Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-zung ist eröffnet.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Strategie zur digitalen Zu-kunft Deutschlands.Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Berichthat der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie,Rainer Brüderle.Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft undTechnologie:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei derIKT, der Informations- und Kommunikationstechnolo-gie, handelt es sich um ein Querschnittswissen, das alleSektoren der Wirtschaft und der Gesellschaft umfasst.Die in der IKT-Branche tätigen Unternehmen erzielen inDeutschland einen Umsatz von 140 Milliarden Euro imJahr. Rund 850 000 Beschäftigte sind in der IKT-Bran-che tätig. Hinzu kommen weitere 650 000 IKT-Spezia-listen, die diese Technologie in den Unternehmen selbstanwenden.Mnnemv9sswAeeJssddredRedetDie IKT hilft uns, die großen Herausforderungen zumeistern. Die Informations- und Kommunikationstech-nologie bringt uns zum Beispiel in der Medizin weit vo-ran. So ist etwa die Lasertechnik in der Chirurgie nichtmehr wegzudenken. Die IKT bietet auch Lösungen imEnergiebereich. Zum Beispiel lassen intelligente Strom-zähler die Waschmaschine erst dann laufen, wenn derStrom günstig ist.Die IKT ist besonders gefragt, wenn es um die Zukunftdes Wirtschaftsstandorts Deutschland geht; denn sie istein wichtiger Innovationstreiber. Sie ist auch Treiber un-seres derzeitigen Aufschwungs. Dieser Aufschwung warzunächst der starken Nachfrage nach AutomMaschinen made in Germany zu verdanken; dviel IKT. So sind bis zu 40 Prozent der Werbei den Premiumfahrzeugen der IKT zuzurec
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ben. Diese Aufgabe haben wir zügig umgesetzt. DasBundesministerium für Wirtschaft und Technologie hattedie Federführung inne und koordiniert jetzt die Umset-zung gemeinsam mit den anderen Ressorts.Wir brauchen einen engen Schulterschluss zwischenPolitik, Wirtschaft und Wissenschaft. Der IT-Gipfel istdafür eine wichtige Plattform. Konkret geht es um sechsPunkte: Erstens geht es darum, durch die digitale Vernet-zung neues Wachstum und die Entstehung neuer Arbeits-plätze zu ermöglichen. Zweitens geht es darum, digitaleNetze auszubauen, und drittens darum, den Verbraucherim Internet zu schützen. Viertens geht es darum, For-schung und Entwicklung im IKT-Bereich voranzutrei-ben. Fünftens soll der Bereich der Aus- und Weiterbil-dung auf dem Gebiet der neuen Medien gestärkt werden.Sechstens. IKT soll noch stärker genutzt werden, wennes um die Lösung großer Probleme geht.Dreh- und Angelpunkt der digitalen Vernetzung unse-rer Wirtschaft ist eine gut ausgebaute und leistungsfä-hige Infrastruktur. Mit der Breitbandstrategie sind wirauf einem sehr guten Weg zu einer flächendeckendenVersorgung. Als Wirtschaftsminister ist es mir wichtig,zu betonen, dass Forschen, Entwickeln und Entdeckeneinzig und allein Aufgaben der Unternehmen sind. DerStaat setzt den Rahmen. Aus diesem Grund gibt es dieIKT-Strategie. Das sind die Leitlinien, die den Rahmensetzen.Ich denke insbesondere an den Verbraucherschutz.Das ist auch mir ein besonders wichtiges Anliegen. Aufdiesem Gebiet gibt es nach wie vor ein enormes Verbes-serungspotenzial. Das Bundeswirtschaftsministerium hatdieses Thema bei der Novellierung des Telekommunika-tionsgesetzes aufgegriffen.Beispiel Warteschleifen. Das kennt fast jeder von uns:ewiges Warten, Musikgedudel und am Ende eine dickeRechnung. In Zukunft soll der Kunde erst bezahlen,nachdem er tatsächlich Beratung und Hilfe bekommenhat.Ein weiteres Beispiel ist die Vertragslaufzeit. Heuteist es kaum möglich, einen Telefon- oder Internetvertragmit einer Laufzeit von weniger als zwei Jahren abzu-schließen. Dadurch ist der Wettbewerb stark einge-schränkt, zum Teil sogar fast ausgeschlossen. Das istnicht fair. Deshalb muss jeder Anbieter in Zukunft aucheinen Vertrag mit einer maximalen Laufzeit von zwölfMonaten anbieten. Dann können die Verbraucher denAnbieter schneller wechseln, was den Wettbewerb för-dert.Ein anderes Beispiel ist der Anbieterwechsel. Auchdas haben viele von uns schon erlebt: Der eine Vertragwurde gekündigt, aber der andere Vertrag ist noch nichtangelaufen; tagelang ertönt dann „Kein Anschluss unterdieser Nummer“. In Zukunft darf die Leitung für maxi-mal 24 Stunden unterbrochen sein, wenn der Anbietergewechselt wird. Der Kunde kann nicht tagelang offlinesein, nur weil er zur Konkurrenz, zu einem anderenWettbewerber, geht. Auch auf diesem Gebiet brauchenwir stärkere Impulse für einen fairen Wettbewerb.TzsessnkWWhemIdtgWdwsmEdBseSBdiBspoCzpvABdU
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Ich bitte, direkt zu antworten.
Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie:
Zunächst zu den Zahlen, die Sie nennen: Ich glaube,
dass sie letztlich wesentlich höher sein werden. Wir ha-
ben schon derzeit einen Fehlbedarf, den wir nicht decken
können: In Deutschland fehlen 65 000 Fachleute im IT-
Sektor und 36 000 Ingenieure. Nach unseren Projektio-
nen für die nächsten zehn Jahre wird dieser Fehlbedarf,
wenn wir nichts dagegen tun, auf rund 240 000 anstei-
gen.
Urheberrechtsänderungen sind jedenfalls in meinem
Geschäftsbereich nicht geplant. Das ist allerdings ein
Sektor, bei dem ich einräume, dass vieles im Fluss ist,
weil es zu neuen Strukturen kommt, sodass man noch
nicht in jeder Facette erkennen kann, wie weit es Bedarf
nach rechtlicher Anpassung gibt. Ich halte es für wichtig,
dass diejenigen, die sich neues Wissen erarbeiten, auch
einen Vorteil davon haben. Es ist wesentlich, die uralte
Diskussion „Patentschutz – ja oder nein?“ anzugehen.
Ich wiederhole: In meinem Geschäftsbereich sind solche
Überlegungen derzeit nicht aktuell. Ob andere Ressorts
etwas anderes planen, dazu kann ich nicht abschließend
Stellung nehmen.
Der Kollege Thomas Jarzombek hat das Wort.
Herr Minister! Meine Damen und Herren! Zunächst
einmal möchte ich die Regierung für den IT-Gipfel lo-
ben. Ich finde, das ist ein tolles und zukunftsweisendes
Veranstaltungsformat. Ich würde mir allerdings auch
wünschen, dass die Abgeordneten da eine größere Rolle
spielen, als das bislang der Fall gewesen ist. Daran gibt
es sehr viel Interesse.
Nun zu meiner Frage. Die Breitbandstrategie der
Bundesregierung ist sicherlich ein Erfolgsmodell, gerade
was das Abdecken der weißen Flecken im ländlichen
Raum betrifft. Insofern ist jetzt schon der geeignete Zeit-
punkt, sich die Frage zu stellen, ob man nicht noch einen
Schritt weitergehen kann.
Auf jeden Fall wird Glasfaser die Zukunft der Breit-
bandverbindungen sein. Nur damit werden auf Sicht die
Ansprüche an Breitbandverbindungen zu erfüllen sein.
Ich glaube, dass die Infrastruktur ein ganz entscheiden-
der Wirtschaftsfaktor ist. Wenn man sich hier einen Vor-
teil schaffen möchte, dann wäre es schon der richtige
Weg, zu sagen: Wir gehen voran, wir spielen eine füh-
rende Rolle nicht nur in Europa, sondern weltweit, und
wir fangen an, in jedem Gebäude Glasfaserausbau zu be-
treiben.
Sie wissen, dass in der Europäischen Union die An-
teile der Glasfaserverkabelung ausgesprochen gering
sind. Im asiatischen Raum ist dieser Anteil schon viel
höher. Insofern werden wir das sowieso irgendwann ma-
chen müssen. Wenn wir zu spät kommen, haben wir aber
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Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft undTechnologie:Sie sind völlig zutreffend informiert; genau so ist derStand. Bei den Verhandlungen zwischen Bundesfinanz-ministerium und Ländern gibt es – das haben Sie richtigskizziert – Disparitäten. Eine Lösung ist noch nichtgreifbar; man liegt weit auseinander. Ursprünglich betru-gen die Forderungen der Länder, wenn ich es richtig imKopf habe, sogar über 1 Milliarde Euro. Die Angebotevom Finanzministerium liegen in einer Größenordnungvon etwas über 100 Millionen Euro. Meines Wissenssind in der letzten Zeit weitere Sondierungen erfolgt;aber es gibt noch keine abschließende Lösung.Es gibt die Zusage des Bundes, für die Kosten derUmstellung aufzukommen. Die Freigabe dieser Fre-quenzen hatte die Basis für die Versteigerung geschaf-fen. Die Erfahrung zeigt, dass der Föderalismus zu Lö-sungen fähig ist. Aber die Erfahrung zeigt auch, dassdergleichen geraume Zeit dauert. Ich glaube, diese Zeitist noch nicht abgelaufen.
Das Fragerecht hat jetzt die Kollegin Tabea Rößner.
Vielen Dank. – Herr Brüderle, Sie kommen ja aus
dem gleichen Bundesland wie ich. Deshalb kennen auch
Sie die dortigen Diskussionen über den Breitbandan-
schluss. Es gibt bei diesem Thema sehr widersprüchliche
Angaben. Ein Referent aus Ihrem Haus hat im Unteraus-
schuss Neue Medien gesagt, dass es praktisch keine wei-
ßen Flecken, also Gebiete in Deutschland ohne schnellen
Internetanschluss, mehr gebe und dass man fast überall
zu einer Versorgung mit bis zu 40 Mbit/s komme. Dem
widerspricht unsere Erfahrung aus Rheinland-Pfalz. Im
Rhein-Lahn-Kreis sind 23 Gemeinden nicht angeschlos-
sen. In Schleswig-Holstein sind 800 Gemeinden mit je-
weils um die 1 100 Einwohnern nicht versorgt. Wenn ich
meine Familie betrachte, komme ich zu dem Ergebnis,
dass 40 Prozent keinen Breitbandanschluss haben. Die
tatsächlichen Zahlen sind also andere. Auch die OECD
kommt in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass Deutsch-
land weit hinter Ländern wie Dänemark, Frankreich und
Luxemburg zurückliegt. Deutschland liegt mit einer
Breitbandversorgung von 23,7 Prozent im Mittelfeld;
der Anteil an Glasfaserverbindungen liegt in Deutsch-
land bei 1 Prozent.
Ich frage Sie: Wie definieren Sie die weißen Flecken?
Wie kann man verlässliche Daten bekommen? Der
Breitbandatlas scheint nicht das richtige Instrument zu
sein, um verlässliche Daten zu bekommen. Vor allen
Dingen: Welche Fördermittel setzen Sie an und wie ge-
hen Sie regulatorisch vor, um den Breitbandausbau vo-
ranzubringen und Ihr Ziel, das sehr niedrig gesteckt ist,
zu erreichen? Was halten Sie von dem Instrument Uni-
versaldienstverpflichtung, worüber jetzt auf europäi-
scher Ebene diskutiert wird?
Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie:
Frau Kollegin, wir haben den Vorzug, nicht nur aus
dem gleichen Bundesland, sondern sogar aus der glei-
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Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Bundesminister,ielen Dank für Ihren Bericht. Ich habe zwei Fragen.eine erste Frage betrifft den Bereich „Cloud Com-uting und Smart Metering“. Dazu heißt es in der IT-trategie, soweit sie mir bekannt ist, etwas vage:Die Bundesregierung strebt an, die Entwicklungund Einführung zu beschleunigen. Gerade mittel-ständische Unternehmen und der öffentliche Sektorsollen frühzeitig von den Chancen profitieren.rundsätzlich stimme ich zu, dass beide Aspekte, Cloudomputing und Smart Metering, Chancen bieten, gerade
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Dr. Konstantin von Notz
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unter ökologischen Gesichtspunkten. Aber im Bereichdes Datenschutzes gibt es erhebliche Probleme. Unswürde interessieren, ob es schon Ansätze für eine Kon-kretisierung hinsichtlich der datenschutzrechtlichen undletztlich auch bezüglich der sicherheitstechnischen Pro-bleme der Unternehmen gibt.Meine zweite Frage betrifft die Netzneutralität, dieSie angesprochen haben. Auch unserer Meinung nach istdieses Thema sehr wichtig. Ich frage Sie: Wie will dieBundesregierung die Netzneutralität, die sie als wichtigeGrundlage des Netzes betrachtet, ganz konkret schützen,gerade angesichts der derzeitigen Bestrebungen vonsei-ten der Wirtschaft – ich formuliere es etwas zugespitzt –,die Netzneutralität aufzubohren?Herzlichen Dank.Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft undTechnologie:Zunächst zum Cloud Computing. Die Idee dahinterist, dass man Computerkapazitäten auslagert und quasigemeinschaftlich nutzt und dadurch Energie einspart.Durch den Einsatz von Computern wird nämlich sehrviel Energie verbraucht. Dieses Thema ist ein Schwer-punkt der Mittelstandsstrategie, weil man insbesonderekleinen Betrieben, wenn sie ihre Computerkapazitätenauslagern und quasi gemeinschaftlich nutzen, einen we-sentlich kostengünstigeren Zugang ermöglicht.Dies ist mit Blick auf die industrielle Entwicklung mitder Erfindung des Elektromotors vergleichbar. Währendes früher die großen Einheiten der Dampfmaschinengab, kann man sich heute dank der IKT-Möglichkeitenähnlich wie ein Großbetrieb in kleinsten Einheiten Infor-mationswissen und Nutzungsmöglichkeiten erschließen.Dies ist im Hinblick auf die gesamte Mittelstandsförde-rung eine große strategische Chance. Wir wollen diesesThema anpacken, sowohl aus Gründen der Energieein-sparung als auch aus Gründen der besseren Nutzung undeiner kostengünstigeren Regelung. Die Datenschutzre-gelungen wurden noch nicht abschließend getroffen.Deshalb beschäftigt sich auch eine der Arbeitsgruppenfür den IT-Gipfel mit diesen Problemen. Das Ganze,auch die rechtlichen Regelungen, ist Neuland.Das alles sind keine einfachen Fragen. Einerseitsbraucht man Sicherheit, andererseits darf die Regelungnicht so eng gefasst sein, dass der Einsatz von neuentechnologischen Möglichkeiten entscheidend behindertwird. In diesem Spannungsfeld befinden wir uns. Ich be-sitze die Patente so wenig wie die beteiligten Juristen,wobei es allerdings nur wenige gibt, die entsprechendeErfahrungen haben.Smart Grid bedeutet, dass man aus den Stromnetzenintelligente Steuerungsbereiche macht, sodass präziseAbrechnungen erstellt werden können. Auch das ist aufdem Weg. Wir haben Musterhäuser, mit denen wir daspräsentieren. Seit einigen Monaten zeigen wir in Latein-amerika – die Reise führt durch 18 Staaten – ein Modell-haus, Casa Alemana, mit dem wir die modernsten Ener-giespar- und Nutzungsmöglichkeiten darstellen, um fürunsere Hersteller zu werben und Anwendungsmöglich-kFstsmrgGbWhgDmteeshswfsPdIBFtfsnhnDzgmgduHawD
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tenkarte aus Datenschutzgründen kritisiert haben, wes-wegen wir ein neues, besseres und sichereres Verfahrenfür den Abgleich der Versichertenstammdaten brauchen.Einen großen Vorteil der so modifizierten elektroni-schen Gesundheitskarte sehen wir darin, dass der Miss-brauch mit Krankenversichertenkarten, den es inDeutschland heute leider gibt und der der Solidarge-meinschaft der gesetzlich Krankenversicherten schadet,dadurch eingedämmt wird, dass die Versichertenstamm-daten auch online besser abgeglichen werden können. Esgeht hier um den Versichertenstatus, um das Geschlechtusw., also um die Daten, die schon heute auf der Kran-kenversichertenkarte gespeichert sind.Gleichzeitig sollen zwei weitere Anwendungen auf-gebaut werden, etwa eine sichere Arzt-zu-Arzt-Kommu-nikation. Wir erfahren heute immer wieder von Fällen,in denen niedergelassene Ärzte Befunde oder andere In-formationen per Fax an andere niedergelassene Ärzteweitergeleitet haben. Das ist aus Datenschutzgesichts-punkten nicht korrekt. Wir brauchen eine sichere Arzt-zu-Arzt-Kommunikation. Diese Kommunikation soll imZuge der Einführung der elektronischen Gesundheits-karte verbessert werden. Ferner ist der Aufbau einesNotfalldatensatzes geplant, der – auf freiwilliger Basis –auf der Karte gespeichert werden kann.Wir haben uns auf die drei Projekte beschränkt, diekurzfristig sinnvoll umzusetzen sind. All das, was vonvielen kritisch gesehen wurde – Sie haben die Verbrau-cherschutzorganisationen, Selbsthilfeorganisationen undviele andere angesprochen; viele im Bundestag sehen esähnlich –, nämlich die Sammlung und Speicherung vonmedizinischen Daten, Stichwort „elektronisches Re-zept“, wird nach dem aktuellen Plan zur elektronischenGesundheitskarte nicht umgesetzt. Es ist auf Eis gelegt;bisher plant die Bundesregierung nicht die Umsetzung.Das Vorhaben wird vielmehr auf die drei Projekte be-schränkt, die ich eben dargestellt habe.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Wir kommen zur
Frage des Kollegen Lars Klingbeil.
Meine Frage bezieht sich auf das Leistungsschutz-
recht, das Teil der Berliner Reden war und somit auch in
die Internetstrategie der Bundesregierung eingehen wird.
Davon gehe ich jedenfalls aus. Herr Minister, es gibt ei-
nen großen Konflikt zwischen den Verlagen auf der ei-
nen Seite und der Internetwirtschaft und dem BDI auf
der anderen Seite. Dazu interessiert mich explizit die
Position Ihres Hauses. So gerne ich Herrn Stadler dazu
höre, interessiert es mich auch, mit welchen Positionen
das Wirtschaftsministerium in die Verhandlungen geht.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie etwas dazu sagen
könnten.
Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie:
Ich kann glücklicherweise berichten, dass wir intensiv
miteinander im Gespräch sind. Die Gespräche sind noch
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stärker wir vernetzt sind, umso schwieriger wird es, mitnationalen Ansätzen Monopolisierung zu verhindern.
Die nächste Frage stellt die Kollegin Tabea Rößner.
Vielen Dank, Herr Brüderle, dass ich noch einmal
zum Breitbandausbau nachfragen darf. Sie sprachen
eben Fördermittel bzw. -programme an. Die Bundesre-
gierung hat ihr selbst gestecktes Ziel, bis 2010 Internet-
anschlüsse mit einer Übertragungsrate von mindestens
1 Megabit pro Sekunde flächendeckend anzubieten,
nicht erreicht. Die eingesetzten Fördermittel sind also
nicht an der richtigen Stelle angekommen. Offenbar sind
überhaupt nur 25 Prozent der bereitgestellten Fördermit-
tel abgeflossen. Man muss diese Förderprogramme also
generell infrage stellen.
Ich wüsste gerne von Ihnen, wie Sie sicherstellen
wollen, dass die aufgelegten Programme auch tatsäch-
lich wirken und einen nachhaltigen Ausbau des Breit-
bandnetzes sowie eine bessere Versorgung gewährleis-
ten.
Ich will noch einmal auf meine Frage zu der Möglich-
keit einer Universaldienstverpflichtung zurückkommen,
die Sie mir eben nicht beantwortet haben. Eine Univer-
saldienstverpflichtung würde bedeuten, dass es einen
rechtlichen Anspruch auf einen Breitbandanschluss
– ähnlich wie es beim Telefonanschluss und bei der
Postzustellung der Fall ist – gibt; das wird auch auf euro-
päischer Ebene diskutiert. Ist das nicht auch eine Mög-
lichkeit, um den Breitbandausbau voranzubringen?
Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie:
Zunächst sehe ich unser Ziel mit einer Quote von
98,5 Prozent als erreicht an. Bei einem so breiten Ansatz
bewegen die fehlenden 1,5 Prozentpunkte sich im Be-
reich von Schwankungen, die man nicht völlig aus-
schließen kann.
Ich habe die exakten Abrufbeträge für die Haushaltsstel-
len zwar nicht im Kopf. Im Interesse der Steuerzahler
freue ich mich aber immer, wenn wir Geld nicht verbrau-
chen; denn die Menschen, die Steuern zahlen, arbeiten
hart dafür. Wenn es uns gelingt, unser Ziel mit weniger
Mitteln, als ursprünglich veranschlagt waren, zu errei-
chen, dann ist das für mich ein Anlass zur Freude, nicht
zum Beklagen. Ich überlege mir dann nicht, wie ich das
Geld noch verbrauchen kann – verfalle also nicht in das
sogenannte Dezemberfieber –, sondern freue mich da-
rüber, wenn das Ziel mit weniger Geld erreicht werden
kann. Ich kann das jetzt allerdings weder bestätigen noch
widerlegen, da ich die Zahl nicht zur Hand habe.
Die Frage nach der Notwendigkeit eines entsprechen-
den Universaldienstes stellt sich eigentlich nicht mehr,
wenn man das Ausbauziel mit einer Quote von 98,5 Pro-
zent bereits erreicht hat. Hinsichtlich der restlichen
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zungen der Europäischen Kommission über 50 Prozentunserer Produktivitätsfortschritte auf diesem Sektor ba-sieren. Ich nenne als Beispiel SAP. Das ist eine erfolgrei-che deutsche Firma, wobei man allerdings einräumenmuss, dass sich die Arbeitsplätze größtenteils außerhalbvon Deutschland befinden. Aber immerhin sind die Kon-zernzentrale und die Schaltstellen in Deutschland. Dasist auch gut so. Es gibt eine breite Welle von Existenz-gründungen. Wir setzen dabei besonders auf die Aus-gründungen aus den Hochschulen und Technologiezen-tren, wo die neuen Ideen entstehen. Wir haben allerdingsauch das Phänomen, dass es oft einen Hype gibt, sicheine Idee durchsetzt, dann aber ein anderer eine nochbessere Idee hat. Das bedeutet, dass das Verfallsdatumvon Ideen relativ kurz ist. Das gesamte Spektrum derExistenzgründungsprogramme – ich nenne die KfW-Programme und das Zentrale Innovationsprogramm Mit-telstand, ZIM, das sehr segensreich in diesem Sektorwirkt – bleibt voll erhalten.Eines halte ich für wichtig, und deswegen sind auchder IT-Gipfel und entsprechende Debatten, auch wenn esso kleine wie jetzt hier im Plenum sind, so wichtig: Wirmüssen die Akzeptanz dieser Technologien fördern. Mirmacht Sorge, dass kleine Betriebe – das sehe ich hierund da beim Einzelhandel – oft noch eine gewisseHemmschwelle haben, sich in diesen neuen Sektoren zuengagieren, obwohl ihnen dieses Engagement – ich habedas vorhin am Beispiel des Elektromotors erläutert – ei-nen Ausgleich der größenbedingten Nachteile, die kleineUnternehmen haben, ermöglicht. Es ist wichtig, eine po-sitive Einstellung zu erzeugen. Wer einmal im Lebenverliebt war, weiß: Der Mensch ist nicht nur rational.Wir brauchen neben den Fakten und neben der Technikauch eine emotionale Komponente, die Motivation, dieneuen Chancen zu ergreifen. Das versuche ich im Rah-men unserer Aktivitäten einzubauen. Angesichts der ho-hen Wachstumsraten, die wir in diesem Sektor haben,habe ich den Eindruck, dass das nicht erfolglos ist.
Gibt es weitere Fragen zu den Themen der heutigen
Kabinettssitzung? – Das ist nicht der Fall. Gibt es da-
rüber hinausgehende Fragen? – Auch das ist nicht der
Fall. Dann beende ich die Regierungsbefragung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksachen 17/3619, 17/3635 –
Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10 der
Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen
auf.
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht
der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Christoph
Bergner zur Verfügung.
