Protokoll:
17062

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 62

  • date_rangeDatum: 30. September 2010

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 22:45 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/62 Nachruf auf den ehemaligen Präsidenten des Strengmann-Kuhn, weiterer Abgeordne- Europäischen Parlaments Dr. Egon Alfred Klepsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: Vereinbarte Debatte: 20 Jahre Deutsche Ein- heit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Böhmer, Ministerpräsident (Sachsen-Anhalt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bedarfsgerechte Regelsätze für Kinder und Erwachsene jetzt er- möglichen (Drucksachen 17/880, 17/675, 17/2092) . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem An- trag der Abgeordneten Markus Kurth, Fritz Kuhn, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Bedarfsgerechte Regelsätze und ein zuverlässiges Hilfesystem für Kinder, Ju- 6393 B 6393 C 6393 D 6395 D 6397 C 6399 C 6401 A 6407 A Deutscher B Stenografisch 62. Sitz Berlin, Donnerstag, den I n h a l Begrüßung der neuen Abgeordneten Kerstin Griese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl des Abgeordneten Thomas Jarzombek als Mitglied und des Abgeordneten Hans- Werner Kammer als stellvertretendes Mit- glied in den Eisenbahnstrukturbeirat . . . . . Wahl der Abgeordneten Josef Rief und Heinz Paula als Mitglieder in den Beirat der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Per- sonenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 5 und 12 c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . A T B s – – 6391 A 6391 B 6391 B 6391 D 6393 A 6393 B Michael Glos (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Iris Gleicke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6402 C 6403 C undestag er Bericht ung 30. September 2010 t : rnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . agesordnungspunkt 4: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Anette Kramme, Iris Gleicke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Das Urteil des Bundesverfas- sungsgerichtes zur Bemessung der Re- gelsätze umsetzen – Die Ursachen von Armut bekämpfen zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Ekin Deligöz, Dr. Wolfgang 6405 B 6406 A gendliche und Erwachsene statt Experi- menten (Drucksachen 17/2921, 17/3081) . . . . . . . . . . 6407 A II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Britta Haßelmann, Markus Kurth, Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Leistungskürzungen bei den Unterkunftskosten im Arbeitslo- sengeld II verhindern – Vermittlungsver- fahren mit den Ländern unverzüglich auf- nehmen (Drucksache 17/3058) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . . Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . Angelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Brehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . . Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . T a b c d e Z a b c 6407 B 6407 C 6409 A 6410 B 6410 D 6412 A 6413 A 6414 B 6415 A 6416 A 6416 D 6418 A 6419 A 6419 D 6420 C 6421 A 6422 A 6423 A 6424 B 6425 B 6426 A 6427 B 6427 D 6428 A 6429 B 6430 A 6430 D 6431 D 6433 A agesordnungspunkt 30: ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Fünf- ten Gesetzes zur Änderung von Ver- brauchsteuergesetzen (Drucksache 17/3025) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 19. März 2010 zwischen der Regierung der Bun- desrepublik Deutschland und der Re- gierung von Anguilla über den steuerli- chen Informationsaustausch (Drucksache 17/3026) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Verleihung der Rechtsfähigkeit an den Rat des Anpassungsfonds (Drucksache 17/3027) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von den Abgeordneten Kerstin Andreae, Volker Beck (Köln), Dr. Thomas Gambke, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes (Drucksache 17/3039) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß, Petra Crone, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Offensive für ei- nen wirksamen Schutz der Kinder vor Gift in Spielzeug (Drucksache 17/2345) . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 6: ) Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Fritz Kuhn, Ingrid Nestle, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Entflech- tungsinstrument ins Wettbewerbsrecht einfügen (Drucksache 17/3062) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Krista Sager, Sylvia Kotting-Uhl, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Technik- folgenabschätzung im Bundestag und in der Gesellschaft stärken (Drucksache 17/3063) . . . . . . . . . . . . . . . ) Bericht gem. § 56 a GO-BT des Ausschus- ses für Bildung, Forschung und Technik- folgenabschätzung: Technikfolgenab- schätzung (TA) Technikfolgenabschätzung beim Deut- schen Bundestag – Eine Bilanz (Drucksache 17/3010) . . . . . . . . . . . . . . . 6434 D 6434 D 6435 A 6435 A 6435 A 6435 B 6435 B 6435 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 III Tagesordnungspunkt 31: a)–i) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 136 und 137 zu Petitio- nen (Drucksachen 17/2951, 17/2952, 17/2953, 17/2954, 17/2955, 17/2956, 17/2957, 17/2958, 17/2959) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 7: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Haltung der Bundesregierung zu Milliardengarantien und Millionenboni bei der HRE Dr. Carsten Sieling (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . . Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Ge- setzlichen Krankenversicherung (GKV-Fi- nanzierungsgesetz – GKV-FinG) (Drucksache 17/3040) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D D J K M D A R D T a b C M K D N J D N 6436 A 6437 A 6438 C 6439 C 6440 D 6442 B 6443 B 6444 D 6446 C 6448 C 6449 C 6451 C 6452 D 6454 A 6455 B 6455 C 6457 C 6459 B 6461 A 6461 C 6462 D r. Philipp Rösler, Bundesminister BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . r. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . ens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Anna Klein-Schmeink (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . athrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) . . . . . aria Anna Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) . . . . . . . . . ngelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . udolf Henke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 6: ) Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Harald Koch, Dr. Axel Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Zinssätze für Dispositions- und Überziehungskredite verbraucherge- recht deckeln (Drucksache 17/2913) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbrau- cherinnen und Verbraucher vor über- höhten Überziehungszinsen schützen (Drucksache 17/3059) . . . . . . . . . . . . . . . aren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . arco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . erstin Tack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . icole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ulia Klöckner, Parl. Staatssekretärin BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Carsten Sieling (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . orbert Schindler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 6465 A 6466 A 6467 C 6468 D 6469 B 6470 D 6471 B 6472 C 6473 C 6474 D 6476 A 6477 C 6478 D 6479 B 6479 C 6481 A 6482 B 6482 C 6482 C 6483 D 6485 A 6486 B 6487 C 6488 C 6489 D 6490 D 6491 C 6492 A IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Haushaltsbe- gleitgesetzes 2011 (HBeglG 2011) (Drucksache 17/3030) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . Dr. Claudia Winterstein (FDP) . . . . . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Beate Müller-Gemmeke, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: ELENA aussetzen und Datenübermittlung strikt begrenzen (Drucksachen 17/658, 17/1553) . . . . . . . . . . . Claudia Bögel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Doris Barnett (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur S h z (D D D D H J T G B w S S N ü d G (D D K A M B D T E e Ä u z (D G K O T D V 6492 D 6493 A 6494 A 6495 A 6496 D 6498 B 6500 C 6501 B 6502 C 6503 D 6504 D 6506 A 6507 A 6508 C 6509 A 6509 B 6509 C 6510 C 6511 C 6511 D 6512 D 6514 A 6515 B 6516 B tärkung des Schutzes von Vertrauensver- ältnissen zu Rechtsanwälten im Strafpro- essrecht rucksache 17/2637) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . alina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . erzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 10: roße Anfrage der Abgeordneten Klaus arthel, Garrelt Duin, Hubertus Heil (Peine), eiterer Abgeordneter und der Fraktion der PD: Arbeitsbedingungen im Briefmarkt – ozialklausel nach § 6 Absatz 3 Satz 1 ummer 3 Postgesetz und Verordnung ber zwingende Arbeitsbedingungen für ie Branche Briefdienstleistungen auf rund des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes rucksachen 17/1615, 17/2883) . . . . . . . . . . r. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . laus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ndreas G. Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . . . eate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 11: rste Beratung des von der Bundesregierung ingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur nderung des Straßenverkehrsgesetzes nd des Kraftfahrsachverständigengeset- es rucksachen 17/3022, 17/3035) . . . . . . . . . . ero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . irsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Scheuer (CDU/CSU) . . . . . . . liver Luksic (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . homas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . r. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) . . . 6517 D 6518 A 6518 D 6519 C 6521 D 6522 C 6523 B 6523 C 6524 C 6526 B 6527 A 6528 A 6528 D 6529 D 6530 B 6531 B 6531 C 6532 C 6533 C 6534 B 6535 B 6536 A 6537 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 V Tagesordnungspunkt 12: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz zu dem An- trag der Abgeordneten Heinz Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Obligatorische Prüf- und Zulas- sungsverfahren für Haltungseinrich- tungen für Nutztiere – Tierschutz-TÜV zügig einführen (Drucksachen 17/2143, 17/2912) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz – zu dem Antrag der Abgeordneten Heinz Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bessere Haltung für Kaninchen zu Erwerbs- zwecken – Konkrete Haltungsbedin- gungen in die Tierschutz-Nutztier- haltungsverordnung aufnehmen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder, Alexander Süßmair, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Die Haltung von Mast- und Zucht- kaninchen in Deutschland und der Europäischen Union tiergerechter regeln – Mindestanforderungen un- verzüglich auf den Weg bringen – zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Undine Kurth (Quedlinburg), Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die ge- werbliche Haltung von Mast- und Zuchtkaninchen in Deutschland und der Europäischen Union deutlich verbessern (Drucksachen 17/2017, 17/1601, 17/2006, 17/2962) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dieter Stier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . Heinz Paula (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carola Stauche (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . T V p ti D R S H A T B s lu H D u s B (D G S P H D D T A K o w A A r G R (D T A K A N A P (D 6537 D 6538 B 6538 B 6539 A 6540 B 6541 D 6543 A 6544 A 6545 B agesordnungspunkt 13: ereinbarte Debatte: Bilanz und Zukunfts- erspektiven der wissenschaftlichen Poli- kberatung „Technikfolgenabschätzung“ r. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ené Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ylvia Canel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xel Knoerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 14: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick- ng zu dem Antrag der Abgeordneten eidrun Bluhm, Dr. Gesine Lötzsch, r. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter nd der Fraktion DIE LINKE: Wohnungslo- igkeit in Deutschland – Einführung einer undesstatistik rucksachen 17/2434, 17/3084) . . . . . . . . . . ero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . etra Müller (Aachen) (FDP) . . . . . . . . . . . . . eidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . aniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aniela Raab (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 15: ntrag der Abgeordneten Marlene Mortler, laus Brähmig, Josef Göppel, weiterer Abge- rdneter und der Fraktion der CDU/CSU so- ie der Abgeordneten Horst Meierhofer, Jens ckermann, Angelika Brunkhorst, weiterer bgeordneter und der Fraktion der FDP: Tou- ismus und Landschaftspflege verknüpfen – emeinsam die Entwicklung ländlicher äume stärken rucksache 17/2478) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 16: ntrag der Abgeordneten Winfried Hermann, erstin Andreae, Alexander Bonde, weiterer bgeordneter und der Fraktion BÜND- IS 90/DIE GRÜNEN: Bürgerfreundlichen usbau der Rheintalbahn auf der Basis des rognosehorizontes 2025 planen rucksache 17/2488) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6547 A 6547 B 6548 C 6550 A 6551 A 6552 A 6553 A 6553 A 6554 A 6555 B 6556 A 6556 D 6557 D 6559 A 6559 A VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 Tagesordnungspunkt 17: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Mo- dernisierung des Benachrichtigungswe- sens in Nachlasssachen durch Schaffung des Zentralen Testamentsregisters bei der Bundesnotarkammer (Drucksache 17/2583) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Zweiten E-Geld-Richtlinie (Drucksache 17/3023) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Christoph Strässer, Angelika Graf (Rosen- heim), Iris Gleicke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt über ein Individualbe- schwerdeverfahren ratifizieren (Drucksachen 17/1049, 17/3085) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Bundesbesoldungs- und -versor- gungsanpassungsgesetzes 2010/2011 (BBVAnpG 2010/2011) (Drucksachen 17/1878, 17/2066, 17/3086) – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/3087) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Abgeordneten Annette Groth, Ulla Lötzer, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: EU-Freihan- delsabkommen mit Indien stoppen – Ver- handlungsmandat in demokratischem Pro- zess neu festlegen (Drucksache 17/2420) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erich G. Fritz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . R D A U T – – – – – 6559 B 6559 C 6559 D 6560 C 6561 C 6561 D 6562 B 6563 C 6563 D 6564 A 6564 B 6564 B olf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Martin Lindner (Berlin) (FDP) . . . . . . . . nnette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . we Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 22: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- kommen vom 17. Februar 2010 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Arabischen Republik Syrien zur Vermeidung der Doppelbesteue- rung und Verhinderung der Steuerver- kürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (Drucksachen 17/2251, 17/2571) . . . . . . . Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- kommen vom 23. Februar 2010 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und Malaysia zur Vermeidung der Dop- pelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (Drucksachen 17/2252, 17/2571) . . . . . . . Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zum Ab- kommen vom 25. Januar 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bulgarien zur Vermei- dung der Doppelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Ver- mögen (Drucksachen 17/2253, 17/2571) . . . . . . . Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- kommen vom 30. März 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbri- tannien und Nordirland zur Vermei- dung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Ein- kommen und vom Vermögen (Drucksachen 17/2254, 17/2571) . . . . . . . Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Än- derungsprotokoll vom 21. Januar 2010 zum Abkommen vom 11. April 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutsch- 6566 B 6567 A 6567 C 6568 B 6569 B 6569 B 6569 B 6569 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 VII land und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener ande- rer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern sowie des dazugehö- rigen Schlussprotokolls in der Fassung des Zusatzabkommens vom 5. Novem- ber 2002 (Drucksachen 17/2255, 17/2571) . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: a) Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Unerlaubte Tele- fonwerbung wirksam bekämpfen (Drucksache 17/3060) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Unlautere Telefonwerbung effektiv verhindern (Drucksache 17/3041) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . Peter Bleser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) . . . . Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sozialkassen vor Beitragsverlus- ten bewahren (Drucksache 17/3042) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A L A E A B B C D D E N D H H H L L U M T R S K D S T H K m m n A Z D w fo D A Z d p lu n M K H J K M E 6569 C 6570 A 6570 A 6570 A 6572 A 6573 B 6574 C 6575 D 6576 B 6577 C 6577 C 6578 B 6579 A 6580 A 6580 D 6581 D 6582 C nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 rklärung nach § 31 GO der Abgeordneten gnes Alpers, Jan van Aken, Dr. Dietmar artsch, Herbert Behrens, Matthias W. irkwald, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, hristine Buchholz, Eva Bulling-Schröter, r. Martina Bunge, Roland Claus, Sevim ağdelen, Werner Dreibus, Dr. Dagmar nkelmann, Klaus Ernst, Wolfgang Gehrcke, icole Gohlke, Diana Golze, Annette Groth, r. Gregor Gysi, Heike Hänsel, Dr. Rosemarie ein, Inge Höger, Dr. Barbara Höll, Andrej unko, Ulla Jelpke, Dr. Lukrezia Jochimsen, arald Koch, Jan Korte, Caren Lay, Sabine eidig, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Ulla ötzer, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, lrich Maurer, Dorothée Menzner, Cornelia öhring, Kornelia Möller, Niema Movassat, homas Nord, Petra Pau, Jens Petermann, ichard Pitterle, Ingrid Remmers, Michael chlecht, Dr. Herbert Schui, Dr. Ilja Seifert, athrin Senger-Schäfer, Raju Sharma, r. Petra Sitte, Kersten Steinke, Sabine tüber, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Axel roost, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, alina Wawzyniak, Harald Weinberg und atrin Werner (alle DIE LINKE) zur Abstim- ung über die Beschlussempfehlung: Sam- elübersicht 137 zu Petitionen (Tagesord- ungspunkt 31 i) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 3 u Protokoll gegebene Rede zur vereinbarten ebatte: Bilanz und Zukunftsperspektiven der issenschaftlichen Politikberatung „Technik- lgenabschätzung“ (Tagesordnungspunkt 13) r. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . nlage 4 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Tourismus und Landschafts- flege verknüpfen – Gemeinsam die Entwick- ng ländlicher Räume stärken (Tagesord- ungspunkt 15) arlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . laus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . einz Paula (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . ornelia Möller (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . arkus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . rnst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6583 A 6583 B 6584 A 6584 D 6586 B 6587 C 6588 C 6589 A 6590 A 6591 B VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Bürgerfreundlichen Ausbau der Rheintalbahn auf der Basis des Prognosehori- zontes 2025 planen (Tagesordnungspunkt 16) Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Ute Kumpf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisie- rung des Benachrichtigungswesens in Nach- lasssachen durch Schaffung des Zentralen Testamentsregisters bei der Bundesnotarkam- mer (Tagesordnungspunkt 17) Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Petermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt über ein Individualbeschwerdeverfahren ratifizieren (Tagesordnungspunkt 19) Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Ullrich Meßmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes 2010/2011 (BBVAnpG 2010/2011) (Tagesordnungs- punkt 20) Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . Dr. Stefan Ruppert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . F D A Z – – – – – (T M L D D D 6591 D 6592 D 6593 C 6595 A 6595 D 6596 D 6597 A 6598 C 6600 A 6600 D 6601 D 6602 B 6603 D 6605 A 6606 A 6606 A 6607 D 6609 A 6610 A rank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . r. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 9 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkom- men vom 17. Februar 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Ara- bischen Republik Syrien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkom- men vom 23. Februar 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Malay- sia zur Vermeidung der Doppelbesteue- rung und zur Verhinderung der Steuerver- kürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen Entwurf eines Gesetzes zum Abkommen vom 25. Januar 2010 zwischen der Bun- desrepublik Deutschland und der Republik Bulgarien zur Vermeidung der Doppelbe- steuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkom- men vom 30. März 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Dop- pelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Ver- mögen Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ände- rungsprotokoll vom 21. Januar 2010 zum Abkommen vom 11. April 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Ge- biete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewer- besteuer und der Grundsteuern sowie des dazugehörigen Schlussprotokolls in der Fassung des Zusatzabkommens vom 5. November 2002 agesordnungspunkt 22) anfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . othar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . r. Birgit Reinemund (FDP) . . . . . . . . . . . . . r. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . r. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6611 A 6611 D 6613 C 6615 A 6618 A 6619 A 6619 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6391 (A) ) )(B) 62. Sitz Berlin, Donnerstag, den Beginn: 9.0
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6583 (A) ) )(B) dung vermitteln – das ist eine Quote von gerade einmalWagenknecht, Sahra DIE LINKE 30.09.2010 Ausbildungsplätze als vor zwei Jahren. Die Krise macht dem Ausbildungsmarkt offenbar weiter zu schaffen. Von den 534 605 Bewerbern um einen Ausbildungsplatz konnten die Arbeitsagenturen nur 222 128 in eine Ausbil- Walter Süßmair, Alexander DIE LINKE 30.09.2010 Anlage 1 Liste der entschuldigte A a P 8 s A D fe s im le d g is d re li p g Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beckmeyer, Uwe SPD 30.09.2010 Bellmann, Veronika CDU/CSU 30.09.2010 Binder, Karin DIE LINKE 30.09.2010 Daub, Helga FDP 30.09.2010 Hermann, Winfried BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.09.2010 Dr. Högl, Eva SPD 30.09.2010 Kolbe, Manfred CDU/CSU 30.09.2010 Kopp, Gudrun FDP 30.09.2010 Marks, Caren SPD 30.09.2010 Meierhofer, Horst FDP 30.09.2010 Meinhardt, Patrick FDP 30.09.2010 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.09.2010 Dr. Murmann, Philipp CDU/CSU 30.09.2010 Dr. Neumann (Lausitz), Martin FDP 30.09.2010 Oswald, Eduard CDU/CSU 30.09.2010 Dr. Paul, Michael CDU/CSU 30.09.2010 Pronold, Florian SPD 30.09.2010 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 30.09.2010 Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.09.2010 Schmidt (Aachen), Ulla SPD 30.09.2010 Schreiner, Ottmar SPD 30.09.2010 Schuster, Marina FDP 30.09.2010 Dr. Steinmeier, Frank- SPD 30.09.2010 (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht n Abgeordneten nlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Agnes Alpers, Jan van Aken, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Matthias W. Birkwald, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Christine Buchholz, Eva Bulling-Schröter, Dr. Martina Bunge, Roland Claus, Sevim Dağdelen, Werner Dreibus, Dr. Dagmar Enkelmann, Klaus Ernst, Wolfgang Gehrcke, Nicole Gohlke, Diana Golze, Annette Groth, Dr. Gregor Gysi, Heike Hänsel, Dr. Rosemarie Hein, Inge Höger, Dr. Barbara Höll, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Dr. Lukrezia Jochimsen, Harald Koch, Jan Korte, Caren Lay, Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Ulla Lötzer, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Ulrich Maurer, Dorothée Menzner, Cornelia Möhring, Kornelia Möller, Niema Movassat, Thomas Nord, Petra Pau, Jens Petermann, Richard Pitterle, Ingrid Remmers, Michael Schlecht, Dr. Herbert Schui, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer, Raju Sharma, Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Axel Troost, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak, Harald Weinberg und Katrin Werner (alle DIE LINKE) zur Abstimmung über die Beschlussempfeh- lung: Sammelübersicht 137 zu Petitionen (Tages- ordnungspunkt 31 i) Wir lehnen die Beschlussempfehlung des Petitions- usschusses (2. Ausschuss) – Sammelübersicht 137 zu etitionen – auf Drucksache 17/2959 ab, weil damit fast 0 000 Jugendlichen bzw. Unterstützerinnen und Unter- tützern der öffentlichen Petition für ein Grundrecht auf usbildung (Pet. 1-16-06-10000-026255, in der zitierten rucksache Beschlussempfehlung 3, lfd. Nr. 15) eine öf- ntliche Beratung ihres Anliegens verwehrt wird. Die- es Verfahren können wir nicht mittragen. Wir werden Gegenteil die Jugendlichen, Schülerinnen- und Schü- rvertretungen und Gewerkschaften weiter nach Kräften arin unterstützen, dass endlich alle Jugendlichen eine ute und umfassende Berufsausbildung bekommen. Es t die Aufgabe der Politik, dies zu gewährleisten, statt en jungen Menschen ein öffentliches Forum für ihr be- chtigtes Anliegen zu verwehren. Nach wie vor bleiben jedes Jahr Zehntausende Jugend- che ohne Ausbildungsplatz. Die Zahl der Ausbildungs- lätze ist in diesem Jahr nur ganz leicht um gut 2 Prozent estiegen. Damit gibt es immer noch 4,5 Prozent weniger 6584 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) 42 Prozent. Trotzdem zählt die Bundesagentur nur 18 Prozent der Bewerber als unversorgt, der Rest – im- merhin 215 116 Jugendliche – ist aus der Statistik ver- schwunden, meist weil die Jugendlichen in Warteschlei- fen abgeschoben wurden oder ihre Suche aufgegeben haben. Ein Großteil der Jugendlichen meldet sich schon gar nicht mehr bei den Arbeitsagenturen, weil sie sich da- von keine Chancen auf eine Ausbildung versprechen. Auch sie tauchen in der offiziellen Statistik nicht auf. Die Zahlen zeigen deutlich: Die Zukunftsperspekti- ven der Jugendlichen werden seit vielen Jahren mit Fü- ßen getreten. Es wäre das Mindeste gewesen, die Initia- torinnen und Initiatoren der vorliegenden Petition zu einer öffentlichen Anhörung in den Bundestag einzula- den, um ihr Anliegen ernst zu nehmen und zu beraten. Der sang- und klanglose Abschluss der Petition in der vorliegenden Sammelliste wird den Zehntausenden Un- terzeichnerinnen und Unterzeichnern mit ihrem Anlie- gen in keiner Weise gerecht. Aus diesen Gründen lehnen wir die Beschlussemp- fehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) zur Sammelübersicht 137 zu Petitionen – Bundestagsdruck- sache 17/2959 – ab. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur vereinbarten Debatte: Bilanz und Zukunfts- perspektiven der wissenschaftlichen Politikbe- ratung „Technikfolgenabschätzung“ (Tagesord- nungspunkt 13) Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Dass das Büro für Technikfolgeabschätzung ausgerechnet 1990 gegründet wurde, war für mich zum einen überraschend, zum ande- ren aber auch folgerichtig. Überraschend, weil es ja nun wirklich Zeiten waren, in denen sich politische Ereig- nisse gegenseitig in die Hacken traten. Sich unter diesem Druck, Zeit für die Umsetzung eines Projektes wie der Gründung des TAB zu nehmen, ringt mir Respekt ab. Mithin, diese Bemerkung sei mir gestattet, stand der Einigungsprozess bis heute im Zeichen von Folgeab- schätzung. Umstritten blieb, wie sich der wirtschaftliche Strukturwandel in den Neuländern vollziehen sollte. Das Besondere an diesem Transformationsprozess besteht darin, dass er sich eingebettet in einen zunehmend glo- balen Strukturwandel der klassischen Industriegesell- schaft vollzog. Von Wissens- und Informationsgesell- schaft zu sprechen, ist in der Politik modern geworden. Und mit Blick auf diesen grundlegenden Strukturwandel war die Gründung des TAB notwendig und folgerichtig. Es musste offensiv und prospektiv reflektiert werden, dass alle Lebensbereiche, dass unsere Lebensweise in größerer Komplexität von Wissenschafts- und Technolo- gieentwicklung – insbesondere den Informations- und Kommunikationstechnologien – geprägt werden. Systematisch musste neues wissenschaftliches und technologisches Wissen analysiert werden. Im Spiegel d a k m s v p re s tu s d s u K b k P b s d g fü P w G te d e B s b ri s d d A Id g k s s d (C (D es Bestehenden waren und sind Anwendungsoptionen bzuschätzen. Aus Sicht der Linken sind der gesellschaftliche und ulturelle Kontext, sind demokratische, digitale, ökono- ische, ökologische, soziale, demografische und ethi- che Perspektiven zu bedenken. Hier zeigen sich selbst- erständlich Konflikte in der Bewertung, erst recht in olitischen Entscheidungen. So liegen für Die Linke in Nachhaltigkeit und Ge- chtigkeit existenzielle Schutzinteressen von Gesell- chaft und Natur. Sie sprengen das Korsett von Verwer- ngs- und Wettbewerbslogik. Insofern stoßen nicht elten die spannenden Empfehlungen aus den Studien es TAB an Grenzen, die politische Machtverhältnisse etzen. Dennoch bieten sie wichtige Anregungen, Argumente nd Fakten für parlamentarische Entscheidungen, für ontrolle und kritische Auseinandersetzung mit Vorha- en der jeweils Regierenden und für öffentliche Dis- urse. Das TAB hat dazu beigetragen, Wissenschaft und olitik in neuer Qualität näher zusammenzubringen, wo- ei weder Politik verwissenschaftlicht noch Wissen- chaft politisiert werden sollten. Immerhin unterschei- en sich Blickwinkel, Deutungen, Interessen, Erwartun- en und Verantwortung. Dennoch durchzieht die Ver- hrung, sich gegenseitig zu instrumentalisieren, viele rozesse der Auseinandersetzung. Aber glücklicher- eise kann im Zweifelsfalle immer mal wieder auf das rundgesetz verwiesen werden. Und schließlich lässt sich auch selbstbewusst festhal- n: Das TAB hat – gewollt oder ungewollt – geholfen, ie Forschungs- und Technologiepolitik der Regierungen iner sachgerechten, inhaltlichen Kritik zu unterziehen. esser noch wäre, könnten sich Parlament und interes- ierte Öffentlichkeit an der Debatte über die Ausrichtung eteiligen. Aber da arbeiten wir dran! Die Verdienste des TAB können hier nur fragmenta- sch aufgezeigt werden. Aber sie sind hinreichend, die- es Podium zu nutzen, um für eine bessere Ausstattung es TAB zu werben. Das wäre tätiger und bester Dank es Parlaments. nlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Tourismus und Land- schaftspflege verknüpfen – Gemeinsam die Ent- wicklung ländlicher Räume stärken (Tagesord- nungspunkt 15) Marlene Mortler (CDU/CSU): „Nirgendwo schmeckt ylle besser“, hieß es vergangenen Sonntag in einem elungenen Artikel der Berliner Morgenpost. Der Arti- el hat meine Aufmerksamkeit geweckt, weil er mit die- en Worten meine fränkische Heimat wunderbar be- chreibt und weil er beispielhaft zeigt, worin die Stärken es Deutschlandtourismus liegen: in der besonderen Au- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6585 (A) ) )(B) thentizität, der besonderen Vielfalt der einzelnen Regio- nen. Deshalb sind auch Sie, so wie ich, stolz auf Ihre, un- sere Heimat. Heimat! Gerade die Menschen vor Ort sorgen dafür, dass unser Reiseland so attraktiv ist. Ob Nord- und Ost- see, Harz, Eifel, Thüringer Wald, Sächsische Schweiz, Erzgebirge, Schwarzwald, Teutoburger Wald, Bayeri- scher Wald, Rhön, Allgäu oder Fränkisches Seenland, um nur einige zu nennen – die Kulturlandschaft dieser Regionen ist das Ergebnis von Landbewirtschaftung über Jahrhunderte hinweg. Vitale ländliche Räume sind keine idealisierten Bilderbuchlandschaften. Vitale länd- liche Räume brauchen eine wirtschaftliche Basis. Früher haben Menschen nur dann dort leben können, wenn sie eine wirtschaftliche Basis hatten; wenn nicht, mussten sie weiterziehen. Mein Dorf, meine Heimat ist so ein Anker. Am kom- menden Sonntag findet in meinem 250-Einwohner-Dorf der Tag der Regionen statt. Wir erwarten Tausende Be- sucher bzw. Tagesgäste. Der Themenschwerpunkt in die- sem Jahr lautet „KulturLandschaft“ – wie passend! Dehnberg bietet hierfür die idealen Voraussetzungen. Unser Dehnberger Hoftheater ist eine bekannte kultu- relle Institution im Landkreis mit hohem Niveau. Dehn- berg selber liegt eingebettet in eine schöne Kulturland- schaft. Hier können wir die beiden Themen authentisch miteinander verbinden. Und landschaftliche und kulturelle Vielfalt sind Werte, die unsere Lebensqualität mitbestimmen, die wir pflegen und bewahren müssen. Deshalb ist die regionale Wertschöpfung in Deutschland so wichtig. Der Touris- mus steht dafür. Er ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, denn er bietet Arbeitsplätze vor Ort. Es sind Arbeits- plätze, die nicht exportierbar sind. Als arbeitsintensive Branche sichert er bundesweit immerhin 2,8 Millionen Arbeits- und 115 000 Ausbildungsplätze, quer durch un- ser Land dank der touristischen Vielfalt in Stadt und Land. Und noch ein Grund zur Freude: Das Reiseland Deutschland ist gestärkt aus der Krise hervorgegangen. Die jüngsten Gästezahlen sind geradezu sensationell. Wir sprechen vom besten Halbjahresergebnis aller Zei- ten. Die Gästeübernachtungen aus dem In- und Ausland stiegen insgesamt um 3 Prozent (Inlandsgäste: plus 2 Prozent, Auslandsgäste: plus 9 Prozent). Diesen Schwung müssen wir weiter nutzen. Das heißt, wir wollen Deutschland und seine Kulturland- schaften als Reiseland noch intensiver bewerben. Nicht nur in den großen Städten, gerade in den ländlichen Ge- bieten ist das Geschäft mit der Reiselust ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Es ist oft Motor der gesamtwirtschaft- lichen Entwicklung mit unverzichtbaren Impulsen für den lokalen Arbeitsmarkt. Nachgelagerte Bereiche wie der Einzelhandel, die Land-, Forst- und Ernährungswirt- schaft, die Genussmittelindustrie, das Transportgewerbe, der Kulturbereich profitieren davon erheblich. n fü N n p la w s W L U „ s li D d Ic ty d D w d k R z D L fü v V z z n g a d g (C (D Bei all diesen wirtschaftlichen Betrachtungen darf ei- es nicht aus dem Blick geraten: Elementare Grundlage r den Tourismus im ländlichen Raum ist eine intakte atur und eine attraktive Kulturlandschaft. Damit kön- en wir bei den Reisenden aus dem In- und Ausland unkten. Denn Umweltprobleme in den weltweiten Ur- ubsregionen werden von den Reisenden zunehmend ahrgenommen. Sie beeinflussen die Reiseplanung so ehr, dass inzwischen jeder zweite Urlauber sagt: Das etter spielt nicht mehr die entscheidende Rolle; schöne andschaften, eine unberührte Natur und eine saubere mwelt stehen für mich hoch im Kurs. Im globalen Dorf wird Nachhaltigkeit (überall) als die Fähigkeit, vorauszublicken und vorzusorgen“ ver- tanden. Zeitschriften wie Landlust, Schönes Land, mein ebes Land und andere gehen weg wie warme Semmeln. er Trend zum Unverfälschten, zum Natürlichen ist ein- eutig. Ich zitiere aus der Welt: Nachhaltiges Reisen wird zum neuen Trend. Lange galt das Motto: schneller, höher, weiter. Doch die Tourismusbranche muss umdenken, denn die Wün- sche der Urlauber haben sich gewandelt. Das Meer lindert Schmerzen. Wellenrauschen wirkt sich posi- tiv auf Angst und Stress aus. Ist das Wasser türkis, senkt das den Blutdruck. Gebirge, Wüsten und dra- matische Regionen lösen ein Feuerwerk an Glücks- hormonen aus. Die stärkste mentale Wirkung aber üben Landschaften mit lockerer Vegetation, ge- schwungenen Wegen, sanften Hügeln und einge- sprenkelten Gewässern aus. In allen Fällen sind kör- perliche Reaktionen messbar gesundheitsfördernd, das belegt die junge Disziplin der Landschaftspsy- chologie. Ein Beispiel: Hopfen und Bier, das gehört zusammen. h denke hier an die Hopfengärten rund um Spalt, die so pisch und landschaftsbildprägend sind. Aber auch an ie einzigartige Spalter Brauerei, die einzige Brauerei eutschlands, die von seinem Bürgermeister „regiert“ ird. Mit unserem Antrag wollen wir einen Beitrag leisten, ieses Potenzial noch stärker zu nutzen. Unser Ziel ist lar: Nicht nur die großen Städte, auch die ländlichen äume (strukturschwachen Räume) sollen sich durch usätzliche wirtschaftliche Impulse weiter entwickeln. er Weg: die bessere Verknüpfung von Tourismus und andschaftspflege einerseits und noch mehr Verständnis r Tourismus und Landbewirtschaftung andererseits. Landschaftspflege ist ein wichtiges Segment. Aber on der Landschaftspflege allein können Bauern und erbraucher nicht leben. Landbewirtschaftung heißt also um einen, die Landschaft in ihrer Vielfalt zu erhalten; um anderen heißt es aber auch, die Kulturlandschaft zu utzen, zu gestalten und zu pflegen, um von ihren Erträ- en zu leben. Die Land- und Forstwirtschaft braucht wiederum uns ls Verbraucher. Das heißt, wir haben es in der Hand, ass wir heimische Produkte noch mehr schätzen und ezielt einkaufen. 6586 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) Tourismus und Landwirtschaft brauchen sich gegen- seitig. Der Tourismus stärkt die Wirtschaft. Er trägt auch dazu bei, dass sich Landbewirtschaftung weiter lohnt. Für den Einheimischen ist es Heimat auf dem Teller und für den Gast Urlaub zum Mitnehmen. Der Blick fürs Ganze zeigt doch auch, dass – das wird mir immer wieder in intensiven Gesprächen bewusst – eine gepflegte Landschaft mit einem verlässlichen Rechtsrahmen eine Errungenschaft ist, um die wir welt- weit beneidet werden. Darum machen wir Deutsche am liebsten Urlaub im eigenen Land. Das ist ein Trend, der in den letzten Jahren enorm zugenommen hat. Aber auch ausländische Gäste schätzen diese Tatsa- che. Um die attraktive Vielfalt unserer Kulturlandschaften zu sichern, sollen daher nach unserem Willen, nach dem Willen der Unionsfraktion, das nationale Naturerbe, Na- turschutzprojekte des Bundes, die nationalen Natur- und Kulturlandschaften sowie das Bundesprogramm „Biolo- gische Vielfalt“ vor allem über freiwillige Kooperatio- nen weiter unterstützt werden. Zudem sollen naturtouris- tische Angebote im Rahmen von Modellvorhaben entwickelt und erprobt werden. Die Achtung des Eigentums und der vorrangige Weg der freiwilligen Kooperation sind bisher wesentliche Ga- ranten des Erfolgs. Ökologie, Ökonomie und Soziales sind im Miteinander zu betrachten. Festlegungen über die gute fachliche Praxis hinaus, wie wir sie in der Land- wirtschaft kennen und befolgen, sind deshalb finanziell auszugleichen. Bei den anstehenden Diskussionen über die Weiter- entwicklung der EU-Politik nach 2013 setzen wir uns für eine Fortführung der starken ersten Säule und eine finan- ziell gut ausgestattete zweite Säule in der gemeinsamen EU-Agrarpolitik ein. Agrarumweltprogramme und Vertragsnaturschutz so- wie die Ausgleichszulage sind wichtige Instrumente zur Stärkung des Tourismus in ländlichen Gebieten. Dafür kämpfen wir! Im Koalitionsvertrag haben wir außerdem eine Tou- rismuskonzeption für den ländlichen Raum angekündigt. Ich führe dazu vielfältige Expertengespräche, um das Ganze auf den Weg zu bringen. Denn: Nirgendwo schmeckt Idylle besser. Klaus Brähmig (CDU/CSU): Der ehemalige Euro- paabgeordnete und Südtiroler Bergsteiger Reinhold Messner hat vor Jahren dazu aufgefordert, der Globali- sierung das Regionale entgegenzusetzen. Meines Erach- tens hatte Reinhold Messner schon damals recht. Regio- nalität bildet das Gegengewicht zur Globalität. Die Regionen als Kultur- und Lebensräume gewinnen an Be- deutung. Mit der Unsicherheit des Menschen über die Auswir- kungen der Globalisierung wächst das Bedürfnis nach kultureller Verankerung und Vergewisserung der eigenen Identität. Urlaub im eigenen Land, im ländlichen Raum m le a S w m k ß v w S b w fe a w d u m d k A s li ri s d s s T G s U to n s T im d B A m ti u g g ti ti w L b ö m (C (D it Angeboten für Wellness und Erholung ist ein aktuel- r Trend mit wirtschaftlichem Potenzial. Diese Beobachtung kann ich auch aus meiner Praxis ls Vorsitzender des Tourismusverbandes Sächsische chweiz bestätigen. Das Segment Landtourismus ist ein achsender Markt, der Landwirten zusätzliche Einnah- emöglichkeiten bietet und jungen Menschen eine Zu- unft in der eigenen Heimat ermöglicht. Diese Entwicklung ist auf der einen Seite zu begrü- en, da die regionale Wirtschaft und die Einwohner da- on profitieren. Gerade nahe gelegene Urlaubsregionen ie Nord- und Ostsee, Harz, Eifel, Thüringer Wald, ächsische Schweiz, Erzgebirge, Schwarzwald, Teuto- urger Wald, Bayerischer Wald, Rhön und Allgäu ge- innen dadurch an Bedeutung. Auf der anderen Seite of- nbaren sich uns dort aber auch Probleme: Viele dieser ttraktiven Landschaften und flächendeckenden Landbe- irtschaftungen durch Landwirte sind gefährdet. Beson- ers betroffen sind die Mittelgebirge mit ihren mageren nd schwer zu bewirtschaftenden Böden. Hier setzt der heutige Antrag an. Es handelt sich aus einer Sicht um einen Dreiklang. Denn wir fordern, ass Tourismus, Landschaftspflege und Landwirtschaft ünftig enger zusammenarbeiten sollen. Nach unserer nsicht können Tourismus, Landwirtschaft und Land- chaftspflege in den Regionen, in denen eine wirtschaft- ch tragfähige Landbewirtschaftung zunehmend schwie- ger wird, gemeinsam gegensteuern: Der Tourismus tärkt die Wirtschaft der Region und trägt so dazu bei, ass sich Landbewirtschaftung weiter lohnt. Im Gegenzug ichert Landschaftspflege nachhaltige Nutzungen und chafft so eine besondere Grundlage für erfolgreichen ourismus. Dieses Wechselspiel gilt es zu stärken. An dieser Stelle möchte ich unserem Kollegen Josef oppel danken, der als Vorsitzender des Deutschen Land- chaftspflegeverbandes uns als Tourismuspolitiker der nion für dieses Problem sensibilisiert hat und Mitinitia- r des Antrages ist. Gerne haben wir seine Ideen aufge- ommen und in den vorliegenden Antrag einfließen las- en. Persönlich freue ich mich außerordentlich, dass das hema Landschaftspflege und Tourismus zum ersten Mal Deutschen Bundestag debattiert wird. Diese Thematik arf gerade hinsichtlich ihrer querschnittsübergreifenden edeutung künftig nicht unterschlagen und von der genda gestrichen werden. Schon Carl von Carlowitz, ein sächsischer Oberberg- ann, erkannte als Erster im 18. Jahrhundert die Wich- gkeit von einem nachhaltigem Umgang mit der Natur- nd Kulturlandschaft und schrieb: „Wird derhalben die rößte Kunst/Wissenschaft/Fleiß und Einrichtung hiesi- er Lande darinnen beruhen/wie eine sothane Conserva- on und Anbau des Holtzes anzustellen/daß es eine con- nuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe/ eiln es eine unentberliche Sache ist/ohne welche das and in seinem Esse nicht bleiben mag.“ Diesem Gedanken folgend möchte ich noch einmal etonen, dass eine nachhaltige Tourismusentwicklung kologische, ökonomische und soziale Aspekte gleicher- aßen vereint. Nur so kann aus meiner Sicht eine stär- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6587 (A) ) )(B) kere Nutzung regionaler Produkte im Tourismus sehr gut mit Naturschutz einhergehen und gleichzeitig Arbeits- plätze schaffen. Darüber hinaus trägt der Tourismus erheblich zum Le- bensstandard und zum Lebensgefühl der Bevölkerung bei und ist ein wichtiger Teil der Identifikation einer Region, der Heimatverbundenheit sowie der Pflege von Brauch- tum und Traditionen. Kurze Transportwege, regionale Wirtschaftskreisläufe sowie mehr Wertschöpfung und Arbeitsplätze vor Ort sind Ergebnisse einer Synergie von Tourismus, Landwirtschaft und Landschaftspflege und dienen dem Klimaschutz. Es lohnt sich deshalb, die Zu- sammenarbeit von Naturschutz, Landwirtschaft und Tou- rismus weiter auszubauen. Aus meinem eigenen Wahlkreis ist mir beispielsweise das gelungene Naturschutzgroßprojekt „Bergwiesen“ bekannt. Projektträger ist mein eigener Wahlkreis „Säch- sische Schweiz – Osterzgebirge“. Ziel ist es dort, die ein- zigartigen Wiesenlandschaften mit ihrer schützenswer- ten naturräumlichen Ausstattung und bemerkenswerten Flora und Fauna zu erhalten und ihre Attraktivität so- wohl für Einheimische als auch für Gäste zu erhöhen. Neben dem ästhetischen Erfolg ist eine deutlich ge- wachsene Besucherzahl aus weiten Teilen Deutschlands und Tagesbesuchern aus der näheren Umgebung zu kon- statieren. All das wäre selbstverständlich ohne das groß- artige Engagement der Landwirte und der vielen ehren- amtlich Tätigen vor Ort nicht möglich. Diesen gilt insbesondere mein Dank. Aber wir müssen an dieser Stelle auch ganz klar sagen: Die Landwirte brauchen in Zukunft ein verlässliches Fi- nanzierungskonzept, um ihr langfristiges Überleben zu sichern. Landschaftspflege muss sich für Landwirte auch lohnen, und die bürokratischen Hemmnisse bei der Mit- telbewilligung und beim Mittelabfluss müssen abgebaut werden. Auch im Interesse einer nachhaltigen Tourismus- entwicklung muss hier künftig eine größere Unterstüt- zung erfolgen. Die vielfältigen Kulturlandschaften sind ein wichtiger Beitrag zur touristischen Attraktivität unseres Landes. Sie sind das Ergebnis der seit Jahrhunderten durchgeführten Landbewirtschaftung. Durch die einsetzende Gefährdung gilt es meines Erachtens, die Zusammenarbeit und die Vernetzung zwischen Tourismus und Landschaftspflege im ländlichen Raum zu intensivieren. Nur durch diese Zusammenarbeit kann die attraktive Vielfalt unserer Kul- turlandschaft gesichert werden. Das nationale Naturerbe, die Naturschutzgroßprojekte des Bundes, die nationalen Natur- und Kulturlandschaften sowie das Bundespro- gramm „Biologische Vielfalt“ müssen weiter unterstützt werden. Meines Erachtens bietet die engere Verknüpfung von Tourismus, Landschaftspflege und Landwirtschaft eine Vielzahl von ökonomischen und ökologischen Chancen. Das, was sie auf jeden Fall bietet, ist eine Besinnung auf die eigene Heimat, den Erhalt ihrer Natur und eine Chance zur Stärkung des Gemeinsinns. Dafür lohnt es sich, zusammen einzutreten. V W H ih ti m s D S g F m m fü ti b S B d z tu li im m N W ri a c M tu u b A s N w lä N L s W k R w S m S s ti s a (C (D Heinz Paula (SPD): Deutschland bietet eine große ielfalt an Natur und Landschaft: Küsten, Seen, Flüsse, attlandschaften, sandige Heiden oder Mittel- und ochgebirge. Das Potenzial in ländlichen Regionen mit rem unverwechselbaren kulturellen Erbe, ihren vielsei- gen Landschaften und ihrer Naturnähe erkennen zuneh- end mehr Urlauberinnen und Urlauber. Naturnahe Landschaften haben eine enorme touristi- che Anziehungskraft. Touristinnen und Touristen aus eutschland und der gesamten Welt erholen sich an den een, wandern in den Bergen, erkunden die Naturschutz- ebiete und besuchen die vielen Sehenswürdigkeiten. ür 40 Prozent gehören Urlaub und Naturerleben zusam- en – Tendenz steigend. Ländliche Regionen mit ihrer Naturnähe und Touris- us sind zwei Seiten derselben Medaille. Insbesondere r strukturschwache ländliche Regionen ist die nachhal- ge touristische Nutzung der Naturlandschaften ein edeutender ökonomischer Faktor. Er ist eine tragende äule für ihre Wirtschaftskraft. Mit rund 2,8 Millionen eschäftigten und über 100 000 Ausbildungsplätzen ist ie Tourismusbranche einer der wichtigsten Wirtschafts- weige in Deutschland. Die Anzahl der Gästeübernach- ngen in Deutschland beträgt 2008 laut DRV 370 Mil- onen. Die Reiseausgaben der Deutschen beliefen sich Inland auf über 66 Milliarden Euro (Statistik DZT). Zugleich stärkt der Tourismus auch die Verbundenheit it der Heimat und trägt dazu bei, dass dem Erhalt von atur und Landschaft ein hoher Wert beigemessen wird. ie kaum ein anderer Wirtschaftszweig ist der Landtou- smus auf eine vielseitige, intakte Natur und Umwelt ngewiesen. Zersiedelte und verbaute Landschaften lo- ken die wenigsten. Ein „gesundes Klima“ ist vielen enschen dabei besonders wichtig. Daher gilt: Ein na- rnaher Landtourismus bietet großes Potenzial, stellt ns aber gleichzeitig vor große Herausforderungen. Ziel ei allen Überlegungen hinsichtlich naturtouristischer ngebote muss daher sein, die Vielfalt unserer Natur zu chützen. Ökologische Aspekte und der Grundsatz der achhaltigkeit müssen hier als Gradmesser im Wettbe- erb herausgestellt werden. Ein Tourismuskonzept für ndliche Regionen muss in Einklang stehen mit dem atur- und Umweltschutz sowie einer nachhaltigen andwirtschaft und muss zugleich auch aktuelle gesell- chaftliche Entwicklungen wie den demografischen andel einbeziehen. Ihr Antrag „Tourismus und Landschaftspflege ver- nüpfen – Gemeinsam die Entwicklung ländlicher äume stärken“ ist – mit Verlaub – das Papier nicht ert, auf dem er steht. Alle wesentlichen Punkte zur tärkung ländlicher Regionen bleiben für uns Sozialde- okraten im Forderungsteil unberücksichtigt. Lassen ie mich dies an ein paar Punkten verdeutlichen: Kein Wort über eine ressortübergreifende Politik, die ich an den Problemen der ländlichen Regionen orien- ert und eine integrierte ländliche Entwicklung unter- tützt. Kein Wort zur Weiterentwicklung der Gemeinschafts- ufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“ sowie der 6588 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ als zentrale Förderinstrumente länd- licher Regionen. Kein Wort zu der Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements als tragende Säule des gemeinschaftlichen Zusammenlebens im ländlichen Raum. Fehlanzeige auch in der Frage von barrierefreien An- geboten insbesondere beim Naturerleben. Fehlanzeige ebenso bei der Frage einer passgenauen Aus- und Fortbildung für Touristiker, bei der Kenntnisse über die nationalen Naturlandschaften und Ziele eines nachhaltigen Tourismus verbindlich aufgenommen wer- den. Mit unseren beiden Anträgen – „Nationale Naturland- schaften – Chancen für Naturschutz, Tourismus, Um- weltbildung und nachhaltige Regionalentwicklung“ aus dem Jahr 2006 und „Unsere Verantwortung für die länd- lichen Räume“ aus dem Jahr 2007, die wir gemeinsam noch mit den Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU in der Regierungskoalition beschlossen haben, waren wir schon viel, viel weiter. All die genannten Punkte fin- den Sie in den Anträgen wieder. Ich empfehle Ihnen: Holen Sie sich diese aus der Schublade! Es lohnt sich. Auffallend ist, dass Sie den Begründungsteil Ihres Antrages in weiten Teilen aus der Resolution des Deut- schen Verbandes für Landschaftspflege von 2008 abge- schrieben haben. Auffallend ist allerdings auch, dass Sie die Handlungsbedarfe und Forderungen der Resolution nicht übernommen haben, wie beispielsweise – ich zi- tiere – „dass der Tourismus nicht auf umweltbelastende und landschaftszerstörende Großprojekte setzt“, „dass sich der Tourismus an den Kosten beteiligt, die zum Er- halt der Kulturlandschaft erforderlich sind“. Dazu gehört auch die Forderung nach „einer Reform des kommuna- len Finanzausgleichs“. Auffallend ist ferner, dass Sie in Ihrem Forderungsteil ländliche Räume erneut wieder nur einseitig – als Wir- kungsfeld agrarischer Prozesse – verstehen. Einen res- sortübergreifenden Politikansatz, der sich an den Men- schen vor Ort orientiert und eine integrierte ländliche Entwicklung unterstützt, sucht man vergebens. Auffallend ist ebenso, dass Sie in der Diskussion über die Weiterentwicklung der EU-Politik nach 2013 – ich zitiere – „für die Fortführung einer starken ersten Säule und für eine finanziell gut ausgestattete zweite Säule der gemeinsamen EU-Agrarpolitik eintreten“. Eine Strategie hinsichtlich der weiteren Ausrichtung der EU-Agrarpoli- tik wird allerdings nicht erkennbar. Für Sie gilt: weiter so wie bisher. Hier sind die EU und wir Sozialdemokra- ten schon weiter. Wir wollen die Direktzahlungen stärker konditionieren, das heißt zum Beispiel Basisprämie, der Rest der Direktzahlungen als an Leistung, zum Beispiel Umweltschutz, gekoppelte Prämie. Sie präsentieren sich als Anwalt des ländlichen Rau- mes und machen sich für eine zweite Säule stark. Gleich- zeitig setzen Sie genau dort den Rotstift an, wo Nachhal- tigkeit und Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft und der ländlichen Räume gefördert werden. Sie kürzen die Mit- te A u „ 1 c ic g S le c s g Ih u N m lu d u R d fu D w w s M d a v n s k b b d d S d z o te m d in u s re e p g (C (D l aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der grarstruktur und Küstenschutz“ um 100 Millionen Euro nd ebenso die Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ um 0 Millionen Euro als zentrale Förderinstrumente ländli- her Räume. Das ist der Gipfel der Dreistigkeit. Oder soll h es so verstehen, dass Sie Ihren kapitalen Fehler korri- ieren wollen? Ich meine unsere ländlichen Regionen haben mehr orgfalt verdient. Ich fordere die Kolleginnen und Kol- gen von CDU/CSU und FDP auf: Wachen Sie auf! Ma- hen Sie endlich Schluss mit solch halbherzigen und cheinheiligen Initiativen! Fazit: Ihr Antrag für eine Stärkung der ländlichen Re- ionen ist völlig unzureichend, ja überflüssig. Wir lehnen ren Antrag deshalb ab. Wir fordern Sie vielmehr auf, nsere fundierten CDU/SPD/CSU – Anträge „Nationale aturlandschaften – Chancen für Naturschutz, Touris- us, Umweltbildung und nachhaltige Regionalentwick- ng“ aus dem Jahr 2006 und „Unsere Verantwortung für ie ländlichen Räume“ aus dem Jahr 2007 konsequent mzusetzen. So dienen wir der Entwicklung ländlicher äume und stützen die Belange des Tourismus. Jens Ackermann (FDP): Der ländliche Raum ver- ient unsere besondere Aufmerksamkeit. Wer die Schaf- ng gleicher Lebensbedingungen in allen Teilen eutschlands als Auftrag ernst nimmt, weiß das. Doch ie können wir den ländlichen Raum stärken? Die Land- irtschaft allein schafft dies sicher nicht, der demografi- che Wandel schreitet munter voran. Immer mehr junge enschen wandern in Ballungsräume ab. Solange dort ie wirtschaftliche Entwicklung so viel positiver ist als uf dem Land, wird sich dieser Trend noch fortsetzen. Eine Antwort bietet der Tourismus. Die Schaffung ieler – auch hochqualifizierter – Beschäftigungsverhält- isse in dieser Zukunftsbranche kann hier einen Um- chwung einläuten. Doch damit nicht genug: Die Ver- nüpfung von Tourismus und Landschaftspflege, die wir ereits im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP eschlossen haben, bringt auch einen Mehrwert jenseits es Tourismus: Sie erhält bzw. belebt Landschaften wie- er, ist aktiv gelebter Umweltschutz und führt zu einem trukturwandel, der nicht „Heimat“ zerstört, sondern urch ihre Bewahrung Neues ermöglicht. Wir müssen auf nachhaltige Tourismusprojekte set- en, damit die Qualität der Destinationen erhalten bleibt der oft noch besser ausgebaut wird. Dieses enorme Po- nzial spiegelt sich in den Gästezahlen wider: Touris- us in Deutschland ist ein Boommarkt. Die Erhebungen es Statistischen Bundesamtes zeigen, dass die Ankünfte Deutschland im Jahr 2009 im Vergleich zum Vorjahr m mehr als 9 Prozent gestiegen sind. Dieser Trend wird ich in den nächsten Jahren fortsetzen. Die Einwohner vor Ort haben in einer landschaftlich izvollen Gegend eine höhere Lebensqualität. Es kann ine Angebotsvielfalt entstehen, vom Müritz-National- ark in Mecklenburg-Vorpommern über die Magdebur- er Börde und Regensburg bis zu den Bayerischen Al- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6589 (A) ) )(B) pen. Davon profitieren Kommunen und die regionale Wirtschaft gleichermaßen. Ich darf Sie bitten, uns bei dieser wirklich wichtigen Strukturmaßnahme zu unterstützen. Kornelia Möller (DIE LINKE): Ihr heutiger Antrag erinnert stark an Ihren Antrag zum Kulturtourismus, den wir im Februar beraten hatten. Thematisch haben die beiden Anträge zwar nicht viel miteinander zu tun, sie gleichen sich allerdings in ihrer Substanzlosigkeit. Wie- der ein Schaufensterantrag, genau wie beim letzten Mal. Von Ihnen, Frau Mortler, und Ihnen, Herr Meierhofer, gerade als bayerische Abgeordnete hätte ich aber mehr erwartet. Sie könnten besser wissen, wie man Landtou- rismus effektiv gestaltet. Schließlich steht unser schönes Bayern im Bundesvergleich mit circa 60 Millionen Übernachtungen jährlich in den Landkreisen weit vorne. Machen Sie sich doch vor dem Schreiben eines Antrags persönlich vor Ort kundig, zum Beispiel bei einem Ak- tivurlaub auf Kulturlandschaftspfaden, wie Tourismus und Landschaftspflege zusammengebracht werden kön- nen. Finden Sie vorher heraus, welche konkreten Schritte für die Beteiligten vor Ort nötig sind, um eine Optimierung im Sinne einer wirklichen Verknüpfung von Tourismus und Landschaftspflege zu erreichen. Stichwort: LEADER und sein Nutzen für Landwirt und Eigentümer. Ihr Antrag, Frau Mortler und Herr Meierhofer, igno- riert die aktuelle Entwicklung in der Landwirtschaft, die hin zu einer Industrialisierung geht, was für Natur und Umwelt und damit auch für den naturorientierten Touris- mus fatale Auswirkungen hat. Den in Ihrem Antrag angesprochenen Direktzahlun- gen als erster Säule in der europäischen Agrarpolitik müssen ökologische und soziale Verpflichtungen der Zahlungsempfänger an die Seite gestellt werden, sonst fördern Sie lediglich den negativen Strukturwandel wie zum Beispiel das Höfesterben. Sie tragen mit Ihrem An- trag nichts bei zum Erhalt der biologischen Vielfalt, zum Klimaschutz oder zur nachhaltigen Entwicklung in länd- lichen Räumen. In diesem Sinne ist Ihr Antrag sogar kontraproduktiv. Zudem blenden Sie wesentliche Ent- wicklungen der letzten Jahre aus, wie zum Beispiel die zunehmende Flächenkonkurrenz in den Kultur- und Na- turräumen zwischen Landwirtschaft und regenerativer Energie (Photovoltaik, Windenergie, Maisanbau für Bio- gas usw.) oder die Flächenbelastung durch unnötigen weiteren Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Eine sinnvolle Herangehensweise an die Verknüpfung von Tourismus und Landschaftspflege ist es, ein Touris- muskonzept für den ländlichen Raum zu entwickeln, das den Herausforderungen für den Landtourismus gewach- sen ist. Es ist zwar schön, dass im Koalitionsvertrag zwi- schen CDU/CSU und FDP vorgesehen ist, eine Touris- muskonzeption für den ländlichen Raum zu erstellen. Wenn dieses zeitlich so weit nach hinten rückt, dass nicht einmal die antragstellenden Damen und Herrn Ko- alitionäre darauf warten können, ist es fraglich, welchen Wert es hat. Ein sinnvolles Tourismuskonzept muss die v e tä s d g z ra z u g n w c V G a lo g B w le le is A z n d a n Ü 9 J a s k S m d In ro d d F g u s is L z n h s tü (C (D erschiedenen Entwicklungen im ländlichen Raum unter inen Hut bringen, wie zum Beispiel eine meist defizi- re Infrastruktur, den Strukturwandel in der Landwirt- chaft, den demografischen Wandel und eine sich verän- ernde Tourismusnachfrage. In Ihrem Forderungsteil ehen Sie nicht einmal auf einen dieser Aspekte ein. Sie stellen fest, dass Menschen öfter reisen und kür- ere Zeit am Urlaubsort verbleiben, doch ziehen Sie da- us keine Konsequenzen. Diese veränderte Urlaubskon- eption führt zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen nd zur stärkeren Umweltbelastung, wenn wir nicht leichzeitig ökologische und umweltverträgliche – und achhaltige – Verkehrswege durch Bahn und ÖPNV ge- ährleisten und dem Rückzug der Bahn „aus der Flä- he“ entgegenwirken. Ein Beispiel für ein weitreichendes und erfolgreiches erkehrskonzept ist das Gästeservice Umwelt-Ticket, UTi, im Bayerischen Wald. Es beinhaltet für Gäste der n diesem Konzept beteiligten Gemeinden eine kosten- se Beförderung im gesamten Bayerwald-Ticket-Tarif- ebiet. Dadurch können verschiedene Ausflugsziele im ayerischen Wald umweltschonend erreicht werden. Sie sprechen auch von nachhaltiger Tourismusent- icklung – und das ist gut so. Peinlich wird es dann al- rdings, wenn wir daraufhin konkrete Ideen suchen. Al- s, was Sie in Ihrem Feststellungsteil zu bieten haben, t die Nutzung von regionalen Produkten im Tourismus. ber entschuldigen Sie bitte, es gehört doch allgemein um „bewussten“ Konsum, beim Einkauf auf die regio- ale Herkunft der Produkte zu achten. Es entsteht ja fast er Eindruck, dass Sie nur im Bereich Tourismus Wert uf einen verantwortungsvollen Konsum legen und Ih- en sonst nichts einfällt. Wie ich eingangs erwähnte, liegt Bayern bei den bernachtungen, gemessen an Beherbergungsstätten mit und mehr Betten, mit 60 Millionen Übernachtungen im ahr 2009 in den bayerischen Landkreisen bundesweit uf dem ersten Platz. Und Landtourismus ist eine der am tärksten wachsenden Urlaubsformen. Leider gibt es eine bundesweit belastbaren Zahlen oder amtlichen tatistiken zur Bedeutung und Entwicklung des Touris- us im ländlichen Raum. Die alle zwei Jahre stattfin- enden Untersuchungen auf Basis der Reiseanalyse des stituts für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeu- pa GmbH reichen nicht aus. Man bekommt den Ein- ruck, als interessiere sich die Bundesregierung nicht für iesen wichtigen regionalen Wirtschaftszweig. Ist Ihr Feststellungsteil schon schwammig, toppt der orderungsteil das noch. Da belassen Sie es bei freiwilli- en Kooperationen mit Grundeigentümern und Bauern, m die Sicherung artenreicher und attraktiver Land- chaften zu unterstützen, was ja schon mal ein Anfang t. Bindende Zusagen an die Grundeigentümer und andwirte fehlen ebenso wie eine finanzielle Unterstüt- ung für Landwirte, damit sie die Aufgabe, die sich ih- en stellt, auch erfüllen können. Wenn Sie vor allem Be- örden und Verbände stärken möchten, können Sie dies o beantragen. Jedoch ist dieser Antrag für Bodeneigen- mer und Landnutzer ungeeignet. 6590 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) Ein ernst gemeinter Antrag im Sinne der Verbindung von Tourismus und Landschaftspflege muss sehr viel umfassender ansetzen und Verbindlichkeiten schaffen. Zu nennen wären da beispielsweise die Erweiterung der Investitionsförderung im Rahmen der Gemeinschafts- aufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz, GAK, unter Berücksichtigung der Barrierefreiheit als wichtiges Ele- ment des Qualitätstourismus im ländlichen Raum, ein Innovationsprogramm für Angebote im ländlichen Raum, das durch konkrete Förderprogramme für nach- haltigen Tourismus flankiert wird, und der Ausbau des Breitbandanschlusses. Bei Ihnen fehlt es jedoch an konkreten konzeptionel- len Überlegungen, die über schwammig gehaltene „Frei- willigkeiten“ hinausgehen und denen bindende Maßnah- men folgen. Zudem muss die Bundesregierung in all ihren Anstrengungen die Schaffung von barrierefreiem Landtourismus im Auge haben und gewährleisten. Man kann noch nicht einmal sagen, Sie seien als Ti- ger gestartet und als Bettvorleger gelandet. Mit diesem Antrag bleiben Sie gleich als Bettvorleger liegen. Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bedeutung der ländlichen Räume wird oft unterschätzt. Um die Bedeutung der ländlichen Bereiche unseres Lan- des zu ermessen, muss man sich zunächst mal einige grundlegende Dinge vor Augen führen: Zwei Drittel der deutschen Bevölkerung leben in ländlich geprägten Re- gionen. In diesen Regionen existieren mehr als 23 Mil- lionen Arbeitsplätze, und hier werden 57 Prozent der Wirtschaftsleistung Deutschlands erbracht. Sie sind aber nicht nur ein wichtiger Wirtschafts- standort, sondern aufgrund ihrer reichhaltigen Naturaus- stattung Lebensräume für Fauna und Flora und vor allem Rückzugs- und Erholungsraum für den Menschen. Im ländlichen Raum liegen also zentrale ökologische, aber auch ökonomische Zukunftsperspektiven, die in Angriff genommen werden müssen. Gleichwohl müssen Antworten auf soziale Herausforderungen wie den de- mografischen Wandel gefunden werden. Tourismuspoli- tisch können wir auch die steigende Beliebtheit der Inlandsreisen und hier vor allem des Kurzurlaubs erken- nen. Das ist eine große Chance, den vielen ländlichen Regionen eine neue wirtschaftliche Perspektive zu ge- ben. Gleichzeitig ermöglicht ein nachhaltiger Tourismus den Erhalt unserer Kulturlandschaften. Er leistet darüber hinaus einen Beitrag etwa zum Erhalt der Biodiversität. Damit die im Einleitungsteil erwähnte Situationsana- lyse aber auch ihre gewünschte nachhaltige – also ökolo- gische, ökonomische und soziale – Wirkung für den ländlichen Raum entfaltet, ist eine Vielzahl von Parame- tern zu beachten. Diese bleiben in dem Antrag uner- wähnt. Und genau da treffen wir das Manko des An- trags: Die Forderungen passen nur teilweise zu ihrer Analyse. Es fehlt an Verbindlichkeit und damit letztlich an Stimmigkeit. Da hätte ich mir mehr Mut gewünscht. Dennoch: Ich freue mich sehr, dass wir heute über die künftige Gestaltung dieser Regionen diskutieren. Und ic H s a s tü b w b H h H M lä O fö z E tr ra z w u w d n s w G la b K E is d ri v ü ic le m n n s D D h W z u F K (C (D h gebe auch unumwunden zu: Die zunehmend grüne andschrift in Ihrem Antrag gefällt mir außerordentlich. Ich möchte Ihnen die Knackpunkte an einigen Bei- pielen verdeutlichen: Sie fordern die Bundesregierung auf, die Sicherung rtenreicher und attraktiver Landschaften über ver- tärkte, freiwillige Kooperationen mit den Grundeigen- mern und Bauern vor Ort stärker zu unterstützen. Das egrüße ich ausdrücklich. Wenn Sie das jedoch ernsthaft ollen, dann müssen Sie auch die finanziellen Rahmen- edingungen schaffen. In den bisher stattgefundenen aushaltsberatungen zum kommenden Bundeshaushalt at sich das nicht niedergeschlagen. Schauen Sie sich doch die bäuerlichen Strukturen an! ier muss dringend umgesteuert werden. Sie haben die öglichkeit, hier wirklich etwas im Interesse unserer ndlichen Räume zu tun. Lippenbekenntnisse helfen vor rt nicht weiter. Stattdessen fordern Sie ein „Weiter so“ in der Agrar- rderstruktur. Eine „starke” erste Säule und eine „finan- iell gut ausgestattete” zweite Säule in der gemeinsamen U-Agrarpolitik hilft nur den industriellen Agrargroßbe- ieben. Ich sage Ihnen: Umgekehrt wird ein Schuh da- us. Statt weiterhin auf einen hohen Anteil an Direkt- ahlungen zu pochen, sollte die Koalition, wenn es ihr irklich ernst um die regionale Wirtschaftsentwicklung nd den Naturschutz ist, die zweite Säule stärken. Wir Grüne wollen, dass es nach 2013 eine Kehrt- ende im jetzigen Fördersystem gibt. Heute bekommt ie industrielle Landwirtschaft die meisten Subventio- en. Die damit verbundenen Kosten durch Wasserver- chmutzung, Verlust an biologischer Vielfalt und alle eiteren Nebeneffekte müssen von der Gesellschaft als anzes getragen werden. Im Interesse vieler kleinerer ndwirtschaftlicher Betriebe, insbesondere in besonders enachteiligten Gebieten mit Hanglage usw., unserer ulturlandschaften und damit auch der touristischen ntwicklung muss es ein Umdenken geben. Ein Ausgleich über die gute fachliche Praxis hinaus t seit langem eine grüne Forderung. Dafür müssen je- och auch in den entsprechenden Ausschüssen die Krite- en der guten fachlichen Praxis im Hinblick auf Biodi- ersität, Naturschutz und Erhalt der Kulturlandschaft berarbeitet und nicht stets ausgebremst werden. Denn h betone das auch gerne noch einmal: Keine Branche bt so sehr von intakten Naturräumen wie der Touris- us. Auch hier stellt sich allerdings die Frage: Woher ehmen Sie die finanziellen Mittel? In den Haushaltsplä- en ist das nicht abgebildet. Ich mache Ihnen einen Vor- chlag: Strukturieren Sie die erste Säule der GAP um. afür müssten Sie allerdings dem „Charme“ und der urchsetzungsfähigkeit des Herrn Sonnleitner widerste- en. Ich frage mich bei Ihrer Forderung unter Punkt zwei: as tut denn die Bundesregierung aktiv, um die Vernet- ung von Grundeigentümern, Bauern, Naturschützern nd Kommunen zu unterstützen? Auch hier gilt: Ihre orderung ist grundsätzlich zu begrüßen, eine weitere onkretisierung aber zwingend erforderlich. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6591 (A) ) )(B) Grundsätzlich muss man sich ganz intensiv einigen zentralen Fragen widmen, wenn man die ländlichen Räume ökologisch, ökonomisch und sozial weiterentwi- ckeln möchte: Was können wir auf Bundesebene konkret tun? Man wird dabei schnell auf die zentralen Bereiche Verkehr, Regionalförderung und Steuern kommen. Wird hier künftig in die gewünschte Richtung gearbeitet, sprich: eine ökologische und soziale Lenkungsfunktion in den Förderstrategien beachtet? Ein anderer Bereich ist die vertikale Kooperation. Wo können wir konkret finanziell fördern, um die interkom- munale Zusammenarbeit auszubauen? Wird hier die Rolle der Bund-Länder-Koordinierungstreffen ausrei- chend genutzt? Das BMELV hat festgehalten, dass nur ein Drittel derjenigen, die Urlaub auf dem Land machen wollen, es auch tatsächlich tun. Wie kann es also gelingen, dass die Zahl auch tatsächlich erhöht wird? Sie alle wissen: Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen, was die In- landsvermarktung angeht. Und noch etwas ganz Entscheidendes: Was tut die Bundesregierung eigentlich, um die Entwicklung und ihre tourismuspolitischen Instrumente zu evaluieren? Ich schlage Ihnen vor, dass wir das, was wir gemein- sam als wünschenswert erachten, gemeinsam konkreti- sieren. Es gibt ein gemeinsames Ziel, nämlich die Kop- pelung der Landschaftspflege mit der touristischen Entwicklung in unseren ländlichen Regionen. Dieses Ziel erreicht man nicht mit Lippenbekenntnissen, son- dern mit greifbaren Maßnahmen. Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft und Technologie: Erstens. Tourismus ist auf deutlichem Wachstumskurs: Bei Gäs- ten aus dem Ausland wurden die krisenbedingten Rück- gänge des vergangenen Jahres mehr als wettgemacht mit 11,4 Prozent mehr Auslandsgästen und 10 Prozent mehr Übernachtungen per Juli 2010 zum Vorjahr. Der Inlands- tourismus blieb bereits im vergangenen Jahr stabil und wuchs in den ersten 7 Monaten dieses Jahres um 1,9 Pro- zent auf 180,2 Millionen Übernachtungen. Die Branche hat die Krise sehr schnell überwunden und stellt erneut ihre Robustheit unter Beweis. Unsere Stärken zahlen sich aus: die Vielfalt des touristischen Angebotes, die verbesserte Qualität des touristischen Angebotes (auch Servicequalität), das gute Preis-Leis- tungs-Verhältnis. Zweitens. Die Bundesregierung setzt klare Prioritäten – auch für den Tourismus. Tourismus ist erstmals promi- nenter Bestandteil des Koalitionsvertrages. Wir wissen, dass der Tourismus eine der wesentlichen wirtschaftli- chen Chancen für die ländlichen Räume ist. Wir werden deshalb ein Tourismuskonzept für die ländlichen Räume vorlegen, das praxisorientiert ist, den Querschnittscha- rakter der Tourismuspolitik wie auch die unterschied- lichen Ebenen der Zuständigkeit berücksichtigt. Auf Ressortebene laufen die ersten Abstimmungen und Ko- o a D fü R F a h N w h R te L d ri re lu G ru s P g d S T re d n d g n c s d d d in tu In z A z (C (D rdinationen dazu, denn auf das gute Zusammenwirken ller Beteiligten wird es ankommen. Drittens. Tourismus lebt von intelligenter Vernetzung. ies ist immer wieder eine große Herausforderung, auch r mich als Tourismusbeauftragter. Für die ländlichen äume und den vorliegenden Antrag heißt das, über die achverbände und die kommunalen Spitzenverbände uch die regionale und kommunale Ebene einzubezie- en. Die Interessen von Tourismus, Landwirtschaft und aturschutz müssen vor Ort unter einen Hut gebracht erden. Viertens. Artenreiche Landschaften sorgen für die ohe Attraktivität des Reiselandes Deutschland. Der eiz der Kulturlandschaft liegt in ihrer Vielfalt und un- rschiedlichen Nutzungsarten, vor allem auch durch die and- und Forstwirtschaft. Der ländliche Tourismus ist ie gemeinsame Schnittstelle. Es gibt eine Vielzahl tou- stischer Angebote, die die Erhaltung der Natur mit ih- r touristischen Nutzung vereinbaren. Die Bundesregierung fördert die verstärkte Entwick- ng eines naturverträglichen Tourismus. Das „Erlebnis rünes Band“ erschließt die ehemaligen Grenzsiche- ngsanlagen entlang des Eisernen Vorhangs. Natur- chutz und Tourismus arbeiten hier intensiv zusammen. Außerdem fördert die Bundesregierung zahlreiche rojekte zum Trend „Aktivurlaub in der Natur“. Dazu ehören ein ressortübergreifendes Projekt mit fünf Bun- esländern zur Förderung des Fahrradtourismus und eine tudie zum „Zukunftsmarkt Wandern“. Damit sollen ourismusanbieter unter anderem in den Mittelgebirgs- gionen Know-how an die Hand bekommen, wie sie en neuen Trend zum Wandern für sich erschließen kön- en. Fünftens. Die Bundesregierung stellt die Weichen und as nötige Know-how. Sie wird auch zukünftig Leistun- en der Land- und Forstwirtschaft für die Sicherung ei- er attraktiven Kulturlandschaft und für flächende- kende Landbewirtschaftung über die GAK fördern. Sie etzt sich in der EU im Rahmen der Weiterentwicklung er Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 mit Nach- ruck für die Fortführung der einschlägigen Maßnahmen er ländlichen Entwicklung zur Stärkung des Tourismus ländlichen Gebieten ein. Die Chancen sind gut, den starken Trend zum Na- rerlebnis in der Freizeit und im Urlaub erfolgreich im teresse der ländlichen Regionen zu nutzen und gleich- eitig einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten. nlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Bürgerfreundlichen Ausbau der Rheintalbahn auf der Basis des Pro- gnosehorizontes 2025 planen (Tagesordnungs- punkt 16) Steffen Bilger (CDU/CSU): Die Rheintalbahn ist weifelsfrei eines der großen deutschen Bundes-Baupro- 6592 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) jekte des Verkehrsträgers Schiene. Der Engpass im Rheintal muss beseitigt werden, um den wachsenden Verkehrsströmen auf ökologisch und ökonomisch sinn- volle Weise auf Gleisen gewachsen zu sein. Dabei geht es uns in der Union nicht nur um die notwendige Schie- nenerweiterung. Besonders der anwohnerfreundliche Ausbau steht bei uns im Mittelpunkt. Die Belastung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger muss so gering wie möglich gehalten werden. Deshalb ist der Antrag der Grünen von der Idee her zu begrüßen. In der Tat handelt es sich bei der Lärmbelastungsreduktion eben um ein be- rechtigtes Anliegen. Leider bewahrheitet sich hier – wie so oft – der Spruch: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. Die Grünen wollen in ihrem Antrag, dass der Deut- sche Bundestag die Planfeststellungsbehörde anweist, den Prognosehorizont des Jahres 2025 anstatt den des Jahres 2015 zu nehmen. Hiermit wollen sie eine Verbes- serung beim Lärmschutz für die Anwohner erreichen. Wir von der Union wollen auch, dass die Anwohner bes- ser vor Lärm geschützt werden. Nur, was würde passie- ren, wenn der Bund der Planfeststellungsbehörde diese Anweisung gibt? Es würde ein Fehler beim Verfahren eintreten. Die Planfeststellungsbehörde muss ihre Ent- scheidungen nämlich eigenständig treffen. Es entstünde ein Abwägungsfehler. Das Resultat wäre: Durch eine an- genommene Weisung wäre das Planfeststellungsverfah- ren rechtlich anfechtbar. Und genau hier wäre dann das Problem. Wie jeder weiß, gibt es immer und überall min- destens einen, der sich ungerecht behandelt fühlen und vor Gericht ziehen würde. Die Folge wäre genau das Ge- genteil von dem, was die Grünen und wir alle wollen: ei- nen effektiven Lärmschutz für die Anwohner der Rhein- talbahn-Strecke. Deshalb lehnen wir den Antrag ab. Wie gesagt: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. Wie wird es aber gut gemacht? Bestimmt nicht so, wie es die Grünen in der letzten Zeit uns an vielen Stel- len vormachen: mit Schaufensterpolitik nach dem Motto: Hauptsache der Deutsche Bundestag ist beschäf- tigt, und man kann anschließend oder auch schon vorab in der Presse verkünden, was man wieder für Großtaten auf der Bundespolitikbühne vollbracht hat. Außerdem sieht dieser Antrag für mich nicht nach ehrlichem En- gagement aus. Diese Drucksache riecht doch förmlich danach, dass die Hoffnungen der Menschen vor Ort für Meinungsmache missbraucht werden, um andere Ziele zu erreichen. Das nenne ich nicht verantwortungsvolle Politik, sondern durchsichtigen Vorlandtagswahlkampf. Wer ist denn vor Ort? Wer besucht die Bürgerinnen und Bürger, spricht mit ihnen, hört sich ihre Sorgen und Nöte an, denkt kreativ über andere und neue Wege nach, wie geholfen werden kann? Und jetzt sind wir auf der Suche nach „gut gemeint und gut gemacht“ bei der Ant- wort angekommen: Jetzt keine sinnlosen Anträge stel- len, sondern konkret vor Ort überlegen, wie alles Not- wendige möglich gemacht werden kann, um für mehr Lärmschutz zu sorgen, eben zusammen mit den betroffe- nen Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen und im Dia- log gemeinsam mit allen Beteiligten mehr zu erreichen. Genau das machen wir von der Union. Wir haben dafür gesorgt, dass die zuständigen Staatssekretäre nach Baden k V M T s k K z d g d g b fü k k v F B u g te H A E w te s g d n e s re d R d S v g n B a M T ti M A v h d n (C (D amen, ebenso wie der Bahnchef. Der Vorsitzende des orstands der DB AG kommt jetzt sogar zum zweiten al innerhalb weniger Wochen an die Rheintalbahn- rasse. Das alles geschieht nicht um der positiven Pres- emeldungen im Anschluss. Hierbei wird konstruktiv ommuniziert und nicht destruktiv beantragt. Ich selbst war ebenfalls schon mehrfach mit CDU- ollegen vor Ort und habe mich informiert. Gemeinsam wischen Bund, Bahn, Land Baden-Württemberg und er Raumschaft sind wir im Dialog dazu bereits voran- ekommen. Wir sprechen dabei nicht nur, sondern han- eln auch. Es wird auch neue Lärmschutzmaßnahmen eben. Daran beteiligt sich das Land Baden-Württem- erg freiwillig finanziell. So sieht ein ehrlicher Einsatz r die Anwohner aus. Apropos Anwohner: Das sind wirklich ehrbare und onstruktiv-kritische Bürgerinitiativen. Hier setzen sich eine Berufsdemonstranten nach ausgefeilten Plänen on angekarrten Agenturen ein, wie wir das aus anderen ällen kennen. Nein, das sind ehrliche Bürgerinnen und ürger, die tatsächlich betroffen sind und die für sich nd ihre Nachbarn etwas erreichen wollen. So etwas be- rüßen wir. Wir sind jetzt dank unserem Einsatz mit den Beteilig- n in einer konstruktiven Phase. Das gibt Anlass zur offnung. Mein erwähntes Beispiel ist ja auch erst der nfang. Wir sind optimistisch, dass wir zu einem guten rgebnis kommen werden. Diesen Realismus müssen ir den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern vermit- ln. Ein „Alles-wird-gut“-Pflaster in Form eines Feder- trichs des Bundestages bringt hier nichts. Ulrich Lange (CDU/CSU): In ihrem Antrag „Bür- erfreundlichen Ausbau der Rheintalbahn auf der Basis es Prognosehorizontes 2025 planen“ setzen sich Bünd- is 90/Die Grünen für einen Ausbau der Rheintalbahn in. Damit rennen sie bei uns offene Türen ein. Wir wis- en, dass die Güterverkehrsleistung in den nächsten Jah- n stark ansteigen wird. Die Koalition setzt sich unter er Führung von Bundesverkehrsminister Dr. Peter amsauer dafür ein, dass so viel Güter wie möglich auf ie Schiene verlagert werden, um auf der einen Seite die traße zu entlasten, aber auch um den CO2-Ausstoß zu erringern. Unter dieser Prämisse unterstützen wir den eplanten Ausbau der Rheintalbahn. Die Aus- und Neubaustrecke Karlsruhe–Basel ist ei- es der wichtigsten Verkehrsinfrastrukturprojekte des undes. Die 182 Kilometer lange Strecke gehört zu den m stärksten befahrenen Magistralen im Netz der Bahn. it der Fertigstellung der neuen Eisenbahn-Alpen- ransversale in der Schweiz wird die Strecke zum wich- gsten nördlichen Zulauf dieses Korridors, der über ailand bis nach Genua führt. Die Fertigstellung der us- und Neubaumaßnahme ist für 2020 geplant. Die In- estitionen belaufen sich auf 5,7 Milliarden Euro. Die Grünen, die eigentlich ja den Ausbau wollen, be- indern dieses Bahnprojekt jetzt mit der Begründung, ass der Planungshorizont des Bundesverkehrswegepla- es bis 2015 als Basis genommen werde. Aber liebe Ab- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6593 (A) ) )(B) geordneten von den Grünen, Sie wissen doch ganz ge- nau, dass dies nicht der Fall ist. Sie wissen, dass das Land Baden-Württemberg in Abstimmung mit dem Bund und der Deutschen Bahn AG eine Nachfragepro- gnose für den Schienengüterverkehr und den Schienen- personenverkehr auf der Oberrheinstrecke mit dem Be- zugsjahr 2025 in Auftrag gegeben hat, die seit Februar 2008 vorliegt. Wenn man die Prognosen für 2015 und 2025 miteinander vergleicht, gibt es aber keine gravie- renden Unterschiede, sodass die bisherigen Planungen auch nicht wesentlich verändert werden mussten. Eine neue Prognose für den Horizont 2025 ist derzeit in der Erarbeitung und wird zum Herbst dieses Jahres vorlie- gen. Auch diese kommende Prognose wird, wenn sie vorliegt, in die weiteren Planungen einbezogen. Weiterhin fordern die Grünen, eine Lärmminderung des Schienenverkehrs bei diesem wichtigen Projekt. Was meinen die Grünen genau? Nun, dem Antrag ist es nicht zu entnehmen. Wollen Sie für dieses eine Projekt den bisher gültigen Schienenbonus infrage stellen? Wohl kaum, da dies eine nicht zu rechtfertigende Sonderbe- handlung eines einzigen Schienenprojektes wäre. Zum Schutz der Anwohner sind beidseitig der neuen Gleise Schallschutzwände mit einer Gesamtlänge von mehr als zehn Kilometern vorgesehen. In Haltingen können nach Auflage der Behörde Schallschutzwände mit einer Höhe von bis zu fünf Metern zum Schutz der Anlieger vorge- sehen werden. Auch in Weil am Rhein, Friedlingen und Otterbach sollen Wände in Höhen zwischen eineinhalb und fünf Metern errichtet werden. Auf 20 Kilometern kommt ein besonders überwachtes Gleis (BüG) zum Einsatz. Hier wird die Geräuschemission durch eine re- gelmäßige besondere Behandlung der Schienenoberflä- che reduziert. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG Dr. Rüdiger Grube hat kürzlich angeboten, dass ange- sichts der großen Bedeutung der Güterbahnstrecke am Oberrhein die Deutsche Bahn AG zu einer Selbstver- pflichtung bereit ist, auf dieser Strecke nur noch Güter- züge mit durchgehend lärmgeminderten Waggons fahren zu lassen. Allerdings müssten dann alle anderen Unter- nehmen, die diese Strecke nutzen, die gleiche Verpflich- tung eingehen. Ich finde, das ist das bedeutsamste und wirksamste Angebot zur Lärmminderung, das wir auch politisch unterstützen sollten. Insbesondere die Grünen vor Ort, wie zum Beispiel in Offenburg und Freiburg, agieren gegen den Ausbau, for- dern die Aussetzung des Schienenbonus für diese Stre- cke. Dies geht so nicht. Die Grünen blockieren den Aus- bau dieses von ihnen selbst als so wichtig bezeichneten Schienenprojektes, obwohl sie wissen, dass es für die Rheintalbahn einen Projektbeirat, bestehend aus Mitglie- dern des Bundes, der Länder, der Kommunen und der Region, gibt, der gemeinsam mit der Bahn die jeweiligen Streckenabschnitte diskutiert. Vorstandsvorsitzender Dr. Grube wird sich Ende Ok- tober mit den örtlichen Abgeordneten sowie Landräten, Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern treffen. Im Ge- gensatz zu der Zeit, in der Rot und Grün die Verantwor- tung trugen, findet jetzt ein breit angelegter Dialog statt, v P c m e s z fü re B Ih d b d d T J R la b g V v d u k h ru fü S g d a B d d ru B fi ro e L B s h G p n S in ra b (C (D on dem ich deutliche Verbesserungen für die laufenden lanungen erwarte. Die Bahn zeigt sich in den Gesprä- hen mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort kompro- issbereit, kommt den Forderungen so weit wie möglich ntgegen. Er wird alle problematischen Streckenab- chnitte persönlich in Augenschein nehmen. Auch die uständigen Staatssekretäre aus dem Bundesministerium r Verkehr, Bau und Stadtentwicklung haben sich be- its vor Ort kundig gemacht und den Dialog mit den etroffenen geführt. Deshalb fordere ich die Grünen auf: Verlassen Sie re populistische Plattform und unterstützen Sie mit uns en Ausbau dieser so stark befahrenen Magistrale! Ha- en Sie Rückgrat und beweisen Sie, dass Sie vor Ort zu em stehen, was Sie in Berlin mit großen Worten for- ern. Ute Kumpf (SPD): Worum geht es heute bei diesem agesordnungspunkt? Mit dem Vertrag von Lugano im ahr 1996 hat sich die Bundesregierung verpflichtet, die heintalstrecke zwischen Karlsruhe und Basel als Zu- ufstrecke zu den NEAT-Tunneln (NEAT – Neue Eisen- ahn-Alpentransversale) Gotthard und Lötschberg vier- leisig auszubauen. Dies steht im Einklang mit der EU- erkehrspolitik, mehr Güterverkehr auf die Schiene zu erlagern. Der Neu- und Ausbau der Rheintalbahn ist für as Land Baden-Württemberg und seine Bürgerinnen nd Bürger von Bedeutung. Nur mit dem viergleisigen Ausbau kann der Verkehrs- ollaps entlang der Rheinschiene verhindert, durch er- öhte Kapazitäten auf der Schiene eine Verkehrsverlage- ng „vom Laster auf den Zug“ erreicht werden. Dies hrt zu einer Entlastung der Straßen in Deutschland, der chweiz und Italien und somit zu weniger Staus und Ab- asen. Die Verkehrsverlagerung bedeutet für die Anwohner er Rheintalbahn laut Bundesverkehrswegeplan 2003 ber bis zu 580 Züge pro Tag, darunter 280 Güterzüge. is zu 155 davon werden nachts verkehren. Sollte zu- em der Oberrhein-Bypass verwirklicht werden, müsste ie Bevölkerung mit einem Güterzug alle drei Minuten nd um die Uhr leben. Südbaden wird vom zusätzlichen ahnverkehr nicht in Form von Reiseverbindungen pro- tieren, wohl aber eine große Belastung in Form durch- llender Güterzüge ertragen müssen. Viele Menschen ntlang der Strecke müssen deswegen mit massiver ärmbelästigung rechnen, wenn die jetzigen Planungen estand haben. „Güter auf die Schiene“ ist das Kredo einer men- chenverträglichen, umweltfreundlichen und zukunftsfä- igen Verkehrspolitik. Der Neubau zweier zusätzlicher leise für den Güterverkehr am Oberrhein ist die Ver- flichtung, den Transitgüterverkehr vollständig auf die euen Gleise zu verlagern. Der Ausbau der Rheintalbahn ist für den gesamten üdwesten unumgänglich, ein Projekt, das die Menschen der Region mittragen und konstruktiv begleiten. Ge- de deshalb müssen sie bei diesem Großprojekt mitein- ezogen, ihre berechtigten Sorgen und Verbesserungs- 6594 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) wünsche dürfen nicht weiter ignoriert werden. DB AG und Eisenbahn-Bundesamt sind gefordert, die Interessen der Menschen in die Planung miteinzubeziehen. Be- schlüsse können nicht am grünen Tisch gefällt werden. Was und wie geplant wird durch die politischen Ent- scheidungsträger, die DB AG und das Eisenbahn-Bun- desamt, stößt auf enormen und berechtigten Widerstand bei der Bevölkerung, den Kommunen und Bürgerinitiati- ven. Die Menschen in der Region befürchten einen Ver- lust an Lebensqualität und sehen ihre Gesundheit gefähr- det. Die Umwelt wird beeinträchtigt, wertvolles Ackerland wird unwiederbringlich vernichtet, Immobi- lien verlieren an Wert, die Wirtschaftskraft wird ge- schwächt. Ortschaften und Städte ersticken im Lärm, jede vernünftige Kommunal- und Stadtentwicklung wird zunichtegemacht. Gegen die Bevölkerung ist dieses Vorhaben nur mit großen Zeitverzögerungen und gesellschaftlichen Kon- flikten zu verwirklichen. Absolute Priorität müssen Maßnahmen zur Lärmminderung und Lärmvermeidung sowie die Prüfung von alternativen Trassen haben. Denn: Der Leidensdruck ist groß. Wir, die SPD, unterstützen die alternative Trassenfüh- rung „Baden 21“, ein Projekt, das Kommunen und die Bürgerinitiativen der Interessengemeinschaft Bahnpro- test an Ober- und Hochrhein, IG BOHR, erstellt haben, eine Alternativplanung, die über 90 Kilometer von Of- fenburg bis südlich von Buggingen im Markgräflerland reicht und durch eine weitgehende Akzeptanz der Men- schen am Oberrhein gekennzeichnet ist. Die entwickel- ten Vorschläge machen Sinn: ein Güterzugtunnel durch Offenburg, eine autobahnparallele Trasse von Offen- burg bis Riegel, die Lärm meidet und Ackerland schont, Mittel- und Teiltieflagen mit lokal verstärkten Lärm- schutzmaßnahmen von Riegel bis Mengen, teilgede- ckelte Tieflage von Mengen bis südlich Buggingen. Die Alternativplanung kostet mehr Geld, wohl wahr. Aber auf dieser Strecke, ein besonders attraktiver Teil der Europäischen Schlagader Rotterdam–Genua, werden hohe Gewinne der DB AG prognostiziert. Der Konflikt ist, dass die Bahn nach derzeitigen existierenden gesetz- lichen Mindestanforderungen bauen will. Zunächst ihr gutes Recht, aber alle Auseinandersetzungen und Infra- strukturprojekte in den letzten Jahren müssen doch nach- denklich machen. Planungsprozesse und Projekte von ei- ner langen Realisierungszeit müssen mit und nicht gegen die Bevölkerung geplant werden. Widerstand und Blo- ckaden kosten Zeit und Geld und spalten die Gesell- schaft, was bei anderen Großprojekte sichtbar ist. Unter Bundesverkehrsminister Tiefensee wurde des- halb der Projektbeirat Rheintalbahn einberufen. Er soll den Planungsprozess begleiten, alternative Lösungen vorschlagen und Verbesserungen, zum Beispiel beim Lärmschutz, einfließen lassen. Mitglieder sind Vertreter des Bundesverkehrsministeriums, des Eisenbahn-Bun- desamts, der DB AG, des Landes, Kommunen und Bür- gerinitiativen. Dieser Beirat muss ernst genommen wer- den und darf nicht zur Spielwiese verkommen. d e B g w b A w n fa B n w c m b p w L s L g D s d a S g w p z z d d fa U D a B s m V li w B re le u u te B (C (D Das Ergebnis der Projektbeiratssitzung im Juli machte en Menschen in der Region Hoffnung, dass ihre Sorgen rnst genommen werden. Nun stehen das Land und die undesregierung im Wort und müssen ihre Versprechun- en einlösen, sonst war alles heiße Luft für die baden- ürttembergische Landtagswahl. Die Bundesregierung hat Untersuchungen zur auto- ahnparallelen Trasse zugesagt, um diese besser mit der ntragstrasse der Bahn vergleichen zu können. Ebenso urde die Bahn aufgefordert, einen Plan für einen Tun- el für Offenburg vorzulegen. Bahnchef Grube hat An- ng September in Bad Krotzingen bei einem Treffen mit ürgerinitiativen und Politikern der betroffenen Regio- en angekündigt, dass die Bahn sofort damit beginnen olle, eine Tunnelvariante bei Offenburg zu untersu- hen. Zudem will er die Planungsabschnitte bereisen und it den Bürgern und den Initiativen vor Ort sprechen. Zum Antrag der Grünen. Der Ausbau der Rheintal- ahn hat zur Folge, dass weit über 100 000 Güterzüge ro Jahr auf der Trasse fahren. Ein derartiger Ausbau ird nur akzeptiert, wenn Lärm aktiv angegangen wird. ärmvermeidung ist sinnvoller als Millionen in Lärm- chutz zu investieren. Deshalb heißt es, dem Lärm an die Wurzel zu gehen: eisere Schienen und verbesserte Bremsen an Güterzü- en können zu effektiven und schnellen Erfolgen führen. eckelungen, Tunnellösungen, Tieflagen und Schall- chutzwände sind weitere Bausteine zur Lärmvermei- ung. Damit das umgesetzt wird, brauchen wir ein lärm- bhängiges Trassenpreissystem. Ein anderes Instrument ist der Schienenbonus. Beim chienenbonus handelt es sich um eine gesetzliche Re- elung, nach der für Bahnlärm geringere Höchstgrenz- erte gelten. Während bei Schienenlärm die Vorbeifahr- egel von Güterzügen meist sehr hoch sind im Vergleich u den Pegeln in den Lärmpausen, ist der Unterschied wischen den Vorbeifahrpegeln im Straßenverkehr und en Pegeln in den Lärmpausen sehr gering. Lärm aber bleibt Lärm, egal ob durch Bahn oder urch Pkw verursacht. Daher muss der Schienenbonus llen. Längst ist er zum Schienenmalus geworden. Neue ntersuchungen bestätigen den Schienenbonus nicht. er Schienenbonus darf deshalb nicht Grundlage von ktuellen und zukünftigen Bahnplanungen sein. Die undesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag die Ab- chaffung des Schienenbonus festgeschrieben. Dieses uss nun umgesetzt werden. Es darf nicht bei leeren ersprechungen bleiben. Was den Antrag der Grünen angeht, liegt der inhalt- ch richtig. Nur, und das sollten die Grünen eigentlich issen, kann die Bundesregierung nicht die DB Projekt- au GmbH anweisen, laufende Planfeststellungsverfah- n im Sinne des Antrages durchzuführen. Das geht al- in juristisch nicht. Gemeinsame Anstrengungen für einen menschen- nd umweltverträglichen Ausbau der Rheintalbahn sind numgänglich. Notwendig ist ein gemeinsamer, konkre- r Einsatz für das Projekt „Baden 21“. Nur wenn Bahn, und und Land die über den gesetzlich vorgeschriebe- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6595 (A) ) )(B) nen Mindeststandard hinausgehenden Notwendigkeiten zu finanzieren bereit sind, wird es zur Realisierung von „Baden 21“ kommen. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Rheintal- strecke zum Pilotprojekt für die Abschaffung des Schie- nenbonus zu machen. Sibylle Laurischk (FDP): Mit dem vorliegendem Antrag wird erneut der Versuch unternommen, die Aus- bauplanung der Rheintalbahn zu revidieren, was ich grundsätzlich auch für notwendig halte. Wir wissen um die Problemstellung; es handelt sich um ein Jahrhundert- bauwerk und wahrscheinlich um mehr als das. Mit dem Ausbau dieser Güterverkehrstrasse sind aber auch be- gründete Ängste der Menschen in der gesamten Region Südbaden verbunden, was nicht verwundert; denn das viergleisige Trassenteilstück Offenburg–Basel ist Teil ei- ner Hauptverkehrsader Europas, die Rotterdam mit Ge- nua, die Nordsee mit dem Mittelmeer verbinden soll. Es handelt sich also keineswegs um ein nur in Südbaden re- levantes Problem, sondern es ist eine Problemlage von europäischer Bedeutung. Deshalb ist es auch ernst zu nehmen, dass mit einer solchen Güterzugtrasse eine un- zumutbare Lärmbelästigung für die Menschen in den vom Bau betroffenen Städten und Gemeinden verbunden ist. Es wird aber auch eine wertvolle Kulturlandschaft am Oberrhein mit dieser Trassenführung in ihrem Wert deutlich gemindert. Deshalb fordern die Bürgerinitiati- ven, die entlang der geplanten Trasse engagiert und sachkundig die Planung kritisieren, eine für Menschen und Umwelt verträgliche Lösung. Dies wurde auch bei einem kürzlichen Informationsbe- such des Vorsitzenden der Deutschen Bahn, Herrn Grube, in Bad Krotzingen deutlich, der den Bürgermeistern der betroffenen Städte und Gemeinden, den Landräten aus dem Ortenaukreis und den Landkreisen Emmendingen, Breisgau-Hochschwarzwald und Lörrach, insbesondere aber auch den Vertretern der Bürgerinitiativen zusagte, dass er in einer zweitägigen Bereisung die Problemlagen vor Ort kennenlernen möchte. Weiter hat er zur Klärung der Möglichkeiten eines Tunnelbaus unter Offenburg Probebohrungen zugesagt. Ergebnis solcher Aktivitäten kann nach meinem Da- fürhalten nur sein, dass eine Überarbeitung der Planung als notwendig erkannt wird, da die derzeitige Planung in Anbetracht der absehbaren Mehrbelastung nicht mehr den Erfordernissen für die kommenden Jahrzehnte ent- spricht. Planung und Bau einer nicht leistungsfähigen Trasse kann jedenfalls nicht im Interesse der Deutschen Bahn sein und schon gar nicht des Steuerzahlers. Herr Grube erkennt dies, wenn er davon spricht, dass mit Er- öffnung des Gotthard-Tunnels eine Sogwirkung hin- sichtlich des Benutzerandrangs auf dieser Gütertrasse entstehen wird, was eine deutlich höhere Belastung als noch vor Jahren geplant bedeutet. Wir anerkennen – nach dem ökologisch und ökono- misch richtigen Grundsatz: Personen und Güter von der Straße auf die Schiene – ausdrücklich die Notwendigkeit der Optimierung der Strecke Karlsruhe–Basel als Teil der europäischen Nord-Süd-Magistrale und damit auch d s d d ih la tr L g D d d s s b G d a M S g re d D v n 1 p c d e m W d n d D n d e te z d u 3 b d E s g b R g M (C (D ie Notwendigkeit des dritten und vierten Gleises zwi- chen Offenburg und Weil. Wir wollen die Verträge mit er Schweiz erfüllen. Deshalb sind jetzt rasche Entschei- ungen vonnöten. Die Menschen in Südbaden erwarten zu Recht, dass ren Bedürfnissen nach Lärmschutz und nach einer ndschaftsverträglichen Verkehrsplanung Rechnung ge- agen wird. Eine Beeinträchtigung der Anwohner durch ärm, Flächenverbrauch und gegebenenfalls auch Ein- riffe in das Eigentumsrecht werden unvermeidbar sein. ie Akzeptanz dieser Eingriffe kann jedoch in entschei- ender Weise erhöht werden, wenn auf die Bedürfnisse es Umwelt- und Lärmschutzes mit integrierten Lö- ungsansätzen bei der Verkehrswegeplanung und insbe- ondere der Trassenführung geantwortet wird. Mit der Untertunnelung statt Durchfahrung Offen- urgs und der Entlastung südlich gelegener Städte und emeinden wie Lahr, Herbolzheim und Kenzingen urch eine autobahnparallele Neubautrasse, der Trassen- bsenkung westlich Freiburgs bis zum Nordportal des engener Tunnels sowie der teilgedeckelten Tieflage ab üdportal des Mengener Tunnels bis südlich von Bug- ingen würde eine echte Verbesserung der Planung er- icht. Eine solche Trasse wäre leistungsfähiger als ein urch diverse Ortsdurchfahrten belasteter Bahnbetrieb. a es sich bei der geplanten Gütertrasse um reinen Fern- erkehr handelt, ist eine Anbindung im lokalen Bereich icht notwendig. Die FDP-Fraktion hat sich mit Anträgen in der 5. und 16. Legislaturperiode immer wieder für eine Über- lanung der vorgesehenen Ausbaustrecke ausgespro- hen. Die jüngsten Einlassungen des Vorstandvorsitzen- en der Deutschen Bahn lassen hoffen, dass das ntsprechende Engagement von Bürgerschaft und Kom- unalpolitik vor Ort und der Landesregierung in Baden- ürttemberg nun auch bei der Deutschen Bahn ein Um- enken bewirken, sodass sie nicht mehr der von der Grü- en geforderten Anweisung bedarf. Die Bahn kann hier unter Beweis stellen, dass sie in er Lage ist, vorausschauend zu planen und zu handeln. ies wird die Beratungen in den Ausschüssen in den ächsten Monaten begleiten. Den Menschen in Südba- en, aber nicht zuletzt auch der Transportwirtschaft ist ine zukunftsorientierte Planung, die sich von überhol- n Planungsansätzen löst, seitens der Deutschen Bahn u wünschen. Sabine Leidig (DIE LINKE): Nach den Planungen er Deutschen Bahn AG wird zwischen Offenburg nd Weil am Rhein mit der neuen Schienentrasse, . und 4. Gleis der Rheintalbahn, die mit am stärksten elastete Gütertransitstrecke Europas entstehen. Der mit em hohen Güterzugaufkommen sich abzeichnende ngpass im Raum Basel soll durch eine Umfahrung Ba- els am Hochrhein entlang, Hochrhein-Bypass, umgan- en werden. Beim viergleisigen Ausbau der Rheintal- ahn handelt es sich um ein Jahrhundertprojekt, das die egionen an Ober- und Hochrhein für Generationen prä- en und nachhaltige Auswirkungen auf die hier lebenden enschen haben wird. 6596 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) Wir wissen, dass der Ausbau der Schiene für den Gü- terverkehr nicht nur unumgänglich, sondern auch wün- schenswert ist. Wir wissen längst, dass EU und Schweiz auf dem Ausbau mit abnehmender Geduld bestehen – und das zu Recht. Aber: Die Bahnpläne stoßen auf den massiven Protest der südbadischen Bevölkerung, der sich zunehmend großräumiger und heftiger formiert. Die Bürgerinitiati- ven kämpfen gegen die unzureichende Qualität der Bau- maßnahme im Hinblick auf Lärm-, Landschafts- und Flächenschutz sowie gegen den Hochrhein-Bypass. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen baut die DB AG mit einem Minimum an Kosten und bürdet die daraus entste- henden Folgekosten den betroffenen Gemeinden und ih- ren Bürgern auf. Auf den eigenen Güterverkehrstrassen sollen – so se- hen es die europäischen Pläne und die Planungen der DB AG vor – rund 500 Güterzüge täglich verkehren. Und das bedeutet einen Dreiminutentakt, rund um die Uhr. Es ist zu erwarten, dass die Rheintalstrecke den Groß- teil dieser Zugbewegungen aufnehmen wird. Dies ist von deutscher Seite politisch gewollt, um die Einnah- menseite der DB AG auf ihrem Weg zur Börsenfähigkeit zu verbessern. Allein auf der Strecke Offenburg–Weil dürfte die DB Netz AG bei Vollauslastung Trassengelder in der Größenordnung von 100 Millionen Euro pro Jahr erlösen. Es ist nicht akzeptabel, dass zugunsten höherer Ge- winne aus dem Güterverkehrsgeschäft an Umweltmaß- nahmen, an Löhnen und fairen Arbeitsbedingungen oder eben an Lärmschutzmaßnahmen gespart wird. Gemeinsam mit der Interessengemeinschaft Bahnpro- test Ober- und Hochrhein, IG BOHR, verlangen wir, dass die Billiglösung der Bahn ersetzt wird durch eine wert- und nachhaltige, ökologisch sinnvolle Umsetzung des Projektes – konkrete Vorschläge liegen längst auf dem Tisch. Die Bundesregierung muss die DB AG auf einen Kurs zwingen, der Akzeptanz findet in der Bevöl- kerung in Südbaden. Die Bewohner und Bewohnerinnen im Rheintal dür- fen nicht die Leidtragenden sein, wenn noch mehr Gü- terzüge mit transnationalen Transporten durch ihre Re- gion rollen. Deshalb ist der bestmögliche Lärmschutz das Mindeste, was die Bahn leisten muss. Den Antrag der Grünen, der dies fordert, unterstützen wir. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich spreche heute Abend zu Ihnen zum Thema Rheintal- bahn als wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen- Bundestagsfraktion. Nicht, weil mein Wahlkreis Frei- burg mitten auf der Strecke zwischen Karlsruhe und Ba- sel liegt und auch nicht, weil Schienenverkehrsthemen gerade bei Grünen hoch im Kurs stehen, sondern weil Güter-, Fern- und Regionalzugverkehre im Rheintal ein Wirtschaftsfaktor sind, der weder an den prognostizier- ten Zugzahlen, noch an der Bevölkerung vorbei geplant werden darf! d S s J d e u s d D n s B b W n s d g s lu v Z d tr W d n k w D D te D m d fe d K d g D P d w v E v k m w s (C (D Im Rheingraben zwischen Karlsruhe und Basel bün- eln sich die Verkehrsstränge auf Autobahnen und chienenwegen, weshalb wegen des zu erwartenden An- tiegs des Verkehrsaufkommens bereits in den 1990er- ahren die Planung zum Ausbau der Rheintalbahn und er Bundesautobahn 5 begannen. Seit Februar 2008 liegt ine Nachfrageprognose für den Schienengüterverkehr nd den Schienenpersonenverkehr auf der Oberrhein- trecke mit dem Bezugsjahr 2025 vor, die vom Land Ba- en-Württemberg in Abstimmung mit dem Bund und der eutschen Bahn AG in Auftrag gegeben wurde. Die Planung durch die DB findet momentan jedoch och unter Berücksichtigung der Zugzahlen von 2015 tatt, weil das Eisenbahnbundesamt dies im Auftrag des undestages im Bundesverkehrswegeplan so vorgege- en hat. Deshalb wurde im Februar 2010 der Abschnitt eil–Haltingen, kurz vor Basel, auf der Basis des Prog- osehorizonts 2015 planfestgestellt. Das Regierungsprä- idium Freiburg äußerte zwar Unverständnis darüber, och die Arbeiten haben nun unter diesen Vorgaben be- onnen. Was passiert, wenn der Lärmschutz aufgrund von fal- chen, veralteten Zugzahlen geplant wird? Der Mitte- ngspegel als Grundlage der Planung wird bereits jetzt on Gemeinden und Bürgerinitiativen abgelehnt. Höhere ugzahlen verändern jedoch in manchen Orten nicht nur en notwendigen Schallschutz, sondern auch das Be- iebskonzept auf der Strecke. Was passiert mit dem irtschaftsstandort Deutschland, wenn die Güter oder er Fern- und Regionalzugverkehr ihre Kapazitäten icht effizient ausnutzen? Wenn die Strecke in ihrer Kapazität und Lärmauswir- ung bereits in der Planung an der Realität vorbei geht, ird die Rheintalbahn die wirtschaftliche Entwicklung eutschlands, ja halb Europas nicht effizient befördern. er Güterzugverkehr verdoppelt in Deutschland die Gü- rverkehrsleistung bis zum Jahr 2050 gegenüber 2005. er Transitverkehr durch Deutschland soll sich sogar ehr als verdreifachen. 2025 wird nach heutiger Prognose das 3. und 4. Gleis er Rheintalbahn zwischen Offenburg und Basel nicht rtiggestellt sein. Doch die Züge werden trotzdem urchs Rheintal donnern! Deshalb ist es überparteilicher onsens zwischen Offenburg und Basel: Wir brauchen en Rheintalbahn-Ausbau und müssen ihn bestmöglich estalten. Bei der Rheintalbahn spielt man gerne wahlweise der B AG, dem EBA oder dem Bundestag den Schwarzen eter zu. Dies mag im Einzelfall sogar richtig sein, doch en Bürgern ist das reichlich egal. Sie wollen wissen, oran sie sind. Zumindest ein Teil des Unmuts der Be- ölkerung speist sich aus der Undurchsichtigkeit der ntscheidungen. Bahnchef Grube hat bei seinem Besuch orgemacht, dass er zumindest durch bessere Öffentlich- eitsarbeit zum Erfolg der Rheintalbahn beitragen öchte. Dieser Antrag von Bündnis 90/Die Grünen über den ir heute sprechen, sollte eigentlich interfraktionell ge- tellt werden, doch unsere Bemühungen liefen ins Leere. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6597 (A) ) )(B) Das wundert mich dann doch sehr, dass die Kolleginnen und Kollegen Weiß und Schuster, Dobrinsky-Weiß und Laurischk es bisher nicht geschafft haben, bei ihren Kol- legen für die angemessene Wahrnehmung der Probleme bei diesem Projekt der DB zu sorgen. Insbesondere Sie, Herr Schuster, fordere ich hiermit auf, dafür zu stimmen, dass mit den Zugzahlen für 2025 geplant wird; in ihrem Wahlkreis wird jetzt schon gebaut. Lassen Sie uns hier und heute als Deutscher Bundes- tag die Weichen stellen, dass die Rheintalbahn ein Er- folgsprojekt wird – akzeptiert von der Bevölkerung und geplant mit bestmöglichen Vorgaben. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Benachrichtigungswesens in Nachlasssachen durch Schaffung des Zentra- len Testamentsregisters bei der Bundesnotar- kammer (Tagesordnungspunkt 17) Ute Granold (CDU/CSU): Wir beraten heute über ei- nen Gesetzentwurf des Bundesrates zur Einrichtung ei- nes elektronisch geführten Testamentsregister bei der Bundesnotarkammer. Damit soll das Benachrichtigungs- wesen in Nachlasssachen entscheidend verbessert wer- den. Nach Ansicht der Länder ist die heutige Benachrichti- gungspraxis veraltet, langsam und fehleranfällig. So nut- zen bisher weder die Nachlassgerichte noch die Standes- ämter die Vorteile moderner Kommunikations- und Speichermedien. Heute werden alle erbfolgerelevanten Urkunden – insbesondere Testamente oder Erbverträge – dezentral bei circa 5 200 Stellen über Karteikarten ver- waltet. Dabei sind bundesweit geschätzt 15 Millionen Karteikarten registriert. Komplizierte Meldewege, veral- tete Verwahrdaten und Kapazitätsgrenzen führen zu nicht unerheblichen Verzögerungen und unnötig hohen Verwaltungskosten. Im Erbfall nehmen vor allem die Nachlassgerichte zahlreiche Aufgaben wahr. Das betrifft insbesondere die Ausstellung der Erbscheine, also jener Urkunden, die für den Rechtsverkehr feststellen, wer Erbe ist und welchen Verfügungsbeschränkungen dieser gegebenenfalls unter- liegt. Bei einer Vielzahl von Rechtsgeschäften wird ein entsprechender Nachweis verlangt. Für die Erben hat der Erbschein damit große praktische Bedeutung. Für die Ausstellung des Erbscheins muss das Nach- lassgericht zuverlässig und zeitnah erfahren, ob und wel- che Verfügungen des Erblassers von Todes wegen vorhanden sind. Andernfalls ist die Richtigkeit des Erb- scheins nicht gewährleistet. Damit die Erben und Erbteile zügig bestimmt und der Erbschein erteilt werden kann, sind die Nachlassgerichte also darauf angewiesen, dass sie zuverlässig und mög- lichst kurzfristig nach einem Erbfall von etwaigen Testa- menten und Erbverträgen erfahren. Das ist aber heute n x d G w g d z w S o b w o d d fo n B fä d h d w g B T te s w A re ju v ü D E d v h d w m la S g z e lu F le s z (C (D icht hinreichend gewährleistet, wie ein Blick in die Pra- is zeigt: Bislang müssen die für die Verwahrung zustän- igen Amtsgerichte und Notare an die Standesämter des eburtsortes herantreten und diese Stellen über die Ver- ahrung der erbrelevanten Urkunden informieren. Das eschieht durch die Übersendung von Karteikarten, die ann bei den Geburtsstandesämtern als Testamentsver- eichnisse gesammelt und in Karteikästen aufbewahrt erden. Sobald ein Sterbefall eintritt, benachrichtigt das tandesamt des Sterbeortes das Standesamt des Geburts- rtes. Dort wird dann von Hand geprüft, ob der Verstor- ene im Testamentsverzeichnis vermerkt ist. Danach ird das Amtsgericht oder der Notar, der das Testament der den Erbvertrag verwahrt, durch einen Brief über en Sterbefall informiert. Diese Stelle sendet schließlich ie Urkunde an das zuständige Nachlassgericht und in- rmiert dieses über den Sterbefall. Man kann sich vorstellen, dass dieses System nicht ur umständlich, zeitaufwändig und für den betroffenen ürger schwer zu durchblicken, sondern auch fehleran- llig ist. So kann beispielsweise schon eine Änderung er Adresse des Notars dazu führen, dass die Meldung ängenbleibt. Es dürfte insofern unstreitig sein, dass es ringend einer Modernisierung des Benachrichtigungs- esens bedarf. Der Gesetzentwurf des Bundesrates schafft nun die esetzlichen Voraussetzungen, damit künftig bei der undesnotarkammer ein elektronisch geführtes zentrales estamentsregister eingerichtet werden kann. Die Einrichtung und dauerhafte Führung des Regis- rs soll der Bundesnotarkammer – mithin einer Körper- chaft des öffentlichen Rechts – als Pflichtaufgabe zuge- iesen werden. Die Bundesnotarkammer soll dann die ufgaben einer Registerbehörde im Wege der mittelba- n Staatsverwaltung unter Rechtsaufsicht des Bundes- stizministeriums übernehmen. Künftig sollen, so der Vorschlag des Bundesrates, alle orhandenen Daten in das Zentrale Testamentsregister berführt werden. In diesem Register wären demnach aten über den Verwahrungsort von Testamenten und rbverträgen, die sich in amtlicher Verwahrung befin- en, erfasst. Nach den Plänen der Länder wären die Standesämter erpflichtet, der Bundesnotarkammer als Registerbe- örde jeden Sterbefall mitzuteilen. Diese wiederum kann ann prüfen, ob im Zentralen Testamentsregister Ver- ahrangaben vorliegen, und danach im Wege der auto- atisierten elektronischen Datenübertragung das Nach- ssgericht und die verwahrenden Stellen über den terbefall sowie etwaige Verwahrangaben benachrichti- en. Damit wäre gewährleistet, dass das Nachlassgericht eitnah und verlässlich von den Informationen Kenntnis rlangt, die es zur Testamentseröffnung und der Ausstel- ng eines Erbscheins benötigt. Das wäre ein großer ortschritt und eine erhebliche Verbesserung, nicht zu- tzt für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Insge- amt würde das Benachrichtigungswesen infolge der entralen elektronischen Registrierung effektiver, weni- 6598 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) ger fehleranfällig und transparenter. Darüber hinaus ver- spricht die Umstellung erheblich weniger Verwaltungs- aufwand. Schließlich würde die zentrale Registrierung die Möglichkeit eröffnen, dass sich die Bundesrepublik an den Bestrebungen verschiedener europäischer Staaten zur Vernetzung der nationalen Testamentskarteien betei- ligt. Wir sind der Auffassung, dass es gute und stichhaltige Gründe gibt, das Register zentral bei der Bundesnotar- kammer einzurichten: In jahrelanger Arbeit hat die Bundesnotarkammer ein grundsätzlich überzeugendes Konzept erarbeitet, das ne- ben der Zielsetzung eines effektiven Benachrichtigungs- wesens auch die Einhaltung des Datenschutzes und der Datensicherheit gewährleistet. Der Bundesrat geht zu Recht davon aus, dass die Bun- desnotarkammer über ausreichend Erfahrung und die er- forderlichen Ressourcen verfügt, um ihr Konzept tech- nisch und organisatorisch zu realisieren. Neben der sachlichen Nähe zum Testamentswesen zeigen insbeson- dere auch die äußerst positiven Erfahrungen bei der Einrichtung und dem Betrieb des Zentralen Vorsorgere- gisters, dass die Bundesnotarkammer eine solche Herausforderung meistern kann. Wir sind daher zuver- sichtlich, dass ein solches Register sehr gut bei der Bun- desnotarkammer aufgehoben ist. Die Kosten der Einrichtung sollen nach einer vom Bundesrat eingeholten Machbarkeitsstudie bei voraus- sichtlich einmalig 12,6 Millionen Euro liegen. Die Bun- desnotarkammer hat sich bereiterklärt, diesen Betrag vorzufinanzieren. Die laufenden Kosten des Registers werden mit jährlich 2,8 Millionen Euro veranschlagt. Beides, also die Rückführung der Vorfinanzierung wie auch die Finanzierung der laufenden Kosten des Regis- trierbetriebes, sollen durch eine einmalige Registrie- rungsgebühr in Höhe von 15 Euro gedeckt sein – ein nach unserer Ansicht fairer und den betroffenen Bürge- rinnen und Bürgern zumutbarer Betrag. Von der Bundesregierung wird das Gesetzgebungs- vorhaben ausdrücklich begrüßt. Lediglich bei einzelnen Punkten gibt es aus ihrer Sicht Nachbesserungs- bzw. Klärungsbedarf. So ist die Bundesregierung beispiels- weise der Auffassung, dass eine Benachrichtigung des für das Erbscheinsverfahren zuständigen Nachlassge- richts nicht notwendig und im Übrigen ohne Prüfung der örtlichen Zuständigkeit auch gar nicht möglich sei. Bei einer automatischen Benachrichtigung bestehe zudem die Gefahr, so die Sorge der Bundesregierung, dass bei den Nachlassgerichten eine Vielzahl von Negativmel- dungen eingehen. Vorzugswürdig sei daher, dass im Erb- scheinverfahren das Nachlassgericht seinerseits im Wege des Amtsermittlungsgrundsatzes beim Zentralen Testamentsregister eine Auskunft einholt. Bereits im Koalitionsvertrag haben wir die Einrich- tung eines Zentralen Testamentsregisters vereinbart. Insofern handelt es sich bei dem vorliegenden Gesetz- entwurf auch um unser Vorhaben. Die CDU/CSU-Bun- destagsfraktion begrüßt daher wie die Bundesregierung ausdrücklich die Initiative des Bundesrates. Es handelt s d z ru B lu A d b fr ih o e E d U 1 A m E je s a z B S u D b re w d z d g s Z b u fü g s n o b d n s k s ri fü la e li (C (D ich zweifellos um ein gutes und ausgereiftes Konzept, as im Interesse der betroffenen Bürgerinnen und Bürger eitnah realisiert werden sollte. Klärungs- bzw. Ände- ngsbedarf gibt es allenfalls noch im Detail. Die undesregierung hat hier einige Punkte in ihrer Stel- ngnahme genannt. Wir werden diese Fragen in den usschussberatungen zügig und konstruktiv prüfen und iskutieren. Christoph Strässer (SPD): Der Tod gehört zum Le- en dazu. Viele Bürgerinnen und Bürger setzen sich ühzeitig mit dem Sterben auseinander und verfassen ren letzten Willen privat- und handschriftlich zu Hause der hinterlegen diesen rechtzeitig bei einem Notar oder inem Amtsgericht. Über 15 Millionen Testamente und rbverträge werden zurzeit von den öffentlichen Urkun- enstellen in der gesamten Bundesrepublik verwahrt. nd genau dieselbe Anzahl an Karteikarten – nämlich 5 Millionen – befindet sich zusätzlich beim zuständigen mtsgericht Schöneberg, der Hauptkartei für Testa- ente, oder bei dem Standesamt der Geburtsstadt des rblassers, um Auskunft über den Verwahrungsort der weiligen Urkunde zu geben. Das bisherige Registerwe- en ist also dezentral-zersplittert, papiergebunden, nicht uf dem neusten Stand der Technik, kurzum: nicht mehr eitgemäß. Stirbt ein Erblasser, setzt dies einen schwerfälligen enachrichtigungsprozess in Gang. Das Standesamt des terbeorts informiert das Standesamt des Geburtsorts nd das Amtsgericht Schöneberg über den Sterbefall. iese schauen dann in ihrer Kartei nach, ob der Verstor- ene im Verzeichnis vermerkt ist und wo eine erbfolge- levante Urkunde hinterlegt wurde. Diese Information ird an die Verwahrungsstelle weitergeleitet, die wie- erum dem zuständigen Nachlassgericht die Dokumente ukommen lässt. Erst mit dieser letzten Handlung wird as Nachlassgericht über den Sterbefall und das Vorlie- en eines Testaments oder Erbvertrags in Kenntnis ge- etzt und kann dem Erben einen Erbschein ausstellen. Welche Nachteile bringt ein solcher Prozess mit sich? unächst drängt sich der zeitliche Aspekt auf. Die Bear- eitung eines Sterbefalls kann sich bei der Karteistelle nter Umständen über ein ganzes Jahr hinziehen. Grund r diesen langen Zeitraum ist die Tatsache, dass die An- aben auf den Karteikarten im Laufe der Zeit mangels tetiger Aktualisierung ihre Richtigkeit verlieren kön- en, zum Beispiel wenn Notare ihren Amtssitz wechseln der aus ihrem Amt ausscheiden. Folge ist, dass Anga- en auf der einmal erstellten Karteikarte nicht mehr auf en neusten Stand gebracht werden. Die Recherche des euen Verwahrungsorts der Urkunden kostet die Kartei- telle Zeit, was automatisch auch mit höheren Personal- osten verbunden ist. Dazu kommt die für den Bürger als auch für die zu- tändigen Stellen fehlende Transparenz dieses Benach- chtigungssystems. Im Zeitalter der neuen Medien sollte r eine schnellere und sicherere Bearbeitung in Nach- sssachen auf das Austauschen von Informationen durch lektronischen Schriftwechsel gesetzt werden. Die betei- gten Stellen informieren einander immer noch per Post. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6599 (A) ) )(B) Geht ein Brief auf dem Postweg verloren, kann dies zu- mindest in der ersten Zeit von keiner der beteiligten Stel- len entdeckt und zurückverfolgt werden. Das Verfahren stockt. Aufgrund der fehlenden Transparenz – die man aber durch den Einsatz neuer Medien erreichen könnte – entstehen dem Erben Nachteile, die die Ausstellung eines korrekten Erbscheins durch das zuständige Nachlassge- richt unter Umständen gefährden könnten. Mit dem vorliegenden Bundesratsentwurf soll durch die Schaffung eines elektronischen zentralen Testa- mentsregisters das Benachrichtigungswesen in Nach- lasssachen modernisiert werden und damit sowohl den Gerichten und Notaren als auch den Bürgerinnen und Bürgern Zeit und Geld sparen. Ein solches zentrales Tes- tamentsregister könnte die Zettelwirtschaft in den über 5 200 öffentlichen Stellen beenden, Synergien schaffen, Bearbeitungszeiten verkürzen und somit die Arbeit der öffentlichen Stellen zugunsten der Erben erleichtern. Das elektronische Register könnte, wenn es an den Start geht, alle neu mitgeteilten Testamente registrieren. Für die notwendige Registrierung der Altbestände werden bis zu fünf Jahre veranschlagt. Zwei Systeme parallel laufen zu lassen, wäre sicherlich nicht sinnvoll und würde den gewünschten Transparenzgewinn um viele Jahre oder Jahrzehnte verzögern. Ferner könnte die Konzentration aller relevanten Da- ten über den Aufenthaltsort von Urkunden weitere posi- tive Nebeneffekte mit sich bringen. Notare, Gerichte und Behörden könnten ohne größeren Aufwand die bei ihnen verwahrten Dokumente melden und gegebenenfalls auch aktualisieren. Für jede dieser Aufgaben wäre ein und die- selbe Stelle zuständig. Außerdem wäre es einem Notar durch diese Informationssammlung möglich, im Namen seines Mandanten nach bereits existierenden Verfügun- gen von Todes wegen zu suchen, über die der Mandant keine oder nur noch ungenaue Angaben machen kann. Gegen diese Art der Bündelung von sehr persönlichen In- formationen könnten allerdings datenschutzrechtliche Bedenken sprechen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass ein in Deutschland so sensibles Thema wie die Datenspei- cherung einer genauen Regelung über Art und Umfang der Speicherung bedarf. Deshalb soll das Register auch nicht die Urkunden oder deren Inhalt, sondern nur Anga- ben enthalten, von wem das Testament oder der Erbver- trag stammt und wo diese hinterlegt sind. Gleichwohl sollten im Ausschuss noch einmal die datenschutzrechtli- chen Fragen diskutiert werden. Wo soll das elektronische Register entstehen? Man hat sich für die Bundesnotarkammer entschieden. Das Land Berlin hat angekündigt, sich von der Hauptkartei in Schöneberg trennen zu wollen. Registerbehörden in den Ländern hätten die Idee einer zentralen Stelle entwertet. Die Bundesnotarkammer verfügt derweil bereits über elektronische Datenbanken zur Verwaltung von Namen und Adressen von Notaren und Amtsgerichten. Die Bun- desnotarkammer verfügt auch über Erfahrungen mit der Handhabung ähnlicher Register wie dem zentralen Vor- sorgeregister. Es sprechen also durchaus einige Gründe für die Übertragung der Verantwortung auf die Bundes- notarkammer. te G d te K li n ü G re b z in K G in c g D n A la g g s E d u w W N d V 1 n re la a e w li § R a D v ih a la a s m In d w n e (C (D Mit der Einführung eines neuen elektronischen Regis- rs gehen auch entsprechende Kosten für die technischen eräte sowie die Arbeitszeit für den Registeraufbau urch Fachpersonal einher. Dazu werden einmalig Kos- n von 12,6 Millionen Euro sowie jährlich anfallende osten für die Pflege des Systems in Höhe von 2,8 Mil- onen Euro veranschlagt. Diese Kosten will die Bundes- otarkammer übernehmen. Die Rückfinanzierung soll ber eine Registergebühr von 15 Euro pro Eintrag und ebühren für Auskünfte laufen. Dass eine öffentlich- chtliche Körperschaft wie die Bundesnotarkammer, die ereits für die Verwaltung des zentralen Vorsorgeregisters uständig ist, mehrere Millionen in ein weiteres Register vestieren möchte, wirft die Frage auf, was sich die ammer von der Vorfinanzierung erhofft und wie sich die ebühren zukünftig entwickeln. Die Gebühren variieren Europa deutlich – angefangen von drei Euro in Tsche- hien, 9 Euro in den Niederlanden, über 17 Euro in Bel- ien oder zum Beispiel 41 Euro in Slowenien. Die für eutschland veranschlagten Gebühren bewegen sich da- ach zunächst im Rahmen. Ich möchte dennoch in den usschussberatungen einen Einblick in die Kostenkalku- tion und die mögliche Kostenentwicklung für die Bür- er erhalten. Die Idee eines zentralen elektronischen Testamentsre- isters berücksichtigt auch die europäische Entwicklung, peziell in unseren Nachbarländern. Seit 2007 strebt die uropäische Kommission bereits eine Vereinheitlichung es Benachrichtigungssystems in Nachlasssachen an, m das Leben der EU-Bürger zu erleichtern. Menschen erden mobiler. Sie fahren in Urlaub, pendeln zwischen ohnort und Arbeitsplatz oder wandern sogar ganz aus. ach Angaben des Statistischen Bundesamtes zieht es ie Deutschen überwiegend in das europäische Ausland. iele EU-Bürger zieht es nach Deutschland. Insgesamt 9 europäische Länder, darunter Frankreich, Großbritan- ien, Belgien, die Niederlande oder Österreich, haben be- its ein zentrales Testamentsregister. Würde sich Deutsch- nd ebenfalls für ein solches Register entscheiden, wäre us europäischer Sicht ein großer Schritt Richtung Ver- inheitlichung in Nachlasssachen unternommen. Endlich ürde ein grenzüberschreitendes Auskunftswesen mög- ch gemacht. Einen Diskussionspunkt stellt die neue Regelung des 78 b Abs. 3 BNotO dar. Darin wird ausschließlich die egistrierfähigkeit von öffentlich beurkundeten und in mtliche Verwahrung genommenen erbfolgerelevanten okumenten bejaht. Privatschriftliche Urkunden werden on der BNotO nicht erfasst. Folge ist, dass Erblasser, die r Testament in den eigenen vier Wänden verwahren, es ber trotzdem im zentralen Testamentsregister eintragen ssen möchten, dies gesetzlich nicht dürfen. So erlaubt ber zum Beispiel die Verordnung über das zentrale Vor- orgeregister auch die Registrierung von Vorsorgevoll- achten, die nicht von einem Notar beurkundet wurden. nerhalb der Behandlung des Rechtsausschusses sollte ie Frage geklärt werden, ob nicht auch privat aufbe- ahrte Testamente im Register registriert werden kön- en, auch wenn der Verwahrungsort wechseln kann. In den Bundesratsausschusssitzungen hat der Gesetz- ntwurf große Zustimmung erfahren. Er wurde ohne Ge- 6600 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) genstimme sowohl von den A- als auch den B-Ländern angenommen. Die Einführung eines zentralen Testa- mentsregisters ist grundsätzlich positiv zu bewerten – für die Länder, den Bund, aber auch für die Bürger. Ich hoffe, dass wir die noch offenen und beratungsbedürftigen Fra- gen in den Ausschusssitzungen gemeinsam zielführend erörtern und ein modernes Testamentsregister auf den Weg bringen können. Jens Petermann (DIE LINKE): Mit dem vorliegen- den Gesetzentwurf des Bundesrates kommen erneut Mehrkosten auf die Bürgerinnen und Bürger zu. In der ohnehin chronisch unterbesetzten Justiz sollen Stellen eingespart werden, ohne dass eine Kompensation ge- plant wird. Worum geht es also? Die Landesregierungen wollen ein elektronisch geführtes Zentrales Testamentsregister bei der Bundesnotarkammer einrichten. Dies ist zu- nächst begrüßenswert. Zum einen kann ich mir die Bundesnotarkammer als geeignete Stelle dafür vorstellen, da sie eine Körper- schaft des öffentlichen Rechts ist und in dieser Sache der Aufsicht des Bundesministeriums für Justiz untersteht. Auch wenn die Benachrichtigung der Nachlassgerichte über den Tod eines Erblassers und der Verwahrungsort erbfolgerelevanter Urkunden funktionell Aufgabe der Justiz ist, scheint wenigstens die Gefahr des allseits be- liebten Outsourcings in die private Hand gebannt zu sein. Zum anderen ist es gut, dass die Benachrichtigung in Nachlasssachen endlich technisch zeitgemäß erfolgen soll und der zeitaufwändige postalische Mitteilungsweg von den verschiedenen zuständigen Stellen aufgegeben wird. Die Registrierung von erbrechtlichen Urkunden bei circa 5 200 Geburtsstandesämtern (bei im Inland re- gistrierter Geburt) auf Karteikarten nach dem Zettelkas- tenprinzip ist nun wirklich vorsintflutlich. Die kompli- zierten Meldewege, erheblichen Verzögerungen und die Kapazitätsgrenzen der Hauptkartei beim Amtsgericht Schöneberg (mit Auslandsbezug) zwingen auch zu die- sem Schritt. Allerdings scheint dieser Plan nicht ausgereift und unzureichend durchdacht. Durch die Einrichtung des Zentralen Testamentsregisters entstehen voraussichtlich Kosten in Höhe von 12,6 Millionen Euro, wobei die lau- fenden Kosten mit jährlich 2,8 Millionen Euro veran- schlagt werden. Die Bundesnotarkammer hat sich bereit erklärt, die Kosten vorzufinanzieren. Eigentlich haben die Länder die Kosten dafür zu übernehmen. Die von der Bundesnotarkammer vorfinanzierten Kosten und auch die laufenden Kosten holt sie sich von den Nutzerinnen und Nutzern zurück und wird wohl in absehbarerer Zeit daraus Profit ziehen können. Die ins Auge gefasste „mo- derate“ Registrierungsgebühr von 15 Euro soll mit ei- nem Einsparpotenzial im Bereich der Justiz- und Innen- verwaltung gerechtfertigt werden. Kurz gesagt: Die Bürgerinnen und Bürger finanzieren die Streichung von Stellen in der Verwaltung und damit die Sparmaßnah- men der Länder. Dabei gibt es so viele Bereiche in der Justiz, wo dringend Personal gebraucht wird. Mir fallen d V d p a tr v e s d v ru m n te s n H a B d in z m tr w D s z s d D V b le v g A m B K G W z e s v s z g b R (C (D a spontan die überlasteten Sozialgerichte ein, deren erfahrenspensum jenseits von Gut und Böse liegt und enen neben Richterinnen und Richtern auch Rechts- flegerinnen und Rechtspfleger sowie Geschäftsstellen- ngestellte fehlen. Abgesehen von dem Preis, der für diese Art von Zen- alem Testamentsregister gezahlt werden muss, ist das orgesehene Verfahren durchaus sinnvoll. Der direkte lektronische Zugriff der Nachlassgerichte auf die ge- peicherten Daten bringt einen enormen Zeitgewinn bei er Suche, ob überhaupt und wo ein Testament amtlich erwahrt wird. Das Risiko eines Verlustes von Verwah- ngsnachrichten auf dem Postweg bestünde damit nicht ehr, jedoch ist auch eine vollelektronische Datenbank icht vor Fehlern sicher. Es besteht die Gefahr, dass Da- n bei der Übersendung und Speicherung durch techni- ches oder menschliches Versagen verloren gehen. Als och größere Gefahr sehe ich aber, dass kriminelle acker das Zentrale Testamentsregister entern und damit n amtlich verwahrte Informationen gelangen können. ei einer dezentralen Karteikartenregistratur bestand je- enfalls diese Gefahr nicht. Damit bin ich beim Thema Datenschutz. Die Regelung § 8 des Gesetzes zur Überführung der Testamentsver- eichnisse und der Hauptkartei des für ausländische Testa- ente zuständigen Amtsgerichts Schöneberg in das Zen- ale Testamentsregister der Bundesnotarkammer sieht ohl einen Datenschutz vor, ist aber nicht konsistent. urch die Speicherung besonders schutzwürdiger Daten ind die Anforderungen an den Datenschutz bereichsspe- ifisch besonders hoch anzusetzen. Jedoch wird in die- em Gesetzentwurf die Datensicherheit nicht einmal em Umfang des Bundesdatenschutzgesetzes gerecht. eshalb würde ich mein Testament nicht in amtliche erwahrung geben. Gestatten Sie mir noch einen letzten Hinweis: Ich efürchte, dass die im Gesetzentwurf vorgesehene Über- itung der Altdaten weder reibungslos noch zeitnah onstattengehen wird. Deshalb fordern wir eine Über- angsregelung für die Zeit, in der die Standesämter, das mtsgericht Schöneberg sowie das neue Zentrale Testa- entsregister gleichzeitig arbeiten werden, damit der ürger weiß, wer für seine Angelegenheit zuständig ist. Ich hoffe, dass es der Bundesregierung gelingt, die ritikpunkte auszuräumen und uns die Zustimmung zum esetzentwurf damit zu erleichtern. Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ir befassen uns heute mit dem Antrag des Bundesrates ur Einführung eines zentralen Testamentsregisters und ines zentralen Vorsorgeregisters. Der vorliegende Ge- etzentwurf befasst sich neben der Zusammenführung on Urkunden zu Erbfällen auch mit Bereichen der Vor- orgevollmacht und Betreuungsvollmacht. Grundsätzlich befürworten wir die Einführung von entralen Registern. Denn durch sie können – bei richti- er Umsetzung – Verfahren vereinfacht und vor allem eschleunigt werden. Zentrale Register können zu einer eduzierung von bürokratischen Abläufen führen. Der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6601 (A) ) )(B) Gesetzentwurf beantwortet allerdings nicht hinreichend die Frage, wie ein zentrales Testamentsregister und Vor- sorgeregister sicher und sinnvoll instrumentalisiert wer- den kann. Der Gesetzentwurf des Bundesrates sieht vor, die Ma- terie durch Rechtsverordnung zu regeln. Neben der Zu- sammenführung von Urkunden zu Erbfällen werden auch Bereiche der Vorsorgevollmacht und Betreuungs- vollmacht erfasst. In den zentralen Registern sollen so- mit Daten aus verschiedenen Lebensbereichen und von unterschiedlichen Stellen zusammengeführt werden. Da- durch entsteht eine zentrale Datenbank. Entscheidende Punkte, wie der Umfang der anzumeldenden Doku- mente, die Aufsichtspflicht über den Bestand, Sicher- heitsstandards usw. bergen erhebliche datenschutzrecht- liche Risiken, insbesondere im Hinblick auf das Recht der informationellen Selbstbestimmung. Für Vorhaben dieser Größenordnung sieht unsere Verfassung den Vor- behalt des Gesetzes vor. Das Parlament darf es sich nicht nehmen lassen, diese Materie durch ein Gesetz zu re- geln. Auch auf weitere Aspekte aus dem Gesetzentwurf möchte ich eingehen. Wir sind der Ansicht, dass auch für ein sicheres Testamentsregister der Datenschutz an oberster Stelle stehen muss. Wir können nicht 12,6 Mil- lionen Euro für eine solche Maßnahme aufwenden und dabei den Datenschutz nur unzureichend berücksichti- gen. Der Gesetzentwurf des Bundesrates sieht vor, die Speicherung und Aufnahme der Daten lediglich im Sinne des § 8 Bundesdatenschutzgesetz zu gewährleis- ten. Die maßgeblichen Vorschriften für Anforderungen an die technischen und organisatorischen Maßnahmen werden durch § 9 Bundesdatenschutzgesetz sicherge- stellt. Diese Schutzmaßnahmen greift der Gesetzesent- wurf nicht auf. Die Speicherung und Aufnahme der Da- ten wäre demnach lückenhaft. Hinzu kommt, dass der Gesetzentwurf sich bei der Erhebung und Verwendung der Daten nicht auf das notwendige Maß beschränkt. Diese einschränkende Regelung fehlt vollkommen. Der Datenschutz wird somit nicht vollumfänglich gewähr- leistet. Ein weiterer Aspekt betrifft den Übermittlungs- und Überführungsvorgang. Wie kann sichergestellt werden, dass die Daten auch übertragen werden, wenn die Tech- nik versagt? Der Gesetzentwurf sieht neben den elektro- nischen Regelungen keine Ausnahmen vor. Auch im Zeitalter der scheinbar perfekten Technik sollten wir im- mer auch noch eine andere Art der Datenübertragung si- cherstellen. Wir müssen dafür sorgen, dass Informatio- nen auch mit anderen Mitteln von A nach B gelangen können. Wo kann ich während der Überführung in das neue Register in den nächsten drei Jahren Auskunft verlan- gen? Der Gesetzentwurf enthält Regelungen zur Über- führung der Altakten. Allerdings ist nicht geregelt, wann die Überführung beendet sein soll. Der Gesetzestext bie- tet keine hinreichende Gewähr dafür, dass es zu einem Nebeneinander zwischen altem und neuem System kommt. Wir regen an, dass eine Fristenregelung zur Ü h s M v lu n w D li b w ti p d N w la S c d v tr s s A m g d s G n c a d u N T d d g h ri s e e s tr m e E (C (D berführung der Altdaten eingeführt wird. Dies kann er- eblichen Verzögerungen vorbeugen. Um ein sinnvolles Testamentsregister zu schaffen, ollte klar geregelt werden, wann die Registerbehörde itteilungen zu machen hat. Der Gesetzentwurf sieht or, dass die Registerbehörde im Todesfalle eine Mittei- ng an das Nachlassgericht tätigt. Diese Regelung ist icht praktikabel, da das Gericht in der Regel erst tätig ird, wenn ein Erbscheinverfahren eingeleitet wird. ann ist eine Auskunftserteilung von Amts wegen mög- ch. Eine vorherige Zusendung würde ohne Bearbeitung ei Gericht liegen und keinem Verfahren zugeordnet erden können. Diese Vorschrift würde somit nur unnö- gen Arbeitsaufwand verursachen. Ich möchte gerne noch einen anderen wichtigen As- ekt ansprechen: das Auskunftsrecht der Erblasser. Für as Register ist lediglich vorgesehen, dass Gerichten und otaren auf Ersuchen Auskunft aus dem Register erteilt ird. Das genügt unserer Ansicht nach nicht. Den Erb- ssern sollte ein eigenes Auskunftsrecht zustehen. chließlich werden dort ihre Testamente registriert. Als letzten Punkt komme ich auf die Kosten zu spre- hen. In der Begründung führt der Bundesrat aus, dass as Vorhaben Kosten in Höhe von 12,6 Millionen Euro erursachen wird. Die Kosten des laufenden Registerbe- iebs werden mit jährlich 2,8 Millionen Euro veran- chlagt. Durch die Registergebühr in Höhe von 15 Euro ollen diese Kosten bezahlt werden können. Konkretere ngaben über die Einkommensseite werden nicht ge- acht. Bei Vorhaben von solchem Ausmaß ist aber eine enaue Kalkulation vonnöten. Abschließend ist zu sagen, dass der Ansatz des Bun- esrates zu begrüßen ist. Jedoch ist das Vorhaben insge- amt nicht ausreichend durchdacht. Insbesondere das rundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird icht ausreichend abgesichert. Der Datenschutz ist lü- kenhaft. Meine Fraktion lehnt diesen Antrag deshalb b. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bun- esministerin der Justiz: Im Koalitionsvertrag haben wir ns auf die Modernisierung des Mitteilungswesens in achlasssachen durch die Einrichtung eines Zentralen estamentsregister bei der Bundesnotarkammer verstän- igt. Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf des Bun- esrates ist man ein gutes Stück auf diesem Weg voran- ekommen. Das für die Eröffnung von Testamenten derzeit beste- ende Benachrichtigungssystem zwischen Notaren, Ge- chten und Standesämtern ist nicht mehr zeitgemäß und töranfällig. In diesem sensiblen Bereich – der für jeden inzelnen Bürger von Bedeutung sein kann – ist das lektronische Zeitalter noch nicht angekommen. Dies oll und muss sich nun ändern. Durch ein zentrales, elek- onisches System wird zukünftig jeder, der ein Testa- ent errichtet und es amtlich verwahren lassen hat, die lektronisch gestützte Gewissheit erhalten, dass dies im rbfall auch eröffnet wird. 6602 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird ein anti- quiertes System reformiert und werden zugleich neue Möglichkeiten eines modernen Informationsaustausches auch auf europäischer Ebene eröffnet. Doch wo Chancen sind, gibt es auch Risiken. Besonders bei einer zentralen elektronischen Registrierung müssen die Datenschutz- rechte gesichert sein. Darauf lege ich in der gegenwärti- gen Debatte über den Schutz von Persönlichkeitsrechten in den elektronischen Medien besonderen Wert. Der Ge- setzentwurf sollte daher vom Bundesrat in Teilbereichen nochmals geprüft werden. Das Zentrale Testamentsregister ist ein inhaltlich und technisch anspruchsvolles Projekt, dem sich vor allem die Bundesnotarkammer gestellt hat. Dabei kommen ihr die Erfahrungen aus dem Aufbau und dem Betrieb des Vorsorgeregisters zugute. Eine Herausforderung besonderer Art wird beim Tes- tamentsregister allerdings die Überführung der Alt-Ver- wahrdaten sein. Ein zentrales Register kann nur erfolg- reich funktionieren, wenn auch die bereits millionenfach vorhandenen Karteikarten in das neue elektronische Sys- tem überführt werden. In diesem Zusammenhang wer- den Details der Finanzierung des Projekts durch Gebüh- ren noch genauer zu prüfen sein – auch wenn ich die Registergebühr in Höhe von 15 Euro für durchaus mode- rat halte. Trotz dieser noch nicht abschließend beantworteten Einzelfragen sind wir sehr zuversichtlich, dass der Ge- setzentwurf eine gute Grundlage für die weiteren Bera- tungen und für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts ist. Im Ergebnis wird das neue Testamentsregister die Rechtssicherheit in der Testierfreiheit jedes einzelnen Bürgers stärken und zugleich Verwaltungswege effizien- ter und damit moderner gestalten. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt über ein Individualbeschwerdeverfahren ratifi- zieren (Tagesordnungspunkt 19) Frank Heinrich (CDU/CSU): Menschenrechtsthe- men stehen in dieser Legislaturperiode hoch im Kurs. Die Häufigkeit der Plenardebatten spricht hier eine deut- liche Sprache. Und das ist gut so. Die Regierungskoali- tion aus CDU/CSU und der FDP hat bereits im Koali- tionsvertrag den Menschenrechten einen besonderen Stellenwert in ihrer Arbeit eingeräumt. Als Querschnitts- thema durchzieht es alle Politikfelder: die Innen- wie die Außenpolitik, die Wirtschafts- wie die Sozialpolitik. Der Mensch, das mündige Subjekt, das Individuum in Frei- heit und Verantwortung, ist das Thema und der Mittel- punkt christlich-liberaler Politik. Hier und heute debattieren wir über das Individualbe- schwerdeverfahren zu den sogenannten WSK-Rechten, den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Men- schenrechten. Wir debattieren damit in medias res, mit- te n ic ic z e d k s M M M M re d d W b E s m n re re s e je w a s a re li k d n s e k – n w le h k fü c e D b d R c h n (C (D n hinein ins Herzen des Themas. Direkter kann man icht über Menschenrechte sprechen. Darum begrüße h die heutige Debatte, auch wenn meine Fraktion und h dem Antrag der SPD-Fraktion in dieser Form nicht ustimmen können. Nun zur Sache: Man stelle sich vor, dass man einmal in Menschenrecht herausgreift, ein Einziges, um es als as zentralste, das wichtigste, das unmittelbarste zu de- larieren. Natürlich geht das nur hypothetisch, denn chließlich ist ja gerade das unser höchstes Gut: dass enschenrechte eben nicht teilbar sind, dass jeder ensch gleiche Rechte hat – jeder Mensch; auch der ensch, der anders aussieht als die anderen, auch der ensch, der anders fühlt und anders liebt als die ande- n, der Mensch, der anders denkt oder anders glaubt als ie anderen. Denn nicht die Norm definiert die Würde es Menschen, sondern eben gerade seine Individualität. ir alle besitzen die gleichen Rechte, weil wir unteil- are Einzelne sind, als Menschen, als Geschöpfe, als benbilder Gottes. Aber nehmen wir einmal an, man könnte es: ein Men- chenrecht herausgreifen und extrapolieren. Welches üsste das sein? Die Antwort lässt an Eindeutigkeit icht zu wünschen übrig. Das vornehmste Menschen- cht kann nur das Appell-, das Klage-, das Beschwerde- cht des Individuums sein. Wie sonst kann ein Mensch eine unveräußerlichen Rechte wahren, wenn er sie nicht inklagen kann? Wie sonst kann ein Mensch sich gegen de Form von staatlicher Willkür zur Wehr setzen? Nur er eine unabhängige und übergeordnete Instanz besitzt, n die er sich wenden kann und die ihm sein Recht ver- chafft, wird in die Lage versetzt, sein Menschenrecht uch wirklich als ein einklagbares Recht wahrzunehmen. Eben deshalb hat die Bundesregierung auch federfüh- nd und, wie sie in ihrem Antrag richtigerweise formu- ert, „aktiv und konstruktiv“ daran mitgewirkt, das Do- ument zu erarbeiten, welches die Generalversammlung er Vereinten Nationen am 10. Dezember 2008 ange- ommen hat und über dessen Ratifizierung wir heute prechen: das Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt über in Individualbeschwerdeverfahren. Durch dieses Proto- oll wird ermöglicht, dass Einzelpersonen oder Gruppen auch im Namen anderer – Beschwerden einlegen kön- en, wenn sie die im UN-Sozialpakt festgeschriebenen irtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ver- tzt sehen und den nationalen Rechtsweg ausgeschöpft aben. Dadurch werden die wirtschaftlichen, sozialen und ulturellen Rechte, die seit der Wiener Weltkonferenz r Menschenrechte 1993 gemeinsam mit den bürgerli- hen und politischen Menschenrechten als unteilbar mit- inander verknüpft gelten, in ihrer Bedeutung gestärkt. ies ist ein weiterer und notwendiger Schritt, die Unteil- arkeit der Menschenrechte zu stärken. Daher kann ich em Anliegen der Kollegen von der SPD-Fraktion, eine atifizierung des Zusatzprotokolls zügig zu ermögli- hen, nur zustimmen. Wie Sie in Ihrem Antrag weiterhin richtig feststellen, at „Deutschland bereits Individualbeschwerdemecha- ismen zum UN-Zivilpakt, zum Übereinkommen zur Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6603 (A) ) )(B) Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, zur UN-Anti-Folter-Konven- tion und zur UN-Behinderten-Konvention anerkannt“. Das ist richtig und unterstreicht den Stellenwert, den Menschenrechte in Deutschland haben. Dennoch müs- sen wir feststellen, dass Deutschland noch nicht zu den Unterzeichnern des Zusatzprotokolls gehört. Momentan haben 31 Staaten das Zusatzprotokoll ratifiziert, darunter auch zehn europäische Staaten. Deutschland gehört noch nicht dazu. Nun stellt sich mir die Frage: Wenn die Bundesregie- rung nun wirklich keinen Anlass gibt, am Stellenwert menschenrechtlicher Themen zu zweifeln, wenn man eine Ratifizierung des Zusatzprotokolls unterstützt und gerade wenn man die Unteilbarkeit der Menschenrechte durch eine Aufwertung der WSK-Rechte gestärkt sieht: Warum ist dies der Fall? Warum zeichnet die Bundesre- gierung, die ja federführend an der Erstellung mitge- wirkt hat, das Protokoll nicht schneller? Es muss ja Gründe geben. Die Antwort ist mehrschichtig, aber eigentlich nicht sonderlich kompliziert: Wie im Antrag richtig darge- stellt, überprüft das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in dessen Verantwortung der Ratifizierungs- prozess liegt, die juristischen Folgen, die sich aus der Unterzeichnung ergeben. Eine solche umfassende Prü- fung muss der Zeichnung notwendigerweise vorausge- hen. Würde dieser komplexe und umfangreiche Prozess abgekürzt, könnte das in der Konsequenz negative Fol- gen haben, die der Absicht des Zusatzprotokolls gerade entgegengesetzt sind. Diese negativen Folgen eines vor- eiligen Beschlusses können sich in zwei Richtungen ent- wickeln: Erstens ist eine Klageflut möglich. Auch wenn die Kollegen von der SPD in ihrem Antrag auf die geringen Fallzahlen von Beschwerden bei den von Deutschland an- erkannten Individualbeschwerdemechanismen zum UN-Zi- vilpakt, zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, zur UN-Anti-Folter-Konvention und zur UN-Be- hinderten-Konvention verweisen, lassen sich daraus keine gesicherten Rückschlüsse auf die WSK-Rechte zie- hen. Sollte es tatsächlich zu einer Flut von Klagen kom- men, würde dies die Dauer der einzelnen Verfahren er- heblich verzögern, was den wirklichen Opfern gerade nicht gerecht werden würde, da auch ihre Anliegen nicht in der gebotenen Dringlichkeit bearbeitet werden könn- ten. Es gilt hier nichts anderes als an anderen Stellen des politischen Alltages auch – ich gestatte mir nur den Hin- weis auf die Entstehung von Hartz IV –: Was mit heißer Nadel gestrickt ist, wird langfristig mehr Zeit und Geld kosten als eine gründlich erarbeitete Lösung. Übrigens ist die Aussage der Antragssteller irreführend, dass durch die Ratifizierung keine neuen Verpflichtungen über jene hinaus entstehen, zu denen sich Deutschland als Vertrags- staat des Sozialpakts sowieso verpflichtet hat. Wäre dies der Fall, so wäre eine umfassende juristische Prüfung n d k m la z a g d M s d U re A g e te w Z e h d D re s U to fo g g fe fa ir ih w d G v te g s a s e S w Z u k „ (C (D icht notwendig. Da haben Sie recht. Allerdings wäre ann auch ein Zusatzprotokoll an sich obsolet, und das önnen Sie doch eigentlich nicht meinen. Zweitens. Menschen, deren Rechte verletzt werden, üssen für ihre Beschwerde Rechtssicherheit haben. So- nge die Rechtslage nicht klar und eindeutig nachvoll- iehbar und gesichert ist, könnte das dazu führen, dass uch inhaltlich berechtigte Klagen formal juristisch ab- ewiesen werden müssten. Das schwächt in der Folge ie wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der enschen, statt sie im Sinne des Zusatzprotokolls zu tärken. Eine weitere negative Konsequenz bestünde darin, ass die „Täter“ quasi reingewaschen werden könnten. m es an einem Beispiel zu erläutern: Vor einigen Jah- n habe ich den Fall eines Mannes miterlebt, der in usübung eines therapeutischen Berufes sexuell über- riffig geworden ist. Das Opfer wollte, nachdem es sich iner Vertrauensperson offenbart hatte, Anzeige erstat- n. Sie ging zum Anwalt, um sich Rat zu holen. Der An- alt riet ihr zunächst von einer Anzeige ab. Es gab keine eugen des Geschehens. Die Beweislage war zu wenig indeutig, als dass es zu einer Verurteilung gereicht ätte. Im Umkehrschluss wäre also ein Freispruch für en Täter erfolgt – für die betroffene Person eine weitere emütigung. Unsichere Rechtslagen verstärken das Un- cht. Das kann nicht im Sinne des Zusatzprotokolls ein. Darum prüft das BMAS die Ratifizierung ausführlich. nd das ist zu begrüßen. Eine Zeichnung des Zusatzpro- kolls durch die Bundesrepublik Deutschland sollte er- lgen, das ist unstrittig. Dies soll so schnell wie möglich eschehen, und es soll so gründlich wie nötig geschehen. Ein Letztes: Die Antragsteller fordern die Bundesre- ierung auf, zur Klärung der juristischen Bedenken Pro- ssor Dr. Eibe Riedel zurate zu ziehen. Ohne an der chlichen Qualifikation von Professor Dr. Eibe Riedel gendeinen Zweifel zu hegen, ist es nicht notwendig, n hinzuzuziehen. Es würde sich lediglich um einen eiteren Gutachter handeln. Die juristischen Gutachter er Bundesregierung sind fachlich völlig ausreichend. erade im Sinne einer zügigen Ratifizierung ist es sinn- oll, es bei den bestehenden Gutachten zu belassen. Wei- re Gutachter würden den Prozess nur unnötig verlän- ern. Daher folgt die CDU/CSU-Fraktion dem Antrag in einer Intention, lehnt ihn aber in der vorliegenden Form b. Ullrich Meßmer (SPD): „Ein Großteil der Ge- chichte ist erfüllt vom Kampf um die Menschenrechte, inem ewigen Streit, bei dem niemals ein endgültiger ieg zu erringen ist. Aber in diesem Kampf zu ermüden, ürde den Untergang der Gesellschaft bedeuten.“ Dieses itat von Albert Einstein gilt mit seiner Aufforderung nd mit seinem Ansporn bis heute und wird auch in Zu- unft gelten. Ein halbes Jahr ist seit der ersten Lesung des Antrags Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt ratifizieren“ ver- 6604 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) gangen, genug Zeit, um Bedenken zu klären und die Ab- stimmung unter den Ministerien abzuschließen, genug Zeit, um den Weg für eine endgültige Ratifizierung frei zu machen. Das gilt für rechtliche wie politische Beden- ken, zumal mit Prof. Eibe Riedel als deutschem Vertreter im WSK-Ausschuss ein Experte gerade für rechtliche Fragen zur Verfügung steht. Es erstaunt schon, dass die gerade von der Bundesre- gierung in Aussicht gestellte Ratifizierung bis heute nicht erfolgt ist. Außenpolitisch läuft Deutschland Ge- fahr, die positive internationale Rolle, die es bei der Ent- stehung des Zusatzprotokolls eingenommen hat, zu ge- fährden. Ein negatives Signal für andere Länder. Deutschland hat bereits fünf Individualbeschwerde- verfahren zugelassen, ohne dass sich die befürchtete Be- schwerdeflut über Deutschland ergossen hätte. Es wur- den gerade einmal 22 Beschwerden aufgrund der bestehenden Verfahren eingereicht. Anerkannt wurde gerade einmal eine Rechtsverletzung aufgrund einer In- dividualbeschwerde, ich wiederhole: eine! Jede Indivi- dualbeschwerde setzt die Ausschöpfung des nationalen Rechtsweges voraus, konkret in Deutschland den Gang bis vor das Bundesverfassungsgericht. Ich möchte daran erinnern, dass es um Sozialstan- dards geht. Hier verfügt Deutschland über eines der am besten ausgestatteten Sozialsysteme weltweit. Schon von daher dürften Individualbeschwerden keine Aus- sicht auf Erfolg haben. Aus der Ratifizierung des Zusatzprotokolls ergeben sich keinerlei neue Verpflichtungen über jene hinaus, zu denen sich Deutschland als Vertragsstaat des UN-Sozial- pakts ohnehin verpflichtet hat. Weitgehend herrscht ja Einigkeit, trotzdem noch einmal ein Blick auf die am häufigsten angeführten Bedenken: So seien die WSK- Rechte zu abstrakt und daher nicht justiziabel. Dahinter steckt offenbar die kaum nachvollziehbare Befürchtung, dass internationale Kontrollinstanzen falsche oder pro- blematische Schlussfolgerungen bei einem Abgleich mit dem deutschen Arbeits- und Sozialrecht ziehen könnten. Dazu gibt es, wie bereits angeführt, keinen Anlass, es sei denn, man beabsichtigt eine grundlegende Veränderung unseres Sozialstaates. Zum anderen wird befürchtet, dass Verbände diesen Mechanismus missbrauchen, um eigene politische Ziele zu verfolgen und zu befördern. Abgesehen davon, dass die bisherigen Erfahrungen dagegen sprechen, ist bei ei- ner Verletzung von WSK-Rechten immer ein Indivi- duum betroffen. Eine Menschenrechtsverletzung ist per Definition immer individuell, auch wenn eine größere Gruppe insgesamt betroffen ist oder ein Interessenver- band für mehrere Betroffene spricht. Dieser Einwand ist logisch also schlicht falsch. Natürlich gibt es Konfliktfelder, die für unser politi- sches Handeln Herausforderungen darstellen. So ist zum Beispiel das Diskriminierungsverbot in den WSK-Rech- ten weiter gefasst als die bestehenden deutschen Bestim- mungen, da auch „… sonstige Anschauungen, soziale Herkunft, Vermögen, Geburt und sonstiger Status …“ genannt werden. Sanktionen bei Ablehnung einer zu- m „ c v s k d n d tr n b s in s d G s s v k m R lö In D fu n o g z – p fo m le s ri s B M w k te s N c z a d e s li (C (D utbaren Arbeit könnten eventuell dem WSK-Recht auf frei gewählte und angenommene Arbeit“ widerspre- hen. Dies gilt für den Einsatz von Gefangenen in der Pri- atwirtschaft ebenso. Das bestehende, auch in Teilen un- erer Gesellschaft umstrittene Streikverbot für Beamte önnte dem Recht auf gewerkschaftliche Tätigkeit wi- ersprechen. Die Einführung von Studiengebühren in ei- igen Bundesländern ist mit dem WSK-Recht auf Bil- ung wohl auch nicht vereinbar. Diese konkreten Punkte effen eher den Kern der Bedenken, die es aber offenbar icht nur bei uns gibt. Ein Zitat des UN-Ausschusses für die WSK-Rechte elegt, dass offenbar in mehreren freiheitlich-demokrati- chen Staaten sich die Konkretisierung der WSK-Rechte staatliches Handeln und nationale Gesetzgebung chwierig gestaltet: „Die erschreckende Realität … ist, ass Staaten und die internationale Gemeinschaft als anzes noch immer viel zu häufig Verstöße gegen wirt- chaftliche, soziale und kulturelle Rechte dulden – Ver- töße, die, würden sie bürgerliche und politische Rechte erletzen, Entsetzen und Empörung provozieren und zu onzertierten Forderungen nach sofortiger Wiedergut- achung führen würden.“ Natürlich bleibt es eine Herausforderung, die WSK- echte in nationales Recht umzumünzen, aber kein un- sbares Problem und erst recht kein Vorwand, um ein dividualbeschwerdeverfahren abzulehnen. Gegenteil: as individuelle Beschwerdeverfahren nach Ausschöp- ng der nationalen Rechtswege schafft für die betroffe- en Menschen zusätzliche Sicherheit. Für die Klärung ffener Fragen und Abstimmungsprozesse gab es genü- end Zeit und Gelegenheit. Wenn sich Deutschland nicht dem Vorwurf einer ge- ielten Verzögerungstaktik aussetzen will, müssen den ausdrücklich auch von meiner Fraktion unterstützten – olitischen Ankündigen der Bundesregierung auch Taten lgen. Die Ratifizierung des Zusatzprotokolls bringt ehr Vorteile und Klärung mit sich als Nachteile, vor al- m weil dadurch die WSK-Rechte konkret werden, da ie Ansprüche einzelner Menschen aufzeigen. Staatenbe- chte zum UN-Sozialpakt können das mit ihren „Ab- chließenden Bemerkungen“ und ihren „Allgemeinen emerkungen“ nicht leisten. In ihnen verschwinden die enschen hinter Zahlenreihen und Statistiken, in ihnen ird das konkrete Einzelschicksal nur selten greifbar. Mit einem Individualbeschwerdeverfahren aber wird onkretes Recht in einem konkreten Fall für ein konkre- s Opfer geschaffen. Erst durch das Individualbe- chwerdeverfahren werden die WSK-Rechte auch für ichtexperten nachvollziehbar und verständlich. Mögli- hen Opfern wird so geholfen, ihre Situation richtig ein- uschätzen und sich Hilfe zu holen. Sie werden damit zu ktiven Trägern ihre Rechte. Sie lernen, diese einzufor- ern und notfalls durch sämtliche Instanzen hindurch inzuklagen. Damit erfüllen erst die Individualbe- chwerdemechanismen den Grundsatz aller Rechtsstaat- chkeit. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6605 (A) ) )(B) Zwar haben die UN-Fachausschüsse als die letzte In- stanz keine Rechtsetzungsgewalt und können auch keine verbindlichen Urteile aussprechen, die politische Wirk- kraft der Empfehlungen und Rügen an den jeweiligen Staat sind aber keinesfalls zu unterschätzen. Und weiter: Erst wenn der Zugang zu entsprechenden individuellen Beschwerdemechanismen sichergestellt ist, erfüllt sich der allgemein anerkannte Grundsatz der Unteilbarkeit und der Interpendenz aller Menschenrechte. Damit wird der UN-Sozialpakt, werden die sogenannten WSK- Rechte den bürgerlichen und politischen Rechten gleich- gesetzt. Für die noch verbliebenen Zweifler lasse ich daher noch einmal Charles de Gaulle zu Wort kommen: „Es ist besser, unvollkommene Entscheidungen durchzuführen, als beständig nach vollkommenen Entscheidungen zu suchen, die es niemals geben wird.“ Für die weniger Konservativen zitiere ich auch gerne unseren früheren Außenminister, Dr. Klaus Kinkel: „Eine Gesellschaft, die die Menschenrechte nicht respektiert, blockiert sich selbst.“ In diesem Sinne erwarten wir eine zügige Ratifizie- rung des Zusatzprotokolls zum UN-Sozialpakt durch die Bundesregierung noch vor Ablauf dieses Jahres. Pascal Kober (FDP): Mit dem Zusatz- bzw. Fakul- tativprotokoll zum UN-Sozialpakt über ein Individualbe- schwerdefahren wurde ein Kommunikationsverfahren als Rechtsmittel beschlossen. Der Ausschuss der Verein- ten Nationen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist damit nicht mehr nur für das Berichtsprü- fungsverfahren, sondern auch für internationale Be- schwerdeverfahren und Untersuchungsverfahren vor Ort zuständig. Bisher gab es als Mittel der Überprüfung der Einhaltung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte innerhalb der Mitgliedstaaten der Vereinten Na- tionen nur die Staatenberichte, in denen Rechenschaft über die Menschenrechtssituation abgelegt und Verbes- serungsmaßnahmen vorgeschlagen werden mussten. Für die Ratifikation des Zusatzprotokolls spricht un- ter anderem, dass Einzelpersonen durch das Individual- beschwerdeverfahren oder Gruppen vor einem interna- tionalen Gremium Beschwerde gegen ihren Staat einlegen können. Voraussetzung für die Einklagbarkeit der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ist dabei die Ausschöpfung des nationalen Rechtsweges. Negative Folgen der Ratifikation des Zusatzproto- kolls könnte der erhöhte Arbeitsaufwand für das jewei- lige Kontrollorgan sein, was schnelle und effektive Ent- scheidungswege erschwert. Ein Beispiel für eine solche Entwicklung sehen Sie im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dessen Funktionsfähigkeit aufgrund der explosionsartigen Zunahme der Streitfälle in den letzten Jahren praktisch gelähmt war. Trotzdem wird in Fachkreisen das Verfahren der Indi- vidualbeschwerde trotz der mangelnden Rechtsbindung als ein wichtiges Instrument beim internationalen Men- schenrechtsschutz betrachtet. W n R A h c e z s d in R K E c S u a s a E p n fo d re d v V a d v F E v la v lu m u b d s m S p A s e s w k m k w (C (D Worum geht es im UN-Sozialpakt eigentlich? Um die ahrung elementarer menschlicher Rechte, nämlich Er- ährung, Gesundheit und Bildung. Der Schutz dieser echte ist ein wichtiges Anliegen der wertegeleiteten ußenpolitik dieser christlich-liberalen Koalition. Sie at sich zum Ziel gesetzt, weltweit für die wirtschaftli- hen, sozialen und kulturellen Rechte von Menschen inzutreten, für ihren Schutz zu sorgen und ihre Umset- ung zu befördern. Die Möglichkeit eines Individualbe- chwerdeverfahrens ist sicherlich ein richtungsweisen- es Signal und die Ratifikation ein weiterer Meilenstein der internationalen Menschenrechtsarbeit. Aber das esultat eines solchen Rechtsbehelfs ist lediglich ein ommunikationsverfahren, aus dem „views“ – also mpfehlungen beziehungsweise nicht rechtsverbindli- he Zielformulierungen – hervorgehen. Das ist ein gutes tichwort. Unsere Zielformulierungen stehen nämlich in nserem Koalitionsvertrag. Wir wollen, dass die Globalisierung eine Chance für lle Menschen wird: Alle Menschen sollen ohne Not, elbstbestimmt und eigenverantwortlich leben können. Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf geeinigt, uf der bilateralen Ebene den Anteil der deutschen ntwicklungszusammenarbeit zu stärken. Im Aktions- lan Menschenrechte der Bundesregierung, der für die ächsten zwei Jahre Maßstab ist, stehen ebenfalls klar rmulierte Ziele. Unter anderem unterstützt diese Bun- esregierung die Bemühungen universaler menschen- chtlicher Standards für angemessenes Wohnen und für as Recht auf Nahrung. Sie befürwortet die Erarbeitung on „Freiwilligen Leitlinien zur verantwortungsvollen erwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten und nderen natürlichen Ressourcen“ sowie den Dialog über ie Umsetzung von menschenrechtlicher Verantwortung on Unternehmen. Ganz besonders wichtig finde ich die örderung der Menschenrechtsbildung, aber auch der ntwicklung von lokalen Bildungsbündnissen zur indi- iduellen Förderung benachteiligter Kinder in Deutsch- nd. Bundesminister Niebel hat aus unserem Koalitions- ertrag sechs Schwerpunkte für die deutsche Entwick- ngszusammenarbeit abgeleitet, die ganz klar nach enschenrechtlichen Gesichtspunkten ausgerichtet sind nd die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte etreffen: Dazu gehören die nachhaltige Bekämpfung er Armut, die Förderung des Engagements von Zivilge- ellschaften und auch, das wirtschaftliche Engagement it dem Ziel von Nachhaltigkeit verstärkt zu nutzen. Ein chlüsselsektor in der christlich-liberalen Entwicklungs- olitik ist die Gesundheit, wozu auch der Kampf gegen IDS gehört. Wir finden, unsere Bilanz nach einem Jahr Men- chenrechtspolitik kann sich sehen lassen. Wir haben uns rfolgreich für das Menschenrecht auf den Zugang zu auberem Trinkwasser und Sanitäranlagen eingesetzt, ir haben mit Erfolg in Kampala bei der Überprüfungs- onferenz daran gearbeitet, Strafbarkeitslücken im Rö- ischen Statut zu schließen und damit die Gerichtsbar- eit des Internationalen Strafgerichtshofes gestärkt. Ein eiterer Fortschritt ist, dass in bestimmten Ländern fi- 6606 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) nanzielle Zuwendungen für Entwicklungszusammenar- beit an menschenrechtspolitische Bedingungen geknüpft sind. Mit ausführlichen Anträgen zur Erreichung der Mil- lenniumsentwicklungsziele und Bildungsarbeit in Entwick- lungsländern haben wir ebenfalls Grundlagen für den Schutz wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte gelegt. Natürlich kommt es auf die Effizienz und Gestal- tungskraft der Instrumente zur technischen Durchfüh- rung von Projekten der Menschenrechts- und Entwick- lungszusammenarbeit an. Dabei komme ich nicht umhin, die Strukturreform bei den Durchführungsorganisatio- nen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu erwähnen. Ineffiziente Doppelstrukturen werden abgebaut und damit die Effi- zienz der Wirksamkeit der eingesetzten Mittel erhöht. Hinsichtlich der Umsetzung von Zielformulierungen kann sich die Jahresbilanz der christlich-liberalen Men- schenrechtspolitik sehen lassen. Sie zeigt, wie wichtig uns das Thema ist, und dass wir das Ergebnis der Res- sortabstimmung zur Ratifikation des Zusatzprotokolls gelassen abwarten können. Daher lehnen wir Ihren Antrag ab. Stefan Liebich (DIE LINKE): Wenn es die UNO nicht gäbe, dann müsste sie erfunden werden. Die Ver- einten Nationen sind ein unverzichtbarer Akteur in den internationalen Beziehungen. Zunächst lag der Schwer- punkt der Arbeit vor allem bei den Fragen der Sicherheit der Staaten untereinander. Über die Jahrzehnte erwei- terte sich das Themenfeld der Organisation und ihrer Unterorganisationen auch auf andere Bereiche wie Kul- tur, Umwelt und Soziales. Das war auch richtig; denn Frieden und Sicherheit sind vor allem dann nachhaltig, wenn es den Menschen gut geht. Dazu braucht man Rechte, und – das ist hier der springende Punkt – diese Rechte müssen einklagbar sein. Wir begrüßen daher sehr, dass die UNO einen Weg entwickelt hat, ihren Sozialpakt durch eine solche Form der individuellen Beschwerdemöglichkeit zu ergänzen und damit auch zu stärken. Die im Sozialpakt entwickel- ten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ha- ben damit eine größere Chance, auch real wirksam zu werden. Wir wissen alle, dass das ein langer Prozess ist und dass es auch den Mut der Zivilgesellschaft braucht, aber der Weg dazu ist geöffnet. Es war in diesen Tagen schon von positiven Erfahrun- gen zu lesen. Amnesty International berichtete davon, dass in einem Fall in Südafrika durch juristische Bezug- nahme auf den Sozialpakt der diskriminierungsfreie Zugang zu HIV/Aids-Medikamenten erreicht wurde. In einem anderen Fall mussten per Gerichtsentscheid 100 Notunterkünfte für wohnungslose Menschen in In- dien geschaffen werden. Das ist im täglichen Kampf ge- gen Armut ein riesiger Fortschritt. Dass jeder seine so- zialen Rechte auch vor Gericht durchsetzen kann, wäre ein wichtiger Meilenstein für sozialen Fortschritt. Dies würde zeigen, dass die Vereinten Nationen mit ihren in- s E in n g z R s u n s A w d g re ru u h fr e 0 a m z e S g n d B d n Z w w w c h u ti e z d S B A d u F s d (C (D titutionellen und rechtlichen Regelwerken auch soziale ntwicklungen voranbringen können. Die Linke begrüßt das sehr, auch mit Blick auf die sgesamt eher ernüchternde Zwischenbilanz der Millen- iumsziele, wo die massive Verringerung der Armut ein anz zentrales Element ist. Das Zusatzprotokoll wurde zwar von 35 Staaten ge- eichnet, aber es fehlen zumindest sieben Staaten bei der atifizierung, damit es in Kraft treten kann. Deutschland ollte dem EU-Partner Spanien, aber auch der Mongolei nd Ekuador nicht nachstehen. Deshalb fordere ich ei- en zügigen Prozess bis hin zur Ratifizierung. Vor die- em Hintergrund begrüße ich auch die Zielrichtung des ntrages der SPD-Fraktion, der zu Recht darauf ver- eist, dass die bürgerlichen und politischen Rechte mit en wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten leichgesetzt und letztere durch die Beschwerdeverfah- n auch in gleicher Weise gestärkt werden. Die Forde- ng nach zügiger Zeichnung und Ratifizierung ist zu nterstützen. In unserer Fraktion wurden allerdings auch Fragen insichtlich des realen Engagements der Antragsteller in üheren Zeiten gestellt. Ist es nicht so, dass zu Zeiten iner SPD-Regierungsverantwortung das Ziel eines ,7-Prozent-BIP-Anteils für Entwicklungszusammen- rbeit nicht entscheidend vorangebracht wurde und da- it wesentliche Mittel auch zur Verwirklichung von so- ialen Rechten in Entwicklungsländern fehlen? Und ist s nicht so, dass mit Blick auf die soziale Sicherheit die PD-Politik im eigenen Lande ganz andere Ergebnisse ebracht hat? Es gibt zum Beispiel in Deutschland kei- en gesetzlichen Mindestlohn, dafür aber Zuwachs bei er Armut, insbesondere auch bei Kindern, um nur zwei eispiele zu nennen. Mit Blick auf diese Fragen wird die Linksfraktion em Antrag nicht zustimmen. Wir werden aber auch icht dagegenstimmen, weil wir das Kernanliegen, die eichnung und Ratifizierung des Zusatzprotokolls, auch ünschen, weil wir die Lernfähigkeit und den Positions- andel der SPD und ihr Engagement in dieser Frage ürdigen. Es bleibt wichtig, den Weg der Verrechtli- hung auch über die internationalen Regelwerke zu ge- en, um die UN und ihre sozialen Anliegen zu stärken nd um im eigenen Lande Druck für entsprechende Poli- ksubstanz im Auswärtigen wie in der Innenpolitik zu ntwickeln. Es geht um Räume für die bessere Durchset- ung individueller sozialer und kultureller Anliegen und amit um Bürgerrechte, um Menschenrechte und um das oziale an sich. Dafür sollten wir gemeinsam kämpfen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ündnis 90/Die Grünen unterstützt seit langem die im ntrag enthaltene Forderung an die Bundesregierung, as Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt zu zeichnen nd zu ratifizieren. „Eile mit Weile“ waren die Worte von CDU/CSU und DP in der gestrigen Sitzung des Ausschusses für Men- chenrechte, als wir über den Antrag berieten. Man solle och zunächst die Ressortabstimmungen abwarten, denn Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6607 (A) ) )(B) übereiltes Handeln könne zu Komplikationen führen. Mit Verlaub, aber das ist zynisch. Knapp zwei Jahre sind nun vergangen, seitdem die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Zu- satzprotokoll zum Sozialpakt über ein Individualbe- schwerdeverfahren angenommen hat. Seitdem läuft die Abstimmung zwischen den Ressorts der Bundesregie- rung, ob man nun zeichnen und ratifizieren solle – zu- nächst unter Schwarz-Rot, jetzt unter Schwarz-Gelb. Knapp zwei Jahre sind vergangen, ohne dass die Bun- desrepublik Deutschland einem der Kernverträge im Be- reich der WSK-Rechte zugestimmt hätte. Gezeichnet ha- ben das Zusatzprotokoll bislang 35 Staaten – zuletzt etwa Kasachstan oder die Demokratische Republik Kongo. Ist es vertretbar, dass wir dahinter zurückstehen? Ich denke, nicht. Dieses Gewarte und Geprüfe entspricht nicht der menschenrechtlichen Führungsrolle, die die Bundesrepublik für sich selbst beansprucht. Denn lassen Sie uns doch nur auf die Genese des Zu- satzprotokolls zurückblicken: Die Bundesregierung hat bei der Erarbeitung des Protokolls eine aktive und kon- struktive Rolle gespielt. Und zu Recht lobte sich dafür die Bundesregierung selber, als sie im Juli 2008 in den 8. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschen- rechtspolitik schrieb, dass Deutschland sich für ein men- schenrechtsfreundliches, juristisch sauber gestaltetes und praktisch handhabbares Individualbeschwerdever- fahren eingesetzt habe. Wer aber ein Individualbe- schwerdeverfahren zum Sozialpakt vorantreibt, es dann aber Ländern wie Kongo oder Kasachstan – also Staaten, in denen die WSK-Rechte mit Sicherheit häufiger ver- letzt werden als bei uns – überlässt, dieses zu unterzeich- nen, der fördert nicht die eigene Glaubwürdigkeit. Wir sind es doch, die fremden Staaten stets ins Gewis- sen reden, die Menschenrechte seien unteilbar. Niemand bestreitet, dass es im Bereich der wirtschaftlichen, sozia- len und kulturellen Rechte beispielsweise in der Volks- republik China in den letzten Jahren Verbesserungen ge- geben hat. Aber stets fordern wir dann, dass dies nicht zulasten der bürgerlichen und politischen Rechte gesche- hen darf. Denn die Menschenrechte seien unteilbar. Und was ist mit uns? Die Individualbeschwerdemechanismen zum Zivilpakt und zu mehreren anderen Übereinkom- men, die die bürgerlichen und politischen Rechte betref- fen, hat die Bundesrepublik längst anerkannt. Warum dann nicht auf für die WSK-Rechte? Die einen behaupten immer noch, es könne womög- lich zu einer Beschwerdeflut kommen. Diese Sorge ist unbegründet. Zunächst einmal müssen der innerdeutsche und auch der europäische Rechtsweg erschöpft sein. Erst dann wäre eine Beschwerde zulässig. Wegen aller ande- ren Individualbeschwerdemechanismen wurden bislang 22 Beschwerden gegen Deutschland eingereicht. Wer da ernsthaft Angst vor einer Beschwerdeflut wegen einer zusätzlichen Beschwerdemöglichkeit hat, der hat auch Angst vorm bösen Wolf. Andere, wie etwa Herr Klimke von der Union, sehen die „Gesamtinteressen des deutschen Staates“ gefährdet. Vielleicht ist es das schlechte Gewissen, das an ihnen nagt. Pauschalierte Hartz-IV-Sätze für Kinder oder unso- z g b ru F ü d k s c e d w z ra In m s le g s u s d A B 2 s U a h g v w e tr b U te h d z P B a D (C (D iale Studiengebühren – möglicherweise könnte hierge- en irgendwann einmal eine Individualbeschwerde erho- en werden. Eventuell ist es ja das, was die Bundesregie- ng zögern lässt. Wer aber angesichts sozialrechtlicher ehler den von den Fehlern Betroffenen auch noch eine bergeordnete Beschwerdeinstanz versagen möchte, em ist der politische Kompass vollends abhanden ge- ommen – sowohl im Sozialen als auch bei der Rechts- taatlichkeit. Deutschland hat in den letzten Jahren die wirtschaftli- hen, sozialen und kulturellen Rechte stark gefördert, twa das Recht auf Wasser, das Recht auf Nahrung oder as Recht auf eine angemessene Unterbringung. Häufig ird uns dabei aber vorgehalten, die WSK-Rechte seien u abstrakt, zu unbestimmt und nicht praktikabel. Ge- de diesen Kritikern sollten wir entgegnen, dass es ein dividualbeschwerdeverfahren gebe. Denn Einzelfälle achen Probleme anschaulich, holen sie aus dem Ab- trakten ins Konkrete. Wie lange also möchten Sie noch prüfen? Bis der tzte Hartz-IV-Satz geändert und die letzten schwarz- elben Studiengebühren abgewählt worden sind? So chön dies wäre – lassen Sie uns nicht so lange warten nd unterzeichnen und ratifizieren Sie endlich das Zu- atzprotokoll! Wir stimmen dem Antrag der SPD zu und bitten Sie, ies ebenfalls zu tun. nlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Bundesbesol- dungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes 2010/2011 (BBVAnpG 2010/2011) (Tagesord- nungspunkt 20) Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Das undesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 010/2011 im Interesse der Beamten, aber auch der Ge- ellschaft auszugestalten, war eine schwere Aufgabe. nser Ziel ist es, den Staat gleichzeitig handlungsfähig, ber auch effizient zu gestalten. Effizienz heißt für die eutige Gesellschaft richtigerweise mehr denn je, Aus- aben zu reduzieren und Neuverschuldung möglichst zu ermeiden. Juristisch gesehen ist es eine nicht einfache Güterab- ägung, ganz praktisch ein Drahtseilakt: Einerseits gilt s, unseren Beamten die Wertschätzung und das Ver- auen entgegenzubringen, das sie wahrlich verdient ha- en. Sie managen tagtäglich erfolgreich diesen Staat. nd das ist im internationalen Vergleich ein nicht zu un- rschätzender Standortfaktor für unser Land. Deshalb at der Bund – bei allen Einsparungen der letzten Jahre – ie Tarifergebnisse des öffentlichen Dienstes regelmäßig eitnah auf die Beamtinnen und Beamte wie auch die ensionäre übertragen. Genau das werden wir mit dem undesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz uch für die Jahre 2010 und 2011 wieder vornehmen. as heißt, wir werden die Dienstbezüge um 1,2 Prozent 6608 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) zum 1. Januar 2010, weitere 0,6 Prozent zum 1. Januar 2011 und nochmals 0,3 Prozent zum 1. August 2011 an- heben. Für die Versorgungsempfänger haben wir das Ta- rifergebnis ebenfalls weitgehend übertragen. Lediglich die Einmalzahlung von 240 Euro haben wir als Beitrag zur Haushaltskonsolidierung verwandt; angesichts der Nullrunden bei den Rentenempfängern in den Jahren 2010 und 2011 ist das ein faires Ergebnis. Für mich sind diese Erhöhungen im Kontext zur aktuellen Haushaltssi- tuation ein echter Erfolg. Andererseits ist es in der Regierungskoalition völlig unstreitig, dass auch der Staat selbst seinen Solidarbei- trag zur Haushaltskonsolidierung beizusteuern hat. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns eine erfolgrei- che Bekämpfung einer in dieser Dimension nicht vorher- sehbaren Weltwirtschaftskrise. Die Kasse in Ordnung zu bringen, das Land weiterhin erfolgreich aus der Krise zu führen und am Ende die Schuldenbremse einzuhalten, betrachten wir als unsere erste Pflicht. Deshalb haben wir uns entschlossen, dass der für Ja- nuar 2011 vorgesehene Einbau eines Teils der Sonderzah- lung, sogenanntes Weihnachtsgeld, in das Grundgehalt – anders als im Dienstrechtsneuordnungsgesetz vorgese- hen – nicht wirksam werden soll. Auf diese Weise tragen die Bezügeempfänger des Bundes mit jährlich etwa 500 Millionen Euro zur Haushaltskonsolidierung bei. Herr Professor Dr. Pechstein stellte als Sachverständiger in der Anhörung fest, dass der Vertrauensschutz bei die- ser weiteren Aussetzung der Sonderzahlung verfas- sungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Aber ohne drum herumzureden: Der Koalition und gerade mir ist sehr bewusst, dass wir die im Hinblick auf das Wiederaufleben der Sonderzahlung im Jahr 2005 ge- gebene Zusage an die Beamten nicht einhalten und ge- fühltes Vertrauen strapazieren. Aber es war am Ende ein Abwägungsprozess, in dem wir uns an dieser Stelle für die Finanzverantwortung des Staates entscheiden muss- ten. Ich stehe zu dieser Entscheidung, fühle mich für sie verantwortlich und habe sie mir nicht leicht gemacht. Von daher hatten und haben die inszenierten Entrüs- tungen der Opposition in den vergangenen Monaten na- türlich keinen Beitrag zu unserer schwierigen Entschei- dungsfindung geliefert. Im Gegenteil: Sie haben sie allenfalls verzögert. Regierungspolitik beginnt immer mit dem Betrachten der Wirklichkeit; wohl deshalb hat der SPD-Wirtschaftsfachmann Rainer Wend im Novem- ber 2005 die Kürzung der Sonderzahlungen seinerzeit als angemessen bezeichnet. Ich zitiere: „Im Privatsektor haben viele Arbeitnehmer Einbußen beim Weihnachts- geld hinnehmen müssen, zum Teil bis auf Null“, sagte Wend. Angesichts der „extrem hohen Pensionslasten“ müsse gehandelt werden. An dieser Stelle möchte ich noch ergänzen, dass es auch in nicht CDU-geführten Bundesländern wie zum Beispiel Berlin, Brandenburg und Bremen einige Beamtengruppen gibt, die bei der Frage der Sonderzahlungen schlechter gestellt werden als die Bundesbeamten nach diesem Gesetz. Auch die in der Anhörung kritisierte einseitige Be- nachteiligung der Beamten gegenüber den Tarifbeschäf- tigten bei der weiteren Aussetzung der Sonderzahlung ist z g k g n w D V R D li d in d S V 1 E n D s g u b te K n m n b u m h p e d m n li s S w d P D s a M fe v ti G re V m (C (D u oberflächlich gedacht. Beleuchtet man alle Beschäfti- ungsbedingungen beider Gruppen im Detail, so wird ein Tarifbeschäftigter des Bundes eine Bevorteilung ge- enüber den Beamten feststellen können und schon gar icht empfinden. Deutschland hat in Europa in einer schwierigen Lage ieder einmal die „Lokomotivfunktion“ übernommen. ie Gründe dafür liegen auf der Hand: weil wir in der ergangenheit viele teils unbequeme, aber notwendige eformen vollzogen haben. Hier hat sich der öffentliche ienst nie ausgenommen, auch wenn dies in der Öffent- chkeit selten genug so dargestellt wird. Ich erinnere an ie Erhöhung der Arbeitszeit um 6,4 Prozent, das heißt der Regel gibt es die 41-Stunden-Woche, den Wegfall es Urlaubsgeldes seit 2004, die Kürzung der jährlichen onderzahlung von 60 Prozent auf 30 Prozent und den erzicht auf Inflationsausgleich bei Lohn und Gehalt seit 998. Warum zähle ich das auf? Ich mache zunehmend die rfahrung, dass immer mehr Arbeitnehmer und Unter- ehmer der Privatwirtschaft sowie des öffentlichen ienstes, Gewerkschaften und Berufsverbände, aber be- onders unsere Beamten jenseits finanzieller Erwägun- en auch stolz darauf sind, durch verantwortungsvolle nd moderate Tarifpolitik mit dazu beigetragen zu ha- en, dass Deutschland diese Krise so überragend meis- rt. Genau so bewahren wir die Bundesrepublik vor onsequenzen, wie sie einige unserer europäischen Part- er erlebt haben oder noch erleben werden. Daher habe ich mich mit aller Kraft dafür stark ge- acht, dass der ausstehende Teil der Sonderzahlung icht endgültig gestrichen, sondern bis zum 31. Dezem- er 2014 weiter ausgesetzt wird. Das ist für mich ganz nd gar kein Placebo, sondern vielmehr ein Signal. Wir üssen in den kommenden Jahren die im Bundes- aushalt zweifellos vorhandenen finanziellen Einspar- otenziale zielgerichteter identifizieren und nutzen. Das rfordert mehr strukturelle und weniger punktuelle Mo- ernisierungsanstrengungen im öffentlichen Dienst. Ziel uss es sein, Einsparvolumina, wie die jetzt beschlosse- en 500 Millionen Euro jährlich, künftig innerbehörd- ch auf verlässliche Weise zu erwirtschaften. In den kommenden Jahren werden sich privatwirt- chaftliche Unternehmen in direkter Konkurrenz zum taat, besonders im Bereich der Natur- und Ingenieur- issenschaften, um den Nachwuchs bewerben. Deshalb ürfen wir uns nicht durch dauerhafte Einschnitte im ersonalbereich ein Attraktivitätsproblem verschaffen. ie weitere befristete Aussetzung soll daher den Ein- tieg ermöglichen, ab 2015 die Sonderzahlung wieder uf ein Niveau zu führen, das uns im Wettbewerb am arkt bestehen lässt. Die von einigen Sachverständigen innerhalb der öf- ntlichen Anhörung, aber auch von Verbandsvertretern orgeschlagenen Maßnahmen zur Steigerung der Attrak- vität im öffentlichen Dienst sind aus systematischen ründen nicht Bestandteil dieses Gesetzgebungsverfah- ns. Gleichwohl sichere ich Ihnen hinsichtlich dieser orschläge weitere Gesprächsbereitschaft zu. Sie haben it Ihren Darlegungen dafür gesorgt, dass sich diese Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6609 (A) ) )(B) parlamentarische Tür in der Regierungskoalition wieder ein Stück weiter geöffnet hat. Lassen Sie mich zum Schluss noch anmerken: Im 20. Jahr der Einheit dürfen wir auf die Situation der Be- amten stolz sein: Sie sind eine der ersten und eine der wenigen Berufsgruppen in Deutschland, bei denen wir seit fünf Jahren, also seit der letzten Besoldungsanpas- sung, die Angleichung der Gehälter von Ost und West erfolgreich vollzogen und mit diesem Gesetz weiterhin manifestiert haben. Hoffen wir auf die Vorbildwirkung für weitere Tarifverträge und eine bessere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Mit dem Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpas- sungsgesetz übertragen wir das Tarifergebnis auf die Dienst- und Versorgungsbezüge. Wir stellen also die Be- amten, Richter, Soldaten und Versorgungsempfänger besser. Daher kann man diesem Gesetz nur zustimmen. Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Wer schnellen und leichten Applaus sucht, der schimpft gerne auf faule und überbezahlte Beamte. Mit der Reali- tät hat dies jedoch nichts zu tun. Polizistinnen und Poli- zisten, Soldatinnen und Soldaten und die vielen anderen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes leisten einen wertvollen, sachkompetenten und engagierten Einsatz für unser Land, unter Umständen sogar unter Einsatz des eigenen Lebens. Ohne gute Beamtinnen und Beamte wäre unser Land nicht so sicher, hätten wir die Finanz- marktkrise nicht bewältigt und könnten weder Gesetze vorbereiten noch durchführen. Wir sollten ihnen also lie- ber danken für ihre Arbeit, anstatt sie ständig zum Sün- denbock zu degradieren. Es ist daher grundsätzlich gut, dass auch sie vom Tarifergebnis im öffentlichen Dienst des Bundes profi- tieren. In drei Schritten erfahren sie eine Erhöhung ihrer Bezüge. Sie haben in der Vergangenheit ihren Beitrag zur Konsolidierung der Staatsfinanzen getragen. Wenn wir in Zeiten schärfer werdender Konkurrenz um Ar- beitskräfte gegenüber der gewerblichen Wirtschaft mit den Tarifstrukturen des öffentlichen Dienstes konkur- renzfähig bleiben wollen, dann können wir nicht alleine auf die durchaus auch bei jungen Menschen vorhandene Bereitschaft zum Dienst für unseren Staat hoffen. Wir müssen sie auch anständig und angemessen dafür bezah- len. Deshalb wird sich nach all dem, was wir dem Beam- tenbereich auch in sozialdemokratischer Regierungszeit bereits zumuten mussten, die jetzige Planung fatal aus- wirken. Denn hier wird massiv und sehenden Auges Ver- trauen gebrochen. In der großen Koalition hatten wir befristet bis zum Ende dieses Jahres die Sonderzahlungen – das soge- nannte Weihnachtsgeld also – von 60 auf 30 Prozent ge- kürzt, ein schwerer Brocken für alle Betroffenen, den sie aber schulterten in der Gewissheit, dass dies nun wieder anders wird. Das wird es auch, aber eben nur für die Ta- rifbeschäftigten. Die Schere zwischen Beamtinnen und Beamten und den übrigen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes geht damit also noch weiter auseinander. Lo- gisch lässt sich dies nicht begründen, wohl aber damit, dass die verbeamteten Beschäftigten leichte Opfer sind. D tr te h e re te K V ra c v d 5 v is e u d S v M k d E g H s le c w d s li d m B s B w s B g g F P fü D P a ru m S w (C (D as ist kein gutes Signal. Wir können uns bei all den be- offenen Beschäftigten nicht ständig mit warmen Wor- n bedanken für ihre Arbeit und sie dann so schäbig be- andeln. Obwohl es nur für den Bund gilt, hat dies auch ine Signalwirkung auf die Länder. Bayern kommt be- its aus der Deckung. Alle Gutachter – auch die von Schwarz-Gelb benann- n – haben in der Anhörung am Montag das Agieren der oalition scharf kritisiert. Nirgendwo wurde auch nur erständnis geäußert; dennoch geht die Koalition igno- nt über jeden Expertenrat hinweg. Das wird sich rä- hen. Denn jede bemühte Erklärung greift nicht. Wenn on Union und FDP das Einsparargument als Begrün- ung genannt wird, dann halten wir dem entgegen: Die 00 Millionen Euro aus einem Gesamthaushaltsvolumen on über 300 Milliarden Euro, von denen hier die Rede t, hätten sie mal besser bei all ihren Steuergeschenken ingespart. Der Schaden, den sie bei den Beamtinnen nd Beamten auslösen, ist ungleich höher. Die FDP mag och stattdessen lieber einmal ihr sogenanntes liberales parbuch hervorkramen. Dort war ja noch die Rede da- on, weniger Staatssekretäre zu halten und sogar ein inisterium ganz einzusparen. Das Gegenteil ist ja be- anntlich geschehen. Sie sollten sich daher doppelt und reifach für diesen massiven Vertrauensbruch schämen. rklären können sie ihn jedenfalls niemandem und nir- endwo. Nun versucht sich ja die Koalition zu retten mit dem inweis, man werde in 2015 – dann aber ganz be- timmt – das Weihnachtsgeld wieder in alter Höhe zah- n. Mal ganz abgesehen davon, dass dies ein Verspre- hen für die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl äre: Wer soll Ihnen das eigentlich noch glauben, nach- em Sie jetzt so agieren, wie Sie agieren? Schlimm ist nicht nur, was Sie da beschließen wollen, ondern auch wie das alles geschieht. Da wurden münd- che Änderungsanträge im Ausschuss gestellt, die dann och wieder zurückgezogen wurden; der Bundesinnen- inister – also der Verfassungsminister – schreibt seinen eschäftigten, dass alles so beschlossen und verkündet ei, während der Bundestag noch nicht einmal mit den eratungen begonnen hatte. Das spricht Bände. Wie ollen Sie da noch Loyalität von Beamten erwarten? Der Gutachter der Union hat während der Anhörung ehr richtig festgestellt, dass es nicht nur eine Treue der eamtinnen und Beamten gegenüber dem Dienstherren ebe, sondern genauso eine Treue des Dienstherren ge- enüber seinen Beamtinnen und Beamten. Das ist eine rage von Verfassungsqualität. „Schnoddrig“ – ich zitiere erneut Ihren Gutachter rofessor Pechstein – wurde obendrein die Wiederein- hrung der Versorgungsrücklage ins Gesetz gepackt. eren Erforderlichkeit wurde entgegen der gesetzlichen flicht dazu nicht geprüft. Schlechtes Handwerk also uch das. Ebenso fehlt jegliche Begründung und Erklä- ng dafür, warum die Versorgungsempfänger die Ein- alzahlung in Höhe von 240 Euro nicht erhalten sollen. o viel sind Ihnen also die Ehemaligen in Wirklichkeit ert. Reden auf Weihnachtsfeiern sollten Sie von der 6610 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) Koalition und Sie, Herr Innenminister, lieber nicht mehr halten. Lassen Sie mich abschließend noch einen weiteren Aspekt ansprechen: Mit 10 000 Beamtinnen und Beam- ten weniger wollen Sie auskommen. Sie sparen also nicht nur bei den im Dienst Befindlichen. Sie wollen de- ren Zahl gravierend weiter reduzieren. Ich warne vor diesem Schritt. Stress und Arbeitsverdichtung haben überall zugenommen. Laut einer Studie über die Bun- despolizei liegt dort die Burn-Out-Quote dramatisch über 30 Prozent. Wer also im öffentlichen Dienst immer mehr reduziert, der nimmt in Kauf, dass die jetzt noch hohe Qualität staatlichen Handelns sinkt, und hofft auf Selbstausbeutung. Ist das verantwortungsvoll? Oder wollen Sie sogar, dass mehr und mehr von Externen in- nerhalb und außerhalb der Ministerien Gesetze vorberei- tet werden? Dann wären wir endgültig in der Lobbyis- tenrepublik angekommen. Dr. Stefan Ruppert (FDP): Der Gesetzentwurf und der von den Koalitionsfraktionen dazu eingereichte Än- derungsantrag hat für viel Aufregung unter den Betroffe- nen gesorgt. Dies liegt nicht nur an der Tatsache, dass in dem Änderungsantrag die Wiedereinführung des gekürz- ten Weihnachtsgeldes auf Ende 2014 verschoben wird. Auch der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens hat zu Ir- ritationen geführt. Lassen Sie mich zunächst ein paar Worte zum Ablauf des Gesetzgebungsprozesses sagen: Ja, es war ein langes Verfahren, und der nachträglich eingebrachte Ände- rungsantrag hat auch unter den Mitgliedern des Bundes- tages selbst für Unruhe gesorgt. Umso zufriedener bin ich nun, dass wir den Gesetzentwurf mit dem Ände- rungsantrag in zweiter und dritter Lesung heute abschlie- ßen können. Der Gesetzentwurf übernimmt die Kernpunkte des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst, der am 27. Fe- bruar 2010 vereinbart worden ist. Dieser Einigung sind zähe Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Ge- werkschaften vorausgegangen. Mit dem vorliegenden Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 2010/2011 erfolgt nun das, was allgemein als „guter Brauch“ gilt: Die Ergebnisse des Tarifabkommens wer- den zeit- und inhaltsgleich auf die rund 36 000 Beamten des Bundes übertragen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass sich die Dienst- und Versorgungsbezüge rückwirkend ab dem 1. Januar 2010 um 1,2 Prozent erhöhen werden. Ab dem 1. Januar 2011 ist analog zu den Tarifbeschäftigten eine Erhöhung um 0,6 Prozent und ab dem 1. August dann um nochmals 0,3 Prozent vorgesehen. Auch die Einmalzahlung wurde auf die Beamten übertragen: Empfänger von Dienstbezügen erhalten im Januar 2011 240 Euro, Anwärter bekommen 50 Euro. Diese Übertragung der Tarifregelungen des öffentlichen Diens- tes auf die Beamten ist notwendig, um eine Benachteili- gung der Beamten zu verhindern. Besonders vonseiten der Gewerkschaften wurde kritisiert, dass die Einmal- zahlungen nicht wie eigentlich üblich auf die Versor- gungsempfänger übertragen werden. Diese Nichtüber- tragung muss jedoch unter dem Gesichtspunkt einer p h h n d g W g te J w Ä n s g d te in d a n p N te M v g fe g 8 D d m v g ü k N g N o M d te n p d Z w d c g d is w a (C (D arallelen Entwicklung von Renten und Pensionen gese- en werden. Da wir im Rentenbereich nur geringe Erhö- ungen erwarten, muss auch die Steigerung der Pensio- en angemessen erfolgen. Lassen Sie mich nun zu dem Punkt kommen, der unter en betroffenen Beamten für die größten Verstimmungen esorgt hat: der Verschiebung der Wiedereinführung des eihnachtsgeldes. Mit dem Dienstrechts-neuordnungs- esetz wurde das Weihnachtsgeld in das Grundgehalt in- griert. Ab Januar 2011 sollten diese von 2006 an für fünf ahre halbierten Sonderzahlungen wieder ausgezahlt erden. Diese Zusage müssen wir mit dem vorliegenden nderungsantrag zurücknehmen. Dieser Schritt ist uns icht leicht gefallen, weil auch wir ungerne gegebene Zu- agen nicht einhalten. Aber das Sparpaket der Bundesre- ierung hat uns konkrete Einsparsummen vorgegeben. Zu iesen Sparbemühungen müssen alle einen Beitrag leis- n, auch die Beamten. Eine Ausnahme der Beamten hätte der öffentlichen Wahrnehmung das unzutreffende Bild es überversorgten Staatsdieners gestärkt. Ich habe mich uch vehement gegen Sonderregelungen beim Weih- achtsgeld für bestimmte Besoldungs- oder Berufsgrup- en ausgesprochen: Sonderregelungen führen zu einer ivellierung der Besoldungsgruppen und stellen ein sys- mwidriges Vorgehen dar. Mit den Maßnahmen des Änderungsantrages können ehrausgaben von rund 500 Millionen Euro jährlich ermieden werden. Und auch wenn sich die Wirtschaft erade erholt und die Konjunktur anzieht, darf die öf- ntliche Hand nicht vorschnell wieder mehr Geld aus- eben. Im Finanzplan des Bundes sind für dieses Jahr 0 Milliarden Euro Nettoneuverschuldung vorgesehen. ie im Grundgesetz vorgeschriebene Schuldenbremse, ie eine Begrenzung der Nettokreditaufnahme von maxi- al 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ab 2016 orsieht, kann nur durch intensive Sparbemühungen ein- ehalten werden. Eine konjunkturelle Komponente ist brigens bei der Schuldenbremse bereits integriert. In onjunkturell schlechteren Zeiten ist zwar eine höhere euverschuldung erlaubt, in konjunkturell besseren und uten Zeiten wird aber eine stärkere Rückführung der euverschuldung durch verschärfte Sparanstrengungen der Mehreinnahmen verlangt. In der Anhörung des Innenausschusses am letzten ontag ist eines deutlich geworden: Die Verschiebung es Weihnachtsgeldes wurde als Vertrauensbruch bewer- t. Ja, wir mussten die 2005 gegebene Zusage zurück- ehmen, aber leider sind gerade finanz- und wirtschafts- olitische Entwicklungen, die einen großen Einfluss auf en Haushalt haben, nicht immer über einen so langen eitraum vorhersehbar. Die Schuldenbremse beispiels- eise ist erst 2009 im Grundgesetz festgeschrieben wor- en. Umso mehr danke ich allen Beamten, die in Gesprä- hen ein gewisses Verständnis für unsere Entscheidung eäußert haben. Der Vorwurf, dass durch diese Kürzungsmaßnahmen ie Attraktivität des öffentlichen Dienstes beseitigt wird, t nicht haltbar. Wegen des gekürzten Weihnachtsgeldes ird sich niemand für oder gegen den Eintritt in ein Be- mtenverhältnis entscheiden. Um die Attraktivität zu er- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6611 (A) ) )(B) höhen, sollten lieber andere inhaltliche Dinge angegan- gen werden. Für mich stehen hierbei Fragen wie die der Portabilität, das heißt der Möglichkeit der Mitnahme von Versorgungsansprüchen bei einem Wechsel vom Beam- tenverhältnis in die Wirtschaft, an erster Stelle. Deshalb rate ich Ihnen, die Aufregungen der vergangenen Mo- nate durch Zustimmung zum Gesetzentwurf und zu dem Änderungsantrag jetzt zu beenden. Frank Tempel (DIE LINKE): Zunächst haben Sie mich vor der Sommerpause erst einmal überrascht. Nur wenige Wochen nach der Tarifeinigung im öffentlichen Dienst lag uns der Gesetzentwurf zum Versorgungs- und Besoldungsanpassungsgesetz 2010/2011 vor, und der ebenso schnellen Übertragung auf den Beamtenbereich sollte dann wohl nichts mehr im Wege stehen. Aber sehr schnell haben Sie das Bild, das man von dieser Regie- rungskoalition haben muss, wieder in gewohnte Formen gesetzt. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Übertragung des Tarifergebnisses im öffentlichen Dienst auf die Beamtin- nen und Beamten wird durch die Linke grundsätzlich be- grüßt. Die lineare Anpassung erfolgt inhaltsgleich und auch, das wollen wir positiv bemerken, zeitgleich. Wie im Tarifabschluss vorgesehen, wird es erneut eine Al- tersteilzeit geben. Das war notwendig und wird von der Linken unterstützt. Drei Schwächen des Gesetzentwurfes möchte ich je- doch herausgreifen. Versorgungsempfängerinnen und -empfänger sollen, so der Wille der Bundesregierung, von der Einmalzah- lung ausgeschlossen bleiben. Die Begründung hierfür, dass sie somit einen weiteren Beitrag zur Stabilisierung der Versorgungskosten leisten sollen, geht wohl an einer logischen Argumentation weit vorbei. Stabilisierung kann nur bei einem langfristigen Effekt hervorgerufen werden. Also noch einmal zum Zuhören: Einmalzahlung – Langfristigkeit? Sie werden mir recht geben müssen, da passt irgendetwas nicht zusammen. Des Weiteren sieht die Linke die Wiedereinführung der Versorgungsrücklage ab 1. August 2011 skeptisch. Die Erhöhung von Versorgung und Besoldung im Ver- gleich zum Tarifabschluss wird 0,2 Prozent niedriger ausfallen. Warum diese Wiedereinführung kommen soll, ohne dass die dafür vorgesehene Überprüfung im Zu- sammenhang mit einem tragfähigen Versorgungskonzept erfolgt ist, haben sie nicht beantwortet. Befürchten sie, dass diese Überprüfung anders ausfällt, als sie das wün- schen? Drittens, Sie führen zwar eine Altersteilzeitregelung ein, haben diese aber weder attraktiv noch für jeden nutzbar ausgestaltet. Zum Beispiel kommt ein Beamter bei Inanspruchnahme dieses Modells nun nur noch auf 70 Prozent des Nettogehaltes im Vergleich zu einem Vollzeitbeschäftigten. Das waren vorher noch 83 Pro- zent. Zusammengefasst: Dem ursprünglichen Gesetzentwurf hätte die Linke zustimmen können, eine Zustimmung mit Bauchschmerzen, denn die bereits enthaltenen Kürzun- g b te S m s fi h h D h s v E In m g E h g A g fu ti d d fe u n g te s je e te ti u te ra w d s T Ih S S s ru N b S (C (D en sind weder sozial gerecht noch sachlich nachvollzieh- ar. Nun zu ihrem Änderungsantrag. Die in ihm enthal- ne Forderung nach einer Fortführung der Kürzung der onderzahlung in der Beamtenbesoldung, also des ehe- aligen Weihnachts- und Urlaubsgelds, lehnen wir ent- chieden ab. Es handelt es sich hierbei nicht nur um eine nanzielle Angelegenheit, wie sie spätestens bei der An- örung zur Bundesbesoldung am Montag mitbekommen aben sollten. Beamte stehen nach Art. 33 des Grundgesetzes zum ienstherrn in einem „besonderen Dienst und Treuever- ältnis“, einer Beziehung, die auf Vertrauen beruhen ollte. Ein Vertrauen, das Sie meine Damen und Herren on CDU, CSU und FDP, für jährlich 500 Millionen uro verkaufen. Dank der Opposition gab es eine Expertenanhörung im nenausschuss, bei der Fachleute noch einmal Argu- ente von allen Seiten zum Gesetzentwurf und den ein- ebrachten Änderungsvorschlägen liefern sollten, eine xpertenrunde, zu der jede Fraktion Vertreter benannt at. Man hätte also erwartet, zumindest Ansätze von Ar- umenten auch für die Regierungsabsichten zu erhalten. ber Argumente für eine Wiedereinführung der Versor- ungsrücklage ohne die notwendige vorherige Überprü- ng waren nicht zu hören. Argumente für die Nachhal- gkeit der Herausnahme der Versorgungsempfänger aus en Einmalzahlungen waren nicht zu hören. Argumente, ie einen Vertrauensbruch gegenüber den Beamten recht- rtigen, waren nicht zu hören. Selbst Sie, meine Damen nd Herren von den Regierungsfraktionen, konnten kei- en Experten benennen, der das leisten kann. Unsere Fraktion wird trotz aller Grausamkeiten nicht egen den Gesetzentwurf stimmen, sondern sich enthal- n. Wir wollen, dass die Übertragung des Tarifergebnis- es im öffentlichen Dienst vollzogen werden kann. Dem tzigen sozialen Amoklauf der Regierung würden bei iner Ablehnung und Neuregelung des Gesetzes die letz- n positiven Maßnahmen zum Opfer fallen. Sehr geehrte Damen und Herren der Regierungsfrak- onen, besuchen Sie weiter die Delegiertenkonferenzen nd Podiumsdiskussionen der Beamtinnen und Beam- n! Sprechen Sie weiter von Wertschätzung und hervor- genden Ergebnissen! Wundern Sie sich aber nicht, enn genau diese Beamtinnen und Beamten sich dabei ie Taschen zuhalten. Erstens greifen Sie in diese Ta- chen – zu oft und zu tief. Zweitens hauen Sie denen die aschen im sprichwörtlichen Sinne oft genug voll! Wer soll Ihnen noch etwas glauben, und was soll man nen noch glauben? Etwa, dass die erneute Kürzung der onderzahlung nun tatsächlich 2015 ausläuft? Ich denke, ie glauben selbst nicht mehr daran, auch unter dem Ge- ichtspunkt, dass es 2015 keine schwarz-gelben Regie- ng mehr geben wird. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- EN): Die Anpassung der Dienst- und Versorgungs- ezüge der Beamtinnen und Beamten im Bund, sowie oldatinnen und Soldaten in Anlehnung an den Tarifab- 6612 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) schluss für die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes war eigentlich beschlossene Sache. Das hatte der Bundesinnenminister den betroffenen Beamten nicht nur versprochen, sondern das ist gute Übung und ist auch rechtlich weitgehend so verankert. Die Bundesre- gierung ist dabei, dieses Versprechen nicht zu halten, und zwar unter bemerkenswerten, wenig schmeichelhaf- ten Umständen. Grund dafür ist der Änderungsantrag der Regierungsfraktionen, mit der das Wiederaufleben der vollständigen Weihnachtsgeldzahlung nach einer fünf- jährigen Aussetzung erneut bis 2015 gestoppt werden soll, sowie die Ausnahme der Versorgungsempfängerin- nen und -empfänger von der Einmalzahlung für 2011. Dazu – vermutlich unter Betonung der Verwerflich- keit dieses Verhaltens – werden heute eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen noch mehr sagen. Deswegen von mir dazu nur so viel: Es ist richtig, dass wir es hier mit einem offenkundigen politischen Wortbruch von Schwarz-Gelb zu tun haben, und es ist völlig zutreffend, wenn in diesem Zusammenhang von einem ernst zu neh- menden Vertrauensschaden der Bundesregierung bei den betroffenen Bundesbeamten und -beamtinnen gespro- chen wird. Und dieser Vertrauensschaden darf auch nicht auf die leichte Schulter genommen werden; denn er wirkt sich im Beschäftigungsverhältnis oft ganz unmit- telbar auf die Arbeitsmotivation und damit nicht uner- heblich auch auf die Gesamtsituation der Bundesverwal- tung aus, einer Bundesverwaltung, die unstreitig mit immer weniger Personal immer mehr Aufgaben bewälti- gen muss. Meine Damen und Herren von der Regierungskoali- tion, mit bloßem Sparen um des Sparens willen, ohne das erforderliche Augenmaß, ist niemandem geholfen. Damit man mich nicht falsch versteht: Verfassungswidri- ges Verhalten wird man Ihnen nicht vorwerfen können, und ich verwehre mich in der Sache auch nicht grund- sätzlich dagegen, dass man über Modifizierungen oder auch Kürzungen bei der Beamtenbesoldung und -versor- gung nachdenkt. Kopfschütteln aber verdient, dass Sie sich nicht einmal gezwungen sehen, den Wortbruch, das heißt die weitere, hälftige Aussetzung der Sonderzah- lung, näher als mit der dürren und nichtssagenden Erklä- rung, eben „Geld sparen zu müssen“, zu begründen. Ein wenig Nachdenken sollte Sie jedoch dazu führen, dass, wenn man an dieser Stelle den Haushalt entlasten will, behutsam und sozial verträglich vorgegangen wer- den muss. Darum plädiere ich im Hinblick auf die Son- derzahlung für einen degressiven Ansatz, der die Be- diensteten der unteren und mittleren Besoldungsgruppen die weitere Aussetzung deutlich weniger spüren lässt und den höheren noch ein Plus, wenn auch ein sehr ge- ringes, bringen würde. In einer solchen Verfahrensweise wurde ich bei der Anhörung am Montag im Grundsatz vom Sachverständigen Bäumer bestätigt, gewiss immer unter der Voraussetzung, dass das Sparen an dieser Stelle hinreichend und schlüssig begründet wird. Meine Aus- führungen gelten im Übrigen analog für die Nichtbe- rücksichtigung der Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger bei der Einmalzahlung 2011. d n g li n b s k e s s d s v s T d e g d d e e ru m d ti z w s d G d li h ri B c T b w fä ü z H m te s R d s B z d (C (D Gleichwohl, verehrte Kolleginnen und Kollegen von er SPD, ist es vernünftig, die Kritik insbesondere dann icht zu überziehen, wenn man selbst, wie Sie als Mit- lied in der schwarz-roten Vorgängerregierung, inhalt- ch genau dieses Vorgehen politisch mitgetragen hat, ämlich das fortgesetzte planlose Ad-hoc-Herumsparen ei den Beamtinnen und Beamten nach aktueller Kas- enlage. Niemand bestreitet, dass die massive Finanz- rise den Bundeshaushalt zusätzlich belastet. Angesichts ines Finanzierungsdefizits von 33 Milliarden Euro aber tellt sich die Frage, ob ausgerechnet ein schon ge- chnürtes Paket geöffnet werden musste, mit dem bereits argelegten Flurschaden für die zunehmend knappe Res- ource Vertrauen sowie angesichts einer Einsparsumme on 500 Millionen Euro, die im Hinblick auf die Ge- amtdefizitsumme bedauerlicherweise lediglich einen ropfen auf den heißen Stein darstellt. Dabei weist der vorgelegte Entwurf des Bundesbesol- ungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes zumindest inen Gesichtspunkt auf, den wir unter Nachhaltigkeits- esichtspunkten durchaus begrüßen und der zumindest em Ansatz nach ein Konzept erkennen lässt: Die Wie- eraufnahme der Versorgungsrücklage stellt immerhin inen, wenn auch allein nicht ausreichenden Beitrag zu iner nachhaltigen, der demografischen Herausforde- ng der kommenden Jahre gerecht werdenden und da- it generationengerechten Neustrukturierung zumin- est der Versorgungsbezüge dar. Wie aber kann die Altersversorgung auch für zukünf- ge Generationen gesichert werden? Das ist eine der entralen, wenn nicht die alles entscheidende Frage, der ir uns auch und gerade mit Blick auf die Beamtenver- orgung stellen müssen. Auf Bundesebene sieht es hier ank der vor nunmehr gut zwölf Jahren getroffenen rundentscheidung, eine Versorgungsrücklage zu bil- en, vergleichsweise gut aus, auch wenn hier womög- ch, worauf der Sachverständige Bäumer hingewiesen at, aufgrund zu positiver Zahlen in den Versorgungsbe- chten der Bundesregierung falsch kalkuliert wurde. In vielen Bundesländern sieht es dagegen düster aus. eispiele: Schleswig-Holstein: Kosten für Versorgung 2010 irca 900 Millionen Euro, 2020 circa 1,3 Milliarden Euro; hüringen: 2009 circa 50 Millionen Euro, Verdopplung is 2013. Wissenschaftlichen Prognosen nach zu urteilen, ird die Zahl der Versorgungsempfängerinnen und -emp- nger in den Ländern und Gemeinden im Jahre 2020 auf ber 1 Million wachsen, Tendenz für die folgenden Jahr- ehnte weiter steigend. Angesichts der Größenordnung dieser politischen erausforderung drängt sich der Widerspruch zur klein- ütigen Werkelei an den Beamtenbezügen und Beam- npensionen, wie sie auch heute mit dem Beamtenbe- oldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz von dieser egierung dokumentiert wird, geradezu auf. Es kann em Bund nicht egal sein, wenn sich die Schere zwi- chen den Beamtenversorgungen der Länder und des undes weiter öffnet und die sich abzeichnenden Finan- ierungslücken bedrohliche Ausmaße annehmen. Ähnliches gilt für die zukunftsgerechte Strukturierung er Dienstbezüge. Gerade weil wir auch hier alle in der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6613 (A) ) )(B) Pflicht sind, angemessene dienstrechtliche Konzepte vorzulegen, sei es auf Bundes- oder Landesebene, ist es unerlässlich, ernsthaft und auch ergebnisoffen darüber zu diskutieren, wie die Zukunft des öffentlichen Diens- tes insgesamt aussehen soll. Dabei stellt sich die Frage: Wie kann die gegenwärtig hohe Qualität bei der Aufga- benerfüllung aufrechterhalten, wie können die Attrakti- vität der Tätigkeiten als auch die Motivation sowohl für die Anwärterinnen und Anwärter als auch für die gegen- wärtige Beamtenschaft gesteigert werden – auch und ge- rade angesichts eines verschärften Wettbewerbes um qualifizierte Beschäftigte auf dem Arbeitsmarkt? Es stellt sich aber vor allem auch die Frage: Wie kann die Vergütung einer Tätigkeit im Dienste der Öffentlich- keit, für den Staat, auf lange Sicht generationengerecht finanziert werden? Zahlreiche Beiträge zur Reformde- batte liegen auf dem Tisch; zusätzlich müssen neue An- sätze diskutiert werden. Meine Damen und Herren der Koalition, die gegen- wärtige Konzeptionslosigkeit der Regierung erscheint angesichts der geschilderten Herausforderungen besorg- niserregend. Auch aus diesem Grunde, nicht nur weil ihre Anpassungen – außer dem gebotenen politischen Anstand gegenüber den Tarifpartnern und der Beachtung der sozialen Komponente – auch den notwendigen poli- tischen Weitwinkel vermissen lassen, stimmen wir Ihrem Gesetzentwurf in der vorgelegten Fassung nicht zu. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 17. Februar 2010 zwischen der Bundes- republik Deutschland und der Arabischen Republik Syrien zur Vermeidung der Dop- pelbesteuerung und Verhinderung der Steu- erverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen – Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Februar 2010 zwischen der Bundes- republik Deutschland und Malaysia zur Ver- meidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen – Entwurf eines Gesetzes zum Abkommen vom 25. Januar 2010 zwischen der Bundes- republik Deutschland und der Republik Bul- garien zur Vermeidung der Doppelbesteue- rung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen – Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 30. März 2010 zwischen der Bundesre- publik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf d ti b d fü m b g b s D G A h z n b D p ru s d W Q z k g ri ru „ in d V te te (C (D dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen – Entwurfs eines Gesetzes zu dem Änderungs- protokoll vom 21. Januar 2010 zum Abkom- men vom 11. April 1967 zwischen der Bundes- republik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteue- rungen und zur Regelung verschiedener an- derer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen ein- schließlich der Gewerbesteuer und der Grund- steuern sowie des dazugehörigen Schlusspro- tokolls in der Fassung des Zusatzabkommens vom 5. November 2002 (Tagesordnungspunkt 22) Manfred Kolbe (CDU/CSU): Dem Deutschen Bun- estag liegen heute fünf Gesetzesentwürfe zur Ratifika- on von überarbeiteten Doppelbesteuerungsabkommen zw. zu einem Änderungsprotokoll vor. Grundsätzlich dienen Doppelbesteuerungsabkommen azu, die doppelte Besteuerung in den Vertragsstaaten r Unternehmen und Privatpersonen zu vermeiden. Da- it kann die internationale wirtschaftliche Zusammenar- eit verbessert und können Investitionshemmnisse auf- rund einer doppelten Steuerlast abgebaut werden. Mit den Ländern Syrien, Bulgarien, Malaysia, Groß- ritannien und Belgien wird nach dem heutigen Ab- chluss des Gesetzgebungsverfahrens noch besser die oppelbesteuerung nach OECD-Standard vermieden. leichzeitig ist mit besagten Ländern ein verbesserter ustausch in Steuersachen vereinbart, sodass wir mit der eutigen Ratifizierung dieser Abkommen Steuerhinter- iehung noch wirksamer und effektiver bekämpfen kön- en. Zunächst möchte ich aber auf die einzelnen Doppel- esteuerungsabkommen jeweils eingehen: Zunächst Syrien. Durch das erstmalige Vorliegen eines oppelbesteuerungsabkommens mit der Arabischen Re- ublik Syrien werden steuerliche Hindernisse zur Förde- ng und Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen mit un- erem Land abgebaut. Durch die eindeutige Zuweisung er Besteuerungsrechte für alle Einkünfte im jeweiligen ohnsitzstaat und die vorgesehene Begrenzung der uellensteuersätze bei Dividenden, Zinserträgen und Li- enzen können die Ziele von Doppelbesteuerungsab- ommen erreicht werden. Zukünftig werden Sozialversicherungsrenten im so- enannten Kassenstaat versteuert. Das heißt, ein in Sy- en lebender deutscher Rentner muss seine Steuererklä- ng in Deutschland abgeben, da die Auszahlung aus der deutschen Kasse“ erfolgt. Durch die Einführung eines Informationsaustausches Steuersachen nach 2005er-OECD-Standard können ie zuständigen Steuerbehörden jetzt vom jeweiligen ertragsstaat Informationen zu Steuerschuldnern erhal- n. Dabei kann es sich um Auskünfte zu allen Steuerar- n, auch wenn sie nicht im DBA erläutert sind, handeln. 6614 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) Malaysia. Durch das vorliegende Abkommen wird der Vertrag von 1977 aktualisiert und an bestehende Realitäten angepasst werden. Folgende Veränderungen sind hier hervorzuheben: einheitliche Quellensteuersätze bei Zinsen und Lizenzen; Einführung der Besteuerung von Sozialversicherungsrenten im Quellen- bzw. Kas- senstaat; Wegfall der Anrechnungsmöglichkeit von fikti- ven, aber nicht gezahlten malaysischen Steuern; Einfüh- rung einer Umschwenkklausel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode zugunsten Deutschlands; Aus- schluss von Abkommensvorteilen für Personen, die in der Freizone Labuan Steuervergünstigungen in An- spruch nehmen; Einführung eines verbesserten Informa- tionsaustausches in Steuersachen nach 2005er-OECD- Standard. Der Informationsaustausch betrifft auch die Freizone Labuan. Es geht auch um die Schließung von Steuerschlupflöchern. Bulgarien. Das bisherige Abkommen von 1978 wird durch die heutige Ratifikation abgelöst. Das DBA wird somit an die bestehenden Realitäten angepasst. Struktu- rell und inhaltlich orientiert sich das Abkommen weitge- hend am OECD-Musterabkommen von 2005. Hierdurch kann eine Vereinheitlichung der Regeln in Doppelbe- steuerungsverfahren mehr und mehr erreicht werden. Folgende besondere Regelungen sind hervorzuhe- ben: gespaltener Steuersatz für Dividenden; Zinsein- künfte können auch im Quellenstaat im Allgemeinen mit bis zu 5 Prozent versteuert werden; Quellensteuersatz bei Lizenzen bei weiterhin 5 Prozent; Sozialversiche- rungsrenten werden künftig im Kassenstaat besteuert, damit wird die deutsche DBA-Politik der letzten Jahre fortgeführt; generell gilt im Abkommen die Freistel- lungsmethode. Es besteht aber die Möglichkeit, auf die Anrechnungsmethode umzuschwenken, um doppelte Besteuerung besser zu vermeiden. Und schließlich: Der Informationsaustausch erstreckt sich sowohl auf Ban- kenauskünfte als auch auf Sachverhalte zur Bekämpfung von Geldwäschedelikten, Korruption und Terrorismusfi- nanzierung. Großbritannien. Dieses am 30. März 2010 in London unterzeichnete Abkommen löst das bisherige vom 26. November 1964 ab. Der an die modernen und gegen- wärtigen Verhältnisse angepasste Vertrag entspricht da- bei dem aktuellen OECD-Musterabkommen. Dadurch kommt es, wie bereits auch bei anderen Abkommen, zur weiteren Vereinheitlichung der Regeln auf dem Gebiet der Doppelbesteuerungsabkommen. Aufgrund des In- vestitions- und Handelsvolumens war eine Überarbei- tung des alten DBAs dringend geboten. Deutschland ist für das Vereinigte Königreich der wichtigste Handelspartner, und für unser Land ist Groß- britannien nach Frankreich, den USA und den Nieder- landen der viertgrößte Wirtschaftspartner. Folgende Änderungen möchte ich an dieser Stelle be- sonders hervorheben: Der bisherige einheitliche Quel- lensteuersatz auf Dividenden in Höhe von 15 Prozent wird durch einen gespaltenen Steuersatz abgelöst. Für Zinsen und Lizenzen hat weiterhin der Ansässigkeits- staat das Besteuerungsrecht. Renten und Ruhegehälter – außer Pensionen – werden im Wohnsitzstaat versteu- ert, wohingegen Sozialversicherungsrenten im Kassen- s w g tr R d n w P S k s D B v S s B s S h h R ti z te z d s k s z d m s d h n W d m W M v S ti ti u z F g ru g a (C (D taat versteuert werden müssen. Zur Förderung des issenschaftlichen Austausches wurden neue Sonderre- elungen für Gastprofessoren, Lehrer und Studenten ge- offen. Bei der Besteuerungsmethode haben sich beide egierungen – je nach Besteuerungssachverhalt – auf ie Anwendung der Freistellungs- wie auch der Anrech- ungsmethode verständigt. Die Freistellungsmethode urde dabei noch durch eine Aktivitätsklausel und einen rogressionsvorbehalt ergänzt. Sollte es zwischen den teuerbehörden innerhalb von zwei Jahren im Einzelfall eine Einigung bei der Frage nach der Methodik geben, o ist eine Schiedsstelle anzurufen. Belgien. Das vorliegende Änderungsprotokoll zum oppelbesteuerungsabkommen von 1967 zwischen der undesrepublik und dem Königreich Belgien sieht einen erbesserten Austausch zwischen beiden Staaten in teuersachen vor. Damit können steuerlich relevante Sachverhalte bes- er durch die Finanzbehörden aufgeklärt werden, deren efugnisse im Allgemeinen auf das Inland beschränkt ind. Zurzeit besteht folgende Situation: Sollte sich der teuerschuldner oder eine dritte Person, die zur Sachver- altsklärung beitragen kann bzw. muss, im Ausland auf- alten, so ist diese für inländische Finanzbehörden in der egel nicht greifbar. Durch den vereinbarten Informa- onsaustausch gewähren sich beide Staaten Unterstüt- ung bei der Aufklärung von Besteuerungssachverhal- n. Somit können Steuerschuldner bzw. Dritte direkter ur Sachverhaltsklärung herangezogen werden. Durch as vorliegende Änderungsprotokoll kann grenzüber- chreitende Steuerhinterziehung noch effektiver be- ämpft und können sogenannte Steuerschlupflöcher ge- chlossen werden. Die heute vorliegenden Abkommen sind ein Beitrag ur Bekämpfung der Steuerhinterziehung und zur Ein- ämmung eines schädlichen Steuerwettbewerbs allge- ein. Sie dienen weiterhin der Verbesserung der wirt- chaftlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und en jeweiligen Vertragspartnern. Zusammenfassend kann ich feststellen, dass die Ver- andlungsvertreter der Bundesrepublik sehr gute Ergeb- isse und Regelungen im Sinne unserer Steuer- und irtschaftspolitik ausgehandelt haben. Trotz alledem müssen wir in diesem Hause darüber iskutieren, wie zukünftig Doppelbesteuerungsabkom- en ausgestaltet werden sollen. Die Diskussion in dieser oche im Finanzausschuss hat dabei gezeigt, dass die ethodik – Anrechnungs- oder Freistellungsmethode – on Land zu Land unterschiedliche Auswirkungen auf die teuereinnahmen und/oder auf die wirtschaftliche Situa- on unserer Unternehmen haben kann. Hier gilt es künf- g, zwischen den globalen Entwicklungsmöglichkeiten nserer Unternehmen, der Bekämpfung von Steuerhinter- iehung und der Verbesserung der Einnahmesituation des iskus abzuwägen. Heute aber haben wir zunächst über die fünf vorlie- enden ausgehandelten Abkommen bzw. ein Ände- ngsprotokoll abzustimmen. Die Unionsfraktion be- rüßt die vorliegenden Gesetzesentwürfe und wird ihnen us den von mir erläuterten Gründen zustimmen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6615 (A) ) )(B) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Wir behandeln heute fünf Doppelbesteuerungsabkommen mit Belgien, Bulgarien, Malaysia, Syrien und dem Vereinigten Kö- nigreich und Nordirland, UK. Die völkerrechtlichen Ab- kommen und die entsprechenden Vertragsgesetze erset- zen bestehende Doppelbesteuerungsabkommen, DBA, die teils schon mehrere Jahrzehnte Gültigkeit haben und den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutsch- land und den Vertragsstaaten nicht mehr entsprachen. Der Vertrag mit Belgien stammte aus dem Jahr 1967, der mit Bulgarien aus dem Jahr 1987, der mit Malaysia aus dem Jahr 1977 und der mit dem Vereinigten Königreich aus dem Jahr 1964. Mit Syrien wird erstmals ein Ab- kommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen beschlossen; die übrigen sind das Ergebnis von Verhandlungen zur Revision die- ser bestehenden Verträge. Eine wichtige Weiterentwicklung spiegelt sich schon im Titel der Umsetzungsgesetze, mit denen die Vertrags- inhalte der internationalen Abkommen in unsere Rechts- ordnung übertragen werden. Früher haben wir meist „nur“ von Doppelbesteuerungsabkommen gesprochen, die Besteuerungsrechte zwischen Vertragsstaaten aufge- teilt haben. Heute geht es um mehr, denn die Abkommen dienen auch explizit der „Verhinderung der Steuerver- meidung und Steuerhinterziehung“ auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (und Vermögen). Das markiert eine qualitative Weiterentwicklung in der deutschen Ab- kommenspolitik und verdeutlicht die neuen Schwer- punkte in der Ausrichtung unserer internationalen Steu- erpolitik. Ich danke dem Bundesfinanzministerium an dieser Stelle, dass es bei den teils jahrelangen Verhandlungen die Gelegenheit genutzt hat, um die Abkommen in Nachverhandlungen an der aktualisierten Version des OECD-Musterabkommens aus dem Jahr 2005 auszu- richten und damit die verbesserten Standards zum steu- erlichen Informationsaustausch und zur Amts- und Rechtshilfe zwischen den Steuerverwaltungen umzuset- zen. Die Abkommen mit Belgien, Bulgarien, Malaysia, Syrien sowie UK beruhen im Wesentlichen auf dem gül- tigen Musterabkommen der Organisation für wirtschaft- liche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, aus dem Jahr 2005, OECD-MA 2005. Die OECD hat im Kampf gegen Steuerhinterziehung, Steueroasen und schädlichen Steuerwettbewerb internationale Standards zu Transparenz und Auskunftsaustausch entwickelt. Diese Standards besagen im Kern, dass für die Be- steuerung relevante Informationen zugänglich sein müs- sen – etwa Bankinformationen, Informationen über Ei- gentumsverhältnisse an Gesellschaften oder Begünstigte von Stiftungen. Dies gilt unabhängig davon, ob straf- rechtliche Ermittlungen bereits eingeleitet sind oder ob es um „Aufdeckung und Ermittlung noch nicht identifi- zierter Steuerfälle“ (Art. 26 OECD-MA) geht. Die Finanzbehörden sollen also – wie bei inländischen Er- mittlungen – auf alle „voraussichtlich erheblichen“ Da- ten zugreifen können, die sie zur Aufklärung grenzüber- s d b g d h ih s h S W s la v U V m b rä S R e m B V S m K u (A s ti g B a B M s n re A s la m n D k b n w le k M (C (D chreitender Sachverhalte benötigen. Außerdem müssen iese Informationen auf Ersuchen ausländischen Steuer- ehörden zur Verfügung gestellt werden. Wichtig ist dabei, dass es sich um konkrete Ermittlun- en zur Aufklärung eines steuerlichen Sachverhalts han- elt; das heißt anlasslose Auskunftsersuchen „ins Blaue inein“ sind unzulässig. Deutsche Finanzbeamte können re Kolleginnen und Kollegen in den anderen Vertrags- taaten also künftig auf dem Weg der Amts- und Rechts- ilfe um Informationen bitten, die zur Bekämpfung der teuerhinterziehung voraussichtlich erforderlich sind. enn die begründete Vermutung besteht, dass ein deut- cher Steuerpflichtiger Kapitaleinkünfte aus dem Aus- nd erzielt und diese nicht oder nicht ordnungsgemäß ersteuert, soll das Finanzamt diesen Sachverhalt mit nterstützung von den Steuerverwaltungen der anderen ertragsstaaten aufklären können. Mit Blick auf die bisherigen Regelungen zum Infor- ationsaustausch mit Belgien, Bulgarien und Groß- ritannien und die Zusammenarbeit in Steuersachen umen diese Verhandlungsergebnisse der deutschen teuerverwaltung gegenüber diesen Staaten die gleichen echte wie gegenüber allen anderen EU-Mitgliedstaaten in. Der mit Bulgarien vereinbarte vollumfängliche Infor- ationsaustausch in Steuersachen umfasst nicht nur ankauskünfte über grenzüberschreitende Einkünfte und ermögen und die Amtshilfe bei der Beitreibung von teuern, sondern verbessert auch unsere Aufklärungs- öglichkeiten in der Terrorismusbekämpfung und im ampf gegen Geldwäsche und Korruption. Der Informationsaustausch gemäß OECD-Standard mfasst alle drei Formen des Informationsaustausches rt. 26 OECD-MA): den Informationsaustausch auf Er- uchen einer Steuerbehörde, den spontanen Informa- onsaustausch, das heißt das anlassbezogene „Zurverfü- ungstellen“ steuerlicher Informationen durch eine ehörde und den automatischen Informationsaustausch, uf den ich später nochmals zu sprechen komme. Die Doppelbesteuerungsabkommen, die wir heute im undestag besprechen, verbessern nicht nur unsere öglichkeiten im Kampf gegen Steuerhinterziehung, ondern bieten auch wichtige Ansatzpunkte für die ord- ungsgemäße Durchführung des Besteuerungsverfah- ns – ein wichtiger Punkt; denn es widerspricht unserer uffassung von Steuergerechtigkeit, dass eine Privatper- on oder ein Unternehmen mit Einkünften aus dem Aus- nd nur deshalb steuerlich bessergestellt ist als jemand it „nur“ inländischen Einkünften, weil die Finanzämter icht auf Daten aus dem Ausland zugreifen können. iese Fehlentwicklung wird mit den vorliegenden Ab- ommen im Austausch mit den anderen Vertragsstaaten ehoben. Dieser Aspekt ist mir wichtig, weil es in der Regel icht der „normale“ Arbeitnehmer, Rentner oder Hand- erker ist, der sein Privatvermögen auf den internationa- n Kapitalmärkten, in Stiftungen und auf Treuhand- onten anlegt und Zins- oder Dividendeneinkünfte aus alaysia bezieht. Es ist für die gleichmäßige und ge- 6616 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) rechte Besteuerung und die Legitimität unseres Steuer- systems wichtig, dass es keinen Unterschied macht, wo- her jemand seine Einkünfte bezieht. Die neuen bzw. überarbeiteten Abkommen ermögli- chen der deutschen Steuerverwaltung – wie in Art. 26 des OECD-Musterabkommens 2005 vorgesehen – den Zugang zu „Informationen, die zur Durchführung dieses Abkommens oder zur Verwaltung bzw. Vollstreckung des innerstaatlichen Rechts betreffend Steuern jeder Art und Bezeichnung … voraussichtlich erheblich sind …“ (Art. 26 Abs. 1). Der Vertragsstaat darf die Erteilung von Informationen nicht aus dem Grund ablehnen, dass er kein innerstaatliches Interesse an diesen Informationen hat und sie für seine eigenen steuerlichen Zwecke nicht benötigt (Art. 26 Abs. 4). Die Erteilung von Informatio- nen darf auch nicht deshalb abgelehnt werden, weil sich die Informationen bei einer Bank, einem sonstigen Finanzinstitut, einem Bevollmächtigten, Vertreter oder Treuhänder befinden (Art. 26 Abs. 5). Zu den wichtigsten Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gehören folgende Bestimmungen: Erstens. Bei der Überarbeitung der bestehenden Ab- kommen wurde eine Reduzierung der Quellensteuer- sätze auf Dividenden aus zwischengesellschaftlichen Beteiligungen von 15 Prozent auf 5 Prozent vereinbart (Art. 11 Abs. 2). Im Ergebnis ergibt sich daraus eine ge- ringere Anrechnung der im anderen Vertragsstaat erho- benen Steuer auf die deutsche Steuer und Mehreinnah- men für den deutschen Staat. Das Abkommen mit Malaysia verhindert insbeson- dere auch, dass malaysische Steuern, die nur „auf dem Papier“ bestehen, aber von den Steuerpflichtigen nicht bezahlt werden, in Deutschland angerechnet werden können. Diese sogenannte fiktive Quellensteueranrech- nung ist ab 2011 nicht mehr möglich (Art. 23 Abs. 1 Buchstabe f). Mit der Absenkung des Quellensteuersatzes auf Divi- denden im Abkommen mit Bulgarien und dem Verzicht auf Quellensteuer bei Vergütungen für Ausrüstungslea- sing ab 2015 sollen Investitionsanreize gesetzt werden. Daraus ergeben sich auch eine geringere Anrechnung der bulgarischen auf die deutsche Steuer – außer bei Konstellationen, die unter die Mutter-Tochter-Richtlinie fallen. Das DBA mit Großbritannien sieht ebenfalls eine Re- duzierung der Quellensteuersätze bei Dividenden von 15 Prozent auf 5 Prozent bei zwischengesellschaftlichen Beteiligungen vor. Grundsätzlich bleibt es bei der Frei- stellungsmethode mit Aktivitätsklausel und Progres- sionsvorbehalt bei tatsächlicher Besteuerung in UK; dies gilt insbesondere bei Gewinnen aus britischen Betriebs- stätten und Ausschüttungen britischer Gesellschaften bei Schachtelbeteiligungen. Aktivitätsklausel meint, dass eine Freistellung nur gewährt wird, wenn die Betriebs- stätte in Großbritannien eine aktive wirtschaftliche Tä- tigkeit ausübt, nicht aber bei nur passiver Präsenz, bei- spielsweise in Form einer vermögensverwaltenden Tätigkeit. In diesem Fall gilt die Anrechnungsmethode. s s fa th a ru fü G k ru e a in k b A n p s S A n th e S n m s T s d e la d s la e U G a lu g ru s a k G m d h v b a V (C (D Zweitens. Die Abkommen enthalten zudem auch eine ogenannte Umschwenkklausel (Subject-to-Tax-Klau- el): Sie ermöglicht es Deutschland, von der im Regel- ll vorgesehenen Freistellungs- zur Anrechnungsme- ode umzuschalten, wenn keine Besteuerung im nderen Vertragsstaat erfolgt und eine niedrige Besteue- ng oder die doppelte Nichtbesteuerung die Folge sind. Dies hat folgenden Hintergrund. Doppelbelastungen r Unternehmen und Bürger lassen sich nach folgendem rundmuster vermeiden: Das Doppelbesteuerungsab- ommen weist dem Quellenstaat beschränkte Besteue- ngsrechte zu. Der Quellenstaat ist der Staat, aus dem inem Steuerpflichtigen Kapitaleinkünfte zufließen oder us dem er Einnahmen aus sonstigem Vermögen erzielt, dem er aber nicht seinen Wohnsitz hat; zu diesen Ein- ünften zählen beispielsweise Zinsen aus einem Gutha- en bei einer Bank in Belgien, Dividenden, die man aus nteilen an einem Unternehmen mit Sitz in Großbritan- ien hält, oder Einnahmen aus Vermietung oder Ver- achtung von Grundbesitz in Bulgarien. Der Wohnsitz- taat rechnet diese Quellenbesteuerung dem deutschen teuerpflichtigen auf seine Steuer an (die sogenannte nrechnungsmethode) oder stellt die Einkünfte von sei- er Besteuerung frei (die sogenannte Freistellungsme- ode). Ein Beispiel kann den Mechanismus zur Vermeidung iner doppelten Besteuerung verdeutlichen, die den teuerpflichtigen unangemessen belasten würde. Ange- ommen, eine Muttergesellschaft in Deutschland hält ehr als 10 Prozent der Anteile an einer Tochtergesell- chaft in Syrien. In diesem Fall wird der Gewinn der ochter zunächst in Syrien der dort üblichen Körper- chaftsteuer unterworfen. Auf die anschließend an die eutsche Mutter ausgeschüttete Dividende kann Syrien ine 5-prozentige Kapitalertragsteuer erheben. Deutsch- nd vermeidet eine Doppelbesteuerung dadurch, dass es iese Dividenden freistellt. Nach diesem Grundmuster werden auch grenzüber- chreitende Unternehmensgewinne zwischen Deutsch- nd und Syrien behandelt. Syrien darf danach Gewinne ines deutschen Unternehmens nur besteuern, wenn das nternehmen eine Betriebsstätte im Land hat und die ewinne der Betriebsstätte zuzurechnen sind. Die Gesamtheit der deutschen Doppelbesteuerungs- bkommen ist durch einen Methodenmix aus Freistel- ng und Anrechnung gekennzeichnet. Grundsätzlich ilt die Freistellungsmethode, um eine doppelte Besteue- ng von Einkünften zu vermeiden; dazu gehören bei- pielsweise Einkünfte, die ein deutsches Unternehmen us einer Betriebsstätte in Malaysia bezieht, oder Ein- ünfte aus Dividendenausschüttungen einer syrischen esellschaft, an der ein deutscher Steuerpflichtiger zu indestens 10 Prozent beteiligt ist. Diese Einkünfte wer- en in Deutschland in der Regel nicht besteuert, das eißt freigestellt. Die Anrechnungsmethode gilt unter anderem bei Di- idendeneinkünften aus Streubesitz, Zinsen, Lizenzge- ühren, Gewinnen aus dem Verkauf von Unternehmens- nteilen mit überwiegendem Grundbesitz im anderen ertragsstaat. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6617 (A) ) )(B) Bedauerlicherweise lähmt derzeit ein Streit innerhalb der Bundesregierung die wichtigen Verhandlungen mit Singapur über ein neues Doppelbesteuerungsabkommen. Das CDU-Finanzministerium konnte sich bislang leider nicht durchsetzen und das Anrechnungsverfahren im Abkommen verankern, um die deutschen Besteuerungs- rechte zu wahren und Steuerhinterziehung zu unterbin- den. Wirtschaftsminister Brüderle von der FDP hingegen plädiert für die Freistellungsmethode und möchte auf die deutsche Besteuerung von Unternehmensgewinnen aus Singapur verzichten – obwohl er genau weiß, dass die in Singapur gezahlten Steuern – angesichts sehr niedriger Sätze und zahlreicher Ausnahmeregelungen – äußerst gering sind. Keine Besteuerung in Deutschland, keine oder nur sehr geringe Besteuerung in Singapur – eine Steilvorlage für Steuergestaltung oder, in Brüderles Sinne: eine Art „legalisierte Steuerhinterziehung“. An- gesichts der stark wachsenden Bedeutung Singapurs als internationales Finanzzentrum und unserer bisherigen Erfolge im Kampf gegen internationale Steuerhinterzie- hung, Steueroasen und Offshore-Finanzzentren wäre es eine bedenkliche Entwicklung, wenn sich die neoliberale Steuersenkungsideologie in unserer internationalen Ab- kommenspolitik durchsetzen würde und mit Unterstüt- zung der FDP eine neue Steueroase entstünde. Aber dass die FDP an ihre Klientel denkt und gerne einen neuen „sicheren Hafen“ für das bislang in Liechtenstein, der Schweiz, auf karibischen oder britischen Kanalinseln versteckte Geld anlegen möchte, kann spätestens seit den Steuergeschenken für Hoteliers im sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz eigentlich nicht mehr überraschen. Aber ein wenig irritiert ist man dann doch, wie unverfroren „Politik für die eigene Lobby“ zur Grundlage völkerrechtlicher Abkommen gemacht wird. Drittens. Auch die Verteilung der Besteuerungsrechte von Ruhegehältern und Renten wird mit Blick auf den Übergang zur nachgelagerten Besteuerung in Deutsch- land neu geregelt. Gemäß Art. 17 Abs. 1 des Abkom- mens erhält der Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen das Besteuerungsrecht; davon ausgenommen bleiben Pen- sionen aus öffentlichen Kassen. Bei Bezügen aus der ge- setzlichen Sozialversicherung hingegen liegt das Besteu- erungsrecht beim Kassenstaat. Steuerlich geförderte Renten unterliegen dem Besteuerungsrecht des Wohn- sitzstaates. Auch im DBA mit Großbritannien ist die Neurege- lung der Rentenbesteuerung und der Übergang zum Kas- senstaatsprinzip vorgesehen; es besteht hier allerdings ein Wahlrecht für Personen, die schon Sozialversiche- rungsrenten erhalten; de facto verzögert sich damit die Umstellung auf das Kassenstaatsprinzip. Viertens. Im Bereich der Bekämpfung der Steuerhin- terziehung und der Durchführung der Besteuerung ist der erweiterte Informationsaustausch für Steuern jegli- cher Art ein wichtiger Fortschritt. Dies gilt insbesondere mit Blick auf Belgien, das wie die anderen OECD-Mit- glieder Schweiz, Österreich und Luxemburg zunächst Vorbehalte gegen den Art. 26 OECD-MA hatte. Dieser Art. des OECD-Musterabkommens für Doppelbesteue- rungsabkommen greift inhaltlich weitgehend das soge- nannte OECD-Musterabkommen für Auskunftsaus- ta A D li s A in O O n s d h d g g S g O d z L s m d S in h d a Z s K n z te n m S s a s n u Z n k d m w w s s d v (C (D usch in Steuersachen (Tax Information Exchange greement, TIEA) aus dem Jahr 2002 auf. Das Muster- BA geht allerdings über das TIEA hinaus und ermög- cht nicht nur den Auskunftsaustausch auf Ersuchen, ondern auch den spontanen und den automatischen ustausch. Es ist ein wichtiger Fortschritt im Kampf gegen die ternationale Steuerhinterziehung, dass mit Belgien ein ECD-Mitglied endlich seinen Vorbehalt gegen die ECD-Standards aufgegeben hat. Denn viele soge- annte Steueroasen hatten sich zwar zur Umsetzung die- er Standards verpflichtet, die konkrete Umsetzung ieser Verpflichtungserklärungen allerdings davon ab- ängig gemacht, dass auch alle OECD-Mitgliedstaaten ie OECD-Standards akzeptieren und anwenden, der so- enannte Level-Playing-Field-Vorbehalt – eine Ausle- ung des Grundsatzes „Gleiches Recht für alle“, der die teuerfahnder in der Vergangenheit immer wieder vor roße Schwierigkeiten gestellt hat. Mittlerweile haben sich viele dieser Steueroasen und ffshore-Finanzzentren bereit erklärt, die OECD-Stan- ards zum steuerlichen Informationsaustausch umzuset- en; der Bundestag hat in dieser und in der vergangenen egislaturperiode schon einige dieser Abkommen be- chlossen. Die vorliegenden Doppelbesteuerungsabkom- en setzen diese erfreuliche Entwicklung fort, die ohne ie Vorarbeiten der Finanzminister Eichel und teinbrück nicht denkbar gewesen wäre. Ich erinnere sbesondere an das Gesetz zur Bekämpfung der Steuer- interziehung aus der vergangenen Legislaturperiode, ie klugen Verhandlungen der Beamtinnen und Beamten us dem Bundesfinanzministerium und die europäische insrichtlinie. Die Zinsrichtlinie regelt für die meisten EU-Mitglied- taaten die Besteuerung von Zinserträgen aus privaten apitalanlagen und gewerblichen Zinseinkommen, die atürliche Personen in einem anderen Mitgliedstaat er- ielen, nach den Besteuerungsregeln des Wohnsitzstaa- s – leider unterliegen andere Kapitaleinkünfte noch icht den Richtlinienbestimmungen. Besonders wichtig ist mir dabei das Verfahren, das ich ir auch in den steuerlichen Beziehungen mit anderen taaten wünschen würde. Über ein Kontrollmitteilungs- ystem werden den Finanzämtern des Wohnsitzstaates utomatisch Auskünfte über Zinszahlungen an wirt- chaftliche Eigentümer bereitgestellt. 24 EU-Staaten ehmen daran teil, ausgenommen Österreich, Belgien nd Luxemburg, die lediglich eine Quellensteuer auf inserträge der Anleger erheben und einen Teil der Ein- ahmen daraus an Deutschland abführen. Das neue Ab- ommen mit Belgien etabliert künftig einen Standard es Informationsaustausches, der über das Kontroll- itteilungssystem der Zinsrichtlinie hinausreicht – ein ichtiges Signal, das hoffentlich zu einer Weiterent- icklung sowohl der Richtlinie wie auch der zwischen- taatlichen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbe- teuerung und des Informationsaustausches führt. Peer Steinbrück hat einige Vorschläge gemacht, um ie Stärken des Mitteilungssystems der Zinsrichtlinie zu erbessern und die Schwächen und Lücken im Regel- 6618 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) ) )(B) werk zu beseitigen. Dazu gehören die Streichung von Ausnahmen bei erfassten Produkten und Steuerpflichti- gen, die Verbesserung der Transparenz sowie insbeson- dere die Ausdehnung des sachlichen, persönlichen und räumlichen Anwendungsbereichs der Zinsrichtlinie. Diese Überlegungen bieten sicherlich einen guten Anknüpfungspunkt für unsere weiteren Bemühungen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung, zum Informa- tionsaustausch in steuerlichen Angelegenheiten und zur Durchführung eines ordentlichen Besteuerungsverfah- rens. Ich hoffe, dass es uns gelingt, die Beteiligungsrechte des Bundestages bei der Neuverhandlung oder Revision bestehender DBA zu stärken und seine Mitsprache mit Blick auf Ziele, Inhalte und Methodenwahl weiterzuent- wickeln. Angesichts der hohen und weiter wachsenden Bedeutung dieser Abkommen für die betroffenen Unter- nehmen und Bürger, für die Finanzverwaltung, für un- sere Steuereinnahmen und ein gerechteres Steuersystem wollen wir die Beteiligungs- und Gestaltungsmöglich- keiten des Deutschen Bundestages erweitern. Dr. Birgit Reinemund (FDP): Von den mehr als 100 Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten hat das Bundesfinanz- ministerium seit Anfang 2009 insgesamt 54 neu verhan- delt. Etliche Abkommen waren ausgelaufen, in anderen Fällen wurden die neuen OECD-Standards zu Informa- tionsaustausch und Amtshilfe aus dem Musterabkom- men von 2005 eingearbeitet. Doppelbesteuerungsab- kommen zielen in zwei Richtungen: Zum einen soll eine steuerliche Benachteiligung international tätiger Unter- nehmen vermieden werden, zum anderen gilt es, Steuer- betrug und Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Eine doppelte Besteuerung von Einkünften bei grenz- überschreitenden Tätigkeiten wäre für international tä- tige Unternehmen mit hohem bürokratischen und finan- ziellen Aufwand verbunden. Sie schwächt deren Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen im gleichen Land tätigen Unternehmen aufgrund von Unterschieden in Unternehmensteuern und Einkommensteuer, das heißt aufgrund unterschiedlich hoher Lohnkosten. Es ist erklärtes Ziel deutscher und internationaler Wirtschaftspolitik, Doppelbesteuerungen zu vermeiden. Gerade für uns als Exportnation mit zahlreichen Nieder- lassungen deutscher Unternehmen im Ausland ist es un- erlässlich, eine Schlechterstellung unserer Unternehmen im Ausland im Wettbewerb zur einheimischen Wirt- schaft und zu Unternehmen anderer Länder zu vermei- den und gleichzeitig Rechtssicherheit für die Betriebe und ihre Mitarbeiter im Ausland herzustellen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, hat bereits im Juli 1963 ein Musterabkommen vorgestellt, auf dessen Basis die Bun- desregierung Doppelbesteuerungsabkommen verhan- delt. Das Musterabkommen wird seither kontinuierlich überarbeitet und an die Anforderungen unserer globali- sierten Welt angepasst: zuletzt im Jahr 2005 durch Über- arbeitung der großen Auskunftsklausel. Die OECD hat im s fo e h h v A m R u e b s B D w te le b s D fe V V a h V S d M n s li u w s e A im w z le v m c g m k e z p b (C (D Rahmen ihres Programms zur Eindämmung des chädlichen Steuerwettbewerbs festgestellt, dass der In- rmationsaustausch zwischen den Steuerbehörden das ffektivste Mittel zur Bekämpfung von Steuerhinterzie- ung und Steuerbetrug ist. Die Bundesregierung kommt ier schnell und gut voran. Ich bin froh, dass in allen orliegenden Abkommen die Aufnahme der großen uskunftsklausel durchgesetzt werden konnte. So stimmen wir heute über die Revision der Abkom- en der Bundesrepublik Deutschland mit Malaysia, der epublik Bulgarien, dem Königreich Großbritannien nd Nordirland sowie dem Königreich Belgien ab und rstmals über ein Abkommen mit der Arabischen Repu- lik Syrien. Insbesondere mit Belgien war bisher nur ein ehr eingeschränkter Auskunftsaustausch möglich, da elgien lediglich Informationen gewährte, die für die urchführung des DBA selbst unbedingt erforderlich aren. Diese Regelung war zwar bei Abschluss des ers- n Deutsch-Belgischen DBA im Jahr 1967 Standard, al- rdings wurde der Artikel bereits 1977 erstmals überar- eitet. Jetzt nach mehr als 33 Jahren ist Belgien bereit, eine restriktive Haltung aufzugeben und das bestehende BA endlich entsprechend anzupassen. Im Falle von Syrien und Malaysia konnte der betref- nde Artikel noch nach Abschluss der ursprünglichen erhandlungen geändert werden. Auch wenn dies zur erzögerung des Abschlusses geführt hat, möchten wir ls FDP-Fraktion an dieser Stelle ausdrücklich den Ver- andlungserfolg und die Konsequenz unserer deutschen erhandlungsführer loben. Erstmals ist die Amtshilfe bei teuerhinterziehung – nicht erst bei Steuerbetrug – in en DBA mit Großbritannien und Bulgarien enthalten. alaysia und Syrien konnten sich dagegen leider noch icht von den Vorteilen dieser Amtshilfe überzeugen las- en. In allen vorliegenden Abkommen wurde grundsätz- ch die Freistellungsmethode vereinbart. Nur in klar mrissenen Ausnahmefällen und bei Kapitaleinkünften ird die Anrechnungsmethode angewendet – wie auch chon in früheren Abkommen üblich. Das DBA mit Bulgarien enthält darüber hinaus noch ine Switch-over-Klausel von der Freistellungs- auf die nrechnungsmethode. Dies gewährleistet im Falle von Ausland nicht versteuerten Einkünften, sogenannten eißen Einkünften, die Methode im Einzelfall wechseln u können. In Ausnahmefällen und bei begründeten Fäl- n ist dies allgemeiner Konsens. Eine Nichtbesteuerung on Einkunftsanteilen will keiner. Eine grundsätzliche Anwendung der Anrechnungs- ethode würde allerdings dem Ziel zuwiderlaufen, glei- he Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Es würde rundsätzlich das höhere Steuerniveau zum Tragen kom- en und die deutsche Wirtschaft bei ihrer Auslandstätig- eit damit über Gebühr belastet. Dies ist nicht im Sinne iner wirtschaftsfreundlichen Steuerpolitik. Ich begrüße, dass die Bundesregierung hier aktiv und ügig bilaterale Abkommen zur Vermeidung von Dop- elbesteuerungen vorantreibt. Insbesondere das Doppel- esteuerungsabkommen mit Liechtenstein, das derzeit Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6619 (A) ) )(B) verhandelt wird, erwarten wir mit Spannung. Ich bin zu- versichtlich – auch wegen entsprechender Äußerungen von Bundesfinanzminister Schäuble und des Liechten- steiner Regierungschefs –, dass es noch in diesem Jahr unterschrieben werden kann. Nach den Turbulenzen um Liechtenstein im Jahr 2008 ist das ein Riesenerfolg. Die nächsten Abkommen sind bereits auf den Weg gebracht. Es ist erfreulich, dass immer mehr Staaten be- reit sind, die OECD-Standards in der internationalen Zu- sammenarbeit zu akzeptieren. Dies ist ein bemerkens- werter Fortschritt in der Außenwirtschaftspolitik. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Beim Thema Steu- ern wird es nie langweilig. Das ist gut! Denn wir brau- chen sie unter anderem für Schulen, Straßen und lebens- werte Kommunen. Wichtig ist, dass Steuern gerecht erhoben und sinnvoll ausgegeben werden. Dann sind Bürgerinnen und Bürger umso eher bereit, Steuern zu zahlen. Und hier sehe ich ein Problem. Während Milliar- den von Steuergeldern in der HRE versickern oder der Atomindustrie hinterhergeschmissen werden, wird im sozialen Bereich drastisch und ohne Verstand gekürzt. Gleichzeitig werden weiter fleißig Steuern hinterzogen (rund 30 Milliarden Euro pro Jahr entgehen dem Staat an Steuereinnahmen). Dies muss weiter ernsthaft bekämpft werden. Ein Ansatz sind sogenannte Doppelbesteuerungsab- kommen. Damit soll Folgendes erreicht werden: Erstens: Vermeidung einer Doppelbesteuerung. Zweitens: Ver- meidung von Steuerumgehung und -hinterziehung. Un- terschiedliche Ausgestaltungen der Steuersysteme dür- fen nicht ausgenutzt werden. Wenn Sie mir in diesen Punkten recht geben, dann müssten Sie doch auch ent- sprechende Regelungen einführen? Aber Fehlanzeige! Sie wählten hier nur die Mindestlösung. So lässt sich in den hier vorliegenden Gesetzentwür- fen zu Doppelbesteuerungsabkommen mit Syrien, Ma- laysia, Bulgarien, Großbritannien und Nordirland sowie Belgien eine unterschiedliche Handhabung erkennen. Mal ist nur das Einkommen Bestandteil des Doppelbe- steuerungsabkommen (Malaysia), manchmal Einkom- men und Vermögen (Bulgarien). Warum nicht beides gleichermaßen? Auch bei der Methode gibt es einen Mischmasch: So soll im Falle Bulgarien teilweise die Freistellungsme- thode mit Progressionsvorbehalt (das heißt die ausländi- sche Steuer führt in Deutschland zur Freistellung bei der Bemessungsgrundlage unter gleichzeitiger Berücksichti- gung für die Ermittlung des Steuersatzes) angewendet werden, aber auch die Anrechnungsmethode (das heißt ausländische Steuer wird bei Berechnung der deutschen Steuer angerechnet). Warum nicht konsequent die An- rechnungsmethode? Bulgarien ist doch EU-Mitglied. Zum leidigen Thema Informationsaustausch: Bei kei- nem der uns vorliegenden Gesetzentwürfe ist eine Spon- tanauskunft und ein automatischer Informationsaus- tausch vorgesehen. Bei Tschechien und Ungarn ist dies möglich. Warum nicht auch bei Bulgarien, Syrien und den anderen? Wollen Sie Steuerhinterziehung bekämp- fe d d w b v S e e S ti ti n 5 d re k z ä d ri li s S W P a g m ru te fo d g la ra P d te D g A d k d ru g h n G s m m o (C (D n, gehört ein automatischer Informationsaustausch azu. Die jetzigen Forderungen führen nur dazu, dass eutsche Finanzbehörden sich an das jeweilige Land enden und ihren Verdacht erst begründen müssen. Dazu rauchen sie etliche Daten, Daten über die sie erst Mal erfügen müssen. Gerade im Hinblick auf die massive teuerhinterziehung durch Kapitalanlagen im Ausland ist ine Auskunft auf Ersuchen völlig unzureichend. Was muss geschehen? Erstens: Sorgen Sie endlich für inen internationalen Informationsaustausch, der eine pontanauskunft sowie einen automatischen Informa- onsaustausch vorsieht! Zweitens: Wir brauchen Sank- onen gegen solche Staaten, die die OECD-Standards icht einhalten. Hier ist eine Quellensteuer in Höhe von 0 Prozent auf Dividenden, Zinsen und Lizenzabgaben enkbar. Drittens: Geben Sie der Finanzverwaltung aus- ichende Ressourcen, damit diese ihre Arbeit erledigen ann. Hier ein alarmierender Hinweis: Während es der- eit rund 111 000 Planstellen bei den deutschen Finanz- mtern gibt, waren es 2004 noch über 119 000. Dabei ist ie Rendite eines solchen Beamten enorm: Rein rechne- sch erbringt jeder Finanzbeamte pro Jahr rund 4,6 Mil- onen Euro. Wenn Sie hier bei den genannten Punkten nachbes- ern, könnten wir endlich Fortschritte erzielen und mehr teuergerechtigkeit schaffen. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ieder einmal stimmt der Bundestag über ein ganzes aket von Doppelbesteuerungsabkommen gleichzeitig b und wieder einmal ist dafür eigentlich keine Zeit vor- esehen gewesen. Der Zeitpunkt mitten in der Nacht acht das deutlich. Der Bedeutung von Doppelbesteue- ngsabkommen wird das nicht wirklich gerecht. So chnisch einzelne Doppelbesteuerungsabkommen aus- rmuliert sein mögen, so war und ist ihre Ausgestaltung och immer eine grundlegende Frage der Besteuerungs- erechtigkeit und verändert die Attraktivität von Aus- ndsaktivitäten entscheidend – legaler wie illegaler. Ge- de in Zeiten noch immer zunehmender Mobilität von ersonen und Kapital ist es nicht gerade eine Seltenheit, ass Personen und Unternehmen in zwei oder mehr Staa- n Einkünfte erzielen und damit den Regelungen von oppelbesteuerungsabkommen unterliegen. Natürlich ist die Vermeidung von Doppelbesteuerung rundsätzlich wünschenswert. Oft aber verhindert die usgestaltung der Abkommen nicht eine Doppel-, son- ern eine faire Besteuerung. So ist es auch in den Ab- ommen, über die wir heute abstimmen werden. Ich will afür einige Beispiele nennen: In allen vier reformierten und von der Bundesregie- ng unterzeichneten Abkommen ist für Unternehmens- ewinne nach wie vor die Freistellungsmethode vorgese- en. Damit werden erzielte Unternehmensgewinne nur och im jeweiligen Vertragsstaat besteuert, während die ewinne in Deutschland von einer Besteuerung freige- tellt werden. Das nützt den Unternehmen, die steuerlich otivierte Verlagerungen von Steuersubstrat vorneh- en, etwa in Form von Fremdfinanzierungsmodellen der manipulierten Preisen für Transfers innerhalb des 6620 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 (A) (C) )(B) Konzerns. Wir Grünen fordern eine Umstellung der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen auf die An- rechnungsmethode auch im Bereich der Unternehmens- gewinne. So würde eine Gewinnverlagerung obsolet. Zweites Beispiel: Im überarbeiteten Doppelbesteue- rungsabkommen mit dem Vereinigten Königreich wird die Quellenbesteuerung von Dividenden zwischen ver- bundenen Unternehmen auf maximal 5 statt bisher 15 Pro- zent begrenzt. Das vereinfacht Verlagerungen von Steuer- substrat über Finanzierungsgestaltungen. Und ein drittes Beispiel: In den Doppelbesteuerungsabkommen mit Bul- garien, Syrien und Malaysia wird die Besteuerung öf- fentlich geförderter Renteneinkünfte nicht geregelt, so- dass hier Umgehungsmöglichkeiten entstehen. Das ist bei Syrien und Malaysia weniger wichtig, bei Bulgarien aber kann das durchaus in größerem Umfang relevant werden. Die Liste ließe sich fortsetzen. Vor allem aber fehlt auf der Gegenseite ein steuerli- cher Informationsaustausch mit Biss. Dann hätten die Ich möchte im Rahmen dieses Themas auch auf das Doppelbesteuerungsabkommen mit Singapur eingehen, das die Bundesregierung zurzeit verhandelt und das da- her wohl ebenfalls bald vom Bundestag ratifiziert wer- den muss. Was bislang dazu den Medien entnommen werden konnte, lässt nichts Gutes erahnen: Wirtschafts- minister Brüderle will offenbar die Freistellungsmethode für alle Einkünfte durchsetzen, die von Deutschen in Singapur erzielt werden. Damit müssen Kapitalerträge, die in der Steueroase Singapur anfallen, in Deutschland nicht mehr versteuert werden. Das ist deshalb problema- tisch, weil Singapur angesichts der inzwischen etwas besseren Kooperation in Europa zunehmend zu einem der zentralen Orte für Fluchtkapital wird. Denn es darf als ausgeschlossen gelten, dass Singapur einem automa- tischen Informationsaustausch zustimmt – und ohne die- sen würde die Attraktivität der Steueroase Singapur mit der Einführung der Freistellungsmethode noch einmal drastisch erhöht. Wer allerdings, wie der Wirtschafts- minister, die Steuervermeidung oder Steuerhinterzie- hung mancher Steuerzahler toleriert, muss zugeben, dass deutschen Steuerbehörden endlich ein Instrument in der Hand, mit der sie Steuersündern, die ihr Kapital in diese Länder transferieren, wirksam verfolgen könnten. Doch die vorliegenden Doppelbesteuerungsabkommen sehen lediglich eine Anpassung an das OECD-Musterabkom- men zum Steueraustausch vor, das löchrig wie ein Schweizer Käse ist. Denn Informationen gibt es in die- sem Fall nur auf Ersuchen, und für ein Ersuchen muss bereits ein erster Verdacht aufgetreten sein. Dieser ent- steht doch aber häufig erst gar nicht, wenn nicht zu- nächst schon erste Informationen mitgeteilt werden. Deswegen fordern wir Grünen seit langem einen auto- matischen Informationsaustausch zwischen den Steuer- behörden. Die Bundesregierung aber gibt sich weiterhin mit dem OECD-Standard zufrieden. Dieser Standard ist für uns aber unzureichend für die Verabschiedung eines Doppelbesteuerungsabkommens. Diese Verbindung von steuerlichen Begünstigungen mit löchrigen Vorgaben zum Informationsaustausch ist der Grund, warum wir die heute vorliegenden Abkommen ablehnen. a U d s re z te F g k w d g s n is d s w (D ndere – zum Beispiel ehrliche Steuerzahler oder kleine nternehmen, die ihre Steuerlast nicht über verschie- ene Standort optimieren können – die Gekniffenen ind, weil ihre Steuerlast dadurch steigt. Die FDP steht gelmäßig auf der falschen Seite dieser Auseinanderset- ung. Doppelbesteuerungsabkommen und die darin beinhal- ten Informationsaustausche sind ja eben nicht nur eine rage der technischen Ausgestaltung des Steuerrechts. Es eht um die Frage der Besteuerung nach Leistungsfähig- eit und damit einen Grundpfeiler der sozialen Markt- irtschaft, gerade in einer so offenen Volkswirtschaft wie er deutschen. Deshalb habe ich mich in der letzten Le- islaturperiode dafür eingesetzt, dass wir im Finanzaus- chuss wesentlich intensiver auf die Verhandlungsergeb- isse der Bundesregierung schauen. Und deshalb war und t es mir auch in dieser Legislaturperiode ein Anliegen, ass diese Abkommen nicht sämtlich völlig ohne Befas- ung im Plenum des Deutschen Bundestages durchge- unken werden. 62. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1706200000

