit erörtern. Für heute steht zunächst nur das Änderungsprotokoll ur Abstimmung; damit steht die Aufhebung der fiktiven uellensteueranrechnung auf der Agenda. Die Unions raktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimen und dankt dem Ausschusssekretariat für die geleis ete Arbeit. Wir verhandeln heute die Überarbeitung des Doppel esteuerungsabkommens, DBA, zwischen Irland und der undesrepublik Deutschland. Im Kern geht es dabei um ie Aufhebung der fiktiven Quellensteueranrechnung in rt. XXII des Abkommens. Die SPD-Bundestagsfraktion nterstützt dieses Verhandlungsergebnis, das die Einahmeseite des Bundeshaushalts stärken soll und die nfälligkeit der Regelungen für Steuergestaltung und issbrauch verringert. Mit der Revision wird das beste ende Abkommen an das aktuelle OECD-Musterabkomen, OECD-MA, aus dem Jahr 2008 angepasst. Die Bundesrepublik bildet damit im Steuerrecht die eiterentwicklung der irisch-deutschen Wirtschaftsbe iehungen und die Annäherung im sozioökonomischen ntwicklungsniveau der beiden Staaten ab. Die irische egierung ist Deutschland in den Verhandlungen entgeengekommen und hat die Aufhebung der fiktiven Quelensteueranrechnung schon vor Abschluss des parlaentarischen Verfahrens angekündigt. Das zur Revision anstehende Doppelbesteuerungsabommen stammt aus dem Jahr 1962 und reflektiert insesondere in der Regelung zur Anrechnung einer fiktien, das heißt in Irland nicht erhobenen und gezahlten uellensteuer die ursprünglichen Motive des Vertrags wischen Irland und Deutschland. Fiktive Quellenteueranrechnung bedeutet, dass in Irland als gezahlt eltende Quellensteuer bei der Ermittlung der Steuer in eutschland angerechnet wird. Irland erhebt keine Kaitalertragsteuer auf Zahlungen an nichtansässige Peronen oder Gesellschaften. Dem Steuerpflichtigen in )

Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1707834800

(A) )

Deutschland entsteht also lediglich eine fiktive Steuer-
last. Das im bisherigen Abkommen vorgesehene An-
rechnungsverfahren gilt für Zins- und Dividendenzah-
lungen an natürliche Personen, insbesondere allerdings
für Ausschüttungen einer irischen Tochtergesellschaft
an die deutsche Konzernmutter. Bislang konnte sich das
in Deutschland steuerpflichtige Mutterunternehmen
18 Prozent des Nettobetrags dieser empfangenen Divi-
denden auf seine Steuerschuld anrechnen lassen. Im Er-
gebnis musste das Unternehmen somit weniger Steuer
abführen, als wenn seine Dividendeneinkünfte aus inlän-
dischen Beteiligungen stammen würden – ein steuerli-
cher Anreiz für ein Engagement im Ausland. Deutsch-
land subventionierte mit dieser Regelung also Investi-
tionen deutscher Unternehmen in Irland.

Der Verzicht auf Steuereinnahmen diente somit als In-
strument der Wirtschaftsförderung und entwicklungspo-
litischen Zusammenarbeit. Es handelte sich um eine
steuerliche Subvention von Investitionen im Ausland, die
von deutscher Seite toleriert wird. Im Regelfall findet
diese Anrechnungsmethode in Abkommen mit Entwick-
lungsländern oder Staaten in wirtschaftlichen Schwie-
rigkeiten Anwendung. Die steuerliche Unterstützung der
wirtschaftlichen Entwicklung war 1962 für Irland si-
cherlich eine sinnvolle Überlegung und Regelung. Das
geltende Abkommen ist mittlerweile aufgrund des wirt-
schaftlichen Aufholprozesses Irlands allerdings über-
holt. Das Land hat stark von seinem Beitritt zur Euro-
päischen Union und dem dadurch ausgelösten
Modernisierungsschub profitiert, insbesondere von der
Unterstützung aus den verschiedenen EU-Programmen
zur Förderung der wirtschaftlichen, strukturellen und
regionalen Entwicklung.

Inzwischen ist Irland ein starker Standort für Unter-
nehmen, sogar so stark, dass das Land einen der nied-
rigsten Körperschaftsteuersätze in Europa hat und da-
mit in einen starken Ansiedlungswettbewerb mit anderen
Staaten getreten ist, die einen höheren Steuersatz haben.
Die irische Regierung schreibt in einem Memorandum
zur Wirtschafts- und Finanzpolitik zu ihrem Antrag auf
finanzielle Unterstützung im Rahmen des europäischen
Finanzstabilisierungsmechanismus, „dass Irland welt-
weit an vorderster Front steht, was die Bereitstellung ei-
ner unternehmensfreundlichen Umgebung angeht“. In
dieser Konstellation ist eine steuerliche Förderung über
eine fiktive Quellensteueranrechnung nicht mehr sinn-
voll und erforderlich. Deshalb hat die Bundesregierung
im Jahr 2007 Verhandlungen über eine Revision des Ab-
kommens aufgenommen. Die Aufhebung der fiktiven
Steueranrechnung hilft dabei, Steuersubstrat in Deutsch-
land zu sichern. Es handelt sich um ein Ziel, für das die
SPD-Bundestagsfraktion seit langem arbeitet.

Mit Blick auf die angekündigte Sicherung von Steuer-
einnahmen in Deutschland tritt allerdings ein Wider-
spruch im Gesetzentwurf der Bundesregierung zutage,
der sich auch in den Beratungen im Finanzausschuss
nicht aufklären ließ: Die Bundesregierung spricht in ih-
rem Gesetzentwurf davon, dass sich durch die Beseiti-
gung der fiktiven Quellensteueranrechnung „nicht bezif-
ferbare Steuermehreinnahmen“ für die öffentlichen
Haushalte ergeben. Andererseits heißt es zu den Kosten

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(C (D ür die betroffenen Unternehmen: „Die Wirtschaft ist urch das Gesetz nicht unmittelbar betroffen. Unternehen, insbesondere mittelständischen Unternehmen, ent tehen durch dieses Gesetz keine unmittelbaren direkten osten. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisnieau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind on dem Gesetz nicht zu erwarten.“ Ich frage mich allerdings, wie die steuerlichen Mehrinnahmen entstehen sollen, wenn bei niemandem die teuerbelastung steigt, weder bei den betroffenen Unterehmen noch bei ihren Kunden. Meine Nachfrage im Fianzausschuss konnte diesen Widerspruch zu den rundsätzen einer transparenten und seriösen Kostenbschätzung leider nicht auflösen. Die unklaren und chwer nachvollziehbaren Ausführungen der Bundesreierung verwundern, zumal sie sich von der Revision des oppelbesteuerungsabkommens eine Erweiterung der nländischen Besteuerungsgrundlage und die Stärkung er Einnahmeseite des Haushalts verspricht. Sie vereist zur Umsetzung dieser Zielsetzungen in der Geset esbegründung ausdrücklich auf die entsprechenden mpfehlungen des Steuerausschusses der OECD, der zu iner Aufhebung der fiktiven Quellensteueranrechnung ät. Das Informationsgefälle zwischen Bundesregierung nd Bundestag ist kein Einzelfall. Der Finanzausschuss, er federführend die parlamentarischen Beratungen eies DBA betreut, beklagt seit längerem die Schieflage wischen Legislative und Exekutive im Zugang zu Inforationen und bei der Verhandlungssteuerung. Ange ichts der wachsenden Bedeutung eines ausgewogenen nd abgestimmten Netzes von Doppelbesteuerungsabommen bin ich der Ansicht, dass der Finanzausschuss ehr und bessere Informationen über die bisherige Anendung eines Abkommens und seine künftige Ausrich ung benötigt, um seine Aufgabe auf einer ausreichenen Datengrundlage verantwortungsbewusst wahrehmen zu können. Zu einer besseren Beteiligung des esetzgebers gehören nach meiner Einschätzung etwa nformationen über die fiskalischen und wirtschaftlihen Wirkungen oder die Zahl der betroffenen Steuerflichtigen wie auch Gestaltungsbefugnisse in der mateiellen Verhandlungsstrategie und bei Anwendung von nrechnungsund/oder Freistellungsmethoden. Mehr Sorgfalt der schwarz-gelben Bundesregierung an ieser Stelle hätte den parlamentarischen Beratungen gut etan. Ich hoffe, dass sich das Denkund Handlungsmusr von Union und FDP, das sich in der sozialen Schieflage er sogenannten Sparbeschlüsse, in den Rechentricks bei er Haushaltsaufstellung des kommenden Jahres oder bei er Verbuchung nicht vorhandener, vielleicht nie realisierarer Einnahmen, etwa aus der Finanztransaktionsteuer der der Brennelementesteuer, äußert, nicht auch in den uf Dauer angelegten Verträgen zur Regelung grenzüberchreitender Besteuerungssachverhalte niederschlägt. Die PD-Bundestagsfraktion fordert die Bundesregierung auf, oppelbesteuerungsabkommen mit ähnlichen Regelunen der Wirtschaftsförderung, die ebenfalls nicht mehr em Stand der wirtschaftlichen Entwicklung entsprehen, zu überarbeiten und Verhandlungen über den Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8679 Lothar Binding gebene Reden )


(A) )

Wechsel zu einem „echten“ Anrechnungsverfahren auf-
zunehmen.

Leider hatte die Exekutive auch keine zufriedenstel-
lende Antwort auf die Frage, warum der Bundestag
nicht schon früher auf die alte Regelung der fiktiven
Quellensteueranrechnung hingewiesen wurde; schließ-
lich sind die Rechtfertigungsgründe dafür schon lange
entfallen. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass uns
Irland von Schwarz-Gelb immer als Musterland für die
vermeintlichen Wohltaten von Steuersenkungen und
nachlässiger Finanzaufsicht vorgehalten wurde. Dabei
wurde allerdings übersehen, welcher Schaden für den
Staat bei solcher Unterfinanzierung entstehen würde.
Heute sehen wir das Problem, wenn das finanziell aus-
gezehrte Irland seine Finanzierungsschwierigkeiten, die
auch mit den umfangreichen Rettungsmaßnahmen für
seinen Bankensektor zusammenhängen, nur noch mit-
hilfe seiner europäischen Partnerländer bewältigen
kann.

Die Aufhebung der fiktiven Quellensteueranrechnung
und der damit verbundene Wegfall der steuerlichen För-
derung fallen ausgerechnet in eine Phase, in der es Ir-
land schlecht, sogar sehr schlecht geht. Diese zeitliche
Konstellation ist natürlich unglücklich und von nieman-
dem bewusst herbeigeführt, zumindest was die DBA-
Neuregelung angeht.

Die Finanzierungsschwierigkeiten Irlands spiegeln
allerdings auch die grobe Verhandlungsführung von
Bundeskanzlerin Merkel auf europäischer Ebene wider.
Ihre unausgereiften und unkoordinierten Vorschläge zu
einer Verschärfung des europäischen Stabilitäts- und
Wachstumspakts, SWP, zur Einrichtung eines europäi-
schen Stabilitätsmechanismus zur Bewältigung von
Staatsfinanzierungskrisen sind bei vielen Partnerstaaten
in Europa auf Ablehnung und heftige Kritik gestoßen.
Das außenpolitische Ansehen der Bundesrepublik und
ihr Einfluss in den auf Zusammenarbeit angelegten eu-
ropäischen Institutionen hat durch das rücksichtslose,
machtorientierte Auftreten der Bundeskanzlerin und ih-
ren fast schon herrischen Verhandlungsstil großen Scha-
den genommen.

Auch in der irischen Bevölkerung ist der Eindruck
entstanden, die schwarz-gelbe Bundesregierung habe
mit ihrem unkoordinierten Vorgehen und ihren vagen
Andeutungen viel Unsicherheit in die Finanzmärkte hi-
neingetragen und die in den vergangenen Tagen und
Wochen wachsenden Refinanzierungsschwierigkeiten
Irlands mitverschuldet. Die Nachwirkungen des irischen
Antrags auf Unterstützung werden den irischen Staats-
haushalt und die Menschen in Irland noch lange be-
schäftigen. Als Gegenleistung für die europäische und
internationale Unterstützung musste sich Irland wie zu-
vor schon Griechenland zu schmerzhaften Sparanstren-
gungen, zu einer tiefgreifenden Reorganisation, zu einer
Rekapitalisierung des Bankensektors und zu einschnei-
denden Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt und in
den Sozialsystemen verpflichten. Die Beschlüsse, etwa
die Absenkung des Mindestlohns oder die Kürzung von
Sozialleistungen und Gehaltszahlungen im öffentlichen

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(C (D ektor, treffen leider ausgerechnet Menschen, die auf die nterstützung durch das Sozialsystem angewiesen sind. Auf dem Gebiet der Finanzmarktregulierung und der rschließung von Steuereinnahmen aus dem Unternehensbereich – ich denke etwa an die Einführung einer uropaweiten Finanztransaktionsteuer oder an die Fortetzung der Arbeiten an der Umsetzung einer Gemeinsaen Konsolidierte Bemessungsgrundlage für die Körerschaftsteuer, GKKB, – hört man von der Bundesegierung kaum konstruktive Vorschläge. Eine Verstänigung auf einheitliche steuerliche Grundlagen, eine ngleichung von Steuersätzen bei der Körperschaftteuer oder die Einführung einer Besteuerung von Fianztransaktionen könnte sicherlich einen wichtigen eitrag zur einnahmeseitigen Haushaltskonsolidierung nsbesondere von Staaten leisten, die mit wachsender erschuldung und hohen Belastungen aus der Finanzrise zu kämpfen haben. Die Einnahmen aus einer Banenabgabe reichen dafür nicht aus. Eine Finanztransakionsteuer hingegen ist hier besser geeignet. Die SPDundestagsfraktion hat einen Antrag „Irland unterstüten und wirksamen Mechanismus zur Bewältigung von taatsfinanzierungskrisen schaffen“ erarbeitet, der gute orschläge zur Krisenbewältigung in Irland und zur iederherstellung der europäischen Solidarität enthält. Das derzeitige Doppelbesteuerungsabkommen mit Ir and ist auf dem Stand von 1962. Damals wurde Irland och als sogenanntes Entwicklungsland eingestuft, was s heute – unabhängig von den vorhandenen finanzielen Schwierigkeiten – definitiv nicht mehr ist. Als Instruent der deutschen Hilfe zur wirtschaftlichen Entwick ung war vereinbart worden, dass als gezahlt geltende usländische Steuern auf deutsche Steuern angerechnet erden können. Nach dem geltenden Doppelbesteue ungsabkommen mit Irland wird das Instrument der fikiven Quellensteueranrechnung einseitig auf nach eutschland fließende Dividenden angewendet. In die em Fall können 18 Prozent des Nettobetrages der empangenen Dividenden auf die deutsche Steuer angerechet werden, die auf diese Dividenden entfällt. Diese rsprünglich gewünschte Förderung ist heute nicht ehr zeitgemäß. Die Regelung soll daher nun durch das orliegende Änderungsprotokoll herausgenommen weren. Ich begrüße ausdrücklich, dass Irland hier dem unsch der Bundesrepublik entsprochen hat, die fiktive uellensteueranrechnung bereits vor der Revision des esamten Abkommens aufzuheben. Am 25. Mai 2010 wurde ein Änderungsprotokoll zum eltenden Doppelbesteuerungsabkommen mit Irland unerzeichnet. Die Aufhebung der fiktiven Quellensteuernrechnung orientiert sich an den Empfehlungen des teuerausschusses der OECD aus dem Jahre 1998. ierbei wird vor allem der Tatsache Rechnung getraen, dass die fiktive Quellensteueranrechnung sehr issbrauchsanfällig ist. Der Steuerausschuss der ECD hat festgestellt, dass der Einsatz dieses Instruents nur mit solchen Staaten vereinbart werde solle, essen wirtschaftlicher Entwicklungsstand wesentlich nter dem von OECD-Mitgliedstaaten liegt. Darüber hi8680 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Lothar Binding gebene Reden )

Dr. Birgit Reinemund (FDP):
Rede ID: ID1707834900

(A) )

naus wird mit dem vorliegenden Änderungsprotokoll die
Gewährung von Vergünstigungen bei Schachteldividen-
den gemäß der Bestimmungen der europäischen Mutter-
Tochter-Richtlinie von 25 Prozent auf 10 Prozent ange-
passt.

Es ist allerdings zu begrüßen, dass während der Ver-
handlungen über das Revisionsabkommen im Juni die-
ses Jahres alle noch offenen Punkte geklärt werden
konnten und das neue Abkommen somit auch bereits pa-
raphiert werden konnte. Struktur und Inhalt entsprechen
im Wesentlichen den anderen deutschen Abkommen die-
ser Art. So wurde, was das Auskunftsverfahren anbe-
langt, der umfassende Informationsaustausch entspre-
chend der OECD-Musterklausel vereinbart. Er erstreckt
sich damit nicht nur auf die Bankenauskünfte, sondern
auch auf Sachverhalte wie Geldwäsche, Korruption und
Terrorismus. Man orientiert sich am aktuellen OECD-
Musterabkommen. Derzeit werden die Vertragstexte
übersetzt, sodass wir neben dem jetzt vorliegenden Än-
derungsprotokoll dann das gesamte Abkommen an den
aktuellen Stand der wirtschaftlichen Verflechtungen mit
Irland anpassen können. Bevor wir dieses im nächsten
Jahr beraten werden, sollten wir allerdings bereits heute
den vorliegenden Gesetzentwurf beschließen. Nur so
können wir die fiktive Quellensteueranrechnung bereits
für 2010 außer Kraft setzen und die entsprechenden
Steuermehreinnahmen verbuchen. Wir begrüßen die
Vorlage des Änderungsprotokolls, da es an der Zeit war,
eine Revision des bestehenden Abkommens aus dem
Jahr 1962 der Realität anzupassen.

Es ist unser ausgesprochener politischer Wille, die
Regelung der fiktiven Quellenbesteuerung als Instru-
ment der Entwicklungspolitik durch geeignetere Maß-
nahmen zu ersetzen, in Entwicklungsländern ebenso wie
innerhalb Europas. Wir freuen uns, dass diese Bundes-
regierung dies Schritt für Schritt umsetzt.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707835000

Es ist zu begrüßen, dass die Bundesregierung endlich

die fiktive Anrechnung von Quellensteuern im derzeiti-
gen Doppelbesteuerungsabkommen mit Irland aufheben
will. Diese Änderung ist überfällig. Denn sie war ur-
sprünglich als Instrument zur wirtschaftlichen Entwick-
lung gedacht. Aber wie wir sehen konnten, hatte Irland
das die letzten Jahre definitiv nicht nötig, und der
OECD-Steuerausschuss empfahl das bereits 1998.

Noch einmal zur Rolle von Doppelbesteuerungsab-
kommen: Einerseits ist zu verhindern, dass Staatsbürger,
sofern sie in einem anderen Land arbeiten, übermäßig
besteuert werden. Gleichzeitig soll dadurch verhindert
werden, dass jemand Vermögen ins Ausland schafft und
dieses somit der Besteuerung im Ursprungsland ent-
zieht.

Der Knackpunkt zur tatsächlichen Verhinderung von
Steuerumgehung ist der Informationsaustausch zwi-
schen den Steuerbehörden der Länder. Hier steckt der
Teufel wie so oft im Detail. Selbst nach OECD-Muster-
abkommen erfolgt kein automatischer Informationsaus-
tausch, sondern lediglich ein Austausch auf Ersuchen.

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Zu Protokoll ge

(C (D Das heißt, zuerst muss die Steuerverwaltung einen egründeten Verdacht hegen, um dann im betreffenden and nachfragen zu können. Das ist bürokratisch, kostet eit, frisst viele Ressourcen und unterstützt die Steuermgehung. Deshalb fordert Die Linke seit langem einen utomatischen Informationsaustausch. Zudem fordern ir, dass Übertragungen von Geldvermögen ins Ausland b einem jährlichen Betrag von 100 000 Euro beim Buneszentralamt für Steuern angemeldet werden müssen. ie Diskussion mit Liechtenstein und der Schweiz sowie m die Steuer-CDs und die strafbefreiende Selbstaneige bräuchten wir nicht zu führen, hätten wir einen auomatischen Informationsaustausch. Die Streichung der fiktiven Quellensteueranrechnung st ein guter, aber nur minimaler Schritt, denn es bleibt berwiegend bei der Freistellungsmethode mit Progresionsvorbehalt. Das heißt: Es wird der Steuersatz ermitelt unter Berücksichtigung der im Ausland erzielten inkünfte. Dieser Steuersatz wird dann allerdings auf ie Bemessungsgrundlage im Inland, ohne die Berückichtigung der ausländischen Einkünfte, angewendet. as ist der sogenannte Progressionsvorbehalt. Dies pielt natürlich denen in die Hände, die Einkünfte im usland mit niedrigeren Steuersätzen erzielen. Denn sie üssen auf die im Ausland erzielten Einkünfte nicht den m Inland höheren Steuersatz zahlen. Um Einkünfte gleich zu behandeln und Steuergestalung zulasten des Fiskus einzudämmen, ist unserer Meiung nach die Anwendung der Anrechnungsmethode innvoller; denn in diesem Fall werden die Einkünfte bei er Berechnung der inländischen Steuer in der Bemesungsgrundlage berücksichtigt. Von der im Inland zu ahlenden Steuer wird dann lediglich die bereits im Ausand gezahlte Steuer abgezogen. Damit entfällt der nreiz auf Steuergestaltung, und nur dadurch kann letztndlich garantiert werden, dass Einkünfte von Inländeinnen und Inländern steuerlich gleich behandelt erden, unabhängig vom Ort der Entstehung dieser Einünfte. Dies böte eine Chance auf mehr Steuergerechtigeit, doch diese haben Sie vertan. Zum wiederholten Male muss ich sagen: Damit die eltenden Steuergesetze auch vernünftig umgesetzt weren können, brauchen wir eine besser ausgestattete inanzverwaltung, damit diese ihre Arbeit erledigen ann. Hier ein alarmierender Hinweis: Während es dereit rund 111 000 Planstellen bei den deutschen Finanzmtern gibt, waren es 2004 noch über 119 000. Dabei ist ie Rendite eines solchen Beamten enorm: Rein rechneisch erbringt jeder Finanzbeamte pro Jahr rund ,6 Millionen Euro. Zum Schluss noch kurz zur Irland-Problematik: Die olgen der Krise, welche ursächlich den Banken in Ir and zugeschrieben werden kann, wollen Sie wie auch in riechenland auf die Bevölkerung abladen. Statt die pekulationen einzudämmen – Herr Finanzminister chäuble sagte doch selbst im Deutschlandfunk: „Wir aben zu viel Spekulation“ – und die Finanzmärkte irklich zu regulieren und nach dem Verursacherprinzip orzugehen, belasten Sie die Bevölkerung. Sie knicken or der Bankenlobby ein, das ist das Problem. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8681 Dr. Birgit Reinemund gebene Reden 8682 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Dr. Barbara Höll )


(A) )

So kommt es, dass, ebenfalls wie in Griechenland, in
Irland Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst, eine
Senkung des Mindestlohnes, die Erhöhung des Renten-
eintrittsalters auf 68 Jahre sowie eine Mehrwertsteuer-
erhöhung auf 21 Prozent als Bedingungen gesetzt wer-
den, damit Irland die finanziellen Hilfen erhält.

Fakt ist: So wie Sie im Moment weitermachen, wird
Irland nicht das letzte Land sein, mit dem wir uns hier
beschäftigen werden müssen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zunächst eine klare Aussage: Wir Grünen unterstüt-
zen das von den EU-Finanzministern geschnürte Ret-
tungspaket für Irland. Die Lage in Irland hat sich in den
vergangenen Tagen dramatisch zugespitzt. Die akute
Ansteckungsgefahr für andere Euro-Staaten, die von der
angespannten Situation in Irland und den Reaktionen
auf den Finanzmärkten ausgeht, kann nur durch die In-
anspruchnahme des Euro-Rettungsschirms verringert
werden.