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Bitte, Herr Bergner.
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Herr Kollege Wieland, ich beantworte Ihre Frage wie
olgt: Auf Vorschlag des Bundesministers des Innern hat
er Rat der Innenminister am 8. November 2010 be-
chlossen, eine hochrangige Arbeitsgruppe der EU-Mit-
liedstaaten unter Einbindung der Verkehrs- und Innen-
xperten einzurichten, die bis zum 2. Dezember 2010
emeinsam mit der EU-Kommission unter Berücksichti-
ung des Fünf-Punkte-Katalogs konkrete Vorschläge für
ine Verbesserung der Luftfrachtsicherheit unterbreiten
oll. Im Rahmen dieser Arbeitsgruppe wird selbstver-
tändlich auch erörtert werden, inwieweit die bestehen-
en Regelungen für die Kontrolle von Fracht, die in Pas-
agierflugzeugen transportiert wird, angepasst werden
üssen.
Zusatzfrage? – Das ist der Fall.
Herr Staatssekretär, ich hatte auch danach gefragt, ob
ie Bundesregierung der Ansicht ist, dass das Postulat
es Art. 23 Abs. 2 unseres Grundgesetzes, wonach der
undestag umfassend und schnellstmöglich – ich wie-
erhole: schnellstmöglich – über Angelegenheiten der
uropäischen Union zu unterrichten ist, erfüllt wird,
enn man Informationen über den Fünf-Punkte-Katalog
unächst in der Bild am Sonntag zu lesen bekommt.
Ist das der Kommunikationsweg der Bundesregie-
ung, und meint der Bundesinnenminister, nachdem sich
ie Kanzlerin, wie man las, beschwert hat, dass sie nicht
echtzeitig informiert werde, dass eine Art Gleichbe-
andlung im Unrecht stattzufinden habe, nach dem
otto: Wenn ich schon die Kanzlerin nicht rechtzeitig
nformiere, dann den Bundestag erst recht nicht?
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Herr Kollege Wieland, Sie kommen aus einer Innen-usschusssitzung, in der Ihnen der Bundesminister desnnern für über eine Stunde zur Berichterstattung zumachverhalt zur Verfügung gestanden hat.
nsofern lässt sich allein aus diesem Sachverhalt ablei-en, dass sich der Bundesinnenminister seiner Informa-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010 7527
Parl. Staatssekretär Dr. Christoph Bergner
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tions- und Berichtspflichten gegenüber dem Parlamentbewusst ist und dass er ihnen nachkommen will.
Außerdem möchte ich darauf aufmerksam machen,dass wir den Umgang mit einer akuten Bedrohungslagezu bewältigen hatten und dass angesichts dieser akutenBedrohungslage erstens kurzfristiges Handeln der Bun-desregierung erforderlich war – dies ist mit der entspre-chenden Vorlage für die EU-Innenminister geschehen –und zweitens auch das Bedürfnis der Öffentlichkeit nachentsprechenden Informationen über das Verhalten derBundesregierung kurzfristig befriedigt werden musste.Sie wissen, dass es zur Philosophie unseres Bundes-innenministers gehört, keine Panik zu machen. Abergerade weil dies zu seiner Philosophie gehört, ist es er-forderlich, dass sachliche Mitteilungen und sachliche In-formationen über das Handeln der Bundesregierung zeit-nah erfolgen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Meine Rüge war, dass gar nichts erfolgte. Nun ja, Bild
am Sonntag ist dann das sachliche Informationsbulletin.
Meine Frage lautet, Herr Staatssekretär: Sieht die
Bundesregierung nicht, dass gerade bei der Frage der
Beiladung von Luftfracht in Passagiermaschinen ein be-
sonders schneller Handlungsbedarf besteht, zumal wenn
diese Beiladung in der Bundesrepublik geschieht, und
wäre es nicht richtig, dass man, bevor man die anderen
Maßnahmen, die Sie angesprochen haben – die ich nicht
für sinnlos halte –, irgendwann einmal auf der Zeit-
schiene ergreift, jetzt sofort sagt: Wir führen einen ein-
heitlichen Standard bei der Durchsuchung des Gepäcks
der Passagiere und der zugeladenen Luftfracht ein?
Denn wie wollen Sie in Zukunft noch erklären, dass der
Passagier seine Zahnpasta in eine durchsichtige Hülle
packen muss, dass er Wunderkerzen und Ähnliches aus
seinem Koffer herausnehmen muss, während er weiß,
dass gleichzeitig quasi unkontrollierte Luftfracht in sei-
ner Maschine mittransportiert wird?
– Nein.
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Herr Kollege Wieland, zunächst will ich noch einmal
zurückweisen, der Bundesinnenminister habe das Parla-
ment gewissermaßen qua Bild am Sonntag informiert.
Sonst hätte heute diese Ausschusssitzung nicht stattge-
funden. Er hat, was diese Ausschusssitzung angeht, von
Anfang an seine Bereitschaft erklärt und sogar den
Wunsch geäußert, persönlich Rede und Antwort zu ste-
hen, weil dies naturgemäß auch sehr stark durch sein
persönliches Handeln und durch seine persönlichen Ini-
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Jetzt hat der Kollege Christian Ströbele den Wunsch
ach einer weiteren Frage. Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, dies treibt mich nun wirklich zu
iner ganz entscheidenden Frage. Sie haben gerade eben
rklärt und noch einmal betont – ich habe ebenfalls an
erschiedenen Sitzungen teilgenommen, in denen infor-
iert worden ist, und kann das, was Sie hier gesagt
aben, bestätigen –, dass eine erhebliche konkrete Ge-
ährdungssituation vorhanden war. Ich stelle fest: Diese
onkrete Gefährdungssituation ist in Deutschland nach
ie vor täglich bei Hunderten von Flugzeugen gegeben.
Ich frage Sie jetzt: Was hat die Bundesregierung an
onkreten Maßnahmen ergriffen – nicht mit Wirkung ab
. Dezember oder ab Januar oder so, sondern ab vorges-
ern oder ab letztem Sonntag –, um diese Gefahr zu be-
eitigen oder mindestens entscheidend zu minimieren?
ie werden mir doch recht geben: Nach wie vor werden
eden Tag Tausende von Päckchen und Paketen – das
eht von Blumen bis zu technischen Geräten aller Art; es
andelt sich auch um solche technischen Geräte, um die
s bei den Paketen aus dem Jemen ging – in Flugzeuge
it Passagieren geladen. Was hat die Bundesregierung
lso veranlasst, damit das so kontrolliert wird, dass wir
ns einigermaßen sicher in ein Flugzeug setzen können
n dem Wissen: „Alles ist kontrolliert worden“?
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Herr Kollege Ströbele, Sie beziehen sich in der Be-ichterstattung richtigerweise auf Gremien; die entspre-henden Berichte können wir hier nicht öffentlich be-andeln. Sie werden aus dieser Berichterstattung wissen,ass gerade in dem Bereich einiges geschehen ist bzw.ass die entscheidenden Aufklärungsinformationen ins-esondere aus dem Bereich der Dienste gekommen sindnd dass hier eine besondere Aufmerksamkeit herrscht.Zweiter Punkt. Ich mache auf das entsprechende Ver-ot von Lieferungen aus dem Jemen aufmerksam; dortst das Risiko in der Tat am größten. Ich mache auf die
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Parl. Staatssekretär Dr. Christoph Bergner
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Gründung des interministeriellen Arbeitsstabes aufmerk-sam. Bereits morgen wird er wieder zusammenkommen.Übermorgen wird eine Unterredung mit den Luftfracht-unternehmen stattfinden. Die sonstige Politik ist natür-lich darauf gerichtet, dass dem Problem bereits im Rah-men der bestehenden Möglichkeiten und Strukturen eineerhöhte Aufmerksamkeit zuteil wird.Wenn Sie den Bericht des Innenministers heute gehörthätten – Sie sind ja nicht Mitglied des Innenausschusses –,wüssten Sie, dass es hier auch um Koordinierung ging.Deshalb war der Innenministerrat der EU so außer-ordentlich wichtig. Die Maßnahmen können allein mitden Möglichkeiten der Bundesrepublik Deutschlandnicht befriedigend umgesetzt werden.
Der Kollege Michael Hartmann hat eine weitere
Frage.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, ich
kann Ihnen auch aus der Kenntnis von Informationen, die
in anderen Gremien seitens der Bundesregierung dankens-
werterweise geliefert wurden, bestätigen, dass unsere
Sicherheitsorgane tatsächlich zeitnah, adäquat und profes-
sionell agiert und reagiert haben. Allerdings müssen ei-
nem Zweifel kommen, was die professionelle Kommu-
nikation in so relevanten Sicherheitsfragen innerhalb der
Bundesregierung anbelangt.
Glauben Sie, dass sich da alles auf der Höhe der Zeit
befindet, wenn – das war so der Presse zu entnehmen –
die Bundeskanzlerin mitteilen lässt, dass sie von Herrn
Cameron über eine Sicherheitslage unterrichtet wurde,
die unser Land und Großbritannien betrifft? Warum war
die Kanzlerin nicht rechtzeitig durch den Bundesinnen-
minister über die Sicherheitslage, die jetzt in aller
Munde ist, unterrichtet worden?
D
Ich glaube, dass sich der Sachverhalt inzwischen doch
hinreichend aufgeklärt hat. Sie wissen, dass die Nach-
richt erst eingegangen ist, als die Sendung den deutschen
Flughafen schon verlassen hatte, zu einem Zeitpunkt, als
die Bundeskanzlerin sich schon auf der Reise befand. Im
Übrigen legen wir Wert darauf, dass die Bundeskanzle-
rin selbst durch diese Situation nie gefährdet war.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Es gibt aber noch
eine weitere Frage, und zwar durch den Kollegen
Winkler. Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, ich
wollte noch einmal nachfragen: Ist die Bundesregierung,
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ch mache auf die Sondersituation aufmerksam.
Bisher sind ja noch keine entsprechenden Entschei-
ungen getroffen worden. Es handelte sich ja zunächst
m einen Verfahrensvorschlag für eine Behandlung die-
es Themas auf europäischer Ebene. Insofern können
itwirkungsfragen bei dieser Betrachtung außen vor ge-
assen werden.
Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, dass in
er konkreten Situation, in der es ja nicht nur ein Lage-
ild für den Bundesinnenminister, sondern auch entspre-
hende Berichterstattung der Medien gab, der Bundes-
nnenminister auch eine Auskunftspflicht gegenüber den
edien hat. Ich kann Ihnen versichern, dass die Wahr-
ehmung dieser Auskunftspflicht nicht in irgendeiner
onkurrenz zur Information der Parlamentarier gesehen
urde, vielmehr fand dieses Erfordernis spätestens heute
eine Erfüllung in einem ausführlichen Bericht im In-
enausschuss.
Jetzt gibt es eine weitere Frage der Kollegin
r. Barbara Hendricks.
Man hat ja den Eindruck, dass die Kommunikation iner Bild oder auch Bild am Sonntag nicht nur zur Infor-ation des Parlamentes dienen soll, sondern auch einommunikationsweg innerhalb der Regierung ist. Dasat man jedenfalls bei anderen Beispielen auch schon er-ebt.Sie, Herr Kollege, haben nun gesagt, es sei eigentlichlles in Ordnung und auch kommunikativ richtig gelau-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010 7529
Dr. Barbara Hendricks
)
)
fen. Können Sie mir erklären, warum die Bundeskanzle-rin verfügt hat, dass die Meldewege zukünftig stringen-ter und unmittelbarer gestaltet werden sollen? Das heißtdoch mit anderen Worten: Sie waren bisher wenigerstringent und unmittelbar.D
Frau Kollegin, ich würde die Situation eher so charak-
terisieren, dass das entstandene Lagebild eine besondere
Herausforderung für die interministerielle Kommunika-
tion dargestellt hat und es darauf ankam, uns dieser He-
rausforderung zu stellen. So deute ich auch den Hinweis
der Bundeskanzlerin.
Ich sage noch einmal: Es handelt sich um verschie-
dene Abstimmungsprozesse. Wir stehen beispielsweise
vor dem schwierigen Abstimmungsprozess, inwieweit
die Verantwortung für Luftsicherheitsfragen, die bisher
in die Zuständigkeit des Bundesverkehrsministeriums
fiel, zukünftig vom Bundesinnenministerium wahrge-
nommen werden kann und welche Rolle dem Zoll in die-
sem Zusammenhang zuwachsen soll. Gehen Sie bitte da-
von aus, dass mit der Einrichtung der interministeriellen
Arbeitsgruppe auch die Plattform für eine intensive
Kommunikation innerhalb der Bundesregierung gegeben
ist. Es handelte sich ja um eine besondere Herausforde-
rung. Daran besteht überhaupt kein Zweifel. Ich sehe
aber keinen Anlass zu der Deutung, dass die Kommuni-
kationswege angesichts dieser kurzfristig eingetretenen
Herausforderung als unzureichend qualifiziert werden
müssen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die nächste Frage betrifft den Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Finanzen. Es handelt sich um
die dringliche Frage 2 der Kollegin Lisa Paus:
Wann ist die Bundesregierung vom Luftfahrt-Bundesamt
und von der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft, BDZ,
über Mängel in der Personalausstattung des Zolls informiert
worden, die zu Sicherheitslücken im Luftfrachtverkehr führen
können, und welche Maßnahmen hat sie daraufhin ergriffen,
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staats-
sekretär Hartmut Koschyk zur Verfügung. – Bitte schön,
Herr Staatssekretär.
H
Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin
Paus, die Bundesregierung sieht keine Mängel bei der
Personalausstattung des Zolls; denn bereits seit dem Jahr
2009 verstärkt die Zollverwaltung prioritär die Überwa-
chungs- und Kontrolltätigkeit auf den Flughäfen, um
eine intensivierte und zielgerichtete Kontrolle des Reise-
und Warenverkehrs sicherzustellen. Die Flughafenzoll-
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7530 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
)
Eine weitere Frage hat der Kollege Wolfgang
Wieland.
He
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie sagen, die Bundesregierung sieht diese Män-
gel bei der Luftfracht nicht –
H
Was die Personalausstattung des Zolls anbelangt.
– nicht so voreilig; dieser Nachsatz sollte kommen –,
was die Personalausstattung des Zolls angeht. Weshalb
plant dann dieselbe Bundesregierung – so wurde ich
eben im Innenausschuss informiert –, im Haushalt jetzt
noch 450 zusätzliche Planstellen beim Zoll zu schaffen,
sie zwar zunächst – – Nun hören Sie doch einmal mir zu
und nicht dem Kollegen Bergner!
H
Ich höre Ihnen zu und dem Kollegen Bergner.
Bei Männern geht Multitasking meist schief. – Wa-
rum planen Sie 450 neue Planstellen, wenn es gar keinen
Personalengpass gibt? – Jetzt soll doch auch der Kollege
Bergner bitte einmal zuhören. Das geht ja hier hin und
her. Positionen stimmt man vorher ab, nicht erst im Ple-
num. – Also: Warum 450 neue Planstellen? Sie sollen
zwar zunächst gesperrt werden, aber nur weil man sehen
will, ob man möglicherweise woanders – durch Abord-
nung oder durch andere Maßnahmen – diese zusätzli-
chen Kräfte bekommen kann, und zwar zu ebendiesem
Zweck der Durchsuchung und Kontrolle der Luftfracht.
H
Sehr geehrter Herr Kollege Wieland, beim Zoll gibt
es nicht nur im Bereich der Dienststellen an den Flug-
häfen zusätzlichen Personalbedarf. Es gibt auch andere
Bereiche, in denen wir Forderungen nach mehr Personal
gegenüber dem Parlament geltend gemacht haben. Ich
nenne beispielsweise die Finanzkontrolle Schwarzarbeit.
Das heißt, die Bundesregierung ist im Dialog mit dem
Parlament ständig darum bemüht, in diesen relevanten
Bereichen des Zolls mehr Personal zu ermöglichen.
Das ist auch im Hinblick auf die Haushaltsverhand-
lungen, die noch nicht abgeschlossen sind, der Fall. Ich
kann für das Jahr 2010 nur sagen, dass das Bundes-
finanzministerium der Forderung der Zolldienststellen
an den Flughäfen nach mehr Personal vollumfänglich
nachgekommen ist.
Jetzt gibt es eine interministerielle Arbeitsgruppe, von
der der Kollege Bergner schon gesprochen hat. Wenn
sich aus den Beratungen dieser interministeriellen Ar-
beitsgruppe weiterer Personalmehrbedarf für die Bun-
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2010.
Jetzt gibt es eine Frage des Kollegen Hartmann.
Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Sie kön-
en dem Parlament bei seiner Beratung über den Haus-
alt natürlich durch klare Aussagen helfen. Die Aussage,
ass keine Sicherheitslücken beim Zoll, das Personal be-
reffend, bestehen, ist für mich nicht nachvollziehbar an-
esichts der Tatsache, dass für 2011 vorsorglich eine
eihe von Stellen angefordert wurde.
Angesichts der bekannt gewordenen Sicherheitslücken
m Bereich der Luftfracht erlaube ich mir, folgende
rage zu stellen: Ist Ihr Ressort, ist die Bundesregierung
nsgesamt bereit, hinsichtlich der Luftfrachtkontrollen
ber die Verteilung von Kompetenzen auf Zoll, Bundes-
olizei und Luftfahrt-Bundesamt neu nachzudenken? Ist
an gegebenenfalls bereit, organisatorische Veränderun-
en Ihres Ressorts zu unterstützen oder sogar zu för-
ern?
H
Herr Kollege Hartmann, Sie wissen ja, dass zurzeit in
iner sehr kompetent besetzten Arbeitsgruppe des Bun-
esinnenministeriums und des Bundesfinanzministeriums
ber die Schnittstellenproblematik, was die Zusammen-
rbeit zwischen Bundespolizei und Zoll angeht, intensiv
iskutiert wird. Selbstverständlich wird jetzt in dieser
om Kollegen Bergner schon erwähnten interministeriel-
n Arbeitsgruppe auch im Hinblick auf das Gefahren-
otenzial bei der Luftfracht intensiv darüber beraten, wie
ngesichts dieser Gefährdungslage die Zusammenarbeit
wischen den unterschiedlichen Sicherheitsbehörden
nd Institutionen weiter verbessert werden kann.
Es gibt nun eine Frage des Kollegen Josef Winkler.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,eilen Sie die Auffassung, die der Bundesminister deaizière heute im Innenausschuss geäußert hat? Er hatesagt, dass er sich zwar im Rahmen einer Geschäftsfüh-ung ohne Auftrag um diesen Bereich der Luftfrachtümmert, dass aber eigentlich dieser Bereich dem Luft-ahrt-Bundesamt und damit dem Bundesministerium fürerkehr untersteht und somit die Mängel, die jetzt er-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010 7531
Josef Philip Winkler
)
)
kannt werden, dem Bundesministerium für Verkehr, ins-besondere dem ehemaligen Bundesminister Tiefensee,zuzuordnen sind.H
Da ich an der Sitzung des Innenausschusses nicht teil-
genommen habe und diese Einlassung des Bundesinnen-
ministers nicht gehört habe, kann ich dazu keine Stel-
lung nehmen.
Herr Wieland, Sie hatten schon die Möglichkeit, eine
Frage zu stellen. Eine zusätzliche Frage kann ich leider
nicht zulassen. Das verbietet die Geschäftsordnung.
Wir sind damit am Ende der dringlichen Fragen. Jetzt
rufe ich die Fragen auf Drucksache 17/3619 in der übli-
chen Reihenfolge auf.
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung. Zur Beantwortung steht uns die Parlamen-
tarische Staatssekretärin Gudrun Kopp zur Verfügung.
Ich rufe Frage 1 der Kollegin Dr. Barbara Hendricks auf:
Welche konkreten Maßstäbe wird die Bundesregierung he-
ranziehen, um die von ihr angestrebte Wirkungssteigerung der
deutschen wirtschaftlichen Zusammenarbeit objektiv nach-
vollziehbar zu messen?
Bitte schön, Frau Kopp.
Gu
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin
Dr. Hendricks, das BMZ versteht die derzeit laufende
Vorfeldreform als einen wichtigen Baustein bei der Stei-
gerung der Effizienz der Entwicklungszusammenarbeit.
Diese Reform umfasst die Fusion der drei Organisatio-
nen GTZ, InWEnt und DED – das ist Ihnen bekannt –,
die ab Jahresbeginn eine neue Gesellschaft, die GIZ, bil-
den sollen. Im Zuge der Vorfeldreform wird zudem eine
verstärkte Ergebnisorientierung und Wirkungsmessung
angestrebt, unter anderem durch die Einrichtung eines
unabhängigen Evaluierungsinstitutes. Darüber hinaus
lassen wir unsere Effizienz im Rahmen der Erklärung
von Paris über die Wirksamkeit der Entwicklungszusam-
menarbeit messen, die mit dem Aktionsplan von Accra
aus dem Jahr 2008 umgesetzt wird. Zudem wollen wir
unsere Effizienz – um nur einige Beispiele zu nennen –
durch eine Steigerung der Kohärenz und eine Akzentuie-
rung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit erhöhen.
Ihre Zusatzfrage, Frau Hendricks.
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7532 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
)
Gu
Frau Kollegin Dr. Hendricks, ich bin besonders stolz
darauf, verkünden zu können, dass Minister Niebel und
Ministerin Aigner völlig einig darüber sind, dass schäd-
liche Agrarexportsubventionen auf EU-Ebene im Rah-
men der WTO-Verhandlungen wegzufallen haben. Wir
tun alles, um die Verhandlungen in diese Richtung zu
bringen, damit hier ein Ergebnis erzielt wird. Solche
Markteingriffe führen nämlich in den ärmsten Ländern
zu weniger Entwicklung; das ist messbar. Es gibt Krite-
rien, die die Wirksamkeit messbar machen. Seien Sie be-
züglich der Budgethilfe versichert: Mit unseren Partnern
in der EU sind wir gerade dabei, Kriterien festzulegen,
mit deren Hilfe die Wirksamkeit der Entwicklungszu-
sammenarbeit messbar wird.
Ich rufe die Frage 2 der Kollegin Hendricks auf:
Welche konkreten Implementierungsmaßnahmen plant die
Bundesregierung, um der Empfehlung der DAC Peer Review
nachzugehen, „das Bewusstsein der anderen Bundesministe-
rien für Entwicklungsfragen zu schärfen“?
Gu
Frau Kollegin Hendricks, Sie haben im Zusammen-
hang mit dem DAC Peer Review – das ist ein Prüfbe-
richt – nach den Implementierungsmaßnahmen gefragt.
Ich kann Ihnen mitteilen, dass das Bundeskabinett im
Juli die Einrichtung des Ressortkreises „Technische Zu-
sammenarbeit“ beschlossen hat, der unter Federführung
des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung stattfindet. Die erste Sitzung
fand vor wenigen Tagen, am 2. November 2010, mit
hochrangigen Vertretern aller Ressorts statt. Neben Fra-
gen zur neuen GIZ – das ist die neue Gesellschaft für In-
ternationale Zusammenarbeit – sollen in diesem Ressort-
kreis auch Fragen der Kohärenz diskutiert und das
Bewusstsein aller Ressorts für Entwicklungsfragen ge-
schärft werden. Das ist neu. Wir erhoffen uns davon eine
große Wirkung.
Mit der Einrichtung dieses Ressortkreises hat das
BMZ ein wichtiges Instrument geschaffen und eine
Empfehlung des DAC Peer Review bereits umgesetzt.
Viele weitere Instrumente sind angedacht, zum Beispiel
eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregie-
rung, wodurch die diesbezüglichen Arbeitsprozesse eva-
luiert werden können.
Frau Kollegin Hendricks, bitte.
Vor rund einem Jahr, am 20. November des Jahres
2009, hat Minister Niebel in einem FAZ-Interview davon
gesprochen, dass sich – Zitat – „tolle Synergien“ in der
Entwicklungspolitik schon dadurch ergeben würden,
dass die Ressorts unter FDP-Verantwortung enger zu-
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rau Staatssekretärin, sollten die Empfänger der Ent-
icklungshilfe nicht vorrangig hilfebedürftige Men-
chen sein und weniger Diktatoren und schwer zu kon-
rollierende Regierungen?