Die Sitzung ist eröffnet.

Nehmen Sie bitte Platz! Guten Morgen, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Ich habe einige amtliche Mittei-
lungen zu machen.

Als Nachfolgerin der im Sommer ausgeschiedenen
Abgeordneten Dr. Angelica Schwall-Düren begrüße ich
die Kollegin Kerstin Griese wieder herzlich im Deut-
schen Bundestag.


(Beifall)


Ich brauche Ihnen zu den Arbeitsmöglichkeiten und Be-
dingungen hier nichts wirklich Neues mit auf den Weg
zu geben. Wir freuen uns, dass Sie wieder da sind. Auf
eine weiterhin gute Zusammenarbeit!

Die Fraktion der CDU/CSU hat mitgeteilt, dass der
Kollege Dirk Fischer aus dem Eisenbahninfrastruktur-
beirat ausscheidet.


(Zurufe von der SPD: Oh! – Thomas Oppermann [SPD]: Ein echter Verlust!)


Dies nimmt das Plenum des Deutschen Bundestages mit
erkennbarem Bedauern zur Kenntnis. Als Nachfolger
wird der Kollege Thomas Jarzombek vorgeschlagen,

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Redet

(Zurufe von der CDU/CSU: Ah!)


den offenkundig große Erwartungen in dieses neue Amt
begleiten. Neues stellvertretendes Mitglied für die aus
dem Bundestag ausgeschiedene Abgeordnete Astrid
Grotelüschen soll der Kollege Hans-Werner Kammer
werden. Sind Sie mit diesen Vorschlägen einverstanden? –
Das ist offensichtlich der Fall. Dann sind die Kollegen
Jarzombek und Kammer in den Beirat gewählt.

Die nächsten Nachbesetzungen betreffen den Beirat
der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personen-
verkehr. Auf Vorschlag der Fraktion der CDU/CSU soll
der Kollege Josef Rief Nachfolger der aus dem Bundes-
tag ausgeschiedenen Kollegin Lucia Puttric
Auf Vorschlag der Fraktion der SPD soll d
Heinz Paula für die Kollegin Elvira Drob
nachrücken. Könnten Sie sich auch mit diesen

(C (D ung 30. September 2010 0 Uhr en einverstanden erklären? – Das sieht so aus. Dann telle ich hiermit fest, dass der Kollege Rief und der Kolge Heinz Paula in den Beirat der Schlichtungsstelle für en öffentlichen Personenverkehr gewählt sind. Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbunene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufeführten Punkte zu erweitern: P 1 Einsprüche gemäß § 39 der Geschäftsordnung der Abgeordneten Herbert Behrens, Heidrun Dittrich, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger und Michael Schlecht gegen den am 17. September 2010 erfolgten Sitzungsausschluss P 2 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP: Einen fairen Interessensausgleich zwischen Beschäftigten und Arbeitsuchenden mit bedarfsgerechten Regelsätzen schaffen P 3 Vereinbarte Debatte 20 Jahre deutsche Einheit P 4 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be ext richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales ten Markus Kurth, Fritz Kuhn, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bedarfsgerechte Regelsätze und ein zuverlässiges Hilfesystem für Kinder, Jugendliche und Erwachsene statt Experimenten – Drucksachen 17/2921, 17/3081 – Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Carsten Linnemann des Antrags der Abgeordneten Britta nn, Markus Kurth, Alexander Bonde, Abgeordneter und der Fraktion BÜNDIE GRÜNEN h werden. er Kollege inski-Weiß Vorschlä ZP 5 Beratung Haßelma weiterer NIS 90/D Präsident Dr. Norbert Lammert )


(siehe 61. Sitzung)


(11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordne-





(A) )

Leistungskürzungen bei den Unterkunftskos-
ten im Arbeitslosengeld II verhindern – Ver-
mittlungsverfahren mit den Ländern unver-
züglich aufnehmen

– Drucksache 17/3058 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Finanzausschuss
Haushaltsausschuss

ZP 6 Weitere Überweisungen im vereinfachten Ver-
fahren

Ergänzung zu TOP 30

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin
Andreae, Fritz Kuhn, Ingrid Nestle, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

Entflechtungsinstrument ins Wettbewerbs-
recht einfügen

– Drucksache 17/3062 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-
Josef Fell, Krista Sager, Sylvia Kotting-Uhl, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Technikfolgenabschätzung im Bundestag und
in der Gesellschaft stärken

– Drucksache 17/3063 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss

c) Beratung des Berichts gemäß § 56 a GO-BT des
Ausschusses für Bildung, Forschung und Tech-
nikfolgenabschätzung

Technikfolgenabschätzung (TA)

Technikfolgenabschätzung beim Deutschen
Bundestag – Eine Bilanz

– Drucksache 17/3010 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Petitionsausschuss
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

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(C (D Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss P 7 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Haltung der Bundesregierung zu Milliardengarantien und Millionenboni bei der HRE P 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rolf Hempelmann, Ingrid Arndt-Brauer, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Die Steinkohlevereinbarung gilt – Drucksache 17/3043 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Rechtsausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss P 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Für einen geordneten und sozialverträglichen Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlebergbau – Drucksache 17/3044 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Rechtsausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Finanzausschuss P 10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Oliver Krischer, Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Energie 2050 – Sicher erneuerbar – Drucksache 17/3061 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung P 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Beck weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzgebungsverfahrens zur Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken – Drucksache 17/3083 – Überweisungsvorschlag: Innenausschuss Rechtsausschuss Federführung strittig Präsident Dr. Norbert Lammert )





(A) )

ZP 12 Unterrichtung durch die Bundesregierung

Energiekonzept für eine umweltschonende,
zuverlässige und bezahlbare Energieversor-
gung

und

10-Punkte-Sofortprogramm – Monitoring und
Zwischenbericht der Bundesregierung

– Drucksache 17/3049 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, so-
weit erforderlich, abgewichen werden.

Darüber hinaus gibt es folgende Änderungen zur Ta-
gesordnung: Der Tagesordnungspunkt 5 – Jahresbericht
der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit –
wird abgesetzt. Stattdessen soll das Thema jetzt gleich an-
schließend im Rahmen einer Vereinbarten Debatte beraten
werden. Der ursprünglich an dieser Stelle vorgesehene
Tagesordnungspunkt 3 – Finanzierung des Gesundheits-
wesens – wird nach der heutigen Aktuellen Stunde aufge-
rufen. Außerdem muss der Tagesordnungspunkt 12 c ab-
gesetzt werden.

Schließlich mache ich auf eine geänderte Ausschuss-
überweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerk-
sam:

Der in der 59. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätz-
lich dem Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zur Mitberatung
überwiesen werden. Die Überweisung an den Ausschuss
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss)

zur Mitberatung soll entfallen.

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Moder-
nisierung der Regelungen über Teilzeit-Wohn-
rechteverträge, Verträge über langfristige
Urlaubsprodukte sowie Vermittlungsverträge
und Tauschsystemverträge

– Drucksache 17/2764 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Tourismus

Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? –
Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist auch das so be-
schlossen.

Bevor wir mit unserer Arbeit beginnen, möchte ich
Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.


(Die Anwesenden erheben sich)


Am 18. September 2010 verstarb im Alter von
80 Jahren unser ehemaliger Kollege Dr. Egon Alfred
Klepsch. Er war der erste deutsche Präsident des Euro-
päischen Parlaments. Der 1930 im Sudetenland gebo-

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(C (D ne Egon Klepsch zog 1965 als direkt gewählter Abgerdneter für Koblenz in den Deutschen Bundestag ein, em er 15 Jahre, bis 1980, angehörte. 1973 nahm er neen seinem Bundestagsmandat erstmals auch ein Mandat Europäischen Parlament an, dessen Entwicklung von iner beratenden Versammlung von Mitgliedern nationar Volksvertretungen zu einem direkt gewählten Parlaent er mit großem Engagement betrieb und dessen Prä ident er von 1992 bis 1994 war. Europa war sein Thema. Die europäische Idee hat ihn sziniert. Für ihre Umsetzung in politische Wirklichkeit at er Beachtliches geleistet. Egon Klepsch erzählte biseilen, 1973 habe niemand verstanden, warum er ins uropäische Parlament wollte. Dass diese Frage heute, ach dem Lissabon-Vertrag, niemand mehr stellen ürde, ist nicht zuletzt auch ein später Erfolg für Egon lepsch und seine Beharrlichkeit. Der Deutsche Bundestag trauert mit seiner Familie nd drückt ihr sein tiefempfundenes Mitgefühl aus. Wir erden Egon Klepsch nicht vergessen. Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen von Ihren lätzen erhoben. Ich danke Ihnen. Ich rufe nun den Zusatzpunkt 3 auf: Vereinbarte Debatte 20 Jahre deutsche Einheit Hierzu liegen je ein Entschließungsantrag der Frakon der SPD und der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen iderspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zuächst dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, r. Wolfgang Böhmer. Dr. Wolfgang Böhmer, Ministerpräsident (Sachsennhalt)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Sie haben aus aktuellem Anlass eine Debatte
um Thema „20 Jahre Deutsche Einheit“ vereinbart,
hne, wie ich eben erfahren habe, heute schon den Jah-
sbericht der Bundesregierung zum Stand der Deut-

chen Einheit 2010 diskutieren zu wollen. Dafür bin ich
usgesprochen dankbar; denn ich habe ihn erst vor fünf
inuten bekommen und konnte ihn natürlich noch nicht
sen.


(Zuruf von der LINKEN: Was?)


Auch 20 Jahre nach der von uns damals wie ein Wun-
er erlebten Wiedervereinigung Deutschlands gibt es

mer noch einiges, was zu debattieren ist; denn wir
issen heute besser als damals, was das Zusammenfüh-
n zweier so grundsätzlich anders strukturierter Teil-

taaten innerhalb eines Landes auch an Langzeitfolgen
edeutet. Es war gut, dass wir damals noch nicht alles
ussten, und es war hilfreich, dass es einen Druck aus
nem Bevölkerungsteil gab, der sich zur Freiheit selbst





Ministerpräsident Dr. Wolfgang Böhmer (Sachsen-Anhalt)



(A) )


)(B)

befreit hatte. Wir wollten die Freiheit – wir bekennen
uns auch heute noch dazu –, ohne dass wir damals frei-
lich wissen konnten, welche Konsequenzen damit kurz-
fristig und langfristig verbunden sein würden.

Mit den Schwierigkeiten der Umwandlung einer
abgeschirmten sozialistischen Planwirtschaft in eine
weltoffene privatwirtschaftlich organisierte Wettbe-
werbswirtschaft haben wir in den 20 Jahren viele Erfah-
rungen gesammelt, sowohl mit Erfolgen als auch mit
Misserfolgen. Die damalige Illusion vom Reichtum
durch den Verkauf von sogenanntem Volkseigentum ver-
schwand in einem riesigen Finanzierungsdefizit, hervor-
gerufen durch die notwendige ökologische Sanierung
und die notwendige technologische Modernisierung.

Die notwendige Wettbewerbsfähigkeit konnte nur
durch interne Rationalisierung und den massiven Abbau
von Arbeitsplätzen erreicht werden. Fast drei Viertel der
Arbeitnehmer in der ehemaligen DDR haben ihren Ar-
beitsplatz wechseln müssen. Etwa ein Drittel hat ihn
ganz verloren. Wer nicht bald einen neuen fand, der
fühlte sich enttäuscht von der Freiheit, für die er selbst
mitgekämpft hatte. So kam es über die Jahre hinweg zu
einer wechselnden Gemengelage von subjektiven Be-
wertungen, die durchaus mit den objektiven Daten der
wirtschaftlichen Entwicklung korrelierten.

Die statistischen Ämter des Bundes und der Länder
haben vor wenigen Tagen eine vom Statistischen Lan-
desamt Rheinland-Pfalz zusammengestellte Daten-
sammlung herausgegeben, die die Entwicklung ausge-
wählter Parameter in Deutschland zwischen 1991 und
2009 sehr übersichtlich zusammenfasst, weshalb ich nur
darauf verweisen und Ihnen hier möglichst viele Zahlen
ersparen möchte. So ist die Wirtschaftsleistung je Ein-
wohner in den neuen Bundesländern seit 1991 um rund
100 Prozent gestiegen. Sie entspricht aber noch nicht
dem Niveau in den westlichen Bundesländern, weil die
Dichte der industriellen Arbeitsplätze noch deutlich
niedriger ist.

Die politische Bewertung solcher Vergleichszahlen
hängt regelmäßig von den Vergleichsparametern und
– das wissen Sie besser als ich – von der parteipoliti-
schen Perspektive ab. Im Vergleich zu den ehemaligen
sozialistischen Bruderländern östlich von uns haben wir
ein hervorragendes Niveau erreicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Im Vergleich zu den westdeutschen Bundesländern ha-
ben wir noch nicht die Durchschnittswerte erreicht. Die-
jenigen, die schon vor 20 Jahren gegen die Wiederverei-
nigung gestimmt haben, erklären das heute zu einer
Katastrophe. Aber diejenigen, die sich auch heute noch
über das Wunder der Wiedervereinigung freuen, lassen
sich dadurch nicht entmutigen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dabei übersehe ich nicht, dass es Probleme gibt, die
uns noch längere Zeit begleiten werden. Eine große Zahl
unterbrochener Erwerbsbiografien, eine große Zahl von

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(C (D angzeitarbeitslosen, das führt natürlich auch dazu, dass ine große Zahl von Rentnern minimalste Renten beommen werden. Das Problem der Altersarmut sehen ir durchaus auch. Diese Personen werden dann grund icherungsbedürftig sein. Die Gewährung der Grundicherung wird – auch wenn der Bund zurzeit 13 Prozent azuzahlt – von den östlichen Kommunen verlangt weren, die heute nur etwa 51 Prozent der Gewerbesteuerinnahmen der westlichen Gemeinden haben. Das alles ind Probleme, die wir nicht vor uns selbst verstecken nd von denen wir wissen, dass sie zukünftig gelöst weren müssen. In dem schwierigen Übergang der Rentensysteme gibt s Probleme, doch ich bin mir ganz sicher, dass der Geetzgeber, als er Mitte der 90er-Jahre die entsprechenden eschlüsse gefasst hat, diese Probleme so nicht gewollt at. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: 20 Jahre danach!)


s gibt Stichtagsunstimmigkeiten, die zu Problemen ge-
hrt haben, über die durchaus noch diskutiert wird und

ie uns noch beschäftigen werden. Es ist deshalb not-
endig, zu sagen, dass noch mehr als nur einiges zu tun
brig geblieben ist.

Die Eigenfinanzierungsquote der Haushalte in den
euen Bundesländern liegt knapp über 50 Prozent. Wir
ind dankbar für die riesigen finanziellen Hilfen, die wir
ekommen haben und die wir leider immer noch brau-
hen. Wir nehmen zur Kenntnis, dass sie in der Öffent-
chkeit zunehmend als lästig empfunden werden. Auch
ir möchten einen Zustand erreichen, in dem wir nicht
ehr hilfsbedürftig sind, und dies möglichst nicht nur

urch den normalen Finanzausgleich, sondern durch ei-
ene Leistung. Wir werden nicht erfolgreich sein, wenn
ir nur nachmachen, was andere vor uns schon bis zur
arktsättigung gemacht haben. Wer in uns einmal nicht

ur Hilfsempfänger sehen möchte, sollte uns die Chance
inräumen, auch in den neuen Ländern Forschungs- und
ntwicklungskapazitäten aufzubauen, um selbst wettbe-
erbsfähig zu werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Auch dabei gilt die Maxime, dass wir die Teilung nur
urch Teilen überwinden können. Was an Wirtschafts-
rderung für private Unternehmen noch möglich ist,

ollten wir auf diese Zielstellung konzentrieren. Die sehr
chmale, mit öffentlichen Mitteln ausgehaltene Innova-
onslandschaft in Ostdeutschland ist völlig anders ge-
rägt als in Westdeutschland und aus eigener Wirt-
chaftskraft noch nicht lebensfähig. Wir müssen deshalb
emeinsam nach neuen Wegen und Methoden der inno-
ationspolitischen Förderung suchen und dies ohne Arg-
ohn untereinander zulassen.

Viele Nebenwirkungen dieses globalen Transforma-
onsprozesses und die noch immer bestehende negative
anderungsbilanz der neuen Bundesländer konnten nur

urch die neben der Währungs- und Wirtschaftsunion
eschaffene Sozialunion abgefedert werden. Ohne den
usätzlichen Finanztransfer der Sozialkassen hätten wir





Ministerpräsident Dr. Wolfgang Böhmer (Sachsen-Anhalt)



(A) )


)(B)

diesen strukturellen Transformationsprozess innerhalb
eines Landes nicht ausgehalten.

Die auch nach 20 Jahren gelegentlich aufflackernde
Diskussion über einen anderen Weg zur Wiedervereini-
gung, zum Beispiel über ein sogenanntes Kondominium
mit eigener Währung, ist irreal; das hätten die Menschen
in Ost und West damals nicht mit sich machen lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es ist auch irreal, zu glauben, dass sich 60 Millionen
Deutsche mit einem erfolgreichen Wirtschaftssystem
und einem geschätzten Grundgesetz von einer kleinen
Gruppe von 16 Millionen Ostdeutschen mit einem ge-
scheiterten Wirtschaftssystem, von denen ein Teil schon
auf dem Koffer saß und die untereinander durchaus nicht
einer Meinung waren, hätten erklären lassen wollen, wie
man die Welt hätte verbessern können.

Trotz aller Folgeprobleme sind wir immer noch
glücklich darüber, dass 329 Tage nach der erzwungenen
Maueröffnung ausreichten, um Deutschland zu vereini-
gen und Europa den Weg dazu zu öffnen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Damit das so bleibt, bitte ich ausdrücklich darum,
sich im Bereich der sozialen Ausgleichsstrukturen allen
Forderungen nach der Lösung regionaler Probleme
durch erneute Regionalisierung zu widersetzen. In einer
Zeit notwendiger Reformen, die den Menschen auch Be-
lastungen abverlangen, dürfen die sozialen Ausgleichs-
strukturen nicht zur Disposition gestellt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Es ist nicht möglich und auch nicht vorgesehen, in ei-
nem kurzen Debattenbeitrag alle Probleme der Wieder-
vereinigungspolitik anzusprechen. Weil über ein Thema
in der Öffentlichkeit sehr häufig diskutiert wird, möchte
ich dazu allerdings noch ganz kurz ausführen, nämlich
zu der noch immer behaupteten Mauer in den Köpfen
nach Entfernung der tatsächlichen Mauer.

Wahr ist, meine Damen und Herren, dass in Umfragen
zu politisch bedeutsamen Wertungen und bei Wahlen die
Menschen in den neuen Bundesländern andere Vertei-
lungsmengen erzeugen und damit andere Verhaltens-
muster bezeugen. Wahr ist auch, dass eine Sozialisation
in einer vormundschaftlich organisierten Diktatur zu an-
deren Verhaltensmustern führen musste als eine Soziali-
sation in einer freiheitlichen Wettbewerbsgesellschaft.
Weder muss sich der eine wegen des Versagens seines
Wirtschaftssystems persönlich betrogen und als Mensch
zweiter Klasse fühlen, noch kann der andere so auftre-
ten, als sei der Erfolg seiner Wirtschaftsstrukturen sein
ganz persönlicher gewesen.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD – Heiterkeit bei der LINKEN – Thomas Oppermann [SPD]: Eine gute Bemerkung!)


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(C (D Gelegentlich habe ich den Eindruck, meine Damen nd Herren, dass wir Deutschen uns viel ähnlicher sind, ls wir zuzugeben bereit sind. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


azu ein einziges Beispiel. Ziemlich oft bin ich gefragt
orden, warum es in der DDR so viel Opportunismus
egeben habe. Ich gebe zu: Ich kann da gar keinen gro-
en Unterschied sehen, nur andere Ausdrucksformen. In
iner Diktatur resultiert angepasstes Verhalten aus der
ngst vor Nachteilen und einem Abstieg, in einer Wett-
ewerbsgesellschaft aus der Hoffnung auf Vorteile und
inen Aufstieg. Das ist nicht das Gleiche, aber ein sehr
ergleichbares menschliches Verhaltensmuster.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


So gibt es auch nach 20 Jahren noch Aufgaben, die
ir zum Erreichen gleichwertiger Lebensverhältnisse
sen müssen, und Aufgaben, die wir lösen müssen, um

u verhindern, dass uns die sozialutopische Illusion ei-
es sogenannten konfliktfreien Lebens noch einmal von-
inander trennt. Nichts schweißt Menschen mehr zusam-
en als gemeinsame Erfolge. Wenn wir in den noch

ngelösten Problemen gemeinsame Aufgaben sehen und
ei der Aufarbeitung der Folgen unserer getrennt erleb-
n, aber trotzdem gemeinsamen Geschichte erfolgreich

ind, dann wird auch die innere Einheit bald vollendet
ein.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1706200100

Dagmar Ziegler ist die nächste Rednerin für die SPD-

raktion.


(Beifall bei der SPD)



Dagmar Ziegler (SPD):
Rede ID: ID1706200200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ehr geehrter Herr Ministerpräsident! Wir haben es ge-
de gehört – wir als SPD-Fraktion teilen diese Haltung

elbstverständlich –: Ost- wie Westdeutsche haben in
en vergangenen 20 Jahren Großes geleistet. Das war
ine herausragende Leistung, die, wie ich glaube, mit
ichts in der deutschen Geschichte vergleichbar ist. Sie
at viel Kraft erfordert, und sie hat auch viel Geld erfor-
ert.

Wenn wir uns die Statistiken ansehen, dann stellen
ir fest, dass zwischen dem Jahr 2000 und dem

ahr 2009 eine extreme Steigerung stattgefunden hat,
as den strukturellen Konvergenzprozess angeht, also
eispielsweise das Bruttoinlandsprodukt, die Produktivi-
t, die Exportquote und auch die Selbstständigenquote.
ier ist uns wirklich eine sehr große Annäherung gelun-
en. Allerdings ziehe ich die Statistik etwas in Zweifel,





Dagmar Ziegler


(A) )


)(B)

weil immer der Durchschnitt der westdeutschen Länder
mit dem Durchschnitt der ostdeutschen Länder vergli-
chen wird. Ich glaube, es wäre besser, in Zukunft den
Vergleich zwischen strukturschwachen Regionen in
Westdeutschland und strukturschwachen Regionen in
Ostdeutschland anzustellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Dann könnte man den Konvergenzprozess besser ablei-
ten, und man würde deutlicher sehen, was bereits er-
reicht wurde und was in Zukunft noch notwendig ist.

Wir können feststellen – auch der Bericht zeigt das –:
Es ist zwar schon viel geschafft worden, aber es gibt
noch viel zu tun. Beispielsweise ist die Arbeitslosen-
quote im östlichen Teil Deutschlands fast doppelt so
hoch wie im westlichen Teil. Daran sieht man, dass die
strukturellen Probleme bei weitem noch nicht gelöst
sind.

Bei aller Anerkennung dafür, dass in den letzten
20 Jahren viel Geld von West nach Ost geflossen ist,
muss man sich den Haushaltsentwurf dieser Bundesre-
gierung einmal genauer ansehen. Spiegelt sich darin wi-
der, was die künftigen Handlungsnotwendigkeiten in Ost
und in West ausmacht? Wir haben den Eindruck, dass
das, was wir in 20 Jahren aufgebaut haben, gleich wieder
abgerissen werden soll – und das im 20. Jahr der deut-
schen Einheit. Wir müssen feststellen, dass die Sparpo-
tenziale, die im Regierungsentwurf aufgezeigt werden,
auf Kosten des Ostens gehen.


(Iris Gleicke [SPD]: Das ist leider wahr!)


Einige Politikfelder will ich Ihnen dafür beispielhaft
nennen:

37 Prozent des gesamten Sparvolumens fallen in den
Bereich der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Das
heißt, dort, wo mehr Geringverdiener, mehr Arbeitslose
vorhanden sind – das ist leider Gottes im Osten Deutsch-
lands der Fall –, werden die Kürzungen stärker durch-
schlagen als im westlichen Teil Deutschlands.


(Iris Gleicke [SPD]: Das ist ein Skandal!)


Ostdeutschland wird damit viel härter getroffen – mit all
den Folgewirkungen für das Konsumverhalten, für
Kleinbetriebe, für den Mittelstand, für Handwerker etc.
Das muss man einfach wissen und bei einem Haushalts-
entwurf bedenken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Weiter steht im Bericht zum Programm „Kommu-
nal-Kombi“:

Auch nach der Erweiterung der förderfähigen Re-
gionen im April 2009 lag der Schwerpunkt des Pro-
gramms in den ostdeutschen Ländern, so dass ins-
besondere die Menschen unterstützt werden
konnten, die auf Grund der in vielen ostdeutschen
Kreisen angespannten Arbeitsmarktlage und der
Schwäche der regionalen Wirtschaft keine Arbeit
finden konnten.

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(C (D Es wird also positiv bewertet. Fakt ist: Die Bundesreierung hat dieses Programm 2009 enden lassen. Dazu uss man sagen: Wort und Tat stehen einfach nicht in inheit. Im Juni hat die Bundesregierung beschlossen, eine rbeitsgruppe einzurichten, die sich dem Problem des achkräftemangels widmen soll. Wir wissen: Der Osn läuft, was die demografische Entwicklung angeht, em Westen um einiges voraus. Das heißt, man könnte uch einmal vom Osten lernen, weil wir schon viele Anätze für Lösungen gefunden haben, dafür natürlich auch eld und Initiativen brauchen. Angesichts der demograschen Entwicklung wird nämlich der Fachkräftemangel Osten viel stärker durchschlagen als im Westen, wenn icht rechtzeitig gegengesteuert wird. Wie wird denn un von der Bundesregierung gegengesteuert? Es wurde ine Arbeitsgruppe installiert. Wie weit ist denn diese rbeitsgruppe nach drei Monaten? Es sind noch nicht inmal die Mitglieder benannt. Das erste Gespräch soll merhin schon in diesem Jahr – dafür wäre Beifall an ezeigt! – stattfinden. Offenbar ist alles nicht so eilig. ber wir wissen, dass der Fachkräftemangel in Osteutschland in den nächsten Jahren sich extrem entwikeln wird. Wir brauchen Lösungsansätze nicht nur auf änderebene, sondern auch die Bundesregierung hat ine Verantwortung wahrzunehmen. Es gibt einen weiteren Bereich, nämlich die Städteauförderung. Herr Ramsauer hofft nun auf die Koalion, darauf, dass sie sich eines Guten besinnt. Im Becht steht nämlich: Als gemeinsam von Bund, Ländern und Gemeinden finanzierte Aufgabe hilft sie Städten und Gemeinden, städtebauliche Missstände zu beseitigen und eine zukunftsfähige Entwicklung einzuleiten, die in besonderer Weise von unterbliebener Erneuerung, wirtschaftlichem Strukturwandel, der demografischen Entwicklung und von Zuwanderung betroffen sind. Hintergrund: Jeder Euro Fördermittel zieht mehr als Euro Investitionen vor Ort nach sich. (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Sagen Sie doch einmal was zur Wiedervereinigung!)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)


as wissen Sie als CDU/CSU-FDP-Koalition genauso
ie wir. Schauen wir uns dies einmal an! Die Mittel für
ie Städtebauförderung, wozu auch die Programme
Stadtumbau Ost“ und „Soziale Stadt“ gehören, sollen
albiert werden. Ich glaube, Herr Ramsauer wartet auf
ie, darauf, dass die Koalition dies ändert. Wir werden
uch weiter gegen die Kürzung protestieren. Gehen Sie
itte in die Städte, die davon profitiert haben, auch in die
estdeutschen Städte, die davon profitieren, und

chauen Sie sich an, was bei einer Halbierung passieren
ürde! Im Osten würde dies wieder stärker wirken als
Westen. Das muss man sich in seinen Auswirkungen

infach einmal ansehen.


(Beifall bei der SPD)






Dagmar Ziegler


(A) )


)(B)

Im Bericht steht:

Zugleich beeinflusst eine Reihe noch bestehender
struktureller Ungleichgewichte das gesamtwirt-
schaftliche Ergebnis. Hierzu zählt z. B., dass die
ostdeutsche Wirtschaft nach wie vor eine ver-
gleichsweise geringe Zahl großer kapitalkräftiger
Unternehmen aufweist. So waren 2008 laut Deut-
schem Institut für Wirtschaftsforschung … von den
700 größten Unternehmen in Deutschland lediglich
fünf Prozent in den neuen Ländern ansässig.

Was macht die Bundesregierung? – Sie führt ein Sti-
pendienprogramm ein, durch das Studierende mithilfe fi-
nanzstarker Unternehmen unterstützt werden sollen. Sie
wissen, was das in Ostdeutschland bedeutet: kein Profit
für Ostdeutschland durch dieses Programm.


(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Was reden Sie denn?)


Daneben kürzt sie die Ausgaben für die Gemein-
schaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt-
schaftsstruktur“, obwohl sie – auch das ist wieder ein Zi-
tat aus dem Bericht – „das zentrale Instrument der
Investitionsförderung bleibt“. Wie bitte soll das bei einer
Kürzung funktionieren?


(Beifall bei der SPD)


Noch ein paar Sätze zur Familienpolitik. In Sachen
Familienpolitik legt die Bundesregierung im Bericht auf
folgende Fakten Wert: 20 Euro mehr Kindergeld seit Ja-
nuar 2010, die Feststellung, dass das Elterngeld sozial
ausgewogen ist, und die Einführung des Rechtsan-
spruchs auf Kinderbetreuung ab dem Jahr 2013. – So
steht es in dem Bericht.

Tatsache ist: Durch die Kindergelderhöhung und die
Erhöhung der steuerlichen Kinderfreibeträge werden
gutverdiendende Eltern überproportional bevorteilt. Wo
leben sie? – Sie leben im Westen Deutschlands. Zukünf-
tig sollen Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger
kein Elterngeld mehr erhalten, dafür aber beispielsweise
die gutverdienende Notarsgattin.

Den Kommunen wird durch die Steuerpolitik der
Bundesregierung zunehmend die finanzielle Basis für
den Ausbau der Infrastruktur weggenommen. Also: Wort
und Tat bilden keine Einheit.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1706200300

Frau Kollegin, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit.


Dagmar Ziegler (SPD):
Rede ID: ID1706200400

Der Osten wird in Zukunft noch mehr schmerzliche

Einschnitte hinnehmen müssen. Sie wissen: Der Solidar-
pakt läuft 2019 aus, die Höchstförderung durch die EU-
Strukturfonds wird wegfallen,


(Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Falsche Rede! Peinlich!)


und es wird – so sieht es nach dem Regierungsentwurf
aus – noch mehr Ost-Sparpakete geben.

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(C (D Deshalb lautet mein Appell an Sie als Koalition: chauen Sie sich die Auswirkungen des Regierungsenturfs zum Haushalt ganz genau an! (Maria Michalk [CDU/CSU]: Reden Sie über die deutsche Einheit! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Thema verfehlt!)


ahren Sie einmal in den Osten! Ich glaube, ein großer
eil von Ihnen war vielleicht noch nicht dort.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1706200500

Das Wort erhält nun der Kollege Patrick Kurth für die

DP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Patrick Kurth (FDP):
Rede ID: ID1706200600

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

n! Bevor ich starte, möchte ich sagen, dass ich mich
ersönlich sehr freue, hier sprechen zu dürfen. Das be-
egt mich sehr.

Viele von Ihnen waren vor 20 Jahren bereits politisch
ktiv, hatten Verantwortung und haben gestaltet. Ich war
s nicht; das gebe ich zu. Ich war 13 Jahre alt und bitte
a um Nachsicht. Ich bin damals zum Beispiel davon
usgegangen, dass ich im DDR-Schulsystem kein Abitur
achen und dementsprechend nicht studieren werde.

989 bin ich auch davon ausgegangen, meine Westver-
andtschaft erst in 50 Jahren sehen zu können, wenn sie
ann noch leben würde.

Dass es anders gekommen ist, ist eine schöne Ent-
icklung. Die Ostdeutschen haben die Mauer eingeris-

en; wir haben Deutschland gemeinsam vereinigt. Wir
aben eine beachtliche Entwicklung „hingelegt“, und
eute reden wir über 20 Jahre deutsche Einheit. Das ist
ewegend, und das ist schön.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: So muss eine Rede zur deutschen Einheit sein!)


Die Folgen von 40 Jahren Teilung können auch in
0 Jahren nicht ohne Spuren heilen, aber durch die letz-
n 20 Jahre zeigt sich, dass der Einigungsprozess eine
roße Erfolgsgeschichte ist. In dem Jahresbericht wird
um Beispiel davon gesprochen – ich finde, zu Recht –,
ass in den letzten 20 Jahren in Ostdeutschland ein klei-
es Wirtschaftswunder stattgefunden hat. Das ist und
leibt richtig.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Um es noch einmal deutlich zu machen: Was hat die
DR hinterlassen? – Sie hat eine verschlissene Infra-

truktur, einen veralteten Kapitalstock und zerstörtes
nternehmertum hinterlassen, und mit der Wende trat

in ausgesprochen großes Problem auf: Es gab ein er-
ebliches, nachvollziehbares Potenzial für Abwande-





Patrick Kurth (Kyffhäuser)



(A) )


)(B)

rung in den Westen. Dass diese enorme Mobilität die
politischen Gestaltungsmöglichkeiten einschränkte, wis-
sen wir; dass sie die politischen Akteure unter einen un-
geheuren zeitlichen Druck setzte, wird heute leider oft
vernachlässigt. Sie alle kennen den Ruf aus der Zeit:
Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, gehen
wir zu ihr.


(Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Sie sind trotzdem gegangen!)


Das muss man auch berücksichtigen, wenn man über die
deutsche Einheit spricht.

Mit relativ großem Unverständnis habe ich deswegen
zum Beispiel das gelesen, was der Wirtschaftsminister
aus dem Land Thüringen – er hat auch einmal einer Bun-
desregierung angehört; nicht dieser, sondern einer ande-
ren –, Herr Machnig, im September in einem sogenann-
ten Mittelstandsförderprogramm verlautbaren lässt:

Von dieser hektischen Aufholjagd sollten sich die
neuen Länder 20 Jahre nach der Vereinigung verab-
schieden. Diese hatte negative Begleiterscheinun-
gen wie Niedriglöhne, Abwanderung und unüber-
legte Ansiedlungen, die einzelne Regionen nicht
weitergebracht, sondern zurückgeworfen haben.


(Widerspruch bei der FDP und der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, das schreibt ein Wirt-
schaftsminister eines solchen „neuen Landes“ im Sep-
tember des Jahres 2010: „zurückgeworfen“!


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt denn Frau Lieberknecht dazu? – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Er hat doch recht!)


– Ach, er hat recht. Das ist ja noch interessanter. Es gibt
in Ostdeutschland Millionen Menschen, denen es heute
schlechter geht als 1990? Das können Sie doch wahrlich
nicht behaupten. Das geht doch überhaupt nicht, meine
Damen und Herren.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Worüber wir reden können, ist die Frage, ob die sozia-
len Lebensverhältnisse zum Beispiel mancher SED-Op-
fer genauso stark gestiegen sind wie die vieler SED-Tä-
ter und SED-Mitläufer. Aber das ist heute nicht das
Thema.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ihr Entschließungsantrag spricht – Achtung! – von einer
– ich zitiere – „vermeintlich desolaten Ausgangslage“. –
Vermeintlich! Das müssen Sie gleich mal erklären, was Sie
mit einer „vermeintlich desolaten Ausgangslage“ meinen.


(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, es gibt viele Zahlen zum
Aufholprozess. Wir hören gerade jetzt in diesen Tagen,
bei den 20-Jahr-Feiern, sehr viel dazu. Ich will nur eine
Zahl nennen, weil das das Ganze noch mal plastisch
macht. Die Arbeitsproduktivität der neuen Bundeslän-
der im Vergleich zum Westen ist in den letzten Jahren

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(C (D on 1990 bis heute von 43 Prozent auf 73 Prozent gestieen. Man muss dabei immer noch beachten: Auch der esten hatte seit 1990 ein Wirtschaftswachstum, und ies müssen wir ja entsprechend mit aufholen. Die Zahn orientieren sich also nicht an 1990, sondern an den weils aktuellen Zahlen. Zum Vergleich: Von den anden osteuropäischen Ländern, die übrigens die gleiche usgangslage hatten wie die DDR, liegen zum Beispiel schechien und die Slowakei bei 30 Prozent. Ich gehe avon aus, dass wir bei einem langsamen Angleichungsrozess auch ungefähr dort stünden. Wir können uns ber auch ausmalen, welchen Exodus die ostdeutschen änder erlitten hätten. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: 1,8 Millionen seit 1990!)


20 Jahre deutsche Einheit heißt aber auch – ich komme
uf die Abwanderung noch zu sprechen –, dass wir den
egriff „Aufbau Ost“ noch einmal deutlich definieren
üssen. Es ist heute kein abgetrenntes Politikfeld mehr,
ie das in den 90er-Jahren richtig war. Viele Themen, die

ich in der einen oder anderen Region etwas deutlicher
emerkbar machen oder woanders auch weniger deutlich
emerkbar machen, sind gesamtdeutsch. „Aufbau Ost“
ls Begriff ist übrigens im Westen und auch im Osten un-
eliebt, weil er eher trennt, anstatt zu verbinden.

Dennoch sind einige Probleme in Ostdeutschland sehr
iel signifikanter als im Westen. Der Herr Ministerpräsi-
ent sprach die Arbeitslosigkeit an, sprach die Rente an.
ines der größten Probleme ist die Abwanderung. Wir
aben eine hohe Abwanderungsquote. Wir konnten diese
ohe Abwanderungsquote trotz der Angleichung nicht in
er Weise mildern, wie wir das gern gewollt hätten.


(Zuruf der Abg. Iris Gleicke [SPD])


Wir hatten den Wendeknick, Frau Gleicke. Der Wen-
eknick bedeutete den größten ohne Kriegseinwirkung
tattfindenden Geburtenabsturz in Deutschland über-
aupt. Wir haben seitdem eine Abwanderung in unerhört
ohen Ausmaßen über Jahre hinweg. Das ist so.

Übrigens haben wir jetzt bereits Teil zwei dieser Ab-
anderung: In diesen Jahren ab 2010 fehlen bereits die
inder derjenigen Kinder, die vor 20 Jahren nicht gebo-
n worden sind oder deren Eltern abwanderten. So

ommen wir in eine nächste Stufe.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das hat nichts mit der DDR zu tun!)


Die dadurch entstehende Überalterung hat erhebli-
he Folgen für die Sozialsysteme, die Infrastruktur und
ieles mehr. Aber – auch das will ich sagen – das ist kein
in ostdeutsches Problem, auch wenn viele Regionen
Osten davon betroffen sind. Das Problem wird auch

uf den Westen zukommen, vielleicht nicht so hart und
o schnell, aber es wird auch dort ankommen. Wenn mir
um Beispiel mein Kollege Luksic vom Saarland er-
ählt, dann stellen wir fest, dass wir da in vielen Fällen
hnliche Probleme haben, und das Saarland liegt ja nun
icht unbedingt im Osten unserer Republik. Daher ist es
ichtig, zu wissen, dass die Konzepte, die wir entwi-





Patrick Kurth (Kyffhäuser)



(A) )


)(B)

ckeln, im Osten anwenden und dort erfolgreich prakti-
zieren können, Vorbild auch für die Entwicklung im
Westen sein können.

Eines muss klar sein: In Gänze können wir die bishe-
rige Entwicklung leider nicht umdrehen. Weder im Osten
noch im Westen können die fehlenden Kinder 20 Jahre
später auf die Welt gebracht werden. Aber wenn wir die
richtigen Strategien anwenden, dann können gelungene
Konzepte aus dem Osten Vorbild für den Westen sein.

Was können wir von der deutschen Einheit lernen?
Ich glaube, wir können sehr viel von der Aufbruchstim-
mung von 1990 lernen. Die DDR-Bürger stellten sich
quasi über Nacht auf ein völlig neues System ein. Sie
krempelten ihr Leben um. Sie haben neue Sprachen ge-
lernt, sie haben umgelernt, sie haben neue Berufe ange-
fangen, und sie haben persönliche Belastungen und Risi-
ken auf sich genommen. Sie haben das getan, weil sie
die Vision von einem besseren, eigenbestimmten Leben
hatten. Diese Haltung könnte auch heute Vorbild für un-
sere Gesellschaft sein.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es wurde gerade umfänglich aus dem Sparpaket zitiert.
Wir können übrigens aus dem Untergang der DDR auch
lernen, dass das Ausplündern der Staatskasse zum Kol-
laps führen kann. Ein Staat muss sich finanzieren kön-
nen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Manchmal ist es auch angesichts der Fehler, die gesche-
hen sind, hilfreich, sich an die Worte der ehemaligen
Volkskammerpräsidentin Bergmann-Pohl zu erinnern, die
sagte: Ja, es sind Fehler gemacht worden, und ich verspre-
che Ihnen, beim nächsten Mal machen wir es besser. –
Das hilft manchmal auch schon.


(Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU)


Mit Blick auf die Uhr komme ich zum Schluss.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1706200700

Sehr gut.


Patrick Kurth (FDP):
Rede ID: ID1706200800

Ich möchte noch eines sagen: Gleichwertige Lebens-

verhältnisse wollen wir anstreben. Wir werden aber
keine gleichen Lebensverhältnisse in ganz Deutschland
erreichen. Das müssen wir auch gar nicht. Was wir aber
möchten, ist, dass alle Menschen in Deutschland die
gleichen Voraussetzungen vorfinden, um ein glückliches
und selbstbestimmtes Leben in Freiheit und Einheit füh-
ren zu können. Dafür steht diese Koalition.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1706200900

Nächste Rednerin ist Kollegin Gesine Lötzsch für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten amen und Herren! Die deutsche Einheit wird von vien in dieser Bundesregierung salbungsvoll beschworen nd mit viel Geld gefeiert. (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Dass das der SED nicht gefällt, ist klar!)

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706201000

ein Eindruck ist allerdings, dass sich diejenigen selbst
m meisten feiern, die am wenigsten für die deutsche
inheit getan haben.


(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP – Dagmar Ziegler [SPD]: Was haben Sie denn dafür getan?)


Haben Sie sich zum Beispiel schon einmal die Frage
estellt, wie viele der Montagsdemonstranten von 1989
tzt von Hartz IV leben müssen und dadurch gedemü-
gt werden? Ist das Ihre Vorstellung von deutscher Ein-
eit? Alle Bundesregierungen der letzten 20 Jahre haben
iel getan – der Kollege von der FDP hat es schon ange-
prochen –, um Zwietracht zwischen Ost und West zu
äen.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)


ie taz aus Berlin titelte am Dienstag dieser Woche zu-
effend: „Merkel zementiert neue Mauer“. Die auf der
itelseite abgebildete Hartz-IV-Deutschlandkarte zeigt
eutlich die Grenzen der ehemaligen DDR. In Ost-
eutschland leben lediglich 15 Prozent der Bevölkerung,
ber 34 Prozent der Hartz-IV-Empfänger. Sie haben mit
rer Politik aus Ostdeutschland ein Hartz-IV-Land ge-
acht, und das ist alles andere als eine gelungene deut-

che Einheit.


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: Das ist Ihre Vergangenheit!)


eute gibt es allerdings eine weitere Karte in derselben
ageszeitung. Dort steht, der Osten sei arm, aber schlau.
ber davon profitiert vor allen Dingen der Westen, weil
ut ausgebildete junge Leute in den Westen gehen. Nach
rer Rede, Herr Kurth, hätte ich allerdings diesen Kom-
entar am liebsten vergessen. Für Sie trifft er nicht zu.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir haben die Einheit erst wirklich erreicht, wenn wir
agen können: Wir haben gleiche Renten, gleiche Löhne,
ie gleiche Anzahl von Kitaplätzen, die gleiche Anzahl
on Polikliniken in Ost und West. Das wäre ein gutes
iel, aber das strebt die Bundesregierung augenschein-
ch nicht an.

Meine Damen und Herren, sagen wir es ganz deut-
ch: Alle Bundesregierungen haben dafür gesorgt, dass
ut gebildete Ostdeutsche keine Chance bekommen, um
dieser Gesellschaft wirklich aufzusteigen. Es gibt in

ieser Bundesregierung keinen Minister und keinen be-
mteten Staatssekretär, keinen Intendanten einer ARD-
nstalt, keinen Chefredakteur einer überregionalen Ta-
eszeitung,





Dr. Gesine Lötzsch


(A) )


)(B)


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit dem Neuen Deutschland?)


keinen Sternegeneral der Bundeswehr und keinen Rich-
ter des Bundesverfassungsgerichtes mit einer ostdeut-
schen Biografie. Das ist wirklich kein Zufall. Nur die
Kanzlerin – sie ist gerade verschwunden – stammt aus
dem Osten.


(Zurufe von der FDP: „Nur“?)


Aber was hat sie denn für den Osten getan? Was ist aus
ihrem Versprechen geworden, endlich die Renten Ost
und West anzugleichen? Kein Wort dazu habe ich seit
der Wahl gehört.


(Jörg van Essen [FDP]: Sie bekommen nichts mit!)


Die Ausgrenzung der ostdeutschen Eliten wird mit
ihrer Staatsnähe begründet. Wer in der DDR staatsnah
war, sollte in diesem Land keine zweite Chance bekom-
men. Staatsnah war schon jeder DDR-Bürger, der nicht
als Partisan in den Thüringer Wald ging, um mit der
Waffe in der Hand gegen das Politbüro zu kämpfen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind doch auch gegen Eliten! Was erzählen Sie denn für einen Unsinn? Das ist eine klare SED-Rede, die Sie hier halten! Was ist denn los?)


Doch selbst die ehemaligen Bürgerrechtler, die die DDR
mit allen Mitteln bekämpften, konnten in der bundes-
deutschen Elite nicht aufsteigen. Kein einziger ehemali-
ger Bürgerrechtler ist in der Bundesregierung vertreten.
Sie haben sie alle entsorgt.


(Dagmar Ziegler [SPD]: Sie hätten ja Gauck wählen können! – Thomas Oppermann [SPD]: Warum haben Sie den Gauck nicht gewählt?)


Meine Damen und Herren, wir reden am Tag der
Deutschen Einheit immer sehr viel über den Osten; aber
die deutsche Einheit hat auch etwas mit dem Westen zu
tun. Jetzt stellen wir uns einmal die Frage: Wie hat sich
das Leben der Menschen in Westdeutschland seit dem
Fall der Mauer verändert?


(Dagmar Ziegler [SPD]: Alles Heuchler!)


Hatten sie die Chance, Dinge aus dem Osten zu bekom-
men, von denen jetzt viele sagen: „Die hätten wir gerne
gehabt“? Ich denke an Kindergartenplätze, Polikliniken,
Bildungschancen. Ganz im Gegenteil: Das Leben der
Westdeutschen hat sich seitdem verändert, in vielen Fäl-
len verschlechtert: seitdem sinken die Löhne, seitdem
gibt es immer mehr Jobs, von denen man nicht leben
kann, und seitdem gibt es Hartz IV.

An dieser Stelle will ich etwas länger verweilen. Wir
haben in dieser Woche schon sehr viel über Hartz IV
diskutiert. Es ist unglaublich, wie diese Bundesregierung
arbeitslose Menschen ausspioniert, entmündigt und be-
leidigt. Was für einen Arbeitslosen gut oder schlecht ist,
das will unsere Arbeitsministerin als Supernanny ent-
scheiden. Ich sage Ihnen: Arbeitslose sind keine kleinen
Kinder, sondern mündige Bürger.

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(C (D (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Partei hat immer recht, egal ob sie SED, PDS oder Linke heißt!)


h kenne genügend gebildete Arbeitslose, die weder
uchen noch Alkohol trinken und einfach keine Arbeit

ekommen, weil sie über 50 Jahre alt sind. Das ist doch
er eigentliche Skandal, und darüber sollten wir hier in
iesem Parlament viel deutlicher reden.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Sie sind ein Skandal!)


Ich sage Ihnen auch: Der Eingriff in die Persönlich-
eitsrechte von Arbeitslosen ist eine Schande für einen
emokratischen Rechtsstaat. Das hat mit Freiheit nichts
u tun.


(Beifall bei der LINKEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es lebe die neue Parteispitze der Linken!)


Seit der deutschen Einheit sinken die Renten.


(Zurufe)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1706201100

Einen Augenblick, bitte. – Alle nachfolgenden Red-

er können alles zurückweisen, was gerade vorgetragen
ird. Aber vorgetragen werden darf das; darauf lege ich

llergrößten Wert.


(Beifall bei der LINKEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Zwischenrufe dürfen auch sein! Wir sind ja nicht in der DDR hier!)


Ja, selbstverständlich.

Jetzt hat die Frau Kollegin Lötzsch das Wort.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706201200

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich bin gespannt auf die

eiteren Beiträge in dieser Debatte; das ist doch klar.

Seit der deutschen Einheit sinken die Renten in West-
eutschland. Seit der deutschen Einheit sterben erstmals
ieder Soldaten in Kriegen. Ist es da nicht nachvollzieh-
ar, dass viele Westdeutsche die Mauer wieder haben
ollen?


(Thomas Oppermann [SPD]: Wo leben Sie eigentlich? Wirres Zeug!)


Meine Damen und Herren, wie konnte das alles pas-
ieren? All das wäre in Zeiten der Systemkonkurrenz
wischen Kapitalismus und Sozialismus unmöglich ge-
esen. Aber mit dem Wegfall dieses Wettbewerbs glau-
en viele, auf die soziale Marktwirtschaft verzichten zu
önnen. Seit dem Fall der Mauer, so formulierte es der
ramatiker Heiner Müller, stecken wir bis zum Hals im
apitalismus. Je schlechter die soziale Situation für
iele Menschen in Ost und West ist, desto heftiger sind
ie Angriffe auf die längst untergegangene DDR. Aber
arum geht es eigentlich gar nicht.





Dr. Gesine Lötzsch


(A) )


)(B)


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an den Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE] gewandt: Dietmar, ist das die Weiterentwicklung bei euch?)


Es geht darum, dass es eine Alternative zu dieser ka-
pitalistischen Gesellschaft geben muss. Wir als Linke
lassen uns nicht abschrecken. Wir kämpfen für eine Ge-
sellschaft, die nicht profit- und angstgesteuert ist, die
Menschen nicht ausgrenzt und demütigt. Wir setzen viel-
mehr auf eine Gesellschaft mit Solidarität und Gerech-
tigkeit.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: DDR 2.0, das ist das, was Sie wollen!)


Davon lassen wir uns von niemandem abhalten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN – Hans-Joachim Hacker [SPD]: Die Rede wäre schon vor zehn Jahren schlecht gewesen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1706201300

Nächster Redner ist der Kollege Stephan Kühn,

Bündnis 90/Die Grünen.


Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706201400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ob die

Lage besser ist als die Stimmung, wie Herr Minister de
Maizière oft sagt, darüber kann man diskutieren. Es ist
aber auf jeden Fall falsch, Ostdeutschland auf das
Thema Hartz IV zu reduzieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Die Bilanz nach 20 Jahren deutscher Einheit ist zwei-
felsfrei positiv. Neben Licht gibt es aber auch Schatten.
Der wirtschaftliche Aufholprozess in Ostdeutschland hat
seine Dynamik verloren. Die wirtschaftliche Leistungs-
kraft der neuen Länder stagniert bei ungefähr 73 Prozent
des westdeutschen Bruttoinlandsprodukts. Wir haben
eine verfestigte Arbeitslosigkeit, die doppelt so hoch ist
wie in den alten Bundesländern.

Ein schon angesprochenes besonderes Entwicklungs-
hemmnis für die ostdeutsche Wirtschaft ist die anhal-
tende Abwanderung junger ausgebildeter Menschen.
Sie fehlen künftig als Unternehmensgründer und als Be-
triebsnachfolger. Junge Leute, die an unseren attraktiven
ostdeutschen Hochschulen ausgebildet werden, müssen
wir halten. Ich sage an dieser Stelle: Wer den Wettbe-
werb um die klügsten Leute gewinnen will, wird dieses
Ziel nicht mit einem niedrigen Lohnniveau erreichen
können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir können es uns nicht leisten, dass bis zu
10 Prozent der Schuljahrgangsabgänger die Schule ohne
Abschluss verlassen. Das kann sich Ostdeutschland
nicht leisten. Auch deshalb schlagen wir vor, den Soli in
einen Bildungssoli umzuwandeln.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ostdeutschland erlebt einen Teilungsprozess in einer-
eits wirtschaftlich potente Wachstumskerne und ande-
rseits abgekoppelte Regionen. Dieser Prozess wird

urch den demografischen Wandel beschleunigt.

Wir glauben, dass die bisherigen Konzepte einer
nearen, nachholenden Modernisierung, die sich oft nur
uf den Infrastrukturausbau beziehen – wir haben keine
frastrukturlücke mehr –, nicht ausreichen, um die im
rundgesetz verankerte Vorgabe der Herstellung
leichwertiger Lebensverhältnisse zu erreichen; denn
ir sind weit davon entfernt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Iris Gleicke [SPD])


Wenn wir über das Ziel der Herstellung gleichwerti-
er Lebensverhältnisse reden, dann müssen wir auch
ber soziale, kulturelle und wirtschaftliche Mindeststan-
ards reden und klären, was die Sicherung der Daseins-
orsorge vor allem in strukturschwachen ländlichen
äumen heißt. Ich glaube nicht, dass das heißt, dass der
us in der Woche ein Mal täglich fährt und am Wochen-
nde gar nicht mehr.

Wir müssen feststellen, dass die Rahmenbedingungen
chwieriger werden und diese durch die Politik der Bun-
esregierung zusätzlich verschärft werden. Die Kommu-
en im Osten haben nur geringe Einnahmen. Darüber hi-
aus werden ihnen immer mehr Aufgaben und damit
erbundene Ausgaben zugewiesen. Ich erwähne nur den
nteil der Kosten der Unterkunft.

Schaut man sich die aktuellen Sparmaßnahmen der
undesregierung an, dann muss man sagen: Die Mittel
r die Städtebauförderung zu kürzen, ist kontrapro-

uktiv. Wenn man die Programme „Stadtumbau Ost“
nd „Soziale Stadt“ infrage stellt, wie will man dann
och die Abwanderung stoppen? Wir brauchen eine
tädtebauliche Aufwertung und Qualifizierungs- und Be-
chäftigungskonzepte im Rahmen des Programms „So-
iale Stadt“. In diesem Bereich zu kürzen, ist ein schwer-
iegender politischer Fehler.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn wir mit den herkömmlichen Rezepten der
chrumpfung ostdeutscher Regionen nicht beikommen,
üssen wir uns fragen, wie ein selbsttragender Zu-

unfts- und Entwicklungspfad für die neuen Länder aus-
ehen kann. Wir sagen ganz klar: Wir brauchen einen
erspektivwechsel in der Wirtschaftsförderung. Die
örderpolitik muss neu ausgerichtet werden, weg von
er Investitions- und Infrastrukturförderung, hin zu einer
ildungs- und Innovationsförderung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ie Förderpolitik muss ferner daran angepasst werden,
ass mehr als 80 Prozent der Arbeitsplätze in Kleinst-,
lein- und mittelständischen Unternehmen existieren. In
stdeutschland gibt es viele Unternehmensgründungen.
ir merken aber, dass viele Akteure und Projekte gerade





Stephan Kühn


(A) )


)(B)

in schrumpfenden Regionen nicht auf dem Radarschirm
gängiger staatlicher Infrastrukturprogramme sind. Nur
5 Prozent der industriellen Aufwendungen für For-
schung und Entwicklung werden in den neuen Bundes-
ländern getätigt. Das ist deutlich zu wenig.

Wir sagen deshalb: Die Investitionszulage muss in
eine Innovationszulage umgewandelt werden. Wir sa-
gen auch ganz klar: Die Stärkung des Bildungs- und For-
schungsstandorts Ostdeutschland hat für uns oberste
Priorität. Statt 10 Kilometer Autobahn zu bauen, sollten
wir aus den Mitteln des Solidarpakts II lieber ein
Fraunhofer-Institut finanzieren. Das bringt Ostdeutsch-
land voran; das ist die zentrale Aufgabe. Die Zukunfts-
perspektive Ostdeutschlands hängt nämlich von seiner
Innovationsfähigkeit ab.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der Schlüssel zur Reökonomisierung und zur ökolo-
gischen Modernisierung Ostdeutschlands liegt bei den
erneuerbaren Energien. Sie sind der Wirtschafts- und
Jobmotor. Weitere wirtschaftliche Entwicklungschancen
für die neuen Bundesländer sehen wir in den noch jun-
gen und forschungsintensiven Entwicklungsfeldern der
Umwelt-, Energie-, Bio- und Nanotechnologie, im Tech-
nologiefeld Optik sowie in der Informations- und Kom-
munikationstechnologie und der Gesundheitswirtschaft.

Damit dies zu einem selbsttragenden Zukunfts- und
Entwicklungspfad werden kann, braucht es vor allen
Dingen eines, nämlich eine starke Zivilgesellschaft, den
Mut der Bürgerinnen und Bürger. Der zentrale Impuls
der friedlichen Revolution 1989 ist für uns die Selbster-
mächtigung der Menschen zum politischen Handeln.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Wir brauchen dringend eine Stärkung der Kultur der
Selbstständigkeit und Unterstützung von Unternehmun-
gen und Eigeninitiativen. Ostdeutschland als Labor für
wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformations-
prozesse braucht neue Formen der Zusammenarbeit und
Vernetzung zwischen Politik, Verwaltung, Bürgerinnen
und Bürgern sowie Unternehmen.

Wir reden jetzt zwar nicht im Detail über den Jahres-
bericht zum Stand der Deutschen Einheit, aber in diesem
steht es richtig drin: Es geht um das „noch nicht akti-
vierte Engagementpotenzial“, um die Aktivierung von
Eigenverantwortung und Gründungswillen vieler ost-
deutscher Bürgerinnen und Bürger. Letztlich geht es da-
rum, mehr Handlungsräume für regional angepasste
Innovationskonzepte, beispielsweise über Regionalbud-
gets, zu eröffnen. Leider ist die Initiative, die Minister de
Maizière in diese Richtung gestartet hat, von den Län-
dern zurückgewiesen worden. Ich bedaure das zutiefst.