Das Programm zur Stützung des irischen Staatshaus-
haltes enthält aber auch harsche Einschnitte für die
Bürger Irlands: Mehrwertsteuererhöhung, Kürzung des
Mindestlohns und Anhebung der Studiengebühren. Im-
mer wieder müssen Bürgerinnen und Bürger die Lasten
der Finanzkrise tragen, die sie selbst nicht verursacht
haben. Nicht zuletzt deshalb müssen wir noch mehr An-
strengungen unternehmen, die Ursachen der Krise zu
bestimmen und zu bekämpfen. Im Falle Irlands liegen
sie in einer laxen Regulierung, die Banken, um sie nach
Irland zu locken, praktisch alles durchgehen ließ. Bei
der Aufsicht der Banken wurde nun mit dem Einsetzen
von drei neuen EU-Finanzmarktaufsichtsbehörden end-
lich einiges verändert: Riskante Finanzmarktprodukte
können im Krisenfall verboten werden, die neue EU-Fi-
nanzmarktaufsicht erhält weitreichende Befugnisse bei
der Rettung maroder Geldinstitute bis hin zum Durch-
griffsrecht über nationale Aufseher hinweg. Wir müssen
nun genau beobachten, ob diese Aufsicht funktioniert
und die Regelungen angewendet werden. Auch müssen
wir Sorge dafür tragen, dass die Regelungen zur Kredit-
sicherung aus Basel III in der EU zügig umgesetzt wer-
den.

Natürlich haben wir auch das Thema der niedrigen
Unternehmensteuern; der Körperschaftsteuersatz liegt
in Irland bei 12,5 Prozent. Nun aber auf eine rapide Er-
höhung der Steuern oder auf eine Ausrichtung an einem
europäischen Durchschnittssteuersatz nur in Irland zu
dringen, halte ich für falsch. Richtig ist: Der nicht sinn-
volle Steuerwettbewerb in Europa muss beendet werden.
Dies kann mit der Harmonisierung der steuerlichen Be-
messungsgrundlage sowie mit der verbindlichen Eini-
gung auf Mindeststeuersätze gelingen. Die Bundesregie-
rung muss sich hierfür verstärkt einsetzen. Ein
gemeinsamer Markt braucht einen stärkeren Regelungs-
rahmen, und dazu gehört natürlich auch eine Harmoni-
sierung steuerlicher Regelungen.

Nun aber zum Doppelbesteuerungsabkommen. Die
vorliegende Änderung ist noch keine Gesamtrevision

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(C (D es längst überholten Abkommens von 1962. Die Ändeung regelt lediglich die Abschaffung der fiktiven Anechnung von Quellensteuern. Dies ist als erster Schritt n die richtige Richtung zu begrüßen. Aber als nächster chritt muss dringend eine Anpassung an OECD-Stanards erfolgen. Diese OECD-Standards müssen aber in inblick auf einen stärkeren internationalen Ordnungs ahmen weiterentwickelt werden. Dieses betrifft unter nderem die heute im OECD-Musterabkommen enthalene Möglichkeit, sowohl das Anrechnungsals auch das reistellungsverfahren in der Besteuerung ausländicher Töchter im Inland vorzusehen. Das Freistellungserfahren nützt jedoch Unternehmen, die steuerlich moivierte Verlagerungen von Steuersubstrat vornehmen, twa in Form von Fremdfinanzierungsmodellen oder anipulierten Preisen für Transfers innerhalb des Kon erns. Bei einer reinen Anrechungsmethode würde eine ewinnverlagerung per se unterbunden, weil in diesem all die Einkünfte trotzdem der höheren Steuer unterlieen. Die Gefahr einer kompletten Verlagerung von Unernehmen sehe ich nicht. Zu schwer wiegen die weiteren tandortvorteile in Deutschland wie der hohe Schutz von ogenanntem Intellectual Property. Die Bundesregieung muss deshalb darauf hinwirken, dass in den ECD-Standards zu Doppelbesteuerungsabkommen al ein die Anrechnungsmethode festgeschrieben wird. Bei er anstehenden Gesamtrevision des Doppelbesteueungsabkommens mit Irland ist es zudem essenziell, eine ktivitätsklausel festzuschreiben. Denn aktuell können eutsche Unternehmen mit Briefkastenfirmen – das eißt: ohne tatsächlich Aktivitäten nach Irland zu verlaern, sondern allein durch die Gründung einer Tochteresellschaft – ihre Gewinne in Irland versteuern. Doppelbesteuerungsabkommen und der darin benhaltete Informationsaustausch sind weit mehr als eine echnische Ausgestaltung des Steuerrechts. Sie sind ein ichtiges Element zur Kontrolle globaler Märkte. Wir rauchen zur Kontrolle der internationalen Märkte eine rdnungspolitik, die Regeln setzt. Deshalb ist es wich ig, dass sich auch das Parlament rechtzeitig in den Proess einbringen kann und wir im Finanzausschuss und ier im Plenum über die Strategien der Doppelbesteueungspolitik debattieren. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschluss mpfehlung auf Drucksache 17/4061, den Gesetzenturf der Bundesregierung auf Drucksache 17/3358 an unehmen. Zweite Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Ist emand dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf st damit einstimmig angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales )

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707835100

(11. Ausschuss)


(A) )

– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina
Bunge, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion DIE LINKE

Auch Verletztenrenten von NVA-Angehöri-
gen der DDR anrechnungsfrei auf die
Grundsicherung für Arbeitsuchende stellen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina
Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Auch Verletztenrenten von NVA-Angehöri-
gen der DDR anrechnungsfrei auf die Al-
tersrente stellen

– Drucksachen 17/2326, 17/3217, 17/3734 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Heinrich L. Kolb


Frank Heinrich (CDU):
Rede ID: ID1707835200

Ja, die Rechtslage ist hier eindeutig: Verletztenrenten

für Wehrdienstbeschädigte der Nationalen Volksarmee
wurden – analog zum bis dato gültigen DDR-Recht –
nach der Wende in die gesetzliche Unfallversicherung
überführt. Das heißt, die Schadensfälle wurden und wer-
den als normale Arbeitsunfälle behandelt und mit einer
„Unfallrente“ bedacht. Wehrdienstbeschädigten der
Bundeswehr wird dagegen eine Verletztenrente aus dem
Soldatenversorgungsgesetz gewährt. Eine Auswirkung
dieser unterschiedlichen rechtlichen Einordnung in Un-
fallversicherung und Soldatenversorgungsgesetz ist,
dass den ehemaligen NVA-Angehörigen ihre Verletzten-
rente vollständig auf die Grundsicherung für Arbeitsu-
chende angerechnet wird – im Gegensatz zu den ehema-
ligen Bundeswehrangehörigen. Die Fraktion Die Linke
fordert die gesetzliche Gleichbehandlung von ehemali-
gen NVA- und Bundeswehrangehörigen, indem die Ver-
letztenrenten der NVA-Angehörigen bis zur Höhe der
Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz bei der
Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht angerechnet
werden. Dieses Anliegen – insbesondere aus der Sicht
der einzelnen Betroffenen – teile ich.

Gleiches gilt auch für den zweiten Antrag. Beim Be-
zug einer Altersrente sollen die Verletztenrenten ehema-
liger NVA-Wehrdienstbeschädigter gemäß dem Bundes-
versorgungsgesetz ebenfalls anrechnungsfrei gestellt
werden.

Die hier tatsächlich bestehende Ungleichbehandlung
kann ich nicht nachvollziehen. Es erscheint mir un-
schlüssig, dass Wehrdienstleistende, die während ihres
Dienstes bei der Nationalen Volksarmee der DDR zu
Schaden gekommen sind, anders behandelt werden als
ihre Kolleginnen und Kollegen der Bundeswehr. Auf-
grund einer Petition in der 16. Wahlperiode hat der Pe-
titionsausschuss in seiner Beschlussempfehlung die Un-
gleichbehandlung ebenfalls als nicht sachgerecht und
verfassungsrechtlich bedenklich bewertet.

In meiner Fraktion wurde vorgeschlagen, eine belast-
bare Datenlage zu erarbeiten, um die Rechtslage neu be-

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(C (D erten zu können. Dafür liegt unter anderem eine Anrage beim Ministerium vom Oktober dieses Jahres vor. ch unterstütze dieses Vorhaben ausdrücklich. Mögliherweise könnte eine Korrektur auch in die in dieser egislaturperiode anstehende Rentenangleichung Ost/ est integriert werden. Ich befürworte die Beschlussempfehlung des Auschusses für Arbeit und Soziales, da belastbares Datenaterial fehlt, möchte aber gleichzeitig appellieren, ass die Diskussion fortgesetzt wird. Die Linken wollen mit ihren Anträgen auch die Ver etztenrenten von NVA-Angehörigen der DDR sowohl uf die Grundsicherung für Arbeitsuchende als auch auf ie Altersrente anrechnungsfrei stellen. In der Sache olgt unsere Fraktion diesem Anliegen, nicht aber in der erkürzung der Antragsbegründung. Die Linken eduzieren einen komplexen und problematischen Sacherhalt auf die „reine Ungerechtigkeit“ und den Gegenatz „privilegierte Bundewehrangehörige/benachteiigte NVA-Angehörige“. Um zu verdeutlichen, worum es eigentlich geht, stelle ch noch einmal kurz die Ausgangslage dar – ein Grundroblem, wie es der Vereinigungsprozess häufiger mit ich gebracht hat –: Im komplexen Prozess der Überfühung des nach Berufsgruppen differenzierten Rentenvericherungssystems der DDR in das einkommensbezoene Rentensystem der Bundesrepublik gab es immer ieder auch Ungereimtheiten. Wie so oft bei der deut chen Einheit ergab sich auch hier die Frage, wie zwei nterschiedliche Systeme miteinander zu verbinden ind. Wehrdienstbeschädigungen bei Soldaten der undeswehr und der ehemaligen NVA sind auch in un erschiedlichen Rechtsgrundlagen geregelt. Bundesehrsoldaten erhalten eine Versorgung nach dem Solda enversorgungsgesetz. Ehemalige Angehörige der NVA ind im Rahmen der Rentenüberleitung aber nicht in iese Versorgung aufgenommen worden. Der Grund: nfälle von Wehrpflichtigen der NVA waren in der DDR rbeitsunfällen gleichgestellt. Daher überführte der Geetzgeber im Einigungsprozess ehemalige NVA-Angehöige, die eine Verletztenrente bezogen haben, wie andere rbeitnehmer auch in die gesetzliche Unfallversicheung bzw. in den Geltungsbereich des SGB VII. Deshalb erden Unfälle von Zeitund Berufssoldaten der ehema igen NVA über einen Dienstbeschädigungsausgleich bgewickelt. Diese unterschiedliche Behandlung hat Konsequenen. Bei der Einkommensberechnung im Rahmen der rundsicherung für Arbeitsuchende sind die Unter chiede erheblich. Die Verletztenrente nach dem Soldaenversorgungsgesetz ist als Grundrente nach dem Bunesversorgungsgesetz eingestuft. Sie stellt damit im Fall er Bundeswehr privilegiertes Einkommen dar, das icht angerechnet wird. Die Verletztenrente eines ehealigen NVA-Wehrpflichtigen dagegen ist als Rente aus er gesetzlichen Unfallversicherung keine Grundrente m Sinne des Bundesversorgungsgesetzes und wird auch icht als zweckbestimmte Einnahme eingestuft. Deshalb Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8683 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt gebene Reden )

Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1707835300

(A) )

wird sie angerechnet. So entsteht die Situation, dass Ver-
letztenrenten aus nahezu vergleichbaren Sachverhalten
unterschiedlich behandelt werden. Eine gerichtliche An-
fechtung der Anrechnung scheiterte bislang; denn es be-
stehen unterschiedliche Rechtsgrundlagen und damit
scheidet ein Gleichheitsverstoß aus.

Auch das Bundesarbeitsministerium hat entspre-
chend argumentiert, als es im April 2008 auf eine Hand-
lungsaufforderung des Petitionsausschusses reagierte.
Es sah keinen Anlass, an der bestehenden Rechtslage et-
was zu ändern, und stellte sich auf den Standpunkt, auch
nachträglich könne nicht von der in § 220 Abs. 4 Ar-
beitsgesetzbuch der ehemaligen DDR vorgesehenen
Gleichbehandlung zwischen Wehrdienst- und Arbeitsun-
fällen abgewichen werden. Das ist heute in der Tat dis-
kussionswürdig. Zwar ist die unterschiedliche Behand-
lung von Berufssoldaten und Wehrpflichtigen gerichtlich
bestätigt, politisch aber ist sie zu hinterfragen.

Wenn die Linke in diesem Zusammenhang von Ge-
rechtigkeit redet, sollte sie allerdings einen wichtigen
Aspekt eigentlich nicht unterschlagen: Die Wehrpflicht
in der DDR lässt sich mit der Wehrpflicht der Bundesre-
publik nicht vergleichen. In der Bundesrepublik gab und
gibt es die Möglichkeit, Zivildienst zu leisten. Der SED-
Staat aber achtete rigoros darauf, dass niemand der
Wehrpflicht ausweichen konnte. Wer den Wehrdienst
verweigerte, ging für zwei Jahre ins Gefängnis. Wir soll-
ten die Menschen nicht noch beim ALG-II-Bezug gegen-
über Bundeswehr-Wehrpflichtigen benachteiligen.

Wie bereits erwähnt, hat der Petitionsausschuss des
Deutschen Bundestages – auch auf Betreiben der CDU/
CSU-Bundestagsfraktion – deshalb in der vergangenen
Wahlperiode das Bundesministerium für Arbeit und So-
ziales aufgefordert, hier eine gerechte Regelung zu erar-
beiten. Über die Haltung des Bundesarbeitsministeri-
ums dazu habe ich bereits gesprochen, auch darüber,
dass diese Auffassung rein rechtlich in Ordnung ist. Im
Sinne der Betroffenen und mit dem Ziel der Gleichbe-
handlung sollten wir hier dennoch zu einer politischen
Lösung kommen, allerdings im größeren Rahmen einer
Angleichung der Renten in West- und Ostdeutschland.
Für eine entsprechende Lösung hat sich die Union im
Koalitionsvertrag ausgesprochen. Die Ost-West-Renten-
angleichung ist für uns aber kein Selbstzweck. Entschei-
dend für die Angleichung ist für uns das konkrete Ergeb-
nis für die Beitragszahler und die Rentner.

Nahezu für alle ostdeutschen Rentner geht die Ren-
tenüberleitung mit einer erheblichen finanziellen Ver-
besserung einher. Beim Rentenzahlbetrag sind sie heute
im Vergleich zu den Rentnern im Westen im Durchschnitt
besser gestellt. Die monatliche Rente im Osten beträgt
durchschnittlich 1 004 Euro für Männer und 684 Euro
für Frauen. Im Westen sind es dagegen 967 Euro für
Männer und 485 Euro für Frauen.

Das Problem sind allerdings die ungleichen Renten-
werte in West und Ost. Gegen eine vorzeitige Anglei-
chung der Ost- an die Westrenten spricht, dass dann im
Gegenzug auch die Hochwertung der im Osten erzielten
Arbeitsverdienste auf das Westniveau aufgegeben wer-
den müsste. Im Westen musste im Jahr 2006 ein Arbeit-

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(C (D ehmer 29 304 Euro im Jahr verdienen, um einen Enteltpunkt in der Rentenversicherung gutgeschrieben zu ekommen. Im Osten musste ein Arbeitnehmer lediglich 4 880 Euro verdienen, um ebenfalls einen Entgeltpunkt utgeschrieben zu bekommen. Sein Einkommen wurde ämlich für die Rentenberechnung mit dem Wert 1,19 ochgewertet. Die Versicherten im Osten sind somit gegenüber deen im Westen objektiv durch diese Höherbewertung essergestellt. Wenn wir das beenden, würde den gegenärtigen Beitragszahlern und künftigen Rentnern im sten die Aussicht genommen, bei vergleichbarer Ererbsbiografie jemals gleichhohe Renten wie im Westen u bekommen. Der derzeitige Lohnabstand würde in den ukünftigen Renten im Osten verfestigt. Eine grundsätzliche Klärung hier ist erforderlich. Soald die Ost-West-Rentenangleichung auf der politichen Tagesordnung steht, sollte damit auch die Probleatik der NVA-Verletztenrenten angegangen werden. Wir sind uns bereits im Ausschuss darüber einig ge esen, dass die von den Anträgen angesprochene Prolematik angegangen werden muss und die Anträge dait auch ihre Berechtigung haben. Die Gleichstellung on Verletztenrenten der ehemaligen NVA-Angehörigen it Beschädigtenrenten von Bundeswehrangehörigen in er Anrechnungsfreiheit beim Arbeitslosengeld II und ei der Altersrente ist eine wichtige Forderung, die wir nterstützen. Es geht dabei dem Grundsatz nach aber icht nur um diese Detailregelung, sondern um die rage, welche fortdauernden Ungerechtigkeiten und ngleichheiten zwischen Ostund Westrentnern – nicht ur Schwerbehinderten, sondern generell – weiterhin estehen. Ich möchte noch einmal betonen: Rentnerinnen und entner haben Anspruch auf die Anerkennung ihrer Areitsleistung, unabhängig von dem staatlichen System, n dem sie gelebt und gearbeitet haben. Auf die Zusatzersorgungssysteme der DDR haben die Menschen in stdeutschland vertraut – und ebenso darauf, dass die undesregierung diese rechtmäßigen Ansprüche erfüllt. it der Rentenüberleitung der Nachwendezeit wurden ur Teilprobleme gelöst bzw. neue geschaffen. Es bleibt aher unsere Aufgabe, die rechtmäßigen Ansprüche aus em DDR-Recht auch bei allen bisher außen vor gelasenen Berufsgruppen zu realisieren. Bei den Krankenschwestern macht es oft nur den Unerschied zwischen 700 Euro und 800 Euro Rente aus, ei den ehemaligen Reichsbahnern geht es um eine einalige Abfindung durch die Bahn. Diese Ansprüche ma hen einen bedeutenden Unterschied im Leben dieser enschen, denn es geht hier um ohnehin niedrige Ein ommen. Wir müssen beachten, dass die Alterseinkomen trotz höheren Rentenniveaus in Ostdeutschland un erhalb der Westeinkommen liegen. Im Osten gab es eine Betriebsrenten und auch keine Kapitalanlagemögichkeiten für Arbeitnehmer. Die Auszahlung der berechigten Ansprüche ist deshalb keine „weitere“ Renteneröhung für Ostdeutsche, sondern eine längst überfällige 8684 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Paul Lehrieder gebene Reden )

Silvia Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1707835400

(A) )

Maßnahme zur Herstellung gleichwertiger Lebensver-
hältnisse auf der Basis von Rentengerechtigkeit. Das
dürfen wir nicht vergessen, wenn wir über Gleichbehand-
lung verschiedenster Gruppen in diesem Hause spre-
chen.

Das Engagement dieser Bundesregierung für die
Rentengerechtigkeit wird sich auch darin zeigen, ob die
Kanzlerin mit ihrer vollmundigen Versprechung Ernst
macht und den Koalitionsvertrag mit der FDP Ernst
nimmt. Es geht um die Gerechtigkeit für Menschen, die
ihr Leben lang hart gearbeitet haben und mit überwie-
gend kleinen Renten leben müssen.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1707835500

Die Anrechnung von Verletztenrenten früherer NVA-

Angehöriger auf ihre Altersrente bzw. auf die Grund-
sicherung wird von Betroffenen als ungerecht empfun-
den. Das kann ich nachvollziehen, und deshalb habe ich
mich mehrfach mit diesem Thema befasst und Gesprä-
che mit Vertretern dieser Gruppe geführt.

Der Sachverhalt ist aber nicht so schlicht, wie uns die
Linken Glauben machen wollen. Das begründet sich
hauptsächlich dadurch, dass die NVA-Verletztenrenten
Anteile eines Schmerzensgeldes und Anteile eines Lohn-
ersatzes in jeweils nicht definierter Höhe enthalten. Die
reine Forderung einer Nichtanrechnung dieser Leistung,
wie es bei einem reinen Schmerzensgeld der Fall wäre,
ist also nicht angemessen. Wollten wir so verfahren, ent-
stünden vergleichbare Ansprüche bei Zivildienstleisten-
den und anderen Gruppen. Die „gefühlte“ oder tatsäch-
liche Ungerechtigkeit würde also nur verlagert.

In der DDR war der Unfall eines Wehrdienstleisten-
den einem Arbeitsunfall gleichgestellt. Deshalb hatten
die Betroffenen Anspruch auf eine Unfallrente aus der
allgemeinen Sozialversicherung der DDR und wurden
später in die entsprechenden Zweige der bundesdeut-
schen Sozialversicherung überführt. Weil dabei ein
Durchschnitts-Jahresarbeitsverdienst zugrunde gelegt
wurde, ergab sich für Geringverdiener sogar ein gewis-
ser Vorteil. Anders war das bei Zeit- und Berufssoldaten.
Sie waren durch das Sonderversorgungssystem der NVA
abgesichert und erhielten im Falle eines Dienstunfalls
eine Dienstbeschädigungsrente. Diese Dienstbeschädigungs-
vollrenten nach der Versorgungsordnung der NVA wur-
den mit dem Einigungsvertrag in die gesetzliche Renten-
versicherung überführt. Sie gelten als Invalidenrenten
und wurden damit zu Erwerbsunfähigkeitsrenten der ge-
setzlichen Rentenversicherung, die bei Erreichen der Al-
tersgrenze in Altersrente umzuwandeln ist.

Das heißt, die Dienstbeschädigungen, die bei Wehr-
pflichtigen zu einer zusätzlichen Unfallrente führten,
blieben bei den Zeit- und Berufssoldaten der NVA zu-
nächst ohne Ausgleich. Deshalb wurde für ehemalige
Angehörige der Sonderversorgungssysteme ein Dienst-
beschädigungsausgleich eingeführt, der in Höhe der
Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz gezahlt
wird und ausschließlich den immateriellen Schaden ent-
schädigt.

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Zu Protokoll ge

(C (D Damit sehen die gesetzlichen Regelungen – von der rage der Anrechnung auf andere Sozialleistungen abesehen – keine Besserstellung der ehemaligen Berufsnd Zeitsoldaten vor. Im Gegenteil: Die Verletztenrente ällt bei gleichen Verletzungsfolgen im Zweifel höher aus ls der vergleichbare Dienstbeschädigungsausgleich. ls Bezieher einer Verletztenrente aus der Unfallversiherung hat ein ehemaliger Wehrdienstleistender für eine durch den Unfall verursachten Leiden zudem neben er Verletztenrente noch Anspruch auf alle Leistungen er Unfallversicherung wie zum Beispiel kostenlose eilbehandlung sowie medizinische, berufliche und so iale Rehabilitation. Für den ehemaligen Berufsoder eitsoldaten besteht kein solcher Anspruch über den ienstbeschädigungsausgleich hinaus. So muss er zum eispiel für die Behandlung seines Leidens die in der geetzlichen Krankenversicherung geforderten Zuzahlunen selbst erbringen, während der Bezieher einer Unfallente zuzahlungsfreie Heilbehandlung erhält. Dass bei er Anrechnung der Verletztenrente auf Arbeitsloseneld II die ehemaligen NVA-Wehrpflichtigen gegenüber en Berufsund Zeitsoldaten der NVA anders behandelt erden, ist der logisch folgende Preis dafür, dass letz ere nur Dienstbeschädigungsausgleich erhielten, ihnen lso nur der immaterielle Schaden entgolten wird. Das lingt alles etwas kompliziert und ist es auch. Das allein elegt, dass der Gesetzgeber zu keinem Zeitpunkt jeanden benachteiligen wollte. Hinsichtlich der Anrechnung der Unfallrenten auf Areitslosengeld II werden übrigens alle Verletztenrentner leich behandelt. Das Bundessozialgericht hat die volle nrechnung im Urteil vom 17. März 2009 – gerade in ezug auf unfallverletzte NVA-Wehrpflichtige – unter leichbehandlungsgesichtspunkten als verfassungsgeäß bestätigt. Eine Sonderregelung für NVA-Wehrpflichtige – für ie ich durchaus Sympathie habe – führte zu der Gefahr, ass die Rückkehr zur teilweisen Anrechnung dann auch ür andere Personengruppen in gleicher Weise angemesen würde. Ich habe mich dennoch immer dafür eingeetzt, dass geprüft wird, ob nicht bei gleichzeitigem Areitslosengeld II-Bezug zumindest der Schmerzensgeldnteil der Unfallrente erhalten bleiben kann – so wie bei er früheren Arbeitslosenhilfe ein Grundrentenanteil ach dem Bundesverfassungsgericht anrechnungsfrei lieb. Ich muss die Betroffenen aber um Verständnis daür bitten, dass sich keine einfache Lösung der Frage ufdrängt, die nicht zu neuen Ungleichgewichten führen ürde. Allein schon die Recherche der Zahl der Betrof enen ist schwierig, weil sie aus praktischen Gründen leichmäßig auf alle Unfallversicherungen verteilt und icht zentral erfasst wurden. Auf den Tag genau vor einem Jahr und fünf Monaten, m 2. Juli 2009, also in der vorigen Wahlperiode, stand as Thema unserer heutigen Debatte schon einmal zur eratung an. Es geht erneut um die Verletztenrente von ngehörigen der Nationalen Volksarmee der DDR. Wer ine solche Rente bezieht und auf Arbeitslosengeld II ngewiesen ist, steht schlecht da, denn die VerletztenDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8685 Silvia Schmidt gebene Reden )

Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707835600

(A) )

rente wird vollständig auf das Arbeitslosengeld II ange-
rechnet – anders bei Bundeswehrangehörigen, die we-
gen eines erlittenen Unfalls eine Wehrdienstbeschädig-
tenrente erhalten. Diese Rente gilt bis zur Höhe der
Grundrente nach Bundesversorgungsgesetz als privile-
giertes Einkommen und kommt den Betroffenen – sinn-
vollerweise – zugute.