Gu
Selbstverständlich, Herr Kollege. Genau das ist derunkt. Ich betone noch einmal: Es ist keine wirksamentwicklungszusammenarbeit, wenn lediglich Gelder anndere Regierungen transferiert werden. Man muss sehrenau hinschauen – das sagte ich vorhin –, ob man esit einer transparenten und guten Regierungsführung zuun hat oder mit korrupten Strukturen, die zur Folge ha-en, dass Gelder für ganz andere Zwecke verwendeterden, beispielsweise für den Aufbau von Armeen, dien bestimmten unterentwickelten Ländern der Sicherunger Macht dienen. Wir müssen genau festhalten, wohinas Geld zu welchen Bedingungen fließt, und prüfen,elche Wirkung damit erzielt wird. Erst dann, glaube
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010 7533
Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp
)
)
ich, kann man den Anspruch einer wirklichen Entwick-lungszusammenarbeit erfüllen.
Vielen Dank. Wir kommen dann zur Frage 3 der Kol-
legin Dr. Bärbel Kofler:
Wie wird das Bundesministerium für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung der Aufforderung im aktuel-
len Bericht des DAC Peer Review der OECD entsprechen,
einen Stufenplan mit realistischen Jahreszielen und einem
glaubhaften Anstieg des entwicklungspolitischen Budgets
vorzulegen, um einen Anteil von 0,7 Prozent des Bruttonatio-
nalprodukts bis 2015 für Entwicklungszusammenarbeit zu er-
reichen, und welche Rolle werden dabei innovative Finanzie-
rungsinstrumente spielen?
– Das ist die Version, die mir vorliegt, und die ist ver-
bindlich.
– Ich kann jetzt nur nach der Reihenfolge vorgehen, die
mir vorliegt. Wir behandeln die Frage 3 der Kollegin
Bärbel Kofler. Sie befasst sich mit der Erreichung eines
Anteils von 0,7 Prozent des Bruttonationalprodukts für
Entwicklungszusammenarbeit. Das ist die sogenannte
ODA-Quote.
Frau Staatssekretärin, Sie haben die Möglichkeit, zu
antworten.
Gu
Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Kollegin Kofler,
die Bundesregierung wird wie bisher durch geeignete In-
strumente – wie zum Beispiel den Einsatz auch innovati-
ver Finanzierungsinstrumente – zusätzliche Mittel für
die Entwicklungsfinanzierung generieren. Beispiele
hierfür sind die Erlöse aus dem Emissionshandel und die
Beimischung von Marktmitteln, also das sogenannte
Blending. Ein ODA-Stufenplan der Bundesregierung
würde dem Budgetrecht des Parlamentes widersprechen.
Das können wir von daher nicht. Aber ich betone noch
einmal: Die Bundesregierung sieht sich ausdrücklich der
Erreichung dieses Ziels von 0,7 Prozent verpflichtet. Wir
haben dieses Ziel nach wie vor auf unserer Aktions-
agenda.
Zu einer Zusatzfrage hat Frau Kofler das Wort. Bitte.
Vielen Dank. – Die Zusatzfrage ergibt sich ganz not-
wendig. Auch ich muss die Presse zitieren; das ist ja
meistens die Quelle, in der man als Parlamentarier Infor-
mationen findet.
Minister Niebel wird in der Berliner Zeitung nach der
ODA-Quote gefragt und mit der Aussage zitiert: „Mit
diesem Haushalt schaffen wir es nicht.“ Auch aus den
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7534 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
)
tik, die der Bevölkerung in den armen Ländern mehrEntwicklung ermöglicht.
Gibt es eine weitere Zusatzfrage? – Bitte schön.
Ich entnehme den Ausführungen der Staatssekretärin
Kopp, dass sie sich für die Aufhebung der Haushalts-
sperre bei den Mitteln des Sondervermögens „Energie-
und Klimafonds“ einsetzen wird; das finde ich sehr inte-
ressant. Vielleicht können Sie mir an dieser Stelle kon-
kret sagen, ob innovative Finanzierungsinstrumente wie
die Finanztransaktionsteuer in Ihren Überlegungen eine
Rolle spielen. Man hört ja vonseiten der Bundesregie-
rung unterschiedlichste Stimmen dazu. Wird die Bun-
desregierung die Einführung einer Finanztransaktion-
steuer als innovative Finanzierungsquelle – auch zur
Bekämpfung von Armut – vorantreiben?
Gu
Frau Kollegin Kofler, Sie werden wissen, dass diese
Bundesregierung, insbesondere Kanzlerin Merkel, dafür
eingetreten ist, auf internationaler Ebene über eine sol-
che Finanzierung zu sprechen. Es gibt keinerlei Chan-
cen, in dieser Frage international zu einer Einigung zu
kommen. Sie wissen, dass es hier sehr wohl auch um
Wettbewerbsfragen geht; diese müssen wir bei diesem
Thema auf dem Schirm haben.
Ganz davon abgesehen: Es gibt weitere Verhandlun-
gen auf der europäischen Ebene. Ob wir hier zu einer Ei-
nigung kommen werden, kann ich derzeit nicht sagen.
Ich befürchte allerdings, da ich die Verhandlungen teil-
weise mitbekommen habe, dass es derzeit wohl auch auf
europäischer Ebene keine Einigung geben wird. Ich sage
das mit aller Vorsicht, weil ich es nicht genau weiß.
Es ist wichtig, nach Finanzierungsmöglichkeiten zu
suchen, die helfen, dieses Ziel zu erreichen. Dies tun
wir; ich habe eben die Beispiele genannt. Noch einmal:
Es geht nicht nur um Gelder, um Zahlen, sondern es geht
vor allem um die Wirksamkeit der eingesetzten Entwick-
lungsgelder.
Wir kommen zur Frage 4 der Kollegin Dr. Bärbel
Kofler:
Wann wird das Bundesministerium für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung die neue Sektorstrategie Bil-
dung fertigstellen, und welches sind die im Rahmen der Fast
Track Initiative geplanten Leuchtturmprojekte, die das Bun-
desministerium mit seiner deutschen BACKUP-Initiative zur
Förderung der Bildung in Afrika in Angriff nehmen will?
Gu
Frau Kollegin Kofler, die Bildungsstrategie des BMZ
soll im Februar 2011 von Bundesminister Niebel im
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010 7535
)
Zweite Zusatzfrage. – Bitte.
Verstehe ich Sie richtig, dass Sie im Rahmen der deut-
schen BACKUP-Initiative für Afrika auch mehr finan-
zielle und personelle Mittel zur Verfügung stellen, um
die gerade angesprochene Qualität der Ausbildung ange-
sichts des Fehlens von Lehrern, insbesondere in Subsa-
hara-Afrika, heben zu können?
Gu
Genau dort besteht natürlich ein besonders großer Be-
darf. Ich kann Ihnen sagen: Um unsere Partnerländer bei
der Erreichung dieses Ziels zu unterstützen, wurde die
„Education for All – Fast Track Initiative“ – das heißt
„Bildung für alle“ – eingerichtet. Herz dieser Initiative
ist ein Multigeberfonds, der in Form von nicht rückzahl-
baren Mitteln zusätzliche Bildungsfinanzierungen er-
möglicht, und zwar über bilaterale und nationale Mittel
hinaus.
Bei der Nutzung dieser Mittel treten jedoch Schwie-
rigkeiten auf, vor allem in Ländern mit besonders gro-
ßem Bildungsbedarf. Der Mittelabfluss ist daher schlep-
pend, weitgehend verursacht durch mangelnde
Kompetenzen und Kapazitäten in den Partnerländern.
Viele Länder, Frau Kollegin Kofler, vor allem Länder in
Konfliktsituationen, haben so schwache Kapazitäten,
dass sie nicht einmal zur Beantragung solcher Mittel
ausreichen. Hier wollen wir in besonderer Weise aktiv
werden und beratend sowie finanziell helfen.
Eine weitere Frage stellt der Kollege Hartwig Fischer.
Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, dass die da-
malige rot-grüne Regierung in den Jahren von 1998 bis
2005 bei den Schwerpunktländern, in denen wir nach
Regierungsverhandlungen grundsätzlich in drei Sektoren
zusammenarbeiten, die Mittel für Bildung erheblich he-
runtergefahren und die Nachfrage nach beruflicher Bil-
dung nicht bedient hat?
Gu
Herr Kollege Fischer, das kann ich Ihnen ausdrück-
lich bestätigen.
Danke.
Nun kommen wir zur Frage 5 des Kollegen
Dr. Sascha Raabe:
Wird die Bundesregierung die Kritik des neuen OECD/
DAC Peer Review an der unbegründeten starren Aufteilung
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ch habe ihn so gelesen – so steht es auch drin –, dass derntwicklungsausschuss der OECD – zu Recht – gesagtat, dass die willkürliche Festlegung des Verhältnisseson einem Drittel zu zwei Dritteln inhaltlich nicht be-ründet ist und dass deshalb die Aufforderung an dieundesregierung ergeht, darüber nachzudenken, wel-hen Sinn das hat.Sie haben vorhin von der Konferenz in Accra gespro-hen und gesagt, dass Sie sich den dort vereinbarten Zie-en verpflichtet fühlen. Ich frage Sie: Wissen Sie, wieiele Geber sich zum Teil jedes Jahr in Entwicklungslän-ern die Klinke in die Hand geben – in Vietnam und innderen Ländern –, um über ihre einzelnen Projekte zueden? Stimmen Sie mir zu, dass in Accra vereinbarturde, dass gerade dies beendet werden soll, um effi-ient, gemeinsam und international abgestimmt, vor al-em auch durch die multilaterale Arbeit, mit mehrerenebern zusammen Entwicklungszusammenarbeit zueisten? Warum weigert sich die Bundesregierung, die-en Vorschlägen der Konferenz von Accra in Bezug aufffizienz nachzukommen?
Metadaten/Kopzeile:
7536 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
)
)
Gu
Herr Kollege Raabe, im Peer Review, in diesem Prüf-
bericht, wird vor allen Dingen die Entwicklungszusam-
menarbeit der früheren Bundesregierung dargestellt.
Hinsichtlich der Arbeit der neuen Bundesregierung – ge-
rade im Bereich der Entwicklung – erfolgt nur ein Rück-
blick auf wenige Monate. Ich sage es noch einmal: Es ist
nicht so, dass diese Aufteilung kritisiert wird, sondern es
wird noch einmal darauf verwiesen, wie wichtig die
Effizienz der jeweils ausgewählten Instrumente ist.
Wir haben die Quote – zwei Drittel bilateral, ein Drit-
tel multilateral – nicht starr festgelegt, sondern wir
schauen natürlich genau hin, welche multilateralen Pro-
jekte sinnvoll sind. In der Tat gibt es manchmal 20 ver-
schiedene Geber für bestimmte Projekte. Die Entwick-
lungsländer sind häufig völlig überfordert, wenn sie da
eine Struktur hineinbringen wollen.
Deswegen sagte ich auch: Es geht uns nicht um star-
res Handeln. Vielmehr kennen wir den Wert von multila-
teralen Projekten durchaus; wir sind nicht komplett da-
gegen. Wir legen größeren Wert auf die bilaterale
Zusammenarbeit, weil wir dadurch häufig mehr Trans-
parenz und eine direkte Einflussnahme sicherstellen
können.
Unser Wunsch ist es, Entwicklungszusammenarbeit
mit größtmöglicher Wirksamkeit in Bezug auf die Ent-
wicklung zu betreiben. Das ist unser Maßstab, und es
geht uns nicht um starre Regelungen.
Zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, mir ist bekannt, dass in dem
Bericht die letzten fünf Jahre betrachtet werden, aber die
Frage und mein Zitat bezogen sich genau auf den Punkt,
mit dem die Experten des Entwicklungsausschusses der
OECD auf den Koalitionsvertrag der jetzigen Regierung
eingegangen sind. Ich kann es Ihnen nicht ersparen, noch
einmal darauf hinzuweisen, dass das in dem Bericht so
kritisiert wird.
Auch im Koalitionsvertrag steht die Aufteilung von
einem Drittel zu zwei Dritteln. Stimmen Sie mir zu, dass
es in diesem Jahr zum Beispiel bei dem hochwirksamen
Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberku-
lose und Malaria zu erheblichen Problemen geführt hat,
dass anfänglich nicht gesichert werden konnte, dass sich
Deutschland dort entsprechend beteiligt, weil auch mit
Verweis auf die Haushälter in den Koalitionsfraktionen
gesagt wurde, das würde mit der Regelung „ein Drittel –
zwei Drittel“ in Konflikt stehen? Der Minister hat das
auch gesagt. Gott sei Dank hat er sich am Ende aufgrund
des Druckes unsererseits, der Sozialdemokraten, der
NGOs und der Kanzlerin eines Besseren belehren lassen.
Wie Sie sehen, führt diese starre Aufteilung zu großen
Problemen. Deshalb frage ich Sie, ob Sie mir zustim-
men, dass sie in Zukunft aufgegeben werden muss.
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ten eine Zertifizierung in dem Bereich implementiertwissen, sodass Firmen, die in Entwicklungsländern Roh-stoffe abbauen, sich zu bestimmten Mindeststandardsbereitfinden, damit in den Entwicklungsländern eine ent-sprechende Rendite ermöglicht werden kann. Das setztvoraus, dass wir in den Entwicklungsländern eine guteRegierungsführung, also keine korrupten Strukturen vor-finden und dass die Einnahmen zum Beispiel aus demRohstoffabbau tatsächlich der Bevölkerung zugutekom-men. Das ist in den letzten Jahren häufig nicht der Fallgewesen.Die Einnahmen sollen beispielsweise zum Aufbauvon Finanzsystemen verwendet werden. Daraus sollenein Bildungssystem und ein Gesundheitssystem finan-ziert werden. Das verstehen wir unter einer inklusivenRohstoffstrategie, bei der das Volk vor Ort profitierensoll, statt dass die Einnahmen daraus in irgendwelchenKanälen verschwinden. Darin sind wir uns mit allen be-teiligten Ressorts völlig einig.Eine solche Politik führt auch dazu, dass Frieden, Si-cherheit und Entwicklung viel schneller und in viel grö-ßerem Maße erreicht werden, als es bisher der Fall war.
Zusatzfrage, Kollege Raabe.
Frau Staatssekretärin, Ihr Verweis darauf, dass es sich
um ein ressortabgestimmtes Konzept handelt, beruhigt
mich nicht; das macht mir eher noch mehr Angst und
Sorge. Denn damit ist vorgegeben, dass sich letzten En-
des das Wirtschaftsministerium durchsetzt. Sie haben
immer wieder auf die Texte verwiesen. Wenn Sie in dem
ressortabgestimmten Rohstoffkonzept weitergelesen hät-
ten, dann hätten Sie auch gelesen – das findet sich ein
paar Sätze weiter –, dass die Projekte dazu beitragen sol-
len, die Rohstoffversorgung Deutschlands zu sichern.
Es stellt sich dann natürlich die Frage, Frau Staats-
sekretärin, welche konkreten Auswirkungen das auf die
Auswahl unserer Partnerländer hat. Denn die Mittel, die
wir vergeben, sind begrenzt. Wenn man irgendwann eine
Neuauswahl von Partnerländern trifft und sich dabei vor
allem diejenigen aussucht, die für Deutschlands Roh-
stoffversorgung wichtig sind, dann werden natürlich
arme afrikanische Länder ohne Rohstoffe vernachlässigt.
Es gibt natürlich arme Länder, die Rohstoffe besitzen;
aber es gibt eben auch arme Länder, bei denen das nicht
der Fall ist. Es kann doch nicht der Sinn der Entwick-
lungszusammenarbeit sein, nicht mehr dort zu helfen,
wo die größte Armut herrscht, sondern dort, wo die
meisten Rohstoffe für Deutschland zu holen sind.
Meine konkrete Frage ist: Wir wirkt sich das auf die
künftige Auswahl der Partnerländer aus, und bedeutet
das nicht einen Vorrang wirtschaftlicher Interessen vor
den Bedürfnissen der Ärmsten der Welt?
Gu
Herr Kollege Raabe, aus Ihren Worten spricht eine
generelle Skepsis gegenüber der Zusammenarbeit mit
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7538 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
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)
Gu
Herr Kollege Raabe, Ihre sicherheitskritische und
wirtschaftskritische Haltung teile ich ausdrücklich nicht.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat die Kollegin Heike
Hänsel.
Danke schön, Frau Präsidentin. – Ich hoffe, ich be-
komme eine etwas vielsagendere Antwort. Meine Frage
bezieht sich auf Ihre Aussage, dass die Rohstoffstrategie
auch zu Frieden und Entwicklung in den Ländern des
Südens beiträgt. Minister Niebel war gerade auf Latein-
amerikareise, unter anderem auch in Peru. Während er
sich mit dem Präsidenten Alán García sehr gut verstan-
den hat und es neue, sehr hohe Geldzusagen für Peru
gibt – unter anderem in Form von Krediten –, hat die ka-
tholische Bischofskonferenz Perus ihn darüber infor-
miert, dass Bergbaulizenzen in großem Stil hinter dem
Rücken der indigenen Bevölkerung vergeben werden
und das zu großen sozialen Konflikten führt.
Meine Frage lautet: Sieht die deutsche Bundesregie-
rung darin einen Beitrag zu Frieden und Entwicklung,
wenn mit dem Präsidenten Perus über diese Konflikte
kein Wort gesprochen wird?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Gu
Danke sehr. – Frau Hänsel, der Minister war zu Ge-
sprächen in Peru und hat sich dort – das gilt auch für an-
dere Länder – nicht gescheut, kritische Dinge anzuspre-
chen, zum Beispiel Menschenrechte oder fehlende Good
Governance. Ich finde, Sie sollten dem Minister daher
nicht unterstellen, dass er bei seinem Besuch keine kriti-
schen Fragen gestellt hat. Ich bin ganz sicher, dass er das
getan hat. Unsere Strategie ist, so zusammenzuarbeiten,
dass eine optimale Hebelwirkung erzielt wird. Das ist
beispielsweise im Rahmen der Rohstoffstrategie mög-
lich. Ich habe eben gesagt, wie wichtig uns beim Roh-
stoffabbau die Werteorientierung ist. Wenn sich ein Ak-
teur nicht an Werten orientiert, werden wir mit ihm nicht
im Rahmen der Rohstoffstrategie zusammenarbeiten
können. Das geht natürlich nicht. Kritische Punkte wer-
den angesprochen. Ich war bei den erwähnten Gesprä-
chen nicht dabei. Der Minister wird wissen, was ange-
sprochen worden ist. Aber seien Sie versichert, dass
kritische Punkte selbstverständlich ein Thema sind und
auch in Zukunft sein werden.
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Schönen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekre-
tärin, rechnen Sie damit, dass der Verteidigungsminister
aus seiner Äußerung, die wirtschaftlichen Interessen
Deutschlands auch militärisch sichern zu wollen, die
gleiche Konsequenz zieht wie der ehemalige Bundesprä-
sident, nämlich zurückzutreten?
Gu
Diese Frage beantworte ich Ihnen nicht. Wenn Sie
diese Frage beantwortet haben wollen, verweise ich auf
den Bundesverteidigungsminister. Ich finde Ihre Frage
bemerkenswert.
Wir kommen zur Frage 7 der Kollegin Karin Roth:
Beabsichtigt das Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, die am 20. Oktober
Kopp zugesagte Verdoppelung der Mittel zur Unterstützung
der selbstbestimmten Familienplanung und reproduktiven Ge-
sundheit ab 2011 auf 80 Millionen Euro im Jahr zusätzlich in
den Bundeshaushalt einzustellen, und, wenn nein, wo werden
an anderer Stelle im Bundeshaushalt Mittel gekürzt werden?
Bitte sehr, Frau Kopp.
Gu
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin Roth,
zu diesem Thema haben wir uns schon häufiger ausge-
tauscht. Ich beantworte Ihnen die Frage wie folgt:
Die angekündigte Verdoppelung der Mittel zur Unter-
stützung der selbstbestimmten Familienplanung und re-
produktiven Gesundheit ab 2011 wird einen wesentli-
chen Beitrag zur Umsetzung der G-8-Muskoka-Initiative
zur Verbesserung der Kinder- und Müttergesundheit dar-
stellen, für die sich die Bundesregierung verpflichtet hat,
von 2011 bis 2015 zusätzliche Mittel in Höhe von insge-
samt 400 Millionen Euro bereitzustellen.
Für den Haushalt 2011 stehen hierfür keine zusätz-
lichen Mittel im Gesamtetat des BMZ zur Verfügung.
Vielmehr erhalten bei der Umsetzung der verschiedenen
infrage kommenden Haushaltstitel Vorhaben zur Förde-
rung der reproduktiven Gesundheit und Familienplanung
Priorität. So werden unter anderem bei den Titeln der bi-
lateralen finanziellen Zusammenarbeit und technischen
Zusammenarbeit 22 Millionen Euro, die bislang noch
nicht anderweitig verplant waren, exklusiv für Vorhaben
in diesen Förderbereichen genutzt werden.
Im Übrigen wird auf die Antworten verwiesen, die ich
Ihnen schon am 29. Oktober gegeben habe.
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7540 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
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die Sie bekanntermaßen sonst so viel Wert legen, hiernicht statt? Wird die Bundeskanzlerin Ihren Haushaltnoch einmal aufstocken, damit sie wenigstens an derStelle glaubwürdig bleibt?Gu
Frau Kollegin Roth, ich betone ausdrücklich, dass die
Zusagen der Kanzlerin selbstverständlich eingehalten
werden;
das ist überhaupt keine Frage. Ich will noch einmal sa-
gen, dass die Initiative „selbstbestimmte Familienpla-
nung“ im Fokus unserer Arbeit steht. Auch darüber ha-
ben wir schon einmal gesprochen. Ich will jetzt aber
noch ein paar Zahlen vortragen.
Die angekündigte Verdoppelung der Mittel bezieht
sich auf das Basisjahr 2008.
Da beliefen sich die Zusagen für reproduktive Gesund-
heit und für Familienplanung auf etwa 35 Millionen
Euro. Eine Steigerung auf 80 Millionen Euro ist durch-
aus realistisch und wird auch erfolgen, weil neben der
Nutzung der thematischen Reserve von 22 Millionen
Euro, von der ich eben gesprochen habe, weitere Maß-
nahmen im Bereich der TZ, und zwar hier vor allem bei
InWEnt sowie develoPPP, und Initiativen mit den Kir-
chen und privaten Trägern geplant sind. Auch die noch
konkret zu verplanenden Treuhandmittel, zum Beispiel
die der IPPF, werden statistisch als bilaterale Leistungen
erfasst.
Summa summarum: Wir sind dabei, ebendiese Finan-
zierung sicherzustellen, und Sie dürfen ganz sicher sein,
Frau Kollegin Roth, dass wir diese Verpflichtungen auch
einhalten.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte.
Ich bin ja gern bereit, vieles nachzuvollziehen; aber,
Frau Kollegin Kopp, wir wissen doch ganz genau, dass
die Ausgaben der GTZ und des DED und anderer ver-
plant sind. Sie waren für andere Projekte vorgesehen.
Von Herrn Beerfeltz wird zwar gesagt, dass man alles
prüft – das haben Sie mir gerade auch noch einmal ge-
sagt –, aber letztendlich – darauf kommt es an –: Es sind
58 Millionen Euro weniger vorgesehen. Sie verkünden
80 Millionen Euro, und Sie verkünden für die Familien-
planung noch einmal 80 Millionen Euro.
Entweder stimmt das nicht, oder Sie können mir die
einzelnen Haushaltstitel nennen. Ich bin in der Lage,
Haushalte zu lesen; das ist für mich kein Problem. Des-
halb komme ich ja auch darauf, dass das, was Sie öffent-
lich immer erklären, mit der Realität im Haushalt nicht
ganz übereinstimmt. Insofern bitte ich Sie, mir mitzutei-
len – wenigstens das! –, wo ich die 58 Millionen finde,
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ber das müssen Sie mit sich selbst ausmachen. Ich habe
in paar Beispiele dafür genannt, wo Mittel zu akquirie-
en sind. Es geht nicht nur darum, an irgendeiner Stelle
twas wegzunehmen, sondern darum, wie wir einen
aushalt zustande bringen, der Projekte finanziert, die
o auch tatsächlich umzusetzen sind.
Ich habe eben eine Hausnummer für den Haushalt ge-
annt, die 22 Millionen Euro; aber es gibt noch mehr.
ie wissen, dass derzeit die Bereinigungssitzung läuft,
ie bis morgen Abend dauern soll. Wir sind also dabei,
en Haushalt 2011 festzuzurren, und – das habe ich Ih-
en gesagt – beabsichtigen, das, was wir in Aussicht ge-
tellt haben, zu erfüllen. Ich bitte Sie, da einfach noch
in wenig Geduld zu haben. Anschließend können wir
chauen, wie letzten Endes das Ergebnis ausgefallen ist.