Abschließend darf ich sagen: Herr Minister, auch
wenn wir jetzt nicht im Einzelnen den Jahresbericht dis-
kutieren, ist doch festzuhalten: Die neue Tonlage, die
von Ihnen im Bericht angeschlagen wird, ist richtig. Wir

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(C (D erden Sie aber natürlich nicht an Berichten, sondern an olitischen Konzepten und politischen Taten messen. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1706201500

Michael Glos erhält nun das Wort für die CDU/CSU-

raktion.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Michael Glos (CSU):
Rede ID: ID1706201600

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Ich bin sehr dankbar, dass ich dafür ausgesucht
orden bin, hier zum Thema „20 Jahre Wiedervereini-
ung“ als Einziger, der nicht aus den neuen Bundeslän-
ern kommt, reden zu dürfen. Mein Wahlkreis lag an der
onengrenze, die es ja nun nicht mehr gibt. Für mich
ar das die Erfüllung eines Traumes und der Höhepunkt
eines politischen Lebens, den Mauerfall und die Wie-

ervereinigung erleben zu können.
Wenn man sieht, was daraus geworden ist, dann ist es

igentlich schade, dass wir über dieses Thema nur eine
tunde im Deutschen Bundestag debattieren.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das liegt aber an Ihrer Koalition!)


as zeigt auch, wie selbstverständlich die Wiederverei-
igung nach 20 Jahren inzwischen geworden ist. Ich
ann nur sagen: Wenn sich diejenigen, die die Wieder-
ereinigung herbeigeführt und möglich gemacht haben,
o im Klein-Klein ergangen hätten wie manche Redner
eute, dann wäre dieses große Werk der deutschen Ein-
eit nie zustande gekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der heutige Tag ist die Gelegenheit, auch denjenigen

u danken, die dies möglich gemacht haben. Dieser
ank richtet sich mit Sicherheit an die Menschen in der

hemaligen DDR, die auf die Straße gegangen sind,
iedlich demonstriert haben und Risiken eingegangen

ind. All dies ist aber auch durch die Weichenstellungen,
ie an allererster Stelle von Helmut Kohl vorgenommen
urden, und durch die Unterstützung von George Bush
nd Michail Gorbatschow möglich gemacht worden; ich
ann nicht alle aufzählen. Auch das Vertrauen, das sich
ie Deutschen in der Welt wieder erworben hatten, hat
ieses wunderbare Ereignis möglich gemacht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich war am 9. November 1989 im Bundestag in Bonn

nd saß in der ersten Reihe, weil ich damals finanzpoliti-
cher Sprecher meiner Fraktion war. Wir haben damals
ber das Vereinsförderungsgesetz diskutiert, das dann
rst später verabschiedet worden ist. Aber es gab ein
aar Leute, die gesagt haben: „Ach, verabschieden wir
och erst dieses Vereinsförderungsgesetz, und danach
eschäftigen wir uns mit dem Mauerfall.“ Ich habe das
erhindert. Das Thema ist also zu allen Zeiten kleinlich
ngegangen worden, nicht nur heute von Frau Lötzsch.


(Heiterkeit)






Michael Glos


(A) )



(B)

Zu den Errungenschaften, auf die wir hätten verzich-
ten können, gehört sicherlich die PDS.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Da wäre Ihnen viel verloren gegangen! – Zuruf der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


– Ich bitte um Vergebung, Frau Kollegin. – Aber ansons-
ten war die Wiedervereinigung ein wunderbares Ge-
schenk: Wie viel mehr Möglichkeiten wir Deutsche er-
halten haben, um wie viel reicher Europa geworden ist,
wie der Frieden in der Welt vorangebracht worden ist!

Es war ein Fauxpas von Ihnen, Frau Lötzsch, als Sie
gesagt haben, keines der führenden Ämter im Staat sei
mit Menschen aus den neuen Bundesländern besetzt
worden. Frau Bundeskanzlerin – ich habe Ihrer Regie-
rung angehört; bei aller Hochachtung: ich will ihr nicht
mehr angehören; insofern ist das kein „Radfahren“ –, ich
finde, Sie sind das beste Beispiel dafür, wie großartig die
Menschen, die aus den neuen Bundesländern gekommen
sind, hier angenommen worden sind, wenn sie die Kraft
hatten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das Forbes-Magazin hat Sie einmal zur mächtigsten
Frau der Welt erklärt.

Wir sind heute sehr stolz auf das, was wir als Bundes-
republik Deutschland gemeinsam erreicht haben. Ich
möchte noch einmal sagen, dass es dabei ganz entschei-
dende Weichenstellungen gab. Ganz wichtig war, dass
man sich für die soziale Marktwirtschaft entschieden
hat. Ganz wichtig war, dass Theo Waigel die D-Mark
noch in der damaligen DDR eingeführt hat. Das war ein
sehr großes Risiko. Ich war damals finanzpolitischer
Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, und ich habe auch zu
den Bedenkenträgern gehört. Das muss ich zugeben. Ich
habe einmal – dazu hat mich einer angestichelt – in einer
Sitzung des engeren Fraktionsvorstands Helmut Kohl
gefragt, was denn geschehen würde, wenn wir die D-Mark
in der DDR einführten und die DDR hinterher dem Bei-
tritt nicht zustimmte. – Er hätte mich beinahe gefressen.


(Heiterkeit)


Ich werde nie vergessen; er hat gesagt: Solche Fragen
stellt man nicht.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich denke, wenn wir über die historische Wahrheit reden,
sollte man auch über manch kleinliches Denken, das da-
mals vielleicht vorhanden war, sprechen.

Aber noch einmal: Die D-Mark war die Erfolgsge-
schichte. Deswegen habe ich mich auch gar nicht ge-
wundert, dass sich unsere Landsleute aus den neuen
Bundesländern sehr viel schwerer dabei getan haben als
wir, von der D-Mark Abschied zu nehmen. Die D-Mark
steckt im Euro, und der Euro ist heute unser Schicksal in
Europa. Es hat sich gezeigt, dass die Menschen das in
Krisen auch gespürt haben.

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(C (D Ich finde, wir haben eine ungeheuer hohe Friedensividende erreicht. Ich bedanke mich herzlich – als gläuiger Christ sage ich: beim Herrgott; andere können saen: beim Schicksal, und ich sage auch: bei allen enschen, die mitgeholfen haben –, dass die Geschichte es ausgehenden 20. Jahrhunderts in Deutschland so erlaufen ist, wie sie verlaufen ist. Ich finde, das ist ein rund zur Freude und nicht zum Jammern. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1706201700

Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Iris

leicke das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1706201800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

egehen in drei Tagen den 20. Jahrestag der deutschen
inheit. Das ist zweifelsohne ein wirklich guter Grund
u feiern. Aber einigen ist offenbar schon jetzt so feier-
ch zumute, dass es ihnen die Sinne ein bisschen ver-
ebelt. Man kann den Eindruck gewinnen, dass es
anchen gar nicht so sehr um eine sachliche Auseinan-

ersetzung und Bestandsaufnahme nach 20 Jahren deut-
cher Einheit geht.

Herr Kollege Glos, es geht nicht um Kleinlichkeiten;
ber es muss um diese Bestandsaufnahme gehen. Aller-
ings muss ich auch sagen, liebe Frau Kollegin
r. Lötzsch: Ihr Beitrag war dazu kein wirklich geeigne-
r.


(Beifall bei der SPD)


Ich gewinne diesen Eindruck zum Beispiel dann,
enn die nach der Wende vollzogene Deindustrialisie-
ng Ostdeutschlands penetrant geleugnet wird.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Reindustrialisierung!)


re wichtigste Botschaft lautet: Helmut Kohl und die
amalige Bundesregierung haben alles richtig gemacht.
ber damit, meine Damen und Herren, sind zwei weitere
otschaften verbunden,


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Habe ich doch gar nicht gesagt, Frau Gleicke! Stimmt doch gar nicht!)


ie nicht zuletzt an die jungen Leute im Osten gerichtet
ind. Diese Botschaften lauten: Vor der Wende ist in der
DR nichts geleistet worden, es gab keine konkurrenz-
hige Industrie, eure Eltern und Großeltern sind und

leiben ganz alleine verantwortlich für die heutigen Pro-
leme. – Herr Kurth, Ihr Beitrag hat genau dies noch ein-
al dokumentiert.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Eben nicht!)

)





Iris Gleicke


(A) )


)(B)

Ich möchte zwei Sätze aus dem Jahresbericht zum Stand
der Deutschen Einheit vorlesen – Herr Kollege Kurth,
vielleicht hören Sie ganz genau zu –:

Die mit der Privatisierung und Sanierung der
Staatsunternehmen beauftragte Treuhandanstalt
konnte aufgrund ihres konsequenten Privatisie-
rungskonzepts bereits 1994 ihren Kernauftrag, den
Unternehmensbestand zu privatisieren, weitgehend
abschließen. Damit war eine grundlegende Voraus-
setzung für die Herausbildung einer leistungsfähi-
gen privaten Unternehmensbasis in den neuen Län-
dern geschaffen.

Das steht übrigens auf Seite 14. Das ist wirklich toll, das
ist ganz großes Kino. Ich garantiere Ihnen, dass jeder
Ostdeutsche, der das damals wie ich bewusst miterlebt
hat, diesen Satz als Realsatire empfinden muss.


(Beifall bei der SPD)


Ich erinnere kurz daran, was damals wirklich passiert
ist: Mit der Art und Weise, wie die Währungsreform ge-
macht worden ist, gingen den ostdeutschen Unterneh-
men die Märkte im ehemaligen Ostblock über Nacht ver-
loren. Der von der FDP in den Einigungsvertrag diktierte
Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“ war ein fun-
damentaler Fehler, der Investitionen ausgebremst hat.
Bei den Privatisierungen durch die Treuhand nutzten
nicht wenige der sogenannten Investoren die günstige
Gelegenheit, sich missliebiger ostdeutscher Konkurrenz
zu entledigen. Beispiele dafür gibt es viele, die Zerschla-
gung der „Glasring Ilmenau“ ebenso wie die Abwick-
lung der Deutschen Kugellagerfabriken Leipzig.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Da ging es um Planwirtschaft!)


Ostdeutschland wurde in den meisten Bereichen zur
bloßen Werkbank des Westens deklassiert, und das ist
leider heute immer noch so. Die zwangsläufige Folge
war eine katastrophale Massenarbeitslosigkeit mit ver-
heerenden ökonomischen und seelischen Folgen für die
Betroffenen, die bis heute noch nachwirken. Die Ar-
beitslosigkeit – das ist von einigen Rednern angespro-
chen worden – ist immer noch nahezu doppelt so hoch
wie in Westdeutschland. Wer dies alles leugnet und hin-
ter Floskeln zu verstecken sucht, trägt in der Tat nicht
zur Vollendung der deutschen Einheit bei.


(Beifall bei der SPD)


Ich behaupte nicht, dass man alle Betriebe hätte retten
können. Aber manches hätte man garantiert vermeiden
können, und man hätte es vermeiden müssen, meine Da-
men und Herren. Davon bin ich überzeugt.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Hinterher ist man immer schlauer!)


In Wirklichkeit wissen Sie das auch, aber Sie wollen es
nicht sagen.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Ich habe es doch gesagt!)


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(C (D tattdessen deklarieren Sie alle Probleme und Schwiegkeiten im Prozess der deutschen Einheit ausnahmslos ls Folgen oder Spätfolgen der DDR-Diktatur (Beifall des Abg. Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP])


nd lasten sie damit einseitig den Ostdeutschen an. Das
t eben nicht sachgemäß.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Nein, der Diktatur lasten wir das an!)


Deshalb hilft es leider nicht viel, wenn der Bundes-
räsident die „westdeutsche Ignoranz gegenüber den
eistungen im Osten“ kritisiert und dies sicherlich auf-
chtig und gut meint. Deshalb hilft es leider auch nicht
iel, Herr Minister de Maizière, wenn Sie in Ihrem Be-
cht „Defizite bei der Anerkennung von ostdeutschen
ebensleistungen und Geschichtserfahrungen“ anpran-
ern. Dennoch spreche ich Ihnen ganz ausdrücklich mei-
en Dank und meine Hochachtung dafür aus, dass es in
iesem Bericht aufgenommen ist. Sie haben damit einen
ehr wichtigen Punkt aufgegriffen, den Sozialdemokra-
n wie Wolfgang Thierse schon lange thematisieren. Sie

ind damit aber, wie Sie jetzt auch an der Debatte und
en Zwischenrufen mitbekommen konnten, Ihren Partei-
eunden um Lichtjahre voraus.

Meine Damen und Herren, im Osten ist nicht nur in
en letzten 20 Jahren etwas geleistet worden. Wir dürfen
icht zulassen, dass mit den Biografien unserer Eltern
nd Großeltern so acht- und würdelos umgegangen wird.
ie haben unter den unendlich schwierigen Bedingungen
iner Diktatur Großartiges geleistet; darauf dürfen sie
tolz sein. Es gab eben nicht nur die Stasi-Spitzel oder
ie SED-Funktionäre,


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Natürlich nicht nur! Na, klar! Richtig!)


ondern auch die vielen Anständigen, die das richtige
eben im falschen System gelebt haben.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP])


Auch das sage ich mit tiefer Überzeugung und dem
leichen Engagement: Wir dürfen stolz auf das sein, was
ir in den letzten 20 Jahren deutscher Einheit erreicht
aben. Dank der Solidarität des Westens und dank des
leißes, des Mutes und der Anpassungsbereitschaft der
stdeutschen hat es bereits großartige Fortschritte gege-
en. Uns bringen weder Schönfärberei noch Schwarz-
alerei weiter; im Sinne einer ehrlichen Bilanz müssen
ir aber nüchtern festhalten, dass noch viel zu tun ist. Es
ilt, die soziale Einheit zu vollenden. Das ist unsere
ichtigste Aufgabe.

Insofern sage ich sehr klar: Der Solidarpakt II muss
nangetastet bleiben; er ist und bleibt die wichtigste
rundlage für die Fortsetzung des Aufbaus Ost.


(Beifall bei der SPD)


ir brauchen für die neuen Bundesländer und in den
euen Bundesländern eine nachhaltige Finanzpolitik, um
pielräume für Forschung und Entwicklung, für Aufbau-





Iris Gleicke


(A) )


)(B)

leistungen und Infrastruktur zu schaffen. Alle Kürzun-
gen zulasten der Entwicklung Ostdeutschlands – bei der
Städtebauförderung, den CO2-Gebäudesanierungspro-
grammen und den Gemeinschaftsaufgaben zur Verbesse-
rung der regionalen Wirtschaftsstruktur sowie des Küs-
tenschutzes – müssen umgehend rückgängig gemacht
werden. Wenn Sie das nicht machen, bedeutet dies für
viele Investitionen in den Kommunen das Aus. Das be-
deutet, dass Tausende Arbeitsplätze gefährdet werden,
gerade in der mittelständischen Bauwirtschaft.

Von dieser Bundesregierung gibt es kein klares Be-
kenntnis zum Aufbau Ost.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das stimmt nicht!)


Sie setzen leichtfertig aufs Spiel, was noch immer nicht
vollendet ist:


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Stimmt auch nicht!)


die soziale Einheit unseres Landes.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706201900

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat

jetzt das Wort der Kollege Arnold Vaatz von der CDU/
CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1706202000

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Der Spiegel hat in seiner letzten Ausgabe eine
sehr interessante Betrachtung angestellt: Er ist der Frage
nachgegangen, wie die Stimmung bei den europäi-
schen Nachbarn in den Jahren 1989 und 1990 in Bezug
auf die Frage der deutschen Wiedervereinigung gewesen
ist, und hat festgestellt, dass es eine ungeheure Feind-
seligkeit gegenüber dem Gedanken einer Wiedervereini-
gung gegeben hat: von Margaret Thatcher über Ruud
Lubbers, Giulio Andreotti und viele andere bis hin zu
Mitterrand, am Anfang bis hin zu Gorbatschow.

Als ich mir das durchgelesen habe, ist mir der Ge-
danke durch den Kopf gegangen: Was wäre denn gewe-
sen, wenn in dieser Situation im Bundeskanzleramt ein
Mensch gesessen hätte, der der deutschen Wiederverei-
nigung ebenso feindselig gegenübergestanden hätte wie
die eben genannten Menschen?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte Ihnen sagen, dass dieser Gedanke für
mich gar nicht so abwegig ist: Einem solchen Menschen
hätte es mit den entsprechenden Mehrheiten im Deut-
schen Bundestag ohne Weiteres gelingen können, die
deutsche Wiedervereinigung im letzten Augenblick zu
vereiteln, und zwar leichter, als es Helmut Kohl und sei-
ner Mannschaft mit vielen Mühen gelungen ist, die deut-
sche Wiedervereinigung zu erreichen.

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(C (D as sollte man sich einmal durch den Kopf gehen lassen. Es ist selbstverständlich richtig, dass die große Voristung dafür auf den ostdeutschen Straßen erbracht orden ist. Ich will mit diesen Worten aber nur sagen, ass es zu keinem Augenblick selbstverständlich geween ist, dass aus dieser guten Vorleistung auf den Straen Ostdeutschlands am Ende tatsächlich ein Deutschnd – auch ein Europa – entsteht, das in Frieden und reiheit wiedervereinigt ist. Das verdanken wir in hoem Maße der Regierung von Helmut Kohl. Das veranken wir Wolfgang Schäuble, dem ich von diesem latz aus ganz herzlich eine vollständige Genesung wünchen möchte. ir danken es Theo Waigel, wir danken es der Regieng von Lothar de Maizière, und, meine Damen und erren, wir verdanken es auch noch einem Menschen – (Jörg van Essen [FDP]: Hans-Dietrich Genscher!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall)


h bin ein bisschen traurig, dass er so selten genannt
ird –: dem damaligen EG-Kommissionspräsidenten,

acques Delors, der uns in enormem Maße unterstützt
at.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Unabhängig davon, wie man zu jeder Einzelentschei-
ung aus der damaligen Zeit steht – auch ich halte man-
he Dinge, die damals gemacht worden sind, für falsch,
ie ich ganz offen sagen will –, halte ich es für ein
rundgebot des politischen Anstandes, dieser enormen
olitischen Leistung seine Dankbarkeit zu bezeugen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich sage das auch, weil man sich ab und zu einmal
agen sollte, was eigentlich gewesen wäre, wenn die
eutsche Wiedervereinigung ausgeblieben wäre und wir
o eine Art „Österreich-Lösung“ gehabt hätten. Vorhin
aben schon einige Kollegen den Vergleich mit Polen,
it unserem ehemaligen sozialistischen Nachbarn, ange-

tellt. Ich will das einmal mit Zahlen unterlegen, damit
an erkennt, wie die Dimensionen eigentlich sind.

In Polen gab es 1990 ein ähnliches wirtschaftliches
iveau wie in der DDR. Es gab – ähnlich wie in der
DR – einen wirtschaftlichen Zusammenbruch, der

ben nicht nach 1990 inszeniert wurde, sondern flächen-
eckend den ganzen Ostblock betroffen hat. Daher be-
urfte es einer völligen Erneuerung der gesamten öffent-
chen Infrastruktur – wie bei uns. Aber im Gegensatz zu
ns mussten die Polen alle diese Leistungen aus eigener
raft erwirtschaften.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706202100

Herr Kollege Vaatz, erlauben Sie eine Zwischenfrage

er Kollegin Happach-Kasan?






(A) )


)(B)


Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1706202200

Gerne.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706202300

Bitte schön.


Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1706202400

Herr Kollege, ich danke Ihnen für Ihre Aufzählung, in

der Sie die Leistungen all derer genannt haben, die an
der deutschen Einheit mitgewirkt haben. Mir ist aller-
dings aufgefallen, dass ein Name fehlte – der Name ei-
ner Person, die eine enorme Leistung vollbracht hat. Das
ist Hans-Dietrich Genscher.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich möchte Sie bitten, deutlich zu machen, dass gerade
die Leistung von Hans-Dietrich Genscher, beginnend
1975 mit der KSZE-Schlussakte, einen enormen Ein-
fluss darauf gehabt hat, dass der deutsche Einigungspro-
zess derart positiv verlaufen ist und dass wir es in der
Gemeinschaft der Staaten erreicht haben, eine solche
Leistung zu vollbringen. Ich denke, es wäre nur ein Ge-
bot der Fairness, den langjährigen Außenminister Hans-
Dietrich Genscher ebenfalls zu nennen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1706202500

Frau Kollegin Happach-Kasan, ich entschuldige mich

von dieser Stelle aus dafür, dass es mir in der Hitze des
Gefechtes und als Folge meines Temperamentes leider
unterlaufen ist, Hans-Dietrich Genscher in meiner Auf-
zählung zu vergessen. Ich hole das jetzt mit dem Be-
kenntnis tiefer Zerknirschung nach und sage Ihnen dazu,
dass ich es ihm schon sehr oft persönlich gesagt habe.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, wir waren gerade bei der
Situation, die sich in Polen eingestellt hatte, und ich
wollte mit Zahlen belegen, was sich dort wirklich ereig-
net hat. In Polen betrug das kaufkraftbereinigte Einkom-
men pro Haushalt im Jahre 1996, also sechs Jahre nach
1990, etwa 4 200 Euro, während es in Ostdeutschland im
selben Jahr 11 000 Euro waren; das ist fast das Dreifa-
che. Im Jahr 2007 hatten die polnischen Haushalte im
Durchschnitt 7 700 Euro und die ostdeutschen Haushalte
im Durchschnitt 15 000 Euro zur Verfügung; das ist un-
gefähr das Doppelte. Das sind Zahlen der Europäischen
Union, die Sie nachlesen können.

Nun sind unsere polnischen Nachbarn aber nicht düm-
mer oder fauler als wir. Ganz im Gegenteil: Viele von ih-
nen – und unter ihnen viele Ärzte und Ingenieure – ha-
ben, weil sie ihre Familien nach vorne bringen wollten,
Sommer für Sommer auf ostdeutschen Feldern gearbei-
tet und dort Arbeiten verrichtet, die deutschen Arbeitslo-
sen angeblich überhaupt nicht mehr zuzumuten waren.
Ich habe einen ungeheuren Respekt vor unseren polni-
schen Nachbarn, ohne die dieses Europa von heute nie-
mals so zustande gekommen wäre.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Diese Menschen mussten alles mit eigener Kraft mahen – ohne durch eine Wiedervereinigung etwas abrun zu können, wie wir es konnten – und sind heute so eit wie wir 1993/94. Das ist die Perspektive, die auf ns gewartet hätte. Dies ergibt sich auch aus dem chürer-Bericht. Schürer hatte damals dem Politbüro eine orlage gemacht, in der es hieß, dass, nur um die Schulden u stoppen, ein Lebensstandardverlust von 20 bis 30 Proent in Kauf genommen werden müsste. Das wäre der eie Fall gewesen. Das ist Ihr Werk, Ihre Hinterlassen chaft, und dazu müssen Sie von der Linken stehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Ihre, Frau Lötzsch!)


r Zerstörungswerk in Ostdeutschland war eine
weistufige Rakete. 1946 haben sie die Marktwirtschaft
der Ostzone abgeschafft und durch die sozialistische
lanwirtschaft ersetzt.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ich nicht!)


Die Partei, deren Geld Sie haben, nicht Sie persönlich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Nach 1990 haben Sie nicht im Mindesten zu Ihrem
erstörungswerk gestanden. Sie haben eine formale Ent-
chuldigung vorgebracht und sich später in der deut-
chen Politik als Lobby der Täter profiliert, für die Sie
ich vorher entschuldigt haben. Herzlichen Dank!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Wie die heutige Rede beweist!)


ls Nächstes haben Sie nichts dazu beigetragen, dass die
eutsche Wiedervereinigung ein Erfolg wird.


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Sehr richtig!)


ie haben an ihr herumgemäkelt. Sie haben versucht, die
reude an der Wiedervereinigung nach Kräften zu zer-
tören. Sie haben ihr alle Steine in den Weg gelegt, die
ie finden konnten. Auch dafür herzlichen Dank!

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das Gegenteil ist der Fall!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706202600

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Entschlie-
ungsanträge. Wer stimmt für den Entschließungsantrag
er Fraktion der SPD auf Drucksache 17/3078? Ich bitte
m Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
er Entschließungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen
er Koalitionsfraktionen bei Zustimmung der Fraktion
er SPD und Enthaltung der Fraktionen Die Linke und
ündnis 90/Die Grünen.

Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak-
on Die Linke auf Drucksache 17/3079? Ich bitte um
andzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der





Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) )


)(B)

Entschließungsantrag ist bei Zustimmung der Fraktion
Die Linke abgelehnt mit den Stimmen aller übrigen
Fraktionen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 sowie die Zusatz-
punkte 4 und 5 auf:

4 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Gabriele
Hiller-Ohm, Anette Kramme, Iris Gleicke, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
zur Bemessung der Regelsätze umsetzen –
Die Ursachen von Armut bekämpfen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Markus
Kurth, Ekin Deligöz, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bedarfsgerechte Regelsätze für Kinder und
Erwachsene jetzt ermöglichen

– Drucksachen 17/880, 17/675, 17/2092 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Carsten Linnemann

ZP 4 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordne-

ten Markus Kurth, Fritz Kuhn, Ekin Deligöz,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Bedarfsgerechte Regelsätze und ein zuverlässi-
ges Hilfesystem für Kinder, Jugendliche und
Erwachsene statt Experimenten

– Drucksachen 17/2921, 17/3081 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Carsten Linnemann

ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Britta
Haßelmann, Markus Kurth, Alexander Bonde,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Leistungskürzungen bei den Unterkunftskos-
ten im Arbeitslosengeld II verhindern – Ver-
mittlungsverfahren mit den Ländern unver-
züglich aufnehmen

– Drucksache 17/3058 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Finanzausschuss
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Gibt es
Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so
beschlossen.

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(C (D Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Reder das Wort dem Kollegen Dr. Carsten Linnemann von er CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Carsten Linnemann (CDU):
Rede ID: ID1706202700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine sehr verehrten Damen und Herren! Schwerpunkt-
äßig debattieren wir heute über zwei Anträge, die sich

uf das Urteil aus Karlsruhe vom 9. Februar beziehen.
eitdem ist viel passiert. Wir haben Anhörungen durch-
eführt. Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ist
usgewertet worden. Seit Montag liegt ein vollständiger
eferentenentwurf aus dem Hause von Frau von der
eyen vor. Wir sollten uns zunächst mit diesem Referen-
nentwurf beschäftigen, danach würde ich gerne noch

uf Ihre Anträge eingehen.

In der gegenwärtigen Diskussion kommt mir das Ur-
il aus Karlsruhe zu kurz. Wir sprechen nicht mehr da-
ber. Es hat noch niemandem geschadet, konkret auf

as Urteil Bezug zu nehmen und es zu zitieren. Das
öchte ich heute machen und mit einem zentralen Satz

eginnen, der aus meiner Sicht für die gesamte heutige
ebatte entscheidend ist. Ich zitiere: „Schätzungen ‚ins
laue hinein‘ laufen … einem Verfahren realitätsgerech-
r Ermittlung zuwider und verstoßen gegen“ das Grund-
esetz. Karlsruhe hat damit gesagt, dass das, was Sie von
ot-Grün damals bei der Berechnung der Regelsätze ge-
acht haben, nicht sachgerecht war.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU war doch dabei! Im Vermittlungsausschuss!)


eshalb sagt uns Karlsruhe jetzt, dass wir ein transpa-
ntes, nachvollziehbares Verfahren nutzen sollen. Das
achen wir. Ein entsprechender Referentenentwurf
egt vor. Lassen Sie mich kurz auf die wichtigsten
unkte dieses Entwurfs eingehen:

Über die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
ird viel gesprochen. Im Urteil wird ausdrücklich bestä-
gt – ich zitiere –: Grundsätzlich ist die Einkommens-
nd Verbrauchsstichprobe ein „taugliches Berechnungs-
erfahren zur Bemessung des Existenzminimums“. Die
VS kann also auch künftig als Datenbasis benutzt wer-
en. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat
ie bei dem Referentenentwurf herangezogen. Die Anga-
en von 60 000 Haushalten zu rund 230 Positionen wur-
en vom Statistischen Bundesamt ausgewertet. Das Er-
ebnis bildet die Basis. Das Verfahren ist also
erfassungskonform.

Zum Verfahren: Auch hier hat das Urteil eine klare
prache. Ich zitiere:

Zur Konkretisierung des Anspruchs hat der Gesetz-
geber

und kein anderer –

alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerich-
tig in einem transparenten und sachgerechten Ver-





Dr. Carsten Linnemann


(A) )


)(B)

fahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also reali-
tätsgerecht, zu bemessen.

Wir machen nicht den Fehler, einfach irgendwelche
Abschläge zu nehmen. Entweder die Positionen sind zu
100 Prozent drin, oder sie sind draußen. Bei Möbeln
zum Beispiel hat man damals einen Abschlag von
20 Prozent vorgenommen und 80 Prozent angesetzt.
Diesen Fehler machen wir nicht. Darüber hinaus gibt es
Sonderauswertungen. Das ist bei den Positionen erfor-
derlich, bei denen die Referenzgruppe nicht herangezo-
gen werden kann, beispielsweise beim Thema Mobilität.
Außerdem schauen wir uns die Regelsätze für Kinder an
und führen eine eigenständige Ermittlung durch.

Lassen Sie mich noch einen Satz zum Existenzmini-
mum sagen. Wir reden die ganze Zeit über das „men-
schenwürdige Existenzminimum“. Dieses Schlagwort
bestimmt auch die Berichterstattung in der Presse. Ich
zitiere:

Das Sozialstaatsgebot …

– auch hier ist das Urteil klar –

erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, jedem ein
menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern,
wobei dem Gesetzgeber

– jetzt kommt es –

ein Gestaltungsspielraum bei den unausweichlichen
Wertungen zukommt.

Wir haben also existenzsichernde Positionen, bei-
spielsweise Grundnahrungsmittel, und nichtexistenzsi-
chernde Positionen wie beispielsweise Flugreisen oder
Autos. Darüber gibt es keinen Dissens. Diese Positionen
hatten Sie damals auch nicht drin. Dann gibt es neue
Positionen. Die Gesellschaft hat sich weiterentwickelt.
Wir leben heute im Zeitalter des Internets. Daher haben
wir Internetkomponenten aufgenommen. Auch die Pra-
xisgebühr, die es damals noch nicht gab, haben wir auf-
genommen.

Jetzt kommt ein entscheidender Punkt, über den wir
in den Medien oft diskutieren, die sogenannten Wert-
entscheidungen. In diesem Zusammenhang führen Sie
oft das Beispiel Alkohol an. Das Bundesarbeitsministe-
rium schlägt vor, Alkohol nicht länger zu berücksichti-
gen, weil es nicht zum menschenwürdigen Existenz-
minimum gehört. Das ist – diesbezüglich haben Sie recht –
am Ende des Tages eine politische Entscheidung. Dafür
wurden wir gewählt, und deswegen unterstützen wir in
diesem Punkt das Ministerium.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der letzte wichtige Punkt – in diesem Zusammenhang
möchte ich nicht aus dem Urteil zitieren, weil sich das
Thema wie ein roter Faden durch das gesamte Urteil
zieht – sind die Lebenschancen für Kinder. Wir sagen:
Es geht nicht nur um die Absicherung der materiellen
Bedürfnisse, sondern auch um die Absicherung der im-
materiellen Bedürfnisse, um die Teilhabe an der Gesell-
schaft. Deshalb bringen wir das Bildungspaket auf den
Weg. Wir gehen die Probleme an, indem wir zielgenau
auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Unserer Meinung nach hat das Arbeitsministerium
eine Hausaufgaben gemacht. Ich habe den Eindruck,
ass wir bei vielen Punkten, die in dem Antrag der Grü-
en angesprochen werden – Herr Kurth, Sie sprechen
ermutlich gleich auch noch –, gar nicht so weit ausein-
nderliegen. Ich glaube sogar, das gilt für mindestens die
älfte der Punkte, beispielsweise für die eigenständige
emessung des Regelsatzes für Kinder. Ein Dissens be-

teht bei anderen Punkten. Beim Thema Kommission
um Beispiel vertreten wir diametral entgegengesetzte
uffassungen. Wir verstehen das Urteil von Karlsruhe

o, dass Karlsruhe den Gesetzgeber und nicht irgendwel-
he Kommissionen beauftragt hat, das Problem der Neu-
erechnung der Regelsätze anzugehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So steht es im Urteil!)


eshalb können wir nicht verstehen, dass Sie den Satz
tzt pauschal auf 420 Euro erhöhen wollen. Sie bezie-
en sich auf einen Lobbyverband. Aber genau das wollte
arlsruhe nicht. Deshalb können wir unter dem Strich
re Anträge nicht unterstützen.

Zum Schluss etwas Grundsätzliches. Warum stehen
ir heute überhaupt hier? Was machen wir hier? Wir re-
en über die Neubemessung der Regelsätze. Diese wer-
en wir, denke ich, bis zum Ende des Jahres zum Ab-
chluss bringen müssen. Die Organisationsreform haben
ir schon gemacht. Das heißt, wir schaffen das Funda-
ent dafür, dass die Hilfebedürftigen in Deutschland Si-

herheit haben. Das war die Pflicht.

Die Kür ist natürlich auch wichtig. Sie besteht darin,
ass wir uns mit der Frage beschäftigen, wie wir den
enschen eine Perspektive geben können, dass sie so

chnell wie möglich wieder einen Arbeitsplatz finden.
a schauen wir uns beispielsweise die arbeitsmarkt-
olitischen Instrumente an.

Ich war dieser Tage bei der Bundesagentur für Arbeit
nd habe dort mit Mitarbeitern gesprochen. Da hat kaum
ehr einer den Überblick über die Instrumente. Wenn
h mir die ersten fünf Kapitel des SGB III anschaue,
ann stelle ich fest, dass es da kein Prinzip, kein System
ehr gibt. Daher sagen wir, wir brauchen für die Ver-
ittler vor Ort einen Koffer mit schlagkräftigen arbeits-
arktpolitischen Instrumenten. Das ist der nächste
chritt, den wir angehen, damit Menschen endlich wie-
er in Beschäftigung kommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Mechthild Rawert [SPD]: Deshalb wollten Sie die Zahl der Vermittler nicht erhöhen!)


Ein anderer Punkt sind die Hinzuverdienstmöglich-
eiten. Dazu steht im Koalitionsvertrag, dass wir sie ver-
essern wollen. Auch das ist wichtig, damit wir Anreize
afür schaffen, dass jemand in Arbeit kommt und nicht
raußen bleibt. Auch das ist ein wichtiger Punkt.

Sie sehen, das ist ein Gesamtkonzept. Wir gehen das
Bündel an, weil wir nicht nur die Kurzzeitarbeitslo-





Dr. Carsten Linnemann


(A) )


)(B)

sigkeit senken wollen, sondern endlich auch die Lang-
zeitarbeitslosigkeit angehen wollen. Ich glaube, dass
dieses Konzept gut ist. Ich hoffe, dass ich das Gesamt-
konzept sachlich beschrieben habe.

In diesem Sinne bedanke ich mich und wünsche Ih-
nen alles Gute.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706202800

Das Wort hat die Kollegin Dagmar Ziegler von der

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dagmar Ziegler (SPD):
Rede ID: ID1706202900

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

ren! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts war für
uns alle ein Paukenschlag. Zum ersten Mal haben Ver-
fassungshüter genau definiert, was ein Mensch zum Le-
ben braucht – nicht in Cent und Euro; aber sie haben ein
Prinzip verbindlich vorgegeben. Der Mensch braucht
nicht nur Nahrung, Kleidung und ein Dach über dem
Kopf. Teilhabe an Bildung, Zugang zu Kultur und die
Möglichkeit zum politischen Engagement gehören in ei-
nem Sozialstaat wie dem unseren genauso selbstver-
ständlich zum Existenzminimum; denn die Bürger-
rechte sind universell. Der Leistungsberechtigte gibt sie
eben nicht an der Tür des Jobcenters ab.

Meine Fraktion hat deshalb einen Antrag erarbeitet
und in den Bundestag eingebracht, der einen Weg zur
Umsetzung des Urteils aufzeigt. Bitter notwendig war
dieser Antrag; denn die Bundesregierung hat die Chan-
cen des Urteils für mehr Teilhabe und Bildung und einen
stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt, wie ich
meine, bereits jetzt verspielt.

Gefordert haben die Richter ein Leben in Würde auch
für Menschen in Not. Bekommen haben sie einen Ge-
setzentwurf, der Misstrauen gegen Hilfsbedürftige atmet
und populistische Ressentiments schürt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Gefordert hat Karlsruhe, dass die Regelsätze transpa-
rent und nachvollziehbar ermittelt und begründet wer-
den. Mit ansehen mussten sie ein monatelanges Ver-
steckspiel der zuständigen Ministerin von der Leyen, die
die vollständigen Daten und Auswertungen des Statisti-
schen Bundesamtes bis heute dem Bundestag und der
Öffentlichkeit vorenthält.

Gefordert haben die Richter einen umfassenden Zu-
gang zu Bildung gerade für Kinder. Bekommen haben
sie ein vollmundig angekündigtes Bildungs- und Teil-
habepaket, das sich bei näherer Betrachtung bestenfalls
als gutgemeinter Anfang, schlechtestenfalls als übler
PR-Gag interpretieren lässt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Denn werfen wir doch einmal einen Blick in das Bil-
dungspäckchen der Bundesregierung. Bildungschip-

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(C (D arte – groß angekündigt, verkümmert zu einer Pilothase in dem einen oder anderen Modellregiönchen. Vollmundig in Aussicht gestellt: Klavierund Geigennterricht für alle, außerdem noch Sportverein, Ferieneizeiten usw. Zusammengeschmolzen ist das zu einem eilhabebudget von 10 Euro im Monat. Damit, meine amen und Herren, spielen die Kinder nicht auf einer tradivari, sondern sie blasen allenfalls auf einem amm. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Schulbedarfspaket – 100 Euro im Jahr für Schulran-
en, Zirkel und Hefte –, das ist eine Leistung mit
ubstanz, aber sie ist weder neu noch von Ihnen. Das
chulbedarfspaket haben die Sozialdemokraten und So-
ialdemokratinnen noch in der Großen Koalition konzi-
iert und durchgesetzt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Mechthild Heil [CDU/CSU]: Aber nicht allein!)


Das warme Mittagessen ist eine sinnvolle Leistung
auch das ist eine Forderung unserer Fraktion –, aber
as reicht nicht, um die Vorgaben des Verfassungsge-
chts zu erfüllen.


(Jörg van Essen [FDP]: Wir setzen es um!)


Sie regieren ja auch manchmal, ab und zu. – Denn der
aken beim Mittagessen ist, dass in Deutschland nur je-
es fünfte Kind überhaupt Zugang zu einem Mittagessen
Kita oder Schule hat. Alle anderen haben entweder

einen Kitaplatz bekommen oder gehen auf eine Schule,
ie immer noch mittags endet. Wenn wir es ernst mei-
en, dass wir Bildungschancen für alle schaffen wollen,
üssen wir genau hier ansetzen. Hier reicht Ihr Maßnah-
enpaket eben nicht aus.


(Beifall bei der SPD)


Wir müssen den Ausbau von Kitas und Ganztags-
chulen vorantreiben. Denn nur diese sind die Orte, an
enen alle Kinder Förderung und Unterstützung erfah-
n, und zwar völlig unabhängig von ihren Eltern. Dort

ann ein Kind Geigenunterricht bekommen, nicht weil
er Vater gut verdient, sondern weil das Kind talentiert
t und Lust zum Musizieren hat. So schlicht ist das.
eshalb brauchen wir eine Offensive für den Ausbau
on Bildungsinfrastruktur, so wie es in unserem Antrag
efordert wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Dies können Länder und Kommunen nicht allein
chaffen; das wissen wir alle. Vielen steht das Wasser bis
um Hals, was auch eine Folge Ihrer verfehlten Steuer-
olitik ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


eshalb muss der Bund den Kommunen und den Län-
ern beim Ausbau von Bildungsinfrastruktur finanziell
nter die Arme greifen. Der Verweis, dafür sei er nicht
uständig, überzeugt nicht. Denn auch hierzu trifft das
undesverfassungsgericht eine Aussage: Wenn es Län-





Dagmar Ziegler


(A) )


)(B)

der und Gemeinden nicht aus eigener Kraft schaffen, hat
der Bund einen Sicherstellungsauftrag. Der Ausbau
von Bildung kann nur als gemeinsame nationale Kraft-
anstrengung gelingen. Bund, Länder und Kommunen
müssen an einen Tisch. Sie müssen sich auf Ausbauziele
verständigen, sie müssen definieren, was gute Kitas und
Schulen ausmacht, und sie müssen vereinbaren, wer es
finanziert.


(Beifall bei der SPD)


Deshalb lautet unsere immer wiederholte Forderung
an die Regierung: Laden Sie endlich zu einer nationalen
Kinderkonferenz ein! Vereinbaren Sie mit Ländern und
Kommunen einen Bildungspakt! Das ist im Interesse al-
ler Kinder – nicht nur der Kinder im Hartz-IV-Bereich –
und erfüllt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.
Dazu reichen wir Ihnen gern die Hand. Für ein würdelo-
ses Geschachere stehen wir allerdings in keinem Fall zur
Verfügung.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706203000

Das Wort hat der Kollege Pascal Kober von der FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1706203100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Gestern hatten wir eine Aktuelle Stunde zur Neuberech-
nung der Regelsätze. Heute befassen wir uns mit zwei
Anträgen von SPD und Grünen, die allerdings schon
kurz nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
vom 9. Februar 2010 entstanden sind.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das wussten die schon alles! – Gegenruf der Abg. Gabriele Lösekrug-Möller [SPD]: Genau!)


Sie von den Grünen fordern eine unverzügliche Erhö-
hung des Regelsatzes für Erwachsene auf 420 Euro.
Diese Zahl beruht auf Berechnungen aus dem Jahr 2004.
Nun werden Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von
den Grünen, nicht behaupten wollen, dass sich die Le-
bensumstände seither nicht verändert hätten. Ihre Be-
rechnungen entbehren einer vernünftigen Datenbasis
und sind daher erneut Schätzungen ins Blaue hinein.
Schätzungen ins Blaue hinein hat das Bundesverfas-
sungsgericht als verfassungswidrig beurteilt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, Fehler mö-
gen verzeihlich sein, aber man muss die Bereitschaft ha-
ben, aus gemachten Fehlern zu lernen.


(Dagmar Ziegler [SPD]: Dann machen Sie mal!)


Auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-
Fraktion, hätten die vergangenen Wochen und Monate

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(C (D esser nutzen sollen, um Ihren Antrag auf die Höhe der eit zu bringen. So fordern Sie, dass die Einkommensnd Verbrauchsstichprobe künftig alle drei Jahre erhoen werden soll. Dabei hat das Bundesverfassungsgecht gerade diese Regelung nicht beanstandet. (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Das kann man doch trotzdem machen!)


tatt sich darüber zu freuen, dass etwas Verfassungskon-
rmes in Ihren Regelungen war, wollen Sie dies nun

uch noch ändern.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die vergangenen Tage haben eines sehr deutlich ge-
eigt: Die christlich-liberale Koalition ist imstande, un-
r hohem Zeitdruck eine sachgerechte und nachvoll-

iehbare Berechnung der Regelsätze für Arbeitslosen-
eld-II-Bezieher vorzulegen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


aher kann ich nur zu dem Ergebnis kommen, dass Ihre
oreiligen Anträge hier und heute nicht nötig waren. Sie
issen so gut wie ich, dass Sie in Kürze neue Anträge

um gleichen Thema, aber auf Basis der aktuellen Daten
orlegen werden. Darüber werden wir dann – das sage
h Ihnen zu – gerne diskutieren.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn wir sie denn kriegen!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen
erdeutlichen, was wir mit der Neuberechnung der Re-
elsätze erreicht haben. Das Bundesverfassungsgericht
at – es ist wichtig, dies immer wieder zu betonen –
icht die Höhe der Regelsätze, sondern ihre Herleitung
eanstandet. Die Herleitung der Regelsätze haben wir
tzt nachvollziehbar dargelegt. So viel Transparenz wie
tzt gab es noch nie.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Strengmann-Kuhn, Sie haben gestern im Aus-
chuss sinngemäß gesagt, dass die Regelsätze unter den
orgängerregierungen vom Bundesarbeitsministerium
mer nach Kassenlage festgelegt worden sind.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706203200

Herr Kollege Kober, erlauben Sie eine Zwischenfrage

es Kollegen Schaaf?


Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1706203300

Vom Kollegen Schaaf immer gerne.


Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1706203400

Geschätzter Kollege Kober, Sie haben gerade über

ransparenz gesprochen und gesagt: So viel Transparenz
ar noch nie. – Der Antrag, den wir vorgelegt haben,

nthält im Prinzip eine vergleichende Rechnung: Wie
aren die Regelsätze bisher, und wie sind sie neu be-





Anton Schaaf


(A) )


)(B)

rechnet worden? Die Grundlagen der Berechnung haben
Sie uns im Ausschuss ja erklärt.

Würden Sie mir recht geben, dass die SPD-Bundes-
tagsfraktion gestern im Ausschuss erstens den Antrag
gestellt hat, die Grundlagen der Berechnung, die Basis-
daten, zur Verfügung gestellt zu bekommen, und zum
Zweiten gebeten hat, darüber informiert zu werden, wie
die Alternativrechnungen aussahen, nämlich bei der Be-
rechnung die unteren 20 Prozent und nicht nur die unte-
ren 15 Prozent der Einkommen zugrunde zu legen?
Würden Sie mir auch recht geben – so viel zum Thema
Transparenz –, dass die Regierungskoalition dieses Be-
gehren der Opposition nach Transparenz im Ausschuss
in Bausch und Bogen abgelehnt hat?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1706203500

Lieber Herr Kollege Schaaf, vielleicht erinnern Sie

sich an die Ausführungen des Parlamentarischen Staats-
sekretärs Dr. Ralf Brauksiepe,


(Anton Schaaf [SPD]: Ja! Er hat ja dafür gesorgt, dass ihr dagegen wart!)


der sehr deutlich dargelegt hat, wie es zur Berechnung
des unteren Einkommensquintils, wie man so schön sagt,
gekommen ist und warum man der Regierung nicht den
Vorwurf machen kann, sie sei von diesem Grundsatz ab-
gewichen. Ungefähr 22 Prozent der Einkommen wurden
berücksichtigt;


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Das ist doch eine Abweichung vom Verfahren!)


das hat der Parlamentarische Staatssekretär, wie ich
glaube, plausibel und transparent erläutert. Herr Schaaf,
ich bin mir übrigens sicher, dass er auf weitere Nach-
frage bereit wäre, Ihnen das noch einmal zu verdeutli-
chen und zu erklären.


(Zuruf von der SPD: Machen Sie das doch mal!)


Jetzt zu der anderen Frage, zur Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe. Auch Sie müssen zugeben, dass
uns gestern im Ausschuss vom Bundesministerium für
Arbeit und Soziales erläutert worden ist, dass die Rohda-
ten vom Statistischen Bundesamt zum jetzigen Zeitpunkt
noch nicht in anonymisierter Form vorliegen und wir auf
die sogenannten Daten zur wissenschaftlichen Nutzung
– das Stichwort lautet: Scientific Use File – noch warten
müssen. Wir arbeiten aber jetzt – ich betone das noch
einmal – auf einer viel transparenteren Datenbasis, als
Sie es in der Vergangenheit jemals getan haben.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr!)


Lassen Sie uns nun abwarten, bis uns das Statistische
Bundesamt weitere Informationen zur Verfügung stellt. –
Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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(C (D Herr Strengmann-Kuhn, ich greife das auf, was Sie estern im Ausschuss gesagt haben. Sie haben sinngeäß gesagt, dass die Regelsätze unter den Vorgängerre ierungen vom Bundesarbeitsministerium immer nach assenlage festgelegt worden sind. Dieses Eingeständis Ihrerseits hat mich sehr gefreut. Ich möchte Sie, erte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, darauf inweisen, dass wir zu den damaligen Zeitpunkten jeeils SPD-Arbeitsminister und SPD-Finanzminister hatn. ie sollten daher nicht von sich auf andere schließen. Sie ollten sich mit Vorwürfen und haltlosen Behauptungen egenüber dieser christlich-liberalen Regierung zurückalten. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Wolfgang StrengmannKuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr macht doch das Gleiche!)


(Jörg van Essen [FDP]: Genauso ist es!)


Die von der Bundesregierung vorgelegten Zahlen sind
r jeden nachprüfbar und nachvollziehbar. Wir begrün-

en klar, was Bestandteil des Regelsatzes ist und was
icht. Maßgabe ist für uns die Sicherung des Existenz-
inimums. Der Grundbedarf ist für uns unantastbar. Al-
rdings: Genussmittel wie Alkohol und Tabak gehören
r uns nicht zum Grundbedarf,


(Christel Humme [SPD]: Ja, klar! Geselligkeit ist nur für Reiche!)


enauso wenig wie motorbetriebene Gartengeräte und
chnittblumen. Hier haben wir Wertentscheidungen
etroffen, zu denen uns das Bundesverfassungsgericht
xplizit aufgefordert hat.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zu diesen Wertentscheidungen gehört – auch darauf
uss man hinweisen –, dass wir den Ausgaben für Ver-

ehr eine größere Bedeutung als bisher beimessen, da
ir möchten, dass die Menschen mobil sind. Wir messen

uch den Ausgaben für Telekommunikation und neue
edien eine größere Bedeutung bei, weil die Teilhabe-

hancen in unserer Gesellschaft immer mehr von neuen
edien abhängen. Wir haben Wertentscheidungen ge-

offen, die zeitgemäß sind und die Menschen voranbrin-
en, und das ist gut so.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Erlauben Sie mir noch ein Wort zu den Bildungsleis-
ngen für Kinder, auf die meine Kollegin Miriam Gruß

päter noch ausführlicher eingehen wird. Ich finde, dass
ns hier ein Meilenstein geglückt ist. Wir werden dazu
uch noch einen Weg finden, der, wie man so schön sagt,
iskriminierungsfrei ist. Dass Sie als Opposition sich je-
och um den Punkt der Diskriminierung so viel Sorgen
achen, ist ein Stück unehrlich. Schon heute haben viele
tädte und Kommunen Sozialpässe oder ähnliche Ange-
ote,





Pascal Kober


(A) )


)(B)


(Zuruf von der LINKEN: Das haben wir noch viel zu wenig!)


die fast alle in Ihrem Sinne nicht diskriminierungsfrei
sind. Auf kommunaler Ebene haben Sie von SPD, Grü-
nen und Linkspartei nichts gegen Sachleistungen einzu-
wenden und setzen diese sogar selbst mit um. Wenn Sie
nun hier auf Bundesebene versuchen, das Sachleistungs-
prinzip als diskriminierend zu brandmarken, dann ist das
schlichtweg unehrlich.


(Beifall bei der FDP – Widerspruch bei der LINKEN)


Es ist gut, dass wir im Gegensatz zu Rot-Grün auch auf
Bundesebene etwas für die Bildungschancen und Teilha-
bechancen von Kindern tun. Es ist gut, was wir tun und
wie wir es tun.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706203600

Das Wort hat jetzt die Kollegin Katja Kipping von der

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706203700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die De-

batte über die Erhöhung der Hartz-Regelsätze ist ein
Lehrstück für das Aufhetzen der Armen gegen die ganz
Armen. Jahrelang haben verschiedene Regierungen in
diesem Land den Niedriglohnbereich gefördert. Im Er-
gebnis sind viele Menschen arm, obwohl sie von früh bis
abends schuften. Anstatt nun engagiert gegen Lohndum-
ping vorzugehen, benutzt Schwarz-Gelb die Menschen
mit Hungerlöhnen, um die Hartz-IV-Regelsätze niedrig-
zurechnen. Ich finde, das ist verdammt blamabel.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Friseurin mit niedrigem Lohn muss herhalten, um
Hartz IV niedrigzurechnen. Das ist ein total durchsichti-
ges Manöver. Als ob die Friseurin nur einen Cent mehr
in der Tasche hätte, wenn es den Erwerbslosen noch
schlechter geht. Wir wissen doch, dass das Gegenteil der
Fall ist – es ist empirisch bewiesen –: Je schlimmer die
Situation von Erwerbslosen ist, umso eher sind diejeni-
gen, die noch einen Arbeitsplatz haben, bereit, für nied-
rigere Löhne zu arbeiten. Das heißt im Klartext: Nied-
rige Sozialleistungen ziehen das Lohnniveau in der
Tendenz nach unten. Wenn man also höhere Löhne
möchte, dann muss man sich auch für bessere Sozialleis-
tungen einsetzen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Frau von der Leyen erweckt den Eindruck, dass die
Regelsatzhöhe direkt von den kleinen Löhnen abgeleitet
worden ist. Vor diesem Hintergrund muss ich einmal fra-

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(C (D en: Wie viel Prozent der Haushalte in der Referenzruppe sind wirklich Erwerbstätige? Gestern konnte uns er Staatssekretär diese Frage im Ausschuss nicht beantorten. Nur zum Hintergrund, warum ich das nachfrage: der alten Verbrauchsstichprobe war die Mehrzahl der aushalte in der Referenzgruppe Rentner und Studiende; die Erwerbstätigen haben nur einen ganz kleinen eil ausgemacht. Sie wissen also noch gar nicht, ob in er Referenzgruppe tatsächlich viele Erwerbstätige sind, der Sie wollen es uns verschweigen. Frau von der Leyen, Sie haben in der Zeitung gesagt, ie Opposition müsse das nun empirisch untermauern. s gibt eine Berechnung des Paritäters. Er nimmt zuminest die offensichtlichsten Rechentricks heraus und ommt auf einen Regelsatz von 412 Euro. Sie wissen geauso gut wie wir, dass man für eine wirklich eigenstänige, fundierte Berechnung die Rohdaten braucht. Aber enau deren Herausgabe verweigern Sie uns; Herr chaaf hat schon darauf hingewiesen. Gestern im Auschuss hat Schwarz-Gelb dagegengestimmt. Ja, Sie wolln uns noch nicht einmal die alternativen Berechnungsethoden, die Ergebnisse zur Verfügung stellen. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Skandal! Intransparenz!)


(Beifall bei der LINKEN)


it der gestrigen Abstimmung im Ausschuss haben wir
s nun schwarz auf weiß: Schwarz-Gelb will zwar den
indruck von Transparenz schaffen, aber Sie wollen
eine wirkliche Transparenz, zumindest wenn es um die
formation der Opposition geht. Das ist höchstpeinlich.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie erwecken den Eindruck, bei den Abschlägen
inge es nur um Zigaretten und Alkohol. Halten wir ein-
al fest: Die Zigarettendebatte bewirkt vor allem eines:
ebelschwaden, die von Abschlägen in anderen Berei-

hen ablenken sollen,


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Richtig!)


um Beispiel beim Bereich Benzin oder Autoreparatur.

Ich bin sehr für umweltfreundliche Verkehrsmittel
ie Bus und Bahn, muss aber auch zur Kenntnis neh-
en, dass man im ländlichen Raum leider häufig das
uto braucht, um bestimmte Orte zu erreichen.
0 Prozent der Hartz-IV-Haushalte leben nun einmal im
ndlichen Raum. Wie sollen dann die Betroffenen zu
en schönen neuen Bildungsangeboten kommen, die Sie
nen jetzt anbieten? Sie können sich doch nicht hinstel-
n und sagen: Toll, wir schaffen neue Angebote, aber
ie die Leute dahinkommen, das ist uns egal.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706203800

Frau Kollegin Kipping, erlauben Sie eine Zwischen-

age des Kollegen Patrick Kurth?






(A) )


)(B)


Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706203900

Mit Vergnügen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706204000

Herr Kurth, bitte.


Patrick Kurth (FDP):
Rede ID: ID1706204100

Frau Kipping, in diesem Zusammenhang haben Sie

am Montag in einer Pressemitteilung geschrieben:

Kollektiver Ansturm auf Büros von Union und FDP


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn die Koalition das im Hinterzimmer auskun-
geln und das Parlament ausschließen will, dann
muss diese Auseinandersetzung auf die Straße ge-
tragen werden. Ich empfehle allen Erwerbslosen, in
den nächsten Wochen kollektiv Besuche in den Bü-
ros von Union und FDP abzustatten …


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gut!)


Meine Frage aufgrund meiner persönlichen Planung –
es gab in Thüringen mehrere Anschläge auf FDP-Büros;
jetzt klatscht keiner, sehr gut – ist: Würden Sie mir recht
geben, dass in einer rechtsstaatlichen Demokratie,


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Haben Sie was gegen Besuche?)


egal, wer regiert, die politische Auseinandersetzung aus-
schließlich mit der Kraft des Wortes gepflegt wird? Wie
stehen Sie zu der Aussage: Gewalt ist keine Lösung? –
Sie sprachen vorhin von „aufhetzen“: Wie bezeichnen
Sie Ihren Artikel hier?


(Diana Golze [DIE LINKE]: Von Gewalt war doch gar nicht die Rede! Es ging um Besuche!)



Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706204200

Normalerweise verabredet man mit Leuten aus der ei-

genen Fraktion, solche Zwischenfragen zu stellen, wenn
die Redezeit zu kurz ist. Die Fragezeit wird dann dazu
genutzt, noch einmal Punkte anzusprechen, die man un-
bedingt unterbringen will. Vielen Dank, dass Sie viel
Zeit Ihrer Frage dafür genutzt haben, meine Pressemit-
teilung zu zitieren.


(Beifall bei der LINKEN – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Wenn Sie jetzt die Frage beantworten würden, wäre das gut!)


Zu Ihrer Frage kann ich nur sagen: Ich selbst bin Pazi-
fistin, und wenn Sie bei „Ansturm auf Büros“ an An-
schläge denken, dann ist das eher Ausdruck Ihrer Denke.


(Jörg van Essen [FDP]: Ja, ja!)


Ich verstehe unter „Ansturm“ natürlich, dass man zu Ih-
nen hingeht und – das stand auch in der Pressemitteilung –
dass Ihnen die Erwerbslosen endlich einmal erklären,
wie schwer es ist, mit diesem wenigen Geld über die
Runden zu kommen;

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(C (D (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Die Sprache ist verräterisch!)


enn Sie sind ja offensichtlich der Überzeugung, dass
an von 364 Euro im Monat leben kann. Ich glaube,

ier ist noch viel Aufklärungsarbeit bei Ihnen nötig. –
ielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich würde gerne auf meine Rede zurückkommen. –
h finde, die Debatte um Zigaretten ist auch deswegen

erlogen, weil dadurch der Eindruck erweckt wird, dass
lkohol und Zigaretten nur ein Problem von Erwerbslo-

en sind. Es kommt doch auch niemand auf die Idee, den
bgeordneten die Diäten zu kürzen, weil sie eventuell
en Whiskeyschwenker in Schreibtischnähe haben,


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Wenn Sie ein Alkoholproblem haben, dann ist das doch nicht meine Sache!)


nd es kommt niemand auf die Idee, den Bankern die
oni zu kürzen, weil sie Champagner trinken. Ich meine,
s gibt gute Gründe, den Bankern die Boni zu kürzen,
ber nicht wegen ihrer Trinkgewohnheiten.

Abschließend möchte ich dann doch noch einige
orte zur SPD sagen. Es ist ja unnötig, daran zu erin-

ern, wer Hartz IV auf den Weg gebracht hat. Man
raucht keinen Vaterschaftstest, um an die rot-grüne El-
rnschaft von Hartz IV zu erinnern.

Nun gibt es Ihren Antrag, und ich finde, mit diesem
ntrag erwecken Sie schon klar den Eindruck, dass Sie
as Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, im Gegen-
atz zu Schwarz-Gelb, sehr ernst nehmen. Das finde ich
ehr erfreulich. Ich muss allerdings sagen: Ich finde es
eunruhigend, wie sich der Ton der SPD-Spitze zu die-
em Thema verändert hat – und das innerhalb von nur
anz wenigen Tagen.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Innerhalb von drei Tagen!)


s steht wirklich zu befürchten, dass die SPD, die am
ochenende als Tiger abgesprungen ist, am Ende im
undesrat als Schoßhündchen bei Schwarz-Gelb landet.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Allerdings!)


Ich hoffe wirklich, dass ich mich sehr irre; denn ich
eine, wir müssen hier nicht wie das Kaninchen vor der
chlange vor Schwarz-Gelb stehen und sagen: Wir kön-
en ja gar nichts machen, die haben die Mehrheit. – Wir
ls Rot-Rot-Grün hätten es konkret in der Hand. Wir
önnten diesen Gesetzentwurf zu Fall bringen, indem
ir erstens mit einer Normenkontrollklage gemeinsam
ach Karlsruhe ziehen und deutlich machen: „Hier wird
as Urteil missachtet“, und zweitens kann man ihn im
undesrat ablehnen. Im Bundesrat wird es tatsächlich
um Offenbarungseid kommen. Ich glaube, bei der SPD
uss man sich entscheiden – man steht jetzt vor einer
eggabelung –, ob man sich gemeinsam mit den Linken
r Erwerbslose und Niedrigverdienende einsetzen will


(Lachen bei der CDU/CSU)






Katja Kipping


(A) )


)(B)

oder ob man – das wollen die Kollegen von der CDU –
zur Westentaschenreserve der CDU werden will.


(Beifall bei der LINKEN – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Wahl zwischen Pest und Cholera!)


Ich will nur noch einmal daran erinnern: Der ge-
schäftsführende SPD-Fraktionsvorsitzende hat bereits
Bereitschaft zum Kompromiss angekündigt. Ich appel-
liere an Sie: Lassen Sie sich im Bundesrat die Zustim-
mung nicht für ein paar symbolische Glasperlen abhan-
deln. Ich meine, die mindeste Voraussetzung für jede
Verhandlung im Vermittlungsausschuss muss sein, dass
im Bundesrat nicht die Rechentricksereien der Bundes-
regierung die Grundlage sind, sondern zumindest die um
die schlimmsten Tricksereien bereinigte Berechnung des
Paritäters. Mir geht das, was der Paritäter berechnet hat,
nicht weit genug, aber ich glaube, die Berechnung des
Paritäters muss die rote Linie sein, unter die Sie als SPD
im Bundesrat nicht zurückfallen dürfen.


(Beifall bei der LINKEN)


Grundsätzlich ist zu sagen: Der Kurs von Hartz IV
führt in die falsche Richtung. Wir als Linke setzen hier
auf einen anderen Kurs. Wir wollen einen gesetzlichen
flächendeckenden Mindestlohn, eine Kindergrundsiche-
rung und mindestens eine sanktionsfreie Mindestsiche-
rung. Finanziert werden kann das alles, wenn man sich
endlich an eine ordentliche Besteuerung der Spekulatio-
nen heranwagt.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706204300

Das Wort hat jetzt der Kollege Markus Kurth von

Bündnis 90/Die Grünen.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706204400

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Einige Rednerinnen und Redner haben es schon be-
tont: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt uns
auf, ein menschenwürdiges Existenzminimum, das der
Maßgabe des Art. 1 des Grundgesetzes entspricht, zu
schaffen. Ich wundere mich, wie wenig Sie von der Re-
gierungskoalition in der öffentlichen Darstellung auf
diesen Bezug zur Menschenwürde eingehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


In der öffentlichen Debatte draußen führen Sie doch
hauptsächlich, wenn nicht vollständig, eine miserable
Lohnabstandsdiskussion nach dem Motto: Wenn schon
die Löhne nicht existenzsichernd sind, dann soll es die
Grundsicherung erst recht nicht sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Mit dieser Art der öffentlichen Darstellung, nach der
die kleine Verkäuferin dafür herhalten muss, dass die
Höhe des Arbeitslosengeldes II unzulänglich bleibt, er-

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(C (D lären Sie die Grundsicherungsbezieherinnen und -beieher zu Bürgerinnen und Bürgern zweiter Klasse. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


as zieht sich durch das gesamte Gesetzgebungsvorha-
en der Bundesregierung und natürlich auch durch das
parpaket. Auf der ganzen Linie treffen Sie Bestimmun-
en, die gar keinen anderen Schluss zulassen, als dass
ie Langzeitarbeitslose als Bürger zweiter Klasse sehen.

Ich fange mit dem Regelsatz an. Ich will da gar nicht
en Vorwurf der Trickserei bemühen. Mir reicht völlig
us, welche politischen Setzungen Sie vornehmen, etwa
ei Schnittblumen; bei den kleinen Dingen kommt es ja
esonders deutlich zum Vorschein. Ich dachte, Sie sind
ie Partei der Bürgerlichkeit. Nach meinem Verständnis
ehört zur bürgerlichen Lebensführung, dass man seiner
utter zum Geburtstag auch mal einen Strauß Blumen
itbringen kann.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und zum Muttertag, Markus! Zum Muttertag!)


Auch da, wo Sie Bedarfe nicht aberkennen, zeigen die
euen Berechnungen zum Regelsatz: Die Lebenswirk-
chkeit – die muss man ja auch einmal heranziehen –
cheint für Sie keine Rolle zu spielen. Nehmen wir auch
ier nur ein Beispiel, Mobilitätskosten bei Jugendlichen.
ür 14- bis 18-Jährige haben Sie 12,62 Euro pro Monat
orgesehen. Dafür kriegen Sie kein Schülerticket und
eine Monatskarte. Wenn ich weiß, dass es Landkreise
ibt, die über 16-Jährigen keine Monatskarte mehr für
en Schulweg finanzieren, weil sie sagen: „Das Ende der
chulpflicht ist erreicht. Wenn du Abitur machen willst,
usst du selbst für deine Fahrkarte aufkommen“, dann

ehe ich doch ein, dass diese 12,62 Euro für Mobilität im
onat völlig unzureichend sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Selbst wenn sie korrekt berechnet worden sind: Ich
uss doch den Gegencheck mit der Wirklichkeit ma-

hen. Deswegen fordern wir in unserem Antrag ja auch,
ass wir zur Gegenprüfung wieder einen Warenkorb
usammenstellen, um zu sehen, ob die Bedarfe, die sta-
stisch ermittelt worden sind, tatsächlich dem entspre-
hen, was notwendig ist. Denn das Bundesverfassungs-
ericht hat ja auch gesagt: Der tatsächliche Bedarf muss
edeckt werden.

Wenn Sie mit solchen Dingen konfrontiert werden,
agen Sie immer: Der Regelsatz ist aber doch nicht evi-
ent zu niedrig. Das Bundesverfassungsgericht habe ge-
agt: Er ist nicht evident zu niedrig.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706204500

Herr Kollege Kurth.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706204600

Einen Moment bitte noch. – Es muss Ihnen doch auf-

llen, dass die Bundesagentur für Arbeit mittlerweile





Markus Kurth


(A) )


)(B)

1,1 Millionen Darlehen verwaltet, weil Aufwendungen
etwa für langlebige Verbrauchsgüter, die kaputtgegangen
sind, wie Kühlschränke, Herde, einfach nicht aus dem
Regelsatz angespart werden können. Wollen Sie denn
die Bundesagentur für Arbeit zu einer Art Bad Bank für
Arme machen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706204700

Erlauben Sie jetzt die Zwischenfrage des Kollegen

Weiß?


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706204800

Sehr gern, Herr Weiß. Bitte.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1706204900

Herr Kollege Kurth, Sie haben eben in Ihrer Rede auf

das alte Berechnungsmodell für den Regelsatz – damals
noch der Sozialhilfe, heute des Arbeitslosengeldes II –
verwiesen, den sogenannten Warenkorb. Würden Sie uns
bitte bestätigen, dass das Bundesverfassungsgericht in
seinem Urteil ausdrücklich die neue Berechnungsme-
thode nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
als geeignet bezeichnet hat, um den Regelsatz zu bemes-
sen?

Würden Sie zum Zweiten bestätigen, dass die Ab-
schaffung des alten Warenkorbs – da ging es etwa da-
rum: Gehört da eine Banane hinein oder ein Apfel? – da-
mals von allen Wohlfahrtsverbänden und Fachleuten
gefordert worden ist, der Übergang zur neuen Einkom-
mens- und Verbrauchsstichprobe begrüßt worden ist und
dass vor allen Dingen die Abschaffung des Warenkorbs
und der Übergang zu der neuen Berechnungsmethode
dazu geführt haben, dass die Regelsätze damals um über
10 Prozent gestiegen sind, dass Warenkorb also weniger
Leistungen und Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
mehr Leistungen bedeutet?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706205000

Ausdrücklich kann ich Ihrer letzten Feststellung nicht

zustimmen.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das wundert mich sehr!)


Es ist so gewesen, dass die einmaligen Leistungen, die
vorher gewährt worden sind, in den pauschalierten Re-
gelsatz übernommen worden sind. Das geschah leider
– das muss man rückblickend sagen – zulasten insbeson-
dere der Kinder, die überproportional einmalige Leistun-
gen in Anspruch genommen haben, weil sie schließlich
wachsen. Ich will aber gar nicht in Abrede stellen, dass
das Bundesverfassungsgericht die Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe als zulässiges und geeignetes
Verfahren angesehen hat.


(Zuruf von der CDU/CSU: Na also!)


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(C (D as entbindet einen aber doch nicht von der Pflicht, wenn s um den tatsächlichen Bedarf geht, eine Art Gegenprüng vorzunehmen. Der Übergang zur Einkommensund erbrauchsstichprobe und die Abkehr vom Warenkorb ind damals mit guten Gründen vorgenommen worden. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Dann bestätigen Sie doch, dass das aus guten Gründen gemacht worden ist!)


Das bestätige ich gerne. – Allerdings muss man dazu
agen, dass wir damals ein ganz anderes Lohnniveau
atten. Wir müssen doch sehen, dass seit dieser Zeit die
öhne abgesackt und nicht mehr existenzsichernd sind
nd dass wir deswegen nicht mehr ausschließlich auf die
inkommens- und Verbrauchsstichprobe zurückgreifen
önnen, wenn wir den tatsächlichen Bedarf feststellen
ollen – und dies umso mehr, als die von Ihnen ausge-
ählte kleine Gruppe, die den Maßstab für den Regel-

atz bildet, nicht mehr die unteren 20 Prozent, sondern
ur noch die unteren 14 Prozent der Einkommen um-
sst.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)


Es geht aber nicht nur allein um den Regelsatz. Der
esetzentwurf ist umfangreicher. Ich möchte abschlie-
end kurz etwas zur Rechtsposition der Langzeitar-
eitslosen sagen. Sie verschlechtern nämlich auch deren
echtsstellung und führen eine Ungleichbehandlung ein,
ie ich wirklich als unglaublich empfinde. So soll zum
eispiel bei der Verhängung von Sanktionen zukünftig
eine schriftliche Rechtsbehelfsbelehrung mehr notwen-
ig sein, sondern es reicht, wenn der Betroffene davon
enntnis gehabt hat. Im Zweifelsfall reicht also ein Tele-
nat mit dem Fallmanager, der sagt: Wenn du das und

as nicht machst, verhänge ich eine Sanktion. – Das ist
ann die Rechtsgrundlage für die Verhängung einer
anktion. Wir würden uns doch als Steuerbürger oder als
erkehrsteilnehmer, der einen Bußgeldbescheid erhält,
iemals gefallen lassen, dass die Rechtsbehelfsbeleh-
ng fehlt. Und so etwas kommt von der angeblichen
echtsstaatspartei FDP.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Rechtsstaatspartei?)


arüber muss ich mich doch schon sehr wundern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn man dann noch sieht, dass Gerichtskosten nicht
Regelsatz enthalten sind und dass von den von Ihnen

gierten Ländern Baden-Württemberg und Bayern Vor-
töße kommen, die Prozesskostenhilfe einzuschränken,
ann erkennt man, dass Sie auf der bürgerrechtlichen
bene ebenfalls Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse
chaffen. Sie können noch so viel von den neu anerkann-
n Kinderbedarfen reden: Das ist angesichts dieser

chwerwiegenden Mängel ein Tröpfchen auf den heißen
tein. Mir jedenfalls ist zu dem, was die schwarz-gelbe
oalition tut, ein Vers aus Heinrich Heines Deutschland.
in Wintermärchen eingefallen:





Markus Kurth


(A) )


)(B)

Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
Ich kenn auch die Herren Verfasser,
Ich weiß, sie tranken heimlich Wein
Und predigten öffentlich Wasser.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706205100

Das Wort hat die Kollegin Mechthild Heil von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Mechthild Heil (CDU):
Rede ID: ID1706205200

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die Debattenbeiträge der Opposition werden
wirklich nicht besser.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So ist es!)


Gestern hat Frau Ferner noch gesagt, die Sozialministe-
rin von der Leyen sei nicht durchsetzungsfähig; heute
haben wir von Frau Ziegler gehört, sie zögere.


(Sönke Rix [SPD]: Das widerspricht sich doch nicht!)


Ich sage dazu: Zwei Jahre keine Jobcenterreform; die ha-
ben Sie nicht hinbekommen. Ursula von der Leyen hat
dafür drei Monate gebraucht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Ja, da fragen Sie mal nach den Gründen! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie mal den Herrn Röttgen! – Dagmar Ziegler [SPD]: „Partielle Amnesie“ nennt man das!)


Bei den Regelsätzen ist es genauso: Im September waren
die statistischen Unterlagen verfügbar, und noch im Sep-
tember liegt der Referentenentwurf vor. Am 17. Dezem-
ber dieses Jahres werden wir diesen Gesetzentwurf ver-
abschieden. Wenn Sie, meine Damen und Herren von
der Opposition, das verhindern, dann tragen Sie auch da-
für die Verantwortung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir als CDU tragen das C in unserem Namen.


(Christel Humme [SPD]: Das ist das Schlimme! Wo ist der Inhalt? – Weitere Zurufe von der SPD)


– Da dies bei Ihnen Schreierei verursacht, sollten Sie
einmal darüber nachdenken, wie weit wir gekommen
sind. – Unsere Basis ist nicht sozialistisch. Unser Motto
ist eben nicht „alle gleich“. Menschenwürde ist deswe-
gen für uns kein politisches Kalkül, sondern eine tiefe
Überzeugung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Hier setzt unser Gesetzentwurf an.

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(C (D Zur Klarstellung: 2008 betrug der Sozialetat 124 Milarden Euro. 2011 werden es 131 Milliarden Euro sein, lso 7 Milliarden Euro mehr. Gleichzeitig hat die Areitslosenzahl von 5 Millionen auf circa 3 Millionen abenommen. Trotz Schuldenbremse geben wir heute 20 Millionen Euro mehr für die Kinder aus. Die bishege Höhe der Regelsätze wird beibehalten, obwohl es chnerisch weniger wäre. Würden wir nach Haushaltsge entscheiden, müssten wir kürzen; aber das tun wir icht. Das nenne ich Solidarität. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


s wird dem geholfen, der es wirklich braucht.

Eine weitere Klarstellung: Keinen der vom Bundes-
erfassungsgericht angemahnten Sachverhalte haben die
DU/CSU oder die FDP zu verantworten. Diese Gesetze

tammen nun einmal von der SPD und den Grünen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Bundesrat! – Sönke Rix [SPD]: Was war denn mit dem Vermittlungsausschuss? Leiden Sie an Demenz?)


ie SPD schreibt in ihrem vorliegenden Antrag – ich zi-
ere –:

Das BVerfG hat dabei in seinem Urteil weder die
absolute Höhe der Regelsätze infrage gestellt noch
das Verfahren zur Bemessung der Regelsätze an-
hand der Verbrauchsausgaben unterer Einkom-
mensgruppen … als grundsätzlich ungeeignet be-
zeichnet.

in spröder, unhandlicher Satz, aber wahr.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706205300

Frau Kollegin Heil, erlauben Sie eine Zwischenfrage

res Namenskollegen?


Mechthild Heil (CDU):
Rede ID: ID1706205400

Aber gern. Wir haben uns noch nie unterhalten.


(Heiterkeit – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Dann wird es Zeit!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706205500

Bitte schön, Herr Heil.


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1706205600

Frau Heil – weder verwandt noch verschwägert –, es

eut mich, dass wir uns einmal kennenlernen.


(Heiterkeit)


Gestatten Sie mir die Frage, ob Sie sich entsinnen,
ass zumindest CDU und CSU, namentlich Herr
aumann und andere, über den Bundesrat und über den
ermittlungsausschuss am Zustandekommen der ent-
prechenden Gesetze beteiligt waren. Können Sie sich
ines Programms Ihres Kanzlerkandidaten Edmund
toiber aus dem Jahre 2002 entsinnen, der seinerzeit ge-
rdert hat, die damals bestehenden Regelsätze pauschal

uf 75 Prozent zu verringern? Können Sie bestätigen,





Hubertus Heil (Peine)



(A) )


)(B)

dass das so war? Wie erklären Sie dann Ihre heutigen
Vorwürfe?


Mechthild Heil (CDU):
Rede ID: ID1706205700

Ich kann mich sehr gut dessen entsinnen, auch wenn

ich ein bisschen älter als Sie bin. Ich war damals anders
als Sie noch nicht hier im Parlament. Ich fände es wirk-
lich sehr gut, wenn Sie sich gleich hier vorne hinstellten
und sagten: Ja, wir haben das damals so beschlossen,
und wir stehen auch dazu. – Aber das werden Sie nicht
tun; vielmehr werden Sie heute eine Rolle rückwärts ma-
chen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das Einzige, was Vertreter Ihrer Fraktion, zum Bei-
spiel Ihre Kollegen Nahles oder Gabriel, tun, ist, uns
eine verfassungswidrige Vorlage oder Trickserei vorzu-
werfen. Sie fordern höhere Transferleistungen; wir ha-
ben das eben wieder gehört. Sie stellen diese Forderung
auf, obwohl in Ihrem uns vorliegenden Antrag nicht
steht, dass die Regelsätze vom Bundesverfassungsge-
richt infrage gestellt werden. Meine sehr verehrten Da-
men und Herren der SPD, das ist Populismus und Aus-
druck notorischer Vergesslichkeit.

Die SPD geißelt die Bemessungsverfahren als unzu-
lässig und willkürlich. Gleichzeitig erklären Sie in dem
vorliegenden Antrag, dass dieses Verfahren vom Bun-
desverfassungsgericht als grundsätzlich geeignet einge-
stuft wurde. Eine eigene nachvollziehbare Berechnung
legen Sie nicht vor. Das ist Populismus und Ausdruck
notorischer Vergesslichkeit. Liegt es vielleicht daran,
dass der Antrag, den Sie vorlegen, schon ein halbes Jahr
alt ist – er stammt vom 2. März 2010 – und dass Sie Ihre
Meinung in dieser Zeit bekanntlich schon x-mal geän-
dert haben? Liegt es vielleicht daran, dass Sie sich nicht
mehr erinnern können? – Wir erleben heute eine Rolle
rückwärts der SPD, wie bei vielen anderen Themen in der
Vergangenheit auch. Ich erinnere an die Rente mit 67. Ich
erinnere daran, dass Sie sich nicht mehr daran erinnern
wollen, dass Sie die Sicherheitsstandards bei Atomkraft-
werken ausgesetzt haben. Heute erleben wir das bei den
Bemessungssätzen für die Hartz-IV-Empfänger.

So arbeiten wir als christlich-liberale Koalition nicht.
Wir stehen für Verlässlichkeit und den Mut, die Sozial-
systeme heute so zu gestalten, dass sie auch in Zukunft
leistungsfähig und bezahlbar sind, auch wenn das un-
populär ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Jetzt wird christlich-liberale Sozialpolitik gemacht. Un-
ser Alternativprogramm heißt: Hilfe, die bei den Kin-
dern ankommt, und Hilfe, die Ideen zur Umsetzung
Spielraum lässt. – Das ist ein Paradigmenwechsel zu-
gunsten der Kinder in unserem Land.

Am Anfang steht natürlich immer eine solide Ermitt-
lung der Berechnungsgrundlage. Dazu wurden ein
Jahr lang 60 000 Haushalte – jeder Haushalt ein Viertel-
jahr lang – begleitet. Die Zahlen sind sauber ermittelt

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(C (D orden nach einem Verfahren – um das noch einmal zu agen –, das vom Bundesverfassungsgericht nicht gerügt urde. – Damit auch die Zuschauer das einmal hören: ir bewegen uns in einem Korridor von einem Netto inkommen von 901 Euro für einen Einpersonenhaushalt is hin zu einem Nettoeinkommen für eine Familie mit inem Kind von 2 544 Euro. Sie sehen also, dass der orwurf der Linken, wir verglichen die Armen mit den rmsten, komplett ins Leere geht und reiner Populismus t. Das Bundesverfassungsgericht hat von der Politik gerdert, eine Wertentscheidung zu treffen. Die Politik uss also klären, was zum Grundbedarf gehört und was icht. Das haben wir getan. Internetzugang und Mineralasser gehören für uns zum Grundbedarf. Alkohol, Taak, ein Pkw oder ein Haustier gehören für uns hingegen icht dazu. 13 Bereiche sind neu dazugekommen, zum eispiel optische Geräte oder Videos; zehn Posten sind erausgenommen worden. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der PD – von den Linken möchte ich gar nicht sprechen –, as wollen Sie denn? Wollen Sie, dass Zigaretten und lkohol zum Grundbedarf eines Menschen gehören? ann sagen Sie es uns. (Zuruf von der SPD: Wir wollen Transparenz, die Sie ablehnen! olange Sie regiert haben, haben Sie die Sätze für ausömmlich erklärt. Was aber ist heute? Ich erinnere an eien Satz von Altbundeskanzler Schröder, der bekanntch kein Mitglied der CDU oder der FDP ist. Dieser hat Jahr 2004 zu bedenken gegeben, dass das alles aus en Steuern der Verkäuferin, des Gesellen im Handwerk, es Krankenpflegers und von wem auch immer aufgeracht werde. Angesichts dieser Tatsache durch die Geend zu laufen und zu sagen, das sei zu wenig, werde der age nicht gerecht, so Altbundeskanzler Schröder. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706205800

Frau Kollegin Heil, kommen Sie bitte zum Schluss.


Mechthild Heil (CDU):
Rede ID: ID1706205900

Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben

ich komplett verrannt. Die Öffentlichkeit schüttelt den
opf über Sie. Es ist höchste Zeit, dass Sie sich wieder

uf Ihre Verantwortung für alle Teile der Gesellschaft
esinnen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706206000

Das Wort hat jetzt die Kollegin Angelika Krüger-

eißner von der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)







(A) )


)(B)


Angelika Krüger-Leißner (SPD):
Rede ID: ID1706206100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die Anträge von meiner Fraktion und von der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen liegen schon seit lan-
gem vor. Die Antragsteller hatten offensichtlich geahnt,
was uns am Wochenende von Frau von der Leyen prä-
sentiert wurde; denn das hat herzlich wenig mit den Vor-
gaben des Bundesverfassungsgerichts zu tun. Wir haben
vom Bundesverfassungsgericht den ganz klaren Auf-
trag bekommen, die Regelsätze am Existenzminimum
orientiert, transparent und nachvollziehbar zu gestalten
sowie die Situation der Kinder zu verbessern, ihnen Bil-
dung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zuzusi-
chern.

Das, was uns nun nach acht Monaten angestrengter
Arbeit – wie gesagt wurde – vorliegt, spricht aber eine
andere Sprache. Zum einen sind die Regelsätze in Gänze
nicht nachvollziehbar. Sie erscheinen willkürlich. Zum
anderen liegt der Verdacht sehr nahe, dass sie nicht ver-
fassungskonform sind.

Im Ausschuss gab es gestern eine Vielzahl offener
Fragen, die nicht beantwortet werden konnten; es gab Ir-
ritationen und Wirrwarr bezüglich des Zahlenwerks. Wir
werden uns in den nächsten Wochen auf der Grundlage
der nachgeforderten Berechnungen noch lange mit den
Einzelheiten beschäftigen müssen. Hier scheint ganz of-
fensichtlich der Finanzminister die Hand von Frau von
der Leyen geführt zu haben: Der Regelsatz wurde zu-
sammengezimmert auf ein passendes Maß.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Nein, der wurde berechnet!)


Die Menschen im Lande reden noch ganz anders da-
rüber. Monatelang hat die Ministerin bei den 6,8 Millio-
nen betroffenen Grundsicherungsempfängern hohe Er-
wartungen geweckt. Natürlich ist die Enttäuschung
angesichts dieses Ergebnisses groß. Man muss sich nicht
wundern, wenn Bürgermeister Buschkowsky sagt, die
Menschen fühlten sich verhohnepipelt.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Von der SPD!)


Sie sagen, 5 Euro seien Almosen, Almosen für den klei-
nen Mann. Aber die Ministerin entgegnet: Mehr ist nicht
drin. Es muss ja auch bezahlt werden können. – Also
doch eine Entscheidung nach Kassenlage!


(Beifall bei der SPD)


Frau von der Leyen appelliert an uns, man müsse
auch an die vielen denken, die wenig verdienen, so we-
nig wie beispielsweise eine Friseurin, die bei mir zu
Hause in Oranienburg 4,22 Euro verdient


(Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Unter Tarif! Es gibt einen Tarifvertrag!)


und zusätzlich Hartz IV braucht, um am Existenzmini-
mum zu leben. Ja, natürlich hat die Ministerin recht: Wir
müssen an diese Leute denken. Ich könnte auch noch
viele andere Beispiele anführen. Aber die Ministerin
zieht die falschen Schlussfolgerungen. Der Hinweis auf
das Lohnabstandsgebot hilft hier nämlich überhaupt

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(C (D icht weiter. Es demütigt die Menschen, die damit leben üssen, und damit spielt sie diejenigen, die zu wenig ha en, gegen die aus, die staatliche Leistungen erhalten. as finde ich besonders perfide. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Ministerin drückt sich vor allen Dingen um eine
ufgabe herum, die sie als Arbeitsministerin hat. Es gibt
ur eine einzige Lösung, damit das Lohnabstandsgebot
ingehalten wird, nämlich, anstatt die Regelsätze niedrig
u halten, endlich einen gesetzlichen Mindestlohn einzu-
hren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as ist eine längst fällige Entscheidung. Um diese
rückt sich die Ministerin herum. Es führt aber kein Weg
aran vorbei. Auf diese Weise könnten Sie ernsthaft und
achhaltig bei den Ausgaben für die Grundsicherung
paren.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Stimmt leider nicht!)


ie 50 Milliarden Euro für die 1,3 Millionen Aufstocker
ürden so nicht mehr fällig.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Stimmt leider nicht!)


Viel schlimmer ist aber das Versagen bei der Erfül-
ng des zweiten Auftrags an uns, nämlich die Verbesse-
ng der Chancen für Kinder. Nach monatelangen An-

ündigungen, in den Medien hochgejubelt, und nach
ielen Versprechungen – ich denke nur an die Aussage:
as ist die große Chance für die Kinder, die heute viel zu
üh scheitern – liegt nun das Ergebnis vor: eine einzige
roße Enttäuschung.


(Miriam Gruß [FDP]: Wo ist denn Ihre Strategie gewesen?)


h glaube, dass wir hier viel weiter denken müssen.
enn wir für alle Kinder eine echte Teilhabechance er-

ffnen wollen, kommen wir nicht drum herum, das Pro-
ramm zum Ausbau der Kindertagesstätten, das wir
egonnen haben, und das Ganztagsschulprogramm fort-
usetzen.


(Beifall bei der SPD)


o kann man den Teufelskreis durchbrechen, von dem
rau von der Leyen spricht –


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706206200

Frau Krüger-Leißner, kommen Sie bitte zum Schluss.


Angelika Krüger-Leißner (SPD):
Rede ID: ID1706206300

– ja –, und die Kinder aus der Armut herausführen.

Staatssekretär Fuchtel, Sie müssen Frau von der
eyen aus der heutigen Debatte vor allen Dingen mitge-
en, dass wir ihre Worte sehr ernst nehmen.





Angelika Krüger-Leißner


(A) )


)(B)


(Zurufe von der SPD: Die Ministerin interessiert das nicht! – Wo ist sie heute?)


Wir werden sie daran messen, ob sie eine verantwor-
tungsvolle Sozial- und Arbeitsministerin ist.


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das ist sie auch! – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ein wunderbarer Schluss!)


Danke.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706206400

Das Wort hat jetzt der Kollege Johannes Vogel von

der FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1706206500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

glaube, es gäbe viel zu den Anträgen von SPD und Grü-
nen zu sagen.


(Anton Schaaf [SPD]: So viel Zeit haben Sie nicht!)


– So viel Zeit habe ich nicht, aber zwei Bemerkungen
seien erlaubt, Herr Kollege Schaaf.

Ich finde es interessant, dass die SPD in ihrem Antrag
ein ganzes Konvolut an Maßnahmen zur Bekämpfung
der Armut vorschlägt, dass sie aber wenig zu den Ursa-
chen von Benachteiligungen sagt, die sie selbst durch
ungerechte Zuverdienstmöglichkeiten, durch man-
gelnde Bildungschancen für Kinder eingebaut hat. Dazu
sagen Sie in Ihrem Antrag erstaunlich wenig. Ich glaube,
das sagt viel aus.


(Beifall bei der FDP)


Im Hinblick auf die Anträge der Kolleginnen und
Kollegen von den Grünen finde ich es sehr bemerkens-
wert, dass sie von bedarfsgerechten Regelsätzen spre-
chen, aber den Bedarf noch gar nicht kennen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wie geht das denn?)


Sie haben, wie Sie selber im Ausschuss zugegeben ha-
ben, eine Zahl in die Welt gesetzt, bevor eine Auswer-
tung der EVS vorlag.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das beruht auf der EVS 2003!)


Das kann man machen, aber bedarfsgerecht ist das si-
cherlich nicht, lieber Herr Kollege Kurth.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Da hier aber mehr über den Vorschlag der Regierung
als über Ihre eigenen Anträge geredet wurde, will ich
auch auf diesen eingehen. Lieber Herr Kurth, Sie haben
gesagt, die Regierung habe kleingerechnet und es wür-
den jetzt 15 Prozent und nicht mehr 20 Prozent der Ein-
kommen bei der Berechnung zugrunde gelegt. Das ist
eine Irreführung; denn Sie haben von den unteren
15 Prozent gesprochen. Das ist ja nicht wahr, Herr Kol-

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(C (D ge Kurth. Es ist weiterhin das untere Fünftel der Einommen. Nur, anders als bei Ihnen, anders als damals, urden jetzt Transferempfänger komplett herausgerechet. Die Arbeitslosenhilfeempfänger wurden bei Ihnen och in dieser Gruppe belassen. Das ist jetzt anders. Die ruppe wurde angehoben. Es sind nicht die unteren 5 Prozent, sondern es sind, anders als Sie es damals geacht haben, die 15 Prozent oberhalb der Transferempnger, um Zirkelschlüsse zu vermeiden. Insofern ist das, as Sie hier behaupten, unredlich. Liebe Kollegin Kipping, Sie haben recht: Die Kosten r Autoreparaturen wurden herausgerechnet, weil die egierung sagt: Das Auto gehört nicht zum Existenzmiimum. Nur, dann gehört es zur Ehrlichkeit dazu, auch u sagen, dass, anders als bisher, bei den Kosten für den ffentlichen Personennahverkehr nun auch die Hausalte betrachtet wurden, die kein Auto haben und die eshalb natürlich höhere Ausgaben für den Personenahverkehr haben. Das wurde zur Grundlage gemacht. sofern ist es gerechter, weil endlich und anders, als es isher der Fall war, wenn man Bus oder Bahn fährt, die alen Kosten berücksichtigt werden. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der ollegin Kipping? Sehr gerne, Frau Kollegin Kipping. Herr Vogel, Sie haben auf die Gelder hingewiesen, die Regelsatz für Verkehrsleistungen vorgesehen sind. ür den öffentlichen Personennahverkehr sind jetzt moatlich 18,41 Euro eingeplant. Jetzt nennen Sie mir doch itte einmal die Stadt oder die Region, in der man für ieses Geld eine Monatskarte bekommt. Frau Kipping, offenbar haben Sie die Methode der VS nicht verstanden. ier werden jetzt real die Bedarfe angesetzt, die jene mit leinem Einkommen in Deutschland, die Verkäuferin, er Lagerarbeiter, jene, die kein Auto haben, für den öfntlichen Personennahverkehr ausgeben. Das ist be arfsgerechte Regelsatzermittlung, so wie es uns das öchste deutsche Gericht aufgegeben hat. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706206600
Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1706206700
Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706206800
Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1706206900

(Lachen bei der LINKEN)


ir können gerne darüber diskutieren. Ich halte es für
gitim, dass Sie sagen, es muss mehr sein. Aber be-
arfsgerecht ist es.

Aber ich will nicht nur auf die Regelsätze eingehen.
azu hat der Kollege Kober schon ausgeführt. Sie ste-





Johannes Vogel (Lüdenscheid)



(A) )


)(B)

hen, und sie sind transparent und solide. Wichtig ist viel-
mehr, dass wir darüber hinausgehen müssen. Es kann
nicht nur um eine faire Grundsicherung gehen, sondern
es muss auch um die Perspektiven der Menschen gehen,
dort wieder herauszufinden. Wir brauchen eben auch
eine trittfeste Leiter aus Hartz IV heraus. Insoweit wer-
den jetzt zwei Ungerechtigkeiten endlich korrigiert.

Sie haben bisher Kinderbildungsausgaben gar nicht
berücksichtigt. Nun werden endlich faire Chancen für
die Kinder geschaffen. Es ist eben nicht nur das Schul-
starterpaket, das die Große Koalition schon eingeführt
hat. Darüber hinaus sind es eben Kosten für Vereinsmit-
gliedschaften, aber nicht nur das. Es sind auch die Schul-
ausflüge und das Mittagessen und die Kosten für Nach-
hilfe für die Kinder, die sie benötigen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Das wurde in Berlin schon längst bezahlt! Das haben andere Länderpolitiken schon längst erledigt!)


Hier so zu tun, als sei es nur das, was die Große Koali-
tion vorgelegt hat, hält der Überprüfung mit der Realität
nicht stand.


(Beifall bei der FDP)


Wir werden ein Zweites tun, weil wir nicht nur die
Benachteiligung der kommenden Generationen und dort
derjenigen, die die Unterstützung der Solidargemein-
schaft brauchen, beheben wollen, sondern auch die Be-
nachteiligung der Erwachsenen. Daher fragen wir: Wie
können wir das System so weiter umgestalten, dass mehr
Menschen wieder herausfinden? Wie können wir den
Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt – Sie alle haben
heute wahrscheinlich wie ich die diesbezüglichen Zahlen
verfolgt – dafür nutzen, dass auch mehr Langzeitarbeits-
lose eine Chance haben? Diese Koalition wird sich
nächstes Jahr nicht nur mit der Überprüfung der arbeits-
marktpolitischen Maßnahmen darum kümmern, dass die
Vermittlung vor Ort besser und schneller erfolgt, son-
dern wir wollen auch die Zuverdienstmechanismen
verbessern, damit wir eine trittfeste Leiter aus der
Grundsicherung heraus haben. Alle Experten, zuletzt
wieder die OECD und das IAB, bestätigen uns doch:
Derzeit lohnt es sich für viele nicht und es ist nicht aus-
reichend Motivation vorhanden, sich Schritt für Schritt
aus dem Transferbezug emporzuarbeiten, weil eben
nach den ersten 100 Euro von jedem Euro nur 20 Cent
behalten werden können. Das ist ungerecht, das ist un-
fair, und das werden wir korrigieren. Dann ist es ein
Paket, das die Grundsicherung natürlich noch nicht
perfekt macht – daran werden wir in den nächsten Jah-
ren auch weiterarbeiten –, das aber das Sozialsystem in
Deutschland erheblich fairer macht als das, was Sie uns
hinterlassen haben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706207000

Das Wort hat die Kollegin Diana Golze von der Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und ollegen! Es ist schon bemerkenswert, wofür Ministerin on der Leyen die wirklich kurze Zeit seit dem Urteil es Bundesverfassungsgerichts im Februar genutzt hat nämlich für Debatten über Chipkarten und Gutscheine, hne zu sagen, was wirklich darin stecken soll –, statt ich um die Probleme zu kümmern, deren Lösung eientlich ihre Aufgabe gewesen wäre: der Öffentlichkeit inen Entwurf zu präsentieren, was sie zur Existenzsiherung von Kindern machen will. Dies hat sie nach einer Ansicht nicht getan. Sie hat jetzt ein Teilhabeund Bildungspaket vorgegt, das die Regelsätze für Kinder ergänzen soll. Diese egelsätze sollen angeblich völlig kindbezogen und vom rwachsenenregelsatz unabhängig berechnet worden ein. Wie sie das bewerkstelligt hat, obwohl in ihrer Rerenzgruppe kaum Familien mit Kindern enthalten sind, ird ihr Geheimnis bleiben, auch deshalb, weil sie sich mer noch weigert, uns die Rohdaten und die daraus bgeleiteten Berechnungen vorzulegen, icht nur uns, Frau Gruß, sondern auch den Sozialund ohlfahrtsverbänden, die ihre Berechnungen sehr gern berprüfen würden, um das tatsächliche Ausmaß der anipulation darstellen zu können. Ministerin von der eyen sagte gestern in der Aktuellen Stunde, dass sie ertentscheidungen treffen musste. Wenn das, was Sie ns als kindgerechten Regelsatz präsentieren und als Bilungspaket vorschummeln, das darstellen soll, was Kiner aus armen Familien Ihnen wert sind, dann sieht es m die Zukunft dieser Kinder schlecht aus. Schauen wir uns doch einmal Ihre Berechnungen etas genauer an: Ausreichende und ausgewogene Ernähng ist nach wie vor nicht enthalten; denn Ernährung ist ehr als nur ein warmes Schulessen. Was ist denn mit en Kindern, in deren Schulen es diese Essenversorgung berhaupt nicht gibt? (Mechthild Heil [CDU/CSU]: Die essen zu Hause, wie es normal ist!)

Diana Golze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706207100

(Beifall bei der LINKEN)


(Zuruf der Abg. Miriam Gruß [FDP])


(Beifall bei der LINKEN)


as ist leider die Mehrzahl der Kinder. Sie bekommen
mer noch kein Schulessen und auch nichts als Gut-

chein zusätzlich zum Regelsatz. Sie gehen also weiter
ungrig in den Unterricht. Es interessiert Sie auch gar
icht, ob die Leistung wirklich bei den Kindern an-
ommt oder nicht. Sie freuen sich eher noch – das
chreiben Sie auch: Die Kosten hängen davon ab, inwie-
eit die Angebote wirklich in Anspruch genommen und
ie Gutscheine eingelöst werden –, weil jedes nicht an-
ebotene Schulessen ein bisschen im Haushaltssäckel
part.

Aber es geht noch so weiter: Als Familienministerin
at Frau von der Leyen noch medienwirksam an einer
roß angelegten Vorlesekampagne teilgenommen. Wie
ber Familien, die von dem leben sollen, was Sie ihnen
tzt geben wollen, für 2,16 Euro im Monat ihrem Kind





Diana Golze


(A) )


)(B)

ein Buch kaufen sollen, bleibt mir als Mutter von zwei
Kindern schleierhaft. Ganze 6,07 Euro sind im Monat für
Windeln vorgesehen. Halten Sie dies wirklich für realis-
tisch? Davon bekommt man vielleicht, wenn man Glück
hat, eine Packung Billigwindeln. Aber ich habe mein
Kind öfter als nur eine Woche im Monat gewickelt.

Auch die Leistungen, die Sie in das sogenannte Bil-
dungspaket packen, werden das, was im ganz normalen
Leben zu finanzieren ist, nicht decken; denn auch hier
betreiben Sie Augenwischerei und schummeln die Zah-
len groß.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706207200

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Kober?


Diana Golze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706207300

Ja, gerne.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706207400

Bitte.


Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1706207500

Frau Kollegin Golze, würden Sie mir recht geben,

dass es ein ziemlich dichtes, flächendeckendes Netz an
öffentlichen kostenlosen Stadtbibliotheken in Deutsch-
land gibt, die auch von Menschen, die im Arbeitslosen-
geld-II-Bezug sind, zu nutzen sind?


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Diana Golze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706207600

Wissen Sie, Herr Kober, ich bin auch kommunalpoli-

tisch tätig; ich habe ein Mandat in einer Stadtverordne-
tenversammlung. Ich weiß sehr wohl, wie es um die fi-
nanzielle Situation der Kommunen bestellt ist, übrigens
auch aufgrund von Regierungshandeln in den letzten
Jahren.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Deswegen müssen sie für Arbeitslosengeld-IIEmpfänger nichts tun?)


Ich weiß also, wie viele Bibliotheken in den letzten Jah-
ren entweder geschlossen wurden oder nur noch ehren-
amtlich betrieben werden. Zum Teil mussten auch die
Gebühren angehoben werden. Insofern ist klar, dass von
2,16 Euro eine Bildungsbeteiligung dieser Kinder nicht
möglich ist.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Die Kommunen müssen sich um ihre Arbeitslosen nicht kümmern? Das ist interessant! Unglaublich!)


Zurück zum sogenannten Bildungspaket. Das Schul-
bedarfspaket – das ist schon gesagt worden – gibt es
schon seit mehr als einem Jahr; aber Sie feiern es jetzt,
als hätte es das vorher nicht gegeben. Ihr angeblich so
großes Bildungspaket verringert sich also weiter, und
zwar um 120 Millionen Euro. Das gilt umso mehr, weil

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(C (D eute der Presse zu entnehmen war, dass die Bezieher es Kinderzuschlags keinen Anspruch mehr auf dieses aket haben sollen. (Miriam Gruß [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)


as heißt, die Kinder von Geringverdienern werden he-
usgenommen; ihnen soll diese Leistung weggenom-
en werden. Das hat das Arbeitsministerium in der
resse bestätigt.


(Miriam Gruß [FDP]: Das wird klargestellt! Stimmt nicht!)


s wird also weiter geschummelt und von den Armen
och etwas weggenommen.

Ich kann lesen, dass Sie Kindern nun monatlich
0 Euro für Sport, Spiel, Kultur, Geselligkeit und außer-
chulische Bildung zur Verfügung stellen wollen. Eine
lle Sache! Davon könnte ich nicht einmal die Musik-

chule meiner Tochter bezahlen. Es ist gestern in der Ak-
ellen Stunde schon viel dazu gesagt worden: Flötenun-
rricht oder Reitunterricht


(Zuruf von der FDP: Segelunterricht!)


ann man wohl kaum mit 10 Euro monatlich bezahlen.

Auch im Sportbereich – wir waren gerade bei den
ommunen – sind die Vereinsbeiträge in den letzten Jah-
n angestiegen. Aber warum sollte sich ein Kind, das

ich nicht einmal gesundes Essen leisten kann, auch
och im Sportverein bewegen und soziales Miteinander
nd Fairness lernen! Das passt gar nicht zueinander. Sie
ollten den Experten, die dem Ministerium diese Rat-
chläge gegeben haben, einen Bildungsgutschein für
ealitätskunde geben. Das würde weiterhelfen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es müssen im Übrigen die gleichen realitätsfremden
erater gewesen sein, die Ihnen vorgeschlagen haben,
ass zukünftig Fallmanager oder Familienlotsen die Bil-
ungsberatung für fast 2 Millionen Kinder und Jugend-
che übernehmen sollen. Sie bauen eine Parallelstruktur
uf – neben den Ämtern, die das originär zu tun hätten,
ämlich die Jugendämter; denn Sie wissen, dass die Ju-
endämter auch aufgrund von Bundespolitik in den letz-
n Jahren Personal abbauen mussten; nun soll das das

obcenter erledigen – mit Personal, das dafür gar nicht
ualifiziert ist und diese Aufgabe im Übrigen auch gar
icht übernehmen will. Auch das spricht für Ihre Reali-
tsferne.

Unter dem Strich bleibt festzuhalten: Dieser Entwurf
at mit „kindgerecht“ nichts zu tun. Er erfüllt nicht den
uftrag des Bundesverfassungsgerichtes. Wir werden
eshalb weiter über diesen Gesetzentwurf streiten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) )


)(B)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706207700

Das Wort hat jetzt die Kollegin Britta Haßelmann von

Bündnis 90/Die Grünen.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706207800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ei-

nige der Beiträge von CDU/CSU und FDP zeigen ganz
deutlich, dass die Wortwahl von Diana Golze – sie hat
von Realitätsferne gesprochen – absolut zutreffend ist.

Herr Kober, ich habe gerade nachgesehen: Sie kom-
men aus Reutlingen. Vielleicht gibt es in Reutlingen eine
Stadtbibliothek, die noch kostenfrei ist. Ich habe mir ge-
rade sagen lassen: Selbst in Baden-Württemberg ist es
nicht so. Mein Gott, wo leben Sie denn?


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Wo leben Sie denn, Frau Haßelmann?)


In den meisten Städten und Gemeinden geht es darum:
Können wir Stadtteilbibliotheken überhaupt noch offen
halten, oder müssen wir die Beiträge erhöhen, um nicht
alle schließen zu müssen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Ich finde, Ihre Äußerungen sind nur eine Bestätigung da-
für, wie die Lebenswirklichkeit von Ihnen eigentlich
wahrgenommen wird.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Die Städte können für die Arbeitslosen auch was tun!)


Ich sage Ihnen eines ganz deutlich: Sie werden bei al-
ler Statistik, bei allen Zahlen, mit denen Sie hier aufwar-
ten, nicht darum herumkommen, zur Kenntnis zu neh-
men, dass es in der Bevölkerung – in den Kreisen, in
denen Menschen Armut erleben oder mit Menschen kon-
frontiert sind, die in Armut leben oder in Armut zu fallen
drohen – als absolutes Gerechtigkeitsproblem empfun-
den wird, dass Sie hier eine Erhöhung des Arbeits-
losengeldes II um 5 Euro vorschlagen. Schauen Sie sich
doch einmal die Welt draußen an! Verfolgen Sie die De-
batten in Kirche und Gesellschaft! Schauen Sie, was da
los ist! Kein Mensch versteht, dass ausgerechnet wir
kluge Ratschläge bei der Frage geben, was in einen Re-
gelsatz gehört und was nicht. Darüber sollten Sie we-
nigstens einen Moment lang nachdenken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Beim Bildungspaket steht die Antwort auf die große
Frage aus – da kneifen die Ministerin und auch Sie –:
Gibt es hier einen individuellen Rechtsanspruch eines je-
den Kindes, ja oder nein? Ich sende einen schönen Gruß
an die Haushälter: Wenn ein individueller Rechtsan-
spruch besteht, dann müssen Sie auf die 620 Millionen
Euro kräftig etwas drauflegen, dann werden Sie mit ei-
ner Deckelung bei 620 Millionen Euro nicht hinkom-
men.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


ie Antwort auf die große Frage bleibt offen; Sie haben
ie nicht beantwortet.

Es wurde vieles zu den Regelsätzen gesagt. Ich
omme jetzt zu den Kosten der Unterkunft. Wir haben
ie Sparbeschlüsse; wir haben den Referentenentwurf,
er natürlich auch auf das Thema der Kosten der Unter-
unft eingeht. Seit Januar, als es die schwarz-gelbe Bun-
esratsinitiative gegeben hat, endlich die Angemessen-
eit der Unterkunftskosten zu überprüfen und den
undesanteil neu zu berechnen und zu erhöhen, hampeln
ir an der Frage der Kosten der Unterkunft herum.
nd was machen Sie jetzt? Jetzt frieren Sie den Bundes-

nteil der Kosten der Unterkunft ein. Das heißt in Rich-
ng der Länder und der Städte und Gemeinden: Es wird

ichts mit einer Erhöhung, der Bundesanteil wird einge-
oren.


(Zuruf von der FDP: Wo ist da etwas eingefroren, Frau Kollegin?)


ie ziehen das Vermittlungsverfahren immer weiter hi-
aus und kommen jetzt im Referentenentwurf auf die
ee, den Bundesanteil schon einmal einzufrieren und

en Kommunen mehr Rechte zu geben. Die dürfen dem-
ächst per kommunaler Satzung entscheiden, was „An-
emessenheit der Unterkunftskosten“ bedeutet. Wissen
ie eigentlich, was das für die Städte und Gemeinden be-
eutet? 400 Landkreise und kreisfreie Städte entscheiden
emnächst darüber, was angemessen ist, weil Sie das
icht zustande bringen.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Nein, weil es deren Aufgabe ist!)


as fördert doch die Klagen, meine Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


3,4 Milliarden Euro – darauf lassen Sie es beruhen.
ie gehen auch nicht daran, dass Baden-Württemberg
nd Rheinland-Pfalz eine andere Zuweisung bekommen
ls die 14 anderen Länder. Ich habe mehrfach Anfragen
estellt, warum das eigentlich so ist. Das kann mir nie-
and erklären. Das sei damals im Bundesrat so ausge-

andelt worden, heißt es. Ausgerechnet diese beiden
änder bekommen ein paar Prozentpunkte mehr. Wenn
an fragt, wo die sachliche Grundlage dafür ist, erhält
an keine Erklärung.

Anstatt die Unterkunftskosten den tatsächlichen Kos-
n entsprechend zu finanzieren und den Bundesanteil

ndlich zu erhöhen – so wie das nicht nur die Grünen,
ondern auch die Städte und Gemeinden und der Bun-
esrat fordern –, drücken Sie sich weg, frieren Ihren An-
il ein, ziehen das Vermittlungsverfahren in die Länge
nd kommunalisieren jetzt noch durch die Satzungen.
as das für Auswirkungen auf die Betroffenen und auf

ie Debatten vor Ort hat, darauf können wir sehr ge-
pannt sein.





Britta Haßelmann


(A) )


)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706207900

Das Wort hat der Kollege Paul Lehrieder von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1706208000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Nach den lebhaften Ausführungen der Kolle-
gin Haßelmann und auch der Vorredner von der SPD
muss man sich schon fragen, über was wir heute eigent-
lich diskutieren. Wir diskutieren über ein Urteil des Bun-
desverfassungsgerichts, das eine bis zum 9. Februar von
diesem Hause durchaus mitgetragene Regelung hinsicht-
lich der Berechnung der Langzeitarbeitslosenbedarfs-
sätze für verfassungswidrig erachtet hat. Um einer kol-
lektiven Amnesie gerade der Gruppe in der Mitte dieses
Raumes vorzubeugen, muss man mitteilen, wer Vater
und wer Mutter des entsprechenden Gesetzes war. Das
war Rot-Grün!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Gut, wir waren Taufpaten; wir haben mitgemacht.


(Zurufe von der SPD: Aha!)


– Damit habe ich kein Problem. Wissen Sie: Politik be-
ginnt mit der Betrachtung der Realität. – Wie gesagt: Die
SPD hat es damals auf den Weg gebracht. Daher würde
es Ihnen im Interesse der Betroffenen gut anstehen, den
heute Zuhörenden zu sagen: Wir arbeiten konstruktiv
mit.


(Zuruf von der SPD: Wir haben doch die Hand gereicht!)


Insofern sind Sie nämlich als Väter und Mütter dieses
Gesetzes weiterhin in der Verantwortung, Hartz IV als
lernendes System weiterzuentwickeln. Ich appelliere an
Sie als ehemaligen Koalitionspartner, anders als die Kol-
legin Kipping, die Sie aufhetzt und auffordert, im Bun-
desrat nicht zuzustimmen: Wenn ihr in der SPD noch ein
bisschen Vernunft habt, dann stimmt im Bundesrat zu
und hetzt eure Länder nicht auf!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Unser Problem ist, dass Teile dieses Hauses das Urteil
im letzten halben Jahr schlicht missinterpretiert und der
Bevölkerung vorgegaukelt haben, im Urteil stünde etwas
anderes, als tatsächlich drinsteht. Damit wurde natürlich
die Erwartung erweckt: Hartz IV muss steigen. Im Urteil
steht aber – mit Ihrer geschätzten Erlaubnis, Herr Präsi-
dent, möchte ich im O-Ton aus dem Urteil zitieren –:

Für den Betrag der Regelleistung von 345 Euro
nach § 20 Abs. 2 1. Halbsatz SGB II a.F. kann eine
evidente Unterschreitung nicht festgestellt werden,
weil die Regelleistung zur Sicherung der physi-
schen Seite des Existenzminimums zumindest aus-
reicht …

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(C (D as hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, und das uss man unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern einch einmal sagen. Es kann ebenfalls nicht festgestellt werden, dass der für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres einheitlich damals – geltende Betrag von 207 Euro zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums offensichtlich unzureichend ist. as steht – für die Kolleginnen und Kollegen, die es achlesen wollen – auf Seite 27 des Urteils. Auf eite 38, also kurz vor dem Schluss des Urteils, bestätigt as Bundesverfassungsgericht diese Feststellung aberals: Da nicht festgestellt werden kann, dass die gesetzlich festgesetzten Regelleistungsbeträge evident unzureichend sind, ist der Gesetzgeber nicht unmittelbar von Verfassungs wegen verpflichtet, höhere Leistungen festzusetzen. egenteiliges haben Sie der Bevölkerung in vielen Beichen glauben machen wollen. Ich habe natürlich erwartet, Frau Kollegin Krügereißner, dass Sie sagen, dass Sie den Verdacht haben, ass auch das Gesetz in neuer Form nicht verfassungsonform ist. Mit verfassungswidrigen Gesetzen haben ie in den letzten Jahren genauso viel Erfahrung machen ürfen wie wir auch. Natürlich musste auch das Arguent Mindestlohn kommen. (Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Das ist ja richtig!)


h möchte abermals mit der Mär aufräumen, dass der
on Ihnen geforderte Mindestlohn – Ihre Forderungen
ind von 7,50 Euro schon auf 8,50 Euro gestiegen, an-
ere verlangen 10 Euro; all das ist bekannt – geeignet ist,
eispielsweise eine vierköpfige Familie aus dem Trans-
rbezug herauszuholen. Sie bräuchten einen Mindest-
hn in der Größenordnung von 11,80 Euro, wenn Sie
tsächlich eine Familie davon ernähren wollten. Auch
as muss man den Menschen sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zumindest die Alleinstehenden und die Zweipersonenhaushalte wären draußen)


Exemplarisch ist eine Aussage meines Lieblingslin-
en Klaus Ernst – heute ist er nicht da, ich habe ihn in
er Debatte vermisst –, des berühmtesten Aufstockers
er Republik:

Wenn der Regelsatz bei rund 370 Euro liegen soll,
dann wird das Prinzip Armut per Gesetz fortge-
schrieben.


(Diana Golze [DIE LINKE]: Ihre Parteivorsitzende ist auch nicht hier!)






Paul Lehrieder


(A) )


)(B)

– Ich habe ihn doch nur als Nachbarn aus Schweinfurt
vermisst. Ich bitte um Verständnis. Wir verstehen uns so
gut.

Die Tatsachen sind: Der Sozialhilfeempfänger des
Jahres 2004 bekam einen monatlichen Regelsatz von
rund 260 Euro. Heute erhält ein Alleinstehender nach
SGB II einen monatlichen Regelsatz von 359 Euro bzw.
in Zukunft, nach dem neuen Gesetz, von 364 Euro. Man
muss aber auch sagen, dass dazu noch die Wohnkosten
kommen.

Frau Kollegin Haßelmann hat darauf hingewiesen,
dass die Höhe der Zuschüsse in Zukunft, den regionalen
Gegebenheiten entsprechend, von den Kommunen fest-
gesetzt werden kann. Ich bitte um Verständnis, dass wir
die Kommunen ins Boot holen; denn sie müssen einen
Teil der Chose mitbezahlen. Es ist doch nur legitim, dass
der Landrat bzw. der Oberbürgermeister bei der Festset-
zung der Wohn- bzw. Mietkosten mitreden darf. Das ist
unser Respekt vor der kommunalen Selbstverwaltung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])


– Stellen Sie eine Frage, dann dauert es bei mir noch ein
wenig länger, Herr Kollege Kolb.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


359 bzw. 364 Euro je Grundbedarf plus die Wohnkos-
ten von derzeit rund 300 Euro, dann kommen noch Heiz-
kosten, Sozialversicherung – ungefähr 165 Euro – hinzu.
All dies zusammen muss jemand, der als Single selbst-
ständig bzw. berufstätig ist, erst einmal erwirtschaften,
bevor ich sagen kann: Er ist genauso gestellt wie ein
Hartz-IV-Empfänger.


(Christel Humme [SPD]: Grenzen Sie doch nicht Geringverdiener gegen Arbeitslose aus!)


Herr Kollege Schaaf hat eine Zwischenfrage. Ich
wäre bereit, sie zuzulassen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706208100

Das Wort erteile ich.


Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1706208200

Das weiß ich.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706208300

Aber Sie genehmigen das.


Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1706208400

In vorauseilendem Gehorsam, selbstverständlich,

Herr Präsident.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706208500

Herr Schaaf, zu Ihrer Zwischenfrage, bitte.


Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1706208600

Ich will nicht über die Urheberschaft mit Ihnen strei-

ten, aber eines ist völlig klar: Ich habe aus der Union und
auch aus der FDP keine Proteste gehört, was die Berech-

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(C (D ungsgrundlage angeht, als wir damals das SGB II so rmuliert haben, wie es jetzt ist. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist doch auch okay!)


s gab keinen Widerstand im Bundesrat, was die Frage
er Berechnungsgrundlage angeht. Es gab aber massiven
iderstand bei Union und FDP, was die Höhe angeht,

nd zwar dahin gehend, dass gesagt worden ist, dass das,
as von Rot-Grün gemacht wurde, viel zu hoch ange-

etzt ist. Das zur Klarstellung, bevor ich meine Frage
telle.

Herr Lehrieder, sind Sie mit mir nicht auch der Mei-
ung – vor dem Hintergrund, wie dieses Urteil aus-
estaltet ist, es geht nämlich ausschließlich darum, das
oziokulturelle bzw. das übliche Existenzminimum fest-
ulegen –, dass das Lohnabstandsgebot schlichtweg
ulverisiert worden ist? Sie argumentieren immer, dass
ie Hartz-IV-Empfänger nicht zu viel bekommen dürfen,
eil die unteren Lohngruppen nicht so viel bekommen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ist das eine Frage?)


as wollen Sie einfach nicht anerkennen. Das ist genau
er Haken an Ihrer Argumentation.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1706208700

Lieber Herr Kollege Schaaf, zu dieser Auffassung

önnen auch nur Sie und einige wenige andere in diesem
aus gelangen. Der Punkt ist: Im Urteil steht genau, dass
ie wirtschaftliche Absicherung, aber natürlich auch die
ugangsteilhabe gewährt werden. Das ergibt sich aus
rt. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes, der Garantie der Men-

chenwürde, und dem Sozialstaatsprinzip. Genau das hat
as Urteil umgesetzt. Es hat nicht vorgeschrieben, in
elcher Form oder in welcher Höhe. Es wurde lediglich

ngemahnt: Rechnet sauber und transparent, macht es
chlüssig und nachvollziehbar! Es hat der Koppelung an
ie Renten widersprochen, und auch die Pauschalierung,
ie jetzt von manchen aus völlig unverständlichen Grün-
en wieder gefordert wird, wurde abgelehnt. Es wurde
ben nicht vorgeschrieben: Orientiert euch an irgendwel-
hen Löhnen! Herr Kollege Schaaf, Sie sind Praktiker
nd lang genug im Geschäft, um zu wissen, dass die Be-
itschaft, eine sozialversicherungspflichtige Beschäfti-

ung anzunehmen, 40 Stunden die Woche zur Arbeit zu
ehen und jeden Morgen um halb acht aufzustehen,
icht steigt, wenn die Sozialleistungen höher sind als die
öhne.


(Elke Ferner [SPD]: Vielleicht sind die Löhne zu niedrig!)


ie müssen mir den Menschen zeigen, der die Sozialleis-
ngen unter diesen Umständen nicht in Anspruch

immt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Eine aktuelle Emnid-Umfrage ergibt, dass der über-
iegende Teil unserer Bevölkerung eine Erhöhung der
artz-IV-Sätze nicht versteht. 56 Prozent sind das,





Paul Lehrieder


(A) )


)(B)

glaube ich. 42 Prozent halten die Regelsätze für ausrei-
chend. Lediglich 36 Prozent halten einen Zuschlag für
erforderlich. Bei unserer Arbeit richten wir uns natürlich
nicht nach Umfragen,


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach Lobbyverbänden richten Sie sich!)


sondern danach, was die Menschen brauchen, und da-
nach, was uns das Verfassungsgericht aufgegeben hat.
Gleichwohl haben wir diese 5 Euro hinzugerechnet.

Im Übrigen hätte diese Neuberechnung – es wurde
bereits darauf hingewiesen – eigentlich zu einer gering-
fügigen Senkung der Regelsätze für Kinder und Ju-
gendliche geführt. Das haben wir selbstverständlich
nicht gemacht; denn wir wollen die Kinder und die Ju-
gendlichen in unserer Gesellschaft stärker unterstützen.
Dementsprechend haben wir diese Sätze so belassen.


(Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Aus Gründen des Vertrauensschutzes haben wir diese
Leistungen – –


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706208800

Sie fordern die Zwischenfragen ja geradezu heraus,

Herr Kollege Lehrieder.


(Heiterkeit)



Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1706208900

Ich habe mich schon gewundert, Herr Kollege

Birkwald.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben bis morgen Abend Zeit!)


– Wenn Sie so lange dableiben, Frau Künast.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706209000

Das ist aber die letzte Zwischenfrage, die ich während

Ihrer Rede zulasse, Herr Lehrieder. – Bitte schön.


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706209100

Herr Kollege Lehrieder, Sie erwecken gerade den

Eindruck, dass Sie für die Bildungschancen von Kindern
alles tun wollen. Erklären Sie mir doch bitte einmal, wa-
rum den Kindern, die wegen des geringen Einkommens
der Eltern einen Kinderzuschlag von bis zu 140 Euro er-
halten, nach einem Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers
von heute 100 Euro gestrichen werden sollen.


(Miriam Gruß [FDP]: Informieren Sie sich aktuell über die Fakten!)


Das Bundesarbeitsministerium hat diese Kürzung einge-
räumt.


(Miriam Gruß [FDP]: Das ist dementiert worden!)


Meinen Sie nicht auch, dass man, wenn man so etwas
hört oder liest, zu der Ansicht kommen kann, dass das,

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(C (D as Sie hier erzählen, nicht ernst gemeint ist und es Ihen in Wirklichkeit nicht darum geht, allen Kindern aus rmeren Familien entsprechende Bildungschancen zuommen zu lassen? Herr Birkwald, ich danke sehr herzlich für die Frage, ibt sie mir doch die Möglichkeit, das großzügige Angeot der Bundesregierung aus der Ausschusssitzung hier och einmal zu wiederholen. Kollege Brauksiepe hat aneboten, für Nachfragen und Erklärungen gerne in die rbeitsgruppen zu kommen. Er kommt sicherlich auch u den Linken. Der SPD hat er es expressis verbis angeoten. Tatsache ist, dass die Bildungsmöglichkeiten als tzte Möglichkeit verrechnet werden. Das heißt, unächst wird bei den Aufstockern der Bedarfssatz errechnet. In gleicher Weise verhält es sich bei den Kinerzuschlägen. Das heißt, jedes Kind, das kinderzuchlagsberechtigt ist – so sind die Informationen, die uns as Ministerium gegeben hat –, ist auch kinderbedarfsaketberechtigt. Das ist die Leistung, die bei einem Anachsen der eigenen Leistungsfähigkeit als letzte wegllen würde. Sie können sich gerne noch einmal beim inisterium kundig machen. Es wäre gut, wenn die ver inigte Linke in diesem Hause etwas mehr auf das inisterium als auf den Kölner Stadt-Anzeiger hören ürde. Bei allem Respekt vor dem Journalisten, aber ier gibt es die Informationen und nicht im Kölner Stadtnzeiger. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist doch zugegeben worden!)

Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1706209200

Meine Damen und Herren, jeder Empfänger von
artz-IV-Leistungen hätte sich grundsätzlich über hö-
ere Regelleistungen gefreut. Das ist kein Thema. Aber
er Staat muss sich nicht nur ihnen gegenüber rechtferti-
en, sondern auch gegenüber den Menschen mit niedri-
em Einkommen. Darauf habe ich bereits hingewiesen.

Im Übrigen halte ich das Kinderbedarfspaket für
ine reelle Chance. Einige Kollegen von der SPD haben
oniert, dass viele Schulen noch kein warmes Mittages-

en anbieten. Versetzen Sie sich einmal in die Lage eines
chulaufwandsträgers. Wenn er weiß, dass seine Klien-
l ein warmes Mittagessen nachfragt, dann wird er ein

ntsprechendes Angebot schaffen. Ich bin der Auffas-
ung: mens sana in corpore sano. Es ist richtig, über ein
armes Mittagessen, über die Beteiligung in Sportverei-
en und Musikvereinen – ich selbst bin in einem Musik-
erband organisiert – die Möglichkeiten der Kinder zur
eilhabe an Bildung und Gesellschaft zu verbessern. Das
n wir mit diesem Gesetz. Es ist ein gutes Gesetz. Jeder,

er es mit den Langzeitarbeitslosen ernst meint, insbe-
ondere die SPD und die Linke, müsste diesem Gesetz
ustimmen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Um Gottes willen!)







(A) )


)(B)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706209300

Das Wort hat jetzt die Kollegin Christel Humme von

der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Christel Humme (SPD):
Rede ID: ID1706209400

Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!

Ich habe jetzt über eine Stunde zugehört, wie Sie ver-
zweifelt versucht haben, die intransparenten Regelsätze
zu verteidigen.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Zum ersten Mal sind sie transparent!)


Ich kann nicht sagen, dass sie für mich transparenter ge-
worden sind, im Gegenteil. Strategien und Wege aus der
Armut habe ich von den Rednern der Regierungskoali-
tion überhaupt nicht gehört.


(Beifall bei der SPD)


Gestern in der Aktuellen Stunde


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wurde viel Gutes gesagt!)


habe ich das wahre Gesicht von Frau von der Leyen ken-
nengelernt. Das war ein anderes Gesicht als in den letz-
ten Jahren. Vergessen sind ihre Zeiten als Familienmi-
nisterin. Damals – muss man sich erinnern – war es mit
uns, also mit der SPD, im Rücken für sie sehr leicht, die
Kämpferin für die Familie herauszukehren. Damals ha-
ben wir gemeinsam Wege aus der Armut beschritten.
Wir haben mit dem Kinderzuschlag 300 000 Kinder aus
der Armut geholt. Wir haben mit einem bedarfsgerech-
ten Ausbau bei der Kinderbetreuung die Bildungsbeteili-
gung für die Kinder verbessert. Mit unserem Mindest-
elterngeld haben wir auch arbeitslose Eltern mit 300 Euro
unterstützt. Schon damals war es der richtige Weg, zwei
Dinge zu tun, nämlich finanzielle Unterstützung zu ge-
währen und Bildungsinfrastruktur auszubauen. Das
sind die wahren Strategien, um Armut zu bekämpfen.


(Beifall bei der SPD)


Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich frage mich,
was aus der Ministerin heute geworden ist, ohne die SPD
im Rücken, aber mit Herrn Westerwelle und Herrn
Seehofer im Nacken, so muss man ja schon sagen. Wäh-
rend wir hier locker über die Agenda 5 Euro – so stand es
heute in der Zeitung – diskutieren, schafft sie nämlich
gleichzeitig ganz unsoziale Fakten. Sie nimmt den Ärms-
ten der Armen die 300 Euro Elterngeld wieder weg. Sie
kürzt die Altersversorgung, weil sie Beiträge in die Ren-
tenversicherung nicht mehr zahlt. Ferner streicht sie – es
stand heute in der Zeitung; wir haben es gerade noch ein-
mal gehört – den Kindern mit Kinderzuschlag die
100 Euro für das Schulbedarfspaket. Damit verhöhnen
Sie genau die Menschen, die unverschuldet in Arbeitslo-
sigkeit geraten; denn Elternarmut, Kinderarmut und vor
allem Altersarmut sind mit Ihrer unsozialen Politik vor-
programmiert.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Mit unserem Antrag, den wir heute diskutieren, zeien wir ein schlüssiges Konzept zur Bekämpfung der rmut auf. Ich möchte auf drei Vorschläge eingehen. Für ehr reicht meine Zeit nicht; ich habe nur sechs Minun. Das erste Ziel ist für uns natürlich, die Spirale der Arut zu durchbrechen. Über 1,3 Millionen Menschen in eutschland – wir haben es heute an verschiedenen Steln schon gehört – arbeiten, doch sie können von ihrem inkommen nicht leben und brauchen zusätzliche Untertützung. Wie einfach wäre es, mit einem Mindestlohn iese Spirale der Armut zu durchbrechen? Das wäre der chtige Weg. Höhere Zuverdienstgrenzen à la Westerwelle agegen sind ein Dammbruch für die Ausweitung des iedriglohnsektors. Herr Lehrieder, kommen Sie und die nderen mir nicht mit dem Argument, Mindestlöhne würen Arbeitsplätze vernichten. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Arbeitsplätze vernichten, ja!)


chauen Sie sich die Statistiken einmal genau an. In den
ändern, in denen es Mindestlöhne gibt, zum Beispiel in
roßbritannien, liegt die Arbeitslosigkeit der Gering-
ualifizierten bei 4,8 Prozent. In Deutschland beträgt sie
0 Prozent. Das ist der Skandal, und das ist die Wahr-
eit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Punkt zwei, den ich erwähnen möchte, ist folgender:
ute existenzsichernde Löhne sind das eine, aber

chnelle Integration in den Arbeitsmarkt ist das andere.
as war die Antwort von Frau von der Leyen gestern in

er Aktuellen Stunde? Sie hat vehement vertreten, wir
üssen dafür kämpfen, dass der SGB-II-Bezug so kurz
ie möglich ausfällt. Natürlich, Menschen schnell in Ar-
eit zu bringen, ist unser oberstes Ziel. Aber was tun
ie? Es ist ja bei dieser Ministerin immer das Gleiche
ewesen: Zwischen dem Tun und dem Sagen liegt das
eer. Sie kürzt nämlich gleichzeitig die aktiven Ar-

eitsmarktmittel um 16 Milliarden Euro in den nächs-
n 4 Jahren. Was das mit Armutsbekämpfung zutun hat,
t mir schleierhaft.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Last, but not least – wir haben heute schon öfter da-
ber diskutiert – verweist Frau von der Leyen stolz auf

as Bildungspaketchen, auf das neue Bildungspaket. Da-
it bin ich bei dem dritten und wichtigsten Punkt, dem
ern des Themas einer nachhaltigen Armutsbekämp-
ng. Echte Bildungsbeteiligung lässt sich nur mit gu-
n Kitas und Ganztagsschulen vor Ort organisieren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


aher fordern wir Sozialdemokratinnen und Sozialde-
okraten einen Rechtsanspruch auf Bildung, und zwar
r alle Kinder. Das ist der richtige Weg aus der Armut.
h fordere Sie auf: Starten Sie zusammen mit Ihrer Kol-
gin Schavan – sie ist auch nicht mehr da; aber das ist

gal – eine nationale Bildungsoffensive, in der Bund,
änder und Kommunen an einem Strang ziehen.





Christel Humme


(A) )


)(B)


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie nicht wieder kostbare Zeit – wie in den letz-
ten acht Monaten – ungenutzt verstreichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben das Euro-
päische Jahr 2010 gegen Armut und soziale Ausgren-
zung. Was macht Frau Schröder als zuständige Ministerin
für Familie und Jugend? Sie ist anscheinend abgetaucht;
sie ist auch gerade nicht anwesend. Es gibt hier wohl keine
Ministerin, die sich für Strategien, aus der Armut zu kom-
men, interessiert. Ich sage dieser Ministerin – das ist wei-
terhin ein Auftrag; es geht nicht nur um Infrastruktur –:
Schaffen Sie das unsinnige Betreuungsgeld ab.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Worin besteht die Bildungsbeteiligung, wenn man Eltern
eine Prämie dafür zahlt, dass ihre Kinder von der Bil-
dung ferngehalten werden? Nehmen Sie die 1,5 Milliar-
den Euro und bauen Sie Kitas und Ganztagsschulen aus.


(Zuruf von der CDU/CSU: Legen Sie einmal Ihre Rede auf Wiedervorlage!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706209500

Frau Kollegin Humme, kommen Sie bitte zum

Schluss.


Christel Humme (SPD):
Rede ID: ID1706209600

Wir reden hier über unseren Antrag. Dass Sie ihn

nicht gelesen haben, habe ich in der Debatte vorhin ganz
genau gemerkt.


(Beifall bei der SPD)


Wir haben in unserem Antrag deutlich gemacht, wie Ar-
mutsbekämpfung aussehen muss. Lobbypolitik für Hote-
liers und Atomindustrie werden Sie dort genauso wenig
finden wie Haushaltssanierung auf Kosten der Schwächs-
ten in unserer Gesellschaft. Sie betreiben eine unsoziale
Politik, die die soziale Ausgrenzung und Spaltung in der
Gesellschaft verstärkt.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706209700

Das Wort hat die Kollegin Miriam Gruß von der FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Miriam Gruß (FDP):
Rede ID: ID1706209800

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Ich nenne drei gute Nachrichten von
dieser schwarz-gelben Bundesregierung: Erstens. Die
Wirtschaft boomt. Wir sind damit international spitze.
Zweitens. Die beste Nachricht kommt heute aus Nürn-
berg. Die Arbeitslosenquote ist weiter gesunken. Die
Zahl der Arbeitslosen liegt bei 3,3 Millionen. Ich erin-
nere: Während Rot-Grün lag sie bei 5 Millionen. Drit-
tens. Diese schwarz-gelbe Bundesregierung investiert in
einem Maß, wie es zuvor nicht der Fall war, in Bildung.

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(C (D it 12 Milliarden Euro sind wir auch hier spitze und orreiter. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Damit kann ich Ihnen ganz gelassen gegenüberstehen,
enn Sie uns vorwerfen, wir würden nichts für die Bil-
ungschancen der Kinder tun. Fehlanzeige! Was haben
ie denn getan? Sie haben null Komma null an Bildung
edacht, als Sie das rot-grüne Hartz-IV-Konzept aufge-
gt haben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ir investieren zum ersten Mal direkt in die Bildung
on Kindern, in die Teilhabechancen von Kindern, und
war durch unser Bildungspaket, das ich von Ihnen nicht
ls „Bildungspäckchen“ verunglimpfen lassen möchte.
enn, wie gesagt, bei Ihnen war null Komma null in der
asche.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Sie wissen, dass das nicht stimmt!)


ir investieren in die Ermöglichung von Lernförderung.
ir investieren in ein warmes Mittagessen. Wir investie-
n in Teilhabe beispielsweise durch Sportvereine. Dabei

enkt hier keiner an Reitunterricht oder sonst etwas;
uch ein Fußballverein bietet eine Teilhabechance. Da
vestieren wir.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706209900

Frau Kollegin Gruß, erlauben Sie eine Zwischenfrage

es Kollegen Birkwald von den Linken?


Miriam Gruß (FDP):
Rede ID: ID1706210000

Ja.


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706210100

Frau Kollegin Gruß, Sie haben sich eben dagegen ver-

ahrt, dass das Bildungspaket „Bildungspäckchen“ ge-
annt wird. Sie verweisen immer auf die 620 Millionen
uro. Wenn ich jetzt die 620 Millionen Euro nehme und
urch 1,7 Millionen arme Kinder teile, komme ich auf
en Wert von 1 Euro am Tag. Können Sie nachvollzie-
en, dass man angesichts dieser Größenordnung sehr
ohl von einem „Bildungspäckchen“ sprechen kann?


Miriam Gruß (FDP):
Rede ID: ID1706210200

Nein, das kann ich nicht nachvollziehen. Denn vorher

das habe ich gerade eben gesagt – gab es null Komma
ull für Bildung oder Teilhabe. Deswegen lasse ich die-
en Vorwurf an dieser Stelle nicht gelten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


och einmal: Wir nehmen doch keine Zahlen aus Wol-
enkuckucksheim, sondern wir nehmen die Zahlen, die
on Familien aufgeschrieben worden sind. Wir nehmen





Miriam Gruß


(A) )


)(B)

die Zahlen von Familien, die Kinder haben und die wol-
len, dass ihre Kinder in Sportvereine gehen.


(Diana Golze [DIE LINKE]: Dann legen Sie uns die Zahlen doch einmal vor!)


Diese Zahlen haben wir angeschaut und ausgewertet; sie
stehen jetzt zur Verfügung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706210300

Frau Kollegin Gruß, erlauben Sie eine weitere Zwi-

schenfrage der Kollegin Mast?


Miriam Gruß (FDP):
Rede ID: ID1706210400

Bitte schön.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706210500

Bitte schön. Das ist aber die letzte Zwischenfrage, die

ich jetzt zulasse.


Miriam Gruß (FDP):
Rede ID: ID1706210600

Ja, aber ich bin ja gnädig.


Katja Mast (SPD):
Rede ID: ID1706210700

Mit Gnädigkeit hat das nichts zu tun, Frau Kollegin

Gruß, wenn wir hier parlamentarische Gepflogenheiten
wahren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Frau Kollegin Gruß, können Sie mir bestätigen, dass
in der Großen Koalition ein Schulbedarfspaket nur für
Schulmittelbedarf von 100 Euro eingeführt worden ist
und Sie jetzt einen Bedarf für Mittagessen, Nachhilfe,
kulturelle Teilhabe und Vereinsteilhabe von 120 Euro
pro Jahr definieren? Finden Sie das verhältnismäßig und
angemessen: 100 Euro für Schulbedarf und 120 Euro für
kulturelle und soziale Teilhabe und warmes Mittages-
sen?


(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Die kommen doch zu den 100 Euro noch dazu, Frau Mast!)


Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das davon be-
zahlen kann.


(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Zusammen schon! Das kommt doch noch dazu!)


Dazu hätte ich gerne Ihre Meinung gehört.


(Beifall des Abg. Anton Schaaf [SPD])



Miriam Gruß (FDP):
Rede ID: ID1706210800

Ich stelle eine Frage zurück: Was haben denn Sie in

Ihrem Hartz-IV-Gesetz berücksichtigt? Wo war denn das
Geld, das Sie für Bildung und Teilhabe zur Verfügung
gestellt haben?


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Genau! Nichts haben die gemacht! Das kannst du vergessen! – D e b s m U m n fa li d A b re re M S S In d tr b ß m u e ih U s B n w w w d s (C (D Oliver Kaczmarek [SPD]: Das ist keine Antwort, Frau Gruß! Das ist Arroganz!)


as Schulstarterpaket, sehr geehrte Frau Kollegin, gibt
s seit gut einem Jahr. Es wurde nicht auf den Weg ge-
racht, als Rot-Grün die Hartz-IV-Gesetze gemacht hat,
ondern unter Schwarz-Rot; aber es gibt es zugegebener-
aßen erst seit etwa einem Jahr.


(Oliver Kaczmarek [SPD]: Kennen Sie das Ganztagsschulprogramm?)


nsere Anstrengungen für Bildung und Teilhabe kom-
en nun hinzu. Ich sage nochmals: Wir definieren gar

ichts, sondern wir setzen das um, was das Bundesver-
ssungsgericht gefordert hat.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Silvia Schmidt [Eisleben] [SPD]: Das ist arrogant!)


Wir investieren in Bildung und nehmen dafür ordent-
ch Geld in die Hand. Natürlich ist wünschenswert, dass
ie Möglichkeiten in diesem Bereich ausgebaut werden.
ber, meine Damen und Herren, wir alle sind in einem
estimmten Bundesland zu Hause, und auch dort wird
giert. Deswegen appelliere ich an Berlin und die ande-
n Länder, zum Beispiel an NRW, wo Rot-Grün regiert:
achen Sie in der Bildungspolitik Ihre Hausaufgaben!


(Sebastian Blumenthal [FDP]: Schulden machen die! Sonst nichts!)


chaffen Sie doch noch mehr Ganztagsschulen! Sorgen
ie für noch mehr Bildungschancen und Teilhabe!


(Beifall bei der FDP)


den Ländern, in denen Sie regieren, häufen Sie aller-
ings nur noch mehr Schulden an. Die Kinderarmut ist
otzdem erheblich gestiegen, siehe Berlin.


(Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])


Meine Damen und Herren, in anderen Bundesländern,
eispielsweise in Bayern, ist die Situation verhältnismä-
ig gut. Warum? Ich sagte es ganz am Anfang: weil dort
assiv in Arbeit und Wirtschaft investiert wird,


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Genau! Weil CSU und FDP regieren!)


m dafür zu sorgen, dass die Familien eigenständig sind,
in selbstständiges Einkommen haben und die Zukunft
rer Kinder sichern können.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Richtig! Ja!)


m diejenigen, die ihre Zukunft nicht aus eigener Kraft
ichern können, zu unterstützen, haben wir das Thema
ildung ganz explizit in die existenzfördernden Maß-
ahmen aufgenommen. Deswegen kann ich Ihre Vor-
ürfe an dieser Stelle nicht nachvollziehen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Meine Damen und Herren, ich will Ihnen erklären,
as im Sommer dieses Jahres den Medien zu entnehmen
ar. Natürlich können wir uns vorstellen, dass die Bil-
ungskarte, die als Vehikel bezeichnet wurde und auch
o verstanden werden kann, ausgeweitet wird. Ich kann





Miriam Gruß


(A) )


)(B)

mir auch sehr gut vorstellen, dass sich gerade die Fami-
lien, deren Einkünfte nur knapp über Hartz-IV-Niveau
liegen, denken: Warum sind wir die Gekniffenen?


(Sebastian Blumenthal [FDP]: So ist es!)


Auch diese Familien sollen die Chance haben, ihren
Kindern Bildung und Teilhabe zu ermöglichen. Die so-
genannte Bildungskarte kann Bildung und Teilhabe ge-
währleisten. Andere Länder, einzelne Kommunen und
Bundesländer machen uns das bereits vor. Das ist der
Hintergrund dieser Diskussion. Zum 1. Januar nächsten
Jahres setzen wir das Bundesverfassungsgerichtsurteil
um, können uns allerdings sehr gut vorstellen, dass die
entsprechenden Regelungen insgesamt ausgeweitet wer-
den.

Jetzt noch kurz zum Kinderzuschlag. Informieren Sie
sich, wie die aktuelle Situation ist. Die Kinder bzw. Fa-
milien, die den Kinderzuschlag bekommen, sind von den
Maßnahmen nicht betroffen. Sie erhalten die Leistungen,
die im Bildungspaket enthalten sind, nach wie vor.


(Silvia Schmidt [Eisleben] [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)


Meine Damen und Herren, diese schwarz-gelbe Regie-
rung


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Sagen Sie lieber „christlich-liberal“!)


investiert tatsächlich in Bildung und Teilhabe. Von Ihnen
lassen wir uns rein gar nichts vorwerfen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706210900

Das Wort hat die Kollegin Heike Brehmer von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Heike Brehmer (CDU):
Rede ID: ID1706211000

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-

nen und Kollegen! Wenn man Sie, verehrte Opposition,
so reden hört, dann hat man den Eindruck, dass die
Hartz-IV-Reform als Waisenknabe auf die Welt gekom-
men ist.


(Dagmar Ziegler [SPD]: Wird das eine Büttenrede?)


Wenn Sie noch einen Funken politischen Anstands ha-
ben, erinnern Sie sich an ihre geistigen Eltern. Die dama-
lige rot-grüne Bundesregierung und Ihr Bundeskanzler
Schröder haben diese Reform als größte Sozialreform in
der Geschichte der Bundesrepublik propagiert.


(Beifall bei der CDU/CSU – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Genauso war es! Aber davon wollen die nichts mehr wissen! – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Kollektive Amnesie!)


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(C (D amals haben Sie gejubelt. Aber jetzt, da wir es besser achen, betreiben Sie Miesmacherei. Allerdings – das ollte nicht in Vergessenheit geraten – war und ist artz IV eine Erfindung von Rot-Grün auf Bundesebene, eine Erfindung der Union. Mit den von der Bundesregierung vorgelegten Zahlen etzen wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts um. ie gestern in der Aktuellen Stunde für jedermann sichtar wurde, haben Sie das Urteil des Bundesverfassungserichts offenbar noch immer nicht verstanden. an kann es nicht oft genug wiederholen: Die Hartz-IVegelsätze sind vom Bundesverfassungsgericht in Karlshe nicht für verfassungswidrig erklärt worden. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So ist es! – Katja Kipping [DIE LINKE]: Doch!)


(Christel Humme [SPD]: Doch! Wir schon!)


s wurde vielmehr Transparenz gefordert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So ist es! Und keine Schätzungen, wie bei RotGrün noch üblich!)


ie Höhe der Regelsätze wurde nicht beanstandet. Wä-
n die Regelsätze nicht beim Verfassungsgericht gelan-

et, dann hätten Sie die bisherige Regelung weiterhin für
ut befunden.


(Dagmar Ziegler [SPD]: Sie auch!)


u Ihrer Zeit betrug der Regelsatz 345 Euro. Inzwischen
eträgt der Regelsatz 359 Euro. Künftig bekommen die
etroffenen 364 Euro. Diese Steigerung bedeutet allein
nächsten Jahr rund 400 Millionen Euro mehr Sozial-

usgaben. Dazu stehen wir trotz der Schuldenbremse.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Den Kindern wird die Teilhabe an Bildung ermög-
cht. Jetzt gibt es erstmals über 250 Euro pro Kind pro
ahr. Wieso haben Sie das über die ganzen Jahre hinweg
erschlafen? Endlich stehen die Belange der Kinder im
ittelpunkt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


ie Teilnahme an Wandertagen, an Schulausflügen, an
ußerschulischen Vereinsaktivitäten und nötigenfalls
osten für Nachhilfeunterricht sowie ein Zuschuss von
napp 2 Euro pro Mittagessen in Kindertagesstätten und
anztagsschulen – das ist unser neuer Weg.


(Beifall bei der CDU/CSU – Silvia Schmidt [Eisleben] [SPD]: Sie bekommen auch in Ostdeutschland keinen Nachhilfeunterricht für 25 Cent!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706211100

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

ollegen Birkwald?


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Der Kollege hat heute aber viel Informationsbedarf!)







(A) )


)(B)


Heike Brehmer (CDU):
Rede ID: ID1706211200

Aber gerne, wenn es meine Redezeit verlängert.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706211300

Bitte sehr.


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706211400

Frau Kollegin Brehmer, Sie haben gesagt, die neuen

Regelsätze seien transparent hergeleitet worden. Können
Sie nachvollziehen, dass angesichts der Tatsache, dass
im Existenzminimumbericht vom 27. Oktober 2008 – es
war der siebte – wörtlich zu lesen ist: „Daher wird für
2010 ein Regelsatzniveau bei Alleinstehenden von
4.368 Euro (364 Euro/Monat) und bei Ehepaaren von
7.860 Euro (655 Euro/Monat) in Ansatz gebracht“, die
Annahme naheliegt, dass die 364 Euro schon seit zwei
Jahren politisch gewollt sind und man nicht zu der Ein-
schätzung kommt, dass die neuen Zahlen jetzt extra ge-
rechnet worden sind?


(Beifall bei der LINKEN)



Heike Brehmer (CDU):
Rede ID: ID1706211500

Mein lieber Kollege, Ihre Auffassung teile ich nicht.

Die Regelsätze sind transparent dargestellt worden. Je-
der Bürger hat erstmalig die Möglichkeit, das nachzu-
vollziehen. Schauen Sie auf die Homepage des Bundes-
ministeriums. Dort können Sie die Tabellen einsehen.
Wir haben umfangreiches Material zur Verfügung ge-
stellt bekommen. Deswegen kann ich Ihre Auffassung
nicht teilen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Katja Kipping [DIE LINKE]: Geben Sie uns die Rohdaten! Dann rechnen wir nach!)


Die christlich-liberale Koalition stellt die Kinder in
den Mittelpunkt. Wir haben diese Notwendigkeit er-
kannt; Sie haben sie leider verschlafen. Für diese Maß-
nahme werden insgesamt 620 Millionen Euro bereitge-
stellt. Hier wird in junge Menschen investiert, damit
ihnen von Kindesbeinen an aus der Hartz-IV-Szene ge-
holfen werden kann.


(Zurufe von der SPD, der LINKEN und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: „Hartz-IVSzene“? – Dagmar Ziegler [SPD]: Unglaublich! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was ist das denn?)


Herr Trittin ist leider nicht mehr da. In den Medien
konnten wir lesen, dass er die Pläne als „soziale Kälte
vom Schlimmsten“ bezeichnet hat. Frau Schwesig von
der SPD nannte es gestern sogar ein „unwürdiges
Schmierentheater auf Kosten der Ärmsten“.


(Beifall bei der CDU/CSU – Anton Schaaf [SPD]: Jawohl, da hat sie recht!)


Meine Damen und Herren von Rot-Grün, so nennen Sie
heute eine Reform, welche Sie damals, als Sie Regie-
rungsverantwortung trugen, auf den Weg gebracht und
als die größte Arbeitsmarktreform betitelt haben. Bei ei-
nem so ernsten Thema sollte man die Menschen nicht

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(C (D ngerechtfertigt aufstacheln, sondern ihnen mit Sachchkeit und Alternativen begegnen. (Dagmar Ziegler [SPD]: Dann müssen Sie eine andere Rede halten!)


ie Forderung „Mehr Geld!“ allein reicht nicht.

Ich kann es Ihnen nicht ersparen: Der Redakteur der
ild-Zeitung, Herr Nikolaus Blome, hat in dieser Woche
ommentiert – das konnten Sie alle nachlesen; ich zitiere
örtlich –:


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hochseriöse Quelle! – Katja Kipping [DIE LINKE]: Das zeigt, wes Geistes Kind Sie sind! Verstecken Sie sich jetzt hinter der Bild-Zeitung?)


Schrill, schriller, Hartz-IV: Opposition, Gewerk-
schaften und „Sozialverbände“ toben …

h zitiere wörtlich weiter:

Das ist unterste Schublade.


(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das schreibt die Bild-Zeitung! – Dagmar Ziegler [SPD]: Wir kennen ja jetzt Ihr Niveau!)


Genau. – Des Weiteren kritisiert er in seinem Artikel:

In Wahrheit ist Hartz IV viel besser als sein Ruf. …
SPD und Grüne wussten das einmal. Dass Sie jetzt
für ein bisschen billigen Applaus das Gegenteil be-
haupten, ist der wahre Hartz-Skandal.


(Beifall bei der CDU/CSU – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So ist es! Schämen sollten Sie sich!)


Lassen Sie uns zur Sachlichkeit zurückkehren.


(Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dann zitieren Sie nicht die Bild-Zeitung!)


assen Sie uns gemeinsam das Verfassungsgerichtsurteil
Interesse der Betroffenen und vor allem der betroffe-

en Kinder umsetzen. Die christlich-liberale Koalition
t sich darüber einig, dass Hartz IV für den Betroffenen
ein Dauerzustand sein soll. Unser Ziel muss es sein – –


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706211600

Frau Kollegin, darf ich Sie unterbrechen? Frau

chmidt würde gerne eine Zwischenfrage stellen.


Heike Brehmer (CDU):
Rede ID: ID1706211700

Wenn es meine Redezeit weiterhin verlängert, gern.


Silvia Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1706211800

Frau Brehmer, Sie sind ja ehemalige Landrätin des

andkreises Aschersleben-Staßfurt. Wissen Sie, wie viel
eld vom Bund für Ganztagsschulen geflossen ist? Ha-
en Sie als Landrätin dieses Geld für Ihren Landkreis
ingesetzt, und wissen Sie, dass wir in diesem Zusam-
enhang natürlich etwas für Kinder getan haben?






(A) )


)(B)


Heike Brehmer (CDU):
Rede ID: ID1706211900

Als Landrätin habe ich die Mittel, die wir zur Verfü-

gung hatten, natürlich auch eingesetzt.


(Silvia Schmidt [Eisleben] [SPD]: Sehr schön!)


Zu meiner Zeit haben wir aber keine Ganztagsschulen
ausgebaut, die Programme waren damals erst auf dem
Weg.


(Zurufe von der SPD und der LINKEN: Ah!)


Wir haben natürlich Wert darauf gelegt, dass das Geld
in die Umsetzung richtiger Konzepte und nicht einfach
pauschal geflossen ist und dass das auch mit Bildungsin-
halten unterlegt war. Ich möchte Ihnen das auch einmal
sagen: Vor Ort wird sehr viel getan. Man kann die Ver-
antwortung nicht dem Bund alleine auferlegen, sondern
auch die Länder und Kommunen sind in der Pflicht, et-
was für Bildung zu tun.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Die christlich-liberale Koalition ist sich darüber einig,
dass Hartz IV für die Betroffenen kein Dauerzustand
sein soll. Unser Ziel muss es sein, die Betroffenen besser
als bisher zu qualifizieren, sie umzuschulen und in Ar-
beit zu vermitteln. Das gilt besonders in einer Zeit rück-
gängiger Arbeitslosigkeit. Wir werden uns so gut wie
noch nie um die Langzeitarbeitslosen kümmern. Dafür
gibt es drei Schritte:

An dem ersten haben Sie von der SPD mitgewirkt,
nämlich an der Jobcenterreform.

Der zweite Schritt sind Maßnahmen wie die Umset-
zung der Bürgerarbeit bundesweit. Wir kümmern uns
künftig um die Alleinerziehenden und werden sie aus der
Hartz-IV-Isolierung herausholen.

Der dritte Schritt wurde heute schon mehrfach ge-
nannt: Wir werden die arbeitsmarktpolitischen Instru-
mente wirksamer machen.

So werden wir in Deutschland eine neue Sozialpolitik
mit besserer Qualität umsetzen.

Wie Sie wissen, komme ich aus einem Bundesland
mit einer etwas höheren Arbeitslosigkeit. Von 1994 bis
2002 waren wir Opfer einer Tolerierung von Rot-Grün
durch die Linken. Ich erspare Ihnen, zu sagen, was dabei
herausgekommen ist, aber die Mitteldeutsche Zeitung in
Sachsen-Anhalt hat am Montag eine TED-Umfrage
durchgeführt. Die Frage lautete: Halten Sie eine Erhö-
hung der Hartz-IV-Regelsätze um 5 Euro für angemes-
sen?


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich denke, Sie wollten zur Sachlichkeit zurückkehren! TED-Umfrage!)


58,81 Prozent stimmten mit Ja, und 41,19 Prozent
stimmten mit Nein. Ich finde, dadurch sollten Sie zum
Nachdenken angeregt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Diana Golze [DIE LINKE]: Viel e g F V a Ih b L le M M w P D m D H Ic ru Z d Ic d ic S B s s (C (D leicht wollten sie aber auch noch mehr! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gehen Sie wieder zurück und werden Sie Landrätin!)


Sehr geehrte Damen und Herren, ich sage dies sehr
rnst: Es macht keinen Sinn, Steuerzahler und Empfän-
er von Sozialleistungen gegeneinander auszuspielen.


(Dagmar Ziegler [SPD]: Warum tun Sie es denn dann?)


akt ist: Was wir verteilen und an Sozialleistungen zur
erfügung stellen, muss durch den Steuerzahler hart er-
rbeitet werden.


(Beifall der Abg. Mechthild Heil [CDU/CSU])


Was denken Sie eigentlich, wie diese Debatte und
re Aussagen auf all die Betroffenen wirken? Wer ar-

eitet, muss mehr haben. Wir brauchen sozial gerechte
ösungen, und diese setzen wir in der christlich-libera-
n Koalition um.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706212000

Nächste Rednerin ist die Kollegin Gabriele Lösekrug-
öller für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1706212100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine Damen und Herren! Vielleicht geht es Ihnen so
ie mir: Ich bin bisher immer davon ausgegangen: Auch
arlamentarier sind lernende Systeme. Im Verlauf dieser
ebatte sind mir allerdings erhebliche Zweifel gekom-
en.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


eshalb möchte ich, bevor ich zur Sache spreche, Frau
eil, Herrn Lehrieder und Herrn Vogel ansprechen.

Frau Heil, Sie haben ja die Vergesslichkeit erwähnt.
h habe schwere Bedenken hinsichtlich Ihres Erinne-
ngsvermögens. Ich bekenne mich dazu: Ich habe der
usammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe
amals zugestimmt.


(Beifall der Abg. Mechthild Heil [CDU/CSU] – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aha!)


h verstecke mich nicht hinter dieser Entscheidung.

Seinerzeit saß eine prominente Sozialministerin auf
er Bank der Bundesländer. Es gab keine Einrede. Soll
h Ihnen sagen, wie sie hieß? Sie haben das vergessen.
ie hieß Ursula von der Leyen. Insofern sage ich einmal:
ei Vaterschaften, Mutterschaften oder aber Paten-

chaftsverhältnissen, Herr Kollege Lehrieder, finde ich,
ollten wir auf dem Boden der Tatsachen bleiben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Der Gesetzent Gabriele Lösekrug-Möller )





(A) )

wurf war damals von Ihnen, Frau Lösekrug-
Möller!)

Herr Vogel, Sie haben dieses nette Bild einer trittfes-
ten Leiter benutzt. Dafür danke ich Ihnen herzlich. Ich
stelle mir diese trittfeste Leiter gerade vor, bezogen zum
Beispiel auf die Frage warmes Mittagessen. Das ist ja
ein wichtiges Stichwort. Damit wärmt ja Ministerin von
der Leyen die ganze Welt. Wissen Sie, dieser Trittleiter
fehlen im Grunde genommen immer vier Stufen, es ist
nur jede fünfte da.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Denn mehr Kinder haben überhaupt keinen Zugang zu
einem warmen Essen in Einrichtungen. Insofern, finde
ich, ist es mit der trittfesten Leiter von da unten nach da
oben nicht weit her.

Ich bin gespannt, wie Sie die weiteren fehlenden Stu-
fen jetzt ergänzen werden. Wir haben dazu Vorschläge.

Deshalb komme ich zu unserem Antrag und zu dem
Antrag der Grünen, denn das ist heute Gegenstand der
Beratung. Gestern hatten wir Gelegenheit, zu erleben,
dass das durchaus enttäuschend und mutlos ist, was in
dem Gesetzentwurf steht, der gestern Anlass für die Ak-
tuelle Stunde war. Wir haben heute bessere Vorschläge
zu diskutieren.

Ich habe gestern eine Ministerin und heute auch die
Mehrheit in diesem Haus erlebt, die im Grunde genom-
men eines nicht sind: Sie sind nicht Lobby kleiner Leute.
Das ist mein großer Vorwurf an Frau von der Leyen und
auch an Sie.


(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])


– Frau Connemann, das werden Sie auch nicht ändern
können. Ich sehe das schon. Ich begründe das jetzt auch.
In dieser Diskussion über die Höhe der Regelsätze wer-
den nämlich zwei bedürftige Gruppen in unserer Gesell-
schaft gegeneinander ausgespielt.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Wer bezahlt denn Hartz IV?)


Sorgen Sie für ein höheres Lohnniveau.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dann haben wir auch die Chance, dass es endlich auf-
hört, dass Umfragen dabei herauskommen, die die Men-
schen, die wenig verdienen, Ja zu der Frage sagen las-
sen, ob sie eine Erhöhung angemessen finden oder ob es
mehr sein sollte. Dann sagen sie Nein, weil sie selber
fleißig sind und viel arbeiten und trotzdem nicht genug
nach Hause bringen. Das ist der eigentliche Skandal in
unserer Gesellschaft.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Insofern sage ich, dieses Ministerium ist eine
schlechte Lobby, und deshalb haben wir eine Debatte auf
einem anderen Level, nämlich auf dem Level einer hori-

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(C (D ontalen Gerechtigkeit, die Sie auf einem Niveau hertellen, das ich persönlich unwürdig finde. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will dazu sagen, dass ich leider nicht die Hoff-
ung habe, dass sich das ändert. Denn in wenigen Wo-
hen werden wir es erleben, dass wir hier über Hinzuver-
ienst reden. Was ist das eigentlich wirklich? In
irklichkeit heißt das: Sie zementieren Bedürftigkeit.
och mehr Menschen als jetzt werden über Nied-
glöhne in prekärer Beschäftigung sein, abhängig von
eistungen nach dem SGB II. Das, Herr Vogel, ist so,
uch wenn Sie den Kopf schütteln.

Wir werden unseren Protest deutlich machen. Denn
ir haben die Vorstellung, dass eine Art Reichtum aus
ieser prekären Situation herausführt, worüber hier noch
ar nicht gesprochen wurde. Wir plädieren dafür, dass
ir uns der Frage Bildungsreichtum stellen. Die kommt
ber Ihren Gesetzentwurf auch nicht daher.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ir setzen auf bessere Infrastruktur in der Bildung; wir
etzen darauf, dass jedes Kind eine Chance bekommt.

Ernsthaft: Die Formulierung in dem Gesetz für die
egründung der Nachhilferegelung ist nicht das Papier
ert, auf dem sie steht. Wir werden es erleben. Ich
laube nicht, dass es Kinder wirklich nach vorn bringen
ird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Im Übrigen – das will ich Ihnen sagen – gibt uns auch
ie OECD recht mit unserem Ansatz, der sich in dem
ntrag wiederfindet, über den wir hier reden. Die OECD

agt, die Staaten, die den Sozialstaat nicht gegen Bil-
ungsinvestitionen ausspielen, kommen gut nach vorn.
afür gibt es Belege. So wollen wir das auch in
eutschland – keine Selektion und kein Gegeneinander-

usspielen von Armen und Chancenlosen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


sofern sagen wir: Es gehört deutlich mehr Mut hierher.

Das Prinzip, das sich derzeit bei der Regierung wirk-
ch Bahn bricht, ist ja: Wer hat, dem wird gegeben, und
er nichts hat, der hat eben Pech gehabt. So kann man
as wohl am besten zusammenfassen.


(Widerspruch bei der FDP)


eshalb möchte ich Ihnen abschließend eine Empfeh-
ng geben. Sie appellieren an das Verantwortungsgefühl

er Sozialdemokraten, wenn es darum geht, dass die Ge-
etzesvorlage ja den Bundesrat erreichen wird: Schauen
ie doch noch einmal in das hinein, was Sie gemacht ha-
en! Geben Sie sich mal einen Ruck, zu sagen: Wir be-
leiten das Ganze mit einem dicken Investitionspaket.
as würde übrigens auch Landkreisen in den neuen
undesländern sehr guttun, Frau Landrätin in Ruhe oder
. D.





Gabriele Lösekrug-Möller


(A) )


)(B)


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Insofern finde ich: Es ist noch nicht zu spät. Ich
komme auf den Beginn meiner Rede zurück: Meine
Zweifel allerdings, inwieweit wir es bei der Regierung
bzw. der Mehrheit mit einem lernenden System zu tun
haben, haben heute kräftig Nahrung bekommen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706212200

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

Michael Kretschmer für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Michael Kretschmer (CDU):
Rede ID: ID1706212300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwei

Dinge sind auffällig in der Debatte.

Das Erste ist: Die Linke versucht permanent, die Ver-
antwortung der rot-grünen Regierung für die Hartz-IV-
Gesetze zu leugnen.


(Zurufe von der LINKEN: Das tun wir nicht!)


Das ist nicht in Ordnung. Das lassen wir Ihnen nicht
durchgehen. Es war Ihr Bundeskanzler Schröder, der den
gleichnamigen Spitzenmanager Hartz eingesetzt hat, der
später wegen zu viel Rotlicht aus dem Amt gejagt wurde
und der an vielem schuld ist, was wir heute zu diskutie-
ren haben. Wir legen transparente Berechnungsmetho-
den vor, die nachvollziehbar sind. Das ist wichtig für den
sozialen Frieden in diesem Land. Es ist gut, dass wir das
jetzt endlich so machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Einfach über den rot-grünen Daumen zu peilen und zu
sagen: „Das ist der Bedarf für Kinder“, ist nicht in Ord-
nung. Nein, Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sie
haben einen eigenen Bedarf.