Die derzeitige augenscheinliche Ungleichbehand-
lung hat bereits vor mehr als drei Jahren den Petitions-
ausschuss veranlasst, die Regelung für bei der NVA er-
littene Schädigungen „nicht für sachgerecht und für
verfassungsrechtlich bedenklich“ zu bewerten. Eine
Einschätzung, die sich der Bundestag zueigen machte,
als er die entsprechende Petition an die Bundesregie-
rung als Material überwies und den Fraktionen zur
Kenntnis gab. Aufgrund dessen legte meine Fraktion einen
Antrag vor. Wir wollten uns damals – und nun erneut –
nicht damit abfinden, dass eine Wehrdienstbeschädi-
gung im Osten weniger wert ist als im Westen.

Ein Blick in die damalige Debatte erklärt die Hoff-
nungen, die sich Betroffene am Ende der 16. Wahl-
periode machten: Die Abgeordneten von FDP und Grü-
nen stimmten seinerzeit für unseren Antrag. Kollege
Heinz-Peter Haustein von der FDP stellte fest: „Wer
den Wehrdienst verweigerte, ging für zwei Jahre ins Ge-
fängnis. Somit hatten Wehrpflichtige keine Chance, dem
zu entgehen. Wir sollten die Menschen nicht noch beim
ALG-II-Bezug gegenüber Bundeswehrpflichtigen be-
nachteiligen.“ Kollegin Maria Michalk von der CDU er-
klärte ihre Bereitschaft, die Verletztenrenten in der kom-
menden – also in der jetzt laufenden – Wahlperiode
„pragmatisch“ zu beraten. Sie plädierte für eine
„lösungsorientierte Herangehensweise im Sinne der be-
troffenen ehemaligen NVA-Soldaten“. Mit unserem er-
neuten Antrag wollten wir das Thema in Erinnerung
bringen. Die Betroffenen haben keine Zeit zu verlieren.

Der zweite vorliegende Antrag meiner Fraktion greift
eine gleichgelagerte Ungerechtigkeit auf. Hierbei geht
es um den gleichzeitigen Bezug von Altersrente und Ver-
letztenrente für frühere NVA-Angehörige. Auch in die-
sem Falle erfolgt eine Anrechnung, während sie für frü-
here Bundeswehrangehörige anrechnungsfrei gestellt
wird. Dass ausgerechnet Menschen, die durch erlittene
Schädigungen schon genug leiden und mit Beeinträchti-
gungen leben mussten, in dieser Weise benachteiligt
werden, ist nicht länger hinnehmbar.

Im federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales
haben alle Oppositionsfraktionen die Bundesregierung
aufgefordert, dieses Problem zu lösen. Auch die Abge-
ordneten von Union und FDP sehen Handlungsbedarf.
Ich appelliere an Sie: Stehen Sie zu Ihrem Wort und neh-
men Sie diese Aufgabe rasch in Angriff.


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wehrdienstbeschädigungen bei Soldaten der Bundes-
wehr und der ehemaligen NVA sind in unterschiedlichen
Rechtsgrundlagen geregelt. Bundeswehrsoldaten erhal-
ten eine Versorgung nach dem Soldatenversorgungsge-
setz. Ehemalige Angehörige der NVA sind im Rahmen

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Zu Protokoll ge

(C (D er Rentenüberleitung nicht in die Versorgung nach dem oldatenversorgungsgesetz aufgenommen worden. Unälle von Zeitund Berufssoldaten der ehemaligen NVA erden über einen Dienstbeschädigungsausgleich abgeickelt. Unfälle von Wehrpflichtigen waren in der DDR rbeitsunfällen gleichgestellt und sind konsequentereise in die gesetzliche Unfallversicherung übergeleitet orden. Diese unterschiedliche Behandlung von Berufs oldaten und Wehrpflichtigen ist zwar gerichtlich bestäigt, politisch aber durchaus zu hinterfragen. Ein Beispiel: Ein Mann erleidet im Rahmen des ehrdienstes bei der Nationalen Volksarmee der DDR, VA, eine gesundheitliche Schädigung. Zu DDR-Zeiten rhielt er eine Rente der Staatlichen Versicherung der DR. Er ist nun seit mehreren Jahren arbeitslos. Wäh end im Rahmen der Arbeitslosenhilfe zunächst ein Teil er Rente anrechnungsfrei geblieben ist, ist es mit der inführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu iner vollen Anrechnung gekommen. Der Mann fühlt ich hierbei ungerecht behandelt, da Zahlungen nach em Soldatenversorgungsgesetz für Schädigungen im ahmen des Dienstes bei der Bundeswehr als privileiertes Einkommen nicht zur Anrechnung kommen – zu echt, wie ich finde und wie es im Übrigen auch der eutsche Bundestag findet, dessen Petitionsausschuss ereits vor drei Jahren die Bundesregierung aufgeforert hat, eine gerechte Regelung der vergleichbaren achverhalte zu erarbeiten. Für die Betroffenen sind die Unterschiede bei der inkommensberechnung erheblich. Die Verletztenrente ach dem Soldatenversorgungsgesetz ist als Grundrente ach dem Bundesversorgungsgesetz eingestuft und stellt amit privilegiertes Einkommen dar, das nicht angeechnet wird. Die Verletztenrente eines ehemaligen VA-Wehrpflichtigen ist als Rente aus der gesetzlichen nfallversicherung keine Grundrente im Sinne des Bunesversorgungsgesetzes und wird auch nicht als zweckestimmte Einnahme eingestuft; deshalb wird sie angeechnet. So entsteht die Situation, dass Verletztenrenten us nahezu vergleichbaren Sachverhalten unterschiedich behandelt werden. Eine gerichtliche Anfechtung der nrechnung scheiterte bislang an dem Umstand, dass atsächlich unterschiedliche Rechtsgrundlagen bestehen nd damit ein Gleichheitsverstoß ausscheidet. Den möglichen Befürchtungen über eine Ausweitung er Freistellung auf alle Empfänger von Verletztenrente urch Schaffung eines Präzedenzfalls möchte ich entgeenhalten, dass die Gruppe der ehemaligen NVA-Wehrflichtigen während ihrer Dienstzeit, ebenso wie Wehrflichtige bei der Bundeswehr, in einem besonderen ienstund Treueverhältnis zu ihrem Dienstherrn stanen und sich schon deshalb von anderen Gruppen untercheiden. Zudem ist der Wehrdienst, unabhängig von der ewertung zu DDR-Zeiten, nicht als normale Berufstätigeit einzuordnen. Die Besonderheiten des Dienstverhältisses bei den Streitkräften sind mit anderen Tätigkeiten icht zu vergleichen. Für meine Fraktion und mich gibt es in der Sozialolitik und darüber hinaus einen ganz klaren Grundsatz: leiches muss gleich behandelt werden, Ungleiches 8686 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Dr. Martina Bunge gebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8687 Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn )


(A) )

nicht. Wir müssen also untersuchen, ob hier eine Un-
gleichbehandlung von früheren Angehörigen der Natio-
nalen Volksarmee, NVA, und der Bundeswehr vorliegt,
die nicht gerechtfertigt ist. Letztlich handelt es sich bei
einer Schädigung im Rahmen des Dienstes bei der NVA
um einen vergleichbaren Sachverhalt wie bei einer
Wehrdienstbeschädigung im Rahmen des Dienstes bei
der Bundeswehr. Allein die Tatsache, dass diese Ansprü-
che im Rahmen der Sozialunion in die gesetzliche Un-
fallversicherung überführt wurden, kann eine unter-
schiedliche Behandlung bei der Anrechnung als
Einkommen im Rahmen der Grundsicherung für Arbeit-
suchende nach meiner Überzeugung, im Übrigen auch
der des Petitionsausschusses, nicht rechtfertigen. Der
Petitionsausschuss hat diese Regelung für nicht sachge-
recht und für verfassungsrechtlich bedenklich erachtet.
Es liegt also ganz klar auf der Hand, dass es sich dem
Sinne nach auch bei Zahlungen an die ehemaligen NVA-
Angehörigen um Entschädigungen handelt, genauso wie
es bei der Bundeswehr der Fall ist.

Meine Fraktion plädiert dafür, eine lösungsorien-
tierte Herangehensweise im Sinne der betroffenen ehe-
maligen NVA-Soldaten zu prüfen. Meines Erachtens
braucht es dafür zunächst eine verlässliche Datengrund-
lage, aus der hervorgeht, wie viele Bürger betroffen
sind, einschließlich aller Kostenfragen. Auf dieser
Grundlage sollte das Anliegen fundiert beraten werden.

Gleiche Sachverhalte müssen gleich behandelt wer-
den. Die Verletztenrente der ehemaligen NVA-Angehöri-
gen darf genauso wie die Leistungen an Bundeswehran-
gehörige nach dem Soldatenversorgungsrecht nicht auf
die Grundsicherung nach dem ALG II angerechnet wer-
den. Deshalb plädieren wir für eine lösungsorientierte
Herangehensweise im Sinne der betroffenen ehemaligen
NVA-Soldaten und stimmen dem Antrag der Linken zu.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707835700

Wir kommen zur Abstimmung der Beschlussempfeh-

lung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf
Drucksache 17/3734. Der Ausschuss empfiehlt unter
Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung
des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/2326.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer ist
dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung
ist damit angenommen mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktio-
nen.

Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung emp-
fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/3217. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer ist
dagegen? – Enthaltungen? – Auch diese Beschlussemp-
fehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfrak-
tionen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in

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(C (D der Justiz und zur Änderung weiterer Vorschriften – Drucksache 17/3356 – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses – Drucksache 17/4064 – Berichterstattung: Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker Dr. Edgar Franke Mechthild Dyckmans Halina Wawzyniak Ingrid Hönlinger Das Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtli ie in der Justiz und zur Änderung weiterer Vorschriften ieht Änderungen und Anpassungen in einigen Berufsrdnungen – für Rechtsanwälte, Notare und Steuerberaer – vor, die in der Praxis teilweise schon lange geforert wurden. So wird die nun vorgesehene Einführung iner dreimonatigen Genehmigungsfrist für Berufszuassungen allgemein begrüßt. Dass wir hierbei für den all des Verstreichens der Frist auf eine Genehmigungs iktion verzichten, trägt aus meiner Sicht den besondeen Erfordernissen an die persönlichen Voraussetzungen ür den Zugang zu den einzelnen Berufsfeldern Rechung. Auf Betreiben der Unionsfraktion haben wir ferner in en Regierungsentwurf eine Neuregelung im Wahlverahren der Rechtsanwaltskammern aufgenommen. Um ie erheblichen Probleme der Vergangenheit, bei denen elbst nach bis zu sieben Wahlgängen oft keine komlette Besetzung der Vorstände der Rechtsanwaltskamern erreicht wurde, zu lösen, wird künftig nach § 88 bs. 3 Satz 3 BRAO ab dem dritten Wahlgang die bis dain erforderliche einfache Stimmenmehrheit ersetzt: ünftig ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die eisten Stimmen erhält. Damit schaffen wir ein effekti es Wahlrecht, dass die Arbeitsund Leistungsfähigkeit er Selbstverwaltungskörperschaften gewährleistet. Zwei Regelungen, die wir mit dem Gesetz treffen, steen im Vordergrund: die Neuregelung zum Pfändungschutzkonto in § 850 k Abs. 8 ZPO und die Verfahrensreelung zur Zulassung von Insolvenzverwaltern aus dem U-Ausland in einem neuen Art. 102 a EGInsO. Die teilweise vorgebrachte Kritik zu diesen beiden egelungen war Gegenstand eines erweiterten Berichtrstattergesprächs im Deutschen Bundestag in der verangenen Woche. Dabei konnten die Sachverständigen er Bundesrechtsanwaltskammer noch einmal ihre Beenken zur europarechtlich notwendig gewordenen Noelle zur P-Konto-Regelung des § 850 k ZPO deutlich achen. Bisher hatte allein die Schufa das Privileg, mit Banen Informationen darüber auszutauschen, ob ein Kunde ereits ein sogenanntes P-Konto führt und damit nicht erechtig ist, ein weiteres solches Konto zu eröffnen; es eht um die sogenannte Schufa-Klausel. Die damit ge )

Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU):
Rede ID: ID1707835800

(A) )

schaffene zentrale Stelle hat die Missbrauchskontrolle
dabei klar erleichtert. Europarechtliche und daten-
schutzrechtliche Vorgaben machen es nun erforderlich,
dass Banken in dieser Frage auch mit allen übrigen Aus-
kunfteien zusammenarbeiten. Da der Gesetzgeber diese
Notwendigkeit bei der letzen Novelle zu § 850 k Abs. 8
ZPO im vergangenen Sommer nicht erkannt hat, ist mit
der nun vorliegenden Neuregelung zu Recht von einer
„Reparaturklausel“ in Hinblick auf die Gleichbehand-
lung die Rede.

Ob die Einbeziehung der übrigen Auskunfteien jedoch
in der Konsequenz auch zu einer Zersplitterung und da-
mit Erschwerung des effektiven Informationsaustauschs
zwischen Banken und Auskunfteien führt, wie teilweise
befürchtet wird, muss abgewartet werden. Zwar sind tat-
sächlich praktische Schwierigkeiten denkbar, wenn eine
Bank erst bei einer Vielzahl von Auskunfteien anfragen
muss, um endlich sicher darüber Auskunft zu bekommen,
ob ein Kunde bereits ein Pfändungsschutzkonto führt. Je-
doch ist dies angesichts der dominierenden Stellung der
Schufa auf diesem Markt nicht zu erwarten.

Auch schließen wir mit der Novelle ausdrücklich aus,
dass Daten über das Bestehen eines P-Kontos zu ande-
ren Zwecken genutzt werden als zur Überprüfung der
Richtigkeit der Versicherung des Kunden, nach welcher
eben noch kein Pfändungsschutzkonto auf seinen Namen
geführt werde. Auch diese eindeutige Regelung dürfte
dem Wettbewerb um die Information über das Bestehen
eines P-Kontos an Schärfe nehmen und damit der be-
fürchteten zersplitterten Informationslage zu bestehen-
den P-Konten entgegenwirken.

Sollten sich die Befürchtungen einzelner Sachver-
ständiger allerdings bewahrheiten und sollte den Ban-
ken die Missbrauchsbekämpfung dadurch erschwert
werden, dass sie nicht oder nicht rechtzeitig an die
erforderlichen Informationen über das Bestehen von
P-Konten kommen, weil bei der Vielzahl der relevanten
Auskunfteien der richtige Ansprechpartner nicht ersicht-
lich ist, so werden wir als Gesetzgeber nicht untätig sein
können und eine entsprechende gesetzliche Änderung
vornehmen müssen. Denn eines ist klar: Durch die nun
erforderlich gewordenen Anpassungen darf das Haupt-
anliegen des § 850 k Abs. 8 ZPO nicht in den Hinter-
grund geraten: Der Schutz der Marktteilnehmer vor
Missbrauch durch das Führen mehrerer Pfändungs-
schutzkonten darf nicht an Effektivität verlieren. Ich bin
optimistisch, dass die Neuregelung diesen Praxistest be-
stehen wird.

Grundsätzliche Schwachstellen im nationalen Recht
werden durch die Änderung des Zugangs zum Insolvenz-
verwalterberuf für Personen, die die Staatsangehörig-
keit eines anderen EU- oder EWR-Staats besitzen, deut-
lich. Wir schaffen für die genannten Verwalter eine
einheitliche Stelle, an die sie sich bei Interesse für eine
Verwaltertätigkeit wenden können. Diese Stelle leitet ih-
rerseits die Unterlagen an das zuständige Insolvenzge-
richt weiter. Auch führen wir für dieses Verfahren eine
dreimonatige Entscheidungsfrist ein.

Die Auswahl der Insolvenzverwalter durch die zu-
ständigen Gerichte in Deutschland ist mehr als nur un-

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(C (D ureichend geregelt. Eine differenzierte Rechtsprechung es Bundesverfassungsgerichts ändert nichts daran, ass Auswahllisten der Richter nicht mehr als eine Geankenstütze, ein Hilfskonstrukt in Ermangelung klarer esetzlicher Vorgaben sein können. Die mit der Dienstleistungsrichtlinie EU-rechtlich orgeschriebene einheitliche Stelle als Ansprechpartner ür Verwalter aus EUund EWR-Raum zur Aufnahme in ine solche Vorauswahlliste führt Normen in ein wirtchaftliches Betätigungsfeld ein, das in der Bundesrepulik noch weitgehend ungeregelt ist. Dennoch meine ich, ass die hier getroffenen rudimentären Regelungen für achverhalte mit grenzüberschreitendem Bezug als voräufig hingenommen werden können. Die Analyse, nach er den Verwaltern aus dem EUund EWR-Ausland nun n Ansätzen ein Zulassungsvorverfahren zur Verfügung teht, an dem die deutschen Verwalter nicht partizipieen können, ist zutreffend. Vonseiten des BMJ, aber auch on Praktikern wird allerdings nicht befürchtet, dass ich dies zu einem Wettbewerbsnachteil der deutschen erwalter auswirkt. Dennoch wirft diese Zulassungsregelung mit berenztem Anwendungsbereich ein Schlaglicht auf ein rängendes Anliegen dieser Wahlperiode: Wir müssen u klareren Qualifikationsvoraussetzungen und transpaenten Auswahlmechanismen kommen, die außerdem ehr Raum für Gläubigerbeteiligung lassen. Vonseiten es Bundesministeriums der Justiz ist in den Beratungen er vergangenen Wochen deutlich gemacht worden, dass ir mit der Neuregelung des Art. 102 a EGInsO kein räjudiz für eine künftige Zulassungsordnung nach na ionalem Recht schaffen. Die „einheitliche Stelle“ leitet Anfragen ausländicher Bewerber, die von Insolvenzgerichten als Insolenzverwalter benannt werden wollen, lediglich an diese eiter. Dort entscheiden die Richter unverändert nach hren Kriterien, ob sie dem Anliegen etwa mit Aufnahme n eine Vorauswahlliste entsprechen wollen, oder nicht. iese Klarstellung halte ich für ganz entscheidend. Anesichts der zurzeit in Beratung befindlichen mehrstufien Insolvenzrechtsreform wäre es nicht hinnehmbar, ewissermaßen beiläufig unter Umsetzung EU-rechtliher Vorgaben, grundlegende Richtungsentscheidungen ür ein künftiges nationales Zulassungsverfahren zu trefen. Wir beraten heute die Umsetzung der Dienstleis ungsrichtlinie in der Justiz. Durch die Richtlinie 2006/ 23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ind Rechtsanpassungen im Bereich der Justiz und in en Verfahren der Berufszulassung zu den rechtsberaenden Berufen erforderlich. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen die zur msetzung der Richtlinie erforderlichen Rechtsände ungen im deutschen Recht vorgenommen werden. Daüber hinaus sollen weitere Anpassungen des Berufs-, erfahrens-, Gerichtsverfassungs-, Kosten und Markenechts erfolgen, um aufgetretene Streitfragen zum echtsweg in verwaltungsrechtlichen Notarsachen, zum 8688 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Elisabeth Winkelmeier-Becker gebene Reden )

Dr. Edgar Franke (SPD):
Rede ID: ID1707835900

(A) )

Mechanismus der Verhinderung von Missbräuchen beim
Pfändungsschutzkonto nach § 850 k Abs. 8 der Zivilpro-
zessordnung und zur Amtsenthebung von Schöffen bei
gröblicher Amtspflichtverletzung zu lösen. Gleiches gilt
für auftretende Streitfragen bei den Gerichtskosten und
Anwaltsgebühren im neuen familienrechtlichen Verfah-
ren.

Wie sie wissen, müssen EU-Richtlinien nach deut-
schem Recht grundsätzlich durch ein formelles Gesetz in
innerstaatliches Recht transformiert – oder besser ge-
sagt: umgesetzt – werden. Genau das machen wir heute.
Insgesamt betrifft die EU-Richtlinie im Bereich der Jus-
tiz relativ geringfügige Rechtsanpassungen sowie Ände-
rungen beispielsweise im Kostenrecht. Sie haben im We-
sentlichen nur klarstellende Funktion oder gar nur
redaktionellen Charakter.

Ich möchte dennoch die Gelegenheit zum Anlass neh-
men, auf einen Punkt etwas näher einzugehen, der, so
glaube ich, in dieser insgesamt naturgemäß eher forma-
len Vorlage, für viele Bürgerinnen und Bürger von be-
sonderem Interesse ist. Ich meine den Pfändungsschutz
durch das sogenannte P-Konto. Die SPD hat die Einfüh-
rung des Pfändungsschutzkontos zum 1. Juli dieses Jah-
res ausdrücklich begrüßt. Denn es erlaubt Schuldnern,
auch bei Kontopfändung unbürokratisch über das ga-
rantierte Existenzminimum zu verfügen.

Mit der heutigen Reform des Pfändungsschutzes, ins-
besondere durch das Pfändungsschutzkonto, ist es not-
wendig gewesen, weitere gesetzliche Regelungen zu tref-
fen, die einen Missbrauch verhindern. Durch die
Änderung des § 850 k Abs. 8 Satz 3 und 4 ZPO ist ein
Weg beschritten, der verhindern soll, dass einzelne Per-
sonen mehrere Pfändungsschutzkonten bei unterschied-
lichen Kreditinstituten unterhalten können. Damit wird
unterbunden, dass diese Personen zum Nachteil der
Gläubiger mehrfachen Kontopfändungsschutz in An-
spruch nehmen. Diese Missbrauchskontrolle geschieht
mit einem Informationsaustausch zwischen den Banken,
die ein Pfändungsschutzkonto für ihre Kunden führen,
und Auskunfteien. Mit dem hier vorliegenden Gesetzent-
wurf soll dies optimiert und europäisch harmonisiert
werden.

Allerdings – und das ist aus meiner Sicht wesentlich –
dürfen diese eingeführten Kontrollmechanismen nicht zu
Abstrichen beim Schutz der Rechte der betroffenen Kon-
toinhaberinnen und -inhaber führen. Dennoch ist es aus
meiner Sicht richtig und im Interesse der Gläubiger so-
wie der Schuldner, diese in § 850 k ZPO vorgenommene
gesetzliche Änderung vorzunehmen.