Dann kommen wir zur Frage 8 der Kollegin Karin
oth:
In welcher Form und in welchem konkreten finanziellen
Umfang wird das Bundesministerium für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung, BMZ, zukünftig den Bereich
Gender fortführen, nachdem die Zielgröße „Gender“ in den
Haushalten 2010 und 2011 des BMZ gestrichen wurde, und
wie fließen die Ergebnisse des internen Monitorings zu Gen-
der in die zukünftige multilaterale und bilaterale Entwick-
lungszusammenarbeit vor dem Hintergrund der erforderlichen
Planungssicherheit für alle Akteure der Entwicklungszusam-
menarbeit ein?
Gu
Frau Kollegin Roth, der Förderung der Gleichberech-igung der Geschlechter wird von der Bundesregierungach wie vor eine große Bedeutung beigemessen. Vorha-en und Programme des Bundesministeriums für wirt-chaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, derenauptziel es ist, zur Gleichberechtigung der Geschlech-er beizutragen, werden auch im Jahr 2011 fortgeführt.uch ohne eine bestehende Zielgröße können Neuvorha-en in diesem Bereich initiiert werden. Beispielhaft hier-ür ist das Regionalvorhaben „Soziale Eingliederung vonetroffenen von Menschenhandel“, dessen Hauptziel-ruppe Frauen sind und welches in Südosteuropa 2010
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010 7541
Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp
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)
auf den Weg gebracht wurde. Im Rahmen der Umset-zung des entwicklungspolitischen Aktionsplans werdenzudem durch gezieltes Gender-Mainstreaming und dieFörderung frauenspezifischer Maßnahmen Beiträge imBereich Gender in der bilateralen und multilateralen Zu-sammenarbeit geleistet.
Ihre Nachfrage, bitte.
Frau Kollegin Kopp, auch hier sind wir ja in einem
ständigen Dialog. Sie hatten im Juli 2010 angekündigt,
dass Sie mir das Ergebnis des Monitorings mitteilen, das
damals noch nicht vorlag, weil Sie auf der Grundlage
dieses Monitorings und bezogen auf die Zielgröße, die
es nun nicht mehr gibt, die Schwerpunkte bezüglich der
Gender-Politik in Ihrem Hause festlegen wollten.
Nun möchte ich Sie fragen: Was hat das Monitoring
ergeben? Gibt es Veränderungen, oder arbeitet man wei-
ter auf der Grundlage der Gender-Strategie, die die vor-
hergehende Bundesregierung verfolgt hat, und führt den
Gender-Aktionsplan, durch den Frauen in den Entwick-
lungsländern, die ja Träger von Entwicklung sind, unter-
stützt werden, genauso fort? Dann war die Ankündi-
gung, die Zielgröße abzuschaffen, eigentlich ziemlich
unnötig.
Gu
Frau Kollegin Roth, wir sind uns völlig einig, dass
Frauen die Schlüsselpersonen für Entwicklung in den
Ländern sind. Sie tragen die meiste Last, und sie sind
auch diejenigen, auf deren Unterstützung wir besonde-
ren Wert legen sollten. Der Entwicklungspolitische Gen-
der-Aktionsplan 2009–2012 – Sie kennen ihn – besitzt
nach wie vor Gültigkeit. Insbesondere im Rahmen der
vier thematischen Schwerpunkte – wirtschaftliches
Empowerment von Frauen, Frauen bei bewaffneten
Konflikten und ihre Rolle bei der Konfliktbearbeitung,
geschlechtsspezifische Herausforderungen und Antwor-
ten auf den Klimawandel sowie sexuelle und reproduk-
tive Gewalt – wird das BMZ auch zukünftig konkrete
Maßnahmen unterstützen.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Ja.
Bitte.
Es freut mich, dass Sie den Gender-Aktionsplan fort-
setzen und, wie ich hoffe, auch weiterführen; denn wir
haben gerade heute im Rahmen unserer Sitzung gehört,
dass beispielsweise die EU gemeinsam mit Afrika dem
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7542 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
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Situation in der Region für mehr Öffentlichkeit zu sor-gen.
Frau Kollegin, Ihre Nachfrage.
Danke schön. – Frau Staatssekretärin, Sie haben es er-
wähnt: Die Unterstützung dieses Plans zur integralen
Konsolidierung ging durch die Medien und hat bei vie-
len Menschenrechtsorganisationen und kirchlichen
Hilfsorganisationen Aufsehen erregt und auch Kritik
hervorgerufen; sie haben darauf hingewiesen, dass die
Region, in der dieses Projekt ausgeführt werden soll,
konfliktreich ist. Dort sind Guerillakämpfer, paramilitä-
rische Kämpfer, aber auch die kolumbianische Armee
aktiv, und allen werden Menschenrechtsverletzungen
vorgeworfen. Unter anderem geht es um 446 Leichen,
die dort gefunden wurden und bei denen die Todesursa-
che noch nicht aufgeklärt ist. Die Armee sagt, dass dies
im Kampf getötete Menschen seien. Zwei Menschen-
rechtsaktivistinnen, die das erforschen wollten, wurden
im August dieses Jahres dort ermordet. Es ist also eine
hochexplosive Region. Nichtregierungsorganisationen
werfen Ihnen vor, damit die Aufstandsbekämpfung in
der Region zu unterstützen.
Meine Frage ist: Der Plan zur integralen Konsolidie-
rung, an dem sich die Bundesregierung beteiligt, ist ein
zivil-militärisches Projekt, an dem auch das Verteidi-
gungsministerium und andere Sicherheitskräfte, der Ge-
heimdienst, mitwirken. Wie können Sie das angesichts
der massiven Menschenrechtsverletzungen, die auch der
kolumbianischen Armee vorgeworfen werden, verant-
worten?
Gu
Frau Kollegin Hänsel, ich weise Ihre Darstellung zu-
rück, die Bundesregierung würde sich hier an der militä-
rischen Niederschlagung von Aufständischen beteiligen.
Das ist absolut nicht der Fall.
Ich verweise darauf – das hat auch Bundesminister
Niebel getan, unter anderem in verschiedenen Presseäu-
ßerungen –, dass die neue Regierung Santos gerade ein-
mal circa 100 Tage im Amt ist. Diese Regierung hat
glaubwürdig dargestellt – das hat auch der Minister be-
richtet –, dass sie den sozialen Ausgleich in den Vorder-
grund des Handelns stellt. Es geht bei diesem Projekt
darum, die Voraussetzungen für Landtitelvergabe zu
schaffen; denn wir können alle davon ausgehen, dass
Ländereien für die Menschen im ländlichen Bereich
nicht zur Verfügung stehen. Ich kann Ihnen sagen: Nach
der Abreise des Ministers hat es eine Gruppe um den
Botschafter gegeben – Polizeikräfte, NGOs vor Ort, Bür-
ger, Rechtsexperten –, die Gespräche geführt und über-
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Das alles lässt den Schluss zu, dass es Möglichkeitengibt, hier zu einer Befriedung und zu einem vertrauens-vollen Neuanfang zu kommen. Ich sage noch einmal:Dieser Umweltplan dient ausdrücklich dazu, Landtitel-vergabe überhaupt möglich zu machen, damit Entrech-tete zu ihrem Recht kommen.
Der Kollege Thilo Hoppe hat nun das Wort für eine
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wie bewerten Sie die Stellung-
nahme mehrerer deutscher Hilfswerke, auch kirchlicher
Hilfswerke, die sich mit den Verhältnissen in Kolumbien
gut auskennen und die eindringlich vor diesem zivil-
militärischen Engagement in der Macarena-Region ge-
warnt haben? Diese Organisationen werben vielmehr da-
für, das respektierte und anerkannte Engagement der
deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Justizsek-
tor weiter auszubauen.
Gu
Herr Kollege Hoppe, das eine tun und das andere
nicht lassen. Natürlich muss es sehr viel mehr Koopera-
tionen auch auf anderen Ebenen geben.
Es gibt natürlich Skeptiker bei den NGOs und bei den
Kirchen in Bezug auf das Thema „vernetzte Sicherheit in
Afghanistan“. Herr Minister Niebel hat im Vorfeld sorg-
fältig geprüft, welche Möglichkeiten es gibt, bei der
Landtitelvergabe weiterzukommen. Ich sage noch ein-
mal: Wir schaffen die Voraussetzung dafür, dass eine
entsprechende Kartierung erstellt wird. Das dient der
Friedenssicherung und bewirkt nicht das Gegenteil.
Wir kommen zur Frage 10 der Kollegin Heike
Hänsel:
Wie ist die Aussage in dem BMZ-Papier zur Bewertung
des Macarena-Projektes vom 13. Oktober 2010 zu verstehen,
die „Erfahrungen aus der Maßnahme könnten als lessons
learnt in die Arbeit der deutschen EZ in problematischen
Sicherheitssituationen und der dortigen Schaffung von Gover-
nance-Strukturen einfließen“?
Gu
Frau Kollegin Hänsel, die deutsche EZ hat mit der
Zusammenarbeit bei der partizipativen Landnutzungs-
planung international, aber auch in der genannten Re-
gion außerordentlich gute Erfahrungen gemacht. Unsere
Partner schätzen den partizipativen, auf Konsens zielen-
den Ansatz der deutschen EZ. Die Region La Macarena
hat hier aufgrund des Kolonialisierungsprozesses und
der bestehenden Rechtsunsicherheit eine symbolische
Bedeutung für mehrere kolumbianische Regionen mit
ähnlich gelagerten Problemstellungen. Der Plan zur inte-
gralen Konsolidierung der Macarena kann insofern als
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ir, das BMZ, haben es uns zur Aufgabe gemacht, dientwicklung voranzutreiben, um dadurch möglicher-eise Konflikte zu verhindern – auch das ist ein wichti-er Aspekt – und Regionen zu befrieden. Warten wiroch einmal ab, wie sich dieses Projekt weiterent-ickelt. Ich hoffe, dass Sie dann Ihre skeptische Haltung
Metadaten/Kopzeile:
7544 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp
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)
aufgeben können. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wirhier zu mehr Entwicklung kommen und zur Vertrauens-bildung beitragen können. Es ist wichtig, an dieser Stelleneue Wege zu gehen. Noch einmal: Das BMZ hält diesesProjekt für geeignet, um die Entwicklung zu befördern.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. –
Frau Staatssekretärin, ich bedanke mich für die Beant-
wortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Am-
tes auf. Für die Beantwortung steht Frau Staatsministerin
Cornelia Pieper zur Verfügung.
Wir kommen zunächst zur Frage 11 des Kollegen
Wolfgang Gehrcke:
Auf welche Faktoren führt es die Bundesregierung zurück,
dass ein Bericht zur Verstrickung des Auswärtigen Amts in
die Nazibarbarei erst 65 Jahre nach dem Ende der Hitlerdikta-
tur vorgelegt werden konnte?
C
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Das Auswärtige
Amt ist übrigens das erste Ressort der Bundesregierung,
das einen entsprechenden Auftrag an eine unabhängige
Historikerkommission gegeben hat. Wissenschaftliche
Darstellungen zur Rolle des Auswärtigen Amtes im Drit-
ten Reich liegen bereits seit geraumer Zeit vor. Herr Ab-
geordneter Gehrcke, denken Sie bitte an die Studie The
final solution and the German Foreign Office von Chris-
topher Browning aus dem Jahr 1978 und an den Aufsatz
Das Auswärtige Amt im Dritten Reich von Hans-Jürgen
Döscher, erschienen 1987.
Konkreter Anlass für die Vergabe des Auftrags an die
vom Auswärtigen Amt berufene unabhängige Histori-
kerkommission war eine Debatte im Auswärtigen Amt
darüber, welche Regeln für das Gedenken an verstorbene
ehemalige Kollegen, die schon zur Zeit des Dritten Rei-
ches im diplomatischen Dienst tätig waren, gelten sollen.
Ich glaube, es ist für alle Abgeordneten interessant,
diese Studie zu lesen. Natürlich empfehle ich Ihnen das
Werk der unabhängigen Historikerkommission.
Herr Kollege Gehrcke, bitte.
Ich bedanke mich für die Literaturempfehlung. Ich
kann sie an alle Kolleginnen und Kollegen weitergeben.
Ich habe das Buch gelesen und bin wie Sie der Auffas-
sung, dass es zur Pflichtlektüre aller Abgeordneten des
Deutschen Bundestages gehören sollte. Durch die Lek-
türe wird man klüger, aber auch ein bisschen nachdenk-
lich.
Jetzt meine Frage, die Sie vielleicht vorausgeahnt ha-
ben: Da ich davon ausgehe, dass auch Sie das Buch gele-
sen haben, frage ich, ob Sie anderen Ministerien, zum
Beispiel dem Bundesministerium der Verteidigung,
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Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Wenn ich mir dazu eine Bemerkung erlauben darf.
Sie haben das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010 7545
)
)
Ich glaube, dass ich mehr gegen und über den Stali-
nismus geschrieben habe, als Sie gelesen haben. Das will
ich einfach einmal so in den Raum stellen.
Ich will noch einmal nachfragen. Warum ist es eigent-
lich nicht möglich, dass das Außenministerium der Ge-
schichte der Widerstandskämpfer, die es auch in diesem
Ministerium gegeben hat, in einer aufklärerischen und
würdigen Art und Weise nachgeht? Das habe ich nie ver-
standen. Im Bericht wurden einige Schicksale, einige
Biografien genannt. Ich erwarte, dass das Außenministe-
rium überlegt, wie es diese Personen würdigen kann.
C
Herr Abgeordneter, Sie sagten, dass Sie das Gutach-
ten gelesen haben. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie
darin lesen können, dass in der Anfangsphase des Aus-
wärtigen Amtes, im Jahr 1951, etwa jeder Fünfte im hö-
heren Dienst ein Verfolgter des Naziregimes war. Ich
könnte jetzt einzelne Namen aufführen, will aber nur ein
Beispiel nennen, den Diplomaten Georg Ferdinand
Duckwitz, der für seinen Einsatz zur Rettung der däni-
schen Juden in Yad Vashem als Gerechter unter den Völ-
kern geehrt wird. Ich glaube, es gibt noch mehr Bei-
spiele. Natürlich gedenken wir im Auswärtigen Amt
dieser Widerstandskämpfer.
Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Wolfgang Gehrcke
auf:
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor, wie
es möglich war, dass zahlreiche, auch hohe, Beamte des Aus-
wärtigen Amts Nazideutschlands, von dem der Leiter der
Kommission, der Historiker Professor Dr. Eckart Conze
meint, man könne es als „verbrecherische Organisation“ be-
zeichnen, nach 1945 weiter bzw. wieder im Auswärtigen
Dienst der Bundesrepublik Deutschland tätig werden konn-
ten?
C
Herr Abgeordneter, die Frage ist ähnlich gelagert wie
die vorhergehende: Die Studie Das Amt und die Vergan-
genheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in
der Bundesrepublik fasst aus meiner Sicht die wesentli-
chen Erkenntnisse, die zu dieser Frage vorliegen, zusam-
men. Ich sage es noch einmal: Jeder Abgeordnete kann
das Gutachten, das in einem Buch zusammengefasst ist,
lesen.
Erste Zusatzfrage.
Frau Staatsministerin, kann es sein, dass nach 1945
gezielt Seilschaften, alte Verbindungen, dazu genutzt
wurden, dass man sich an ehemaligen Wirkungsstätten
wiedergetroffen und die Arbeit fortgesetzt hat? Es ist
doch kein Zufall, dass sich so viele nazibelastete Perso-
nen dann im Auswärtigen Amt wiedergefunden haben.
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Frau Staatsministerin, Sie haben das Wort.
C
Danke schön. – Bei aller Wertschätzung, Herr Abge-
rdneter, sollten wir jetzt nicht an dieser Stelle Histo-
ikerdebatten über Details führen. Wir werden diese
anz bestimmt führen und auch im Auswärtigen Amt
ortsetzen. Auch die Forschungen zu diesen Fragen wer-
en natürlich fortgesetzt. Das wird von unserem Haus
orangetrieben; darin können Sie sicher sein. Ich bitte
infach, das Buch noch einmal zur Hand zu nehmen. Da
erden Sie alle Antworten auf Ihre Fragen finden.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte.
Ich weiß ja, Sie sind im Bilde. Das bin ich auch, zu-
indest manchmal. Ich will Sie nur beruhigen. Der Kol-
ege Mißfelder und ich haben vorgeschlagen, dass sich
ie Kolleginnen und Kollegen des Auswärtigen Aus-
chusses mit diesem Bericht genauestens befassen. Dann
ird man in aller Öffentlichkeit – auch hier im Plenum –
ragen erörtern müssen. Wir sind zwar keine Historiker,
aben aber politische Schlussfolgerungen zu ziehen.
Letzte Frage. Meinen Sie nicht auch, dass eine der
chlussfolgerungen sein müsste, dass das Auswärtige
mt nicht mehr eigenständig ein Archiv führt, sondern
ass dieses Archiv in den Archiven anderer Ministerien
ufgeht?
C
Ich denke, dass die Studie, die jetzt veröffentlich
urde – sie wurde übrigens von Bundesaußenminister
esterwelle persönlich am 28. Oktober vorgestellt –, na-
ürlich Motivation und Anregung für andere Ministerien
st. Im Übrigen bin ich gerne bereit, an der Diskussion
m Auswärtigen Ausschuss, wenn sie geführt wird, teil-
unehmen.
Frau Staatsministerin, ich bedanke mich für die Be-ntwortung der Fragen.Die Fragen 13 und 14 des Kollegen Dr. Rolf Mützenich,ie Fragen 15 und 16 des Kollegen Klaus Barthel sowieie Frage 17 des Kollegen Volker Beck werden schrift-ich beantwortet.Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-esministeriums des Innern. Für die Beantwortung stehterr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Christophergner zur Verfügung.Die Frage 18 des Kollegen René Röspel, Frage 19 desollegen Hans-Christian Ströbele sowie die Fragen 20
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7546 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
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und 21 des Kollegen Gustav Herzog werden schriftlichbeantwortet.
Ich rufe die Frage 22 der Kollegin Waltraud Wolff
auf:
Ist es richtig, dass es in der EU-Ratsarbeitsgruppe zwischen
den Mitgliedstaaten unterschiedliche Auffassungen zur Frage
gibt, ob die Erfahrungen mit den Safe-Harbor-Grundsätzen
zum Gegenstand der derzeitigen Verhandlungen über ein allge-
meines Datenschutzabkommen zwischen den USA und der EU
gemacht werden sollen, und wie hat sich die Bundesregierung
in der Ratsarbeitsgruppe zu dieser Frage positioniert?
Herr Staatssekretär, bitte.
D
Frau Kollegin Wolff, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Die EU-Ratsarbeitsgruppe „Datenschutz und In-
formationsaustausch“ hat sich auf ihrer Sitzung am
1. Oktober dieses Jahres mit dem Thema des EU-US-
Datenschutzabkommens für den Bereich polizeilicher
und strafjustizieller Zusammenarbeit befasst. Diskutiert
wurde unter anderem die Frage, ob das Abkommen auch
für Daten gelten solle, die nicht im Rahmen der Zusam-
menarbeit von Strafverfolgungsbehörden, sondern von
Privaten an Private unter Einhaltung der Safe-Harbor-
Grundsätze übermittelt und sodann in den USA von den
Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt werden.
Die Bundesregierung hat sich neben einer Reihe an-
derer Mitgliedstaaten gegen eine derartige Erweiterung
des Anwendungsbereichs des Abkommens ausgespro-
chen. Ziel des Datenschutzabkommens für Polizei und
Strafjustiz ist es, hohen, angemessenen Schutz für poli-
zeiliche und justizielle Daten auch dann sicherzustellen,
wenn sie mit den USA ausgetauscht werden. Die Bun-
desregierung ist der Auffassung, dass die Verhandlungen
erheblich erschwert würden und dieses Ziel gefährdet
würde, wenn weitere Daten in den Anwendungsbereich
einbezogen werden.
Eine Nachfrage, Frau Kollegin? – Nein.
Dann kommen wir zur Frage 23 der Kollegin
Waltraud Wolff:
Wie steht die Bundesregierung zu der von der EU-Kom-
mission am 4. November 2010 angekündigten neuen Strategie
im Datenschutzrecht, und unterstützt die Bundesregierung die
EU-Kommission in dem darin enthaltenen Ziel, dasselbe Da-
tenschutzniveau bei der Zusammenarbeit mit Drittstaaten wie
innerhalb der EU anzustreben und sich weltweit für hohe Da-
tenschutzstandards einzusetzen?
– Ich darf bitten, dass die Gespräche ein bisschen leiser
geführt werden. – Danke.
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
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Frau Kollegin Wolff, ich beantworte die Frage wie
folgt: Die Bundesregierung begrüßt die Pläne der Euro-
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defizit“ gebe, während der Parlamentarische Staatssekretär
Analyse bedürfe, inwieweit überhaupt „ausländerbehördlicheVollzugsdefizite“ vorlägen, und wie ist inzwischen der aktu-elle Stand der diesbezüglichen Analyse des Bundesministe-riums des Innern?D
Frau Kollegin Dağdelen, ich beantworte Ihre Frage
wie folgt: Zwischen den beiden von Ihnen zitierten Äu-
ßerungen besteht kein Widerspruch. In meiner Antwort
auf Ihre Frage 12 in der Fragestunde am 27. Oktober
2010 habe ich nicht verneint, dass es ein Vollzugsdefizit
gibt; Sie werden sich vielleicht daran erinnern. Ich habe
durch meine Formulierung darauf hingewiesen, dass
derzeit noch offen ist, inwieweit es ein Vollzugsdefizit
gibt und inwieweit es für die Nichtteilnahme eines ver-
pflichtenden Integrationskurses nachvollziehbare recht-
liche oder praktische Gründe gibt. Hierauf hat auch der
Bundesminister des Innern in seiner Stellungnahme hin-
gewiesen.
Die in Ihrer Frage angesprochenen Ergebnisse der
Länderumfrage über solche Defizite liegen mittlerweile
vollständig vor. Aus ihnen lässt sich bereits jetzt ablei-
ten, dass es Defizite bei der Anwendung der gesetzlichen
Sanktionsinstrumente gibt. Die Umfrageergebnisse wird
der Bundesminister des Innern im Rahmen der Innen-
ministerkonferenz mit seinen Länderkollegen bespre-
chen. Im Anschluss daran wird eine abschließende Be-
wertung der Ergebnisse erfolgen.
Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte.
Vielen Dank, Herr Staatsekretär. – Meine Frage zielt
vor allen Dingen darauf ab, weshalb seitens des Bundes-
innenministers und des Bundesinnenministeriums in den
letzten Wochen und Monaten in der Öffentlichkeit der
Eindruck erweckt wurde, es gäbe eine Integrationskurs-
verweigerung in einem nennenswerten Umfang, auf-
grund derer es Gesetzesverschärfungen und noch stär-
kere Sanktionen bzw. eine Prüfung der Sanktionen
gegenüber Migrantinnen und Migranten geben müsste,
obwohl offenkundig ist, dass es keine entsprechenden
Zahlen gibt. Das haben in den letzten Wochen sehr viele
Zeitungen deutlich gemacht.
Staatssekretär Dr. Ole Schröder beantwortete am
3. November dieses Jahres schriftlich bisher unbeant-
wortet gebliebene mündliche Fragen von mir. Demnach
haben immerhin fünf Bundesländer, darunter Nordrhein-
Westfalen, erklärt, dass von aufenthaltsrechtlichen Sank-
tionen deshalb kein Gebrauch gemacht wurde, weil es
im Zusammenhang mit der Integrationskursteilnahme
kein vorwerfbares Verweigerungsverhalten in nennens-
wertem Umfang gibt.
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Ich bitte um Verständnis, dass ich zum gegenwärtigen
eitpunkt, bevor der Minister die Umfrageergebnisse ge-
einsam mit seinen Kollegen aus den Ländern ausge-
ertet und erörtert hat, nicht zu Ihrer Frage Stellung
ehmen möchte. Dies ist ein Verfahrenserfordernis, das
ch einzuhalten gedenke. Man muss zunächst einmal mit
en Ländern sprechen.
Haben Sie eine weitere Nachfrage?
Ja, Frau Präsidentin. – Wenn Sie die Beteiligung der
undesländer abwarten wollen, ist das ganz in meinem
inne, Herr Staatssekretär, auch wenn wir Sie bereits vor
onaten gepiesackt und von Ihnen gefordert haben, eine
änderabfrage durchzuführen.