Das Zweite ist: Es wird hier permanent der Eindruck
erweckt, als könnte nur der Bund in der Frage der Bil-
dung und auch der Grundsicherung richtig agieren. Auch
das ist falsch. Kommunen, Länder und der Bund tragen
gemeinsam Verantwortung. Ich kann nur vor Hochmut
und davor warnen, meine Damen und Herren von der
linken Seite, hier den Eindruck zu erwecken, als würden
sich die Länder, die Bürgermeister und auch die Landrä-
tinnen und Landräte dieser Verantwortung nicht stellen.
Das ist nicht redlich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich finde es richtig, auch heute noch einmal den Grund-
satz zu betonen und dazu zu stehen – ich glaube, dass die
Mehrheit der Deutschen das ganz genauso sieht –, dass die-
jenigen, die arbeiten, mehr haben müssen als diejenigen, die
von Sozialleistungen leben, die von denen erarbeitet wer-
den, die die Steuern zahlen. Deswegen muss es das Lohn-
abstandsgebot geben. Das halten wir ein, das ist gut so.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Die Mehrheit der Deutschen und sogar die Mehrheit er Hartz-IV-Empfänger sagt: Die Einführung von achleistungen ist richtig. – Ich bin schon immer der einung gewesen, dass die Linken schlechte Anwälte er kleinen Leute sind. Ich würde es anders formulieren: ie kleinen Leute sind erwachsen geworden. ie wollen nicht mehr das, was Sie sich ausdenken. 4 Prozent derjenigen, die von Hartz IV betroffen sind, agen Ja zu Sachleistungen. Was ist denn das für ein Sinal? Die Menschen merken, dass die Lösungen, die biser vorhanden waren, nicht richtig funktioniert haben. icht bei allen, die in der Grundsicherung waren, aber ei einem großen Teil ist das Geld für die Kinder nicht ngekommen. Deswegen muss man das jetzt ändern. Die Bundesrepublik Deutschland hat seit mehreren ahren klare Schritte in Richtung Innovation getan. Wir einen es mit der Wissensgesellschaft, der Bildungsreublik, wie wir das nennen, ernst. Wir sind deutlich beser als andere Länder durch diese Krise gekommen, weil ir schon vor Jahren auf Innovationen gesetzt haben. ir stellen in dieser Legislaturperiode 6 Milliarden Euro ehr für Bildung und 6 Milliarden Euro mehr für For chung zur Verfügung. Wir wollen das 10-Prozent-Ziel rreichen. Ich glaube, dass es richtig ist, wenn wir im usammenhang mit der Grundsicherung über das Thema ildung reden. Das ist etwas Neues. Es gab viele Jahre ozialund Arbeitsminister der SPD, die das nicht getan aben. Aus diesem Grunde sollten Sie zuerst einmal anrkennen, dass wir einen neuen Weg gehen. Ich finde es benswert, dass wir das tun. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Verantwortlich sind zunächst einmal die Eltern. Des-
egen muss der Grundsatz auch bei dem neuen Projekt
uten, dass wir die Eltern nicht aus der Verantwortung

ntlassen dürfen. Im Gegenteil: Wir müssen sie stark mit
inbeziehen. Verantwortung tragen auch die Länder und
ie Kommunen. Es gibt bereits eine ganze Reihe von
ngeboten, die funktionieren und an die man anknüpfen
uss. Ein weiterer Grundsatz ist folglich: Wir wollen

orhandene Dinge nutzen, und wir wollen gemeinsam
it den Trägern der Bildung Verantwortung tragen.

Selbst wenn wir es wollten, könnten wir auch nur im
nsatz all das gar nicht übernehmen, was schon heute
eleistet wird. Allein die Finanzierung des kostenlosen
ittagessens – bisher wird es von den Eltern finanziell

etragen – hat ein Volumen von 5 Milliarden Euro.
chon anhand dieser Zahl sieht man, dass es unmöglich
t, dass der Bund dies übernimmt. Angesichts dessen sa-
en wir jetzt: Wir wollen denjenigen helfen, die an die-
er Stelle ein Problem haben. 620 Millionen Euro ist
ine ganze Menge Geld. Mit diesem Geld kann man viel
n, vor allen Dingen, wenn man es zielgenau einsetzt.
as wollen wir jetzt durch die Sachleistungen tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 1 Euro pro Kind pro Tag!)






Michael Kretschmer


(A) )


)(B)

Diese Bildungsdefizite sind auf ganz verschiedene
Art und Weise zu beheben. Ich glaube, es ist richtig, vor
Ort subsidiär die richtigen Lösungen zu finden. Wichtig
ist, dass die Schule eine starke Rolle spielt; denn der
Lehrer weiß, welches Kind welche Defizite hat.

Ich stehe auch dafür, dass wir die Ausgaben für das
Mittagessen derjenigen subventionieren, die es in ihrer
Schulkantine einnehmen wollen. Die eigentliche Diskri-
minierung besteht ja darin, dass Kinder das, was ihnen zu-
steht – ein Mittagessen –, nicht bekommen. Ich möchte,
dass in diesem Land in Zukunft nicht mehr eine Diskus-
sion darüber geführt wird, dass Kinder hungrig in der
Schule sitzen. Dass das passiert, war schon vorher weder
notwendig noch richtig. Die Diskussion darüber ist jetzt
endgültig vorbei, und das ist eine wunderbare Sache.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was? Gehen Sie doch mal raus in die Welt! Wo leben Sie denn?)


Eltern tragen Verantwortung für ihre Kinder. Das war
vor dieser Reform so, und es ist mit diesem klaren Be-
kenntnis noch einmal festgestellt.

Wichtig ist auch die Teilhabe. Ich glaube, man muss
die vorhandenen Angebote der Sportvereine, der kulturel-
len Vereine, der Musikschulen nutzen. Schon heute bieten
Vereine in vielen Fällen denjenigen, die es schwerhaben,
einen ermäßigten oder einen kostenlosen Mitgliedsbei-
trag. Ich wünsche mir, dass wir hier zu einer Lösung kom-
men, durch die dies weiter unterstützt wird.

Insgesamt ist diese Reform eine wirkliche Neuaus-
richtung der Grundsicherung, mit dem Ziel, Bildung zu
einem Teil von Sozialpolitik zu machen. Bildung ist
nämlich von zentraler Bedeutung für Aufstieg und Zu-
kunft. Jetzt sollten Sie sich nicht abseits stellen. Der eine
oder andere hat in der Debatte heute gesagt: Dagegen
werden wir kämpfen, gegen die Sachleistungen, gegen
die Grundsicherung, gegen den Bildungsanteil. Ich kann
Ihnen dazu nur sagen: Hören Sie auf damit! Die Men-
schen wollen das nicht. Was wir vorhaben, ist für die Zu-
kunft dieses Landes wichtig.


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Sie verschärfen die Sanktionen!)


20 Prozent unserer jungen Leute haben Schwierigkeiten,
einen vernünftigen Schulabschluss zu machen. Denen
müssen wir helfen. Beteiligen Sie sich daran und stellen
Sie sich nicht abseits!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706212400

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zu einigen Abstimmungen.

Zunächst kommen wir zur Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Arbeit und Soziales auf Drucksache
17/2092. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a
seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags
der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/880 mit dem

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(C (D itel „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur emessung der Regelsätze umsetzen – Die Ursachen on Armut bekämpfen“. Wer stimmt für diese Bechlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthalngen? – Die Beschlussempfehlung ist damit angenomen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei egenstimmen der Fraktion der SPD und Enthaltung der raktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die inke. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der raktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/675 it dem Titel „Bedarfsgerechte Regelsätze für Kinder nd Erwachsene jetzt ermöglichen“. Wer stimmt für iese Beschlussempfehlung? – Wer ist dagegen? – Entaltungen? – Diese Beschlussempfehlung ist ebenfalls ngenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ei Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nd Enthaltung der Fraktionen SPD und Die Linke. Im Rahmen des Zusatzpunktes 4 geht es nun um die eschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und oziales zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die rünen mit dem Titel „Bedarfsgerechte Regelsätze und in zuverlässiges Hilfesystem für Kinder, Jugendliche nd Erwachsene statt Experimenten“. Der Ausschuss mpfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 7/3081, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grüen auf Drucksache 17/2921 abzulehnen. Wer stimmt für iese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthalngen? – Die Beschlussempfehlung ist damit angenomen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Ge enstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und nthaltung der Fraktion der SPD und der Fraktion Die inke. Beim Zusatzpunkt 5 wird interfraktionell die Übereisung der Vorlage auf Drucksache 17/3058 an die in er Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlaen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ist er Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 a bis 30 e sowie usatzpunkte 6 a bis c auf: 30 a)

gebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur
Änderung von Verbrauchsteuergesetzen

– Drucksache 17/3025 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
kommen vom 19. März 2010 zwischen der Re-
gierung der Bundesrepublik Deutschland und
der Regierung von Anguilla über den steuerli-
chen Informationsaustausch

– Drucksache 17/3026 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss





Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt


(A) )


)(B)

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlei-
hung der Rechtsfähigkeit an den Rat des An-
passungsfonds

– Drucksache 17/3027 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

d) Erste Beratung des von den Abgeordneten Kerstin
Andreae, Volker Beck (Köln), Dr. Thomas Gambke,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs
eines … Gesetzes zur Änderung des Aufent-
haltsgesetzes

– Drucksache 17/3039 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Elvira
Drobinski-Weiß, Petra Crone, Petra Ernstberger,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Offensive für einen wirksamen Schutz der
Kinder vor Gift in Spielzeug

– Drucksache 17/2345 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Federführung strittig

ZP 6a)Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin
Andreae, Fritz Kuhn, Ingrid Nestle, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

Entflechtungsinstrument ins Wettbewerbsrecht
einfügen

– Drucksache 17/3062 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-
Josef Fell, Krista Sager, Sylvia Kotting-Uhl, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Technikfolgenabschätzung im Bundestag und
in der Gesellschaft stärken

– Drucksache 17/3063 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

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(C (D Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuss c)

Ausschusses für Bildung, Forschung und Tech-
nikfolgenabschätzung

Technikfolgenabschätzung (TA)

Technikfolgenabschätzung beim Deutschen
Bundestag – Eine Bilanz

– Drucksache 17/3010 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Petitionsausschuss
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

Hierbei handelt es sich um Überweisungen im ver-
infachten Verfahren ohne Debatte. Zunächst kommen
ir zu einer Überweisung, bei der die Federführung

trittig ist.

Tagesordnungspunkt 30 e: Interfraktionell wird die
berweisung des Antrags der Fraktion der SPD mit dem
itel „Offensive für einen wirksamen Schutz der Kinder
or Gift in Spielzeug“ auf Drucksache 17/2345 an die in
er Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
en. Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP wün-
chen Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft und
echnologie. Die Fraktion der SPD wünscht Federfüh-
ng beim Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
erbraucherschutz.

Wir stimmen zuerst über den Überweisungsvorschlag
er Fraktion der SPD – Federführung beim Ausschuss für
rnährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – ab.
er stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer ist

agegen? – Enthaltungen? – Der Überweisungsvorschlag
t damit abgelehnt.

Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der
raktionen der CDU/CSU und der FDP – Federführung
eim Ausschuss für Wirtschaft und Technologie – ab-
timmen. Wer stimmt für diese Überweisung? – Wer ist
agegen? – Enthaltungen? – Der Überweisungsvorschlag
t damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ange-
ommen. Damit wird der Antrag zur federführenden Be-
tung an den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

berwiesen.





Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt


(A) )


)(B)

Wir kommen jetzt zu den unstrittigen Überweisun-
gen. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen
an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Nun kommen wir zu den Tagesordnungspunkten 31 a
bis i. Dabei geht es um die Beschlussfassung zu Vorla-
gen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Es sind
im Wesentlichen Beschlussempfehlungen des Petitions-
ausschusses.

Tagesordnungspunkt 31 a:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 129 zu Petitionen

– Drucksache 17/2951 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Die Sammelübersicht 129 ist mit den Stimmen
des ganzen Hauses angenommen.

Tagesordnungspunkt 31 b:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 130 zu Petitionen

– Drucksache 17/2952 –

Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltun-
gen? – Auch diese Sammelübersicht ist mit den Stimmen
des ganzen Hauses angenommen.

Tagesordnungspunkt 31 c:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 131 zu Petitionen

– Drucksache 17/2953 –

Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltun-
gen? – Die Sammelübersicht 131 ist angenommen mit
den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-
Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und
Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Tagesordnungspunkt 31 d:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 132 zu Petitionen

– Drucksache 17/2954 –

Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltun-
gen? – Die Sammelübersicht 132 ist damit angenommen
mit den Stimmen des ganzen Hauses.

Tagesordnungspunkt 31 e:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 133 zu Petitionen

– Drucksache 17/2955 –

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(C (D Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltunen? – Die Sammelübersicht 133 ist damit angenommen it den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPDraktion und der Fraktion Die Linke bei Gegenstimmen er Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Tagesordnungspunkt 31 f: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 134 zu Petitionen – Drucksache 17/2956 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltunen? – Die Sammelübersicht 134 ist angenommen mit en Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD-Frakon und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Geenstimmen der Fraktion Die Linke. Tagesordnungspunkt 31 g: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 135 zu Petitionen – Drucksache 17/2957 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltunen? – Sammelübersicht 135 ist damit mit den Stimmen er Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Geenstimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion ündnis 90/Die Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 31 h: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 136 zu Petitionen – Drucksache 17/2958 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltunen? – Sammelübersicht 136 ist damit mit den Stimmen er Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion er SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und nthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkt 31 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 137 zu Petitionen – Drucksache 17/2959 – Zu den Petitionen auf Drucksache 17/2959 liegen ehrere Erklärungen der Fraktion Die Linke nach § 31 nserer Geschäftsordnung vor.1)


Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Gibt es Ent-
altungen? – Sammelübersicht 137 ist damit mit den
timmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen
er Oppositionsfraktionen angenommen.

Anlage 2





Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt


(A) )


)(B)

Nun kommen wir zu Zusatzpunkt 7:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD

Haltung der Bundesregierung zu Milliarden-
garantien und Millionenboni bei der HRE

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner das Wort dem Kollegen Dr. Carsten Sieling für die
SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Carsten Sieling (SPD):
Rede ID: ID1706212500

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die HRE ist zu einem Symbol geworden, wie
stark sich die Finanzbranche von der Gesellschaft ent-
koppelt hat. Millionenboni trotz fehlendem Erfolg zu
zahlen und quasi gleichzeitig neue Milliardengarantien
zu beantragen, zeigt, dass hier einige die Bodenhaftung
verloren haben.


(Beifall bei der SPD)


Sie sind offensichtlich in ein Paralleluniversum ent-
schwunden, und die Bundesregierung spielt den Kopilo-
ten.


(Lachen des Abg. Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU])


Dem muss Einhalt geboten werden,


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Unglaublich!)


auch um den Ruf und die Solidität der Finanzwelt wie-
derherzustellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das Erste war gut, das Letzte kann man so nicht sagen!)


Ich will gleich hier am Anfang klarstellen: Die Ret-
tung der HRE im Jahre 2008 war richtig und notwendig.


(Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)


Ein „Lehman II“ hätte man sich damals angesichts der
unabsehbaren Folgen überhaupt nicht erlauben können.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Aber jetzt?)


Und es war richtig, so zu handeln. Ich sage das deshalb
so deutlich und gleich zu Anfang,


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben doch damals den Finanzminister gestellt!)


weil jetzt die Schlaumeier der Nation kommen, Herr
Kollege, die alles vergessen haben und den Schwarzen
Peter uns zuzuspielen versuchen.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wie hieß denn der Finanzminister: Steinbrück, oder wie? – Zuruf von der FDP: Der fehlt heute!)


– Regen Sie sich nicht auf, meine Damen und Herren
von der CDU/CSU. Ganz vorne steht die FDP.

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(C (D Ich habe gelesen, dass Herr Wissing uns heute wieder einen Lieblingssong präsentieren möchte, der da heißt: ie SPD hat Schuld. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ber trösten Sie sich: Die Töne werden wieder schief
ein, wie es immer ist, wenn Sie hier antreten. In Ihrer
eutigen Fassung werden Sie uns wohl erzählen, dass
ie Verträge, die unter Federführung von Peer
teinbrück erarbeitet worden sind und die wir abge-
chlossen haben, die Bonizahlungen nicht verhindert
ätten.


(Beifall der Abg. Iris Gleicke [SPD] – Zuruf von der FDP: Das ist ja auch so!)


h will Ihnen aber eines sagen: Ohne die SPD gäbe es
berhaupt keine


(Zuruf von der FDP: Bonizahlungen!)


esetzlichen Regelungen, die Vorstandsvergütungen be-
renzen. Das ist der entscheidende Schritt gewesen. Be-
or Sie, Herr Wissing, Ihre Argumentation entfalten,
enken Sie daran: Die FDP hat damals gegen das Gesetz
estimmt. Sie wollten eine Begrenzung überhaupt nicht.


(Beifall bei der SPD – Zurufe von der FDP: Falsch!)


ie wollten überhaupt keinen Rahmen, der der Finanz-
ranche ethisches Verhalten auferlegt und Grenzen setzt.

Im Übrigen gilt natürlich – ich hoffe, das gilt für alle,
enn wir ehrlich sind –, dass niemand hier, der mit so-

ialer Marktwirtschaft Vernunft, Verantwortung und Ge-
einwohl verbindet, geglaubt oder erwartet hat, dass so

assforsch gegen den Geist der Regulierung von über-
öhten Gehältern vorgegangen wird und gewisse Leute
de Möglichkeit ausnutzen, um sich Zulagen zahlen zu
ssen, selbst wenn der Erfolg ausgeblieben ist. Das pas-

iert zwar noch nicht flächendeckend, aber wir müssen
as beobachten, da dies bei vielen Instituten der Fall ist.
eine Damen und Herren, ich hoffe, dieses Haus tritt

eschlossen dagegen an.


(Beifall bei der SPD)


ber dazu gehört auch, dass man die politische Verant-
ortung übernimmt und darüber wacht, dass Normen
nd Werte durchgesetzt werden. Mit den Insiderkennt-
issen, die die Regierung gehabt hat, hätte man dem
ühzeitig entgegentreten müssen.

Es gibt verschiedene Beispiele. Herr Wieandt hat als
hef der HRE sehr früh signalisiert, dass für 2008 keine
oni gezahlt werden. Da wusste man: Das Thema der
oni ist virulent. Als er Ende des ersten Quartals dieses

ahres seinen Rücktritt eingereicht hat, hatte das auch
it dieser Thematik zu tun. Man hat gewusst, dass die
ultur bei der HRE in dieser Frage nicht in Ordnung ist.
rotzdem hat man nicht reagiert. Man hat nicht versucht,
em frühzeitig Einhalt zu gebieten. Somit muss man sich
chlicht und einfach damit auseinandersetzen, dass nicht
ehandelt wurde, dass gerade innerhalb der letzten zwölf





Dr. Carsten Sieling


(A) )


)(B)

Monate die Entwicklung verschlafen wurde. Wenn ich
mir die Erklärungen dafür anschaue, dann muss ich sa-
gen: Sie alle überzeugen überhaupt nicht. Wie das immer
so ist: Wenn etwas schiefläuft, werden neue Definitionen
und Worte gefunden. Man spricht nun nicht mehr das
böse Wort „Boni“ aus, sondern es wird ordentlich ge-
schwurbelt. Es geht um „Halteprämien“ und „Aus-
gleichszahlungen“. Das alles hört sich nett an; aber in
Wirklichkeit ist hier etwas verschlafen worden.
Schwarz-Gelb hat sich auch bei diesem Thema als hand-
lungsunfähig und letztlich auch zerstritten gezeigt. Das
ist die Wahrheit, und das ist der entscheidende Punkt.


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP: Davon wissen wir aber gar nichts!)


Ich fordere Sie auf – wir sind anscheinend auf gutem
Weg –: Legen Sie eine wasserdichte gesetzliche Rege-
lung vor! Wir müssen allerdings sehen, dass Minister
Schäuble noch vor zwei Tagen erklärt hat, er sehe keinen
rechtlichen Handlungsbedarf,


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: So ist es!)


und hinzugefügt hat: Es wird keine gesetzliche Ände-
rung oder Ergänzung geben. Wir werden die Entwick-
lung aufmerksam beobachten. – Das ist das Prinzip
Hoffnung.


(Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Das stimmt doch auch nicht!)


– Herr Kollege Fricke, wenn Sie hier das Wort ergreifen,
dann denke ich an die Griechenlanddebatte und frage
mich, welche Märchen und Geschichten dabei von Ihnen
wieder kommen werden.

Gestern kam es jedenfalls zu einer Veränderung. End-
lich ist gesagt worden: Wir wollen zu gesetzlichen Rege-
lungen kommen. – Ich begrüße das. Das ist die öffentli-
che Debatte. Auch meine Partei hat an dieser Stelle
Druck gemacht. Wir brauchen jetzt endlich Verträge.
Wir müssen eingreifen und dagegen vorgehen. Ich habe
wahrgenommen, dass dies in allen Fraktionen so gese-
hen wird, und sage an dieser Stelle – auch das will ich
hier deutlich machen –: Das Informationsfiasko der letz-
ten Wochen darf sich ebenfalls nicht wiederholen. Ich
fordere Sie auf: Nehmen Sie das Parlament ernst! Kon-
trolle muss hier möglich sein, und dafür brauchen wir
auch die entsprechenden Informationen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706212600

Kommen Sie bitte zum Schluss.


Dr. Carsten Sieling (SPD):
Rede ID: ID1706212700

Ich komme zum Schluss.

Ich darf mit Blick auf die weitere Debatte noch sagen:
Ich erwarte, dass jetzt der Kollege Dautzenberg nach
vorne tritt und mit großer moralischer Empörung erklärt,
die Wahrheit sei, dass wir Sozialdemokraten nur die Bü-
cher der HRE schließen wollen.

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(C (D Herr Kollege, gestatten Sie, dass ich Sie unterbreche. ie haben die Redezeit überschritten. Ich komme zum Schluss. – Die zukünftige Entwick ng der HRE ist ausgesprochen fraglich. Die EU-Komission hat das Ganze deutlich infrage gestellt. Wir üssen dies ernst nehmen. Herr Kollege, ich muss Sie erneut auf die Redezeit inweisen! Ich bitte um Verzeihung. – Ich bitte darum, dass wir ns daran halten. Vielen Dank. Nun hat für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Leo autzenberg das Wort. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr ollege Sieling, ich bin sehr erfreut, dass Sie das, was h sagen will, schon antizipiert haben. Deshalb kann ich ir einiges ersparen. Nur so viel: Erster Punkt. Wir solln, glaube ich, vermeiden, dieses Thema zum Gegen tand einer parteipolitischen Kontroverse zu machen; enn alle Verantwortlichen haben zusammengestanden, ls es darum ging, die HRE mit Maßnahmen zu retten nd gesetzliche Grundlagen für ihre Umstrukturierung u schaffen. Von daher sollte man jetzt nicht Schuldzueisungen in unterschiedlichste Richtungen vornehmen. ir sollten vielmehr gemeinsam darüber nachdenken, ie wir das Vertrauen in den Finanzmarkt und das Banensystem stärken können. Zweiter Punkt. Für uns war es auch nicht vertrauensildend, und deshalb muss man das in zwei Sachbereihe trennen: einerseits die Diskussion über Boni und ergütungsstrukturen und andererseits das, was weiterin zur Restrukturierung der HRE im Hinblick auf die ernbank und auf die Abwicklungsbank erforderlich ist. ier geht es darum, ob die Kernbank eine Chance für die ukunft hat. Mit dem, was vorliegt, setzen wir darauf, ass sie eine Zukunft haben wird. Zu dem, was allgemein mit den Bonivorgängen beeichnet wird, haben wir – das muss ich für meine Frakon konstatieren – kritisch angemerkt, dass es schwierig t, zu vermitteln, wenn es bei einer Bank, die vom Steurzahler gerettet worden ist und die durch weitere Maßahmen umstrukturiert wird, Kommunikationsschwiegkeiten gab, sowohl was die beiden Garantien vor 4 Tagen als auch die Bonizahlungen anbelangt. Das kri Leo Dautzenberg )

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706212800
Dr. Carsten Sieling (SPD):
Rede ID: ID1706212900
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706213000
Dr. Carsten Sieling (SPD):
Rede ID: ID1706213100

(Beifall bei der SPD)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706213200

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Leo Dautzenberg (CDU):
Rede ID: ID1706213300

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





(A) )

tisieren wir, und wir können nur an unsere Vertreter der
Bundesregierung in den zuständigen Gremien appellie-
ren, zukünftig eine größere Sensibilität beim Thema
Bonizahlungen an den Tag zu legen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Bravo!)


Herr Sieling, es dürfte Ihnen aber nicht entgangen
sein, dass das Gesetz damals unter Federführung des Fi-
nanzministers Steinbrück gemacht worden ist: Ich sage
das, weil Sie hier konstatieren, dass in diesem Gesetz
nicht alles enthalten war, was Vergütungsstrukturen an-
belangt. Wir haben damals eine Deckelung der Vor-
standsbezüge beschlossen. War es für Sie denn zum da-
maligen Zeitpunkt schon erkennbar, dass man auch die
Vergütungsstrukturen der Mitarbeiter und ihre rechtli-
chen Ansprüche in einem Krisenfall hätte neu regeln
müssen? Dann hätte das gemacht werden müssen.


(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Aber seitdem sind viele Monate, zwei Jahre vergangen!)


Damals haben wir auch gemeinsam Beschlüsse über
Vergütungsstrukturen für Vorstände bei Finanzinstituten
gefasst.

Die christlich-liberale Koalition hat Vergütungsstruk-
turen für Mitarbeiter bei Finanzinstituten im Juli dieses
Jahres verabschiedet. Das alles sind natürlich Punkte, die
für die Betrachtung, die wir hier anzustellen haben, zu
spät kamen. Wir haben bereits damals festgestellt, dass
ein Eingriff auch dann, wenn aufgrund von Vergütungs-
strukturen bestimmte rechtliche Ansprüche bestehen, im
Krisenfall, wenn die Bank in die Schieflage kommt, er-
folgen können muss. Dieser Punkt, der bei Verabschie-
dung des Gesetzes noch nicht geklärt werden konnte,
muss jetzt vom Bundesjustizministerium geklärt werden.
Wenn wir dort rechtlich saubere Anhaltspunkte bekom-
men, dann werden wir das in das vorhandene Restruktu-
rierungsgesetz ergänzend aufnehmen. Aber es muss
rechtssicher sein, wenn man in bestehende Verträge und
Vergütungsstrukturen eingreifen will. Ich glaube, das ist
auch Konsens.


(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Damit hätte man früher anfangen müssen!)


– Damit hätten Sie schon beginnen können. Es ist doch
unbestritten, dass Sie zum Vergütungsstrukturgesetz
diese Anträge schon hätten stellen können, wenn Sie
diese Erkenntnis damals gehabt hätten.

Dritter Punkt. Das ist das Dominierende, was Sie lei-
der nicht angesprochen haben. Ich weiß auch, warum:
weil Sie innerhalb der SPD-Fraktion nicht einig sind,
wie es mit der HRE als Kernbank weitergehen soll.


(Joachim Poß [SPD]: Stimmt gar nicht, dass wir nicht einig sind!)


Gilt das, was Herr Kollege Schneider nicht nur in dem
Gremium, sondern auch öffentlich erklärt hat – er gebe
der Kernbank für die Zukunft keine Chance; sie müsse
abgewickelt werden –, oder gilt das, was wir gemeinsam
vereinbart haben, nämlich die Ausgliederung? Es war

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(C (D in hoher Anspruch, 200 Milliarden Euro auszugliedern nd abzuwickeln und sich auf die Kernbank zu konzenieren, die eine Zukunft haben soll. Nach allem, was isher an Erkenntnissen vorliegt, hat sie aus unserer icht auf dem Markt nach wie vor Zukunft. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Da ist die EUKommission aber anderer Meinung!)


it Ihrem Gerede werden Sie dazu beitragen, dass sie
eine Zukunft hat, was zur Folge hat, dass dies für den
teuerzahler sehr teuer wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706213400

Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Roland

laus das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706213500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach

er Hartz-IV-Debatte reden wir jetzt über Banken und
oni – ein schöner Zufall. Die Münchener Hypo Real
state ist der größte Skandalfall in der Bankenkrise in
eutschland. Die HRE nennt sich heute Deutsche Pfand-
riefbank. Schon daran merkt man, dass wir in einer an-
eren Zeitrechnung sind. Die Finanz- und Wirtschafts-
rise erweist sich bei näherem Hinsehen mehr und mehr
ls eine Krise des gesellschaftlichen Systems.


(Beifall bei der LINKEN – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das müsste Ihnen doch entgegenkommen! Sie plädieren doch für Staatsbanken!)


iese Krise liegt nicht hinter uns. Richtig ist: Die Ban-
en haben ihr Eigengeschäft wieder in Gang gesetzt
das Kasino ist wieder offen –, aber ihrer Verantwor-
ng für die Gesellschaft und die Wirtschaft, insbeson-

ere für die kleinen und mittleren Unternehmen, werden
ie in keiner Weise gerecht.


(Beifall bei der LINKEN)


Weil all das so unglaublich ist und fast niemand mehr
ersteht, was hier vorgeht, will ich versuchen, mit einer
leinen Chronik zur Aufklärung beizutragen. Genau vor
wei Jahren, am 30. September 2008, kam Minister
teinbrück in alle Bundestagsfraktionen und warb für
ie Rettungsaktion bei der HRE. Begleitet hat ihn Staats-
ekretär Jörg Asmussen, der heute noch Staatssekretär
t, und zwar bei Bundesfinanzminister Schäuble. Herr
teinbrück hat damals gesagt, der Bund müsse für eine
umme von 26 Milliarden Euro bürgen; eine teilweise
erstaatlichung von Banken wie in England und den
SA sei in Deutschland ausgeschlossen. Die privaten
anken bürgten für 8,5 Milliarden Euro. – Es sollte an-
ers kommen. Im Frühjahr 2009 wurde ein parlamentari-
cher Untersuchungsausschuss zur Rolle der Bundesre-
ierung bei der HRE-Krise eingesetzt. Das ist ein
xtrakrimi; ich kann das hier nicht im Einzelnen ausfüh-
n. Im Mai 2009 wurde der Rettungsschirm für Banken
it einem Volumen von 500 Milliarden Euro gespannt.
er Hauptanteil davon entfiel auf die HRE, immer mit





Roland Claus


(A) )


)(B)

Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion, die in
ihrer Meinungsbildung selbstverständlich völlig frei ist,


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


aber im Moment in Sachen Wandlungsfähigkeit – das
muss man einmal aussprechen – wirklich nicht zu toppen
ist.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Im August 2009 fragt mein Fraktionskollege Axel
Troost öffentlich nach der Eignung des neuen Chefs der
HRE, Axel Wieandt. Die Bankenaufsicht hat Zweifel an
der Eignung, die Linke auch; aber Wieandt erhält
500 000 Euro Sonderzahlung für 2009. Ende März 2010,
einen Tag vor der Bilanzpressekonferenz der HRE, er-
klärt Herr Wieandt seinen Rücktritt, weil er sich nicht
mit dem SoFFin über sein Gehalt einig wurde: Es war
ihm zu wenig. Mit dem Rücktritt erwirbt er aber Be-
triebsrentenansprüche in Höhe von 240 000 Euro jähr-
lich, und das als Mittvierziger.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wahnsinn!)


Jetzt das Verrückte: Nachdem die Münchener HRE über
Jahrzehnte ausschließlich eine Männerwirtschaft war,
muss nun, nachdem die Bank so richtig gegen die Wand
gefahren ist, mit Frau Better zum ersten Mal eine Frau
an die Spitze gestellt werden. Auch das spricht für eine
Zeitenwende.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Im Juni 2010 steht die spannende Meldung im Netz:
Seit 1. Juni 2010 arbeitet Axel Wieandt wieder im Vor-
standsbereich der Deutschen Bank. Ende August 2010
bewilligt die Bundesregierung über die bestehenden Ga-
rantien in Höhe von 102 Milliarden Euro hinaus Garan-
tien in Höhe von 40 Milliarden Euro für die HRE, am
Parlament vorbei, am geheim tagenden Parlamentsgre-
mium zur Bankenrettung vorbei.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Nein! Das stimmt nicht! Die gesetzliche Grundlage stammt vom Parlament! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


– Um Ihre Zwischenrufe etwas abzumildern: Das Parla-
ment ist sauer, von der Linken bis zur CSU.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Sie haben die Zeit vor 1989 in Erinnerung! Das darf nicht passieren!)


Mitte September 2010 wird bekannt, dass Boni in
Höhe von 25 Millionen Euro an Bankmanager der staat-
lichen HRE gezahlt wurden. Die Bundesregierung sitzt
mit zwei Abteilungsleitern aus dem Bundesfinanzminis-
terium im Aufsichtsrat – ich dachte, sie seien schon als
Abteilungsleiter ausgelastet; aber es ist offenbar anders –,
der dazu sagt: Das geht in Ordnung.

Nun stellen Sie sich vor, all das hätte ich Ihnen vor
vier Jahren erzählt. So eine Story wäre unglaublich ge-

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(C (D esen. Selbst in meiner Fraktion hätte man mir wahrcheinlich gesagt: Genosse, du musst zum Arzt! Frei nach Shakespeare: Ist es auch Wahnsinn, so hat s doch Methode. Wahnsinn und Methode bedeuten eute: Was da verstaatlicht wurde, sind vor allem Schulen. Selbst die Vollverstaatlichung reicht nicht aus, um ie HRE auf dem Finanzmarkt wieder handlungsfähig zu achen. Wir reden gerade über den Haushalt für 2011 im Umng von 300 Milliarden Euro. Neben diesem Haushalt urden inzwischen Sondervermögen in Höhe von über 50 Milliarden Euro angehäuft. Die Bundesregierung reet von der Schuldenbremse und will im nächsten Jahr 0 Milliarden Euro einsparen, macht aber im gleichen temzug Zusagen über Garantien in Höhe von 0 Milliarden Euro, also das Vierfache, für die schon erähnte Bank. Nun sagen Sie: Hartz-IV-Empfänger sollen monatlich Euro mehr bekommen. Ich habe die Bezüge der Men chen – die Boni bei der HRE und die zusätzlichen Euro für die Bezieher von Hartz IV – ins Verhältnis ge etzt und ausgerechnet. Hier kommt exakt ein Verhältnis on 1 : 10 000 heraus. So kommt es also zu dem Begriff die oberen Zehntausend“. o groß ist der Abstand, so gespalten ist die Gesellchaft, so kaputt haben Sie das Gemeinwesen regiert. as ist doch nicht staatseigene Bank, das ist doch bank igener Staat. Das muss sich ändern, meine Damen und Herren. wei radikale Schritte sind notwendig. Zum einen muss ie Dominanz der Finanzwirtschaft über die sogenannte ealwirtschaft überwunden werden. Zum anderen muss an etwas hinzufügen. Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege. Das mache ich gern, Frau Präsidentin. – Die Regeln er globalen Börsen, die anfangs einmal vernünftig wan, haben das globale Zusammenleben in die Sackgasse eführt. Das internationale Finanzmarktkasino – zu dieer Überzeugung bin ich gelangt – ist nicht länger reforierbar; es gehört geschlossen. Nächster Redner ist der Kollege Dr. Volker Wissing r die FDP-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! llein die Tatsache, dass Sozialdemokraten sich hier instellen und gegen irgendjemanden im Zusammen Dr. Volker Wissing )


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706213600
Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706213700

(Beifall bei der LINKEN)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706213800

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1706213900




(A) )

hang mit der Hypo Real Estate Vorwürfe erheben, ist an
Dreistigkeit nicht zu überbieten.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich weiß nicht, Herr Kollege Sieling, was man Ihnen und
Ihrer Fraktion erzählt hat. Ich weiß aber, was in der letz-
ten Legislaturperiode hier im Deutschen Bundestag ge-
laufen ist. Wir haben im Finanzausschuss erfahren, dass
alles, was Sie heute hier lautstark kritisieren – sowohl
die zusätzlichen Milliardensicherheiten als auch die Ver-
gütungen, die Sie heftigst angehen –, nichts anderes ist
als die Konsequenz einer Verstaatlichungsentscheidung,
die Sozialdemokraten vehement gefordert und vorange-
trieben haben


(Dr. Carsten Sieling [SPD]: So ein Quatsch!)


und die Ihr Finanzminister Peer Steinbrück unbedingt
wollte. Jetzt haben Sie, was Sie wollten, meine Damen
und Herren!


(Beifall bei der FDP – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Platter geht’s nicht!)


Sie waren in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass
diese Verstaatlichungsentscheidung, die wir heftigst kri-
tisiert haben, vernünftig vonstattengeht, dass Gehalts-
zahlungen ordentlich geregelt werden und dass genau
die Dinge nicht passieren, die Sie heute kritisieren.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dafür kann die Bundesregierung sorgen!)


Jetzt kann man sich natürlich bequem vom Acker ma-
chen. Aber ich erinnere daran, dass wir in der letzten Le-
gislaturperiode einen Untersuchungsausschuss einge-
setzt hatten.


(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Reden Sie doch einmal über diese Legislaturperiode! Kommen Sie doch einmal in der Zukunft an!)


In diesem Untersuchungsausschuss haben wir gefordert,
dass zu klären ist, ob bei der Verstaatlichungsentschei-
dung alles richtig gemacht worden ist. Da haben die So-
zialdemokraten gesagt: Das braucht man nicht zu klären;
alles ist richtig gemacht worden. – Wenn Sie heute ein-
sichtig sind und sehen, dass das nicht so toll war, was
Peer Steinbrück gemacht hat, dann ist das gut. Aber dann
sollten Sie etwas demütiger in Ihren Reihen sitzen und
nicht lautstark das Wort ergreifen und anderen Vorwürfe
machen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD,
die HRE-Partei ist die SPD. Es war Ihr Wunsch, diese
Bank nicht abzuwickeln, sondern zu verstaatlichen, Herr
Kollege Schneider.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das war auch richtig so! – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Aber es ist ein bisschen Zeit vergangen! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE F z g H s e c g S S h A c tu d k m p m is K te A S N h fü h S re e W s te m d S S w (C (D GRÜNEN]: Aber jetzt müssen Sie kontrollieren!)


ür den Steuerzahler in Deutschland faule Tomaten ein-
ukaufen und hinterher, wenn es ein Problem gibt, zu sa-
en, man könne sie doch wieder verkaufen, das zeugt,
err Kollege Schneider, nicht von besonderem Sachver-

tand. Weil ich weiß, dass Sie es besser wissen, finde ich
s dreist, was Sie nun machen. Sie haben die Verstaatli-
hung mit wehenden Fahnen gefordert. Sie waren be-
eistert von der Verstaatlichung. Sie wollten es so, und
ie wollten auch die Gehaltsregelungen so. Jetzt haben
ie es so. Wir fanden es nicht gut; wir finden es auch
eute nicht gut.


(Nicolette Kressl [SPD]: Dann ändern Sie es doch!)


ber Sie können die Verantwortung für die Verstaatli-
hung der Hypo Real Estate nicht mehr loswerden.

Frau Kressl, Sie wollen damit heute nichts mehr zu
n haben. Sie wollen heute die treibende Kraft sein, die

afür sorgt, dass bei der HRE Gehaltsbegrenzungen
ommen. Warum haben Sie das denn damals nicht ge-
acht? Wir haben damals gefordert: Lasst uns das über-

rüfen; es stimmt nicht alles, was Peer Steinbrück ge-
acht hat. – Darauf haben Sie gesagt: Das stimmt; das
t perfekt. – Heute fällt es Ihnen vor die Füße. Wir als
oalition wollen uns jetzt nicht davonmachen. Wir woll-
n nicht, dass es so weit kommt.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Was wollten Sie denn?)


ber es ist nun unsere Aufgabe, den Schaden für den
teuerzahler zu begrenzen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Jetzt kommen Sie doch mal in der Gegenwart an!)


ur dass sich diejenigen Sozialdemokraten, die gesagt
aben, dass es so kommen muss, und die mit aller Kraft
r die Verstaatlichung der Hypo Real Estate gekämpft

aben, heute vom Acker machen und sich nicht an der
chadensbegrenzung beteiligen, das finde ich unverfro-
n.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir können die Zeit nicht zurückdrehen. Wir hätten
s anders gemacht.


(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Wie denn? Was hätten Sie denn gemacht?)


ir haben Ihnen damals gesagt: Wir sind gegen die Ver-
taatlichung. Wir haben damals Ihre Begeisterung nicht
ilen können. Sie waren lautstark der Meinung: Wenn
an diese Bank verstaatlicht und die Eigentümer hinaus-

rängt, dann macht man das Beste für den Steuerzahler. –
chon damals haben wir daran erinnert, dass Sie dem
teuerzahler damit alle Risiken vor die Füße kippen. Das
ollten Sie so. Jetzt haben wir es so.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Was wollten Sie, Herr Wissing?)






Dr. Volker Wissing


(A) )


)(B)

Wir wollen eine Schadensbegrenzung. Wir wollen, dass
das, was Sie angerichtet haben, für den Steuerzahler
nicht noch teurer wird.


(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Was machen Sie jetzt?)


– Was wir machen? Wir bzw. die Bundesregierung sor-
gen beispielsweise dafür, dass innerhalb der HRE An-
sprüche möglichst nicht gerichtlich geltend gemacht
werden, dass möglichst nicht noch höhere Zahlungen auf
der Grundlage Ihrer Verstaatlichungsentscheidung gel-
tend gemacht werden, damit der Schaden begrenzt wird.


(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Aber jetzt wollen Sie noch ein Gesetz machen!)


Aber das können Sie der jetzigen Regierung nicht vor-
werfen. Da müssen Sie mit sich selbst ins Gericht gehen.

Ich bleibe dabei: Die Sozialdemokraten sind die
HRE-Partei. Die Sozialdemokraten sind die HRE-Ver-
staatlichungspartei.


(Lachen bei der SPD)


Die Sozialdemokraten sollten kleinlaut anerkennen, dass
diese Regierung – das hat man Ihnen im Finanzausschuss
bis ins Detail berichtet; Herr Rehm war anwesend – alles
tut, um verantwortungsvoll mit der Entscheidung der
Vergangenheit umzugehen. Dabei bleibt es auch. Es gibt
keinen Grund, mit dem Finger auf die christlich-liberale
Koalition zu zeigen. Alles, was Sie an der Verstaatli-
chung zu kritisieren haben, können Sie mit Peer
Steinbrück besprechen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706214000

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Gerhard Schick für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Selbstanklage der SPD ist das! – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Man muss hier nicht reden, man kann auch verzichten!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Selbst wenn die Kritik, die wir in den letzten Tagen ge-
hört haben, gerechtfertigt ist, kann man nicht alles, was
bei der Hypo Real Estate passiert ist, den Sozialdemo-
kraten vor den Laden kippen. Es gibt noch andere Ver-
antwortliche. Das muss man in aller Nüchternheit fest-
stellen. In dieser Hinsicht haben Sie etwas übertrieben,
Herr Wissing.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wer hat denn die Aktuelle Stunde verlangt? Das ist doch eine Selbstanklage, was die SPD macht!)


Ich finde aber, dass angesichts der Empörung aus den
Koalitionsfraktionen der Blick zurück durchaus gerecht-
fertigt ist. In der Debatte im Oktober 2008, als es um die
Finanzmarktstabilisierung ging, gab der damalige und

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(C (D eutige Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Kauder, as Versprechen, dass es Konsequenzen für die Gechäftspolitik und das Entlohnungssystem haben muss, enn Eigenkapitalhilfen zur Verfügung gestellt werden. eiter sagte er: „Wir erwarten in den Rechtsverordnunen klare Konsequenzen“. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Ja!)


s muss „eine gesunde Relation zwischen dem eigenen
andeln und Einkommen“ geben,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer Verluste macht, muss Verluste tragen!)


o Herr Kauder. Das haben Sie damals den Menschen
ersprochen. Jetzt stellen wir fest, dass das nicht durch-
esetzt wurde. Empören Sie sich doch bitte nicht nur
ber irgendjemanden in München, sondern fragen Sie
ich, warum das Versprechen Ihres Fraktionsvorsitzen-
en nicht eingelöst wurde.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das Gleiche gilt auch für die SPD. Herr Steinbrück
at damals gesagt – ich zitiere seine Äußerungen zur
SH Nordbank und zu den großzügigen Regelungen
ort –:

Mir fehlt … jegliches Verständnis für die Landesre-
gierungen in Kiel und Hamburg, die hier anschei-
nend beide Augen zudrücken wollten.

ber die Pensionszahlungen an Herrn Wieandt, die wir
eute kritisieren, sind nur möglich gewesen, weil der da-
alige Finanzminister Steinbrück beide Augen zudrü-

ken wollte. Er hat Garantien ausgereicht, ohne die Kon-
olle übernehmen zu wollen. Das ist ein Fehler. Fehler
arf man auch als solche benennen. Dazu müssen Sie
tehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: So ist das!)


h würde mich freuen, wenn Herr Steinbrück in dieser
ebatte anwesend wäre.


(Florian Toncar [FDP]: Er schreibt gerade ein Buch!)


tatt durch die Republik zu touren und eine Lesung zu
alten, könnte er uns hier erklären, warum seine Finanz-
olitik unterm Strich ein Desaster war.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Angesichts der Pensionszahlung muss man feststel-
n: Es ist eine Selbstbedienung zulasten des Steuerzah-
rs, was hier passiert. Das Verhältnis zwischen der Leis-
ng und dem, was man dafür bekommt, stimmt nicht
ehr, wenn jemand, der 19 Monate in einem Institut ar-





Dr. Gerhard Schick


(A) )


)(B)

beitet, nachher eine jährliche Rente von 240 000 Euro
kassieren kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU)


Nun ist es ja nicht so, dass es hier keine großkoali-
tionäre Empörung gab. Davon konnte man in den letzten
Tagen einiges merken. Ich möchte Ihnen aber sagen:
Dieses Haus ist kein Empörungstempel, sondern hier
tagt eine gesetzgebende Versammlung. Deshalb erwar-
ten wir, dass die Bundesregierung jetzt einen Gesetzent-
wurf vorlegt und diese Zahlungen korrigiert, damit so et-
was in den vom Staat geretteten Banken nicht mehr
möglich ist. Das ist unsere Forderung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich möchte aber auch die Verantwortung jenseits der
Gesetze ansprechen. Ich glaube, dass ein Land, dessen
wirtschaftliche Elite jeden Bezug zur Realität verloren
hat, keiner guten Zukunft entgegensieht. Deswegen
möchte ich von dieser Stelle aus als Volksvertreter ganz
bewusst einen Appell an Herrn Dr. Wieandt richten
– vielleicht können Sie sich diesem Appell an-
schließen –: Ich fordere Sie, Herr Wieandt, auf, auf so
eine Pensionszahlung zulasten der Steuerzahler, die nie-
mand in diesem Land versteht, zu verzichten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)


Es gibt eben beide Verantwortungen, und ich finde es
wichtig, dass in dieser Debatte beide Verantwortungen
deutlich werden. Es gibt auf der einen Seite die Verant-
wortung des Gesetzgebers. Er darf sich nicht nur vor den
Fernsehkameras empört zeigen, sondern hat als Gesetz-
geber und Kontrolleur der staatlichen Banken seine Ar-
beit zu leisten. Diesbezüglich haben Sie bisher nicht ge-
liefert. Auf der anderen Seite gibt es die Verantwortung
der wirtschaftlichen Elite dieses Landes, soziale Markt-
wirtschaft nicht nur in evangelischen Akademien zu pre-
digen, sondern im täglichen Geschäft auch wirklich zu
leben. Auch daran fehlt es in diesem Land.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706214100

Nächster Redner ist der Kollege Norbert Barthle für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1706214200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Ich will noch einmal daran erinnern,
dass diese Aktuelle Stunde von der SPD-Fraktion bean-
tragt wurde. Eigentlich geht es um zwei Punkte, um die
Garantien für die HRE und um die Bonizahlungen.

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(C (D (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und um Steinbrück!)


h meine, dass man diese zwei Bereiche zunächst ein-
al auseinanderhalten und getrennt beleuchten muss.

Ich komme zum ersten Punkt, zu den Garantien. Es
eht um die HRE. Ich darf uns alle daran erinnern, dass
s eine Zeit gab – das war noch zur Zeit der Großen Ko-
lition –, in der wir hier gemeinsam beschlossen haben,
ystemrelevante Banken vor der Insolvenz zu bewahren.
h meine, das war ein kluger und weiser Beschluss, ge-
agen von der Großen Koalition. Wir hatten damals die
leite der großen amerikanischen Bank Lehman vor Au-
en. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie der damalige
inanzminister Peer Steinbrück uns allen klargemacht
at, was eine solche Insolvenz für Deutschland bedeuten
ürde, indem er die Auswirkungen der Insolvenz der
ehman-Bank auf die HRE übertragen hat.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst einmal hat er gesagt, dass das bei uns nicht passieren kann! – Gegenruf des Abg. Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das war noch davor! Der hat alles gesagt, die ganze Palette!)


h erinnere mich sehr gut, welch schwerwiegende Stö-
ngen nicht nur des Finanzkreislaufs, sondern unserer

esamten Wirtschaft uns vor Augen geführt wurden –
is hin zu der Feststellung, dass viele soziale Siche-
ngssysteme damit ins Wanken geraten oder gar kaputt-

ehen würden.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: So ist das!)


Ich weiß noch sehr gut, dass wir damals darüber nach-
edacht haben, wie man das alles regeln kann. Dann
urde das SoFFin-Gremium mit einem Leitungsaus-

chuss eingerichtet.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat leider nichts zu sagen!)


as war eine kluge Entscheidung; denn dieses Gremium
egleitet die Stabilisierung der Finanzmärkte in einer an-
emessenen Art und Weise.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Ohne Mitbestimmung!)


Ich erinnere mich auch noch sehr gut, dass wir damals
ine Auseinandersetzung darüber hatten, ob wir die HRE
u 100 Prozent übernehmen, also voll verstaatlichen
ollten. Das war die Forderung von Peer Steinbrück und
on der SPD. Wir waren da ordnungspolitisch etwas
urückhaltender. Uns hätte auch ein geringerer Anteil
ereicht; denn wir haben ein ordnungspolitisches Gewis-
en. Wir wollen nicht alles verstaatlichen. Die Entschei-
ung, die wir mitgetragen haben, lautete dann aber: Die
RE wird zu 100 Prozent übernommen.

Nun stelle ich fest, dass sich die SPD Stück für Stück
on allen Entscheidungen, die in der Zeit der Großen
oalition getroffen wurden, verabschiedet.





Norbert Barthle


(A) )


)(B)


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: In die Büsche schlagen!)


Noch im Juli 2009 hat mein geschätzter Kollege Carsten
Schneider die Rettung der HRE vor der Insolvenz hier,
an diesem Rednerpult gerechtfertigt und gelobt. Ich habe
das Protokoll dabei und kann das gerne vorlesen. Heute
fordert er die sofortige Abwicklung dieser Bank. Ich
hoffe, dass er, der nach mir redet, uns erklären wird, wie
das zusammengeht.


(Joachim Poß [SPD]: Ist alles erklärt! – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das soll er einmal erklären!)


Wir als CDU/CSU-FDP-Koalition stehen zu der Ver-
antwortung, die wir damals übernommen haben. Wir
sprechen uns dafür aus, dass die HRE in einem kontrol-
lierten Verfahren ordentlich restrukturiert wird. Zu die-
sem kontrollierten Verfahren gehört auch, dass, wie ich
der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung ent-
nehme, der ich auch Glauben schenke, noch heute Nacht
der Knopf für die Auslagerung der toxischen Papiere in
eine sogenannte Bad Bank gedrückt wird. Aber – das ist
das Entscheidende – der Kernbereich der Bank bleibt er-
halten. Das ist die Deutsche Pfandbriefbank. Meine Da-
men und Herren, allein mit dieser Aktuellen Stunde be-
schädigen Sie die Aussichten dieser Bank auf künftige
marktgerechte Geschäfte. Was Sie betreiben, ist für uns
volkswirtschaftlich von Schaden. Das muss man an der
Stelle einmal ganz deutlich sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Carsten Sieling [SPD]: So ein Quatsch! – Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie denn hier die Diskussion unmöglich machen? Das geht doch nicht!)


Ich wünschte mir, die Kollegen würden sich an der
Stelle vielleicht einmal Rat bei ihrem Parteifreund
Staatssekretär Asmussen einholen. Der sieht das etwas
anders.

Lassen Sie mich jetzt noch zwei, drei Sätze zu den
Bonizahlungen sagen. Auch dies geht auf ein Gesetz zu-
rück, das der Finanzminister Peer Steinbrück – in Klam-
mern: SPD – erlassen hat.


(Zuruf von der FDP: Aha!)


Da ging es um Maßnahmen zur Begrenzung der Gehalts-
zahlungen und um Rekapitalisierungsmaßnahmen. Über-
sehen hat man damals die Tatsache, dass so etwas viel-
leicht auch bei der Übernahme von großen Garantien
infrage kommen könnte oder sollte. Übersehen hat man
auch, dass es nicht nur um die Vorstandsebene geht, son-
dern dass es vielleicht auch um die zweite und dritte
Ebene gehen kann;


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht! Wir haben damals einen Antrag gestellt und das vorgeschlagen! Sie wollten das nicht!)


Es kann eigentlich nicht sein, dass jetzt in der Vorstands-
ebene weniger verdient wird als in der zweiten oder drit-
ten Ebene, weil dieses übersehen wurde.

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(C (D Was also lernen wir daraus? Auch an der Stelle macht ich die SPD wieder vor ihrer Verantwortung vom cker. Sie äußert hier kein Verständnis für diese Boni ahlungen. Meine Damen und Herren, auch ich habe ein Verständnis für diese Bonizahlungen. enn jemand versagt, müsste es eigentlich einen Malus eben und keinen Bonus. o ist das ganz gesunde Empfinden unserer Bürgerinnen nd Bürger. as müssen wir so zur Kenntnis nehmen; das tun wir uch. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Was tun, nicht nur zur Kenntnis nehmen!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Dr. Carsten Sieling [SPD]: So ist es!)


(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)


Deshalb kann ich an der Stelle wiederum feststellen:
as bleibt unter dem Strich?


(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Nichts!)


ir als bürgerlich-christlich-liberale Koalition


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tun nichts!)


üssen die Fehler wieder ausbügeln, die ein SPD-
inanzminister gemacht hat.

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Sie waren doch in der Großen Koalition! Das ist unter allem Niveau hier!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706214300

Das Wort hat nun der Kollege Carsten Schneider für

ie SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Jetzt sind wir einmal gespannt! – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Jetzt kommt der Abwickler!)



Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1706214400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

s ist heute schon viel zitiert worden und auch auf die
ergangenheit verwiesen worden. Ich kann Ihnen klipp
nd klar sagen, Herr Wissing: Wir als SPD-Fraktion ste-
en zu dem, was wir in den vergangenen Jahren be-
chlossen haben; ganz klar.


(Beifall bei der SPD – Dr. Volker Wissing [FDP]: Warum haben Sie denn dann die Aktuelle Stunde beantragt?)


Mich hätte interessiert, was denn eigentlich damals in
er Frage der Hypo Real Estate Ihre Alternative gewesen
ar.


(Beifall bei der SPD)






Carsten Schneider (Erfurt)



(A) )


)(B)

Wir sind uns in diesem Hause doch sicherlich einig, dass
es eine systemrelevante Bank war.


(Joachim Poß [SPD]: Da müssen Sie klatschen, Herr Barthle!)


Wir hatten Anhörungen im Haushaltsausschuss dazu. Da
haben der Bundesbankpräsident, aber auch der damalige
Chef des SoFFin gesagt: Die Rettung der HRE muss ge-
schehen. – Das war die damalige Sicht.


(Zuruf von der FDP: Das haben Sie gesagt!)


Natürlich weiß ich, dass es heute etwas anders ist – ich
komme noch darauf –, was die Weiterentwicklung der
HRE betrifft. Aber aus der damaligen Sicht gab es zu
dieser Haltung und letztendlich zu der Verstaatlichung
der HRE keine Alternative. Sie haben sich damals als
Opposition sehr schnell in die Büsche geschlagen und
nichts Eigenes vorgeschlagen, meine Damen und Her-
ren.


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP: Natürlich haben wir das! Wir haben doch alles aufgezeigt, was wir wollten!)


Dass Sie das jetzt alles Herrn Steinbrück und der SPD
in die Schuhe schieben wollen, ist geschenkt. Es geht der
FDP-Fraktion in anderen Punkten ja sowieso schlecht
genug; da habe ich kein Mitleid mehr.


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Stehen Sie doch zu dem, was Sie wollten!)


Ich will Ihnen ganz klar sagen: Man muss sich nach
zwei Jahren Finanzmarktgesetzgebung – Rettung und al-
lem, was dann passiert ist – auch fragen: Ist das richtig
gewesen? Gibt es Punkte, bei denen man Veränderungen
vornehmen muss?


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Das haben wir Ihnen damals schon gesagt!)


– Ja, Sie haben immer alles gewusst; klar. Das haben wir
heute zur Kenntnis genommen.


(Nicolette Kressl [SPD]: Jetzt macht er immer noch Opposition! – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Der Schlaumeier!)


Was die Frage der von uns allen sicherlich nicht ge-
wollten – das ist ja so zum Ausdruck gebracht worden –
Bonizahlungen bei der Hypo Real Estate angeht, so be-
ruht ein Teil dieser Boni auf Altverträgen. Ein anderer
Teil geht klar auf Ihre Verantwortung zurück. 8 Millio-
nen Euro sind zu Zeiten der neuen Regierung an neue
Kollegen in der HRE gezahlt worden. Dafür gab es keine
vertragliche Grundlage. Das sind Halteprämien gewe-
sen.


(Beifall bei der SPD)


Das folgt der Logik des Marktes. Die HRE hat einen
schlechten Ruf. Das ist ja so; das will keiner bestreiten.
Wenn man da einen Guten halten will, dann muss man
ihm so viel zahlen wie bei der Deutschen Bank. Das
folgt aber der Logik, dass man diese Bank weiter halten
und entwickeln will,

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(C (D (Dr. Volker Wissing [FDP]: Das stimmt nicht! Das ist jetzt falsch!)


nd das wollen Sie.

Morgen gehen Sie einen weiteren Schritt mit der
ründung der AIDA, der Abwicklungsanstalt, in die Sie
napp 200 Milliarden Euro auslagern wollen. Das ist ein
bwicklungsfall. Dann haben wir noch 150 Milliarden
uro Bilanzsumme der HRE übrig. Darauf wollen Sie
nd Ihre Regierung eine neue Bank gründen, die Deut-
che Pfandbriefbank. Da stellt sich die Frage: Braucht
er Markt diese Bank? Haben wir in Deutschland nicht
enügend Staatsfinanzierer und gewerbliche Immobi-
enfinanzierer, dass der Bund ins Risiko gehen muss
nd diese Bank mit einer horrenden Bezahlung, mit
euen Werbebroschüren, die gedruckt werden müssen,
nd weiteren Implikationen entwickeln muss?


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben doch das Risiko aufgebaut!)


der ist für den Bund, den Steuerzahler etwas anderes
ünstiger? Das muss man sich überlegen, darüber muss
an diskutieren. Wir sind doch hier ein Ort der Mei-

ungsbildung und kein Ort, wo wir etwas vorgesetzt be-
ommen und nichts dazu sagen.


(Beifall bei der SPD – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Unverantwortlich ist das! – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Unter jedem Niveau!)


Ist für den Bund also vielleicht etwas anderes günsti-
er? Ich verweise auf die Kommunikation mit dem Par-
ment. Die 40 Milliarden Euro an neuen Garantien für
ie HRE wurden hier ja angesprochen. Das war wirklich
ine Sauerei; entschuldigen Sie, Frau Präsidentin, den
usdruck. Es ist nicht zu akzeptieren, dass wir darüber
icht informiert werden.


(Beifall bei der SPD)


ber dass es gegenüber dem Finanzmarkt nicht einmal
ine Information gab, ist der entscheidende Punkt und
eigt mir, dass der Markt kein Vertrauen in die Bank hat.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ihre Rede führt dazu!)


Ich persönlich glaube, dass es für den Steuerzahler
ünstiger ist, jetzt zu sagen: Wir ziehen einen Schluss-
trich, wir beteiligen uns nicht mehr an der Logik des

arktes


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Nein, Sie beschädigen den Markt!)


nd entwickeln keine neue Bank, die wir in vier oder
nf Jahren eventuell zu einem niedrigen Preis verkaufen

önnen. In der Marktwirtschaft gibt es ja Angebot und
achfrage. Es gibt von der WestLB über die Bayern LB
nd Banken, die in England und Europa auf den Markt
ommen, kein Geschäftsmodell, das große Rendite
ringt.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das können Sie nie mehr gutmachen, was Sie machen!)






Carsten Schneider (Erfurt)



(A) )


)(B)

Das heißt, es wird keine Käufer geben, die einen Preis
zahlen, der dem entspricht, was wir als Eigenkapital hin-
einstecken.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das steht Ihnen doch gar nicht zu, die Bank runterzumachen! – Gegenruf des Abg. Joachim Poß [SPD]: Macht doch keiner!)


Dann muss man sich doch die Frage stellen: Ist es viel-
leicht nicht günstiger, die Bank generell abzuwickeln?
Das muss man überlegen. Ich persönlich bin da festge-
legt; in meiner Partei gibt es Meinungsbildung. Es
stünde Ihnen gut an, das zu erwägen.

Ich habe mir Ihren Gesetzentwurf angeschaut.


(Zuruf des Abg. Leo Dautzenberg [CDU/ CSU])


– Herr Dautzenberg, kennen Sie diesen Gesetzentwurf? –
Mir liegt der Kabinettsbeschluss von vor zwei Tagen
vor. Darin geht es um die SoFFin-Nachfolgeeinrichtung.
Ich habe im Finanzmarktgremium – das kann ich sagen,
das ist nicht geheim – vor einer Woche gefragt, ob die
Bundesregierung darüber nachdenkt, die Möglichkeiten
der Garantien und der Rekapitalisierung auch vor dem
Hintergrund der zusätzlichen Milliardengarantien an die
HRE zu verlängern.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist ein Spiel mit dem Geld der Steuerzahler, was Sie machen!)


Da hieß es Nein. Das war vor einer Woche. Jetzt schau
ich in diesen Gesetzentwurf und sehe: Für genau zwei
Banken, WestLB und HRE, nämlich die, die AIDAs, die
Abwicklungsanstalten, gegründet haben, werden hier
Garantien in Höhe von 300 Milliarden Euro neu ausge-
bracht oder verlängert und 50 Milliarden Kapitalzu-
schüsse. Dann frage ich mich: Wie kommt es zu diesem
Wechsel? Das ist noch nicht Ihr Beschluss, aber


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das ist doch kein Wechsel!)


ein Wechsel der Positionen. Es heißt nämlich, im Kern
behalten Sie sich vor, diese Möglichkeit ins Auge zu fas-
sen.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Die Frage war nach neuen Garantien!)


Ich meine, wir sollten im Bundestag eine Entschei-
dung treffen – nicht nur die Regierung –, die den Steuer-
zahler so weit wie möglich schont.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie schaden dem Steuerzahler!)


Sie haben sich in der letzten Regierung gewehrt, als wir
gesagt haben: Wenn es ein Minus aus dem Rettungs-
fonds gibt, zahlen das die Banken. Dazu haben Sie Nein
gesagt. Wir sind dafür, dass die Banken das zahlen. Das
wäre dann auch ein Nullsummenspiel für den Steuerzah-
ler. Meine Damen und Herren, es liegt an Ihnen.


(Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Unglaublich! – Leo d u k M P te S D d b m R R z H s b Ic ru k D F A D – K d (C (D Dautzenberg [CDU/CSU]: Das war wieder teuer für den Steuerzahler! – Dr. Volker Wissing [FDP]: Absurd!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706214500

Nächster Redner ist der Kollege Florian Toncar für

ie FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Florian Toncar (FDP):
Rede ID: ID1706214600

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

nd Kollegen! Vor knapp 2000 Jahren schrieb der be-
annte römische Dichter Ovid sein Hauptwerk, die
etamorphosen. Im Jahr 2010 schreibt der bekannte

ädagoge aus Niedersachsen Sigmar Gabriel den zwei-
n Teil der Metamorphosen, die Metamorphosen der
PD.


(Joachim Poß [SPD]: Was soll das denn? – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Hat er auch Argumente oder nur Zitate?)


er Unterschied ist: Ovid kam mit 15 Büchern aus, in
enen rund 250 mythische Geschichten enthalten waren;
ei Ihrer Entwicklung kommen Sie in absehbarer Zeit
it 15 Büchern und 250 Mythen beileibe nicht über die
unden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie verabschieden sich sozusagen im täglichen
hythmus von bekannten Positionen Ihrer Regierungs-
eit. Dies betrifft Hartz IV, die Rente mit 67 und jetzt die
RE. Es ist eigentlich keine Überraschung, wenn man

ieht, wie Sie sich in den letzten Monaten gewandelt ha-
en.


(Joachim Poß [SPD]: Das haben Sie gerade nötig!)


h kann das verstehen. Sie scheinen sich für Ihre Regie-
ngsarbeit zu schämen. Das ist Ihnen unangenehm; das

ann ich nachvollziehen.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Wie sind denn im Moment die Umfragen? – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Das hat niemand hier gesagt!)


eswegen muss man, vielleicht auch im Kontext der
inanzmarktstabilisierung, sagen: Die vermutlich größte
bwicklungsanstalt Deutschlands heißt derzeit SPD.
as stellen wir im Moment fest.


(Joachim Poß [SPD]: Dass Sie die Backen so aufblasen, nachdem Sie ein Jahr lang nur rumgegurkt haben, ist interessant!)


Die Bundesregierung zieht übrigens in diesem Herbst
das wird hier im Bundestag beraten – entscheidende
onsequenzen aus dem Fall der Hypo Real Estate und
er staatlichen Reaktion auf die Finanzkrise.


(Joachim Poß [SPD]: Sie sind eine Gurkentruppe, aber hier haben Sie so eine große Klappe! – Gegenruf des Abg. Dr. Volker Florian Toncar )





(A) )

Wissing [FDP]: Immer mit der Ruhe da drü-
ben! Ihr habt elf Jahre herumgegurkt!)

Das Stichwort heißt „Restrukturierungsgesetz“.


(Joachim Poß [SPD]: Sie sind ein Mitglied der Gurkentruppe! Sie sollten hier nicht so die Backen aufblasen!)


Mit diesem Gesetz werden all die Instrumente, die der
Staat vor zwei Jahren nicht zur Verfügung hatte


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: So ist das!)


und die Sie bis letztes Jahr auch nicht schaffen konnten,
weil Sie sich innerhalb der Großen Koalition uneinig
waren,


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Na ja, das stimmt so aber nicht!)


geschaffen. Das heißt mehr Prävention im Hinblick auf
Bankenkrisen, das heißt mehr Eingriffsbefugnisse für die
Aufsicht in Fällen, in denen wirklich etwas schiefläuft,


(Nicolette Kressl [SPD]: Na ja! Das wird sich dann zeigen!)


und das heißt letzten Endes auch ein Auffangmodell, das
erstens von den Banken bezahlt wird und zweitens die
Haftung von Eigentümern und Gläubigern wiederher-
stellt. Diese Koalition handelt, und sie beseitigt viele der
Ursachen, die zu dieser Krise geführt haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich finde es bemerkenswert, dass Sie mehr oder weni-
ger offen einräumen, dass sich Peer Steinbrück an vielen
Stellen getäuscht hat.


(Nicolette Kressl [SPD]: Wie bitte? Der Entwurf ist die Steinbrück-Vorlage zur Restrukturierung! – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Steinbrück ist der Einzige, der einen Rahmen geschaffen hat! Das wissen Sie doch! Sie haben sich in die Büsche geschlagen!)


Ich will zwei Punkte erwähnen, die heute noch nicht an-
gesprochen worden sind. Es war Peer Steinbrück, der
340 Millionen Euro gezahlt hat.


(Joachim Poß [SPD]: Herr Kollege, Sie sind der größte Schlaumeier, der hier herumläuft!)


– Ich weiß, das trifft Sie, Kollege Poß; aber es ist die
Wahrheit. – Sie haben 340 Millionen Euro aus Steuer-
mitteln gezahlt bzw. Schulden aufgenommen, um Altak-
tionäre auszuzahlen oder aus einer schon damals wertlo-
sen Bank herauszukaufen. Das haben Sie gemacht.
Damals flossen 340 Millionen Euro an Aktionäre – nicht
einmal in die Bank, sondern an die Altaktionäre –, und
zwar dafür, dass der Bund eine wertlose Bank überneh-
men kann.


(Joachim Poß [SPD]: Auf Anraten der Bundesbank!)


Das rechtfertigen Sie hier auch noch! Ich glaube, dass
bei Ihnen wirklich einiges schiefgelaufen ist.


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(C (D (Beifall bei der FDP – Joachim Poß [SPD]: Auf Anraten Ihres Parteifreundes Thiele und der Bundesbank! – Gegenruf des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU]: Na, na, na! Das ist aber ein schlechtes Argument, Herr Kollege! – Gegenruf des Abg. Joachim Poß [SPD]: Wieso? Die Bundesbank war doch dafür!)


Das ist schon lange vorher passiert, Kollege Poß. Se-
en Sie sich die zeitlichen Abläufe noch einmal an!


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Damals war der noch gar nicht da, Herr Kollege Poß! Anders als Sarrazin! Der war schon da! – Joachim Poß [SPD]: Ach! Das hat doch mit dem Thiele nichts zu tun! – Lachen bei der FDP – Joachim Poß [SPD]: Die Bundesbank war dafür! Jeder bei der Bundesbank hat das vertreten! Oder etwa nicht?)


Auch ein weiterer Aspekt ist bemerkenswert. Im Zu-
ammenhang mit der Verstaatlichung der HRE im
ahr 2009 hat Peer Steinbrück im Bundestag mit drama-
schen Worten gesagt, dass der Bund zu 100 Prozent an
er HRE beteiligt sein muss, dass er also Alleineigentü-
er werden muss. Dafür hat er auch einen Grund ge-

annt. Peer Steinbrück hat immer wieder gesagt – das
ann man anhand der Protokolle belegen –: Wir müssen
ine 100-prozentige Verstaatlichung durchführen, weil
ie HRE nur so an den Finanzierungskonditionen des
undes teilhaben kann.

Die Realität von heute ist jedoch, dass sich diese Vor-
ersage nicht einmal im Ansatz erfüllt hat. Die HRE ist

mer noch weit von den Finanzierungskonditionen des
undes entfernt. Der deutschen Öffentlichkeit wurde
on Peer Steinbrück unter Vorspiegelung falscher An-
ahmen ein Gesetz präsentiert, in dessen Folge über-
aupt nichts so gekommen ist, wie er es erwartet hat.


(Nicolette Kressl [SPD]: Was sagt denn Herr Dautzenberg zu dieser Rede?)


ie Folgen dieser Fehleinschätzungen haben wir heute
u tragen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir zahlen die Schulden!)


Es ist sicherlich richtig, dass die HRE systemrelevant
ar und ist.


(Joachim Poß [SPD]: Sie kritisieren Ihren Koalitionspartner jetzt aber sehr hart!)


Ich stelle nur fest, was in den letzten Jahren geschehen
t; jetzt komme ich zur Zukunft, Kollege Poß. – Wir
üssen einen Weg finden, diese Bank nicht unkontrol-
ert in die Insolvenz zu schicken, die Sie nie wollten und
ie für den Markt auch schädlich wäre. Wir müssen die-
es Konstrukt Stück für Stück vom Markt nehmen,


(Klaus Brandner [SPD]: Das ist aber schwer!)


ie Risiken für die Steuerzahler reduzieren und ihre Inte-
ssen so weit wie möglich wahren. Wir müssen im Inte-
sse der Steuerzahler das Beste aus dieser Entwicklung
achen.





Florian Toncar


(A) )


)(B)

Es ist wichtig, festzustellen: Die Bilanzsumme der
Bank ist bereits geschrumpft. In dieser Woche werden
mehr als 60 Prozent des Volumens der Bank auf eine
Abwicklungsanstalt übertragen; wenn diese Operation
gelingt, wäre das ein beträchtlicher Erfolg,


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!)


weil die Refinanzierung dadurch nachhaltig stabilisiert
würde.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Die Kernbank, die übrig bleibt, wird nach ihren eigenen
Geschäftsplänen weiter schrumpfen. Das heißt, ein gro-
ßer Teil, ungefähr drei Viertel der Bank, wird entweder
abgewickelt oder läuft aus, und Neugeschäft wird nur
ausgesprochen zurückhaltend betrieben.


(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Das ist aber die schrittweise Annäherung!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Frage, die sich
jetzt stellt, lautet: Ist das Neugeschäft der Bank etwas,
das wir wollen, weil es uns Chancen eröffnet, oder et-
was, das wir nicht wollen? Diese Regierung sagt: Da wir
die Interessen des Steuerzahlers zu vertreten haben, müs-
sen wir alles dafür tun, dass zumindest der gute, verwert-
bare Teil der Bank eines Tages verkauft werden kann. –
Ich warne Sie vor der Annahme – sie ist nämlich falsch –,
dass eine komplette Abwicklung, die übrigens nicht rea-
listisch ist, billiger wäre und man dem Steuerzahler da-
mit irgendeinen Gefallen täte. Das Gegenteil ist der Fall.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Herr Kollege Schneider, weil Sie dieses Thema ange-
sprochen haben, sage ich Ihnen: Es ist mitnichten so,
dass man bei einer Abwicklung keine Mitarbeiter mehr
braucht. Gerade bei einer Abwicklung braucht man aus-
gesprochen qualifizierte Mitarbeiter, die sich gut ausken-
nen. Es macht nämlich einen Unterschied, ob der Scha-
den bei einer Abwicklung groß, mittelgroß oder klein ist.
Das hängt nicht zuletzt auch davon ab, wer abwickelt
und wie gut.


(Dr. Carsten Sieling [SPD]: Aha! Und deswegen die Boni, ja?)


– Das haben Sie gesagt, Herr Kollege, nicht ich. Meine
Äußerungen dazu haben Sie gelesen. Die Logik, dass
man keine guten Mitarbeiter mehr braucht, wenn man
das Ganze abwickelt, ist schlicht und ergreifend falsch;
das Gegenteil ist nämlich der Fall.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706214700

Achten Sie bitte auf die Redezeit, Herr Kollege.


Dr. Florian Toncar (FDP):
Rede ID: ID1706214800

Deswegen ist das, was diese Regierung tut, im Inte-

resse des Steuerzahlers. Das, was Sie tun, ist nur ein wei-
terer Akt in Ihren Metamorphosen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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(C (D Nun hat das Wort der Kollege Lothar Binding für die PD-Fraktion. Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! iebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben morgen in rster Lesung ein Gesetz hierzu zu beraten, und wir haen eben viel über Steinbrück gehört. Interessant ist, ass der Teil der Restrukturierungsklausel, die in dem esetz vorhanden ist, maßgeblich – vielleicht zu 5 Prozent – aus der Feder von Steinbrück und Zypries tammt. Das ist eine interessante Fortsetzung einer falchen Politik, die Sie hier doch reklamieren. (Florian Toncar [FDP]: Sie sind also begeistert!)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706214900

(Beifall bei der SPD)

Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1706215000

In Wahrheit reden wir über Steinbrück, weil er damals
ehandelt hat. In Wahrheit reden wir heute nicht über die
egierungskoalition, weil sie eben nicht handelt. Herr
issing hat das demonstriert.


(Beifall bei der SPD)


r hat zwar ganz viel über die Vergangenheit geredet,
ber keinen Ton dazu gesagt, was in dieser Lage konkret
assieren soll. Er hat sogar gesagt, wir hätten uns in die
erstaatlichung verliebt – er hat das nicht wörtlich ge-
agt –, aber gemeint, das sei unserer Meinung nach ein
lles Projekt von uns gewesen. Die Antwort ist ganz an-

ers: Wir wollten nicht verstaatlichen, sondern wir woll-
n retten.


(Ulrike Flach [FDP]: Sie wollten die Zerschlagung!)


etten ist etwas ganz anderes. Das Mittel die Verstaatli-
hung kann das richtige Mittel sein.


(Beifall bei der SPD)


Es ging darum, eine Systemkrise abzumildern, den
fandbrief zu retten. Es ging auch um viele Kunden der
ank


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Darum geht es heute auch noch, aber er will die Abwicklung! Sie widersprechen doch dem Kollegen Schneider!)


darum geht es auch jetzt noch – und um das Wirt-
chaftswachstum, von dem besonders ihr euren Stolz ab-
itet. Das geht auf solche Maßnahmen zurück.

Trotzdem muss man zugeben: Wir haben uns in einer
estimmten Phase geirrt. Wir haben ein Gesetz gemacht,
dem steht, dass wir Vorstandsgehälter kleiner gleich

00 000 Euro festlegen wollen. Ganz ehrlich: Auch ich
abe mich geirrt. Ich hätte nicht gedacht, dass die Leute,
r die man das Gesetz macht, auf die Idee kommen, die-

es Gesetz zu unterlaufen, indem in der zweiten Reihe
lötzlich Gehälter gezahlt werden, die höher sind als die,
ie man für die erste Riege hat regeln wollen. Das
onnte ich mir nicht vorstellen; das muss ich ehrlich sa-
en.





Lothar Binding (Heidelberg)



(A) )


)(B)


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/ CSU: Eine ehrliche Antwort!)


Daraus mache ich Peer Steinbrück keinen Vorwurf. Das
ist eine Frage von Anstand, ob man ein Gesetz so oder so
unterläuft.

Jetzt wird natürlich gefordert, das alles zu regeln.
Man kann alles regeln. Dann heißt es aber wieder, die
Regelungsdichte sei zu hoch und die Regelungswut sei
überbordend. Ich will ehrlich sagen: Wenn wir alles re-
geln müssen, weil alles getan wird, was nicht verboten
wird, wenn alles erlaubt ist, was nicht explizit verboten
wird, dann werden wir eine Gesetzgebung haben, mit der
niemand in dieser Gesellschaft mehr zurande kommt.
Ich glaube, wir müssen den Bürgern und sogar Leuten,
die in der Bank arbeiten, eine gewisse Eigenverantwor-
tung zuschreiben, sonst funktioniert das gesamte System
nicht.


(Beifall bei der SPD)


In welcher Lage sind wir heute? Das haben wir schon
gehört. Die HRE überträgt 191 Milliarden Euro auf eine
Abwicklungsbank, nämlich auf die Finanzmarktstabili-
sierungsanstalt, die FMS Wertmanagement. Das ist ein
mutiger Begriff für das, was da passiert. Aber es deutet
in die Richtung, in die wir gehen wollen.

Eine Situation beschreibt ein bisschen das Verhältnis
zwischen Regierung und Parlament. Ich fand die Art,
wie der Parlamentarische Staatssekretär Kampeter uns
informiert hat, sehr grenzwertig.


(Zuruf von der LINKEN: So ist er!)


Er hat das in einer Weise getan, die uns vielleicht hinters
Licht hätte führen sollen, wenn es nicht rechtzeitig auf-
gefallen wäre. Ich glaube, da muss noch sehr viel mehr
Transparenz hineinkommen.

Welche Risiken gibt es in diesem Kontext noch? Wir
haben risikogewichtete Aktiva in Höhe von 191 Milliar-
den Euro, die jetzt übertragen werden. Es gibt ein Kurs-
schwankungsrisiko, das heute noch gar nicht abgeschätzt
werden kann, in Bezug auf den US-Dollar und das engli-
sche Pfund. Es gibt Staatsanleihen, die in besicherten
Refinanzierungstransaktionen ausgegeben werden, die
unterlegt werden müssen. Die EZB-Offenmarktge-
schäfte sind noch nicht in der notwendigen Weise refi-
nanziert. Das ist ein erneutes Risiko. Ich beschreibe nur
ein bisschen die Innensicht der Bank.

Die Frage ist auch: Wie verändert sich eigentlich die
Bonität der Staatsanleihen? Denn bei einer Änderung der
Bonität der Staatsanleihen ändert sich auch der Credit
Spread, der Diskontaufschlag. Das erhöht den Liquidi-
tätsbedarf und bringt die Bank unter dramatischen
Druck. Was machen verantwortliche Banker, die diesen
Druck aus der Innensicht der Bank kennen, in dieser
Phase? Sie erhöhen sich die Boni. Das Problem ist der
Widerspruch im unterschiedlichen Umgang mit der Ver-
antwortung für das Ganze und für das Eigene. Ich
glaube, wer diesen Widerspruch nicht auflöst, hat zu-
künftig ein großes Problem. Deshalb sehe ich auch eine
große Verantwortung für ein ordentliches Gesetz, mit
dem dies überwunden wird. Deshalb meine ich: Die Re-

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(C (D ierung muss aktiv werden und kann sich nicht hinter em verstecken, was der Kollege Wissing gesagt hat, eil das den Niedergang bedeuten würde. Deshalb will ich noch einmal betonen, dass die Entcheidungen, die die Große Koalition damals getroffen at, sehr gut für die Stabilisierung der Situation waren; as kann man auch im Nachhinein sagen. Wenn sich die ituation jetzt wieder ändert, dann muss man ein neues chönes Gesetz machen, das wir in zwei Jahren dann offentlich nicht so kritisieren wie das jetzige. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD – Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Was wollte uns der Redner damit sagen?)


(Beifall bei der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706215100

Für die Bundesregierung hat das Wort Herr Parlamen-

rischer Staatssekretär Steffen Kampeter.

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Steffen Kampeter (CDU):
Rede ID: ID1706215200


Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Politik hat viel mit Verantwortung zu tun. Wer
der Politik tätig ist, der muss bereit sein, Verantwor-
ng zu übernehmen. Regieren hat besonders viel mit
erantwortung zu tun. Wer allerdings nicht bereit ist, zu
en von ihm verantworteten politischen Entscheidungen
u stehen, der ist politik- und regierungsunfähig. Mit je-
em Redebeitrag der Sozialdemokratischen Partei wurde
iese These hier heute nachhaltig belegt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und jedem Beitrag aus der Union genauso! Da sollten Sie aber auch einmal ehrlich sein!)


ass sich die Partei Die Linke, die das Bonusproblem
res Parteivorsitzenden ja über Wochen diskutiert hat,

ier auch noch zum moralischen Wächter aufschwingt,
t ein nettes Aperçu in dieser Debatte.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Roland Claus [DIE LINKE]: Gern geschehen!)


Die Bundesregierung steht zu der Entscheidung, über
ie Stabilisierungsmaßnahmen bei der Hypo Real Estate
chaden vom Finanzmarkt und Schaden von den Steuer-
ahlerinnen und Steuerzahlern der Bundesrepublik
eutschland abzuwenden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ie Entscheidung war richtig, und sie war im Interesse
es Finanzplatzes Deutschland und zur Abwendung von
eiteren Schäden nachhaltig verantwortbar.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viele Milliarden sind denn jetzt schon weg?)






Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter


(A) )


)(B)

Die Instrumente im Finanzmarktstabilisierungsgesetz,
die wir dazu angewandt haben, sind im Konsens zwi-
schen den damaligen Koalitionspartnern entwickelt wor-
den. Ich möchte hiermit ausdrücklich meinen Respekt
gegenüber unserem neuen Koalitionspartner dafür aus-
sprechen, dass er die damals getroffenen Entscheidungen
mitträgt und auch bereit ist, Verantwortung für Dinge zu
übernehmen, die er seinerzeit nicht ganz optimal gefun-
den hat. Das ist verantwortungsvolle Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Lob der Anpassung ist das! – Joachim Poß [SPD]: Wissing ist rausgegangen!)


Wo stehen wir heute? – Es ist bereits darauf hingewie-
sen worden, dass durch diese Aktuelle Stunde offenkun-
dig davon abgelenkt werden soll, dass in Kürze, wahr-
scheinlich in dieser Nacht, eine der erfolgreichsten und
notwendigsten, aber auch kompliziertesten Transaktio-
nen in der Finanzgeschichte der Bundesrepublik
Deutschland über die Bühne gehen wird. Alle Steuerzah-
lerinnen und Steuerzahler in Deutschland müssen wis-
sen: Der Erfolg dieser Transaktion ist wichtig, um Scha-
den für die deutsche Politik und für die deutsche
Volkswirtschaft abzuwenden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wenn man 192 Milliarden Euro in einen Hochsicher-
heitstrakt für Finanzmüll überführt, dann ist das keine
simple, sondern eine hochkomplexe Leistung.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was kostet das den Steuerzahler?)


Was dort in den letzten Monaten vorbereitet worden ist,
ist trotz der schwierigen Ertragssituation eine wichtige
Leistung, die wir nicht mit einer Art von Populismus und
Opportunismus begleiten sollten, wie wir es von Teilen
dieses Hauses hören, sondern mit Respekt und mit einer
Hoffnung auf deren Erfolg. Wir als Bundesregierung
und als Deutscher Bundestag haben ein existenzielles In-
teresse an dem Erfolg der Stabilisierung der Hypo Real
Estate.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich will auch überhaupt gar keinen Zweifel daran las-
sen, dass es richtig war, die Bank nicht abzuwickeln. Es
war damals in der Großen Koalition unsere Auffassung,
dass das für den Steuerzahler die nachhaltig teurere Lö-
sung wäre, und wir haben keinen Anlass, von dieser Be-
urteilung heute abzurücken. Wir handeln so im Interesse
des Bundeshaushalts und im Interesse unserer Volkswirt-
schaft.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte meinen Respekt all denjenigen zollen, die
diese Finanzmarktstabilisierung in den vergangenen
zwei Jahren zu einem Erfolg geführt haben,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Wo ist denn der Erfolg bei der HRE?)


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(C (D eispielsweise den Mitarbeitern im Finanzministerium, der BaFin, aber auch im SoFFin. Wegen mancher Begrifflichkeiten in dieser Debatte ill ich aber auch nicht unerwähnt lassen, dass diejenien, die heute in der HRE arbeiten, nicht diejenigen ind, die die HRE in die Situation geführt haben, dass sie erettet werden musste. Dort sind nicht mehr die Brandtifter an der Spitze, sondern viele sind dabei, die Aufumarbeiten zu erledigen. Ich finde, wir sollten sie nicht r die Versäumnisse ihrer Vorgänger in Haftung nehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Gibt es jetzt neue Boni?)


Ich glaube, dass die Sozialdemokraten vergessen
aben, was die Grundlagen für die derzeitigen Vergü-
ngsregelungen sind. Wir haben im Finanzmarktstabili-

ierungsgesetz eine bewusste Entscheidung für die Be-
renzung der Vergütungen auf Vorstandsebene getroffen.
llen, die daran beteiligt waren, war klar, dass dies für
ie erste Ebene gilt, weil wir zu diesem Zeitpunkt nicht
mfassend in Vertragsfreiheit und in Vertragsbestands-
chutz eingreifen wollten.

Dem Kollegen von der SPD-Fraktion, der hier heute
rklärt hat, er habe es nicht gewusst, muss ich ehrlich sa-
en: Dann hat er seine Aufgabe im Haushaltsausschuss
der vergangenen Legislaturperiode wohl nicht voll-

mfänglich und verantwortlich wahrgenommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Er hat gesagt, er hat sich geirrt!)


Lieber Herr Kollege Poß, was wir damals beschlossen
aben, war Ihnen in den Konsequenzen genauso klar.


(Joachim Poß [SPD]: Ich habe das auch nicht gesagt!)


ie sollten bitte an dieser Stelle nicht vergessen, dass der
chutzpatron der Bonuszahlungen der Hypo Real Estate
itglied Ihrer Bundestagsfraktion ist.


(Zuruf von der FDP: Hört! Hört!)


Im August 2009 – dies stammt aus einer ddp-Mel-
ung – hat der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück die
onuszahlungen in Höhe von 500 000 Euro an den Vor-

tandschef der Hypo Real Estate, Axel Wieandt, mit den
orten verteidigt:

Herr Wieandt ist der Feuerwehrmann, der bei der
Hypo Real Estate einen überaus schwierigen Job
macht – und ich bin froh, dass er da ist.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist der eigentlich, der Steinbrück?)


Sie verhalten sich wie der beim Einbruch erwischte
ieb, der dann ruft: Haltet den Dieb! Meine sehr verehr-
n Damen und Herren, so kann man mit der deutschen
ffentlichkeit allen Ernstes wirklich nicht umgehen.





Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter


(A) )


)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Was hat sich mit dieser neuen Bundesregierung an
den Vergütungsstrukturen


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das ist eine neue Lage!)


in dem von uns stabilisierten Bereich geändert?


(Florian Pronold [SPD]: 7 Millionen mehr!)


Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, dass der Ver-
treter des Bundes im Aufsichtsrat der Hypo Real Estate
Ende des vergangenen Jahres gefordert hat, die Einmal-
zahlungen, die bei der Hypo Real Estate aufgrund von
Altverträgen vor Einstieg des Bundes geleistet werden
müssten, einer Überprüfung zuzuführen. Am Ende die-
ser Überprüfung steht ein anderes Vergütungssystem,
das sich an den drei Kriterien, die wir im Deutschen
Bundestag festgelegt haben, orientiert: Transparenz,
Nachhaltigkeit und Angemessenheit.

Es war im Übrigen auch die letzte Bundesregierung,
die im Rahmen des SoFFin erstmals für das Finanzwe-
sen Vergütungsstrukturen festgelegt hat; sie sind dann
von der BaFin aufgegriffen worden, und international
haben sie Eingang in den Financial Stability Report ge-
funden. Wir strukturieren die Vergütungen in der HRE
grundlegend um. Dies geschieht nicht schon seit der
letzten Legislaturperiode, sondern es war Wolfgang
Schäuble, der diese Maßnahmen wenige Wochen nach
seinem Amtsbeginn eingeleitet hat. Entsprechend kön-
nen wir hier jetzt sehr selbstbewusst feststellen: In der
letzten Legislaturperiode war kein politischer Wille vor-
handen, mehr zu machen. In dieser Legislaturperiode
hingegen ist der politische Wille in Handeln umgewan-
delt worden. Das ist die Tatsache, über die hier in dieser
Art und Weise zu berichten ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich gehe davon aus, dass es in diesem Bereich, wenn
wir zukünftige Verträge nach diesen Prinzipien regulie-
ren werden, zu verantwortbaren und kommunikationsfä-
higen Entscheidungen kommen wird.

Wir sind offen für mitnichten die Vertragsfreiheit aus-
hebelnde oder den Bestandsschutz von Verträgen über-
flüssig machende Regelungen. Wir sind offen dafür, dies
auch im Bereich des Restrukturierungsgesetzes zu ma-
chen. Aber ich finde es unangemessen, in populistischer
und opportunistischer Art und Weise die in der Vergan-
genheit getroffenen Entscheidungen so darzustellen, als
ob man an ihnen nicht beteiligt gewesen wäre. Ich
glaube nämlich, dass in einem Punkt die SPD, die So-
zialdemokraten, Farbe bekennen müssen: Sind Sie für
variable Vergütungen, wie Peer Steinbrück sie hier ver-
treten hat, ja oder nein? Sind das nachhaltige Bereiche?
Darüber werden wir in den nächsten Wochen und Mona-
ten streiten müssen.

Zum Schluss will ich sagen, dass ich Ihnen, Herr
Schick, in einem Punkt meinen Respekt zolle. Ich finde
es richtig und unterstütze Sie – das nicht als Mitglied der
Bundesregierung, sondern als Abgeordneter –: Neben
der gesetzlichen Verantwortung haben alle diejenigen,

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(C (D ie in diesem Bereich tätig sind, auch eine private Verntwortung gegenüber unserer Gesellschaft, und ich resektiere und unterstütze Ihren Appell an die Betroffeen, privatwirtschaftlich und freiwillig auf die nach einem Empfinden unanständig erworbenen Ansprüche u verzichten. Herzlichen Dank. Das Wort hat der Kollege Manfred Zöllmer für die PD-Fraktion. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ollegen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Kampeter, ine Lehre sollten Sie aus Ihrem Fauxpas der Fehlinforation ziehen: Sie sollten einfach genauer zuhören, was ier gesagt wird, bevor Sie darauf eingehen. Bis zur Finanzkrise waren die Banker die am besten ezahlte Berufsgruppe überhaupt. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zocker vor allen Dingen!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706215300

(Beifall bei der SPD)

Manfred Zöllmer (SPD):
Rede ID: ID1706215400

(Beifall bei der SPD)


s gab schwindelerregende Gehälter, es gab exzessive
oni,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Spekulanten!)


nd sie waren mit dafür verantwortlich, dass es zu dieser
inanzkrise in diesem Umfang kommen konnte. Die
rinzipien guter Unternehmensführung – auf Neu-
eutsch: Corporate Governance – sind in der Finanz-
ranche auf ganzer Linie missachtet worden. Dies hat
ine Expertenkommission der EU festgestellt. Nun be-
chäftigen wir uns heute mit der HRE. Das, was wir ge-
ört haben, hat eines deutlich gemacht: Die HRE ist ein
anz besonderes Biotop. Ihr Management hat das Unter-
ehmen grandios in die Pleite gewirtschaftet. Der Staat
usste als Retter einspringen. Über die Garantierahmen

aben wir einiges gehört. Überlegen wir doch einmal
urz, was passiert wäre, wenn der Steuerzahler nicht ein-
esprungen wäre. Die Bank wäre nicht mehr existent,
lle arbeitsrechtlichen Verträge wären hinfällig, es gäbe
eder Gehalts- noch Bonizahlungen. Das wäre die Si-
ation.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Aber das Gesamtsystem wäre gekippt, Herr Kollege!)


Das ist völlig richtig. – Ich unterstreiche, dass Peer
teinbrück in der Großen Koalition richtig gehandelt
at.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Wir gemeinsam!)


r hat zu Recht gesagt: Es ging nicht nur darum, eine
ank zu retten, sondern es ging darum, insgesamt den





Manfred Zöllmer


(A) )


)(B)

Kollaps des Finanzsystems in Deutschland mit weitrei-
chenden Konsequenzen zu verhindern. – Das ist gesche-
hen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Leo Dautzenberg [CDU/CSU])


Ich frage mich: Wo würden wir heute eigentlich stehen,
wenn wir den Vorschlägen der FDP gefolgt wären? Das
will ich mir überhaupt nicht ausmalen.


(Beifall bei der SPD)


Mit der Verstaatlichung der HRE wurden eine Kern-
schmelze und ein Kollaps des Finanzsystems verhindert.
Aber wir müssen feststellen, dass bereits damals durch
die Informationspolitik des Managements das wahre
Ausmaß der Katastrophe nur scheibchenweise an die Öf-
fentlichkeit kam und das wahre Ausmaß des ökonomi-
schen Destasters erst nach und nach publik wurde.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum? Weil Steinmeier und Steinbrück das nicht wollten!)


– Das ist jetzt ein bisschen zu blöd, sorry. –


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil sie die Öffentlichkeit belogen haben!)


Das Ganze war ein unglaublicher Skandal aufgrund
ökonomischer Unfähigkeit von Bankern, die sich selbst
für unverwundbar hielten und als sogenannte Master of
the Universe in der Realität die größten Versager waren,
die man sich vorstellen kann. Zu Recht wurden die Vor-
standsgehälter bei 500 000 Euro gedeckelt. Man muss
sich vorstellen, dass das Durchschnittsgehalt eines Vor-
stands einer großen deutschen Bank bei 2,2 Millionen
Euro pro Jahr lag. Die Deckelung war richtig. Ich kann
das, was mein Kollege hier eben gesagt hat, nur unter-
streichen. Meine Fantasie jedenfalls hätte nicht ausge-
reicht, sich vorzustellen, dass in einer Bank, die nur noch
mit Hilfe des Steuerzahlers existiert, diese Boni-Exzesse
in der zweiten und dritten Reihe wieder an der Tagesord-
nung sind.


(Beifall bei der SPD)


Besonders dreist finde ich es, wenn ein Sprecher der
Hypo Real Estate laut einer Meldung der Tagesschau
dieses mit dem Hinweis rechtfertigt, die Bonuszahlun-
gen seien nun deutlich geringer als vor der Krise. Das
muss man sich einmal vorstellen. In anderen Unterneh-
men müssen die Beschäftigten in der Krise Gehaltsver-
zicht üben.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. HansChristian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Lieber Herr Kollege Kampeter, 7 Millionen Euro die-
ser Bonizahlungen gehen allein auf Ihr Konto.


(Zuruf von der LINKEN: Er hört nicht zu!)


– Das ist klar. Das kann er nicht. Das haben wir eben
festgestellt. –



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(C (D (Joachim Poß [SPD]: 7 Millionen allein auf Kampeters Konto!)


Genau so ist es.

Die Frage nach der Zukunft der HRE wird zu Recht
estellt. Wir müssen in der Tat die Frage beantworten, ob
ie Kernbank nach Übertragung eines Teilportfolios in
ie Abwicklungsanstalt zukünftig lebensfähig ist. Ich
nde es richtig, dass der Kollege Schneider diese Frage
o offensiv stellt;


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das war keine Frage, das war eine Feststellung!)


enn wir können den Steuerzahlerinnen und Steuerzah-
rn in Deutschland auf Dauer nicht immer neue Garan-
en abverlangen. Das wird nicht möglich sein.

Schaut man sich jetzt die politischen Reaktionen an,
ann stellt man fest: Die Bundesregierung war infor-
iert, sie war involviert, sie war im Aufsichtsrat betei-
gt. Auf der anderen Seite hat es jede Menge kritische
timmen aus der CDU und der FDP gegeben. Herr
autzenberg hielt die Vorgänge für nicht akzeptabel.
ichtig! Dann haben Sie darauf hingewiesen, die Vor-

tände hätten schon zum damaligen Zeitpunkt mit Ände-
ngskündigungen arbeiten können, um überhöhte An-

prüche zu begrenzen. Diesen Vorschlag habe ich dann
icht wieder von Ihnen gehört. Schade! Das Ganze hätte
an wirklich einmal ausloten können.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Wir wollen es auf eine andere Grundlage stellen, Herr Kollege! Ein Restrukturierungsgesetz!)


Insgesamt zeigt sich: Koalitionsfraktionen und Bun-
esregierung sind sich in der Bewertung der Sache nicht
inig. Das ist bei dieser Bundesregierung nicht neu. Der
treit sollte aber bald beendet werden; denn wir müssen
tzt gemeinsam die richtigen Konsequenzen aus dieser
ituation ziehen. Joachim Poß hat es auf den Punkt ge-
racht. Er hat gesagt: Da, wo sich der Staat engagiert,
aben Boni nichts zu suchen.


(Beifall des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])


etzt ist die Regierung gefordert, zu handeln. Wir warten
uf Ihre Vorschläge.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706215500

Nächster Redner ist der Kollege Bartholomäus Kalb

r die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1706215600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

amen und Herren! Ich frage mich schon die ganze Zeit,
arum die SPD für heute diese Aktuelle Stunde bean-
agt hat.





Bartholomäus Kalb


(A) )


)(B)


(Beifall des Abg. Leo Dautzenberg [CDU/ CSU])


Eigentlich müssten Sie zu dem Ergebnis kommen, dass
es für Sie bisher nicht sehr gut gelaufen ist.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die SPD gehört selber auf die Anklagebank!)


Sie sind daran erinnert worden, dass all die Maßnahmen,
die wir im Zusammenhang mit der HRE hier beschlos-
sen haben, unter der Federführung des von Ihnen gestell-
ten, von mir hoch geschätzten Finanzministers Peer
Steinbrück vorgenommen worden sind und dass wir auf
dringendes Anraten und auf dringende Empfehlung von
ihm all die Maßnahmen zur Rettung der HRE – bis hin
zur Verstaatlichung – beschlossen haben.

Kollege Dautzenberg hat darauf hingewiesen, dass
wir es uns sehr lange überlegt haben, ob wir all diese
Schritte mitgehen können und mitgehen müssen. Heute
müssen wir feststellen: Diese Schritte waren unvermeid-
bar. Sie sind auch nach heutiger Beurteilung dem
Grunde nach richtig und nicht zu beanstanden. Dass es
dabei auch Aspekte gibt, die man vorher nicht richtig ge-
sehen hat, nicht richtig einordnen konnte, war uns auch
damals bewusst. Man bedenke die Geschwindigkeit, mit
der wir die Entscheidungen in diesem Zusammenhang
zu treffen hatten.

Die Frage, warum die SPD heute diese Aktuelle
Stunde beantragt hat, kann ich mir nur damit erklären,
dass sie konsequent ihren neuen Weg verfolgt, nämlich
die Flucht aus der Verantwortung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD – Dr. Carsten Sieling [SPD]: Das war fast philosophisch!)


– Doch, doch. – Sie wollen sich von Ihrem früheren Re-
gierungshandeln verabschieden. Sie wollen Spuren ver-
wischen. Sie wollen mit dem, was Sie früher einmal ver-
antwortet haben, nichts mehr zu tun haben.


(Joachim Poß [SPD]: Deswegen gehen wir in den Bundestag, um Spuren zu verwischen!)


Das gilt für die Rentenpolitik, das gilt für die Steuerpoli-
tik, das gilt für die Sozialpolitik, und das gilt auch in die-
sem Punkt. Ihre Parole heißt „Zurück, marsch, marsch! –
Spuren verwischen“. Ich sage Ihnen aber: Das Ansehen
von Politikern und das Ansehen einer Partei steigen mit
Sicherheit nicht, wenn man sich zum eigenen Handeln
und zur eigenen Verantwortung nicht mehr bekennt. Das
ist der konsequente Weg in die organisierte Verantwor-
tungslosigkeit.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, es stellt sich
die nächste Frage: Warum beantragt die SPD diese Aktu-
elle Stunde genau in dieser Woche? Von anderen Rednern
un
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1706215700
die gesamte Umstrukturierung.
Eigentlich sollte es, unserer Verantwortung entsprechend,

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(C (D o sein, dass wir diesen Prozess nicht auch noch erschwen. Stattdessen beklagt der Kollege Carsten Schneider ögliche nachteilige Auswirkungen auf den Steuerzahler egen der Sonderzahlungen, und gleichzeitig betreibt er ier eine Rufschädigung des Unternehmens, die zu draatischen nachteiligen Konsequenzen für den Steuerzahr führen kann. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich habe den Eindruck, Sie wollen aus der öffentli-
hen Empörung Honig saugen. Es gibt Vorurteile ganz
llgemeiner Art in Sachen HRE. Ein besonderes Ärger-
is sind die aktuellen Vorgänge.

Wir haben aber die HRE gemeinsam gerettet im Inte-
sse der Stabilität des Bankensektors in der Bundesre-

ublik Deutschland,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind sie sicher, dass Sie sie gerettet haben?)


m zu vermeiden, dass Werte vernichtet werden, und um
icherzustellen – der Herr Staatssekretär hat es ausge-
hrt –, dass andere Institutionen wie zum Beispiel die

ozialen Sicherungssysteme und kommunale Einrichtun-
en nicht noch mehr Schaden nehmen. Wir haben
chnell gehandelt. Deswegen muss man natürlich auch
it gewissen Ungenauigkeiten rechnen.

Es gibt ein Arbeitsrecht und ein Vertragsrecht. Wir
issen, dass Arbeitsrechtsprozesse und Ähnliches an-
ängig sind. Das ist das eine. Auf der anderen Seite stellt
ich die Frage, die sich immer stellt, wenn Unternehmen
Schwierigkeiten sind: Welcher Beitrag muss von der
pitze bis zu jedem Mitarbeiter geleistet werden?

Gleichwohl sind wir in der Lage, objektiv zu unter-
cheiden zwischen Bonizahlungen einerseits und variab-
n Gehaltsbestandteilen andererseits. Auch das muss in

iner solchen Debatte zumindest angemerkt werden.

Insgesamt gesehen geht es aber darum, dass alle mit-
elfen müssen, und zwar unabhängig von ihren Ansprü-
hen, die sie geltend machen können oder wollen. Es
eht darum, dass das Unternehmen wieder in ruhiges
ahrwasser gelangt, sodass es wieder Erfolg haben kann.

In diesem Zusammenhang will ich meinen großen
espekt zum Ausdruck bringen gegenüber vielen Be-
iebsräten, die in ihren Unternehmen, die in der zurück-
egenden Zeit in Schwierigkeiten waren, gemeinsam
it der Belegschaft dazu beigetragen haben, dass Unter-

ehmen konsolidiert werden konnten, dass Unternehmen
ieder auf einen guten Weg gekommen sind.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie von der HRE oder von wem?)


h sage das voller Anerkennung und voller Respekt vor
iesen Leuten, die sich dafür bei den eigenen Leuten im
nternehmen stark gemacht haben. Damit haben sie ei-
en wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass wir jetzt
chneller als viele andere in Europa aus der Krise he-
usgekommen sind und wieder eine hervorragende





Bartholomäus Kalb


(A) )


)(B)

wirtschaftliche Entwicklung verzeichnen können. Auch
das sollten wir hier erwähnen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich sage auch im Hinblick auf den Bankensektor: Es
müssen sich alle darüber im Klaren sein, welche Verant-
wortung sie zu tragen und zu übernehmen haben.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706215800

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

Ralph Brinkhaus für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Ralph Brinkhaus (CDU):
Rede ID: ID1706215900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir be-

finden uns am Ende einer emotionalen Debatte. Ich
glaube, dass in dieser Debatte durchaus das aufgegriffen
worden ist, was in der Bevölkerung zu diesem Thema
gedacht wird, was in Stammtischrunden und in den Fa-
milien diskutiert wird. Deswegen ist es gut und richtig,
dass wir an dieser Stelle darüber sprechen. Hier ist auch
der Platz, um darüber zu sprechen.

Zum Schluss der Debatte möchte ich diesen Komplex
aus einem ganz anderen Blickwinkel heraus beleuchten,
weil ich fest davon überzeugt bin, dass es nicht nur Auf-
gabe der Politik ist, sich zu empören und zu kritisieren,
sondern auch schwierige Sachverhalte zu erklären und
den Menschen näherzubringen.

Was sind die Fakten, meine Damen und Herren? Die
Fakten sind, dass wir im Herbst 2008 die Entscheidung
getroffen haben, die HRE nicht in die Insolvenz gehen
zu lassen. Wir wissen, dass dies in der Folge dem Steuer-
zahler verdammt teuer zu stehen kommen wird.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch Zahlen!)


Wir wissen auch, dass wir – ob Abwicklung oder nicht –
aus dieser Nummer nicht mehr herauskommen.

Wir haben dem HRE-Rettungsprozess als Parlament
einen Rahmen gesetzt. Wir haben uns zum Ziel gesetzt
– ich glaube, dem fühlen wir uns alle noch verpflichtet –,
den Schaden für den Steuerzahler möglichst zu be-
grenzen. Wir haben damals auch einen Weg vorgegeben,
Herr Kollege Schneider. Der Weg war, dass wir die ge-
fährdeten Teile in eine Abwicklungsbank bringen und
den Rest – damals und vielleicht auch heute noch mit Er-
folgsaussichten – auf den Markt bringen und verkaufen.

In dem Wissen, dass wir als Parlamentarier nicht alles
können, haben wir die Bundesregierung beauftragt, die-
sen Prozess zu begleiten. Wir haben eine Finanzmarkt-
stabilisierungsanstalt gegründet und mit Bankenexperten
besetzt. Außerdem – und das ist ganz entscheidend – ha-
ben wir dafür gesorgt,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass das Parlament entmachtet d b w D h b ti E V v s e h E ti h ti m 2 6 s tr d e d d g A h n d d s la d u s V v e im m g s g ü v (C (D wird! – Gegenruf des Abg. Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Nein, nein!)


ass dieser Prozess von den Mitarbeiterinnen und Mitar-
eitern sowie vom Management der HRE selbst abge-
ickelt wird, weil letztlich nur sie wissen, was in den
epots und in den Büchern dieses Instituts steht. Das
eißt, wir haben Verantwortung übertragen, und wir ha-
en den Beteiligten Freiheit gegeben, die Freiheit, Situa-
onen zu bewerten und zu entscheiden. Das war unsere
ntscheidung.

Genau diese Freiheit ist auch genutzt worden. Der
orstand der HRE hat Entscheidungen getroffen. Er hat
ielleicht Entscheidungen getroffen, die zu kritisieren
ind. Er hat die Entscheidung getroffen, dass Mitarbeiter
inen Rechtsanspruch auf variable Gehaltsbestandteile
aben und dass dieser Rechtsanspruch umzusetzen ist.
r hat auch die Entscheidung getroffen, dass man wich-
ge Mitarbeiter gerne halten möchte, weil man genau
eute, am 30. September, die anspruchsvollste Transak-
on in der Finanzgeschichte über den Tisch bringen
uss. Heute muss man Wertpapiere im Wert von über

00 Milliarden Euro von über 4 000 Vertragspartnern in
0 verschiedenen Rechtssystemen übertragen. Das ist
chwierig genug.

Der Vorstand der HRE hat auch die Entscheidung ge-
offen, um weitere Garantien zu bitten, damit eben nicht
er Fall der Insolvenz, den wir ja alle vermeiden wollen,
intritt.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viele denn noch?)


Noch einmal: Wir haben dem Vorstand der HRE und
en Mitarbeitern die Freiheit gegeben, diese Entschei-
ungen zu treffen. Damit sind wir auch das Risiko einge-
angen, dass falsche Entscheidungen getroffen werden.
ber wenn wir nicht ein Minimum an Vertrauen in die
andelnden Personen haben, wenn wir als Parlament
icht den Mut haben, gegebenenfalls auch Fehlentschei-
ungen zu ertragen, dann stellt sich die Frage: Wie soll
er ganze Prozess denn laufen? Vielleicht können Vor-
tand, Mitarbeiter und Anstalt auch vom Parlament ver-
ngen, dass es Stehvermögen zeigt und diese Entschei-
ungen in kritischen Situationen auch mitträgt,
nbeschadet des Rechts des Parlamentes, diese zu kriti-
ieren. Ganz sicher, meine Damen und Herren, können
orstand und Mitarbeiter erwarten, dass das Parlament
erlässlich ist und den gemeinsam eingeschlagenen Weg
inhält.

Der gemeinsam eingeschlagene Weg besteht bis heute
Erhalt und Verkauf einer Restbank. Diesen Weg kann

an als Parlamentarier infrage stellen, aber bitte nach
enauer Prüfung, nach genauer Abwägung in den ent-
prechenden Gremien und nicht im Vorbeigehen bei ir-
endwelchen Interviews.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Meine Damen und Herren, wir haben Verantwortung
bertragen. Das heißt auch, dass wir einen Vertrauens-
orschuss gegeben haben: einen Vertrauensvorschuss





Ralph Brinkhaus


(A) )


)(B)

gegenüber der Anstalt, gegenüber der Bundesregierung
und insbesondere gegenüber den Mitarbeitern und dem
Management der HRE. Wir erwarten auch, dass dieser
Vertrauensvorschuss zurückgezahlt wird. Parlament und
Öffentlichkeit sind zu informieren – rechtzeitig zu infor-
mieren, schwierige Sachverhalte sind zu erklären –
rechtzeitig zu erklären. Ich habe nicht das Gefühl, dass
das alle Beteiligten verstanden haben.

Ich habe auch nicht das Gefühl, dass alle Beteiligten
bereit sind, Verantwortung für ihre Entscheidungen zu
übernehmen. Da wird mir, ehrlich gesagt, im Moment
viel zu viel hin und her geschoben. Wenn aber jemand
Verantwortung übernimmt, dann müssen wir als Parla-
ment und Öffentlichkeit auch damit umgehen können.
Ich glaube, dass wir das können, haben wir in der Ver-
gangenheit und leider auch in der heutigen Debatte nicht
immer gezeigt. Manchmal denke ich: Wir lauern hier auf
jeden Fehler und jede missverständliche Information;
wir skandalisieren lieber, anstatt zu ergründen und zu er-
klären. Dabei sitzen wir alle in einem Boot: Ministerium
und Management, Regierung und Opposition, wir alle
sind darauf angewiesen, dass das Projekt HRE in der von
uns angedachten Form funktioniert. Im Übrigen weise
ich darauf hin: Dieses Projekt ist auf eine so lange Zeit
angelegt, dass eine gewisse Restwahrscheinlichkeit da
ist, Herr Schneider, dass auch Sie dieses Projekt als Re-
gierungsverantwortlicher irgendwann mit zu Ende füh-
ren müssen.

Ich empfehle daher dringend: Lassen Sie uns die HRE
aus dem parteipolitischen Geplänkel herausnehmen!
Lassen Sie uns trotz allem sehr verständlichen Ärger
langfristig denken! Ich denke einmal – das richtet sich
bewusst an die Opposition –: Morgen ist dafür eine sehr
gute Gelegenheit. Morgen werden wir das Gesetz zur
Restrukturierung von Banken mit auf den Weg bringen.
Wenn Sie entsprechende Anregungen haben, das eine
oder andere noch zu ändern oder besser zu machen, sind
Sie herzlich willkommen.

Ich möchte meine Rede damit schließen, dass ich den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der HRE für den heu-
tigen Prozess in unser aller Interesse alles Gute und eine
glückliche Hand wünsche, damit der Schaden, der durch
dieses Projekt entstanden ist, möglichst gering bleiben
wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Die haben sich auch selbst beschädigt!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706216000

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der FDP eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewo-
genen Finanzierung der Gesetzlichen Kran-

(GKV-Finanzierungsgesetz – GKV-FinG)


– Drucksache 17/3040 –

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(C (D Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit Innenausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO Bevor wir in die Debatte einsteigen, darf ich die Kolginnen und Kollegen bitten, die den Diskussionen hier Plenum über die gesetzliche Krankenversicherung icht folgen wollen, ihre Gespräche vor dem Saal weirzuführen, und die anderen, Platz zu nehmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für ie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich ehe, damit sind Sie einverstanden. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile als erster ednerin der Kollegin Ulrike Flach für die FDP-Frakon das Wort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1706216100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

er Gesetzentwurf, den die CDU/CSU- und die FDP-
raktion heute vorlegen, hat wie die meisten unserer Ge-
etze zwei Komponenten.


(Elke Ferner [SPD]: Ja, Klientelpolitik!)


rstens trägt er ebenso wie das AMNOG dazu bei, Aus-
aben zu begrenzen und das Defizit von rund 11 Milliar-
en Euro, welches sich aufgrund der Unterfinanzierung
es Gesundheitsfonds aus der Regierungszeit Ulla
chmidts aufgebaut hat, zu verringern. Zweitens hat er
tarke strukturelle Elemente zur Sicherung der Nachhal-
gkeit des Systems.

Dies ist – das will ich an dieser Stelle betonen – nur
urch eine gemeinsame und solidarische Kraftanstren-
ung aller Akteure im Gesundheitswesen möglich.


(Elke Ferner [SPD]: Was ist denn an Ihrem Entwurf solidarisch?)


rankenkassen, Krankenhäuser, Ärzte, Arbeitgeber und
rbeitnehmer werden an den Kosten beteiligt. Die Apo-
eken, der Großhandel und die Pharmaindustrie wurden

ereits im AMNOG erfasst.

Es ist kein Wunder – das will ich an dieser Stelle auch
ehr deutlich sagen –, dass dies keine Jubelstürme aus-
st. Das erstaunt keinen hier in diesem Hause. Niemand

ahlt gern mehr oder verzichtet auf Zuwächse.


(Elke Ferner [SPD]: Wie war das mit „Mehr Netto vom Brutto“?)


Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD,
ie Alternative wäre, nach dem, was Sie uns hinterlassen
aben, ein Streichen der Leistungen in der gesetzlichen
rankenversicherung. Wer will das denn?


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)






Ulrike Flach


(A) )


)(B)

Wenn man mit der Sanierung eines maroden Hauses
beginnt – das war unsere Aufgabe –, dann sichert man
im Allgemeinen zunächst das Dach gegen Regen, um
den Verfall zu stoppen, und erst dann beginnt die Innen-
sanierung.


(Elke Ferner [SPD]: Im Gegenteil: Sie nehmen die Abrissbirne und reißen es ein!)


So ist es auch hier. Mit den Einsparungen stabilisieren
wir die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversiche-
rung, die darüber übrigens erheblich glücklicher ist, als
so manche Pressemeldung in diesen Tagen vermuten
lässt.


(Zurufe von der SPD)


Gleichzeitig entkoppeln wir die Gesundheits- von den
Arbeitskosten. Das ist – das will ich an dieser Stelle sa-
gen – kein unsolidarischer Akt, sondern das sichert zum
einen Arbeitsplätze – dafür ist diese Koalition angetreten –,


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Das glauben Sie selber nicht!)


weil die Lohnzusatzkosten bei steigenden Krankenkas-
senbeiträgen nicht automatisch mit anwachsen, und zum
anderen kommt es bei schlechter Konjunktur und stei-
gender Arbeitslosigkeit nicht mehr zu Einnahmeausfäl-
len. Das ist doch genau das, was wir erlebt haben. Das
hat uns angetrieben, und damit müssen wir jetzt kämp-
fen.


(Joachim Poß [SPD]: Ja, genau! Wegen Ihrer Politik!)


Die Stabilisierung der Einnahmebasis der GKV ist na-
türlich – das sollte man bei dieser sehr emotionalen Dis-
kussion nicht vergessen – für diejenigen, die die Leistun-
gen beziehen wollen, besonders wichtig. Wenn uns das
nicht gelingt, dann müssen die Menschen draußen im
Lande dafür bezahlen, und zwar mit ihrer Gesundheit,
liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Wo ist der Nutzen für die Versicherten?)


Strukturell kehren wir durch die Einführung einkom-
mensunabhängiger Zusatzbeiträge, die sozial ausgegli-
chen werden, zur Beitragsautonomie der Krankenkassen
zurück. Das steigert den Wettbewerb – so hat es unser
Koalitionsvertrag vorgesehen – und wird, anders als bei
der SPD, für Menschen, die wenig verdienen, einen ziel-
genauen und unbürokratischen Sozialausgleich vorse-
hen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Es weiß nur keiner, wie er finanziert wird!)


Man muss in diesem Hause ja immer mit der zuneh-
menden politischen Vergesslichkeit unserer Opposition
rechnen.


(Zuruf von der FDP: Politische Demenz!)


Daher noch einmal zur Erinnerung: Für den Erhalt des
Sozialausgleichs nach der alten Regelung musste man,

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(C (D enn man die 1-Prozent-Grenze erreicht hatte, einen ntrag stellen und seine Überlastung nachweisen. Wir achen es einfacher. Dafür sind wir angetreten. (Zuruf von der LINKEN: Das muss man weiterhin!)


ußerdem: Wer hat denn die Leute auf diese Art und
eise, dadurch, dass sie Anträge ausfüllen müssen, zu
ittstellern gemacht? Frau Ulla Schmidt war diejenige,
ie an dieser Stelle das bürokratische Monstrum auf den
eg gebracht hat.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Herr Spahn, Frau Widmann-Mauz!)


Und da Steuern auf alle Einkommensarten erhoben
erden, beziehen wir damit erstmals alle Einkommen

olidarisch in die Finanzierung ein. Das ist neu, meine
amen und Herren, und es ist etwas, was die FDP im-
er versprochen hat.


(Joachim Poß [SPD]: Was? – Elke Ferner [SPD]: Wo generieren Sie denn mehr Steuern, Frau Flach?)


ie Umverteilung zwischen Arm und Reich gehört ins
teuersystem, und genau dort siedeln wir es an.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Bild des maro-
en Dachs, das geflickt werden muss, bevor Sanierungen

Innenraum vorgenommen werden, passt natürlich
uch in anderer Hinsicht gut. Ich habe Verständnis für
ie Proteste von Leistungsträgern, zum Beispiel von
rzten, bei denen die Honorarreformen der Vergangen-
eit zu Verwerfungen geführt haben und die mit einem
ystem leben müssen, das weder transparent noch leis-
ngsgerecht ist.


(Beifall bei der FDP – Zuruf von der FDP: Das stimmt! – Elke Ferner [SPD]: Ein System, das die Ärzte selber wollten!)


Ich sage Ihnen: Diese Reform ist natürlich auch für
iese Gruppen; denn wir können nicht durch ein löchri-
es Dach immer mehr Geld hineinschütten, von dem
aum etwas unten ankommt. Wir werden, genau wie
ersprochen, die Honorarreform im nächsten Jahr ange-
en. Aber solange die Finanzen nicht solide sind, hätten
ir natürlich keine nachhaltige Basis, um Leistungen

uch nur in etwa gerecht zu entlohnen.

Gleiches gilt übrigens für die Hausärzte. Hier wird nie-
andem etwas weggenommen, sondern es werden Zu-
ächse begrenzt. Für bestehende Hausarztverträge gilt
estandsschutz. Selbstverständlich können auch künftig
öhere Vergütungen vereinbart werden, wenn – das ist
tzt wichtig – diese über Effizienzsteigerungen und Ein-

parungen an anderer Stelle kompensiert werden. Das
uss bei all der Propaganda, die jeden Tag über uns er-

cheint, klar und deutlich gesagt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich
um Schluss noch etwas zur Debatte an sich sagen.





Ulrike Flach


(A) )


)(B)


(Joachim Poß [SPD]: Die ganze Zeit hat sie nichts zur Debatte gesagt!)


In der letzten Sitzungswoche überbot sich die Opposi-
tion mit Vorwürfen, diese Koalition sei der Erfüllungs-
gehilfe einmal der Pharma-, einmal der PKV- und einmal
der Apothekenlobby.


(Joachim Poß [SPD]: Ja, richtig! – Elke Ferner [SPD]: Genau, das beweisen Sie wieder!)


– Wie ich höre, wird uns Frau Ferner das sicher auch
gleich sagen.

Sie wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass dies
Unfug ist. Sie wissen auch, dass kein Gesetz den Bun-
destag so verlässt, wie es hineingegangen ist.


(Zurufe von der SPD: Ah!)


Diesen Vorgang haben wir übrigens mit dem Namen Ih-
res ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Struck so schön
zum Struck’schen Gesetz verbunden. Vielleicht lesen Sie
auch einmal sein neues Buch – es lohnt sich –, vielleicht
auch die Passage, in der er die Chaosmonate der ersten
rot-grünen Regierung beschreibt.


(Zuruf von der FDP: Hört! Hört!)


Dagegen ist der Streit, der manchmal in dieser Koalition
aufkommt,


(Elke Ferner [SPD]: Manchmal? – Lachen bei der SPD)


weil wir eben engagiert miteinander reden, ungefähr wie
eine Diskussion in einer Waldorfschule.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Ist denn ein Ende schon absehbar?)


Vielleicht erinnern Sie sich auch noch an die Gesund-
heitsreform 2000 und den rot-grünen Versuch, Global-
budgets zu verankern. Damals gab es massive Vorwürfe,
die Zustimmung der Ostländer sei mit Milliardenhilfen
an die Ost-AOKs erkauft worden. War das eigentlich
Lobbyismus für die AOK? Als Ulla Schmidt kam, liefen
die Arzneimittelausgaben aus dem Ruder; das GKV-De-
fizit im Jahr 2001 betrug 5 Milliarden Euro. Rot-Grün
plante eine Erhöhung des Zwangsrabattes.


(Elke Ferner [SPD]: Kommen Sie mal zu Ihrem Gesetzentwurf, Frau Flach!)


Stattdessen – jetzt bitte aufpassen – ergab die berühmte
Bordeaux-Runde im Kanzleramt einen einmaligen Soli-
darbeitrag der Pharmaindustrie von 200 Millionen Euro.
Damals konnte man den Vorwurf hören, die Regierung
sei von der Pharmaindustrie gekauft worden.


(Joachim Poß [SPD]: Zum Gesetzentwurf! Werden Sie doch mal sachlich! – Gegenruf von der FDP: Ganz übler Lobbyismus war das!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle tun uns mit
solchen Vorwürfen keinen Gefallen. Jeder von uns – das
sage ich jetzt ganz ausdrücklich für diese Koalition –

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(C (D immt für sich in Anspruch, verantwortungsvoll für diees Land zu handeln, (Elke Ferner [SPD]: Das Gegenteil kommt dabei heraus! – Gegenruf des Abg. Heinz Lanfermann [FDP]: Hören Sie doch mal zu!)


nd zwar für das gesamte Land und nicht für einzelne In-
ressengruppen. Unser Ziel ist ein Gesetz für ein ge-
chtes, nachhaltiges und wettbewerbsfreundliches Ge-

undheitssystem. Den Entwurf dazu legen wir Ihnen
eute vor, und wir erwarten auch von Ihnen einen fairen
mgang mit uns.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706216200

Die Kollegin Elke Ferner hat jetzt für die SPD-Frak-

on das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1706216300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

err Minister Rösler, Sie haben jetzt ein Jahr lang ver-
ucht, die Probleme wegzulächeln, die wir im Gesund-
eitswesen haben. Mit dem nun vorgelegten Gesetzent-
urf ist die Maske gefallen; es erscheint das hässliche
esicht derer, die den Sozialstaat mit der Abrissbirne ka-
uttmachen wollen. So sieht es aus!


(Beifall bei der SPD – Heinz Lanfermann [FDP]: Sie sind ja sogar blind! Ganz schwacher Einstieg!)


Was bringt diese schwarz-gelbe Gesundheitsreform?
ls Erstes bringt sie eine Beitragsanhebung zum
. Januar des kommenden Jahres um 0,3 Beitragssatz-
unkte. Das hört sich noch relativ harmlos an; aber bei
inem Einkommen von 1 000 Euro sind es 36 Euro mehr

Jahr, bei 2 000 Euro sind es 72 Euro mehr im Jahr.
as ist schon ganz nett.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Was hätten Sie denn gemacht?)


ür die Rentner und Rentnerinnen heißt das, was Sie ma-
hen, schlicht Rentenkürzung.

Aber wer glaubt, dass dies die schlechte Nachricht sei,
er irrt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist die gute
achricht in diesem Gesetzentwurf. Die schlechte Nach-
cht heißt, die Arbeitgeberbeiträge werden dauerhaft ein-
efroren. Das bedeutet, dass die Versicherten in Zukunft
anz alleine alle Kostensteigerungen tragen müssen, die
s in diesem Gesundheitswesen geben wird.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)


Jeder muss erst einmal mindestens 2 Prozent seines
inkommens drauflegen. Um noch einmal das Beispiel
it den 1 000 Euro zu nehmen: Das heißt für jemanden
it 1 000 Euro Einkommen mindestens 20 Euro Monat
r Monat, die von vornherein weg sind.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Höchstens!)






Elke Ferner


(A) )


)(B)

– Mindestens, weil der Zusatzbeitrag bzw. die Kopfpau-
schale nicht in der Höhe gedeckelt ist.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Die kann ja nicht mal rechnen!)


Das wissen Sie auch. Sie sollten nicht solche dümmli-
chen Zwischenrufe machen, wenn Sie es eigentlich bes-
ser wissen.


(Beifall bei der SPD)


Bei jemanden, der ein Einkommen von 2 000 Euro mo-
natlich hat, sind es monatlich 40 Euro netto weniger. Da
frage ich mich: Was ist denn aus dem Spruch „Mehr
Netto vom Brutto“ geworden, Herr Westerwelle?


(Joachim Poß [SPD]: Da sitzt er ja, der mit dem Spruch, der Westerwelle!)


Es bleibt weniger Netto vom Brutto. Je höher die Kopf-
pauschale steigt, um so weniger Netto vom Brutto wird
es mit dieser Koalition geben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Heinz Lanfermann [FDP]: Lesen Sie beim Bund der Steuerzahler, dass es mehr ist, nicht weniger!)


Ich möchte es vielleicht zwei oder drei Jahre weiter-
denken: Die Kopfpauschale steigt und steigt und erreicht
schließlich einen Betrag von 30 Euro. Das heißt dann:
Alle, die im Monat weniger als 1 500 Euro brutto verdie-
nen – wir reden immer vom Bruttoeinkommen –, werden
auf einen sogenannten Sozialausgleich angewiesen sein.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Jetzt geht aber alles durcheinander!)


– Herr Lanfermann, wissen Sie eigentlich, wie viele
Menschen das sind? Das sind mehr als 50 Prozent aller
gesetzlich Krankenversicherten, mehr als Dreiviertel al-
ler gesetzlich versicherten Rentnerinnen und Rentner.
Sie nehmen sie dann aus wie eine Weihnachtsgans, nur
um die Arbeitgeber davon zu entlasten, sich weiterhin
paritätisch an den Kosten des Gesundheitssystems zu be-
teiligen.


(Beifall bei der SPD)


Die öffentliche Hand wird nach Ihren eigenen Anga-
ben mit mehr als 1 Milliarde Euro zusätzlich belastet,
einmal weil sie selber Arbeitgeber ist, zum Zweiten weil
es aufgrund der steuerlichen Absetzbarkeit der Kranken-
versicherungsbeiträge zu Mindereinnahmen kommen
wird.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Haben Sie etwas dagegen, oder was? – Jens Spahn [CDU/CSU]: Das haben wir übrigens gemeinsam eingeführt! Das hat Herr Poß eingeführt!)


Wir kommen jetzt zu dem komischen Sozialausgleich.
Der Sozialausgleich ist in Wahrheit gar kein Sozialaus-
gleich, sondern eine Wechselprämie.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das stimmt schon mal nicht!)


Sie sagen, bis 2015 würden dafür keine Steuermittel auf-
gewendet. Das heißt, die Beitragsmittel werden irgend-

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(C (D ie umverteilt. Heute haben wir einen funktionierenden ozialausgleich: Diejenigen, die mehr Einkommen haen, finanzieren die Beiträge derjenigen mit, die weniger inkommen haben. Ich frage mich, warum man einen nktionierenden Sozialausgleich abschaffen will. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Man muss sich einmal anschauen, mit welchem Büro-
ratieaufwand das verbunden ist. Niemand zu Hause an
en Bildschirmen kann sich das vorstellen: Die Kranken-
assen sollen dem Arbeitgeber eine Nachricht dazu über-
itteln, ob ein Sozialausgleich stattfindet. Also muss von
dem Arbeitgeber Monat für Monat eine Meldung vor-
enommen werden, und zwar für jeden einzelnen Arbeit-
ehmer und jede einzelne Arbeitnehmerin.


(Ulrike Flach [FDP]: Das macht er doch jetzt schon! Das ist doch nichts Neues!)


Nein, Frau Flach, das gibt es noch nicht; im Moment
ibt es hier ein System der Summenbildung. Das, was
ie vorhaben, ist im Moment in keinem Lohn- und Ge-
altsprogramm vorgesehen. Es wird Jahr für Jahr zu
00 Millionen Meldungen kommen. Das nenne ich ein
irklich gelungenes Beispiel für Bürokratieabbau.


(Beifall bei der SPD – Heinz Lanfermann [FDP]: Wissen Sie, wie Software funktioniert?)


Ja, im Gegensatz zu Ihnen, Herr Lanfermann, weiß ich
as.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Dann wüssten Sie, dass man das ganz leicht umstellen kann!)


Nein, das ist eben nicht ganz so leicht; glauben Sie es
ir.

Der Punkt ist: In der Gruppe derjenigen, die einen so-
enannten Sozialausgleich erhalten sollen, sind auch die-
nigen, die Mitglied einer Krankenversicherung sind, die
berhaupt keine Kopfpauschale erhebt. Bei den SGB-II-
mpfängern wird es noch doller: Der Grundsicherungs-
äger überweist der Krankenkasse auch dann den durch-
chnittlichen Beitrag, wenn sie ihn gar nicht braucht.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Was hätten Sie denn jetzt konkret gemacht?)


as ist aber mit der Krankenkasse, die mehr als den
urchschnittlichen Beitrag braucht? Wo bekommt sie die
ifferenz erstattet?

Alles, was Sie da machen, ist Murks hoch drei. Der
eue Renner ist jetzt die Kostenerstattung. Ich kann Ih-
en nur eines sagen: Für die Versicherten ist das eine
alle, weil sie auf den Kosten hängen bleiben. Mit Blick
uf die Ärzteschaft will ich sagen: Wenn die Ärzte auf
ostenerstattung setzen, haben sie das Geld noch lange
icht; denn das Geld geht erst von der Kasse zum Patien-
n und erst dann zum Arzt.


(Ulrike Flach [FDP]: Das kann jeder machen, wie er will!)






Elke Ferner


(A) )


)(B)

Letzter Punkt: PKV. Hier haben wir es mit Klientel-
politik pur zu tun. Der PKV wird eine Frischzellenkur
verpasst. Das ist im Übrigen der einzige Punkt im gan-
zen Gesetzentwurf, der schon Ende dieses Jahres in
Kraft tritt, damit möglichst viele schon zu Beginn des
nächsten Jahres von der solidarisch finanzierten gesetzli-
chen Krankenversicherung in die PKV wechseln kön-
nen. Ihr Gesetz sorgt für ein Exklusivgeschäft der PKV
bei den sogenannten Zusatzversicherungen.

Herr Rösler sprach in der Financial Times Deutsch-
land von einer „Zusammenarbeit“. Wie sieht denn die
Zusammenarbeit aus? Die GKV schafft der PKV die
Kunden bei. Die GKV muss schauen, dass sie alle Kran-
ken und Beladenen versorgt; die PKV darf sich die Rosi-
nen heraussuchen.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Sie haben die Zusammenarbeit selber beschlossen! Wir haben sie gemeinsam beschlossen!)


So sieht Ihre Gesundheitspolitik aus.

Das ist heute ein schwarzer Tag für das deutsche Ge-
sundheitswesen. Ich verspreche Ihnen: Wir werden all
diesen Murks 2013 wieder rückgängig machen.

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706216400

Johannes Singhammer hat das Wort für die Fraktion

der CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1706216500

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Wer in Deutschland krank werden sollte, der er-
hält auch im kommenden Jahr eine bessere Versorgung
als in den meisten unserer Nachbarstaaten. Wer einen
Arzt aufsuchen oder in ein Krankenhaus eingewiesen
werden muss, der kann sich auch im kommenden Jahr
darauf verlassen, dass alle Rechnungen von der gesetzli-
chen Krankenversicherung bezahlt werden, weil Einnah-
men und Ausgaben im Gleichgewicht sind und weil der
von einigen von Ihnen vor wenigen Monaten noch vor-
hergesagte Kollaps des Systems der gesetzlichen Kran-
kenversicherung nicht stattfindet. Wer Beiträge zahlt,
der kann sich auch im kommenden Jahr darauf verlas-
sen, dass mit seinem Geld sorgfältig umgegangen und
dass effizient eingespart wird.

2 Milliarden Euro niedrigere Zahlungen an die Phar-
maindustrie


(Elke Ferner [SPD]: Luftbuchungen!)


und noch einmal 400 Millionen Euro Einsparung bei den
Impfstoffen – das ist ein historisch einzigartiger Spar-
erfolg.


(Elke Ferner [SPD]: Das ist ein Totalverriss!)


– Frau Ferner, warum man nun ausgerechnet diesen An-
satz mit Lobbyismus in Verbindung bringt, weiß nie-
mand. Denn die Rechnung, die Sie aufstellen, lautet ja:

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(C (D e weniger bei der Pharmaindustrie ankommt, desto erlgreicher ist der Lobbyismus. Intellektuell gesagt ist as etwas unredlich, und in verständlicher Weise sage h: Das ist Unsinn. Auf das Argument, das Sie im Zusammenhang mit er privaten Krankenversicherung gebracht haben, gehe h gleich noch einmal ein. Sie müssen sich bei Ihrem orwurf nur schon einmal entscheiden, wem gegenüber ir dem Lobbyismus denn erlegen sein sollen. Zwangsbatte und Preismoratorium gehen ganz eindeutig auf osten der Pharmaindustrie. Denn deren Gewinne weren nicht im gewünschten Umfang fließen, und auch die bertragung dieser Einsparmaßnahmen auf die 10 Milonen Versicherten der privaten Krankenversicherungen ird bei der Pharmaindustrie alles andere als Freude we ken. Schließlich profitieren von den Einsparmaßnahen nicht nur die 70 Millionen gesetzlich Versicherten, ondern noch einmal 10 Millionen Versicherte in der priaten Krankenversicherung. Dazu sagen Sie, das sei ein esonderes Entgegenkommen gegenüber der privaten rankenversicherung, sozusagen ein Lobbyismus, den an lückenlos nachweisen könne. Sie müssen sich also chon einmal überlegen, wohin Sie den Vorwurf richten: ntweder, oder – beides geht nicht, weil die Interessen zu nterschiedlich sind. Ich sage Ihnen eines: Lassen Sie ndlich einmal diese Unterstellungen! Holen Sie tief uft, denken Sie nach! Wenn Sie Himbeeren meinen, ann sprechen Sie nicht von Eisbären! Bei Krankenhäusern und Ärzten werden die Ausgaben icht wie bei den Arzneimitteln verringert. Aber die Zuächse der vergangenen Jahre können wir nicht in der isherigen Weise wiederholen. Wir schaffen Sicherheit r die hausärztliche Versorgung. Mit einer Bestands chutzregelung wird ein Sonderkündigungsrecht für rechtsräftige Verträge ausgeschlossen. Ganz wichtig: Auch bei nschlussverhandlungen über den Vertragsinhalt wird is zum 31. Dezember 2012 das bisherige Recht angeandt. Das ist ein erster großer Schritt. Aber wir wollen Gesetzgebungsverfahren noch mehr Sicherheit für die ausärztliche Versorgung der Menschen in Deutschland rreichen. Die Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen at sich bisher noch nicht auf eine Honorarverteilung wischen den einzelnen KV-Bezirken und Bundeslänern einigen können. Ich sage: Zunächst muss die elbstverwaltung ihre Hausaufgaben machen, aber die olitik wird nicht endlos zuschauen. Den Zuwachs für ie Ärzte von 5 Milliarden Euro in den vergangenen beien Jahren wollten wir. Aber ich halte es nicht für mögch, dass ein weiterer Zuwachs, den wir ebenfalls woln, dann so aussieht, dass einige Bundesländer oder V-Bezirke vollständig leer ausgehen. Länder, die in der mbulanten Versorgung Vorbildliches leisten und Versihertengelder ökonomisch einsetzen, dürfen bei der Verilung der Zuwächse nicht bestraft werden. Auch die Krankenhäuser werden einen Zuwachs beommen. Wie in den vergangenen beiden Jahren, in deen ein Zuwachs von fast 4 Milliarden Euro erzielt urde, wird es auch in den nächsten Jahren einen Zuachs geben. Wir erkennen die Leistung an, die gerade Johannes Singhammer )





(A) )

in den Krankenhäusern von den Ärzten und vom Pflege-
personal erbracht wird. Wir wollen ihren verantwor-
tungsvollen Dienst an den Patienten würdigen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Mit Zusatzbeiträgen und Sozialausgleich schaffen wir
ein neues Element des Wettbewerbs zwischen den Kran-
kenkassen, und das ist dringend nötig. Die Lohnkosten
werden von den steigenden Gesundheitsaufwendungen
abgekoppelt. Das ist gerecht, Frau Ferner,


(Elke Ferner [SPD]: Das war nie gerecht und wird nie gerecht sein!)


weil damit die Arbeitsplätze sicherer werden und wieder
mehr Menschen aus der Arbeitslosigkeit in Beschäfti-
gung kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Bevor Sie so dazwischenschreien:


(Elke Ferner [SPD]: Weniger Netto vom Brutto!)


Die Auflösung der Parität ist keine Erfindung dieses Ge-
setzgebungsvorgangs, sondern die Auflösung der Parität
ist maßgeblich unter Mitwirkung und Verantwortung der
Sozialdemokraten zustande gekommen. Mit der Einfüh-
rung der Zusatzbeiträge, so wie sie jetzt gelten, und mit
der Schaffung der Sonderbeiträge ist schon vor Jahren
die Parität eindeutig verändert worden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Das war doch die Zahnprämie!)


Damals haben Sie noch verantwortungsbewusst gehan-
delt und mitentschieden.


(Lachen der Abg. Elke Ferner [SPD])


Jetzt wird die Änderung der Parität bei der gesetzlichen
Krankenversicherung als Teufelszeug bekämpft.


(Elke Ferner [SPD]: Was sagt Herr Söder eigentlich zu Ihren Reden hier?)


Weil wir uns in einer Gesundheitsdebatte befinden, rate
ich Ihnen dringend: Besuchen Sie Ihren Hausarzt. Las-
sen Sie sich auf politische Amnesie – auf gut Deutsch:
Gedächtnisverlust –


(Mechthild Rawert [SPD]: Wie häufig waren Sie schon beim Hausarzt?)


untersuchen und erinnern Sie sich daran, welche Ent-
scheidungen Sie mitgetragen haben.


(Elke Ferner [SPD]: Da habe ich noch lange Zeit! Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Singhammer!)


Noch schlimmer machen Sie es dadurch, dass Sie in
dieser Frage den Schulterschluss mit der Linkspartei su-
chen.


(Lachen bei der SPD)


Die Erfolge der Linkspartei bei der Sicherung von Ar-
beitsplätzen – das ist der Hintergrund dieser neuen Rege-
lung – sind, freundlich und höflich ausgedrückt, sehr

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(C (D arginal. Das haben wir heute Vormittag bei der Debatte ber die deutsche Einheit schon gehört. Wir, die christlich-liberale Koalition, schaffen neue rbeitsplätze. Nach den Vorhersagen aller Institute weren wir im kommenden Jahr erstmals wieder über 0,2 Millionen Beschäftigungsverhältnisse in Deutschnd haben. (Mechthild Rawert [SPD]: Mindestlöhne! Mindestlöhne!)


as zeigt, dass der Weg der Abkoppelung der Gesund-
eitskosten von den Arbeitskosten erfolgreich ist, dass
ieser Weg weiter beschritten werden muss und dass die
ohnnebenkosten gesenkt werden sollten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir werden darauf achten, dass die neuen Verfahren
ei der Ausgestaltung der Zusatzbeiträge und des Sozial-
usgleichs bürokratiearm geregelt werden. Dabei wird es
eine Kopfpauschale geben, wie Sie es immer behaup-
n.


(Elke Ferner [SPD]: Natürlich!)


opfpauschale heißt: Pro Kopf muss eine Pauschale ge-
ahlt werden.


(Lachen bei der SPD)


ie beitragsfreie Mitversicherung der Ehepartner und
inder – allein dieses Argument müsste Sie überzeugen –

teht nicht in Frage. Es gibt keine Kopfpauschale. Des-
alb sind Ihre Vorwürfe schlicht falsch.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Das ist eine Kopfpauschale! Das können Sie nicht schönreden!)


h weise an dieser Stelle darauf hin, dass wir keine Ein-
eitsversicherung, die Sie immer mit dem Begriff der
ürgerversicherung umschreiben, wollen; denn das, was
ie mit der Bürgerversicherung anstreben, ist letztend-
ch eine Rolle rückwärts.

Sie wollen die private Krankenversicherung abschaf-
n, um an die Rücklagen der privaten Krankenversiche-
ng in Höhe von über 100 Milliarden Euro heranzu-

ommen. Nun frage ich Sie: Was gibt es im
rankenversicherungssystem Nachhaltigeres, als Rück-
gen für das Alter zu bilden? Das ist zukunftsgewandte
olitik.


(Elke Ferner [SPD]: Deshalb werden die Prämien auch immer teurer bei der PKV!)


n diese Rücklagen wollen Sie ran. Deshalb wollen Sie
ie private Krankenversicherung mit ihren auf die Zu-
unft ausgerichteten Instrumenten schleifen. Das wollen
ir nicht. Wir wollen auch keine Politik des Neids. Wer

us Neid die Nachhaltigkeit in der Versicherung zerstört,
er schafft nicht mehr Gerechtigkeit, sondern mehr Un-
erechtigkeit.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706216600

Herr Kollege Singhammer, wollen Sie eine Zwi-

chenfrage der Kollegin Bender zulassen?






(A) )


)(B)


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1706216700

Noch einen Gedanken, dann kommt die Kollegin

dran.

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch Folgendes sa-
gen: Wir wollen keine andere Form der Einheitsver-
sicherung, und wir wollen auch keine Privatisierung der
gesetzlichen Krankenversicherung.


(Elke Ferner [SPD]: Natürlich!)


Das wollen wir nicht. Deswegen wird es auch keine so-
genannte Vorkasse als Pflichtveranstaltung geben. Das
wird es nicht geben. Das will ich hier klar sagen. – So,
jetzt die Zwischenfrage, bitte.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706216800

Frau Bender, bitte.


Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706216900

Herr Kollege Singhammer, Sie haben gerade die Al-

tersrückstellungen in der privaten Krankenversicherung
ausdrücklich gelobt. Können Sie uns bitte erklären, wie
es kommt, dass privat Krankenversicherte, die schon
länger Mitglied dieser Versicherung sind, ihre Versiche-
rung nicht wechseln können, weil sie die Altersrückstel-
lungen nicht mitnehmen können, die Altersrückstellung
also im Wesentlichen zur Folge hat, dass es in der priva-
ten Krankenversicherung keinerlei Wettbewerb gibt?
Was soll daran eigentlich schön sein?


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Kann man beantworten! Das ist einfach falsch, was sie sagt!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1706217000

Frau Kollegin Bender, Sie wissen sicher ebenso wie

ich, dass die Koalition in der zurückliegenden Legisla-
turperiode genau diese Frage geklärt hat. Wir haben die
Mitnahme der Altersrücklage ermöglicht und damit das
Wechseln erleichtert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Aber nur in den Basistarif! Da mussten wir Sie ja schon hinprügeln! Da mussten Sie hingetragen werden, Herr Singhammer!)


– Das ist so, auch wenn es Ihnen nicht gefällt. – Sie kön-
nen sich wieder setzen, Frau Bender.


(Mechthild Rawert [SPD]: Die Antwort blieb aus!)


– Die Antwort war klar.

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen Gedan-
ken zu sprechen kommen. Die Solidargemeinschaft der
Steuerzahler beteiligt sich im kommenden Jahr mit
15,1 Milliarden Euro an den Kosten der gesetzlichen
Krankenversicherung. Damit wird entsprechend der
Leistungskraft des jeweiligen Steuerzahlers ein Solidar-
beitrag geleistet.


(Elke Ferner [SPD]: Absurd! Das sparen Sie an anderer Stelle ein!)


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(C (D as ist ehrliche Solidarität, die jeden entsprechend seier Möglichkeiten beteiligt. Das ist gerecht, das ist soliarisch, und das ist das Prinzip unseres Gesetzentwurfs, en wir hiermit einbringen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Klientelpolitik!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706217100

Die Kollegin Dr. Martina Bunge hat das Wort für die

raktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706217200

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

err Minister, werte Kolleginnen und Kollegen der Ko-
lition, mit Ihrem Gesetzentwurf soll die Solidarität end-
ültig zu Grabe getragen werden.


(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!)


Einige Belege dafür: Sie geben vor, mit einer einkom-
ensunabhängigen Beitragserhebung und dem soge-

annten Sozialausgleich mehr Gerechtigkeit schaffen zu
ollen und über Steuern die Belastung auf mehr Schul-
rn zu verteilen. Tatsächlich belasten Sie die Versicher-
n drei- bis viermal so stark: erstens mit der generellen
eitragssatzerhöhung auf 8,2 Prozent für die Versicher-
n,


(Ulrike Flach [FDP]: Was hätten Sie eigentlich gemacht?)


weitens mit dem Zusatzbeitrag – bis zu 2 Prozent des
ruttoeinkommens – und drittens mit den Steuern für
en Sozialausgleich;


(Ulrike Flach [FDP]: Welche Leistungen hätten Sie denn eingespart?)


enn Mehrwertsteuer und andere Verbrauchssteuern zah-
n auch die Bezieher kleiner Einkommen. Das alles ist
ngerecht.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Karl Lauterbach [SPD])


Sie behaupten, wir bräuchten eine Entkoppelung der
eiträge von den Arbeitskosten, um Wirtschaftswachs-
m und Arbeitsplätze auch künftig zu sichern.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sondern?)


atsächlich wälzen Sie mit dem Einfrieren der Arbeitge-
erbeiträge bei 7,3 Prozent alle künftigen Ausgabenstei-
erungen im Gesundheitssystem allein auf die Versicher-
n ab.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist falsch!)


as ist unsozial.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie geben vor, damit die Finanzierung der gesetzli-
hen Krankenversicherung für die Zukunft zu stabilisie-
n. Tatsächlich wissen Sie heute noch nicht, woher die
teuern für den in wenigen Jahren garantiert rasch wach-
enden Sozialausgleich kommen sollen. Dieser Gesetz-





Dr. Martina Bunge


(A) )



(B)

entwurf ist untauglich für die Zukunft. Sie wollen die
Kopfpauschale durch die Hintertür zugunsten der Best-
verdienenden und der Arbeitgeber. Das ist des Pudels
Kern.

Übrigens, das Grab für die Solidarität haben viele
über viele Jahre geschaufelt. Den ersten Spatenstich hat
Bundesgesundheitsminister Seehofer, CSU, mit dem Ge-
sundheitsstrukturgesetz gesetzt. 1993, als der Wettbe-
werb in der Krankenversicherung eingeführt wurde, ging
es los mit dem Wettbewerb um gute Risiken, um die ge-
sunden Versicherten. Seither finden immer mehr die Ka-
tegorien „Gesundheitsmarkt“ und „Kunde statt Patient“
Einzug in die gesetzliche Krankenversicherung. Die
Linke sagt, Gesundheit ist keine Ware, Gesundheit ist
Daseinsvorsorge.


(Beifall bei der LINKEN)


Also Vorsicht, wenn sich Ministerpräsident Seehofer
heutzutage als Gralshüter sozialer Gerechtigkeit gebär-
det.

Aber auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von
der SPD, haben an diesem Grab für die Solidarität mit-
geschaufelt, zuletzt Gesundheitsministerin Ulla Schmidt,
die die Stellschraube „Zusatzbeiträge“ am Gesundheits-
fonds angebracht hat. Die Rösler-Reform ist nun nicht
etwa nur eine etwas andere Art der Finanzierung des Ge-
sundheitssystems. Sie ist der dritte große Angriff auf das
Sozialsystem. Nach Hartz IV, nach der Zerstörung der
Rentenformel ist jetzt die Gesundheit dran. Das ist ein
Skandal.


(Beifall bei der LINKEN)


Gott sei Dank lassen Ihnen das die Bürgerinnen und
Bürger nicht so einfach durchgehen. Außerparlamentari-
sche Kräfte, also Gewerkschaften, Sozialverbände, Ini-
tiativen, Einzelne, sind in diesem Herbst auf der Straße.
Ich gebe zu: Ich bin froh, dass die drei Oppositionsfrak-
tionen bzw. -parteien dabei sind und auch mehr und
mehr gemeinsam machen. Ich billige der SPD ja Lernfä-
higkeit zu. Sigmar Gabriel, SPD, Claudia Roth, Grüne,
Gesine Lötzsch, unsere Parteivorsitzende, zeigten vor-
gestern gemeinsam mit dem DGB-Vorsitzenden Sommer
ihre Köpfe gegen die Kopfpauschale.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD)


Übrigens, auch im Bundesrat sind nach dem Wahlaus-
gang in Nordrhein-Westfalen die Karten neu gemischt.
Ich bin sicher, dass das Gesetz auch dort nicht einfach
nur so durchgewunken wird, und das zu Recht. Besinnen
Sie sich und ziehen Sie diesen Gesetzentwurf zurück,
meine Damen und Herren. Der Gesetzentwurf löst kein
Problem, er schafft nur neue.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Nun wollen Sie – wie wir gestern und heute erfahren
durften – über Änderungsanträge auch noch das Prinzip
der Kostenerstattung ganz schnell im Gesetz etablieren.
Ich habe mir schon einen Kopf gemacht, wie ich diese
Gefahr den Bürgerinnen und Bürgern erläutern soll.

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(C (D (Ulrike Flach [FDP]: Warum? Das gibt es doch schon! Das haben doch Ihre Freunde von den Sozialdemokraten gemacht!)


Doch heute früh hat mich in gewissem Sinne mein
axifahrer beruhigt. Als im Radio die Meldung kam,
ass hier heute diese Debatte geführt wird, sagte er: Nun
ollen wir alle auch noch die Rechnungen vorher beim
rzt bezahlen.


(Ulrike Flach [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)


o lebt dieser Minister denn? Der ist doch total durch-
eknallt. –


(Beifall bei der LINKEN – Heinz Lanfermann [FDP]: Da hätten Sie ihn einmal aufklären sollen, dass das gar nicht stimmt!)


as sollte ich Ihnen sagen. Das ist Volkes Stimme.

Hören Sie auf mit ihrer Lobby- und Klientelpolitik.
ine für alle, die Bürgerinnen- und Bürgerversicherung,
ie die Mehrheit der Bevölkerung will, muss her. Das hat
ukunft. So sieht Solidarität aus.


(Beifall bei der LINKEN – Heinz Lanfermann [FDP]: Die Berliner Taxifahrer sind klüger, als Sie das jetzt dargestellt haben! – Ulrike Flach [FDP]: Nur wäre es Ihre Pflicht gewesen, ihn aufzuklären!)


Dann fahren Sie einmal mit ihnen.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706217300

Fritz Kuhn hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706217400

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-

gen! Ich bin der Meinung, wenn man über grundle-
ende Gesundheitsreformen spricht, müsste man in die-
em Haus eigentlich auch mit einer Debatte über die
ugrundeliegenden Werte beginnen. Denn eine Gesund-
eitsreform kann nicht nur Technik sein – das ist sie viel-
icht teilweise in den Einzelheiten der Gesetze –, son-
ern muss aus Werten abgeleitet und begründet sein.
ir, die wir Freiheit zu Recht als großartigen Wert unse-
r Verfassung ansehen, wissen alle – das Bundesverfas-

ungsgericht erinnert uns gelegentlich daran –, dass Frei-
eit nur von jedem Einzelnen in Selbstbestimmung
erwirklicht werden kann, wenn es ein Netz von Sicher-
eiten gibt, die es jedem Einzelnen ermöglichen, Freiheit
Anspruch zu nehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dies sind Sicherheiten des Rechtsstaats gegen Ge-
alt, aber es sind auch soziale Sicherheiten. Das haben
ir jetzt ja beim Hartz-Urteil gehört. Es sind auch Si-

herheiten wie der Schutz vor Krankheiten. Zu einem
eien selbsttätigen Leben gehört in unserer Demokratie,
ass alle, wenn sie krank werden, zu fairen Bedingungen
eschützt sind und medizinische Leistungen in Anspruch
ehmen können.
)





Fritz Kuhn


(A) )


)(B)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heinz Lanfermann [FDP]: Ja, deshalb wird dieses Gesetz eingebracht! – Gegenruf der Abg. Elke Ferner [SPD]: Nein, dafür ist es nicht, Herr Lanfermann!)


– Ich freue mich über die Einigkeit an dieser Stelle.

Wir haben unterschiedliche Einkommensverteilungen
in Deutschland. Es wird also Personen geben, die in der
Lage sind, für sich diesen Schutz leicht selber zu finan-
zieren, allein oder in Verbindung mit dem Versiche-
rungssystem. Jetzt kommt aber der wichtige Punkt: Weil
es viele Menschen gibt, die dieses Einkommen nicht ha-
ben, sind sie auf eine funktionierende Solidarität zur
Herstellung dieser Sicherheit angewiesen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


– Da gehen Sie auch noch mit.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Ja!)


Sehen Sie, man kann mit einer Ableitung aus Werten in
Deutschland noch etwas erreichen.

Jetzt kommt der Dissens:


(Heinz Lanfermann [FDP]: Aber nur schürfen im Grundgesetz bringt es auch nicht!)


Wenn Sie hierbei mitgehen, warum legen Sie heute einen
Gesetzentwurf vor, der systematisch, Schritt für Schritt,
diese Solidarität infrage stellt und abbaut?


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das kann nur jemand behaupten, der keine Ahnung hat! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Das sagt der Gesundheitspolitiker Kuhn!)


Das ist der Kernpunkt unseres Streits. Ich will es Ihnen
an drei Beispielen darstellen. Warum greifen Sie ein
Kernelement der Solidarität – seit Bismarck, auf jeden
Fall in der sozialen Marktwirtschaft verwirklicht –, näm-
lich dass die Sicherheit des Einzelnen im Schutz vor
Krankheit in Deutschland eine gemeinsame Sache von
Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist, an, indem Sie den
Arbeitgeberbeitrag einfrieren wollen, wie es in dem Ge-
setzentwurf, den Sie heute vorlegen, steht?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das war ja nicht einfach irgendetwas, etwa nach dem
Motto: „Gesundheit hat auch etwas mit Arbeit zu tun“,
sondern es war ein Kernelement der sozialen Marktwirt-
schaft, dass sich alle darum kümmern müssen – auch die
Arbeitgeber –, dass die Leute geschützt sind. Es hatte die
wichtige Auswirkung, dass die Arbeitgeber und ihre
Verbände bei der Kostenentwicklung immer mitdisku-
tiert haben und im Hinblick auf die Lohnnebenkosten
darauf geschaut haben, dass es nicht ins Uferlose wächst.
Von dieser Verpflichtung werden Sie die Arbeitgeber mit
Ihrem Gesetzentwurf entbinden, übrigens zum Schaden
von denjenigen, die auf Kostensenkung und Kostenbe-

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(C (D usstsein achten. Das, was Sie in diesem Punkt machen, t brandgefährlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ein weiterer Punkt betrifft den Zusatzbeitrag bzw. die
opfpauschale. Vom Begriff her ist das natürlich noch
icht die Kopfpauschale, aber es ist aufgrund der 2-Pro-
ent-Grenze und der Möglichkeit, an der Finanzierungs-
chnik immer wieder zu drehen, eine hervorragende
trategie des Einstiegs in die Kopfpauschale. Die Sum-
en sind jetzt für alle möglich; Sie haben den Deckel,

en es bisher gegeben hat, jetzt entfernt.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Das ist jetzt mehr Spekulation als Wissen!)


eswegen wird dies eine Einstiegsstrategie in die Kopf-
auschale sein.

Das ist eine soziale Belastung für viele Menschen.
as wurde vorher angesprochen: Wer 1 000 Euro brutto
erdient, wird höchstens 20 Euro monatlich zu zahlen
aben. Das sind 240 Euro im Jahr. Fragen Sie einmal die
entnerinnen und Rentner oder die Geringverdiener, die
it so wenig Geld auskommen müssen, was 240 Euro
r sie im Jahr bedeuten! Das ist eine zusätzliche soziale
elastung. Wenn Sie sich christlich-soziale Union nen-
en, wenn Sie etwas von sozial verstehen, können Sie
icht einfach sagen, 240 Euro würden bei kleinen Leuten
ichts ausmachen.

h sage Ihnen: Das ist eine Belastung.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die Alternative ist, dass Leistungen gestrichen werden müssen! Sie würden den Leuten doch ab 60 nichts mehr geben!)


rüher galt das Prinzip: Wer mehr hat, trägt mehr. An
ieses Prinzip halten Sie sich nicht mehr.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Im Gegenteil! Es wird gestärkt! Sie haben den Gesetzentwurf wohl nicht gelesen!)


etzt müssen die Leute Leistungen individuell bezahlen.
eswegen ist das, was Sie da machen, nicht in Ordnung.
as ist der Einstieg in die Entsolidarisierung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Lars Lindemann [FDP]: Jetzt müssten Sie eigentlich auch mal darüber reden, was die Leute dafür kriegen können! – Ulrike Flach [FDP]: Wollen Sie denn das Gesundheitssystem zurückfahren, oder was wollen Sie?)


Die großen Sprüche von Minister Rösler haben Sie
icht verwirklicht.


(Lars Lindemann [FDP]: Sagen Sie doch mal: Was kriegen die Leute denn alles?)


ine Finanzierung aus Steuermitteln sei viel gerechter,
aben wir immer wieder gehört. Darüber haben wir viele
ebatten geführt.





Fritz Kuhn


(A) )


)(B)


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ja, und? Ist das schlimm?)


Aber tatsächlich nehmen Sie das benötigte Geld aus dem
Fonds.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Nein! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie verstehen es nicht!)


Sie nehmen die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds
bis 2015 in Anspruch.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ihr versteht es nicht!)


Etwas anderes werden Sie nicht tun. Steuerfinanzierung
ist das, was Sie hier machen, nicht.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Doch! Ihr kapiert es nur nicht! – Gegenruf der Abg. Elke Ferner [SPD]: Nein! – Weiterer Zuruf von der SPD: Seit wann duzen wir uns, Herr Spahn?)


Zum nächsten Punkt, den ich ansprechen will. Natür-
lich machen Sie Lobbypolitik, und zwar im Interesse der
PKVs.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Nein! Der Patienten!)


Herr Minister, Ihr gestern in der Financial Times er-
schienenes Interview war interessant. Sie sprachen von
einer Angleichung der Systeme. Herr Singhammer, inte-
ressant ist, festzuhalten, dass die PKVs mit ihrer Finan-
zierungstechnik und den Altersrückstellungen nicht zu-
kunftsfähig sind. Die Beiträge werden Jahr für Jahr
steigen,


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ja! Weil die Menschen älter werden!)


weil die Grundbedingung für die Finanzierung von
PKVs – dass sie Jahr für Jahr einen möglichst wachsen-
den Anteil junger, gesunder Mitglieder gewinnen, die
nur geringe Kosten verursachen – aufgrund der demo-
grafischen Entwicklung und vieler anderer Punkte
schwindet. Nur wenn diese Bedingung erfüllt wäre, stün-
den sie auf einem sicheren finanziellen Fundament. Das
heißt, die finanzielle Basis der PKVs ist ausgehöhlt. Das
PKV-Modell ist nicht zukunftsträchtig und zukunftssi-
cher.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Herr Kuhn, haben Sie eigentlich damals die Riester-Rente eingeführt?)


Herr Minister, Sie gehen einen anderen Weg, nämlich
die GKVs neuen Belastungen auszusetzen oder jungen
Leuten schneller das Verlassen der GKVs zu ermögli-
chen. Das ist kein zukunftssicherer Weg.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Also, ich bin gesetzlich versichert! Ich weiß ja nicht, wie Sie versichert sind! – Ulrike Flach [FDP]: Aber Ihre Lösung, ja?)


Ich glaube, dass man mit einer solidarischen Bürgerver-
sicherung,

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(C (D (Ulrike Flach [FDP]: Die gibt es doch gar nicht!)


ie keine Einheitsversicherung ist, den Weg der Stabili-
ierung beider Systeme gehen kann, –


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706217500

Herr Kollege.


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706217600

– der gesetzlichen Krankenversicherung und der pri-

aten Krankenversicherung, und das in Solidarität.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Frau Präsidentin, wollten Sie mich fragen, ob ich eine
wischenfrage zulasse?


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706217700

Nein. Ich wollte deutlich machen, dass Ihre Redezeit

ereits abgelaufen ist.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Seine Zeit ist schon seit längerem abgelaufen!)



Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706217800

Okay. – Ich komme zum Schluss. Einen kurzen Punkt

öchte ich noch ansprechen.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706217900

Nein, keinen Punkt mehr; einen halben Satz vielleicht

och.


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706218000

Ein Semikolon sozusagen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


m 1. Februar 2010 hat der Minister im Fernsehen bei
errn Beckmann gesagt – –


(Die Verstärkeranlage wird abgeschaltet – Lars Lindemann [FDP]: Na! Jetzt ist aber Schluss! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das darf doch wohl nicht wahr sein! – Zurufe von der CDU/ CSU: Keine Zitate mehr! – Schluss jetzt!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706218100

Herr Kollege!


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706218200

Aber es wollen doch alle wissen, was er gesagt hat.


(Vereinzelt Heiterkeit – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Nein! – Zurufe von der FDP: Nein! – Bitte nicht! – Elke Ferner [SPD]: Das will wohl doch keiner mehr hören, Herr Kollege!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706218300

Ich fürchte, dem ist nicht so. Wenn Sie jetzt weiterre-

en, geht das von der Redezeit Ihrer Kollegin ab.






(A) )


)(B)


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706218400

Ich muss mich der höheren Gewalt beugen


(Lars Lindemann [FDP]: Jawohl! Endlich!)


und danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706218500

Der Kollege Bundesminister Philipp Rösler hat jetzt

das Wort.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1706218600

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Damen und Herren Abgeordnete! Lieber Herr Kollege
Kuhn, darf ich Ihnen sagen, was ich ganz persönlich für
ungerecht halte? Ich halte es für ungerecht, wenn man,
wie Sie von Grün und Rot, elf Jahre lang Verantwortung


(Joachim Poß [SPD]: Was? Das ist aber falsch gezählt! Da ist ja schon der erste Fehler! – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sieben Jahre, meinen Sie?)


für ein Gesundheitssystem hatte und den Menschen am
Ende ein Milliardendefizit hinterlässt und sie damit al-
leine lässt. Das ist ungerecht.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Was bedeutet es eigentlich, dass man ein Milliarden-
defizit zu erwarten hat, wenn man im deutschen Gesund-
heitssystem nichts tut? Wenn wir hören, dass wir von ei-
nem zweistelligen Milliardendefizit ausgehen müssen,
handelt es sich nicht nur um eine banale Zahl, sondern
das bedeutet ganz konkret: Wir müssten jedes fünfte
oder sechste Krankenhaus schließen, womöglich auch
jede dritte Arztpraxis – übrigens egal ob Hausarzt, Fach-
arzt oder Kinderarzt –, und wir könnten jedes dritte Me-
dikament nicht mehr bezahlen.

Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, wären
zu Leistungseinschränkungen bereit; das ist uns allen
klar.


(Elke Ferner [SPD]: Jetzt wird es aber wirklich unverschämt, Herr Minister! – Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das ist unter Ihrem Niveau! – Weiterer Zuruf von der SPD: Gibt es in Deutschland eher Unterversorgung oder eher Überversorgung? – Lars Lindemann [FDP]: Genau! Ich sage nur: Leistungskürzungen, Praxisgebühr usw.!)


Aber diese christlich-liberale Regierungskoalition hat
ein anderes politisches Ziel. Wir nehmen beim Aus-
gleich des Defizits jeden in die Verantwortung, Arbeit-
geber, Arbeitnehmer, und zwar durch die Rückführung
des Krankenversicherungsbeitragssatzes auf seinen ur-
sprünglichen Wert, den Sie vor der Krise eingeführt ha-
ben.

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(C (D (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Und den Sie damals bekämpft haben!)


Die Leistungserbringer werden genauso in Verant-
ortung genommen: Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Kran-
enhäuser, Krankenkassen und natürlich auch die Phar-
aindustrie. Damit können wir eines sicherstellen: Es
uss im nächsten Jahr kein durchschnittlicher Zusatz-

eitrag erhoben werden; der Wert wäre null.


(Elke Ferner [SPD]: Ja, ja! Sie werden es 2012 und 2013 schon sehen!)


amit ist eines klar: All die Menschen, die nächstes Jahr
eistungen in Anspruch nehmen wollen, haben die Ga-
ntie, dass sie weiterhin Zugang zur bestmöglichen me-

izinischen Versorgung haben, die man sich vorstellen
ann, nämlich zum exzellenten deutschen Gesundheits-
ystem.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Wann? Im nächsten Jahr?)


Nicht nur die kurzfristigen Probleme des Jahres 2011
ind angegangen worden, sondern wir wagen auch den
instieg in eine langfristig andere Finanzierung


(Elke Ferner [SPD]: Anders ja, aber nicht nachhaltig!)


er gesetzlichen Krankenversicherungen für die weitere
ukunft. Ich weiß, dass Sie kritisieren, dass wir bei-
pielsweise den Arbeitgeberbeitrag festschreiben wol-
n. Zugegebenermaßen ist das keine angenehme
ntwort auf die Frage, wie man die gesetzliche Kran-
enversicherung zukünftig finanzieren kann. Aber offen-
ichtlich beantworten Sie Fragen nur nach der Annehm-
chkeit, ob die Antworten Ihnen genehm sind oder nicht,
b sie leicht zu transportieren sind oder nicht. Wir hinge-
en beantworten Fragen danach, ob die Antworten rich-
g sind oder nicht.


(Mechthild Rawert [SPD]: Das haben wir bei der Anhörung gemerkt! – Elke Ferner [SPD]: Ja! Weniger Netto vom Brutto!)


h sage Ihnen: Es ist richtig, den Krankenversiche-
ngsbeitrag festzuschreiben, um zu einer stärkeren Ent-

oppelung der Krankenversicherungskosten von den
ohnzusatzkosten zu kommen, um die Krisenanfällig-
eit zu beseitigen und um endlich den Teufelskreis zu
urchbrechen, der da lautet: Mehr Gesundheit bedeutet
eniger Beschäftigung. – Dies ist ein wesentlicher Bei-
ag für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland
sgesamt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


atürlich wird es einen Sozialausgleich geben.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706218700

Herr Minister, würden Sie eine Zwischenfrage von

rau Vogler zulassen?






(A) )


)(B)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1706218800

Aber gerne.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706218900

Bitte schön.


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706219000

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, wie

erklären Sie sich, dass die Bundesregierung in einer Ant-
wort auf eine Kleine Anfrage meiner Fraktion zugibt,
dass der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund der
geplanten Änderungen schon im nächsten Jahr vermut-
lich 40 000 junge, gesunde, gut verdienende Mitglieder
verloren gehen werden? In welcher Art und Weise stel-
len Sie sich vor, dass man den Einnahmeverlust bei der
gesetzlichen Krankenversicherung durch einen Zusatz-
beitrag kompensieren kann – vielleicht noch nicht im
nächsten, aber im übernächsten Jahr –, den alle bezahlen
müssen? Mit diesem Gesetz machen Sie die Scheunen-
tore auf, damit junge, gesunde Menschen die gesetzliche
Krankenversicherung verlassen. Sie beschädigen die
Nachhaltigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung
zugunsten der Privatversicherung. Das geben Sie selber
in der Antwort auf diese Kleine Anfrage zu.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Da müssen Sie aber ein Fragezeichen setzen! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die müssen ein Jahr drinbleiben!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1706219100

Sehr geehrte Frau Kollegin Vogler, ich kann Ihnen ein

bisschen die Angst nehmen. Zunächst einmal wird in der
Tat die Wechselfrist wieder auf das ursprüngliche eine
Jahr zurückgeführt, wie es über die größte Zeit der Ge-
schichte der Bundesrepublik Deutschland hinweg der
Fall gewesen ist. Die Versicherungspflichtgrenze bleibt
aber erhalten.


(Elke Ferner [SPD]: Da hat die CDU damals übrigens zugestimmt! Komisch! Die Halbwertszeiten sind groß!)


Das heißt, nur oberhalb der Versicherungspflichtgrenze
wird sich überhaupt ein Wettbewerb abspielen.

Eines möchte ich hier noch einmal festhalten – ich
hatte es schon in der Haushaltsdebatte gesagt –: Die
Aussage, dass diese Regierungskoalition für mehr als
80 Millionen Menschen verantwortlich ist, bedeutet
auch, dass sie für die 70 Millionen gesetzlich versicher-
ten, aber natürlich genauso für die mehr als 8,6 Millio-
nen privat versicherten Menschen Verantwortung trägt.
Wir machen da keinen ideologischen Unterschied wie
Sie.


(Elke Ferner [SPD]: Nein, gar nicht! – Lachen der Abg. Elke Ferner [SPD])


Deswegen ist es richtig, dass wir den Wettbewerb zwi-
schen diesen beiden Systemen stärken und nicht schwä-
chen, wie das bei Ihnen der Fall gewesen ist.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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(C (D Vielen Dank für diese großartige Frage. Ich komme wieder zu der Frage des Sozialausgleichs urück. Selbstverständlich wird es einen Sozialausgleich us Steuermitteln geben. Dafür werden wir 2 Milliarden uro – technisch, Herr Kuhn – in die Liquiditätsreserve inzahlen. Es sind natürlich Steuergelder. Damit wird die olidarität auf eine breitere Basis gestellt, (Elke Ferner [SPD]: Absurd! Sie nehmen ja keine zusätzlichen Steuern ein! Das ist eine Milchbubenrechnung, die Sie da aufmachen!)


eil sich die Steuerzahler, also die Menschen mit allen
ren Einkunftsarten, übrigens auch privat Versicherte,

ünftig an einem Sozialausgleich zwischen Arm und
eich beteiligen. Ich halte das für wesentlich solidari-

cher als nur einen Ausgleich innerhalb der gesetzlichen
rankenversicherung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


er Ausgleich erfolgt automatisch. „Automatisch“
eißt: Man muss selbst nicht mehr prüfen, ob man an der
renze ist. Wenn man an der Grenze ist, muss man den
usgleich nicht beantragen. Das ist heute übrigens an-
ers, nicht dass das vergessen wird. Wer heute an der
renze ist, das selbst feststellt und einen Ausgleich ha-
en will, der muss einen Antrag stellen.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Bittsteller!)


ie machen die Menschen zu Bittstellern und nicht wir.
ir sorgen vielmehr dafür, dass es technisch vernünftig

usgeführt wird.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Das ist absurd! Das glauben Sie doch selber nicht!)


Der Einnahmereform werden weitere Reformen fol-
en müssen, weil wir uns nicht damit zufrieden geben,
ass die Schere zwischen den Einnahmen und den Aus-
aben des Fonds immer weiter auseinandergeht. Selbst-
erständlich muss das System effizienter werden, zum
eispiel durch eine faire und gerechte Honorarreform,
urch eine vernünftige Kostenerstattung und durch Stär-
ung von Prävention.


(Elke Ferner [SPD]: Das heißt doch, wenn Sie das sagen: mehr Geld!)


m Ende muss das eingezahlte Geld den Menschen für
eistungen zur Verfügung stehen. Jeder Euro muss am
nde bei den Menschen für Vorsorge und Versorgung
nkommen. Das bietet das bisherige System nicht. Das
aben Sie uns hinterlassen. Es ist richtig, dass wir ange-
eten sind, neben der Finanzierungsfrage auch die Re-
rmen im System mit anzugehen.

Sie werfen uns immer vor, wir würden der einen oder
nderen Interessengruppe nachgeben. Das ist hier keine
loße Diskussion und kein bloßer Austausch von Argu-
enten, sondern – wie heißt es so schön –: An den Taten

ollt ihr sie messen. – Gucken Sie sich die Zahlen ein-
ch an: 11 Milliarden Euro bekommen die gesetzlichen
rankenversicherungen im nächsten Jahr, um ein Defizit





Bundesminister Dr. Philipp Rösler


(A) )


)(B)

auszugleichen. Gleichzeitig nehmen wir der Pharmain-
dustrie 2 Milliarden Euro.


(Kathrin Senger-Schäfer [DIE LINKE]: Das glaubt doch kein Mensch!)


Einen besseren Beweis für den Irrsinn und den Unfug,
die Sie mit Ihren Argumenten betreiben, hätte es an die-
ser Stelle gar nicht geben können. Hier sind die Zahlen
besser als all Ihre ständig wiederkehrenden Argumente.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich freue mich, dass sich die Linksfront wieder zu-
sammengefunden hat. Ich will das hier ganz offen an-
sprechen.


(Mechthild Rawert [SPD]: Gibt es denn jetzt eine Rechtsfront?)


Sie dürfen sich am Ende nur nicht darüber wundern, dass
Sie gemeinsam mit den Linken untergehen werden,
wenn Sie sich mit den Linken in ein Boot setzen.


(Mechthild Rawert [SPD]: Sie gehen unter! – Elke Ferner [SPD]: Sie kratzen ja schon an der 5-Prozent-Hürde!)


Ich sage Ihnen für den kommenden Herbst: Sie dürfen
nicht glauben, dass Sie plötzlich Vorkämpfer für ein ge-
rechtes und solidarisches Gesundheitssystem sind, nur
weil Sie sich zu den Demonstranten stellen. Wenn über-
haupt, dann sind Sie nur schlechte Nachläufer. Mit poli-
tischer Führung hat das am Ende nichts, aber auch gar
nichts zu tun.


(Elke Ferner [SPD]: Ihre politische Führung ist aber auch nichts! – Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hieß es nicht vor kurzem noch, Sie müssen besser werden?)


– Frau Ferner, wer dem Gegenwind den Rücken zudreht,
wie Sie das tun, und glaubt, er habe dann Rückenwind,
der irrt sich.


(Joachim Poß [SPD]: Das haben Sie gerade nötig, nach dem letzten Jahr von Untergang zu sprechen! – Elke Ferner [SPD]: Schwarz-gelbe Chaostage!)


Ich bin fest davon überzeugt, dass wir auf der einen
Seite die Grundlage für eine solide Finanzierung der ge-
setzlichen Krankenversicherung geschaffen haben und
auf der anderen Seite die kurzfristigen Probleme für
2011 gelöst haben werden. Ich freue mich auf eine ange-
regte Diskussion.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706219200

Der Kollege Dr. Karl Lauterbach, der bereits hier

vorne ist, hat das Wort.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Es hat ihn nicht mehr auf dem Sitz gehalten!)


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(C (D Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Zunächst einmal ine Korrektur: Minister Rösler hat gerade gesagt, es sei in großes Defizit übernommen worden. Ich weise noch inmal darauf hin – Sie wissen das ganz genau –: Als Sie as Amt übernahmen, hatte die gesetzliche Krankenvericherung ein Plus von 1,8 Milliarden Euro. (Beifall bei der SPD – Lars Lindemann [FDP]: Herrn Lauterbachs Märchenstunde! – Zuruf von der CDU/CSU: Dummes Zeug!)

Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Rede ID: ID1706219300

ie können nicht die eigene, jetzt misslungene Reform
it einem Defizit begründen, welches Sie selbst verur-

acht haben, sehr verehrter Herr Minister.


(Beifall bei der SPD – Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Unglaublich! Innerhalb von zwei Monaten? – Heinz Lanfermann [FDP]: Unglaublich!)


85 Prozent der Menschen in Deutschland lehnen diese
esundheitsreform ab, und nur 5 Prozent glauben, diese
eform führe zu einer nachhaltigen Finanzierung des
ystems. Sind alle diese Menschen dumm? Verstehen sie
ie Geschenke des Ministers nicht? Verstehen sie nicht
ie dahinterstehende Brillanz der Reform? Ich sage Ih-
en: Hier gibt es nichts zu verstehen.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Er hat die Reform „brillant“ genannt!)


Bei der Reform läuft es doch darauf hinaus: Der Kol-
ge Singhammer sagt, wir müssen die Lohnnebenkosten

enken, damit Arbeitsplätze entstehen. Das Erste, was
ie mit der Reform aber machen, ist: Sie erhöhen die
ohnnebenkosten. Sie verstehen Ihre eigene Reform
icht.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Auf Ihren Beitragssatz! Den haben Sie mit eingeführt!)


eshalb haben Sie es denn dann zu dem Defizit kom-
en lassen, das jetzt dazu führt, dass die Lohnnebenkos-
n steigen, Herr Singhammer?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Das ist Unlauterbach!)


Genauso loben Sie die eigene Reform und sagen, es
omme zu einer verbesserten Versorgung. Gestern haben
ir gehört: Der Präsident der Arzneimittelkommission
er deutschen Ärzteschaft, des obersten Kontrollgre-
iums der deutschen Ärzteschaft für die Arzneimittel-

ersorgung, sagt, die Versorgung würde durch Ihre Re-
rm schlechter werden. Gibt Ihnen das denn nicht zu

enken?


(Elke Ferner [SPD]: Nein, die denken ja nicht mehr! Die lassen denken! Von der PKV, von der Pharmaindustrie!)


Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschus-
es macht sich Sorgen darüber, dass die Versorgungsqua-
tät bei Arzneimitteln schlechter wird.


(Ulrike Flach [FDP]: Sie sind jetzt aber in der falschen Debatte!)






Dr. Karl Lauterbach


(A) )


)(B)

Besorgt Sie das nicht? Besorgt es Sie nicht, dass diese
Reform nicht nur von der Bevölkerung, sondern auch
von den Experten abgelehnt wird?


(Ulrike Flach [FDP]: Das ist ein ganz anderes Gesetz, Herr Lauterbach!)


Ich sage Ihnen: Es ist nicht so, dass die Reform gut ist
und die Bevölkerung denkt, die Reform sei schlecht,
sondern die Reform ist schlecht.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Heinz Lanfermann [FDP]: Das war gestern in der Anhörung aber ein anderes Gesetz!)


Sie argumentieren, die Reform sei sozial ausgewogen.
Ich frage Sie hier ganz offen – auch die Kollegen von der
CDU –: Was ist denn sozial ausgewogen an einem Gesetz,
durch welches die Kosten des zukünftigen technischen
Fortschritts und aufgrund der demografischen Herausfor-
derung in der Gesellschaft allein bei den Arbeitnehmern
abgeladen werden, während die Arbeitgeber davon kom-
plett entlastet werden? Was ist daran sozial ausgewogen?


(Ulrike Flach [FDP]: Wo ist denn die komplette Entlastung? Das ist doch Unfug!)


Fritz Kuhn hat es zu Recht gesagt: Das ist eine Stö-
rung des sozialen Friedens und eine so weitgreifende
Veränderung unseres Solidarempfindens, dass die Be-
völkerung dies in der Masse ablehnt, und zwar zu Recht.


(Lars Lindemann [FDP]: Sie haben einen Phantomschmerz!)


Es bedeutet eine einseitige Belastung der Arbeitnehmer
über Jahrzehnte hinweg, wenn das nicht geändert wird,
weil die Arbeitnehmer den technischen Fortschritt und
die Kosten aufgrund der demografischen Entwicklung
alleine bezahlen sollen; das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Das stimmt doch nicht! Sie wissen es doch besser! – Ulrike Flach [FDP]: Sie haben doch damit angefangen!)


Es gibt nur eine Gruppe, die hier ausgenommen wird:
die Privatversicherten. Jetzt wundern Sie sich darüber,
dass wir das zum Thema machen. Ja, ist es denn gerecht,


(Zuruf des Abg. Daniel Bahr [Münster] [FDP])


dass ausgerechnet derjenige mit einem sicheren Arbeits-
platz und mit hohen Einkünften an der zukünftigen Finan-
zierung des Systems nicht beteiligt wird? Diese Reform
ist doch eine Lobbypolitik für die Arbeitgeberverbände
und für die private Assekuranz. Mehr haben wir hier doch
nicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist eine Reform gegen die Leistungserbringer.
Schauen Sie doch, was hier passiert! Die Leistungser-
bringer, die Bezieher von mittleren Einkommen, müssen
sich auf Zusatzbeiträge, kleine Kopfpauschalen einstel-
len, sie müssen Mehrkosten bei den Arzneimitteln be-

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(C (D ahlen, sie müssen demnächst beim Arzt in Vorkasse geen, (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Stimmt doch nicht!)


enn sie schnell einen Termin haben wollen. Sie bekom-
en keine Strukturreform. Es gibt eine zusätzliche Bü-
kratie: Wenn jemand mit 800 Euro Einkommen 4 Euro

ozialausgleich haben will, muss er dafür Anträge stel-
n. Für lumpige 4 Euro bauen Sie eine riesige Bürokra-
e auf.


(Widerspruch bei der FDP)


as ist die Qualität Ihrer Reform: Bürokratie, unge-
chte Belastung und keine Strukturreform,


(Heinz Lanfermann [FDP]: Das ist jenseits der Realität, was Sie da erzählen!)


ine Strukturreform, zu der Sie nicht in der Lage waren,
ehr verehrter Herr Minister Rösler. Das ist die Wahr-
eit.


(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Sie sprechen die Unwahrheit! Unglaublich!)


In der Summe ist es so: Diese Reform wird zu mehr
ürokratie führen, zu weniger Netto vom Brutto, zu kei-
er besseren Versorgung. Wir werden eine Dreiklassen-
edizin bekommen. Der Privatversicherte ist der Patient

rster Klasse; derjenige, der sich Zusatzversicherungen
nd Vorkasse leisten kann, ist der Patient zweiter Klasse,
nd derjenige, der das alles nicht bezahlt, ist der Patient
er Holzklasse. Das ist die Reform, die Sie hier einlei-
n; das ist der Einstieg in die Dreiklassenmedizin,
eine sehr verehrten Damen und Herren.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706219400

Herr Lauterbach, der Kollege Lotter würde Ihnen

ern eine Zwischenfrage stellen.


Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Rede ID: ID1706219500

Sehr gern, ja.


Dr. Erwin Lotter (FDP):
Rede ID: ID1706219600

Sehr verehrter Herr Professor Lauterbach, ich habe

it Interesse Ihre Kritikpunkte zur Kenntnis genommen.
ber was hätten Sie denn unternommen, um ein milliar-
enschweres Defizit in diesem Jahr und im nächsten Jahr
uszugleichen?


Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Rede ID: ID1706219700

Das kann ich Ihnen ganz genau sagen:


(Mechthild Rawert [SPD]: Wir hätten es gar nicht erst entstehen lassen!)


s wäre zu unserer Zeit gar nicht zu dem Defizit gekom-
en.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


ir hatten ja noch einen Überschuss. Wir hätten eine
trukturreform gemacht – zu der Sie nicht in der Lage
aren –, wir hätten die Arbeitgeber und die Gutverdie-





Dr. Karl Lauterbach


(A) )


)(B)

ner in der Gesellschaft an den Kosten beteiligt und sie
nicht entlastet. Wir hätten das Gegenteil dessen getan,
was Sie getan haben.


(Beifall bei der SPD – Heinz Lanfermann [FDP]: Arbeiten Sie mal an Ihrer Bürgerversicherung!)


Ich komme zum Abschluss. Ich bitte Sie, sich zu erin-
nern: Ich habe an dieser Stelle vor der Nordrhein-Westfa-
len-Wahl gesagt: Für die Gesundheitsreform, die Sie pla-
nen, wird Ministerpräsident Rüttgers bezahlen; er wird
seinen Schreibtisch räumen müssen. – Das ist das, was
jetzt Herrn Mappus erwartet. Sie werden für diese Re-
form bei der nächsten Landtagswahl büßen.


(Zuruf von der FDP: Hochmut kommt vor dem Fall!)


Wir werden in Baden-Württemberg flächendeckend Ge-
sundheit 21 zum Thema machen,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Stuttgart 21!)


sodass auch dort der Regierungswechsel erfolgen kann,
den dieses Land unbedingt braucht.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Stuttgart 21! Haben Sie das verwechselt?)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706219800

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt Jens Spahn.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1706219900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Lauterbach, Sie sind ja, glaube ich, schon
ein paar Jahre länger hier im Parlament. Bei Ihrer Frage
„Woher kommen eigentlich diese bis zu 11 Milliarden
Euro Defizit?“ mussten ja gerade selbst Ihre Kollegen
das Lachen verstecken.


(Elke Ferner [SPD]: Wir verstecken unser Lachen nicht!)


Sie wissen ganz genau, dass das maßgeblich mit Ent-
scheidungen der Großen Koalition zu tun hat, Entschei-
dungen, die wir bewusst getroffen haben, weil wir woll-
ten, dass Ärzte in Ostdeutschland, die bisher auf einem
niedrigeren Niveau der Entlohnung waren und in einem
sehr dünn besiedelten Gebiet einen schwierigen Job tun,
mehr Geld bekommen,


(Elke Ferner [SPD]: Da hat Herr Singhammer aber etwas anderes gesagt!)


weil wir im Krankenhausbereich wollten, dass die Tarif-
steigerungen für die Pflegekräfte, für die Ärzte vernünf-
tig finanziert werden können; denn gerade die Pflege-
kräfte verrichten einen harten, aufopferungsvollen Job,
der oft nicht gut bezahlt wird. Dafür ist das Geld bereit-
gestellt worden. Wenn Sie das hier jetzt kritisieren, dann
müssen Sie das auch den Pflegekräften sagen und deut-
lich machen, welche Konsequenz es denn gehabt hätte,

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(C (D enn wir diese Entscheidung nicht getroffen hätten, lieer Herr Lauterbach. Eines ist doch bemerkenswert: Wir haben jetzt 23 Miuten lang, vielleicht sogar etwas länger, Reden von vier ppositionspolitikern gehört. Wir stehen vor der Situaon, dass wir im nächsten Jahr das größte Defizit in der eschichte der gesetzlichen Krankenversicherung erwarn, einer Situation, in der Nichtstun keine Option wäre. enn wenn wir nichts täten, wären die Krankenkassen ufgrund der derzeitigen Systematik nicht in der Lage, n dieses Geld heranzukommen. Sie müssten in die Inolvenz gehen. Das heißt, wir stehen im Grunde vor eier Situation, in der man handeln muss. Da kann man uch von einer Opposition mehr erwarten als substanzloes Geschrei, da kann man erwarten, dass Sie zumindest wei Minuten darauf verwendet hätten, zu sagen, was ie denn tun würden, wenn Sie regieren würden, was ja ottlob nicht der Fall ist. Was würden Sie denn tun? Was ind denn Ihre Alternativvorschläge? Dazu sagen Sie gar ichts. Das ist ein bisschen arm. Wir kehren im nächsten Jahr im Übrigen zum alten eitragssatz von 15,5 Prozent zurück. Den haben wir inmal gemeinsam eingeführt, (Elke Ferner [SPD]: Wir haben ihn gemeinsam eingeführt, was Sie jetzt zurücknehmen!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


nd wir haben ihn auch gemeinsam auf 14,9 Prozent ge-
enkt, weil wir in der Krise die Lohnnebenkosten stabil
alten wollten. Die Krise ist nun offensichtlich vorbei,


(Ulrike Flach [FDP]: Gott sei Dank! – Elke Ferner [SPD]: Jetzt werden die Arbeitnehmer geschröpft!)


ie Arbeitslosigkeit sinkt – das haben wir gerade heute
ieder gehört –, die wirtschaftlichen Daten verbessern

ich. Deshalb ist es richtig, wieder zum alten Beitrags-
atz von 15,5 Prozent zurückzukehren und Arbeitnehmer
nd Arbeitgeber gemeinsam an der Bewältigung des De-
zits zu beteiligen.

Aber wir machen nicht nur das. Wir sagen: Es ist eine
emeinschaftsaufgabe, mit diesem größten Defizit in der
eschichte der gesetzlichen Krankenversicherung klar-

ukommen. Deswegen kehren wir zum alten Beitragssatz
urück. Deswegen müssen aber auch alle Leistungser-
ringer, alle im Gesundheitswesen Tätigen einen Beitrag
isten.


(Elke Ferner [SPD]: Weniger oder weniger Zuwachs?)


eswegen werden wir bei den Krankenhäusern und bei
en Ärzten weniger Zuwachs haben.


(Elke Ferner [SPD]: Aha!)


ir werden bei den Apotheken und beim Großhandel
paren,


(Elke Ferner [SPD]: Auch die Apotheker? Das wäre ja das erste Mal!)






Jens Spahn


(A) )


)(B)

aber auch bei den Verwaltungskosten der Krankenkassen
und im Übrigen auch bei der Pharmaindustrie. Wir ha-
ben mit dem 10-prozentigen Herstellerabschlag, der im
nächsten Jahr wirksam wird, eins zu eins das umgesetzt
– nicht auf Ihren Vorschlag hin; auf diese Idee sind wir
selber gekommen –, was auch Sie in Ihren eigenen An-
trag hineingeschrieben haben. Sie haben gefordert, den
Herstellerabschlag auf 10 Prozent zu erhöhen, nachdem
wir bereits angekündigt hatten, dass wir es tun. An dieser
Stelle müssten Sie eigentlich mit uns übereinstimmen
und sagen, dass es richtig ist, dass wir die Pharmaindus-
trie nächstes Jahr mit über 1 Milliarde Euro beteiligen.
Ein, zwei Worte der Anerkennung für etwas, das Sie
selbst gefordert haben und das gut läuft, wären auch von
der Opposition zu erwarten.

Wie ist es denn heute? Sie sprechen immer von An-
tragstellung, Bittstellern und Ungerechtigkeit. Wie ist
die Situation heute, die wir gemeinsam herbeigeführt ha-
ben? Sie wollten die 8-Euro-Regelung und die Decke-
lung auf 1 Prozent.


(Elke Ferner [SPD]: Sie wollten ja keinen Deckel!)


Frau Ulla Schmidt, die damalige Gesundheitsministerin,
hat die Regelung eingeführt, dass eine Zuzahlung von
bis zu 8 Euro erhoben werden kann, ohne dass überprüft
wird, ob eine Überforderung des Versicherten gegeben
ist.


(Elke Ferner [SPD]: Frau Merkel wollte diese 8 Euro, Herr Spahn! Da war ich dabei, im Gegensatz zu Ihnen!)


Das führt dazu, dass bis zu einem Betrag von 800 Euro
überhaupt nicht geprüft wird, ob jemand überfordert ist.


(Elke Ferner [SPD]: Das war Frau Merkel!)


Wenn sich jemand finanziell überfordert fühlt, wird das
nur auf Antrag überhaupt berücksichtigt.


(Elke Ferner [SPD]: Fragen Sie doch Herrn Zöller! Das war Frau Merkel!)


Dann muss in einem komplizierten Verfahren das Ein-
kommen geprüft werden. Sie sind die Letzten, die be-
haupten können, wir würden etwas einführen, was unso-
lidarisch sei oder dazu führen würde, dass die Menschen
Bittsteller würden. Sie schlagen sich in die Büsche und
wollen nicht mehr wahrhaben, was Sie selbst einmal ent-
schieden haben.


(Elke Ferner [SPD]: Ach Gott, was Sie hier erzählen!)


Sie können vor allem nicht verkraften, dass wir es jetzt
sind, die das Ganze gerechter ausgestalten, als es heute
ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Lügen, ohne rot zu werden! – Mechthild Rawert [SPD]: Sie werden noch nicht mal rot!)


Wir entwickeln die Systematik des Zusatzbeitrags mit ei-
nem Sozialausgleich, der ab einer Belastung von 2 Pro-

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(C (D ent greift, weiter fort. Das heißt, es sind höchstens 2 Proent des Einkommens zu zahlen. (Elke Ferner [SPD]: Mindestens 2 Prozent zahlen sie selber!)


er entscheidende neue Gesichtspunkt ist, dass der So-
ialausgleich steuerfinanziert ist. Der ist übrigens jetzt
chon steuerfinanziert, Herr Kuhn. Den zusätzlichen
undeszuschuss in Höhe von 2 Milliarden Euro, den es
nächsten Jahr gibt, stecken wir nämlich in die Liqui-

itätsreserve der gesetzlichen Krankenversicherung, in
en Gesundheitsfonds. Somit wird bereits ab dem nächs-
n Jahr der Sozialausgleich bis 2014 aus Steuermitteln
nanziert. Dieser Sozialausgleich ist gerechter als das,
as wir heute haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Elke Ferner [SPD]: Stimmt doch nicht!)


eute findet der Sozialausgleich ausschließlich auf dem
ücken der 28 Millionen abhängig Beschäftigten in die-

em Land statt, und zwar nur bis zur Beitragsbemes-
ungsgrenze von rund 3 700 Euro. In Zukunft sind we-
en der Finanzierung über die Steuern alle nach der
tsächlichen Leistungsfähigkeit beteiligt.


(Elke Ferner [SPD]: Welche Steuern zahlen die denn darüber mehr? Welche zahlen die denn mehr in Zukunft, Herr Spahn?)


erücksichtigt werden Mieteinkünfte, Kapitaleinkünfte
nd selbst Unternehmensgewinne.


(Elke Ferner [SPD]: Das ist eine Milchbubenrechnung, was Sie da aufmachen!)


ie müssen mir schon sagen, wie man es noch gerechter
usgestalten kann. Wir verteilen die Lasten auf mehr und
reitere Schultern. Das ist gerechter, das ist fairer. Das
ollten Sie in einer solchen Debatte auch anerkennen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1706220000

Herr Spahn, die Kollegin Klein-Schmeink würde Ih-

en gerne eine Zwischenfrage stellen.


Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1706220100

Bitte schön.


(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Herr Spahn, ist es richtig, dass im nächsten Jahr

00 Millionen Euro Steuermittel weniger als in diesem
ahr in den Gesundheitsfonds fließen und dass der steu-
rliche Ausgleich damit nicht höher, sondern sogar nied-
ger ist?


Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1706220200

Liebe Frau Kollegin Klein-Schmeink, Sie wissen ja,

ie sich die unterschiedlichen Steuerzuschüsse ent-
ickeln. Das eine ist der Steuerzuschuss für gesamt-
esellschaftliche Aufgaben – den haben wir übrigens
emeinsam beschlossen –, der schrittweise auf 14 Mil-





Jens Spahn


(A) )


)(B)

liarden Euro anwächst. Das andere sind zusätzliche Mit-
tel, die in der Krise zur Stabilisierung der gesetzlichen
Krankenversicherung gegeben wurden, nicht zuletzt
weil wir den Beitragssatz gesenkt haben.


(Elke Ferner [SPD]: Ist es nun mehr, oder ist es weniger?)


Der Umfang dieser Mittel wird jetzt reduziert. Um den
steuerfinanzierten Sozialausgleich zu gewährleisten, ge-
ben wir aber gleichzeitig 2 Milliarden Euro in die Liqui-
ditätsreserve.

Ich gebe zu: Man muss hier einige Finanzströme aus-
einanderhalten. Ich glaube, im Hinblick auf die Ge-
samtübersicht kann man das tun. Entscheidend ist die
Botschaft – unser Versprechen wird eingehalten –: Wir
schaffen einen Ausgleich, der gerechter ist als der heu-
tige,


(Elke Ferner [SPD]: Das stimmt ja nicht, Herr Spahn! Das können Sie so lange wiederholen, wie Sie wollen!)


weil wir für eine Steuerfinanzierung sorgen und die
Finanzierung damit auf breitere Schultern stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Da wir gerade bei den Alternativen sind: Herr
Lauterbach, man hätte sich gewünscht, dass Sie einmal
ein oder zwei Sätze zu der Frage sagen, wie eine Bürger-
versicherung unter dem Stichwort „Bürokratieabbau“
aussehen soll.


(Ulrike Flach [FDP]: Ja, das ist wohl wahr!)


Würde man Ihrem Vorschlag folgen, würde das dazu
führen, dass Mieten, Kapitaleinkünfte und andere Ein-
künfte verbeitragt werden müssen


(Ulrike Flach [FDP]: Hört! Hört!)


und dass Krankenkassen auf einmal Einkommensprü-
fungen in großem Maße vornehmen müssen. Wenn Sie
Krankenkassen zu zweiten Finanzämtern machen wol-
len, dann müssen Sie mir einmal erzählen, inwiefern Ihr
Weg unbürokratischer ist als das, was wir heute haben,
nämlich eine für den Versicherten einfache Lösung: Der
Sozialausgleich findet ohne Antragstellung automatisch
bei der Renten- und der Lohnauszahlung statt.


(Beifall des Abg. Heinz Lanfermann [FDP])



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706220300

Herr Spahn, geben Sie Herrn Lauterbach die Gelegen-

heit zur Zwischenfrage?


Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1706220400

Bitte.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706220500

Bitte schön.


Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Rede ID: ID1706220600

Herr Spahn, ich verstehe, ehrlich gesagt, die Logik Ih-

res Vortrages nicht. Sie sagen, dass wir kein Konzept ei-

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(C (D er Bürgerversicherung vorgelegt haben. Unmittelbar anach sagen Sie, was Ihnen an unserem Konzept der ürgerversicherung alles nicht gefällt. Entweder haben ir kein Konzept – dann können Sie daran auch nichts ritisieren –, oder wir haben ein Konzept. Es ist aber icht logisch, unser Konzept zu kritisieren, obwohl Sie uvor unterstellt haben, wir hätten ein solches Konzept icht. Können Sie folgen? Ich kann folgen, Herr Professor. Ich kann sogar so gut lgen, dass ich erwidern kann. Natürlich kennen wir die rundzüge Ihres Konzeptes, die Sie auch hier immer ieder einmal darlegen. Aber über Grundzüge sind Sie ie hinausgekommen. Wie wäre es denn einmal mit etas sauber Durchfinanziertem? (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das haben Sie ja versprochen! Das haben Sie hier angekündigt!)

Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1706220700

ie sollten den Menschen auch sagen, dass die Umset-
ung Ihres Konzeptes insbesondere für Facharbeiter und
ie Mittelschicht in Deutschland zusätzliche Belastun-
en bedeuten würde, weil diejenigen, die kleine Erspar-
isse haben, und diejenigen, die zusätzlich kleine Miet-
inkünfte haben, besonders getroffen würden, während
lle diejenigen, die ein großes Vermögen haben, wegen
er Beitragsbemessungsgrenze nicht getroffen würden.
enau diese Gruppe belasten wir aber mit unserem Mo-
ell der Steuerfinanzierung.

Wir warten auf ein paar konkrete Aussagen von Ih-
en. Sie versprechen sie uns seit 2003. Noch im vergan-
enen Dezember haben Sie gesagt, wir könnten bald mit
inem Konzept rechnen. Es ist immer noch keines zu se-
en. Sie wissen genau, warum Sie keines vorlegen: Die
chöne Überschrift „Bürgerversicherung“ würde bei den

enschen ganz anders ankommen; denn sie würden
erken, was dahintersteckt, nämlich dass Sie vor allem

ie Mittelschicht, die Facharbeiter treffen wollen. Das
ollen Sie ihnen nicht ehrlich sagen, und das ist das Pro-
lem, lieber Kollege Lauterbach.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Heinz Lanfermann [FDP]: Dann platzt der Luftballon!)


Lieber Herr Kuhn, Sie sind grundsätzlich geworden.
an munkelt, Sie wollten der nächste Bundesgesund-

eitsminister werden.


(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: In welchem Land?)


sofern war Ihre Rede so etwas wie eine Bewerbungs-
de. Sie haben darauf hingewiesen, dass die Sozialver-

icherung seit Bismarck paritätisch finanziert wird.
enn ich mich richtig erinnere, war es eine rot-grüne
undesregierung, die die paritätische Finanzierung in
er gesetzlichen Krankenversicherung als erste Regie-
ng verlassen hat, indem sie gesagt hat, die Arbeitneh-
er müssten 0,9 Prozentpunkte mehr zahlen.


(Beifall des Abg. Daniel Bahr [Münster] [FDP])






Jens Spahn


(A) )


)(B)

Wenn ich mich richtig erinnere, war es eine rot-grüne
Bundesregierung, die Steuerzuschüsse in massivem Um-
fang zusätzlich in die sozialen Sicherungssysteme gege-
ben hat, weil sie der Meinung war: Diese Finanzierung
ist am Ende gerechter, als wenn nur die abhängig Be-
schäftigten getroffen würden. Wenn ich mich richtig er-
innere, war es eine rot-grüne Bundesregierung, die die
Riester-Rente eingeführt hat, also eine kapitalgedeckte
Zusatzprivatvorsorge, die der Einzelne alleine tragen
muss, weil man die Lohnnebenkosten nicht zusätzlich
belasten wollte.


(Ulrike Flach [FDP]: So ist es!)


Wenn das alles so ist – ich finde übrigens richtig, was
Sie damals gemacht haben –, wie können Sie sich dann
heute hierhin stellen und kritisieren, dass irgendjemand
das Bismarck’sche System verlasse?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sie haben zu Recht damit begonnen, dieses System zu
verlassen.


(Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was war denn damals die Alternative Ihrerseits?)


Aber das war etwas wohlfeile Kritik.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Das hat auch bei der Lohnfortzahlung begonnen!)


Sie haben recht – insofern war ich dankbar, dass Sie
darauf hingewiesen haben –: Man muss einmal darüber
reden, was eigentlich die Grundsätze sind. Wir brauchen
eine langfristige Antwort auf den Umstand, dass die Ge-
sundheitskosten steigen. Das ist übrigens die Botschaft,
um die Sie von der SPD sich immer herumdrücken: den
Menschen ehrlich zu sagen, dass man in einem Land, in
dem die Menschen – Gott sei Dank bei besserer Gesund-
heit als früher – immer älter werden, in einem Land, das
medizinischen Fortschritt will, wobei die Kosten nicht
wegen Grippemedikamenten oder Hustensaft steigen,
sondern aufgrund von Krebsbehandlungen, von neuen
Diagnosemöglichkeiten, mit denen viele Hoffnungen für
die Patienten verbunden sind, in der Situation steigender
Gesundheitskosten eine andere Antwort auf die Frage
der Finanzierung dieser Kosten braucht als nur die Be-
lastung von Lohnnebenkosten – in einer Gesellschaft im
Übrigen, in der die durchgängige abhängige Beschäfti-
gung bei einem Arbeitgeber über 30 oder 40 Jahre hin-
weg nicht mehr der Regelfall ist. Deshalb sind andere
Grundlagen der Finanzierung eines solchen elementaren
sozialen Sicherungssystems erforderlich. Genau diese
neue Grundlage wollen wir schaffen. Insofern haben Sie
recht, dass wir grundsätzlich darüber diskutieren müs-
sen. Dann sollten Sie aber auch ein paar Antworten lie-
fern, die Sie unserem Konzept gegenüberstellen; denn
unser Konzept weist in die richtige Richtung, liebe Kol-
leginnen und Kollegen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Herr Spahn, ich habe jetzt noch eine Zwischenfrage er Kollegin Volkmer anzubieten. Ich nehme fast alles, was kommt. – Bitte schön. (Zuruf von der FDP: Das ist aber eine gefährliche Aussage!)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706220800
Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1706220900


Dr. Marlies Volkmer (SPD):
Rede ID: ID1706221000

Herr Spahn, ich möchte Sie fragen, ob Sie mir recht

eben, dass da ein Unterschied ist. Wir haben damals zur
ntlastung des Systems von versicherungsfremden Leis-
ngen zusätzlich Steuermittel ins System gegeben.
urch Ihre neue Finanzierung fließen nicht mehr Mittel
s System; es wird nur anders umverteilt. Sie bringen

icht einen Euro mehr hinein, sondern entlasten nur die-
nigen, die den Zusatzbeitrag nicht selbst aufbringen
önnen. Dafür verwenden Sie die Steuermittel. Es fließt
ber nicht mehr Geld ins System.


Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1706221100

Ich stimme mit Ihnen überein, dass die bisherige

teuerfinanzierung insbesondere zur Erfüllung gesamt-
esellschaftlicher Aufgaben erfolgt ist. Dies gilt etwa für
ie beitragsfreie Mitfinanzierung von Kindern.

Wenn steigende Kosten über Zusatzbeiträge lohnun-
bhängig finanziert werden und ein steuerfinanzierter
ozialausgleich erfolgt, indem der Anteil für diejenigen,
ie den Zusatzbeitrag nicht tragen können, weil er sie
berfordert, weil man mit 400 Euro Rente nicht 20 Euro
usatzbeitrag zahlen kann, über Steuermittel zusätzlich
s System gegeben wird, dann fließt zusätzliches Geld
s System. Das ist gerechter, weil es im bestehenden
ystem nur die rund 28 Millionen abhängig Beschäftig-
n und deren Arbeitgeber wären, die das Ganze finan-

ieren müssten. Durch eine Steuerfinanzierung wird das
doch auf wesentlich breitere Schultern verteilt. Jeder
uss dann nach seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit

einen Beitrag leisten, auch mit seinen zusätzlichen Ein-
ünften. Dabei werden auch Einkommen oberhalb der
eitragsbemessungsgrenze sowie Einkünfte von Privat-
ersicherten berücksichtigt. Selbst Unternehmensge-
inne werden berücksichtigt und mit zur Finanzierung
eitragen. Insofern gibt es zusätzliches Geld.


(Elke Ferner [SPD]: Das ist doch absurd!)


it diesem zusätzlichen Geld wird das System sogar ge-
chter als heute, und das ist eine gute Lösung, liebe
rau Kollegin.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Im Übrigen trägt dies – es ist die Frage nach der
rundsätzlichen Richtung gestellt worden – auch zu
ehr Wettbewerb bei. Sie müssen schauen, welche
reissignalwirkung dieser Zusatzbeitrag hat. Früher, vor
ut zwei Jahren, hatte die eine Krankenkasse einen Bei-
agssatz von 16,7 Prozent, während die andere Kran-
enkasse einen Beitragssatz von 13,5 Prozent hatte. Bei
inem Monatseinkommen von 1 000 Euro brutto macht





Jens Spahn


(A) )


)(B)

dies einen Unterschied von 32 Euro pro Monat aus. Bei
3 000 Euro Bruttoeinkommen sind dies 96 Euro pro Mo-
nat. Das heißt, es hat einen Unterschied von 96 Euro
– aufgeteilt auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer – ausge-
macht, ob man bei der einen oder bei der anderen Kasse
versichert war. Heute haben wir einen Zusatzbeitrag der
Kassen, der bei etwa 8 Euro liegt; in Zukunft wird sich
das weiterentwickeln. Früher hat aber niemand so richtig
den Beitragsunterschied zwischen der einen und der an-
deren Kasse gemerkt, weil man schon den Dreisatz be-
herrschen musste, da die Beiträge automatisch vom
Lohn abgezogen wurden. Deshalb war dem Einzelnen
gar nicht so richtig bewusst, wie teuer seine Kasse ei-
gentlich ist.

In Zukunft haben wir durch den Zusatzbeitrag eine
ganz andere Preissignalwirkung. Ich kann ganz anders
vergleichen, ob ich für das, was meine Kasse durch Zu-
satzbeitrag teurer ist – 5 Euro, 8 Euro, 10 Euro, 12 Euro –,
tatsächlich auch das Mehr an Leistungen bekomme.
Wenn das nicht der Fall ist, wird sich eine ganz andere
Wechselbereitwilligkeit ergeben, wie wir schon im
Laufe dieses Jahres gesehen haben.

Das führt uns abschließend zum nächsten Schritt. Es
reicht eben nicht – das ist uns sehr bewusst –, nur eine
Finanzierungsreform zu machen. Wir wollen im Weite-
ren, also im Laufe des nächsten Jahres, auch über die
Strukturfragen reden,


(Elke Ferner [SPD]: Da sind wir sehr gespannt! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Darauf warten wir schon lange!)


also über die Fragen: Wie wird denn eigentlich Versor-
gung organisiert? Welchen Anreiz gibt es für die Kran-
kenkassen, sich mit einem vernünftigen Versorgungs-
management um die chronisch Kranken zu kümmern?
Wer wird eigentlich wofür und wie in diesem System
honoriert? Wie sieht es mit der Schnittstelle ambulant-
stationär aus? Müssen wir hier zu besserer und mehr
Zusammenarbeit kommen? Wie kommen eigentlich
Arzneimittel neu in den Markt, und wie werden sie an-
gewandt?


(Elke Ferner [SPD]: Das haben Sie doch in der letzten Wahlperiode strikt abgelehnt! Das ist ja lächerlich!)


Das heißt, die Finanzierungsreform ist die notwendige
Vorstufe, um anschließend Strukturreformen angehen zu
können,


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Das glaube ich erst, wenn es da ist, Herr Spahn!)


damit die Krankenkassen im Wettbewerb auch die
Chance haben, sich in der Qualität ihres Versorgungsma-
nagements, in der Qualität der Verträge, die sie abschlie-
ßen,


(Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dürfen sie jetzt gar nicht mehr!)


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(C (D der Qualität dessen, was sie für ihre Versicherten und sbesondere für ihre chronisch Kranken tun, zu unter cheiden. Deswegen würde ich mich freuen, wenn Sie iesen Weg – ich spreche insbesondere Sie, Herr Kuhn, n, da Sie gesagt haben, wir müssten einmal grundsätzch über Neues nachdenken – konstruktiv begleiteten. is jetzt gab es nur substanzlose Kritik. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Sie wollen doch die Qualität der Verträge abschaffen!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706221200

Kathrin Senger-Schäfer hat jetzt das Wort für die

raktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706221300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

en und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Rösler!
err Professor Lauterbach hat gerade den schönen Be-
riff „Gesundheit 21“ geprägt. Lassen Sie mich bitte aus
ktuellem Anlass kurz auf Stuttgart 21 eingehen. Mich
rreicht gerade die Nachricht, dass die Polizei in einem
ußerst aggressiven Einsatz in eine Kinderdemonstration
ingegriffen hat, in deren Verlauf viele, viele Kinder ver-
tzt wurden. Für mich ist das ein Zeichen, wie Sie mit
ürgerinnen und Bürgern und Kindern in diesem Land
mgehen.


(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Pfui! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist unverschämt! Ich glaube, es geht los! Sie haben wohl etwas an der Schüssel!)


h fordere Sie auf: Greifen Sie sofort ein und stoppen
ie diese Veranstaltung!


(Beifall bei der LINKEN – Jens Spahn [CDU/ CSU]: Das ist eine Unverschämtheit, Frau Präsidentin! Dazu muss man etwas sagen!)


Herr Minister Rösler, Ihr Gesetz zur nachhaltigen und
ozial ausgewogenen Finanzierung der gesetzlichen
rankenversicherung ist mit drei Worten kurz zu be-

chreiben:


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Soll ich Ihnen einmal sagen, wie die Kommunisten die Christen verfolgen? Sollen wir einmal darüber reden?)


s ist weder sozial noch ausgewogen noch nachhaltig.
s ist vielmehr unüberlegt, unehrlich und ungerecht.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: Gerade so wie Sie! Unglaublich!)


Hartz IV, Rente mit 67, das Sparpaket –


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Reden wir hier eigentlich über Gesundheitspolitik?)


eplündert werden immer nur die schmalen Geldbeutel.
ie Bundesregierung gefährdet damit massiv den sozia-
n Frieden in diesem Land.





Kathrin Senger-Schäfer


(A) )


)(B)


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie schüren das! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Und noch ein breites Grinsen dabei! – Gegenruf der Abg. Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Spahn, jetzt ist es aber gut!)


Das ist eine Schande.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Regierungskoalition beteuert zwar, die Probleme
der gesetzlichen Krankenversicherung auf Dauer lösen
zu wollen, doch scheint es hier einen anderen Master-
plan zu geben: Die Kleinen zahlen, die Großen lässt man
laufen, und zwar zur privaten Krankenversicherung.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: Schön! Eine Seite, ein Gag!)


Sie wollen, dass es den Besserverdienenden bereits nach
einem Jahr möglich ist, die Solidargemeinschaft der
gesetzlichen Krankenversicherung zu verlassen. Ver-
wundern tut das nicht, sitzt doch der Cheflobbyist der
privaten Krankenversicherung, seit Herr Rösler das Ge-
sundheitsministerium übernommen hat, dort an entschei-
dender Stelle. Was für ein Schachzug!

Auch die Wirtschaftsverbände sollten zufrieden sein.
Ihre Lobbyisten haben ganze Arbeit geleistet, bereitet
die kleine Kopfpauschale doch den Weg für eine kom-
plette Abwicklung der gesetzlichen Krankenversiche-
rung. Ein über 120 Jahre altes Erfolgsmodell mit den
gewachsenen Grundfesten von Solidarität und Parität
wird von dieser Bundesregierung in wenigen Monaten
demontiert. Bravo, gut gemacht! Die Lohnquote in
Deutschland sinkt seit Jahren. Gleichzeitig steigt die
Zahl der Einkommens- und Vermögensmillionäre.
Durch das Einfrieren des Arbeitgeberanteils wird dieser
Trend verstärkt; dadurch werden die abhängig Beschäf-
tigten überproportional belastet.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: So ist es!)


Außerdem werden die Arbeitgeber aus der Beteiligung
und dem Interesse an der künftigen Kostenentwicklung
entlassen. Also auch hier von Nachhaltigkeit keine Spur.

Soziale Ausgewogenheit ist nicht erkennbar; denn die
Kopfpauschale wird in Euro und Cent gerechnet, mit
dem Argument, der Millionär wäre genauso krank wie
die Briefzustellerin. Ihre Argumente haben mit dem rea-
len Leben nichts zu tun; denn auch noch heute gilt: Wer
arm ist, wird häufiger krank und stirbt in der Folge frü-
her. Erschreckend dabei ist, dass diese soziale Ungleich-
heit zunimmt. Die Schere der Lebenserwartung geht von
Tag zu Tag weiter auseinander.

Es ist eine Tatsache, dass das untere Fünftel der Be-
völkerung in jedem Alter ein doppelt so hohes Risiko
trägt, schwer zu erkranken oder zu sterben, als das obere
Fünftel. Das ist unsolidarisch, und das ist unchristlich.


(Beifall bei der LINKEN)


Wo sind die Zweifler der CSU, Herr Singhammer? Wo
ist das Gewissen einer angeblichen Volkspartei, die noch

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(C (D or kurzem erklärt hat, mit ihr werde es keine Kopfpauchalen geben? (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Gibt es auch nicht! Sie machen beim Zuhören Fehler! – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Hätten Sie aufgepasst! Das habe ich schon erklärt!)


ie Linke lehnt Ihre Pläne zu einer Kopfpauschale
rundsätzlich ab und steht damit im Schulterschluss mit
en Sozialverbänden und den Gewerkschaften und vor
llem mit der Mehrheit der Menschen in unserem Land.


(Beifall bei der LINKEN – Lars Lindemann [FDP]: Das Gesundheitssystem ist auch für Sie da!)


Grundsätzlich brauchen wir für ein echtes solidari-
ches Gesundheitssystem eine stabile und gerechte Fi-
anzierungslage. Dafür steht die solidarische Bürgerin-
en- und Bürgerversicherung der Linken.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


chwarz-Gelb will ein rund 120-jähriges Gesundheits-
ystem, das im Grundsatz gut funktioniert und um das
ns viele in der Welt beneiden, angeblich alternativlos
egen die Wand fahren. Sie werden damit als diejenigen
die Geschichtsbücher eingehen, welche die Mehrklas-

enmedizin eingeführt haben. Die kleine Kopfpauschale
ird ihre volle Wirkung aber erst 2011/2012 entfalten.
ie Wählerinnen und Wähler werden Ihnen diese Unge-
chtigkeit bei den nächsten Landtags- und Bundestags-
ahlen nicht durchgehen lassen.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706221400

Die Kollegin Maria Klein-Schmeink hat jetzt für

ündnis 90/Die Grünen das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Sehr geehrte Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen

nd Kollegen! Ich will meine Rede weniger grundsätz-
ch anlegen, als dies meine Vorredner und Vorrednerin-
en getan haben.


(Beifall des Abg. Lars Lindemann [FDP])


h glaube nicht, dass Sie mit dieser Gesundheitsreform
tsächlich in die Geschichte eingehen werden. Ich be-

weifle das sogar sehr. Ihr Paket besteht aus einem Spar-
aket, das nicht sonderlich fantasievoll und auch nicht
ußergewöhnlich ist, und aus einem zweiten Teil, der tat-
ächliche Geschichte machte, würde er umgesetzt. Ich
offe aber, dass wir Wahlentscheidungen haben, die die-
en zweiten Schritt verhindern werden. Ein zentrales
lement Ihres Vorschlags ist ja ein Sozialausgleich, der
ber wahrscheinlich erst – so vermuten Sie jedenfalls –
014, nach der nächsten Bundestagswahl, zum Tragen
ommen muss. Von daher hoffe ich, dass dieser Teil der
eschichte ausfallen kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)






Maria Anna Klein-Schmeink


(A) )


)(B)

Ansonsten haben sich die Vorredner und Vorrednerin-
nen der Regierungskoalition sehr bemüht, so zu tun, als
sei der Vorschlag alternativlos, als lägen keine anderen
durchgerechneten Vorschläge vor und als handele es sich
um einen sozial gerechten Vorschlag. Alle Unterstellun-
gen kann man abweisen.

Erstens wird gesagt, der Vorschlag sei alternativlos.
Natürlich haben wir Alternativen. Man hat in der langen
Debatte um die Gesundheitsreform gesehen, dass auch
Sie Alternativen erwogen haben. Ich denke dabei nur an
Herrn Rösler, der noch vor der Sommerpause den Vor-
schlag in die Debatte eingebracht hat, die Beitragsbe-
messungsgrenze hochzusetzen. Es gibt also schon ver-
schiedene Möglichkeiten, etwas zu tun. Wir jedenfalls
schlagen vor, dass man die Bemessungsgrundlage insge-
samt erweitert und dafür sorgt, dass nicht nur diese Ge-
hälter und Löhne als Grundlage genommen werden, son-
dern auch andere Einnahmen, auch Einnahmen, die sonst
in die PKV abwandern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Alternativlos ist der Vorschlag also nicht, und die Alter-
native wäre auch sofort umzusetzen.

Zweitens haben Sie gesagt, der Vorschlag sei sozial
ausgewogen. Die FDP versucht immer gern zu sagen,
dass dieses Sparpaket zu einer Anhebung führt, die ver-
tretbar sei. 0,3 Beitragspunkte seien bei 2 000 Euro Brut-
togehalt nicht mehr als die Pizza im Monat.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sie haben etwas dazugelernt!)


– Herr Bahr, das haben wir bereits letztens in einem Ge-
spräch miteinander diskutiert. – Sie tun so, als sei diese
Pizza eine Kleinigkeit, eine Bagatelle; aber Sie unter-
schlagen natürlich, dass die Zusatzbeiträge zu massiven
zusätzlichen Belastungen führen werden. Das wissen Sie
auch ganz genau. Deshalb haben Sie die Einführung auf
die Zeit nach den nächsten Wahlen geschoben, und da-
mit sind Sie da wohl auch eher im Sicheren. Außerdem
haben Sie die Steuerfinanzierung für genau diesen So-
zialausgleich noch in keiner Weise geregelt. Auch das ist
Ihnen klar. Wir meinen, diese Mogelpackung wird Ihnen
die Bevölkerung nicht abkaufen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dann verweisen Sie gern darauf, dass Sie strukturelle
Maßnahmen als zweiten Schritt in Angriff nehmen wol-
len. Sie hätten diese strukturellen Maßnahmen natürlich
schon in diesem Jahr beginnen können und müssen. Ich
erinnere hier nur an die Honorarreform sowie daran, wie
man die Versorgung im ländlichen Raum sicherstellen
will. All diese Themen haben Sie auf die lange Bank
schieben müssen, weil Sie mit sich beschäftigt waren,
weil Sie damit beschäftigt waren, eine verkorkste Ge-
sundheitsreform und eine verkorkste Finanzierungsre-
form auf den Weg zu bringen. Das ist doch die eigentli-
che Wahrheit, die wir hier zur Kenntnis nehmen müssen.


(Ulrike Flach [FDP]: Nein!)




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(C (D Doch, genau so ist es; das wissen Sie auch. (Lars Lindemann [FDP]: Da klatscht nicht einmal Ihre eigene Fraktion!)


ie haben eine Honorarreform angekündigt, aber nicht
uf den Weg gebracht. Sie haben es nicht geschafft, ein
onzept für die ländliche Versorgung vorzulegen. Sie
aben es nicht geschafft, ein Konzept für eine Präven-
onsstrategie vorzulegen.


(Ulrike Flach [FDP]: Wir haben gerade mal ein knappes Jahr rum!)


ll diese Dinge haben Sie in die nächsten Jahre verscho-
en, weil Sie mit sich beschäftigt gewesen sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nun kommen wir noch einmal zur sozialen Ausgewo-
enheit und zu dem, was Fritz Kuhn zu Recht eben ange-
prochen hat: Natürlich geht es hier um eine Wertefrage.
s geht darum, ob wir den Ausstieg aus der Solidarität
it diesem Gesetz festschreiben oder nicht. Er soll zwar

rst ein bisschen verlagert kommen; aber im Grunde ha-
en Sie festgeschrieben, dass sämtliche Kostensteige-
ngen im System in Zukunft alleine und ausschließlich

on den Versicherten zu tragen sind.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706221500

Frau Kollegin!


(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Sie alle wissen,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Dass das nicht stimmt!)


ass das zu stark erhöhten Zusatzbeiträgen führen wird
nd es zu massiven Belastungen der Versicherten kom-
en wird.


(Zurufe von der CDU/CSU und FDP)


Nein, Sie wissen das sehr genau.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706221600

Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen.


(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Das weiß auch die Bevölkerung sehr genau. Auch die

evölkerung kann rechnen und weiß, dass man Ihren
chönen Worten in dieser Form in keiner Weise glauben
ann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706221700

Das Wort hat der Kollege Dr. Rolf Koschorrek für die

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )


)(B)


Dr. Rolf Koschorrek (CDU):
Rede ID: ID1706221800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich kann es mir nicht verkneifen, gegen diese Stutt-
gart-21-Nummer einen Satz zu sagen. Ich halte es für eine
Katastrophe, was dort vorgefallen ist; ich habe das im
Internet nachgelesen. Da wurden Schüler und kleine
Kinder instrumentalisiert und einer wirklich militanten
Demonstration vorangetrieben. Das ist ein Zustand, der
wirklich nicht hinzunehmen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist ja nun unglaublich, was Sie da behaupten! Woher wissen Sie das eigentlich? – Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Herr Koschorrek, das wissen Sie doch gar nicht! Das kann doch keiner von uns sagen, Sie genauso wenig wie wir! Sie wissen das doch auch nicht! – Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Die Tochter eines Kollegen ist da auch drin! Die wird ihrem Vater wohl die Wahrheit gesagt haben!)


Aber heute geht es hier um die Gesundheitsreform.
Frau Klein-Schmeink, Sie sagten eben, dass wir die
strukturellen Veränderungen, die wir im Koalitionsver-
trag vorgesehen haben, noch nicht umgesetzt hätten. Wir
gehen da relativ systematisch vor, um es ganz klar zu sa-
gen. Wir haben ein Finanzdefizit in der gesetzlichen
Krankenversicherung zur Kenntnis zu nehmen, ob wir es
wollen oder nicht und wer auch immer es verschuldet
hat; das ist ja alles schon gesagt. Dieses Defizit haben
wir in jedem Falle zuerst zu regeln. Bevor wir die Finan-
zen der GKV nicht auf ein vernünftiges Maß gebracht
haben, ist es einfach unredlich, über Strukturen zu reden
und Strukturentscheidungen voranzustellen. Wir haben
uns jetzt in mehreren Gesetzesvorhaben mit der Finan-
zierung befasst und schon einiges auf den Weg gebracht.
Das größte Paket liegt heute zum ersten Mal hier im Par-
lament zur Diskussion vor.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706221900

Herr Kollege, der Kollege Kuhn würde Ihnen gern

eine Zwischenfrage stellen.


Dr. Rolf Koschorrek (CDU):
Rede ID: ID1706222000

Nein, brauche ich nicht.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben die Hosen voll, Herr Kollege!)


Zur Finanzierung des Systems ist heute so ziemlich
alles gesagt worden. Aber wir haben im zweiten Teil des
Reformgesetzes auf Ausgabenbeschränkungen gesetzt.
Wir legen großen Wert darauf, dass wir nicht in die ein-
zelnen Leistungsbereiche hineingehen und die Kürzun-
gen mit dem Rasenmäher vornehmen. Vielmehr haben
wir uns ganz klar darauf konzentriert, für die zukünfti-
gen Jahre die Ausgabenzuwächse zu beschränken. Ich
glaube, das ist der richtige Weg.

Auch das geht natürlich nicht ohne Kritik einher. Wir
haben allen im System einiges abverlangt, was sie in den
nächsten Jahren zur Sanierung und Stabilisierung der Fi-
nanzen im Gesundheitswesen beizutragen haben. Das,

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(C (D as wir da machen, ist alternativlos. Wir nehmen sämtlihe Bereiche in den Fokus: Krankenkassen – hier die erwaltungskosten –, Krankenhäuser, Ärzte und in ganz esonderem Maße Pharmaunternehmen und -großhändr. Wir gehen an alle Leistungsbereiche heran und soren dafür, dass wir in Zukunft eine stabile Grundlage für ie Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung aben. (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Jawohl! – Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eindeutig zulasten der Versicherten!)


Für den Bereich der Ärzteschaft bedeutet dies, dass
nter anderem die Verträge zwischen Krankenkassen
nd Hausärzten auf ein vernünftiges Maß begrenzt wer-
en. Wir bleiben dem Grundsatz einer Begrenzung des
ostenanstieges auch bei der überfälligen Angleichung
er Zahnarzthonorare in den neuen Bundesländern und
erlin absolut treu.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Und was ist mit den Krankenhäusern? Sollen da die Pflegekräfte noch weniger Zeit haben oder intensiver arbeiten?)


a hätten wir uns das eine oder andere mehr gewünscht;
ber das ist in der heutigen finanziellen Situation nicht
öglich. Bei der Ost-West-Angleichung der Honorare in

iesem Bereich – der letzte, der noch verblieben ist –
ind wir auf einem richtigen Weg; wir werden dort einen
eutlichen Schritt zur Angleichung vornehmen.


(Beifall der Abg. Maria Michalk [CDU/CSU])


Trotz des großen und – das kann niemand bestreiten –
nabwendbaren Reformbedarfs nehmen wir keinen Ra-
ikalumbau im Gesundheitswesen vor. Wir werden mit
chrittweisen Reformen dafür sorgen, dass unser Ge-
undheitswesen nach wie vor demografiefest und zu-
unftstauglich ist.


(Elke Ferner [SPD]: Gott sei Dank haben Sie dazu nicht mehr lange Zeit!)


ie demografische Entwicklung ist, wie sie ist: Die älter
erdende Gesellschaft und das Geburtendefizit bei den
ngeren Jahrgängen zwingen uns zu Maßnahmen, von

enen durchaus nicht alle populär sind; sie sind aber al-
rnativlos.

Das ist aber bestimmt nicht das Ende unserer Arbeit.


(Dr. Marlies Volkmer [SPD]: Ist das eine Drohung?)


h erinnere daran, dass eine Legislaturperiode vier
ahre dauert und es keinesfalls darum geht, dass eine Re-
ierung schon im ersten Jahr alle Vorhaben in trockenen
üchern hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ir haben in den nächsten Monaten und Jahren noch ei-
ige große Dinge vor uns. Wir werden das machen: Wir
erden in einer Art und Weise an die Strukturen heran-
ehen,





Dr. Rolf Koschorrek


(A) )


)(B)


(Mechthild Rawert [SPD]: Die Hören und Sehen vergehen lässt!)


die deutlich über das hinausgeht, was in den letzten Jah-
ren gemacht worden ist.

Wir haben heute Bereiche, die nicht mehr transparent
sind: In der Selbstverwaltung haben sich Strukturen eta-
bliert, die es uns unmöglich machen, die Dinge, die dort
ablaufen, politisch beurteilen zu können. Wir müssen
uns zwar politisch dafür gerademachen – wir werden für
das, was da gemacht wird, beschimpft –; aber wenn man
in eine Diskussion darüber einsteigt und die Selbstver-
waltungsstrukturen hinterfragt – das haben wir gestern in
der Anhörung plastisch erleben dürfen –,


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


dann wird geblockt und gemauert. Wir sind nicht bereit,
das länger hinzunehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Sie können sich die Experten halt nicht backen!)


Wir gehen bei der nächsten gesetzgeberischen Anstren-
gung sicherlich daran, dort für erheblich mehr Transpa-
renz zu sorgen.

Gestatten Sie mir einige Sätze zum Thema Kostener-
stattung. Dazu standen heute abenteuerliche Dinge in der
Presse. Es geht uns wirklich nicht darum, hier einen
Prinzipienwechsel zu erreichen.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Aber den Einstieg, ganz heftig! – Maria Anna KleinSchmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja nur der Einstieg! Das hat Herr Rösler doch schon angekündigt!)


Es geht nicht darum, vom Sachleistungs- zum Kostener-
stattungsprinzip zu wechseln, auch nicht morgen. Wir
müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass ein großer Teil
der Versicherten eine Transparenz der Kosten wünscht.
Wir wollen es ihnen ermöglichen, in ein Kostenerstat-
tungssystem einzusteigen, ohne dass sie dafür Strafe
zahlen müssen. Wir wollen die Strafbewehrung der Kos-
tenerstattungstarife, die heute vorgesehen ist, beseitigen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir wollen dort zu Strukturen kommen, die eine transpa-
rente Kostenerstattung ermöglichen, ohne dass Versi-
cherte und Patienten übervorteilt werden. Wir wollen
eine Möglichkeit zur Eigenbeteiligung schaffen, damit
Eigenverantwortung – wir alle reden irgendwie immer
davon – wirklich gelebt werden kann. Ich glaube, das ist
ein richtiger Ansatz.

Ich fordere Sie auf, nicht nur mit Überschriften und
Kampfparolen zu arbeiten, sondern in den konstruktiven
Dialog mit uns einzusteigen: Wie kann dort ein vernünf-
tiges System etabliert werden, das niemanden übervor-
teilt? Bei dieser Frage sollten Sie mitarbeiten; darüber
sollten wir diskutieren. Ich denke, da haben wir einiges
vor. Ich freue mich auf den Dialog.

Danke schön.

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(C (D Angelika Graf hat jetzt das Wort für die SPD-Frak on. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! unächst ein Wort zu dem, was Sie, Herr Koschorrek, um Thema Stuttgart 21 gesagt haben. Ich denke, es ollte in diesem Hause Einigkeit darüber bestehen, dass ewaltsame Einsätze gegen Kinder und Jugendliche icht hinnehmbar sind. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706222100

(Beifall bei der SPD)

Angelika Graf (SPD):
Rede ID: ID1706222200

h denke, die Verantwortung für diese Einsätze liegt
eim baden-württembergischen Ministerpräsidenten
appus.

Zudem möchte ich einige Sätze zum Thema Transpa-
nz sagen. Es ist schon heute möglich – das wissen
ie –, eine Patientenquittung ausstellen zu lassen. Jeder,
er sie haben möchte, kann sie haben.


(Lars Lindemann [FDP]: Was steht denn da drauf?)


ie wird leider viel zu wenig beantragt.

Aber ich denke, sie könnte zur notwendigen Transpa-
nz beitragen Mit meinem Redebeitrag wollte ich mich

ls bayerische Abgeordnete aber eigentlich mit der Rolle
er CSU in diesem ganzen Spiel beschäftigen. Die CSU
at vor der Bundestagswahl zugesichert, dass es mit ihr
eine Kopfpauschale geben wird und


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Gibt es auch nicht!)


ass dieses unsoziale Konzept tot wäre. Dann hat die-
elbe Partei, Herr Singhammer, dem Koalitionsvertrag,
er die Kopfpauschale euphemistisch als einkommens-
nabhängige Arbeitnehmerbeiträge bezeichnet, zuge-
timmt.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist etwas völlig anderes!)


amit startete erst eine Posse, die ihren vorläufig letzten
öhepunkt in der heutigen Debatte hat. Lassen Sie uns

twa ein Jahr zurückschauen. Im November 2009 erklärt
orst Seehofer die Kopfpauschale, die eigentlich einige
onate zuvor schon für tot erklärt worden war, für beer-

igt. Im Februar 2010 legt Horst Seehofer sein Veto ge-
en die eigentlich schon lange tote und auch schon beer-
igte Kopfpauschale ein. Ich zitiere aus der Rheinischen
ost:

Eine Umstellung der bestehenden, am Lohn orien-
tierten … Arbeitnehmerbeiträge auf eine Pauschale
wird es mit mir nicht geben.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Hört! Hört!)






Angelika Graf (Rosenheim)



(A) )


)(B)

Im Juni 2010 verkündet Herr Dobrindt, dass die eigent-
lich schon sehr lange tote und beerdigte Kopfpauschale,
gegen die Herr Seehofer sein Veto eingelegt hatte, nun
wirklich endgültig vom Tisch sei. Im Juli 2010 stimmt
die CSU den Eckpunkten der Gesundheitsreform und da-
mit einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen
– also Kopfpauschalen – zu.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Eben nicht! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie haben es nicht kapiert!)


Denn was ist es denn anderes, wenn ich eine Pauschale
erhebe, die pro Kopf berechnet wird? Das ist doch eine
Kopfpauschale.


(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


– Selbstverständlich.

Wenn ich Herrn Rösler heute und auch in der Vergan-
genheit richtig verstanden habe, dann will er diese ein-
kommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträge auch
noch weiterentwickeln. Das heißt, wir können abwarten,
wie sich das einmal so darstellen wird. Glaubwürdigkeit
sieht, denke ich, anders aus. Als bayerische SPD-Abge-
ordnete und auch als Landesvorsitzende unserer Senio-
renarbeitsgemeinschaft hätte ich mich wirklich darüber
gefreut, wenn die Ankündigungen und Versprechungen
der CSU ernst gemeint gewesen wären.


(Elke Ferner [SPD]: Das wäre das erste Mal!)


Aber leider war es, wie ich denke, ein ziemlich erbärmli-
ches Theater, das Sie aufgeführt haben.

Die Umsetzung Ihrer Pläne würde dramatische Aus-
wirkungen vor allen Dingen auf die Rentnerinnen und
Rentner haben. Ich weiß nicht, ob Sie sich deren Situa-
tion wirklich vorstellen können.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Besser als Sie!)


Ich habe den Eindruck: eher nicht. Ich frage Sie: Wie
sollen die Rentnerinnen und Rentner nach diversen Null-
runden bzw. kaum steigenden Renten die nun unbe-
grenzt wachsenden Kopfpauschalen bezahlen?


(Beifall bei der SPD – Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Das ist doch schon wieder falsch! Die wachsen nicht unbegrenzt!)


Man rechnet im Jahre 2014 mit 16 Euro im Monat; das
macht knapp 200 Euro im Jahr. Es klingt ein bisschen
flapsig, aber ich sage Ihnen: Dafür muss eine alte Frau
ganz schön lange stricken.

Woher sollen die Rentnerinnen und Rentner mit klei-
nen Einkommen das Geld nehmen? Es ist doch jetzt
schon absehbar, dass die Kosten für die Versicherten
künftig in doppeltem Tempo steigen, weil Sie die Arbeit-
geber aus der Solidarität entlassen. Die Folge wird sein,
dass keine Steuerungswirkung mehr da ist. Ganz abgese-
hen davon halte ich persönlich Arbeitgeberbeiträge
schon allein deshalb für wichtig, weil durch die Beschäf-
tigung der Arbeitgeber mit der Situation der Arbeitneh-

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(C (D er gewährleistet ist, dass die Arbeitgeber im Betrieb och viel mehr auf die gesundheitliche Situation der Areitnehmer achten. Man kann mit bloßem Auge sehen, dass die Arzneiosten unbegrenzt steigen werden, wenn Sie – wie wir as gestern in der Anhörung mitbekommen haben – der harmalobby die Geschenke nur so hinterherwerfen. ie sagen: Wenn die Zusatzbeiträge zu stark steigen, ann könnten die Versicherten ja die Krankenkasse echseln. Sie können mir doch nicht erzählen, dass eine rau, die seit 50 Jahren in der AOK versichert und nun lt, verwitwet, eventuell pflegebedürftig ist, die Kasse echselt. Das liegt außerhalb jeder Vorstellungskraft. (Beifall bei der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Die Leute sind nicht so dumm, wie Sie sie hinstellen!)


(Beifall bei der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706222300

Frau Graf, kommen Sie bitte zum Ende.


(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Bitte!)



Angelika Graf (SPD):
Rede ID: ID1706222400

Ich komme zum Ende. – Wenn Sie die viele Kritik,

ie aus den verschiedenen Bereichen bezüglich dieses
KV-Finanzierungsgesetzes vorgetragen wurde, nicht

rnst nehmen, dann müssen Sie sich fragen lassen, für
en Sie eigentlich Politik machen. Ich denke, Sie wer-
en die Quittung für das, was Sie hier tun, auch bekom-
en.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706222500

Das Wort hat Rudolf Henke für die CDU/CSU-Frak-

on.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rudolf Henke (CDU):
Rede ID: ID1706222600

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Liebe

olleginnen und Kollegen! Ich möchte mit Ihrem Be-
cht aus dem Taxi anfangen, Frau Bunge. Sie waren in
er letzten Legislaturperiode Vorsitzende des Gesund-
eitsausschusses. Sie sind Ministerin eines Bundeslan-
es gewesen. Sie haben uns hier gesagt, Sie machen sich
arüber Sorgen, wie Sie die Kritik an der Gesundheits-
olitik der Koalition unter die Leute bringen. Sie haben
esagt: Seit dem, was ich heute Morgen im Taxi gehört
abe, mache ich mir keine großen Sorgen mehr;


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Ich war überrascht, wie schnell es der Taxifahrer begriffen hat!)


enn der Taxifahrer hat es begriffen, so haben Sie ge-
agt, und äußerte, dass wir nun alle die Arztrechnung im
oraus bezahlen sollen.





Rudolf Henke


(A) )


)(B)


(Ulrike Flach [FDP]: Das war schon eine Unverschämtheit!)


Verehrte Frau Bunge, ich weiß, dass wir politisch
komplett unterschiedliche Ausgangspositionen haben.
Wir haben eine komplett unterschiedliche Geschichte.
Ein Teil dieser Geschichte ist heute Morgen Gegenstand
der Debatte zu 20 Jahren deutsche Einheit gewesen.
Aber ich erwarte von einer ehemaligen Vorsitzenden des
Gesundheitsausschusses und von einer ehemaligen Lan-
desministerin – auch wenn sie in einer anderen Partei ist –,
dass sie diese falsche Aussage richtigstellt;


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


denn es hat überhaupt keine Ankündigung gegeben, dass
die Kostenerstattung pflichtweise eingeführt wird. Es
wurde lediglich angekündigt, dass es eine Debatte da-
rüber geben wird, ob eine Kostenerstattung als Option
gestärkt wird gegenüber dem, was jetzt Praxis ist. Mehr
ist nicht angekündigt worden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: In der letzten Wahlperiode wollten Sie nichts anderes als Kostenerstattung!)


Deswegen ist das, was Sie in dieser Debatte vortragen,
ein Beleg für die Art – Herr Lauterbach gehört auch zu
denen, die gesagt haben: Die Versicherten müssen dem-
nächst in Vorkasse gehen –, wie Sie die Auseinanderset-
zung mit der Gesundheitspolitik der Koalition betreiben.
Sie versuchen jedes Verhetzungspotenzial zu nutzen.
Dabei schrecken Sie nicht davor zurück, Richtigstellun-
gen zu unterlassen, die im parlamentarischen Umgang
der Fairness halber geboten wären.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706222700

Herr Kollege, es gibt mehrere Wünsche nach Zwi-

schenfragen, und zwar seitens der Kollegin Bunge, der
Kollegin Bender und des Kollegen Lauterbach. Ich
würde sie alle nacheinander zulassen, aber in gebotener
Kürze.


Rudolf Henke (CDU):
Rede ID: ID1706222800

Aber ich habe hinterher noch drei Minuten vierzig?


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Du kannst dann reden, so lange du willst!)



Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706222900

Kollege Henke, können Sie mir zustimmen, dass der

Begriff „Kostenerstattung“ sehr sperrig ist? Ich habe mir
einen Kopf gemacht: Wie willst du den Bürgerinnen und
Bürgern erläutern, was dahintersteckt, welche Gefahren
sich ergeben, dass sie erst bezahlen müssen? Ich war
überrascht, dass heute früh der Taxifahrer gleich das We-
sentliche begriffen hatte und mir das kurz vor dem Aus-
steigen erzählte. Ich habe den Änderungsantrag, den der
Minister gestern in den Medien angekündigt hat, noch
nicht vorliegen. Ich konnte also erstens zeitlich und
zweitens inhaltlich keine große Aufklärung betreiben,
aber das Prinzip der Kostenerstattung hat er doch wohl
richtig erkannt.

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(C (D (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Vielleicht sollten Sie lieber S-Bahn fahren! – Heinz Lanfermann [FDP]: Wenn Sie die Taxikosten nachher vom Deutschen Bundestag erstattet bekommen, ist das auch Kostenerstattung!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706223000

Frau Bender möchte doch keine Zwischenfrage stel-

n. Dann erteile ich das Wort Herrn Lauterbach.


(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Ich ziehe zurück!)



Rudolf Henke (CDU):
Rede ID: ID1706223100

Sollen wir nicht erst einmal die gestellte Frage behan-

eln?


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706223200

Nein. Ich hatte gesagt, alle drei nacheinander. Ich

ehe davon aus, dass Sie ein gutes Gedächtnis haben,
ass Sie sich das merken können. – Frau Bender zieht
re Zwischenfrage doch nicht zurück.


Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706223300

Herr Kollege Henke, kann es sein, dass Ihnen entgan-

en ist, dass der von Ihnen politisch unterstützte Bundes-
inister für Gesundheit gestern in einem Interview

undgetan hat, er strebe eine Systemangleichung von
KV und GKV an? Es sei langfristiges Ziel, die Kosten-
rstattung für alle zur Regel zu machen. Stimmen Sie
ir deswegen zu, dass die Lektüre des Pressespiegels
anchmal der politischen Einsichtsfähigkeit dienlich

ein kann?


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das steht nicht im Interview!)



Rudolf Henke (CDU):
Rede ID: ID1706223400

Wer ist der dritte Fragesteller?


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706223500

Der dritte Fragesteller ist uns abhanden gekommen.


(Elke Ferner [SPD]: Er wollte Ihren Blutdruck nicht weiter bemühen, Herr Kollege!)



Rudolf Henke (CDU):
Rede ID: ID1706223600

Vielen Dank. – Auch die Stimme nicht.

Verehrte Frau Bunge, ich glaube, der Terminus „Vor-
asse“ ist gestern in dem ministeriellen Interview gefal-
n. Jedenfalls ist das dem Pressespiegel von heute zu

ntnehmen. Er hat sich offensichtlich bemüht, den sper-
gen Begriff „Kostenerstattung“ durch den Begriff
Vorkasse“ zu ersetzen.

Für die Union kann ich Ihnen sagen, dass wir eine ob-
gate, pflichtweise Einführung der Vorkasse als generel-
s System, das für alle gilt, für das man sich nicht optio-
al entscheiden kann, nicht anstreben. Wir wollen das
icht.


(Beifall bei der CDU/CSU)






Rudolf Henke


(A) )


)(B)

Das hat der Kollege Singhammer eben deutlich gemacht.
Da sind auch die Ausführungen des Ministers sehr klar
gewesen. Das wird es vielleicht als Teil der reinen Lehre
der FDP geben. Das weiß ich noch nicht so genau, da-
rüber müssen wir noch einmal debattieren. Jedenfalls ist
nicht das Ziel der Politik dieser Bundesregierung, auch
nicht der Politik dieser christlich-liberalen Koalition,
eine Vorkasse für alle – das ist Ihr Vorwurf – einzufüh-
ren. Als Wahlrecht ist das etwas anderes.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich bin mit der Antwort auf die Frage von Frau Bunge
fertig. Daher könnte sich Frau Bunge jetzt eigentlich set-
zen.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706223700

Frau Bunge entscheidet das sicher selbst.


Rudolf Henke (CDU):
Rede ID: ID1706223800

Das entscheidet sie selbst?


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706223900

Wenn Sie ihre Frage zu Ende beantwortet haben.


Rudolf Henke (CDU):
Rede ID: ID1706224000

Ja, damit bin ich fertig.

Zur zweiten Frage. Ich bin natürlich der Meinung,
dass man die Presse immer aufmerksam studieren sollte.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Ich dachte, die Änderungen kommen aus dem Parlament, aber die kommen aus dem Ministerium!)


Ich glaube, dass ich, was die Systemangleichung von
PKV und GKV angeht, à jour bin. Wenn Sie die System-
angleichung von PKV und GKV als Ziel dieses Gesetz-
entwurfs bezeichnen, dann verstehe ich überhaupt nicht
mehr, wieso Sie sich über Ungleichbehandlungen und
Unterschiede zwischen PKV und GKV so aufregen.


(Beifall des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/ CSU])


Dann müssten wir auf einem Weg sein, die Unebenhei-
ten zu beseitigen. Das ist aber nicht das, was Sie sonst
kritisieren. Insofern antworte ich mit einer Gegenfrage:
Glauben Sie nicht auch, dass man manchmal etwas wi-
derspruchsfreier argumentieren sollte?


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706224100

Es gibt keine nachklappenden Zwischenfragen zu

Zwischenfragen. Jetzt, Herr Kollege, geht es weiter mit
Ihrer Rede. Sie haben noch drei Minuten zweiunddrei-
ßig.


Rudolf Henke (CDU):
Rede ID: ID1706224200

Meiner Ansicht nach ist Ihre Darstellung angesichts

der bestehenden Probleme ein bisschen zu kleines Karo.
Kern dieser Probleme sind der demografische Wandel,
eine veränderte Altersschichtung in der Bevölkerung
und ein Zuwachs an Herausforderungen, die wiederum
mit den Krankheitsentwicklungen, die sich aus der ver-

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(C (D nderten Zusammensetzung der Bevölkerung ergeben, usammenhängen. Ich spare es mir, das in allen Einzeleiten darzulegen. Ich will nur einige Beispiel nennen: den nächsten 50 Jahren werden wir bei der altersbe ingten Makuladegeneration – das ist eine Krankheit, ie zu einer zentralen Blindheit führen kann – eine Zuahme um 125 Prozent verzeichnen; bei der Osteopose erwarten wir in den nächsten 30 Jahren einen Zuachs um 23 Prozent; bei der rheumatoiden Arthritis üssen wir mit einer Zunahme um 18 Prozent rechnen. as ist doch die Herausforderung. (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Dann machen Sie doch die Untersuchungen billiger!)


Die Frage ist: Wie setzen Sie sich damit auseinander?
h finde, Sie starten mit einer falschen Analyse. Sie ver-

uchen, die Menschen möglichst bange zu machen. Sie
agen: Die Kopfpauschale steigt und steigt und wird al-
in bei den Arbeitnehmern abgeladen. Aber genau das
t nicht der Fall; denn es gibt eine Belastungsgrenze.
iese Belastungsgrenze führt dazu, dass der Steuerstaat
ort einspringt, wo bisher der Beitragszahler bis zur Bei-
agsbemessungsgrenze belastet wurde. Das bedeutet,
ass das Spektrum derer, die sich an dem solidarischen
usgleich, an diesem Zusatzbeitrag beteiligen, zunimmt
nd nicht abnimmt. Deswegen, auch wenn Sie immer
ieder das Gegenteil behaupten, ist dies eine größere so-
darische Leistung des Steuerstaates als das, was Sie
lanen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich glaube auch, dass Sie mit falschen Ankündigun-
en operieren. Frau Ferner, Sie haben gesagt – das wol-
n wir einmal festhalten –: Wir werden das 2013 alles
ieder rückgängig machen.

Ich erinnere an die Einführung des demografischen
aktors in der Rentenversicherung durch Norbert Blüm
der bis 1998 amtierenden Regierung unter Helmut
ohl. Sie haben einen Wahlkampf mit dem Versprechen
emacht, den demografischen Faktor, den wir durchge-
etzt hatten, wieder abzuschaffen. Sie haben dieses Ver-
prechen 1999 gehalten und haben diesen demografi-
chen Faktor 1999 wieder abgeschafft.

Dann hat sich die Finanzlage der Rentenkasse ver-
chlechtert, und die Rentenkasse ist in Schwierigkeiten
ekommen. Dann hat die rot-grüne Schröder-Regierung
en Nachhaltigkeitsfaktor, der nichts anderes war als die
ekehrte rot-grüne Variante des demografischen Faktors,
004 mit dem RV-Nachhaltigkeitsgesetz wieder einge-
hrt. Das ist davon zu halten, wenn Sie sagen, wir ma-

hen das rückgängig. Das, was wir hier leisten, ist im
runde ein Stück demografischer Faktor für die Verläss-
chkeit der Krankenkasse.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


as brauchen wir, damit wir ein zuverlässiges Leis-
ngsversprechen der gesetzlichen Krankenkasse geben

önnen.

Übrigens, ein Jahr vor Verabschiedung des RV-Nach-
altigkeitsgesetzes war es die rot-grüne Regierung, die
en Satz von 7,9 Prozent für die Arbeitnehmer und von





Rudolf Henke


(A) )


)(B)

7,0 Prozent für die Arbeitgeber eingeführt hat. Sie haben
damals die Parität verlassen. Das war nicht die Entschei-
dung einer Merkel-Regierung, sondern es war die rot-
grüne Schröder-Regierung, die die Parität aufgegeben
hat.

Letzter Punkt: Ich glaube, dass Sie in der Tat eine feh-
lende Alternative auszeichnet. Das, was Sie immer wie-
der als Bürgerversicherung ankündigen, werde ich bis
auf Weiteres als Schildbürgerversicherung bezeichnen;
denn mir bleibt völlig rätselhaft, wie Sie dabei die
Finanzmittel verfassungskonform aufbringen wollen, die
Sie brauchen, um all das zu vermeiden, was Sie bei uns
kritisieren und was Sie nicht haben wollen.

Meine Bilanz ist also: falsche Analyse, falsche An-
kündigungen, fehlende Alternative. Mein Prädikat: flaue
Arbeitsleistung bei der Opposition.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706224300

Die Kollegin Dr. Carola Reimann hat jetzt für die

SPD-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Carola Reimann (SPD):
Rede ID: ID1706224400

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Das vorliegende GKV-Finanzierungsgesetz
trägt auf den ersten Blick einen passenden Namen; denn
es befasst sich nur mit Finanzierungsfragen. Es geht Ih-
nen allein um das Stopfen von Finanzlöchern durch ein
halbherziges Sparpaket auf der einen und ein doppeltes
Abkassieren der Versicherten auf der anderen Seite.

Es ist wirklich bemerkenswert: Uns liegt eine Ge-
sundheitsreform vor, die kein einziges Strukturproblem
in unserem Gesundheitswesen anpackt. Dabei hat der
Kollege Koschorrek – er schwätzt zwar gerade – gesagt,
das sei das größte Paket der Reform. Fast 70 Seiten, aber
kein Wort von Ärztemangel im ländlichen Raum, kein
Wort zu den Schnittstellenproblematiken zwischen am-
bulanter und stationärer Behandlung, kein Wort zu War-
tezeiten in Arztpraxen, kein Wort zu dem Hauptproblem
in unserem Gesundheitswesen, nämlich der widersinni-
gen Ungleichbehandlung gesetzlicher und privater Kran-
kenversicherungen.


(Ulrike Flach [FDP]: Weil wir Politik machen, Frau Reimann! Es geht hier darum, Lösungen zu finden!)


Herr Minister Rösler, mit dieser Reform lösen Sie
kein einziges der Probleme in unserem Land. Diese Re-
form bringt uns keinen Schritt weiter.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Sie ist in Wahrheit ein Rückschritt; denn das Wenige, das
Sie regeln wollen, geht in eine völlig falsche Richtung
und ist obendrein noch handwerklich schlecht gemacht.
So gesehen, Herr Minister, ist der ausführliche Titel Ih-
res „Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen
Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung“

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(C (D her ein Fall für Ihre Kollegin Aigner; denn hier handelt s sich ganz offensichtlich um einen klaren Fall irrefühnder Produktbeschreibung. (Beifall bei der SPD und der LINKEN – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Etikettenschwindel!)


Das, was Sie den gesetzlich Versicherten zumuten, ist
eder nachhaltig noch sozial ausgewogen, sondern das
omplette Gegenteil. Das schätzt die Bevölkerung ähn-
ch ein. Nach der aktuellen Politbarometererhebung
lauben 5 Prozent der Bevölkerung – das ist hier schon
inmal gesagt worden –, dass damit Finanzierungspro-
leme gelöst werden. 95 Prozent der Bevölkerung fragen
ich zu Recht, was eine Reform bringt, die sich nicht mit
er Lösung von Strukturproblemen befasst.


(Ulrike Flach [FDP]: Lesen bildet!)


Wenn man daran nichts ändert, ist die nächste Bei-
agssatzerhöhung vorprogrammiert. Das heißt in diesem
all: massiv steigende Zusatzbeiträge.

Damit sind wir beim Punkt der sozialen Ausgewogen-
eit. Ist es denn sozial ausgewogen, wenn künftig alle
ostensteigerungen auf die Versicherten abgewälzt wer-
en?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


t es sozial ausgewogen, wenn diese Steigerung in Form
iner stetig anwachsenden Kopfpauschale allein von den
ersicherten erhoben wird? Ist es sozial ausgewogen,
enn der sogenannte Sozialausgleich erst bei 2 Prozent
es Bruttoeinkommens einsetzt? Wohl nicht, meine Da-
en und Herren.

Auch mit der Bezeichnung „Sozialausgleich“ müsste
ich Frau Aigner beschäftigen; denn er ist nichts anderes
ls Etikettenschwindel.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


as ist denn mit dem Sozialausgleich, wenn der durch-
chnittliche Zusatzbeitrag bei null liegt, die jeweilige
asse trotzdem einen kassenindividuellen Beitrag ver-
ngt? Was ist denn, wenn dieser Beitrag höher ist als der
urchschnittliche Zusatzbeitrag? Dann gibt es keinen
ozialausgleich. Dieser Pseudo-Sozialausgleich dient in
ahrheit nur dazu, die sozialpolitische Schieflage Ihrer
eform zu kaschieren. Sie können den Begriff „Sozial-
usgleich“ natürlich mit blumigen Worten – das ist hier
chon versucht worden – noch tausendmal erklären. Es
leibt dabei: Diese Reform ist der Ausstieg aus dem soli-
arischen System und komplett unsozial.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Reform ist auch unsozial, weil Sie die Versicher-
n reichlich zur Kasse bitten, während sich andere Ak-
ure die Hände reiben können. Von der Pharmalobby
ill ich heute gar nicht sprechen; sie ist mit dem
MNOG bereits bedient.





Dr. Carola Reimann


(A) )


)(B)

Über das GKV-Finanzierungsgesetz hingegen können
sich besonders die privaten Krankenversicherungsunter-
nehmen freuen. Schwarz-Gelb macht es nämlich mög-
lich, dass die PKV demnächst dank Fristverkürzung eine
stolze Zahl an gut verdienenden Neukunden begrüßen
darf. Dieses „PKV-Neukunden-Akquise-Gesetz“ kostet
die gesetzliche Krankenversicherung schlappe 500 Mil-
lionen Euro.


(Ulrike Flach [FDP]: Das meinen Sie nur!)


Das ist aber erst der Anfang. Demnächst werden auch
noch die Wahltarife in der GKV verboten und private
Zusatzversicherungen in der Pflege eingeführt. Und
schon hat die PKV zwei weitere lukrative Geschäftsfel-
der.


(Ulrike Flach [FDP]: Sie sollten Ihre Zahlen einmal überprüfen!)


In diesem Zusammenhang hat der Minister den Be-
griff „Wettbewerb“ benutzt. Hier kommt wieder einmal
Ihr absurder Wettbewerbsbegriff zum Vorschein. Dort,
wo der Wettbewerb Ihrer Klientel – das sind die Gutver-
dienenden – dient, da wird er forciert, und dort, wo die
Lobby Einbußen erwartet, da werden Schutzzäune er-
richtet. Die Folge sind weitere Wettbewerbsverzerrun-
gen und zusätzliche Ineffizienzen im System.


(Beifall bei der SPD)


Dieses Gesetz löst keine Probleme, es schafft zusätz-
liche. Der gravierendste Fehler aber ist, dass das Gesetz
die Solidarität, einen der Hauptpfeiler unserer gesetzli-
chen Krankenversicherung, untergräbt. Sie werden die-
ses Gesetz durchdrücken, schon allein deswegen, um Ihr
Gesicht zu wahren.


(Ulrike Flach [FDP]: Nein, weil es gut ist!)


Aber spätestens 2013 wird auch über dieses Gesetz ab-
gestimmt, und dann wählt nicht die Lobby, sondern dann
wählen die Bürgerinnen und Bürger. Spätestens dann
wird es Geschichte sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706224500

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 17/3040 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Dazu
gibt es keine anderweitigen Vorschläge. Sie sind also
einverstanden. Dann ist es so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Caren
Lay, Harald Koch, Dr. Axel Troost, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion DIE LINKE

Zinssätze für Dispositions- und Überziehungs-
kredite verbrauchergerecht deckeln

– Drucksache 17/2913 –

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(C (D Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Finanzausschuss Federführung strittig b)

Maisch, Dr. Gerhard Schick, Ingrid Hönlinger,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Verbraucherinnen und Verbraucher vor über-
höhten Überziehungszinsen schützen
– Drucksache 17/3059 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Federführung strittig

Hierzu ist verabredet, eine Dreiviertelstunde zu debat-
eren. – Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch.
ann ist es so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
in Caren Lay für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Caren Lay (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706224600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Viele Menschen in diesem Land ärgern sich
ber hohe Dispozinsen. Jeder Sechste steckt in den Mie-
en. Ich nehme an, auch Sie haben die ganz aktuellen
ahlen zur Kenntnis genommen, die belegen, dass die
ahl der Verbraucherinsolvenzen in einem Jahr über
0 Prozent gestiegen ist. Im letzten Halbjahr war der An-
tieg sogar noch stärker. Das heißt, auch dieses Thema
ird an Bedeutung zunehmen.

Auch andere aktuelle Zahlen sprechen für sich.
77 Millionen Euro haben die Bankkunden allein in ei-
em guten Jahr durch überhöhte Dispozinsen, durch Dis-
oabzocke, verloren. Denn die Banken geben die niedri-
en Leitzinsen, zu denen sie sich selbst Geld leihen
önnen, nicht an ihre Kunden weiter. Sie alle wissen,
ass die Europäische Zentralbank im Zuge der Finanz-
rise den Leitzins deutlich gesenkt hat. Während die
anken sich Geld also für nur 1 Prozent leihen können,


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht, was Sie da erzählen!)


erlangen sie von ihren Kunden durchschnittlich über
2 Prozent, wenn sie ihren Dispo nutzen. Einige Banken
erlangen von ihren Kunden sogar fast 17 Prozent, wenn
ie ihren Dispo nutzen. Wir als Linke finden das unver-
chämt. Wir wollen diese Dispoabzocke beenden.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Problem verschärft sich dadurch, dass die Betrof-
nen vor allem Erwerbslose und Geringverdiener und
eringverdienerinnen sind; denn diese haben keine
ücklagen. Der Dispo ist für sie häufig die einzige Mög-
chkeit, an Geld zu kommen. Hinzu kommt, dass viele





Caren Lay


(A) )


)(B)

Menschen die finanzielle Notlage, in die sie durch die
Finanz- und Wirtschaftskrise geraten sind, durch den
Dispo zu überbrücken versuchen. Das heißt im Um-
kehrschluss, dass sich die Banken zum Teil auf Kosten
von Erwerbslosen und Geringverdienern sanieren. Das
halten wir als Linke wirklich für skandalös.


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, warum gehören denn die
Dispokredite – übrigens nicht erst seit der Finanzkrise –
zu den teuersten Krediten? Erstens ist das deshalb so,
weil davon, wie gesagt, vor allen Dingen Menschen be-
troffen sind, die den Banken ausgeliefert sind, die keine
Lobby haben – in den letzten Wochen und Monaten ha-
ben wir ja sehr deutlich gesehen und gelernt, dass bei
Schwarz-Gelb vor allen Dingen die Lobby zählt –,


(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Oh! Oh!)


zweitens, weil die Banken ihre Allmacht ausnutzen, und
drittens, weil es Schwarz-Gelb bislang versäumt hat,
dem Wucher beim Dispo ein Ende zu bereiten.

Die Fraktion Die Linke hat erneut einen Antrag ein-
gebracht, mit dem wir die Zinssätze für Dispokredite be-
grenzen wollen. „Erneut“ sage ich: Wir haben dieses
Problem schon in der letzten Legislaturperiode themati-
siert. Wir fordern, die Zinsen für Dispo- und Überzie-
hungskredite zu deckeln. Wir haben uns dabei für das
Modell entschieden, das die Verbraucherzentrale Bre-
men vorgeschlagen hat, ein Modell, das schon heute bei
Zahlungsverzug gilt. Wenn es nach uns ginge, dann läge
der maximale Zinssatz für den Dispo derzeit bei 5,12 Pro-
zent


(Beifall bei der LINKEN)


und die Überziehungszinsen, die dann anfallen, wenn ein
Konto überzogen wird, ohne dass ein Dispo eingeräumt
war, bei maximal 8,12 Prozent.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Mit Kapitalrücklegung oder ohne?)


Meine Damen und Herren, Zinsen müssen angemes-
sen sein. Zinsexzesse auf Verbraucherkosten darf es
nach Auffassung der Linken nicht geben. Deswegen
müssen wir der Dispoabzocke ein Ende machen. Es wäre
schön, wenn sich die Koalition dieser Argumentation an-
schließen würde.


(Beifall bei der LINKEN)


Nach unserer Auffassung sind die überhöhten Dispozin-
sen in keiner Weise zu rechtfertigen. Die Argumentation
der Kreditinstitute halte ich für nicht zielführend; da-
rüber können wir diskutieren.

Das Problem ist vielmehr die mangelhafte Regulie-
rung. Das sehen auch Vertreterinnen und Vertreter der
Regierungskoalition so. Frau Aigner, die Verbraucher-
ministerin, hat im Handelsblatt vom 15. September die-
ses Jahres mitgeteilt, es könne nicht sein, dass sich Ban-
ken auf Kosten der Verbraucher sanieren; das sagen auch
wir. Ich habe auch Sie, Herr Professor Schweickert von
der FDP, so im Ohr, dass Sie in der letzten Debatte eine
ähnliche Argumentation vorgetragen haben. Auch hier

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(C (D ilt, wie bei vielen verbraucherpolitischen Themen, bei enen wir uns in der Zielstellung einig sind: Es zählen ie Taten und nicht die Ankündigungen. Die Dispoabzocke reiht sich in eine Palette von Misständen ein, die auch zwei Jahre nach der Pleite von ehman Brothers immer noch ungehindert fortbestehen, a die Koalition bis jetzt nicht agiert hat. Dies beginnt it der fehlenden Zuständigkeit der Finanzaufsicht für en Verbraucherschutz. Es geht weiter mit dem Veraufsdruck, der auf den Beschäftigten lastet, und der angelnden oder nicht erfolgten Einführung der Honorberatung. Außerdem geht es um die mangelhafte Kosntransparenz, die wir bei vielen Finanzprodukten zu eklagen haben; das gilt sogar für die staatlich geförerte Riester-Rente. Noch immer gibt es keine Regulieng von Finanzprodukten, die einfach nicht auf den arkt gehören. Wir als Linke fordern hier einen Finanz ÜV. Dem, meine Damen und Herren – ich komme zum chluss –, müssen Sie, muss die Koalition ein Ende mahen. Ich hoffe, dass die Verbraucherschutzpolitiker den nkündigungen, die sie hier im Plenum gemacht haben, tsächlich Taten folgen lassen. Eine Bundesregierung uss zu mehr in der Lage sein als nur zu Ankündigun en. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Ich erteile das Wort Kollegen Marco Wanderwitz für ie CDU/CSU-Fraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Al s, was sich derzeit rund um das Thema Banken und Fianzmarkt dreht, wird so schön als „vermintes Gelände“ ezeichnet. Die Finanzkrise steckt uns allen, glaube ich, den Knochen. Dispozinssätze in Deutschland von durchschnittlich 2,5 Prozent – in der Spitze von fast 17 Prozent – sind lles andere als ein Pappenstil. Der Leitzinssatz der Eupäischen Zentralbank befindet sich seit geraumer Zeit uf einem historischen Tief von glatt 1 Prozent. Diesen iedrigen Geldbeschaffungszinssatz geben die Banken icht an ihre Kunden weiter, so der naheliegende chluss. Der Vorwurf wiegt schwer, da das Volumen der berziehungskredite in Deutschland rund 40 Milliarden uro beträgt. Allerdings relativiert sich manches, wenn man geauer hinschaut, und das sollte man auch bei diesem unkt tun. Die Höhe des Dispozinssatzes einer Bank hat ur bedingt mit dem Refinanzierungszinssatz zu tun. Sie at auch mit den Refinanzierungsstrukturen der Bank zu n und natürlich mit einer betriebswirtschaftlichen Risi oeinschätzung des Produktes Dispositionskredit. Marco Wanderwitz )


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706224700

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Marco Wanderwitz (CDU):
Rede ID: ID1706224800




(A) )

Dispokredite – das sollten wir uns an dieser Stelle vor
Augen führen – sind ihrem Wesen nach kurzfristig nutz-
bare Angebote zur Steigerung der finanziellen Flexibili-
tät; so sind sie gedacht. Der Verbraucher kann sich jeder-
zeit sehr schnell innerhalb eines vorab eingeräumten
Limits mit Geld versorgen. Er kann eine Kreditsumme in
Anspruch nehmen, ohne sich einer nochmaligen Risiko-
prüfung zu unterziehen und ohne zusätzliche Sicherhei-
ten stellen zu müssen.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Wenn er ein laufendes Gehalt bekommt!)


Diese Flexibilität, sowohl im Hinblick auf den Zeitpunkt
der Inanspruchnahme und auf die tatsächliche Kredit-
höhe innerhalb des Limits als auch der, anders als bei ei-
nem Ratenkredit, unbestimmte Zeitpunkt der Rückfüh-
rung, ist eine Summe von zusätzlichen Risikofaktoren
für die Bank, und diese fließen in die Gestaltung der
Konditionen ein. Folglich sind Dispozinssätze höher als
Zinssätze bei anderen Kreditarten, die beispielsweise be-
sichert sind.

Die bloße Bereitstellung eines Dispokredits bindet
unabhängig von seiner Inanspruchnahme Eigenkapital
der Bank, das nicht anderweitig gewinnbringend ver-
wendet werden kann. Diese bloße Bereitstellung kostet
den Verbraucher überhaupt nichts. Deswegen sind die
Disporahmen üblicherweise eher gering gehalten. Sie
sind nach meinem Kenntnisstand in letzter Zeit eher
nach unten korrigiert worden.

Darüber hinaus sind Dispokredite im Gegensatz zu
beispielsweise lang laufenden Immobilienkrediten
grundsätzlich unbesichert und erhöhen das Ausfallrisiko
der Bank. Zehnjährige Immobiliendarlehen gibt es in
Deutschland bei der Mehrzahl der Banken aktuell für un-
ter 4 Prozent inklusive der Zinsbindung über die ge-
samte Laufzeit.

Der Dispokredit ist also aus all den genannten Grün-
den der teuerste unter den Krediten. Hohe Flexibilität hat
einen höheren Preis.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Ja, das ist grundsätzlich so!)


Die Inanspruchnahme von Dispokrediten soll eben nicht
zum Dauerzustand werden; so ist der Dispo nicht ange-
legt. Wer längerfristigen oder größeren Geldbedarf hat,
sollte einen Ratenkredit oder einen anderweitigen regu-
lären Kredit mit seiner Bank vereinbaren; denn diese
weisen deutlich niedrigere Zinssätze auf.

Die Stiftung Warentest hat aufgezeigt, dass die
Spanne sehr groß ist, nämlich zwischen 7 und
17 Prozent. Das fordern die Banken aktuell. Wie es zu
einem solchen Auseinanderklaffen kommt, ist in der Tat
sehr schwer nachvollziehbar. Ein Argument, das ange-
führt wird, ist, dass die Direktbanken die niedrigsten
Zinsen haben und dass das etwas mit dem nicht vorhan-
denen Filialnetz zu tun hat. Das kann bis zu einem ge-
wissen Punkt überzeugen. Es gibt aber beispielsweise ei-
nige Sparkassen, die sich im Bereich von 9 Prozent
bewegen. Sie haben üblicherweise ein großes Filialnetz.
Es muss also mehr dahinter sein. Ich glaube, es ist unter

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(C (D nderem die unternehmerische Entscheidung, wie man isiken im Bereich des Dispositionskredits bewertet. Im Juni haben wir hier im Hohen Haus die Umsetung der Europäischen Verbraucherkreditrichtlinie disutiert und haben am Ende das deutsche Gesetz bechlossen. „Transparenz bei den Zinssätzen“ war das eitmotiv dieser Gesetzgebung. Wichtig ist, dass jeder orab weiß – das ist gewährleistet –, was im Fall der älle auf ihn zukommt. Der Bundesgerichtshof hat den chutz der Verbraucher in einem Urteil vom letzten Jahr einerseits ebenfalls besonders betont. Für Zinsanpasungsklauseln gelten die allgemeinen Grundsätze für reisanpassungsklauseln, wonach das Äquivalenzprinip zu beachten ist und die Bank nicht einseitig begünsgt werden darf. Die Ankündigung von Verbraucherschutzministerin se Aigner, zum Zinsanpassungsverhalten der Banken un eine ausführliche Studie durchführen zu lassen, ann ich nur begrüßen; denn dort sehe ich die Baustelle. arüber können und sollten wir aber sprechen, nachdem ir das Ergebnis dieser Studie erhalten haben. Dazu ist as, was Stiftung Warentest hier getan hat, allein zu weig. Bis dahin und darüber hinaus gilt aber auch Folgenes: Durch die Auswertung von Stiftung Warentest weren verschiedene bestehende Zinssätze aufgezeigt. Es ird nicht gezeigt, ob und in welchem Maße die teuersn der Angebote überhaupt genutzt werden. In Deutschnd herrscht ein großer Wettbewerb unter den Banken. ie Verbraucher sollten die Zahlen von Stiftung Warenst daher zum Anlass nehmen, die Angebote ihrer Bank it anderen Angeboten zu vergleichen und gegebenenlls einen Wechsel in Erwägung zu ziehen. Jeder hat die öglichkeit, zu einer Bank zu wechseln, die ihm im ahmen dieser Spanne, die wir gesehen haben, günstiere Konditionen einräumt. Die Höhe des Dispozinssates ist dabei ein Baustein von vielen. Für viele, für die roße Mehrzahl, ist er kein Baustein, weil sie ihr Konto chlicht und einfach im Haben führen. Ein paar Sätze zum Schluss dazu, was Kollegin Lay agte – Stichpunkt: Es gibt nun viel mehr, die davon beoffen sind. Ich habe mir just vorhin die aktuellen Areitslosenstatistiken für meinen Wahlkreis angeschaut. h kann nur sagen: Vorsicht an der Bahnsteigkante! an nehme einmal die Zahlen von vor der Wirtschafts rise und schaue sich die Zahlen von jetzt an. Danach rüfe man noch einmal, ob das, was man sagt, stimmt. ei meinem Wahlkreis stimmt es nicht, und der liegt uch in Sachsen. Ich glaube, uns allen wird durch die Dinge, die wir tzt beispielsweise bei der HRE wieder sehen, und vies mehr die Zornesröte ins Gesicht getrieben. Wir als olitiker haben aber nicht die Aufgabe, Öl ins Feuer zu ießen, und das auch noch in der möglichst pauschalsten rt und Weise, sondern wir haben den wenigen Unveresserlichen, die am Ast der Wirtschaftsordnung sägen, as Feuer aus der Hand zu nehmen. Wir als Koalition ersuchen, das zu tun. Ich möchte Sie herzlich bitten, dait aufzuhören, Öl ins Feuer zu gießen. )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





(A) )


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706224900

Das Wort hat nun Kerstin Tack für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Kerstin Tack (SPD):
Rede ID: ID1706225000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren auf der Zuschauertribüne! Ich
glaube, die derzeit absolut überzogenen Zinsen für die
Dispo- und Überziehungskredite finden wir über alle
Fraktionen hinweg nicht in Ordnung. Ich glaube, diese
Feststellung können wir hier im Parlament für alle ge-
meinsam treffen.


(Beifall im ganzen Hause)


Nur bei der Antwort auf die Frage, was aus dieser Er-
kenntnis folgt, wird unsere Bewertung sicherlich sehr
unterschiedlich sein.

Dass die Banken derzeit Geld zu einem Zinssatz von
lediglich 1 Prozent bekommen, wenn sie es sich leihen,
während sie den Verbraucherinnen und Verbrauchern,
die ihr Konto überzogen haben, im Gegenzug Zinssätze
von 6 bis 17 Prozent in Rechnung stellen, ist nicht in
Ordnung. Jeder sechste Bankkunde steht mit seinem
Konto in den Miesen. Die Europäische Zentralbank hat
die Leitzinssätze von 4,25 Prozent im Oktober 2008 auf
1 Prozent – ich habe es gerade erwähnt – im Mai 2009
gesenkt, und dort steht dieser Leitzins heute noch immer.

An die Verbraucherinnen und Verbraucher werden
niedrige Guthabenzinsen weitergereicht, gleichzeitig
werden von ihnen hohe Überziehungszinsen verlangt.
Beides ist für die Verbraucherinnen und Verbraucher ein
deutlicher Nachteil; das müssen wir so sagen.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: So ist es! Sehr richtig!)


Es hat den Anschein, als würden die Banken die ho-
hen Dispozinsen zum Gegenstand des Sanierungspro-
gramms erklären, um den Verlust, den sie aus der Krise
erlitten haben, wieder auszugleichen. So geht es aber
nicht. Das können und sollten wir auf keinen Fall zulas-
sen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


– Ich nehme zur Kenntnis, dass auch Sie von der Koali-
tion mir hierin zustimmen.

Jeder Prozentpunkt, um den der Zinssatz für Dispo-
und Überziehungszinsen nicht gesenkt wird, kostet die
Verbraucherinnen und Verbraucher 416 Millionen Euro
im Jahr, so die Stiftung Warentest. 416 Millionen Euro
im Jahr, bezogen auf das aktuelle Kreditvolumen, das
laut der Bundesbank mit 41,6 Milliarden Euro – der Kol-
lege hat es gesagt – ausgewiesen ist.

Der Zentrale Kreditausschuss verteidigt selbstver-
ständlich die hohen Zinsen und sagt, das sei mit dem fle-
xiblen Kreditrahmen und mit der Notwendigkeit der Ei-
genkapitalbildung zu begründen. Aber, liebe Kollegin-
nen und Kollegen, wenn das zur Begründung herhalten

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(C (D oll, dann frage ich mich, wie es zu Unterschieden zwichen 6 und 17 Prozent kommen kann. Das ist eine an en Haaren herbeigezogene Begründung. Auf die sollten ir uns nicht verlassen, wenn wir uns über die Frage unrhalten: Was lernen wir denn aus der Situation, und ibt es einen akuten Handlungsbedarf? Die Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen im oment doppelt. Auf der einen Seite zahlen sie für die berzogenen Zinsen, und auf der anderen Seite haben sie ereits als Steuerzahlende für die staatlichen Unterstütungen bezahlt, die wir ja teilweise denselben Banken, ie jetzt die hohen Zinsen nehmen, vorher in die Tasche esteckt haben. Sie zahlen also auf der einen Seite als teuerzahler für die Unterstützung der Banken, und auf er anderen Seite als „Melkkuh“, wenn ihnen hohe berziehungszinsen zugemutet werden. Wir haben seit Juni dieses Jahres mit der Verbraucherreditrichtlinie das Erfordernis, dass die Banken ihre npassungskriterien offenlegen. Aber – das müssen wir lar sagen – wenn es so ist, dass die Differenz zwischen en Überziehungszinsen und den Referenzzinsen so eutlich wie im Moment ist, dann ist das ein verbrauherunfreundliches Verhalten, das nicht zum Maßstab r die künftige Entwicklung der Dispozinsen genomen werden darf. Deshalb müssen wir hier sehr genau berlegen, ob die Verbraucherkreditrichtlinie an dieser telle genügt, um zum jetzigen Zeitpunkt die Differenz u bestimmen. Deshalb fordern ja auch alle Bundesländer die Minisrin für Verbraucherschutz auf, staatliches Eingreifen ier nicht länger auszuschließen. Sie sagte: „Die Zinsenkungen müssen unverzüglich an die Kunden weiteregeben werden“. Die Kreditinstitute dürften sich nicht nger auf Kosten der Verbraucher sanieren. Ferner sagte ie: Die Institute sollen endlich die Leitzinssenkungen eitergeben. „Das ist nicht akzeptabel“. Da denkt man ich: Wunderbar, die Verbraucherschutzministerin will a was tun. Die beiden Zitate, die ich eben gebracht habe, stamen aus dem Jahr 2009. Da fragt man sich: Was ist pas iert zwischen dem Zeitpunkt der Erkenntnis der Minisrin in 2009 und der Situation, die wir am heutigen Tag aben? Da nehmen wir wahr, dass die von der Ministerin ls inakzeptabel beschriebene Situation bis heute keine eränderung erfahren hat, und wir nehmen auch wahr, ass die Verbraucherschutzministerin ihre Regelungsompetenz in diesem Bereich nicht wahrnimmt, sondern ich wie immer in Ankündigungen, in tollen Worten, in ntsetztsein erschöpft, aber mal wieder nicht in der Lage t, irgendeine Regelung auf den Weg zu bringen. Die eidtragenden sind die Verbraucherinnen und Verbrauher, und das kann es nicht sein. Deshalb fordern wir die Ministerin ganz nachdrückch auf, an dieser Stelle mit ihrer Studie nicht noch mehr eit zu vertun. Wir haben doch von der Stiftung Warenst genau eine solche Studie vorliegen, und zwar nicht ur für dieses Jahr, sondern auch noch für die letzten ahre. Da brauchen wir jetzt nicht noch mehr Zeit ins Kerstin Tack )


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)





(A) )

Land gehen zu lassen, bis wir wissen, dass es hier einen
Handlungsbedarf gibt und wie sich das alles entwickelt
hat. Deshalb sagen wir: Ran, entscheiden, vorlegen!

Die Frage, ob geltendes Recht reicht oder nicht – das
will ich noch zum Schluss sagen –, soll auch Teil der
jetzt vorzulegenden ausführlichen Studie sein. Dazu
muss man sagen: Ob das geltende Recht das abdeckt
oder nicht, dazu brauchen wir keine mehrmonatige Erar-
beitung einer Studie. Das müssen die Juristen aus einem
Ministerium einem in wenigen Stunden sagen können.
Diese Erwartungshaltung an gutbezahlte Juristen kann
man haben. Das können die auch, wir brauchen also
keine Zeit zu vergeuden.

Wir haben Grund genug, die Verbraucherinnen und
Verbraucher nicht länger wegen Nichthandeln Kosten
tragen zu lassen. – Frau Präsidentin, ich weiß, ich habe
meine Redezeit überzogen. – Deswegen unterstützen wir
das Ansinnen der beiden antragstellenden Fraktionen.
Ich sage noch einmal deutlich: Es gibt einen Handlungs-
bedarf und kein Erkenntnisdefizit.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706225100

Das Wort hat nun der Kollege Erik Schweickert für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Erik Schweickert (FDP):
Rede ID: ID1706225200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Es geht um das Überziehen
nicht nur der Zeit, sondern auch der Konten. Nicht nur
der Staat hat die letzten Jahre deutlich über seine Ver-
hältnisse gelebt, was übrigens jetzt die christlich-liberale
Koalition beenden wird, nein, auch viele Bürgerinnen
und Bürger haben mehr ausgegeben, als sie eingenom-
men haben. Oftmals hat dieses Schuldenmachen damit
begonnen, dass das Konto überzogen worden ist. Es ist
aber auch klar: Dispo- und Überziehungszinsen sind der
Preis für Flexibilität – wir haben es schon gehört –, und
die Möglichkeit der Überziehung bedeutet einen Notpuf-
fer. Allerdings wird dieser Notpuffer von vielen Ver-
brauchern heute so genutzt, als ob es sich dabei um ein
Guthaben handele. Ob das so ist, weil sich der Bürger
dazu gezwungen sieht oder weil er sich keine Gedanken
macht, sei dahingestellt. Aus diesem Grund sollten wir
die Diskussion nicht so aufgeregt führen, wie es bisher
geschehen ist.

Ich halte es für gerechtfertigt, dass die Banken für ei-
nen Dispositionskredit höhere Zinsen veranschlagen, da
für diesen ein höheres Ausfallrisiko besteht. Man könnte
nämlich sagen: Es gibt kein Recht auf billige Schulden.
Jeder Verbraucher hat die Verantwortung, darauf zu ach-
ten, dass er sein Konto nicht überzieht. Man kann ein
Konto so einrichten, dass man es nicht überziehen kann.
Die Frage ist, ob das sinnvoll ist. Man hat auch die Mög-
lichkeit, beispielsweise einen Ratenkredit in Anspruch
zu nehmen. Dann hat man klare Verhältnisse.


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(C (D (Kerstin Tack [SPD]: Wenn man kreditwürdig ist! – Caren Lay [DIE LINKE]: Wenn man einen festen Job hat, ja!)


Frau Lay, ich komme gleich dazu. – Grundsätzlich ha-
en wir als Verbraucher auch die Möglichkeit, die Bank
u wechseln. Daher sehe ich schon eine große Verant-
ortung des Bankkunden. Jeder ist für seine Kassenlage
erantwortlich.


(Beifall bei der FDP)


Die Sache hat natürlich einen Haken; denn einige
ntwicklungen erscheinen mir etwas problematisch. Der
eitzins der Europäischen Zentralbank liegt derzeit bei
Prozent und damit auf einem historischen Tiefstand.
as dient den Banken als Rechtfertigung, dass sie für
uthaben und Festgeld so gut wie keine Zinsen zahlen.
uf der anderen Seite werden für Dispo- und Überzie-
ungskredite sehr hohe Zinsen verlangt. Während der
eitzins von 4,25 Prozent im Oktober 2008 auf derzeit
Prozent gesunken ist, sind die Zinsen für Dispo- und
berziehungskredite im Durchschnitt nur unwesentlich

urückgegangen. Die Banken können sich also sehr
ünstig Geld bei der Europäischen Zentralbank leihen,
ber dem verschuldeten Verbraucher stellen sie über-
öhte Zinsen in Rechnung. Wir dürfen nicht tatenlos zu-
ehen,


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Jetzt geht’s los!)


enn die Banken die Schuldenspirale der Verbraucher
eiterdrehen. Ich sage Ihnen ganz offen: Zinsen für
ispo- bzw. Überziehungskredite in Höhe von 16,99 Pro-

ent grenzen fast schon an Wucher.


(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN – Kerstin Tack [SPD]: Kollege, wir sind begeistert!)


ie Verbraucherzentralen überprüfen das, und die Ge-
chte werden entscheiden, ob der Tatbestand des Wu-
hers erfüllt ist.

Eines erscheint mir noch wichtiger – das kommt in
er Diskussion viel zu kurz, und ich hätte gedacht, dass
ieser Punkt insbesondere von Ihnen vorgebracht wird –:
as ich noch kritischer als die hohen Zinsen sehe, ist die

atsache, dass es Banken gibt, die über die Zinsen für ei-
en Dispo- oder Überziehungskredit hinaus noch eine
ebühr pro Abhebung berechnen, also on top. Da muss
an den Banken sagen: Irgendwann ist auch mal
chluss.


(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Norbert Schindler [CDU/ CSU] – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das schlägt dem Fass den Boden aus!)


Jetzt ist die Frage, wie sich das Ganze darstellt; denn
icht nur einzelne Banken machen das, sondern das ist
in weit verbreitetes Phänomen. Die Verbraucherzen-
ale Bremen hat die entsprechenden Daten erhoben.





Dr. Erik Schweickert


(A) )


)(B)


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Welche Maßnahmen ergreifen Sie?)


– Die Maßnahmen kommen jetzt. Herr Heil, Sie sind
doch sonst nicht so ungeduldig. – Der Bundesgerichts-
hof hat festgestellt, dass die Dispozinsen durch verbrau-
cherfeindliche Klauseln in den AGBs zu Recht unzuläs-
sig sind. Wörtlich heißt es:

Danach muss eine Zinsänderungsklausel das Äqui-
valenzprinzip beachten und darf die Bank nicht ein-
seitig begünstigen.

Allerdings ist es in der Realität etwas anders. Deswe-
gen habe ich das Bundeskartellamt letzte Woche aufge-
fordert, die Geschäftspraxis der Banken einer wettbe-
werblichen Prüfung zu unterziehen, und zwar deshalb,
weil diese Überziehungszinsen insbesondere in räumli-
chen Clustern genommen werden. Wie interpretiere ich
sonst, dass dies insbesondere in Bremen und zwei ande-
ren Clustern geschieht? Also, wir wollen kein Konjunk-
turprogramm für Peter Zwegat, sondern einen effizienten
Verbraucherschutz, und deshalb wollen wir eine Über-
prüfung.


(Beifall bei der FDP)


Darum ist auch die Regelung zum Referenzzinssatz
zu hinterfragen, nach der die Banken einen überprüfba-
ren Referenzzinssatz benennen müssen, an dem sie ihre
Zinsentwicklung anpassen. Denn natürlich werden die
Banken den derzeit niedrigen Leitzins als Referenz an-
geben. Steigt der Leitzins, werden die Banken die Mög-
lichkeit haben, auch die Dispo- und Überziehungszinsen
weiter zu erhöhen und dies anhand des steigenden Refe-
renzzinses zu rechtfertigen. Das darf natürlich nicht sein.
Deswegen muss dieses Thema im Ausschuss angespro-
chen werden.

Für mich ist eins deutlich: Die Commerzbank ist bei
dieser Sache mit dabei.


(Kerstin Tack [SPD]: Das stimmt!)


Frau Kollegin Tack, ich habe es in der letzten Sitzungs-
woche angesprochen, und ich bleibe bei meiner Mei-
nung: Der Staat ist nicht der bessere Banker.


(Beifall bei der FDP)


Wenn die Commerzbank einen Zinssatz von 13,24 Pro-
zent im Dispobereich verlangt, dann komme ich zu dem
Schluss: Der Staat ist gefordert, sich aus seiner Zustän-
digkeit für die Commerzbank schnellstmöglich zurück-
zuziehen.


(Beifall bei der FDP)


Was da stattfindet, bringt dem Verbraucher nichts.
Heute, kurz vor dem 20. Jahrestag der deutschen Einheit,
möchte ich wiederholen: Der Staat ist nicht der bessere
Banker.

Meine Damen und Herren, Sie haben mich auf Ihrer
Seite, wenn es darum geht, dem Verbraucherschutz in
der Finanzaufsicht zu mehr Durchschlagskraft zu verhel-
fen.

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(C (D (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Da bin ich mir nicht so sicher!)


as Ganze gehört, da es um Verbraucherschutz geht, in-
titutionell in die Finanzaufsicht. Wir werden unser Vor-
aben umsetzen, spätestens bei der Zusammenführung
er Bankenaufsicht unter dem Dach der Deutschen Bun-
esbank.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Warten wir erst mal ab!)


as macht die von Bündnis 90/Die Grünen in ihrem An-
ag angeregte Marktwächterfunktion in diesem Bereich
berflüssig, übrigens so überflüssig wie im Moment
anche Bank aufgrund ihres Geschäftsgebarens.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706225300

Das Wort hat nun Nicole Maisch für die Fraktion

ündnis 90/Die Grünen.


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706225400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

ktienmärkte haben sich beruhigt, aber für die Verbrau-
herinnen und Verbraucher geht die Finanzkrise weiter.
iese Krise ist für die Kundinnen und Kunden natürlich
or allem eine Krise des Vertrauens in die Banken. Die
eferenzzinsen, die wir zur Verfügung haben – zum Bei-

piel den EZB-Leitzins oder den Drei-Monats-Euribor;
as sind übliche Referenzzinsen –, liegen um 1 Prozent.
ie Banken und Sparkassen geben den Sparern diese
iedrigen Zinssätze weiter; gleichzeitig senken sie die
inssätze für den Dispo aber nicht. Angesichts dessen
eiß man, woher diese Vertrauenskrise kommt. Die An-
gerinnen und Anleger, die Bankkunden glauben nicht
ehr daran, dass sie von den Banken fair und ehrlich be-

andelt werden.

Herr Wanderwitz, Sie haben gesagt: Wir als Politiker
aben die Aufgabe, nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gie-
en. Ich glaube, dass durch solches Geschäftsgebaren Öl
s Feuer gegossen wird. Eine Studie, die die Stiftung
arentest durchgeführt hat, zeigt: Durch solches Ge-

chäftsgebaren wird Öl ins Feuer gegossen; dadurch
ird Vertrauen auf den Finanzmärkten zerstört.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Es gibt unterschiedliche Erhebungen. Wir Grünen ha-
en im Sommer selber eine durchgeführt. Dabei ist he-
usgekommen: Zinssätze von 13 oder 14 Prozent – nur

ominal; effektiv sind sie höher – und für eine geduldete
berziehung von bis zu 20 Prozent sind keine Selten-
eit. Der Kollege Schweickert hat es gesagt: Wenn man
0 Prozent Zinsen für eine geduldete Überziehung zah-
n muss, dann ist das hart am Wucher.

Herr Wanderwitz, Sie haben argumentiert, dass eine
opplung an einen Leitzins nicht sachgerecht sei, weil





Nicole Maisch


(A) )


)(B)

die Beschaffungskosten für Geld nur ein Element der
Kosten des Dispos seien. Da stimme ich Ihnen zu. Trotz-
dem gibt es Banken, die einen Referenzzins gewählt ha-
ben, an den sie ihre Dispozinssätze koppeln. Da gibt es
unterschiedliche Modelle, entweder den EZB-Leitzins
oder den Euribor. Das Problem ist nur, dass die Banken
dabei einen Zeitpunkt in der Finanzkrise herangezogen
haben, sodass aufgrund der Koppelung die Zinssätze für
die Verbraucher noch weiter nach oben gehen. Das zer-
stört weiter Vertrauen auf den Finanzmärkten.

Ich möchte kurz noch etwas zum Dispo sagen. Es
stellt sich ja die Frage, ob alle, die einen solchen Kredit
in Anspruch nehmen, über ihre Verhältnisse leben. Klar
ist: Natürlich soll man den Dispo nicht jeden Monat als
erweitertes Einkommen benutzen; das weiß jedes Kind.
Es gibt aber auch Menschen, die unverschuldet in finan-
zielle Notlagen geraten. Wir hatten während der Wirt-
schaftskrise eine ganze Menge Kurzarbeiter. Das sind
Personen, die nicht über ihre Verhältnisse gelebt und un-
verantwortlich gehandelt haben; vielmehr blieb vielen
von ihnen keine andere Möglichkeit, als ihr Konto zu
überziehen.

Ich glaube, dass wir es im Dispobereich mit einem
Marktversagen zu tun haben. Das ist übrigens nicht nur
regional so. Ich habe eine ähnliche Erhebung für Hessen
wie die für Bremen gemacht. Ich habe einfach einmal
die Banken angerufen und dabei festgestellt, dass die
Zinssätze ähnlich sind: 18 Prozent oder 19 Prozent für
eine geduldete Überziehung findet man überall.

Die Vielfalt des deutschen Bankensystems ist dabei
keine Hilfe. Wir haben kleine Sparkassen, große interna-
tionale Player wie Santander oder Targobank, große
Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Diese geben
sich alle nichts. Es sind teure und billige dabei. Das
heißt, wir haben es sowohl quer durch die Regionen als
auch quer durch die unterschiedlichen Sektoren mit sol-
chen überhöhten Zinsen zu tun.

Deshalb haben wir Ihnen einen Antrag zur Debatte
vorgelegt. Wir fordern einen gesetzlichen Referenzzins-
satz, an dem sich die Banken orientieren sollen. Dieser
sollte möglichst einheitlich sein, damit es für die Kunden
transparent ist.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Der ist festgelegt!)


– Es wäre aber schön, wenn man sich auf einen einigen
könnte, entweder auf den Euribor oder den EZB-Leit-
zins. Im Moment wählen die Akteure im Markt unter-
schiedliche Referenzzinssätze. Die Commerzbank hat
einen anderen Referenzzinssatz als bestimmte Sparkas-
sen. Ich finde, Einheitlichkeit würde für mehr Transpa-
renz sorgen.

Wir fordern außerdem eine gesetzliche Obergrenze,
einen Korridor oberhalb dieses Zinssatzes. Wie breit die-
ser Korridor ist, darüber muss man diskutieren. An die-
ser Stelle eröffnet sich der Spielraum für die betriebs-
wirtschaftlichen Erwägungen der einzelnen Banken. Wir
finden, wenn man solche fairen Leitplanken für Wettbe-
werb setzt, dann passt das zu einer sozialen Marktwirt-
schaft.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir fordern, dass die Finanzaufsicht verbessert wird.
h denke, wenn solches Marktversagen möglich ist,
enn solche Wucherzinsen möglich sind, dann zeigt das,
ass hier noch einiges im Argen liegt.

Wir haben Vorschläge von Herrn Schweickert und
nkündigungen von Frau Aigner gehört. Wir hoffen,
ass Sie als schwarz-gelbe Regierung irgendwann ein-
al auch das machen, wozu Sie da sind, nämlich zu re-

ieren und Handlungen folgen zu lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706225500

Das Wort hat nun die Parlamentarische Staatssekretä-

n Julia Klöckner.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ju
Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1706225600


Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-
en! Auch ich habe mich geärgert. Ich habe mich richtig
eärgert, als wir die Ergebnisse von „Finanztest“ lesen
onnten.

Ich bin übrigens der Stiftung Warentest sehr dankbar
afür. Deshalb haben wir als Koalition sie mit zusätzli-
hen Mitteln ausgestattet. Ich bin ihr sehr dankbar, dass
ie genau die aktuellen Themen, die uns beschäftigen,
ufgreift. Das tut manch einem weh. Das ist oft unbe-
uem. Wir halten es für richtig, dass die Stiftung Waren-
st genau aus diesem Grund Schritt für Schritt in die
nabhängigkeit entlassen wird, damit sie etwas anpackt,
as vielen anderen eben nicht passt. Deshalb noch ein-
al: Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die

as Thema der Banken seit Wochen und Monaten auf
er Tagesordnung haben. Ich wünsche mir, dass sie die-
es Thema auch in Zukunft weiter so im Blick haben,
uch wenn es um die Beratungsprotokolle und um die
roduktinformationsblätter geht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich stimme Frau Kollegin Maisch zu. Ganz klar:
icht jeder, der sein Konto überzieht, ist jemand, der
icht mit Geld umgehen kann. Ansonsten könnten die
anken auch nicht mit Geld umgehen, weil sie sich bei
en Bürgerinnen und Bürgern Geld leihen. Die Asym-
etrie, dass auf der einen Seite die Bürger den Banken

erne Geld leihen, aber nicht zu zweistelligen Prozent-
ätzen, und dass auf der anderen Seite Bürgerinnen und
ürger mitunter 17 Prozent oder gar 20 Prozent Zinsen
n die Banken zahlen müssen, halte ich für unanständig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das halte ich deshalb für unanständig, weil das immer
ur in eine Richtung geht. Viele Banken kennen immer





Parl. Staatssekretärin Julia Klöckner


(A) )


)(B)

nur eine Richtung. Wenn die Refinanzierungskosten
hoch sind, dann geben sie diese hohen Kosten weiter.
Das ist schnell zu erläutern. Man bekommt aber selten
einen freundlichen Brief mit dem Hinweis, dass die Re-
finanzierungskosten günstiger geworden sind und dass
es deshalb für den Kunden günstiger wird.

Das ärgert uns alle, ganz gleich, welcher Fraktion wir
angehören, welcher Partei wir angehören. Auf der einen
Seite wird versucht, richtig Kasse zu machen. Auf der
anderen Seite, wenn etwas nicht funktioniert, soll der
Staat einspringen – das sind übrigens auch die Kunden,
nämlich die Steuerzahler –, dann wiederum zeigt sich
ein demütiges Verhalten. Ich denke, das wird auf Dauer
nicht funktionieren. Deshalb müssen wir hier auch ganz
klare Worte finden.

Jetzt geht es natürlich darum, liebe Kolleginnen und
Kollegen, eine Lösung zu finden. Dazu gibt es in den
heute vorliegenden Anträgen verschiedene Vorschläge.
Man kann es sich einfach machen, indem man banal for-
dert, eine Obergrenze festzusetzen. Ich halte diesen Vor-
schlag, mit Verlaub, für sehr schlecht. Eine Obergrenze
einzuziehen, ist meiner Meinung nach auch falsch, weil
das der marktwirtschaftlichen Realität und der Vielfalt
der angebotenen Preismodelle bei Girokonten nicht ge-
recht wird. Dass die Linken da zusammenzucken, ist
klar, da sie mit Marktwirtschaft nicht so viel am Hut ha-
ben.

Die Zinssätze im Test variieren zwischen 6 und
17 Prozent. Da muss man genau hinschauen, damit wir
den Verbrauchern nicht einen Bärendienst erweisen. Der
Kollege Wanderwitz hat eben erläutert, wie unterschied-
lich die Berechnungsgrundlagen sind. Bei dem einen
Girokonto ist die Kontoführung kostenlos, was viele
schätzen; vielleicht kostet dafür aber eine beleggebun-
dene Überweisung etwas mehr, oder der Dispozins liegt
etwas höher. Bei einem anderen Girokonto wird dagegen
eine Kontoführungsgebühr erhoben; vielleicht liegt da-
für aber der Dispozins etwas niedriger.

Natürlich wird die Gebührenhöhe auch davon beein-
flusst, wie engmaschig das Filialnetz ist. Ich selbst
komme aus Rheinland-Pfalz, einem ländlich geprägten
Raum. In vielen Regionen sind wir dankbar dafür, dass
dort einige Banken noch Filialen haben, während andere
Banken sich schon zurückgezogen haben. Ein Filialnetz
kostet Geld.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: So ist es!)


Das muss natürlich, sozial gerecht, mischfinanziert wer-
den, also nicht nur von denen, die ein kleines Portemon-
naie haben. All das muss in die Überlegung einfließen,
ob wir nicht, wie ich vorhin sagte, dem Verbraucher ei-
nen Bärendienst erweisen, wenn wir eine starre Ober-
grenze einziehen. Ich glaube, dass diese Lösung dem
Gesamtkomplex nicht gerecht wird und zur Folge haben
würde, dass einige kleinere Banken nicht mehr im länd-
lichen Raum vertreten wären.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb ist meiner einung nach der staatsdirigistische Ansatz nicht die chtige Lösung. Dass es aber klare Regeln braucht, wie inssätze anzupassen sind, darin sind wir uns sicherlich lle einig. Es gibt einen klaren Grundsatz, dem Geltung erschafft werden muss: So stark wie die Sollzinsen in ochzinsphasen steigen, genauso stark müssen sie auch Niedrigzinsphasen sinken. Einen starken Verbündeten ei der Durchsetzung dieser Maxime haben wir im Bunesgerichtshof. Er hat im April 2009 erneut entschieden, ass auf der Basis des geltenden Rechts eine Anpasungssymmetrie der Zinssätze der Banken nach oben nd nach unten bestehen muss. Neue gesetzliche Regelungen sorgen zwar immer für ine schöne Schlagzeile, aber meiner Meinung nach beteht überhaupt kein Gesetzesdefizit, sondern ein Vollugsdefizit. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


s hilft doch keinem Bürger, wenn er sich eine weitere
rucksache anschauen kann – das macht ja nur bedingt
paß –, sondern dem Verbraucher hilft es, wenn die vor-
andenen gesetzlichen Regelungen auch effektiv und
achhaltig durchgesetzt werden. Es gibt zum Beispiel
as Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtli-
ie, gemäß dem die Art und Weise der Anpassung des
ollzinssatzes im Kreditvertrag anzugeben ist. Hier
chte ich meine Aufforderung an die Finanzaufsicht, ge-
en vielfache Rechtsverstöße und Missverständnisse
orzugehen, und an die Kartellbehörden, genau zu prü-
n.

Abschließend möchte ich sagen: Es liegen einige Lö-
ungsvorschläge vor. Wir haben eine Studie in Auftrag
egeben haben, die untersuchen soll, wie sich die mit der
ontoführung verbundenen Kosten flächendeckend ent-
ickeln, damit wir eine solide Basis für unser Handeln

rhalten, statt – davor warne ich noch einmal – dem Ver-
raucher einen Bärendienst zu erweisen. Wir werden
lso das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, sondern
ls Verbraucherministerium weiter am Thema dranblei-
en und dafür sorgen, dass die Verbraucherinnen und
erbraucher nach wie vor ein flächendeckendes Filial-
etz vorfinden und die Zinssätze so verbraucherfreund-
ch wie möglich gestaltet werden. Andere Regierungen
aben hier ja, als sie etwas zu sagen hatten, nichts getan.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706225700

Das Wort hat nun Carsten Sieling für die SPD-Frak-

on.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Carsten Sieling (SPD):
Rede ID: ID1706225800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

etzt haben wir also gehört, was sich die Regierung vor-
tellt. Die Staatssekretärin hat gesagt, dass sie sich ärgert


(Heiterkeit bei der SPD)






Dr. Carsten Sieling


(A) )


)(B)

und dass alles, was wir diesbezüglich vorfinden, unan-
ständig ist. Dann hat sie über Lösungen gesprochen.
Aber ich habe hier nichts anderes gehört, als dass alle
Lösungen, die in der Diskussion sind, infrage gestellt
werden und dass die kritischen Punkte und die Problem-
lagen beschrieben werden. Ich erwarte etwas anderes. Es
reicht nicht, eine Studie in Auftrag zu geben. Das Pro-
blem ist schließlich seit längerem bekannt. Das Ministe-
rium muss zügig eine Lösung vorlegen und darlegen, in
welche Richtung es gehen soll; darum geht es.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ansonsten – wenn ich mir diese Bemerkung erlauben
darf, Frau Staatssekretärin – reicht Ihre Darbietung zu
nicht viel mehr als vielleicht dazu, irgendwann einmal
die Oppositionsführerin in Rheinland-Pfalz zu werden.
Das kann es aber nicht sein.


(Zurufe bei der FDP: Oh! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)


– Dass es so kommen wird, wissen wir alle. Von daher
brauchen wir uns darüber jetzt nicht aufzuregen.

Ich möchte darauf eingehen, in welche Richtung das
Konzept gehen muss. Wir werden darüber reden müssen,
wie man ein entsprechendes Konzept verbindlich ma-
chen kann und welche nachvollziehbaren und umsetzba-
ren Regeln es geben soll.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Gerade wenn man die Entgleisungen in den letzten Mo-
naten sieht, ist es natürlich vom Grundsatz her richtig,
einen Referenzzinssatz zu nehmen, auf den man einen
Korridor setzt. Die Kritik an einem solchen Vorschlag,
d
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1706225900
Die Banken haben unterschiedliche Geschäftsmo-
delle. – Natürlich muss der Korridor so beschaffen sein,
dass keine Bank gezwungen ist, ihn voll auszunutzen.
Vielmehr müssen sich andere Kostenpositionen kalkula-
torisch wiederfinden. Wenn eine Bank Girokonten führt,
muss man berücksichtigen, welche Fixkosten und wel-
che variablen Kosten – zum Beispiel für Überweisungen –
damit einhergehen. Wir brauchen einen Rahmen, der
marktwirtschaftlichen Wettbewerb der Banken um un-
terschiedliche Dinge ermöglicht. Dieser fehlt bislang.
Ich weiß gar nicht, warum man die Korridoridee kleinre-
det und auf die unterschiedlichen Geschäftsmodelle ver-
weist. Vielmehr ist ein ordentlicher Rahmen erforder-
lich, in dem sich die unterschiedlichen Geschäftsmodelle
wiederfinden. Dann konkurrieren die Finanzinstitute
endlich miteinander. Sie tun das bislang nicht und erhö-
hen nur die Dispozinsen. Das ist wirklich unanständig.
Darin gebe ich Ihnen recht.


(Beifall bei der SPD)


In diese Richtung muss es also gehen.

Ich möchte nun noch ein Argument aufnehmen, das in
der Debatte von Ihnen, Herr Kollege Schweickert, ge-
nannt worden ist. Sie haben darauf hingewiesen, dass die
Dispozinsen einen Bezug zum vorhandenen Ausfall-
risiko haben müssen. Es ist völlig richtig, dass ein sol-

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(C (D her Bezug vorhanden sein muss. Wenn wir uns die Reatät anschauen, müssen wir jedoch feststellen, dass es einen Bezug mehr gibt. Ich hoffe, darin sind wir uns eiig. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Trotzdem muss der Dispozins, der Überziehungszins, immer höher sein!)


Er darf auch immer höher sein. – Es darf aber nicht
ein, dass man, wenn man noch im Disporahmen ist,
7 Prozent und, wenn man den Disporahmen überschrei-
t – das ist noch schlimmer –, sogar bis zu 25 Prozent
insen zahlen muss. Da besteht kein Bezug mehr zum
usfallrisiko. Deshalb muss man an dieser Stelle ein-

chreiten.


(Beifall bei der SPD – Dr. Erik Schweickert [FDP]: Ja, völlig richtig!)


Es ist richtig und notwendig, hier das Kartellamt ins
piel zu bringen. Jeder, der das fordert – auch Sie haben
as getan –, ist auf dem richtigen Weg. Aber man kann
och weitergehen. – Wie ich sehe, ist der Staatssekretär
ampeter, der ebenfalls damit befasst ist, wieder anwe-

end. Da die Entwicklung im Bankensektor, die zu einer
ölligen Entkoppelung von den Realitäten geführt hat, in
en Zuständigkeitsbereich der Finanzaufsicht fällt, stellt
ich die Frage, warum nicht auch die BaFin für diese
erbraucherfragen zuständig ist. Herr Staatssekretär
ampeter, wie ich in der Zeitung gelesen habe, geben
ie als Amtsvertreter von Herrn Schäuble Ihren Mitar-
eiterinnen und Mitarbeitern sowie auch Ihren Staatsse-
retärskollegen gern einmal ein paar Hinweise und An-
eisungen.


(Zuruf von der FDP: Das sollte ein Staatssekretär auch tun! Sonst würde er nicht arbeiten!)


achen Sie das an dieser Stelle! Sorgen Sie dafür, dass
ie Dispozinsen endlich begrenzt werden! Seien Sie eine
egierung der Tat! Darauf warten wir. Tun Sie etwas!
as brauchen die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706226000

Das Wort hat nun Norbert Schindler für die CDU/

SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1706226100

Herr Präsident! Liebe Gäste auf den Tribünen! Meine

amen und Herren hier im Plenum! Es ist gut, dass wir
ber dieses Thema reden. Es grenzt schon an Unver-
chämtheit, was sich manche Bankenvorstände erlauben.
arin sind wir uns alle in diesem Saal mit Sicherheit ei-
ig.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)






Norbert Schindler


(A) )


)(B)

Es kann nicht sein, dass zwischen 8 und 17 Prozent
Überziehungszinsen beim Dispo berechnet werden.
Kommt dann noch ein Zuschlag von 4 Prozent oben-
drauf, sind es 20 oder 21 Prozent.

Nun ist aber die Frage, was wir in diesem Staat noch
alles reglementieren sollen. Ich komme aus dem Spar-
kassenbereich Rhein-Haardt. Wenn Sie in den Test der
Stiftung Warentest schauen, stellen Sie fest, dass die
zweitbeste Sparkasse mit 8 Prozent meine Sparkasse ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich weise nur darauf hin, dass man auch als Verwal-
tungsratsmitglied auf die Geschäftspolitik der Vorstände
einwirken kann. Dies kann man auch im Genossen-
schaftsbereich tun. Aber wie „Warentest“ mit Unterstüt-
zung des Bundes, also des Steuerzahlers, völlig zu Recht
solche Vergleiche anstellt und so den Markt anschiebt,
das war eine gute Berichterstattung. Nur muss der Ge-
setzgeber in all diesen Bereichen fragen, worin ein Kor-
ridor bestehen könnte: Sind es 3 oder 5 Prozent über
dem Referenzzins der Europäischen Zentralbank? Der-
zeit liegt er bei zweijährigen Kreditaufnahmen der Ban-
ken bei 1,32 Prozent. Bei zehnjährigen Kreditaufnahmen
– der Fachbegriff ist DGZF – liegt der Zins bei
2,7 Prozent. Daraus wäre zu entwickeln, was die Banken
darüber hinaus nehmen dürfen.

Auf der anderen Seite reden wir vom vollständig ge-
schäftsfähigen, mündigen Bürger. Wem die Abrechnung
nicht passt, wer mit Ärger feststellt, dass 15 Prozent Zin-
sen genommen werden, zu denen vielleicht noch Einzel-
abrechnungen in Höhe von 4 Cent bis zu 20 Cent pro
Überweisung und Kosten für die Kontoführung pro Mo-
nat kommen, der sollte sich die schwäbische Hausfrau
zum Vorbild nehmen. Sie bemüht sich, von den in Rede
stehenden 41 Milliarden Euro nichts in Anspruch zu
nehmen. Das wäre doch die Konsequenz. Im Schnitt
nehmen 25 Prozent der Bankkunden in der Bundesrepu-
blik Deutschland Überziehungskredite in Anspruch, und
zwar in Höhe von einem bis drei Monatseinkommen. Da
muss man jeden Kreditnehmer einmal an die Kandare
nehmen und ihn fragen: Warum dulden Sie das so? Kön-
nen Sie nicht einmal fünf, sechs Monate etwas weniger
ausgeben, um sich selbst aus der Zwangsjacke „Konto-
überziehung“ zu befreien und beim laufenden Konto
nicht mehr im Minus zu stehen? Diese Chance haben der
selbstständig-mündige Bürger und natürlich auch die
Bürgerin.

Vor diesem Hintergrund appelliere ich an uns alle,
wenn wir eine solche Diskussion führen, zwar darauf
hinzuweisen, mit welcher Unverschämtheit manche
Banker dabei vorgehen, aber auch deutlich zu machen,
dass jeder das Recht hat, selbst solche Zinssätze abzu-
wehren. Dann soll er die Bank wechseln; dann soll er ein
ernstes Gespräch führen. Das ist auch möglich, indem
man solche Banker in der eigenen Region vorführt und
ihnen klar sagt, dass man so miteinander nicht umgeht.

Wenn man immer nur hilflos nach dem Gesetzgeber
ruft und ihn auffordert, diese oder jene Latte anzulegen,
dann führt dies zu Zwangswirtschaft. Lieber Herr

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(C (D roost, das haben wir mit Totalvorschriften in der Deutchen Demokratischen Republik erlebt, nd bankrott seid ihr dann auch geworden. Ein bisschen ettbewerb darf ja sein. Abschließend noch ein mahnendes Wort an die Banen. Herr Kollege, bevor Sie das mahnende Wort spre hen, wollte die Kollegin Maisch noch eine Zwischenage stellen. Bitte schön. Ich danke Ihnen, Herr Kollege. – Mit dem Thema des ankenwechsels habe ich mich natürlich befasst. Ich abe geschaut, welche Banken Filialen in meiner Region aben und wie hoch die Zinssätze sind. Bei mir in Kassel ind es bei Commerzbank, Kasseler Sparkasse, Genosenschaftsbank zwischen 13,5 und 12,9 Prozent. Wenn an nicht zu einer Direktbank gehen will, weil man sei em Bankberater ins Gesicht schauen will, dann frage h Sie bei solchen Preisen, die eigentlich sehr ähnlich nd alle zu hoch sind, wo denn der Wettbewerb ist. Frau Kollegin, der recht große Unterschied zwischen en Zinssätzen von Direktbanken auf der einen Seite und en Sparkassen sowie Genossenschaftsbanken auf der nderen Seite lässt sich dadurch erklären, dass uns die parkassen und Genossenschaftsbanken in der Fläche iel besser versorgen als etwa die Banken in Schottland. ollegin Klöckner hat darauf hingewiesen: In Schottnd ist die nächste Bankfiliale durchschnittlich 30 Kiloeter entfernt; in der Bundesrepublik Deutschland sind s zwei oder drei Kilometer. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frage beantworten!)


(Zurufe von der LINKEN: Oh!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706226200
Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1706226300
Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706226400
Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1706226500

Ich wollte nur feststellen, dass es zwischen den einzel-
en Bereichen Unterschiede geben kann.

Jeder, der die Unterschiede kennt, kann doch ein erns-
s Gespräch mit der Bank führen oder einen Wechsel
ornehmen. Ich mache das; Sie selbst machen das doch
uch. Ich akzeptiere keinen Zinssatz von 12 oder 15 Pro-
ent. Es steht doch jedem frei, ein solches ernstes Ge-
präch zu führen. Jeder hat zudem die Freiheit, sich zu-
ckzunehmen und das Auto ein Jahr später zu kaufen.
eute, so ist es doch! Manche sind offenbar der Mei-
ung: Das Konto zu überziehen, ist sportlich; das tun
ir. Die Konsumgesellschaft ist angesagt. – Darauf be-

iehe ich mich in meiner Rede.

Nun möchte ich auf etwas anderes zu sprechen kom-
en; denn es geht nicht nur um die eigene Verantwor-





Norbert Schindler


(A) )


)(B)

tung. Der Euribor-Zinssatz betrug am 1. April 2001
4,56 Prozent, am 1. April 2004 2,07 Prozent, am 1. Juni
2008 4,86 Prozent, am 1. Oktober 2009 0,75 Prozent
und am 1. August 2010 0,9 Prozent. Obwohl die Zins-
sätze um fast 4 Prozentpunkte variieren, hat es bei den
Zinsen, die in den zehn Jahren draußen berechnet wur-
den, keine gravierenden Veränderungen gegeben. Es ist
schon eine Unverschämtheit, wie sich da Banken berei-
chert haben. Der Geschäftspartner, der Kunde kann aber
probieren, seine Macht auszuspielen; das ist nicht immer
nur dem Gesetzgeber zu überlassen.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Aber dann brauchen wir keinen Verbraucherschutz mehr! Dann können wir das alles über den Markt machen!)


– Herr Kollege, sind wir nicht volljährig, selbstständig
und mündig genug? Alle rufen nach dem Gesetzgeber,
und nur wenig später reden wir über zu viel Bürokratie.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706226600

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage? – Dann ver-

längern Sie Ihre Redezeit, Herr Kollege Schindler.


Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1706226700

Bitte schön.


Caren Lay (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706226800

Herr Kollege, Sie haben gesagt, man müsse nicht al-

les per Gesetz regeln. Wir haben nichts anderes vorge-
schlagen, als die Regelungen, die es für den Zahlungs-
verzug längst gibt, jetzt auch auf Dispokredite
anzuwenden. Wie können Sie dann Ihre Argumentation
aufrechterhalten, dass dies zu einer Überregulierung des
Marktes führen würde? Wir wollen nur, dass bestehende
Gesetze, die in anderen Fällen offensichtlich auch von
der Koalition akzeptiert werden, auf einen Bereich aus-
geweitet werden, in dem es keine Regulierung gibt. Wa-
rum kann das, was in anderen Bereichen längst Stand der
Gesetzgebung ist, nicht auch für Dispokredite gelten?


Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1706226900

Ich kann nur an die Worte der Staatssekretärin

Klöckner erinnern. Sie sagte zu der Frage, ob wir ein Ge-
setzes- oder ein Vollzugsdefizit haben, dass wir hier ein
Vollzugsdefizit mehr haben. Die Überregulierung in die-
sem Staat wird in anderen Debatten in diesem Haus bis
zum Exzess gegeißelt. In der angesprochenen Frage ist
Selbstverantwortung in der Geschäftspartnerschaft ange-
sagt, auch vonseiten der Bankkunden. Wir beklagen
doch zu Recht, dass die Kunden ihre Konten überziehen.
Wenn wir das alles in Gesetzesform gießen, lassen die
nächsten Änderungen nicht lange auf sich warten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Siegfried Kauder [VillingenSchwenningen] [CDU/CSU]: Das, was die Linken wollen, klappt doch nur mit Kontrahierungszwang!)


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(C (D Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Antrags der raktion Die Linke zu Zinssätzen für Dispositionsund berziehungskredite auf Drucksache 17/2913 an die in er Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlaen. Die Federführung ist jedoch strittig. Die Fraktionen er CDU/CSU und FDP wünschen Federführung beim echtsausschuss. Die Fraktion Die Linke wünscht Feerführung beim Ausschuss für Ernährung, Landwirtchaft und Verbraucherschutz. Ich lasse zuerst über den berweisungsvorschlag der Fraktion Die Linke – Federhrung beim Ausschuss für Verbraucherschutz – ab timmen. Wer stimmt für den Vorschlag der Linken? – er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Überwei ungsvorschlag ist mit der Koalitionsmehrheit abgehnt. Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der raktionen der CDU/CSU und FDP – Federführung eim Rechtsausschuss – abstimmen. Wer stimmt für dieen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – nthaltungen? – Der Überweisungsvorschlag ist mit der oalitionsmehrheit angenommen. Wir kommen zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/ ie Grünen zu Zinssätzen für Überziehungskredite auf rucksache 17/3059. Dieser Antrag soll an die in der Taesordnung aufgeführten Ausschüsse überwiesen weren. Die Federführung ist ebenfalls strittig. Die Fraktioen von CDU/CSU und FDP wünschen Federführung eim Rechtsausschuss. Bündnis 90/Die Grünen wünscht ederführung beim Ausschuss für Ernährung, Landwirtchaft und Verbraucherschutz. Ich lasse zuerst über den Vorschlag der Fraktion ündnis 90/Die Grünen, also Federführung beim Verraucherschutzausschuss, abstimmen. Wer stimmt für iesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – nthaltungen? – Der Überweisungsvorschlag ist mit den timmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt. Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der raktionen von CDU/CSU und FDP, also Federführung eim Rechtsausschuss, abstimmen. Wer stimmt für dieen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – nthaltungen? – Der Überweisungsvorschlag ist mit der leichen Mehrheit wie zuvor angenommen. Nun rufe ich Tagesordnungspunkt 7 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Haushaltsbegleitgesetzes 2011 – Drucksache 17/3030 – Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Tourismus Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse )

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706227000




(A) )

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Parlamen-
tarischen Staatssekretär Steffen Kampeter für die Bun-
desregierung das Wort.

S
Steffen Kampeter (CDU):
Rede ID: ID1706227100


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Was mit dem Titel „Haushaltsbegleitgesetz
2011“ so technisch daherkommt, ist eigentlich Bestand-
teil eines wirklich fundamentalen Wechsels in der Haus-
halts- und Finanzpolitik. Die alte Haushalts- und Finanz-
politik, insbesondere die der letzten zwei Jahre, basierte
auf der Grundlage „Wachstum durch Schulden“. Wir er-
kennen jetzt, dass diese These zumindest in Zukunft
nicht weiter tragfähig ist. Schuldenwachstum hat nicht
zu mehr wirtschaftlichem Wachstum geführt. Vielmehr
erkennen wir in diesen Tagen, dass diejenigen Staaten,
die konsolidieren, sehr viel schneller, sehr viel nachhalti-
ger und sehr viel überzeugender aus der Krise herausge-
kommen sind.

Aus diesem Grund haben wir uns, beginnend mit der
Kabinettsklausur und der Auflegung des Zukunftspro-
gramms im Juni, entschlossen, unsere Haushalts- und Fi-
nanzpolitik unter den Oberbegriff „Wachstum durch
Konsolidierung und Reform“ zu stellen. Wir glauben,
dass dies für die Bewältigung der Herausforderungen
des 21. Jahrhunderts, für die Gestaltung der Phase nach
der Krise eine zukunftsfähige Konzeption ist. Die ersten
Erfolge, die ersten Früchte dieser Politik können wir an
der erfreulichen wirtschaftlichen Entwicklung dieses
Jahres ablesen. Dies ist eine Gemeinschaftsleistung der-
jenigen, die in der Krise die Ärmel hochgekrempelt ha-
ben – beispielsweise die Tarifvertragsparteien –, aber es
ist auch eine Leistung kluger Politik, wie sie zum Bei-
spiel bei der Kurzarbeiterregelung betrieben wurde, die
sich als erfolgreich erwiesen hat.

Es ist aber auch festzuhalten, dass wir angesichts der
guten wirtschaftlichen Entwicklung einen Grundsach-
verhalt nicht vergessen dürfen. Die Wirtschaftslage ist
deutlich besser als die Haushaltslage.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der Bundeshaushalt, über den wir in der vorvergange-
nen Woche diskutiert haben, weist mit fast 60 Milliarden
Euro noch immer eine der höchsten Nettokreditaufnah-
men in der Finanzgeschichte auf. Deswegen ist wachs-
tumsfreundliche Konsolidierung das Gebot der Stunde.
Das Zukunftspaket, der Bundeshaushalt und das Haus-
haltsbegleitgesetz 2011 sind die Bausteine dieser wachs-
tumsfreundlichen Konsolidierung. Die Ausgaben wer-
den gesenkt. Die Schulden und die Nettokreditaufnahme
werden gesenkt. Die strukturellen Defizite der öffentli-
chen Haushalte werden gesenkt. Zugleich halten wir die
Investitionen stabil und stärken Bildung und Forschung.
Das sind die konkreten Bausteine, mit denen wir Zu-
kunft gestalten. Das sind die konkreten Bausteine für

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(C (D ine nachhaltige Wirtschafts-, Haushaltsund Finanzpotik der christlich-liberalen Koalition. Es ist auch eine gesellschaftspolitische Weichenstelng, die wir mit diesem Wechsel in der Haushaltspolitik ornehmen. Freiheit und Verantwortung stehen im Kern nserer Haushaltspolitik. Wir treten damit der Behaupng entgegen, dass staatliche Bevormundung und ver ntwortungslose Verschuldung ein zukunftsfähiges, ein achhaltiges Konzept sind. as unserer Politik zugrundeliegende Menschenbild beeutet, dass wir den Menschen etwas zutrauen. In der tzten Debatte sind die unterschiedlichen Auffassungen diesem Haus deutlich geworden. Wir sind der Mei ung: Der Staat kann nicht alle Probleme der Welt lösen. ir setzen – auch durch die Zurücknahme von staatli hen Aktivitäten – auf mehr Freiheit und Eigenverantortung. Der Mensch ist zur Freiheit bestimmt; wir üssen sie ihm auch lassen. Unsere Haushaltspolitik ist aher darauf ausgerichtet, die Staatsquote in diesem and zu senken und damit die Freiräume für die Bürgennen und Bürger auszuweiten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Otto Fricke [FDP]: Endlich etwas mehr FDP in der CDU!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Mit dem Zukunftspaket und dem Haushaltsbegleitge-
etz gehen bestimmte sozialpolitische Maßnahmen ein-
er. Der Bundeshaushalt besteht zu weit über 50 Prozent
us Sozialausgaben. Unsere Konsolidierungsstrategie
etzt nicht auf Steuererhöhungen, sondern auf Ausga-
ensenkung und fördert damit das Wachstum. Wir müs-
en uns daher auch mit den Sozialausgaben befassen.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das geht nicht anders!)


iele in diesem Hause unterliegen dem Missverständnis,
ass viel Geld für Soziales viel soziale Gerechtigkeit be-
eutet. Das Gegenteil ist der Fall: Ein Sozialstaat, der
icht treffsicher agiert und die Ziele, die er vorgibt, nicht
rreicht, wird von den Menschen nicht akzeptiert. Ein
ozialstaat, der viel Geld ausgibt und wenig erreicht, de-
gitimiert sich in seinem Kern. Einen solchen Sozial-

taat wollen wir nicht. Wir wollen einen treffsicheren
ozialstaat, der in den Bereichen, in denen er Geld aus-
ibt, die Ziele erreicht, die er ankündigt.

Ich will einige Beispiele für die Steigerung von Treff-
icherheit und mehr Fairness bei staatlicher Ausgaben-
olitik aus unserem Zukunftspaket nennen. Beispiel El-
rngeld. Das Elterngeld ist eine Lohnersatzleistung.
ünftig wird jeder Anspruch auf Elterngeld haben, der
der entsprechenden Situation ist. Es wird nur in be-

timmten Bereichen auf andere Lohnersatzleistungen an-
erechnet, weil wir vermeiden wollen, dass es eine Dop-
elauszahlung von Lohnersatzleistungen gibt.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei armen Familien!)


as ist fair, insbesondere dann, wenn man unter dem As-
ekt der sozialen Gerechtigkeit nicht ausschließlich die-





Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter


(A) )


)(B)

jenigen betrachtet, die Leistungen empfangen, sondern
auch diejenigen einbezieht, die die Leistungen zu finan-
zieren haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Soziale Gerechtigkeit definiert sich auch über die sozial-
versicherungspflichtige Beschäftigung. Deshalb ist es
richtig und bedeutet es mehr soziale Gerechtigkeit, wenn
wir Doppelforderungen ausschließen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706227200

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage

der Kollegin Kressl?

S
Steffen Kampeter (CDU):
Rede ID: ID1706227300


Aber selbstverständlich, Frau Kollegin Kressl.


Nicolette Kressl (SPD):
Rede ID: ID1706227400

Herr Kollege Kampeter, wären Sie so freundlich, uns

zu erklären, warum im Haushaltsbegleitgesetz vorgese-
hen ist, dass die Frau eines sehr vermögenden Partners,
die zehn Jahre nicht gearbeitet hat, weiterhin Elterngeld
bekommen wird, obwohl das Elterngeld eine Lohn-
ersatzleistung ist, wie Sie eben behauptet haben. Das hat
doch mit Lohnersatzleistung nichts zu tun.


(Beifall bei der LINKEN)


Ihrem Gesetz fehlt völlig die Logik.


(Beifall bei der SPD – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Als ob die Frau nie arbeitet! Das gibt es nicht mehr!)


S
Steffen Kampeter (CDU):
Rede ID: ID1706227500


Frau Kollegin Kressl, das ist ein völlig anderer Sach-
verhalt, den Sie hier vortragen. Es entspricht der konti-
nuierlichen Diskriminierung der Erziehungsleistung in
der Familie, dass Sie diesen Sachverhalt als Beispiel
nennen. Jener Bevölkerungskreis, der eine Lohnersatz-
leistung – wir werden im Oktober noch über das Thema
Hartz-IV-Leistungen sprechen – und damit eine umfas-
sende existenzsichernde Leistung inklusive der für Kin-
der bekommt, würde doppelt gefördert, wenn wir ihm mit
steuerlichen Mitteln finanzierte zusätzliche Lohnersatz-
leistungen geben. Zum einen wäre das nicht angemessen.
Zum anderen wäre das im Hinblick auf die sozialversi-
cherungspflichtig Beschäftigten und das Lohnabstands-
gebot ein Fehlanreiz; das wäre unfair. Durch unsere Poli-
tik hingegen sorgen wir für mehr soziale Gerechtigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das gilt im Übrigen auch für die Veränderungen, die
wir beim Heizkostenzuschlag vornehmen. Dieser Heiz-
kostenzuschlag geht zurück auf eine Explosion der Heiz-
kosten. Dieser Zustand ist nicht mehr existent. Die
Rücknahme dieses Heizkostenzuschlags ist daher nichts
anderes als eine Anpassung an die realen Verhältnisse.
Es wäre unfair und sozial ungerecht, ihn beizubehalten.