Bei Auskunftsverlangen von Kreditinstituten im Hin-
blick auf die Bonität potenzieller Vertragspartner wen-
den sich diese in der Praxis im Regelfall an die Schufa
Holding AG; das ist Schutzgemeinschaft für allgemeine
Kreditsicherung. Mit den in diesem Gesetzentwurf vor-
genommenen Änderungen der ZPO werden die Banken
allerdings ermächtigt, nicht nur die Schufa über die Ein-
richtung eines Pfändungsschutzkontos zu unterrichten.
Denn nach diesem Gesetzentwurf können nunmehr Ban-
ken und Sparkassen, die nicht mit der Schufa, sondern
mit anderen Auskunfteien zusammenarbeiten, auch die-

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(C (D en Mitteilungen über die Existenz eines Pfändungskonos geben. Damit wird die – aus meiner Sicht – nicht altbare alte Regelung repariert, nach der die Auskunft ur auf die Schufa Holding AG beschränkt war. Ganz wesentlich scheint mir an der Stelle allerdings er Hinweis zu sein, dass die Mitteilung durch das Kreitinstitut auf Freiwilligkeit beruht. Eine Meldepflicht esteht also nicht. Die Sorge mancher Fachleute, dass ie bei den Auskunfteien vorhandenen Datenbestände nter Umständen nicht aktuell sein könnten, teile ich icht. Jedenfalls ist es aus meiner Sicht nicht notwendig, ine Meldepflicht, etwa durch eine zusätzliche gesetzlihe Regelung, einzuführen, um die Aktualität der Daten u gewährleisten. Vielmehr kann dieser Punkt beispielseise Gegenstand des Vertragsverhältnisses zwischen en Kreditinstituten und den Auskunfteien sein. Für die reditinstitute kann dann insbesondere die Aktualität er verfügbaren Datensätze einer Auskunftei ein Qualiätsmerkmal für die Entscheidung einer Zusammenareit sein. Zudem wäre eine Mitteilungspflicht des P-Kontos, eispielsweise an die Bundesanstalt für Finanzdiensteistungsaufsicht ungsaufwand der verschiedenen Kreditinstitute verbunen. Gleichzeitig würde eine gesetzlich verankerte eldepflicht das Risiko des Gläubigers, sein Pfän ungsgesuch nicht befriedigt zu bekommen, nicht weentlich verringern. Deshalb erscheinen mir die vorgechlagenen Rechtsänderungen sachlich begründet. Die PD-Fraktion stimmt diesem Gesetzentwurf insgesamt u. Mit dem Gesetz, das wir heute verabschieden, setzen ir die europäische Dienstleistungsrichtlinie aus dem ahr 2006 im Bereich der Justiz ins deutsche Recht um. ie Umsetzungsfrist ist Ende 2009 abgelaufen, das heißt s handelt sich hier um eine Hinterlassenschaft der früeren Justizministerin, der es binnen drei Jahren nicht elungen war, einen Gesetzentwurf zur Richtlinienumetzung vorzulegen, und das, obwohl in Deutschland irklich nur geringe Anpassungen vorzunehmen sind. s freut mich daher umso mehr, dass wir dies heute abchließen können, dazu noch im weitgehenden Einverehmen der Fraktionen. Es zeigt einmal mehr, dass wir m Justizbereich meist alle an einem Strang ziehen. Doch nun zu den Änderungen im Einzelnen. Die ichtlinienumsetzung erfordert vor allem Änderungen in en Verfahren der Berufszulassung zu den rechtsberaenden Berufen. Mit der Einführung einer 3-Monatsrist für die Zulassung zum Rechtsanwalts-, Patentnwaltsund Wirtschaftsprüferberuf erhalten Bewerber ine verlässliche Aussage darüber, wann sie mit ihrer ufnahme in den jeweiligen Beruf rechnen können. Daei haben wir jedoch bewusst von einer Genehmigungsiktion nach Ablauf der Frist abgesehen, um so die echtssuchenden vor eventuell nicht fachgerechter Beatung zu schützen. Zusätzlich ist es den Kammern in usnahmefällen gestattet, die Frist zu überschreiten, enn dies – etwa bei einer komplizierteren Zulassung eiDeutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8689 Dr. Edgar Franke gebene Reden )

Mechthild Dyckmans (FDP):
Rede ID: ID1707836000

(A) )

ner neuen Berufsausübungsgesellschaft – erforderlich
ist. Ebenso in den Bereich der Rechtsberatung gehört,
dass künftig auch europäische Hochschullehrerinnen
und Hochschullehrer mit der Befähigung zum deutschen
Richteramt vor Verwaltungs- und Sozialgerichten sowie
dem Bundesverfassungsgericht auftreten können. Fer-
ner erhalten nunmehr europäische Bewerber, die als In-
solvenzverwalter in Deutschland tätig werden wollen,
Klarheit darüber, an wen sie sich in diesem Fall wenden
müssen.

Diese Regelung ist notwendig, da auch Insolvenzver-
walter unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fal-
len. Sie sind Dienstleister in hoheitlichem Auftrag, ohne
dabei selbst hoheitliche Gewalt auszuüben. Daher ist
auf sie die Ausnahmevorschrift des Art. 2 Buchstabe i
der Richtlinie nicht anwendbar. Mit der Einführung des
Art. 102 a EGInsO wird aber weder eine Vorentschei-
dung für ein noch zu schaffendes deutsches Zulassungs-
verfahren für Insolvenzverwalter getroffen, noch erfolgt
eine Ungleichbehandlung von deutschen und europäi-
schen Bewerbern. Für die Beauftragung mit einem kon-
kreten Fall ist weiterhin der jeweilige Richter zuständig.
Neben der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie bot
sich dieses Gesetzgebungsverfahren dazu an, noch klei-
nere notwendige Anpassungen in verschiedenen anderen
Bereichen vorzunehmen.

Ich will nur auf einige davon kurz eingehen. Die erste
Änderung betrifft das Pfändungsschutzkonto – P-Konto –,
das wir in der letzten Legislaturperiode eingeführt ha-
ben. Um sicherzustellen, dass jede Person nur ein einzi-
ges Pfändungsschutzkonto führt, sieht § 850 k Abs. 8
ZPO vor, dass die Kreditinstitute die Führung eines sol-
chen Kontos der Schufa Holding AG mitteilen dürfen
und diese wiederum ihrerseits Kreditinstituten auf An-
trag Auskunft über ein bestehendes Pfändungsschutz-
konto des Kunden erteilen darf. Mit der Änderung in
§ 850 k ZPO werden nunmehr alle Auskunfteien gleich-
berechtigt behandelt. Die Fraktionen waren sich einig,
dass die in der Beratung angesprochene sogenannte
Monatsanfangsproblematik, die bei der Einrichtung des
P-Kontos auftreten kann und seit Einführung des P-Kon-
tos bereits zu Problemen geführt hat, noch einer geson-
derten Regelung bedarf. Hier hat das Justizministerium
zugesagt, alsbald einen entsprechenden Änderungsvor-
schlag vorzulegen.

Schließlich haben wir auf Bitten des Bundesrates ei-
nige Anpassungen vorgenommen. So schaffen wir im
Kostenrecht Übergangsvorschriften zur Höhe des Haft-
kostenbeitrags, die bis zum Erlass entsprechender lan-
desrechtlicher Vorschriften anzuwenden sind. Auch füh-
ren wir eine Länderöffnungsklausel für die Regelung der
Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in verwaltungs-
rechtlichen Notarsachen ein.

Außerdem vereinfachen wir das Wahlverfahren zum
Vorstand der Rechtsanwaltskammern, das mit seinen
bisherigen Mehrheitserfordernissen in der Vergangen-
heit zu Schwierigkeiten geführt hat. Nunmehr wird ab
dem dritten Wahlgang die einfache Stimmenmehrheit
ausreichen. Ich denke, wir haben damit zügig und ein-
vernehmlich ein Gesetz auf den Weg gebracht, das den

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Zu Protokoll ge

(C (D uroparechtlichen Anforderungen entspricht und in den erschiedenen Bereichen für mehr Rechtsklarheit und amit auch Rechtssicherheit sorgt. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll die Richtli ie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt n deutsches Recht umgesetzt werden. Die Übersetzunen fremdsprachiger Urkunden aus dem europäischen usland sollen damit anerkannt und die Registereinsicht usländischer Behörden im Rahmen der europäischen erwaltungszusammenarbeit ermöglicht werden. Die Linksfraktion begrüßt diese Zielstellung. Allerings hat die Bundesregierung ohne erkennbare Not achfremde Regelungen in diesem Gesetzentwurf verteckt. Völlig herausgerissen aus dem Gesamtzusamenhang, der in der Umsetzung der Richtlinie besteht, aucht eine Neuregelung im Gerichtsverfassungsgesetz uf, die die Amtsenthebung von Schöffinnen und Schöfen wegen gröblicher Amtspflichtverletzungen vorsieht. Es ist geplant, § 51 Gerichtsverfassungsgesetz neu zu esetzen. Damit soll eine Möglichkeit geschaffen weren, eine Schöffin oder einen Schöffen seines Amtes zu ntheben, wenn sie ihre bzw. er seine Amtspflichten röblich verletzt. Die Entscheidung darüber trifft ein trafsenat des örtlich zuständigen Oberlandesgerichts uf Antrag einer Richterin oder eines Richters. Ein echtsmittel ist ausdrücklich nicht vorgesehen, was ich ür äußerst fragwürdig halte. Hier wird der Schöffin der dem Schöffen jeglicher Rechtsschutz entzogen. Soange über die Amtsenthebung nicht entschieden ist, ann angeordnet werden, dass die Schöffin oder der chöffe von der Sitzungsteilnahme ausgeschlossen wird. uch diese Anordnung ist nicht anfechtbar und verwehrt em Betroffenen jeglichen Rechtsschutz. Das ist wirklich in seltsames Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und erade für unsere Rechtsordnung, die vom Prinzip des esetzlichen Richters geprägt ist, ein geradezu ungeöhnlicher Vorgang. Nicht nur die ausgeschlossene Rechtsschutzmöglicheit, sondern auch die Voraussetzungen der Amtsentheung an sich sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. enn die dehnbare und unbestimmte Formulierung gröblich“ ist mit Blick auf den Rechtsstaatsgrundsatz icht zu verantworten. Der Gesetzgeber muss bei derarigen Eingriffen die genaue Art der schwerwiegenden ortgesetzten Verstöße, welche laut Begründung als röbliche Amtspflichtverletzung ausreichen sollen, reeln. Aufgrund der Unbestimmtheit und dem daraus folenden weiten Auslegungsspielraum lassen sich zu viele nterschiedliche Lebenssachverhalte unter dieses Tatbetandsmerkmal subsumieren, womit einem Missbrauch ür und Tor geöffnet wird. Zum Beispiel könnte eine chöffin oder ein Schöffe des Amtes enthoben werden, enn ihre bzw. seine telefonische und postalische Er eichbarkeit nicht sichergestellt ist. Wenn Sie mit Ihrer Regelung bezwecken wollen, Mitlieder von verfassungsfeindlichen Parteien aus der echtssprechung zu entfernen, wie es jedenfalls die Beründung der Regelung vermuten lässt, dann schreiben 8690 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Mechthild Dyckmans gebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8691 Jens Petermann )

Jens Petermann (Plos):
Rede ID: ID1707836100

(A) )

Sie es doch auch bitte so konkret in das Gesetz. Auch ein
Verweis auf die Verwendung der Begriffe „gröbliche
Verletzung“ in bereits geltenden Gesetzen begründet
keine Legitimation. Vielmehr belegen sie, dass auch dort
gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Mit der
Neubesetzung des § 51 Gerichtsverfassungsgesetz und
der bereits im Sommer verabschiedeten Änderung von
§ 33 Gerichtsverfassungsgesetz wird faktisch die Mög-
lichkeit geschaffen, sich unliebsamer oder unbequemer
Schöffinnen und Schöffen schnell und einfach, ohne dass
diese eine Möglichkeit zur Verteidigung haben, zu entle-
digen. Das ist wirklich kein Ruhmesblatt.

Im Gesetzentwurf sich aber auch wichtige Regelun-
gen, zum Beispiel für das Berufszulassungsverfahren zur
Rechtsanwaltschaft. Danach ist die Einführung einer
Dreimonatsfrist zur vollständigen Bearbeitung eines Zu-
lassungsantrages vorgesehen. Somit müssen junge Ju-
ristinnen und Juristen nicht mehr über Gebühr auf ihre
Zulassung als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt war-
ten. Neben verfahrensrechtlichen Regelungen zur Insol-
venzverwaltervorauswahl ist eine Gleichstellung von
Rechtslehrerinnen und Rechtslehrern aus dem europäi-
schen Ausland mit Rechtslehrerinnen und Rechtslehrern
an deutschen Hochschulen im Hinblick auf die Prozess-
führungsbefugnis im deutschen Gerichtsverfahren vor-
gesehen. Trotz einer Reihe sinnvoller Artikel, die zur
Verbesserung der Rechtslage beitragen, ist aufgrund der
völlig unzureichenden Regelung der Amtsenthebung von
Schöffinnen und Schöffen eine Zustimmung zu diesem
Gesetzentwurf nicht möglich.


Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707836200

Auf der Tagesordnung steht heute der „Gesetzentwurf

zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in der Jus-
tiz und zur Änderung weiterer Vorschriften“. Der Ge-
setzentwurf umfasst die unterschiedlichsten Regelungen.
Ich möchte mich mit meinen Ausführungen auf nur eines
dieser vielen Themen beschränken – das ist ein Thema,
das mir aus Sicht des einzelnen Bürgers und der einzel-
nen Bürgerin besonders wichtig erscheint –: das Pfän-
dungsschutzkonto, kurz: P-Konto.

Wir alle wissen: Ein P-Konto ist kein neues Bank-
konto. Es ermöglicht dem Verbraucher, mit Banken oder
Sparkassen zu vereinbaren, dass ein bereits bestehendes
Girokonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Das
Geldinstitut muss dann dafür Sorge tragen, dass der
Pfändungsschutz gewahrt bleibt. Im Falle einer
Zwangsvollstreckung gegen seinen Kunden darf das
Geldinstitut den pfändungsfreien Betrag nicht an den
Gläubiger auskehren.

Die Regelungen zum Pfändungsschutz finden sich in
§ 850 k ZPO. Abs. 8 dieser Vorschrift soll nun neu ge-
fasst werden. Was verbirgt sich nun in § 850 k Abs. 8
ZPO? Durch § 850 k Abs. 8 ZPO soll sichergestellt wer-
den, dass jeder Bürger und jede Bürgerin nur ein einzi-
ges und nicht mehrere Pfändungsschutzkonten führt.
Denn natürlich kann jede Schuldnerin und jeder Schuld-
ner den Pfändungsfreibetrag auch nur einmal und nicht
mehrmals in Anspruch nehmen. Bisher ist geregelt, dass
Geldinstitute ausschließlich die Schufa Holding AG

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(C (D ber die Existenz von Pfändungsschutzkonten informieen, die dann ihrerseits anderen Kreditinstituten Ausunft erteilen kann. Mit der Neufassung soll die Einchränkung auf die Schufa aufgehoben werden. Auch ndere Auskunfteien sollen in das Informationssystem um Pfändungsschutzkonto einbezogen werden. Wir Grünen begrüßen und unterstützen diese Neufasung. Insbesondere in ländlichen Gebieten arbeiten einelne Banken und regionale Sparkassen teilweise nicht it der Schufa zusammen, sondern mit anderen Aus unfteien. Diesen Unterschieden wird mit der Neuregeung Raum geschaffen. Auch ist nicht nachvollziehbar, arum die Schufa gegenüber allen anderen Auskunf eien, seien sie national oder seien sie europäisch tätig, erart bevorzugt werden soll. Hier ist Ausgewogenheit ichtig. Weiter begrüßen wir Folgendes: Derzeit ist es mögich, dass Geldinstitute ihren P-Konto-Kunden die Zutimmung dazu abnötigen, deren Daten für die Beurteiung ihrer Kreditwürdigkeit oder für die Berechnung von core-Werten weiterzuverwenden. Das ist eine Nutzung on Daten über den ursprünglichen Zweck hinaus, die icht notwendig ist. Diese Möglichkeit wird mit der eufassung des § 850 k Abs. 8 ZPO ausdrücklich ausge chlossen. Damit wird der ordnungsgemäße Umgang it den Daten der betroffenen Bürgerinnen und Bürger ewährleistet. Im Zusammenhang mit dem Pfändungsschutzkonto beteht allerdings noch weiterer Handlungsbedarf. Dieser tellt sich bei der sogenannten Monatsanfangsproblemak. Was verbirgt sich hinter dem Wort „Monatsanfangsroblematik“? Nach Auffassung einiger Finanzinstitute ind Zahlungen nur in dem Monat vor der Zwangsvolltreckung geschützt, in welchem sie auf das Pfändungschutzkonto eingehen. Das bedeutet, dass zum Beispiel ozialleistungen, die schon am Ende des Vormonats für en kommenden Monat überwiesen worden sind, nach uffassung einiger Banken teilweise nur einen Tag oder wei Tage dem Pfändungsschutz unterfallen. Eigentlich ollte hier der Wortlaut des § 850 k Abs. 1 Satz 2 ZPO lar sein: Zahlungen, beispielsweise an SGB-II-Empfäner, die bereits Ende November überwiesen worden sind, edoch für den Monat Dezember bestimmt sind, sollten uch bis Ende Dezember vom Pfändungsschutz umfasst ein. Anscheinend verstehen einzelne Bankinstitute die orm anders. Uns erreichen immer wieder Beschwerden ber diese Praxis. Im September dieses Jahres hat das ustizministerium angekündigt, dieses Problem in Anriff zu nehmen. Wir sind auf die Neuregelung gespannt nd werden die Diskussion darüber gerne mitgestalten. Zusammenfassend kann ich feststellen: Mit dem Enturf eines Gesetzes zur Umsetzung der Dienstleistungs ichtlinie in der Justiz und zur Änderung weiterer Vorchriften werden viele wichtige Teilbereiche zutreffend eregelt. Wir werden diesem Gesetzentwurf deshalb zutimmen. Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschluss mpfehlung auf Drucksache 17/4064, den Gesetzent 8692 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt )

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707836300

(A) )

wurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/3356 in
der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim-
men wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? –
Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung angenommen mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen, der SPD-Fraktion und der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen bei Ablehnung der Fraktion Die
Linke.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist angenommen mit dem gleichen Stimmenverhältnis
wie bei der zweiten Beratung.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Binder,
Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Lebensmittel-Smiley nach dänischem Vor-
bild bundesweit einführen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike
Höfken, Nicole Maisch, Cornelia Behm, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Smiley-Kennzeichnungssystem bundesweit
verbindlich einführen

– Drucksachen 17/3434, 17/3220, 17/3994 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Peter Bleser
Elvira Drobinski-Weiß
Dr. Erik Schweickert
Karin Binder
Ulrike Höfken


Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1707836400

Ein Smiley an der Eingangstür als Hinweis darauf,

dass in Küche, Keller und Gastraum alles sauber ist? All
unsere Probleme in diesem Bereich sind gelöst? Nach
dem Weltbild der Grünen und Linken mag das so sein.
Die Welt ist aber nicht schwarz oder weiß, auch Grau-
zonen müssen wir im Blick behalten und hinterfragen.

Um es direkt auf den Punkt zu bringen: Die Union
sagt Ja zu mehr Transparenz. Restaurantgäste sollen auf
einen Blick erkennen, wie die Gaststätte bei der Lebens-
mittelkontrolle abgeschnitten hat. Smileys und damit
wertende Modelle lehnen wir allerdings ab.

Eine Bemerkung vorneweg: Lebensmittelüberwa-
chung ist und bleibt in Deutschland Ländersache. Wer
bestellt, bezahlt. Das ist nicht nur im Restaurant oder in
der Kneipe so, sondern es ist auch hier unser Credo.
Ihre Forderungen nach mehr Geld und finanzieller Un-

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(C (D erstützung, liebe Kollegen der Grünen, sind deshalb mit ns nicht zu machen. Die Länder haben im Rahmen der Verbraucherminiserkonferenz ihre Vorstellungen konkretisiert und ihren unsch nach einem Smiley-System bekräftigt: Die Läner wollen eine bundeseinheitliche Kennzeichnung. Hier aben sie unsere volle Unterstützung. Das Letzte, was ir gebrauchen können. ist noch ein weiterer föderaler erbraucherpolitischer Flickenteppich. Wie das Ergebis der Kontrollen transparent gemacht werden soll, um Beispiel durch Kochlöffel oder Kuchenstücke, ist isher noch unklar. Die Länderarbeitsgruppen wollen hre Ergebnisse in den nächsten Wochen vorlegen. Fest teht aber schon jetzt, dass alle Lebensmittelbetriebe iesem System unterworfen werden sollen, allerdings it einer stufenweisen Einführung: zunächst die Gastroomie, danach andere Betriebsarten. Bei aller Unterstützung des Transparenzgedankens teht für uns fest: Informationen müssen verständlich nd aktuell sein. Eine differenzierte Darstellung – etwa tufenweise in Anlehnung an das bestehende Beurteiungssystem nach der Allgemeinen Verwaltungsvorchrift Rahmen-Überwachung – scheint daher eine gute ösung zu sein. Zentrale Messlatte für den Einsatz ein neues Kenneichnungssystems bleibt für uns aber die Quantität der ontrollen. Das heißt: Nur bei demjenigen darf positiv ie negativ deklariert werden, bei dem mehrere Kon rollergebnisse erzielt worden sind. Nur so können wir em Mangel einer Momentaufnahme begegnen. Das ist ür meine Fraktion der Knackpunkt: Wer gestern noch egativ gekennzeichnet wurde, sich aber verbessert, uss zu Recht erwarten können, dass er zeitnah erneut berprüft und bewertet wird. Dies können die Berliner Lebensmittelkontrolleure eispielsweise nicht erfüllen. Im rot-rot regierten Berlin ind SPD und Linke genau aus diesem Grund kläglich it dem Pankower Modell gescheitert. Hier hat sich ge eigt, dass das sogenannte Smiley-System mit dem vorandenen Personal vor Ort nicht umsetzbar ist. Allein uf die 2 500 Betriebe in Berlin-Neukölln kommen nur ier Lebensmittelkontrolleure. Die Konsequenz ist eine rohende Klagewelle. Kein Wunder also, dass ein flähendeckendes Smiley-System oder „Ekellisten“ für anz Berlin in den jeweiligen Stadtbezirken bisher auf roßen Widerstand in den Bezirken stießen. Kurzum, das Berliner System zeigt genau die große efahr des Systems: Kontrollen in Restaurants sind imer nur eine Momentaufnahme. Regelmäßige und zeitah sich wiederholende Kontrollen sind unabdingbar, m verbraucherund wettbewerbsfreundlich zu sein. Bei iner Fokussierung auf die Kennzeichnung besteht imer die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung, weil nicht lle Betriebe zu einem Stichtag kontrolliert und somit ertifiziert werden können. Meine Warnung an die Läner lautet deshalb, nur das zu versprechen, was sie in er Praxis auch einhalten können. Ohne den Ausbau des ersonals der Lebensmittelkontrolleure werden die vereißungsvollen Ansätze der Verbraucherministerkonfeenz nicht umsetzbar sein. )


(A) )

Vergessen wir nicht: Die Gesetze im Bereich der Le-
bensmittelüberwachung und der -kontrollen in Deutsch-
land sind schon jetzt auf einem hohen Standard. Wirten,
die sich nicht an die Regeln halten, drohen Bußgelder,
im schlimmsten Fall die Schließung des Betriebs. Kon-
trolliert werden schon heute nach einem bestimmten
System verschiedene Aspekte, etwa Sauberkeit, Lage-
rung der Waren oder Verarbeitung.