Da dem Bundesinnenministerium aber seit über einer
oche die Stellungnahmen aller Bundesländer zur
anktionspraxis bei Integrationsverweigerung vorliegen,
öchte ich Sie gerne fragen, wann mir diese Auskünfte
nd Daten, so lückenhaft sie auch erscheinen mögen,
ntsprechend meiner parlamentarischen Initiative und
einer parlamentarischen Rechte endlich zur Verfügung
estellt werden. Ich habe diese Auskünfte in der Kleinen
nfrage auf Drucksache 17/3147 erbeten und der Bun-
esregierung für die Beantwortung meiner Fragen aus-
rücklich eine Fristverlängerung eingeräumt. Die Bun-
esregierung hat mir die entsprechenden Informationen
ber nicht zur Verfügung gestellt.
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Frau Kollegin, ich bitte um Verständnis – ich kann daserne nachreichen –, dass ich den Zeitpunkt, wann derinister diesen Tagesordnungspunkt mit den Innen-inistern der Länder erörtern wird – ich vermute, diesird im Rahmen der Innenministerkonferenz geschehen –,icht nennen kann.
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7548 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
Parl. Staatssekretär Dr. Christoph Bergner))
Ich denke, im Anschluss daran haben wir eine hinrei-chend gute Grundlage, um Ihrem Auskunftsbedürfnisnachzukommen.
Frau Jelpke, bitte sehr.
Herr Staatssekretär Bergner, wenn Ihnen diese Zahlen
bereits vorliegen und Sie im Hinblick auf die Beantwor-
tung der Fragen eine Fristverlängerung beantragt haben,
verstehe ich nicht, wieso wir die Informationen nicht be-
kommen, bevor die Innenministerkonferenz stattfindet.
Wie Sie wissen, wird sie am kommenden Wochenende
stattfinden, und ein breites Spektrum von Initiativen, ins-
besondere Migranten- und Flüchtlingsorganisationen,
wird vor Ort demonstrieren. Ich verstehe nicht, warum
Sie uns diese Informationen vorenthalten. Auch die Ini-
tiativen sind an den Antworten auf diese Fragen sehr in-
teressiert.
Im Übrigen kann ich nicht nachvollziehen, dass man
Sanktionen gegen Integrationsverweigerer ankündigt,
sich danach aber erst einmal informieren muss, ob es
überhaupt Fälle der Integrationsverweigerung gibt. Das,
was Sie vortragen, ist sehr widersprüchlich. Ich denke,
es ist unser parlamentarisches Recht, diese Informatio-
nen zu bekommen.
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Frau Kollegin, ich habe nie einen Zweifel daran ge-
lassen, dass wir unseren Auskunftspflichten nachkom-
men.
Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass es sich hier
aus meiner Sicht um ein Verfahrenserfordernis handelt.
Es geht um Daten und ihre Bewertung. Eine solche Be-
wertung sollte erst nach Rücksprache mit den Verfah-
rensbeteiligten und ihrer Anhörung erfolgen. Dies steht
noch aus.
Eine weitere Zusatzfrage hat der Kollege Kilic.
Herr Staatssekretär, der Herr Innenminister hat vor
circa drei Wochen auf meine Frage schriftlich geantwor-
tet, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
keine statistischen Daten im Hinblick auf Integrations-
kursverweigerer erhebt. Sie aber werfen hier mit Zahlen
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Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat derBundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, dasWort.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-nern:Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem Castortransport gelten meine ersten Worte unsererPolizei. Allen Polizisten, denen der Bundespolizei unddenen der Landespolizeien, danke ich für ihren kräfte-zehrenden Einsatz. Sie hatten einen gesetzlichen Auf-trag, und sie haben ihn besonnen und konsequent erfüllt.Sie wurden beschimpft, bespuckt und angegriffen, abersie haben sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen las-sen. Ihnen allen gelten der Dank und die Anerkennungder Bundesregierung, mein persönlicher Dank und meinRespekt für ihren Einsatz und für ihr Augenmaß, mitdem sie diese kritischen Situationen gemeistert haben.
Es waren übrigens auch Polizisten aus sozialdemokra-tisch regierten Ländern dabei.
Einige Bemerkungen zu den Kosten. Der ehemaligeBundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland GerhardSchröder hat am 26. April 2001 einen Brief an den da-maligen Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen,Sigmar Gabriel, gerichtet, der in zweierlei Hinsicht inte-ressant ist. Die erste Passage, die ich vorlese, lautet: DasLand Niedersachsen trägt alleine die mit der Rückfüh-rung der Glaskokillen verbundenen besonderen Belas-tungen. Gorleben wird auf absehbare Zeit das einzigeZwischenlager für die Glaskokillen bleiben. Die Bun-desrepublik Deutschland ist völkerrechtlich zur Rück-nahme der Glaskokillen aus der Wiederaufbereitung imAusland verpflichtet. Deshalb sind Castortransportenach Gorleben weiterhin notwendig. – Das war die ersteAussage.
– Sie sagen, dass das alles stimmt. Ich bin froh, dass wirhier einen Konsens haben. Darauf kommen wir sicherzurück.Ich zitiere weiter: Vor diesem Hintergrund wird derBund ohne die Anerkennung von Rechtspflichten denAnspruch auf die Erstattung der einsatzbedingten Mehr-kosten des Bundesgrenzschutzes nicht geltend machen. –Das galt und gilt bis heute. Der Bund wird dem LandNiedersachsen keine Rechnung schicken.
– Ich denke, das ist eine Information, die für das LandNiedersachsen nicht irrelevant ist. Sie wird es freuen.HGndNMwMPgLfLPKEGvsvtGvfntZrDvfhn
Jetzt ein paar politische Bemerkungen, zuerst zuerrn Gabriel, der damals Ministerpräsident war. Herrabriel hat gestern gesagt – ich habe das als Anerken-ung verstanden –, es gebe eine neue Qualität des Wi-erstandes.
icht Quantität, sondern Qualität! Was meint er damit?eint er damit, dass Polizisten bespuckt und beschimpfterden?
eint er damit, dass Polizisten und Wasserwerfer mittelsyrotechnik und anderer gefährlicher Gegenstände ange-riffen werden? Meint er damit, dass im Bereicheitstade Beamte angegriffen werden, dass das Einsatz-ahrzeug in Brand gesetzt wird und dass die Beamten inebensgefahr gebracht werden? Meint er damit, dass einolizeibeamter durch einen Schlag mit einem Ast in denopf-Nacken-Bereich schwer verletzt wurde?
r liegt jetzt mit Verdacht auf Gehirnquetschung oderehirnerschütterung im Krankenhaus.Meint er damit, dass durch Ankettaktionen weitabon Lüneburg – zum Teil deutschlandweit – die Bahn-trecken stillgelegt wurden? Meint er damit, dass Signal-erbindungen zerstört wurden mit der Folge, dass Fahr-en auf Sicht notwendig waren, die eine erheblicheefährdung für den Bahnverkehr und einen großen Zeit-erlust mit sich brachten? Oder meint er damit, dassrühzeitig Straßen unterhöhlt wurden, sowie das Anren-en von Störern gegen die Bahnstrecken zwecks „Schot-ern“?Die Qualität, die er meint, kann sich nicht auf dieahl der Demonstranten beziehen, sondern auf ein ande-es Vorgehen der Demonstranten.
eswegen ist die Anerkennung einer solchen Qualitäton Demonstrationen unerhört und, wie ich finde,alsch.
Jetzt komme ich zu den Linken. Wissen Sie, was ichier in der Hand halte? – Das ist ein Auszug eines Inter-etaufrufs. Darin heißt es – ich zitiere –:Castor Schottern? Wir machen mit! Damit CastorSchottern ein Erfolg wird, wollen wir viele werden.Unterstützt mit Eurem … Namen die Aktion und
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7550 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern
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Bundesminister Dr. Thomas de Maizièreunterzeichnet die Absichtserklärung von CastorSchottern.Das ist ein Aufruf zu einer Straftat. Unterzeichnet wurdeer von elf Abgeordneten dieses Hauses von der Fraktionder Linken.
Ich finde, da hört es auf. Welches demokratische Ver-ständnis haben Bundestagsabgeordnete dieses Hauses,wenn sie andere zu einer Straftat aufrufen?
Jetzt komme ich zu Frau Roth. Frau Roth hat der Süd-deutschen Zeitung gesagt: „Die Polizei muss das De-monstrationsrecht schützen und nicht behindern.“ Wo istdenn der Anlass für diesen Satz? Andere aus dem grünenBereich haben beide Seiten zur Gewaltlosigkeit aufge-fordert. Was soll denn diese Gleichsetzung? Als ob ir-gendein Polizist, der eine Demonstration schützt, dieAbsicht hat, Gewalt anzuwenden! Die Strategie der Poli-zei ist deeskalativ. Sie reagiert auf die Gewalt von ande-ren. Eine gleichzeitige Aufforderung an Polizei und De-monstranten, keine Gewalt anzuwenden, weise ich fürdie deutsche Polizei zurück.
Herr Trittin, Sie haben 2001 inständig darum gebeten,den Atommülltransporter passieren zu lassen. Ich zitiere:Nur weil jemand seinen Hintern auf die Straßesetzt, finden wir das noch nicht richtig.Das haben Sie als Umweltminister am 28. Januar 2001an die niedersächsischen Kreisverbände der Grünen ge-schrieben. Die Voraussetzungen für den Transport seienpolitisch und rechtlich gegeben. Offenbar sind für dieGrünen Castortransporte nur dann gut, wenn sie in derRegierung sind. Das ist nicht in Ordnung.
Nun sagen manche – das ist meines Erachtens der ent-scheidende Punkt, und das werde ich auch gegenüberdem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei anspre-chen –, wegen der Laufzeitverlängerung habe die Bun-desregierung diese Demonstrationen quasi provoziert.
Wer so etwas beschließe, dürfe sich nicht wundern,wenn Demonstrationen auf der Straße eskalierten. Ichsage Ihnen dazu Folgendes – das ist für mich ein sehrwichtiger und ernster Punkt –: Man kann zur Laufzeit-verlängerung stehen wie man will,
aber eine solche Argumentation beschädigt die parla-mentarische Demokratie und verletzt die Würde des Par-laments.su–deGoDORvDdpsfSEivzeIibdnt
as ist alles wahr. Darin sind wir uns einig. Aber einepposition und Demonstranten haben politisch nicht dasecht, gegen eine demokratische Entscheidung zum zi-ilen Ungehorsam aufzurufen.
as ist nicht in Ordnung. Die Straße hat keine höhereemokratische Legitimation als Parlament und Gesetz.
Die Polizei sollte und muss von allen – wo immer sieolitisch stehen – in Schutz genommen werden, wennie das Recht durchsetzt und das Demonstrationsrechtriedlicher und rechtstreuer Demonstranten schützt.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Kirsten Lühmann für die
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!s fällt mir ein bisschen schwer, ruhig zu bleiben, zumalch etwas unter einem Schlafdefizit leide – das sehen Sieielleicht –, genauso wie viele Polizeibeamte und Poli-eibeamtinnen, die in den letzten Tagen im Wendlandingesetzt waren, und wie viele Protestierende.
ch möchte den Polizisten und Polizistinnen danken, dien diesen Tagen trotz zum Teil massiver Übermüdungesonnen und meist professionell gehandelt haben. Ichanke allen Protestierenden für ihre friedlichen Aktio-en, für ihr Engagement und für ihre fantasievollen Ak-ionen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010 7551
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mit „fantasievoll“ kriminell? Was meinen Siedamit? Kriminell, Frau Kollegin?)Mein Wahlkreis Celle-Uelzen liegt neben dem Wend-land, und von den bisher zwölf Castortransporten habeich acht persönlich miterlebt, sieben davon als Spreche-rin der Polizei und den achten in diesem Jahr als Beob-achterin der SPD-Bundestagsfraktion. Das heißt, dassich bei den letzten acht Transporten bei allen Aktionendirekt vor Ort war. Diesmal hatte die SPD das erste Malein eigenes Camp, um Menschen einen Orientierungs-punkt zu bieten.
– Ich höre Ihren Protest. Haben Sie nicht Ihrem Ministerzugehört, der uns erklärt hat, warum wir dieses Camphatten? Er hat nämlich etwas über die Demonstrations-freiheit erklärt.
Ich hoffe, dass Sie wenigstens ihm glauben, wenn Siemir schon nicht glauben.Herr Minister, wenn Sie dem Protest der Bürgerinitia-tive „X-tausendmal quer“ einmal zuhören würden, wüss-ten Sie, dass es nicht darum geht, zu verhindern, dassdieser Transport in das Zwischenlager kommt. Es wissendoch alle, dass wir Abnahmeverpflichtungen haben. Esgeht darum, dass wir durch die Verzögerung des Trans-portes und durch den Protest auf die Gefahren aufmerk-sam machen, die von Atomkraft ausgehen, darauf, dassGorleben als Zwischenlager ungeeignet ist, und in die-sem Jahr auch auf die verfehlte Energiepolitik der Bun-desregierung.
Sie versuchen jetzt, diesen Protest zu kriminalisieren.Das haben Sie eben in einer Art und Weise getan, die ichnicht gutheißen kann. Dabei hilft Ihnen die Bild-Zeitung,in der zu lesen ist:Doch diesmal explodierte die Gewalt! … Gewalt-Exzesse beim Castor-Transport stürzen das Wend-land ins Chaos!
Wenn Sie das wirklich so sehen, dann darf ich einmal zi-tieren, was Ihr eigener Innenminister in Niedersachsendazu sagt; ich hoffe, dass Sie wenigstens ihm glauben.Er sagte nämlich heute: Die Demonstrationen waren biszum Schluss friedlich. Die Auftaktdemonstration waram Samstag ohne Frage ein Ausdruck des friedlichenund offensichtlich fantasievollen Protests.
Das ist ein Zitat von Herrn Schünemann, kein Zitat vonmir.sOmnkDdgsuIbgzlWudgbiewnDub–dsitSsne
it Ausnahme der Vorfälle in der Göhrde. Aber das ken-en wir. Dort haben wir immer Probleme. Das sind abereine Protestierer, das sind Chaoten und Krawallmacher.amit werden wir fertig.
Als Letztes möchte ich den Pressesprecher der Bun-espolizei Christian Poppendieck zitieren, der in Harlin-en auf dem Gleis gesagt hat: Was Sie hier sehen, ist ab-olute bürgerliche Mitte. Hier sind Menschen wie Siend ich. – So viel zu dem Thema Kriminalisierung.
Es gab kriminelle Akte von etwa 300 Menschen; dernnenminister sprach es an. Es gab 78 verletzte Polizei-eamte und Polizeibeamtinnen. Ich stelle hier – ichlaube, im Namen aller Anwesenden – fest: Das Verlet-en von Polizeibeamten und Gewaltausübung verurtei-en wir alle aufs Schärfste.
ir wünschen diesen 78 Menschen eine gute Genesungnd hoffen, dass sie bald wieder okay sind.
Sie haben aber nicht von den 10 000 Menschen gere-et, die friedlich unterwegs waren, die keine Gewalt aus-eübt haben, die nicht gespuckt und nicht beleidigt ha-en. Die habe ich bei den großen Protestveranstaltungenn Harlingen und in Gorleben erlebt. Fragen Sie dochinmal Ihre Polizeibeamten. Sie werden Ihnen sagen: Esar noch nie so friedlich, noch nie so ruhig. Es gab nochie eine so hervorragende Aktion wie in diesem Jahr. –ie Zusammenarbeit zwischen „X-tausendmal quer“nd der Polizei ist vorbildlich gewesen. Fragen Sie dochitte die Einsatzleitung!
Ja, das war er nicht; wir waren vor Ort.Ich habe dort Menschen getroffen, die zum ersten Malemonstriert haben. Fragen Sie sich doch einmal, warumie dort waren. Ich habe nachts in Harlingen ein Ehepaarm Alter von Mitte 50 aus Celle, meiner Heimatstadt, ge-roffen, das zum ersten Mal in seinem Leben auf dietraße gegangen ist. Fragen Sie doch einmal, warum die-es Ehepaar dies getan hat und warum es das vorhericht für nötig gehalten hat. Jetzt war es da.Ganz zum Schluss möchte ich auf die Bemerkungingehen, dass die arme Polizei nicht abgelöst werden
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7552 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
Kirsten Lühmann
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konnte, weil die Straße blockiert war. Ich bitte Sie! Ichwar vor Ort. Ich bin überall durchgekommen. Ich habeWege gefunden, die nicht blockiert waren. Ich habe Le-bensmittel nach Harlingen gebracht, wo die Polizei nichtversorgt werden konnte. Wenn Sie dort Leute einsetzen,die sich auskennen, dann können Sie die Polizisten auchverpflegen. Lassen Sie sich das gesagt sein.
Sie haben die Leute ohne Verpflegung gelassen.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ja, ich komme zum Schluss. – Beim SPD-Camp war
eine Kontrollstelle. Diese war frei zugänglich, aber die
Leute haben nichts zu essen erhalten. Wir vom SPD-
Camp haben die Polizisten mit Suppe, Kaffee und Ku-
chen versorgt. Fragen Sie einmal, warum die Polizisten
nicht versorgt werden konnten. So etwas kann doch
nicht sein.
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist jetzt um.
Mein letzter Satz ist: Glauben Sie nicht, dass dieser
Protest abflauen wird. Er wird nächstes Jahr genauso
stark oder noch stärker sein, wenn Sie nicht endlich wie-
der auf den Weg des gesamtgesellschaftlichen Konsen-
ses zurückkehren.
Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Christian Lindner für
die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren!Die Bundesregierung genehmigt Atomtransportenicht aus Daffke. … Die Bundesregierung geneh-migt Transporte, wenn sie notwendig sind. Sie ge-nehmigt sie, wenn sie dazu international verpflich-tet ist, und sie genehmigt sie ausschließlich unterder Voraussetzung, dass die Sicherheit dieser Trans-porte gewährleistet ist …ZdADMSzlshDs„iVtfbGsgmPDodIzsWgSzsDsar
as zieht sich vom jetzigen Thema über das Kraftwerkoorburg in Hamburg bis nach Stuttgart 21. Es ist dertil, in der Regierungsverantwortung zu Besonnenheitu mahnen und in der Opposition mit hysterischen Paro-en an der Spitze des Oppositions- und Protestzugs zutehen. Dafür gibt es einen Namen, ein Wort. Das Worteißt Heuchelei.
as ist Ihr politischer Stil. Wir haben Demonstranten ge-ehen, die ihre Meinung gezeigt haben. Auch das heißt jaDemonstration“. Es gab aber auch Demonstranten, diehre Meinung durchsetzen wollten, mit Blockade, durcherschleiß der Polizei, durch Gewalt und durch Schot-ern.
Frau Kollegin Lühmann, Schottern – ist das einer derantasievollen Proteste, von denen Sie gesprochen ha-en?
Was ist Schottern? Schottern heißt einerseits, vor denefahren der Castortransporte zu warnen, und anderer-eits Beschädigung des Gleisbetts, um vorsätzlich Ent-leisungen zu provozieren. Das ist blutrot-grüner Zynis-us, meine Damen und Herren und kein fantasievollerrotest.
as ist zu Recht eine Straftat, zu der zahlreiche Abge-rdnete der Linkspartei aufgerufen haben und für die ausen Reihen der Grünen Verständnis geäußert worden ist.ch sage Ihnen aber: Wer als gewählter Parlamentarierum Bruch von Gesetzen aufruft, der diskreditiert sichelbst als Gesetzgeber.
enn Sie Straftaten tolerieren, überschreiten Sie die le-itime Linie von Oppositionspolitik.
etzen Sie sich mit uns hier auseinander.Frau Künast sagt zu dem Ganzen – 131 verletzte Poli-isten, 25 Millionen Euro Kosten für den Einsatz –, dasei eine Sternstunde der Demokratie gewesen.
emokratie heißt, dass Legitimität über Wahlen herge-tellt wird. Legitimität heißt, die Kraft des Argumentsnzuerkennen. Demokratie heißt Ordnung durch Verfah-en. Demokratie heißt, Rechtsprechung anzuerkennen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010 7553
Christian Lindner
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Wenn das, was wir im Wendland erlebt haben, tat-sächlich eine Sternstunde der Demokratie war, dann ha-ben die Grünen aufgehört, eine Rechtsstaatspartei zusein.
Sie legitimieren das Ganze ja damit, dass diese Koalitionangeblich einen gesellschaftlichen Konsens gebrochenhat.
Was war das für ein Konsens? Es war der Konsens, inder Endlagerfrage nicht zu entscheiden. Es war der Kon-sens, planlos in das Zeitalter der erneuerbaren Energienwechseln zu wollen. Ihr Konsens war in Wahrheit eineFiktion.
Diese Koalition entscheidet jetzt. Wir stellen uns derEndlagerfrage, wozu der Staat nach dem Atomgesetz jaauch verpflichtet ist. Wir stellen uns der Frage, wie wirins Zeitalter der erneuerbaren Energien kommen, wiewir das wirtschaftlich erreichen, wie wir das mit Versor-gungssicherheit erreichen, wie wir das auch klimaver-träglich erreichen.
Insoweit haben Sie nichts anzubieten. In Ihrem Ener-giekonzept steht, möglicherweise könnte bis 2030 dieEnergieversorgung Deutschlands aus erneuerbaren Ener-gien gedeckt werden. – Möglicherweise! So wie mögli-cherweise auch Ihr grüner Oberbürgermeister in Frei-burg das Zeitalter der erneuerbaren Energien erreichenwollte.
Er hat im Jahr 2004 gesagt, er wolle bis 2010 die Versor-gung mit regenerativen Energien von 3,4 Prozent auf10 Prozent erhöhen. 3,7 Prozent hat er geschafft. Dasmag in Freiburg nicht schlimm sein, aber auf einem sol-chen Wunschdenken können wir die Energieversorgungeiner Industrienation nicht aufbauen.
Deswegen schließen wir eine befristete Allianz auserneuerbaren Energien und verlängerter Laufzeit derAtomkraftwerke. Sie haben dazu keine Alternative vor-gelegt, die belastbar ist. Sie wollen auf dem PapiergaDkwnzEsnstDLIWDaSIsuvD–ds
ie Schwankungen wollen Sie dann durch neue Gas-raftwerke ausgleichen. Das ist interessant, nicht nur,eil wir dadurch in größere Abhängigkeit vom lupenrei-en Demokraten Putin geraten, sondern weil dies aucheigt, was das tiefere Motiv des damaligen sogenanntennergiekonsenses von Rot-Grün war: mehr Gas. Heuteind Gerhard Schröder und Joschka Fischer, die Protago-isten von damals, die größten Lobbyisten der Gasver-orger. Werfen Sie uns niemals wieder interessengelei-ete Energiepolitik vor!
Nächster Redner ist Dr. Gregor Gysi für die Fraktion
ie Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herrindner, eine Sternstunde war das nicht, was wir hier mithnen erlebt haben.
as in Gorleben passiert, ist etwas gänzlich anderes:er energiepolitische Irrweg der Bundesregierung stößtuf massiven Widerstand der Bevölkerung. Das wollenie einfach nicht zur Kenntnis nehmen.
hre Atomstrategie scheint zu scheitern. Ich wäre auchehr dafür, dass das gelingt. Tausende Demonstrantinnennd Demonstranten dort stehen für die Mehrheit der Be-ölkerung. Das müssen Sie endlich akzeptieren.
ie Mehrheit der Bevölkerung will Ihren Irrweg nicht.
Sie haben mit der Aufkündigung des Kompromissesdarüber haben Sie nicht gesprochen, Herr de Maizière;as haben Sie einfach beiseitegeschoben – einen gesell-chaftlichen Großkonflikt heraufbeschworen, und nach-
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7554 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
Dr. Gregor Gysi
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dem Sie das gemacht haben, beschweren Sie sich überden Großkonflikt. Das ist für mich auch Heuchelei, umdas einmal ganz klar zum Ausdruck zu bringen.
Warum haben Sie das gemacht? Sie haben das ge-macht, damit Eon, Vattenfall, EnBW und RWE riesigeProfite haben. Es gibt keinen anderen Grund.
Für die Profite von vier Konzernen nehmen Sie einensolchen gesellschaftlichen Großkonflikt tatsächlich inKauf. Was Sie da organisieren, ist überhaupt nicht hin-nehmbar.
Den über 50 000 Demonstrierenden, Blockierendenund Protestierenden gebührt für ihren Einsatz der Dankdes Landes. Das will ich ganz klar sagen und nichts Ge-genteiliges.