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(C (D Wenn wir im Kontext unserer Treffsicherheitsstrateie für den Sozialstaat darüber hinaus auch den Wilduchs bei den arbeitsmarktpolitischen Leistungen eenden, die nicht zu sozialversicherungspflichtiger Bechäftigung führen, dann bedeutet das sowohl für die ozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die diese eistungen finanzieren, als auch für diejenigen, die von rücken in Beschäftigung profitieren, ein Mehr an Fairess und damit ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit, und as ist das Credo des Zukunftspaketes, das ich Ihnen hier eute vorstelle. Ich will an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass ie Bundesregierung gut daran tut, in diesem Bereich uch international Vorbild zu sein. Wir stellen fest, dass mer mehr Staaten in der Welt aufgrund ihrer Hausaltspolitik in Schwierigkeiten geraten. Das Beispiel riechenland ist in aller Munde. Es ist ein Beleg dafür, ass wir in Europa und weit darüber hinaus nur dann auerhaft stabile Verhältnisse erreichen können, wenn ir dauerhaft stabile Haushalte haben. Dieses Credo eier nachhaltigen Finanzpolitik, das wir zum Maßstab ieses Haushaltsbegleitgesetzes gemacht haben und uch zukünftig beachten werden, macht es Deutschland öglich, im internationalen Kontext für eine stärkere onsolidierungspolitik in Europa einzutreten. Nur wer orbild ist, kann von anderen mehr einfordern. Das ist er Unterschied zu 2004/2005, als wir – unter anderen ehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundestag – in achen Haushaltspolitik kein Vorbild waren und der uropäische Stabilitätspakt mit deutscher und französicher Hilfe verwässert worden ist. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das waren Schröder und Fischer!)


Jetzt geht es darum, durch unsere Haushaltspolitik da-
r zu sorgen, dass es als legitim angesehen wird, wenn
ir von anderen Staaten verlangen, im Gleichschritt mit
ns zu einem Mehr an haushaltspolitischer Konsolidie-
ng und zu einem Mehr an fiskalpolitischer Stabilität zu

elangen. Was wir angestoßen haben, wird jetzt konkret.
ie Van-Rompuy-Gruppe wird Ende Oktober ihre Emp-
hlungen vorlegen. Die Kommission hat am gestrigen
ag mit sechs Gesetzespaketen ihren Beitrag zur Wie-
ererstarkung des 2004/2005 geschwächten europäi-
chen Stabilitäts- und Wachstumspaktes geleistet. Dies
eigt, dass unser Vorbild auf Europa ausstrahlt und es
it gemeinsamem Wirken gelingen wird, die Finanz-

nd Haushaltspolitik wieder auf einen Kurs zu bringen,
er nicht nur die Stabilität der Haushalte, sondern auch
ie Stabilität unserer gemeinsamen Währung garantiert.

Zum Schluss meiner Ausführungen möchte ich deut-
ch machen: Konsolidierung ist nicht allein zu betrach-
n. Nur mit Sparen oder Konsolidieren werden wir
achhaltiges Wachstum und Stabilität nicht erreichen.
ir müssen diese wachstumsfreundliche Konsolidie-
ng durch eine Reformstrategie begleiten. Deswegen ist

s richtig, dass wir beispielsweise in der Gesundheits-
olitik bei den Reformen wieder Tempo aufnehmen und
er Gesundheitsminister Rösler heute hier im Parlament
ngagiert Stellung bezogen hat.





Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter


(A) )


)(B)


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Subvention für die PKV! – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Beitrag, von der Pharmabranche gesponsert! Da hätten Sie die Firmennamen einblenden müssen!)


Auch das ist ein Beleg dafür, dass unsere Konsolidierungs-
strategie begleitet wird durch glaubwürdige Reform-
elemente in anderen Bereichen. So entsteht ein Gesamtbild:
Konsolidierung plus Reform. Das ist der Markenkern
von wachstumsfreundlicher Konsolidierung. Das ist zu-
kunftsgerichtete Politik. Das ist christlich-liberale Ver-
antwortung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lobbypolitik! – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Unsozial bis ins Letzte!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706227600

Das Wort hat nun Kollege Carsten Schneider für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1706227700

Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle-

gen! Was jetzt deutlich wird, ist das Bild von Schwarz-
Gelb. Bisher haben Sie sich hinter Ihrem Nichtstun ver-
steckt. Herr Kampeter, die Schulden, die Sie eben ge-
nannt haben, haben Sie in den vergangenen Jahren mit
verursacht. Es gibt einen guten Grund für diese Schul-
den. Hätten wir die Konjunkturprogramme nicht aufge-
legt, wäre die Situation in diesem Land jetzt noch viel
schlimmer. Dann hätten wir nicht nur 3 Millionen Ar-
beitslose. Das vergessen Sie gerne.


(Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Gerade die Abwrackprämie!)


Das Bild, das Sie von der Zukunft in diesem Land ge-
zeichnet haben, dass Sie von Freiheit und Verantwortung
gezeichnet haben, zeigt, was uns in diesem Land erwar-
tet. Ich habe den Eindruck, dass es bei Ihnen um Freiheit
von Verantwortung geht, insbesondere bei denen, die es
sich eigentlich leisten könnten, Verantwortung zu über-
nehmen.


(Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: So versteht ihr Freiheit!)


Ich will einmal aufzeigen, welche Auswirkungen die-
ses Gesetz, das aus 23 Artikeln besteht, im Sommer
2011 haben wird. Im Sommer 2011 wird es zwei Lager
in diesem Land geben. Da wird es die Familie geben, die
mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen will. Das wird
teurer für sie, weil Sie eine neue Steuer auf Flüge einfüh-
ren.


(Otto Fricke [FDP]: Sind Sie dagegen?)


– Herr Fricke!


(Otto Fricke [FDP]: Sind Sie dagegen?)



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(C (D Bisher sind Sie – zur Bundestagswahl, in den Koalionsverhandlungen, bis in den Mai hinein – damit angeeten, dass Sie Steuern senken wollen. (Otto Fricke [FDP]: Nein, ob Sie dagegen sind!)


ie haben gesagt, dass Sie kein Gesetz unterschreiben, in
em nicht Steuersenkungen drin sind. Sie wollen keine
teuererhöhung.


(Otto Fricke [FDP]: Nein!)


Jetzt tun Sie das Gegenteil dessen, Herr Fricke. Sie
hren eine neue Steuer ein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Zu denjenigen, die wenig verdienen. Ich habe heute in
er Post den Brief einer Rentnerin gehabt. Herr
ampeter, Sie haben das mit dem Wohngeld gerade an-
esprochen. Wir haben in der letzten Legislaturperiode
as Wohngeld erhöht. Wir haben für diejenigen, die ge-
de so viel verdienen, dass sie nicht Hartz-IV-Empfän-

er sind, und die Rentner, die eine relativ niedrige Rente
aben und daher Wohngeld erhalten, den Heizkostenzu-
chuss eingeführt. Da haben Sie mit zugestimmt. Die da-
alige Begründung waren nicht die hohen Preise, son-

ern es waren vor allem die niedrigen Löhne und
enten, die wir stützen wollten.

Ich kann Ihnen also von einer Bürgerin aus meinem
ahlkreis berichten, die mir vorgerechnet hat, wie viel

ie im Monat hat: Nettorente 588 Euro, Wohngeld
0 Euro, Heizgeld 24 Euro. Das heißt, sie verliert in ei-
em Jahr Monat für Monat die 24 Euro. Sie sagt, sie
abe nicht einmal mehr Geld, um die GEZ-Gebühren für
en Fernseher zu bezahlen. Das sind Leute, die an dem
etzten knabbern, was sie haben. Diese Menschen blu-
n in diesem Land für Ihre Politik.


(Beifall bei der SPD)


Es geht weiter mit denen, die Sie eigentlich entlasten
ollten, nämlich den Arbeitnehmerhaushalten. Diese
erden belastet. Sie werden belastet durch höhere So-

ialabgaben – höhere Sozialabgaben sind eine Belastung –,
uch bei der Krankenversicherung, weil es Ihnen nicht
elingt, die Kosten in den Griff zu bekommen. Im Ge-
enteil, die private Krankenversicherung wird mit
Milliarde Euro aus dem Bundeshaushalt zulasten der

esetzlichen Krankenversicherung gestützt.

Es geht weiter mit der Pharmaindustrie, die Ihnen die
esetze diktiert, was dazu führt, dass Mehrausgaben in
illiardenhöhe entstehen. Die Bürgerinnen und Bürger
diesem Land, die jeden Tag arbeiten gehen, werden

as bezahlen. Das heißt, weniger Netto vom Brutto. Das
t das Gegenteil dessen, was wir bräuchten, und auch
as Gegenteil dessen, was Sie versprochen haben.

Dazu kommen die Kürzungen im Bereich des Ar-
eitslosengeldes. Der Zuschlag für diejenigen, die Ar-
eitslosengeld I erhalten haben und dann Arbeitslosen-
eld II bekommen, wird komplett gestrichen. Das fehlt
ei der Binnennachfrage, und es fehlt natürlich den
enschen mit den geringsten Einkommen.





Carsten Schneider (Erfurt)



(A) )


)(B)

Ich glaube, sie hätten sogar Verständnis dafür, dass sie
etwas geben sollen; denn sie wissen: Die Situation ist
kritisch. – Aber wenn man einmal den Blick auf Europa
wirft und sich die Proteste gestern in Spanien ansieht,
dann muss man eines festhalten: Sie werden eine Konso-
lidierungsstrategie, einen Ausgleich des Staatshaushalts
nur hinbekommen, wenn Sie die Bürgerinnen und Bür-
ger mitnehmen, wenn es sozial gerecht zugeht. Das Ur-
teil über dieses Gesetz ist ganz eindeutig: Es ist nicht so-
zial gerecht und nicht ausgewogen. Im Gegenteil, es ist
sozial ungerecht, weil die FDP sich zu 100 Prozent
durchgesetzt hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Vermögende in diesem Land werden nicht herangezo-
gen. Auch eine Finanztransaktionsteuer gibt es nicht.


(Otto Fricke [FDP]: Das war die, die Herr Steinbrück wollte, nicht?)


Herr Schäuble hat vorige Woche in einem Hintergrund-
kreis des Wirtschaftsrates – so heißt das, glaube ich, bei
der CDU – gesagt, er sei kein Freund der Finanztrans-
aktionsteuer. Die Krise auch der öffentlichen Haushalte
haben wir nur, weil sich an den Finanzmärkten Men-
schen mit sehr viel Geld verspekuliert haben.


(Zuruf des Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter)


– Herr Kampeter, Sie haben die Finanztransaktionsteuer
in Ihre mittelfristige Finanzplanung geschrieben. 2 Mil-
liarden Euro wollen Sie darüber ab 2012 jedes Jahr ein-
nehmen. Herr Schäuble aber hat erklärt, er sei kein
Freund davon. Er wird sie in Europa auch nicht durch-
setzen. Das ist doch der Punkt. Er hat uns hier etwas vor-
gemacht. Ihnen geht es nur darum, die Armen zu schröp-
fen und die Reichen zu schonen, meine Damen und
Herren. So bitter ist das.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Pfui! – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das ist so was von flach! Das ist erschreckend!)


– Tut mir leid. Ich kann nur das bewerten, was hier vor-
liegt und was Sie bisher beschlossen haben.

Ich will Ihnen auch sagen, was unsere Gegenvor-
schläge wären. Es geht auch gerecht. Nehmen Sie das
zum 1. Januar 2010 – man kann es nicht oft genug sagen –
in Kraft getretene Gesetz, das den Hoteliers 1 Milliarde
Euro einbringt, zurück!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Für den Bund 500 Millionen!)


Nehmen Sie noch die Geschenke für die Unterneh-
men und die reichen Erben dazu! Dann sind wir bei
3 Milliarden Euro. Erhöhen Sie, wie es ursprünglich
auch in der CDU, als sie – zumindest inhaltlich – noch
Volkspartei war, Konsens war, den Spitzensteuersatz in
Deutschland! Die Leute sind bereit, ein Stück weit zu-
rückzugeben, damit in diesem Land sozialer Frieden
herrscht.

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(C (D (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as tun Sie aber nicht; im Gegenteil.

Als Letztes wollen Sie das Lohnabstandsgebot da-
urch erreichen, dass Sie bei den Hartz-IV-Empfängern
ürzen.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ich denke, wir erhöhen die Sätze! Seit wann kürzen wir?)


Herr Kampeter, eine Frau, die von Hartz IV lebt und
utter wird, hat bisher Elterngeld in Höhe von 300 Euro

ekommen. Es nutzt dieser Frau – und dem Kind – nun
berhaupt nichts, wenn Sie sagen, das sei systemisch
icht gerecht. Genau das hat der Bundestag hier be-
chlossen. Wir haben es guten Gewissens getan, weil wir
ollten, dass sie diese zusätzlichen 300 Euro bekommt.
ie braucht sie nämlich. Es handelt sich hierbei um die-
nigen, die am wenigsten haben und das Geld daher am
eisten brauchen. Sie kürzen an dieser Stelle radikal.
as ist das Gesicht von Schwarz-Gelb. Mit Verlaub: Sie
achen Politik für die Atomkonzerne und für die Phar-
alobby. Bei den Armen aber kürzen Sie. Das ist das
esicht von Schwarz-Gelb. Das ist ziemlich bitter und
alt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706227800

Das Wort hat nun Otto Fricke für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Otto Fricke (FDP):
Rede ID: ID1706227900

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

n! Herr Schneider, es ist schon bemerkenswert, wel-
hes Bild von diesem Land Sie zu erzeugen versuchen.
ie mögen weiterhin Ihre Vorurteile haben. Sie werden
ber bemerken, dass es Ihnen am Ende nichts nutzt. Ge-
de als Haushälter müssten Sie doch eigentlich von
ahlen reden und nicht nur von Gefühlen und Vorurtei-
n.


(Joachim Poß [SPD]: So wie Herr Kampeter! Der hat auch nur von Zahlen geredet!)


as passt gar nicht zu Ihnen. Sie sind in der Sache doch
iel besser.

Ich sage Ihnen einmal, was Sie hätten erwähnen kön-
en. Sie hätten es am liebsten getan, haben es aber ver-
ieden. Sie hätten fragen können: Wie hoch war die Ar-

eitslosenquote vor einem Jahr, und wie hoch ist sie
eute? Wie viele Hunderttausend Leute mehr sind mitt-
rweile in Arbeit, weil die Politik des letzten Jahres
bei aller Kritik – so gut funktioniert hat? Ich kann Ih-

en eines sagen: Diese 300 000 Leute, die nun weniger
Arbeitslosigkeit sind, sind es, worauf es uns an-

ommt. Für Sie kommt es auf Vorurteile an. Für uns
ommt es auf Arbeitsplätze an. Darum muss es gehen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Dann müssten Sie ja frei Otto Fricke )





(A) )

willig in die Opposition gehen! – Hubertus
Heil [Peine] [SPD]: Sie haben gegen jede
Maßnahme gestimmt, die uns durch die Krise
gebracht hat!)

Herr Kollege Schneider, ich hätte von Ihnen erwartet,
dass Sie in Bezug auf das Thema Sparen einmal überle-
gen, wie man es dem Bürger sagt. Man müsste doch
erklären: Ja, es ist in den letzten Jahren in der Tat eine
Verschuldung aufgebaut worden. Ja, wir haben eine Re-
kordverschuldung. Bürger, bitte verstehe: Es ist beim
Staat wie bei dir auch. Wenn du zu viele Schulden hast,
dann musst du irgendwann auch an deine Ausgaben he-
rangehen. – Diese Ehrlichkeit vermissen wir als Koali-
tion bei Ihnen. Diese Art von Ehrlichkeit wurde doch
bisher von Ihnen immer unterstützt.


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Aber es geht doch dabei nicht nur um Ehrlichkeit!)


Man kann nicht jahrelang immer nur mehr fordern,
wenn man am Ende der Krise nicht bereit ist, zu sagen:
Wir müssen in der Zeit sparen, um in der Not zu haben. –
Diese Koalition spart,


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Ja! An der falschen Stelle!)


wissend, dass es nicht einfach ist, dies zu erklären. Es ist
immer der einfache Weg, wenn man sagt: Wir geben
mehr.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Hotels geben Sie auch mehr! Und den Atomkonzernen und der PKV! Denen gibt man!)


Sie gehen den einfachen Weg. Sie haben an keiner
Stelle gesagt, dass Sie unangenehme Sachen machen
wollen.


(Joachim Poß [SPD]: Sie bauen doch Pappkameraden auf!)


Ich möchte den Bürgerinnen und Bürgern einmal sa-
gen: Sicherlich kann man diese Politik fahren. Natürlich
hört es sich im ersten Moment gut an, wenn ein Politiker
sagt: Du kriegst das. Das ist gerechter. Das ist sozialer.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jürgen Großmann kriegt das, was er will!)


Sie vergessen aber völlig, was am Ende dabei heraus-
kommt. Und das ist spätestens nach einer Legislatur-
periode der Fall. Das wäre auch der Fall, wenn Sie wie-
der an die Macht kämen. Sie würden als Nächstes nicht
nur die angebliche Reichensteuer erhöhen. Sie würden
machen, was Sie in der Vergangenheit auch gemacht ha-
ben: Sie würden die Mehrwertsteuer erhöhen. Nichts an-
deres würden Sie machen. Und wer würde leiden? Die
von Ihnen genannte Dame aus Ihrem Wahlkreis würde
leiden. Der Rentner würde leiden. Der Hartz-IV-Emp-
fänger würde leiden.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie senken die Mehrwertsteuer für die Hotels!)


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(C (D as ist die Politik, die Sie machen, weil Sie nicht bereit ind, zu sparen. Im Endeffekt fordern Sie mehr für alle, m dann am Ende zu sagen: Jetzt müsst ihr es zahlen. ir präsentieren euch die Rechnung nach der Wahl. – as ist Ihre Politik. Diese wollen wir nicht mittragen. Ein beliebter Vorwurf ist es, etwas als unsozial zu beeichnen. In einer sozialen Marktwirtschaft, die von der reiheit zur Verantwortung geprägt ist, Kollege chneider, wird nämlich sofort erklärt: Nein, das will ich ann nicht. – Dazu kann man sagen: Okay. Man muss ich aber auch die Zahlen ansehen. Ist es denn beim parpaket so, dass wir im Verhältnis zum Anteil des Soialen übermäßig sparen? Nein. Das Gegenteil ist der all. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wo spart ihr denn?)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


t denn das, was die Koalition im nächsten Jahr für So-
iales ausgibt, prozentual weniger als das, was Sie unter
ot-Grün ausgegeben haben? Nein, auch das ist nicht
er Fall. Das ist auch keine Trickserei. Wissen Sie, der
roße Vorteil ist: Zahlen lügen nicht, und gegen Zahlen
ann man nicht allein mit Emotionen ankommen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Doch! Man kann mit Zahlen lügen!)


Sehen Sie, das ist Ihre Reaktion. Für die linke Seite des
auses ist es so, dass sogar Zahlen lügen.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sehen das doch einseitig! Völlig einseitig!)


er so Haushaltspolitik macht und so über die Zukunft
det, der kann zukünftigen Generationen nicht ehrlich
die Augen schauen. Das sollten Sie sich merken.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Aber bei der PKV und bei den Atomkonzernen draufzahlen!)


Entschuldigung, es war doch gerade so, dass ich gesagt
abe: Zahlen lügen nicht. – Dann haben Sie gesagt:
och, natürlich; das können sie.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Was ist denn mit der 1 Milliarde Hotelsteuer?)


h muss sagen: Wenn das so ist, haben Sie in den letzten
egislaturperioden, zumindest unter Ihren Finanzminis-
rn, ein wirklich interessantes Bild abgeliefert, meine
amen und Herren.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ich sage nur: 5 Prozent FDP! Die Zahl lügt auch nicht!)


Ich will noch auf das Thema Soziales eingehen. Es
ieß, soziale Maßnahmen seien nicht vorgesehen. Unse-
n Bürgerinnen und Bürgern sage ich: Diese Koalition





Otto Fricke


(A) )


)(B)

stellt im Bereich Soziales für die gesetzliche Kranken-
versicherung 2 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfü-
gung.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Für die private Krankenversicherung 1 Milliarde!)


– Nein, lieber Kollege Schneider,


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Doch! Es gibt 1 Milliarde für die private Krankenversicherung!)


dieses Geld ist nicht für die private Krankenversiche-
rung.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Was denn? Das ist doch ein toller Erfolg für euch! Da hat sich die FDP doch durchgesetzt!)


Lieber Kollege Schneider, Sie wissen ganz genau, dass
diese 2 Milliarden Euro für die gesetzliche Krankenver-
sicherung bereitgestellt werden.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: 1 Milliarde Steuergelder!)


Es geht um die Frage, ob Sie sich diesen Zahlen verwei-
gern oder ob Sie diese Zahlen zur Kenntnis nehmen und
anerkennen – das ist gerade schon dargelegt worden –,
dass im nächsten Jahr aufgrund unserer guten Politik von
den gesetzlichen Krankenkassen keine Zusatzbeiträge
erhoben werden müssen. Auch dies verschweigen Sie.

Meine Damen und Herren, zum Schluss. Es werden
noch umfangreiche Beratungen dieses Haushaltsbegleit-
gesetzes, das sich technisch anhört, stattfinden.


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Das ist auch nötig! – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das ist auch gut so!)


Es kann sicherlich auch noch Verbesserungen geben.
Aber eines steht für diese Koalition fest: Die Verbesse-
rungen müssen sich erstens im Rahmen der Verfassung
bzw. der Schuldenbremse bewegen, die Sie völlig igno-
rieren.


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Sie ja auch!)


Zweitens müssen diese Verbesserungen konkret, belast-
bar und geeignet sein. Ich bin sehr gespannt, welchen
Beitrag Sie dazu liefern werden, außer der Wiederholung
Ihrer Vorurteile, außer dem Verneinen von Zahlen und
außer der Verkennung der Verantwortung gegenüber zu-
künftigen Generationen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706228000

Das Wort hat nun Dietmar Bartsch für die Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706228100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge-

statten Sie mir zu Beginn, beste Genesungswünsche an

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(C (D en Herrn Bundesfinanzminister zu senden. Ich hoffe, ass er sein Amt möglichst schnell wieder in vollem mfang ausüben kann. Denn selbst eine CDU-Rede ist esser als eine FDP-Rede wie die, die Herr Kampeter ehalten hat. (Otto Fricke [FDP]: Das war eine christlich-liberale! – Gegenruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, eine schwarz-gelbe!)


Ich will zunächst darauf eingehen, dass von einem
ndamentalen Wechsel die Rede war. Im Haushaltsbe-

leitgesetz steht, dass eine Wende in der Haushalts- und
inanzpolitik vollzogen wird und dass es zur Einleitung
er Konsolidierung der öffentlichen Haushalte kommt.


(Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär: Ja! Und das ist sehr gut!)


h muss schlicht und einfach feststellen, dass das nicht
ahr ist. Es gibt keine Wende in der Haushalts- und
inanzpolitik des Bundes, und die Einleitung der Konso-
dierung der öffentlichen Haushalte findet nicht statt.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ja, ja! Mehrausgaben gibt es nach Ihnen ja auch nicht!)


Eben wurde gesagt: Zahlen lügen nicht. – Hören Sie
ich die Zahlen an: Im nächsten Jahr machen wir rund
0 Milliarden Euro neue Schulden,


(Otto Fricke [FDP]: Nein!)


nd die Koalition sagt, dass in dieser Legislaturperiode
sgesamt 200 Milliarden Euro neue Schulden gemacht
erden. Das ist die Realität.

Das Markenzeichen Ihrer Koalition sind Kürzungen
ei den Ärmsten der Gesellschaft. Das ist die Realität.

Ich höre immer wieder, dass Sie treffsicher vorgehen
ollen. Lassen Sie uns doch einmal über das Elterngeld
den. Wie ist denn da die Praxis? Bei wem kürzen Sie

as Elterngeld? Sie kürzen es ausschließlich bei den
artz-IV-Empfängern. Eine Millionärsgattin bekommt
atürlich den bisherigen Betrag auch weiterhin. Selbst
mand, der nicht gearbeitet hat, bekommt 300 Euro pro
onat. Aber bei den Ärmsten streichen Sie.


(Otto Fricke [FDP]: Nein! – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Sie wollen die treffen)


aran ist nur eines treffsicher: eine Kürzung bei den
chwächsten der Gesellschaft.

Ein anderes Beispiel ist der Übergang vom
rbeitslosengeld I zum Arbeitslosengeld II. Hier kürzen
ie. Warum an dieser Stelle? Warum streichen Sie den
eizkostenzuschuss? Sie sagen, die Preise seien gesun-
en. Einverstanden! Angesichts dessen hätten Sie den
eizkostenzuschuss vielleicht etwas kürzen können.
ber Sie streichen ihn komplett. Auch das trifft die
rmsten der Gesellschaft.

Zu diesem Thema gehört auch – das ist die Kehrseite
er Medaille –, dass Sie den Banken inzwischen
0 Milliarden Euro direkte Kapitalhilfen gegeben haben.





Dr. Dietmar Bartsch


(A) )


)(B)

Das ist die Wahrheit. Die Garantieübernahmen haben in-
zwischen eine Größenordnung von 200 Milliarden Euro,


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ja! Damit sich die Sparer ihrer Konten sicher sind!)


und niemand weiß, was uns HRE und andere Banken in
den nächsten Tagen kosten werden. Das alles gehört mit
zur Wahrheit.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wir geben jedes Jahr 40 Milliarden für Hartz-IV-Empfänger aus! 40 Milliarden jedes Jahr!)


Ja, die Bundesregierung hat gespart. Sie hat wieder
einmal an sozialer Gerechtigkeit gespart, das allerdings
sehr heftig.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD] und des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Natürlich muss ich noch kurz auf die Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Regel-
sätzen eingehen. Dazu kann ich nur sagen: Der Berg
kreißte und gebar letztlich ein Mäuschen. – Warum aus-
gerechnet diese neue Schikane der von Hartz IV Betrof-
fenen, wie die Kanzlerin gesagt hat, ein sehr großer
Schritt für die Menschen sein soll, um aus Hartz IV he-
rauszukommen, können Sie niemandem erklären. Es ist
ein Hohn, diese Regelsätze willkürlich und nach Kassen-
lage festzulegen. Aber das Entscheidende ist: Mit dieser
Regelung finden Sie sich damit ab, dass Menschen in
Armut leben. Das ist schlicht eine Tatsache.


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sie haben kein Interesse, die Menschen aus Hartz IV herauszuholen! – Gegenruf des Abg. SvenChristian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Sie kürzen also die Eingliederungshilfen, um sie da herauszuholen, ja?)


Die Regierung hat keinerlei Kenntnis und Einfühlungs-
vermögen, was die Lage derjenigen Menschen angeht,
die wirklich am Existenzminimum leben müssen.


(Otto Fricke [FDP]: Was sagen Sie denn zu den 300 000 Arbeitsplätzen, die es jetzt mehr gibt?)


Im Übrigen – das möchte ich noch ergänzen; das
muss man festhalten – hat die Sozialdemokratie sehr laut
dazu geschrien; wie ich finde, zu Recht. Sie hat aber of-
fensichtlich vergessen, dass der Regelsatz, der davor
galt, in sozialdemokratischer Verantwortung eingeführt
worden ist. Ich hoffe nur, dass Sie im Bundesrat ein
Stück weit Wiedergutmachung leisten, wenn Sie dieser
Sache in Konsequenz nicht zustimmen, und dass Sie
nicht irgendwelche Kompromisse machen, die nicht ak-
zeptabel sind.


(Joachim Poß [SPD]: Das war der Bundesrat, der damals die Entscheidung getroffen hat! Damals war auch die Union beteiligt!)


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(C (D Warum gibt es denn Kinderarmut in Deutschland? Bei er Politik, die Sie machen, spielen Sie die Ärmsten geen die Armen aus. Mit dem Haushaltsbegleitgesetz verchärfen Sie das noch. Natürlich trifft die Streichung des lterngelds die Kinder. Wen denn sonst? Damit treffen ie genau die Kinder, die in unserem Land schon jetzt in rmut leben. Dort, wo Reichtum ist, dort, wo Geld ist, ei den Krisenverursachern, bei den Gewinnern der rise, kneifen Sie in Gänze. Es ist doch kein Zufall, dass ie Brennelementesteuer in dem Haushaltsbegleitgesetz icht vorkommt. Ja, sie kommt nicht vor, sie ist nicht drin. Ich weiß, warum. Aber sie ist nicht drin. Das ist kein ufall. (Otto Fricke [FDP]: Weil das ein eigener Gesetzentwurf ist!)


(Otto Fricke [FDP]: Wie bitte?)


(Otto Fricke [FDP]: Sie wissen doch, warum!)


t die Luftverkehrsabgabe eine Steuererhöhung? Ja, sie
t eine Steuererhöhung. Das widerspricht doch Ihren
or der Wahl gemachten Versprechungen, Herr Fricke.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Steuererhöhung ist gut!)


s bleibt dabei: „Einfach, niedrig und gerecht“ war Ihr
ersprechen. Richtig ist: Die Umfragen sind einfach,
iedrig und gerecht, und das ist auch gut so.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Otto Fricke [FDP]: Aber es wird nicht so bleiben!)


Ihre Politik, die in dem Haushaltsbegleitgesetz sicht-
ar wird, ist falsch. Sie ist ungerecht, sie ist unsolide,
nd sie ist auch unsozial. Sie kürzen bei Investitionen,
tichwort „Stadtumbauprogramm“.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Marktanreizprogramm!)


err Kampeter, Sie sagen, Sie würden da kürzen, wo es
otwendig sei. Warum tun Sie das dann? Selbst der
inister ist dagegen. Das ist eine völlig falsche Maß-

ahme. Bei der Gebäudesanierung ist es genauso. Wa-
m kürzen Sie genau dort, wo wirklich Investitionen für

ie Zukunft geleistet werden müssen? Das alles ist eine
rundsätzlich falsche Politik. Die Linke wird dies nicht
kzeptieren.

Ich kann nur hoffen, dass in den Beratungen, die statt-
nden werden, auch unsere Vorschläge ernsthaft geprüft
erden; denn dieser neoliberale Kurs ist nicht alternativ-
s. Es muss Schluss sein mit dem Abkassieren bei den
rmsten der Armen. Steuerpolitische Handlungsfähig-
eit für Bund, Länder und Kommunen muss hergestellt
erden.

Da Sie unsere Vorschläge vielleicht nicht so gut fin-
en, will ich einen Saarländer zitieren,


(Otto Fricke [FDP]: Ist das Herr Lafontaine?)






Dr. Dietmar Bartsch


(A) )


)(B)

nämlich den Ministerpräsidenten des Landes Saarland,
Herrn Müller. Er sagt: Unsere Steuerquote ist die nied-
rigste in Europa. Da sehe ich Spielraum. – Der Mann hat
recht.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehen Sie, seit er mit uns regiert!)


Deswegen sage ich Ihnen: Warum machen Sie in dieser
Situation keine Millionärsteuer?


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Warum kassieren Sie nicht bei denjenigen, die extrem
viel haben? Die Zahl steigt; wir bewegen uns auf die
900 000 zu. Eine bescheidende Millionärsteuer bei ei-
nem Freibetrag von 1 Million Euro würde wirklich nie-
manden in Armut stürzen.


(Otto Fricke [FDP]: Eine Vermögensteuer?)


Warum denken Sie nicht über die Erbschaftsteuer nach?
Das ist eine Reform, die wirklich nur die privaten Geld-
vermögen, nur das Immobilienvermögen betrifft. Auch
das würde Milliarden in die Haushalte spülen.


(Otto Fricke [FDP]: Sie wissen aber schon, wo das Geld hingeht, oder?)


– Bitte?


(Otto Fricke [FDP]: Wer bekommt das Geld denn?)


– Das bekommen die Länder.


(Otto Fricke [FDP]: Aha!)


– Ich habe von der Haushaltslage des Bundes, der Län-
der und der Kommunen gesprochen. Sagen Sie etwa,
dass es den Ländern gut geht, Herr Fricke? Selbst in den
Ländern, in denen Sie regieren, ist das nicht der Fall.

Warum denken Sie in dieser Situation nicht über Ein-
nahmeerhöhungen über den Spitzensteuersatz nach?
Was ist denn so absurd, ihn angesichts dieser Krise wie-
der in Richtung 50 Prozent anzuheben?


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Plus Soli!)


Warum kommt man nicht darauf? Auch Menschen in Ih-
rer Partei sagen, man sollte ihn wieder anheben. Sie
müssen in dieser Situation über Einnahmeerhöhungen
nachdenken; denn Sparen bei den Ärmsten ist der fal-
sche Weg.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Eine wirkliche Wende hin zu Gerechtigkeit steht auf
der Agenda. Wir haben heute früh über 20 Jahre deut-
sche Einheit diskutiert. Haben Sie den Mut, in dieser
schwierigen Situation Entscheidungen zu treffen, die in
Konsequenz eingreifen! Nehmen Sie die Vorschläge der
Opposition ernst, damit Deutschland gerechter wird!


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: B la d s e li a In A d D ri je s M E z le d le w m d a u h s e m h d d h ri d s (C (D Wir treffen Entscheidungen für Arbeit, und das ist besser!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706228200

Das Wort hat nun Alexander Bonde für die Fraktion

ündnis 90/Die Grünen.


Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706228300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Er-

uben Sie mir, am Anfang zu sagen, dass es mir als Ba-
en-Württemberger schwerfällt, nach den Vorfällen, die
ich gerade in Stuttgart abspielen, heute Abend hier in
iner ruhigen Parlamentsdebatte zu sitzen. Dort ist näm-
ch, ausgehend von den Verantwortlichen, eine unver-
ntwortbare Brutalität eskaliert.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wer eskaliert denn?)


zwischen sind tausend Bürgerinnen und Bürger mit
ugenverletzungen – durch Reizgas verursacht, das von
er Polizei eingesetzt wurde – in den Krankenhäusern.
ort wurde eine Prügelattacke gegen 14-jährige Schüle-
nnen und Schüler für ein milliardenschweres Großpro-
kt durchgezogen, das Sie durchsetzen.


(Zuruf des Abg. Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU])


Ich finde, eine Fraktion, die sich christlich nennt, sollte
ich solche Zwischenrufe wirklich schenken, Herr

ichelbach.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


s ist eine Schande, dass in diesem Parlament ein Poli-
eieinsatz dieser Brutalität auch noch per Zwischenruf
gitimiert wird. Ich schäme mich wirklich dafür, dass in
iesem Land Vorgänge, wie wir sie heute in Stuttgart er-
bt haben, möglich sind. Das muss ich an dieser Stelle
irklich deutlich sagen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Es gibt immer eine Ursache und eine Wirkung!)


Was wir in Stuttgart erleben, hat nur mittelbar etwas
it dem Bundeshaushalt zu tun, über den wir hier auch

iskutieren. Was haben wir in den letzten zwei Wochen,
lso zwischen der ersten Lesung des Bundeshaushalts
nd der heutigen ersten Lesung des Entwurfs des Haus-
altsbegleitgesetzes 2011, erlebt? Der Gesetzentwurf hat
ich verändert. Vor zwei Wochen waren noch Elemente
nthalten, durch die in geringem Maße auch Unterneh-
en an den notwendigen Konsolidierungen im Bundes-

aushalt beteiligt würden.

Was war inzwischen? – Die Kanzlerin war beim BDI,
em Bundesverband der Deutschen Industrie. Sie hat
ort nicht die Rede gehalten, die sie einmal angekündigt
at und bei der es um die offensive ökologische Neuaus-
chtung auch bei der Besteuerung gehen sollte. Sie hat
ort auch nicht darüber gesprochen, was sie hier ver-
prochen hat, dass nämlich die Ausnahmen bei der Öko-





Alexander Bonde


(A) )


)(B)

steuer wenigstens im kleinen Maße bereinigt werden, in-
dem Mitnahmeeffekte ausgeschlossen werden. Das war
die Ansage, mit der die Kanzlerin hier in die Diskussion
über den Bundeshaushalt hereinmarschiert ist. Der Ab-
bau dieser Mitnahmeeffekte hat nicht mal einen Auftritt
beim BDI überlebt. Hieran sieht man wieder, wie
Schwarz-Gelb am Gängelband der Lobbyisten hängt


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)


und dass Sie es nicht einmal schaffen, diese Mitnahme-
effekte, die ökologisch auch noch doppelt falsch sind,
tatsächlich abzuschaffen. Was in den letzten zwei Wo-
chen hier passiert ist, ist auch ordnungspolitisch ein Ar-
mutszeugnis.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE] – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht, Herr Kollege!)


Das bedeutet 1 Milliarde Euro mehr für den BDI,
1 Milliarde Euro gegen die ökologische Modernisierung
in diesem Land.

Auf der anderen Seite des Konsolidierungspaketes
passiert nichts. Dort sind weiter 2 Milliarden Euro weni-
ger für die Rentenversicherung für Arbeitslose vorgese-
hen.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: 2 Milliarden Euro mehr für die GKV!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706228400

Herr Kollege Bonde, gestatten Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Fricke?


Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706228500

Aber immer.


Otto Fricke (FDP):
Rede ID: ID1706228600

Erstens. Herr Kollege Bonde, auch wenn ich Ihre

Aufregung emotional nachvollziehen kann, möchte ich,
damit das hier nicht so stehen bleibt, schon noch feststel-
len: Es ist für jeden in diesem Parlament ein unangeneh-
mes Gefühl, wenn jemand im Rahmen einer Demonstra-
tion verletzt wird. Ich glaube, Unterstellungen, dass das
der einen oder anderen Seite egal ist, passen nicht. Ich
gehe aber auch davon aus, dass Sie das nicht so gemeint
haben.

Zweitens. Sie behaupten hier jetzt, dass die Strom-
steuer und die möglichen Änderungen im Rahmen der
Verfassung unter gleichzeitiger Deckung, wie es die
Bundeskanzlerin gesagt hat, angeblich nicht in dem Ge-
setzentwurf stehen. Das klang so heraus. Könnten Sie
wenigstens kurz bestätigen, dass das nicht der Fall ist,
sondern dass das weiterhin hier in dem Gesetzentwurf
steht, den wir heute hier beraten, dass das Teil der Bera-
tungsgrundlage ist und dass da nichts herausgenommen
worden ist?

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(C (D Kollege Fricke, Sie haben recht: Es handelt sich um ine Ankündigung, diesen Gesetzentwurf, über den wir eute diskutieren, zu verändern, eine Ankündigung, die enau im Dissens zu dem steht, worüber wir hier vor wei Wochen gemeinsam diskutiert haben, als es um assive Steuervergünstigungen im Bereich der Energie nd Stromsteuer ging, und zwar insbesondere für besoners energieintensive Betriebe; wir reden hier über eine rößenordnung von 5,5 Milliarden Euro. Die Bundesreierung hatte angekündigt, genau an dieser Stelle Mitahmeeffekte auszuschließen. Dabei ging es auch um den Missbrauch von Energieontracting. abei haben sich Unternehmen, die erkennbar nicht im ternationalen Wettbewerb stehen, durch Umgehungstbestände, fragwürdige Rechtskonstruktionen und Ähnches Subventionen erschlichen, die noch nie für sie geacht waren. Schon diese Ankündigung der Kanzlerin halte ich icht für wirklich weitgehend, da wir über jährlich 8 Milliarden Euro an umweltschädlichen Subventioen im Bundeshaushalt reden, während es gleichzeitig ine Klimaund Haushaltskrise gibt. Wenn die Bundesanzlerin jetzt aber auch noch diesen minimalen Schritt, en ich richtig gefunden hätte, infrage stellt, sie also elbst diesen Trippelschritt in Richtung Ökologiesierung ach einem Pfiff aus dem Lobbyistenclub schon wieder urücknimmt, um einmal wieder Applaus beim BDI zu ekommen, dann, mit Verlaub, muss ich das als Opposion geißeln. Also, das ist doch genau das, was ich gede kritisiert habe. Das ist umweltpolitisches, das ist aushaltspolitisches und ordnungspolitisches Versagen. ie wissen das auch, sonst hätten Sie die Frage ja nicht estellt, Kollege Fricke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Joachim Poß [SPD]: Er wollte es noch einmal hören!)

Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706228700

(Otto Fricke [FDP]: Sehr richtig!)


Zum Subventionsabbau: Das bisschen, was Sie da an-
ekündigt haben, soll ja hier schon kassiert werden. Die
üddeutsche Zeitung hat es heute im Kommentar sehr
chön auf den Punkt gebracht: „Das war’s mit dem Sub-
entionsabbau“, schreibt sie. Ich finde, den denkwürdi-
en Satz zum Schluss sollten Sie sich ins Stammbuch
chreiben. Die Süddeutsche Zeitung schreibt:

In einem CDU-Wahlprogramm jedenfalls sollte der
beliebte Begriff „Subventionsabbau“ nie wieder
auftauchen.

as ist die adäquate Zusammenfassung der Vorgänge in
en letzten zwei Wochen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie zementieren die ökologische Schieflage. Die öko-
gische Verschuldung wird dadurch größer, dass Sie

ier selbst die kleinsten Teile einer sinnvollen Strategie
Subventionsabbau zurückziehen. Beim Luftverkehr

assiert das Gleiche. Diese Branche wird jährlich mit





Alexander Bonde


(A) )


)(B)

rund 11,5 Milliarden Euro subventioniert: circa 7,2 Mil-
liarden Euro durch Energiesteuerbefreiung des Kerosins,
circa 4,2 Milliarden Euro durch die Mehrwertsteuerbe-
freiung für internationale Flüge. – Das sind alles keine
Zahlen von mir, sondern Zahlen vom Umweltbundes-
amt.


(Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])


Jetzt haben Sie sich endlich dazu durchgerungen,
Kollege Fricke, sich in Form der „Flugticketabgabe“
oder – seien wir mal ehrlich und nennen es so – der Be-
steuerung von Flugtickets hier mal so ein bisschen he-
ranzurobben. Dies ist zwar nur ein Bruchteil der falschen
Subventionen, aber Sie haben sich wenigstens mal he-
rangewagt. Ich als Grüner bin dafür und sage: Machen
Sie das!

Nur, der entscheidende Punkt ist: Selbst an der Stelle
sind Sie nicht in der Lage, es wirklich durchzuhalten. Sie
haben keinen Plan zur Ökologisierung des Verkehrs mit
klaren Lenkungseffekten. Stattdessen machen Sie wieder
einen Wirrwarr an Einzelausnahmen, Sonderbegünsti-
gungen und Ähnlichem. Auch da wieder belegt das, was
Sie als Haushaltsbegleitgesetz auf den Tisch gelegt ha-
ben, Ihr völliges ordnungspolitisches Versagen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die soziale Verschuldung steigt. In den letzten Wo-
chen haben wir nun weiß Gott genug Gründe dafür auf
den Tisch gepackt, weshalb wir meinen, dass Sie hin-
sichtlich der Rentenbeiträge für Bezieher von Arbeitslo-
sengeld II auf einem völlig falschen Gleis sind. Davor
gibt es bundesweit Warnungen von Ihren kommunalen
Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträgern,
von der Rentenversicherung und von Betroffenen. Nur,
interessanterweise bewegt sich da bei dieser Koalition
nichts. Millionen Betroffene, Tausende betroffene Kom-
munen sind nichts wert. Ich frage mich dann schon: Je-
der Pfiff des Lobbyisten bringt Bewegung in diese Ko-
alition, und dort, wo es um echte Betroffenheit geht,
dort, wo es um die Zukunft der Rentenversicherung geht,
dort, wo es um die kommunale Handlungsfähigkeit, um
die Zukunft bei den Kommunalfinanzen geht, da bewegt
sich diese Koalition nicht.

Man hat schon langsam den Eindruck, Sie sind wirk-
lich in sozialpolitischen Autismus verfallen, sehr geehrte
Damen und Herren von CDU und FDP.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Schieflage beim Elterngeld wurde bereits be-
nannt. Auch da ist die Logik klar: Wer viel verdient,
wird nicht belastet, wer durchschnittlich verdient, wird
ein wenig belastet, und bei den Schwachen nimmt man
alles. Das ist die Logik, die sich quer durch dieses Haus-
haltsbegleitgesetz zieht. Ich weiß nicht, was Sie damit
begleiten, aber eine sinnvolle Haushaltskonsolidierung
ist es sicherlich nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])


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(C (D enn wenn Sie die wirklich ernsthaft machen wollen und die müssen wir ja gemeinsam machen –, dann üssen Sie die Breite der Gesellschaft auf diesem Kon olidierungsweg mitnehmen. Sie brauchen eine faire, geeinsame Strategie, um diesen Konsolidierungsprozess inzubekommen. Das tun Sie nicht, und dieses Haushaltsbegleitgesetz acht es noch weniger, als es die Debatte vor zwei Wo hen schon vermuten ließ. Insofern, mit Verlaub, ich laube, auch an der Stelle bräuchte diese Koalition wirkch einen Neustart. Das Gesetz taugt nichts, es bringt die otwendige Konsolidierung nicht, und es verschärft die kologische und soziale Verschuldung in diesem Land. as war mal wieder nichts, liebe Kolleginnen und Kolleen von der Koalition. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706228800

Das Wort hat nun Kollege Hans Michelbach für die

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1706228900

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die

chwerste Finanz- und Wirtschaftskrise hat eine histo-
sch hohe Staatsverschuldung und einen makroökono-
ischen Wohlstandsverlust allein in Deutschland inner-

alb von zwei Jahren in Höhe von 170 Milliarden Euro
ur Folge gehabt. Aber: Die teuren Rettungsschirme wa-
n notwendig, und das antizyklische Vorgehen war aus

eutiger Sicht richtig.


(Beifall des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD])


as zeigen die erfolgreiche Krisenbewältigung und die
onjunkturerholung. Das Wachstum hat für neue Ar-
eitsplätze und Mehreinnahmen der Kommunen und des
undes gesorgt. Das hohe Haushaltsdefizit war also zu-
ächst unvermeidlich, um mit zielgerichteten Wachs-
msimpulsen den Weg aus der Krise zu ebnen. Nun, da

s wirtschaftlich wieder spürbar bergauf geht, müssen
ir natürlich umsteuern, müssen wir zügig mit dem Ab-
au der nicht dauerhaft akzeptablen Schuldenquote be-
innen. Wir leiten heute die Konsolidierung der öffent-
chen Haushalte mit diesem Haushaltsbegleitgesetz
onsequent ein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ie Ausgabenreduzierungen, die unausweichlich sind,
ind ausgewogen, maßvoll und vor allem auch konjunk-
rschonend und geben damit den Menschen in unserem
and neue Chancen. Darauf kommt es an.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir sichern damit auch mit Blick auf die nachfolgen-
en Generationen die Zukunftsfähigkeit unseres Staates.
as ist eine Herkulesaufgabe, der wir uns verantwor-
ngsbewusst stellen müssen. Wir haben Grund zur Zu-





Dr. h. c. Hans Michelbach


(A) )


)(B)

versicht, dass wir die Konsolidierung in der Zukunft
schaffen. Wir nehmen hier zur Kenntnis, dass Sie von
der Opposition jede Einsparung und jeden Vorschlag zur
Konsolidierung ablehnen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nein!)


Sie machen Politik nach dem Prinzip: Freibier für alle,
Transferleistungen für alle. Sie sagen aber nicht, woher
die Mittel dafür kommen sollen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Michael Leutert [DIE LINKE]: Doch, haben wir gesagt! Reichensteuer! Erbschaftsteuer!)


Nur draufsatteln, neue Forderungen stellen und neue
Versprechungen machen, das ist keine verantwortungs-
volle Politik.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Hotelsteuer!)


Sie müssen doch sehen, dass wir nicht alleine in dieser
Situation sind. Sie schlagen sich in die Büsche. Alle an-
deren Länder in der EU und in der Welt, die großen In-
dustriestaaten haben Sparpakete auf den Weg gebracht.
Sie von der Opposition stehen mit Ihrer Ausgaben- und
Schuldenpolitik völlig alleine in dieser Welt. Alle müs-
sen konsolidieren und werden zum Erhalt der Währungs-
sicherheit und der Sicherheit der Weltwirtschaft diesen
Weg beschreiten müssen. Wir stehen von allen großen
Industriestaaten Gott sei Dank immer noch am besten
da. Mit einem Staatsdefizit von 3,3 Prozent in diesem
Jahr liegt die Bundesrepublik Deutschland von den
27 Staaten der Europäischen Union unter den ersten
fünf. Im Vergleich mit den Industriestaaten stehen wir
ganz vorne. Wir sind Wachstumslokomotive – das ist un-
ser Anspruch – und nicht Schlusslicht, das wir wären,
wenn wir Ihre Vorschläge befolgen würden.

Sie beklagen unter anderem den Rettungsschirm für
die Banken. Sie müssen aber einmal anerkennen: Das
haben wir doch nicht für uns getan, sondern das haben
wir zur Rettung der Sparkonten und zur Sicherung der
Arbeitsplätze getan. Das ist die Situation.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sie werfen uns vor, dass wir im Sozialbereich kürzen.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Was wahr ist! Kahlschlag!)


Wir verlangen von den Menschen keine Opfer, sondern
wir sichern ihre Sozialversicherungssysteme. So wird
ein Schuh daraus. Das ist das Prinzip.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Sie plündern die Rentenkasse!)


Im Bereich des Sozialetats müssen Opfer gebracht wer-
den, weil dieser einen Anteil von 54 Prozent am Bundes-
haushalt hat. Man kommt angesichts dieser Zahlen um
eine ausgewogene und vernünftige Einsparung gar nicht
umhin.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Die ist weder vernünftig noch ausgewogen!)


Deswegen ist es ganz wichtig, dass wir diese Maßnah-
men ergreifen.

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(C (D Ich komme zum Schluss. Wir nehmen sicherlich eiige Änderungen im Steuerbereich in Angriff; aber wir lanen keine Einkommensteuererhöhungen, wie Sie sie orschlagen. Ertragsteuererhöhungen werden von uns icht durchgeführt. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Sie machen eine Mehrwertsteuererhöhung!)


as ist der richtige Ansatz, um auch in der Zukunft
achstum zu erzielen. Es gibt einen entscheidenden Un-
rschied zwischen dem, was Sie fordern, und dem, was
ir tun. Sie fordern Steuererhöhungen, unter anderem
ber eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Dafür wür-
en die Bezieher der mittleren Einkommen die Zeche
ahlen. Wir wollen, dass mehr Menschen arbeiten und
ass Arbeit sich lohnt. Leistung darf nicht dadurch be-
traft werden, dass der Staat den Ertrag der Arbeit über-
äßig besteuert. Mit unserer Politik werden wir Wachs-
m erzielen. Arbeitswillige werden so immer wieder

inen Arbeitsplatz und eine neue Chance in Deutschland
rhalten.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lobbyismus lohnt sich immer bei der Koalition! – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lobbyistenleistung wird bei Ihnen belohnt!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706229000

Das Wort hat nun Hubertus Heil für die SPD-Frak-

on.


(Beifall bei der SPD)



Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1706229100

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

n! Herr Michelbach, Sie haben in Ihrer Analyse, wie es
azu kam, dass wir jetzt in Deutschland eine gesamt-
taatliche Haushaltskonsolidierung vornehmen können,
ollkommen recht. Wir können miteinander feststellen,
ie Deutschland im Jahr 2008 dastand. Im Jahr 2008 un-
r der Ägide von Finanzminister Peer Steinbrück gab

s, gesamtstaatlich gesprochen, ausgeglichene Haushalte
Deutschland. Herr Kampeter, unter der Ägide des Vor-

ängers von Herrn Schäuble hätten wir ohne Finanzkrise
Jahre 2010/2011 einen ausgeglichenen Bundeshaus-

alt. Ich will das an dieser Stelle einmal sagen. Es geht
arum, klarzustellen, was uns eingebrockt hat, dass der
taat Konjunkturprogramme auflegen musste und Ein-
ahmeausfälle hatte: Es ist einzig und allein die Finanz-
rise.


(Beifall bei der SPD)


Wir kommen deshalb nicht umhin, zu sagen, Herr
ollege Fricke: Es ist ein Armutszeugnis, dass Sie den
ektor, der am Entstehen dieser Krise beteiligt war, bei
er Bemühung um Haushaltskonsolidierung vollständig
ußer Acht lassen. Ich wiederhole: Sie lassen ihn voll-
tändig außer Acht.





Hubertus Heil (Peine)



(A) )


)(B)


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Otto Fricke [FDP]: Tun wir ja nicht! Stimmt doch nicht!)


Nicht eine Maßnahme in diesem Haushaltsbegleitgesetz
bezieht diejenigen mit ein, die diese Krise verursacht ha-
ben. Im Gegenteil: Sie halten sich schadlos an denjeni-
gen, die zum Entstehen dieser Krise nichts beigetragen
haben: Sie sparen bei Rentnern, Sie sparen bei Alleiner-
ziehenden, Sie sparen bei Langzeitarbeitslosen. Dass das
Menschen in diesem Land als ungerecht empfinden, das
können Sie doch nicht leugnen.


(Otto Fricke [FDP]: Wo sparen wir denn bei Rentnern?)


Herr Fricke, ich habe Ihrer Rede und der von Herrn
Kampeter aufmerksam zugehört. Das Lieblingswort – fast
ein Gummiwort im parlamentarischen Betrieb; das muss
man leider sagen – ist der Begriff der Nachhaltigkeit.


(Abg. Otto Fricke [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Herr Fricke, wenn Sie sich ein wenig später melden,
beantworte ich Ihre Zwischenfrage gerne. Einen kleinen
Moment noch! – Nachhaltigkeit ist, wie ich schon sagte,
zu einem Gummiwort geworden. Alles ist nachhaltig
geworden. In der Werbung gibt es schon nachhaltigen
Joghurt. Fragen wir einmal, was der Begriff „nachhaltig“
meint. Dieses Wort kommt aus der Forstwirtschaft, und
es bedeutet: Man sollte nicht mehr aus dem Wald aus-
schlagen, als nachwachsen kann.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!)


Gerade deshalb stellt sich die Frage, warum Sie in die-
sem Haushaltsbegleitgesetz genau da die Axt ansetzen,
wo es um Investitionen der öffentlichen Hand und der
privaten Wirtschaft geht. Beispiele lassen sich nennen.

Wenn wir den Weg der Haushaltskonsolidierung be-
schreiten wollen, Herr Kollege Kampeter, dann werden
wir uns um Ausgabendisziplin kümmern müssen – gar
keine Frage –, dann werden wir uns um die Einnahmeba-
sis der öffentlichen Hand kümmern müssen – keine
Frage –; aber wir werden das Ganze nicht ohne ein nach-
haltiges Wirtschaftswachstum schaffen. Wenn wir uns
die Ökonomie in diesem Land anschauen, dann erken-
nen wir, dass wir Probleme haben, was die Investitions-
quoten der öffentlichen Hand und der privaten Wirt-
schaft betrifft.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Richtig!)


All das, was wir in der Vergangenheit getan haben,
um in diesem Bereich zu mehr Investitionen zu kom-
men, beschneiden Sie in diesem Gesetzentwurf.


(Beifall bei der SPD)


Ein Stichwort ist „Städtebau“. Sie streichen bei der ener-
getischen Gebäudesanierung, obwohl Sie sie für Ihr Kli-
mapaket brauchen. Das Achtfache dessen, was die öf-
fentliche Hand dort einsetzt, wird in der privaten
Wirtschaft für Investitionen mobilisiert. Sie streichen
beim Marktanreizprogramm, und Sie verzichten voll-
ständig auf das, was Sie noch im Koalitionsvertrag voll-

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(C (D undig angekündigt haben, nämlich auf die steuerliche orschungsförderung, mit der wir durch Innovationen tsächlich auf einen nachhaltigen Wachstumspfad komen können. Sie sparen an Zukunft, und Sie sparen un erecht. Das ist unser Vorwurf. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt Alternativen. Herr Kollege Fricke, Sie stellen
ich hierhin und erklären Sozialdemokraten, die mit Peer
teinbrück und anderen den Weg zur Haushaltskonsoli-
ierung in diesem Land geebnet haben, dass sie die
taatsfinanzen nicht in Ordnung bringen wollen. Was für
in Popanz! Es war doch diese schwarz-gelbe Bundesre-
ierung, die kurz nach der Bundestagswahl 2009 erst
inmal nichts Besseres zu tun hatte, als Klientelge-
chenke, etwa die Hotelsteuer, an die eigene Klientel,
um Beispiel an die reichen Erben und die großen Kon-
erne, auszureichen.


(Otto Fricke [FDP]: Kindergeld!)


ichts anderes haben Sie an dieser Stelle gemacht.

Wenn Sie das als falsch erkannt haben – Herr Fricke,
h weiß, in Ihrem Herzen finden Sie diese Hotelnum-
er doch genauso peinlich wie der Rest der deutschen
ffentlichkeit –, dann hätten Sie bei diesen Sparanstren-
ungen den Mut haben müssen, diese Geschenke wieder
inzusammeln, bevor Sie sich an den Schwächsten ver-
reifen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. SvenChristian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706229200

Herr Kollege, gestatten Sie denn jetzt die angekün-

igte Zwischenfrage des Kollegen Fricke?


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1706229300

Gerne.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706229400

Also, bitte schön.


Otto Fricke (FDP):
Rede ID: ID1706229500

Herr Kollege Heil, erstens wollen Sie, dass wir das

esetz zurücknehmen. Dann sollten Sie aber auch so
hrlich sein und der Öffentlichkeit sagen, dass Sie den
euten mit der Zurücknahme des Wachstumsbeschleuni-
ungsgesetzes auch die Kindergelderhöhung wegneh-
en wollen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nein!)


enn Sie das wollen, ist das in Ordnung. So weit zur
eststellung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Unruhe bei der SPD – Joachim Poß [SPD]: Er hat gesagt, die Hotelsteuer! Das ist peinlich!)


Er hat gesagt, das Gesetz solle zurückgenommen wer-
en. Damit müssen Sie leben. Er hat es gesagt.






(A) )


)(B)


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1706229600

Nein!


Otto Fricke (FDP):
Rede ID: ID1706229700


Zweitens. Herr Kollege Heil, Sie haben gerade ge-
sagt, dass wir mit dem Haushaltsbegleitgesetz den Rent-
nern etwas wegnehmen würden. Ich frage Sie in aller
Ernsthaftigkeit: Bleiben Sie bei der Aussage, dass wir
mit dem Haushaltsbegleitgesetz den heutigen Rentnern
Geld wegnehmen?


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1706229800

Herr Kollege Fricke, ich bin Ihnen für beide Fragen

sehr dankbar. Wenn Sie das im Protokoll nachlesen soll-
ten, werden Sie feststellen, dass ich mich auf die Teile
Ihres sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes
bezogen habe,


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das hat gut gewirkt!)


die Ihre Klientel bessergestellt haben.


(Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Zum Beispiel Eltern mit Kindern! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das stärkt die Binnennachfrage!)


– Die Binnenkaufkraft wird nicht durch die Hotelierge-
schenke gestärkt, die Sie gemacht haben. Das ist doch
Quatsch mit Soße. Genau darauf habe ich mich bezogen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Fricke, Sie haben ein ohnehin sehr un-
durchsichtiges Ausnahmesystem bei der Mehrwertsteuer
noch undurchsichtiger gemacht, das wir übrigens im
Jahr 2002 gegen Ihren Widerstand versucht haben zu re-
formieren.


(Otto Fricke [FDP]: Sie meinen die von Ihnen eingeführten Skilifte!)


Ich sage noch einmal: Wir haben im Jahr 2002, als
Hans Eichel Finanzminister war, Vorschläge gemacht,
um diese undurchsichtigen und widersinnigen Dinge, die
wir im Mehrwertsteuerrecht haben, zu beseitigen. Da-
raufhin haben Sie das Land mit populistischen Kampag-
nen überzogen.

Jetzt haben Sie diesen Zustand noch verschlimmert
und Ihre Klientel bessergestellt. Ihr Herr Burgbacher im
Bundeswirtschaftsministerium hat sich an dieser Stelle
als Hotellobbyist betätigt. Das kostet die öffentliche
Hand über 1 Milliarde Euro. Ich habe nichts anderes ge-
sagt als: Wenn Sie sparen müssen – und der Staat muss
sparen –, dann fangen Sie doch bei denen an, denen Sie
es hinten reingesteckt haben, um es norddeutsch zu sa-
gen, bevor Sie sich an den Schwächsten vergreifen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Ich halte meine Aussage aufrecht, dass die Art und eise, wie Sie Zuschüsse für die Rentenversicherung ürzen, langfristig dazu führen wird – – Ich sage Ihnen, Sie kürzen Zuschüsse an die Rentenasse im Bereich des Arbeitslosengeldes. Am Ende des ages wird das dazu führen, dass vermehrt Menschen in er Grundsicherung landen. (Otto Fricke [FDP]: Aber kein heutiger Rentner!)


(Otto Fricke [FDP]: Stimmt nicht!)


Natürlich. Das trifft Menschen, die trotz Arbeitslosig-
eit höhere Rentenversicherungsansprüche hätten, die
ie in die Grundsicherung jagen. Am Ende des Tages
ippen Sie den Kommunen das Ganze vor die Tür. Das
t der Verschiebebahnhof auf der langen Strecke, und
as ist auch Teil Ihres Pakets. Das werden Sie sich sagen
ssen müssen. Das hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nachhaltigkeit ist die Verbindung von wirtschaftli-
her Vernunft, sozialem Fortschritt und ökologischen
otwendigkeiten. Wenn man sich dieses Paket anschaut,
ann stellt man fest, dass es nicht im Sinne wirtschaftlicher
ernunft eines selbsttragenden langfristigen Aufschwungs
t, wenn Sie Investitionen in wichtigen Bereichen der Zu-
unft kürzen. Wenn man bei der energetischen Gebäude-
anierung oder beim Marktanreizprogramm kürzt, wird
as ökologische und ökonomische Folgen haben. Was
ie machen, ist nicht sozial gerecht. Lassen Sie sich das
agen.

Herr Michelbach, an dieser Stelle zitiere ich jeman-
en aus Ihren Reihen, und zwar Herrn Lauk. Das ist der
orsitzende des CDU-Wirtschaftsrats. Dieser hat Ihnen
s Stammbuch geschrieben, eine Volkspartei wie CDU

nd CSU würde sich im Hinblick auf die Akzeptanz von
onsolidierungspolitik keinen Zacken aus der Krone
rechen, wenn man den Spitzensteuersatz anheben
ürde. Wie gesagt, Herr Lauk ist einer von Ihnen und
nverdächtig, irgendein böser Sozialist zu sein. Das wer-
en Sie bestätigen. Ich finde, dieser Mann hat vollkom-
en recht. Wir schlagen Ihnen vor, das gemeinsam mit-

inander hinzubekommen.

Ich bin der Meinung, dass der Spitzensteuersatz ruhig
rst bei einem höheren Jahreseinkommen als 53 000 Euro
reifen kann. Ein Lediger, der 53 000 Euro verdient, ist
diesem Land ein Gutverdiener, aber kein reicher
ensch.

Ich fände es aber im Sinne der Hygiene in unserem
and richtig, bevor man bei den Ärmsten der Armen
ürzt, zunächst die Solidarität derjenigen in Anspruch zu
ehmen, die gerne bereit sind, ihre patriotische Pflicht zu
rfüllen und einen Beitrag zu einem gesunden Gemein-
esen zu leisten. Deshalb ist es nicht unanständig, son-
ern ein Gebot der Vernunft und der Fairness, dafür zu
orgen, dass auch Spitzenverdiener in diesem Land ei-
en Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten. Kein
pitzenverdiener in diesem Land ist von den Maßnah-
en betroffen, die Sie beschlossen haben.





Hubertus Heil (Peine)



(A) )


)(B)


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Kein Spitzenverdiener leistet an dieser Stelle einen Bei-
trag. Herr Michelbach, was ist eigentlich Ihr Beitrag und
mein persönlicher Beitrag zur Haushaltskonsolidierung?
Diesen erkenne ich an dieser Stelle gar nicht. Sie kürzen
das Elterngeld von Langzeitarbeitslosen und Alleinerzie-
henden, lassen es aber den Millionärsgattinnen. Auch
das ist ein Beispiel von Schieflage.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706229900

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Bitte schön, Kol-

lege Michelbach.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1706230000

Herr Kollege Heil, würden Sie zur Kenntnis nehmen,

dass die oberen 50 Prozent der Steuerzahler in Deutsch-
land 95 Prozent des Aufkommens der Einkommensteuer
leisten?


(Zurufe von der LINKEN: Einkommensteuer!)


Warum wollen Sie die Leute, die durch einen höheren
Spitzensteuersatz einen steileren Tarif bekommen wür-
den und durch die Progression stärker belastet würden,
noch zusätzlich über diese 95 Prozent hinaus zur Kasse
bitten? Ist es nicht notwendig, dass die Leistung, die
diese Leute für das Gemeinwohl und für die Sozialtrans-
ferleistungen erbringen, auch honoriert wird?


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1706230100

Herr Michelbach, ich bin Ihnen außerordentlich dank-

bar für diese Frage. Damit kann ich an dieser Stelle eini-
ges aufklären. Ich habe vorhin gesagt: Wir sind nicht da-
für, die Progressionskurve steiler zu machen. Wir können
auch darüber reden, dass der Spitzensteuersatz nicht
schon bei einem Einkommen in Höhe von 53 000 Euro
greift; dann sollte er aber auch ein Stück höher sein.
Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir damit nicht dafür
sorgen, dass die Progressionskurve für die mittleren
Steuerzahler steiler wird.

In Ihrer Darstellung lassen Sie aber ein, zwei Dinge
außer Betracht. Wenn Sie davon reden, dass die oberen
50 Prozent der Steuerzahler 95 Prozent der Steuerlasten
tragen, unterschlagen Sie damit zugleich den Beitrag
derjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die
Sozialversicherungsleistungen und Abgaben für den So-
zialstaat entrichten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir den Blick nun auf das gesamte Steuer- und
Abgabensystem richten, dann ergibt sich folgende Situa-
tion: Die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen
leisten den wesentlichen Beitrag zur Finanzierung dieses
Gemeinwesens, Spitzenverdiener einen zu geringen.

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(C (D (Beifall des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


In Zeiten der Haushaltskonsolidierung müssen die
asten fair verteilt werden. Ja, es ist nicht so, dass man
solchen Zeiten nur Populäres fordern und durchsetzen

ann. Wir haben unsere Erfahrungen damit gemacht. Es
t aber eine Frage von Fairness, auch diejenigen, die
icht überproportional belastet würden, wenn sie einen
ngemessenen Beitrag leisten müssten, stärker in die
erantwortung zu nehmen.

Ich will Ihnen sagen, warum ich das auch ökonomisch
r richtig halte, Herr Kollege Michelbach. Wir können
diesem Land eine erfreuliche Entwicklung verzeich-

en, weil wir einen exportgetriebenen Aufschwung ha-
en. Wir haben in der Großen Koalition gemeinsam
afür gesorgt, dass Deutschland besser durch diese Fi-
anzkrise gekommen ist, als es zu erwarten gewesen
äre. Jetzt wächst die Wirtschaft wieder. Das ist im We-

entlichen der Tatsache geschuldet, dass wir stark im Ex-
ort sind, dass wir, wenn Sie so wollen, starke Auswärts-
piele haben. Aber wir haben Probleme beim Heimspiel.
ie Binnennachfrage ist zwar durch Kurzarbeit und
iele andere Maßnahmen, die dafür gesorgt haben, dass
enschen nicht in Arbeitslosigkeit abgerutscht sind,
cht stabil geblieben, aber sie liegt chronisch zu niedrig.
ie Investitionen der öffentlichen Hand und der privaten
irtschaft sind zu niedrig. Wir müssen also etwas für

ie Binnennachfrage in diesem Land tun. Das betrifft
aufkraft, öffentliche und private Investitionen. An die-

er Stelle ist es sinnvoller, eine Perspektive für die Ent-
stung der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen

u schaffen als für die von Spitzenverdienern.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Richtig!)


Es ist ganz klar, Herr Michelbach, wen Sie an dieser
telle im Blick haben:


(Joachim Poß [SPD]: Sich selbst!)


ie glauben nicht, dass Normalverdiener Leistungsträger
ieses Landes sind. Ihr Begriff von Leistungsträgern
ngt wahrscheinlich erst bei Menschen an, die

0 000 oder 100 000 Euro verdienen. Das ist nicht die
ehrheit der Menschen in diesem Lande. Die Mehrheit

er Menschen in diesem Lande verdient ein ganzes
tück weniger, ist aber durch Steuern und Abgaben stär-
er belastet als diejenigen, bei denen aufgrund der Bei-
agsbemessungsgrenze die Belastung abgeriegelt wird
nd die derzeit keinen höheren Spitzensteuersatz zu zah-
n haben. Das ist der Zusammenhang.

Deshalb noch einmal, Herr Michelbach: Wir können
uflisten, wen Sie durch Ihre Maßnahmen belasten. Wir
önnen aber auch auflisten, wen Sie nicht belasten.


(Zuruf des Abg. Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU])


as weiß die deutsche Öffentlichkeit ganz genau, Herr
ichelbach. Das ist möglicherweise auch ein Grund da-
r, dass das Vertrauen in eine Volkspartei in Bayern, die

as „S“ im Namen führt, nämlich CSU, und die früher
tark war, schwindet; die Menschen spüren nämlich,
ass sie nicht mehr Politik für die Mehrheit macht, son-





Hubertus Heil (Peine)



(A) )


)(B)

dern Politik für wenige zulasten der Mehrheit – ob in der
Gesundheitspolitik, in der Energiepolitik, bei den Hotel-
steuern oder anderswo.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das ist pure Demagogie, was Sie da betreiben! Das ist schäbig!)


Sie machen Politik gegen das Gemeinwohl. Das schadet
dem Ansehen aller demokratischen Parteien, leider nicht
nur den schwarz-gelben Koalitionsparteien.

Wir aber werden Alternativen auf den Tisch legen.


(Otto Fricke [FDP]: Das sehen wir an NRW!)


Konsolidierung geht gerechter, und Konsolidierung geht
intelligenter, als es Schwarz-Gelb derzeit macht.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706230200

Das Wort hat nun Claudia Winterstein für die FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1706230300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die Redner der Opposition haben in dieser De-
batte zum Haushaltsbegleitgesetz und in den Debatten
zum Haushalt 2011 ein völlig düsteres Bild gezeichnet.
Es war von sozialem Kahlschlag, von Unausgewogen-
heit die Rede.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Zu Recht!)


Aber, meine Damen und Herren von der Opposition,
lieber Herr Schneider, diese Vorwürfe sind haltlos, ja un-
seriös. Gemessen am Anteil der Sozialausgaben am
Haushalt kann von sozialem Kahlschlag überhaupt keine
Rede sein. Auch Herr Heil sollte dies zur Kenntnis neh-
men.

Die öffentliche Verschuldung in Deutschland beträgt
unvorstellbare 1,7 Billionen Euro.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das Geldvermögen beträgt 4 Billionen!)


Das heißt, jeder Bürger, vom Baby bis zum Greis, steht
mit über 20 000 Euro in der Kreide. Wenn wir so weiter-
machen, haben wir keinen Handlungsspielraum für die
Zukunft, und das ist unfair gegenüber der jungen Gene-
ration.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Allein der Bund zahlt in diesem Jahr über 36 Milliar-
den Euro an Zinsen. Das ist Geld, das wir an anderer
Stelle wesentlich besser gebrauchen könnten.


(Miriam Gruß [FDP]: Genau!)


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(C (D eswegen hat sich auch die christlich-liberale Koalition as vielleicht unpopuläre, aber notwendige Ziel gesetzt, iese massive Verschuldung endlich abzubauen. (Zuruf von der SPD: Aber doch nicht mit der höchsten Nettoneuverschuldung der Nachkriegszeit!)


as Sparpaket macht deutlich, dass jeder seinen Beitrag
ur Sanierung der Finanzen zu leisten hat, der Staat, die
irtschaft und der Bürger. So sparen wir im staatlichen
ereich etwa bei der Verwaltung, bei den Subventionen
der bei den Verteidigungsausgaben. Über die Kern-
rennstoffsteuer, die Streichung von Steuervergünsti-
ungen und die Luftverkehrsabgabe beteiligen wir natür-
ch auch die Wirtschaft an den Sparmaßnahmen, und
uch der Sozialbereich muss einen angemessenen Bei-
ag leisten. Uns deswegen sozialen Kahlschlag vorzu-
erfen, ist falsch; denn auch 2011 fließen weiterhin
58,8 Milliarden Euro, nämlich 51,7 Prozent des gesam-
n Bundeshaushalts, also mehr als die Hälfte aller Aus-
aben des Staates, in den sozialen Bereich.

Wichtig ist uns, dass mehr Menschen unabhängig von
ozialen Leistungen leben können. Der bislang gezahlte
uschlag beim Übergang vom Bezug des Arbeitslosen-
eldes I zum Bezug des Arbeitslosengeldes II hat hierbei
lsche Anreize gesetzt. Dewegen wird er auch gestri-

hen.


(Abg. Bettina Hagedorn [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706230400

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von

er SPD-Fraktion?


Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1706230500

Nein, ich möchte gern fortfahren.


(Zuruf von der SPD: Ach, wie bedauerlich!)


ir gehen die notwendigen Kürzungen maßvoll und
ielgenau an. Das ist schon gesagt worden. Dessen kön-
en Sie sicher sein, Herr Schneider.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Dass das Ihr Ziel ist, wissen wir!)


Ich möchte dazu ein weiteres Beispiel herausgreifen:
ür Bezieher des Arbeitslosengeldes II werden künftig
eine Rentenbeiträge mehr gezahlt.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Schlimm genug!)


uch das ist schon gesagt worden. Dem einzelnen Ar-
eitslosen schadet diese Maßnahme allerdings kaum. Er
erliert einen zusätzlichen Rentenanspruch von gerade
inmal 2 Euro, Herr Heil. Der Bund spart dadurch aber
hrlich 1,8 Milliarden Euro ein. Das ist eine stattliche
umme, mit der man viel Gutes tun kann.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Zulasten der Kommunen! – Bettina Hagedorn [SPD]: Er spart nicht, er verschiebt es in die Zukunft! Dadurch müssen in naher Zukunft die Renten Dr. Claudia Winterstein )





(A) )

beiträge erhöht werden, aber das ist Ihnen ja
wurscht!)

Diese Beispiele zeigen auf: Wir steigern die Effizienz
des Sozialstaates und stellen ihn auf eine solide finan-
zielle Grundlage.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Aber die Rentenversicherung plündern Sie! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Sicherung unserer Sozialsysteme ist genauso
wichtig wie die Schaffung von Wirtschaftswachstum
und mehr Arbeitsplätzen.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Bei dieser Koalition nicht!)


Diesem Ziel werden wir gerecht, weil wir im Haushalt
2011 und auch in den Folgejahren viel Geld in Zukunfts-
bereiche wie Forschung, Bildung und erneuerbare Ener-
gien investieren.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In die Atomenergie!)


Wir müssen im Haushalt die richtigen Prioritäten set-
zen


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist wohl wahr!)


und wollen deshalb natürlich auch die Investitionen stei-
gern. Daher wird in den Bereichen Forschung und Bil-
dung auch keine Kürzung vorgenommen, sondern es
werden 12 Milliarden Euro draufgesattelt. Auch im Ver-
kehrsbereich investieren wir mehr als vor der Krise. Das
müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen.


(Lachen der Abg. Bettina Hagedorn [SPD])


Unser Sparkurs ist richtig, damit unser Staat auch in
Zukunft die Schwachen und Bedürftigen in unserer Ge-
sellschaft unterstützen kann.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nur ein finanziell solider Staat ist ein starker Staat. Sie,
meine Damen und Herren von der Opposition, schüren
hingegen aus durchsichtigen Gründen die Angst der
Menschen und betreiben Panikmache gegen die Politik
der Regierung. An konstruktiven Vorschlägen fehlt es
bei Ihnen völlig.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706230600

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen!


Dr. Claudia Winterstein (FDP):
Rede ID: ID1706230700

Sie machen das nach dem Motto: Freiheit von Verant-

wortung. Das scheint eher Ihre Devise zu sein.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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(C (D Das Wort hat nun Norbert Barthle für die CDU/CSU raktion. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Zu Beginn meiner Rede möchte ich ganz kurz uf das eingehen, was wir von unserem Kollegen Bonde u Stuttgart 21 und den Demos gehört haben. Jeder von ns in diesem Hause bedauert es, wenn bei einer Deonstration Menschen verletzt werden. Das Demonstraonsrecht ist ein Grundrecht, zu dem wir alle stehen. Die eie Meinungsäußerung ist ein Kennzeichen unserer eien Gesellschaft. Lieber Kollege Bonde, an dieser Stelle muss ich aber uch eines sagen: In der Art und Weise, wie Sie das geen Stuttgart 21 instrumentalisieren, ist es nicht in Ordung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706230800

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1706230900

h habe mich bei den Polizeibehörden kundig gemacht.
atsache ist: Es handelt sich um eine Schülerdemo.
iese Schülerdemo war für die Lautenschlagerstraße ge-
ehmigt. Von den Stuttgart-21-Gegnern wurde diese De-
onstration in den Bereich des Schlossgartens umge-
nkt; dort sollten die laufenden Bauarbeiten gestört
erden. Wenn es dann im Rahmen dieser nicht geneh-
igten Demo zu Verletzungen kommt, dann muss ich

en Gegnern von Stuttgart 21 den Vorwurf machen, dass
ie so etwas billigend in Kauf nehmen.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Schülerdemo!)


ies halte ich für nicht in Ordnung. Wenn die Ordnungs-
räfte des Staates die öffentliche Ordnung herstellen


(Bettina Hagedorn [SPD]: Gegen 14-Jährige!)


nd es dabei Verletzungen gibt, dann ist es nicht in Ord-
ung, dies einseitig denjenigen in die Schuhe zu schie-
en, die dafür sorgen, dass dieses Projekt gebaut wird.
as muss ich an dieser Stelle in aller Deutlichkeit sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706231000

Kollege Barthle, gestatten Sie gleich zwei Zwischen-

agen? Ich vermute, sie sind zum selben Thema.


Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1706231100

Ja, gerne, da können wir gerne noch ein Disput füh-

n.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706231200

Herr Kollege Bonde, und danach der Kollege von der

inksfraktion.






(A) )


)(B)


Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706231300

Herr Kollege Barthle, ich habe heute Nachmittag ei-

nen Anruf einer ehemaligen Nachbarin bekommen, de-
ren 14-jährige Tochter auf dieser Demonstration war.
Halten Sie es für einen verhältnismäßigen Polizeieinsatz,
wenn ein 14-jähriges Mädchen bei einer friedlichen De-
monstration von Knüppeln der Polizei getroffen wird?
Herr Kollege Barthle, es gibt Meldungen der Nachrich-
tenagentur DAPD, in denen von 1 000 Menschen ge-
sprochen wird, die durch Einsatz von Reizgas verletzt
worden sind und in Stuttgarter Kliniken behandelt wer-
den; entsprechende Bilder veröffentlicht dpa dazu. Hal-
ten Sie dies für einen verhältnismäßigen Einsatz, und
wären Sie bereit, den Versuch, diese Bewegung zu kri-
minalisieren und auch noch jemandem in die Schuhe zu
schieben, ein für alle Mal zu beenden?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706231400

Herr Kollege Barthle, lassen Sie noch eine zweite

Zwischenfrage des Kollegen Lutze zum selben Sachver-
halt zu?


Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1706231500

Aber gerne.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706231600

Bitte sehr.


Thomas Lutze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706231700

Herr Kollege Barthle, vorhin hat der Kollege

Koschorrek aus Ihrer Fraktion schon einmal zu diesem
Thema interveniert. Als er über die Schülerdemo und
den Polizeieinsatz sprach, redete er nicht von Schülern,
sondern von militanten Autonomen. Haben Sie diese
Sprachregelung Ihres Fraktionskollegen zur Kenntnis
genommen?


Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1706231800

Herr Kollege Bonde, Herr Kollege Lutze, ich kann

einzelne Vorkommnisse dieser Demo nicht kommentie-
ren. Das will ich auch nicht tun, weil ich die Zusammen-
hänge nicht kenne. Ich wiederhole aber: Wenn 14-jäh-
rige Schüler, wie ich von Ihnen höre, von einer geneh-
migten Demonstrationsroute auf eine nicht genehmigte
umgelenkt werden, dann halte ich dies für nicht in Ord-
nung; denn bei diesen Jugendlichen, die den Unterschied
wahrscheinlich nicht so genau kennen und nicht wissen,
welche Konsequenzen daraus erwachsen, nimmt man
billigend in Kauf, dass genau solche Ergebnisse eintre-
ten. Das geht so nicht. Demonstrationen sind in Ord-
nung, wenn sie genehmigt sind. Dann ist alles okay,
dann hat kein Mensch etwas dagegen.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind doch Christ! Was ist das eigentlich für ein Zynismus? – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D ann tritt auch keine Polizeibehörde dagegen auf. Aber enn es sich um Ereignisse auf einer nicht genehmigten emonstrationsstrecke handelt, dann ist das etwas andes. Bei dem, was sich dort ereignet hat, besteht mögli herweise – ich weiß es nicht – kein großer Unterschied u dem, was sich am 1. Mai in Kreuzberg ereignet. Um auch auf die zweite Frage einzugehen: Ich kenne ie Äußerung des Kollegen Koschorrek nicht. Aber in iesem unseren Rechtsstaat muss alles rechtmäßig zugeen. Herr Kollege Barthle, es gibt noch aus der Fraktion ündnis 90/Die Grünen den Wunsch nach einer Zwichenfrage. Schön. Herr Montag, bitte. Danke, Frau Präsidentin. – Ich habe jetzt Ihre Einlas ungen zu dieser Demonstration in Stuttgart mit Intesse verfolgt. Dabei wundere ich mich über eines; ich ürde Sie herzlich bitten, es zu erklären: Sie sprechen auernd von „genehmigten Demonstrationen“. Würden ie bitte zur Kenntnis nehmen, dass Demonstrationen in eutschland nicht genehmigt werden? Wir leben nicht in inem Obrigkeitsstaat. Demonstrationen sind frei. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Man muss sie anmelden!)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706231900
Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1706232000
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706232100
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706232200


Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1706232300

Auch Sie wissen, dass Demonstrationen bei den Ord-

ungsämtern angemeldet werden müssen.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist etwas völlig anderes!)


Im normalen Sprachgebrauch ist das mit einer Geneh-
igung gleichbedeutend.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Gegenruf des Abg. Otto Fricke [FDP]: Er ist kein Jurist!)


Ich habe es so gemeint; ich bitte, das zur Kenntnis zu
ehmen.

Jetzt kommen wir zu unserem eigentlichen Thema:
em Haushaltsbegleitgesetz. Ich will auf die Diskussion
ingehen, die wir jetzt wieder erlebt haben, ausgehend
on allen Fraktionen auf der linken Seite dieses Hauses,
llen voran Herr Heil mit seiner unsäglichen Rede.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Was? Das war ein Angebot, gemeinsam den Spitzensteuersatz zu erhöhen!)






Norbert Barthle


(A) )


)(B)

Dabei wird immer wieder hervorgehoben, die Sparbe-
schlüsse seien unsozial und wir müssten an die Verursa-
cher der Krise herangehen. Herr Heil, es dürfte auch zu
Ihnen durchgedrungen sein, dass diese Krise ihre Ursa-
che in den Börsen von New York und Chicago gefunden
hat.

Sie reden nie über die Auswirkungen. Ich glaube,
man sollte einen Moment darüber nachdenken, wer denn
von dieser Finanzkrise und der damit einhergehenden
größten Wirtschaftskrise unserer Geschichte betroffen
war. Betroffen waren nicht diejenigen, die Sie permanent
anführen. Diejenigen, die von sozialen Transferleistun-
gen leben, waren von dieser Krise überhaupt nicht be-
troffen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Die sind jetzt von Ihnen betroffen!)


Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir die Renten-
bezüge gekürzt hätten. Ich kann mich auch nicht daran
erinnern, dass wir die Hartz-IV-Sätze gekürzt hätten. Ich
kann mich nicht daran erinnern, dass wir irgendjeman-
den, der von sozialen Transferleistungen lebt, in die Si-
tuation gebracht hätten, von dieser Wirtschaftskrise be-
troffen zu sein.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Aber wenn die Zusatzbeiträge in der Krankenversicherung steigen, betrifft das genau die! Weniger Netto vom Brutto!)


Betroffen waren aber diejenigen, die Unternehmen
haben, die Handwerksbetriebe haben, die Umsatzeinbrü-
che von 70, 80 oder 90 Prozent hinnehmen mussten. Ich
kann Ihnen in meinem Wahlkreis kleine Betriebe mit
20 Beschäftigten zeigen – Automobilzulieferer –, die
plötzlich nur noch Arbeit für zwei hatten, alle anderen
mussten sie in die Kurzarbeit schicken.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Für die hat die Große Koalition ja auch viel gemacht!)


Wir haben dafür gesorgt, dass die Kurzarbeitsrege-
lung möglich wurde,


(Bettina Hagedorn [SPD]: Wir haben dafür gesorgt!)


sodass weitestgehend niemand entlassen werden musste.
Wir haben dafür gesorgt, dass ein Großteil unserer Be-
völkerung von dieser Wirtschaftskrise so wenig wie
möglich betroffen war. Wenn wir jetzt aber daran gehen,
uns der Auswirkungen dessen, was wir beschlossen ha-
ben – Konjunkturprogramme, Abwrackprämie, Wirken-
lassen der automatischen Stabilisatoren, was nichts an-
deres als eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme
bedeutet –, Stück für Stück, Zug um Zug anzunehmen,
müssen wir die gesamte Gesellschaft daran beteiligen;
das geht nicht anders. Genau dies tun wir, und zwar in
einem ausgewogenen Verhältnis.


(Beifall bei der CDU/CSU – Bettina Hagedorn [SPD]: Wenn Sie das doch täten!)


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(C (D Herr Kollege Barthle, gestatten Sie eine Zwischen age des Kollegen Heil? Gerne. Herr Kollege Barthle, nehmen Sie an dieser Stelle itte auch zur Kenntnis, dass durch die von uns gemeinam eingeführte, richtige Regelung der Kurzarbeit – Olaf cholz hat sie als Arbeitsminister vorgeschlagen – auf der inen Seite richtigerweise Jobs gerettet wurden, weil nternehmer die Regelung Gott sei Dank in Anspruch enommen haben, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitehmer aber auf der anderen Seite natürlich einen Beiag geleistet haben, weil sie dadurch weniger Geld in er Tasche hatten. Das ist schon ein Beitrag der Menchen mit unteren und mittleren Einkommen. Würden ie mir zustimmen, dass die Frage, welchen Beitrag zur aushaltskonsolidierung Spitzenverdiener zu leisten haen, von Ihnen noch nicht geklärt wurde? (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Reden Sie einmal vom Personenunternehmer!)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706232400
Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1706232500
Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1706232600

Wo wir gerade dabei sind, hätte ich noch eine Frage.
h war auf dem BDI-Kongress, bei dem die Kanzlerin

esagt hat: Das mit der Ökosteuer für die energieintensi-
en Unternehmen würde schon nicht so schlimm wer-
en; sie habe es zwar als Kanzlerin beschlossen, aber als
bgeordnete würde sie das wieder ändern. Ich bin da-
ber gar nicht so unglücklich; ich möchte nur wissen:
as machen Sie stattdessen?


(Otto Fricke [FDP]: Das hat sie nicht gesagt! Sie hat nicht gesagt: ändern!)


Nicht ändern? Sie lassen es also so, wie es ist? Können
ie das aufklären? Dazu besteht hier Gelegenheit.


(Otto Fricke [FDP]: Sagen Sie mal, Sie wissen doch, wie Gesetzgebung funktioniert!)



Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1706232700

Herr Heil, ich bin froh, dass Sie mich gefragt haben.

h antworte Ihnen gerne. – Ich komme zu den Aussagen
er Kanzlerin beim BDI-Kongress. Es ist unbestritten,
ass das Stromsteuergesetz Bestandteil unseres Haus-
altsbegleitgesetzes ist. Es ist unbestritten, dass wir uns
lle Bestandteile dieses Haushaltsbegleitgesetzes im par-
mentarischen Beratungsverfahren genau anschauen
erden, unter anderem auch das Stromsteuergesetz.


(Otto Fricke [FDP]: Dafür sind wir ja da! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wollen Sie die Tabaksteuer erhöhen?)


h will nicht ausschließen, dass wir an dieser Stelle
och Korrekturen vornehmen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Tabaksteuer erhöhen?)


h will nicht ausschließen, dass wir ausgerechnet beim
tromsteuergesetz Korrekturen vornehmen. Aber es ist





Norbert Barthle


(A)


)(B)

noch lange nicht entschieden, ob wir dafür eine andere
Steuer in den Blick nehmen oder sonst etwas machen.


(Beifall des Abg. Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU])


Tatsache ist, dass wir die Beträge, die im Haushaltsbe-
gleitgesetz stehen, innerhalb unseres Sparpaketes auch
erreichen. Herr Heil, insofern müssen Sie ganz einfach
warten, bis die parlamentarischen Beratungen zu Ende
sind. Wenden Sie sich an Ihre Kollegen im Haushalts-
ausschuss. Die können Ihnen immer berichten, wie der
aktuelle Stand ist. Spätestens nach der Bereinigungssit-
zung wissen Sie es. So lange müssen Sie sich gedulden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Möchten Sie meine andere Frage auch noch beantworten? Ich gebe Ihnen die Gelegenheit!)


An dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen: Das
Paket, das wir vorlegen, ist ausgewogen,


(Bettina Hagedorn [SPD]: Und wenn Sie es noch hundertmal sagen, das wird nicht richtig!)


weil wir ein Drittel im Unternehmensbereich, ein Drittel
in unserem eigenen Bereich und nur ein Drittel im sozia-
len Bereich festmachen. Es wurde schon zum Ausdruck
gebracht, dass der soziale Bereich innerhalb unseres
Bundeshaushaltes 54 Prozent der Ausgaben ausmacht.
Wer den Haushalt konsolidieren will – und dies anders,
als es in früheren Jahren geschah, und anders, Herr Heil,
als es in NRW geschieht –, kommt nicht darum herum,
den gesamten Haushalt in den Blick zu nehmen. Dazu
muss ich Ihnen schon einmal sagen, dass ich Ihnen raten
würde, Ihre Hetzreden in Nordrhein-Westfalen zu halten.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Frau Präsidentin, ich verbitte mir das Wort „Hetzreden“!)


Denn dort hat man ganz offensichtlich alle Vernunft über
Bord geworfen; dort hat man ganz offensichtlich die
Schuldenregel überhaupt nicht zur Kenntnis genommen;
dort hat man ganz offensichtlich alles über Bord gewor-
fen, was zu einer Konsolidierung des Haushaltes bei-
trägt.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber ich halte keine Hetzreden!)


– Verehrter Herr Kollege, das ist keine Aufgabe, die wir
hier in diesem Hause alleine stemmen können. Wenn es
darum geht, den Bundeshaushalt, den gesamtstaatlichen
Haushalt, zu konsolidieren und langfristig auf gesunde
Beine zu stellen, dann brauchen wir die Zusammenarbeit
mit den Ländern und die Bereitschaft der Länder, an die-
sem Ziel, das für uns und für die nachkommenden Gene-
rationen so bedeutsam ist, ein Stück weit mitzuwirken.
Aber hierzu beobachte ich leider keinerlei Bereitschaft.

Aus diesem Grund sage ich nochmals: Wir haben mit
diesem Gesetzentwurf ein Konzept vorgelegt, das den
Weg in die kommenden Jahre hinein vorzeichnet – nicht
nur für das Haushaltsjahr 2011, sondern weit darüber hi-
naus. Wenn ich dann noch den Zusammenhang zum
Energiekonzept herstelle, das in diesen Tagen hier schon

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(C (D eraten wurde und morgen noch intensiv beraten werden ird, dann wird wirklich ein Konzept in die kommenden ahrzehnte hinein erkennbar. Das unterscheidet uns von nen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der pposition. Sie verharren im Hier und Jetzt. Sie beklaen das Jetzt, Sie beklagen das Heute. Wir eröffnen Perpektiven, wir bereiten einen Weg in die kommenden ahrzehnte hinein. Das unterscheidet uns massiv von em, was wir von Ihnen zu hören bekommen. Mit diesem Gesetz, das eigentlich nicht Haushaltsbeleitgesetz, sondern Zukunftsstabilisierungsgesetz heien müsste – zumindest unter Rot-Grün hätte es so geeißen –, schaffen wir stabile Voraussetzungen für die ukunft dieses Landes und für die Bürgerinnen und Bürer. Und darum geht es letztlich. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzenturfs auf Drucksache 17/3030 an die in der Tagesordung aufgeführten Ausschüsse und zusätzlich auch noch n den Familienausschuss vorgeschlagen. Gibt es dazu ndere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann sind ie mit den Überweisungen so einverstanden, und die berweisungen sind so beschlossen. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 8 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ordneten Dr. Konstantin von Notz, Beate MüllerGemmeke, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ELENA aussetzen und Datenübermittlung strikt begrenzen – Drucksachen 17/658, 17/1553 – Berichterstattung: Abgeordneter Kai Wegner Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich sehe, amit sind Sie einverstanden. Dann können wir so verhren. Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat die ollegin Claudia Bögel für die FDP-Fraktion das Wort. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ollegen! Seit dem 1. Januar dieses Jahres sind die Areitgeber verpflichtet, die Entgeltdaten ihrer Beschäftign an eine zentrale Speicherstelle zu übermitteln. Dieser organg mit dem schönen Namen ELENA wurde durch ie, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und den rünen, ins Leben gerufen. Am 16. August 2002 wurde )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706232800

(Beifall bei der FDP)

Claudia Bögel (FDP):
Rede ID: ID1706232900





Claudia Bögel


(A) )


)(B)

dieses Vorgehen durch Sie beschlossen, seit Januar 2010
per Gesetz angewandt, und nun soll es Ihrem Wunsch
nach wieder ausgesetzt werden.


(Jens Ackermann [FDP]: Hört! Hört!)


Sie sehen mich verwundert.

Am 16. August 2002 legte die von der damaligen
Bundesregierung eingesetzte sogenannte Hartz-IV-Kom-
mission ihren Bericht zum Abbau der Arbeitslosigkeit
und zur Umstrukturierung der Bundesagentur für Arbeit
vor. Unter anderem sah dieser Bericht die Entwicklung
einer Versicherungskarte als Signatur- und Schlüssel-
karte vor. Diese sollte für den Abruf von diversen Be-
scheinigungen zur Verfügung stehen. Das war die Idee.
Am 21. August 2002 stimmte die damalige Bundesregie-
rung, an der Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von
Bündnis 90/Die Grünen beteiligt waren, zu.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja, so war das!)


Die Einführung der sogenannten Jobcard war damit be-
schlossen. Ich fasse noch einmal diesen kleinen Exkurs
in die Vergangenheit zusammen: ELENA war ein rot-
grünes Projekt, ein Ausfluss der Hartz-IV-Reform, in der
letzten Legislaturperiode verabschiedet.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Nun zurück in die Gegenwart. Ihr vorliegender An-
trag fordert nun die Aussetzung dieses Verfahrens. Uns
Liberalen ist die Kritik an dem Projekt hinsichtlich der
Kosten und des übermittelten Datensatzumfangs be-
wusst. Der Nationale Normenkontrollrat hat auf Bitten
der beteiligten Ressorts ein Gutachten zu dem Verfahren
erstellt. Es wurde am 13. September 2010 vorgelegt. Das
Ergebnis ist bisher nicht zufriedenstellend. Eine Verbes-
serung im Kosten-Nutzen-Verhältnis für alle Beteiligten
wie Bürger, Unternehmen und Verwaltung muss ange-
strebt werden.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aussetzen!)


Das ist richtig. Natürlich darf die Belastung der öffentli-
chen Haushalte nicht ins Unermessliche steigen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Richtig!)


Besonders ernst nehme ich vor allem auch die Kritik
des Mittelstandes.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen stimmen Sie unserem Antrag zu!)


Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass dieser tat-
sächlich eine Erleichterung und eine Entbürokratisierung
durch das Verfahren erfährt. Der Mittelstand darf nicht
durch immer mehr bürokratische Hürden gehemmt wer-
den.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb: aussetzen!)


Zum Beispiel kann man die Effizienz des ELENA-Ver-
fahrens in wesentlichen Punkten erhöhen. In puncto Da-

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(C (D nschutz möchte ich darauf aufmerksam machen, dass ie vorliegenden Bedenken zuerst von meiner Fraktion eäußert wurden. Der Beschluss des Bundesverfasungsgerichts vom 14. September 2010 gibt mir recht, enn ich dazu rate, das Kind jetzt nicht mit dem Bade uszuschütten; enn hier wurde ein Eilantrag von fünf Beschwerdeführn auf eine einstweilige Anordnung zur Aussetzung es ELENA-Gesetzes abgelehnt. (Beifall bei der FDP – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Eilbedürftigkeit!)


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jawohl!)


Eines ist klar: Das von Ihnen in der Vergangenheit als
eutsches Vorzeigeprojekt zum Bürokratieabbau darge-
tellte ELENA-Verfahren haben wir mit großen Mängeln
bernehmen müssen. Die Inhalte der Datenübermittlung
urden durch Sie im Leistungsgesetz verankert. Jetzt so

u tun, als ob man nicht beteiligt gewesen sei, ist doch
chon fast bigott.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


amentieren und Forderungen nach schlichter Abschaf-
ng helfen hier nicht weiter.

ELENA kann einen Beitrag zur Entbürokratisierung
isten. Das ist richtig. Wir werden ELENA prüfen, kor-
gieren und hübsch schlank auf den Laufsteg schicken.
ren Antrag lehnen wir ab.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die hübsche, schlanke ELENA! Das Bild gefällt mir!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706233000

Die Kollegin Doris Barnett hat nun für die SPD-Frak-

on das Wort.


Doris Barnett (SPD):
Rede ID: ID1706233100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

er Antrag der Grünen ist eigentlich längst überholt.
as wissen Sie, und es ist schade, dass Sie ihn nicht zu-
cknehmen. Der Antrag ist wahrscheinlich dem Hype

eschuldet, den die Datensammelwut, die im Zusam-
enhang mit der Telefonüberwachung zu beobachten
ar, verursacht hat. Nach dem Beschluss des Bundes-
erfassungsgerichts dachte man: ELENA sammelt ja
uch. Was liegt da näher, als es gleich mitzukassieren.
abei ist ELENA die Fortsetzung eines Datensammel-
erfahrens der Datenerfassungs- und -übermittlungsver-
rdnung aus dem Jahr 1998/99, an dem Sie von der jetzi-
en Regierung sogar beteiligt waren. Es wurde nur
rtgesetzt, weil man auf die Daten, die man für die
rankenversicherung, für die Rentenversicherung und
ie Finanzverwaltung braucht, aufbaute. Man hat
LENA genommen; denn man braucht ein paar Daten
ehr, um Arbeitsbescheinigungen oder auch Nachweise
r das Wohngeld oder für das Kindergeld zu erstellen.





Doris Barnett


(A) )


)(B)

Auch der Vorwurf der FDP, dass von diesem Verfah-
ren vor allem die kleinen Unternehmen betroffen sind,
zieht nicht; denn schon seit dem 1. Januar 2006 müssen,
wie Sie, Frau Bögel, eben zu Recht gesagt haben, alle
Betriebe die Daten ihrer Mitarbeiter melden, auch die
kleinen Unternehmen, zum Beispiel die Gaststätten, die
nur einen Mitarbeiter auf 400-Euro-Basis beschäftigen.
Jetzt wird im Zusammenhang mit ELENA verlangt, dass
zusätzlich ein paar spezielle Daten gemeldet werden,
aber nicht an die Krankenversicherung, sondern an eine
separate Stelle, bei der die Daten getrennt zu erfassen
sind.

Bei den Krankenversicherungen ist es bisher übrigens
nicht zu Verstößen gegen das Datenschutzgesetz gekom-
men. Millionen und Abermillionen Daten werden dort
seit Jahren gesammelt. Trotzdem kam es noch nie zu ei-
nem Verstoß gegen das Datenschutzgesetz oder einem
sonstigen relevanten Vorfall im IT-Sicherheitsnetz.
Wenn der Datenschutzstandard und der IT-Sicherheits-
standard sehr hoch ist, warum glauben trotzdem ausge-
rechnet die Grünen, dass im Zusammenhang mit
ELENA jetzt plötzlich ein Problem auftritt? Wo soll das
Problem denn herkommen? Glauben Sie, dass man bei
ELENA andere, weniger gute Sicherheitsstandards ein-
setzen wird?

ELENA darf nicht einfach auf den bestehenden Da-
tenspeicher bei der Krankenversicherung zugreifen, son-
dern braucht – das habe ich schon gesagt – einen ge-
trennten Datenspeicher, die zentrale Speicherstelle, die
jetzt aufgebaut wird. ELENA basiert auf den Datensät-
zen für die Rentenversicherung, braucht aber ein paar
zusätzliche Daten.

Sie von den Grünen sagen, dass dort ein Übermaß an
Daten vorliegt und dieses begrenzt werden solle. Ich
weiß bis heute nicht, wo Sie das Übermaß sehen und was
begrenzt werden soll. Anfang des Jahres haben Sie ge-
sagt, dass Daten zu Streikzeiten und Parteizugehörigkeit
gesammelt würden. Solche Aussagen schwirren da
durch die Luft. Angeblich würde auch die Gewerk-
schaftszugehörigkeit notiert. Wenn Sie sich das genau
anschauen, werden Sie feststellen, dass das alles Unsinn
ist. Die Streikdaten sind raus. Es wird nicht notiert, ob
jemand gestreikt hat. Das wissen Sie auch. Notiert wird
die Zeit, in der kein Geld fließt. Der Grund dafür kann
natürlich in der Tat ein Arbeitskampf sein. Das kann
aber genauso gut ein unbezahlter Urlaub sein. Die Ar-
beitsverwaltung muss solche Daten aber wissen, wenn
sie auf Basis dieses Datensatzes später zum Beispiel das
Arbeitslosengeld berechnen soll.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben den Antrag nicht gelesen!)


Diese Daten muss sie auch heute schon kennen.

Nebenbei bemerkt, damit wir uns recht verstehen:
Nach wie vor sind zusammen mit dem Datensatz, der an
die gesetzliche Krankenkasse zu übermitteln ist, Arbeits-
kampfzeiten von mehr als einem Monat zu melden.
Diese Vorgabe ist bisher nicht entfernt worden. Das steht
da noch. Bei ELENA hingegen hat man das bereinigt.

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(C (D ort wird das nur als Zeit notiert, in der kein Geld fließt. as ist der große Unterschied, wenn Sie so wollen. Das hat man im Dezember berichtigt, noch bevor Sie ren Antrag gestellt haben. Deswegen bin ich ein Stück eit entsetzt. Sie machen die Leute draußen verrückt. ie wundern sich, was da für ein Bohei betrieben wird, agen sich, was alles an Daten gesammelt wird, obwohl as hinten und vorne nicht stimmt. Es wird auch nichts hne Wissen der Beschäftigten an ELENA, die zentrale peicherstelle, gemeldet. Im Gegenteil: Auf den Gealtsbescheinigungen wird jetzt darauf hingewiesen, ass diese Daten weitergemeldet werden. Das müssten ie eigentlich schon bemerkt haben. Die Datenbank, die zentrale Speicherstelle, wird jetzt rst einmal aufgebaut. Sie braucht natürlich ziemlich iele Daten, da man vor allem auf Daten zurückgreifen uss, die sich auf einen längeren Zeitraum beziehen. chon heute ist es so: Für die Berechnung des Arbeitsloengeldes benötigt man Daten, die sich auf einen längen Zeitraum erstrecken. Genau diese Daten werden an ie zentrale Speicherstelle übermittelt. Es wird dort nicht ehr gesammelt als das, was bisher schon beim Arbeit eber bzw., wenn es ein kleinerer Arbeitgeber ist, bei essen Steuerberater gesammelt wird. Deswegen kann h immer noch nicht nachvollziehen, wo Sie hier die roße Gefahr sehen. Mich verblüfft, dass Sie gar keine Bedenken haben, ass der Arbeitgeber jede Menge Daten sammelt – auf elche Art auch immer, elektronisch, in Papierform oder onst wie – oder auch der Steuerberater, zu dem der Areitnehmer ja gar kein Verhältnis hat und zu dem er auch icht gehen kann, um zu gucken, was für Daten er von m sammelt und speichert. Im Gegensatz dazu kann an sehr wohl bei der zentralen Speicherstelle mit der hipkarte die eigenen Daten abrufen. Es gibt bei ELENA eine extrem hohe Sicherheit, weil ine getrennte Speicherung und eine anonymisierte Verchlüsselung erfolgen, das Vier-Augen-Prinzip eingehaln wird und eine revisionssichere Protokollierung von ugriff und Löschung vorgenommen wird. Alles das, as uns das Bundesverfassungsgericht im Urteil über ie Telefonüberwachung ins Stammbuch geschrieben at, wird bei ELENA beachtet. Mehr noch: ELENA ist, enn Sie so wollen, fast die Blaupause dafür, wie man ukünftig arbeitet. In ELENA wird auch alles – so wie es die Gesetze orsehen – wieder gelöscht. Zum Beispiel werden die aten, die man braucht, um eine Bescheinigung für ohngeld auszustellen, nach einem Jahr gelöscht. Die aten, die man braucht, um Arbeitslosengeld zu beantraen, werden gelöscht, wenn sie vier Jahre alt sind. Sie rauchen da also keine Bedenken zu haben. Deswegen ann ich Sie nur nochmals auffordern: Überlegen Sie, ob ie uns allen hier, aber besonders den Menschen draußen irklich einen Gefallen tun, wenn Sie so tun, als hätten ir hier ein Ungeheuer losgelassen; denn das Gegenteil t der Fall. Seit 1. Januar dieses Jahres sind über 250 Millionen atensätze im Rahmen von ELENA verarbeitet worden. Doris Barnett )





(A) )

Das entspricht ungefähr 70 Prozent der Sollmenge. Die
meisten kleinen Betriebe machen mit. Nur die großen
machen seltsamerweise Probleme. Da es ein vernünfti-
ges Verfahren ist und es hilft, Bürokratie einzusparen,
kann ich Sie nur nochmals auffordern: Überlegen Sie
sich, ob die Forderungen Ihres Antrages nicht längst er-
füllt sind, Ihr Antrag also überholt ist und Sie ihn deswe-
gen zurücknehmen sollten.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706233200

Nächster Redner ist der Kollege Andreas Lämmel für

die CDU/CSU-Fraktion.


Andreas G. Lämmel (CDU):
Rede ID: ID1706233300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Wenn man zu so später Stunde über ELENA
spricht, hat man sicherlich eine andere Vorstellung, als
sich um trockenen Datentransfer kümmern zu müssen.

Das primäre Ziel von ELENA – das haben wir heute
schon mehrfach gehört – ist ja, Wirtschaft, Bürger und
letztlich auch die Verwaltung von bürokratischen und fi-
nanziellen Belastungen zu befreien. Es geht darum, Pa-
pier einzusparen, das heißt, eine papierlose Verwaltung
einzuführen.

Am 1. Januar dieses Jahres wurde das Projekt gestar-
tet. Die Grünen fanden das wahrscheinlich sehr aufre-
gend; denn sie haben bereits am 9. Februar, also nicht
einmal sechs Wochen nach Einführung des Projektes, ei-
nen Antrag darauf gestellt, das Projekt auszusetzen.

Meine Damen und Herren, warum brauchen wir ei-
gentlich ELENA? Man muss sich die Zahlen noch ein-
mal vergegenwärtigen. Nach Schätzungen werden im
Jahr ungefähr 60 Millionen papierene Bescheinigungen
ausgestellt. Das ist eine gewaltige Zahl. Angesichts die-
ses Wusts an Papieren geht es darum, erstens die Erstel-
lung und zweitens auch die Ausstellung der Bescheini-
gungen deutlich zu vereinfachen.

Zwischen der elektronischen Personalverwaltung, die
heute in der Wirtschaft eigentlich gang und gäbe ist, und
der elektronischen Sachbearbeitung bei den Behörden
klafft einfach eine Lücke; da wird noch Papier beschrie-
ben.

Neben der grundsätzlichen Zustimmung zum
ELENA-Projekt seitens der großen Wirtschaftsverbände
– DIHK, ZDH, ZKA und BDA – und größtenteils auch
der Wirtschaft selbst ist das ELENA-Verfahren seit In-
krafttreten in der Öffentlichkeit auch kritisiert worden,
und das am Anfang sicherlich auch zu Recht. Der Deut-
sche Gewerkschaftsbund, der DGB, hat sich über Dinge
aufgeregt, die der damalige Arbeitsminister Scholz in
das ELENA-Verfahren eingebracht hat und die niemand
wirklich wollte. Auch vom Bund der Steuerzahler und
von der Bundessteuerberaterkammer gab es immer wie-
der Hinweise zu dem Verfahren. Die Hauptkritikpunkte
waren erstens die Verfassungsmäßigkeit, zweitens die
mangelnde Verbreitung der sogenannten Signaturkarten,
drittens die nicht ausreichende Verfügbarkeit entspre-
chender Lesegeräte, viertens der Umfang des zu über-

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(C (D ittelnden Datensatzes und schließlich fünftens die zuätzliche Belastung für Kleinstund Kleinunternehmen. Zur Verfassungsmäßigkeit kann man sagen: Die Stelngnahmen des Bundesjustizministeriums, des Bundesirtschaftsministeriums und des Bundesinnenministeums besagen ganz klar, dass das Programm ELENA en verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Zu den Signaturkarten. Die sogenannte qualifizierte lektronische Signatur ist ein Verfahren, welches techisch beherrschbar und allen bereits bekannt ist. Man etzt es schließlich im Bankenverkehr bereits teilweise in. Es hat aber in Deutschland bisher zu wenig Verbreing gefunden. Die Nachfrage ist gering, weil der Bedarf anz einfach fehlt. Durch das Projekt ELENA würde der edarf einer elektronischen Signaturkarte notwendig. Zu den Kartenlesegeräten. Sie sind nicht in dem erforerlichen Umfang vorhanden. Es gibt mittlerweile aber tandardisierte einfache Kartenlesegeräte. Wenn es in eutschland endlich den elektronischen Personalauseis gäbe, dann würden solche Lesegeräte ausreichen, m den Nutzer bzw. den Antragsteller klar zu identifizien. Zum Umfang der zu erhebenden Daten. Man kann narlich darüber streiten, ob Streiktage oder ähnliche inge in die Datensätze aufgenommen werden sollen. an muss fairerweise aber sagen: Schon im März dieses ahres wurde der Datensatz auf die wichtigen Punkte reuziert. Zur Belastung der Kleinstund Kleinunternehmen. ierüber kann man sich sicherlich streiten. Ich werde azu auch noch etwas sagen. Vorweg: Ein Verfahren, das eu eingeführt wird, macht natürlich immer erst einmal rbeit. Die Unternehmer beschweren sich, dass der Staat mer mehr die Erledigung von Abrechnungen oder Be chterstattung von den Betrieben einfordert. Dieser Aufand muss natürlich von den Unternehmen getragen erden. Das ist bei der Einführung solcher Projekte einch so. Wichtig ist nur, dass die Einführung gut vorbeitet wird. Das war wahrscheinlich in diesem Fall nicht nbedingt gegeben. Der Normenkontrollrat hat noch einmal deutlich geacht, dass es wichtig ist, nicht nur die gegenwärtigen nf Bescheinigungen in das System einzubeziehen. Es t wichtig, weitere Bescheinigungen aufzunehmen. er Normenkontrollrat spricht von Einsparungen an ürokratiekosten in Höhe von 85 Millionen Euro. Laut ormenkontrollrat kann die Wirtschaft mit jeder zu ätzlich einbezogenen Bescheinigung insgesamt 5 Milonen Euro an Bürokratiekosten einsparen. So weit zur heorie. Jetzt zur Praxis. Ich habe bei uns in Sachsen eine Tefonumfrage durchgeführt. In den letzten zwei Tagen abe ich Unternehmen verschiedener Größen angerufen nd gefragt: Wie läuft es bei euch mit ELENA? Bechwert euch das? Was ist damit? Hier ist das Ergebnis: wei Unternehmen wussten gar nichts davon. Sie haben esagt, dass sie ihre gesamte Lohnabrechnung ausgelaert haben. Das machen andere Unternehmen. Pro Kopf ird dann eine bestimmte Summe entrichtet. Diese Unter Andreas G. Lämmel )





(A) )

nehmen haben es daher bisher gar nicht gespürt. Von ei-
nem Unternehmen mit knapp 800 Mitarbeitern wurde ge-
sagt: Die ganze Sache hat uns große Mühe gemacht, weil
schon die Implementierung der EDV aufwendig ist. – Wir
wissen auch, dass die ersten Versionen der Software
nicht so gut waren und nicht so gut funktioniert haben.
Hinzu kommt, dass die Datensätze auch erst einmal ein-
gegeben werden müssen.

Als ich bei der Kammer und bei einem Wohnungsun-
ternehmen angerufen habe, sagte man mir: Ja, es gab
Aufwendungen. – Die Kosten der Implementierung der
Software betrugen 10 000 bis 15 000 Euro. Aber mittler-
weile ist das Verfahren in Gang gekommen.

Zum Antrag der Grünen kann man nur sagen: Er ist
völliger Quark, weil er sehr veraltet ist. Er stammt vom
März dieses Jahres. Die Welt hat sich mittlerweile wei-
tergedreht. Wir sagen ganz klar: Kein Aussetzen von
ELENA. Das fordern auch die Unternehmer. Sie fragen
uns: Was soll denn das? Wenn ihr ELENA jetzt aussetzt,
bleiben wir auf allem sitzen; das Verfahren läuft nicht
weiter, und der ganze Aufwand war umsonst. Wir brau-
chen Planungssicherheit und Verlässlichkeit politischer
Entscheidungen.

Die Softwareprobleme müssen zügig beseitigt wer-
den; das ist ganz wichtig, um die Akzeptanz zu erhöhen.
Außerdem müssen wir die Datensätze daraufhin durch-
forsten, ob alle derzeit vorhandenen Daten tatsächlich
notwendig sind.

Ich fasse zusammen: Die wichtigsten Punkte im An-
trag der Grünen sind schon lange erledigt. Insofern kann
ich Ihnen nur empfehlen, Ihren Antrag zurückzuziehen.
Ansonsten müssten wir ihn leider ablehnen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Für das „leider“ danken wir Ihnen!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706233400

Für die Fraktion Die Linke hat nun das Wort der Kol-

lege Jan Korte.


(Beifall bei der LINKEN)



Jan Korte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706233500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Da heute recht viele Innenpolitiker anwesend sind, will
ich folgende Bemerkung machen: Das, was heute in
Stuttgart abgelaufen ist, ist dermaßen unglaublich, dass
wir als Linksfraktion soeben für morgen früh eine Son-
dersitzung des Innenausschusses beantragt haben. Es ist
notwendig, dass diesem Antrag alle Fraktionen zustim-
men.


(Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär: Was hat das mit ELENA zu tun?)


Ich hoffe, dass Sie das tun werden. Nach Agenturmel-
dungen war übrigens auch die Bundespolizei in die Ge-
schehnisse verwickelt.

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(C (D (Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär: Hat das etwas mit ELENA zu tun, Frau Präsidentin?)


enn man sich die entsprechenden Bilder ansieht, muss
an sagen: Da es sich bei Stuttgart 21 um ein Bundes-

rojekt handelt, ist es in der Tat dringend notwendig,
ass wir uns morgen damit befassen, was heute in Stutt-
art abgelaufen ist.


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Thema
LENA. Wir haben vor einigen Monaten über das Urteil
es Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeiche-
ng gesprochen. Das Bundesverfassungsgericht hat uns

en Auftrag gegeben, in uns zu gehen und uns eine an-
ere Lösung zu überlegen, weil man es so wie bisher
icht machen kann. Heute diskutieren wir über ELENA,
as nichts anderes ist als eine gigantische Vorratsspei-

herung sensibelster Sozialdaten. Das ist im Kern das
roblem, um das es geht. Deswegen ist der Antrag der
rünen mitnichten veraltet, sondern er ist aktueller denn
, insbesondere im Hinblick auf Hartz IV.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Hauptproblem ist, dass sensibelste Daten zentral
espeichert werden. Das ist unverhältnismäßig und stellt
ine große Gefahr für die Rechte von Arbeitnehmerin-
en und Arbeitnehmern dar. Zuerst wird gesagt: Die Da-
n werden nur zum Zwecke der Leistungsberechnung
espeichert. – Diese Argumentation kennen wir. Später
eißt es dann: Wenn wir die Daten schon haben, können
ir sie auch für die Strafverfolgung, für die Steuerfahn-
ung etc. etc. zur Verfügung stellen. – So fängt es immer
n. Das Kernproblem ist: Wenn diese Daten zentral ge-
peichert sind, werden Begehrlichkeiten geweckt, wer-
en Persönlichkeitsprofile entwickelt. Das darf nicht
ein, nicht bei solch sensiblen Daten.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zum zweiten Punkt, den ich ansprechen will. Über
as Kernproblem der ganzen Debatte haben wir bisher
och zu wenig diskutiert. Es geht um die Frage: Warum
rauchen wir, wenn es um die Berechnung von Leistun-
en geht, die den Bürgerinnen und Bürgern zustehen, ei-
entlich diese immense Zahl hochsensibler Daten? Wa-
m müssen wir all diese Daten erheben? Hartz IV ist

icht nur Armut per Gesetz, sondern auch Demütigung
er Gesetz, weil die Betroffenen all diese Daten offenle-
en müssen. Wir brauchen eine Reduzierung der Sozial-
aten und keine zentrale Speicherung.


(Beifall bei der LINKEN)


Interessant ist auch, was für ein Kuddelmuddel bei
er FDP herrscht. Herr Brüderle sagt auf einmal:
LENA ist zu teuer und bringt zu viel Bürokratie mit
ich, und man sollte es vielleicht aussetzen.


(Claudia Bögel [FDP]: Das ist doch gar nicht wahr!)


ußerdem habe ich gehört, dass Frau Merkel,





Jan Korte


(A) )


)(B)


(Claudia Bögel [FDP]: Frau Merkel ist nicht in der FDP!)


die sich nach fünf Jahren endlich entschieden hat, jetzt
entscheiden zu wollen, gesagt hat: Vielleicht braucht
man ein Moratorium für ELENA. Weil die Wirtschaft
Ärger macht und weil die Datenschützer Ärger machen,
sollte man darüber einmal nachdenken.

Wenn sie tatsächlich eine Entscheidung treffen wollte,
dann müsste sie entscheiden, dass ihre Fraktion dem An-
trag der Grünen zustimmt. Der Antrag ist nämlich rich-
tig. Außerdem wäre das eine wirkliche Entscheidung.
Ich würde sogar sagen: Man muss darüber hinausgehen.
Wir brauchen nicht nur ein Moratorium für ELENA,
sondern wir brauchen auch ein Moratorium für sämtliche
datenschutzrelevanten elektronischen Großprojekte, die
noch auf Eis liegen oder in Arbeit sind. Es ist Zeit dafür.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich komme zum Schluss. Ich habe schon darauf hin-
gewiesen, dass die Kernfrage lautet: Wofür brauchen wir
diese Daten eigentlich? Der Antrag der Grünen ist, wie
gesagt, richtig. Er wurde gerade noch rechtzeitig vorge-
legt. Wir sollten ELENA jetzt stoppen. Es wäre auch aus
wirtschaftlichen Erwägungen – ich dachte immer, dies
sei ein Hauptthema der FDP; ein anderes haben Sie ja
nicht mehr –, und zwar gerade für die kleinen und mittel-
ständischen Unternehmen, von enormem Vorteil, wenn
wir das gesamte Projekt aussetzen würden, und zwar so-
wohl aus Datenschutz- als auch aus Wirtschaftlichkeits-
erwägungen. Deswegen sollten wir ELENA ohne Wenn
und Aber stoppen und in Zukunft – wir sind gerade in
den Haushaltsberatungen – keine Gelder für einen
Quatsch versenken, den kein Mensch braucht, der in die
Grundrechte eingreift und der nach dem Urteil des Bun-
desverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung all
das, was uns aufgetragen wurde, schlicht nicht beachtet.
Deswegen stimmt die Linke dem Antrag selbstverständ-
lich zu.

Schönen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706233600

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

Konstantin von Notz für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Es ist eine fröhliche Debatte – wenn ich das ein-
mal so sagen darf –, wenn ich den Kolleginnen und Kol-
legen von SPD, CDU/CSU und FDP sagen kann: Es
lohnt sich, den Antrag einmal zu lesen, anschließend, da
die Debatte zum ersten Mal im März erfolgt ist, einmal
zu gucken, was über das Jahr hinweg eigentlich passiert
ist, und dann, wenn die Debatte noch einmal ansteht, die
Rede tatsächlich neu zu schreiben. Das hilft. Sonst er-
zählt man nämlich das, was man schon vor Monaten er-

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(C (D ählt hat und was inzwischen längst überholt und falsch t. Es geht um ELENA. ELENA ist das größte Datenammelprojekt, das es jemals in der Geschichte der Bunesrepublik Deutschland gegeben hat und das ursprüngch durchaus ehrbaren Zielen dienen sollte, nämlich der ntbürokratisierung und dem Schutz von Interessen. (Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Sie haben es doch in Gang gesetzt!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Genau, weil es ehrbaren Zielen dienen sollte. – Aber
ute Ideen kann man auch schlecht machen. Das haben
ie in der Großen Koalition – bedauerlicherweise ist von
er SPD kaum jemand mehr da – leider schlecht ge-
acht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ELENA ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Trotz aller
edenken ist die entsprechende gesetzliche Grundlage
m 1. Januar in Kraft getreten. Seither hat die Kritik
tark zugenommen. Wir müssen ELENA aus Gründen
es Datenschutzes, der Mittelstandsentlastung und auf-
rund der enormen Kosten für die Verwaltung sofort
ussetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Als wir hier den Antrag meiner Fraktion aus dem Fe-
ruar, also vor der Entscheidung des Bundesverfas-
ungsgerichts, zum ersten Mal debattiert haben, gab es
ie heute Befürworter aus den Fraktionen der CDU/
SU, der FDP und der SPD. Sie haben wie heute das Da-
nsammeln, Speichern und Verwalten via ELENA vehe-
ent gelobt. Es war zu hören: ELENA ist ein Signal für
novationen und erfüllt höchste Sicherheitsstandards. –
ber inzwischen gab es die Entscheidung des Bundes-
erfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung. Seither
ind bis zu diesem Tage eigentlich nur Kritiker von
LENA unterwegs gewesen, übrigens auch aus Ihren
raktionen. Jetzt ist leider auch Frau Piltz nicht mehr da.
ie gehört auch dazu.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Doch, sie ist da!)


Ich habe Sie übersehen. Verzeihung!

Ich nenne sie Ihnen einmal: den Bundesdatenschutz-
eauftragten Peter Schaar, den ehemaligen Bundesin-
enminister Baum, die Kolleginnen und Kollegen der
oalition Piltz, Ahrendt und Philipp, die Bundesjustiz-
inisterin, den Bundeswirtschaftsminister und selbst die
undeskanzlerin – sie alle haben sich öffentlich sehr kri-
sch zu ELENA geäußert und ein Moratorium gefordert.
enau dieses Moratorium beantragen und fordern wir

eit Februar. Es liegt Ihnen heute zur Abstimmung vor.

Stellvertretend für alle Kritiker möchte ich hier den
ollegen Hans-Peter Uhl zitieren, der im April erklärt
at – er ist leider nicht hier –, bei ELENA handele es
ich um eine Art der Vorratsdatenspeicherung, die weit
ber die nicht minder umkämpfte verdachtsunabhängige





Dr. Konstantin von Notz


(A) )


)(B)

Protokollierung von Telekommunikationsdaten hinaus-
gehe.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hat er auch mal einen lichten Moment gehabt! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Selbst der Uhl!)


– Da hat der Kollege Uhl einen lichten Moment ge-
habt. – Er ergänzt noch, es liege ihm am Herzen, auf ei-
nen „Wertungswiderspruch“ hinzuweisen. So habe das
Bundesverfassungsgericht das Gesetz zur Vorratsdaten-
speicherung im Telekommunikationssektor gekippt, ob-
wohl es dort „um vergleichsweise harmlose Daten“
gehe. Demgegenüber würden bei ELENA „deutlich sen-
siblere“ Informationen etwa über Einkommen, Fehlzei-
ten oder Kündigungen gesammelt, und dies zum Zweck
des Bürokratieabbaus, der ein minderes Rechtsziel dar-
stelle. – Das sind wahre Worte, gelassen ausgesprochen
vom Kollegen Uhl. Da dürfen Sie ruhig klatschen, er ist
nämlich ein Fraktionskollege.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen wir dieses Mal! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das erste Mal! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er kann sich ja nicht wehren!)


In der Tat stellt sich die Frage – um auf die Äußerun-
gen der Kollegin Barnett einzugehen, die auch nicht
mehr da ist –, ob eine anlasslose, zentrale und massen-
hafte Speicherung von sensibelsten Daten zum Zweck
des Bürokratieabbaus legitim sein kann, wenn das Ver-
fassungsgericht eine solche Datensammlung selbst für
höchste Rechtsgüter wie den Schutz von Leib und Leben
für verfassungswidrig erklärt hat.

Zum Bürokratieabbau, dem Sie hier Lobgesänge wid-
men, kommt es eben nicht. Nach einem Gutachten des
Nationalen Normenkontrollrates sind bei der Umsetzung
von ELENA für die öffentliche Hand bis zu achtmal hö-
here Kosten als geplant zu erwarten. Auch für kleine und
mittlere Betriebe gibt es erhebliche Mehrkosten, die so
nicht eingeplant waren.

Hinzu kommt noch, dass ELENA gegen fundamen-
tale Datenschutzgesetze verstößt. Bezüglich der über-
mittelten Daten, die alle seit dem 1. Januar 2010 an die
Zentrale Sammelstelle gesandt werden, gibt es bis 2012
keinen Auskunftsanspruch. Bis 2012 können Sie also
nicht erfahren, was Ihr Arbeitgeber dahin übermittelt.
Das ist ein klarer Verstoß gegen das Bundesdatenschutz-
gesetz und das Recht auf informationelle Selbstbestim-
mung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706233700

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

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(C (D Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Sehr gerne. – Ich komme zum Schluss. Manchmal

oll es Regierungsfraktionen ja schwerfallen, aus Grün-
en der Fraktions- oder Regierungsdisziplin sinnhaften
nträgen der Opposition nicht zustimmen zu können.
arum geht es heute aber nicht. Heute geht es darum,
ass Ihnen gar nichts anderes übrig bleibt, als zuzustim-
en, wollen Sie nicht sich selbst, Ihre Ministerinnen und
inister und Ihre Kanzlerin im Bereich des Datenschut-

es der totalen Lächerlichkeit preisgeben. Wir werden
as Abstimmungsverhalten genau verfolgen.

Ganz herzlichen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jan Korte [DIE LINKE] – Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Wollen Sie eine namentliche Abstimmung?)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706233800

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Be-
chlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und
echnologie zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
rünen mit dem Titel: „ELENA aussetzen und Daten-
bermittlung strikt begrenzen“.

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
ng auf Drucksache 17/1553, den Antrag der Fraktion
ündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/658 abzuleh-
en. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Piltz nicht!)


er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss-
mpfehlung ist damit mit den Stimmen der Koalitions-
aktionen bei Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/
ie Grünen und der Fraktion Die Linke und bei Enthal-
ng der SPD-Fraktion angenommen.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stär-
kung des Schutzes von Vertrauensverhältnis-
sen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht

– Drucksache 17/2637 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich sehe,
amit sind Sie einverstanden. Dann können wir so ver-
hren.

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat
err Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Max Stadler
r die Bundesregierung das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)







(A) )


)(B)

D
Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1706233900


Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Folgender Fall hat sich tatsächlich zugetragen:
Das Opfer einer schweren Straftat, nämlich einer Entfüh-
rung, hat einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner In-
teressen beauftragt. Daraufhin sind die Telefone dieses
Anwalts – sowohl die in der Kanzlei als auch das Mobil-
telefon – durch gerichtlichen Beschluss überwacht wor-
den.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Erst das Bundesverfassungsgericht hat diese Überwa-
chungsmaßnahme aufgehoben.

Immerhin wurde den Karlsruher Richtern durch die-
sen unglaublichen Vorgang die Gelegenheit geboten, in
dem Beschluss vom 30. April 2007 – ich zitiere – „die
herausgehobene Bedeutung einer nicht-kontrollierten
Berufsausübung eines Rechtsanwalts zum Schutz des
Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant“
hervorzuheben.

Meine Damen und Herren, über diese Bedeutung des
Schutzes des Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant
und Anwalt sind wir uns alle hier im Hohen Haus sicher
einig. Es war ja auch mit § 160 a Abs. 1 StPO der Ver-
such unternommen worden, dieses Vertrauensverhältnis
vor staatlichen Eingriffen zu schützen. Aber die bishe-
rige Regelung ist nach unserer Auffassung unzurei-
chend. Das korrigieren wir jetzt. Mit dem vorliegenden
Gesetzentwurf unternehmen wir einen wichtigen Schritt
zur Stärkung der Bürgerrechte.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sorgen dafür, dass in Zukunft wieder alle Rechts-
anwälte und nicht alleine die Strafverteidiger glei-
chermaßen vor heimlichen Ermittlungsmaßnahmen des
Staates geschützt werden. Damit stärken wir das Ver-
trauensverhältnis zwischen Mandanten und Anwälten,
und wir stärken zugleich das Vertrauen der Bürgerinnen
und Bürger in den freiheitlichen Rechtsstaat.


(Beifall bei der FDP)


Die Koalition setzt damit ein wichtiges Vorhaben aus
ihrem Regierungsprogramm um. Für mich ist das prakti-
zierte Bürgerrechtspolitik. Wir erfüllen damit das Ver-
sprechen, das ungestörte Vertrauensverhältnis zwischen
Anwälten und Mandanten als das Fundament jeder an-
waltlichen Tätigkeit besonders anzuerkennen.

Was war unzureichend am bisherigen § 160 a StPO?
Er erstreckte diesen Schutz nur auf das Verhältnis von
Mandanten zu Strafverteidigern. Es ist aber nicht einzu-
sehen, dass dieser Schutz nicht gleichermaßen für das
Vertrauensverhältnis der Bürger zu einem Anwalt gelten
soll, den sie beispielsweise mit der Wahrnehmung zivil-
rechtlicher Aufgaben oder in sozialrechtlichen Fällen
oder verwaltungsrechtlichen Fällen oder womit auch im-
mer betrauen.

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(C (D Deshalb werden in Zukunft nach unserem Gesetzenturf alle Rechtsanwälte den gleichen absoluten Schutz § 160 a Abs. 1 StPO bekommen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sofern also nicht gegen Anwälte wegen eines Tatver-
achts selbst ermittelt wird, dürfen Angehörige der An-
altschaft und der anderen genannten Berufsgruppen
icht zum Objekt strafrechtlicher Ermittlungen werden,
enn dadurch Informationen erlangt würden, die von ih-
m Zeugnisverweigerungsrecht umfasst sind.

Eine Telefonüberwachung, wie ich sie in dem Ein-
angsbeispiel geschildert habe, oder eine längerfristige
bservation – um nur zwei Beispiele zu nennen – sind in
ukunft in diesen Fällen nicht mehr zulässig.

Die bisherige Regelung, die wir vorgefunden haben,
ar auch völlig praxisfremd. Denn es ist in der Praxis
eine Seltenheit, dass andere Rechtsgebiete immer wie-
er mit strafrechtlichen Fragen in einem Zusammenhang
tehen. So kann eine Beratung, die ein Anwalt in einer
ivilrechtlichen oder einer steuerrechtlichen Angelegen-
eit durchführt, durchaus ergeben, dass auch eine Straf-
erteidigung nötig wird. Aus diesem Grund hat die bis-
erige Regelung auch aus Praktikabilitätserwägungen zu
echt die Kritik der Anwaltschaft gefunden.

Dass diese Kritik heutzutage weitverbreitet ist, zeigte
brigens jüngst eine Entschließung des Bundesrats. Der
undesrat hat nämlich zu § 20 u des BKA-Gesetzes, des
esetzes über das Bundeskriminalamt, festgestellt, dass

uch dort dieselbe nicht nachvollziehbare Unterschei-
ung wie in der bisherigen Vorschrift des § 160 a StPO
nthalten sei, und hat uns aufgefordert, diese Unterschei-
ung auch dort zu beseitigen.

Meine Damen und Herren, wir sind bereit, diesen
orschlag des Bundesrats zu prüfen, genauso wie wir
uch prüfen wollen, ob nicht weitere Berufsgeheimnis-
äger, die bislang nur einen relativen Schutz genießen,
§ 160 a StPO besser geschützt werden sollen, zum
eispiel Steuerberater, Notare oder Ärzte.

Ich freue mich, dass es mit dem heutigen Gesetzent-
urf möglich ist, eine Vereinbarung, die CDU/CSU und
DP im Koalitionsvertrag getroffen haben, umzusetzen.
ies ist ein Projekt zum besseren Schutz der Bürger-
chte. Ich hoffe darauf, dass wir dafür die breite Unter-

tützung des Hauses finden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706234000

Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege

r. Peter Danckert.


(Beifall der Abg. Petra Ernstberger [SPD])



Dr. Peter Danckert (SPD):
Rede ID: ID1706234100

Nicht zu viel Beifall. – Frau Präsidentin! Meine Da-

en und Herren Kolleginnen und Kollegen! Man muss
er FDP gratulieren. Sie haben sich in dem Koalitions-





Dr. Peter Danckert


(A) )


)(B)

vertrag in dieser jetzt hier zu behandelnden Materie
durchgesetzt und ein Versprechen eingelöst, mit dem Sie
in der Anwaltschaft kräftig geworben haben. Ich sage
das ohne jeden Neid. Ich erinnere mich nur – Herrn
Kauder wird es genauso gehen – an die Anhörungen im
September 2007 zum Telekommunikationsgesetz und an
die Beratungen im Parlament im November 2007, die
dann zu dem § 160 a StPO geführt haben. Ich weiß nicht,
ob der Kollege Sensburg auf das eingehen wird, was
seine Fraktion veranlasst hat, auf die Vorschläge der
FDP einzugehen.


(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Gern!)


Wenn wir uns die Entwicklung in dieser Zeit ansehen,
dann stellen wir fest, dass es damals eine heiße Debatte
über die Frage gab, wie weit der Geheimnisschutz gehen
soll und welche Personen betroffen sein sollen. Ur-
sprünglich war der § 53 a der StPO einschlägig, der
durch einen Änderungsantrag in den § 160 a übergegan-
gen ist. Das war richtig, weil das der eigentliche Ort war,
um die gesetzlichen Regelungen zu treffen. Herr Kauder
und ich – das gilt auch für unsere Fraktionen – waren
uns einig, wenn ich mich recht entsinne, dass der Schutz,
wie wir ihn in § 160 a Abs. 1 festgelegt hatten, ausrei-
chend sein würde. Als überzeugter Anwalt, der jetzt über
40 Jahre auf dem Buckel hat, muss ich sagen, dass es an
dieser Stelle problematisch ist, zwischen Strafverteidi-
gern einerseits und Rechtsanwälten andererseits zu un-
terscheiden. Herr Stadler hat schon ein Beispiel gegeben.
Man kann sich lebhaft vorstellen, dass in der Praxis ein
Gespräch mit einem normalen Rechtsanwalt, der Zivil-
sachen für einen Mandanten bearbeitet, unversehens in
ein Gespräch über einen strafrechtlichen Vorwurf mün-
den kann. Dann wird die Sache sehr problematisch, weil
der Zivilanwalt nicht der Strafverteidiger ist und durch-
aus Probleme entstehen könnten, die wir nur dadurch lö-
sen können – das ist auch die Auffassung meiner Frak-
tion –, dass wir eine Gleichstellung vornehmen und nicht
zwischen Strafverteidiger einerseits und Rechtsanwalt
andererseits unterscheiden.

Insofern trage ich als Anwalt aus Überzeugung, aber
nach intensiver Beratung auch meine Fraktion, diese Re-
gelung mit. Ich glaube, wir tun damit nicht nur der
Rechtsanwaltschaft insgesamt einen Gefallen, sondern
wir nivellieren einen Unterschied, der in der Praxis sehr
problematisch war. Wir dürfen aber nicht übersehen,
dass an dieser Stelle – wir werden sehen, wie sich die
Dinge entwickeln – auch der Grundsatz der effektiven
Strafverfolgung, der sich ebenfalls aus der Verfassung
ableiten lässt, unter Umständen berührt sein kann. Das
waren damals auch unsere Überlegungen. Wir werden
das sehr aufmerksam verfolgen.

Ich will die mir zustehende Redezeit nicht weiter aus-
nutzen, weil ich glaube, dass das Haus in dieser Thema-
tik wahrscheinlich einheitlich votieren wird. Auch die
Beratungen in den Ausschüssen werden daran nichts än-
dern. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und
lasse mir für das nächste Mal drei Minuten gutschreiben.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das wird nicht gehen, Herr Kollege!)




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(C (D Vielen Dank. (Beifall bei der SPD – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das mit dem Gutschreiben merke ich mir!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706234200

So einfach ist das dann doch wieder nicht.

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Patrick Sensburg
r die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Patrick Sensburg (CDU):
Rede ID: ID1706234300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen

nd Kollegen! Meine Damen und Herren! Das mit dem
utschreiben hätte mich mit meinen zwölf Minuten Re-
ezeit auch interessiert, aber ich habe gelernt, dass das
icht so einfach ist.

Es geht in dem vorliegenden Gesetzentwurf um die
tärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu
echtsanwälten in der Strafprozessordnung und damit
m die Erweiterung des Schutzes in einem besonderen
ereich der Berufsgeheimnisträger. Es handelt sich zwar
m einen nicht sehr groß gefassten Bereich, wie ich
leich aufzeigen werde, aber um einen Bereich, dessen
rgänzung sinnvoll ist. Es geht darum, den Unterschied
wischen Verteidiger und Rechtsanwalt in § 160 a der
tPO abzuschaffen.

In der letzten Legislaturperiode haben wir mit dem
160 a StPO den Unterschied dahin gehend ausgestal-
t, dass wir ein absolutes Erhebungs- und Verwertungs-
erbot unter anderem für den Bereich der Strafverteidi-
er und ein relatives Verbot von Maßnahmen gegenüber
echtsanwälten geregelt haben. Für Letztere greift
160 a Abs. 2 StPO und damit ein Erhebungs- und Ver-
ertungsverbot nach Maßgabe des Verhältnismäßig-
eitsgrundsatzes im Einzelfall. Es besteht also bereits
tzt ein Schutz für alle Berufsgeheimnisträger, nur eben
abgestufter Weise. Auf der einen Seite besteht er für
eistliche, wenn sie in der Seelsorge tätig sind, für Ver-
idiger und Abgeordnete; da gilt insoweit das absolute
rhebungs- und Verwertungsverbot. Auf der anderen
eite gilt für alle anderen Berufsgeheimnisträger der
irksame, aber relative Schutz. Es handelt sich folglich
m einen abgestuften Schutz der Vertrauensverhältnisse

anwaltlichen Bereich.

Es ist wohl schwerlich zu übersehen, dass man bei
trafverteidigern, die in der Beratung mit dem Mandan-
n strafrechtsrelevante Sachverhalte besprechen, eine

ndere Interessenlage hat als bei einem Rechtsanwalt,
er zum Beispiel auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
it seinem Mandanten diskutiert. Ich glaube, es ist klar

u erkennen, dass das der Grund der Differenzierung ge-
esen ist. Das ist auch nachvollziehbar. Der Übergang
om Anwalts- zum Verteidigermandat ist in der Praxis
ber oft fließend. Darum wollen wir eine Gleichstellung.
larheit und auch Sicherheit schaffen wir insoweit für
ie Rechtsanwälte. Aber das ist nicht nur für die Rechts-
nwälte wichtig, sondern auch für die Mandanten, die
en feinen Unterschied des Übergangs vom Rechtsan-





Dr. Patrick Sensburg


(A) )


)(B)

waltsmandat zum Strafverteidigermandat nicht erkennen
können. Durch den Wegfall dieser Unterscheidung
schaffen wir Klarheit sowohl für die Anwaltschaft als
auch für die Mandanten, die sich dann keine Sorge ma-
chen müssen, ob sie sich im Bereich der strafrechtlichen
Beratung oder im Bereich von anderen Beratungstätig-
keiten bewegen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1706234400
Aus der
Anwaltschaft wird über die Verunsicherung von Man-
danten berichtet. Da schaffen wir jetzt Klarheit.

Anwälte sind als unabhängige Organe der Rechts-
pflege unverzichtbar für einen funktionierenden Rechts-
staat. Die unbehelligte Arbeit der Anwälte und ihr
Schutz vor Ermittlungsmaßnahmen sind daher ein hohes
Gut. Ganz konkret ist es für das Mandantenverhältnis
von großer Bedeutung, dass eine ungestörte Kommuni-
kation zwischen Anwalt und Mandant stattfinden kann.
Die Besorgnis, ein Anwalt könne im Rahmen seiner
Mandatsausübung abgehört werden, würde diesem Ver-
trauensverhältnis Schaden zufügen, und deswegen än-
dern wir auch § 160 a StPO.

Gerade mit Blick auf die Debatten aus dem Jahre
2007 – der Kollege Danckert hat es gerade angesprochen –
halte ich es für wichtig, § 160 a StPO einmal in den Ge-
samtkontext der Schutznormen einzuordnen und zu zei-
gen, wo die einzelnen Schutzbereiche in diesem The-
mengebiet liegen. Bei der Beschlagnahme von
Schriftstücken gilt bereits jetzt § 97 StPO für alle An-
wälte und damit im Bereich ihres Mandantenverhältnis-
ses. Auch der Bereich der akustischen Wohnraumüber-
wachung, also das Abhören und Aufzeichnen im
Wohnraum ohne Wissen des Betroffenen, ist für Anwälte
bereits jetzt geregelt, nämlich in § 100 c Abs. 6 StPO.
Damit haben wir auch hier einen Schutz für alle Rechts-
anwälte.

Mit der Erweiterung von § 160 a StPO soll nun der
Schutz vor allen anderen Ermittlungsmaßnahmen gegen
Rechtsanwälte ausgedehnt werden. Das ist richtig. Wir
haben gerade gehört, welche Bereiche das umfassen
kann. Insbesondere sind es die Telekommunikations-
überwachungen, also die sogenannten TKÜ, auch die
längerfristige Observation, die Staatssekretär Stadler ge-
rade dargestellt hat; das findet in der Praxis aber eher
weniger statt. Es sind in der Regel die TKÜ, also die Te-
lekommunikationsüberwachungen, die hier relevant
sind. Konkret handelt es sich dabei um das Abhören von
Telefongesprächen, das Mitlesen von E-Mails oder das
Mitlesen von sogenannten Kurzmitteilungen wie SMS
oder Telefax, wobei die Anzahl der Telefaxe in der Pra-
xis im Verhältnis Mandat zu Rechtsanwalt wohl etwas
kleiner wird.

Bisher hat es für diese Varianten nach dem aktuell
gültigen § 160 a StPO nur sehr selten Maßnahmen zulas-
ten von Rechtsanwälten gegeben. Die Zahl, die uns aus
der Anwaltschaft genannt wird, liegt im laufenden Jahr
bei unter zehn Fällen von Telekommunikationsüberwa-
chung zulasten von Rechtsanwälten. Man kann daher
feststellen, dass wir mit der bisherigen Regelung im

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(C (D roßen und Ganzen gut gefahren sind und gute Erfahngen gemacht haben und dass die Rechte von Berufs eheimnisträgern nicht zu kurz kamen. Eine große Zahl on Überwachungsmaßnahmen im Rahmen von Teleommunikationsüberwachungen zulasten von Rechtsnwälten gab es und gibt es in Deutschland nicht. Trotzem ist jeder Fall, der stattgefunden hat, problematisch, nd jeden Fall müssen wir genau ins Auge nehmen. Das zeigt die Berichterstattung über den vorhin gechilderten Fall Gnjidic aus dem Jahr 2006. Ich glaube, an kann den Namen nennen; denn er ist inzwischen urch die Presse gegangen. Außerdem ist Rechtsanwalt anfred Gnjidic auf Veranstaltungen präsent. Damals ing es um Ermittlungsmaßnahmen bezüglich der Enthrung des Islamisten el-Masri. Konkret ging es um ine Telefonanschlussüberwachung zulasten des Rechtsnwalts, weil man der Überzeugung war, durch diese Tefonüberwachung könnte man herausfinden, wer die ntführer sind. Das ist zu Recht als verfassungswidrig ingeordnet worden. Auch diese Überlegungen sind in die vorliegende Geetzesnovelle eingeflossen. Das zeigt, dass sich unsere echtspolitik nicht an populistischen Überlegungen, ondern an der Praxis misst. Wir schauen, was in der raxis notwendig ist. Dann passen wir die Gesetzeslage ementsprechend an. s ist deshalb auch konsequent und folgerichtig, dass ir mit den Erkenntnissen, die wir aus der Rechtsanwenung gewonnen haben, § 160 a anpassen, eine Stufe weirgehen und den Schutz auch auf Rechtsanwälte ausehnen. Die Fallzahlen aus der Praxis zeigen aber zugleich, ass verfassungsrechtlich keine Gleichstellung mit weiren Berufsgruppen, zum Beispiel mit Steuerberatern der Buchprüfern, zu treffen ist. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht der Kollege Kauder anders!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


h sehe hier keine Anwendungsfälle, die den absoluten
chutz erfordern. Schauen wir einmal, wie wenig An-
endungsfälle wir im Bereich der Rechtsanwälte haben,
ann frage ich mich im Umkehrschluss: Wie viele An-
endungsfälle sollen es dann im Bereich der Buchprüfer
nd Steuerberater sein? Stellen Sie sich einmal vor, in ei-
er gemeinsamen Sozietät würde ein Mandant nicht den
eratenden Rechtsanwalt, sondern den Buchprüfer oder
en Steuerberater der Sozietät anrufen. Das ist praxis-
rn. Lassen Sie uns doch beobachten, ob es tatsächlich
älle in der Praxis gibt und weitere Berufsgruppen in
en Schutz genommen werden müssen.


(Andrea Astrid Voßhoff [CDU/CSU]: So ist es!)


enn wir feststellen, dass es Anwendungsfälle gibt,
ann können wir eine Nachregelung des § 160 a vorneh-
en. Wenn es aber keine Fälle gibt, dann gilt das verfas-

ungsrechtliche Gebot, den Schutz nicht weiter auszu-
ehnen.





Dr. Patrick Sensburg


(A) )


)(B)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Gerade der Fall Gnjidic/el-Masri zeigt beispielhaft
das Spannungsverhältnis zwischen dem Strafverfol-
gungsinteresse des Staates und dem Schutz von Berufs-
geheimnisträgern auf. Zum einen muss deutlich gemacht
werden, dass § 160 a in der alten wie in der geplanten
neuen Fassung schon seinem Wortlaut nach nicht auf
selbst beschuldigte Zeugnisverweigerungsberechtigte
angewendet werden kann. In den Fällen also, bei denen
Berufsgeheimnisträger selber als schwarze Schafe in Er-
mittlungsmaßnahmen involviert sind, bietet § 160 a na-
türlich keinen Schutz, und das ist meines Erachtens auch
selbstverständlich.

Die neue Regelung trägt aber auch dem Rechnung,
dass es ein Spannungsverhältnis bei der Abwägung zwi-
schen den berechtigten Interessen der Berufsgeheimnis-
träger und den notwendigen Strafverfolgungsinteressen
gibt. Bei dieser Abwägung sagt uns das Bundesverfas-
sungsgericht ganz deutlich Folgendes – ich zitiere –:

Angesichts des rechtsstaatlichen Postulats der Auf-
rechterhaltung einer funktionsfähigen Strafrechts-
pflege bedarf die Einräumung von Aussageverwei-
gerungsbefugnissen aus beruflichen Gründen stets
einer besonderen Legitimation, um vor der Verfas-
sung Bestand zu haben.

Wir brauchen also die besondere Legitimation und kön-
nen nicht ohne Grund Berufsgruppen hinzunehmen.

Ich glaube, das sind zwei Seiten derselben Medaille,
die wir in einem Abwägungsprozess berücksichtigen
müssen. Gerade die Einzelfälle, die wir in der Praxis in
den vergangenen Jahren erlebt haben, bringen uns dazu,
§ 160 a neu zu regeln. Lassen Sie uns doch einmal
schauen, ob eine Ausdehnung auf weitere Berufsgrup-
pen überhaupt praxisrelevant ist. Wenn ja, dann kann
man auch darüber diskutieren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn ich mir die Debatte um den Haushalt des Justiz-
ministeriums vom 16. September 2010 vor Augen halte,
in der uns die Fraktion Die Linke vorgeworfen hat, wir
seien Sicherheitsfanatiker,


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das hat Sie getroffen, oder?)


dann kann ich nur sagen, dass sie ein Problem mit dem
Rechtsstaat hat. Diese Abwägung findet bei Ihnen näm-
lich nicht statt. Sie sehen die eine Seite. Sie sehen aber
nicht das Strafverfolgungsinteresse des Staates. Mir
scheint manchmal, Sie haben ein Problem mit dem Straf-
verfolgungsinteresse des Staates.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der LINKEN)


– Ich kann Ihnen gleich gerne auch noch etwas zur Bun-
despolizei sagen. Wir haben schon im Zusammenhang
mit § 20 u BKAG darüber diskutiert, ob wir Rechte der
Berufsgeheimnisträger einschränken. An dieser Stelle
bringe ich ein Zitat von Ihnen: Bereits im Vorfeld von
Berichterstattungen wird versucht, den Journalisten ei-
nen Maulkorb zu verpassen. – So der Wortlaut einer

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(C (D ressemeldung von Ihnen. Das ist Populismus, und das ird diesen Sachverhalten nicht gerecht. Noch eine Sache zum Thema Stuttgart 21. (Dr. Peter Danckert [SPD]: Das wollen wir doch nicht auch noch hier diskutieren! „Vertrauensverhältnis zu Rechtsanwälten“ heißt die Überschrift!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


an muss schon beide Seiten der Medaille sehen und
uch berücksichtigen, dass viele Demonstranten gut vor-
ereitet waren und Aggressionen von den Demonstran-
n ausgegangen sind. Außerdem sind Steine geworfen
orden. Das war das, was man gerade im Ticker lesen
onnte und was man auch auf Bildern im Internet sehen
onnte.

Meine Damen und Herren, ich glaube, der vorlie-
ende Gesetzentwurf schafft Klarheit im Verhältnis von
nwälten und Strafverteidigern – das ist uns wichtig ge-
esen –,


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Das ist der einzige Punkt, auf den es ankommt!)


r trägt aber auch dem verfassungsrechtlichen Gebot des
bgestuften Schutzes der einzelnen Berufsgeheimnisträ-
er Rechnung, und es gelingt, das Strafverfolgungsinte-
sse des Staates hinreichend zu berücksichtigen. Es

andelt sich also um einen ausgewogenen Gesetzent-
urf. Ich würde mich daher freuen, wenn auch Sie die-

em Gesetzentwurf zustimmen könnten.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706234500

Nun hat das Wort die Kollegin Halina Wawzyniak für

ie Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706234600

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

erren! Herr Sensburg, ehrlich gesagt, finde ich es nicht
ngemessen, um mich jetzt zurückzuhalten, demonstrie-
nde Schülerinnen und Schüler mit Leuten gleichzuset-

en, die, wie Sie unterstellen, gewalttätige Aktionen auf
emonstrationen durchführen.


(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Ich habe nicht von Schülern geredet!)


as ist keine vernünftige Einstellung zur Zivilcourage.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung
es Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsan-
älten im Strafprozessrecht geht in die richtige Rich-
ng, greift aber zu kurz. Es ist grundsätzlich zu begrü-

en, dass die bisherigen Differenzierungen zwischen
trafverteidigerinnen und -verteidigern und sonstigen
echtsanwälten, wie sie bislang in § 160 a vorgesehen





Halina Wawzyniak


(A) )


)(B)

war, aufgehoben wird. Die Mandantin bzw. der Mandat
kann nunmehr alle Informationen, die zu einer effekti-
ven Rechtsvertretung notwendig sind, offenbaren. Die
Linke ist aber der Auffassung, dass auch Ärztinnen und
Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten sowie Journalis-
tinnen und Journalisten, aber auch Wirtschaftsprüferin-
nen und -prüfer und Steuerberaterinnen und -berater dem
gleichen absoluten Schutz unterliegen müssen wie Straf-
verteidigerinnen und -verteidiger, Abgeordnete und
Geistliche und nunmehr auch Rechtsanwälte.

Der Herr Staatssekretär hat darauf hingewiesen, dass
ein Vorschlag des Bundesrates vorliegt, der geprüft wer-
den soll. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Nach den Aus-
führungen von Herrn Sensburg sehe ich noch nicht, dass
Sie sich durchsetzen können – aber trotzdem viel Erfolg.

Auch auf die Berufsgruppen, die ich eben genannt
habe, ist das Erhebungs- und Verwertungsverbot hin-
sichtlich aller Ermittlungsmaßnahmen auszuweiten. Ins-
besondere psychologische Therapeutinnen und Thera-
peuten sowie Ärztinnen und Ärzte können ihre Tätigkeit
nur dann richtig wahrnehmen, wenn sie ihren Patientin-
nen und Patienten die Gewähr geben können, dass das,
was ihnen in ihrer beruflichen Eigenschaft anvertraut
oder bekannt gegeben worden ist, nicht gerichtlich ab-
rufbar bzw. verwertbar ist. Menschen, die medizinische
und therapeutische Hilfe und Sachkunde in Anspruch
nehmen wollen oder auch müssen, setzen ein großes
Vertrauen in die Personen, denen sie sich offenbaren, de-
nen sie ihr Intimstes verraten. Hier muss die Regierung
schnellstens nachbessern.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist richtig,
dass das, was einem Geistlichen in seiner Funktion als
Seelsorger anvertraut wird, den absoluten Schutz des
§ 160 a Abs. 1 genießt. Mir ist aber nicht plausibel, wa-
rum dies für Therapeutinnen und Therapeuten sowie
Ärztinnen und Ärzte in ihrem Verhältnis zu Patientinnen
und Patienten nicht gelten soll. Warum sollen Menschen,
die sich einem Geistlichen anvertrauen, weniger Angst
davor haben müssen, dass das Gesagte öffentlich wird,
als die, die sich einer Therapeutin oder einem Therapeu-
ten offenbaren?


(Jan Korte [DIE LINKE]: Richtig!)


Die Vorschrift, um die es hier geht, nämlich § 160 a,
ist folgendermaßen konstruiert: In Abs. 1 werden dieje-
nigen Berufsgruppen genannt, die absoluten Schutz vor
Ermittlungsmaßnahmen genießen, in Abs. 2 die Berufs-
gruppen, die zumindest einen relativen Schutz haben
sollen. Wie soll das aber in die Praxis umgesetzt wer-
den? Wie soll denn die Feststellung getroffen werden, ob
eine Information kernbereichsrelevant ist oder nicht?
Dazu müssen die Beratungsinhalte doch erst einmal of-
fenbart werden. Danach müsste geprüft werden, ob diese
Inhalte nun kernbereichsrelevant sind oder nicht. Diese
Feststellung ist aber an keinerlei objektive Maßstäbe ge-
bunden. In einem Rechtsstaat muss aber für alle Betei-
ligten klar sein, welche Informationen geschützt sind
und welche nicht. Deshalb ist eine derart unbestimmte
Abwägungsklausel wie in § 160 a Abs. 2 rechtsstaatlich
bedenklich.

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(C (D Lassen Sie mich aber an dieser Stelle und zum chluss noch anmerken, dass diese Kritik nicht neu ist. as wir hier kritisieren, ist die Folge – das wurde bereits esagt – des hier beschlossenen Telekommunikationsberwachungsgesetzes. Die Linke hat damals mit immer och tragenden guten Gründen das Telekommunikaonsüberwachungsgesetz abgelehnt. Der Abbau von ürgerrechten und rechtsstaatlichen Grundstandards ist it uns nicht zu machen. eshalb möchte ich mit einer Bitte schließen: Liebe Kolginnen und Kollegen von der FDP, schauen Sie sich itte noch einmal Ihren Antrag 16/11170 aus der letzten egislaturperiode an und bringen Sie ihn bitte erneut ein. ir stimmen dann zu. Letzter Redner in dieser Debatte ist für die Fraktion ündnis 90/Die Grünen der Kollege Jerzy Montag. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! er Gesetzentwurf der Koalition ist richtig und notwenig. Wir stimmen ihm zu. Aber der Gesetzentwurf greift iel zu kurz, und dazu will ich etwas sagen. Jawohl, der Staat hat die Verpflichtung, Straftaten zu rmitteln und Straftäter zu verfolgen. Das Gesetz, § 163 er Strafprozessordnung, sagt, wie das zu geschehen hat: dem Ermittlungen geführt werden. Ich zitiere aus dem esetz: „Ermittlungen jeder Art“. Die Frage stellt sich: irklich jeder Art? Natürlich nicht jeder Art, obwohl es o im Gesetz steht. Es ist verboten, zu ermitteln, indem an selbst Straftaten begeht. Es ist verboten, zu ermitln, indem man verbotene Vernehmungsmethoden beutzt. Es ist verboten, zu foltern. Es wird aber auch erittelt, indem man Zeugen über ihr Wissen befragt. azu gibt es ebenfalls Ausnahmen, und zwar in § 53 tPO. Bestimmte Berufsgeheimnisträger, nicht nur die echtsanwälte, sondern auch die Ärzte, die Psychiater nd die Psychologen dürfen die Aussage als Zeuge vereigern, weil sie Schweigepflichten haben. Dieses echt gilt absolut und für alle Berufsgruppen gleich. Die trafrechtspflege wird dadurch natürlich rechtsstaatlich egrenzt, weil man die Aussagen dieser Zeugen nicht ekommen kann; denn sie müssen nicht aussagen. Jetzt kann man das Wissen dieser Zeugen auch auf ine andere Weise ermitteln, als sie zu fragen. Man kann inter ihnen her spionieren, man kann ihre Telefone berwachen, man kann alle geheimen Ermittlungsmeoden anwenden, die die Strafprozessordnung vorsieht. as dient dazu, herauszufinden, welches Wissen sie haen, ein Wissen, zu dem sie, würde man sie befragen, die ussage zu Recht verweigern könnten. (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Bei einem Zeugen?)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706234700
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706234800

Als Zeugen, selbstverständlich, nach § 53 StPO. So-
eit ihr Aussageverweigerungsrecht greift, ist das so.





Jerzy Montag


(A) )


)(B)

Jetzt ist es unlogisch und schon immer falsch gewe-
sen, dass es bei diesen Ersatzmaßnahmen zur Erlangung
von Erkenntnissen von Zeugen einen abgestuften Schutz
gibt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn man einen Arzt als Zeugen fragt, dann darf er sa-
gen: Ich sage nichts. – Aber wenn man sein Telefon ab-
hört, um herauszubekommen, was er sagen könnte,
wenn man ihn fragen würde, dann sagen Sie, dieses Ab-
hören sei nicht absolut verboten, sondern nur relativ. Das
ist unlogisch. Das war schon immer unlogisch. Deswe-
gen ist es völlig klar: So weit, wie der Schutz nach § 53
StPO für die Aussagen von Zeugen geht, muss natürlich
nach § 160 a auch der Schutz bei Ersatzmaßnahmen zur
Erlangung dieses Wissens von diesen Zeugen gehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jens Petermann [DIE LINKE] – Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Aber nicht zwingend!)


Die Bundesregierung weiß das; denn sie schreibt in
der Begründung zu ihrem Gesetzentwurf, dass die bishe-
rige Differenzierung unbefriedigend sei. Ich zitiere wort-
wörtlich: „unbefriedigend“. Sie möchte gerne ein befrie-
digendes Ergebnis erreichen. Dazu schreibt sie in ihrer
Begründung, sie mache erst eine vorsichtige Auswei-
tung. – Sie ist nicht vorsichtig, sie ist ängstlich und un-
systematisch und insofern zu kritisieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Ärzte, Psychiater und Journalisten sind empört über
diese Ungleichbehandlung, und sie bleiben so lange em-
pört, bis man sie, wie ich es ausgeführt habe, in diesen
Rechten gleichsetzt.

Lieber Kollege Stadler, Sie haben zu Beginn Ihrer
Ausführungen einen Fall geschildert. Diesen Fall könnte
man für einen Arzt, für einen Journalisten, für einen Psy-
chiater und für einen Psychologen genauso konstruieren.
Genau das ist das Problem. Wir werden so lange bohren,
bis Sie uns zu diesem Gesetz auch die anderen Gesetze
vorlegen werden, die Sie so vorsichtig zwischen den
Zeilen angekündigt haben. Da bleiben wir miteinander
im Gespräch.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706234900

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 17/2637 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie
damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten
Klaus Barthel, Garrelt Duin, Hubertus Heil

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(C (D der SPD Arbeitsbedingungen im Briefmarkt – Sozialklausel nach § 6 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 Postgesetz und Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen auf Grund des ArbeitnehmerEntsendegesetzes – Drucksachen 17/1615, 17/2883 – Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Damit sind ie einverstanden. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der ollege Dr. Heinrich Kolb für die FDP-Fraktion das ort. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ir haben uns bereits vor der Sommerpause mit der roßen Anfrage der SPD zu den Arbeitsbedingungen im riefmarkt befasst. Heute beraten wir die Antwort der undesregierung. Nach Auswertung der Antwort kann h für meine Fraktion Folgendes feststellen: Der Briefarkt ist auf einem guten Weg; die Entwicklung ist posiv. Ich glaube, dass die Sozialklausel im Postgesetz faksch überholt ist. Das Bild, das Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen on der SPD, vom Briefmarkt zeichnen – Stichworte: ozialdumping, massenhafter Lohnwucher –, entspricht um Glück nicht der Realität. So gibt es bis heute keinen inzigen Fall, in dem eine Lizenz wegen erheblicher Unrschreitung der wesentlichen Arbeitsbedingungen unrsagt oder widerrufen werden musste. Das entnehme h der Antwort auf Ihre Frage 12. Es gibt sogar Berei he, in denen die Arbeitsbedingungen bei den Wettbeerbern besser als bei der Deutschen Post AG sind. So eträgt beispielsweise die durchschnittliche wöchentlihe Arbeitszeit für Vollzeitarbeitskräfte bei der Deutchen Post 39,2 Stunden; bei den Wettbewerbern sind es urchschnittlich nur 38,9 Stunden. Man kann sagen, dass auch die Lohnentwicklung poitiv ist. Während sich bei der Deutschen Post die Löhne wischen 2007 und 2009 nach unten entwickelt haben, ind sie bei den Wettbewerbern gestiegen. (Klaus Barthel [SPD]: Wegen des Mindestlohns!)


(Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktion


(Beifall bei der FDP)

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1706235000

ichtig ist auch: Wer eine Lizenz haben will, muss zu-
erlässig sein, muss ein sauberes polizeiliches Führungs-
eugnis vorweisen und steuerliche Unbedenklichkeitsbe-
cheinigungen der Finanzämter vorlegen können. Es ist
st so etwas wie eine Ironie der Geschichte, dass an die-

en Voraussetzungen ausgerechnet ein früherer Vor-
tandsvorsitzender der Deutschen Post scheitern würde,
ürde er heute einen Antrag auf Lizenzerteilung stellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie
ollten endlich aufhören, ein Zerrbild vom Briefmarkt zu





Dr. Heinrich L. Kolb


(A) )


)(B)

zeichnen. Freuen Sie sich lieber mit uns über rund 850
am Markt aktiv tätige und vorwiegend kleine und mitt-
lere Unternehmen sowie über die 31 400 Beschäfti-
gungsverhältnisse, die hier entstanden sind. Man muss
sagen, es könnten noch viel mehr sein, wären private
Anbieter nicht durch Mindestlohnvorschriften und die
Umsatzsteuerbefreiung für den Hauptkonkurrenten in
die Insolvenz getrieben worden. Zu Zeiten des Mindest-
lohns sind zwischen 2007 und 2009 17 000 Arbeits-
plätze vernichtet worden. Dies entnehme ich jedenfalls
der Antwort auf Ihre Frage 2.

Wenn wir jetzt vergleichen, kann man feststellen:
Tendenziell problematische Beschäftigungsverhältnisse
gibt es auch bei der Deutschen Post. Von den rund
12 000 Erfüllungs- bzw. Verrichtungsgehilfen, die Ende
2008 im Briefmarkt tätig waren, entfielen rund 10 000
auf die Deutsche Post AG. Dazu kommen noch die Bil-
ligtöchter der Deutschen Post, die Stundenlöhne zahlen,
die weit unter Tarifvertrag liegen,


(Klaus Barthel [SPD]: Erst haben Sie gesagt, alles sei gut, jetzt ist es doch anders! Ist jetzt alles gut oder nicht?)


und dies, Herr Barthle, auch noch mit gewerkschaftli-
cher Unterstützung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich glaube, man muss jetzt einfach den Blick nach
vorne richten. Eines muss man bei einer realistischen
Betrachtung sehr deutlich sagen: Einen Postmindestlohn
2.0 wird es nicht geben. Wir haben uns mit unserem Ko-
alitionspartner verständigt; das wissen Sie sicherlich,
weil Sie unseren Koalitionsvertrag diesbezüglich stu-
diert haben. Nachdem der Postdienstleistungsbereich
noch zu Zeiten der Großen Koalition in das Arbeitneh-
mer-Entsendegesetz aufgenommen worden ist, würde
bei einem zweiten Anlauf das in der Koalition verein-
barte Verfahren mit den entsprechenden Vorgaben für
Mindestlöhne gelten. Das Verfahren hat sich in anderen
Bereichen bereits bewährt. Kollege Barthel, daran sehen
Sie, dass wir das ganz undogmatisch sehen.

Ein neuer Branchenmindestlohn bedarf nach unserer
Vereinbarung des einstimmigen Beschlusses durch den
Tarifausschuss zudem einer einvernehmlichen Regelung
im Bundeskabinett. Das hat dazu geführt, dass in der Ab-
fallwirtschaft, der Gebäudereinigung und im Dachde-
ckergewerbe Mindestlohnverordnungen erlassen worden
sind. In anderen Bereichen, etwa beim Wach- und Si-
cherheitsgewerbe und bei den Aus- und Weiterbildungs-
dienstleistungen, ist dies mangels ausreichender Mehr-
heit im Tarifausschuss nicht geschehen. Ich glaube, man
kann feststellen, dass ein neuer Anlauf beim Postmin-
destlohn am absehbaren Veto der Arbeitgeber im Tarif-
ausschuss scheitern würde.


(Klaus Barthel [SPD]: Am Veto der FDP auch, oder?)


Ich muss für meine Fraktion sagen: Wir können mit die-
sem Ergebnis sehr gut leben.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D Wir wollen – das ist weiterhin unser Ziel – die politichen Voraussetzungen für einen vollständigen, sich elbst tragenden und chancengleichen Wettbewerb hertellen und den Marktzutritt von Wettbewerbern ermögchen. Der Marktanteil der Wettbewerber der Deutschen ost liegt bisher bei lediglich 10 Prozent. Da ist noch iel Luft; es gibt noch viele Chancen auf neue Arbeitslätze bei neu entstehenden Unternehmen. Ich glaube, ie Verbraucher werden insgesamt von mehr Wettbeerb profitieren, sowohl durch tendenziell niedrige reise als auch durch ein vielfältigeres, stärker kundenrientiertes Angebot an Postdienstleistungen. Wer es icht glaubt, sollte sich einfach einmal anschauen, was Bereich der Telekommunikation zwischenzeitlich als entstanden ist. Man kann als Fazit feststellen: Die Bundesregierung at recht; es gibt keinen gesetzgeberischen Handlungsedarf. Wie gesagt: Einen Postmindestlohn 2.0 wird es uch nicht geben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Klaus Barthel ist der nächste Redner für die SPD raktion. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich zi ere aus dem Postgesetz: Die Lizenz ist zu versagen, wenn … Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die wesentlichen Arbeitsbedingungen, die im lizenzierten Bereich üblich sind, nicht unerheblich unterschreitet. eiter heißt es: Eine Lizenz kann durch die Regulierungsbehörde … widerrufen werden, wenn der Lizenznehmer seinen Verpflichtungen nach diesem Gesetz … nicht nachkommt. Herr Kolb, ich zitiere keine Gesetzentwürfe oder Anäge aus der linken Ecke dieses Hauses, für die wir anesichts von Schwarz-Gelb eh keine Mehrheit hätten. as ist seit 13 Jahren geltendes Recht für den Wettbeerb im Briefsektor, einer Branche mit mindestens 00 000 Beschäftigten. Die gesetzliche Regelung ist das rgebnis eines Kompromisses, den die SPD-Bundesratsehrheit seinerzeit nach langen Auseinandersetzungen it der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung urchgesetzt hat als Bedingung für die schrittweise Libelisierung des Postmarkts. Damals haben Sie – Herr olb, ich glaube, auch Sie waren dabei – ie zitierten Klauseln gegen Sozialund Lohndumping nd für Sozialstandards als verbindliches Regulierungsiel angenommen. Klaus Barthel )


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706235100
Klaus Barthel (SPD):
Rede ID: ID1706235200

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Mit Sicherheit!)





(A) )

Heute stellen wir fest – wir haben es gerade gehört –:
Die schwarz-gelbe Bundesregierung des Jahres 2010
kündigt den damaligen Konsens faktisch auf.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein, so würde ich das nicht nennen!)


Anders kann man die Antwort auf unsere Große Anfrage
nämlich nicht verstehen. Sie haben vier Monate ge-
braucht, um uns mitzuteilen, dass Sie in bester Tradition
Ihrer einjährigen Regierungszeit nichts tun wollen, um
dem Recht zur Geltung zu verhelfen.

Die Bundesregierung duldet bewusst und gezielt Be-
hördenversagen. Die Bundesregierung lässt unter ande-
rem zu, dass sich eine Bundesoberbehörde weigert,
„branchenübliche Arbeitsbedingungen“, wie es im Ge-
setz heißt, als Maßstab für die Lizenzerteilung überhaupt
festzustellen, damit sich Lizenznehmer daran orientieren
können. Sie lässt es zu, dass eine Bundesoberbehörde es
in Zukunft wieder ablehnt, Vollerhebungen wie 2007
und 2009 zu den Arbeitsbedingungen überhaupt festzu-
stellen, dass sich diese Behörde weigert, gegen massen-
hafte und gravierende Unterschreitung dieser Arbeitsbe-
dingungen vorzugehen, und dass bis heute eigentlich
niemand so genau weiß, wie viele Menschen bei all den
Subunternehmen, bei den Erfüllungsgehilfen, von denen
Sie hier gerade geredet haben, überhaupt arbeiten und
wie es denen eigentlich geht, obwohl Gerichtsurteile
ganz klar sagen, dass auch die zu erfassen sind.

Die Kanzlerin – das finde ich in unserem Rechtsstaat
spannend – hat neulich in anderem Zusammenhang er-
klärt, Sie werde keine rechtsfreien Räume zulassen. Im
Briefsektor wäre es ganz einfach, aufzuräumen: Ein Ge-
setz ist da; eine zuständige Behörde ist da; die Datenba-
sis dafür könnte da sein. Doch das Ergebnis – insofern
müssen wir einfach einmal genauer hinschauen – dieses
rechtsfreien Raumes ist, dass der Briefsektor immer
mehr zum Niedriglohnsektor übelster Art verkommt.

Der Durchschnittslohn bei den Wettbewerbern der
Deutschen Post AG liegt 2009 sogar nach den nicht
überprüfbaren Angaben der Wettbewerber selbst um
mehr als ein Drittel unter dem der Deutschen Post AG.
2007 waren es noch rund 40 Prozent, und jetzt, als die
Regelungen über den Postmindestlohn ausgelaufen ist,
geht die Tendenz wieder weiter nach unten. Die als
Durchschnitt der Wettbewerber ermittelten Löhne ver-
schleiern außerdem die Realität mehr, als dass sie sie ab-
bilden, weil einige Wettbewerber tatsächlich höhere
Löhne bezahlen und auch Führungskräfte mitgerechnet
werden. In zwei Bundesländern haben wir sogar Durch-
schnittslöhne von unter 6 Euro, und ein global agieren-
der Postkonzern aus den Niederlanden brüstet sich in al-
ler Öffentlichkeit damit, seinen Zustellern zwischen
6,75 Euro und 7,60 Euro zu zahlen.

Bei öffentlichen Ausschreibungen von Behörden wie
Kommunen, der Bundesagentur für Arbeit, Landes-
ministerien oder der Justiz bekommen die Billiganbieter
den Zuschlag für die Zustellung von Behördenpost, weil
der preisgünstigste Bewerber genommen wird. Die Zu-
steller, die dort arbeiten, kommen dann wieder zu eben-
diesen Behörden – zum Staat –, um die Aufstockung ih-

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(C (D r Dumpinglöhne zu beantragen. Absurder geht es doch ar nicht, meine Damen und Herren. Den Vergabestellen sind scheinbar die Hände gebunen, weil die Anbieter darauf verweisen können, dass sie ine Lizenz haben, scheinbar die Lizenz zum Lohnund ozialdumping. Jeder halbwegs seriöse Unternehmer in iesem Wettbewerb ist der Dumme, weil alle Wettbeerber in den Sog dieses Lohndumpings kommen. Das hrt jetzt dazu, dass die Deutsche Post AG wieder einal der Gewerkschaft Verdi damit droht, weitere Zu tellbezirke outzusourcen, wenn es beim Lohn keine eiteren Zugeständnisse nach unten gibt. Die Spirale reht sich also weiter. Diese Fakten sind amtlich bekannt. Die Bundesregieng schreibt in ihrer Antwort, es lägen der Bundesnetz gentur – Herr Kolb – „zu keiner Zeit Erkenntnisse vor, ie hier ein postrechtliches Eingreifen gerechtfertigt hätn“, obwohl die Fakten so sind, wie ich sie beschrieben abe. Das ist der Wettbewerb, von dem Union und FDP äumen. Die Bundesregierung will die sozialen Stanards im Gesetz stehen lassen. Herr Kolb hat gesagt, er olle sie eigentlich nicht drinstehen lassen. Ich bin ge pannt, was insofern von anderer Seite kommt. Vor ein paar Tagen wurde eine Studie von Input Conulting veröffentlicht. In ihr kann man lesen, dass es urchaus Wege gegeben hat, die Lohnsenkungsspirale zu urchbrechen. Diese Studie sollte sich die Koalition, insesondere die Union, einmal durchlesen. In der Großen oalition haben wir nämlich mit Müntefering, mit den ostarbeitgebern und mit Verdi den Mindestlohn durchesetzt. Das hat dazu geführt, dass die Stundenlöhne tatächlich gestiegen sind, nämlich im Westen um 8,8 Proent und im Osten um 11,8 Prozent. Die Studie zeigt uch auf, dass die Behauptung, der Mindestlohn hätte rbeitsplätze vernichtet – das haben wir heute wiederolt gehört –, unhaltbar ist. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Da ist die Statistik aber deutlich!)


er Mindestlohn für die Briefbranche und sein Erfolg
iderlegt aber auch die Behauptung vonseiten der Lin-
en, wir als SPD würden heute etwas beklagen, wogegen
ir selber nichts getan haben.


(Beifall bei der SPD)


etzt stehen wir vor der Situation, dass der Postmindest-
hn aus formalen Gründen aufgehoben ist und die Ge-
erkschaften heute keinen Arbeitgeber, keinen neuen
erband mehr finden, um einen neuen Antrag zu stellen.

Der Mindestlohn ist weg, und die Löhne sinken wie-
er. Das ist die Bilanz, die wir nach 15 Jahren Postre-
rm ziehen müssen. Der Wettbewerb funktioniert nach
ie vor nicht. Der Markt schrumpft unaufhaltsam. Die
ienstleistungsqualität verschlechtert sich an vielen
tellen. Arbeitsplätze und Einkommen verschwinden.
as ist genau das Gegenteil all der Verheißungen, die
ir seit 20 Jahren hören. Damit ist der Postsektor zum
aurigen Symbol einer gesellschaftlichen Entwicklung
er letzten 20 Jahre geworden, nämlich des ökonomisch





Klaus Barthel


(A) )


)(B)

und politisch erzwungenen Abstiegs der gesellschaftli-
chen Mitte.

Der Postbote, der Paketfahrer, der Schalterbeamte
– das waren bis in die 90er-Jahre anerkannte gesell-
schaftliche – man muss fast sagen – Institutionen. Ein
Zusteller bekam 1997 im Schnitt 28 Mark Stundenlohn
und eine anständige Altersversorgung. Das wären heute
gut 14 Euro in der Stunde. Aber selbst der Zusteller bei
der Post AG erleidet heute trotz enorm gestiegener Ar-
beitsbelastung einen Realeinkommensverlust. Von ei-
nem Renteneintritt mit 65 kann er angesichts eines Wir-
belsäulenschadens nur träumen; die neuen Beschäftigten
in der Briefbranche können das ganz vergessen. Hier
sinkt ein ganzer Berufsstand in den unteren Einkom-
mensbereich ab und verliert mindestens die Hälfte seines
Einkommens.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706235300

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.


Klaus Barthel (SPD):
Rede ID: ID1706235400

Sofort. – Ohne Mindestlohn – das belegen die Zahlen

der Bundesnetzagentur, die zum Teil in der Antwort vor-
kommen – bekommt der durchschnittliche Zusteller bei
den Wettbewerbern heute einen Stundenlohn, der ihn
selbst bei Vollzeit zum Aufstocker degradiert, von den
Minijobbern und den anderen ganz zu schweigen. Das
ist eines der Beispiele dafür, wie neoliberale Politik
Leistungsträger zu Leistungsempfängern macht. Das ist
nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch des Anse-
hens und des Selbstwertgefühls. Es ist eine Frage des
Vertrauens in die Politik, in den Rechtsstaat und seine
Institutionen. Sie sollten noch einmal genauer darüber
nachdenken, ob Sie dieser Entwicklung weiter zu-
schauen wollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706235500

Nächster Redner ist der Kollege Andreas Lämmel für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Andreas G. Lämmel (CDU):
Rede ID: ID1706235600

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Herr Barthel, ich weiß nicht, wer Ihnen die Rede
aufgeschrieben hat; der Redenschreiber scheint mir nicht
besonders sachkundig gewesen zu sein.


(Beifall des Abg. Thomas Bareiß [CDU/CSU])


Es ist festzuhalten, dass der Wettbewerb im Gegen-
satz zu dem, was Sie ausgeführt haben, funktioniert;
denn wenn der Wettbewerb nicht funktionieren würde,
dann gäbe es nicht 857 Lizenznehmer, nur einer davon
ist die Deutsche Post. Herr Barthel, Sie haben die Zahl
von 12 000 Erfüllungsgehilfen genannt. Sie müssen aber
dazu sagen, dass von den 12 000 Erfüllungsgehilfen al-
lein die Post 10 000 Erfüllungsgehilfen beschäftigt.

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(C (D (Klaus Barthel [SPD]: Ist das gut oder schlecht?)


an muss sich fragen, Herr Barthel, was mit den
0 000 Erfüllungsgehilfen ist, die die Post beschäftigt.


(Klaus Barthel [SPD]: Das fragen wir ja Sie!)


arauf komme ich gleich noch zu sprechen.

Wenn man sich mit dem Thema Bezahlung auf dem
riefmarkt befasst, dann muss man die gesamte Wettbe-
erbssituation betrachten. Schrumpfender Markt als
olge des Wettbewerbs, es ist gruselig, was Sie da erzäh-
n. Der schrumpfende Markt ist nur deswegen entstan-
en, weil die Zahl der Postsendungen enorm zurückgeht,
eil es – vielleicht ist es bei Ihnen noch nicht angekom-
en – elektronische Wege gibt. Es gibt heute ganz an-

ere Möglichkeiten, in Kommunikation zu treten. Ich
eiß nicht, wann Sie den letzten Brief geschrieben ha-
en. Wenn ich allein überlege, wie viele Briefe ich als
ugendlicher an meine Freundinnen geschrieben habe.
eute rufe ich meine Frau an; ich habe bloß noch eine.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


eder muss sich einfach einmal klarmachen, dass die
umme der Postdienstleistungen stark zurückgegangen
t. Wenn die Bevölkerungszahl sinkt, dann geht auch
ie Zahl der Dienstleistungen auf dem Briefmarkt zu-
ck.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das jetzt für eine Aussage?)


s ist doch völliger Unsinn, diesen Zusammenhang her-
ustellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sie haben den Mindestlohn bei der Post gelobt. Das
ar das größte Eigentor, das die Post je geschossen hat.
as wissen Sie ganz genau, Herr Barthel. Das, was Sie
ier erzählt haben, ist einfach falsch. Die Deutsche
ost AG kann den Mindestlohn, den sie selbst ausgehan-
elt hat, nicht mehr bezahlen.


(Klaus Barthel [SPD]: Wieso nicht?)


eshalb hat sie eine Tochterfirma gegründet, die First
ail.


(Klaus Barthel [SPD]: Da bezahlt sie ihn aber!)


ie Post schiebt ihre Mitarbeiter, denen sie den alten
indestlohn nicht mehr zahlen kann, zur First Mail, um

ie zu den Bedingungen der Wettbewerber zu bezahlen.


(Klaus Barthel [SPD]: Nein, da werden 9,80 Euro gezahlt!)


as sind die Folgen des Mindestlohns. Das ist ganz ein-
eutig. Sie wissen ganz genau, dass die Post trotzdem
it ihrem Geld nicht auskommt und wir im Zusammen-

ang mit dem Postgesetz über verschiedene Dinge reden
üssen.

Dadurch, dass der Mindestlohn, der von der Deut-
chen Post eingeführt wurde, durch das Verwaltungsge-





Andreas G. Lämmel


(A) )


)(B)

richt – nicht durch die Politik – zum Glück aufgehoben
worden ist, wurden die Voraussetzungen für einen Wett-
bewerb geschaffen.


(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Sie machen die Menschen arm!)


– Es geht jetzt nicht um die Menschen. Es ging um den
Fakt, dass Herr Barthel gesagt hat, der Mindestlohn war
ein Erfolg. Er war genau das Gegenteil davon. Wenn Sie
mit den Postleuten reden, werden Sie merken, dass sie
das ganz genau wissen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706235700

Herr Kollege Lämmel, darf ich Sie unterbrechen? –

Der Herr Kollege Barthel würde gerne eine Zwischen-
frage stellen.


Andreas G. Lämmel (CDU):
Rede ID: ID1706235800

Ja, natürlich. – Bitte schön, Herr Barthel.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706235900

Bitte.


Klaus Barthel (SPD):
Rede ID: ID1706236000

Herr Lämmel, woher nehmen Sie eigentlich Ihre

Kenntnis, dass bei der First Mail, dem Tochterunterneh-
men der Deutschen Post, der Mindestlohn nicht gezahlt
wird? Die Fragen, die sich, selbst wenn er nicht gezahlt
würde, daran anschließen: Warum finden Sie es eigent-
lich gut, dass inzwischen auch bei der Post AG Bedin-
gungen wie bei den ganzen Dumpingwettbewerbern
herrschen? Warum finden Sie es gut, dass sich die Spi-
rale weiter nach unten dreht, weil der Mindestlohn weg
ist? Ich verstehe Ihre Logik nicht ganz.


Andreas G. Lämmel (CDU):
Rede ID: ID1706236100

Herr Barthel, ich habe mit keinem Wort gesagt, dass

ich das gut finde. Ich habe lediglich den Fakt erwähnt,
dass die Deutsche Post ihren Leuten den Mindestlohn
nicht mehr zahlen kann, und sie deswegen eine Tochter-
firma gegründet hat, um diese Löhne nicht länger zahlen
zu müssen. Ich habe mit keinem Wort gesagt, dass ich
das gut finde.

Zum Zweiten kann ich sagen: Die Behauptung, dass
die Wettbewerber ausschließlich Dumpinglöhne zahlen,
wurde von Ihnen in den Raum gestellt. Löhne bilden
sich am Markt. Das wissen Sie ganz genau. Da die Wett-
bewerber für ihre Dienstleistung keinen höheren Erlös
erzielen können, weil sie bei ihrem Vorhaben, ein neues
Geschäft aufzubauen, einem Monopolisten gegenüber-
stehen, kann das Lohnniveau bei ihnen – Sie können eins
und eins zusammenrechnen – nicht so hoch sein wie bei
der Post, die aus einem staatlichen Unternehmen, quasi
aus dem Beamtenapparat heraus entstanden ist.

Sie haben die Tarifverträge angesprochen. Herr
Barthel, uns wäre es hundertmal lieber, wenn es im Be-
reich der Briefpost einen Tarifvertrag gäbe. Für den Ab-
schluss eines Tarifvertrages ist es aber notwendig – das
ist eine Grundvoraussetzung; das wissen Sie genau –,
dass die Mehrheit der Branche erfasst ist. Die Gewerk-

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(C (D chaften müssen sich einmal mit den Arbeitgebern zuammensetzen und darüber sprechen, wie man zu einem arifvertrag kommt. In einem Tarifvertrag kann man narlich – auch das wissen Sie genau – Lohnuntergrenzen rmulieren, ohne einen Mindestlohn festzulegen. (Klaus Barthel [SPD]: Gibt es einen Arbeitgeberverband?)


Warten Sie doch einmal! – Wenn die Gewerkschaften
ber solche Löhne aushandeln wie Verdi in Sachsen für
erschiedene Handwerksberufe, dann ist das der eigent-
che Skandal. Der Skandal ist nicht, dass zu wenig be-
ahlt wird, sondern, dass das tariflich vereinbart wurde. –
as dazu.


(Klaus Barthel [SPD]: Welchen Arbeitgeberverband gibt es denn für die Briefbranche?)


Zur Rolle der Bundesnetzagentur. Herr Barthel, Sie
issen ganz genau, dass die Bundesnetzagentur den
ettbewerb überwachen soll und keine Sozialagentur
t.


(Klaus Barthel [SPD]: Ja, aber sie ist auch an das Gesetz gebunden!)


as heißt, sie überprüft das. Mit keinem einzigen Wort
eschreibt sie die Arbeitsbedingungen von heute.


(Klaus Barthel [SPD]: Ja, eben!)


ie von der Deutschen Post definierten Arbeitsbedin-
ungen entsprechen nicht den durchschnittlichen Ar-
eitsbedingungen im Bereich des Briefverkehrs. Genau
as ist das Problem, Herr Barthel. Wenn es einen Tarif-
ertrag gäbe, dann hätte man durchschnittliche Arbeits-
edingungen. Dann hätte man die Möglichkeit, bei star-
en Abweichungen die Sozialklausel greifen zu lassen.

Aber die Deutsche Post hat es vorgezogen, einen
austarifvertrag abzuschließen. Sie hat ihn sozusagen

ls allgemein definiert. Sie hat ihn zum Mindestlohn an-
emeldet und hat gedacht, das Problem damit lösen zu
önnen. Sie wissen ganz genau, dass das ein Weg gewe-
en ist, der völlig in die Irre geführt hat, und dass da-
urch insgesamt mehr Schaden entstanden ist, als es an
utzen gebracht hat.

Zusammenfassend ist festzustellen: Die Große An-
age hat noch einmal ein paar wichtige Zahlen deutlich
emacht. Sie hat aber auch deutlich gemacht, dass für
ns, für den Gesetzgeber im Moment kein Handlungsbe-
arf besteht.


(Klaus Barthel [SPD]: Nein, Umsetzungsbedarf!)


enn jetzt ist die Branche ganz einfach aufgefordert,
ich zu finden, sich zu organisieren und in Tarifvertrags-
erhandlungen einzutreten.


(Klaus Barthel [SPD]: Wenn es aber keinen Arbeitgeberverband gibt?)


Dann muss ein Arbeitgeberverband gegründet werden.
s ist doch auch in anderen Branchen nicht unüblich,
ass man einen Arbeitgeberverband gründet.





Andreas G. Lämmel


(A) )


)(B)


(Klaus Barthel macht sich dann einen, oder?)


Herr Barthel, zusammenfassend kann man sagen: Sa-
gen Sie Ihrem Redenschreiber noch einmal Bescheid, er
soll wenigstens die Sachverhalte richtig darstellen, bevor
Sie hier ans Pult treten. Ich denke, wir werden auch in
anderem Rahmen über das Thema weiter sprechen müs-
sen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706236200

Für die Fraktion Die Linke spricht nun der Kollege

Michael Schlecht.


(Beifall bei der LINKEN)



Michael Schlecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706236300

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich noch einmal kurz
auf das eingehen, was hier an abenteuerlichen, weltfrem-
den Formulierungen geliefert worden ist.

Die Postbranche ist ein Beispiel dafür, wohin es führt,
wenn auf Teufel komm raus privatisiert und dereguliert
wird. Es gibt menschenunwürdige Arbeitsbedingungen
und einen immer größer werdenden Druck auf die
Löhne, so wie wir in den letzten 10, 15 oder 20 Jahren in
vielen anderen Bereichen eine massive Politik gegen die
Beschäftigten, gegen das Volk vorgefunden haben.

Heute ist im Übrigen ein Tag, an dem diese Politik
eine neue Etappe eingeleitet hat; denn seit heute wird
Politik gegen das Volk nicht nur durch Gesetze gemacht,
sondern seit heute wird Politik gegen das Volk durch den
Einsatz von Bundespolizei gemacht, die Bürgerinnen
und Bürger niedergeknüppelt, so wie heute in Stuttgart.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


– Seien Sie ruhig, ich bin jetzt dran! – In Stuttgart sind
heute von Ihrer Bundespolizei bis zur Stunde über
300 Leute niedergeknüppelt und krankenhausreif ge-
schlagen worden, sie sind verletzt worden.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Schauen Sie einmal auf die Tagesordnung!)


Es ist eine vollkommen neue Qualität, dass hier in auto-
ritärer Weise vonseiten der Politik, von Ihren Partei-
freunden in einer hochaggressiven Weise gegen die
Stuttgarter Bevölkerung vorgegangen wird. Sie werden
aber über kurz oder lang noch zur Rechenschaft gezo-
gen; das sage ich Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Können wir hier über alles reden?)


In der Post gibt es mittlerweile die Situation, dass
Briefträgerinnen und Briefträger immer größere Mengen
zustellen müssen, und zwar nicht nur bei den Privaten,
sondern auch bei der Post AG. In Hamburg müssen die
Briefträger – ich habe gestern noch mit Kollegen telefo-
niert, die dort tätig sind – mittlerweile am Samstag zu-

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(C (D ätzlich zu der normalen Post fünf bis acht Zentner ausagen. Viele Kolleginnen und Kollegen dort gehen ittlerweile auf dem Zahnfleisch. Ab 50 sind die meisn ziemlich fertig. Wenn sie von der Rente mit 67 hön, so ist das für sie mehr als blanker Zynismus. Richtiger Druck entstand erst nach der Privatisierung nd auch mit der Agenda 2010. Selbst bei der Post AG ibt es mittlerweile nur noch befristete Arbeitsverhältisse. Mit der stückchenweisen Zulassung der Privaten urde der Druck auf die Löhne immer größer. Es gibt ostbereiche, in denen nur noch Stundenlöhne von ,50 Euro gezahlt werden, weil es mittlerweile ein hochradiges System von Subunternehmertum gibt, bei dem m Ende dann ein Solounternehmer mit seinem Privatkw die Post ausfahren bzw. die Briefkästen leeren ann. Diese Entwicklung hatte ihren Ausgangspunkt Mitte er 90er-Jahre, als privatisiert wurde. Damals ist die PD umgefallen. Sie hat sich sozusagen gegen die Geerkschaften gestellt und hat die Privatisierung mitgeagen. Ausgangspunkt war darüber hinaus noch die genda 2010, die viele deregulierende Maßnahmen mit ich brachte, unter denen die Beschäftigten bei der Post och heute leiden. Die Antwort auf diese Entwicklung ist vollkommen lar: All das muss zurückgedreht werden. Die Post muss ieder in öffentliche Trägerschaft. Es muss dafür ge orgt werden, dass bei der Post anständige Löhne gezahlt erden. Herr Kollege Barthel hat eben ein paar Bei piele von vor 20 Jahren gebracht. Das wäre das Bild, zu em wir wieder zurückkehren müssten. Die ersten wichgen Stufen müssen aber sein, dass ein gesetzlicher indestlohn eingeführt und vor allen Dingen – die jet ige Koalition wehrt sich dagegen – zumindest für die eschäftigten ein Branchenmindestlohn eingeführt wird, amit die menschenunwürdigen Verhältnisse, die dort zu erzeichnen sind, ein Ende haben. Danke schön. Herr Kollege Schlecht, ich darf Sie bitten, dass Sie ich bei künftigen Reden einer Ausdrucksweise bedieen, die auch dem Parlament entspricht. Das Wort „vercken“, dass Sie gerade gebraucht haben, gehört meines rachtens nicht unbedingt dazu. (Zurufe von der LINKEN: Wer hat das gesagt? Das Wort „verrecken“ ist überhaupt nicht gefallen! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Vor allem zum Thema sprechen!)


(Beifall bei der LINKEN)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706236400

So ist es mir gesagt worden.

Das Wort hat nun die Kollegin Beate Müller-Gem-
eke für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

en und Kollegen! Ich begrüße es, dass die SPD die un-





Beate Müller-Gemmeke


(A) )


)(B)

fairen Arbeitsbedingungen auf dem Briefmarkt hier im
Deutschen Bundestag zum Thema macht. Die SPD stellt
in ihrer Anfrage die richtigen Fragen. Die Antworten
zeigen auch, welche Probleme die Liberalisierung hin-
terlassen hat.

Herr Kolb, Sie malen wieder einmal ein wunderschö-
nes Bild.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kolb kann gar nicht malen!)


Ich habe aber auch nichts anderes von Ihnen erwartet.
Die Realität zeigt jedenfalls, dass die Liberalisierung des
Briefmarktes zu erheblichen sozialen Verwerfungen ge-
führt hat. Noch deutlicher wird dies, wenn man die vom
Kollegen Barthel als Beiratsmitglied in der Bundesnetz-
agentur gestellten Fragen und die Antworten in Bezug
auf die durchschnittlichen Stundenlöhne liest. Bei der
Deutschen Post AG bewegt sich die Spreizung der Stun-
denlöhne für Zusteller, Sortierer und Fahrer zwischen
9,80 und 13 Euro. Bei den Wettbewerbern liegen die
oberen Stundenlöhne zwar auch bei 13 Euro. Die unte-
ren hingegen liegen bei 6 Euro. Das zeigt, dass die
Löhne durch die Wettbewerber beträchtlich nach unten
ausfransen.

Ich frage die Regierungsfraktionen: Können Men-
schen von einem Stundenlohn von weniger als 6 Euro le-
ben? Natürlich nicht.


(Otto Fricke [FDP]: Sagen Sie das mal einem BAföG-Bezieher!)


Diese Menschen müssen hart arbeiten, und zwar auch zu
nicht immer angenehmen Arbeitszeiten. Dennoch müs-
sen sie Arbeitslosengeld II beantragen. Warum tun Sie
nichts dagegen? Warum handeln Sie nicht?


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie haben doch die Möglichkeit, aufzustocken, eingeführt, Frau Müller-Gemmeke! Die Aufstockung ist doch Ihre Erfindung gewesen!)


Sie sagen doch immer: Leistung muss sich lohnen. Wir
können und wollen diesen Zustand nicht einfach ignorie-
ren, zumal der Wettlauf um die niedrigsten Löhne nicht
nur auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird.
Letztlich müssen alle Steuer- und Beitragszahler für auf-
stockende Transferleistungen und klamme Sozialversi-
cherungskassen zahlen. Wir brauchen also baldmög-
lichst einen neuen Postmindestlohn, von dem die
Menschen auch leben können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich weiß, dazu muss der Postmindestlohn beantragt
werden; Herr Kollege Barthel hat die momentane Situa-
tion soeben ausgeführt. Ich weiß aber auch, dass für
solch einen Antrag zurzeit ein ungebrochener Optimis-
mus notwendig ist. Denn Wirtschaftsminister Brüderle
und die FDP lassen keine Gelegenheit aus, die Mindest-
löhne zu blockieren. In diesem Zusammenhang habe ich
es mir angetan, den FDP-Antrag aus dem Jahr 2008 zu
lesen, auf den die Große Anfrage Bezug nimmt. Ich

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(C (D uss es wirklich als grausig bezeichnen, was ich dort leen musste: nichts anderes als „Wettbewerb“. (Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär: Was ist an Wettbewerb schlecht?)


Wenn es nach Ihnen von der FDP ginge, würden Sie
lle Mindestanforderungen an Arbeitsbedingungen ab-
chaffen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wenn es nach Ihnen ginge, würde es heute noch graue Telefone und lange Wartezeiten geben!)


ie FDP interessiert sich schlichtweg nicht für die Men-
chen in den unteren Lohngruppen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Beim Lesen konnte ich mir bildhaft vorstellen, wie es
inter den Kulissen der Regierung teilweise zugeht,
enn es um dieses Thema geht. Ich muss ehrlich sagen:
eim Lesen hatte ich für einen kurzen Moment Mitleid
it der CDU/CSU-Fraktion, aber natürlich nur bei die-

em Thema. Ich bleibe dabei: Wir brauchen unbedingt
inen Postmindestlohn.

Die Antworten auf die Große Anfrage zeigen weite-
n Korrekturbedarf. Es reicht nicht aus, dass wir nur die
rbeitsbedingungen bei den Postdienstleistern, die einer
nzeige- und Lizenzpflicht unterliegen, in den Blick
ehmen. Auch der Wildwuchs bei den Arbeitsbedingun-
en und Löhnen der Subunternehmer und Erfüllungsge-
ilfen muss abgestellt werden. Hierzu gibt es noch nicht
inmal belastbare Daten. Ich finde, das ist ein Skandal.

Wieder einmal appelliere ich an die Regierungsfrak-
onen: Tun Sie etwas, damit nicht auch der Briefmarkt
omplett zum Niedriglohnbereich wird! Kümmern Sie
ich endlich auch um die Menschen in den unteren
ohngruppen! Denn sie arbeiten hart und haben diese
ertschätzung verdient.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706236500

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

r. Georg Nüßlein für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1706236600

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Es

timmt, der Briefmarkt schrumpft. Aber er schrumpft
icht etwa deshalb, weil der Kollege Lämmel weniger
iebesbriefe als früher verschickt


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Er soll sich eine Freundin suchen! Dann kann er wieder mehr schreiben!)


er hat sich ja selber in dieser Weise eingelassen – oder
eil wir jetzt so etwas wie Wettbewerb haben, sondern





Dr. Georg Nüßlein


(A) )


)(B)

er schrumpft aus technologischen Gründen, wie schon
dargestellt wurde.

Es ist natürlich schwierig, in einem schrumpfenden
Markt einen Wechsel vom staatlichen Monopol hin zu
Wettbewerb zu vollziehen. Insofern, Herr Kollege
Barthel, räume ich ein: Es ist wichtig, dass wir Parla-
mentarier die Frage im Blick haben: Was passiert im so-
zialen Bereich, was passiert mit den Mitarbeitern? Das
möchte ich in aller Deutlichkeit unterstreichen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Unter diesem Gesichtspunkt muss man sich überle-
gen: Welche Voraussetzungen haben wir der Regulie-
rungsbehörde an die Hand gegeben? Ich weise darauf
hin, dass in § 6 Abs. 3 Nr. 3 des Postgesetzes, der im Üb-
rigen in Einklang mit der dritten EU-Postdiensterichtli-
nie steht, geregelt ist, dass die Regulierungsbehörde
keine Lizenz an Briefdienstleister erteilen darf oder An-
bietern diese Lizenz entziehen muss, wenn diese die we-
sentlichen Arbeitsbedingungen, die im lizenzierten Be-
reich üblich sind, erheblich unterschreiten. Wir als
Gesetzgeber haben also die notwendigen Voraussetzun-
gen dafür geschaffen, dass die Behörde handeln kann.

Ihrer Großen Anfrage entnehmen wir, dass die Be-
hörde bis dato an einem Punkt angelangt ist, an dem sie
gesagt hat: Hier sind die Voraussetzungen offenkundig
nicht erfüllt. – Natürlich will ich keinem deutschen Be-
amten Untätigkeit unterstellen, einer so renommierten
Behörde wie der Regulierungsbehörde auch nicht.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706236700

Darf ich Sie unterbrechen, Herr Kollege Nüßlein? –

Der Herr Barthel möchte eine Zwischenfrage stellen.


Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1706236800

Bitte schön.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706236900

Bitte.


Klaus Barthel (SPD):
Rede ID: ID1706237000

Herr Kollege Nüßlein, Sie haben sich dem Kern des

Problems gerade schon sehr genähert. Deswegen möchte
ich Ihnen eine Frage stellen. Die üblichen Arbeitsbedin-
gungen sind seit mittlerweile 13 Jahren im Gesetz gere-
gelt. Wie kann eine Bundesregierung dabei zuschauen,
dass dann, wenn es keinen Mindestlohn gibt, die übli-
chen Arbeitsbedingungen nicht einmal festgestellt wer-
den, damit man Lizenznehmer, die gar nicht wissen, wo-
ran sie sich zu orientieren haben, darauf hinweisen kann,
welche Arbeitsbedingungen sie einzuhalten haben?


Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1706237100

Ich habe Ihrer Großen Anfrage entnommen, dass die

Behörde keinen Anhaltspunkt gesehen hat, an dieser
Stelle einzugreifen. Ich wäre jetzt auf einen Punkt zu
sprechen gekommen, der vielleicht auch für Sie ein biss-
chen versöhnlich ist. Wir müssen uns aus meiner Sicht
noch einmal mit der Rolle der Regulierungsbehörde be-

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(C (D chäftigen. Ich habe nämlich ein Problem damit – das ebe ich ganz offen zu –, dass sich diese Behörde aufrund ihrer Unabhängigkeit mittlerweile in eine Richng entwickelt, dass sie fast nicht mehr steuerbar ist. ies könnte dazu führen, dass wir Vorhaben, deren Um etzung wir politisch anmahnen, letztlich vielleicht aufrund von eigener Machtlosigkeit nicht mehr umsetzen önnen, weil die Behörde unabhängig handeln kann. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. In weiten Teilen sind ir uns politisch einig, dass wir eine investitionsorienerte Regulierung brauchen, zum Beispiel bei den Neten. Ich bin gespannt, ob es uns gelingt, das auch dieser ehörde klarzumachen. Vielleicht können wir einmal emeinsam über die Frage diskutieren: Sind die Regengen zur Unabhängigkeit dieser Behörde, die uns teileise auch von europäischer Ebene oktroyiert werden, irklich von Vorteil, oder sollte man das Primat der olitik nicht ein bisschen deutlicher hervorheben? Dann önnte man nämlich im Verwaltungswege ein bisschen eutlicher klarstellen, wo letztendlich die Kriterien sind, ach denen sie entscheidet. Ich habe immerhin aufgeommen, dass die Behörde bisher sagt, aus ihrer Sicht ebe es keine erheblichen Abweichungen, was die Areitsbedingungen in diesem Bereich angeht. Erlauben Sie dem Kollegen Barthel noch eine zweite wischenfrage? Es ist jetzt 20 Uhr. Die Kollegen freuen sich alle auf en Feierabend. Aber wenn Sie sich bei den Kollegen eiter unbeliebt machen wollen, dann bitte ich auch in rem Namen schon einmal um Entschuldigung. Bitte chön. Herr Kollege Barthel. Das kommt auf Ihre Antwort an, die Ja oder Nein lau n kann. Würden Sie mir zustimmen, dass es sich dann, enn der branchenübliche Lohn, der nach den uns voregenden Daten bei etwa 11,50 Euro liegt, um mehr als 0 Prozent unterschritten ist – wie selbst im Durchchnitt einiger Bundesländer und wie bei vielen Unterehmen –, um eine erhebliche Verletzung der branchenblichen Arbeitsbedingungen handelt, die von der undesnetzagentur eigentlich sofort beanstandet und mit en Konsequenzen des Lizenzentzuges geahndet werden uss? Aus meiner Sicht würde ich Ihnen zustimmen. Ich bin ber noch nicht Chef der zuständigen Behörde. (Klaus Barthel [SPD]: Aber Mitglied der Regierungskoalition!)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706237200
Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1706237300
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1706237400
Klaus Barthel (SPD):
Rede ID: ID1706237500
Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1706237600

Sie haben mich gefragt, und ich würde Ihnen an dieser
telle durchaus zustimmen.





Dr. Georg Nüßlein


(A) )


)(B)

Ich bin der Auffassung, dass wir uns mit diesem
Thema noch sehr präzise auseinandersetzen müssen;
denn ich kann mir vorstellen, dass insbesondere diejeni-
gen, die der Deutschen Post schon länger angehören, ein
gewisses Problem mit dem haben, was sich letztendlich
entwickelt. Ich sage auch dazu: Auf das allein kann es
nicht ankommen. Dass sich in diesem Bereich so etwas
wie ein Niedriglohnthema entwickelt, ein Thema, bei
dem Qualifikation und Entlohnung in einem gewissen
Verhältnis zueinander stehen, ist nicht immer nur zu be-
anstanden. Vielmehr muss man auch berücksichtigen,
dass es eine ganze Menge an Arbeitnehmern gibt, die
aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit in bestimmte Arbeits-
verhältnisse müssen, in denen sie adäquat entlohnt wer-
den können. Das darf aber nicht zu Lohndumping füh-
ren. Wir wollen einen ordentlichen Wettbewerb über
Qualität und Innovation und keinen Wettbewerb, der
dazu führt, dass sich letztendlich die Löhne nur nach un-
ten entwickeln.


(Beifall des Abg. Klaus Barthel [SPD])


Ich unterstreiche ganz deutlich: Man muss sich da-
rüber im Klaren sein, dass wir in einer Situation des
schrumpfenden Wettbewerbs sind. Wenn man sich an-
schaut, dass hier etwa 10 Prozent Marktanteil bei der
Konkurrenz liegen und rund 31 000 Arbeitsplätze bei
dieser Konkurrenz entstanden sind, dann muss man fest-
stellen, dass wir am Anfang einer solchen Entwicklung
sind. Wir müssen aufpassen – das zum Thema Mindest-
lohn –, dass wir über solche Ideen am Schluss nicht an
einen Punkt kommen, wo nur Hürden aufgebaut werden,
sodass sich der Wettbewerb nicht weiterentwickeln
kann. Es ist wohl unstrittig, dass die Intention der Deut-
schen Post AG bei der letzten Thematik genau in diese
Richtung gegangen ist, nämlich den Versuch zu unter-
nehmen, eine Hürde aufzubauen, um Dritte nicht mehr
zuzulassen. Das hat uns natürlich geärgert, weil wir
schon erwarten, dass die Deutsche Post an diesem
Thema entsprechend mitwirkt.

Das, meine ich, kann man zu diesem schwierigen
Thema sagen. Ich bin der Ansicht, dass wir das Thema
im Auge behalten müssen. Ich kann zwar momentan
nicht erkennen, wo der Gesetzgeber gefragt ist. Aber ich
trete gerne mit Ihnen in einen Dialog darüber ein, ob die
Regulierungsbehörde an dieser Stelle richtig gearbeitet
hat. Ich führe auch gerne den Dialog darüber, ob man
das mit der Unabhängigkeit der Behörde so belassen
kann oder ob das Primat der Politik nicht entsprechend
höher gehängt werden muss und man hier eine entspre-
chende Möglichkeit der Einflussnahme hat. Das würde
ich mir wünschen, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Klaus Barthel [SPD])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706237700

Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-

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(C (D rung des Straßenverkehrsgesetzes und des Kraftfahrsachverständigengesetzes – Drucksachen 17/3022, 17/3035 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Innenausschuss Rechtsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre azu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen ero Storjohann für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Die Hauptbotschaft des vorliegenden Gesetzntwurfs lautet: Das begleitete Fahren mit 17 wird zum . Januar 2011 in Dauerrecht überführt; denn dieser Moellversuch war erfolgreich, und der Führerschein mit 17 ekommt jetzt seinen festen Platz im deutschen Führercheinwesen. Was gibt es Schöneres? Ich freue mich außerordentlich über den vorliegenden esetzentwurf, auch weil ich ganz persönlich seit 2004 r das Fahren mit 17 eintrete. Meine Fraktion weiß das idgeprüft. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion war imer überzeugt von der Richtigkeit dieser Maßnahme. Ich glaube, wir alle kennen das aus eigener Erfahng, wenn es auch schon etwas her ist: Mit 18 Jahren ist ie Freude über den neuen Führerschein grenzenlos. An elbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten mangelt es icht. Leider mangelt es aber an Fahrerfahrung. Es war eine christlich-liberale Koalition in Niederachsen, die 2004 auf dieses Missverhältnis von zu viel ahrbegeisterung und zu wenig Fahrerfahrung reagierte. er dortige Verkehrsminister Walter Hirche setzte das egleitete Fahren mit 17 einfach einmal durch. ort konnte die Führerscheinprüfung fortan bereits mit 7 Jahren abgelegt werden, und das Fahren war bis zur olljährigkeit nur in Begleitung einer erwachsenen Peron erlaubt. Es gab natürlich Reaktionen auf diesen christlichberalen Vorstoß, und die waren heftig. Rot-Grün war ußer sich. 2005 lehnte die rot-grüne Mehrheit hier im undestag einen Antrag der CDU/CSU zum begleiteten ahren mit 17 ab. Wir forderten damals bundeseinheitche Regelungen für einen Modellversuch. Andere Bunesländer folgten dann glücklicherweise. Auch sie wolln das begleitete Fahren mit 17 erproben. Ich möchte ier noch besonders den schleswig-holsteinischen Verehrsminister Dietrich Austermann nennen, der das bei ns eingeführt hat. Große Verkehrsverbände, allen voran der ADAC, krisierten uns in der Anfangsphase. Die 17-Jährigen seien Gero Storjohann )


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1706237800

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sehr gut!)





(A) )

zu jung und zu unerfahren, um einen Pkw zu fahren. Der
Hauptkritikpunkt war aber die Gefahr von signifikantem
Missbrauch. Als Beispiel diente der betrunkene Vater,
der von dem jungen Fahrer nachts gegen 23 Uhr aus der
Kneipe abgeholt wird, und dieser Betrunkene stellte den
begleitenden Fahrer dar.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Das ist für beide eine Alkoholfahrt!)


Das alles galt es zu widerlegen.

Die reale Entwicklung hatte mit dieser anfänglichen
Kritik überhaupt nichts zu tun. Vielmehr bewahrheitete
sich erneut: Wer Neues probiert und innovative Kon-
zepte entwickelt, der stößt – geradezu im Reflex – auf
Widerstände. Doch die Zahlen sprechen eine deutliche
Sprache: Das begleitete Fahren ist die Erfolgsgeschichte
der Verkehrssicherheitspolitik der letzten Jahre.

Diese jungen Fahrer sammeln durchschnittlich acht
Monate lang Fahrerfahrung in Begleitung. Sie legen im
Durchschnitt über 2 400 Kilometer zurück und nehmen
somit als Autofahrer aktiv am Verkehrsgeschehen teil.
Aufgrund dieser beeindruckenden Zahlen sind dann
auch die Kritiker verstummt. Deshalb bekommen wir
heute sicherlich auch eine große Zustimmung zu diesem
Gesetzentwurf der Bundesregierung.

Die Zahl der Toten und Verletzten im Straßenverkehr
ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Dies gilt insbe-
sondere für die Zielgruppe der 18- bis 24-Jährigen, in
der die Zahl der Verkehrstoten um 10 Prozent zurückge-
gangen ist. Durch diese Zahlen wird belegt, dass wir auf
dem richtigen Weg sind. Die Verkehrssicherheitspolitik
in Deutschland ist auch im Vergleich zu der in anderen
Ländern in Europa erfolgreich.

Maßnahmen wie das Alkoholverbot für Fahranfänger,
die Verkehrserziehung in den Schulen und auch das be-
gleitete Fahren mit 17 sind Maßnahmen für mehr Ver-
kehrssicherheit. Diesen Weg zur Erhöhung der Verkehrs-
sicherheit sollten wir weiter gemeinsam beschreiten. Ich
bin zuversichtlich, dass uns das auch gelingt.

Der Gesetzentwurf beinhaltet noch eine weitere Re-
gelung. Die 3. EG-Führerscheinrichtlinie schreibt vor,
dass alle Führerscheindokumente zukünftig nur noch
15 Jahre Gültigkeit besitzen. Alle bisher ausgestellten
Führerscheine sind bis zum Jahre 2033 zu befristen. Das
ist für einige wenige hier im Haus recht bitter, aber ich
finde, das Ganze ist zeitgemäß. Diese Vorgaben setzen
wir mit dem Gesetzentwurf um.

Lassen Sie mich noch auf einen Änderungsantrag des
Bundesrates eingehen. Der Bundesrat fordert in seiner
Mehrheit die Möglichkeit, besondere Stellplätze im öf-
fentlichen Verkehrsraum ausdrücklich für Elektrofahr-
zeuge einzurichten. Dabei verkennt der Bundesrat aber,
dass die Straßenverkehrs-Ordnung es bereits heute zu-
lässt, besondere Parkplätze für verschiedene Fahrzeug-
arten einzurichten. Dies können beispielsweise auch
Elektrofahrzeuge sein.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In Schleswig-Holstein noch nicht!)


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(C (D as heißt, es ist längst möglich, entsprechende Tatbetände zu schaffen, um Ladestationen für Elektrofahreuge herzurichten. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann gehen Sie damit mal zu Jost de Jager!)


eshalb lehnen wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion
en Vorschlag des Bundesrates ab.

Unser Ziel ist es, die Ausschussberatungen zügig zum
bschluss zu bringen und das Modellprojekt „Begleite-
s Fahren mit 17“ zum 1. Januar 2011 in den Regelbe-
ieb zu überführen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706237900

Das Wort hat nun Kirsten Lühmann für die SPD-Frak-

on.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Kirsten Lühmann (SPD):
Rede ID: ID1706238000

Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!
ir beraten hier heute einen Gesetzentwurf, der das um-

etzt, was Pädagogen eigentlich schon lange fordern,
ämlich die langsame, stufenweise und begleitete Über-
ahme von Verantwortung – in unserem Fall beim Pkw-
ahren.

Für Jugendliche steht der Erwerb einer Fahrerlaubnis
uf der Wunschliste immer ganz oben – das ist klar –,
edeutet er doch mehr Selbstständigkeit. Aber wir wis-
en auch – Sie haben es eben angesprochen, Herr
torjohann –, es ist immer noch so: Keine Altersgruppe
at ein so hohes Risiko, in einen Verkehrsunfall verwi-
kelt zu werden, wie junge Fahranfangende. Das Risiko
t immer noch dreimal höher als in jeder anderen Alters-
ruppe. Ich finde, damit dürfen wir uns nicht abfinden.

Dieser Modellversuch „Begleitetes Fahren mit 17“
estätigt die Forderung der Unfallforschung, dass man
or dem ersten selbstständigen Fahren die Möglichkeit
aben muss, Fahrerfahrung zu sammeln. Dass die Bun-
esregierung das jetzt in Dauerrecht überführt, finden
ir richtig und wichtig.

Junge Menschen, die an diesem Modellversuch teil-
enommen haben, verursachen in der Anfangsphase,
enn sie dann selbstständig fahren, 22 Prozent weniger
nfälle als die Jugendlichen in der Vergleichsgruppe,
nd sie begehen auch 20 Prozent weniger Verkehrsver-
töße.

Aber, liebe Kollegen und Kolleginnen, damit sollten
ir uns nicht zufriedengeben; denn in zwei wesentlichen
unkten geht dieser Gesetzentwurf nicht weit genug. Es
eht um die Gruppe der Jugendlichen, die an diesem be-
leiteten Fahren nicht teilnehmen wollen oder die es
icht können, weil sie keine Person haben, die sie beglei-
t.

Die zweite Gruppe, die ich anspreche, sind die jungen
enschen, die auffällig werden. Was machen wir mit

enen? Ich möchte, dass diese dazu verpflichtet werden,
n speziellen Fahrsicherheitstrainings teilzunehmen.





Kirsten Lühmann


(A) )


)(B)

Dazu gehört auch, dass sie Fahrübungen machen, die ih-
nen zeigen, welche Risiken das Fahren zum Beispiel bei
starkem Regen oder bei Schnee mit sich bringt.

Wenn Sie sagen: „Wir haben doch schon Nachschu-
lungen von Heranwachsenden, die eine Fahrerlaubnis
auf Probe haben“, dann sage ich Ihnen: Das sind reine
Placebos; sie sind weder dazu geeignet, eine dauerhafte
Bewusstseinsveränderung hervorzurufen, noch eignen
sie sich dazu, dass diese jungen Menschen, die auffällig
geworden sind, bessere Fahrpraxis bekommen.

Namhafte Experten unterstützen uns in dieser Forde-
rung nach einem verpflichtenden Mehrphasenmodell,
und wir sollten uns diesen Forderungen nicht verschlie-
ßen.

Es gibt in dem angesprochenen Gesetzentwurf auch
minimale Änderungen, die das Thema Anforderungen
an Fahrprüfer und Fahrprüferinnen beinhalten. Ich
denke, wir sollten uns diesem Thema weiterhin widmen;
denn in einer Veranstaltung des ADAC, die dieser kürz-
lich zu dem Thema junge Fahranfangende durchgeführt
hat, wurde festgestellt, dass die Fahrlehrenden in
Deutschland zwar über hervorragende theoretische
Kenntnisse verfügen, aber dass bei der Beantwortung
der Frage: „Wie bringe ich dieses Wissen an den Mann
oder an die Frau bzw. wie erreiche ich mein jugendliches
Gegenüber?“, noch erhebliche Defizite bestehen.

Ich denke, diesem Thema müssen wir uns stellen,
wenn wir die Verkehrssicherheitsarbeit ernst nehmen.

Durch zahlreiche Maßnahmen des letzten Jahres ha-
ben wir dafür gesorgt, dass unsere Straßen sicherer wer-
den, nicht zuletzt durch das von der rot-grünen Bundes-
regierung 2001 eingeführte Programm für mehr Sicher-
heit im Straßenverkehr, das dazu geführt hat, dass in Zu-
sammenarbeit mit der Deutschen Verkehrswacht und
dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat in den letzten
Jahren hervorragende Arbeit geleistet wurde. Noch nie
sind auf Deutschlands Straßen so wenig Menschen getö-
tet worden. Diese positive Entwicklung haben wir auch
dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat und der Deut-
schen Verkehrswacht zu verdanken.

So gut und so wichtig der Gesetzentwurf der Bundes-
regierung zum begleiteten Fahren mit 17 für mehr Si-
cherheit im Straßenverkehr auch ist, so unverständlich
ist unter Berücksichtigung des von mir eben Genannten
der Beschluss des Bundeskabinetts, im Haushalt 2011
die Mittel für Verkehrssicherheitsarbeit von 10 Millio-
nen Euro auf 5 Millionen Euro jährlich zu kürzen. Wir
haben gestern im Verkehrsausschuss die Auskunft von
Staatssekretär Scheuer erhalten, dass sich die Bundesre-
gierung aufgrund des massiven Protestes gegen diese
Pläne bewegen will. Ich halte das für sehr wichtig, insbe-
sondere wenn wir uns überlegen, dass die Europäische
Union gerade ein europäisches Verkehrssicherheitspro-
gramm auflegen will und dass auch die Bundesregierung
angekündigt hat, dass sie das nationale Verkehrssicher-
heitsprogramm überarbeiten will.

Ich sage Ihnen ehrlich: Es kommen mir natürlich
Zweifel an der Ernsthaftigkeit Ihrer Initiative zur Ver-
kehrssicherheit auf, sollte es bei diesen geplanten Kür-

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(C (D ungen bleiben. Denn was würden sie bedeuten? Sie ürden bedeuten, dass weniger Schülerlotsen arbeiten önnten, dass Fahrsicherheitstrainings für junge Fahranngende und Verkehrserziehung in Kitas und Schulen icht mehr in ausreichendem Maße stattfinden könnten. ie hervorragende Arbeit vieler Ehrenamtlicher würde o zunichte gemacht. Ich meine, das ist Sparen an der lschen Stelle. Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des ollegen Scheuer? Ich bringe den Gedanken eben zu Ende. Ich bitte Sie nur, dass Sie den Haushaltsentwurf einen ntwurf sein lassen und dass Sie die Mittel für die Verehrssicherheitsarbeit auf dem bisherigen Niveau belasen, und zwar nicht nur für das Jahr 2011, sondern auch der mittelfristigen Finanzplanung. h habe gehört, dass es Pläne dazu gibt. Ich bitte Sie lle, diese Pläne zu unterstützen und zu verwirklichen. Bitte schön, Herr Kollege. Hochgeschätzte Frau Kollegin Lühmann, würden Sie ur Kenntnis nehmen, dass die Ansätze schon wieder auf em alten Niveau sind, und sich bei Ihrem Haushaltsbechterstatter, dem geschätzten Kollegen Kahrs, inforieren, dass diese Maßnahme bereits im Rahmen des aushaltsberichterstattergesprächs erfolgt ist? Ja, das nehme ich zur Kenntnis, insbesondere die Tat ache, dass Sie das im Berichterstattergespräch besprohen haben. Herr Kahrs konnte mir aber noch nicht saen, ob das auch in der Mittelfristplanung weitergeführt urde oder ob es sich nur um eine Maßnahme für 2011 andelt. Wenn Sie mir jetzt sagen, dass das auch für die lgenden Haushaltsjahre gilt, sind wir beruhigt und euen uns auf die weitere Arbeit. Ein anderer Bereich des Gesetzentwurfs – das ist chon angesprochen worden – betrifft die EG-Führercheinrichtlinie. Es geht darum, dass die Führerscheine nicht die Fahrerlaubnisse – nach 15 Jahren ähnlich wie er Personalausweis und der Reisepass neu beantragt erden müssen. Der Vorteil ist: Das Dokument ist auf em neuesten Stand. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahng berichten, dass einige Fotos aus Führerscheinen, ie mir bei Kontrollen vorgelegt wurden, wenig mit der erson zu tun hatten, die mir gegenüberstand. ir mussten dann den Personalausweis zur Identifizieng heranziehen. Das wird zukünftig nicht mehr der all sein. Darüber freue ich mich. Kirsten Lühmann )

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706238100
Kirsten Lühmann (SPD):
Rede ID: ID1706238200

(Otto Fricke [FDP]: Wo kommt das Geld her?)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706238300
Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1706238400
Kirsten Lühmann (SPD):
Rede ID: ID1706238500

(Heiterkeit)





(A) )

Ich freue mich auch darüber, dass die Bundesregie-
rung von der Möglichkeit, die die Richtlinie zugelassen
hat, keinen Gebrauch macht, nämlich bei dieser Neuaus-
stellung auch die körperliche und geistige Tauglichkeit
zu überprüfen. Nichtsdestotrotz möchten wir, dass das
auf freiwilliger Basis geschieht, indem wir Anreize ge-
ben. Wir sind schon der Meinung, dass es im Interesse
der betroffenen Autofahrenden ist, regelmäßig ihre Ge-
sundheit überprüfen zu lassen. Wir könnten uns vorstel-
len, das über Versicherungsrabatte zu realisieren, und
wollen erst einmal die freiwillige Lösung probieren.

Herr Storjohann, Sie haben zwei weitere Punkte nicht
angesprochen.

Das eine ist die Verbesserung im Datenschutz des
KBA. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich war bis
jetzt der Meinung, dass im KBA genauso wie in den
meisten anderen Behörden schon seit Jahren Protokoll-
datenspeicherungen normal sind. Ich musste jetzt fest-
stellen, dass das nicht so ist. Ich freue mich, dass wir
diese Lücke jetzt endlich schließen.

Wir haben eine weitere Rechtsumsetzung zu vollzie-
hen; es geht um die Zulassung von Gutachtern zur MPU.
Ich denke, das wird im Fachausschuss unstrittig sein.

Zum Schluss komme ich kurz auf die von Ihnen ange-
sprochene Initiative des Bundesrates zurück. Ich halte es
für sehr sinnvoll, dass wir durch solche Regelungen die
Attraktivität von Elektromobilität steigern und notwen-
dige Infrastrukturen aufbauen. Sie haben recht: Ob es
unbedingt eine Änderung des Gesetzes sein muss oder
ob man das mit anderen Kennzeichnungsregelungen ge-
nauso gut zustande bringt, darüber wie auch über einige
andere Punkte, die ich hier angesprochen habe, sollten
wir im Ausschuss noch einmal eingehend beraten.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706238600

Das Wort hat nun Oliver Luksic für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Oliver Luksic (FDP):
Rede ID: ID1706238700

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Wir beschäftigen uns heute mit dem Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes.
Dabei geht es zum einen um die bereits vor der Sommer-
pause debattierten Übertragungen des Modellversuchs
„BF 17“, „Begleitetes Fahren ab 17“, in Dauerrecht.
Zum anderen geht es um eine wichtige Änderung, die im
Rahmen der Umsetzung der 3. EG-Führerscheinrichtli-
nie notwendig geworden ist. Hierbei geht es um die Be-
fristung von Führerscheinen und um Neuerungen beim
Datenschutz in der Zuständigkeit des KBA, des Kraft-
fahrt-Bundesamtes.

Lassen Sie mich beim letzten Punkt beginnen – es
wurde eben zu Recht angesprochen –: Die Bundesregie-
rung strebt mit diesem Gesetzentwurf Verbesserungen

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(C (D eim Datenschutz an. Auf Anregung des Datenschutzbeuftragten werden die Zugriffe, beispielsweise von Beörden, auf das Zentrale Fahrerlaubnisregister zukünftig rotokolliert, und diese Protokolldaten werden gespeihert. Das erhöht gerade bei diesen für Bürger wichtigen aten die Rechtssicherheit und die Nachvollziehbarkeit on Entscheidungen. Das ist insbesondere aus Sicht der atenschutzpartei FDP eine begrüßenswerte Maßnahme. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mit in diesen Gesetzentwurf aufgenommen ist ein
hema, das die Gemüter in der Sommerpause teilweise
ewegt hat: die anstehende Befristung der Führerscheine
uf 15 Jahre. Notwendig geworden ist sie durch die Um-
etzung der 3. EG-Führerscheinrichtlinie, da von der Be-
istung an sich nicht mehr abgewichen werden darf. Die
undesregierung ist bemüht, den Aufwand für die Bür-
er so gering wie möglich zu halten, da der maximale
pielraum von 15 Jahren, den diese Richtlinie vorsieht,
usgereizt wird. Ich darf darauf hinweisen, dass es auch
r andere amtliche Dokumente wie den Personalaus-
eis üblich ist, dass sie nicht ewig gelten. Ich glaube,
erade im Zuge einer europaweiten Verbesserung der Si-
herheitsstandards ist es sinnvoll, Führerscheine auf dem
euesten Stand der Technik zu halten, gerade weil wir

mer mehr Fälschungen haben.

Es ist aber auch wichtig, in diesem Zusammenhang
arauf hinzuweisen – das geistert nämlich immer wieder
urch die Gazetten –, dass es beim Führerscheinum-
usch eben nicht zu einer Diskriminierung älterer Mit-
ürger kommen soll. Mobilität muss und soll auch im
lter möglich sein, gerade in Zeiten des demografischen
andels.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Lassen Sie mich zum Thema „Begleitetes Fahren
b 17“ kommen. In der Tat, die Evaluation des Modell-
ersuchs war hervorragend. Die Bereitschaft der Jugend-
chen zur Teilnahme war gut. Da gibt es durchaus noch
erbesserungsbedarf. Die Ergebnisse haben gezeigt:
2 Prozent weniger Unfälle, 20 Prozent weniger Ver-
ehrsverstöße. Das sind dauerhaft positive Effekte. Das
egleitete Fahren ab 17 führt also nachweislich zu einer
rhöhung der Verkehrssicherheit durch die frühe und be-
eute Heranführung von Fahranfängern an den Verkehr.
h freue mich, dass auch der Bundesrat der dauerhaften
plementierung von „BF 17“ zugestimmt hat und sich

ie Fraktionen hier im Haus über die Grenzen hinweg
ei diesem Thema einig sind.

Nichtsdestotrotz meine ich, dass die Verkehrssicher-
eit bei diesem Punkt nicht stoppen sollte. Das gilt ge-
de für den Bereich der Fahranfängerausbildung und
etreuung. Wir müssen uns darüber Gedanken machen,

b der Erwerb des Führerscheins das Ende der Fahraus-
ildung, wie es im Moment der Fall ist, oder vielmehr
in Zwischenschritt im Erlernen der sicheren Fahrweise
nd der Beherrschung neuer Technik sein sollte.

Was die Verbesserung der Fahrausbildung angeht,
ibt es in der Tat andere Modelle im Ausland, die wir
ns anschauen sollten. In Österreich beispielsweise gibt





Oliver Luksic


(A) )


)(B)

es eine zweite Stufe der Fahrausbildung. Dies ist ein
Modell, das Feedback-Fahrten mit einem Fahrlehrer im
eigenen Wagen sowie Fahrsicherheitstrainings vorsieht.
Das hat zu einer deutlichen Verringerung der Unfallzah-
len geführt. Unter der Prämisse, dass der Führerscheiner-
werb dadurch nicht deutlich teurer wird – wir wollen
schließlich alle, dass Individualmobilität erschwinglich
bleibt und dass es keinen sozialen Ausschluss gibt –,
sollten wir uns dieses Modell anschauen. Ich glaube, wir
können von anderen lernen, wie wir die Verkehrssicher-
heit noch weiter verbessern können.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir sind gerade bei den Haushaltsberatungen. Frau
Kollegin Lühmann hat vorhin den Etattitel für die Ver-
kehrssicherheit angesprochen. Selbstverständlich müs-
sen alle Ressorts ihren Beitrag zum richtigen und not-
wendigen Sparpaket leisten, auch der Einzelplan 12.
Anfangs gab es Überlegungen, die Mittel des Etattitels
für Maßnahmen zur Verkehrserziehung zu halbieren. Ich
freue mich – Kollege Scheuer hat das vorhin zu Recht
bestätigt –, dass es in Zusammenarbeit der Fachpolitiker
mit den Haushaltspolitikern und der Hausspitze gelun-
gen ist, zu verhindern, dass es zur Halbierung der Mittel
dieses Etattitels kommt. Das ist ein erfreulicher Erfolg
für die Verkehrssicherheitspolitik dieser Koalition.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Auch vor diesem Hintergrund möchte ich abschlie-
ßend sagen: Wir freuen uns auf weitere konstruktive
Debatten, damit wir den hohen Standard, den wir in
Deutschland bei der Verkehrssicherheit haben, weiter
verbessern. Ich glaube, mit dem vorliegenden Gesetzent-
wurf gehen wir einen Schritt in die richtige Richtung.

Ich darf mich für Ihre Aufmerksamkeit herzlich be-
danken. Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706238800

Das Wort hat nun Thomas Lutze für die Fraktion Die

Linke.


Thomas Lutze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706238900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Auch als Verkehrspolitiker fällt es mir vor
dem Hintergrund dessen, was heute in Stuttgart passiert
ist, sehr schwer, zur Tagesordnung überzugehen. Ich
denke, da sind Sachen passiert, da sollte auch dieses
Hohe Haus sich den Luxus gönnen, an der Aufklärung
und an der Aufarbeitung mitzuarbeiten, und für die mor-
gige Tagesordnung die entsprechenden Konsequenzen
ziehen.


(Beifall bei der LINKEN)


Als es heute Morgen am Beginn der Tagesordnung um
die deutsche Einheit ging, ist ein wichtiger Ruf zitiert
worden: Keine Gewalt! – Ich glaube, was heute in Stutt-
gart passiert ist, wird dem nicht gerecht.

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(C (D Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum eigentlichen agesordnungspunkt. Es dürfte über Fraktionsgrenzen inweg Einigkeit darüber bestehen, dass der Modellveruch „Begleitetes Fahren ab 17“ erfolgreich gewesen ist nd noch erfolgreich ist. Die Evaluierung belegt diesen rfolg eindrucksvoll. Die Verringerung der Zahl der Unlle um 22 Prozent und die Verringerung der Zahl der erkehrsverstöße um 20 Prozent sollten an dieser Stelle ls Beispiele ausreichen. Dieser empirisch belegte Gewinn an Verkehrssichereit macht die Überleitung des Modellversuchs in daueraftes Recht zu einem Gebot der Vernunft. Auch die kzeptanz in der Zielgruppe der Führerscheininteressennnen und -interessenten unter 19 Jahren spricht dafür. it knapp 300 000 Menschen in 2009 hat mehr als die älfte der genannten Gruppe die Möglichkeit des begleiten Fahrens ab 17 genutzt. Für einen Modellversuch sind das sehr gute Zahlen. der dauerhaften Praxis sollten wir allerdings eine noch öhere Teilnahmequote erreichen. Viele Fahranfängerinen und Fahranfänger haben nämlich Schwierigkeiten, ine Begleitperson zu finden. Ich freue mich auf kreative een der Bundesregierung und des Verkehrsministers, m das begleitete Fahren ab 17 für erwachsene Begleitersonen attraktiver zu machen. Das begleitete Fahren ab 17 kann bei aller Zustimung zum Gesetzentwurf aber nur ein Baustein einer mfassenden Mobilitätserziehung sein. Auch gerade den ührerscheinneulingen sollten Alternativen zum Auto ns Herz gelegt werden. Jede Fahrt, die mit Bus oder ahn erledigt wird, ist im statistischen Mittel bis zu vierigmal sicherer als eine Autofahrt. Ein Discobus etwa, er eine Heimreise auch nachts unabhängig vom kostentensiven Taxi oder vom eigenen Pkw ermöglicht, redu iert von vornherein die Wahrscheinlichkeit einer Risiofahrt, die eventuell übermüdet oder sogar unter lkoholeinfluss angetreten wird. Allerdings braucht es ier erst einmal entsprechende Angebote. Wenig Vertändnis habe ich da zum Beispiel für Aussagen der inisterin Aigner. Sie wird in der Presse mit der Ausage zitiert, das begleitete Fahren bringe Jugendlichen uf dem Land mehr Unabhängigkeit. So unstrittig der erneffekt beim begleiteten Fahren sein dürfte, so klar uss doch ebenso sein, dass sich das Mehr an unabhän iger Mobilität sehr in Grenzen halten wird. Welcher Elrnteil wird mit seinem Sohn oder seiner Tochter zur isco fahren und dort fünf Stunden warten? Das Gleiche ilt für Fahrten zur Schule, zum Ausbildungsplatz oder s Schwimmbad. Das begleitete Fahren soll einen Beiag zur Verkehrssicherheit leisten; das ist richtig. Es arf aber nicht als Argument für das Streichen oder den ichtausbau von Nahverkehrsleistungen herhalten. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


enau auf diese Leistungen der Gesellschaft sind gerade
nge Menschen angewiesen.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie attraktiv es für
ine finanziell gebeutelte Kommune ist, mit jedem Jahr-





Thomas Lutze


(A) )


)(B)

gang, der seinen Führerschein ein Jahr früher macht, bei-
spielsweise bei den Schulbussen zu sparen. Auch vor
diesem Hintergrund sind die Pläne der Regierung zur
Reduzierung des Einstiegsalters beim Mopedführer-
schein kritisch zu sehen.

Der vorliegende Gesetzentwurf findet dennoch unsere
Zustimmung.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706239000

Das Wort hat nun Anton Hofreiter für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir beraten über zwei sehr unterschiedliche
Bereiche: auf der einen Seite über ein Thema der Ver-
kehrssicherheit und auf der anderen Seite über ein
Thema aus dem Bereich Elektromobilität.

Zur Verkehrssicherheit gibt es hier als Positives zu
vermelden, dass wir uns einig sind. Begleitetes Fahren
mit 17 ist ein Erfolgsprojekt. Wir sind uns alle darin ei-
nig, dass hierfür eine entsprechende Regelung gefunden
werden sollte. Noch schöner würde ich es finden, wenn
wir uns bei dem ganz entscheidenden Thema Verkehrssi-
cherheit insgesamt einiger wären. Obwohl wir in der
Vergangenheit sehr große Erfolge hatten – die Zahl der
Verkehrstoten ist massiv zurückgegangen, genauso wie
die der Schwerverletzten; aber da schaut es noch lange
nicht so gut aus –, darf man nicht vergessen, dass die
Zahlen noch immer sehr hoch sind. Deshalb wünsche ich
mir, dass wir uns auch in weiteren Fragen der Verkehrs-
sicherheit einig sind.

Nach dem Berichterstattergespräch ist der Haushalts-
ansatz zum Glück gehalten worden. Wir hoffen sehr,
dass es auch am Ende der Haushaltsberatungen noch so
ist. Es gibt aber eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen,
die ganz entscheidend für die Verkehrssicherheit sind.
Hier hört die Einigkeit in diesem Haus leider auf. Den-
ken wir bloß einmal an Maßnahmen wie Geschwindig-
keitsbegrenzungen! Bei der Einführung eines Tempoli-
mits auf Autobahnen ist es mit der Einigkeit schnell
vorbei. Da heißt es plötzlich, das sei eine ideologische
Frage. Dabei zeigen alle Untersuchungen, dass über-
höhte Geschwindigkeit die Hauptunfallursache ist. Wir
wissen auch, dass die Erlaubnis, in bestimmten Straßen-
abschnitten so schnell zu fahren, wie man will, dazu
führt, dass man sich in anderen Straßenabschnitten weni-
ger an Tempobegrenzungen hält. Ich wünsche mir mehr
Einigkeit bei dem wichtigen Thema Verkehrssicherheit.

Nun zu Ihren Ausführungen, lieber Kollege Luksic.
Sie haben im Zusammenhang mit dem Führerschein ge-
sagt, dass es nicht dazu kommen darf, dass Autobesitz
und individuelle Mobilität zu einer sozialen Frage wer-
den. Hier stellt sich zunächst einmal die Frage nach der
Klientel. Für die Menschen, die ich kenne, ist das längst
eine soziale Frage.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Oliver Luksic [FDP]: Sie wollen den Benzinpreis noch weiter erhöhen! Das ist noch unsozialer!)


s gibt sehr viele Menschen, die sich schon derzeit kein
uto leisten können. 50 Prozent der Bevölkerung kön-
en nicht täglich über ein Auto verfügen.


(Otto Fricke [FDP]: Wollen Sie wirklich 100 Prozent?)


iese Menschen brauchen eine vernünftige Alternative.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


ier kommt es darauf an, dass der ÖPNV ausgebaut
ird, dass vernünftige Bahnpolitik betrieben wird, dass

ntsprechende Nahverkehrsangebote bestehen und dass
tädte so gestaltet werden, dass die Leute nicht zur Be-
utzung eines Autos geradezu gezwungen werden.

Nun zu einem weiteren Punkt, zur Elektromobilität.
s gibt tolle Elektromobilitätsgipfel. Dabei weiß man
anz genau: Um einer neuen Technik zum Durchbruch
u verhelfen, kommt es darauf an, sinnvolle gesetzliche
egelungen und Standards einzuführen. Was passiert
ier? Hier passiert nichts. Elektromobilitätsgipfel vor
ameras abhalten, aber die entsprechenden gesetzlichen
egelungen nicht durchsetzen und sich dann vielleicht
uch noch selber Klimakanzlerin nennen – das ist be-
chämend. Noch nicht einmal so kleine Maßnahmen ge-
ngen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen eine vernünftige Bahnpolitik. Ich habe
ir vor kurzem in mehreren Videos angeschaut, was in
tuttgart passiert. Wir sind der Verkehrsausschuss.


(Zuruf von der FDP: Nein, das Plenum! Bitte zum Thema kommen!)


etztlich wird hier im Namen des zu 100 Prozent in un-
erem Besitz befindlichen Unternehmens mit extremer
rutalität geräumt. Ich habe so etwas bei Wackersdorf
nd in anderen Auseinandersetzungen erlebt. Ich finde,
ir sollten im Verkehrsausschuss dringend darüber re-
en, ob es sinnvoll ist, ein Verkehrsprojekt mit einer sol-
hen Brutalität durchzusetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: Zu blockieren!)


ie gesagt, es handelt sich um ein zu 100 Prozent in
undesbesitz befindliches Unternehmen.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706239100

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Volkmar Vogel

as Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )


)(B)


Volkmar Uwe Vogel (CDU):
Rede ID: ID1706239200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn man die Tagesordnung sieht, kann man sich zu-
nächst nicht richtig vorstellen, worüber wir hier reden.
Einem Außenstehenden kommt es sehr bürokratisch vor.
Teilweise sind es bürokratische Regelungen, die wir hier
treffen müssen, gerade wenn es um den Datenschutz
beim KBA oder den Führerschein geht.

Beim Führerschein setzen wir eine EU-Richtlinie um.
Diese Eins-zu-eins-Umsetzung überfordert die Führer-
scheinbesitzer nicht. Ich habe mit 15 Jahren meinen Mo-
pedführerschein gemacht. Als ich im vergangenen Jahr
50 wurde, musste ich meinen Führerschein verlängern
lassen – mittlerweile kann ich auch Lkw fahren – und
war sehr erstaunt, wie mein alter Führerschein aussah
und wer ihn damals abgestempelt hatte. Wir müssen je-
denfalls darauf achten – auch in der Diskussion im Aus-
schuss –, dass zum einen die Kosten für jene, die ihn
umtauschen müssen, in vertretbarem Rahmen bleiben
und dass zum anderen der zeitliche Aufwand, der damit
verbunden ist, nicht so ausufert, dass man das im Alltag
nicht mehr schnell nebenbei erledigen kann.

Als ich mit 15 meinen Mopedführerschein machte,
gehörte ich natürlich zu der Risikogruppe der jungen
Leute. Ein wesentlicher Punkt des Gesetzes zur Ände-
rung des Straßenverkehrsgesetzes und des Kraftfahr-
sachverständigengesetzes ist – meine Vorredner haben
das bereits angesprochen – das begleitete Fahren ab 17.
In allen Modellregionen, in denen es praktiziert wird, hat
es dazu geführt, dass die Fahranfänger eine hohe Fahr-
kompetenz nachweisen können. Das hat auch die Bun-
desanstalt für Straßenwesen in ihrem Fortschrittsbericht
festgestellt. Fast 25 Prozent weniger Unfälle und eine
fast 30 Prozent geringere Beteiligung junger Leute an
Unfällen – das ist ein Ergebnis, das sich sehen lassen
kann. Neben dem vorrangigen Ziel dieser Maßnahme,
Personenschäden und damit unendliches menschliches
Leid zu verhindern, ist zu erwähnen, dass es aufgrund
der besseren Fahrpraxis und der Betreuung durch einen
Begleiter vielfach auch nicht zu Sachschäden kommt.

Für mich ist ganz wichtig, dass das begleitete Fahren
mit 17 seine Praxistauglichkeit bewiesen hat und dass es
einfach handhabbar ist. Jeder weiß inzwischen, dass der
Begleiter mindestens 30 Jahre alt sein muss, dass er
nicht mehr als drei Punkte in Flensburg haben darf, dass
er mindestens fünf Jahre ununterbrochen im Besitz der
Fahrerlaubnis sein muss, dass er selbstverständlich die
Promillegrenze einhalten und seinen Führerschein mit-
führen muss.

Wir bringen den jungen Leuten mit der Möglichkeit
des begleiteten Fahrens ab 17 sehr großes Vertrauen ent-
gegen. Allerdings kann und muss missbrauchtes oder
enttäuschtes Vertrauen natürlich auch geahndet werden.
Die jungen Fahrer erhalten – genauso wie alle anderen –
ihre Fahrerlaubnis zunächst nur auf Probe, und damit
gelten auch die bestehenden verkehrsrechtlichen Rege-
lungen der Probezeit.

Die Kernpunkte der Gesetzesänderung, die wir in den
Ausschüssen behandeln und dann hoffentlich auch zügig

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(C (D eschließen werden, sind, den jungen Leuten die Teilabe an der Mobilität zu ermöglichen, gleichzeitig die llgemeine Verkehrssicherheit zu verbessern und Sachchäden zu reduzieren. Überdies ist dieses Vorhaben ich habe es bereits ausgeführt – leicht umzusetzen. Seit 2005 hatten die Bundesländer die Möglichkeit, ich an dem Pilotprojekt „Begleitetes Fahren ab 17“ zu eteiligen. Mein eigenes Bundesland Thüringen hat dies benfalls getan; auch hier gibt es hervorragende Ergebisse, die eine bundeseinheitliche Regelung als sinnvoll rscheinen lassen. Mit dem Gesetz, das maßgeblich auf einen Antrag unerer christlich-liberalen Koalition zurückzuführen ist, ird das begleitete Fahren ab 17 in dauerhaftes Recht berführt. Das begleitete Fahren ist damit auch eine innvolle Ergänzung der professionellen Fahrschulausildung. Meine sehr geehrten Kollegen, liebe Eltern und äste, ganz nebenbei gesagt: Die jungen Leute lernen ier, dass es durchaus sinnvoll sein kann, wohlgemeinte atschläge der älteren Generation, die auf dem Beifahrsitz sitzt, anzunehmen und ihnen zu folgen. Zurück zu den Fakten. Begleitetes Fahren führt zu eniger Verkehrsverstößen und zu weniger Unfällen mit chlimmen Folgen. Daher bitte ich Sie, in den Ausschüsen über diese Gesetzesänderung zügig zu debattieren, odass die jungen Leute, vor allen Dingen diejenigen, ie bei allen Möglichkeiten, die die öffentlichen Verehrsträger bieten, etwa im ländlichen Raum auf indiviuelle Mobilität angewiesen sind – ich komme selber us dem ländlichen Raum –, in der Schule, im Beruf, im hrenamt und natürlich in der Freizeit mobil sein und amit schnellstmöglich zum Zuge kommen können. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurs auf den Drucksachen 17/3022 und 17/3035 an die in er Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlaen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist ofnsichtlich nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so eschlossen. Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 12 a und 12 b uf: a)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706239300
richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Heinz Paula,
Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Obligatorische Prüf- und Zulassungsverfah-
ren für Haltungseinrichtungen für Nutztiere –
Tierschutz-TÜV zügig einführen

– Drucksachen 17/2143, 17/2912 –





Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)

Berichterstattung:
Abgeordnete Dieter Stier
Heinz Paula
Dr. Christel Happach-Kasan
Alexander Süßmair
Friedrich Ostendorff

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Heinz Paula,
Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Bessere Haltung für Kaninchen zu Erwerbs-
zwecken – Konkrete Haltungsbedingungen
in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverord-
nung aufnehmen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten
Tackmann, Karin Binder, Alexander Süßmair,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Die Haltung von Mast- und Zuchtkaninchen
in Deutschland und der Europäischen Union
tiergerechter regeln – Mindestanforderun-
gen unverzüglich auf den Weg bringen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich
Ostendorff, Undine Kurth (Quedlinburg),
Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die gewerbliche Haltung von Mast- und
Zuchtkaninchen in Deutschland und der Eu-
ropäischen Union deutlich verbessern

– Drucksachen 17/2017, 17/1601, 17/2006,
17/2962 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dieter Stier
Heinz Paula
Dr. Christel Happach-Kasan
Alexander Süßmair
Friedrich Ostendorff

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Damit eröffne ich die Aussprache und erteile dem
Kollegen Dieter Stier für die CDU/CSU-Fraktion das
Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dieter Stier (CDU):
Rede ID: ID1706239400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Im Juni des vergange-
nen Jahres hat der Deutsche Bundestag mit den Stimmen
der damaligen Großen Koalition das Zweite Gesetz zur
Änderung des Tierschutzgesetzes beschlossen. Mit die-
ser Neuregelung wurde die Voraussetzung geschaffen,
dass künftig nur noch serienmäßig hergestellte Stallein-
richtungen verwendet werden dürfen, wenn sie vorher

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(C (D uf Tiergerechtheit geprüft worden sind. Damit hat das arlament grünes Licht für die Einführung eines obligarischen Prüfund Zulassungsverfahrens gegeben. Ab em Jahr 2012 soll es demnach nur noch geprüfte Halngssysteme für Legehennen geben. Für bereits beste ende Stalleinrichtungen gilt Bestandsschutz. Zu dieser Entscheidung für den sogenannten Tierchutz-TÜV steht auch die jetzige CDU/CSU-Bundesgsfraktion. Dabei stelle ich an dieser Stelle jedoch klar, ass es sich bei diesem irreführenden Begriff nicht, wie ielleicht von einigen angenommen wird – wir haben erade über Verkehrsfragen gesprochen –, um die regeläßige Überprüfung von Stallungen ähnlich der Fahr eugüberprüfung handelt. Vielmehr werden Haltungsinrichtungen für Legehennen vor dem Inverkehrbringen iner staatlichen Prüfung unterzogen. Auch Stalleinrichngen aus Drittländern müssen die Zulassungsvoraus etzungen erfüllen, die für heimische Produkte gelten. eiterhin gibt es positive Erfahrungen mit zertifizierten altungssystemen in Schweden und in der Schweiz. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie rdern in Ihrem Antrag, dass endlich Durchführungs erordnungen erlassen werden, mit denen die Prüfund ulassungsanforderungen für alle serienmäßig hergetellten Haltungseinrichtungen festgelegt werden könen. Es gibt dabei jedoch nach meinem Kenntnisstand in großes Hindernis – ein Ei, welches Sie sich selbst ins est gelegt haben –: Das Bundesland Rheinland-Pfalz at bekanntlich beim Bundesverfassungsgericht eine ormenkontrollklage zur Legehennenhaltung eingeicht. Darin fordert Ministerpräsident Kurt Beck, SPD, in Verbot der sogenannten Kleingruppenhaltung. Bisher t aber nicht einmal ein Verhandlungstermin für dieses nhängige Verfahren in Aussicht bzw. durch das Gericht nberaumt. Bevor hierzu nicht eine Entscheidung des undesverfassungsgerichts vorliegt, kann die Hennenaltungsverordnung nicht umgesetzt werden. Ich zweifle eshalb daran, dass das Datum 2012 einzuhalten ist. Das erhalten von Herrn Ministerpräsidenten Beck in dieser ache ist – ich möchte das sehr vorsichtig formulieren – icht gerade zielführend. Durch diese Intervention wird ie geplante Einführung der geprüften Haltungssysteme r Legehennen weiter verzögert. Damit haben Sie we er der deutschen Landwirtschaft noch dem Tierschutz nd erst recht nicht dem Verbraucher einen Gefallen gen, sondern Rechtsunsicherheit statt Planungssicherheit eschaffen. Ich nenne Ihnen ein weiteres Beispiel, weshalb ich laube, dass das Bundesland Rheinland-Pfalz versucht, Sachen Tierschutz der Retter der deutschen Landwirt chaft zu sein. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Tierschutz ist keine Glaubensfrage!)


Frau Wolff, lassen Sie mich bitte ausreden. – In der
undesratssitzung am vergangenen Freitag stand ein
ntrag von Rheinland-Pfalz mit der Forderung nach ei-
em Verbot des Schenkelbrandes als Kennzeichnungs-
ethode bei Pferden auf der Tagesordnung,


(Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Richtig!)






Dieter Stier


(A) )


)(B)

ein Antrag, welcher für mich nicht nur populistisch, son-
dern auch wirtschaftsschädlich für die deutsche Pferde-
zucht ist. Deutschland ist weltweit die größte und erfolg-
reichste Nation im Pferdesport und in der Pferdezucht.
Die 300 000 Arbeitsplätze in dieser Branche mit einen
Gesamtumsatz von über 5 Milliarden Euro werden,
glaube ich, durch solche Anträge in Gefahr gebracht.

Ich bin selber Pferdezüchter; ich kenne mich da aus.
Liebe Frau Wolff, nach meiner eigenen Erfahrung – ich
habe Fohlen dabei festgehalten – verursacht die vorge-
schriebene Injektion des sogenannten Chips beim Fohlen
deutlich mehr Aufregung als das Setzen des Schenkel-
brands.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706239500

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Priesmeier von der SPD?


Dieter Stier (CDU):
Rede ID: ID1706239600

Sehr gerne.


Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Rede ID: ID1706239700

Herr Kollege Stier, können Sie vielleicht bestätigen,

dass der Einstich mit einer Kanüle nicht so viele
Schmerzen hervorruft wie das Verbrennen der Haut?
Das, was nach dem Schenkelbrand zurückbleibt, ist eine
gebrannte Narbe; sie wird mit einem heißen Eisen ge-
brannt. Insofern halte ich diese Methode wegen der da-
bei auftretenden Schmerzen für grob tierschutzwidrig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es gibt Alternativen; es gibt andere Methoden. Das, was
Sie vertreten, ist bar jeder wissenschaftlichen Erkennt-
nis.


Dieter Stier (CDU):
Rede ID: ID1706239800

Lieber Kollege Priesmeier, Sie möchten sicherlich

eine ehrliche Antwort. Ich habe Ihnen gerade gesagt,
dass ich sehr oft bei solchen Vorgängen dabei war. Ich
kann aber nicht bestätigen, dass der Schenkelbrand für
das Fohlen deutlich schmerzhafter ist.


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Sie sind an der Stelle ein Lobbyist!)


– Liebe Frau Wolff, ich antworte erst einmal Ihrem Kol-
legen Priesmeier. – Es gibt Gutachten, die das Gegenteil
beweisen sollen. Heute ist aber nicht die Zeit für eine
Debatte darüber; wir sollten an anderer Stelle darüber
diskutieren. Ich habe jedenfalls aus eigener Erfahrung
wahrgenommen, dass es nicht schmerzhafter ist.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie einen Selbstversuch gemacht?)


Ich bin bei diesem Thema wirklich Fachmann; wir kön-
nen darüber gern noch diskutieren.

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(C (D Ich setze zum Wohle von Rheinland-Pfalz große offnung darauf, dass man dort in absehbarer Zeit unter ulia Klöckner wieder an mehr Sachlichkeit orientiert t, nicht an polemischer Effekthascherei. Wir laufen in der Debatte über Tierschutz – auch die eute vorliegenden Anträge untermauern das – immer ieder Gefahr, den Tierschutz zu vermenschlichen und n bestimmten Ideologien zu unterwerfen. Wenn Men chen sich jedoch am ganzen Körper mit Tattoos veruntalten und Ringe durch die Nase ziehen (Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


nd wir hinterher oftmals Folgekosten im solidarisch fi-
anzierten Gesundheitswesen zu tragen haben, dann in-
ressiert uns das hier zumeist wenig. Das macht mich
ittlerweile sehr betroffen.


(Zuruf von der SPD: Halten Sie eine Büttenrede?)


Ich weise an dieser Stelle erneut darauf hin, dass wir
ie Frage, was art- und tiergerecht ist, nicht ideologisch
eantworten sollten, sondern dass wir die Antwort da-
uf den Experten der Landwirtschaft und auch der Wis-

enschaft ganz unaufgeregt überlassen sollten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Lassen Sie mich an dieser Stelle noch eine grundsätz-
che Anmerkung zum Spannungsfeld zwischen Tier-
chutz und Wirtschaftlichkeit machen. Bei allen tier-
chutzrechtlichen Fragen, die durchaus berechtigt sind
nd die von der christlich-liberalen Koalition auch sehr
rnst genommen werden, müssen wir jedoch Kompro-
isse zwischen Tierschützern und Tierhaltern und da-
it auch der Wirtschaft erreichen. Das ist für beide Sei-
n nicht immer leicht zu ertragen. Wir könnten
atürlich – darin gebe ich Ihnen recht – die Legehennen-
altung in Ställen generell verbieten und durch artge-
chte Freilandhaltung ersetzen. Aber diese Eier würde
Deutschland niemand mehr kaufen, weil sie einfach

u teuer sind. Zum Teil ist das auch schon der Fall.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Der Markt spricht eine andere Sprache!)


as noch viel schlimmer ist: Die nicht tiergerechte Hüh-
erhaltung würde ins Ausland verlagert und sich dort auf
auer etablieren. Ich glaube, dass wir damit dem Tier-

chutz insgesamt einen Bärendienst erweisen würden.
udem würden in Deutschland Tausende von Arbeits-
lätzen vernichtet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Gleichzeitig dürfen wir die Unternehmen nicht durch
usätzliche Bürokratie überfordern und in ihrer wirt-
chaftlichen Freiheit einschränken. Bevor wir neue Ge-
etze und Verordnungen erlassen, sollten wir prüfen, ob
ie bestehenden Anforderungen das nicht schon herge-
en. Die Veterinärämter vor Ort haben heute schon die
öglichkeit, bei Verstößen einzugreifen. Zumindest ich





Dieter Stier


(A) )


)(B)

will nicht, dass der Landwirt mehr am Schreibtisch sitzt,
als sich seinen Tieren zu widmen oder auf dem Traktor
zu sitzen. Wir sollten uns als Agrarpolitiker immer kri-
tisch fragen, wie viel Regelungswut wir uns im Tier-
schutz auf dem Rücken der landwirtschaftlichen Be-
triebe noch leisten können.

Mein Fazit lautet: Für uns hat der Tierschutz – und
das haben wir auch im Koalitionsvertrag vereinbart –
eine zentrale Bedeutung; das wird auch so bleiben. Die
deutschen Tierhalter haben in den vergangenen Jahren
mit sehr viel Engagement und wirtschaftlichem Auf-
wand den Tierschutz in den Ställen weiterentwickelt und
verbessert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Man muss aber auch anerkennen, dass bei der Nutztier-
haltung der Verkauf der Produkte vom internationalen
Wettbewerb geprägt ist.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706239900

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.


Dieter Stier (CDU):
Rede ID: ID1706240000

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Trotzdem

leisten wir uns mit den bestehenden Regelungen in
Deutschland, in der EU und weltweit schon jetzt die bes-
ten Bedingungen für den Tierschutz auf allerhöchstem
Niveau. Damit haben wir eine Vorreiterrolle.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706240100

Herr Kollege!


Dieter Stier (CDU):
Rede ID: ID1706240200

Jawohl, Herr Präsident. – Über diese Vorreiterrolle

sind wir froh und lehnen aus diesem Grund noch weiter-
gehende Regelungen ab.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706240300

Das Wort hat nun Heinz Paula für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Heinz Paula (SPD):
Rede ID: ID1706240400

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Kollege

Stier,


(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kollege Ochse!)


ich habe den Eindruck, dass Sie an der Realität, an den
Tatsachen schlicht und ergreifend vorbeischrammen.
Bei mir ist es so – und bei Ihnen, Kolleginnen und Kol-
legen, mit Sicherheit auch –, dass tagtäglich Briefe und
E-Mails eintreffen, die auf Missstände hinweisen und
bestimmte Sachverhalte zu Recht kritisieren: Fehler bei
der Tierhaltung, Fehler beim Tiertransport, die Situation
in Schlachthöfen. Kurz und gut: Diese Bürgerinnen und
Bürger halten genauso wie ich den Umgang mit Tieren
in unserem Land für oft nicht hinnehmbar.

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(C (D (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


iese Bürgerinnen und Bürger haben vollkommen recht.
h bedanke mich sehr herzlich bei ihnen für ihr Engage-
ent, genauso wie bei allen anderen, die sich mit gro-

em Nachdruck für die Belange unserer Tiere einsetzen.
in Dankeschön auch an alle Medien, die immer wieder
ie Lampe in diesen Bereich hineinhalten und versu-
hen, Missstände zu thematisieren. Wer die entsprechen-
en Berichte gesehen hat – Kollege Stier, ich stelle Ihnen
erne einmal eine Auswahl zur Verfügung –, dem bleibt
ichts anderes übrig, als zu handeln; denn die gezeigten
iere erleiden teilweise unvorstellbare Qualen. Das hat
ichts mit Ideologie zu tun, wie Sie versuchen, groß aus-
uführen. Das sind reale Schmerzen, Herr Kollege. Man
ollte höllisch Obacht geben, keine faulen Kompromisse
u schließen. Es gibt nur ein Ja zum Tierschutz. Für
ich steht schlicht und ergreifend das Wohl des Tieres

ber allem.

Sie kennen unser Tierschutzgesetz. Ich rate Ihnen
ringend, einen Blick in das Grundgesetz zu werfen.
ach Art. 20 a GG hat der Staat die Tiere zu schützen.
avon sind sie meilenweit entfernt.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Wer hat das denn eingeführt? Hallo?)


Meine Fraktion hat im Gegensatz dazu gehandelt. Wir
aben einen Antrag auf Einführung eines obligatori-
chen Prüf- und Zulassungsverfahrens für Tierhaltungs-
ysteme eingebracht. Wir wollen, dass sich etwas ändert.
eswegen haben wir – jetzt wird es spannend, Herr Kol-
ge Stier; zu diesem Zeitpunkt waren Sie noch nicht im
undestag – zur Zeit der Großen Koalition das Tier-

chutzgesetz geändert; sie haben zu Recht darauf hinge-
iesen. Auf dieser Rechtsgrundlage muss allerdings

ndlich eine entsprechende Verordnung erlassen werden.
diesem Bereich hapert es bei Ihnen ganz gewaltig.
em Kollegen Beck die Verzögerung in die Schuhe zu

chieben


(Otto Fricke [FDP]: Wem denn sonst?)


Entschuldigung, ich habe bisher viele schwache Argu-
ente gehört –, schlägt wirklich alles, Herr Kollege.


(Beifall bei der SPD)


Wir fordern die Bundesregierung in aller Deutlichkeit
uf, endlich zu handeln. Kollege Staatssekretär Müller,
ringen Sie endlich eine entsprechende Verordnung auf
en Weg! Dann können wir das große Elend der Tiere
eenden. Wir fordern einen TÜV für Stallungen und ent-
prechende Vorschriften für die Transportwege. Darüber
inaus fordern wir einen Tierschutz-TÜV für Schlacht-
öfe. Als die Tagesthemen vor kurzem die Situation in
en Schlachthöfen darstellten, wurde deutlich, dass die
etäubung aufgrund mangelhafter Arbeit oft nicht aus-
ichend ist. Jährlich – man stelle sich das vor – gerät

ber eine halbe Million Tiere ohne wirksame Betäubung
die Brühkessel. Das ist schlicht und ergreifend uner-

ört!


(Beifall bei der SPD)






Heinz Paula


(A) )


)(B)

Da gibt es auch keine Kompromisse, Herr Kollege Stier.

Ich empfehle Ihnen: Lesen Sie Ihr Papier! Sie haben
das wunderbare Papier „Die CDU fühlt sich dem Staats-
ziel Tierschutz verpflichtet“ erstellt. Dort heißt es völlig
zu Recht: „Der Tierschutz-TÜV kommt.“ Die span-
nende Frage lautet allerdings: Wann kommt er? Ich
kann Ihnen nur dringend raten, das aufzugreifen, was
bereits vorliegt, zum Beispiel die Beschlussfassung des
Bundesrates vom 7. April 2006, das Eckpunktepapier
einer hochkarätigen Fachkommission zur Einführung ei-
nes obligatorischen Prüf- und Zulassungsverfahrens vom
12. Dezember 2007 oder unseren Antrag. Kollege
Staatssekretär, handeln Sie! Dann sind Sie unser Mann.
Das wäre hervorragend.


(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Er hat noch mehr Fehler!)


– Stimmt, er muss noch etwas mehr tun, aber es wäre ein
wesentlicher Pluspunkt für den Kollegen Müller.

Lassen Sie mich kurz auf die Haltung von Kaninchen
eingehen. Herr Stier ist darauf interessanterweise nicht
eingegangen. Das spricht für sich. Meine Fraktion stellt
einen Antrag, die Linke stellt einen Antrag, und die Kol-
legen der Grünen stellen einen Antrag.


(Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Deshalb sind sie nicht besser!)


Nun stellt sich die spannende Frage: Wo ist Ihre Initia-
tive, Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und
FDP? Wo bleibt die Initiative der Bundesregierung? Was
ist bisher geschehen? Nichts!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Dabei wissen wir alle ganz genau, dass die Haltungsbe-
dingungen für Kaninchen teilweise katastrophal sind.
Drahtgitterböden führen zu massiven Wunden. Für un-
sere Zuhörer nenne ich ein kurzes Beispiel. Können Sie
sich allen Ernstes vorstellen, dass ein Kaninchen in ei-
nem Käfig, der kleiner als ein halbes DIN-A-4-Blatt ist,
zu vegetieren – von „leben“ kann man nicht sprechen –
hat? Das ist leider teilweise Tatsache. Das muss
schnellstens beendet werden. Das ist ein klarer Verstoß
gegen das Tierschutzgesetz.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Leider gibt es auch auf EU-Ebene bisher keine Rege-
lung. Deswegen verlangen wir in unserem Antrag, dass
auf dieser Ebene ebenfalls entsprechende Initiativen ge-
fördert werden. Wir verlangen klipp und klar, Kaninchen
in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung aufzuneh-
men.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


In einem Punkt sind wir uns einig – auch mit den Kol-
leginnen und Kollegen der FDP und der CDU/CSU –:
Wir brauchen weitere Forschungstätigkeit in diesem Be-
reich. Das ist absolut richtig. Aber es kann nicht ange-
hen, dass Sie mit Hinweis auf die Notwendigkeit weite-
rer Forschungsergebnisse Ihre Hände in den Schoß

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(C (D gen. Immer nur abwarten – das darf nicht hingenomen werden. Ich appelliere eindringlich an Sie: Handeln ie! Unsere Tiere brauchen dringend Hilfe. Sonst – dieen Vorwurf müssen Sie sich schon anhören – kommt er Tierschutz in unserem Land immer weiter unter die äder. Sie, verehrte Damen und Herren von der CDU/CSU nd von der FDP, sitzen momentan – ich hoffe, dass ich agen darf: noch – im Bremserhäuschen. Ich hoffe, das ehört bald der Vergangenheit an. Sie tragen ganz entcheidend mit die Verantwortung für das, was im Tierchutzbereich passiert, und vor allem für das, was moentan leider noch nicht passiert. Dabei gibt es doch sehr positive Beispiele. Liebe Kolginnen und Kollegen, Sie erinnern sich an die letzte usschusssitzung. Es hat doch wirklich Mut gemacht, ie der Kollege Goldmann bezüglich der Haltung von ieren in Zirkussen versucht hat, eine Lösung zu finden. h darf mich bei unserem Ausschussvorsitzenden dafür ehr herzlich bedanken. Kolleginnen und Kollegen der DP und der CDU/CSU, das ist ein Ansatzpunkt. Am esten folgen Sie diesem Beispiel beim Tierschutz-TÜV nd bei der Haltung von Kaninchen. Dann kommen wir Interesse unserer Tiere ein großes Stück voran. Haneln Sie! Ich bedanke mich sehr herzlich. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706240500

Das Wort hat nun Kollege Hans-Michael Goldmann

r die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1706240600

Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle-

en! Es ist überhaupt keine Frage, dass Tierschutz nicht
ur für die Arbeit im Ausschuss, sondern für unsere Ge-
ellschaft insgesamt ein Schlüsselthema ist,


(Heinz Paula [SPD]: Richtig!)


nd das nicht nur, weil der Tierschutz im Grundgesetz
erankert ist. Nebenbei bemerkt: Das war eine hervorra-
ende Leistung des Parlaments, zu der die Liberalen ei-
en Anstoß gegeben haben.


(Beifall bei der FDP)


ir sagen ganz klar: Tiere sind keine Sache. Das hat der
amalige Bundesjustizminister Engelhard, auch ein Li-
eraler, auf den Weg gebracht. Im Koalitionsvertrag und
unserer Ausschussarbeit ist das, wie ich schon sagte,

in zentrales Thema.

Egal wer Ausschussvorsitzender oder Ausschussvor-
itzende war, sind wir immer gut damit gefahren, die
hemen gemeinsam anzugehen. Deswegen haben wir
in Handelsverbot für Robbenerzeugnisse erreicht. Wir
aben ein Importverbot für Katzen- und Hundefelle er-
icht. Wir haben nicht alles, aber doch ein bisschen





Hans-Michael Goldmann


(A) )


)(B)

beim Walschutz erreicht, bei den Wildvögeln und auch
bei den Tierversuchen.

Jetzt wollen wir etwas bei der Mast und der Zucht von
Kaninchen erreichen, aber sicherlich auch bei den Wild-
tieren in den Zirkussen. Aber, Kollege Paula, liebe Kol-
leginnen und Kollegen, ich bin sehr dafür, dass man ein
solches Thema auch mit Emotionalität angeht. Ich
glaube, jeder, der zu Hause ein Tier hat, der Kinder hat,
die Tiere haben, begegnet den Herausforderungen des
Tierschutzes mit dem Herzen. Wir brauchen aber auch
die Basis kluger, substanzieller Fachlichkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Heinz Paula [SPD]: Die haben wir!)


Das Kindchenschema reicht nicht. Das Tier ist kein
Mensch. Wir müssen klar sagen: Wir haben das Nut-
zungsrecht für Tiere, aber es ist gekoppelt an die Tier-
schutzverpflichtung. Das ist ganz eindeutig. Wir müssen
uns über Begrifflichkeiten inhaltlich klar werden. Wir
müssen zum Beispiel wissen: Was ist ein eigentlich ein
Wildtier? Was ist eigentlich ein Haustier?

Wenn wir das aufarbeiten, dann brauchen wir als Ers-
tes Tierschutzbildung. Bei den Haltern ist sie sehr stark
ausgeprägt.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Auch bei den Landwirten ist sie in großem Maße vor-
handen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Bei den Tierärzten gibt es an der einen oder anderen
Stelle sicherlich noch Verbesserungsbedarf. Es geht da-
rum, dass wir das Wissen, das wir haben, einsetzen, um
die Bedingungen für die Haltung und Nutzung der Tiere
so auszugestalten, dass der Tierschutzgedanke und die
Tierschutzverpflichtung zum Tragen kommen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es geht um Verantwortlichkeit. Wir haben nie etwas
vom Tierschutz-TÜV gehalten. Ich halte aber zum Bei-
spiel etwas davon, dass man als Halter von Schweinen
die Schweinehaltungshygieneverordnung einhält, weil man
davon überzeugt ist, dass sie gut ist. Ich halte etwas da-
von, dass man im QS-System besondere Anstrengungen
unternimmt, um bei der Haltung den Bedürfnissen der
Tiere gerecht zu werden.

Lieber Herr Kollege Paula, Sie versuchen, für die
Mastkaninchen holterdiepolter etwas auf den Weg zu
bringen. Das ist der falsche Ansatz. Wir haben ein For-
schungsprojekt auf den Weg gebracht. Dieses müssen
wir auswerten. Wir müssen uns abstimmen und Leitli-
nien entwickeln. Wir können nicht einfach sagen: Wir
nehmen die Kaninchen in die Nutztierhaltungsverord-
nung auf. – Wir müssen erst einmal wissen, was wir auf-
nehmen wollen. Dafür brauchen wir wissenschaftliche,
fachliche Grundlagen.

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(C (D Das Gleiche gilt für das Halten von Wildtieren in Zirussen. Es gab meiner Meinung nach eine sehr erfreulihe Entwicklung im Ausschuss, die darin besteht, dass ir die Musik nicht von PETA bestimmen lassen, sonern uns gemeinsam darum bemühen, Lösungen zu finen. Aber auch da müssen wir uns fragen – das sage ich tzt vielleicht ein bisschen amüsiert –: Wie wild ist eientlich das Tier, das da im Zirkus lebt? Wie wild waren ie Nilpferde, die wir gestern Abend auf einer Veranstalng im Zoo in Berlin kennengelernt haben? Was ma hen wir mit dem Zirkustier, das nur den Zirkus kennenelernt hat? Die Tiere sind häufig gar nicht in Freiheit eboren, sondern sie sind in Zirkussen zur Welt gekomen. Was machen wir mit den auffälligen Tieren? Lassen ie uns uns gemeinsam darum kümmern! Es ist ein groes Problem, wenn in einem kleinen Zirkus Tiere auffälg werden; denn fast nirgendwo sind bei denjenigen, die ie Kosten zu übernehmen haben, Haushaltsmittel voranden. Das sind im Allgemeinen diejenigen, die die ontrollen durchführen, nämlich die Kommunen. Da ind überhaupt keine Mittel vorhanden, um den Gedanen des Tierschutzes wirklich so zum Tragen zu bringen, ass es zu einer guten Lösung kommt. Deswegen bin ich froh darüber, dass Kollege riesmeier und der gesamte Ausschuss gestern meinem orschlag gefolgt sind, (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peter Bleser mussten wir noch ein bisschen bearbeiten!)


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Bundestag!)


as Thema zu vertagen, es abzuarbeiten und hundertpro-
entig konsequent zu einer guten Lösung für die Wild-
ere in Zirkussen zu kommen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Heinz Paula [SPD]: Und zu einer zügigen Lösung!)


Ja, wir können auch gerne zu einer zügigen Lösung
ommen. Aber wir müssen mit den Botschaften, die da
ermittelt werden, auch ein bisschen vorsichtig sein. Ein
roßer deutscher Zirkus ist verurteilt worden, weil er an
inem Tag kein frisches Blattwerk für Elefanten zur Ver-
gung hatte. Ich finde, da gehen die Dinge dann auch

in bisschen zu weit.

Was das Beispiel Österreich angeht, so ist es richtig,
ass in Österreich keine Zirkusse mit Wildtieren mehr
uftreten können. Aber es ist paradox, dass österreichi-
che Zirkusse mit Wildtieren in Deutschland auftreten
önnen. Deswegen brauchen wir in diesem Bereich ein-
eutig europäische Lösungen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD])


Ich sage ganz klar: Tierschutz, ja bitte, aber bitte fach-
ch begründet und nicht so, dass irgendwelche Bot-
chaften in den Raum gestellt werden, die im Grunde





Hans-Michael Goldmann


(A) )


)(B)

genommen dem wahren Tierschutzgedanken nicht Rech-
nung tragen.

Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit bei
diesen Themen im Ausschuss. Ich bin ziemlich sicher,
dass wir zu guten Ergebnissen kommen werden.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706240700

Das Wort hat nun Kirsten Tackmann für die Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706240800

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Gäste! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Am 1. August 2002 wurde
der Tierschutz in Art. 20 a des Grundgesetzes verankert,
der entsprechend ergänzt wurde. Damit hat der Tier-
schutz Verfassungsrang; das ist hier schon gesagt wor-
den. Trotzdem stehen uns heute wieder nur 30 Minuten
zu später Stunde zur Verfügung, um über zwei wichtige
tierschutzpolitische Entscheidungen zu diskutieren. Si-
cher, wir haben schon im Ausschuss über Anträge disku-
tiert. Dennoch wäre es dringend notwendig und aus mei-
ner Sicht auch richtig, hier im Plenum einmal etwas
ausführlicher zu diskutieren, und zwar auch zu publi-
kumsfreundlichen Zeiten.


(Otto Fricke [FDP]: Da müssen Sie einmal mit Ihrem Geschäftsführer reden!)


Über den Tierschutz-TÜV diskutieren wir unter Fach-
politikerinnen und Fachpolitikern ja schon eine ganze
Weile. Natürlich hat die Linke nicht die Illusion, dass
wir damit alle Probleme in der Nutztierhaltung lösen
können. Aber wir leben in einem Land, in dem obligato-
rische Prüf- und Zulassungsverfahren für technische und
bauliche Anlagen allgegenwärtig sind.


(Heinz Paula [SPD]: Richtig!)


Wenn Probleme auftreten, sind wir froh, wenn wir da-
rauf verweisen können, dass wir genau diese Vorschrif-
ten eingehalten haben. Deshalb stelle ich mir oder auch
der CDU/CSU und der FDP schon die Frage, warum das
ausgerechnet bei Stallanlagen für Nutztiere nicht so sein
soll. Das ist doch nicht nachvollziehbar.

Klar ist auch, dass jede Tierhaltung, wenn Tiere in
Menschenobhut gehalten werden, ein Kompromiss ist.
Auf der einen Seite der Waagschale liegt das, was objek-
tiv tier- oder artgerecht wäre; darauf hat Kollege
Goldmann schon hingewiesen. Auf der anderen Seite ist
das, was von der Gesellschaft unter ethischen Aspekten
akzeptiert wird.

Hinzu kommt aber schon ein wirtschaftlicher Druck.
Der ist in Zeiten eines hochspekulativen Agrarmarktes,
der nur billige Produkte fordert, schon stark gewachsen.
Damit werden natürlich die wirtschaftlichen Spielräume
für die Betriebe kleiner, sowohl für soziale und ökologi-
sche Leistungen als auch für den Tierschutz. Es ist natür-
lich schlichtweg teurer, wenn man Hühner im Auslauf

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(C (D ält und nicht in einen Käfig sperrt. Der Tierschutz-TÜV ann aus unserer Sicht dazu beitragen, dass tierschutzgechte Lösungen gefunden und vorangebracht werden. eshalb werden wir als Linke dem Antrag der SPD zu timmen. Ich denke, das ist überfällig. (Heinz Paula [SPD]: Sehr schön! Sich ein Beispiel nehmen da drüben!)


Kommen wir zu den Kaninchen. Die Haltungsbedin-
ungen für Kaninchen sind besonders problematisch; da-
ber sind wir uns hoffentlich wirklich einig. Das liegt
ahrscheinlich daran, dass der Schutz von Kaninchen
icht in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung ver-
nkert ist. Die Linke hat daher im Frühjahr 2010 die Dis-
ussion, die in der Öffentlichkeit läuft, durch ihren An-
ag ins Parlament zurückgeholt. Dieser konzentriert sich
uf den Regelungsbedarf und umfasst sechs wichtige
unkte:

Erstens. Aufnahme der Kaninchen in die Tierschutz-
utztierhaltungsverordnung. Das hat die SPD auch ge-
rdert.

Zweitens. EU-weite Mindestforderungen. Es ist nicht
inzusehen, dass das bei uns anders geregelt wird als in
nderen EU-Ländern.

Drittens. EU-weite Haltungs- und Herkunftskenn-
eichnung für importiertes Kaninchenfleisch. Es ist nicht
achvollziehbar, dass hier andere Bedingungen gelten
ls für andere importierte Fleischsorten.

Viertens. Datenerfassung in Bezug auf Haltung und
erbrauch. Auch darüber wissen wir viel zu wenig.

Fünftens. Förderung artgerechter Tierhaltung. Auch
n dieser Stelle muss man die Betriebe unterstützen.

Sechstens. Forschungsprojekte zur besseren Kanin-
henhaltung. In der Tat gibt es in diesem Bereich Wis-
ensdefizite, die wir beheben müssen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as heißt aber nicht, dass man nicht handeln kann. Ich
eiß ehrlich gesagt nicht, liebe Kolleginnen und Kolle-
en von der Koalition, warum man einen solchen Antrag
blehnen kann.

Wir sehen die Probleme aber nicht nur in der gewerb-
chen Kaninchenhaltung. Wir sehen sie durchaus auch
der Heimtierhaltung. Die Grünen fordern nun in ihrem
ntrag, auch dies zu regeln. Das bedeutet für mich aber

ine kaninchenrechtliche Kontrolle in Kinderzimmern.
as hört sich für mich dann doch eher nach Orwell als
ach Tierschutz an. Deswegen sagen wir als Linke: Ja,
ir möchten auch für die Kaninchen in der Hobbyhal-
ng mehr tun.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Alle Kaninchen sind gleich!)


Das sollten wir aber eher über eine Sensibilisierung
nd Überzeugung von Kindern und Eltern erreichen.
iese haben nämlich keinen ökonomischen Zwang und





Dr. Kirsten Tackmann


(A) )


)(B)

können durchaus in einem breiteren Spektrum entschei-
den.


(Beifall bei der LINKEN)


Mahatma Gandhi hat einmal gesagt: Eine Zivilisation
kann man danach beurteilen, wie sie ihre Tiere behan-
delt. – Wir befinden uns aus meiner Sicht also gegenwär-
tig in einem sehr unvollkommen zivilisierten Status der
Tierhaltung. Es wäre aus meiner Sicht und aus Sicht der
Linken ein großer Schritt, wenn Sie sich überwinden
könnten, den vernünftigen Anträgen, die hier vorliegen,
endlich zuzustimmen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706240900

Das Wort hat nun Friedrich Ostendorff für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Mal sehen, über welche Tierarten er spricht!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Glückli-
che Kühe,


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Aha!)


Hühner auf grünen Weiden, Schweine im Stroh, maleri-
sche Fachwerkbauernhöfe – immer noch haben Verbrau-
cherinnen und Verbraucher dieses Bild vor Augen, wenn
sie an der Fleischtheke zum Kotelett greifen. Keine Wer-
bung ohne diese Bilder!


(Dr. Edmund Peter Geisen [FDP]: Emotionalität!)


Leider sieht die Wirklichkeit ganz anders aus. Außer bei
NEULAND und der Biolandwirtschaft hat die Realität in
den Ställen wenig mit der Schönmalerei auf den Verpa-
ckungen zu tun.


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Dann kommen Sie sich mal meine Kühe angucken!)


Es besteht dringender Handlungsbedarf.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deshalb wollen auch wir Grüne den Tierschutz-TÜV
für Stalleinrichtungen, für Betäubungsgeräte und für
Heimtierunterkünfte. Aber damit der Tierschutz-TÜV
ernsthaft Wirkung zeigt, müssen die Zertifizierungskrite-
rien höher sein als die gesetzlichen Standards. Unabhän-
gige Prüfverfahren mit unabhängigen Prüfern aus Tier-
schutzorganisationen sind unerlässlich. Das sehen die
Koalitionsfraktionen bisher leider anders.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Tierschutz-TÜV ist ein wichtiger Schritt. Wir
müssen uns aber über die Grenzen einer solchen Maß-
nahme immer im Klaren sein. Wesentliche Fragen blei-

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(C (D en unbeantwortet. Was ist mit dem Grundbedürfnis der iere nach Auslauf, nach Stroh und Kontakt zur Außenelt? Was ist mit der artgerechten Behandlung des Ties durch den Tierhalter? Ich möchte vor allem wissen: elche Form der Tierhaltung wollen wir uns als zivili ierte Gesellschaft in Zukunft leisten? Staatssekretär Müller, wollen wir denn wirklich Anlaen mit vielen Zehntausenden Schweinen oder einer halen Million Hühnern oder Hähnchen, Anlagen, in denen lanmäßig Schweineschwänze und Geflügelschnäbel upiert werden, damit die Tiere wegen des Platzmangels icht zu Kannibalen werden, Anlagen, in denen die Tiere qualvoller Enge vor sich hin darben, Anlagen wie die niedersächsischen Holthusen II, in denen bei Störfäl n Zehntausende von Tieren einen qualvollen Brandtod terben? (Zuruf von der CDU/CSU: Was für Horrorszenarien!)


Der bundesweite, ständig wachsende Protest der Bür-
erinitiativen gegen die Massentierhaltung zeigt, dass

mer mehr Menschen diese unwürdigen Haltungsbe-
ingungen ablehnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


eine Damen und Herren, nicht die Tiere müssen sich
en Haltungssystemen anpassen, wie wir es heute prakti-
ieren, sondern die Haltungssysteme den Bedürfnissen
er Tiere. Das ist das Gebot der Zukunft.


(Heinz Paula [SPD]: Ja!)


Orientierung für eine artgerechte Tierhaltung bietet
as NEULAND-Leitbild. Dieses Leitbild legt klare Kri-
rien für die Haltung und die Fütterung von Nutztieren
st. Gerade in Richtung der Kolleginnen und Kollegen

us den Fraktionen mit dem „C“ im Namen sage ich
Sie sind ja in Ihrem schwarz-gelben Herbst gerade auf

er Suche nach Ihrem Wertekern –: Auch Nutztiere sind
itgeschöpfe,


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Ja, sicher!)


r die wir alle Verantwortung tragen. Das steht in der
ibel, aber auch im Grundgesetz.


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Oh! Wie interessant!)


Ja, das sollten Sie nachlesen.

Die Menschen sind bereit, für Produkte mit Tier-
chutzlabel tiefer in die Tasche zu greifen; das belegt
uch die aktuelle Studie des BMELV. Das ist ein klarer
andlungsauftrag für die Politik. Wir müssen die Tier-
altung endlich so verbessern, wie es unsere Mitbürger
rwarten, Herr Staatssekretär, statt die Welt mit billigem,
ft nicht artgerecht erzeugtem Fleisch zu beglücken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Bleser [CDU/CSU]: Er hat 20 Jahre Entwicklungserfahrung, Herr Kollege!)


ieser Maßstab muss für jedes uns anvertraute Tier gel-
n, egal ob es Tiere in der Landwirtschaft, Heimtiere





Friedrich Ostendorff


(A) )


)(B)

oder nicht frei lebende Wildtiere im Zirkus oder im Zoo
sind.

Das Leitbild des Mitgeschöpfs Tier prägt auch unse-
ren Antrag, mit dem wir die Haltungsbedingungen für
Zucht- und Mastkaninchen deutlich verbessern wollen.
Frau Aigner hat uns vor wenigen Monaten versprochen,
im Herbst 2010 die Vorstellungen des Ministeriums vor-
zulegen. Wir warten darauf leider bis heute.


(Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Ja, genau! Wo sind sie denn? – Heinz Paula [SPD]: Aber das Jahr hat sie nicht gesagt!)


– Doch. Sie hat von diesem Jahr gesprochen. – Sie alle
haben jetzt die Gelegenheit, unseren Antrag zu unterstüt-
zen. Wir sind ja gerne behilflich.


(Heiterkeit des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])


Wir begrüßen die Bereitschaft der anderen Fraktio-
nen, bei der Haltung von Wildtieren im Zirkus eine Lö-
sung im Konsens zu finden; der Ausschussvorsitzende,
Herr Goldmann, hat dankenswerterweise schon darauf
hingewiesen. Ihm ist ausdrücklich dafür zu danken, dass
auch er versucht hat, in dieser Frage einen Konsens zu
erzielen.


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Ja! Der Zirkus bleibt!)


Doch auch hier gilt: Wir werden keinem Kompromiss
zustimmen, der der Verantwortung gegenüber dem Mit-
geschöpf Tier nicht gerecht wird, Herr Bleser.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – HansMichael Goldmann [FDP]: Attacke, wie immer!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706241000

Als letzter Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt

erteile ich Kollegin Carola Stauche für die CDU/CSU-
Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Carola Stauche (CDU):
Rede ID: ID1706241100

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mit meinen Aus-
führungen beginne, möchte ich an dieser Stelle aus-
drücklich darauf hinweisen, dass die christlich-liberale
Koalition den Tierschutz für besonders wichtig hält.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Dann macht doch auch mal etwas!)


Wir als Koalition aus CDU, CSU und FDP setzen uns
für den Tierschutz und gute Bedingungen für Tiere ein.


(Heinz Paula [SPD]: Wir wollen Taten sehen!)


Wir nehmen dieses Thema sehr ernst und werden uns
auch weiterhin für eine Verbesserung der Tierhaltung
einsetzen, wie es die Union bereits in früheren Jahren
getan hat. CDU und CSU sind Vorreiter beim Tierschutz.

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(C (D (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


hne uns wäre der Tierschutz nicht ins Grundgesetz ge-
ommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


as heute geltende Tierschutzrecht wurde in der Regie-
ngszeit der Union konzipiert und seitdem kontinuier-

ch weiterentwickelt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


eshalb sind wir auch bereit, sinnvolle Veränderungen
Tierschutzrecht mitzutragen.

Den heute zur Abstimmung stehenden Anträgen wer-
en die Abgeordneten von CDU und CSU jedoch nicht
ustimmen. Alle von den Oppositionsfraktionen gestell-
n Anträge hätten nur wenige Verbesserungen der Be-
ingungen für die Tiere zur Folge, würden aber zu einem
normen Ausbau der Bürokratie führen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Genau! Reine Augenwischerei!)


Nehmen wir die Anträge zur Haltung von Mast- und
uchtkaninchen, die sich durchaus ähnlich sind! Darin
rdern Sie unter anderem eine Erfassung des Kanin-

henbestands. Ich frage mich: Wie soll das vonstattenge-
en?


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Ganz einfach: Ohren zählen und durch zwei teilen!)


ollen wir bei Kaninchen Chips oder Ohrmarken ver-
enden? Als wir das in Thüringen bei Ziegen machen
ollten, hatten wir Riesenprobleme. In großen Betrieben
ird es sicherlich weniger Probleme geben. So geht aus
er Fleischuntersuchungsstatistik des Jahres 2009 her-
or, dass im letzten Jahr an etwa einer Viertelmillion Ka-
inchen inländischer Herkunft Schlachttieruntersuchun-
en durchgeführt wurden. Daraus kann man eventuell
ückschlüsse auf den Umfang des Tierbestandes ziehen.

Aber was machen wir mit den unzähligen Hobbyhal-
rn – Sie haben es vorhin angesprochen –, die sich pri-
at ein paar Kaninchen halten? Die Tiere werden selbst
erzehrt oder zum Teil innerhalb des Freundes- und Be-
anntenkreises verkauft. Streng genommen ist das ei-
entlich schon gewerbliche Haltung. Wer soll über das
and fahren und die Kaninchen zählen, die Kreisveteri-
äre, während sie noch überprüfen, ob das Tier artge-
cht gehalten wird?


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, natürlich sind die Kreisveterinäre zuständig! Wer sonst? Dafür gibt es Kreisveterinäre!)


h glaube nicht, dass das funktioniert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die bereits geltenden Regelungen des Tierschutzge-
etzes und der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung
ind sicherlich an der einen oder anderen Stelle verbes-
erungswürdig. Aus diesem Grund initiierte und förderte





Carola Stauche


(A) )


)(B)

das BMELV das Projekt „Untersuchungen zur Gruppen-
größe und zum Flächenbedarf in der Mastkaninchenhal-
tung“. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse und weite-
res wissenschaftliches Material werden gerade mit
Stellungnahmen von Verbänden im Ministerium zur Vor-
bereitung eines weitreichenden Verordnungsentwurfs
genutzt. Hier haben wir die Lösung; Sie haben sie vorhin
von uns gefordert.


(Peter Bleser [CDU/CSU]: So ist es!)


Es ist mir wichtig, hier auf den Umstand hinzuweisen,
dass die Kaninchenproduktion für Deutschland haupt-
sächlich im Ausland stattfindet


(Heinz Paula [SPD]: Deswegen EU-Regelung!)


und deshalb eine europäische Regelung den Tierschutz
verbessern würde. Aber das ist schwierig; das wissen
Sie. Gerade die Gespräche mit den Haupterzeugerlän-
dern wie Frankreich, Spanien und Italien gestalten sich
sehr schwierig.


(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Alles EU! – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Man muss mal anfangen! Einer muss vorangehen!)


Lassen Sie mich an dieser Stelle die Frage stellen, wa-
rum gerade Deutschland immer wieder ohne Not die Si-
tuation der heimischen Tierschützer und Tierbauern ver-
schlechtern soll? Warum soll Deutschland immer
vorpreschen und ohne Not eine neue Tierschutzverord-
nung einführen, über die auf europäischer Ebene nicht
einmal nachgedacht wird?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte auch noch ein paar Worte zum Tierschutz-
TÜV verlieren, obwohl Kollege Stier dazu schon viel
Wichtiges und auch Richtiges angebracht hat. Ob man
bei der Nutzung des Namens Probleme mit dem techni-
schen TÜV bekommt, kann ich hier nicht einschätzen.
Lassen Sie uns doch erst einmal das Normenkontrollver-
fahren abwarten, das durch die rheinland-pfälzische
Landesregierung beim Bundesverfassungsgericht anhän-
gig ist.


(Heinz Paula [SPD]: Es wird nicht besser, wenn man es ständig wiederholt!)


Die Union hat, wie auch das BMELV, immer die Auffas-
sung vertreten, dass ein Prüfungs- und Zulassungsver-
fahren für Stalleinrichtungen als Erstes im Legehennen-
bereich von Vorteil ist. Natürlich befürworten wir das
Ziel, dass Landwirte und Tierhalter nicht nur technisch
sichere, sondern auch im Sinne des Tierschutzes ge-
prüfte Einrichtungen erhalten, wenn sie ihre Ställe mo-
dernisieren oder neue Ställe bauen.

Auch wenn wir das Thema der Wildtierhaltung im
Zirkus aufgrund der Rücknahme des Antrags der Grünen
nicht mehr auf der Tagesordnung haben, möchte ich
noch ganz kurz ein paar Worte dazu sagen. Lassen Sie
uns doch erst einmal die Erfahrungen mit dem Zirkus-
zentralregister evaluieren. Dann sehen wir, was dabei
herauskommt. Darüber, was als Wildtier angesehen wer-

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(C (D en kann und was nicht, können wir uns bereits in dieser eit Gedanken machen. Denn diese Frage zu beantworn, würde mir persönlich heute sehr schwer fallen. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist klar definiert, was Wildtiere sind!)


Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, abschließend
öchte ich mit Deutlichkeit darauf hinweisen: Der Tier-

chutz in Deutschland ist aus Sicht der CDU/CSU-Bun-
estagsfraktion ordentlich geregelt. In Deutschland gel-
n gute und strenge Vorschriften. Dass es zu Verstößen
ommt, kann man natürlich nicht immer verhindern.


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die dürfen nicht die Regel sein!)


ber Tierquälerei, teilweise mit krimineller Energie,
urch mehr Bürokratie zu bekämpfen, halte ich persön-
ch für wenig hilfreich.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706241200

Kollegin Stauche, dies war Ihre erste Rede im Deut-

chen Bundestag. Unsere herzliche Gratulation und alle
uten Wünsche für Ihre Arbeit in diesem Hause!


(Beifall)


Damit schließe ich die Aussprache zu diesem Tages-
rdnungspunkt.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
chusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
herschutz zu dem Antrag der Fraktion der SPD mit dem
itel „Obligatorische Prüf- und Zulassungsverfahren für
altungseinrichtungen für Nutztiere – Tierschutz-TÜV

ügig einführen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be-
chlussempfehlung auf Drucksache 17/2912, den Antrag
er Fraktion der SPD auf Drucksache 17/2143 abzuleh-
en. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
timmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-
hlung ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfrak-
onen gegen die Stimmen der drei Oppositionsfraktio-
en angenommen.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
chusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
herschutz auf Drucksache 17/2962.

Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner
eschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der
raktion der SPD auf Drucksache 17/2017 mit dem Titel
Bessere Haltung für Kaninchen zu Erwerbszwecken –
onkrete Haltungsbedingungen in die Tierschutz-Nutz-
erhaltungsverordnung aufnehmen“. Wer stimmt für
iese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
nthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist wiederum
it den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen

ie Stimmen der drei Oppositionsfraktionen angenom-
en.





Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)

Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab-
lehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 17/1601 mit dem Titel „Die Haltung von
Mast- und Zuchtkaninchen in Deutschland und der Euro-
päischen Union tiergerechter regeln – Mindestanforde-
rungen unverzüglich auf den Weg bringen“. Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen bei Enthaltung der SPD-Fraktion an-
genommen.

Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buch-
stabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des
Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 17/2006 mit dem Titel: „Die gewerbliche
Haltung von Mast- und Zuchtkaninchen in Deutschland
und der Europäischen Union deutlich verbessern“. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der drei Oppositionsfraktionen angenommen.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Vereinbarte Debatte

Bilanz und Zukunftsperspektiven der wissen-
schaftlichen Politikberatung „Technikfolgen-
abschätzung“

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Thomas Feist für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.


Dr. Thomas Feist (CDU):
Rede ID: ID1706241300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist besser, alle Zeit in Gottesfurcht zu leben, als
daß man sich abquält in Furcht mit den zukünftigen
Dingen.

So hat es Luther einst formuliert.


(Beifall des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel)


In Zeiten, in denen dieses Gottvertrauen in die Kirche
und die Religion im Allgemeinen verloren gegangen ist,
muss jemand anderes kommen, der dafür garantiert, und
das ist die Wissenschaft.


(René Röspel [SPD]: Die Wissenschaft ersetzt Gottvertrauen?)


Nun hatten wir ein Zeitalter der Technikgläubigkeit
und danach eine ganz lange Periode der Technikskepsis.
Furcht entsteht immer nur dort, wo die Erkenntnis fehlt.
Insofern versucht man mit der Technikfolgenabschät-
zung – das kann man durchaus etwas missverstehen –
von Anfang an vor allen Dingen auch, die Chancen un-
serer Technologien zu erkennen.

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(C (D Unser verehrter Kollege Heinz Riesenhuber hat im ahr 1989 dazu gesagt (Manfred Grund [CDU/CSU]: Wo ist er eigentlich?)


ja, wo ist er? Er ist immer bei uns –: Technikfolgenab-
chätzung wird keine Verhinderung von Technik bedeu-
n, durch sie wird Technik erst ermöglicht. – Genau
iesem Leitspruch hat sich das Büro für Technikfolgen-
bschätzung, das ich im Folgenden kurz „TAB“ nennen
öchte, gewidmet.

1973 begannen die Diskussionen darüber, wie eine
echnikfolgenabschätzung zur Unterstützung des Parla-
ents aussehen könnte.


(Willi Brase [SPD]: Sehr gut!)


ur 16 Jahre später traf der Bundestag im Jahr 1989 die
ntscheidung, die Technikfolgenabschätzung zu institu-
onalisieren.

Nach nun 20 Jahren Technikfolgenabschätzung ist es
uch einmal an der Zeit, Danke zu sagen. Danke dem
AB und seinen Mitarbeitern, danke auch für die weise
ntscheidung des Parlamentes, genau diese Institution
inzurichten, und auch danke für den Umstand, dass das
üro für Technikfolgenabschätzung seit 20 Jahren gute
ualität zum gleichen Preis bietet.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Institutionalisierung wissenschaftlicher Politikbe-
tung hat für mich vor allem folgenden Mehrwert: Der

ontinuierliche Dialog zwischen Politik und Wissen-
chaft wird gefördert. Das Büro ist keiner von beiden
eiten verpflichtet, sondern muss beide Interessen aus-
leichen. – Dieser Dialog verläuft nicht immer reibungs-
s, aber – ich denke, so kann ich für uns alle sprechen –
mer erkenntnisfördernd für beide Seiten.

Eine wissenschaftliche Einrichtung, die vom Parla-
ent beauftragt wird und dann unabhängig eine wissen-

chaftliche Expertise erstellt, ist etwas Besonderes und
agiert in besonderer Weise auf die Informationsbedürf-

isse des Parlaments.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das, was wir vor allen Dingen in der Zukunft beson-
ers berücksichtigen müssen, ist der ethische Aspekt des
chnologischen Fortschritts. Auch dazu hat Heinz
iesenhuber, unser großer Mann der Wissenschaft, ein-
al gesagt: Weil uns mit den neuen Techniken auch

eue Chancen erwachsen, weil mit neuen Chancen neue
reiheit entsteht, muss aus dieser Freiheit neue Verant-
ortung wachsen, wenn wir gestalten wollen, was wir
estalten können. – Das kann man sich mal auf der
unge zergehen lassen. Aus meiner Sicht hat er das sehr
ut zusammengefasst.

Ich möchte jetzt noch einen persönlichen Aspekt ein-
ringen. Wir hatten hier ja gestern die Festveranstaltung
20 Jahre wissenschaftliche Politikberatung – Technik-
lgenabschätzung beim Deutschen Bundestag“, und da





Dr. Thomas Feist


(A) )


)(B)

brachte mich meine Kollegin Dr. Sitte von der Linkspar-
tei darauf, dass ja nun zwei Jubiläen quasi neben- oder
übereinander liegen, nämlich zum einen 20 Jahre Tech-
nikfolgenabschätzung und zum anderen 20 Jahre deut-
sche Einheit.

Für jemanden, der in Leipzig aufgewachsen ist – für
die, die nicht genau wissen, wo Leipzig liegt, sage ich:
Es liegt so zwischen Bitterfeld, Leuna und Espenhain,
also zwischen den größten Dreckschleudern, die wir im
Osten hatten –, ist es besonders wichtig, dass vor
20 Jahren die Technikfolgenabschätzung beim Deut-
schen Bundestag verankert wurde.


(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nebenbei gesagt, ich bin als Leipziger auch ein wenig
stolz darauf, dass wir durch unsere friedliche Revolution
einen großen Beitrag zur deutschen Einheit, deren Jubi-
läum wir in wenigen Tagen begehen können, geleistet
haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Angesichts dessen erkenne ich umso mehr den Wert
kontinuierlicher wissenschaftlicher Beratung des Parla-
ments. Dies will ich Ihnen einmal verdeutlichen. Verset-
zen Sie sich doch einmal 20 Jahre zurück in den Osten
Deutschlands. Da hätten wir eventuell unter anderem so
etwas hören können: Liebe Genossinnen und Genossen,


(Heiterkeit)


ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der aus
dem Westen kommt, kopieren müssen? Auch wenn sich
der Klassenfeind von nun an mit Technikfolgenabschät-
zung beschäftigt, kann ich nur sagen: Unsere Betriebe
brauchen so etwas nicht. Denn sozialistische Technik hat
keine schädlichen Folgen. Sie dient allein dem Wohl des
werktätigen Volkes.


(Heiterkeit)


Ich bin froh, dass uns dieses Szenario erspart geblie-
ben ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Da ich in einem Land aufgewachsen bin, das weder auf
seine Ressourcen geachtet hat noch auf die Umwelt oder
seine Bevölkerung, ist es mir umso wichtiger, dass wir
uns im Parlament anhand des Instruments der Technik-
folgenabschätzung verantwortlich mit diesen Fragen be-
schäftigen, und ich bin dankbar, dass mit der deutschen
Einheit die erzielten Ergebnisse auch dem gesamten
deutschen Volk zugute kommen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706241400

Das Wort hat nun für die SPD-Fraktion Kollege René

Röspel.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Die Bildungsund Forschungspolitiker der PD-Bundestagsfraktion haben am Sonntag einen sehr pannenden Vortrag von Professor Gigerenzer zum hema „Risikokompetenz – Der informierte Umgang it einer modernen technologischen Welt“ gehört. Eine er Aussagen war – fast selbstverständlich –: Vertrauen nicht immer Gottvertrauen, Herr Kollege Feist – ist ement einer Gesellschaft, und Politik leidet in den letzn Jahren eher unter Vertrauensverlust. Als Gegenrezept mpfahl uns Professor Gigerenzer, mehr Transparenz, ehr Öffentlichkeit und vonseiten der Politik auch mehr laubwürdigkeit an den Tag zu legen. Diese Gedanken im Kopf, habe ich mir heute Morgen Eingangsbereich, in dem all die Gesetzentwürfe aus egen, die in einer Sitzungswoche behandelt werden, st wahllos einen geschnappt, weil diese Gesetzentürfe unabhängig von der jeweiligen Bundesregierung igentlich immer gleich aufgebaut sind. Ich habe mal en „Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und DP – Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des tomgesetzes“ genommen. Unter „A. Zielsetzung“ wird mer erklärt, worum es geht. Hier geht es um die Lauf eitverlängerung bei 17 Atomkraftwerken um 12 Jahre. uf der zweiten Seite steht immer „B. Lösung“. Hier teht, wie die Zielsetzung des Gesetzes erreicht werden oll. Jetzt kommt der Punkt, auf den ich hinaus will. Unr C findet sich immer der Abschnitt „Alternativen“. etzt raten Sie mal, was da in neun von zehn Gesetzentürfen immer steht, übrigens unabhängig von der jeweigen Regierung. Keine. – Jetzt frage ich uns ernsthaft: Glauben wir das igentlich selbst, oder glauben wir, dass die Leute drauen glauben, dass es niemals eine Alternative zu den Geetzentwürfen gäbe, die wir alle hier machen? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1706241500

(Beifall des Abg. Willi Brase [SPD])


(Zurufe von der CDU/CSU: Keine! Keine!)


Ich bin davon eher nicht überzeugt. Wenn es um
laubwürdigkeit geht, sollten wir entweder den Punkt C
emnächst mit Alternativen ausfüllen – denn die gibt es

mer; jedem Handeln steht ein Unterlassen gegenüber
nd umgekehrt, und beides hat natürlich Folgen – oder
iesen Punkt einfachen streichen. Das wäre vielleicht
enauso glaubwürdig. Ebenso sollten wir als Politiker
äufiger sagen, dass wir nicht die allumfassenden Lö-
ungen anbieten können, dass wir immer wieder fragen,
elcher Weg eigentlich der richtige ist, und dass wir auf
er Suche sind, wenn wir ein Gesetz machen.

Gigerenzer sagte auch, dass wir in einer Zeit rasanter
echnologieentwicklung leben und dass das Verständnis
er Menschen von Technologie immer weniger mit die-
en neuen Technologien Schritt halten kann. Und: Risi-
en sind immer vorhanden. Wir müssen nur lernen – und
as frühzeitig –, mit Risiken vernünftig umzugehen und
ie abzuwägen. Ich bin überzeugt: Wer Risiken ver-
chweigt, wird gerade nicht Vertrauen erzeugen, sondern





René Röspel


(A) )


)(B)

Misstrauen und Vorurteile hervorrufen. Albert Einstein
hat zu Recht gesagt, dass es viel einfacher ist, einen
Atomkern zu zertrümmern als ein Vorurteil. Das sollten
wir uns manchmal in Erinnerung rufen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Richtig ist deswegen: Wir müssen Risiken benennen,
transparent machen und wirkliche Alternativen – also
Punkt C – suchen, und dazu braucht das Parlament eine
gute Beratung. Ich bin sehr froh, dass vor mehr als
20 Jahren vorausschauende Kollegen wie Jürgen
Rüttgers aus der CDU/CSU-Fraktion, Edelgard
Bulmahn und Wolf-Michael Catenhusen und seitdem die
als Motor fungierende, aber jetzt leider abwesende Ulla
Burchardt diesen Prozess verfolgt und das Büro für
Technikfolgenabschätzung ins Leben gerufen haben. Da-
mit hat nämlich der Bundestag eine unabhängige, frei
von äußeren Einflüssen handelnde und Vorschläge ma-
chende politische und wissenschaftliche Politikberatung
bekommen, die im Auftrag des Bundestages handelt.
Das war ein Glücksgriff und eine Glanztat. Danke an die
vielen Kolleginnen und Kollegen, die das vor 30 Jahren
angestoßen und seit dieser Zeit kontinuierlich verfolgt
haben.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dabei wird eines deutlich: Wissenschaft ist nicht poli-
tikfrei. Spätestens seit der Göttinger Erklärung vor über
einem halben Jahrhundert wissen wir das. Politik ist
auch nicht unwissenschaftlich und darf nicht unwissen-
schaftlich sein. Zentral dabei scheint mir, dass die wis-
senschaftliche Politikberatung an das Parlament ange-
koppelt ist. Es gibt eine Berichterstattergruppe im
Ausschuss für Technikfolgenabschätzung, die einstim-
mig im Konsens entscheidet. Auch das findet man nicht
immer im Bundestag. 144 Berichte ganz unterschied-
licher Art sind in den letzten 20 Jahren vom Büro für
Technikfolgenabschätzung vorgelegt worden. Es waren
Berichte zur Bio- und Gentechnologie, zur Kommunika-
tionstechnologie, zu den Auswirkungen und Folgen von
Mobilfunk, zur Innovationspolitik, zu ganz vielen unter-
schiedlichen Fragen zur Nahrungsmittelqualität. Diese
Berichte haben nicht nur dem Parlament als Beratungs-
grundlage gedient, sondern sie haben sehr häufig auch
öffentliche Resonanz hervorgerufen und dienen auch
heute noch als gute wissenschaftliche Grundlage für
viele Beratungen und Diskussionen.

Aufgabe solcher Berichte ist es, zu Themen, über die
wir manchmal noch gar nicht viel wissen, den Stand der
Wissenschaft und der Forschung, Perspektiven, mögli-
che Entwicklungen und – sofern das möglich ist – Hand-
lungsoptionen, also unterschiedliche Wege aufzuzeigen,
die wir als politisch Entscheidende gehen können. Damit
sind wir wieder bei Punkt „C. Alternativen“. Uns wer-
den also auch Alternativen aufgezeigt. Das TAB ist so-
zusagen ein Radar für neue technologische Entwicklun-
gen, die stattfinden, und zeigt uns mitunter Untiefen, die
vor uns liegen. Die Politik ist der Kapitän, der entschei-
den und den Kurs festlegen muss. Das geht auch nicht

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(C (D nders. Aber die Informationen des Radars zu berückichtigen, mag für das Schiff sicherlich nicht falsch sein. Ich will einige Beispiele nennen. Der Bericht „Stand nd Perspektiven der Nanotechnologie“ aus dem ahr 2003 war nicht nur eine gute wissenschaftliche rundlage zu dem sich entwickelnden Bereich der Naotechnologie, sondern er hat auch eine große öffentche Resonanz erfahren und fast erstmals in der Gechichte die Politik in die Lage versetzt, einigermaßen uf der Höhe der technischen Entwicklung zu sein und ühzeitig über Risiken und Chancen zu reden, aber auch egulationsmechanismen einzubauen und eine öffentche Diskussion in Gang zu bringen. Wir als Parlament aben das immer begleiten können. So kann man Transarenz auf einem neuen technologischen Gebiet hersteln und Misstrauen verhindern: indem man frühzeitig nd verständlich darüber redet. Der zweite Bericht, der bald vorgelegt wird, ist der ber Fortpflanzungsmedizin. Er wird uns sicher eine ichtige, in manchen Fällen auch überraschende und inressante Grundlage für eine ethische Debatte, die auf ns zukommen wird, bieten können: über die Frage, ob räimplantationsdiagnostik zulässig sein soll oder nicht. uch da lohnt sich ein Blick in den Bericht zum Thema ortpflanzungsmedizin, der den Berichterstattern jetzt orliegt und der in einigen Wochen sicherlich veröffentcht werden wird. Ein weiteres, zukunftsgerichtetes Beispiel ist der von er Berichterstattergruppe in Auftrag gegebene Bericht u Geo-Engineering – ein fürchterliches Wort. Wir erarten in einem Bereich, der sehr neu ist, Antworten auf ie Frage, welche Auswirkungen auf Klima und Welt ann es haben, wenn die Menschen großflächig Eisenxid in die Weltmeere kippen, Algen damit düngen und o hoffen, dass Kohlendioxid gebunden wird, oder Sulfat die Stratosphäre schießen, in der Hoffnung, dass großächig Sonnenstrahlen reflektiert werden und die Erderärmung nicht zunimmt. All das sind offene Fragen, die ir nicht beantworten können. Das TAB wird uns – des en bin ich sicher – eine gute Stütze und wissenschaftlihe Hilfe sein. Mein Fazit: 20 Jahre TAB – zumindest ich bin klüger eworden; ich gebe zu, dass das gesellschaftlich nicht irklich relevant ist. Wichtig ist, dass das TAB, also das üro für Technikfolgenabschätzung, uns wirklich in die age versetzt, Entscheidungen so zu treffen, dass auch ünftige Generationen genügend Freiraum und Spielum haben, eigene Wege zu gehen, eigene Entscheidun en zu treffen, vielleicht auch eigene Fehler zu machen. as ist ein wichtiger Wert. Deshalb gilt der Dank der PD-Fraktion wie sicherlich aller anderen Fraktionen usdrücklich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des AB und allen beteiligten Gutachtern. Wir werden sie eiterhin unterstützen, auch in Haushaltsfragen; denn ie Mittel sind knapp. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )


)(B)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706241600

Das Wort hat jetzt Sylvia Canel für die FDP-Fraktion.


Sylvia Canel (FDP):
Rede ID: ID1706241700

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Deutschlands Ruf in der Welt eilen nicht
immer nur große Erfindungen voraus, sondern man
kennt auch das Wort von der „German Angst“. Aber:
„Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss
nur alles verstehen.“ Wissenszuwachs und die Reduzie-
rung von Vorurteilen mindern Angst; denn nur so kön-
nen wir Vorgänge und Sachverhalte verstehen, angemes-
sen bewerten und Handlungen ableiten.

Ziehen wir heute Bilanz der 20-jährigen Arbeit des
TAB, dann zeigt sich: Die von mir eingangs zitierten
Worte der Physikerin Marie Curie sind richtungswei-
send. Wissenschaftliche Entwicklungen und deren politi-
sche Begleitung durch das Parlament, zum Beispiel
durch Forschungsförderungsprogramme, durch Techno-
logieprogramme, durch Bildungsprogramme, verlangen
immer mehr nach einer fundierten und belastbaren Wis-
sensbasis. Eine permanente und fest verankerte Technik-
folgenabschätzung in Form des TAB ist Ausdruck einer
lebendigen Politikberatung des Parlaments auf wissen-
schaftlicher Basis. Eine zu frühe Festlegung auf Positio-
nen in dieser Auseinandersetzung dient keiner ergebnis-
offenen Diskussion. Ausgewogene, unabhängige und
zuverlässige Informationen zu wissenschaftlichen, tech-
nischen und ethischen Fragen sind die Voraussetzung,
um das Wissen und die Entscheidungsfindung zu unter-
stützen. Zuerst muss die entsprechende Expertise zur
Verfügung stehen. Erst dann kann auf einer wissen-
schaftlichen Basis politisch diskutiert und können Ent-
scheidungen verantwortlich getroffen werden. Wir kön-
nen uns beraten lassen; aber die Verantwortung tragen
die Mitglieder des Parlaments schon selber.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Gerade der empfundene Mangel an ausgewogenen In-
formationen und Beratung auf dem Feld von Wissen-
schaft und Technologie war es, der zur Einrichtung des
TAB führte. Ohne wissenschaftliche Expertise ist es
schwer möglich, die Chancen technischer Innovationen
zu erkennen und dabei gleichzeitig die ökonomischen,
ökologischen und sozialen Fragen und Risiken objektiv
zu betrachten. Ohne wissenschaftliche Expertise kann
keine fundierte politische Diskussion darüber stattfin-
den, wie Innovationen am besten gefördert und unter-
stützt werden.

Durch Technikfolgenabschätzung wird der zentrale
Auftrag des Parlaments, die Diskussion und Erörterung
politischer Felder, maßgeblich unterstützt. Komplexe
Sachverhalte zu analysieren und eine transparente und
verständliche Vermittlung der Arbeitsergebnisse zu lie-
fern, zeichnet die Tätigkeit des TAB aus. Durch die Ar-
beit des TAB wird ein Gegenstand aus verschiedenen
Perspektiven betrachtet und das Spektrum der gesamten
gesellschaftlichen Meinungsbilder nutzbar gemacht. An
dieser Stelle hervorzuheben, ist der inhaltliche Reichtum

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(C (D er TAB-Berichte, vor allem deren wissenschaftliche ualität und ausgewogene Darstellung, die in den verangenen Jahren kontinuierlich und immer weiter veressert wurde. Die Potenziale einer Technikfolgenabschätzung wuren nicht von Anfang an von allen Abgeordneten geseen. Anfänglich herrschte Skepsis. Den Berichterstattern t es zu verdanken, dass sie durch ihren Einfluss in den raktionen Schritt für Schritt zur allgemeinen Akzeptanz es TAB auf allen Ebenen beigetragen haben. Das Ergebnis: Heute müssen die TAB-Berichterstatter ie unzähligen Vorschläge für Untersuchungen aus den eihen der Abgeordneten, aus den Fraktionen und aus en Ausschüssen sichten, bündeln und letztlich entscheien, welche Untersuchungsaufträge überhaupt durchgehrt werden. Allein im ersten Quartal 2010 sind 67 Projektanträge ingereicht worden. Die Auswahl ist nicht immer einch; denn die Gruppe der Berichterstatter muss im Kon ens entscheiden. Das Ergebnis der Berichte ist übereugend. Die vom Bundestag angenommenen und eröffentlichten TAB-Berichte stoßen auf eine breite Reonanz in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Erfreulicherweise können wir heute feststellen, dass ie Technikfolgenabschätzung in der Mitte des Parlaents angekommen ist und die anfänglichen Bedenken ich nicht bewahrheitet haben. Über die Jahre haben sich neue inhaltliche Akzente rgeben, und es kam zu einer wichtigen Fokussierung uf die Themen, die in einer modernen Industriegesellchaft relevant sind. Exemplarisch möchte ich – ergänend zu Ihrem Beitrag – die CO2-Abscheidung und -Laerung nennen, die im Jahr 2008 debattiert und ntersucht wurde. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie s durch eine zeitgerechte Bearbeitung gelingen kann, echnikfolgenabschätzung frühzeitig mit dem öffentlihen Diskurs und den Beratungserfordernissen im Geetzgebungsverfahren zu verknüpfen. Die Ergebnisse der TAB-Berichte befördern die polische Auseinandersetzung. Sie wurden und werden inerund außerparlamentarisch bewertet, debattiert und enutzt und fließen somit unmittelbar in politisches Haneln ein. Um beim Beispiel CO2 zu bleiben: Den Diskusionsprozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist, erden wir weiter begleiten. Da alle Resultate dem Bundestag und der breiten Öfntlichkeit zugänglich gemacht werden, geht die Rezepon über den Bundestag hinaus. Verbände, NGOs, ildungseinrichtungen sowie Landesund Bundesminisrien profitieren ebenfalls vom TAB. Unser Anliegen ist es, die parlamentarische Techniklgenabschätzung in Zukunft verstärkt als ein öffentli hes Diskussionsforum zu gestalten. Mit dieser aktiven olle des Bundestags bei der Bearbeitung hochrelevanr Zukunftsfragen werden wir seiner Funktion als Öfntlichkeitsorgan gerecht. Das Parlament ist und bleibt itiator und Moderator der gesellschaftlichen Debatten u den Brennpunkten wissenschaftlich-technischer Ent Sylvia Canel )





(A) )

wicklungen. Das TAB hat sich als ein sehr wirkungsvol-
les Instrument der wissenschaftlichen Politikberatung
erwiesen. Darüber hinaus finden sich weitere gute In-
strumente auch in den Serviceeinrichtungen der Wissen-
schaftsgemeinschaften und -gesellschaften. Eine wissen-
schaftliche Politikberatung dieser Art und Weise ist
weiterhin unerlässlich.

Ich danke Herrn Professor Dr. Grunwald als Leiter des
TAB, seinem Vorgänger, Herrn Professor Dr. Paschen,
Herrn Dr. Petermann, Herrn Zoche sowie allen Mitarbei-
terinnen und Mitarbeitern des TAB für ihre über die
Jahre geleistete exzellente Arbeit und freue mich, diese
in den kommenden Jahren weiter nutzen zu dürfen.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706241800

Die nächste Rednerin, Kollegin Petra Sitte von der

Linksfraktion, hat ihre Rede zu Protokoll gegeben.1)
Deswegen erteile ich jetzt Kollegen Hans-Josef Fell von
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706241900

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Herr Kollege Feist, Sie haben das richtig darge-
stellt: In der DDR gab es in der Tat große Defizite bei
der Technikfolgenabschätzung. Wir sollten uns aber
nicht täuschen. Die gleiche Situation gab es auch im
Westen. Wie viele Menschen haben darunter gelitten,
dass ohne Technikfolgenabschätzung Holzschutzmittel
auf sie losgelassen wurden, die große Probleme hervor-
gerufen und Krankheiten verursacht haben! Wie viele
Menschen haben sich darüber geärgert, dass es Chemie-
fabriken gibt, die ungeklärte Abwässer in die Flüsse ge-
lassen und Abgase in die Luft geblasen haben! Wie viele
Menschen haben sich darüber geärgert, dass Atomkraft-
werke gebaut wurden, wobei wir bis heute noch nicht
einmal wissen, wohin wir mit dem Atommüll sollen!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Hier hat man in den 50er-Jahren Chancen vertan. Man
hätte damals schon Technikfolgenabschätzung betreiben
sollen.

Es hat in der Tat auch viel zu lange gedauert, bis der
Deutsche Bundestag ein entsprechendes Büro eingerich-
tet hat. Viele sind ungeduldig geworden und haben des-
halb eine grüne Partei gegründet. Sie ist ein Ausfluss ge-
nau dessen, dass in unserer Gesellschaft nicht in
ausreichendem Maße Technikfolgenabschätzung betrie-
ben wurde.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Ist die Strafe nicht zu groß?)


Diese Partei glich ein Stück weit dieses Defizit aus.
Meine Damen und Herren, jetzt haben wir das Büro

für Technikfolgenabschätzung im Deutschen Bundestag.

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w1) Anlage 3

(C (D s hat, wie die Vorredner schon gesagt haben, hervorraende Arbeit geleistet. Deswegen sollten wir es auch gut flegen. Aber nicht nur das: Wir müssen auch weiter inestieren. Aus Kapazitätsmangel kann das Büro für echnikfolgenabschätzung viele Berichtswünsche aus em Parlament aktuell gar nicht mehr erfüllen. Wir seen daran, dass hier große Nachfrage besteht. Deswegen rdern wir von Ihnen, in diesen Haushaltsberatungen ndlich die Mittel für das Büro für Technikfolgenabchätzung aufzustocken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


ies ist notwendig, nachdem es in den letzten 20 Jahren
eine Aufstockung gegeben hat.

Diese Investition wird sich lohnen. Ein berühmtes
eispiel ist das Raumschiff „Sänger II“. Nachdem vom
AB dargestellt wurde, dass das nicht sinnvoll ist, wurde
ermieden, dass die Politik Milliardenbeträge für dieses
rojekt in die Hand nimmt.

Es geht aber nicht nur darum, rückblickend zu fragen,
b die Technikfolgenabschätzungsberatung wirklich sinn-
oll war. Wir müssen schauen, ob die Beratungen zu ak-
ellen Projekten sinnvoll sind, und entsprechende Er-

ebnisse auch in der Politik ernst nehmen. Es geht nicht
ur um ökologische Fragen – natürlich geht es auch um
kologische Fragen –, es geht auch um soziale Akzep-
nz, um Verbraucher- und Datenschutz, um gesundheit-
che Auswirkungen oder Gender- und Friedenspolitik.
lles muss bei der Technikfolgenabschätzung mit in den
okus genommen werden, wenn sie sinnvoll sein soll.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir brauchen generell eine unabhängige Begleitfor-
chung als festen Bestandteil jeder Forschung, bei der es
m technische und gesellschaftliche Fragen geht. Des-
alb sollten insgesamt 5 Prozent der Forschungsgelder
r Technikfolgenabschätzung ausgegeben werden.

Wir müssen uns in der Politik aber auch immer wie-
er fragen, ob wir genügend Rücksicht auf die Technik-
lgenabschätzung nehmen. Im Jahre 2002 hat das Büro
r Technikfolgenabschätzung einen Bericht über Kern-
sion abgegeben und damit uns im Bundestag den Auf-
ag gegeben, endlich einmal innezuhalten und eine Neu-
ewertung der Kernfusion vorzunehmen. Nichts davon
urde umgesetzt. Heute gibt es nun das Finanzdesaster

uf EU-Ebene. Man weiß nicht mehr, wie die Finanzie-
ng für ITER gelingen soll. Auch hier mangelte es an

ntsprechenden Entscheidungen der Politik im Zuge von
echnikfolgenabschätzung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es geht aber nicht nur darum, in unserer Gesellschaft
ie Folgen, die problematisch sein können, zu beachten.
s geht auch darum, die Ergebnisse der Technikfolgen-
bschätzung als Chancen zu begreifen. Diese Chancen-
rientierung muss in den Mittelpunkt gestellt werden,
nd auf dieser Basis müssen Konsequenzen gezogen
erden. So hat das TAB vor wenigen Jahren einen tollen





Hans-Josef Fell


(A) )


)(B)

Bericht über geothermische Stromerzeugung erstellt:
Hier gibt es riesige Potenziale, die man nutzen könnte,
um die Grundlast bei der Stromerzeugung sicherzustel-
len und somit Atom- und Kohlekraftwerke zu ersetzen.
Nur, wie sieht die Politik von Union und FDP aus? Im
aktuellen Energiekonzept finden wir nichts davon.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Und vorher?)


In den nächsten 50 Jahren soll die geothermische Strom-
erzeugung ein Nischendasein fristen. Das ist ein Beispiel
für fehlende Akzeptanz von Technikfolgenabschätzung.
Hier sollten wir die sich bietenden Chancen ergreifen
und energischer umsetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das TAB bietet
eine Fülle wertvoller Politikberatung; das wissen wir.
Wir sollten aber in allen Fraktionen mehr noch als bisher
die Empfehlungen des TAB in den politischen Entschei-
dungen auch wirklich berücksichtigen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706242000

Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt

erteile ich für die CDU/CSU-Fraktion dem Kollegen
Axel Knoerig das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Axel Knoerig (CDU):
Rede ID: ID1706242100

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Das Leben wird immer komplexer.
Wir leben heute in einer Welt, in welcher der Einzelne
kaum mehr alle Lebensbereiche im Blick haben kann.
Unverändert hält der Trend zur weiteren Spezialisierung
an. Wir wissen von immer weniger immer mehr. Gleich-
zeitig lässt die zunehmende Informationsflut oft die Be-
rücksichtigung vieler wichtiger Details nicht mehr zu.

Umso bedeutsamer ist die Vermittlung inhaltlicher
Einzelheiten durch Wissenschaftler an Politiker. Heute
ist es für politische Entscheidungsträger unerlässlich, zu-
verlässige Informationen über die Wirkungen von Geset-
zen, Entwicklungen und Innovationen auf unsere Gesell-
schaft zu erhalten.