Das Regelwerk besteht. Die Transparenz für den Ver-
braucher gilt es jetzt moderat und umsetzbar auszu-
bauen. Statt sich aber wie die Opposition nur auf die
Kennzeichnungsfrage zu versteifen, sollten wir auch an-
dere Aspekte zur Verbesserung der Lebensmittelsicher-
heit im Blick behalten. Wir brauchen vor allem einen
Sachkundenachweis für Unternehmensgründer in der
Gastronomie. Jeder kann bis heute ungeprüft einen Be-
trieb eröffnen. Kontrolle – Fehlanzeige! Die Konsequenz:
Asia-Shops und Grillbuden an jeder Ecke. Hygiene ist
hier oftmals ein Fremdwort. Hier müssen wir ansetzen
und die Standards in der Branche anheben.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion setzt sich deshalb
dafür ein, dass jeder, bevor er eine Gaststätte oder einen
Betrieb in der Lebensmittelbranche eröffnet, entweder
in Form einer Ausbildung oder durch Seminarbesuche
in den Bereichen Arbeitsrecht, Betriebswirtschaft und
Hygienevorschriften lernen muss. Das würde das Image
der Branche stärken und dem Verbraucher mehr Sicher-
heit geben, dass Besitzer von Dönerbuden und anderen
Shops wissen, wie unsere Hygienestandards sind.

Die Union sagt mit Blick auf die Verbraucher Ja zu
mehr Transparenz im Lebensmittelbereich, zu mode-
raten, nicht wertenden und umsetzbaren Kennzeich-
nungssystemen und zu einem verpflichtenden Sach-
kundenachweis für Gastronomiebesitzer im Rahmen der
Gewerbeaufsicht. Wir sagen Nein zu wertenden und dif-
famierenden Kennzeichnungssystemen, solange die
Chance der Betriebe auf zeitnahe Kontrollen nicht ge-
währleistet ist.


Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Rede ID: ID1707836500

Im April dieses Jahres ergab eine repräsentative Um-

frage des Emnid-Institutes, dass 93 Prozent der Bürge-
rinnen und Bürger eine Smiley-Kennzeichnung für Gast-
stätten und Lebensmittelbetriebe haben wollen, die sie
einfach, schnell und unkompliziert über den Hygienezu-
stand informiert. Wir meinen: Das ist ihr gutes Recht.
Schließlich zahlen Bürgerinnen und Bürger mit ihren
Steuergeldern die amtlichen Kontrollen. Da sollten sie
auch erfahren dürfen, was dabei herauskam. Die SPD
will Informationen und Kennzeichnungen, die all-
tagstauglich sind und Verbrauchern wirklich nutzen. Wir
wollen die verpflichtende Smiley-Kennzeichnung nach
dänischem Vorbild für Gastronomie und Lebensmittel-
betriebe, die Verbraucher auf einen Blick und vor Ort
über Hygienekontrollergebnisse informiert.

Diese Art von Transparenz nützt nicht nur Verbrau-
cherinnen und Verbrauchern, sondern auch den Lebens-
mittelbetrieben; denn für die große Mehrheit der sauber
wirtschaftenden Betriebe ist der Positiv-Smiley ein Wett-
bewerbsvorteil. Verwunderlich ist deshalb, warum sich

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Zu Protokoll ge

(C (D er Deutsche Hotelund Gaststättenverband gegen die inführung des Smiley-Systems wehrt und sich damit usgerechnet vor die Minderheit der Schmuddelbetriebe tellt. Warum vertritt die DEHOGA nicht die Interessen er großen Mehrheit ihrer Mitglieder, die ordentlich und orrekt wirtschaften? Warum ist die Angst vor Transpaenz so groß? Die gleichen Fragen muss man an die Kolleginnen nd Kollegen von CDU/CSU und FDP stellen. Es gab nzwischen mehrere Gelegenheiten, sich auch von hier us, aus dem Bundestag heraus, für die Einführung eies Smiley-Systems starkzumachen. Bereits im Juni haen wir unseren Antrag „Verbraucherinformationsgeetz zügig reformieren“ eingebracht, in dem wir die miley-Kennzeichnung fordern. Heute schließen wir ier die Diskussion über zwei Anträge von Grünen und inken ab, die sich ebenfalls für die Smiley-Kennzeichung aussprechen. Aber Sie von der Regierungskoaliion blockieren. Dabei kündigte Ministerin Aigner in den edien an, sich für die Smiley-Kennzeichnung einzuseten. Inzwischen wurde eine Bund-Länder-Projektgruppe ingerichtet, die über ein bundesweites System verhanelt. Wir haben uns im Ausschuss darüber berichten lasen. Der Bericht war, wie inzwischen leider immer, sehr ürftig und ergab nur ein unklares Bild. Denn mit Transarenz hat diese Bundesregierung nicht nur an Gaststäten ein Problem, sondern auch, wenn es um ihre Vorhaen geht. Was wir erfuhren, hört sich nicht gut an. Von arstellungen, die frei von Emotionalität gehalten weren sollen, war die Rede. Vom dänischen Smiley-System leibt da wenig. Anscheinend gab es auch Überlegunen, das System auf Positiv-Aussagen zu beschränken. amit würde das dänische System endgültig ad ab urdum geführt. Doch nicht nur die Bundesregierung, sondern auch inige Länder scheinen zu mauern. Laut Auskunft der undesregierung auf eine Anfrage von mir wird das däische Modell wegen der Kosten abgelehnt. Deshalb abe ich nach der Höhe der Kosten gefragt, und wollte uch wissen, wie hoch die Ausgaben der öffentlichen and insgesamt für die Lebensmittelüberwachung in eutschland sind. Laut Antwort vom 5. November hat ie Bundesregierung gar keine Kenntnisse über die öhe der Kosten, weder über die für das Smiley-System n Dänemark noch die der Lebensmittelüberwachung in eutschland. Doch dies hindert sie nicht, mit zu hohen osten zu argumentieren. Zwar liegt die Zuständigkeit ür die Lebensmittelüberwachung bei den Ländern, doch as läuft denn eigentlich in dieser Bund-Länder-Pro ektgruppe, wenn man sich dort nicht einmal darüber ustauscht, wie viel man in die Lebensmittelüberwahung investiert oder wie viele Kontrolleure man hat! Die Praxis spricht eine deutliche Sprache, und zwar ür die Anwendung eines Smiley-Systems, welches sich m dänischen Modell orientiert. In der letzten Woche atten wir Gelegenheit, das Lebensmittelaufsichtsamt ankow zu besuchen. Ich danke unserem Ausschussvoritzenden, dass er diesen Termin organisiert hat. Dort at man enorm positive Erfahrungen mit den Smileys Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8693 Peter Bleser gebene Reden )


(A) )

gemacht. Denn die Veröffentlichung der Hygienezu-
stände hat eine solch abschreckende Wirkung, dass der
Anreiz, sich ordentlich zu verhalten und sauber zu wirt-
schaften, viel höher geworden ist. Berichtet wurde uns,
dass es im Bezirk vor der Einführung der Smileys in
2008 111 Betriebsschließungen gab. Nach der Einfüh-
rung in 2009 sank die Zahl der Betriebe, die wegen an-
haltend schlechter Hygienezustände geschlossen werden
mussten, auf 71. Ohne Smileys seien früher Bußgelder
für Verstöße einfach aus der Portokasse gezahlt worden,
und dann sei der Betrieb weitergelaufen wie zuvor. Mit
Smileys müssen Schmuddelgastronomen damit rechnen,
dass die Gäste wegbleiben, und das kann sich niemand
leisten.

Die Kosten für die Nachkontrollen bei Schmuddellä-
den zahlen übrigens derzeit die Steuerzahler. Zwar muss
der Verursacher eine Gebühr entrichten, sie deckt aber
bei weitem nicht die Kosten der Nachkontrolle. Wenn
man es allerdings wie die Dänen regeln würde, könnte
man für diejenigen, die einen Negativ-Smiley haben, die
Möglichkeit schaffen, sich auf eigene Kosten nachkon-
trollieren zu lassen, um den Negativ-Smiley wieder los-
zuwerden. Damit käme Geld in die Kassen, mit dem die
Lebensmittelaufsicht besser ausgestattet werden könnte.

Der Leiter der Lebensmittelaufsicht in Pankow konnte
uns an vielen Fällen aus der Praxis verdeutlichen, dass
dem Amt mit der Smiley-Kennzeichnung endlich eine
wirksame Waffe im Kampf gegen Hygiene-Verstöße ge-
geben ist. All dies hat die Kolleginnen und Kollegen von
der CDU/CSU aber nicht interessiert. Von ihnen hat nie-
mand die Gelegenheit zum Austausch mit Praktikern ge-
nutzt; nicht ein einziger Abgeordneter von CDU oder
CSU hat teilgenommen.

Laut Empfehlung des Verbraucherausschusses sollen
die Anträge von Grünen und Linken zur Einführung von
Smileys abgelehnt werden. Meine Fraktion lehnt die Aus-
schussempfehlung ab. Die Einführung des Smiley-Sys-
tems nach dänischem Vorbild ist uns ein Anliegen. Auch
wenn die Regierungskoalition mit ihrer Mehrheit die Ab-
lehnung der Anträge zur Smiley-Einführung erreicht:
Die Diskussion wird weitergehen. Mit dem Verbraucher-
informationsgesetz haben wir die Möglichkeit zur akti-
ven Verbraucherinformation geschaffen, und einige nut-
zen sie bereits tatsächlich. Allerdings brauchen wir ein
paar klarstellende Nachbesserungen am VIG. Doch bis-
her mauert schwarz-gelb.

In Berlin werden ab Juli nächsten Jahres alle Bezirke
ihre Gaststätten mit Smileys kennzeichnen. Es gibt be-
reits Überlegungen, nicht nur Gaststätten, sondern alle
Lebensmittelbetriebe zu kennzeichnen. Wir gehen davon
aus, dass sich das System durchsetzen wird. Immer mehr
werden einsteigen; denn die Vorteile für die Verbrau-
cher, für die seriösen Unternehmen und für die Lebens-
mittelüberwachung sind offensichtlich. Wir werden uns
weiterhin für die Smileys und für eine aktive und all-
tagstaugliche Verbraucherinformation einsetzen.


Dr. Erik Schweickert (FDP):
Rede ID: ID1707836600

Wenn jemand Hunger bekommt und sich überlegt,

zum Mittagessen in ein Restaurant zu gehen, dann

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(C (D öchte er wissen, ob er dies bedenkenlos tun kann. Bisang gibt es für den Verbraucher aber keine Möglichkeit, ie hygienischen Zustände einzuschätzen. Selbst in teuen Restaurants ergibt die Lebensmittelkontrolle nämich bisweilen ein trauriges Ergebnis. Das Verbraucherinformationsgesetz ist für eine chnelle Orientierung ungeeignet. Denn die Verbrauher werden nicht erst eine Anfrage bei einer Behörde tellen und zwei Monate warten, bis die Antwort becheinigt, dass in dem gewählten Restaurant ohne Soren gegessen werden kann. Hier bringt das stark formaisierte VIG keinen Nutzen. Der Verbraucher wünscht aber eben eine schnelle rientierung, und für diese Orientierung steht der Smiley ls eine äußerst effiziente Form. Nach einer Emnid-Umrage wären 93 Prozent der befragten Bürgerinnen und ürger glücklich über die Einführung des Smiley-Sys ems. Das Smiley-System in der Gastronomie schafft auf ine sympathische Art und Weise positive Anreize für ehr Transparenz, mehr Hygiene und damit mehr Verraucherschutz, ohne die Unternehmen an den Pranger u stellen. Denn im Wettbewerb werden gerade diejenien Gastronomen durch den Smiley begünstigt, die eine ute Leistung und Qualität anbieten. Der Smiley honoiert also Leistung und bestraft mangelnde Hygiene. eshalb wird er auch von einer Mehrheit der Gastronoen befürwortet, wie eine Studie der „Hotelund Gast tättenzeitung“ zeigte. Es kommt ja deshalb auch nicht von ungefähr, dass in änemark die Zahl der festgestellten Hygienemängel ach der Einführung des Smileys deutlich reduziert weren konnte. Auch der Berliner Bezirk Pankow hat sehr ute Erfahrungen mit der Einführung des Smileys an aststätten und einer Veröffentlichung von Negativlis en im Internet gemacht. Die Zahl der Hygienesünder ist uch dort signifikant zurückgegangen. Vor der Einfühung der Negativlisten im Jahr 2008 wurden in Pankow och 111 Betriebe wegen grober Verstöße geschlossen, ach der Einführung im Jahr 2009 nur noch 71 Beriebe. Darum wollen wir ein Kennzeichnungssystem für aststätten einführen – wenn es nach den Liberalen eht, am liebsten den Smiley nach dänischem Vorbild. uch die Konferenz der Verbraucherminister der Länder at dies im September einhellig beschlossen. Um die inführung eines Kennzeichnungssystems voranzutreien, wurde von der Länderarbeitsgemeinschaft eine rojektgruppe eingesetzt, die nun erarbeitet, wie ein solhes Kennzeichnungssystem aussehen sollte und welche esetzlichen Grundlagen dafür erforderlich sind. Den amen und Herren aus den Oppositionsfraktionen sei lso gesagt, die Bundesregierung arbeitet an einer entprechenden Regelung. Dies sage ich vor allem im Hinblick auf die vorlieenden Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und der inken: Sie wollen hier drei Schritte vor dem ersten tun. ie Bundesregierung möchte mit den Ländern zu einer ffizienten und sinnvollen Regelung kommen und keinen 8694 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Elvira Drobinski-Weiß gebene Reden )


(A) )

übereilten Schnellschuss vorlegen. Deshalb gibt es ja
auch die angesprochene Projektgruppe. Außerdem ar-
beitet die Bundesregierung intensiv an der Novellierung
des Verbraucherinformationsgesetzes, in dessen Rah-
men auch eine Regelung zur Kennzeichnung in der Gas-
tronomie diskutiert wird. Beide Bereiche müssen also
zusammen behandelt werden. Denn es ist doch absurd,
dass nach dem derzeitigen VIG zwar die schlecht arbei-
tenden Gastronomen im Internet veröffentlicht werden
dürfen, jene, bei denen alles vorbildlich ist, aber nicht.

Allerdings stelle ich auch ganz klar fest, dass ich es
für einen Fehler hielte, die Verantwortung für die Um-
setzung des Smiley-Systems allein den Ländern zuzu-
schieben. Es ist zwar richtig, dass die Lebensmittelüber-
wachung in der Zuständigkeit der Länder liegt. Ebenso
richtig ist es aber auch, dass eine bundeseinheitliche Re-
gelung nur im Zusammenspiel der Bundesregierung mit
den Ländern erfolgen kann. Es darf eben keinen Ver-
schiebebahnhof der Zuständigkeiten zwischen Bund und
Ländern geben, bei dem der effiziente Verbraucher-
schutz auf der Strecke bleibt.

Voraussetzung für die Umsetzung des Smiley-Systems
ist allerdings die Neuorganisation der Lebensmittelkon-
trolle. Denn zum einen muss sichergestellt sein, dass
gute Gaststätten zeitnah einen Smiley erhalten, um Wett-
bewerbsnachteile zu vermeiden. Zum anderen müssen
Gaststätten, bei denen Beanstandungen vorlagen, nach
Beseitigung der Mängel die Chance erhalten, eine Ne-
gativbewertung ebenfalls zeitnah wieder loszuwerden.

Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass keine Ab-
kehr von der risikoorientierten Kontrolle erfolgt, das
heißt bereits auffällige Gaststätten weiterhin häufiger
kontrolliert werden als unauffällige Betriebe. Auch muss
zwingend vermieden werden, dass durch einen Mangel
an ausreichendem Kontrollpersonal nur noch Gaststät-
ten und keine Zulieferbetriebe – Kühlhäuser etc. – mehr
kontrolliert werden. Denn dem Verbraucher ist nicht ge-
holfen, wenn am Ende zwar die Theken und Küchen der
Gaststätten sauber sind, aber das dort zubereitete
Fleisch gesundheitlich problematisch ist.

Der Smiley in der Gastronomie kann, wenn er gut
eingesetzt ist, einen wirklichen Fortschritt für die Ver-
braucherinnen und Verbraucher bringen. Er schafft
Transparenz bei wenig Bürokratie und ohne zusätzliche
Kosten für die Betriebe. Allerdings setzt die Umsetzung
des Smiley-Systems voraus, dass eine Neuorganisation
der Lebensmittelkontrolle erfolgt. Hierzu müssen der
Bund und die Länder zu einem klaren Konzept gelangen.
Dies geht nicht von heute auf morgen, ist aber derzeit in
Arbeit. Dabei werden sowohl die rechtlichen als auch
die finanziellen Aspekte eine Rolle spielen; denn wir
brauchen ein funktionales Gesamtkonzept und keine
Schnellschüsse. Den vorliegenden Anträgen werden wir
als christlich-liberale Koalition daher nicht zustimmen.


Karin Binder (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707836700

Wenn Sie wissen wollen, wie sauber in einem Restau-

rant die Küche ist, werfen Sie einen Blick in die Toilette.
Dieser Hinweis eines bekannten Küchenchefs ist ein gu-
ter Rat, aber wenig hilfreich, wenn man die Örtlichkei-

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(C (D en erst nach dem Essen besucht. Nur wer schon am Einang eines Restaurants, einer Imbissbude oder eines ebensmitteldiscounters erfährt, wie es hinter der Theke ugeht, ist wirklich informiert und hat gut Lachen. Desalb fordert Die Linke die Einführung des Lebensmittelmileys nach dänischem Vorbild. Das „Smiley-Modell“ hat drei wichtige Vorteile. Ersens wird die Hygiene in der Gastronomie und in Betrieen, die Lebensmittel anbieten, verbessert, zweitens geht er Aufwand der Kontrollbehörden mittelfristig zurück, nd drittens schafft es Vertrauen bei den Kundinnen und unden. Das – im besten Fall freundliche oder bei ereblichen Mängeln traurige – Smiley-Symbol informiert erbraucherinnen und Verbraucher direkt am Eingang es Geschäfts leicht erkennbar über die aktuellen Konrollergebnisse der Lebensmittelbehörden. Hinzu komen ein Aushang im Betrieb und eine Auflistung im In ernet, die im Einzelnen Auskunft über gute oder chlechte Bewertungen geben. In Dänemark hat sich der Smiley bereits über viele ahre bewährt. Auch in unserer Hauptstadt wird das odell Mitte nächsten Jahres durch die Initiative der erbraucherschutz-Senatorin der Linken, Katrin ompscher, berlinweit starten. Die Verbraucherschutzinisterkonferenz der Länder hat sich im September benfalls für ein bundesweit verbindliches Modell zur eröffentlichung von Ergebnissen der amtlichen Lebensittelkontrollen mit einheitlichen Bewertungsmaßstäen ausgesprochen. Einzig die zuständige Bundesminiserin, Frau Aigner, kann sich nicht so recht für den miley erwärmen. Damit in der Öffentlichkeit dennoch in guter Eindruck entsteht, wendet sie einen Trick an: ie schiebt den Ländern die Verantwortung zu – in der offnung diese mögen recht lange um eine Entscheiung ringen und das Modell verwässern. Wir erwarten, dass die Bundesregierung handelt, inem sie das Verbraucherinformationsgesetz ändert, statt ur darüber zu reden. Die derzeitigen gesetzlichen Reelungen bieten keine ausreichende Rechtssicherheit für ie bundesweite Einführung des Smiley-Modells. Die inke fordert: Legen Sie einen Gesetzentwurf vor, der ie verpflichtende Einführung des Smiley-Modells eröglicht und gleichberechtigt alle Lebensmittelbetriebe inbindet. Schlecht bewertete Betriebe müssen die hance auf rasche Nachkontrolle haben, damit eine neative Veröffentlichung gegebenenfalls beseitigt werden ann. Machen Sie den Ländern einen Vorschlag, wie die ennzeichnung im Einzelnen aussehen soll, um die Verraucherinnen und Verbraucher über die Kontrollergebisse der Lebensmittelbörden zu informieren. Natürlich muss nach den Vorgaben „sehr gut“, gut“, „weniger gut“ und „schlecht“ unterschieden erden. Beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Leensmittelsicherheit ist eine Internetplattform einzurichen, auf der die von den Bundesländern übermittelten ontrollergebnisse der Lebensmittelüberwachungsbeörden zeitnah veröffentlicht werden. Frau Ministerin Aigner: Unterstützen Sie die Bundesänder bei der zügigen Einführung des Smiley-Modells ktiv, statt die Verantwortung auf andere zu schieben, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8695 Dr. Erik Schweickert gebene Reden )


(A) )

und stellen Sie ausreichend Mittel im Bundeshaushalt
bereit. So wird der Smiley eine saubere Sache. Machen
Sie mit, damit alle Beteiligten auf den ersten Blick etwas
zu lachen haben.


Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707836800

Die einstimmige Vereinbarung der Verbrauchermi-

nisterkonferenz von Bund und Ländern für mehr Trans-
parenz bei der Lebensmittelkontrolle im September ist
als Erfolg zu bezeichnen. Erfolgreicher Vorreiter ist Däne-
mark, das bereits seit 2001 durch die Einführung des
Smiley-Systems für mehr Schutz der Verbraucherinnen
und Verbraucher durch Transparenz bei der Lebensmit-
telüberwachung – vom Schlachthof bis zum Supermarkt
und der Imbissstube – gesorgt hat. Seither müssen die
Kontrollergebnisse über ein mehr oder weniger „lächeln-
des“ Gesicht direkt an den Verkaufsstellen ausgehängt
werden. Der Erfolg: Seit der Smiley-Einführung sank
die Quote der Beanstandungen um 16 Prozent. In
Deutschland hat das Smiley-Modell in Berlin-Pankow
vorgemacht, wie man endlich Verbraucherinnen und
Verbrauchern die Möglichkeit gibt, die schwarzen
Schafe unter den Betrieben zu erkennen.

Mit dem Verbraucherausschuss des Bundestages ha-
ben wir letzte Woche das Ordnungsamt – mit Veterinär-
und Lebensmittelaufsicht – gemeinsam mit dem grünen
Bezirksstadtrat Kirchner, Leiter der Abteilung für Öffentli-
che Ordnung und Mitinitiator des Smiley-Projekts, Ber-
lin-Pankow besucht. Wir haben die erfreulichen Auswir-
kungen des Projekts gesehen, aber auch die Defizite
gezeigt bekommen. Diese beruhen hauptsächlich auf ei-
ner fehlenden bzw. lückenhaften bundeseinheitlichen
Gesetzeslage.