Der Castortransport wurde aufgehalten; er hat 92 Stun-den gebraucht. Das hat es vorher noch nie gegeben.
– Das hat mit „Plan“ gar nichts zu tun. Die Bevölkerungbringt damit zum Ausdruck, dass ihr Ihre Politik nichtgefällt. Darüber beschweren Sie sich. Das ist das, waswir hier erleben.
20 000 Polizistinnen und Polizisten waren eingesetzt.Überwiegend verliefen die Proteste friedlich und gewalt-frei. Dennoch – das hat noch keiner gesagt –: 950 ver-letzte Demonstrantinnen und Demonstranten. Ich habegehört: 131 verletzte Polizistinnen und Polizisten, 1 316Ingewahrsamnahmen, 306 Platzverweise und 172 Straf-verfahren. Das ist ein Ergebnis. Es gab aber auch dieVerletzung des Grundrechts auf Demonstrations- undVersammlungsfreiheit. Was mich stört, Herr deMaizière: Sie waren nicht dabei, ich war nicht dabei,
aber Sie wissen schon jetzt alles und sagen ganz genau,wie es gelaufen ist. Genau das ist nicht zu akzeptieren.
Die friedliche Nutzung von Kernenergie ist im Un-glücksfall nicht beherrschbar. Das wissen Sie. Die La-gerfrage ist weltweit nicht gelöst. Das wissen Sie. DieBundesregierung hat sich auf Gorleben fixiert. Alternati-vzlnbAAAteaELidaDsorsminvdib–nLfdrGstwFKF
Was Sie auch nicht merken, egal ob es um Gorlebender Stuttgart 21 geht: Der Abstand zwischen der Regie-ung und den Regierten nimmt täglich zu. Fragen Sieich doch einmal, warum! Was passiert denn da? Neh-en Sie das Beispiel Stuttgart 21! Sie sagen: Rechtlichst alles abgeschlossen. – Das interessiert die Leuteicht. Sie gehen trotzdem hin. Was hat sich im Denkenerändert? Es gibt ein rebellisches Denken, weil Sie anen Leuten und an den Mehrheiten in der Gesellschaftmmer öfter vorbeiregieren, und zwar im Interesse vonestimmten Lobbyisten. Das bekommen die Leute mit.
Nein, Sie können das alles nicht erklären. Sie könnenicht erklären, weshalb wir hier im Bundestag in derage sind, innerhalb einer Woche 480 Milliarden Euroür die Banken bereitzustellen, die Frau und der Mann,ie sich darum kümmern, dass die Toilette in der Schuleepariert wird, aber die Auskunft bekommen, es sei keineld da. Das ist den Leuten nicht mehr zu erklären. Ichage Ihnen: Sie werden an diesen Widersprüchen schei-ern.
Ihre Fehlentscheidung in Bezug auf die Atomenergieird Konsequenzen haben. Ich bin davon überzeugt:rau Merkel hat mit ihrer Entscheidung das Ende ihreranzlerschaft eingeleitet.
Die Kollegin Claudia Roth hat nun das Wort für dieraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010 7555
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Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wir ha-ben bewegte Tage erlebt, und wir haben bewegende Tageim Wendland erlebt. Wir haben Zehntausende Menschenbeim größten und vor allem beim breitesten zivilgesell-schaftlichen Widerstand erlebt, den es seit Jahrzehntenim Wendland gab, gegen eine gefährlich falsche Atom-politik von Schwarz-Gelb.
All diese Menschen sind auf die Straße gegangen, ge-rade auch, weil Schwarz-Gelb mit dem Versuch, denAtomausstieg zurückzudrehen, ihn rückgängig zu ma-chen, für politische Eskalation gesorgt und einen Groß-konflikt losgetreten hat. Herr Lindner, das ist der Unter-schied. Reden Sie doch nicht von Heuchelei! Sagen Siedie Wahrheit! Der Unterschied ist, dass Sie die Laufzei-ten der Atomkraftwerke verlängern wollen. Deshalb sindso viele Menschen auf die Straße gegangen.
Es sind viele alte Menschen gewesen, Herr Kauder,und viele junge Menschen. Viele Familien waren unter-wegs, manchmal drei Generationen. Es waren die Land-wirte, die Gewerkschafter. Es waren sehr viele praktizie-rende Christinnen und Christen darunter,
die sich Sorgen machen und die wütend sind über einePolitik, die sich so wenig um ihre Sicherheit kümmert.Wenn es anders wäre, müsste so schnell wie möglich ab-geschaltet werden, statt Tausende Tonnen von neuemMüll zu produzieren, Kolleginnen und Kollegen vonSchwarz-Gelb.
Die Menschen sind wütend – das ist der Unterschied,Herr Lindner – über die Aufhebung des Moratoriums.Sie sind wütend über die De-facto-Festlegung auf Gorle-ben als Endlager. Dabei handelt es sich übrigens um ei-nen illegalen Schwarzbau; ohne atomrechtliche Geneh-migung soll das nämlich vonstatten gehen.
Sie sind vor allem wütend über eine ignorante Heuche-lei, wie man sie immer wieder aus den im Süden gelege-nen, CDU- oder CSU-regierten Ländern hört. Diese sa-gen nämlich: Wir wollen die Laufzeitverlängerung undwollen Kasse machen mit der Stromproduktion, aber denMüll schicken wir nach Gorleben. – Und das, ohne dasses zuvor jemals eine ergebnisoffene Suche nach einemEndlager gegeben hätte.AwrerDADwSrdBnd–tstMjzgdtskR
Es waren Vertreter von Unternehmen da, die gegentomstrom protestierten. Es waren Vertreter von Stadt-erken da, die wütend sind, weil die Laufzeitverlänge-ung keine Brücke, sondern einen Abgrund für dierneuerbaren Energien darstellt. Diese Laufzeitverlänge-ung wird, mit Verlaub, den Wirtschaftsstandorteutschland gefährden, weil so auch zukunftssichererbeitsplätze in diesem Land gefährdet werden.
Es waren auch sehr viele Menschen aus Stuttgart da.as stimmt wirklich. Ich als Schwäbin habe sie gefragt,arum sie da waren. Wissen Sie, warum die da waren?
ie antworteten mir, dass sie ein Zeichen gegen die Ar-oganz einer Politik setzen wollen, die über die Köpfeer Menschen hinweg entscheidet, sie mithilfe des altenergrechts entmündigen will und weder Beteiligungoch Transparenz garantiert.
Das ist das neue Aufbegehren: eine Aneignung vonemokratischem Bürgersinn.
Früher hatten auch Sie ja einmal etwas mit Bürgerrech-en im Sinn; aber das ist lange her.
Mit Verlaub: Sie verbarrikadieren sich in derchwarz-gelben Zitadelle der Macht. Sie haben den Kon-akt zu den Sorgen der Menschen, zu den Wünschen derenschen verloren. Die Ereignisse im Wendland habena eines gezeigt, nämlich dass man Politik, die keine Ak-eptanz findet, nicht gegen eine ganze Region und nichtegen die Mehrheit der Menschen in diesem Landurchdrücken kann. Und warum überhaupt diese Poli-ik? Doch nur, um vier Konzernen Milliardengewinne zuichern.
Ich sage Ihnen eines: Sie spalten mit diesem Groß-onflikt unsere Gesellschaft, und Sie tun das auf demücken der Polizistinnen und Polizisten.
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7556 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
Claudia Roth
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Wie viele wollen Sie denn noch hinschicken? 20 000 Be-amte waren an der Grenze. Sie waren völlig überfordert.Ich habe mit sehr vielen geredet. Was manche mir dortgesagt haben, hat Konrad Freiberg deutlich zum Aus-druck gebracht. Ich zitiere den Vorsitzenden der Ge-werkschaft der Polizei:Wenn man einen unter schwierigsten Bedingungenerzielten Konsens aufkündigt, muss man wissen,was man dadurch hervorruft – nämlich gesellschaft-liche Konflikte … Aber man kann mit der Polizeikeine gesellschaftlichen Konflikte lösen.Sie tragen den Konflikt auf dem Rücken der Polizistenaus, und das ist unerträglich.
Jetzt kommen sie wieder, die lauten, kreischendenVersuche, den demokratischen Widerstand zu kriminali-sieren.
Ich finde es erschreckend: Demokratiefeindliche Reflexetun sich bei den Herren Dobrindts dieser Republik auf.
Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Redezeit.
Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Ja. – Das Demonstrationsrecht, das Recht auf gewalt-
freien Widerstand inklusive der friedlichen Blockade, ist
ein Grundnahrungsmittel in einer selbstbewussten De-
mokratie.
Natürlich haben wir uns daran beteiligt, wie übrigens
auch die Landwirte, die mit 600 Treckern an einer De-
monstration von 50 000 Menschen teilgenommen haben.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Ich komme zum letzten Gedanken.
Nein, zum letzten Satz.
Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Zum letzten Satz. –
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A
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– gegen den Atomausstieg, gegen das Endlager und
egen eine zukunftsfähige Energiepolitik.
Nächster Redner ist der Kollege Alexander Dobrindt
ür die CDU/CSU-Fraktion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin!uch ich zitiere:Gegen diese Transporte sollten Grüne in keinerForm – sitzend, stehend, singend, tanzend –
demonstrieren.ürgen Trittin, Sie hatten wohl Claudia Roth im Sinn, alsie das formuliert haben.Und es geht noch weiter:Diejenigen, die durch ihre Aktion auf den Gleisendazu beigetragen haben, dass die Castorbehältereinen Tag später als geplant angekommen sind, ha-ben … sich … rechtswidrig verhalten und Rechts-bruch begangen …ürgen Trittin 2001.
Sehr geehrter Herr Trittin, das ist der entscheidendenterschied: Wenn Sie in der Regierung sind, wenn Siemweltminister sind, dann halten Sie Castortransporteür notwendig. Sie haben Castortransporte angeordnetnd gesagt, man dürfe nicht gegen sie demonstrieren.etzt, da Sie in der Opposition sind, mischen Sie sich un-er die Demonstranten und heizen den Protest auch nochn. Politische Heuchelei hat eine Farbe in diesem Land,nd die ist Grün.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010 7557
Alexander Dobrindt
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So handelt übrigens nur ein Politiker, dem die Glaub-würdigkeit abhandengekommen ist oder der bereit ist,die Glaubwürdigkeit mit Füßen zu treten, oder der aufGlaubwürdigkeit pfeift.
Liebe Frau Roth, Sie haben bei all Ihren Versuchen,über Laufzeitverlängerung, Geld und anderes zu reden,eines vergessen: Sie haben vergessen, zu erwähnen, dassunter Ihrer Verantwortung Kernkraftwerke in Deutsch-land betrieben werden. Sie haben vergessen, zu erwäh-nen, dass Rot-Grün in München Eigentümer eines Kern-kraftwerks ist, nämlich Isar 2. Eine Münchener Zeitunghat den rot-grünen Bürgermeister, der sich dazu bekennt– er sagt, SPD und Grüne sind seit 1990 in einem Regie-rungsbündnis in einer Kommune, die ein Kernkraftwerkbesitzt –, gefragt, er sei wohl der Einzige in Deutsch-land, der als Kernkraftwerksbetreiber am Samstag de-monstriert habe, und ob es nicht sinnvoll wäre, darübernachzudenken, sich von so etwas zu trennen. Daraufsagte der rot-grüne Bürgermeister: Moralisch macht eskeinen Unterschied, ob die Stadt vom Kaufpreis profi-tiert oder von der alljährlichen Rendite aufgrund derLaufzeitverlängerung. – Das ist die Moral von Rot undGrün in diesem Land. Machen Sie den Menschen dochnichts vor!
Sie sind bereit, Kernkraftwerke in eigener Verantwor-tung zu betreiben. Trotzdem reden Sie vom Abschaltenund davon, dass nur dadurch andere in der Lage sind, indie Energieversorgung zu investieren.
Frau Künast spricht von einer Sternstunde der Demo-kratie,
und das angesichts von 131 verletzten Polizisten und zigMillionen Euro Kosten. Es wurden Gleise beschädigt,und es wurde zum Schottern aufgerufen. Sie haben dafürgesorgt, dass Polizisten von der Versorgung abgeschnit-ten wurden.
Sie bekamen deswegen kein Essen und konnten nicht ab-gelöst werden.
Das – nämlich Gleise beschädigen, Gleise schottern – istdie Demokratie, wie sie sich vielleicht die Grünen vor-stellen. Das hat aber mit einer Sternstunde der Demokra-twgDmlpnGaDBtMEkkObDhgdlstSjHG
Polizisten von der Versorgung abzuschneiden, ist eineneralstabsmäßiges Vorgehen.
as ist militärische Schule. Ein solches Verhalten kannan nur von den Grünen mit ihrer APO-Vergangenheiternen. Frau Roth, ich bleibe dabei: Sie outen sich als derolitische Arm von Aufrührern, Brandstiftern und Stei-ewerfern. Das ist die grüne Realität in diesem Land.
Politik ohne Verantwortung, Politik ohne jeglicherenzen, Protest ohne Gewissen, Protest ohne Rücksichtuf die Menschen in diesem Land:
as ist undemokratisch und unparlamentarisch. Bei derundestagswahl 2009 waren Sie gegen die Energiepoli-ik, die wir vorgeschlagen haben. Aber Sie haben keineehrheit für Ihre Position bekommen.
s wäre jetzt demokratisch – Sie reden doch von Demo-ratie –, wenn Sie einmal akzeptieren würden, dass Sieeine Mehrheit bekommen haben.
bwohl die Menschen Ihnen das Vertrauen nicht gege-en haben, gehen Sie auf die Straße und protestieren.as ist undemokratisch; das hat mit Demokratie über-aupt nichts zu tun. Sie müssen akzeptieren, dass Sie ab-ewählt worden sind.
Sie sind schlechte Verlierer. Wir haben vor der Wahleutlich gemacht, was wir nach der Wahl umsetzen wol-en. Wir haben dargestellt, wie die Energiepolitik in die-em Land ausschauen soll. Dafür haben wir das Ver-rauen der Bürger bei der Bundestagswahl bekommen.ie haben dieses Vertrauen nicht bekommen. Sie tretenetzt die Demokratie mit Füßen. Noch einmal: Politischeeuchelei in diesem Land hat eine Farbe, und die istrün. Dabei bleibe ich.
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7558 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
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Der Kollege Dr. Matthias Miersch ist der nächste
Redner für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Als jemand, der viele Tage vor Ort gewesen ist,
finde ich es unerträglich, wie Sie versuchen, Tausendevon Demonstranten zu kriminalisieren, liebe Kollegin-nen und Kollegen von CDU/CSU und FDP.
Herr Bundesinnenminister, angesichts des Einsatzesvon 8 000 Bundespolizisten im Wendland hätte es Ihnengut zu Gesicht gestanden, wenn Sie sich vor Ort ein Bildgemacht und persönlich von der Lage überzeugt hätten.
Herr Bundesumweltminister, es wäre auch an Ihnen ge-wesen, vor Ort zu sein und den Leuten zu erklären, wel-che Politik Sie hier machen. Das sind Sie den Menschenschuldig geblieben.
Wenn Sie, Herr de Maizière, den Schaden für die par-lamentarische Demokratie beklagen, dann muss ich Siedarauf aufmerksam machen, dass der Bundestagspräsi-dent die Art und Weise, wie hier beraten worden ist,ganz öffentlich kritisiert hat und angemahnt hat, dass de-mokratische Rechte nicht verletzt werden dürfen.
Ich frage Sie, Herr Bundesinnenminister: Warum hatder Rechtsausschuss des Bundesrates heute festgestellt– offenkundig auch mit Stimmen von CDU oder FDPoder beiden –, dass der Bundesrat der Änderung desAtomgesetzes zustimmen muss? Warum hat der Rechts-ausschuss des Bundesrates heute beschlossen, dem Bun-desrat zu empfehlen, die Novelle zum Atomgesetz abzu-lehnen?
Das ist doch ein Fingerzeig darauf, dass mit Ihren Bera-tungsabläufen, mit Ihrem Vorgehen etwas nicht stimmt.Sie müssen meine Fragen beantworten.Das ist auch der Grund – so habe zumindest ich esempfunden –, warum Menschen in Gorleben zum erstenMal in ihrem Leben demonstriert haben, warum alteMenschen, die teilweise schon seit 40 Jahren gegenAwdhSwalhegmAEensSsFgtgdenuDaWBunPptrHrwaznsEu
Herr Dobrindt, Sie haben kein Wort über das verloren,as die Menschen umtreibt: Sie haben sich auf Gorlebenls Standort für ein Atommüllendlager festgelegt. Natür-ich haben Sie ein großes Interesse, Bayern da herauszu-alten. Wer aber seriös Politik betreibt und bei der Wahlines Standorts die Informationen, die uns heute vorlie-en, zur Kenntnis nimmt, der weiß: Es kann längst nichtehr nur um einen Salzstock gehen. Wer sich den Fallsse vor Augen führt, der weiß, dass hinsichtlich derignung eines Salzstocks für ein Endlager mehr als nurin Fragezeichen angebracht ist. Tonschichten und Gra-itschichten könnten besser geeignet sein. Wo kommenolche Schichten in Deutschland vor? Sie kommen imüden Deutschlands vor.Ich finde, dieses Parlament muss im Interesse Ge-amtdeutschlands entscheiden. Insofern darf es keineestlegung auf Gorleben als Standort für ein Endlagereben; vielmehr müssen alternative Standorte mit in Be-racht gezogen werden. Darum ging es Rot-Grün, daruming es uns auch in der Großen Koalition. Sie waren es,ie die vom damaligen Bundesumweltminister Gabrielrarbeiteten Kriterien für die Standortsuche nicht über-ehmen wollten, sondern nach dem Motto „Augen zund durch“ handeln wollen.
amit kommen Sie bei uns nicht durch.Eines regt mich zunehmend auf: die Art und Weise,uf die anscheinend Entscheidungen getroffen werden.ir konnten gestern der Presse entnehmen, dass dasundesumweltministerium bzw. die Bundesregierungnterschriftsreife Verträge mit Russland über die Ab-ahme von hochradioaktivem Abfall ausgehandelt hat.arallel dazu nehmen wir zur Kenntnis, dass die Euro-äische Kommission die Mitgliedstaaten dazu verpflich-en will, ihren Müll vor Ort in Europa zu entsorgen. Wa-um finden auch diese Vorgänge im Geheimen statt?err Bundesumweltminister, ich fordere Sie auf: Erklä-en Sie dem Parlament und dem Umweltausschuss, umelche Vorgänge es sich handelt und wie die Verträgeussehen! Legen Sie das offen! Ansonsten käme es hieru einem Geheimvertrag, Teil 2. Auch das lassen wiricht durchgehen.
Herr Bundesumweltminister, Sie wären gut beraten,ich einmal mit den Polizeibeamten, mit dem neuenKD-Ratsvorsitzenden und den Seelsorgern vor Ort zunterhalten. Sie alle werden Ihnen bestätigen, dass dort
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010 7559
Dr. Matthias Miersch
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im Wendland in den letzten Tagen eine Stimmungherrschte, die darauf abgerichtet – –
– Ja, ja. – Es wurde darauf abgezielt, die Interessen derzukünftigen Generationen zu berücksichtigen; darumging es diesen Menschen zum großen Teil. Wenn Siediese Menschen kriminalisieren, dann wollen Sie dieseinfach verdecken und nicht zur Kenntnis nehmen. Siewerden mit dieser Masche aber nicht durchkommen. DieMenschen – sie kamen nicht nur aus dem Wendland,sondern aus ganz Deutschland – haben verstanden. Die-ser Protest wird weitergehen.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun der Kollege Marco Buschmann für
die FDP-Fraktion.
Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine liebenKolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung vorweg:Herr Kollege Miersch, Vernunft misst sich nicht in Dezi-bel.
Jetzt zur Sache. Selbstverständlich hat jeder dasRecht, zu demonstrieren und auf die Straße zu gehen.Die Versammlungsfreiheit ist unverzichtbar für die libe-rale Demokratie. Deshalb rufe ich jedem friedlichen De-monstranten im Wendland zu: Ich bin zwar nicht eurerMeinung, aber selbstverständlich würde ich alles dafürtun, dass ihr eure Meinung stets sagen dürft. Das ist dochgar keine Frage. Das sage ich aber natürlich nur denfriedlichen Demonstranten. Das gebietet der Vorbehalt,unter dem die Versammlungsfreiheit nach unserer Ver-fassung steht. Art. 8 Grundgesetz spricht eine deutlicheSprache: Demonstrieren darf man nur friedlich und ohneWaffen.Wer sich die Bilanz dieses Wochenendes anschaut,sieht, dass nicht nur friedlich und ohne Waffen demons-triert wurde.
Es ist nicht friedlich, wenn ein Polizeifahrzeug in Brandgesteckt wird, und es ist auch nicht friedlich, wenn über130 Polizistinnen und Polizisten verletzt werden. Daskann man nicht ernsthaft sagen.
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Denen, die für diese Verletzungen verantwortlichind, möchte ich eines sagen: Nichts zieht Ihr politischesnliegen so sehr in den Schmutz wie das Verletzen vonenschen, die ihren Job machen, indem sie Recht undesetz verteidigen. Ich wiederhole: Nichts zieht Ihr An-iegen mehr in den Schmutz.
An dieser Stelle muss gesagt werden: Natürlich warenecht und Gesetz in Gefahr. Ich nenne nur das StichwortSchottern“. Schottern ist kein Volkssport, sondern einetrafbare Handlung. Das ist ein gefährlicher Eingriff inen Schienenverkehr. Das, was ein bisschen technischnd leblos klingen mag – ich höre schon, wie gesagtird, das sei doch nichts –, ist ein Straftatbestand. An-eblich gehe es letzten Endes darum, Menschenleben zuchützen.
Ich möchte Ihnen einmal kurz erläutern, warum eintraftatbestand vorliegt; schließlich wird immer wiederesagt, dabei könne nichts passieren, weil die Lokführerorgewarnt seien und sie nur ganz langsam führen. Am. Juni dieses Jahres ist ein Zug mit 11 Stundenkilo-etern – das ist quasi Schrittgeschwindigkeit – über einleisbett gefahren, bei dem der Schotter entfernt war.ieser Zug ist entgleist, weil sich die Schienen soforterformt haben. Züge, die entgleisen, gefährden Men-chenleben. Wer etwas tut, was dazu führt, dass Zügentgleisen, der gefährdet Menschenleben.
chottern ist kein Kavaliersdelikt. Schottern ist lebens-efährlich.
Jetzt kann man natürlich die Frage stellen: Welchenorwurf kann man den Schotterern machen, wenn sogaritglieder gesetzgebender Organe zum Schottern aufru-en? Ich gebe zur Kenntnis: Mittlerweile ermittelt dietaatsanwaltschaft Lüneburg in mehr als 20 Fällen ge-en Mitglieder dieses Hauses und gegen Mitglieder vonandesparlamenten. Es wurde sogar in Räumen deseutschen Bundestages zu strafbaren Handlungen auf-erufen. Das gebe ich dem Präsidium zur Kenntnis, undch hoffe, dass die Hauspolizei in solchen Fällen ein-chreitet. So etwas ist völlig inakzeptabel.
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7560 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
Marco Buschmann
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Mitglieder gesetzgebender Organe setzen Recht, siebrechen es nicht, und sie rufen auch nicht zum Rechts-bruch auf. Was ist das für eine Gesinnung?
Wissen diese Leute denn nicht, welche Gewalt sie demRechtsstaat antun, wenn sie Rechtsnormen unter denVorbehalt ihrer persönlichen Gesinnung stellen? Das hatnichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun.
All die vorgeschobenen Argumente stimmen nicht.Jeder weiß, dass jeder Castortransport, der heute und inden nächsten zehn Jahren rollt, von jeder Bundesregie-rung genehmigt würde. Auch ohne eine Reststrommen-genausweitung wären die Castortransporte erforderlichoder, wie der abgewählte Bundesumweltminister Trittingesagt hat, unabweisbar und notwendig.
Zum Schluss nenne ich noch ein Stichwort – ich bitteSie wirklich, in sich zu gehen –:
Widerstandsrecht. Das in unserem Grundgesetz veran-kerte Widerstandsrecht – Art. 20 Abs. 4 – wurde ge-boren aus der historischen Erfahrung, dass die National-sozialisten die Demokratie abgeschafft haben. Werernsthaft behauptet, dass ein Energiekonzept, das von ei-ner demokratisch legitimierten Mehrheit dieses Hausesbeschlossen worden ist, mit der Abschaffung der Demo-kratie durch die Nationalsozialisten verglichen werdenkann, der hat jeden Bezug zur Realität, zur Verhältnis-mäßigkeit und zum politischen Anstand verloren.