An dieser Stelle ist Ministerin Aigner bei der Reform
des Verbraucherinformationsgesetzes gefordert, zügig
Rechtssicherheit für die Länder zu schaffen. Nur dann
werden die Länder auch negative Funde veröffentlichen
können, ohne einer ständigen rechtlichen Auseinander-
setzung mit den Unternehmen ausgesetzt zu sein. Bei der
Regelung, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse be-
trifft, muss sichergestellt werden, dass Betriebe durch
eine Darlegungspflicht nicht mehr in der Lage sind, al-
les pauschal als Geschäftsgeheimnis zu kennzeichnen.
Darüber hinaus muss die Möglichkeit geschaffen wer-
den, Informationen nach dem Verbraucherinformations-
gesetz auch während eines öffentlichen, laufenden Ge-
richtsverfahrens zu erlangen. Dies verhindert, Verfahren
durch juristische Tricksereien in die Länge zu ziehen,
zum Beispiel um unzureichende Ware in dieser Zeit noch
weiter produzieren zu können und somit unerlaubte Ge-
winne auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbrau-
cher zu erwirtschaften. Beispielsweise verhinderte ein
Schinkenhersteller über fünf Jahre, für seine unerlaub-
ten Panschereien bestraft zu werden, und produzierte
munter weiter – ein Wettbewerbsvorteil zulasten der
Mitbewerber und Verbraucher. Im Verbraucherinforma-
tionsgesetz muss die Frist für die schriftliche Gelegen-
heit zur Stellungnahme Dritter an die allgemeine Rege-
lung des Verwaltungsverfahrens – 14 Tage – angepasst
werden. Es besteht kein Grund, im Verbraucherinforma-
tionsgesetz schärfere Regelungen als im normalen Ver-

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(C (D altungsverfahren aufrechtzuerhalten und damit eine erschleppung der Auskunftsansprüche der Verbraucheinnen und Verbraucher zu etablieren. Besonders wichig ist eine Regelungsergänzung, die eine Bewertung und eröffentlichung der Kontrollergebnisse im Internet der in sonstiger öffentlich zugänglicher Weise zulässt. urch diese Einfügung wird die Möglichkeit geschaffen, ie Verstöße in verschiedene Schweregrade einzuteilen. ine solche Veröffentlichung wird in Dänemark praktiiert und hat maßgeblich zu dem Erfolg der Kennzeichung beigetragen. Frau Aigner hat vor der Verbraucherministerkonfeenz zugesagt, bei Übereinstimmung der Länder das miley-Projekt zu unterstützen, und steht nun in der Verntwortung, das Kennzeichnungssystem zum Erfolg zu ühren. Den gesetzlich zulässigen Handlungsauftrag hat ie Ministerin von den Ländern erhalten. Die Arbeitsruppe der Länder hat sich nämlich für ein bundeseineitliches Gesetz ausgesprochen und gegen einen Erächtigungsrahmen, der für die Verbraucherinnen und erbraucher nur verwirrende unterschiedliche Ausgetaltungen in den Ländern hervorrufen würde. Angebliche Kritik an der Kennzeichnung vonseiten er Lebensmittelwirtschaft ist vorgeschoben und einseiig. Der Widerstand gegen das Smiley-Projekt ignoriert ie Bedürfnisse der Verbraucher und ignoriert auch die rwiesene Praxistauglichkeit des Smileys. Der nationale miley in Dänemark und das Smiley-Projekt in Berlinankow finden nicht nur bei Verbraucherinnen und Verraucher, sondern auch immer stärker bei den betroffeen Akteuren aus der Wirtschaft großen Anklang. Der miley wird nicht als diffamierender Angriff auf die astronomie oder Ernährungswirtschaft, sondern als hance für einen positiven Wettbewerb der „Guten“ ge ehen. Auch der Bundesverband der Deutschen Lebensittelkontrolleure spricht sich für die Umsetzung und ie Machbarkeit des Smiley-Systems aus. Das Kennzeichnungssystem effektiviert die Verwalungsstruktur der Lebensmittelüberwachung. Ein solhes System kann bereits jetzt, auch unter dem Aspekt er Kostenneutralität, besser und billiger als alle nachräglichen Kontrollen die Lebensmittelsicherheit und en ungetrübten Genuss in Restaurants, Imbissstuben, ber auch in Handel und Handwerk unterstützen. Aus iesem Grund akzeptieren wir nicht weiter, dass die undesministerin Aigner das Projekt im Schnecken empo verfolgt – zulasten der Verbraucherinnen und erbraucher. Das Land Berlin geht mutig voran und ird ab Juni 2011 eine Smiley-Kennzeichnung einfüh en. Das ist ein echtes Leuchtturmprojekt, an dem sich inisterin Aigner und die anderen Länder ein Beispiel ehmen sollten. Wir fordern die Bundesregierung desalb auf, die zum vollen Erfolg nötige unmissverständlihe Rechtsgrundlage im Verbraucherinformationsgesetz u schaffen und ein verpflichtendes, bundesweites Smiey-System finanziell und organisatorisch zu unterstüten. Dabei darf sich die Smiley-Kennzeichnung nicht ur auf positive Ergebnisse beschränken. Der von uns ingebrachte Antrag bietet dafür eine ideale Grundlage. 8696 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Karin Binder gebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8697 )


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Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707836900

Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner

Beschlussempfehlung, den Antrag der Fraktion Die
Linke auf Drucksache 17/3434 abzulehnen. Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Wer ist dagegen? –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenom-
men mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der SPD-Frak-
tion.

Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung emp-
fiehlt der Ausschuss, den Antrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/3220 abzulehnen.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer ist
dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Die Beschlussemp-
fehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfrak-
tionen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 28 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Niema
Movassat, Jan van Aken, Christine Buchholz,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Keine großflächige Landnahme und Spekula-
tionen mit Land oder Agrarproduktion in den
Ländern des Südens

– Drucksache 17/3541 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe


Klaus Riegert (CDU):
Rede ID: ID1707837000

Mit dem neuen strategischen Konzept „Entwicklung

ländlicher Räume und deren Beitrag zur Ernährungssi-
cherung“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung will die Regierungs-
koalition die Potenziale der ländlichen Räume in Ent-
wicklungsländern besser fördern. Dies bedingt den si-
cheren Zugang zu Land in ländlichen Gebieten. Der
sichere Zugang zu Land ist eine Grundvoraussetzung
zur Erreichung der Millennium Development Goals. Nur
wenn der Zugang zu Land gesichert ist, können Familien
in ländlichen Gebieten die Produktivität auf den zur Ver-
fügung stehenden Flächen steigern und so ihr Einkom-
men erhöhen. Ein höheres Einkommen trägt zur Verbes-
serung der Ernährungssicherheit bei und reduziert
Armut.

Land ist eine knapper werdende Ressource; sie steht
in Konkurrenz zu verschiedenen Nutzungsinteressen.
Vor diesem Hintergrund erleben wir seit geraumer Zeit
verstärkt eine Entwicklung, die in internationalen
Schlagzeilen auch als Landnahme oder Land Grabbing
bezeichnet wird: Staatliche Akteure, private Investoren
aus Industrie- und Schwellenländern sowie inländische
private Investoren sichern sich mittels langfristiger
Pacht- oder Kaufverträge große Agrarflächen in Ent-

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(A) )

auch dazu bei, die Korruption im Landsektor einzudäm-
men. Mit der Verabschiedung ist nach einem intensiven
Konsultationsprozess mit den Mitgliedstaaten, der Wirt-
schaft und der Zivilgesellschaft im dritten Quartal 2011
zu rechnen.

Weiter bietet die Initiative Principles for Responsible
Agricultural Investment that Respects Rights, Liveli-
hoods and Resources der Weltbank, UNCTAD, IFAD und
der FAO eine Orientierung für Investoren für sozial ver-
antwortliche Investitionen. Die Bundesregierung hat die
Entwürfe der Initiative ressortübergreifend abgestimmt
kommentiert. Sie ist in den Prozess der weiteren Ent-
wicklung eng mit eingebunden. Sie verfolgt vor allem
das Ziel einer engen Abstimmung und Zusammenarbeit
mit anderen Initiativen, wie beispielsweise mit den frei-
willigen Leitlinien der FAO. Wie Sie sehen, handelt die
Bundesregierung. Dazu müssen wir sie nicht auffordern.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1707837100

Noch immer liegt die größte entwicklungspolitische

Herausforderung in der weltweiten Bekämpfung von
Hunger und Armut. Aktuell leiden über 900 Millionen
Menschen an Hunger. Die Ursachen hierfür sind vielfäl-
tig. Zum einen führen die stetig wachsende Weltbevölke-
rung und die veränderten Ernährungsgewohnheiten – vor-
wiegend der Menschen in den asiatischen Schwellen-
ländern – zu einer Bedarfszunahme von Lebensmitteln.
Zum anderen tragen der vermehrte Anbau von Bioener-
gieträgern, die durch Erosion und Versalzung unwirt-
schaftlich gewordenen Flächen für die Landwirtschaft
und die durch den Klimawandel hervorgerufenen Natur-
katastrophen zunehmenden Ernteausfälle zu einer Ver-
ringerung der fruchtbaren Landflächen und Produk-
tionsmengen von Nahrungsmitteln bei. Die diesjährigen
Ernteausfälle in Russland und Pakistan bestätigen diese
Entwicklung.

Zum einen führen alle diese Faktoren zu einem erhöh-
ten Bedarf an begrenzten Ressourcen wie Lebensmitteln
und pflanzlichen Energieträgern, zum anderen wird
fruchtbares Land zu einem noch kostbareren Gut. Be-
gehrte Güter rufen Spekulanten auf die Tagesordnung,
die versuchen, sich am Bedarf knapper Güter zu berei-
chern. Leider ist das nicht nur an den Finanzmärkten
der Fall, sondern auch an den zur Ermittlung des Prei-
ses für Grundnahrungsmittel zuständigen Warentermin-
börsen. Die Nahrungsmittelkrise im Frühjahr 2008 war
ein erster großer Vorbote dessen, was zunehmend bei
der Entwicklung von Nahrungsmittelpreisen und damit
bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln zu beobachten
sein wird. Finanzspekulanten an den Warenterminbör-
sen, die kein wirkliches Kaufinteresse am Produkt ha-
ben, versuchen durch kurzfristige Käufe und Verkäufe
mit der Preisentwicklung von Nahrungsmitteln den gro-
ßen Reibach zu machen. Das ist verwerflich und ethisch
nicht zu vertreten. Daher haben wir als SPD-Bundes-
tagsfraktion mit einem Antrag – ich meine Drucksache
17/3413 – gegen diese Spekulationen ein Zeichen ge-
setzt.

Aber es sind nicht nur die unverantwortlichen Speku-
lationen an den Warenterminbörsen, die es zu kontrollie-

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(C (D en und einzudämmen gilt. Gleiches gilt auch für die pekulationen mit Land und der großflächigen Landahme in den Ländern des Südens. Die Welthungerhilfe tellt in einem Bericht fest: „Bis 2030 müsste die heute erfügbare landwirtschaftliche Fläche um 515 Millioen Hektar wachsen, um eine ausreichende Produktion on Agrar-, Energieund Forsterzeugnissen zu sichern.“ as entspräche ungefähr der Hälfte der Fläche Euroas. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung versuchen taatliche Akteure, vor allem aber private Investoren aus ndustrieund Schwellenländern, sich mit langfristigen achtoder Kaufverträgen große Agrarflächen in Enticklungsländern zur Eigenversorgung mit Nahrungsitteln und Energiepflanzen zu sichern. Fast 90 Prozent er Investitionen im Bereich Land Grabbing wird von rivaten Kaufinteressenten getätigt. Zwar hat es schon immer ausländische Landpacht der Landkäufe gegeben – neu sind jedoch Ausmaß und eschwindigkeit dieses Landerwerbs. Laut einer Studie on FAO/IFAD wurden allein seit 2004 in nur fünf afrianischen Ländern Vereinbarungen über mehr als ,5 Millionen Hektar Land abgeschlossen. Schätzungen es International Food Policy Research Institut, des FPRI, gehen davon aus, dass innerhalb der letzten fünf ahre Verkäufe und Verpachtungen von 15 bis 20 Millioen Hektar landwirtschaftlich nutzbarer Fläche in Enticklungsländern getätigt wurden. Doch diese Ein chätzung erscheint recht konservativ. Aktuell laufende tudien der Weltbank und anderer Organisationen deuen darauf hin, dass es bereits weit großflächigere Landkquise gibt als angenommen. Die im Oktober 2008 von er Nichtregierungsorganisation GRAIN veröffentlichte iste mit über 100 Fällen von käuflicher Landnahme ürfte bereits deutlich überholt sein. Mit ein Grund für diese rasante Entwicklung sind die uf den Finanzmärkten als Investment getätigten Land eals. Die Erwartung steigender Renditen bei Investi ionen in Land scheint Anleger zu locken, die auf den aufpreis spekulieren. Schon jetzt werden erste Investentfonds aufgelegt, die Agrarflächen kaufen und durch ie zunehmende Landverknappung auf die Wertsteigeung der jeweils erworbenen Flächen spekulieren. Es ird somit auf Kosten von Menschenleben spekuliert. enn das perfide dabei ist: Zielländer der Investoren ind insbesondere die Länder, in denen die Bevölkerung orwiegend selbst von der Landwirtschaft lebt, gleicheitig die Versorgung mit Nahrungsmitteln immer kriticher und aufgrund der Entwicklungen durch den Klimaandel immer schwieriger wird. Länder wie Sudan oder thiopien gehören zu den größten Empfängern des UNelternährungsprogramms. Gleichzeitig jedoch werden ier große Teile fruchtbaren Bodens verkauft. Der Großeil der angebauten Produkte ist jedoch für den Export estimmt. Auf dem Binnenmarkt finden sich die Proukte nicht wieder und tragen damit auch nicht zur ertschöpfung im Ursprungsland bei. Aber nicht nur der Export der Ware stellt langfristig in Problem für die dort lebende Bevölkerung dar. Oftals werden beim Erwerb der Landflächen Landrechte er lokalen Bevölkerung missachtet; die Einbindung der eine Beteiligung der ansässigen Dorfgemeinschaf8698 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Klaus Riegert gebene Reden )


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ten oder Kleinbauern findet so gut wie nicht statt. Zum
einen wird dabei durch den Anbau großflächiger Mono-
kulturen unter dem Einsatz von Düngemitteln und Pesti-
ziden das ursprüngliche Ökosystem aus dem Gleichge-
wicht gebracht; dadurch ist die Existenz vieler
einheimischer Pflanzen bedroht. Zum anderen werden
vorwiegend Ländereien erworben, bei denen eine Was-
serversorgung problemlos möglich ist. Durch den Kauf
oder die Pacht von Land gehen auch die an die Flächen
gebundenen Entnahme- und Nutzungsrechte für Wasser
an die Investoren über, oder die entsprechenden Rechte
werden mitverpachtet. Damit erweitert sich das Problem
der Landverknappung zunehmend auch auf die nutzba-
ren Wasserbestände.

Das aufgezeigte Szenario verdeutlicht, wie schwierig
es ist, durch die rapide Zunahme von Land Grabbing
Hunger und Armut in der Welt erfolgreich zu bekämpfen.
Dem unkontrollierten Landkauf muss der Riegel vorge-
schoben werden. Der vorliegende Antrag stellt daher
nicht zu Unrecht die besondere Bedeutung des Men-
schenrechts auf Nahrung in den Vordergrund. Das ist
eine richtige und wichtige Forderung, die ich so mit-
trage. Ebenso verhält es sich mit dem im Antrag enthal-
tenen Passus bezüglich der Stärkung ländlicher klein-
bäuerlicher Strukturen.

Was ich im vorliegenden Papier allerdings schmerz-
lich vermisse ist die Einbeziehung aller relevanten Di-
mensionen, die es beim Thema Land Grabbing zu beach-
ten gilt. Neben der menschenrechtlichen Komponente,
sind es vor allem Bedingungen sozialer und umweltpoli-
tischer Natur. Auch die rechtliche Bindung von Investo-
ren an die Einhaltung sozialer und ökologischer Min-
deststandards fehlt. Der Kauf von Landflächen muss
umfassender an bestimmte Kriterien geknüpft werden.
Menschenrechte sind dabei die wesentlichen, aber nicht
die einzigen Rechte, die es zu schützen gilt.

Ich sehe das Phänomen Land Grabbing darüber hi-
naus als ein Puzzleteil im Themenfeld der ländlichen
Entwicklung. Hier gehört es angesiedelt und in ein Kon-
zept integriert, das die Probleme der ländlichen Ent-
wicklung umfassend beleuchtet und versucht, das Pro-
blem an der Wurzel zu packen. Nur so haben wir eine
Chance, gegen das menschenverächtliche Vorgehen vie-
ler Investoren erfolgreich anzukämpfen.

Trotz aller negativen Seiten des Landkaufs, muss ver-
sucht werden die richtigen Steuerungsinstrumente zur
Verfügung zu stellen, um die positiven Effekte der Inves-
titionen in Land zu nutzen. Uns muss es auf internatio-
naler Ebene gelingen, die Mitspracherechte und Beteili-
gungen der betroffenen Bevölkerung rechtlich so
auszugestalten, dass vor allem die lokalen Produzenten
von der Zusammenarbeit profitieren. Lösungsansätze
die in diese Richtung gehen, gilt es weiterzuentwickeln.


Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP):
Rede ID: ID1707837200

Land ist eine immer knapper werdende Ressource

und steht im Wettstreit verschiedener Nutzungsinteres-
sen. Anhaltendes Bevölkerungswachstum, Klimawandel
und die damit einhergehende Probleme wie fortschrei-
tende Flächenversiegelung, Erosions- und Desertifika-

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(C (D ionsprozesse und Urbanisierung erhöhen den Druck auf ie Ressource Land. Gleichzeitig verstärkt sich die Konurrenz um begrenzt verfügbare landwirtschaftliche utzflächen durch steigende Nachfrage nach Nahrungsnd Futtermitteln sowie Biomasse. Vor diesem Hinterrund hat sich ein Trend beschleunigt, der in internatioalen Schlagzeilen auch als Landnahme oder Landrabbing bezeichnet wird: Staatliche Akteure, private nvestoren aus Industrieund Schwellenländern sowie nländische private Investoren sichern sich mittels langristiger Pachtoder Kaufverträge große Agrarflächen n Entwicklungsländern, um dort Nahrungsmittel oder nergiepflanzen für den Export anzubauen. Land wird außerdem zunehmend zu einem Spekulaionsobjekt für Anleger. Das führt zu hohen Schwankunen auf dem Lebensmittelmarkt und trifft vor allem die rmen, die den allergrößten Teil ihres Einkommens für ahrung ausgeben müssen. Allerdings haben dringend enötigte Investitionen in die Landwirtschaft der Enticklungsländer jahrzehntelang gefehlt. Daher kann an die derzeitige Dynamik grundsätzlich als große hance begreifen. Kapitalund Technologietransfer nterstützen die landwirtschaftliche Produktionssteigeung sowie Verbesserungen bei Marktzugang und Inrastruktur. Werden Direktinvestitionen in Land und andwirtschaft in Strategien der Armutsreduzierung ingebunden, können zusätzliche Beschäftigungsund inkommensmöglichkeiten für die Bevölkerung geschaf en werden. Leider sieht die Realität jedoch anders aus und die erzeitige Praxis der Investitionstätigkeiten in den Enticklungsländer birgt eine Reihe von Risiken, etwa eine efährdung der langfristigen Ernährungssouveränität, ie Vertreibung lokaler Bevölkerungsgruppen, die Verchärfung bestehender Landkonflikte, die Rodung von aldbeständen zur Ausdehnung von Anbauflächen oder ie negativen Auswirkungen von Monokulturen in Großlantagen. Was muss sich nun tun, damit wir das ändern können, amit wir die sich bietenden Chancen nutzen und gleicheitig die Risiken beherrschen können? Einer der wichigsten Aspekte ist dabei die gerechte Teilhabe und Parizipation der lokalen Bevölkerung an der gesamten ertschöpfungskette. Das muss durchgesetzt werden. ir müssen außerdem darauf hinwirken, dass interna ional transparente Vertragsverhandlungen die Regel erden, bei der alle Interessenvertreter unter Beachtung er bestehenden – auch non-formalen traditionellen – andnutzungsrechte vertreten sind. Die ökologische achhaltigkeit muss Beachtung finden, und der Vorrang er lokalen Ernährungssicherheit vor jeder anderen erwendung darf nicht in Zweifel gezogen werden. Der sichere Zugang zu Land in ländlichen Gebieten n Entwicklungsländern ist eine Grundvoraussetzung ur Erreichung der Milleniumsziele. Denn nur wenn der ugang zu Land gesichert ist, können Familien in länd ichen Gebieten die Produktivität auf der zur Verfügung tehenden Fläche steigern und so ihr Einkommen erhöen. Ein höheres Einkommen trägt zur Verbesserung der rnährungssicherheit bei und reduziert Armut. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8699 Dr. Sascha Raabe gebene Reden )


(A) )

Frauen in Entwicklungsländern besitzen trotz ihrer
bedeutenden Rolle in der Landwirtschaft und für die
Versorgung der Familien weniger als 2 Prozent der
Landfläche. Sicherer Zugang zu Land verbessert nicht
nur ihre ökonomische Situation, sondern stärkt auch
ihre soziale und politische Stellung in der Gesellschaft.
Ich könnte mir vorstellen, dass gerade die Kreditvergabe
zum Landkauf an Frauen eine gute Strategie in diesem
Zusammenhang ist.

Wir müssen entwicklungspolitische Ansätze entwi-
ckeln, um negativen Auswirkungen zu begegnen und um
die Direktinvestitionen in Land nachhaltig zu nutzen.
Wir werden jedoch nicht wie Sie vorhaben, eine Hexen-
jagd auf Unternehmen zu veranstalten, die im Ausland
investieren wollen.

Menschrechtsverletzungen, die Vertreibungen von
Menschen aus ihrer Heimat, aus ihren Häusern und von
ihren Feldern ist nicht hinnehmbar. Ich persönlich habe
erst vor einigen Wochen mit einem Betroffenen aus Kam-
bodscha gesprochen, dem Gleiches wiederfahren ist.
Die Aussage dieses Mannes hat mich persönlich sehr
berührt und mir das Problem noch einmal ausdrücklich
vor Augen geführt.

Wir wollen, dass deutsche Firmen im Süden investie-
ren, dort Aufbauhilfe leisten und ihr Know-how in die
Länder transferieren. Es gibt unzählige Beispiele die be-
legen, dass das funktionieren kann. Auch in den ärmsten
Ländern unserer Welt. Daher werden wir den Dialog mit
Partnerregierungen, Investorenländern, Banken/Fonds
und Firmen intensivieren. Wir werden die Zivilgesell-
schaft in ihrer Kontrollfunktion und Beteiligung bei Aus-
handlungsprozessen zu Vertragsvereinbarungen stärken
und eine belastbare Informationsgrundlage und Trans-
parenz über Umfang, Konditionen und Wirkungen aus-
ländischer Direktinvestitionen in Land in den beteiligten
und betroffenen Ländern schaffen. Wir werden die natio-
nalen Landpolitiken und die entsprechende Gesetzge-
bung inklusive des Aufbaus von Institutionen stärken
und unterstützen.

Man kann Länder nicht von außen entwickeln; sie
müssen sich mit unserer Unterstützung nachhaltig aus
sich heraus entwickeln. Legen wir unseren Firmen
Steine bei Investitionen im Süden in den Weg, kommen
andere, autoritäre Regime mit mehr Geld, die im Gegen-
satz zur Bundesregierung die Einhaltung der Menschen-
rechte nicht in den Vordergrund stellen.

Das BMZ unterstützt maßgeblich die FAO-Initiative
zur Erarbeitung der „Voluntary Guidelines on Respon-
sible Governance of Tenure of Land and other Natural
Resources“. Diese freiwilligen Leitlinien sollen Staaten
darin unterstützen, Zugangs- und Nutzungsrechte zu
Land und anderen natürlichen Ressourcen nachhaltig zu
gestalten, entsprechende institutionelle Strukturen auf-
zubauen und damit auch die Korruption im Landsektor
einzudämmen.

Mit der Verabschiedung dieser Initiative ist nach ei-
ner intensiven Konsultation mit den Mitgliedstaaten, der
Wirtschaft und der Zivilgesellschaft im dritten Quartal
2011 zu rechnen. Des Weiteren bietet die Initiative


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(C (D Principles for Responsible Agricultural Investment hat Respects Rights, Livelihoods and Resources“ der eltbank, UNCTAD, IFAD und der FAO eine Orientie ung für Investoren für sozialverantwortliche Investitioen. Die Bundesregierung hat die Entwürfe der Initiaive ressortübergreifend abgestimmt kommentiert und ist n den Prozess der weiteren Entwicklung eng mit eingeunden. Dabei verfolgt sie vor allem das Ziel einer enen Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Iniiativen, beispielsweise mit den freiwilligen Leitlinien er FAO. Die Bundesregierung unterstützt in rund 30 Partnerändern in Afrika, Asien, Lateinamerika und Südosturopa ein breites Spektrum von Maßnahmen zum erbesserten Landmanagement und beugt damit möglihen negativen Auswirkungen großflächiger Landkäufe nd -pachten vor. Ein vorbildliches Beispiel stellen die aßnahmen in Laos dar: Dort wurden im letzten Jahr ehnt Tausende Quadratkilometer Land an Investoren ergeben, häufig zu unklaren Konditionen und mit negaiven Auswirkungen auf Umwelt und die lokale Bevölkeung. Ausmaß und exakte geografische Position der onzessionen wurden dabei kaum dokumentiert. Die eutsche Entwicklungszusammenarbeit unterstützt seit itte 2008 die laotische Landbehörde bei der Erstellung iner umfassenden Bestandsaufnahme von bestehenden nvestitionen in Land und beim Kartografieren aller onzessionen und größeren Landverpachtungen. Die chaffung von Transparenz ist eine entscheidende rundlage dafür, Risiken und Chancen von Landakqui ition besser einschätzen zu können. Die Politik, die Unternehmen und die Menschen und egierungen in den betroffenen Ländern müssen geeinsam mit unserer Unterstützung den Gedanken einer erechten Landverteilung mittragen! Die Auswirkungen von Land Grabbing oder zu eutsch „Landnahme“ in den Ländern des globalen Süens sind gravierend: Kleinbäuerinnen und Kleinbaurn, Fischer und Nomaden werden durch die Landkäufe usländischer Unternehmen und Staaten teilweise gealtsam von ihrem Land vertrieben. Ihre Landrechte ind oft ungesichert, und ihr politisches Gewicht ist verlichen mit den Investoren gering. Angesichts der über 900 Millionen hungernden Menchen weltweit ist das Land Grabbing eines der derzeit rängendsten Probleme der Entwicklungsländer. Alleine n Afrika wurden laut dem International Food Policy Reearch Institute bereits 20 Millionen Hektar Land entweer verkauft oder für einen Zeitraum von 30 bis 100 Jahen verpachtet. Die ausländischen Käufer nutzen die rworbenen Flächen, um Pflanzen für Biokraftstoffe anubauen, um mit dem „Offshore Farmland“ die Lebensittelversorgung ihrer Heimatländer sicherzustellen der schlicht um damit zu spekulieren. Statt die Ernähungssituation im Erzeugerland zu verbessern, wird in roßflächigen Monokulturen für den Export produziert. Die fatalen Konsequenzen für die lokale Bevölkerung ind Armut, Elend und Hunger. Davon konnte ich mir bei 8700 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Dr. Christiane Ratjen-Damerau gebene Reden )

Niema Movassat (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707837300

(A) )

einem Besuch in Madagaskar Anfang November selbst
ein Bild machen. In Madagaskar trat 2008 ein Gesetz in
Kraft, welches es ausländischen Investoren erstmals er-
laubt, auch riesige Landflächen für bis zu 99 Jahre zu
pachten. Obwohl der Inselstaat heute schon in großem
Umfang Nahrungsmittel importieren muss, hat sich die
südkoreanische Firma Daewoo die Rechte an 1,3 Millio-
nen Hektar Land gesichert. Dies entspricht rund der
Hälfte der fruchtbaren Agrarfläche Madagaskars. Die
allgemeine Entwicklung zeigt die Absurdität dieses Fal-
les: Die Ausgaben der afrikanischen Länder für Ge-
treideimporte sind seit 2008 insgesamt um ganze
130 Prozent gestiegen. Daewoo will in Madagaskar
ausschließlich für den südkoreanischen Markt produzie-
ren, obwohl es vor Ort massive Unterernährung gibt.
Sollte dieser Deal tatsächlich in die Tat umgesetzt wer-
den – derzeit liegt er auf Eis –, werden noch mehr Men-
schen dort hungern müssen. Das ist Kolonialismus im
neuen Gewand: mittels Kauf- und Pachtverträgen und
wie immer auf Kosten der Armen.

Die Liberalisierung der Landmärkte und die Ab-
schaffung von Restriktionen für ausländische Investoren
sind wichtige Grundlagen vieler ähnlicher Land-Grab-
bing-Deals. Die internationale Entwicklungszusammen-
arbeit hat nicht zuletzt selbst die Weichen für diese kata-
strophalen Entwicklungen gestellt. Auch die deutsche
Entwicklungszusammenarbeit fördert durch ihre einsei-
tige Ausrichtung der Landpolitik auf technische und ad-
ministrative Themen die beschriebenen Tendenzen. Ein
Beispiel dafür ist das Engagement der deutschen Durch-
führungsorganisation GTZ in Kambodscha. Dort unter-
stützt die GTZ zwar die Vergabe von Landtiteln. Besteht
aber Interesse an einem bestimmten Gebiet seitens zah-
lungskräftiger Investoren oder lokaler Eliten, werden
häufig gar keine Landtitel vergeben. Weder GTZ noch
BMZ widersprechen dieser Praxis, obwohl die lokale
Bevölkerung genau in diesen Fällen besonders von Ver-
treibungen bedroht ist.

Bereits 1968 hat sich Deutschland durch die Unter-
zeichnung des Internationalen Pakts über wirtschaft-
liche, soziale und kulturelle Menschenrechte dazu ver-
pflichtet, das Menschenrecht auf Nahrung durch
nationale und internationale Zusammenarbeit durchzu-
setzen. Dies bedeutet besonders, vorhandenen Zugang
zu Land und Wasser zu schützen, aktiv zur Verbesserung
des Zugangs zu Land für Kleinbäuerinnen und Klein-
bauern und Landlose beizutragen und traditionelle
Landnutzungen zu respektieren. Das aktuelle Land
Grabbing und die ihm zugrunde liegende Landpolitik
aber verschärft die Konflikte um Land und führt zu einer
weiteren Konzentration von Land in den Händen einiger
weniger.

Die G 8 haben sich beim Gipfel in Hokkaido 2008 für
internationale Verhaltensregeln zusammen mit der Welt-
bank stark gemacht. Doch freiwillige Verhaltenskodizes
stellen keine Lösung dar. Zum einen haben sie in der
Vergangenheit in den seltensten Fällen Menschenrechts-
verletzungen verhindert, zum anderen stellen sie die
Entwicklung nicht grundsätzlich in Frage. Der Erstel-
lung freiwilliger Verhaltenskodizes steht die Aufsto-
ckung der Gelder für das Agrobusiness von 3 Milliarden

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(C (D S-Dollar auf 4 Milliarden US-Dollar durch die Weltank gegenüber. Ein grundlegendes Umsteuern in Richung einer nachhaltigen, kleinbäuerlichen Landwirtchaft, die von Hunger betroffene Gruppen ins Zentrum tellt, ist damit in weite Ferne gerückt. Damit Deutschland seiner Verantwortung für die Ereichung des Ziels der Ernährungssouveränität zukünfig gerecht wird, fordert die Fraktion Die Linke in ihrem ntrag ein Verbot von großflächiger Landnahme und pekulationen mit Land oder Agrarproduktion in den ändern des Südens. Denn auch deutsche Unternehmen ie die Deutsche Bank mischen munter beim Land rabbing mit. Angesichts der Finanzkrise suchen sie ach neuen Finanzprodukten und haben erkannt, dass eben Erdöl auch Agrarland und Wasser knappe Resourcen sind. Investitionen in die Landwirtschaft gewinen für sie zunehmend an Lukrativität. Nach dem „peak il“, dem Gipfel der Ausbeutung von Öl, droht inzwichen auch der „peak soil“, die grenzenlose Ausbeutung es Bodens. Daher gilt: Nur wenn wir Auslandsdirektinestitionen internationaler und deutscher Unternehmen nd Finanzinstitutionen in großflächigen Landkauf oder andpacht unterbinden, hat das Menschenrecht auf ahrung zukünftig Vorrang vor den Interessen von Inestoren. Angesichts fast einer Milliarde Hungernder steht es ür uns außer Frage, dass das Ziel der Ernährungssoueränität über den wirtschaftlichen Interessen von Unernehmen stehen muss. Landpolitik muss sich primär an en Bedürfnissen der marginalisierten ländlichen Grupen ausrichten. Großflächige Landnahmen konterkarieen dies und gefährden somit direkt Menschenleben. Die grüne Bundestagsfraktion hat frühzeitig erkannt, ass das Thema Land Grabbing eine Riesenherausforerung für viele Länder in Asien, Afrika und Lateinameika, aber natürlich auch für uns Entwicklungspolitiker arstellt. Wir begrüßen, dass – nachdem wir in der letzen Legislaturperiode einen Antrag zu diesem Thema ingebracht haben – nun auch die Linke einen Antrag orlegt und das Thema auf die Agenda des Bundestages etzt. Beim Land Grabbing geht es um eine der essenziellsen Ressourcen überhaupt, nämlich um die Ressource oden, von der unser aller Existenz abhängt. Und der roße Run auf die Böden hat längst begonnen – mit zum eil schweren ökologischen und sozialen Folgen. Die eidtragenden sind vor allem diejenigen, die schon jetzt n höchst schwierigen Umständen leben. Indem sie ckerland unter ihre Kontrolle bringen, verschärfen roßinvestoren die Machtasymmetrie zwischen bäuerli hen Betrieben und Agrarkonzernen. Viele Kleinbauern nd Kleinbäuerinnen sind in den letzten Jahren ihren oden losgeworden. Die kleinbäuerliche und bäuerliche andwirtschaft wird weiter geschwächt und damit die xistenzgrundlage von Milliarden Menschen zerstört. ch möchte an dieser Stelle nur eine Zahl nennen, die erdeutlicht, um welche Dimensionen es sich dabei hanelt: Laut Weltbank gingen allein im Jahr 2009 circa Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8701 Niema Movassat gebene Reden 8702 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Thilo Hoppe )

Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707837400

(A) )

45 Millionen Hektar Land an private Investoren, also an
private Unternehmen. Das ist eine Fläche, die so groß
ist wie Deutschland und Österreich zusammen.

Vor drei Wochen hat die grüne Bundestagsfraktion
gemeinsam mit der Heinrich-Böll-Stiftung hier in den
Räumen des Bundestages eine große zweitägige Konfe-
renz mit dem Titel „BodenLos: Wem gehört das Land?
Wer hat Zugang? Wie schützen wir es vor Spekulanten?“
veranstaltet. Etwa 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer
haben sich mit der Land-Grabbing-Problematik – übri-
gens nicht nur in den Entwicklungs- und Schwellenlän-
dern, sondern auch hier bei uns in Deutschland und Eu-
ropa – näher auseinandergesetzt. Wir haben mit Ex-
perten wie Olivier De Schutter, Sonderberichterstatter
für das Menschenrecht auf Nahrung bei den Vereinten
Nationen, und Alexander Müller, Vizedirektor der Welt-
ernährungsorganisation, der FAO, sowie mit Vertrete-
rinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft und der Bun-
desregierung diskutiert, welche Maßnahmen notwendig
sind, um das Problem in den Griff zu bekommen. Sie sind
herzlich eingeladen, die Ergebnisse in unserer ausführ-
lichen Internetdokumentation nachzulesen.

Im Parlament haben wir das Thema Land Grabbing
bereits in der vergangenen Legislaturperiode mit unse-
rem grünen Antrag „Landrechte stärken – Land Grab-
bing in den Entwicklungsländern verhindern“ auf die
Tagesordnung gesetzt. Der Antrag wurde am 13. Mai
2009 im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung beraten – übrigens bei Abwesenheit
der Linken – und von der damaligen Großen Koalition
mit der Begründung abgelehnt, dass beim Thema Land
Grabbing für die „deutsche Entwicklungszusammenar-
beit nur die Option bleibe, darauf zu vertrauen, dass alle
Maßnahmen, die in Richtung gute Regierungsführung
unternommen würden, erfolgreich sein werden“. Das
reicht sicherlich nicht aus, um diese gefährliche Ent-
wicklung in den Griff zu bekommen. Die schwarz-gelbe
Koalition scheint die Thematik immerhin etwas ernster
zu nehmen, vonseiten der Bundesregierung wurde den
Mitgliedern des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung zugesichert, dass Land
Grabbing in das neue BMZ-Konzept zur Entwicklung
der ländlichen Räume, das zurzeit vom BMZ finalisiert
wird, noch aufgenommen wird.

Wir haben in unserem Antrag klare Forderungen ge-
stellt, die immer noch hochaktuell sind und sich zum Teil
auch in dem jetzigen Antrag der Linken wiederfinden.
Hierzu zählt beispielsweise die Aufforderung an die
Bundesregierung, den Prozess und die Ausarbeitung der
„Voluntary Guidelines on Responsible Governance of
Tenure of Land and other Natural Resources“ der FAO
aktiv zu unterstützen. Dazu gehört auch die Aufforde-
rung an die Bundesregierung, im Rahmen von bi- und
multilateralen Verhandlungen mit betroffenen Partner-
ländern Land Grabbing zu thematisieren und mit den
Regierungen dieser Partnerländer auf die Ausarbeitung
umfassender Bodenpolitiken und Landnutzungspläne
sowie redistributive Agrarreformen hinzuarbeiten. Auch
stimmen wir mit der Linken darüber überein, dass öf-
fentliche und private Investitionen, die mit deutscher Be-
teiligung in Entwicklungsländern getätigt werden, im

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(C (D inklang mit den relevanten Menschenrechtsprinzipien nd -instrumenten stehen müssen. Wir begrüßen, dass die Linken in ihrem Antrag ausührlich auf das in der Praxis oft bestehende Missverältnis zwischen den Interessen der Investoren einerseits nd der Durchsetzung des Menschenrechts auf Nahrung ndererseits eingehen. Interessant und prüfenswert finen wir auch den Vorschlag der Linken, eine Kommision einzusetzen, die ein alternatives deutsches Modell ür Investitionsabkommen ausarbeiten soll; auch verient der Ansatz Unterstützung, langfristig ein internaionales Investitionsregime für zukunftsfähige Entwickung im Rahmen der Vereinten Nationen aufzubauen. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf rucksache 17/3541 an die in der Tagesordnung aufgeührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einerstanden? – Ich sehe, das ist der Fall. Dann ist die berweisung so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dorothea Steiner, Cornelia Behm, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Blockade beim Bodenschutz aufgeben – EU Bodenschutzrahmenrichtlinien voranbringen – Drucksache 17/3855 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Der Boden ist eine für die Menschheit lebenswichtige essource mit unverzichtbaren Funktionen als Nährtofflieferant in der Landund Forstwirtschaft, als Leensraum unzähliger Organismen, als Wasserspeicher nd, was uns immer mehr ins Bewusstsein rückt, als rößter CO2-Speicher der Erde. In Erkenntnis dieser edeutung des Bodens hat sich die Bundesregierung rüh entschlossen, den Boden als Schutzgut anzuerkenen, und es ist richtig, wenn in dem heute zu beratenden ntrag festgestellt wird, dass wir in der Bundesrepublik it dem deutschen Bodenschutzrecht Vorreiter in Eu opa sind. In der Kleinen Anfrage von Bündnis 90/Die rünen zu Zielen und Maßnahmen des Bodenschutzes ird auch richtig zitiert, dass die Regierung Kohl bereits ie Initiative ergriffen hat, das Bodenschutzrecht in eiem europäischen Rahmen zu verankern. Daraus entwikelte sich eine thematische Strategie für den Bodenchutz, die wiederum die Grundlage für erste Entwürfe ür eine Bodenschutzrahmenrichtlinie bildete. Ja, Boden bedarf tatsächlich eines besonderen Schutes. Erosion, Austrocknung, Kontamination und Flähennutzung sind oftmals oder nur mit großem Aufwand ehebbare Schädigungen, die die ökologischen, wirtchaftlichen, sozialen, wissenschaftlichen und kulturellen unktionen des Bodens einschränken. Am sichtbarsten ist )

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707837500
Ulrich Petzold (CDU):
Rede ID: ID1707837600

(A) )

natürlich der Bodenverbrauch durch die zunehmende
Flächennutzung für Siedlungs- und Verkehrsflächen.
Noch in den Jahren um 2000 wurden jeden Tag mehr als
120 Hektar am Tag in Siedlungs- und Verkehrsflächen
umgewandelt, in Flächen, die insbesondere der Land-
und Forstwirtschaft entzogen wurden. Seit 2006 ist die-
ser Flächenverbrauch deutlich im Sinken begriffen. Im
Jahr 2009 waren es noch ganze 78 Hektar, die pro Tag
dem Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsflächen zum
Opfer fielen, wobei Siedlungs- und Verkehrsflächen kei-
nesfalls mit versiegelten Flächen gleichgesetzt werden
dürfen. Ein erheblicher Anteil davon sind die unbebau-
ten und nicht versiegelten Flächen, wie Grünflächen
und Sportflächen, die unter dem Begriff der Erholungs-
flächen zusammengefasst werden. Im Jahr 2008 mach-
ten diese Erholungsflächen 43 Prozent des Flächenver-
brauchs aus. Hochgerechnet auf dieses Jahr wären wir
2009, bei Herausrechnung dieser oftmals ökologisch
wertvollen Flächen aus den 78 Hektar Flächenver-
brauch, unserem Ziel, den Flächenverbrauch bis zum
Jahr 2020 auf 30 Hektar am Tag zu reduzieren, ein we-
sentliches Stück näher gekommen.

Gerade mit der Erreichung dieses Zieles könnte
Deutschland weiterhin seine Vorreiterposition im Bo-
denschutz untermauern. Wir brauchen keine Sorge zu
haben, beim Vergleich des Bodenschutzes in den euro-
päischen Ländern in Zukunft schlechter abzuschneiden.
Alle Schwarzmalerei ist gerade auf diesem Gebiet fehl
am Platze. Die Bundesrepublik hat also überhaupt kei-
nen Grund, eine europäische Regelung, die sich nach
dem nachgewiesenermaßen effektiven deutschen Boden-
schutzrecht ausrichtet, zu fürchten, sondern die deutsche
Wirtschaft wäre durchaus Nutznießer, wenn endlich alle
nach gleich strengen deutschen Maßstäben wirtschaften
müssten. Doch ein Blick in den Entwurf der Boden-
schutzrahmenrichtlinie, die vom EU-Parlament verab-
schiedet wurde, reicht, um die Vorurteile und Sorgen vie-
ler unserer Bürger vor Regelungen aus Brüssel bestätigt
zu sehen: Neue, andersartige Berichtspflichten, neue,
andersartige Grundsätze und Kontrollen sowie Defini-
tionen und Regelungen, die mit anderen Richtlinien
nicht oder nur ungenügend kompatibel sind, finden sich
hier wieder.

Es ist schon bedenklich, wenn für die Umsetzung der
Richtlinie eine zusätzliche jährliche Kostenbelastung für
Bund, Länder und Kommunen in der Größenordnung ei-
nes dreistelligen Millionenbetrages prognostiziert wird.
Unsere Bundesländer haben funktionierende Boden-
beobachtungssysteme. So werden zum Beispiel in Sach-
sen-Anhalt an 70 Dauerbeobachtungsstellen durch vier
Behörden zyklische Untersuchungen zur Erfassung um-
fangreicher Daten durchgeführt. Diesen Datenpool
durch Veränderungen in der Erfassung wertlos zu ma-
chen, wäre genauso sinnlos wie dessen deutliche Aus-
weitung.

Wenn einige südeuropäische Länder mit großen Bo-
dendegradationsproblemen es sich nicht zutrauen, in ih-
ren Ländern eigenständige Bodenschutzregelungen zu
beschließen, und die EU als Sündenbock für kosten-
intensive Umweltmaßnahmen aufbauen wollen, finde ich

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(C (D as unredlich. Selbstverständlich kann es auch nicht ein, dass europäische Staaten ihre Verantwortung für hre Böden bei der EU abgeben und erwarten, dass eine anierung von Altlasten auf Kosten der Gemeinschaft urchgeführt wird. So etwas könnte den Umweltund grarhaushalt weiter aufblähen. Hier ist Subsidiarität efragt. Es stellt sich bei all den Regelungen der Richtlinie chon die Frage, ob sich die damalige Bundesregierung ach 1998, in einer Zeit, in der die thematische Strategie nd damit die Grundlage der Richtlinie entwickelt urde, genügend für die Orientierung am erfolgreichen nd bahnbrechenden deutschen Bodenrecht eingesetzt at? Wenn ja, wie konnte dann eine so vom deutschen orbild abweichende und an vielen Stellen deutlich daüber hinausgehende Regelung entstehen? Hat es da ventuell Versuche gegeben, grüne Wunschträume in eutschland über Brüssel zu verwirklichen? Dass die Richtlinie dann auch nur sehr strittig vom U-Parlament verabschiedet wurde und in der Kommision keine ausreichende Mehrheit fand, war nach den orhergehenden Diskussionen kaum verwunderlich, uch wenn ich das persönlich bedauert habe. Aber die ritik war nur allzu verständlich. Fehlende Subsidiari ät, zu weit gehende Einzelregelungen, in denen die Unerschiede in den Bodenund Klimaverhältnissen in den itgliedstaaten nicht berücksichtigt werden, fehlende bstimmung mit bestehenden Regelungen auf dem Geiet der Landwirtschaft und des Wasserrechtes bei vorandenen Überschneidungen waren die wichtigsten Kriikpunkte. So war die Befürchtung, dass die zehn nterschiedlichen Bodengefährdungen, zum Beispiel bei er Flächenkontamination, einer zusätzlichen Bürokraie Tür und Tor öffnen, nicht von der Hand zu weisen. In der Zwischenzeit hat es einen portugiesischen, eien tschechischen und einen französischen Kompromissorschlag gegeben. All diese Vorschläge liegen noch auf em Verhandlungstisch der Kommission. Andere Länder ürden es bevorzugen, wenn nur die thematische Strateie zum Bodenschutz weiterentwickelt würde. Wer einen indruck von den verstrickten Verhandlungen benötigt, em empfehle ich, einmal das Protokoll der Ratsarbeitsruppe Umwelt vom 21. Januar 2010, aus dem jedem die neinigkeit direkt anspringt, nachzulesen. Auch die ommissionskonferenz zu diesem Thema am 23./24. Sep ember in diesem Jahr hat keine mir ersichtlichen Fortchritte gebracht. Die Behauptung, Deutschland spiele ei diesem Thema den Bremser, ist nach diesen Protokolen aus der Luft gegriffen. Eine strikte Orientierung an em fortschrittlichsten Bodenrecht in der EU, dem deutchen, wie es die Grünen in ihrem Antrag selbst formuieren, und vernünftige subsidiäre Regelungen könnte ine positive Wendung bringen; doch dazu ist die Zeit in rüssel scheinbar noch nicht reif genug. Die unterschwellige Forderung des Antrages nach eier deutschen Führung in den Verhandlungen ist zuückzuweisen, da damit die Verhandlungen eher verkomliziert würden. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8703 Ulrich Petzold gebene Reden )


(A) )


Johannes Röring (CDU):
Rede ID: ID1707837700

Das deutsche Bodenschutzrecht ist im europäischen

Vergleich der Vorreiter im aktiven Schutz des Bodens
und der darin befindlichen Ressourcen. Unternehmen
und Betriebe, Landwirte und Privatleute und alle ande-
ren, die mit dem Boden zu tun haben, müssen die stren-
gen Vorgaben achten. Dazu gehört auch, dass es um-
fangreiche Dokumentations- und Kartierungspflichten
gibt, die ein hohes Maß an Bürokratie und Verwaltung
erfordern und sehr schnell zu übertriebenen Sanktionie-
rungen führen.

Wir haben hier im Parlament schon vor drei Jahren
heftig um den Punkt einer europäischen Bodenschutz-
rahmenrichtlinie diskutiert, und wir haben die damali-
gen Pläne der Europäischen Kommission abgelehnt. Die
damals genutzten Argumente haben weiterhin ihre Gül-
tigkeit. Aus meiner Sicht besteht keine Notwendigkeit für
eine über die europäische Bodenschutzstrategie hinaus-
gehende detaillierte europäische Regelung. Anders als
bei Luft und Wasser gibt es innerhalb der EU beim Bo-
den eine sehr große Vielfalt, beispielsweise hinsichtlich
der Bodenarten, Bodenverhältnisse und der Lage und
Bewirtschaftung der Böden. Man sieht folglich, dass die
Probleme auf dem Gebiet des Bodenschutzes vor allem
durch regionale geografische und geologische Beson-
derheiten bedingt sind. Ich möchte noch einmal betonen,
dass mehr als 300 verschiedene Bodenarten europaweit
zu finden sind. Dies dokumentiert eindringlich, dass der
Schutz des Bodens primär eine nationale Aufgabe ist, da
vor Ort das Wissen über die regional unterschiedlichen
Strukturen existiert. Hier nun eine „europäische Scha-
blone“ anzulegen, halte ich für sehr ineffizient und auch
nicht für zielführend. Denn zentral von Brüssel organi-
sierte und gesteuerte Schutzsysteme bergen die große
Gefahr, entweder am Bedarf vorbeizugehen oder belie-
big zu werden.