Es bleibt dabei: Friedlich und ohne Waffen ist zu de-monstrieren. Wer das nicht tut, ist kein Held. Er ist nichtmutig und auch nicht Avantgarde. Er ist schlichtweg einKrimineller.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dorothée Menzner
für die Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!Vorab zwei Feststellungen:Erstens. Ich glaube, wir hätten hier eine etwas bessereDebatte, wenn auch der eine oder andere Kollege bzw.die eine oder andere Kollegin der Koalition in den letz-ten vier Tagen im Wendland gewesen wäre und hiernicht nur die Bild-Zeitung zitieren würde.
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Ja, sie haben provoziert. Viele Menschen – viel mehrls in der Vergangenheit – haben provoziert: bunt, fanta-ievoll, vielfältig. Ja, sie haben auf Schienen gesessen,nd sie ließen dabei vielleicht den einen oder anderenchotterstein mitgehen.
a, sie parkten ihre Trecker, ohne die Straßenverkehrs-rdnung zu beachten. Ja, sie kampierten auf Flächen,ie dafür nicht vorgesehen waren.Aber wer provozierte eigentlich? Nicht diese Men-chen. Die Provokateure und diejenigen, die das alles an-ührten, waren nicht bei Frost im kalten Wendland. Sieaßen in wohlbeheizten Konzernzentralen und Büros inerlin, Essen und Dortmund.
Wen habe ich eben mit „sie“ gemeint? „Sie“, das istum Beispiel mein Schreinermeister, den ich seit Grund-chultagen kenne; er ist übrigens Mitglied des Kirchen-orstandes. „Sie“, das sind Landwirte, die um ihre Exis-enz bangen. Das sind Schülerinnen und Schüler, dieicht nur ihre eigene Zukunft mit Sorge betrachten, son-ern auch die ihrer Kinder und Enkel.
Viele Menschen waren zum ersten Mal da. Sie warenurch die Laufzeitverlängerung motiviert. Es warenenschen, die sich mit den Fragen der Nutzung vontomenergie sehr intensiv beschäftigt haben und wissen ich habe in den letzten Tagen mit Hunderten gespro-hen –: Ein Castor enthält so viel nukleares Material,ie in Tschernobyl seinerzeit freigesetzt wurde.
ch behaupte, die Mehrzahl der Demonstrierendenusste mehr als die knappe Mehrheit im Bundestag, dieier am 28. Oktober 2010 der Laufzeitverlängerung zu-estimmt hat.
Die Demonstrierenden wussten schon im Vorfeld, aufas für Strapazen, aber auch auf was für Gefahren sieich einlassen. Sie wussten, dass sie sich darauf einlas-en, verprügelt zu werden, Tränengas abzubekommennd Strafanzeigen zu kassieren. Ich bin mir sicher – dasar die Reaktion vieler –: Sie werden es auch wiederun, und zwar so lange, bis die Politik in diesem Lande
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010 7561
Dorothée Menzner
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zur Vernunft kommt und den Willen der Mehrheit derBevölkerung und nicht den der Konzerne umsetzt.
Ich fordere Sie an dieser Stelle auf, über zwei Fragenmeines 13-jährigen Sohnes nachzudenken, auf die ichkeine befriedigende Antwort geben kann.
Mein Sohn fragte mich: Was ist das für eine Regierung,die so weitreichende Entscheidungen wie die Laufzeit-verlängerung gegen jede Vernunft, gegen den Willen derMenschen und der Mehrheit der Bevölkerung durch-setzt? Was ist das für eine Demokratie, die sich vor ihrenBürgerinnen und Bürger so martialisch schützen muss?Ich kann ihm das nicht beantworten. Ich kann ihm nichtbeantworten, wieso wir jedes Jahr erleben, dass einLandkreis in den Ausnahmezustand versetzt wird,
dass Bürgerrechte und Versammlungsrechte einge-schränkt werden und dass wir immer wieder erleben – –
– Ja, das können wir gerne machen. Versuchen Sie es.Wir erleben immer wieder, dass die Bedenken derMenschen nicht ernst genommen werden. Sie werdenübergangen. Wir erleben im Gorleben-Untersuchungs-ausschuss, dass selbst kritische Wissenschaftlerinnenund Wissenschaftler ignoriert wurden. Ihre Berichte, diebesagt haben, dass Gorleben als Endlager ungeeignet ist,wurden nicht zur Kenntnis genommen. Die Menschennehmen wahr: Jeder Castor, der ins Wendland kommt,schafft vollendete Tatsachen und vergrößert die Gefahr,dass wir – wie in der Asse – ein weiteres Desaster in ei-nem Salzstock haben werden.
Wir sollten den Tausenden, die am Wochenende un-terwegs waren, friedlich und fantasievoll demonstriertund blockiert haben, sich bei Minustemperaturen dieNächte um die Ohren geschlagen haben, die sich Schika-nen, Schlägen, Tränengas ausgesetzt sahen, danken. Siehaben die Meinung der Mehrheit der deutschen Bevölke-rung auf die Straße getragen.
Sie stießen bei vielen der Beamten auf großes Verständ-nis. Es waren mehrere Beamte, die mir gesagt haben:Seid ja laut. Viele der Polizisten haben sich gewünscht,auf der anderen Seite zu sein.hklseofVmdSWWsGvvdmkukdD
Den Demonstrierenden gebührt unser aller Dank. Sieaben gelebte Demokratie gezeigt. Sie haben sich demo-ratisch engagiert und genau das getan, was wir eigent-ich immer wieder fordern. Sie sind nicht politikverdros-en, sie mischen sich ein, und sie werden sich weiterhininmischen. Dafür steht ihnen das Bundesverdienstkreuzder eher ein Bundesverdienst-X zu.Ich danke Ihnen.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Sylvia Kotting-Uhl
ür die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!erehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,it Ihrem Ablenkungsmanöver halten Sie sich den Kerner Debatte nicht vom Hals. Der Kern der Debatte ist:ie verlieren das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.
enn in Stuttgart die schwäbische Hausfrau und imendland der Adlige und die Kirche gegen Sie demon-trieren, ist das für Sie der GAU.
Die intransparente, widersprüchliche und einseitiggönnerhaft erscheinende Politik der Regierungtreibt die Bürgerinnen und Bürger zu Recht auf dieStraße.efällt Ihnen der Satz? Er könnte von mir sein, ist aberon einem Polizisten, und zwar einem hochrangigen,on GdP-Chef Freiberg.
Sie jammern hier herum, Kolleginnen und Kollegen,ie Grünen müssten ihr Verhältnis zur Gewalt klären. Sieüssen Ihr Verhältnis zu den Bürgerinnen und Bürgerlären,
nd Sie müssen Ihr Verhältnis zur Rechtsstaatlichkeitlären. Niedersachsens Justizminister Busemann sagte,ie Grünen hätten die Proteste angeheizt, das habe mitemonstrationsrecht nichts zu tun.
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7562 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
Sylvia Kotting-Uhl
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Klären Sie einmal Ihr Verhältnis zur Rechtsstaatlichkeit.Demonstrationen sind keine Gewalt, sondern ein Grund-recht. Sitzblockaden sind keine Gewalt.
Sie halten an einem Endlagerstandort fest, in dessenGeschichte ununterbrochen manipuliert wurde.
Geologische Zweifel wurden einfach beiseitegefegt. DieWissenschaftler, die diese Zweifel äußerten, wurden dis-kreditiert. Wenn es nicht passte, wurde das Konzept ge-ändert. Als man entdeckte, dass das Deckgebirge nichtintakt ist, hat man gesagt: Wir brauchen kein geologi-sches Mehrbarrierensystem, eine Barriere reicht. Hatteman die Salzrechte nicht an der Stelle, wo man erkundenwollte, sagte man: Gehen wir doch um die Salzrechte he-rum, verändern wir die Erkundungsbereiche.Sie wollen dort nach Bergrecht weiterbauen, obwohlSie ein Endlager für radioaktiven Müll ausbauen.
Sie wollen nach einem Rahmenbetriebsplan von 1983weiterbauen, der nichts, aber auch gar nichts mit dem zutun hat, was dort heute steht.
Die Schächte stehen woanders als auf dem Plan, der Ab-stand ist anders als auf dem Plan, die Richtstrecken ge-hen nach Norden statt nach Süden, die Erkundungsberei-che stehen völlig woanders. Es interessiert Sie und IhrenMinister nicht. Warum wird nach diesem Rahmenbe-triebsplan weitergebaut? Damit Sie nach Bergrecht – dasgeht nur mit diesem Rahmenbetriebsplan – weiterbauenkönnen, um dann unter Atomrecht einzulagern. Sie ver-drehen die Rechtslage völlig.
Jetzt wollen Sie auf Grundlage des neu geschaffenen§ 9 d Atomgesetz enteignen. Auf diese Weise umgehtman so schön die Öffentlichkeitsbeteiligung. Sie wollennach Bergrecht weiterbauen und nach Atomrecht enteig-nen, um dann nach Bergrecht weiterbauen zu können.
Sie verlängern die Laufzeiten der Atomkraftwerke undvermehren den Atommüll, obwohl die Endlagerfragevöllig ungelöst ist. Dennoch wundern Sie sich, dassZehntausende auf die Straße gehen?
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oher haben Sie eigentlich Ihre Informationen?
Ja, aus der Bild-Zeitung? Wunderbar!
Gut; sie würden sonst vielleicht platzen.
Rot-Grün hat den Atomkonflikt befriedet.
ot-Grün hat den Ausstieg aus der Atomenergie be-chlossen,
ie Menge des Atommülls begrenzt und die Wiederauf-rbeitung verboten.
ann, meine Kolleginnen und Kollegen, kann man auchuten Gewissens Castortransporte organisieren und denürgerinnen und Bürgern sagen: Leute, die Sache ist ge-egelt.
iese Castortransporte, die aus der inzwischen verbote-en Wiederaufarbeitung zurückkommen, sind gerecht-ertigt. – Diesen Konsens haben Sie gebrochen.
afür bekommen Sie die Quittung. Sie bekommen aller-ings eine friedfertige Quittung. Für Sie ist es unerträg-ich, dass die Verwirklichung Ihrer Pläne durch einenriedlichen Protest verzögert wird,
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010 7563
Sylvia Kotting-Uhl
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durch einen in der Mehrheit absolut friedlichen Protest,wie jeder, der vor Ort war, bestätigt.
Ihr Versuch, die Demonstranten zu kriminalisieren,geht völlig ins Leere. Der Innenminister von Nieder-sachsen – einer aus Ihren Reihen – sagte, es habe zwarweitaus mehr Blockaden als sonst gegeben; die Stim-mung sei aber „insgesamt friedlich“ gewesen. Sprechervon Antiatominitiativen erklärten, die Polizei sei in denmeisten Fällen verhältnismäßig vorgegangen.
Man war sich also völlig einig: Die Demonstration wargrößtenteils friedlich. Was sagen Sie dazu?
Die Blockade der Versorgungswege war ein Neben-effekt der kreativen Treckerblockaden. Die Bauern ha-ben diesmal eine dezentrale Blockade vorgezogen. Daswar genial! Sie sind mit drei Treckern auf eine Kreuzunggefahren, haben sie verkeilt und sind gegangen. Natür-lich musste dann auch unsereiner seinen Weg suchen.
Nein, Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Siehaben sich verzockt. Die Bürgerinnen und Bürger zeigenIhnen die Gelbe Karte.
Wenn Sie Ihre Politik nicht ändern, dann wird Ihnen beiden nächsten Wahlen die Rote Karte gezeigt.
Das Wort hat nun der Kollege Eckhard Pols für die
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wennwir nicht über ein so ernstes Thema zu diskutieren hät-tJJdmemkhddbt3dnwWRwdrDddssDFggsnDImLDal
Meine Heimatregion, die für unser Land eine wich-ige Aufgabe übernimmt, hat aber auch an den restlichen60 Tagen des Jahres durchaus Aufmerksamkeit ver-ient. Die Situation in Lüchow-Dannenberg darf nichtur auf „Castor“ und „Entsorgungsbergwerk“ reduzierterden.
Die Bevölkerung vor Ort ist vom demografischenandel stärker betroffen als die Bevölkerung andereregionen in Deutschland. Dieser Landkreis, der mittler-eile 49 000 Einwohner hat, ist nicht nur hochverschul-et, sondern dort fehlt es auch an wichtigen Infrastruktu-en, vor allem in den Bereichen Straße und Schiene.ies, meine Damen und Herren von der Opposition, ister Politik Ihrer Parteifreunde vor Ort geschuldet. Füriese Probleme sind Lösungen gefordert, damit diesetrukturschwache Region nicht in ihrer Schönheit stirbt,ondern eine Perspektive bekommt.
afür braucht diese Region vor allem Gewissheit in derrage, ob der Salzstock Gorleben als mögliches Endla-er geeignet ist.Frau Roth, wir wollen endlich wissen: Ist der Standorteeignet oder nicht? Nichts anderes wollen die Men-chen in der Region wissen. Dass sich in dieser Frageichts tut, macht einen wütend!
iese Botschaft haben Sie aber leider nicht verstanden.ch will an dieser Stelle deutlich machen: Mir geht es umeine Mitbürger vor Ort, um die Einwohner vonüchow-Dannenberg.
ie christlich-liberale Koalition ist das Thema Endlagerngegangen, auch wenn es unpopulär ist. Rot-Grün hatange genug geschlafen.
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7564 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
Eckhard Pols
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Es gibt in der Region viele Menschen, die sich gegenden Castortransport und die Erkundung des Salzstockesaussprechen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es inder Samtgemeinde Gartow und in der Gemeinde Gorle-ben seit Jahrzehnten politische Mehrheiten gibt, die sichdafür aussprechen; das gilt auch für die SPD, meine Da-men und Herren. Das wissen Sie ganz genau.
Kollege Trittin, wir wissen, dass Sie die Lösung desEndlagerproblems verschleppt haben. Sie haben abernicht den Mut gehabt – Sie wissen, aus welchen Grün-den –, das Projekt Gorleben zu beerdigen. Das ist das Er-gebnis Ihrer opportunistischen Politik: ein ganzes Jahr-zehnt Ungewissheit.Als Sie in der Verantwortung waren, haben Sie sichschön mit dem Hubschrauber einfliegen lassen, um janicht mit den Kommunalpolitikern, mit den gewähltenVertretern vor Ort, reden zu müssen. Als Sie in der Ver-antwortung waren, haben Sie sich gegen die Demonstra-tionen ausgesprochen. Nun springen Sie, wie alle bei Ih-nen, wieder auf den Protestzug auf.
Die überwiegend friedlichen Proteste wurden – das istleider richtig – von Krawallen begleitet, die in diesemJahr zu einem traurigen Höhepunkt geführt haben. FrauLühmann, ich gebe Ihnen hier völlig recht: Die Leidtra-genden sind Ihre Kollegen von der Polizei und die Ein-satzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdiensten. Ichschließe mich Ihnen ausdrücklich an: Ihnen gilt auchmein besonderer Dank.Ich wundere mich genauso wie unser Innenministerdarüber, dass der Vorsitzende der Polizeigewerkschaftdie Politik der Bundesregierung, aber nicht die Chaotenkritisiert. Ich sehe es so, dass er hier eher als SPD-Mit-glied – er hat Ihr Parteibuch in der Tasche – und nicht alsGewerkschafter gesprochen hat.
Jeder hat das Recht, friedlich zu demonstrieren. Es istaber nicht hinnehmbar, dass sich Krawalltouristen undlinke Chaoten aus der autonomen Szene unter friedlicheDemonstranten mischen; denn denen geht es, wie gesagt,nicht um die Sache, sondern um Gewalt und Zerstörung.Null Toleranz muss es gegenüber dem Aufruf zuStraftaten, zum Beispiel zum sogenannten Schottern, ge-ben, den auch Abgeordnete der Linksfraktion aus diesemHause unterschrieben haben. Wer so etwas unterstützt,wird meiner Meinung nach selbst zum Gewalttäter. FrauWagenknecht und ihre Genossen haben bewusst mitRecht und Gesetz gebrochen. Ihre Vorgängerpartei, dieSED, hatte ein krankes Verhältnis zum Rechtsstaat, undTeile Ihrer Partei haben es anscheinend noch immer.DdbtdAssLdkMgwowrsd1tDzraWRLIKv
ie SPD koaliert mit solchen Leuten in Berlin und Bran-enburg. Das muss hier einmal klar gesagt werden.
Ich habe am Anfang den Landkreis Lüchow-Dannen-erg angesprochen. Die Politik muss sich stets den ak-uellen Herausforderungen stellen und die damit verbun-enen Aufgaben lösen. Deshalb appelliere ich an Sie:rbeiten Sie konstruktiv mit uns zusammen an einer Lö-ung des gesamten Endlagerproblems; denn die Men-chen in Deutschland und besonders in meiner Heimatüchow-Dannenberg brauchen endlich Klarheit. Mitem Populismus, der hier gerade aus der grünen und lin-en Szene verbreitet wird, wird uns und unseren liebenitbürgern in Lüchow-Dannenberg ganz bestimmt nichteholfen. Ich sage es noch einmal: Sie wollen endlichissen, ob Gorleben als Endlagerstandort geeignet istder nicht. Das ist hier die zentrale Frage; die müssenir beantworten. Deswegen ist es richtig, das Morato-ium zu beenden und so lange zu erkunden, bis wir wis-en, was los ist.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Sebastian Edathy für
ie SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Prozent der am Wochenende im Wendland Demons-rierenden hat sich nicht an Recht und Gesetz gehalten.as nimmt Schwarz-Gelb hier in der Aktuellen Stundeum Anlass, den anderen 99 Prozent ebenfalls eine un-edliche Gesinnung zu unterstellen. Ich halte das für un-nständig, für empörend und für unerhört.
er so argumentiert, kann offenkundig selber nicht aufedlichkeit verweisen, wenn es um das eigene Tun geht.Sie beschweren sich über massenhafte Proteste imand.
ch kann Ihnen dazu nur sagen, liebe Kolleginnen undollegen von CDU/CSU und FDP: Wer den Brunnenergiftet, der darf sich anschließend nicht über eine
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010 7565
Sebastian Edathy
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)schlechte Wasserqualität beklagen. Was passiert, ist dieFolge dessen, was Sie hier vor zwei Wochen getan ha-ben.
Die massenhaften Proteste gegen die Atompolitik derBundesregierung sind eben nicht Ausdruck einer Ge-fährdung unserer Demokratie, sondern ein Beweis fürihre Stärke und ihr Funktionieren.
Sie sind Zeichen der Empörung darüber, dass dieschwarz-gelbe Bundesregierung einen befriedet ge-glaubten Konflikt mutwillig wieder aufgebrochen hat,mit der Sicherheit der Bevölkerung spielt und ohne Notden Atommüll vermehrt, ohne dass die Endlagerfrageauch nur annähernd beantwortet worden ist.
Lassen Sie mich kurz aus dem Gorleben-Untersu-chungsausschuss berichten, dessen stellvertretender Vor-sitzender ich bin und der vor wenigen Monaten seine Ar-beit aufgenommen hat. Er beschäftigt sich mit der Frage,warum sich Schwarz-Gelb unter Helmut Kohl 1983, vor27 Jahren, so stark auf Gorleben als möglichen Standortfür ein atomares Endlager fixiert hat.Niedersachsens sogenannter Umweltminister Sander
hat am 28. Mai dieses Jahres vor der Landespressekonfe-renz gesagt, dass bei der Auswahl Gorlebens alles saubergelaufen sei; es gebe ein Gutachten eines Historikers.Davon waren die Journalisten in Hannover sehr beein-druckt. Wir als Opposition haben uns gewundert, als we-nige Wochen später dieser unabhängige Wissenschaftler,der Historiker, als Mitarbeiter der Unionsfraktion imGorleben-Untersuchungsausschuss auftauchte. Wir ha-ben ihn dann als Zeugen eingeladen, um zu hören, was erzu unserem Untersuchungsauftrag beitragen kann. Beider Befragung des Zeugen kam heraus, dass seine histo-rischen Untersuchungen über Gorleben in dem Gutach-ten auf einer Dissertation beruhen, die er vor etlichenJahren verfasst hat. Dann kam heraus, dass diese Disser-tation von PreussenElektra, heute Eon, und damit von ei-nem Kraftwerksbetreiber finanziert worden ist.
Was ist das für eine Wissenschaft, auf die Sie sich vonSchwarz-Gelb berufen? Das ist so ähnlich, als würde ichbei der Tabakindustrie ein Gutachten über die Gefähr-lddhg1bucRlktSmvteGüsIvgSlefdGGDStsnL
Unabhängige Gorleben-Wissenschaftler hingegen wur-en unter Druck gesetzt. Ihre Berufskarrieren wurden be-indert, ihre Arbeitsergebnisse manipuliert, zensiert oderanz unterdrückt.
983 schließlich beschließt die Regierung Kohl: Gorle-en, und zwar nur Gorleben, soll als Endlagerstandortntersucht werden. Grundlage war ein wissenschaftli-hes Gutachten. Das Problem aus Sicht der damaligenegierung war, dass alle Entwürfe dieser Wissenschaft-er, die das Gutachten erstellen sollten, zu dem Ergebnisamen, dass mehrere Standorte untersucht werden müss-en. Es sei wissenschaftlich völlig unseriös, nur einentandort zu untersuchen und letztlich keine Vergleichs-öglichkeit zu haben.Als diese Wissenschaftler am 11. Mai 1983 in Hanno-er zu einer abschließenden Besprechung ihres Gutach-ns zusammenkamen, auf dessen Grundlage sich Schwarz-elb unter Kohl für Gorleben entschieden hat, kamenberraschend Vertreter des Kanzleramtes, des For-chungsministeriums und des Innenministeriums hinzu.n einem Gesprächsprotokoll, dessen Korrektheit auchon der Regierungsmehrheit im Ausschuss nicht infrageestellt wird, heißt es wie folgt:Der Geologe Dr. Jaritz: „Drei Standorte untersu-chen und dann eine Entscheidung.“Dr. August Hanning, Bundeskanzleramt: „Bei Vor-schlag eines anderen Standortes wird Gorleben ent-wertet.“Ein Vertreter des Bundesinnenministeriums er-gänzt: „Das Bundesinnenministerium will nicht,dass andere Standortvorschläge in den Bericht ein-gehen.“o kam es auch. Der damalige Präsident der Physika-isch-Technischen Bundesanstalt hat gesagt, dass dasine Weisung der Bundesregierung war und dass Ein-luss auf wissenschaftliche Ergebnisse genommen wor-en ist.
Im Klartext: Ihre Vorgängerregierung – Schwarz-elb unter Helmut Kohl – hat sich ihr wissenschaftlichesutachten im Grunde genommen selber geschrieben.as ist nicht in Ordnung. Es sind keine Kriterien für einetandortsuche entwickelt worden. Man hat sich aus poli-ischen Gründen auf einen Standort festgelegt, und an-chließend wurden die Kriterien so definiert, dass sie ei-igermaßen auf diesen Standort zu passen scheinen.Das haben die Bürgerinnen und Bürger in diesemande mittlerweile gemerkt, liebe Kolleginnen und Kol-
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Sebastian Edathy
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legen von Schwarz-Gelb. Sie reiten seit 27 Jahren auf ei-nem toten Pferd. Es wird Zeit, dass Sie absteigen.
Glauben Sie bitte nicht, dass die Proteste im Wend-land ein singuläres Ereignis sind. Sie machen Politik ge-gen die Mehrheit der Menschen in unserem Land. Siemachen Politik zulasten des inneren Friedens in unsererGesellschaft. Sie handeln kurzsichtig und in Mangel anVerantwortung. Wenn Sie Ihren Kurs nicht korrigieren,dann wird es spätestens in drei Jahren der Wähler tun.Vielen Dank.
Die Kollegin Dr. Maria Flachsbarth ist nun die
nächste Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Kollege Edathy, Ihre Rede hat doch noch etwasÜberraschendes und Neues gebracht. Ich erwarte denAntrag der Oppositionsfraktionen, relativ schnell mit derArbeit des Gorleben-Untersuchungsausschusses zu Endezu kommen, da offensichtlich schon alle Erkenntnissegewonnen sind. Das ist immerhin ein sehr wichtigerHinweis von Ihnen.
Mich stört an dieser Debatte, meine sehr verehrtenDamen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,dass es zwar selbstverständlich ist, dass wir alle diefriedliche Ausübung des Rechts auf Demonstrationsfrei-heit begrüßen, die durch unser Grundgesetz gewährleis-tet ist, dass es aber nur ein Redner der Opposition fürnotwendig gehalten hat, sich von der Gewalt, die tat-sächlich stattgefunden hat und hier nicht nur herbeigere-det wurde, zu distanzieren.
Mich stört es gewaltig, dass der politische Konflikt überdie friedliche Nutzung der Kernenergie insbesonderevon den Grünen aus diesem Parlament auf die Straße ge-tragen wird und dort auf dem Rücken der Polizistinnenund Polizisten, die sowohl für die Ausübung des De-monstrationsrechts als auch für die Gewährung der Si-cherheit Sorge tragen müssen, ausgetragen wird.
unCzlsSTa–SsdDcRkvnat
Die Grünen und die SPD feiern die Demonstrationenaut Focus Online vom 9. November 2010 als „Stern-tunde der Demokratie“. Wie anders wurde der gleicheachverhalt von unserem ehemaligen Bundesministerrittin, der dieses Haus jetzt Gott sei Dank verlassen hat,m 29. März 2001 von diesem Platz aus beurteilt.
Er ist doch da. Wunderbar! Damals, Herr Trittin, habenie gesagt – ich zitiere –:Ich glaube, wir sind uns in diesem Hause einig, dassjede Form von Gewalt und Verletzung von anderenstrikt abzulehnen ist und dies durch das Recht aufDemonstrationsfreiheit nicht gedeckt ist.Sie sagen weiter – Herr Kollege Koschyk hat es ebenchon angesprochen, aber ich will es noch einmal wie-erholen, weil es so schön ist –:Diejenigen, die durch ihre Aktion auf den Gleisendazu beigetragen haben, dass die Castorbehälter ei-nen Tag später als geplant angekommen sind, habenfür sich in Anspruch genommen, sie seien nicht ge-walttätig. Es ist aber völlig eindeutig, … dass sichdiese Menschen rechtswidrig verhalten … haben;das wissen sie auch.
as, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist ein unredli-hes und schäbiges Verhalten. Das, was 2001 nochechtsbruch war, ist heute eine Sternstunde der Demo-ratie. Das geht nicht.
Ich zitiere noch eine Aussage von Ihnen, Herr Trittin,om 15. Februar 2001, auf der Homepage des BMU:Weil wir rechtlich und politisch verpflichtet sind,den deutschen Atommüll zurückzunehmen, sagenwir mit aller Klarheit: Proteste sind verständlich,aber in der Sache falsch.Der objektiv gleiche Sachverhalt – die in internatio-alen Verträgen zugesicherte Rücknahme von Atommüllus La Hague und Sellafield – wird je nach eigenem par-eipolitischen Vorteil bewertet.
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Dr. Maria Flachsbarth
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Das ist Populismus. Das ist eine Politik ohne Rückgrat.
Der sogenannte Atomkonsens, mit dem Sie hier stän-dig argumentieren, war eigentlich gar kein Konsens. Ersah Laufzeitverlängerungen von über 20 Jahren vor, undzwar ohne zusätzliche Sicherheitsanforderungen,
ohne finanzielle Beteiligung der Konzerne am Umbaudes Energiesystems, ohne Strategie zum Ausbau der er-neuerbaren Energie über den Zubau hinaus
sowie ohne jede Aussage zum Ausbau der Netze und derSpeicherkapazitäten. All das wird jetzt durch die neueBundesregierung auf den Weg gebracht.Vor allem haben Sie die Notwendigkeit der Erkun-dung eines Endlagers im Rahmen Ihres Energiekonzeptseinfach ignoriert und verdrängt,
und zwar trotz der Bestätigung der Eignungshöffigkeitim Rahmen der Ausstiegsvereinbarung und der Feststel-lung im sogenannten Synthesebericht, dass die Sicher-heit eines möglichen Endlagers nur mit standort- und an-lagespezifischen Sicherheitsanalysen ermittelt werdenkönne.
Und was folgte daraus? Irgendein Handeln? Nein!Nichts!Der hochgelobte Abschlussbericht des AK End von2002 blieb nur beschriebenes Papier. Das angekündigteEndlagersuchgesetz war eine Fata Morgana. Alternativ-standorte wurden selbstverständlich nicht genannt. Siehatten auch nicht den Mut, die Erkundung in Gorlebentatsächlich zu beenden. Wenn Sie tatsächlich der Mei-nung sind, Gorleben sei nicht geeignet, hätten Sie sichdiese Möglichkeit damals nicht entgehen lassen sollen.Jetzt verkünden Sie lautstark, dafür umso folgenloser,Gorleben sei tot. Das ist schlicht und ergreifend völligverantwortungslos.
Wir übernehmen jetzt die Verantwortung, erkundenergebnisoffen weiter, beziehen internationale Wissen-schaftler ein und wollen den Menschen vor Ort – so, wieder Kollege Eckhard Pols als Wahlkreisabgeordneter eseben gefordert hat – endlich Gewissheit geben, woransERNBnRsisDPhpftWksDMsmgdDwdGkfDDs
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um esoch einmal zu sagen: Auch für die FDP war es das guteecht der Bürgerinnen und Bürger – das bleibt aucho –, friedlich gegen den Castortransport aus La Haguen das zentrale Zwischenlager nach Gorleben zu demon-trieren.
eutschland ist ein Rechtsstaat, und es ist Aufgabe derolizei, Recht und Gesetz durchzusetzen. Die Polizeiatte den Auftrag, den möglichst störungsfreien Trans-ort der Castoren zum Zielort zu gewährleisten und Ge-ahren für die Bevölkerung zu vermeiden. Meine Frak-ionskollegin Judith Skudelny war in der vergangenenoche als Beobachterin bei den Castortransporten. Sieonnte uns in eindrucksvoller Weise beschreiben, wasie dort erlebt hat. Sie hat sehr wohl über die positiveninge berichtet. Sie schilderte, dass die überwiegendeehrheit der Demonstranten friedlich und kreativ gewe-en sei und es auch zwischen der Polizei und den De-onstranten vielfältige und wohlwollende Interaktionenegeben habe. Das wollen wir gar nicht unterschlagen.Inakzeptabel waren jedoch die Treckerblockaden,urch die die Zuwege hermetisch abgeriegelt wurden.
as erscheint auf den ersten Blick ganz friedlich; aberir haben schon gehört, dass dadurch die Einsatzkräfteer Polizei über Stunden nicht mit Nahrungsmitteln undetränken versorgt werden konnten. Dadurch konnteein Personalaustausch nach dem Ende der Schicht er-olgen. Viele Polizisten waren 24 Stunden nonstop imienst.
as ist mit Absicht erzeugter Stress, und das ist men-chenverachtend.
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7568 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
Angelika Brunkhorst
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Zum anderen verurteilen wir Liberalen aufs Schärfsteden generalstabsmäßig vorbereiteten Versuch, zeitgleichmit 6 000 Leuten die Gleise zu schottern.
Das war eine Straftat – das kann man nicht oft genugwiederholen –, das war ein Anschlag auf die öffentlicheInfrastruktur und auf Menschen. Punkt.
Ich möchte den vielen Polizistinnen und Polizisten,die nötig waren, um den Transport sicher durchzuführen,an dieser Stelle meine Hochachtung für ihren engagier-ten und anstrengenden Einsatz zollen. Vielen Dank.
Ich habe auch gar kein Verständnis dafür, wenn sichausgerechnet grüne Spitzenpolitiker an diesen Protestenbeteiligen; denn ihr Verhalten ist wirklich scheinheilig.Sie wissen genau: Selbst wenn Sie in der Regierungsver-antwortung gewesen wären, hätten Sie diese Transportedurchführen müssen.
Ich möchte daran erinnern, dass die Castortransporte aufeiner vertraglichen Grundlage durchgeführt werden. Wirsind verpflichtet, unseren wiederaufbereiteten Atommüllaus La Hague zurückzunehmen. Wir alle wissen, dass le-diglich Gorleben als Lager für diese Transportbehältergeeignet ist und nur Gorleben die Zulassung hat. Deswe-gen führen diese Transporte unausweichlich nach Gorle-ben. Sie werden auch in Zukunft, nämlich im nächstenJahr, dorthin unterwegs sein.
Sie wissen genauso, dass bereits seit 2005 nach demAtomgesetz die Abgabe bestrahlter Brennelemente andie Wiederaufbereitungsanlagen verboten ist. Es gehtalso lediglich um die Abarbeitung alter Aufträge.Sie haben den Castortransport missbraucht, um gegendie aktuelle Energiepolitik zu demonstrieren. Dazu warer denkbar ungeeignet, und das ist hier entlarvt worden.
Sie haben versucht, alles zu vermischen. Frau Roth, Siesind manchmal wütend, man kann aber auch wütend da-rüber sein, wie hier die Dinge auf den Kopf gestellt wer-den.dmDdsIKtgAedDpdruhDwdeAdBdnlDd
An der Pflicht zur Rücknahme hat sich nichts geän-ert. Geändert hat sich lediglich, dass die Grünen nichtehr an der Regierung sind. Da möchte ich einhaken:ie Grünen behaupten einerseits, die friedliche Nutzunger Kernenergie sei nicht zu verantworten. Im Atomkon-ens haben sie andererseits aber garantiert, dass sie keinenitiative ergreifen, um den Sicherheitsstandard derernkraftwerke zu verbessern.Die Grünen behaupten, der Salzstock in Gorlebenauge nicht für ein Endlager. Im Atomkonsens bescheini-en sie dem Standort aber Eignungshöffigkeit. Dietompolitik der Grünen ist und bleibt unglaubwürdig.
Ich komme zum Schluss. Es ist höchste Zeit, dass diergebnisoffene Erkundung in Gorleben endlich Klarheitarüber schafft, ob der Salzstock geeignet ist oder nicht.
azu wird parallel ein internationales Expertengremiumrüfen, ob Gorleben den neuesten internationalen Stan-ards genügt. Auch werden wir die Bevölkerung wäh-end der Erkundungsarbeiten durch eine transparentend umfassende Informations- und Kommunikationsteil-abe in einem Begleitprozess einbinden.
as ist unser Weg, und dazu stehen wir auch.Da mir noch zwölf Sekunden Redezeit verbleiben,ill ich noch eines sagen: Herr Miersch, ich muss michoch sehr wundern, dass Sie eine solche Informations-nte in die Welt setzen wollen, der zufolge wir jetzttommüll nach Russland verschaffen wollen. Sie wissenoch ganz genau, dass es sich dabei um alte russischerennelemente handelt,
ie in Dresden-Rossendorf verbraucht wurden und jetztach einem amerikanisch-russischen Abkommen natür-ich ins Ursprungsland zurückgeführt werden müssen.
arum geht es. Ich finde es wirklich unredlich, dass Sieas hier auch noch mit anbringen.
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Nächster Redner ist der Kollege Armin Schuster für
die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenKolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damenund Herren! Die Opposition möchte uns heute erklären,dass die Demonstranten gegen die Castortransporte amvergangenen Wochenende friedlich demonstriert haben
– Sie hören mir ja zu. – Getreu dem Grundsatz „Nachdem Einsatz ist vor dem Einsatz“ geben wir uns mit ei-ner vorschnellen Bewertung nicht zufrieden. Ich glaube,dass die fast 12 000 eingesetzten Polizeibeamten,
die Teilnehmer an künftigen Versammlungen und auchdie Bürger in Deutschland ein Recht darauf haben, dasswir hier präzise politisch Stellung nehmen zu dem, wasdort geschehen ist.
Wir müssen eine klare Stellungnahme zu lang andau-ernden Blockaden mit Traktoren oder womit auch immerabgeben, wir müssen zu Flaschen- und Steinwürfen Stel-lung nehmen, zu Sachbeschädigungen, zum Widerstandgegen Vollstreckungsbeamte, zum Schottern, zum Ein-satz von Pyrotechnik und zu einem versuchten Tötungs-delikt gegen Polizeibeamte.Meine Damen und Herren, wir können angesichts die-ser Vorkommnisse im Wendland doch nicht einfach zurTagesordnung übergehen und so tun, als wäre nichts pas-siert.
Die Versammlungsteilnehmer wollten ein politisches Si-gnal setzen. Vielen ist das friedlich gelungen. Das be-grüße ich sehr. Einige Tausend, Herr Edathy, nicht1 Prozent, haben das nicht hinbekommen.
Sie haben es ja heute Morgen im Innenausschuss gehört.
Haben wir überhaupt noch das richtige Maß, wennwir angesichts solcher Straftaten von friedlichen De-monstrationen sprechen?MdgMDgsnuzürDhWzsubzLm–wwM
ittlerweile gibt es genügend Kollegen in diesem Haus,ie den Menschen weiszumachen versuchen, ziviler Un-ehorsam sei ein Bestandteil demokratisch legitimiertereinungsäußerung.
as begründen Sie damit, dass unser Energiekonzept an-eblich nicht demokratisch zustande gekommen sei. Sietellen die Dinge auf den Kopf.
Sie konnten hier vor 14 Tagen erleben, wie nach ei-em monatelangen Prozess, der vor der Wahl begannnd nach der Wahl verlässlich endete, ein Energiekon-ept beschlossen wurde, von dem wir überzeugt sind,ber das wir gerne diskutieren, aber bitte in diesem eh-enwerten Haus.
ie Novellierung des Atomgesetzes würden wir gerneier mit Ihnen diskutieren und nicht auf der Straße imendland. Wer diese demokratische Rechtmäßigkeit be-weifelt, bei dem bezweifle ich auch, dass er eine an-tändige Haltung zu unserer Verfassung hat.
Das erkläre ich Ihnen jetzt, auch Ihnen, meine Damennd Herren von den Linken. Ein Bundesbeamter hätteei Aufruf zu Straftaten mit einem Disziplinarverfahrenu rechnen, das unter Umständen mit Entlassung endet.eider ist das in diesem Haus mit Ihnen so einfach nichtöglich. Ich bedauere das sehr.
Herr Gysi: Gedankenstrich, ich habe verstanden. Esäre ein zutiefst undemokratischer Akt. Wir würden inenigen Wochen Ihre Fraktion auf ein vernichtendesaß dezimieren. Das möchte ich auch nicht.
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7570 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
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Könnt ihr den nicht mal zurückpfeifen? –Christian Lange [Backnang] [SPD]: Dasschlägt dem Fass den Boden aus! Das ist un-fassbar!)131 Polizeibeamte verletzt, 1 316 Personen in Ge-wahrsam genommen, 306 Platzverweise erteilt,117 Traktoren sichergestellt und 172 Strafverfahren,meine Damen und Herren, das können Sie nicht als einefriedliche Versammlung bezeichnen.
Wer Polizisten selbst die Versorgung nicht zukommenlassen will und diese Wege blockiert, meine Damen undHerren, der übt doch nicht das Recht auf Versammlungs-freiheit aus. Ich weiß nicht, was er tut, aber das jeden-falls nicht.
– Herr Winkler, wir haben das verstanden. Wir habenschon bei Frau Lühmann verstanden, dass die Polizei dasnicht gut kann. Das akzeptiere ich aber nicht.Es ist zur Normalität geworden, dass wir bei Demon-strationen lange Blockaden erleben, jeden Teilnehmerwegtragen müssen, auch verbale Beschimpfungen ge-genüber den Polizeibeamten ertragen müssen.
Das alles soll unter das Versammlungsrecht subsumiertwerden.
Das halte ich nicht für akzeptabel. Ich bin davon über-zeugt, dass die Bundesregierung wie an diesem Wochen-ende entschieden einschreiten muss, wenn Versamm-lungsteilnehmer derart vorgehen.
Meines Erachtens liegt es auch nicht in dem vom Bun-desverfassungsgericht in seinem Urteil festgeschriebe-nen Rahmen, wenn Sie tagelang verhindern, dass einCastortransport sein Ziel erreicht.
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ie sind für Windkraft, aber gegen Leitungen. Sie sindür regenerative Energien, aber gegen Wasserkraftwerke.iese Doppelbödigkeit, liebe Frau Roth, wird dafür sor-en, dass Sie in einigen Jahren unter Umständen wiederon irgendwelchen Äckern getrieben werden, weil manie für zutiefst unglaubwürdig hält.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Die Endlagerfrage könnten wir mit Ihnen überhaupt
ie diskutieren. Egal, über welchen Ort wir sprechen
ürden: Sie wären in jedem Fall dagegen.
Herr Kollege, die Redezeit ist abgelaufen.
Ich möchte mich abschließend bei den vielen tatsäch-
ich friedlichen Versammlungsteilnehmern bedanken.
or Ihnen und Ihrer Meinung, meine Damen und Herren,
abe ich großen Respekt.
ch rufe Ihnen aber zu: Schwächen Sie diese starke Posi-
ion nicht, indem Sie sich mit falschen Freunden umge-
en, –
Sie müssen wirklich zum Schluss kommen.
– egal, woher sie kommen mögen.
Danke schön.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollegeeinhard Grindel für die CDU/CSU-Fraktion.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010 7571
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Am Ende einer solchen Debatte versucht man natürlich,ein Stück weit zusammenzufassen und nach vorne zuschauen. Es ist völlig richtig: Wir haben uns hier, glaubeich, einig gezeigt: Ein Großteil der Demonstrationen undAktionen war friedlich, aber ein bedeutender Teil – dasist mehrfach auch zahlenmäßig unterlegt worden – ebennicht. Wenn jemand wie der Organisator in Gorleben,Jochen Stay, sagt, das sei eine Sternstunde des gewalt-freien Widerstandes gewesen, dann ist das meines Er-achtens zynisch.
Es wäre eine Sternstunde des gewaltfreien Widerstandsgewesen, wenn die Friedlichen sich einmal den Militan-ten entgegengestellt hätten, wenn es auch bei den De-monstranten selber eine klare Distanzierung von unfried-lichen, militanten Aktionen gegen Polizeibeamtegegeben hätte.
Das wäre eine Sternstunde des friedlichen Widerstandsgewesen. Das habe ich vermisst.
Frau Kollegin Roth, Sie haben, glaube ich, sogarwörtlich gesagt: Auch Sitzblockaden gehören zu denGrundnahrungsmitteln der Demokratie.
Dann rufe ich zum Hungerstreik auf. Wenn Sie sagen,dass Sitzblockaden ein Grundnahrungsmittel der Demo-kratie darstellen, dann gehen Sie in meinen Augen inWahrheit an die Grundfesten der Demokratie.
Angesichts dessen, was in Stuttgart passiert ist, kannich nur sagen: Auch in den größten Konflikten müssenwir noch ein Stück weit gemeinsame Grundlagen haben,die allseits akzeptiert werden,
und zwar unabhängig von der Wertigkeit gewisser politi-scher Forderungen, die man wie ein Schild vor sich herträgt. Ich sage Ihnen: Die Linken haben schon seit lan-gem keinen klaren Trennstrich gegen Gewalt mehr gezo-gen. Das haben Sie, Frau Menzner, mit Ihrer Bemer-kung, ein paar Schottersteine klauen sei nicht schlimm,unterstrichen. Ähnliches gilt aber auch für Sitzblocka-den. So wie es sie in Gorleben und Umgebung gegebenhat, stellen sie natürlich eine Straftat dar.mhDfmlPkvshwIdswvTDKkiWgImsG
Ich sage in aller Deutlichkeit: Gemeinsamkeit der De-okraten muss sein, dass man friedlich und ohne Bege-en von Straftaten das Demonstrationsrecht ausübt.
ie Polizeibeamten und der Rechtsstaat schützen jedenriedlichen Versammlungsteilnehmer. Aber wer das De-onstrationsrecht missbraucht, der muss auch den vol-en Widerstand der demokratischen Institutionen wie derolizei spüren. Das ist Teil des demokratischen Grund-onsenses, auf den wir uns eigentlich in diesem Hauseerständigen müssten.
Nun will ich darauf eingehen, dass hier mehrfach ge-agt wurde, Gorleben sei als Standort ungeeignet, esandle sich um einen Irrweg. Aussagen von Herrn Trittinurden hier ja schon mehrfach zitiert.
ch will eine Passage aus dem Ausstiegsvertrag zitieren,en Rot-Grün mit den vier Versorgungsunternehmen ge-chlossen hat. In diesem Vertrag – das muss man sichirklich einmal auf der Zunge zergehen lassen –, deron dem damals verantwortlichen Umweltministerrittin unterschrieben wurde, steht:Die bisherigen Erkenntnisse über ein dichtes Ge-birge und damit die Barrierefunktion des Salzeswurden positiv bestätigt. Somit stehen die bishergewonnenen geologischen Befunde einer Eig-nungshöffigkeit des Salzstockes Gorleben … nichtentgegen.as steht in Ihrem Ausstiegsvertrag. Das war damalsonsens.
Seitdem sind ja wegen des Moratoriums
eine neuen Erkundungen durchgeführt worden. Heutest der wissenschaftliche Stand derselbe. Die Zahl derissenschaftler, die mittlerweile sagen, dass Salz daseeignetste Wirtsgestein ist, nimmt sogar zu. Ich kannhnen nur sagen: Was Sie da machen, ist auch ein Stückangelnde Wahrhaftigkeit den Bürgern gegenüber. Siepielen mit den Ängsten der Bürger, wenn Sie sagen:orleben ist völlig ungeeignet, ist gefährlich.
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7572 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. November 2010
Reinhard Grindel
(C)
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Dabei haben Sie selber im Jahr 2000 noch die Eignungs-höffigkeit von Gorleben unterschrieben.
Der Kollege Trittin, der ja immer davon redet, dass essich bei Gorleben um einen Schwarzbau handelt, hatsich jetzt entweder in die hintersten Reihen oder in seinBüro zurückgezogen.
Ich kann ihm nur sagen: Er war sieben Jahre Umweltmi-nister in diesem Land. Wenn es sich bei Gorleben um ei-nen Schwarzbau handelte, dann hätte er ihn verbieten
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Angst ist aber ein schlechter politischer Ratgeber.
Liebe Frau Präsidentin, lassen Sie mich schließen mit
den Worten des stellvertretenden Bürgermeisters der
Samtgemeinde Gartow, Herrn Hans-Joachim Schenk. Er
hat am Montag in der Hannoverschen Allgemeinen Zei-
tung gesagt:
und die Erkundung einstellen müssen. Hier gibt es doch
jede Menge Widersprüche. Wegen des Moratoriums ist
längere Zeit nichts passiert.
Insofern kann ich nur sagen: Wenn es sich um einen
Schwarzbau handeln würde, dann hätte Herr Trittin sie-
ben Jahre Zeit gehabt, ihn zu verbieten. All das, was Sie
vortragen, ist nicht glaubwürdig.
Auch das, Herr Kollege Miersch, was Sie hier zum
Thema Asse gesagt haben, dient doch nur dazu, die Bür-
ger, die nicht so in die Diskussionen vertieft sind, zu ver-
unsichern und ihnen Angst zu machen. Die Bürger den-
ken jetzt natürlich: Bei der Asse ging es um Salz, in
Gorleben geht es auch um Salz. Also wird das wohl
schlimm sein. Dass in Wahrheit natürlich ein Salzberg-
werk, das ausgebeutet worden ist, das ganz dünne
Isolationsschichten hat, etwas völlig anderes ist als ein
unverritzter Salzstock, der 900, ja 1 000 Meter breite
Isolationspotenziale hat, verschweigen Sie.
Ich sage Ihnen auch in diesem Punkt: Wer Asse und
Gorleben miteinander vergleicht, will nichts anderes, als
den Menschen Angst machen.
k
c
d
g
d
9
s
(D
Vor allem wünsche ich mir ein Ende des politischen
Gezänks um die Atommüllentsorgung. Die Entsor-
gung ist eine nationale Aufgabe. Dazu bedarf es je-
doch eines gemeinsamen Willens. Die politischen
Mehrheiten hier in der Region stehen zu dieser Ver-
antwortung.
Ich finde, die Generation, die auf Atomenergie setzt, –
Herr Kollege, jetzt müssen Sie bitte zum Schluss
ommen.
– muss auch die Generation sein, die sich um eine si-
here Entsorgung kümmert. Das werden wir jetzt auf
en Weg bringen.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Damit sind wir auch am Schluss unserer heutigen Ta-
esordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estags auf morgen, Donnerstag, 11. November 2010,
Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und
chließe die Sitzung.