Ein zweiter sehr wichtiger Punkt ist – besonders für
den deutschen Staat und die Wirtschaft – die zu erwar-
tende Kostenbelastung und zusätzliche Bürokratie, die
zwar in der Sache nichts bringen würde, aber ein weite-
rer Hemmschuh für den Wirtschaftsstandort darstellen
würde. Wir alle wissen, dass schon zahlreiche Vorschrif-
ten auf europäischer Ebene existieren, die besonders für
die Landwirtschaft schon längst ins deutsche Recht ein-
gearbeitet sind und Wirkung erzielen.

An dieser Stelle möchte ich deshalb das Thema Land-
wirtschaft und Bodenschutz besonders betonen. Die be-
reits vorhandenen Regelungen zur guten fachlichen Praxis
im Bodenschutzrecht, des landwirtschaftlichen Fach-
rechts sowie von „Cross Compliance“ stellten einen
nachhaltigen Schutz landwirtschaftlicher Böden sicher.
Dies ist auch von der Landwirtschaft so gewollt, denn
die Landwirtschaft hat ein ureigenes Interesse am Erhalt
und der Steigerung der Bodenfruchtbarkeit.

Das Bundesbodenschutzgesetz ist international vor-
bildlich. Nach wie vor ist allerdings das größte Problem
des Bodenschutzes, dass ein unverändert hoher Flä-
chenverbrauch durch Siedlungs- und Verkehrsmaßnah-
men stattfindet. Hier hätten wir im vergangenen Jahr bei
der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes wirklich et-

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(C (D as erreichen können, indem wir Ackerland im Gesetz esonders unter Schutz gestellt und damit mit Grünland nd dem Wald gleichgestellt hätten. Darüber hinaus häten wir durch verbesserte Eingriffsund Ausgleichsregeungen effektiv Bodenschutz betreiben können. Aber da st ja mit den Grünen nicht zu reden. Da wird – wie zum eispiel beim Artenschutz – eher gesetzlich eine weitere erschärfung, die über EU-Vorgaben hinausgeht, geforert, anstatt einer Flexibilisierung zuzustimmen. Das äre praktizierter Bodenschutz gewesen, anstatt sich etzt mit Anträgen dafür einzusetzen, europäische Gesetesvorschläge aus der „Mottenkiste“ zu holen. Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass ch es grundsätzlich unterstütze, wenn man sich in Brüsel für einen europaweiten Bodenschutz einsetzt und dies esonders in den Nationalstaaten tut, die ein nicht annäernd so ausgeprägtes Bodenschutzregime haben wie ir in Deutschland. Mittel zum Zweck muss dann aber ine europäische Bodenschutzstrategie und darf keine ahmenrichtlinie sein. Ich lehne es kategorisch ab, ordungspolitische Instrumente anzuwenden, die substaniell keine Verbesserung der aktuellen Situation bei uns edeuten würden. Wir haben einen nationalen Rechtsahmen, der ein sehr hohes Schutzniveau garantiert. aran können sich andere Nationen gerne orientieren nd unsere Vorschriften und Gesetze adaptieren. Daher ehnen wir den vorgelegten Antrag ab. In Deutschland ist der Grund und Boden, auf dem wir eben und arbeiten, ja vielfach auch mythisch verklärt. n manchen Abschnitten unserer Geschichte wurde dieer Mythos von den falschen politischen Kräften missraucht. Das sollte uns aber nicht daran hindern, das rundsätzlich positive Verhältnis der Deutschen zum Boen für seinen Schutz zu nutzen. Ich bin sicher, eine roße Mehrheit erkennt die Notwendigkeit eines konseuenten Bodenschutzes nicht nur an, sie unterstützt den odenschutz auch. Es ist ja auch eine Menge Bedenkliches, was wir dem oden antun: Erosion, Verringerung der organischen ubstanz, Kontamination, Verdichtung, Reduzierung der iologischen Vielfalt und Versiegelung. Die Bodenchutzrichtlinie geht diese Themen an. Deshalb ist sie rundsätzlich richtig. Sie tut es allerdings auf eine äuerst bürokratische Weise. Da wird beispielsweise geforert, eine Liste mit Tätigkeiten anzufertigen, die Bodenerschmutzungspotenzial aufweisen können. Man kann atürlich endlose Aufstellungen dieser Art produzieren, ber ein Zusatznutzen ergibt sich daraus nicht. Geleentlich läuft die Richtlinie auch dem Subsidiaritätsrinzip zuwider. Aus diesen Gründen haben frühere Reierungen sich nicht in der Lage gesehen, ihr zuzutimmen. Das allerdings darf zweifellos kein Dauerzustand leiben – auch deshalb nicht, weil Deutschland beim odenschutz durch das Bundes-Bodenschutzgesetz im ergleich zu vielen europäischen Nachbarn schon recht eit ist. Viele Länder haben noch gar kein eigenständies Bodenschutzrecht. Entsprechend unterschiedlich 8704 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 gebene Reden )

Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1707837800

(A) )

sind die Erfolge auf dem Weg zu einer nachhaltigen Bo-
dennutzung. Es muss ja, auch aus Wettbewerbsgründen,
unser Interesse sein, dass überall in Europa ähnlich
hohe Schutzstandards gelten wie bei uns. Abgesehen
vom Wettbewerb gibt es auch aus umweltpolitischen
Gründen ein Erfordernis der Einigung. Denn die Schä-
digung der Böden außerhalb unserer Grenzen betrifft
uns angesichts der Tatsache, dass Böden beispielsweise
Kohlenstoff binden oder den Wasserhaushalt aufrechter-
halten. Das sind alles keine Probleme, die an Länder-
grenzen halt machen. Ein europäischer Rechtsrahmen
für den Bodenschutz ist deshalb notwendig.

Es geht hier also nicht um das Ob, sondern um das
Wie. Dabei müssen wir auch berücksichtigen, dass der
Bundesrat schon früher deutliche Kritik an der Richtli-
nie geäußert hat. Ich teile diese Kritik inhaltlich nicht,
aber wir müssen mit den Ländern in einen neuen Dialog
dazu kommen. Wir dürfen das Thema nicht liegenlassen,
sondern müssen an der Richtlinie arbeiten. Wir müssen
die Subsidiarität stärken und die bürokratischen Aus-
wüchse der Vorlage zurückschneiden. Selbstverständ-
lich sind alle Regelungen, die über das deutsche Recht
hinausgehen, zu prüfen. Aber das alles ist machbar. Es
gibt keinen Grund, die Richtlinie in Bausch und Bogen
abzulehnen.

Deshalb muss auch die Bundesregierung wegkommen
von der plumpen Ablehnung der Richtlinie und sich
stattdessen beim Feintuning der Richtlinie einbringen.
Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Bundeskanz-
lerin aufhört, auf dem Bauerntag, so wie sie es 2009 ge-
tan hat, aus durchsichtigen politischen Gründen gegen
die Richtlinie zu polemisieren. Da erwarte ich mir mehr
Konstruktives und weniger Klientelpolitik.


Judith Skudelny (FDP):
Rede ID: ID1707837900

Die Schaffung eines europäischen Ordnungsrahmens

für den Bodenschutz wird seit längerem kontrovers dis-
kutiert. Einen ersten Richtlinienentwurf gab es bereits
2006. Die FDP-Bundestagsfraktion hatte sich in der
letzten Legislaturperiode dafür ausgesprochen, die EU-
Bodenschutzrahmenrichtlinie aktiv mitzugestalten. Trotz
fraktionsübergreifender Arbeitsgruppe ist es damals lei-
der nicht zu einem interfraktionellen Antrag gekommen.
Den Antrag der FDP-Bundestagsfraktion auf Bundes-
tagsdrucksache 16/4736 mit dem Titel „Bodenschutz-
rahmenrichtlinie aktiv mitgestalten – Subsidiarität si-
chern, Verhältnismäßigkeit wahren“ hatten dann alle
anderen Fraktionen – auch die der Grünen – im Plenum
des Deutschen Bundestages abgelehnt. Damit hatte sich
Deutschland letztlich nicht inhaltlich gegenüber der
EU-Kommission zum Richtlinienvorschlag geäußert.

Auch wenn es bisher keine weiteren Vorstöße von EU-
Seite gab, sollten wir uns in dieser Wahlperiode eine
neue Meinung auf Grundlage der aktuellen Fakten bil-
den.

Deutschland selbst ist bereits sehr vorbildlich, was
den Bodenschutz betrifft. Andere Länder haben noch
Nachholbedarf. Man kann sich auf den Standpunkt stel-
len, dass man eine EU-weite Initiative braucht. Dafür
spricht, dass sich die negativen Effekte der Überbelas-

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(C (D ung der Ressource Boden grenzüberschreitend auswiren können und ein EU-einheitliches Vorgehen im Inteesse jedes Mitgliedstaates liegt. Eine europäische ichtlinie eröffnet grundsätzlich die Möglichkeit, den tandard des Bodenschutzes europaweit anzuheben und ie Bodenschutzpolitik in manch anderen Mitgliedstaaen der Europäischen Union so zu verbessern. Aber warum soll sich Deutschland einem neuen Büroratiemonster aus Brüssel aussetzen? Deutschland elbst hat schon strenge Standards – Cross Compliance nd die Regelung der „guten fachlichen Praxis“ sind ur zwei Beispiele. Der Antrag der Grünen fordert diese ohen deutschen Standards als EU-Mindestnorm, auerdem verbindliche Zielvorgaben und Bodenschutztandards für alle Mitgliedstaaten. Die Frage ist aber, b die deutschen Standards auf andere Länder angeandt werden dürfen. Deutschland ist ein wohlhabender ndustriestaat. Ob und inwieweit solche Standards überragbar sind, ist fraglich. Für andere Länder können die ür Deutschland passenden Standards unter Umständen ar nicht sinnvoll oder zu teuer sein. Wenn es eine europäische Bodenschutzrichtlinie geen soll, dann bitte nur eine Rahmenregelung. Sie darf ür unsere Kommunen aber keine Zusatzkosten verursahen. Denn die EU-Regelung – so wie sie mit dem bisheigen Richtlinienentwurf vorgeschlagen wird – ist nicht um Nulltarif zu haben: Ein Ende 2009 vorgelegtes Gutchten des BMELV zeigt, dass mit einer neuen EU-Bodenchutzrichtlinie erhebliche Kosten verbunden wären. ie auf allen staatlichen Hierarchiestufen jährlich wieerkehrenden Kosten werden für unser Land auf 20 Millionen Euro geschätzt, von denen rund 270 Milionen Euro allein auf die Kommunen zukämen. Allein iese Summen sollten uns vorsichtig werden lassen. Viel wichtiger als immer mehr und immer strengere U-Regelungen zu erlassen, ist gerade im Umweltbe eich, für eine bessere Umsetzung und Kontrolle besteender EU-Regelungen in anderen Staaten einzutreten. onst produzieren wir weiterhin reine Papiermonster, ie der Umwelt nichts nützen, aber die Kassen belasten. Die Linke teilt das Anliegen des Antrags der Grünen, en Bodenschutz politisch zu stärken. Boden ist eine der esentlichen, existenziellen Grundlagen der Menscheit. Das Eigentum an Boden und die Verfügbarkeit daüber war in allen menschlichen Gesellschaften eine der ensibelsten Fragen. Wir dürfen nicht vergessen: Boden st, zumindest in den Industriestaaten, nicht vermehrbar. m globalen Süden gehen traditionelle, regional angeasste Nutzungsund Bewässerungssysteme verloren, oden fällt in Kriegsgebieten oder wegen fehlender echnischer Ressourcen brach. Durch den Klimawandel eginnt diese Situation, sich zu verschärfen. Es gibt draatische Ausweitungstendenzen der Wüsten. Die „Auseute“ aus der Bodennutzung, die Ernte, ist zwar steierbar, wie die Industriestaaten in den vergangenen ahrzehnten gezeigt haben, es stellt sich aber immer rängender die Frage: zu welchem Preis? Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8705 Ute Vogt gebene Reden )

Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1707838000

(A) )

Verglichen mit dieser zentralen Bedeutung des Bo-
dens und der Problemlage gehen wir immer noch recht
sorglos mit dem Boden um. Das zu ändern, ist auch eine
Frage der Generationengerechtigkeit. Bodenschutz
muss ein elementarer Politikbereich sein. Es gibt also
gute Gründe, für eine Bodenschutzrahmenrichtlinie auf
EU-Ebene.

Dass in Deutschland, formal gesehen, auf diesem Ge-
biet schon viel erreicht wurde, ändert daran nichts.
Richtig ist, dass sich das deutsche Bodenschutzrecht im
internationalen Vergleich durchaus sehen lassen kann.
Unter den politischen Kriterien für Nachhaltigkeit hat
der Schutz der Böden einen besonderen Wert. Doch wie
sieht die Realität als konkretes Ergebnis der Boden-
schutzpolitik aus? Es ist alles andere als eine heile Welt.
Auch in Deutschland sind wir weit davon entfernt, die
gesteckten Ziele im Bodenschutz zu erreichen.

Ich möchte aus der Vielzahl von Problemen ein sehr
zentrales Thema herausgreifen. Der Flächenverbrauch
für Siedlungs- und Straßenbau ist in Deutschland nach
wie vor skandalös hoch. Laut „Indikatorenbericht
2010“ zur Nachhaltigkeit des Statistischen Bundesamts
beträgt er 104 Hektar pro Tag. Das sind 100 Fußballfel-
der täglich, und das, obwohl die Bevölkerung schrumpft.
Der Beirat zum Bodenschutz im Umweltbundesamt hat
vor kurzem angesichts dieser Sachlage drastische For-
derungen gestellt: eine schnelle Reduzierung des Flä-
chenverbrauchs auf 30 Hektar, mittel- und langfristig
auf 0 Hektar pro Tag. Wir diskutieren über solche Forde-
rungen schon sehr lange. Es muss endlich etwas passie-
ren. Aus Sicht der Linken können wir nur noch über den
Weg dorthin diskutieren, aber nicht mehr über das Ziel.

Mit rund der Hälfte der Fläche Deutschlands ist die
Landwirtschaft ein wichtiger Bodennutzer. Damit hat
die Landwirtschaft hohe Mitverantwortung. Boden-
schutz in der direkten landwirtschaftlichen Erzeugung
ist dabei relativ einfach und im Grunde unumstritten.
Keine Bäuerin und kein Bauer kann Interesse daran ha-
ben, dass es in der Bewirtschaftung von Böden zu Ero-
sion und zur Minderung der Bodenfruchtbarkeit kommt.
Auch die Steigerung des Humusgehalts im Boden ist im
ureigenen Interesse der nachhaltigen landwirtschaftli-
chen Erzeugung und dient dabei sogar noch dem Klima-
schutz. Zumindest bei bäuerlicher Bewirtschaftung ist
dieses Verständnis weit verbreitet, wenn auch die Rah-
menbedingungen eines marktradikalen Agrarleitbildes
ihnen die Spielräume zum Handeln immer mehr verengt.
Umso mehr muss aber gelten: kein Bauernland in Spe-
kulantenhände! Sonst wird die Durchsetzung des Boden-
schutzes noch schwieriger.

Die politischen Ziele sind klar; über die Mittel kann
man sicherlich diskutieren. Die Landwirtschaft ist einer-
seits Opfer des hohen Flächenverbrauchs; aber sie trägt
auch kräftig dazu bei. Die Frage ist durchaus berech-
tigt: Müssen Neubauten für Ställe, Silos oder Biogasan-
lagen auf noch unversiegelten Flächen im Außenbereich
gebaut werden? Wir haben in Deutschland bereits Stall-
kapazitäten für rund 13 Millionen Rinder, 27 Millionen
Schweine und knapp 130 Millionen Stück Geflügel. Na-
hezu überall deckt die Erzeugung mehr als den einhei-

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(C (D ischen Bedarf. Zudem konzentriert sich die Tierhalung immer mehr in bestimmten Regionen, zum Beispiel n Niedersachsen oder NRW. Verstärkt werden dort Flähen für Stallneubauten beansprucht, und zusätzlich ird Boden durch hohes regionales Gülleaufkommen elastet. In Ostdeutschland dagegen decken die Viehichten oft nicht den regionalen Bedarf an Wirtschaftsünger. Standortgerechte Tierhaltungsdichten gehören lso zu einem Bodenschutzmanagement. Manchmal wird heute auf dem Altar des Weltmarktes llzu leichtfertig das landwirtschaftliche Privileg des auens im Außenbereich überstrapaziert. Dabei stehen ie vielen geplanten Großanlagen für Millionen Hähnhen, Hunderttausende Schweine oder Tausende Ziegen u Recht besonders in der Kritik. Kein Wunder, dass unerdessen die Privilegierung der Landwirtschaft nach 35 Baugesetzbuch infrage gestellt wird. Wir Linke sind war nach wie vor der Meinung, dass das Problem aners als über das Baurecht geregelt werden muss, aber m Ende verspielt die Agrarwirtschaft selbst dieses Priileg durch überzogene, in der Gesellschaft nicht akzepierte Vorhaben. Wer das Thema Bodenschutz ernst immt, muss jetzt radikal umdenken. Das heißt, bei jeder mnutzung landwirtschaftlicher Flächen ist die Notendigkeit konsequent zu hinterfragen und sind alterna iv Entsiegelungsoptionen ernsthaft zu prüfen. Natürlich üssen veraltete Stallanlagen irgendwann ersetzt weren, aber warum immer als Neubau auf unversiegelten lächen? Fazit: der Flächenverbrauch muss radikal reduziert erden. Bodenschutz geht uns alle an. Neben der politi chen Stärkung auf europäischer Ebene ist eine konseuente Umsetzung des Bodenschutzes im eigenen Land onnöten. Die europäische Umweltpolitik weist in den letzten ahren manchen Erfolg auf: Der Schutz der Umweltmeien Luft und Wasser beispielsweise ist europaweit umassend und einheitlich geregelt. Davon profitieren wir lle. Es gibt aber ein Umweltmedium, bei dem alle Veruche einer europaweiten Regelung bisher gescheitert ind: den Boden. Daran ist die deutsche Bundesregieung nicht unschuldig. Die Kanzlerin der Großen Koaliion, Dr. Angela Merkel, trägt die Verantwortung dafür, ie hat Seit’ an Seit’ mit Präsident Sarkozy die fast ferige Bodenschutzrichtlinie 2007 scheitern lassen. Der Schutz von Europas Böden ist umwelt-, klimand nicht zuletzt wirtschaftspolitisch von hoher Bedeuung. Ihre vielfältigen Funktionen sind elementar für ensch und Umwelt. Am Sonntag begehen wir zum eunten Mal den Internationalen Tag des Bodens; aber edauerlicherweise gibt es nicht viel zu feiern. Die Zutände der europäischen Böden verschlechtern sich koninuierlich und die Flächenversiegelung nimmt stetig zu, n Deutschland derzeit um circa 90 Hektar am Tag. chadstoffbelastungen, Bodenverdichtung, Erosionen urch Windund Wasser, abnehmender Humusgehalt, eines dieser Probleme haben wir bisher erfolgreich anegangen. Wir brauchen hier endlich Erfolge. Dazu 8706 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 Dr. Kirsten Tackmann gebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 78. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 2. Dezember 2010 8707 Dorothea Steiner )

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1707838100

(A) (C)


möchten wir mit unserem heutigen Antrag einen Anstoß
geben. Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich zu
handeln und sich für ein umfassendes europäisches Bo-
denschutzrecht einzusetzen.

Aus Reihen der CDU und FDP hört man häufig, eine
europäische Regelung habe keine positiven Auswirkun-
gen. In Deutschland habe man doch schon ein umfassen-

Zerstörte Böden in unseren Nachbarländern wirken sich

den muss, lese ich die Forderungen in unserem Antrag
noch einmal vor: „Wir fordern die Bundesregierung auf,
ihre Blockadehaltung bei der Schaffung eines umfassen-
den europäischen Bodenschutzrechtes aufzugeben und
sich innerhalb der europäischen Union für eine sofor-
tige Wiederaufnahme der Verhandlungen zur Boden-
schutzrahmenrichtlinie einzusetzen; Wir fordern Frau
Merkel auf, sich innerhalb weiterer Verhandlungen für

auch als Mindeststandard auf der Ebene der Europäi-
aus, und das grenzüberschreitend. Aber wenn schon die
Umweltschutzargumente ihnen nicht einleuchten, dann
vielleicht die wirtschaftspolitischen. Für die Wettbe-
werbsfähigkeit deutscher Unternehmen kann es doch
nur von Vorteil sein, wenn der deutsche Bodenschutz-
standard europaweit gilt und ein Umweltdumping ver-
hindert wird.

Die Abgeordneten der CDU/CSU mögen unseren An-
trag ablehnen; aber dass sie ihn schon vor der Einbrin-
gung in der Presse kommentieren, zeigt ja, wie auch ih-
nen das Thema unter den Nägeln brennt. Nur leider,
Herr Götz, scheinen Sie den Antrag nicht sehr genau ge-
lesen zu haben. Mir jedenfalls ist bis heute unklar, wie
Sie zu der Behauptung kommen, dass mit unserem An-
trag die deutschen Kommunen um 273 Millionen Euro
jährlich belastet würden. Ich habe dazu ja bei Ihnen an-
gefragt; aber Ihre Antwort half mir auch nicht weiter.
Sie verwiesen auf ein Gutachten zu den Kosten des
EU-Vorschlages für eine Bodenschutzrichtlinie von
2006. Dieses Gutachten habe ich mir dann – auch wenn
der Antrag alles fordert, nur nicht die sofortige Umset-
zung des Kommissionsvorschlags von 2006 – natürlich
einmal angeschaut. Ich war doch enttäuscht über die
Undifferenziertheit der Analyse. Ihre angebliche Kos-
tenabschätzung ist wirklich sehr zweifelhaft. Die Auto-
ren selbst geben zu, es sei eine grobe Schätzung, die re-
alen Kosten würden nicht einmal ansatzweise abgebil-
det. Dass die wirklichen Kosten massiv von der Ausge-
staltung der nationalen Umsetzung abhängen, räumen
Sie selbst ein. Meine Schlussfolgerung: Was Sie mit Ih-
ren öffentlichen Äußerungen betreiben, ist billige Pole-
mik, aber keine ernsthafte politische Auseinanderset-
zung. Ich vermute, Sie haben unseren Antrag nicht ein-
mal vollständig gelesen, behaupten aber ohne jede Fak-
tenbasis, er sei unsinnig und teuer.

Damit man sich nicht auf Grundlage der irrenführen-
den Einschätzungen des Herrn Götz eine Meinung bil-

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ich die Bundesregierung innerhalb weiterer Verhand-
ungen für eine EU-Bodenschutzrahmenrichtlinie dafür
insetzt, dass endlich verbindliche Ziele und klare Bo-
enschutzstandards festgelegt werden.“

Um ihre Bedenken ernst zu nehmen, Herr Götz, sollte
an vielleicht noch hinzufügen, dass die Bundesregie-

ung sich dafür einsetzen sollte, dass auf europäischer
bene über den deutschen Standard hinausgegangen
ird. Dann brächte die Richtlinie auch Verbesserungen

ür den deutschen Bodenschutz. Wir sind gerne dabei,
enn sie einen entsprechenden Änderungsantrag stel-

en. Natürlich unterstützen wir sie auch darin, die Bun-
esregierung aufzufordern, bei den Verhandlungen auf
U-Ebene sicherzustellen, dass die Kommunen nicht
inseitig belastet werden. Ich hoffe, vor diesem Hinter-
rund können auch Sie, Herr Götz, noch einmal über
hre Einschätzung unseres Antrages nachdenken und
ich gemeinsam mit uns für mehr Bodenschutz in Europa
insetzen. Diesen nämlich brauchen wir dringend.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1707838200

Auch hier wird interfraktionell die Überweisung der

orlage auf Drucksache 17/3855 an die in der Tagesord-
ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Ich
ehe, auch damit sind Sie einverstanden. Dann ist die
berweisung so beschlossen.

Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung. Ich bedanke mich sehr herzlich, dass Sie so
ange ausgeharrt haben.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Freitag, 3. Dezember 2010, 9 Uhr,
in.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und schließe
ie Sitzung.