20 Jahre Büro für Technikfolgenabschätzung beim
Deutschen Bundestag – ich nenne es in meiner Rede
auch kurz „TAB“ – sind daher ein Grund, an dieser
Stelle einmal laut und deutlich Danke zu sagen und diese
Institution entsprechend zu würdigen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Dank der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gilt ins-
besondere dem Leiter des TAB, Herrn Professor
Dr. Armin Grunwald, und seinem Team für deren Leis-
tung. Politikberatung durch unabhängige Wissenschaft-
ler ist wenig öffentlichkeitswirksam und für den Bürger
im politischen Alltag kaum wahrnehmbar. Ich möchte an
dieser Stelle eine Lanze für diesen wichtigen wissen-

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(C (D chaftlichen Dienst brechen, der oft in aller Stille gechieht und doch für uns alle von großem Nutzen ist. Die über 150 Publikationen, Gutachten und Empfehngen zeigen sehr deutlich den Charakter dieser „Denkerkstatt“, deren Aufgabe es ist, den wissenschaftlichen ortschritt zu analysieren. Dabei steht der rasante techniche Wandel, der die Geschwindigkeit der Veränderung nserer Lebensverhältnisse beträchtlich erhöht hat, im ittelpunkt der Analysen. Die Untersuchungen und Be chte zur Technikfolgenabschätzung machen diesen andel für uns transparent und erleichtern so sachbezo ene und abgewogene Entscheidungen. So machen sie ns immer wieder aufmerksam auf die Ursachen und olgen, auf die Richtung und die Geschwindigkeit von echnikund Wissenschaftsentwicklungen. Die zahlreichen TAB-Analysen wie zum Beispiel die tudie „Netzöffentlichkeit und digitale Demokratie“, die Jahr 2006 erschienen ist, oder auch das laufende Prokt „Gesetzliche Regelungen für den Zugang zur Inforationsgesellschaft“ waren für meine Berichterstattung um Arbeitnehmerdatenschutz in der Arbeitnehmerruppe der CDU/CSU sehr hilfreich. Eine heftige Diskussion zu einem weiteren Themenomplex erlebe ich zurzeit in meinem Wahlkreis Diepolz-Nienburg in Niedersachen. Hierbei geht es um die eränderung der Kulturlandschaften im ländlichen aum durch die Anpflanzung von Mais für Biogasanlaen. Ein aktueller TAB-Bericht dazu ist 2010 abgechlossen worden und trägt den Titel „Chancen und Heusforderungen neuer Energiepflanzen“. Dabei geht es nter anderem um Energiepflanzen und die damit verundenen ökologischen und ökonomischen Herausrderungen sowie um Flächenkonkurrenz und Förderstrumente. Auch dies ist wieder eine gelungene nterstützung für uns Parlamentarier und hilft tagtäglich ei unserer Arbeit. Die Qualität der Arbeit des TAB wird außerhalb des arlaments vor allem in der akademischen Fachwelt gechätzt. Der Wirkungskreis geht über Parlament und issenschaft noch hinaus. Wirtschaft, Verbände, Nichtgierungsorganisationen und Einrichtungen der Bil ungsarbeit nutzen die Analysen des TAB. Diese Nachage zeigt, dass wissenschaftliche Beratung der Politik insichtlich der Technikfolgenabschätzung mehr für die llgemeinheit leistet, als man weithin annimmt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


sofern ist der wissenschaftliche und gesellschaftliche
ert der TAB-Analysen beträchtlich.

Nach 20 Jahren Büro für Technikfolgenabschätzung
eim Deutschen Bundestag steht fest: Das Konzept der
issenschaftlichen Beratung des Parlaments ist erfolg-
ich und erhöht unsere Entscheidungskompetenz. Das,
eine Damen und Herren, ist eine gute Bilanz, die zum

0-jährigen Gründungstag zum Feiern einlädt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) )


)(B)


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706242200

Damit schließe ich die Aussprache.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Dr. Gesine
Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion DIE LINKE

Wohnungslosigkeit in Deutschland – Einfüh-
rung einer Bundesstatistik

– Drucksachen 17/2434, 17/3084 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Petra Müller (Aachen)


Hierzu ist verabredet, eine halbe Stunde zu debattie-
ren. – Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann
ist das so beschlossen.

Als Erstem gebe ich dem Kollegen Gero Storjohann
für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1706242300

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die Fraktion Die Linke fordert mit ihrem Antrag
eine amtliche Statistik der Obdach- und Wohnungslosig-
keit in Deutschland. Es ist richtig, dass die Bundesregie-
rung keine eigenen Erhebungen zur Entwicklung der
Obdach- und Wohnungslosigkeit durchführt.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Warum nur?)


Auch in den Bundesländern existieren keine flächende-
ckenden Daten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass uns
keine Zahlen vorlägen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft
Wohnungslosenhilfe veröffentlicht jährlich Schätzzah-
len. Demnach ist seit 1998 die Zahl der Wohnungslosen
in Deutschland kontinuierlich gesunken. Im Jahr 2008
ging man von 227 000 Menschen aus, die in Deutsch-
land wohnungslos sind. Das waren 6 Prozent weniger als
ein Jahr zuvor. 20 000 Menschen davon lebten ohne jeg-
liche Unterkunft auf der Straße. Das sind immer noch
20 000 zu viel; aber es sind auch 1 000 weniger als noch
im Jahre 2007.

Die CDU/CSU-Fraktion tut alles, um Wohnungs- und
Obdachlosigkeit in Deutschland zu bekämpfen. In den
letzten Jahren wurde viel erreicht. Eine weitere Statistik
löst die Probleme der Wohnungs- und Obdachlosen na-
türlich nicht. Aber die Frage ist, ob eine Statistik viel-
leicht eine Hilfe ist, um Wohnungs- und Obdachlosigkeit
zu vermeiden oder zu verhindern. Wir als Union meinen,
dass die Statistik eine Scheinlösung eines realen Pro-
blems wäre; denn Obdachlose brauchen konkrete Hilfen.
Diese Unterstützung bietet unser Sozialstaat längst an.

Das SGB II garantiert jedem erwerbsfähigen Hilfsbe-
dürftigen die finanziellen Mittel für eine angemessen
ausgestattete Wohnung. Die Kosten für Unterkunft und

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(C (D eizung werden im Notfall getragen. In Deutschland uss niemand obdachlos sein. Auch Mietschulden über immt im Notfall der Staat. In Deutschland wird nieand zur Obdachlosigkeit gezwungen. Es ist der Sozial taat, der den wohnungsund obdachlosen Menschen in eutschland hilft. Art. 1 unserer Verfassung legt fest: Die Würde des Menschen ist unantastbar. ir sind uns wohl alle einig, dass es zu einem menchenwürdigen Leben gehört, ein Dach über dem Kopf u haben. eshalb halten wir entsprechende finanzielle Mittel im ozialhaushalt bereit, und deshalb unterstützen wir beipielsweise Wohnheime, die ein Ausweg aus der Obachlosigkeit sein können. Wir versuchen durch konrete Sozialpolitik, Menschen in Notlagen zu helfen der Notlagen erst gar nicht entstehen zu lassen. Aber eine Statistik ohne Aussagekraft bietet natürlich uch keinen Hinweis auf Problemlösungen. Die CDU/ SU-Fraktion hält den Antrag der Linken deshalb nicht r zielführend. Darüber hinaus würde eine solche Erhe ung unter praktischen Mängeln leiden. Das ist auch den ntragstellern bekannt. Schließlich debattieren wir die es Thema nicht zum ersten Mal. So hat das Statistische Bundesamt Ende der 90erahre eine Machbarkeitsstudie durchgeführt. Das Ergebis: Wir können nur diejenigen verlässlich zählen, die in inrichtungen für Obdachlose eingeliefert wurden. Wir önnen nur die Personen zählen, die bereits in Kontakt it Ordnungsbehörden getreten sind. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass Nichtsessafte kaum statistisch zu erfassen sind – wenn ja, dann o? –; man kann das also praktisch nicht umsetzen. ürden wir also eine Studie in Auftrag geben, wäre das rgebnis nicht so aussagekräftig, wie es den Anschein rweckt. Außerdem würde eine entsprechende Statistik rst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung vorliegen. er Wohnungsmarkt bzw. die Bedürfnisse der Wohungslosen entwickeln sich aber dynamisch. Eine Statisk würde nie die aktuelle Lage realistisch und ausreihend abbilden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die CDU/CSU steht für gute Sozialpolitik. Wir helfen
en Wohnungs- und Obdachlosen, indem wir versuchen,
ie in ihrer Notlage aufzufangen. Dazu gehören finan-
ielle Hilfen sowie karitative Einrichtungen. Wir werden
ber keine Statistik auf den Weg bringen, deren Aussa-
ekraft nicht über die einer Schätzung hinausgehen
ürde. Deshalb lehnen wir den Antrag der Linken ab.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706242400

Der Kollege Sören Bartol spricht für die Fraktion der

PD.


(Beifall bei der SPD)







(A) )


)(B)


Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1706242500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade in
Großstädten wie Berlin sehen wir immer wieder Men-
schen, die augenscheinlich kein Zuhause haben: Leute,
die nach Kleingeld fragen, eine Straßenzeitung verkau-
fen, in Notquartieren übernachten oder gar ohne jedes
Obdach sind. Das ist der für uns alle sichtbare Teil des
Problems der Wohnungslosigkeit. Er ist zwar sichtbar,
aber statistisch nicht leicht zu erfassen; darauf komme
ich noch zu sprechen.

Wohnungslosigkeit betrifft noch viel mehr Menschen,
die aber im Alltag unsichtbar bleiben. Dabei handelt es
sich um solche, die bei Freunden oder Verwandten über-
nachten, in selbstbezahlten Billigpensionen wohnen oder
in Unterkünften verschiedenster Träger untergebracht
sind.

Etwas weiter gedacht, muss man in diesem Zusam-
menhang auch die Menschen betrachten, die konkret
vom Verlust ihrer Wohnung bedroht sind, weil zum Bei-
spiel ihr Vermieter oder ihre Vermieterin versucht, sie
herauszuklagen. Es müssen auch die Menschen Beach-
tung finden, die unter unzumutbaren Umständen leben:
in viel zu kleinen Wohnungen mit viel zu vielen Perso-
nen oder aber zu Mieten, die ihre finanziellen Verhält-
nisse bei weitem übersteigen. Diese Menschen haben
keine angemessene Wohnung, finden aber offensichtlich
keine bessere, die für sie infrage kommt.

Es gibt viele verschiedene Gründe, eine Wohnung zu
verlieren bzw. keine angemessene Bleibe zu finden. Das
reicht von finanziellen Ursachen bis hin zum grundsätz-
lichen Unvermögen, sich um sich selbst zu kümmern, sei
es aufgrund von Krankheit, Sucht oder traumatischen
Ereignissen wie Arbeitsplatzverlust, Trennung oder Tod
von Angehörigen.

Mit dieser Aufzählung habe ich versucht, die Viel-
schichtigkeit des Themas Wohnungslosigkeit zu ver-
deutlichen. In Deutschland gab es 2008 ungefähr
230 000 Wohnungslose und circa 100 000 von Woh-
nungslosigkeit Bedrohte, zusammen also, wie es heißt,
etwa 330 000 Wohnungsnotfälle. Dies sind Schätzungen
der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe;
denn eine offizielle Statistik gibt es in der Tat nicht. Das
hat die Linksfraktion gut erkannt.

Auch die SPD-Bundestagsfraktion hat das erkannt,
und zwar schon 1993. Damals hat die SPD im Bauaus-
schuss eine bundesweite Statistik über Wohnungslosig-
keit gefordert. Dieses Anliegen wurde vom Ausschuss
sogar in einen gemeinsamen Antrag übernommen, der
auch im Plenum verabschiedet wurde. Daraufhin hat die
Bundesregierung beim Statistischen Bundesamt eine
Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Diese lag im
Jahr 1998 vor. Daraufhin hat sich der Bauausschuss er-
neut mit der Thematik befasst. Letztlich wurden die Er-
gebnisse der Machbarkeitsstudie einem Praxistest durch
das nordrhein-westfälische Landesamt für Statistik un-
terzogen. Das geschah bis 2002.

Es hat sich gezeigt, dass es viele methodische
Schwierigkeiten gibt, wenn man versucht, möglichst alle

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(C (D ohnungsnotfälle statistisch zu erfassen. Um nur ein roblem zu erwähnen, das ich schon zu Beginn anprach: Die Erfassung von auf der Straße lebenden Wohungslosen, die vielleicht nicht einmal Hilfe in Anpruch nehmen, ist wohl nicht sauber möglich. Das hat uch die Machbarkeitsstudie des Statistischen Bundesmtes gezeigt. Deshalb wurde diese Gruppe bei einer RW-Folgestudie von 2002 von vornherein von der Beachtung ausgenommen. Das ist problematisch; denn die undesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe schätzt, ass jeder zehnte Wohnungslose ohne jegliche Unterunft ist; Angaben aus Berlin sind noch viel höher. Wir prechen also über eine signifikante Gruppe, deren ganz pezielle und signifikante Probleme wir nicht aus den ugen verlieren dürfen, wenn es einmal eine bundeseite Statistik geben sollte, in der sie dann möglichereise gar nicht auftauchen. Gefordert wird eine Bundesstatistik über Wohnungssigkeit. Zuständig für soziale Wohnraumförderung ind seit der Föderalismusreform allerdings die Länder. indestens ebenso wichtig, um Wohnungslosigkeit zu erhindern oder zu beenden, sind konkrete Hilfsund eratungsangebote für Menschen in schwierigen Leenslagen. Diese Angebote zur Verfügung zu stellen, ist iederum hauptsächlich eine Aufgabe der Kommunen. Bleibt also die Frage, ob eine Bundesstatistik für die ekämpfung von Wohnungslosigkeit wirklich hilfreich t, wenn die eigentliche Zuständigkeit bei Ländern, tädten und Gemeinden liegt. Vielleicht ist eine regioale Sozialberichterstattung ja eine viel bessere Grundge, zumal Bundesländer und Kommunen ganz unter chiedliche Systematiken haben, die erst einmal in einen inheitlichen methodischen Rahmen gebracht werden üssten. Es gibt zu viele Menschen ohne Wohnung und zu iele Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht ind; das steht außer Frage. Daran ändert auch die wirkch gute Entwicklung der letzten zehn Jahre nichts. Die undesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe geht avon aus, dass sich dieser langjährig positive Trend gede wieder umkehrt, das Problem also wieder drängen er wird. Es ist daher durchaus nachvollziehbar, eine Statistik u fordern. Ich habe trotz aller eben aufgezählten chwierigkeiten auch große Sympathien dafür. Gerade eshalb – das muss ich an dieser Stelle deutlich sagen – nde ich es so ärgerlich, dass sich die Linksfraktion bei iesem Thema jetzt so halsstarrig verhält. Denn sie beerigt diesen Antrag – das muss man so deutlich sagen – eute ohne Not. Es wäre erheblich glaubwürdiger geween, wenn Sie unserem Vorschlag gefolgt wären und die eratung Ihres Antrags einfach verschoben hätten. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Selbst die CDU/CSU-Fraktion ist Ihnen entgegenge-
ommen und hat im Ausschuss Gesprächsbereitschaft si-
nalisiert. Aber Sie peitschen diesen Antrag heute lieber
urchs Parlament, ohne auf die Chancen zu achten, die
ie damit in meinen Augen völlig zerstören! Es besteht





Sören Bartol


(A) )


)(B)

noch Beratungs- und Informationsbedarf, bevor ich mich
und bevor sich meine Fraktion eindeutig für eine Bun-
desstatistik aussprechen kann. Das geht auch anderen
Kollegen im Ausschuss so. Hat sich die Datenlage seit
der letzten Machbarkeitsstudie geändert? Gibt es viel-
leicht neue methodische oder technische Möglichkeiten?
Welche aktuellen Erkenntnisse haben eigentlich Soziolo-
gie und Sozialarbeit? All diesen Fragen konnten wir jetzt
nicht mehr nachgehen, da Sie einer Vertagung leider
nicht zugestimmt haben. In meinen Augen haben Sie der
Sache einen echten Bärendienst erwiesen. Ich hoffe, dass
wir trotzdem bald erneut über das Thema Wohnungslo-
sigkeit sprechen können – dann aber in der angemesse-
nen Gründlichkeit und ohne künstlichen Termindruck.

Eines muss ich noch sagen, um nicht nur der Links-
partei etwas mit auf den Weg zu geben. Erlauben Sie mir
deshalb abschließend noch ein Wort zur Bundesregie-
rung. Schwarz-Gelb hat nämlich vor, den Schutz von
Mietern zu senken. So sollen die Kündigungsfristen für
Vermieter und Mieter „einheitlich“ sein; das ist ein Zitat
aus dem Koalitionsvertrag von 2009. Das bedeutet die
Gleichberechtigung von ungleichen Partnern. Gerade
diejenigen Mieter, die nicht gut aufgestellt sind – sei es
finanziell oder von ihrer Fähigkeit her, sich um sich
selbst zu kümmern –, brauchen Schutz.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Unser aktuelles Mietrecht hat sich bewährt; es hat zu
einem insgesamt sehr ausgeglichenen Wohnungsmarkt
geführt. Ich finde, daran sollten wir nicht rütteln – im In-
teresse von Menschen, die sonst Gefahr laufen, woh-
nungslos zu werden, aber auch im Interesse von anderen
Mietern, die einfach in Ruhe leben möchten, also ohne
die ständige Bedrohung, in einem Vierteljahr umziehen
zu müssen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche
Ihnen noch einen schönen Abend.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706242600

Erst einmal noch einen schönen Abend hier im Ple-

num! Nicht dass jetzt alle gehen!

Ich gebe das Wort der Kollegin Petra Müller für die
FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Müller (FDP):
Rede ID: ID1706242700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Für Sie und für mich gehört es zu den Selbstverständ-
lichkeiten, ein Dach über dem Kopf zu haben – ein
Dach, das uns nicht nur vor Regen und Wetter schützt,
sondern das auch Geborgenheit, Rückzugsmöglichkeit
und Privatheit bedeutet. Es gibt jedoch genügend Men-
schen in diesem Land, die über keine Wohnung verfü-
gen. Sie können nicht so nach Hause gehen wie wir alle.

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(C (D ie können auch nicht die Tür hinter sich schließen, sonern führen meist Tag für Tag einen anonymen Überleenskampf. Die Linke fordert jetzt eine Bundesstatistik. „Wohungslosigkeit stellt einen erheblichen, nicht hinnehmaren Makel in einer wohlhabenden, auf sozialen Ausleich bedachten Gesellschaft dar“, so heißt es in ihrem ntrag. ie haben recht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. ie haben auch recht, dass dieser Makel beseitigt gehört. eder Bürger, jede Bürgerin ohne eine Wohnung, ohne in Zuhause, ist eine oder einer zu viel. Selbst wenn die ohnungslosigkeit im vergangenen Jahrzehnt – Kollege artol hat es ausgeführt – gesunken ist, so ist die gesell chaftliche Aufgabe doch bestehen geblieben. So weit ur Einigkeit auf allen Seiten. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, achen es sich aber zu einfach. Erst kürzlich, am Tag er Wohnungslosen, am 23. September – ich war übriens nicht eingeladen, Frau Kollegin Bluhm –, verteilte ollegin Lötzsch in Berlin mit der Gießkanne Steuergeler für jedermann. (Iris Gleicke [SPD]: Wie hat sie das denn gemacht?)


(Beifall bei der LINKEN)


b Energiewirtschaft, ob Herr Sarrazin, unsere Soldatin-
en und Soldaten im UN-Einsatz, ob der Außenminister
ersönlich, indem er ein paar Infobroschüren weniger
rucken lässt – alle sollen zahlen, der Sozialstaat wird es
chon richten. Wohltätigkeit kann aber nicht so einfach
ein, jedenfalls nicht, wenn man Regierungsverantwor-
ng trägt.

Das Problem ist viel komplexer und viel ernster. Wir
iberale sagen: Der Sozialstaat soll niemanden alleine
ssen, der in Not geraten ist. Es ist unsere ethische
flicht und moralische Verantwortung, Notanker zu sein
r alle, die sich selbst nicht mehr helfen können. Ja, wir
n das mit dem gesamten Spektrum des sozialstaatli-

hen Leistungspakets, mit konkreter öffentlicher Für-
orge. Nein, wir tun das nicht mit einer Statistik.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Danke schön. Nein, ich glaube nicht, dass ein Zahlen-
erk hilft, mehr Menschen Obdach zu geben. Im Gegen-
il: Die Machbarkeitsstudie und der Praxistest in NRW
der Kollege hat es eben ausgeführt – haben gezeigt,
ass erstens nur eine Teilerfassung von Wohnungslosen
öglich ist und zweitens der bürokratische Aufwand

nd die Kosten dafür absolut zu hoch sind.

Wir dürfen das Problem nicht bürokratisch behan-
eln, sondern wir müssen es an der Wurzel packen. Ja,
er Weg aus der Wohnungslosigkeit geht über Chancen-
erechtigkeit, die Chance, selbst wieder auf eigenen Fü-
en zu stehen und in den Arbeitsmarkt zu kommen. Ja,
er Weg aus der Wohnungslosigkeit geht über einen aus-
eglichenen Wohnungsmarkt und nicht über massive





Petra Müller (Aachen)



(A) )


)(B)

Kürzungen beim sozialen Wohnungsbau, wie es die rot-
grüne Minderheitsregierung in NRW plant.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Unglaublich! – Daniela Raab [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


– Ja, ja! Drittens. Der Weg aus der Wohnungslosigkeit
geht über staatliche Unterstützung, Stichwort: Wohn-
geld.

So konkret kann Politik sein, dann hilft sie. Um die
Wohnungslosigkeit in Deutschland weiter zu minimie-
ren, müssen wir, die christlich-liberale Koalition, die
Menschen befähigen, ihr Leben selbst zu gestalten und
aus eigener Kraft Chancen zu nutzen. Der vorliegende
Antrag hilft nicht. Deshalb sagen wir Nein zu diesem
Antrag.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706242800

Heidrun Bluhm hat nun das Wort für die Fraktion Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Heidrun Bluhm (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706242900

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Wissen Sie eigentlich, wie viele Bleistifte und
Zahnbürsten ein Bürger unserer Republik pro Jahr im
Durchschnitt verbraucht? Wissen Sie, wie viele Eier er
isst? Wissen Sie, wie oft er Lotto spielt oder wie oft er
seine Hemden wechselt? Das wissen Sie nicht? Das
macht nichts. Sie können es im Statistischen Jahrbuch
des Statistischen Bundesamtes nachlesen.

Sie wissen auch nicht – Sie können es auch nicht in
Erfahrung bringen –, wie viele wohnungslose Menschen
wir in der Bundesrepublik Deutschland haben, wie viele
Männer, Frauen und Kinder von Wohnungslosigkeit be-
troffen sind, wie viele davon in Ihrem Wahlkreis leben.
Darüber gibt es keine Zahlen, nirgendwo. Wir verlassen
uns auf die Zahlen, die die BAG Wohnungslosenhilfe
schätzt. Damit gehen wir um.

Ich finde die Debatte, die vor allem meine Kollegin-
nen und Kollegen aus der Koalition geführt haben,
scheinheilig; denn sie wollen gar nicht wissen, sie wol-
len sich nicht vor Augen führen lassen, wie groß die
Zahlen tatsächlich sind. Sie führen Schwierigkeiten an
und weisen darauf hin, wie schwer das alles ist. Natür-
lich ist das schwierig. Natürlich sind die Umstände nicht
leicht. Aber Sie versuchen es ja nicht einmal.

Ein Punkt, der Ihre Scheinheiligkeit zeigt: Frau
Müller, ich bin auf dem Alexanderplatz gewesen, Kolle-
ginnen und Kollegen der anderen Fraktionen auch.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Ich bin da auch manchmal!)


Sie sagen, Sie waren nicht eingeladen. Das kann ich
nicht beurteilen. Von allen anwesenden Kolleginnen und
Kollegen, auch von denen aus Ihrer Fraktion, ist der
Wunsch der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslo-

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(C (D enhilfe, zu einer bundeseinheitlichen Statistik zu komen, begrüßt worden. Zweite Scheinheiligkeit: Auf Antrag aller Fraktionen at es in den 90er-Jahren eine Machbarkeitsstudie gegeen, weil Sie alle der Auffassung waren, dass Sie diese tatistik brauchen. Dann haben Sie festgestellt, dass iese Statistik schwer zu erstellen ist. (Petra Müller [Aachen] [FDP]: Das habe ich nicht gesagt!)


ann lassen Sie es eben, und damit ist das Problem vom
isch. Das ist die dritte Scheinheiligkeit. Weil es keine
ahlen gibt, fehlt der Beweis dafür, dass es das Problem
ibt. Wohnungslosigkeit gibt es also nicht.


(Petra Müller [Aachen] [FDP]: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe Ihnen sogar recht gegeben!)


Ich habe Sie nicht persönlich gemeint, Frau Müller.
ier ist eben gesagt worden, dass Menschen freiwillig
nter der Brücke schlafen. Es ist gesagt worden, dass es
enügend Wohnraum gibt. Jeder kann die Hilfe in An-
pruch nehmen, ist hier gesagt worden.


(Petra Müller [Aachen] [FDP]: Sie sollten meine Rede nachlesen!)


Schließlich stellen wir fest, dass zu dieser Frage im
oalitionsvertrag nichts, aber auch gar nichts steht.
elbst im Wohngeld- und Mietenbericht der Bundesre-
ierung steht nichts dazu. Wir blenden auch dieses Pro-
lem aus und überlassen es denjenigen, die davon be-
offen sind.

Ich denke, ich muss meine Redezeit nicht unnötig
erlängern. Unser Antrag ist klar. Er ist weder populis-
sch noch ideologisch. Er ist auch nicht links; auch das
ill ich hier deutlich sagen. Er ist einfach notwendig.
assen Sie es uns einfach tun. Lassen Sie uns beschlie-
en, die Daten für die Statistik zu erheben. Danach wer-
en wir weiter an den Inhalten arbeiten müssen. Ich kann
nen versprechen – Herr Bartol, auch Ihnen –: Wir wer-

en nicht aufgeben, auch wenn der Antrag heute nicht
ngenommen wird. Wir werden in Kürze einen weiteren
ntrag einbringen und Sie dann beim Wort nehmen.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706243000

Daniela Wagner hat das Wort für Bündnis 90/Die

rünen.


Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706243100

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Liebe

olleginnen und Kollegen! Wir widmen uns zu ziemlich
päter Stunde


(Otto Fricke [FDP]: Das geht doch noch!)


inem Teil unserer Gesellschaft, der oft vergessen, mit-
in als lästig empfunden wird: den Obdachlosen. Man
egegnet ihnen bisweilen an den einschlägigen Stellen,
ier in Berlin an der U-Bahn. Wenn wir vorbeigehen,





Daniela Wagner


(A) )


)(B)

wissen wir, dass wir nicht jedem dieser Menschen helfen
können. Wir können auch nicht verhindern, dass sie die
Anonymität der Straßen in den Großstädten suchen.
Aber wir können natürlich versuchen, die Ursache für
Wohnungs- und Obdachlosigkeit zu bekämpfen. Liebe
Kolleginnen und Kollegen, egal welcher Fraktion man
angehört, dürfte eines klar sein: Ein Leben ohne festen
Wohnsitz, ohne den Schutz einer Wohnung und einer
Haustür, die man abends zumachen kann, wünschen wir
alle niemandem.

Das Problem der Wohnungslosigkeit beginnt aller-
dings bereits vor dem Verlust der festen Unterkunft. Die
Bundesarbeitsgemeinschaft hat zu Recht darauf hinge-
wiesen, dass drei Gruppen unterschieden werden müs-
sen: Wohnungslose, von Wohnungslosigkeit Bedrohte
und Menschen, die in unzumutbaren Wohnverhältnissen
leben. Deswegen müssen Hilfsangebote jedweder Art
zielgruppen- und geschlechtsspezifisch ausgerichtet
werden. Genau dafür brauchen die Praktikerinnen und
Praktiker vor Ort ausdifferenzierte Kenntnisse, die über
eine Bundesstatistik zentral gewonnen werden könnten.

Bei aller Einsicht hinsichtlich der operativen Pro-
bleme, die das bereitet, sind wir der Auffassung, dass
man dem Antrag der Fraktion der Linken zustimmen
kann und die Beschlussempfehlung des Ausschusses ab-
lehnen muss.

Aber machen wir den zweiten Schritt nicht vor dem
ersten. Wir müssen verhindern, dass Menschen woh-
nungslos werden, weil sie sich die Miete nicht mehr leis-
ten können. Das betrifft vor allem die Menschen in den
Großstädten und den Ballungsräumen mit ihrer relativen
Anonymität. Dort leben häufig Menschen in prekären
sozialen Lebenslagen. In diesem Zusammenhang ist
festzustellen: Wegen der derzeit angekündigten mieter-
feindlichen Politik der Bundesregierung ist davon auszu-
gehen, dass die in der Tat zurückgegangene Zahl der
Wohnungslosen in den kommenden Jahren wieder deut-
lich ansteigen wird.


(Iris Gleicke [SPD]: Das ist leider wahr! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Dummes Zeug ist das!)


Wir wissen natürlich, dass die Wohnungslosigkeit durch-
aus mit der Situation auf dem Wohnungsmarkt und mit
den Mietpreisen korreliert.

Es kommt noch etwas hinzu: Wenn Sie zum Beispiel
die Kosten der Unterkunft pauschalieren, wird auch das
natürlich in erhöhtem Maße Wohnungslosigkeit produ-
zieren.

Meine Damen und Herren, gerade wir als Grüne wis-
sen natürlich – das findet auch unsere Zustimmung –,
dass der Wohnungsmarkt umfassend energetisch saniert
werden muss.


(Otto Fricke [FDP]: Aber wer bezahlt das?)


Aber – es ist ganz wichtig, das hier festzustellen – wir
dürfen und können das nicht vorwiegend auf dem Rü-
cken der Mieterinnen und Mietern abladen, wie Sie es
anscheinend vorhaben.

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(C (D an hat ja in diesen Tagen gelesen, was Sie vorhaben. ie haben vor, die Modernisierungsumlage stark zu steiern, sodass ein wesentlich größerer Anteil der Moderniierungskosten auf die Miete umgelegt werden kann. as wird zu eklatanten Mietsteigerungen führen. (Otto Fricke [FDP]: Aber Sie sagen doch immer, durch Sanierung wird es besser!)


(Otto Fricke [FDP]: Sondern?)


(Otto Fricke [FDP]: Sondern?)


Schon jetzt ist es so, dass eine umfassende energeti-
che Sanierung Mietsteigerungen von bis zu 200, 300
der 400 Euro zur Folge haben kann. Sie werden sehen,
ass sich das natürlich auch beim Thema Obdachlosig-
eit auswirken wird.


(Otto Fricke [FDP]: Also keine Sanierung?)


Deswegen sagen wir: Wir wollen uns hier nicht aus
er Verantwortung stehlen. Der Antrag der Linken ist
urchaus mitzutragen. Wir wollen eine Datengrundlage
aben, die es ermöglicht, tatsächlich wirksame Hand-
ngsansätze zu entwickeln. Deswegen werden wir dem
ntrag zustimmen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wün-
che einen guten Nachhauseweg.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706243200

So weit sind wir noch nicht. Es bleiben alle hier. –

aniela Raab hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Daniela Raab (CSU):
Rede ID: ID1706243300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ohnungslosigkeit oder Obdachlosigkeit ist nicht nur in
eutschland, sondern weltweit ein Zustand, in dem im-
er noch – das bestreitet hier sicherlich keiner – viel zu

iele Menschen leben. Es stimmt natürlich, dass es keine
undeseinheitliche Datenerfassung gibt. Ich möchte hier
icht allzu viel von dem wiederholen, was meine Kolle-
innen und Kollegen richtigerweise schon ausgeführt
aben. Ich glaube schon, dass der Vorschlag vom Grund-
atz her richtig ist. Aber ich sehe noch nicht, wie wir ihn
raktikabel umsetzen können.

Deswegen möchte ich gleich zu Anfang sagen: Mir
äre es sehr recht gewesen, wenn Sie selber Ihren eige-
en Antrag so ernst genommen hätten, dass Sie ihn einer
ebatte zugeführt hätten, und zwar nicht nur einer Zehn-
inuten-Debatte im Ausschuss und heute einer zu rela-

v später Stunde, und wenn Sie das Angebot angenom-
en hätten und über die Brücke gegangen wären, die wir
nen gestern im Ausschuss gerne gebaut hätten, indem
ir sagen: Wir setzen uns einmal zusammen, schauen
ns das Thema an und versuchen zu ergründen, ob wir
as bundesweit tatsächlich so erfassen können, dass es
enen hilft, denen es helfen soll, nämlich den Obdach-
sen, oder ob es wieder nur denjenigen hilft, die eine





Daniela Raab


(A) )


)
Statistik aufstellen, die dann wiederum keinen interes-
siert, weil man mit ihr nichts anfangen kann, weil sie
nicht aussagekräftig ist. Das ist der Grund, weshalb wir
uns hier sperren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Um auch das gleich vorwegzunehmen: Ich muss aus
Ihrem Verhalten, über die von uns angebotene Brücke
nicht zu gehen, schließen, es ginge Ihnen darum, hier
einmal ein Ballyhoo zu diesem Thema zu machen und
dann zu sagen: Hier sitzen ein paar ganz Böse, die sich
mit dem Thema nicht auseinandersetzen wollen und uns
dann überstimmen. – Ich muss ganz einfach sagen, da
haben Sie ganz offensichtlich ein sehr sensibles, sehr
ernstes und sehr wichtiges Thema einfach nur der Partei-
taktik geopfert. Das kann ich so nicht gut finden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben natürlich auch schon gehört, wie vielfältig
die Gründe dafür sein können, ohne Wohnung, ohne Ob-
dach zu leben. Ich möchte sie hier nicht wiederholen. Es
sind vielfach menschliche Schicksale, die wir alle Gott
sei Dank nicht teilen müssen und hoffentlich nie teilen
werden. Ich glaube – da stimme ich meinem Kollegen
Storjohann, aber ganz ausdrücklich auch Ihnen, Herr
Bartol, zu –, wichtig ist schon, was wir vor Ort machen
und was wir den Menschen vor Ort anbieten; denn – ich
sage es noch einmal – mit einer Statistik, in der vielleicht
nur die Hälfte derer erfasst ist, die betroffen sind, helfen
wir den Betroffenen nicht. Wir helfen ihnen eigentlich
nur mit konkreten Angeboten.

Natürlich sind die Länder hierfür zuständig. So ist es
nun einmal. Es hat aber auch schon vonseiten des Bun-
des Initiativen gegeben. Der Bund hat diese Zielgruppe
zum Beispiel in das Wohnraumförderungsgesetz aufge-
nommen und schon im Vorfeld in den Verwaltungsver-
einbarungen zwischen Bund und Ländern festgelegt,
dass der Versorgungsauftrag des sozialen Wohnungsbaus
die Wohnungslosen einschließt und sie zu den vordring-
lich zu behandelnden Gruppen zählt. Das zumindest
kann der Bund mit den Ländern vereinbaren. Das hat er
auch gemacht.

Ich nehme einmal mein Bundesland Bayern als Bei-
spiel und frage: Was wird dort für die Wohnungslosen
getan? Jeder Kollege kann auf diese Frage hin zahlreiche
praktische und konkrete Hilfsangebote aufzählen. Es
gibt bei uns die Konferenz der Wohnungslosenhilfe. Das
ist ein Gremium, in dem sich ambulante Dienste und sta-
tionäre Einrichtungen zusammengeschlossen haben, um
gemeinsam die Belange wohnungsloser Menschen zu
behandeln.


(Abg. Heidrun Bluhm [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Nein. Bitte keine Zwischenfragen mehr. Sie hatten
gestern ausführlich Zeit. Sie hatten vorher auch Rede-
zeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich sage Ihnen auch, Frau Bluhm: Wenn Sie sich ernst-
haft mit uns hätten unterhalten wollen, dann hätten Sie

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(C (D estern unser Angebot dazu angenommen. Dann müssn Sie jetzt auch keine Zwischenfrage stellen. So einch ist das. (Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Genau das wollte ich Sie gerade fragen!)


Des Weiteren gibt es in Bayern den Fachausschuss
ohnungslosenhilfe. Das ist die Wohnungslosenhilfe

er Landesarbeitsgemeinschaft der öffentlichen und
eien Wohlfahrtspflege. Es sind also alle dabei, die mit
ohnungslosen Menschen zu tun haben. Sie wissen, wo

ie sich aufhalten, und vielleicht auch, wie sie ihnen hel-
n können. Darüber hätten wir uns wunderbar austau-

chen können. Aber nicht nur das: Wir hätten auch da-
ber reden können, wie konkret die Angebote in den

nderen Bundesländern tatsächlich sind, und was wir
on der Bundesseite noch tun können. Dann wären wir
ielleicht zu einem Ergebnis bei der Frage gekommen:
rauchen wir die Statistik, oder brauchen wir sie nicht?
h weiß es nicht.


(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ihr Koalitionspartner hat gesagt: Die Statistik brauchen wir!)


Ich rede jetzt nicht für meinen Koalitionspartner, son-
ern, wie gestern im Ausschuss auch, für meine Frak-
on. Da sind wir uns einig. Ich sage es Ihnen noch ein-
al: Das ist nur parteipolitisches Geplärr. Das ist einzig

nd allein eine Debatte, um uns vorzuführen. Das ist Ih-
en aber Gott sei Dank nicht gelungen. Wir setzen uns
ämlich inhaltlich mit dem Thema auseinander; das ha-
en Sie leider nicht so getan. Nur: Das wird nicht rei-
hen, und das lasse ich mir hier nicht gefallen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wer ernst gemeinte Angebote abschlägt, darf sich im
achhinein nicht wundern, wenn er keine Mehrheiten
ndet. Vielleicht machen Sie es beim nächsten Mal an-
ers. Wir wollen uns diesem Thema gerne weiterhin nä-
ern. Ich glaube, die Angebote waren deutlich und viel-
ltig. Damit darf ich diese Debatte abschließen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706243400

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
mpfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und
tadtentwicklung zu dem Antrag der Fraktion Die Linke
it dem Titel „Wohnungslosigkeit in Deutschland – Ein-
hrung einer Bundesstatistik“.

Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
ng auf Drucksache 17/3084, den Antrag der Fraktion
ie Linke auf Drucksache 17/2434 abzulehnen. Wer

timmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstim-
en? – Enthaltungen? – Damit ist die Beschlussempfeh-
ng bei Zustimmung durch die Koalition angenommen.
ie SPD-Fraktion hat sich enthalten. Dagegen haben
ündnis 90/Die Grünen und die Linke gestimmt.

(B)






Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt


(A) )


)(B)

Tagesordnungspunkt 15:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Marlene
Mortler, Klaus Brähmig, Josef Göppel, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU so-
wie der Abgeordneten Horst Meierhofer, Jens
Ackermann, Angelika Brunkhorst, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der FDP

Tourismus und Landschaftspflege verknüpfen –
Gemeinsam die Entwicklung ländlicher
Räume stärken

– Drucksache 17/2478 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Tourismus (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss

Ihre Reden bereits zu Protokoll gegeben haben die
Kolleginnen und Kollegen Marlene Mortler, Klaus
Brähmig, Heinz Paula, Jens Ackermann, Kornelia
Möller, Markus Tressel und der Parlamentarische Staats-
sekretär Ernst Burgbacher.1)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/2478 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. – Damit sind Sie ein-
verstanden. Dann ist das so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 16:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried
Hermann, Kerstin Andreae, Alexander Bonde,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Bürgerfreundlichen Ausbau der Rheintalbahn
auf der Basis des Prognosehorizontes 2025 pla-
nen

– Drucksache 17/2488 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

Ihre Reden zu Protokoll gegeben haben die Kolle-
ginnen und Kollegen Steffen Bilger, Ulrich Lange, Ute
Kumpf, Sibylle Laurischk, Sabine Leidig und Kerstin
Andreae.2)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/2488 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. – Auch damit sind
Sie einverstanden. Dann ist es so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 17:

Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung

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1) Anlage 4
2) Anlage 5 3)

(C (D des Benachrichtigungswesens in Nachlasssachen durch Schaffung des Zentralen Testamentsregisters bei der Bundesnotarkammer – Drucksache 17/2583 – Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss Zu Protokoll gegeben haben ihre Reden Ute ranold, Christoph Strässer, Jens Petermann, Ingrid önlinger und der Parlamentarische Staatssekretär Max tadler.3)


Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
urfes auf Drucksache 17/2583 an den Rechtsausschuss
orgeschlagen. – Dazu gibt es keine weiteren Vor-
chläge. Dann ist das so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 18:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umset-
zung der Zweiten E-Geld-Richtlinie

– Drucksache 17/3023 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss

Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die
eden zu Protokoll genommen. Es handelt sich um die
olleginnen und Kollegen Peter Aumer, Martin Gerster,
rank Schäffler, Dr. Axel Troost und Dr. Konstantin von
otz.


Peter Aumer (CSU):
Rede ID: ID1706243500

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzt die Bun-

esregierung die Richtlinie des Europäischen Parla-
ents und des Rates vom 16. September 2009 in natio-
ales Recht um. Der damalige Binnenmarkt-Kommissar
harlie McCreevy bewerte die Richtlinie im Januar
010 folgendermaßen: „Diese Richtlinie wird nicht nur
as Zahlungssystem in der EU verbessern, sondern
benfalls den Weg für konkrete Vorteile der Verbraucher
us der Integration der Finanzmärkte ebnen.”

Die Zweite E-Geld-Richtlinie über die Aufnahme, Aus-
bung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-In-
tituten wird fristgerecht bis zum 30. April 2011 in deut-
ches Recht umgesetzt. Von den Änderungen betroffen
ind das Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz, das Geld-
äschegesetz, das Handelsgesetzbuch und das Unterlas-

ungsklagengesetz. Die aufsichtsrechtlichen Vorschrif-
n der Zweiten E-Geld-Richtlinie sehen für die neue
stitutskategorie der E-Geld-Institute ein spezifisches
rlaubnisverfahren und besondere Regelungen für die
ufende Aufsicht vor. Diese werden in das Zahlungs-

iensteaufsichtsgesetz aufgenommen, und im Gegenzug
azu werden E-Geld-Institute aus dem Kreditwesenge-
etz herausgelöst.

Im Zuge der Umsetzung werden weitere Änderungen
den genannten Aufsichtsgesetzen vorgenommen, die
efizite bei den geldwäscherechtlichen Normen beseiti-

Anlage 6


(A) )


)(B)

gen sollen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland
wirksamer vor einem Missbrauch durch Geldwäsche
und Terrorismusfinanzierung zu schützen.

Die Umsetzung der Zweiten E-Geld-Richtlinie in den
Vertragsstaaten der EU bringt wesentliche Vorteile für
unseren Wirtschaftsraum:

Erstens. Sie schafft einen modernen und rechtlich ko-
härenten Zahlungsverkehrsraum für die Ausgabe von
elektronischem Geld im Europäischen Binnenmarkt. Auf
diese Weise wird der Weg für neue innovative und si-
chere E-Geld-Dienstleistungen geebnet.

Zweitens. Sie fördert faire Wettbewerbsbedingungen
und setzt gleiche Marktzugangskriterien für alle Zah-
lungsdiensteanbieter einschließlich der E-Geld-Insti-
tute.

Drittens. Sie initiiert einen echten und wirkungsvol-
len Wettbewerb.

Viertens. Sie schafft einen einheitlichen aufsichts-
rechtlichen Rahmen.

Wie sehen die Änderungen konkret aus? Nach der
Zweiten E-Geld-Richtlinie ist die Kreditinstitutseigen-
schaft nun nicht mehr zwingende Voraussetzung für das
Betreiben des E-Geld-Geschäfts. Mit der Durchsetzung
des Erlaubnisvorbehaltes, der Zulassung und der lau-
fenden Aufsicht über die E-Geld-Institute wird die Bun-
desanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)

beauftragt werden. Durch die Modifizierung der be-
stehenden Regelungen soll bewirkt werden, dass in
Deutschland die Nachfrage an E-Geld-Lizenzen erhöht
wird und sich auch deutsche E-Geld-Institute auf dem
europäischen Markt etablieren können. Entscheidend ist
hier auch, dass diese nun ein erweitertes Tätigkeitsfeld
haben sollen und zusätzliche Dienstleistungen anbieten
dürfen. Zukünftig sollen Internetzahlungen verstärkt
auch mit E-Geld möglich werden. In dieses Marktseg-
ment sind bereits ausländische Anbieter wie PayPal vor-
gestoßen. Die Gesetzesänderung soll nun auch inländi-
schen Unternehmen diesen Markt eröffnen.

Zudem soll die „Geldkarten“-Funktion, über welche
viele inländische EC-Karten-Besitzer die Möglichkeit
besitzen, ihre Karte an SB-Terminals mit E-Geld aufzu-
laden, erweitert werden. Damit soll die Handhabung
benutzerfreundlicher gestaltet und auch der Einsatz von
E-Geld vielseitiger und attraktiver gemacht werden.

Überdies beseitigt die Richtlinie Defizite im deut-
schen Rechtssystem, die die Financial Action Task Force
on Money Laundering (FATF) im Deutschland-Bericht
vom 18. Februar bei der Bekämpfung von Geldwäsche
und Terrorismusfinanzierung feststellte. Gerade in
Deutschland ist die Umsetzung der Richtlinie und die
Beseitigung der angesprochenen Defizite besonders
wichtig. Im europäischen Vergleich ist das Angebot qua-
litativ hochwertiger Finanzdienstleistungen bei uns be-
sonders hoch. Hinzu kommen die zentrale geografische
Lage Deutschlands, die engen wirtschaftlichen Bezie-
hungen und die internationale Vernetzung der deutschen
Wirtschaft, die eine lückenlose, genaue und effiziente

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Zu Protokoll ge

(C (D plementierung der internationalen Vorgaben gerade Deutschland besonders wichtig machen. Deutschland ist als Gründungsmitglied der FATF seit rer Bildung 1989 aktiv an der Erarbeitung und Weiter ntwicklung der international anerkannten Standards ur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanierung beteiligt und hat sich immer zur nationalen Umetzung der FATF-Empfehlungen bekannt. Der vorlieende Gesetzentwurf muss begrüßt werden. Es ist fast schon eine ökonomische Binsenweisheit, ass unsere Wirtschaft in erheblichem Maße auf Verauen basiert. Die jüngste Finanzkrise hat uns deutlich or Augen geführt, wie sensibel die ökonomischen Seisografen auf Signale der Unsicherheit reagieren. Große ankhäuser, ja ganze Staaten geraten ins Wanken, wenn as Vertrauen in ihre Kreditwürdigkeit schwindet. Und hne den Glauben an die Stabilität seiner Kaufkraft ist nser Geld letztendlich nicht viel mehr als bedrucktes apier. Gerade im Umgang mit Geld und den Instituten, die s verwalten, ist es deshalb unerlässlich, Vertrauen zu chaffen und die Verbraucher vor Schaden zu schützen. o auch im Falle von E-Geld, also digitalem Bargeld, as auf elektronischen Geräten, Chipkarten oder Serern gespeichert ist. Wir starten heute mit der Beratung des Gesetzes zur msetzung der Zweiten E-Geld-Richtlinie und diskutien somit über die Zukunft des E-Geldes in Deutschland. ie dem Gesetzentwurf zugrunde liegende EU-Richtliie zielt darauf ab, einen klaren, harmonisierten Aufichtsund Rechtsrahmen für die Ausgabe von elektronichem Geld in der EU zu schaffen. Bislang führt die -Geld-Branche in Deutschland eher ein Nischendasein, nd das Geschäft mit E-Geld wurde weitestgehend von en herkömmlichen Kreditinstituten übernommen, was icht zuletzt an den strengen Reglementierungen geleen haben dürfte, die den entsprechenden Unternehmen urch das Kreditwesengesetz bislang vorgegeben waren. sofern ist nichts dagegen einzuwenden, hier analog zu en Zahlungsinstituten für mehr Wettbewerb und echtssicherheit zu sorgen, solange der Kunde und die tabilität der Finanzmärkte geschützt werden. Den von der Bundesregierung gewählten Weg, die -Geld-Institute zu diesem Zwecke aus dem Kreditweengesetz, KWG, herauszunehmen und sie in die Regengen des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes zu inte rieren, halte ich im Prinzip für richtig. In der Tat sind ich die Institutsformen des Zahlungsinstituts und des -Geld-Instituts ähnlich genug, um sie in einen geeinsamen Regelungsrahmen zusammenzuführen, der en europarechtlichen Vorgaben entspricht. Diesen ahmen haben wir im vergangenen Jahr unter Peer teinbrück in der Großen Koalition geschaffen. Ich nde es angemessen, diesen Kurs weiter zu verfolgen, er eine kluge Balance zwischen einem Mindestmaß an ettbewerb und einem Maximum in Sachen Verbrau herschutz anstrebte. Allerdings befürchte ich, dass sich nter Schwarz-Gelb die Vorzeichen umkehren könnten. Peter Aumer gebene Reden )

Martin Gerster (SPD):
Rede ID: ID1706243600




(A) )

Wie dem auch sei: Im Ansatz positiv ist der Versuch zu
werten, mit dem vorgelegten Gesetzentwurf auch beste-
hende Defizite anzugehen, die in Deutschland bei der
Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung
bestehen. So beinhaltet der Gesetzentwurf auch die Ziel-
setzung, die deutliche Kritik aufzugreifen, welche die Fi-
nancial Action Task Force, FATF, in ihrem Deutschland-
bericht vom Februar 2010 formuliert hat. Seit 1989
widmet sich dieses OECD-Gremium dem Kampf gegen
Geldwäsche und die Finanzierung des internationalen
Terrors. 49 Kriterien umfasst der Kriterienkatalog, an-
hand derer die Antigeldwäschepolitik der Bundesrepu-
blik durch die Organisation bewertet wurde. Von diesen
erfüllte Deutschland zum Untersuchungszeitpunkt 29 –
zumindest weitgehend. 15-mal wurde die lediglich teil-
weise Umsetzung der Empfehlungen moniert, fünfmal
diagnostizierten die FATF-Prüfer, die zentralen Umset-
zungskriterien seien mehrheitlich nicht erfüllt. Um ein
Haar wäre Deutschland auf der schwarzen Liste der
FATF gelandet, wie das „Handelsblatt“ seinerzeit be-
richtete. Ein deutliches Zeichen für vielfachen und
dringlichen Handlungsbedarf.

Tatsächlich nimmt der Gesetzentwurf an mehreren
Punkten Bezug auf die Empfehlungen der FATF und ver-
sucht, aufsichtsrechtliche Lücken bei der Behandlung
von Kreditinstituten und Finanzdienstleistern sowie im
Bereich der Versicherungsunternehmen zu schließen. So
weit, so gut. Interessant wird es jedoch, wenn man einen
genauen Blick darauf wirft, welche der 49 geprüften
Kriterien mit dem vorliegenden Gesetzentwurf angegan-
gen werden. Denn schnell wird deutlich: Ein nicht unwe-
sentlicher Teil der Regelungen, in denen der Gesetzent-
wurf die FATF-Kritik aufgreift, betrifft Empfehlungen,
die seitens der Prüfer ohnehin als eher weniger proble-
matisch eingeschätzt werden. Zentrale Punkte der
FATF-Kritik bleiben hingegen völlig unberührt. So mo-
niert die Organisation die strafrechtliche Behandlung
von Insiderhandel und Marktmanipulationen, die in
Deutschland nicht als Vortaten zur Geldwäsche angese-
hen werden. Auch wird kritisiert, dass bei der Verfol-
gung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung beispiels-
weise Kasinobetrieben, dem Handel mit Edelsteinen und
Edelmetallen oder der Immobilienmaklerbranche nach
wie vor zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, und
das, obwohl diese Berufsfelder – ebenso wie bestimmte
geschützte Berufsgruppen – besonders interessant für
die entsprechenden Kriminalitätsformen sein dürften.

So richtig die Ansätze des hier zur Beratung anste-
henden Gesetzentwurfes im Prinzip auch sein mögen: Es
kann keinesfalls die Rede davon sein, dass damit die
substanziellen Kritikpunkte der FATF aus der Welt wä-
ren. Im Gegenteil: Auf diesem Feld bleibt noch viel zu
tun.

Ich bin gespannt, ob die Bundesregierung ihren in der
Begründung des Gesetzentwurfes nachdrücklich doku-
mentierten Willen auch in der weiteren gesetzgeberi-
schen Praxis zeigen wird. Seitens der FATF steht die
nächste Bewertung Deutschlands 2012 an. Wir werden
sehr genau im Auge behalten, welche Schritte die Bun-
desregierung bis dahin ergreifen wird, um die nach wie
vor bestehenden Schwächen im Kampf gegen Geldwä-

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(C d R w lu g Zu Protokoll ge (C (D che und die Finanzierung des internationalen Terrors ufzuarbeiten. Die Europäische Union hat in den letzten Monaten iele Schlagzeilen gemacht. Mit dem vorliegenden Geetzentwurf wird mal wieder eine konkrete Maßnahme Interesse der Unions-Bürger umgesetzt. Der Gesetzntwurf der Bundesregierung schafft einen Rechtsrahen für die Beaufsichtigung von Unternehmen, die elekonisches Geld ausgeben. Elektronisches Geld, das auf inem Datenträger erver oder einem Zahlungskonto gespeichert ist, kann Austausch gegen gesetzliche Zahlungsmittel vom unden für Zahlungsvorgänge verwendet werden. Die Umsetzung der Zweiten E-Geld-Richtlinie ist ein eiterer Baustein auf dem Weg zu einem modernen Zahngsverkehrsraum im Binnenmarkt. Ziel ist es, den ettbewerb auch in diesem Bereich des Binnenmarkts u intensivieren. Vor gut einem Jahr haben wir im Bundestag verleichbare Regelungen für die sogenannten Zahlungsstitute geschaffen. Nun bauen wir die Kategorie der -Geld-Institute in das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz in. Da nach der Richtlinie nicht mehr vorausgesetzt ird, dass ein E-Geld-Institut auch Kreditinstitut im inne des Kreditwesengesetzes, KWG, ist, sind die entprechenden Vorschriften des KWG aufzuheben. Der esetzentwurf der Bundesregierung setzt die Richtlinie ins zu eins um. Wir werden im Laufe der Gesetzesberangen prüfen, wo wir im Detail vielleicht noch präzi ere Formulierungen wählen können, um Unklarheiten der auch unnötige Bürokratie zu vermeiden. Gerade auf die Vermeidung von unnötigen Bürokraekosten legen wir als christlich-liberale Koalition ein esonderes Augenmerk. Der vorliegende Entwurf veruracht geschätzte Bürokratiekosten in Höhe von rund 7 000 Euro. Diese sind jedoch hauptsächlich auf solche orschriften der Richtlinie zurückzuführen, bei denen ir keinen Umsetzungsspielraum haben. Darüber hinaus werden wir mit diesem Gesetzenturf Empfehlungen der Financial Action Task Force on oney Laundering umsetzen, um den Wirtschaftsstand rt Deutschland wirksamer vor Missbrauch durch Geldäsche und Terrorismusfinanzierung zu schützen. Hier rfolgt insbesondere eine aufsichtsrechtliche Präzisieung von Sorgfaltsund Organisationspflichten. Auch in iesem Bereich werden wir im Gesetzgebungsverfahren rüfen, ob es bei einzelnen Vorschriften noch Klarstelngsbedarf gibt. Bislang befindet sich der Markt für elektronisches eld – chipund kartengestütztes, aber auch Netzgeld ybergeld)

Frank Schäffler (FDP):
Rede ID: ID1706243700
Dr. Axel Troost (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706243800

em Gesetzentwurf zur Umsetzung der Zweiten E-Geld-
ichtlinie nun ändern. Hierdurch sollen gleiche Wettbe-
erbs- und Marktzugangsbedingungen für alle Zah-
ngsdienstanbieter, einschließlich der E-Geld-Institute,

eschaffen werden. Allerdings birgt der neue rechtliche




Martin Gerster
gebene Reden


(A) )


)(B)

Rahmen erhebliche Risiken für Verbraucherinnen und
Verbraucher. Zum anderen bleibt einiges im Argen, ge-
rade was das Aufsichtsrecht in Zusammenhang mit der
Bekämpfung von Geldwäsche betrifft.

Durch den Gesetzesentwurf wird der Komplex E-Geld,
bislang im Kreditwesengesetz, KWG, geregelt, nun in
das weitaus laxere Regularium des Zahlungsdiensteauf-
sichtsgesetz überführt, ZAG. Bereits das im Juni 2009
geschaffene ZAG wurde von unserer Fraktion abgelehnt,
da hierdurch dubiose Kreditkartengeschäfte erleichtert
werden. Mit der nun erfolgten Ausweitung des ZAG auf
den Bereich des E-Geldes wird ein weiterer Bereich des
Retail-Bankings, das heißt des End- bzw. Einzelkunden-
geschäfts, einem geringeren Regulierungs- und Beauf-
sichtigungsniveau unterworfen, als es unter dem KWG
der Fall wäre. Aus Verbrauchersicht stört, dass der
Rücktausch von E-Geld in hartes Geld nicht jederzeit
gebührenfrei möglich ist. Was hingegen ein angemesse-
nes Entgelt ist, weiß kaum jemand. Das Entgelt muss le-
diglich „in einem angemessenen Verhältnis zu den tat-
sächlich entstandenen Kosten des E-Geld-Emittenten
stehen“, heißt es in den entsprechenden Passagen des
§ 23 des ZAG lapidar.

Weiterer Risikofaktor ist die Herabsetzung des An-
fangskapitals von derzeit 1 Million Euro auf 350 000 Euro.
Welche Betrügereien möglich sein werden, wenn nur
350 000 Euro und 2 Prozent unterlegt sein müssen, kann
man zwar heute noch nicht sagen. Doch würde man sich
gerade auch als Instrument eines vorausschauenden
Monitoring einen Erfahrungsbericht nach zwei Jahren
gewünscht haben.

Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wird darüber
hinaus zu prüfen sein, ob die bekannten Mängel bei der
Geldwäschebekämpfung mit diesem Gesetzesentwurf
tatsächlich hinreichend abgestellt werden. So wurden
von der Financial Action Task Force on Money Launde-
ring, FATF, im Deutschland-Bericht vom 18. Februar
2010 diesbezüglich Defizite im deutschen Rechtssystem
identifiziert, die zum Teil auch das Aufsichtsrecht betref-
fen. Insbesondere die landeseigenen Spielbanken stehen
im Verdacht, eigenen monetären Interessen zu unterlie-
gen und den Meldepflichten nicht nachzukommen. Die
Bundesregierung tut folglich gut daran, hierzu Sachver-
ständige der FATF sowie des BKA anzuhören und den
Entwurf samt Integration in das ZAG-Regelwerk ent-
sprechend zu überdenken. Die Fraktion Die Linke wird
dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nach Ansicht der Kommission gibt es bislang keinen
funktionierenden Binnenmarkt bei Dienstleistungen im
Zusammenhang mit E-Geld in Europa. Aus diesem
Grund hat die Kommission beschlossen, die diesbezügli-
che Richtlinie aus dem Jahr 2000 aufzuheben und diese
durch eine neue, zweite Richtlinie zu ersetzen. Mit ihrer
Hilfe sollen bestehende Marktzutrittsbeschränkungen
beseitigt, gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Zah-
lungsdienstleister erreicht und ein einheitlicher auf-

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Zu Protokoll ge

(C (D ichtsrechtlicher Rahmen für E-Geld-Institute geschafn werden. Der uns heute zur Beratung vorliegende Gesetzenturf der Bundesregierung ist nach eigenen Aussagen ine 1:1-Umsetzung der Vorgaben der europäischen bene, die meine Fraktion grundsätzlich begrüßt. Denoch haben wir gewisse Bedenken, die ich ihnen im Folenden darstellen will. Bezüglich der Schaffung eines einheitlichen und or allem effizienten aufsichtsrechtlichen Rahmens für -Geld-Institute ist meine Fraktion, gerade vor dem intergrund, dass die Bundesregierung selbst davon usgeht, dass es im Zuge der gewährten Erleichterungen ei der Neugründung von E-Geld-Instituten auch tatächlich zu etlichen Neugründungen kommen wird, wourch der Arbeitsaufwand für die Kontrollbehörden in ukunft massiv steigen wird, skeptisch. Ein solcher effiienter aufsichtsrechtlicher Rahmen für E-Geld-Institute uss jedoch im Sinne der Verbraucherinnen und Verraucher angesichts der heutigen, aber gerade auch der ukünftigen Bedeutung von E-Geld-Instituten unbedingt onsequent durchgesetzt werden. Aus den datenschutzchtlichen Mankos derzeit bestehender Zahlsysteme, ie oftmals höchst problematische AGBs aufweisen, in enen unter anderem die Weitergabe von persönlichen formationen an dritte Stellen vorbehalten wird, sollten ir lernen. Gleichzeitig bietet die erleichterte Gründung euroäischer E-Geld-Institute die Chance, den derzeit zu bebachtenden Zustand, dass Anbieter von E-Geld-Institun oftmals in den USA ansässig sind und nur allzu erne auf die dortigen, laschen Datenschutzbestimmunen verweisen, die US-Behörden weitreichende Zugriffsefugnisse auf gespeicherte Datenbestände genehmien, abzumildern und europäische, sich hoffentlich dann öheren Datenschutzstandards verpflichtet fühlende Intitute bei ihrem Aufbau zu unterstützen. Insbesondere hochsensiblen Bereich des elektronischen Zahlungserkehrs muss zukünftig sichergestellt sein, dass datenchutzrechtlich höchsten Anforderungen Genüge getan ird. Das Vorhaben der Bundesregierung, angesichts er heutigen, aber gerade auch der zukünftigen Bedeung von E-Geld-Instituten und den ihnen eigenen spezischen Anforderungen hier einen eigenen Institutstypus u schaffen, ist daher richtig. Mindestens genauso wichtig ist jedoch die Aufsicht ber die Institute. Nicht ganz zu Unrecht geht die Bunesregierung in dem nun von ihr vorgelegtem Gesetzenturf davon aus, dass es für die Aufsichtsbehörde bereits uf kurze Sicht zu einer Mehrbelastung komme, vor alm was den Anwendungsbereich des neuen Gesetzes für nternehmen, von denen zu vermuten sei, dass sie die renze der sachlichen Bereichsausnahmen auszureizen uchen oder gar mit dem Gedanken spielen, diese zu berschreiten, angehe. Meine Fraktion hofft, die Bunesregierung war sich hier bewusst, welcher Arbeitsaufand hier zukünftig auf die Kontrollbehörde zukommt. Zwar ist es richtig, einheitliche Regelungen für die ründung von E-Geld-Instituten zu definieren. Dies darf doch nicht dazu führen, dass es durch eine allzu will Dr. Axel Troost gebene Reden Dr. Konstantin von Notz )








(A) )

fährige Ausgestaltung des Aufsichtsregimes zu für die
Verbraucherinnen und Verbraucher nicht hinnehmba-
ren Risiken kommt und dem mit dem Geschäftsmodell
E-Geld verbundenen, spezifischen Risiken, vor allem im
Bereich des Datenschutzes und des Schutzes des Rechts
auf informationelle Selbstbestimmung, nicht in adäqua-
ter Art und Weise Rechnung getragen wird. Die neuen,
in vielerlei Hinsicht erleichterten Bestimmungen für die
Gründung von E-Kreditinstituten und eine damit einher-
gehende anzunehmende Neugründungswelle, die zwei-
fellos für die europäischen Binnenwirtschaft von Nutzen
sein könnte, dürfen auf keinen Fall dazu führen, dass es
durch eine zu hohe Arbeitsbelastung für die Aufsichtsbe-
hörden zu einer qualitativen Absenkung der aufsichts-
rechtlichen Kontrollen kommt.

Lassen Sie mich noch einen zweiten Punkt anspre-
chen: Das in der nun vorgelegten Richtlinie der EU er-
wähnte „E-Geld“ tritt heute vor allem in zwei Formen
auf. Erstens als ein auf einer Bankkarte mithilfe eines
Chips gespeicherter Betrag zur Begleichung von Klein-
beträgen. Diese Funktion findet sich heute auf praktisch
jeder Geldkarte, zweitens im Verkehr über die eben be-
reits beschriebenen E-Geld-Institute. Laut Richtlinien-
definition ist es deren Aufgabe als Zahlungsdienstleister
geldwerte Einheiten gegen Vorauszahlung bereitzustel-
len, welche dann später wiederum für Zahlungen ver-
wendet werden können, weil sie von Dritten akzeptiert
werden. Statt einer direkten Überweisung von einem
Kunden zu einem Händler geschieht die Transaktion
also zwischen „Plattform-Händlern“. Da dies für Kun-
den zweifellos viele Vorteile bietet, zum Beispiel den,
dass ein grenzüberschreitender Handel erleichtert wird,
ist diese Form der Bezahlung bereits heute weit verbrei-
tet.

Im Grunde genommen handelt es sich hier um nichts
anderes als um ein auf Vertrauen basierendes Gut-
scheinsystem für die digitale Welt. Die Zusicherung des
Vertrauens wiederum – sowohl das zwischen den einzel-
nen Plattformen untereinander, als auch das zwischen
Verbraucher und Plattform – wird durch Verträge zuge-
sichert. Ein solcher Vertragsabschluss kann, muss aber
nicht rechtlich unausweichlich sein.

Während wir bei der Bezahlung mit Geld, aber eben
auch mit E-Geld in der realen Welt durchaus anonym be-
zahlen können, ist dies bislang beim Bezahlen im Netz
nicht möglich. Warum eigentlich nicht?

Meines Erachtens nach müssen wir auch verstärkt
darüber nachdenken, wie wir im Netz überall dort, wo es
nicht zwingend erforderlich ist, den jeweiligen Vertrags-
partner zu identifizieren, Angebote schaffen, um zukünf-
tig auch ein anonymisiertes Bezahlen im Netz zu ermög-
lichen. Im Übrigen fordert uns die derzeit bestehende
Gesetzeslage ausdrücklich auf, beispielsweise durch
eine Rechtspflicht zur Anonymisierung bzw. Pseudony-
misierung bei der Ausgestaltung von Verfahren wie sie
im § 3 a des Bundesdatenschutzgesetzes vorgesehen ist.

Es ist daher nur folgerichtig, auch im Bereich des
E-Geldes im Sinne einer erhöhten Datensparsamkeit
und der Ermöglichung des Selbstdatenschutzes durch
die Verbraucherinnen und Verbraucher gezielt Techni-
ken der Anonymisierung zu fördern. So würde es uns

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(C (D ventuell auch gelingen, den im ersten Teil meiner Rede ur Sprache gebrachten Aufwand für die Kontrollbehören zu senken. Es wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf rucksache 17/3023 an die in der Tagesordnung aufgehrten Ausschüsse vorgeschlagen. – Damit sind Sie ieder einverstanden. Dann ist so beschlossen. Tagesordnungspunkt 19: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der Abgeordneten Christoph Strässer, Angelika Graf ordneter und der Fraktion der SPD Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt über ein Individualbeschwerdeverfahren ratifizieren – Drucksachen 17/1049, 17/3085, 17/3108 – Berichterstattung: Abgeordnete Frank Heinrich Ullrich Meßmer Pascal Kober Katrin Werner Ingrid Hönlinger Zu Protokoll gegeben haben ihre Reden Frank einrich, Ullrich Meßmer, Pascal Kober, Stefan Liebich nd Volker Beck.1)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706243900

Wir kommen zur Abstimmung.

Der Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre
ilfe empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung bzw. sei-
em Bericht auf Drucksachen 17/3085 und 17/3108, den
ntrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/1049

bzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? –
agegen? – Enthaltungen? – Damit ist die Beschluss-

mpfehlung angenommen. Zugestimmt haben die Koali-
onsfraktionen. Dagegen haben die SPD-Fraktion und
ündnis 90/Die Grünen gestimmt. Die Fraktion Die
inke hat sich enthalten.

Tagesordnungspunkt 20:

– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Bundesbe-
soldungs- und -versorgungsanpassungsgeset-
zes 2010/2011 (BBVAnpG 2010/2011)

– Drucksachen 17/1878, 17/2066 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4. Ausschuss)


– Drucksache 17/3086 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Armin Schuster (Weil am Rhein)

Michael Hartmann (Wackernheim)

Dr. Stefan Ruppert
Frank Tempel
Dr. Konstantin von Notz

Anlage 7





Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt


(A) )


)(B)

– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung

– Drucksache 17/3087 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Jürgen Herrmann
Dr. Peter Danckert
Florian Toncar
Steffen Bockhahn
Stephan Kühn

Zu Protokoll gegeben haben ihre Reden Armin
Schuster, Michael Hartmann, Dr. Stefan Ruppert, Frank
Tempel und Dr. Konstantin von Notz.1)

Wir kommen zur Abstimmung.

Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 17/3086, den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung auf Drucksachen 17/1878 und
17/2066 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
sung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. – Gegen-
stimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzent-
wurf in zweiter Beratung bei Zustimmung durch die
Koalitionsfraktionen angenommen. Dagegen haben SPD
und Bündnis 90/Die Grünen gestimmt. Die Fraktion Die
Linke hat sich enthalten.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Wer zustimmen will, möge
sich erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Da-
mit ist der Gesetzentwurf in dritter Beratung und
Schlussabstimmung beim gleichen Stimmverhältnis wie
vorher angenommen.

Tagesordnungspunkt 21:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Annette
Groth, Ulla Lötzer, Jan van Aken, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion DIE LINKE

EU-Freihandelsabkommen mit Indien stoppen –
Verhandlungsmandat in demokratischem Pro-
zess neu festlegen

– Drucksache 17/2420 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Auswärtiger Ausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Hier haben ihre Reden bereits zu Protokoll gegeben:
Erich G. Fritz, Rolf Hempelmann, Dr. Martin Lindner,
Annette Groth und Uwe Kekeritz.


Erich G. Fritz (CDU):
Rede ID: ID1706244000

Partnerschaften der Europäischen Union mit wichti-

gen Akteuren in der Welt bilden ein nützliches Instru-
ment für die Verfolgung der politischen Ziele der Union

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K1) Anlage 8

(C (D nd europäischer Interessen. Dabei ist der Erfolg immer ann am größten, wenn die Zusammenarbeit keine Einahnstraße ist, sondern in beiderseitigem Interesse geandelt und verhandelt wird. Die strategische Partnerchaft EU-Indien, die im Jahr 2004 begründet wurde, ird dem mehr als gerecht – auch wenn die Fraktion Die inke uns mit ihrem Antrag etwas anderes weismachen ill. Gerade der politische Dialog zwischen der Euroäischen Union und Indien ist durch unterschiedliche oren der Zusammenarbeit wie beispielsweise die jährch stattfindenden EU-Indien-Gipfel dichter und konreter geworden. Die EU wird in Indien zunehmend als inheitlicher Akteur wahrgenommen, und auch in die eit Juni 2007 laufenden Verhandlungen über das EUdien-Freihandelsabkommen ist mehr Bewegung ge ommen. Die Fraktion Die Linke stellt es in ihrem Antrag so ar, als würde das Abkommen nur auf Wunsch der EU ustande kommen und dass Indien kein eigenes Interesse n einem bilateralen Abkommen hätte. Dem ist nicht so. ie können, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksaktion, den Indern nicht vorschreiben, mit wem sie zu erhandeln haben. Indien ist Manns genug, um seine Inressen selbst zu vertreten. Indien hat dafür alle Vo aussetzungen, politische Verfahren, qualifizierte Vertrer, eine hinreichende parlamentarische Kontrolle, erade was Handelsfragen angeht, und ein ausgeprägs Selbstwertgefühl, verbunden mit einer hohen Bereit chaft zur Übernahme internationaler Verantwortung, ie bei uns häufig noch nicht richtig wahrgenommen ird. Die Vorstellung, Indien müsse bei bilateralen Verandlungen von politischen Parteien in Deutschland gechützt werden und insofern mit kleinen Volkswirtschafn der am wenigsten entwickelten Art gleichgesetzt erden, zeugt von völliger Unkenntnis der Kapazitäten nd Fähigkeiten Indiens. Die indischen Vertreter haben auf dem letzten Gipfeleffen im November 2009 deutlich gemacht, dass auch ie einen Abschluss der Verhandlungen des Freihandelsbkommens bis Ende dieses Jahres anstreben. Ob sich ieses ambitionierte Ziel in die Tat umsetzen lässt, ist um derzeitigen Zeitpunkt unklar; schließlich haben eide Seiten sehr unterschiedliche und deutlich artikuerte Interessen. Fest steht aber, dass kommende Verandlungsrunden wie ein Gespräch am 4. Oktober auf er Ebene der Generaldirektion und der am 1. Dezemer stattfindende EU-Indien-Gipfel von den Führungsbenen beider Akteure dazu genutzt werden, den Verandlungen einen nachdrücklichen Schub zu einem aldigen und erfolgreichen Abschluss zu geben. Bislang sind bereits gute Fortschritte im Wettbewerb rzielt worden. Wichtige Schlüsselthemen für die ansteenden Beratungen werden die Bereiche Investitionen, chnische Handelshemmnisse und Ursprungsregeln ein. Es ist auch in deutschem Interesse, dass in dem Abommen ein strikter Schutz von Urheberrechten und Panten nz beim öffentlichen Auftragswesen geregelt sind. ber den Fortgang der Verhandlungen, den darin geäuerten Forderungen sowie über die Ergebnisse wird die ommission die Mitgliedstaaten im handelspolitischen )


(A) )

Ausschuss fortlaufend unterrichten, so wie sie dies be-
reits in der Vergangenheit immer getan hat. Darum
braucht man sich in der Linksfraktion nun wirklich nicht
zu sorgen.

Die neuen Zuständigkeiten des Europäischen Parla-
mentes in der Gemeinsamen Europäischen Handelspoli-
tik sollten von der Linken im Übrigen auch zur Kenntnis
genommen werden. Sie ermöglichen eine breite Behand-
lung aller Fragen in der Öffentlichkeit, wie das bisher
bei Handelsabkommen auf europäischer Ebene nicht
der Fall gewesen ist. Ich bezeichne das als demokrati-
schen Fortschritt. Dass dabei nicht alle Forderungen,
die das Europäische Parlament an zukünftige Abkom-
men stellt, zum Beispiel was Standards angeht, von der
indischen Seite sofort als ihren Interessen dienlich ange-
sehen wird, ist weder überraschend noch ein wirkliches
Hindernis für einen Abschluss. Es ist ein großer Schritt
in der europäisch-indischen Zusammenarbeit, dass
heute über Fragen gesprochen und diskutiert wird, die
noch vor wenigen Jahren von Anfang an hätten ausge-
schlossen werden müssen.

Auch die Argumentation der Linksfraktion, Indien
hätte kein Interesse an einem Freihandelsabkommen,
weil Indiens staatlich regulierte Volkswirtschaft sich we-
niger krisenanfällig zeigte, ist nicht nachvollziehbar. Es
ist richtig, dass kaum ein Land die weltweite Finanz-
und Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009 so glimpflich
überstanden hat wie Indien. Dennoch war es aber doch
stärker von der Krise betroffen als ursprünglich erwar-
tet. Das Wirtschaftswachstum ging auf 6 bis 7 Prozent
zurück, aber es brach glücklicherweise nicht ein. Grund
dafür waren sicherlich auch die von der Regierung be-
schlossenen drei Konjunkturprogramme, die ein Volu-
men von 28 Milliarden Euro umfassten. Außerdem ist In-
dien noch immer ein Land, das wenige Industriegüter
ausführt und das deshalb weniger betroffen war. Für
dieses Jahr erwartet Indien bereits wieder einen Anstieg
des Bruttoinlandsproduktes und Prognosen für 2009/
2010, die inzwischen auf 7,4 Prozent angehoben wur-
den, bestätigen die Rückkehr der Wirtschaftsaktivität.

Die Krisenresistenz erklärt sich nicht hauptsächlich
aus der vom Staat stärker regulierten Volkswirtschaft In-
diens, sondern vielmehr aus Indiens geringer Abhängig-
keit vom Außenhandel. Die neue Stärke der indischen
Wirtschaft wird nicht nur von internationalen Beobach-
tern, sondern auch von indischen Wissenschaftlern und
wirtschaftlichen und politischen Akteuren sogar gerade
der Öffnungspolitik seit 1991 und nicht den noch immer
sehr bürokratisch in die Wirtschaft eingreifenden staat-
lichen Strukturen zugeschrieben. Die Wachstumsdyna-
mik speist sich vordergründig aus der Binnennachfrage.
In Indien, wo rund 1,1 Milliarden Menschen leben,
wächst eine gut ausgebildete Mittelschicht heran, die
die Konsumgüternachfrage positiv anregt. In einer Stu-
die zählt die asiatische Entwicklungsbank, ADB,
260 Millionen Inder zur Mittelschicht, für die ein Mobil-
telefon, ein Fernseher und immer öfter auch ein Auto,
denken Sie beispielsweise an das zuerst belächelte bil-
lige Auto „Nano“, das jetzt in Serie vom Band rollt und
durch Tata Motors zu einem ernsthaften Konkurrenten

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(C (D eworden ist, zum Lebensstandard gehören. Ein rasanr Anstieg der privaten Konsumausgaben ist die Folge. Dass Indien die ländliche Entwicklung in besonderer eise berücksichtigen wird und besondere Interessen ei den Dienstleistungen, insbesondere beim Dienstleisngsexport durch die Freiheit des Personenverkehrs twa von wettbewerbsfähigen IT-Fachleuten und Ingeieursdienstleistungen hat, ist doch sehr verständlich. h bin einmal gespannt, wie die Linke sich diesen For erungen gegenüber verhalten wird. Die jüngste Wirtschaftsund Finanzkrise hat uns auf rastische Weise gezeigt, wie sehr unser Wohlergehen nd unsere Sicherheit von externen Entwicklungen abängig ist. Dank unserer unionsgeführten Politik ist eutschland gut aus der Krise gekommen. Und das uch, weil wir erkannt haben, dass es in unserem interationalen Umfeld neue Akteure gibt, die ihre eigenen eltanschauungen und Interessen haben und verstehen, ass Zusammenarbeit lohnend ist. Auch Indien hat dies nfang der 90er-Jahre erkannt, als es grundlegende irtschaftsreformen einleitete. Mit seiner Öffnung der irtschaft von einem nahezu sozialistischen Wirt chaftssystem hin zu einer weltoffenen und wettbewerbshigen Marktwirtschaft ist Indien bereits ein gutes tück vorangekommen. Es gilt, den Einfluss des Staates uf den Wirtschaftsprozess weiter zu reduzieren, damit ich die indische Wirtschaft weiter so dynamisch entwikelt und neben den schon erreichten Verbesserungen in er Gesundheitsversorgung und Kindersterblichkeit uch der kleine Mann mehr vom Wirtschaftsboom profieren kann. Der EU und der Bundesrepublik Deutschland eröffet dieser Strukturwandel große Chancen. Der bilateale Handel hat in den vergangen Jahren erheblich ugenommen. Mit einem Handelsvolumen von 77 Milarden Euro in 2008 zählt Indien zu einem der wichtigsn Handelspartner der EU-27. Aus indischer Sicht ist ie EU inzwischen der größte Handelspartner, noch vor hina und den USA. Deutschland alleine liegt auf Platz echs. Deutsche Waren genießen auf dem Subkontinent inen guten Ruf, und der Markt dafür wächst rasant. aut „Handelsblatt“ betrug das Exportvolumen im Jahr 009 rund 8 Milliarden Euro. Vor allem kann die deutche Industrie ihre Stärken in Indien ausspielen. Unter en deutschen Exporten nach Indien dominierten Investionsgüter wie Maschinen, auf die knapp ein Drittel ntfielen, Elektrotechnik sowie Messund Regeltechnik. Aber nicht nur als Handelspartner, auch als Ziel für irektinvestitionen gewinnt Indien an Attraktivität für eutsche Unternehmen. Waren können hier verhältnisäßig günstig produziert werden und aufgrund Indiens uter Lage in andere Länder Asiens sowie nach Afrika erkauft werden. Indien zeichnet sich durch ein hohes nternehmerisches Know-how sowie ein überdurchchnittliches Innovationspotenzial aus. Das alles macht as Land zu einer guten Exportbasis; dennoch müssen ich deutsche Investoren auf einen schwierigen Start instellen. Gründe dafür sehen wir in der CDU/CSUundestagsfraktion in der noch bestehenden hohen Reulierungsdichte, der zum Teil ineffizienten öffentlichen Erich G. Fritz gebene Reden )





(A) )

Verwaltung und in dem komplizierten Arbeits- und Steu-
errecht. Dies spiegelt sich auch im Doing-Business-In-
dex der Weltbank wieder, in dem Indien hinter Tansania
und Malawi einen schlechten 133. Platz belegt. Wenn
die Wirtschaft weiter Stück für Stück liberalisiert wird,
dürfte sich dieser Befund aber schnell bessern.

Gleichzeitig zeigen alle Gespräch mit indischen Poli-
tikern und Wirtschaftsvertretern, dass Indien auch ein
großes Interesse an Energieeffizienz, alternativer Ener-
gieerzeugung, Verbesserung der Infrastruktur, am Aus-
bau des Bildungswesens und anderer Felder aussichts-
reicher Zusammenarbeit hat und sich auch auf diesen
Feldern durch das Freihandelsabkommen gegenseitige
Vorteile verspricht.

Durch eine solide Wirtschaft und einen festen inneren
Zusammenhalt wird die Fähigkeit der Europäischen
Union und der Bundesrepublik gestärkt, ihren Einfluss
in der Welt geltend zu machen. Wir in der Union beken-
nen uns dabei zu einem wirksamen Multilateralismus.
Geben wir Indien als einem der Hauptakteure in der
Doha-Runde die Möglichkeit, sein Blockadeimage, das
es in den WTO-Verhandlungen zutage gelegt hat, abzu-
schütteln und wenigstens mit einem für beide Seiten aus-
gewogenen Freihandelsabkommen zum Deal Maker
statt Deal Breaker zu werden.

Jedenfalls hat der Deutsche Bundestag keinen An-
lass, sich in diesen Verhandlungen zur Zensurstelle für
indische Interessen aufzuschwingen und diesem großen
Land Vorschriften machen zu wollen. Der Antrag der
Fraktion Die Linke „EU-Freihandelsabkommen mit In-
dien stoppen“ ist aus den dargelegten Gründen abzuleh-
nen.


Rolf Hempelmann (SPD):
Rede ID: ID1706244100

Ich denke, die meisten von Ihnen stimmen mit mir

darin überein, dass die Ausweitung eines fairen multila-
teralen Freihandels der Europäischen Union mit ver-
schiedenen Partnern nicht nur eine Säule der wirtschaft-
lichen und gesellschaftlichen Entwicklung in den
jeweiligen Ländern ist, sondern gleichzeitig dazu bei-
trägt, auch den Wohlstand in Europa und Deutschland
zu wahren und zu mehren. Ergänzend hierzu können
auch einzelne Freihandelsabkommen eine sinnvolle Er-
gänzung sein.

Selbstverständlich muss auch aus Sicht der SPD-
Bundestagsfraktion in Verhandlungen über Freihandels-
abkommen, wie sie derzeit zwischen der Europäischen
Union und Indien stattfinden, neben ökonomischen auch
politischen, sozialen und menschenrechtlichen Aspekten
Rechnung getragen werden. Dennoch werden wir dem
heute zu diskutierenden Antrag der Linksfraktion in der
vorliegenden Form aus verschiedenen Gründen nicht
zustimmen. Zum einen, weil Sie die wichtige Frage der
Ausgestaltung eines Freihandelsabkommens dazu nut-
zen, wieder einmal grundsätzliche Systemkritik hinsicht-
lich der europäischen Marktwirtschaft zu üben. Doch
darüber können wir gern an anderer Stelle diskutieren.
Hier und heute geht es konkret darum, wie die Europäi-
sche Union den Handel mit Indien intensivieren kann,
ohne die im Land vorhandenen ökonomischen und sozia-

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Zu Protokoll ge

(C (D n Infrastrukturen zu beeinträchtigen. In dieser Frage aben die Mitglieder dieses Hohen Hauses schon wichge Aktivitäten entfaltet, aufgrund derer der Antrag vom auf der Zeit überholt wurde und auch aus diesem rund von uns nicht unterstützt wird. Denn bereits im Frühjahr dieses Jahres haben sich owohl der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenareit und Entwicklung als auch der Unterausschuss Geundheit in Entwicklungsländern des Deutschen Bunestages mit den Folgen eines Freihandelsabkommens r die indische Generikaproduktion und den Zugang zu edikamenten vor dem Hintergrund des TRIPS-Abkomens befasst. Ergebnis dieser Überlegungen waren aktionsübergreifende Beschlüsse, in denen die Abgerdneten klare Forderungen zur Ausgestaltung des euroäisch-indischen Freihandelsabkommens formulierten, ie noch im Frühsommer an die Kanzlerin, die mit dem hema befassten Bundesminister, den Präsidenten der uropäischen Kommission Jose Manuel Barroso, sowie en europäischen Generaldirektor für Handel, Ignacio arcia Bercero, versandt wurden. Hierbei wurde von en Abgeordneten insbesondere die Notwendigkeit bent, dass Verpflichtungen im Rahmen des derzeit ver andelten Freihandelsabkommens den Zugang zu esseniellen Medikamenten nicht einschränken. Darüber inaus wurde die EU aufgefordert, koordiniert gegen efälschte Arzneimittel vorzugehen und Initiativen und novationen zu unterstützen, die sich vor allem auf bis er vernachlässigte Krankheiten richten. Vor dem Hinrgrund dieser Forderungen sprachen sich die Aus chüsse gegenüber Bundesregierung und Europäischer ommission dafür aus, dass die Regelungen zu geistigen igentumsrechten im Freihandelsabkommen dem Stanard von TRIPS entsprechen sollen. Zudem sei darauf zu chten, dass Patentlaufzeiten durch das Abkommen icht über den TRIPS-Standard von 20 Jahren angehoen werden. Erfreulicherweise wurde von Kommissionspräsident arroso und Handelsdirektor Bercero in Schreiben vom ugust mitgeteilt, dass die Europäische Union sich die enannten Forderungen der Ausschüsse, die ja auch so Antrag der Linksfraktion auftauchen, zu eigen geacht hat. Beide betonen, dass eine Verlängerung der atentlaufzeit durch ergänzende Schutzzertifikate in den erhandlungen mit Indien nicht mehr diskutiert werden. ies ist ein wichtiger Schritt hin zur Erhaltung der für iele Patienten in Entwicklungsländern lebenswichtigen enerikaproduktion in Indien. Zudem wird von europäi cher Seite aus unmissverständlich betont, dass die für as Abkommen zu treffenden Regelungen bezüglich des eistigen Eigentums auf keinen Fall über den TRIPStandard hinaus verstärkt werden. Ich habe gezeigt, dass sich die Fachpolitiker aller raktionen bereits seit längerem mit den Forderungen es heute diskutierten Antrags befasst und wichtige Akvitäten entwickelt haben – mit Erfolg im Sinne der beoffenen Menschen in Indien. Auch zukünftig werden ir darauf achten, dass Freihandelabkommen eben icht irgendeiner neoliberalen Ideologie nachlaufen, ondern zum Nutzen aller Menschen auf beiden Seiten ienen. Erich G. Fritz gebene Reden )





(A) )


Dr. Martin Lindner (FDP):
Rede ID: ID1706244200

Der Abschluss des Freihandelsabkommens EU – In-

dien ist eine gute Nachricht. Die Wirtschaftsbeziehun-
gen der EU zu Indien haben in den letzten Jahren deut-
lich an Dynamik und Intensität gewonnen, zumal sich
Deutschland als Indiens wichtigster Handelspartner in-
nerhalb der EU darstellt. Beide Seiten sind sich einig,
dass ein Handels- und Investitionsabkommen mit einer
breiten Basis im gemeinsamen Interesse liegt. Indien
schickt sich an, eine Führungsrolle an der geopoliti-
schen Schnittstelle zwischen dem „boomenden“ Fernen
Osten und dem an Energiequellen reichen Nahen Osten
und Zentralasien zu übernehmen. Es ist an der Zeit, die
enormen wirtschaftlichen und politischen Potenziale
von Indien für uns zu nutzen. Wir dürfen den Markt nicht
dem schon starken wirtschaftlichen Einfluss Amerikas
oder Chinas überlassen.

Unsere Außenwirtschaftspolitik ist freiheitlich, orien-
tiert an Marktwirtschaft, Freihandel und Hilfe zur
Selbsthilfe. Sie setzt auf Vertrauen, auf Bündnisse und
auf den Multilateralismus – anstelle nationaler Allein-
gänge, wie von den Linken gefordert. Die Liberalisie-
rung der Märkte muss konsequent fortgeführt werden.
Denn durch die weiteren wirtschaftlichen Fortschritte in
Indien, die das Abkommen mit sich bringen wird, wird
auch der politische Prozess der Öffnung des Landes un-
terstützt. Nach außen ist eine Öffnung der Märkte für
eine höhere Wettbewerbsfähigkeit unerlässlich. Die EU
muss andere Staaten wie Indien von den Vorteilen freier
Märkte überzeugen. Daran kann auch der Appell der
Fraktion Die Linke, Importzölle auf indische Landwirt-
schaftsprodukte zu erheben und weiterhin auf Export-
zölle in anderen Bereichen zu bestehen, nichts ändern.
Die protektionistischen Forderungen nach der Einfüh-
rung von Exportzöllen und Verhinderung von transpa-
renten Strukturen zur Offenlegung im öffentlichen Auf-
tragswesen in Indien zeigt nur die Antiquiertheit der
linken Anschauungen.

Dies zeigt sich auch bei der Forderung nach einem
Verzicht auf einen effektiven Patentschutz nach europäi-
schem Vorbild. Nur ein auch über die europäischen
Grenzen wirksamer Patentschutz garantiert, dass die
mit einem Patent einhergehende Offenlegung der Inno-
vation kein unzumutbares Wagnis ist. Das Ablehnen der
längeren Patentlaufzeiten durch die Fraktion Die Linke
und der Verzicht auf Datenexklusivität würde dies be-
deuten und ist damit unbedingt zurückzuweisen.

Die Koalition setzt sich für eine Fokussierung der
Entwicklungszusammenarbeit auf die schwächsten und
ärmsten Länder ein, während die Zusammenarbeit mit
Schwellenländern auf eine grundsätzlich neue Grundlage
gestellt werden muss. Statt klassischer Entwicklungszu-
sammenarbeit mit den Schwellenländern brauchen wir
eine Partnerschaft in den Bereichen Rechtsstaats- und
Demokratieförderung, Umwelt- und Klimapolitik, Wis-
senschaft und Forschung.

In dem Zeitalter offener Märkte und globaler Vernet-
zung der Handelsbeziehungen sind Forderungen nach
Aufrechterhalten von Exportzöllen lächerlich. Nationale
Alleingänge gegen gemeinsame europäische Interessen

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Zu Protokoll ge

(C (D ird es mit der Koalition nicht geben. Die Kritik der raktion Die Linke an dem Freihandelsabkommen U–Indien zeichnet sich durch das Schüren von Ängsten nd dem Wunsch nach Abschottung vom Weltmarkt aus. ie lässt die, nicht nur wirtschaftlich, erfolgreichen Antrengungen einer Annäherung von EU und Indien auer Acht. Deshalb lehnen wir diesen Antrag der Linken b. „Wir können die Kommission als unser Sprachrohr enutzen“, so zitierte die „taz“ Anfang des Monats ein itglied der Lobbygruppe „European Business Group“. as Zitat bezieht sich auf die Verhandlungen der EU mit dien über das Freihandelsabkommen und stammt aus inem Bericht der Nichtregierungsorganisationen Cororate Europe Observatory und India FDI Watch. In em Bericht wird aufgezeigt, wie eng sich die EU-Komission in ihren Verhandlungen mit den Lobbyisten eupäischer Konzerne abspricht. Es ist nicht wirklich neu, dass die Kommission und as Bundeswirtschaftsministerium mit den Konzernlobys an einem Strang ziehen, wenn es darum geht, lukrave Märkte in den Schwellenländern zu knacken. Die eidtragenden sind immer diejenigen, deren Lobby nicht o mächtig ist, deren Lebensund Arbeitsverhältnisse ber von den Ergebnissen der Verhandlungen am unmitlbarsten betroffen sind. Ich würde Ihnen die Lektüre des Berichts „Trade Inaders – How big business is driving the EU-India free ade negotiations” sehr ans Herz legen. Die darin achgewiesenen Verflechtungen zwischen Kommission nd Konzernlobbys werfen ein sehr bezeichnendes Licht uf die Freihandelspolitik der EU und dieser Bundesreierung. Ich bin mir sicher, dass Sie sich anschließend nserer Forderung nach Aussetzung der Verhandlungen nd nach einer Neuformulierung des politischen Aufags an die Kommission anschließen werden. Was steht auf dem Spiel? Für die deutschen und euroäischen Konzerne: ein riesiger aufstrebender Markt. uropäische Banken und Versicherungen, Supermarktetten, Agrarund Industriekonzerne drängen mit aller acht darauf, dass der indische Markt komplett ge ffnet wird. Die Verhandlungsagenda der Kommission eckt sich eins zu eins mit den Interessen dieser Konerne. Indien hat in der europäischen Marktöffnungstrategie „Global Europe“ eine herausgehobene Stelng. Der indische Finanzmarkt ist bislang relativ stark reuliert. Ich sehe darin übrigens einen wesentlichen rund dafür, dass Indien so glimpflich aus der Weltwirt chaftskrise herausgekommen ist. Der Wirtschaftsminisr brachte jetzt für seine Klientel eine gute Nachricht on der Indienreise mit: Indien sei endlich doch bereit, einen Finanzmarkt weiter zu liberalisieren. Eine gute achricht für die deutschen Banken und Versicherunen. Eine schlechte Nachricht für alle, die auf stabile, llen zugängliche Finanzdienstleistungen angewiesen ind. gebene Reden )

Annette Groth (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706244300




(A) )

Der öffentliche Beschaffungsmarkt in Indien ist eben-
falls noch stark reguliert – bis jetzt noch ein wichtiges
entwicklungspolitisches Instrument der öffentlichen
Hand, zugleich jedoch ein gewaltiger Markt, an dem die
europäischen Konzerne interessiert sind. Im Gleich-
klang fordern deshalb BDI, EU-Kommission und Wirt-
schaftsministerium, genau an diesem Punkt in den Ver-
handlungen nicht nachzugeben.

Was steht für die Menschen in Indien auf dem Spiel?
Kleine und mittlere Unternehmen in Indien, die öffentli-
che Aufträge wahrnehmen, müssten sich auf den Ver-
drängungswettbewerb europäischer Versorgungskon-
zerne gefasst machen. Kleine Kreditnehmer hätten noch
weniger Zugang zu Bankdienstleistungen. Für Kranke,
nicht nur in Indien, sondern in vielen Ländern des Sü-
dens, könnte sich der Zugang zu preiswerten Medika-
menten erheblich erschweren, weil die Generikaproduk-
tion verteuert und verlangsamt wird, wenn sich die
Pharmaindustrie mit ihrer Forderung nach Datenexklu-
sivität und Patentlaufzeitverlängerung durchsetzt.
Kleinbauern fürchten die Konkurrenz des europäischen
Agrarbusiness. Unverantwortlich wäre die von der EU
geforderte Öffnung des Marktes für Milchprodukte, an
dem in Indien 90 Millionen Arbeitsplätze hängen. Alle
diese Menschen finden in den Verhandlungen kaum Ge-
hör. Konzernlobbyisten dagegen sind informiert, neh-
men Einfluss auf die Verhandlungsführung der Kommis-
sion und die Agenda der Verhandlungen.

Übrigens winkt in Indien auch ein riesiger Rüstungs-
markt: Als Wirtschaftsminister Brüderle kürzlich mit
80 Unternehmern Indien besuchte, war die Rüstungsin-
dustrie in der Delegation stark vertreten, wie man lesen
konnte. Indien vergibt riesige Rüstungsaufträge –
EADS, ThyssenKrupp und Krauss-Maffei hoffen auf den
Zuschlag. Ich kann nur hoffen, dass es hier zu keinen
Geschäftsabschlüssen kommt. Indien ist umgeben von
Krisenregionen – von Afghanistan über Pakistan bis Sri
Lanka – und hat einen Gewaltkonflikt im eigenen Land,
in Kaschmir.

Gemeinsam mit vielen sozialen Organisationen in
Europa und Indien und gemeinsam mit indischen Parla-
mentarierinnen und Parlamentariern fordert Die Linke,
dass die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen
gestoppt werden. Bevor weiter verhandelt werden kann,
müssen die Entwürfe und gegenseitigen Forderungen of-
fengelegt und die Organisationen der Betroffenen gehört
werden.

Das Freihandelsabkommen zwischen der Europäi-
schen Union und Indien wird in Indien zu mehr Armut
führen und die soziale Ungleichheit noch vergrößern,
aber auch in Europa soziale Standards in Gefahr brin-
gen. Die EU muss von ihrer unverantwortlichen Frei-
handelspolitik abrücken. Wir brauchen ein neues
Verhandlungsmandat für die Kommission, in dessen
Zentrum nicht die Interessen der Konzerne, sondern die
Ermöglichung einer sozial und ökologisch nachhaltigen
Entwicklung in Indien und Europa steht.


Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706244400

Das geplante EU-Indien-Freihandelsabkommen ist

das fragwürdige Resultat der aggressiven Handelspoli-

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(C (D k der EU im Rahmen der Global-Europe-Strategie. rstmals wurden auf dem EU-Indien-Gipfel im Jahre 006 die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen iniiert. Jetzt stehen die Verhandlungen kurz vor Abschluss, nd es ist mal wieder zu befürchten, dass das Abkommen ine nachhaltige, soziale und ökologische Entwicklungsolitik konterkariert. Die Bundesregierung unterstützt ie EU mit aller Macht und drängt auf Deregulierung, rivatisierung und Liberalisierung, ungeachtet der noch icht überstandenen Wirtschaftsund Finanzkrise. Im eologischen Blindflug berücksichtigt das Abkommen berwiegend die Interessen der europäischen Exportnd Dienstleistungsunternehmen; soziale und ökologiche Aspekte sowie Menschenrechtskriterien finden sich war auf dem Papier wieder, an konkrete Umsetzungsöglichkeiten wurde vermutlich nicht gedacht. Europa will seiner Entwicklungsverpflichtung offenichtlich nicht nachkommen. Beispielhaft hierfür ist das rst in diesem Jahr unterzeichnete Handelsabkommen it Peru/Kolumbien. Die immensen Quoten für hoch ubventioniertes Milchpulver aus Europa bedrohen jetzt en Milchmarkt und damit die Existenzen vieler Kleinauern. Mit verantwortungsvoller Handelspolitik hat as nichts zu tun. Der Green New Deal fordert die Neuausrichtung uneres Wirtschaftens auf lokaler, nationaler, europäischer nd globaler Ebene. In diesem Rahmen gilt es auch eine kologische und soziale Handelspolitik zu gestalten. Die ntwort auf die drei globalen Krisen – Hungerkrise, Fianzund Wirtschaftskrise und Klimakrise – liegt auch einer fairen und nachhaltigen Ausgestaltung von bi nd multilateralen Handelsabkommen. Gerade noch hat die Welt eine magere und traurige wischenbilanz zu den Millenniumsentwicklungszielen nd den Kampf gegen Armut gezogen. Aber nicht nur die ielen leeren Versprechungen der Bundesregierung verindern das Erreichen der Ziele, sondern auch die fehnde Politikkohärenz. Handelsund Entwicklungspolik müssen in Einklang gebracht werden. Meine besondere Sorge bezüglich des EU-Indienreihandelsabkommen gilt dem Kapitel zu geistigen Eientumsrechten und damit dem Zugang zu preiswerten enerischen Medikamenten. Die Forderung der EU, ber den Standard des TRIPS hinauszugehen, ist unverntwortlich. Indien ist weltweit einer der größten Geneikahersteller. Die Herstellung und Versorgung der rmsten Länder mit Generika ist von herausragender edeutung. Würde die Produktion der Generika eingechränkt – und darauf hatten die EU-Verhandlungsstragen abgezielt – käme dies einem Todesurteil von Tau enden von Menschen in den ärmsten Ländern gleich. er gewährte Spielraum für Entwicklungsländer, wie eispielsweise die Möglichkeit, Zwangslizenzen zu nuten, darf nicht durch besondere Schutzklauseln zur Danexklusivität ausgehebelt werden. Ich möchte ausdrücklich auf den interfraktionellen eschluss des Ausschusses für wirtschaftliche Zusamenarbeit und Entwicklung hinweisen, der auf Initiative es Unterausschusses Gesundheit in Entwicklungslänern die Bundesregierung und die Europäische Kom Annette Groth gebene Reden Uwe Kekeritz )








(A) )

mission aufgefordert hat, sich dafür einzusetzen, dass
die Regelungen zu geistigen Eigentumsrechten im EU-
Indien-Freihandelsabkommen dem Standard von TRIPS
entsprechen und Patentlaufzeiten nicht über 20 Jahre hi-
naus anzuheben.

Ich teile die Ansicht der Linken, bezüglich eines ent-
wicklungsförderlichen Verhandlungsmandats das Men-
schenrecht auf bestmögliche medizinische Versorgung
nicht mit überzogenem Patentschutz zu konterkarieren.
Auch teile ich den Wunsch, das Abkommen – so denn es
sich um ein gemischtes Abkommen handelt – hier im
Bundestag zur Abstimmung zu bringen. Zunächst gilt es
allerdings zu klären, ob es sich tatsächlich um ein ge-
mischtes Abkommen handelt und damit nicht in der al-
leinigen Kompetenz der EU liegt. Sollte es in der alleini-
gen Kompetenz der EU liegen, muss sichergestellt
werden, dass das Abkommen effizient und effektiv die
Stärkung der Menschenrechte gewährleistet.

Die Bundesregierung ist aufgefordert, die rechtlich
bindenden Bestimmungen zu beachten und im Falle ei-
nes „Gemischten Abkommens“ das Freihandelsabkom-
men dem Bundestag zur Entscheidung vorzulegen. Zu
kritisieren bleibt, dass die bisher erzielten Vereinbarun-
gen nicht rechtzeitig und vollständig den zuständigen
Ausschüssen vorgelegt wurden. Bis zur Klärung der of-
fenen Fragen enthalten wir uns der Zustimmung.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706244500

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf

Drucksache 17/2420 an die Ausschüsse vorgeschlagen,
die Sie in der Tagesordnung finden. – Damit sind Sie
einverstanden. Dann ist das so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 22:

– Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 17. Fe-
bruar 2010 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Arabischen Republik
Syrien zur Vermeidung der Doppelbesteue-
rung und Verhinderung der Steuerverkürzung
auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen

– Drucksache 17/2251 –

– Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Fe-
bruar 2010 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und Malaysia zur Vermeidung
der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung
der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der
Steuern vom Einkommen

– Drucksache 17/2252 –

– Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zum Abkommen vom 25. Ja-
nuar 2010 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Republik Bulgarien zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung und der

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1)

(C (D Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen – Drucksache 17/2253 – – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 30. März 2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen – Drucksache 17/2254 – – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Änderungsprotokoll vom 21. Januar 2010 zum Abkommen vom 11. April 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern sowie des dazugehörigen Schlussprotokolls in der Fassung des Zusatzabkommens vom 5. November 2002 – Drucksache 17/2255 – Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses – Drucksache 17/2571 – Berichterstattung: Abgeordnete Manfred Kolbe Lothar Binding Zu Protokoll genommen haben wir die Reden von anfred Kolbe, Lothar Binding, Dr. Birgit Reinemund, r. Barbara Höll und Dr. Gerhard Schick.1)


Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
esregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Ab-
ommen mit der Arabischen Republik Syrien zur Ver-
eidung der Doppelbesteuerung und Verhinderung der
teuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Ein-
ommen.

Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe a sei-
er Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2571, den
esetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/
251 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz-
ntwurf zustimmen wollen, sich gleich zu erheben. – Ge-
enstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist
ei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und SPD ange-
ommen. Dagegen haben Bündnis 90/Die Grünen ge-
timmt. Die Fraktion Die Linke hat sich enthalten.

Abstimmung über den von der Bundesregierung ein-
ebrachten Gesetzentwurf zu dem Abkommen mit Ma-

Anlage 9





Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt


(A) )


)(B)

laysia zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur
Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der
Steuern vom Einkommen. Der Finanzausschuss emp-
fiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 17/2571, den Gesetzentwurf der Bundesre-
gierung auf Drucksache 17/2252 anzunehmen. Diejeni-
gen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, mögen
sich bitte erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
Auch dieser Gesetzentwurf ist angenommen mit dem
gleichen Stimmenverhältnis wie der vorherige.

Abstimmung über den von der Bundesregierung ein-
gebrachten Gesetzentwurf zu dem Abkommen mit der
Republik Bulgarien zur Vermeidung der Doppelbesteue-
rung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf
dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Ver-
mögen. Der Finanzausschuss empfiehlt unter
Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 17/2571, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf Drucksache 17/2253 anzunehmen. Wer zustimmen
will, möge sich erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltun-
gen? – Der Gesetzentwurf ist angenommen bei Zustim-
mung durch CDU/CSU, FDP und SPD. Niemand hat da-
gegengestimmt. Bündnis 90/Die Grünen und die Linke
haben sich enthalten.

Abstimmung über den von der Bundesregierung ein-
gebrachten Gesetzentwurf zu dem Abkommen mit dem
Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhin-
derung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steu-
ern vom Einkommen und vom Vermögen. Der Finanz-
ausschuss empfiehlt unter Buchstabe d seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/2571, auch
diesen Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksa-
che 17/2254 anzunehmen. Wer möchte zustimmen und er-
hebt sich deswegen? – Wer möchte dagegen stimmen? –
Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist angenommen bei
Zustimmung durch CDU/CSU, FDP, Bündnis 90/Die
Grünen und SPD. Dagegen hat niemand gestimmt. Die
Fraktion Die Linke hat sich enthalten.

Abstimmung über den von der Bundesregierung ein-
gebrachten Gesetzentwurf zum Änderungsprotokoll zum
Abkommen mit dem Königreich Belgien zur Vermei-
dung der Doppelbesteuerung und zur Regelung verschie-
dener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom
Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Ge-
werbesteuer und der Grundsteuern sowie des dazuge-
hörigen Schlussprotokolls in der Fassung des Zusatz-
abkommens. Der Finanzausschuss empfiehlt unter
Buchstabe e seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 17/2571, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf Drucksache 17/2255 anzunehmen. Ich bitte diejeni-
gen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu
erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ge-
setzentwurf ist angenommen bei Zustimmung durch die
Fraktionen CDU/CSU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die
Grünen. Dagegen hat niemand gestimmt. Die Fraktion
Die Linke hat sich enthalten.

Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 23 a und 23 b
auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicole
Maisch, Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, weiterer

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(C (D Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Unerlaubte Telefonwerbung wirksam bekämpfen – Drucksache 17/3060 – Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Federführung strittig b)

Lay, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Unlautere Telefonwerbung effektiv verhindern

– Drucksache 17/3041 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Federführung strittig

Wir haben zu Protokoll genommen die Reden von
r. Patrick Sensburg, Peter Bleser, Marianne Schieder,
r. Erik Schweickert, Caren Lay und Nicole Maisch.


Dr. Patrick Sensburg (CDU):
Rede ID: ID1706244600

Am 4. August 2009 ist das von der damaligen Großen

oalition verabschiedete Gesetz zur Bekämpfung uner-
ubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Ver-

raucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen in
raft getreten. Nötig geworden war diese Gesetzesände-

ung, weil ein hoher Anstieg an unerwünschter Telefon-
erbung, insbesondere im Bereich der Wett- und Lotte-

iedienstleistungen, bei Zeitungen und Zeitschriften
owie bei Dienstleistungen im Telekommunikationssek-
r zu verzeichnen war. Die Verbraucherinnen und Ver-

raucher sahen sich immer stärker durch Werbeanrufe
nseriöser Anbieter belästigt. Dies hat zu einem hohen
ingang an telefonischen und schriftlichen Beschwerden
ei den Verbraucherzentralen geführt. Telefonanrufe zu
erbezwecken, die ohne vorhergehende Einwilligung
er Verbraucherinnen und Verbraucher erfolgten, sind
ereits seit 2004 gesetzlich verboten. In der Praxis
usste man jedoch feststellen, dass die Durchsetzung
es bereits geltenden Rechts nicht in der gewünschten
orm zu gewährleisten war. Das Ziel unseriöser Anbie-
r ist es ja grade, die Verbraucherinnen und Verbrau-

her mit ihren Anrufen zu überrumpeln und ihnen einen
ertrag aufzuschwatzen. Oft wird sogar ein Vertragsab-
chluss vorgetäuscht, in dem eine „Auftragsbestäti-
ung“ nach dem Telefonat per Post zugesendet wird.
em Verbraucher wird hier ein oft teures Geschäft regel-
cht „untergeschoben“. Die unlauteren Geschäftsprak-
ken der unseriösen Anbieter waren also bekannt.

Angesichts der geschilderten Problematik sah sich
ie damalige Regierungskoalition daher veranlasst, eine


(A) )


)(B)

gesetzliche Regelung zu treffen, die einen hohen Schutz
der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Abzocke am
Telefon durch windige Anbieter gewährleistet. Dieses
Ziel wurde durch entsprechende Änderungen im Bürger-
lichen Gesetzbuch, BGB, im Gesetz gegen den unlaute-
ren Wettbewerb, UWG, sowie durch Änderungen im
Telekommunikationsgesetz, TKG, und der BGB-Informa-
tionspflichten-Verordnung, BGB-InfoV, weitestgehend
erreicht. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben
seit Inkrafttreten des Gesetzes im August 2009 die Mög-
lichkeit, von jedem per Telefon oder im Internet in den
aufgeführten Bereichen abgeschlossenen Vertrag inner-
halb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurückzu-
treten. Darüber hinaus können die Verbraucherinnen
und Verbraucher noch bis zur vollständigen Vertragser-
füllung durch beide Vertragsparteien vom abgeschlosse-
nen Vertrag zurücktreten, wenn sie vorher nicht ord-
nungsgemäß über ihr Widerrufsrecht aufgeklärt worden
sind. Diese Regelung wurde extra für Fernabsatzver-
träge eingeführt und gilt nicht für Dienstleistungen, die
auf Wunsch oder ausdrückliche Zustimmung der Ver-
braucherin oder des Verbrauchers vorzeitig geleistet
werden. Folge aus dieser Regelung ist, dass Unterneh-
men auf eigene Rechnung leisten, solange der Vertrag
noch nicht von beiden Seiten vollständig erfüllt ist. Un-
ternehmen, die den Verbraucherinnen und Verbrauchern
Geschäftsabschlüsse „unterschieben“, müssen also da-
mit rechnen, dass sie auf den Kosten für bereits er-
brachte Leistungen sitzenbleiben. Diese Lösung wurde
von der damaligen Regierung als ausreichende Sanktion
für Unternehmen gesehen, die sich unlauterer Ge-
schäftsmethoden bedienen.

Bis zur Gesetzesänderung 2009 war es auch noch
möglich, ein bestehendes Dauerschuldverhältnis durch
Eingehen eines ersetzenden Dauerschuldverhältnisses
zu kündigen. Es konnte also passieren, dass man als Ver-
braucher oder Verbraucherin einen neuen Telefonver-
trag unbewusst abschließt, der den bestehenden Vertrag
auflöst und dann am Ende auch noch teurer wird. Dies
ist nicht mehr möglich. Ein Vertragsabschluss, der ein
Dauerschuldverhältnis ersetzt, muss seit August 2009 in
Schriftform bestätigt werden. Auch hier wurde also eine
große Verbesserung des Verbraucherschutzes erzielt.
Wir haben also schon viel erreicht, und ich würde mir
wünschen, dass die Opposition dies einmal anerkennt.

Seit August 2009 ist zudem das Durchführen uner-
laubter Telefonwerbung ein Bußgeldtatbestand, der mit
bis zu 50 000 Euro geahndet werden kann. Gleichzeitig
wurde das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

(UWG) konkreter gefasst, in dem explizit gefordert wird,

dass der Verbraucher oder die Verbraucherin vorher in
den Werbeanruf einwilligen muss und eine Einwilligung
nicht mehr aus dem Verhalten des Angerufenen gefolgert
werden kann. Ein Bußgeld von bis zu 10 000 Euro kann
fällig werden, wenn die Unternehmen ihre Rufnummer
bei Werbeanrufen unterdrücken und somit für den Ver-
braucher nicht erkenntlich ist, wer ihn oder sie anruft.
Auch hier wurde also eine deutliche Verbesserung der
Stellung der Verbraucherinnen und Verbraucher erzielt,
und gleichzeitig besteht die Möglichkeit, Missbrauch mit
schmerzhaften Bußgeldern zu bestrafen.

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Zu Protokoll ge

(C (D Bereits bei der Verabschiedung des Gesetzes hat die DU/CSU-Fraktion die Bunderegierung gebeten, den rfolg spätestens nach drei Jahren zu evaluieren – ein eitraum, der angesichts der Ergebnisse der am 14. Juli 010 veröffentlichten Erhebung der Verbraucherzenale recht lang ist, und ich würde mir wünschen, wir beämen schneller weitere Zahlen. Die Verbraucherzenale hat im Zeitraum vom 1. März 2010 bis 30. Juni 010 Verbraucherbeschwerden gesammelt und analyiert. Insgesamt wurden 40 753 Beschwerden registriert, avon 12 444 Online-Beschwerden und 28 310 persönlihe, telefonische und schriftliche Beschwerden. 66,2 Proent der Beschwerden gehörten zu dem Themenbereich ewinnspiele und Lotterie. In 22,1 Prozent der Fälle ar die Rufnummer unterdrückt. An den Ergebnissen der Verbraucherzentrale wird eutlich, dass trotz der bisher guten Gesetzgebung imer noch nicht der gewünschte Erfolg eingetreten ist. och immer werden die Verbraucherinnen und Verbrauher von unerwünschten Telefonanrufen belästigt und ft genug auch abgezockt. Die Ergebnisse der Verbrauherzentrale sind alarmierend, und ich danke der Verraucherzentrale für die Arbeit ganz nachdrücklich. ber allein auf Grundlage der aus der Studie resultienden Lösungsvorschläge eine Reform des Gesetzes zur ekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Veresserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Veriebsformen durchzuführen, halte ich für voreilig. Die t-grüne NRW-Landesregierung hat im Bundesrat jetzt en Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des erbraucherschutzes bei unerlaubter Telefonwerbung ingebracht. Ich halte diesen Entwurf für vorschnell und opulistisch. Sie wissen doch, dass wir gerade eine Evaierung durchführen. Und dann lese ich im Antrag der rünen, dass eine Taskforce einzurichten sei – ich zitiere , „die zusammen mit den Staatsanwaltschaften auf die onsequente Verfolgung von Straftatbeständen im Zuammenhang mit Rufnummermissbrauch und unlauterer elefonwerbung hinwirkt.“ So weit, so gut, aber jetzt kommt die Begründung: isher gab es nur elf Ordnungswidrigkeitsverfahren mit ußgeldbescheiden, und weil das zu wenig ist, bilden ir eine Taskforce. Was ist das denn bitte schön für eine rgumentation? Das zeigt doch nur, wie unausgegoren r Konzept ist. Sie berufen sich zwar auf alarmierende ahlen der Bundesnetzagentur; aber diese geben doch ur die Zahl der Beschwerden wieder und nicht die Zahl er Ordnungswidrigkeiten. Sie handeln hier nach dem otto: Wenn man einmal nicht weiterweiß, bilden wir inen Arbeitskreis. – Das ist unseriös. Vor der Feststelng der legislativen Handlungsnotwendigkeit hat erst inmal eine umfassende Analyse der Sachlage zu erfolen. Wenn wir also das Gesetz überarbeiten wollen und en gewünschten Erfolg erzielen wollen, brauchen wir usätzlich zu den Zahlen der Verbraucherzentrale und er Bundesnetzagentur eine fundierte Evaluation der rfolge, aber auch der noch bestehenden Probleme. Daum wird das Bundesministerium der Justiz im Laufe des ahres eine aussagekräftige Evaluation erstellen. Diese oll bis zum Jahresende vorliegen, und die Zahlen der Dr. Patrick Sensburg gebene Reden )





(A) )

Verbraucherzentrale weisen ja schon jetzt darauf hin,
dass aller Voraussicht nach weiterer Handlungsbedarf
besteht. Warum arbeiten Sie nicht mit uns zusammen,
sondern versteifen sich auf Stimmungsmache? Anhand
der gewonnen Erkenntnisse werden wir dann eine ange-
messene Überarbeitung des Gesetzes zur Bekämpfung
unerlaubter Telefonwerbung erarbeiten und dem Parla-
ment vorlegen. Sollte das Ergebnis der Evaluation ähn-
lich ausfallen wie die Studie der Verbraucherzentrale,
werden wir natürlich auch die Bestätigungslösung in
Betracht ziehen. Nur wenn wir wie beschrieben vorge-
hen und die Evaluation des BMJ abwarten, ist gewähr-
leistet, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher zu-
verlässig und nachhaltig vor Telefonabzocke und vor
Belästigung durch automatische Anwählcomputer ge-
schützt werden. Eine vorschnelle Reform wäre purer Ak-
tionismus und nicht zielführend. Der Antrag von Bünd-
nis 90/Die Grünen und den Linken ist daher abzulehnen.
Auf Grundlage der Zahlen, die wir demnächst erwarten,
werden wir so schnell wie möglich seriös entscheiden.


Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1706244700

Dreist, nervig und teuer – mit diesen Worten lässt sich

das Verbreiten von Telefon-Spam umschreiben. Jeder
kennt das Phänomen, und fast jeder ist genervt davon:
Anrufe beim Mittagessen oder am Abend von einem Call-
centermitarbeiter, der besonders vorteilhafte Telefonta-
rife, gewinnträchtige Lotterielose oder günstige Abonne-
ments anzubieten hat, sind allzu oft Alltag in deutschen
Haushalten. Auch teure Mehrwertdienste-Rufnummern,
automatische Anwählcomputer oder dubiose Premium-
SMS auf dem Handy häufen sich.

Die Abzockmethoden auf dem Telekommunikations-
markt machen deutlich: Die Rechte des Verbrauchers im
Bereich Telekommunikation sind immer noch nicht aus-
reichend geschützt. Allzu oft tummeln sich hier eine
Menge von Trickbetrügern und Kriminellen. Die Tele-
fonrechnung wird immer häufiger zum Inkassoinstru-
ment für Anbieter von Mehrwertdiensten. Das werden
wir stoppen! Für die Unions-Verbraucherpolitiker steht
fest: Wir brauchen ein sauberes Telefon.

Trotz einiger Erfolge in der vergangenen Legislatur-
periode: Die bestehenden Gesetze reichen nicht aus, um
Verbraucher auf Augenhöhe mit Unternehmen und An-
bietern zu bringen. Mit der Verschärfung des Gesetzes
zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung haben wir
zwar Ende der vergangenen Legislaturperiode erste Er-
leichterungen für die Verbraucher erreicht: Durch ein
deutlich höheres Bußgeld, dem Verbot der Rufnummern-
unterdrückung und der Erweiterung des Widerrufsrechts
auf Lotterie-, Abo- und Gewinnspiele werden unlautere
Anrufe seitdem strenger geahndet. Auch ein Anbieter-
wechsel oder eine Änderung eines Vertrages ist nur noch
mit einer schriftlichen Bestätigung bzw. einer Widerrufs-
möglichkeit des Kunden erlaubt. Dennoch ist die Plage
immer noch Realität: Die Versuche von dubiosen Unter-
nehmen, Verbrauchern Verträge unterzuschieben, oft-
mals ältere Menschen mit Inkassodrohungen einzu-
schüchtern oder mit angeblichen Gewinnversprechen zu
locken, sind nicht schönzureden.

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Zu Protokoll ge

(C (D Wir als Unions-Verbraucherpolitiker sehen uns desalb in unserer Position aus der vergangenen Legislatur estätigt: Unlautere Telefonwerbung wird sich für das erbende Unternehmen nur dann nicht lohnen, wenn die olgeverträge bei fehlender schriftlicher Bestätigung urch den Verbraucher von vornherein unwirksam sind. ine schriftliche Bestätigung bei erstmaliger Aufnahme on Geschäftsbeziehungen ist und bleibt die verbrauherfreundlichste Lösung. Nur so können wir den wirtchaftlichen Anreiz für „schwarze Schafe“ stoppen, um o die Zahl ungebetener Anrufe zu reduzieren. Unerbene Werbeanrufe sind für jeden belästigend und schädien das Image der Unternehmen, die sich an Recht und esetz halten. Gerne hätten wir diese Maßnahmen schon im verganenen Jahr umgesetzt; dies war aber leider bei unserem amaligen Koalitionspartner nicht durchsetzbar. Vor alm die damalige SPD-Bundesjustizministerin Zypries erweigerte diese verbraucherfreundliche Lösung. Um en Kompromiss nicht zu gefährden, haben wir dem Geetz in seiner jetzigen Fassung zugestimmt. Auch Umfragen durch den Verbraucherzentrale Bunesverband sowie die Bundesnetzagentur bestätigen unere Bedenken. Bundesweit haben sich vom März bis uni 2010 insgesamt 40 754 Verbraucher an der durcheführten Umfrage der Verbraucherzentralen beteiligt. 6 Prozent der Angerufenen beschwerten sich über unrwünschte Werbung für Gewinnspiele und Lotterieienstleistungen. Jeder sechste Anruf kam laut Umfrage on einem Energieversorger, Telefonund Internetienstleister, einem Zeitschriftenvertrieb oder einem ienstleister für Bankund Finanzprodukte, und rund 0 Prozent der Angerufenen sollten eine kostenpflichtige ufnummer zurückrufen. Betroffen waren in zwei Dritln der Fälle Senioren im Alter von über 65 Jahren. Das t Abzocke und Belästigung der Verbraucher, die wir icht länger hinnehmen werden! Die christlich-liberale Koalition hat deshalb im ommer eine Evaluierung des Gesetzes eingeleitet; erste rgebnisse liegen im Winter vor. Wir brauchen wissenchaftlich fundierte und valide Zahlen, um flächendekend zu prüfen, wo es im Einzelnen Nachbesserungsbearf gibt. Gründlichkeit geht bei uns – anders als bei der pposition – vor Schnelligkeit. Fakt ist aber auch: Wir haben vor Ort oftmals ein ollzugsdefizit. Wir brauchen mehr und spezielleres Peronal in den Ländern. Zentrale Ermittlungsstelle der taatsanwaltschaften zur effektiveren Bekämpfung könnte ier effektiv und schnell eingreifen und „schwarze chafe“ zur Rechenschaft ziehen. Übrigens: Auch die änder könnten so ihren Worten von der Verbraucherchutzministerkonferenz endlich Taten folgen lassen und nseriösen Callcenterbetreibern das Handwerk legen. enn die Androhung immer schärferer gesetzlicher Reelungen ist wenig wert, wenn man den Vollzug vor Ort icht sicherstellen kann. Sie sehen, wir haben das Problem erkannt und werden s zeitnah mit unserem Koalitionspartner beheben. Wir ehen aber noch weiter, indem wir nicht nur unerlaubte elefonwerbung bekämpfen, sondern den Verbrauchern Dr. Patrick Sensburg gebene Reden )





(A) )

mehr Rechte im ganzen Telekommunikationsbereich ein-
räumen. Der Referentenentwurf zum Telekommunika-
tionsgesetz liegt nun vor und enthält eine Fülle von
Regelungen im Sinne des Verbrauchers. Nur einige Bei-
spiele:

Kosten für Warteschleifen von Servicehotlines wer-
den bald der Vergangenheit angehören. Der Kunde wird
künftig erst von dem Moment zahlen, in dem er tatsäch-
lich eine Gegenleistung erhält.

Preisansagepflichten werden für alle Servicenum-
mern gelten, nicht nur für 0900er-Nummern oder andere
bestimmte Gassen.

Der Wechsel des Telefon- oder Internetanbieters muss
künftig innerhalb von 24 Stunden vollzogen werden.

Mobilfunkkunden werden ihre Rufnummer unabhän-
gig von der konkreten Vertragslaufzeit zu einem neuen
Anbieter mitnehmen können.

Die bestehenden Widerrufsrechte für das Festnetz
werden auf den Mobilfunkbereich ausgeweitet. Damit
erhalten Kunden bei der Nutzung per Handy eine Wider-
spruchsmöglichkeit gegen einzelne Rechnungsposten.

Telefon- und Internetfirmen müssen künftig ein Ver-
tragsmodell mit einer Höchstlaufzeit von unter einem
Jahr anbieten.

Kurzum: Die Union hält, was sie verspricht: Mehr
Rechte, mehr Kompetenzen und mehr Schutz im Tele-
kommunikationsdschungel – ein Punktsieg für den Ver-
braucher. Der Weg hin zu einem „sauberen“ Telefon ist
damit frei.

Eines muss uns aber auch bewusst sein: Solange der
Verbraucher nicht juristisch alle Möglichkeiten erhält,
sich gegen Übervorteilung zu wehren, werden wir immer
weiter mit Abzocke und Telefon-Spam zu kämpfen ha-
ben. Wirkliche Hilfe erreichen wir nur durch die Beweis-
lastumkehr zugunsten des Kunden. Wer eine Leistung er-
bringt, muss auch belegen, dass diese erfüllt wurde.
Damit fällt der wirtschaftliche Anreiz für dubiose Unter-
nehmen weg. Nur so können wir sicherstellen, dass der
Verbraucher auch bei kleineren Beträgen, wo sich der
Rechtsschutz schon aus Gründen der Verhältnismäßig-
keit für den einzelnen Verbraucher nicht realisieren
lässt, wieder auf Augenhöhe mit den Anbietern am
Markt gebracht wird. Deshalb plädiere ich dafür, Rech-
nungsposten von Drittanbietern in der Rechnung geson-
dert auszuweisen und die Beweislast für die tatsächlich
erbrachte Leistung bei dem Drittanbieter einzufordern.
Die Beweislastumkehr ist und bleibt das schärfste
Schwert, um im Telekommunikationssektor die Abzock-
methoden einzudämmen.

Das sind viele Ziele, die wir in den kommenden Mo-
naten Schritt für Schritt gemeinsam mit unserem Koali-
tionspartner beraten und umsetzen werden.


Marianne Schieder (SPD):
Rede ID: ID1706244800

Im letzten Jahr, am 26. März 2009, hat der Deutsche

Bundestag nach langen und intensiven Diskussionen das
Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung

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(C (D nd zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei beonderen Vertriebsformen beschlossen – im Übrigen mit en Stimmen der FDP-Fraktion und bei Enthaltung der raktion Die Linke. Am 30. Juli 2009 trat das Gesetz in raft. Mit diesem Gesetz wurden die Rechte der Verbrauherinnen und Verbraucher erheblich gestärkt, denen ber unerlaubte Telefonwerbung unerwünschte Verträge ntergeschoben worden sind. Ihnen steht nun ein zweiöchiges Widerrufsrecht zu, ein Rechtsmittel, das den ürgerinnen und Bürgern aus dem Bereich der Haustüreschäfte mittlerweile vertraut ist. Für den Fall, dass er Vertag telefonisch zustande gekommen ist, wurde für ie Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illusierten sowie die Erbringung von Wettund Lotterieienstleistungen das Fernabsatzgesetz zugunsten der erbraucherinnen und Verbraucher geändert. Zudem wurde im Gesetz gegen den unlauteren Wettewerb die Werbung mit einem Telefonanruf bei nichtorhandener vorheriger ausdrücklicher Einwilligung xplizit als unzumutbare Belästigung definiert und mit ohem Bußgeld belegt. Außerdem wurde im Telekommunikationsgesetz für ie Telefonwerbung die Rufnummernunterdrückung unrsagt. Im Zuge der dazu geführten Diskussionen haben wir ns auch schon ausführlich mit der in den vorliegenden nträgen jetzt wieder geforderten Bestätigungslösung also der Notwendigkeit einer schriftlichen Bestätigung es Verbrauchers bzw. der Verbraucherin für das Inrafttreten des telefonisch zustande gekommenen Verags – auseinandergesetzt. Dieser Weg wurde nicht uletzt aus rechtsdogmatischen Gründen im Gesetzgeungsverfahren verworfen. Bei Anwendung der Bestätiungslösung wären telefonisch geschlossene Verträge is zu ihrer schriftlichen Bestätigung durch den Verraucher bzw. die Verbraucherin schwebend unwirksam. Wie kann es dann aber sein, dass ein Vertrag, der urch arglistige Täuschung oder Drohung zustande geommen ist, nach § 123 BGB lediglich anfechtbar und amit vorerst wirksam ist? Unter rechtsdogmatischen esichtspunkten, wie ich meine, ist das schwer nach ollziehbar. Aktuell hat sich auch die Verbraucherschutzministeronferenz der Länder am 16. und 17. September 2010 in otsdam mit dem Thema unerlaubter Telefonwerbung eschäftigt. Ich bin ausgesprochen erfreut, dass sich usgerechnet das bayerische Verbraucherschutzministeium äußerst differenziert zur Sachlage geäußert hat. So erden neben der Bestätigungslösung noch andere echtsinstrumente in Erwägung gezogen. Angedacht wird zum Beispiel, bei untergeschobenen erträgen über entgeltliche Glücksund Gewinnspiele en Vollzug der entsprechenden ordnungsrechtlichen orschriften des Glücksspielstaatsvertrags oder des Geerberechts Außerdem wird zu Recht davor gewarnt, dass sich ahlreiche Verbraucherinnen und Verbraucher von Zah Peter Bleser gebene Reden )





(A) )

lungsaufforderungen und Mahnschreiben einschüchtern
lassen, mit denen dann die schnelle schriftliche Einwilli-
gung erzwungen werden soll, unabhängig davon, ob
überhaupt eine Vertragserklärung abgegeben wurde
oder ob diese mangels nachträglicher Bestätigung in
Textform unwirksam ist.

Auch ich kann mir hier gut vorstellen, dass sich die-
selben Jugendlichen und Senioren, denen ein Vertrag
per Telefon untergeschoben wurde, durch weitere Anrufe
mit dem Ziel der schriftlichen Bestätigung des Vertrags,
dem sie dann aber nicht mehr entkommen können, genö-
tigt fühlen oder durch zahlreiche Mahnschreiben verun-
sichert werden.

In diesem Zusammenhang halte ich es ebenso wie die
Bayerische Staatsregierung für überlegenswert, nach
Wegen zu suchen, wie Inkassounternehmen und mit In-
kassotätigkeiten beauftragte Rechtsanwälte stärker zur
Prüfung der bei ihnen geltend gemachten Forderungen
verpflichtet werden können.

Zusätzlich könnte das Gesetz besser umgesetzt wer-
den, wenn in den Ländern Schwerpunktstaatsanwalt-
schaften zur Verfügung stünden, damit wesentlich mehr
Fälle zur Anklage gebracht, sich der Abschreckungsef-
fekt erhöhen und das mögliche Bußgeld auch verhängt
würden. Somit könnte eine effizientere Strafverfolgung
gewährleistet werden. Darum appelliere ich an die Län-
der, es nicht bei bloßen Lippenbekenntnissen zu belas-
sen, sondern solche Schwerpunktstaatsanwaltschaften
zu bilden.

Ganz bewusst wurde auf Drängen der SPD im Ge-
setzgebungsverfahren dessen Evaluierung verlangt, um
die Wirksamkeit genau zu untersuchen und eventuelle
Schwächen aufzudecken.

Der Zeitraum dafür wurde auf bis zu drei Jahre fest-
gelegt, wovon erst eines vergangen ist.

Auch wenn eine erste Zwischenbilanz der Verbrau-
cherzentralen auf ein weiterhin hohes Niveau an Be-
schwerden hinweist, rate ich dennoch einen kühlen Kopf
zu bewahren und die Evaluierung durch die Bundesre-
gierung abzuwarten.

Erfreulicherweise wird diese vorgezogen und bereits
durch das Justizministerium vorbereitet. Dadurch wer-
den wir hoffentlich bis Ende des Jahres genauere Er-
kenntnisse erlangen, in welchen Bereichen nachgebes-
sert werden muss.

Nicht umsonst haben die Ausschüsse des Bundesrates
das ganze Thema vorerst vertagt, bis die Ergebnisse der
Evaluierung vorliegen.

In diesem Sinne kann ich mich nur der Protokoller-
klärung Bayerns und Schleswig-Holsteins zum Be-
schluss der Verbraucherministerkonferenz anschließen:
Die Bestätigungslösung ist eine denkbare Lösung zur
Bekämpfung der unlauteren Telefonwerbung. Dies lässt
sich jedoch erst nach Vorliegen der Evaluationsergeb-
nisse abschließend beurteilen.

Wir werden die Anträge eingehend in den Ausschüs-
sen beraten. Gleichwohl möchte ich schon jetzt einen

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Zu Protokoll ge

(C (D unkt aus dem Antrag der Fraktion Die Linke aufgreifen nd feststellen, dass die Agentur für Arbeit Arbeitsuhende von sich aus nicht in unseriöse Beschäftigungserhältnisse vermittelt. Wir alle kennen diese nervigen, unerwünschten und igentlich auch unerlaubten Werbeanrufe. Vielleicht atten Sie auch schon – wie ich – das zweifelhafte Vernügen, mit der Computerstimme von Carmen Götz zu lefonieren. Die verheißungsvolle Botschaft lautete, ich ei nur noch einen Anruf vom Gewinn eines niegelnageleuen BMW entfernt. Der Haken daran: eine teure 900er-Rückrufnummer, hinter der eine Firma in Engnd steckte. Natürlich habe ich nicht zurückgerufen. er aber diese Nummer unbedarft zurückgerufen hat, ekam keinen BMW, sondern lediglich eine teure Telenrechnung serviert. Bei Carmen Götz handelte es sich ämlich um nichts anderes als eine Telefonabzocke. Und o wie Carmen Götz treiben viele Abzocker in der Telenwelt ihr Unwesen und nutzen ahnungslose Verbrau her aus, um auf deren Kosten kräftig Kasse zu machen. icht nur Gewinnversprechen wie der geschilderte Fall ehören dazu. Auch scheinbar seriöse Firmen nutzen as Telefon, um Verbrauchern Zeitschriftenverträge, andyverträge, neue Stromtarife oder Gewinnspielteilahmen unterzujubeln. Eigentlich sollte diese Form der unerlaubten Telefonerbung längst vorbei sein. Aber leider hat die Große oalition es versäumt, dieser Abzockemasche einen irksamen Riegel vorzuschieben, als Schwarz-Rot vor ut einem Jahr ein entsprechendes Gesetz gegen unerubte Telefonwerbung beschloss. Das Gesetz erweist ich aber als zahnloser Tiger. Allein in diesem Jahr sind ei der Bundesnetzagentur 34 000 Beschwerden von erbrauchern eingegangen, die mit unerwünschter Telenwerbung belästigt wurden, obwohl sie dazu gar nicht ingewilligt hatten. Das Gesetz erweist sich also als lükenhaft und daher wirkungslos. Daher ziehen wir auch ie Evaluierung des Gesetzes, welche eigentlich erst ach zwei Jahren vorgesehen war, auf dieses Jahr vor. Ich kann Ihnen auch sagen, warum. Denn die Große oalition mit den kleinen Ergebnissen hat vor allem eies versäumt: dem Druck der Werbelobby zu widersteen. Warum hat denn Frau Zypries als Bundesjustizmiisterin dafür gesorgt, dass es bei Vertragsabschlüssen m Telefon keine schriftliche Bestätigung des Vertrags urch den Verbraucher geben muss? Weil die Werbelientel stärker war und lauter gerufen hat, als es der erbraucher vermag. Darum wurde ein Gesetz geschafn, das für den Verbraucher keinen Fortschritt gebracht at. Der Dumme sozialdemokratischer Politik ist meistens er Verbraucher; das zeigt sich hier wieder ganz deutch. Ob Maßnahmen gegen Telefonwerbung, kostenfreie elefonwarteschleifen oder Bestätigungsbuttons bei Inrnetverträgen – all das sind positive Entwicklungen, ie wir Liberale nach Jahren des verbraucherpolitichen Stillstandes nun umsetzen. Marianne Schieder gebene Reden )

Dr. Erik Schweickert (FDP):
Rede ID: ID1706244900




(A) )

Nach der erfolgten Evaluierung werden wir als
christlich-liberale Koalition auf Basis der dann vorlie-
genden Ergebnisse handeln und der Abzocke einen wirk-
samen Riegel vorschieben. Denn unsere Klientel ist
nicht die Werbewirtschaft, sondern sind die Verbrau-
cher. Sollte die vorgezogene Evaluierung durch das Bun-
desministerium der Justiz die von der Verbraucherzen-
trale und der Bundesnetzagentur aufgezeigte Faktenlage
bestätigen, wollen wir das Gesetz anpassen und eine
schriftliche Bestätigung durch Unterschrift des Kunden
einfordern für solche telefonischen Vertragsschlüsse, bei
denen der Verbraucher angerufen worden ist. Dann
kann der Verbraucher die Details eines Vertrags erst
noch einmal in Ruhe durchlesen und läuft weniger Ge-
fahr, ungewollt einen Vertrag abzuschließen oder durch
fehlende Informationen oder falsche Versprechen am Te-
lefon einen ungewollten Vertrag abzuschließen. Erst mit
der Unterschrift des Verbrauchers wird dann ein am Te-
lefon geschlossener Vertrag auch rechtsverbindlich. Da-
mit wird der Verbraucher effizienter geschützt.

Wir wollen aber nicht bei jedem Vertragsabschluss
am Telefon eine schriftliche Bestätigung des Vertrags-
schlusses vorschreiben. Dies wäre für den Verbraucher
wenig effizient. Wenn ein Verbraucher selbst bei einem
Vertragspartner anruft und einen Vertrag abschließt,
soll weiterhin der alleinige Vertragsschluss ohne nach-
trägliche schriftliche Bestätigung am Telefon erfolgen
können. Alles andere würde nur unnötige Bürokratie
schaffen und schnelle, auch für den Verbraucher häufig
einfache und gewünschte Vertragsschlüsse unterbinden.
Der Bestellung des Handys für die Ehefrau kurz vor
Weihnachten bleibt also weiterhin möglich, wie auch die
anderen Abschlüsse per Telefon, die man bei seinen
langjährigen Lieferanten- bzw. Vertragspartnern tätigt.

Wir schwingen aber nicht nur die Gesetzeskeule, son-
dern setzen zudem auf eine wirksamere Strafverfolgung
und mehr Transparenz bei den allgemeinen Geschäftsbe-
dingungen. Die Bundesnetzagentur unternimmt bereits
heute viel, um dem Problem der unerlaubten Telefonwer-
bung habhaft zu werden. Betrügerisch eingesetzte Ruf-
nummern werden schnell abgeschaltet, sodass die Abzo-
cker nicht weiter ihr Unwesen treiben können. Auch
werden in solchen Fällen Rechnungslegungs- und Inkas-
soverbote verhängt, sodass betrogene Verbraucher vor
finanziellem Schaden bewahrt werden. Zudem kann die
Bundesnetzagentur einen Antrag auf Zuteilung einer
Rufnummer ablehnen, wenn der Antragsteller in der Ver-
gangenheit bereits wegen Verstößen gegen das Telekom-
munikationsgesetz aufgefallen ist.

Nur reichen diese Möglichkeiten bislang nicht aus. In
meinem Gespräch mit dem Präsidenten der Bundesnetz-
agentur wurde deutlich, dass die Handlungsmöglichkei-
ten der Bundesnetzagentur durch die Grenzen ihrer
Zuständigkeit eingeschränkt sind. Da die Bundesnetz-
agentur eine missbräuchliche Nutzung von Rufnummern
nicht bereits im Vorfeld erahnen kann, kommt der Straf-
verfolgung eine wichtige Bedeutung bei der Eindäm-
mung der unerlaubten Telefonwerbung zu. Hier mangelt
es aber oft an der ausreichenden Problemwahrnehmung
durch die Ermittlungsbehörden. Bislang arbeiten die
Strafverfolgungsbehörden weitgehend unkoordiniert

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(C (D nd ohne ausreichendes Wissen über die Spezialmaterie, odurch das Problem der unerlaubten Telefonwerbung ft als Einzelfall abgetan und nicht mit ausreichendem achdruck verfolgt wird. Was wir daher anstreben, ist ie Etablierung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft, ie solchen Fällen gesammelt nachgeht, der Bundesetzagentur ein zentraler Ansprechpartner ist und daher tensiver als bisher die Strafverfolgung in die Hand immt. Wir sollten aber auch noch weitere Maßnahmen erreifen, um eine effektivere Rechtsdurchsetzung zu eröglichen. Dazu gehört: Wir sollten die Hürden bei der inwilligung zu Werbeanrufen erhöhen. Nicht selten erstecken Anbieter solche Einwilligungserklärungen Wirrwarr ellenlanger und unverständlicher allgemeier Geschäftsbedingungen und sind für die Verbraucher aher nur schwer zu durchschauen. Letztlich wird auch ie juristische Auseinandersetzung dadurch erschwert. olche pauschalen Erklärungen sind aus meiner Sicht icht ausreichend. Eine gesonderte Zustimmung durch in Extrafeld wäre eine sinnvolle Lösung, um dem Verraucher eine bewusste Entscheidung für oder gegen Tefonwerbung zu ermöglichen. Zudem bin ich dafür, dass olche Einwilligungen nicht unbegrenzt gelten, sondern ach einer bestimmten Frist auch wieder verfallen und eu eingeholt werden müssen. Wenn wir die Hürden bei er Einwilligung dergestalt erhöhen, wird es auch für ie Bundesnetzagentur und die Verbraucher einfacher, or Gericht Bußgelder durchzusetzen. Und wenn es fianziell schmerzhaft wird, werden sich die Abzocker geauer überlegen, ob sie ihre Geschäftsmodelle, die auf nerlaubter Telefonwerbung beruhen, so weiterführen. Seit August 2009 soll das Gesetz zur Bekämpfung un rlaubter Telefonwerbung die Belästigung durch unerünschte Werbeanrufe verhindern. Es soll Verbrauche innen und Verbraucher vor dem Unterschieben von erträgen am Telefon schützen. Das Gesetz hat sich jeoch als völlig unzureichend erwiesen. Innerhalb von ur vier Monaten gingen 40 000 Beschwerden bei den erbraucherzentralen ein. Einige Verbraucherzentralen aben sogar die Erfahrung gemacht, dass die Verbrauherbeschwerden nach der Gesetzesänderung noch zuenommen haben. Dabei stammen über 4 000 Verbrauherbeschwerden aus Sachsen. Hauptsächlich betroffen ind Menschen über 65 Jahre. Die Erfahrungen zeigen: Es geht nicht nur um schwarze Schafe“ unter den Unternehmen. Vielmehr t unlautere Telefonwerbung ein Massenproblem. Ein lassiker ist nach wie vor das telefonische Unterschieen von Zeitschriftenabonnements. Oft haben Verbrauherinnen und Verbraucher lediglich der Zusendung von formationsmaterial zugestimmt. Daraufhin erhielten ie prompt Vertragsbestätigungen. Um unlautere Telefonwerbung wirksam zu verhinern, braucht es deutlich weiterreichende Maßnahmen ls bisher. Es kann nicht sein, dass Menschen trotz eines erbotes Werbeanrufe erhalten und sich hinterher müham gegen untergeschobene Verträge wehren müssen. Dr. Erik Schweickert gebene Reden )

Caren Lay (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706245000




(A) )

Daher hat die Linke einen eigenen Antrag mit Lösungs-
vorschlägen eingebracht.

Darin fordern wir unter anderem, dass telefonisch
vereinbarte Verträge erst durch die schriftliche Bestäti-
gung des Kunden wirksam werden. Eine solche Bestäti-
gungslösung ist ein zentraler Baustein, um unerlaubte
Telefonwerbung einzudämmen. Deshalb hat die Linke
bereits bei der Verabschiedung des bisherigen Gesetzes
im März 2009 einen entsprechenden Änderungsantrag
vorgelegt, Bundestagsdrucksache 16/12426. Leider hat-
ten die Koalition aus CDU/CSU und SPD sowie die
FDP den Antrag abgelehnt.

Außerdem ist gesetzlich klarzustellen, dass Verbrau-
cherinnen und Verbraucher nicht blindlings über die all-
gemeinen Geschäftsbedingungen in Telefonwerbung
einwilligen. Viele Firmen behaupten mit Verweis auf
ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dass eine Ein-
verständniserklärung zu Werbeanrufen vorläge. Die
Linke fordert stattdessen, ein Opt-in-Verfahren einzufüh-
ren: Dabei müssen Verbraucherinnen und Verbraucher
aktiv in die Nutzung ihrer Daten für Werbezwecke ein-
willigen oder eben nicht.

Weiter setzt die Linke sich für präventive Maßnahmen
ein. Bisher reagiert die Bundesnetzagentur als zustän-
dige Regulierungsbehörde zumeist erst, wenn Menschen
schon geschädigt wurden. Das bestätigt auch die Ant-
wort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke,
Bundestagsdrucksache 17/2694. Deshalb fordert die
Linke, dass die Bundesnetzagentur vor der Vergabe von
Rufnummern die Geschäftsmodelle der Unternehmen
prüft.

Schließlich müssen Geldbußen gegen Gesetzesver-
stöße hoch genug sein, um Wirkung zu sein. Denn ange-
sichts hoher Gewinnmöglichkeiten für die Unternehmen
verpuffen vergleichsweise geringe Bußgelder. Die Linke
fordert eine Erhöhung auf 250 000 Euro. Verbotene Te-
lefonwerbung darf sich nicht länger lohnen. Die Bußgel-
der und unlauteren Gewinne müssen nach dem Verursa-
cherprinzip den Verbraucherverbänden zufließen.

Insbesondere ist zu gewährleisten, dass Arbeitsagen-
turen und Grundsicherungsträger Erwerbslose nicht in
unseriöse Callcenter vermitteln, die illegale Telefonwer-
bung betreiben. Hierzu müsste die Bundesagentur für
Arbeit vor Einstellen eines Stellenangebotes über die
Bundesnetzagentur prüfen, ob die Firma negativ be-
kannt ist. Das ist ohne nennenswerten Aufwand möglich.
Skandalös ist hingegen, Menschen zur Aufnahme illega-
ler Tätigkeiten zu zwingen. Ebenfalls unzumutbar ist,
den Nachweis der Illegalität eines Unternehmens auf die
Erwerbslosen abzuwälzen.

Die Linke begrüßt ausdrücklich die Entscheidung der
Verbraucherschutzministerkonferenz vom 15./16. Sep-
tember 2010. Die Forderungen der Verbraucherschutz-
ministerkonferenz decken sich im Wesentlichen mit unse-
ren. Die Bundesregierung muss endlich aktiv werden!


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706245100

Gegen das Verbot von Telefonwerbung wird nach wie

vor massenhaft verstoßen, trotz Ihres Gesetzes aus dem

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Zu Protokoll ge

(C (D ahr 2009 zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung nd zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei beonderen Vertriebsformen. Dabei hatten meine Fraktion, er Bundesrat, die Verbraucherverbände und Experten der Anhörung im Rechtsausschuss den Gesetzentwurf chon damals als unzureichend im Kampf gegen die unrlaubte Telefonwerbung kritisiert. Das hat Sie aber icht gehindert, das mangelhafte Gesetz trotzdem auf en Weg zu bringen. Dass das Gesetz definitiv als gescheitert angesehen erden kann, belegen die aktuellen Zahlen der Be chwerdefälle von Verbrauchern, die weiterhin durch nerlaubte Telefonwerbung belästigt werden: In den rsten neun Monaten seit Inkrafttreten des Gesetzes melete die Bundesnetzagentur über 57 000 schriftliche Bechwerden. Die Verbraucherzentralen erhielten wähnd ihrer viermonatigen Erhebung von März bis Juni 010 insgesamt 40 753 Beschwerden über unerwünschte elefonwerbung. Hinter diesen Zahlen stehen unzählige unden, denen Verträge untergeschoben werden, und och mehr Menschen, deren Privatsphäre durch permaente Anrufe verletzt wird. Auch Firmen klagen, dass die rbeitszeit ihrer Mitarbeiter durch unerwünschte Wereanrufe verschwendet wird. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen forerte daraufhin in einem Brief an die Justizministerin, as Gesetz kurzfristig nachzubessern. Wichtigste Fordeung der Verbraucherschützer war und ist die schriftlihe Bestätigung von Verträgen, die durch Cold Calling ngebahnt werden. Außerdem fordern sie die Stärkung er Strafverfolgungsbehörden durch die Schaffung von chwerpunktstaatsanwaltschaften und eine Verschärng der Gewerbeordnung bei wiederholten schweren erstößen gegen das Gesetz. Die Erhebung der Verbraucherzentralen und die Zahn der Bundesnetzagentur zeigen deutlich, dass drinend gesetzlicher Handlungsbedarf besteht. Auf die vorezogene Evaluierung des Gesetzes zu warten, wäre erlorene Zeit. Denn die Fakten aus der täglichen Leenswelt der Verbraucher sprechen für sich. Verlieren ie deshalb nicht noch mehr Zeit und Geld, sondern geen Sie jetzt zügig und effektiv gegen diese unseriösen eschäftsmodelle vor. In unserem grünen Antrag fordern wir erneut die chriftliche Bestätigung für Verträge, die aufgrund von nerlaubter Telefonwerbung angebahnt werden. Damit ird es ungleich schwieriger, Kunden Verträge unterzu chieben, und das unseriöse Geschäftsmodell unerlaubr Telefonwerbung verliert an Attraktivität. Außerdem rdern wir eine verpflichtende Registrierung für Geinnspielanbieter. In der Beratungspraxis der Verbrauherzentralen spielen vorgetäuschte Gewinne eine große olle; wir wollen mit einer Registrierung eine zusätzlihe Hürde für solche unseriösen Geschäftsmodelle einauen. Die konsequente Verfolgung von Straftatbeständen ei unerlaubter Telefonwerbung ist ein weiterer wichtier Baustein im Kampf gegen solche betrügerischen Gechäftsmodelle. Wir wollen, dass der Bund eine askforce zu diesem Thema einrichtet, die den Ländern Caren Lay gebene Reden Nicole Maisch )








(A) )

mit Know-how und Koordinierung zur Seite steht. Die
Verbraucherminister der Länder haben Ihnen bei der
letzten Verbraucherministerkonferenz am 17. September
ebenfalls diesen Handlungsauftrag erteilt. Auch sie for-
dern die Einführung der schriftlichen Bestätigung sowie
schärfere Sanktionen gegen Verstöße und die Erleichte-
rung des Widerrufs.

Ich bin der Meinung, wir dürfen es den Verbrauche-
rinnen und Verbrauchern nicht länger zumuten, dass sie
weiterhin massenhaft durch unerlaubte Telefonanrufe
belästigt und abgezockt werden. Deshalb fordere ich Sie
auf, sofort zu handeln und das Gesetz entsprechend un-
serer Forderungen zu verschärfen.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706245200

Interfraktionell wird die Überweisung des Antrags der

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/3060
an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse
vorgeschlagen. Die Federführung ist jedoch strittig. Die
Fraktionen der CDU/CSU und der FDP wünschen Fe-
derführung beim Rechtsausschuss, Bündnis 90/Die Grü-
nen beim Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz.

Zunächst lasse ich über den Überweisungsvorschlag
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, also Federführung
beim Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz, abstimmen. Wer stimmt für diesen
Überweisungsvorschlag? – Gegenstimmen? – Enthaltun-
gen? – Damit ist der Vorschlag abgelehnt. Zugestimmt
haben Bündnis 90/Die Grünen und die Linke. Die übri-
gen Fraktionen haben dagegengestimmt.

Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP, also Federführung
beim Rechtsausschuss, abstimmen. Wer ist dafür? – Wer
ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Überweisungsvor-
schlag ist damit angenommen. CDU/CSU, FDP und
SPD haben dafür gestimmt, Bündnis 90/Die Grünen und
die Linke dagegen.

Tagesordnungspunkt 23 b. Der Antrag der Fraktion
Die Linke zu unlauterer Telefonwerbung auf Drucksache
17/3041 soll an die in der Tagesordnung aufgeführten
Ausschüsse überwiesen werden. Auch hier ist die Feder-
führung strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und der
FDP wünschen wiederum Federführung beim Rechts-
ausschuss, die Fraktion Die Linke beim Ausschuss für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Ich lasse zuerst über den Antrag der Fraktion Die
Linke abstimmen, also Federführung beim Ausschuss
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Ge-
genstimmen? – Enthaltungen? – Der Überweisungsvor-
schlag ist abgelehnt gegen die Stimmen der Linken und
von Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen der restli-
chen Fraktionen.

Wir kommen zum Überweisungsvorschlag der Frak-
tionen CDU/CSU und der FDP, also Federführung beim
Rechtsausschuss. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? –
Damit ist der Überweisungsvorschlag angenommen.

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(C (D DU/CSU, SPD und FDP waren dafür, die übrigen raktionen waren dagegen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Sozialkassen vor Beitragsverlusten bewahren – Drucksache 17/3042 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die eden von Dr. Matthias Zimmer, Paul Lehrieder, Katja ast, Johannes Vogel, Klaus Ernst und Beate Mülleremmeke zu Protokoll genommen. Das Bundesarbeitsgericht hat Anfang Juli den Anhö ungstermin zur Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft hristlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Persoalserviceagenturen auf den 14. Dezember 2010 festgeetzt. Es ist aber offen, ob es bereits an diesem Tag zu eier Entscheidung kommt und bis wann diese dann chriftlich begründet und den Beteiligten zugestellt ird. Dass die CGZP tarifunfähig ist und die mit ihr abgechlossenen Tarifverträge von Anfang an unwirksam ind, steht erst fest, wenn das Bundesarbeitsgericht iese Feststellung trifft. Erst aus einer solchen letztstanzlichen Entscheidung kann dann auch abgeleitet erden, dass wegen des Fehlens eines wirksamen Tarifertrags rückwirkend der gesetzliche Lohnanspruch equal pay“ greift und dieser gesetzliche Lohnanspruch uch die maßgebliche Beitragsbemessungsgrundlage für ie Entrichtung der Beiträge hätte darstellen müssen. Vor einer abschließenden Entscheidung des Bundesrbeitsgerichts zur Frage, ob die mit der CGZP gechlossenen Tarifverträge als von Anfang an unwirksam nzusehen sind, dürfen die Prüfdienste der Rentenversiherungsträger keine darauf basierenden Beitragsbecheide erlassen. Die Rentenversicherungsträger haneln deshalb rechtmäßig, wenn sie – im Übrigen in bsprache mit den Spitzenorganisationen der Sozialvericherung – derzeit keine die Verjährung hemmenden eitragsforderungen erheben und zunächst die Entcheidung des Bundesarbeitsgerichts abwarten. Auch ist das Bundessozialgericht in einem Urteil im ahr 1996 zu dem Schluss gekommen, dass Beitragsanprüche der Sozialversicherungsträger für den Fall, ass über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses oder ber den Entgeltanspruch zwischen dem Beschäftigten nd dem Arbeitgeber ein arbeitsgerichtlicher Rechtstreit geführt wird, grundsätzlich erst mit rechtskräftiger eendigung dieses Rechtsstreits fällig werden, weil erst ann die für die versicherungsrechtliche Beurteilung errderlichen Tatsachen feststehen. Das bedeutet, dass im all einer rechtskräftigen Verurteilung eines Arbeitgeers zur Nachzahlung des Differenzlohnes der Beitrag )

Dr. Matthias Zimmer (CDU):
Rede ID: ID1706245300

(A) )

neu fällig wird und die Verjährungsfrist erneut anläuft.
Zudem sind wir der Auffassung, dass unabhängig davon,
ob Betroffene ihre Ansprüche gegenüber den Arbeitge-
bern geltend machen oder nicht, die Sozialversiche-
rungsbeiträge abzuführen sind.

Ich möchte in der Diskussion aber noch ein paar
Worte zur Zeitarbeit selbst sagen, die im Antrag der Lin-
ken klar zu kurz kommen.

Das Instrument der Zeitarbeit sollte den Unterneh-
men Möglichkeiten zur flexiblen personellen Ausgestal-
tung ihrer Produktionsspitzen geben. Das ist die Grund-
idee der Arbeitnehmerüberlassung, die uns im globalen
Wettbewerb Vorteile verschafft, da Betriebe so kurzfris-
tig ihre erhöhte Arbeitskräftenachfrage befrieden kön-
nen.

Allerdings darf Leiharbeit nicht missbraucht werden,
um Tarifverträge zu unterlaufen oder sich wirtschaftli-
che Vorteile aufgrund menschlicher Notlagen zu ver-
schaffen. Die Erfahrungen, die ich in Gesprächen mit
Betriebsräten und Mitarbeitern in Unternehmen sam-
meln konnte, bestätigen, dass Abweichungen von der
Entlohnung zur Stammbelegschaft in der Praxis nicht
unbedingt die Ausnahme darstellen. Das Problem sind
aber dabei oftmals nicht die entleihenden Betriebe. Sie
haben in der Regel ein Interesse daran, auch den Zeitar-
beitnehmern einen fairen Lohn zu zahlen. Problematisch
sind die Zeitarbeitsunternehmen, die ihren Angestellten
nur einen Bruchteil des Lohnes weitergeben, den der
entleihende Betrieb gezahlt hat.

Menschen müssen aber für ihre Arbeit fair entlohnt
werden. Der Mensch darf auf dem Arbeitsmarkt nicht
schutzlos dem Spiel von Angebot und Nachfrage ausge-
setzt werden, denn er ist wichtiger als der Markt.
Schließlich dient ein anständiger Lohn der Motivation
und Anerkennung der menschlichen Arbeitskraft. Einem
Wettbewerb um die billigsten Arbeitskräfte und Miss-
brauchstendenzen in der Zeitarbeit müssen wir deshalb
entschieden entgegentreten.

Die christlich-liberale Koalition wird daher – vor al-
lem im Zuge der weiteren Ausdehnung der Arbeitneh-
merfreizügigkeit zum 1. Mai 2011 – alles daran setzen,
dem missbräuchlichen Einsatz von Leiharbeit entgegen-
zutreten. Hierfür werden wir noch in den nächsten Wo-
chen einen Gesetzentwurf zur Verhinderung von Miss-
brauch der Arbeitnehmerüberlassung vorlegen. Mit
diesem werden wir unter anderem sicherstellen, dass
auch zuvor arbeitslose Leiharbeiter vom Grundsatz der
Gleichstellung beim Nettoarbeitsentgelt nicht länger
ausgenommen werden dürfen.


Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1706245400

Mit ihrem Antrag zur infrage stehenden Tariffähigkeit

der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften
sprechen die Kollegen von den Linken einen diffizilen
Sachverhalt an. Entscheidet das Bundesarbeitsgericht
im Dezember gegen die Christlichen Gewerkschaften,
wären unter Umständen hohe Nachzahlungen an die So-
zialkassen fällig. Auch meine Fraktion sieht die Proble-
matik, die sich aus diesem möglichen Ausgang ergibt.

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Zu Protokoll ge

(C (D ine Lösung verlangt allerdings viel Fingerspitzengehl. Es ist sicherlich ehrenwert, dass Sie, liebe Kollegen on den Linken, den Sozialversicherungsträgern in Ihrer leinen Anfrage vom 22. März 2010 nahelegen, jede ich bietende Möglichkeit zu nutzen, um die eigene Fianzausstattung zu verbessern. Dennoch bleibt zunächst stzuhalten: Das Verfahren vor dem Bundesarbeitsge icht ist noch nicht abgeschlossen. Auch wenn ich die ngeduld der Linksfraktion in gewisser Weise nachvoll iehen kann: Wir sollten das Verfahren erst einmal als rgebnisoffen betrachten und den Ausgang abwarten. chließlich wird das Urteil noch für Anfang/Mitte Deember dieses Jahres erwartet – und damit rechtzeitig or Jahresende, das für die Verfristung von Ansprüchen aßgeblich ist. Erst wenn das Urteil des Bundesarbeitserichts bekannt ist, wird die Bundesregierung möglihen Handlungsbedarf prüfen und darüber mit den Soialversicherungsträgern sprechen. Wie Sie sicherlich wissen, haben sich sowohl die Bunesregierung als auch die Sozialversicherungsträger bei weifeln an der Tariffähigkeit von Vereinigungen neual zu verhalten. Das verlangt der Respekt vor der Ta ifautonomie und im Sinne der Gewaltenteilung auch er Respekt vor der Arbeitsgerichtsbarkeit. Die Sozialersicherungsträger haben sich darüber verständigt, rst nach der abschließenden Entscheidung des Bundesrbeitsgerichts tätig zu werden. Seit das Landesarbeitsgericht Berlin den Christlichen ewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservicegenturen im Dezember 2009 die Tariffähigkeit abgeprochen hat, stehen die möglichen Konsequenzen aus inem möglicherweise gleich lautenden Urteil des BAG schon im Raum. Die Träger der Rentenversicherung lären deshalb bereits jetzt Arbeitgeber, bei denen ansslich der turnusmäßigen Betriebsprüfung erkannt ird, dass sie möglicherweise von dem Urteil betroffen ein könnten, darüber auf, dass im Fall einer anfänglihen Unwirksamkeit der mit der CGZP geschlossenen arifverträge und daraus resultierender höherer Zahngsansprüche der Arbeitnehmer auch beitragsrechtche Konsequenzen eintreten können. Sollten die hristlichen Gewerkschaften den Prozess vor dem Bunesarbeitsgericht verlieren, sind für die Arbeitgeber bzw. erleiher Nachforderungen in Milliardenhöhe nicht aususchließen, wie die Kollegen von den Linken in der Beründung ihrer Anfrage richtig erwähnen. Bis aber das undesarbeitsgericht entschieden hat, ist nicht zu beantanden, wenn Arbeitgeber, die die mit der CGZP eschlossenen Tarifverträge anwenden, als Bemesungsgrundlage für die Abführung der Gesamtsozialvericherungsbeiträge den dort vereinbarten Arbeitslohn ugrunde legen. In ihrer Kleinen Anfrage haben die Kollegen von den inken auch die Frage nach dem Ziel der Beitragsprüng durch die Rentenversicherungsträger aufgeworfen, eine Beitragseinnahmen verloren zu geben. Auch sehen ie die Gefahr, dass die Rentenversicherungsträger aufrund einer etwaigen Verjährung der Beitragsansprühe mit der Frage des Schadenersatzes konfrontiert sein Dr. Matthias Zimmer gebene Reden )





(A) )

könnten. Wie schon gesagt und wie auch von der Bun-
desregierung in ihrer Antwort auf die Anfrage der Lin-
ken ausgeführt, dürfen die Prüfdienste der Rentenversi-
cherungsträger keine Beitragsbescheide erlassen, bevor
das BAG zur Frage der Tariffähigkeit der Christlichen
Gewerkschaften abschließend entschieden hat.

Die Rentenversicherungsträger handeln deshalb
rechtmäßig, wenn sie derzeit keine die Verjährung hem-
menden Beitragsforderungen erheben und zunächst die
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts abwarten. Ein
auf den Eintritt der Verjährung gestützter Schadener-
satzanspruch der übrigen Zweige der Sozialversiche-
rung gegen die Rentenversicherungsträger scheidet des-
wegen mangels pflichtwidrigen Verhaltens von
vornherein aus.

Sie sehen: Es ist in dieser heiklen Problematik unbe-
dingt notwendig, die Entscheidung des zuständigen Ge-
richts abzuwarten und erst dann zu handeln.


Katja Mast (SPD):
Rede ID: ID1706245500

Unsere soziale Marktwirtschaft braucht gute Löhne

und faire Arbeitsbedingungen. Denn soziale Sicherheit
– also Sicherheit vor Arbeitslosigkeit, vor Altersarmut,
vor Erwerbsunfähigkeit, vor Berufsunfällen und vielem
mehr – hängt davon ab, wie viele Beiträge jeder von uns
in die Sozialkassen einzahlen kann. Damit erwirbt jeder,
zumindest in der Renten- und Arbeitslosenversicherung,
individuelle Ansprüche unterschiedlicher Höhe. Gleich-
zeitig ist es so, dass gerade in der Kranken- und Pflege-
versicherung über die Höhe der Sozialabgaben Solidari-
tät in unsere Gesellschaft organisiert wird. Wer also
niedrige Löhne in Deutschland duldet, legt die Axt an
unseren Sozialstaat an. Deshalb ist für mich klar – und
übrigens auch für die gesamte SPD-Bundestagsfraktion:
Wir brauchen eine Politik, die existenzsichernde Löhne
garantiert. Das Instrument hierfür ist der flächende-
ckende gesetzliche Mindestlohn. Doch Sie, Frau von der
Leyen, sind mit Ihrer christlich-liberalen Koalition nicht
bereit, für die kleinen Leute Politik zu machen. Sie ver-
weigern sich einer echten Lohnuntergrenze und akzep-
tieren damit, dass Menschen trotz Arbeit arm sind.

Das wurde gerade diese Woche noch einmal deutlich,
wo Sie bei jedem Interview zum Thema Regelsätze für
Arbeitslosengeld-II-Empfänger die kleinen Leute gegen-
einander ausgespielt haben. Sie argumentieren nämlich
so, dass Sie sagen: Ich kann das Arbeitslosengeld II nur
um 5 Euro erhöhen, weil sonst der Lohnabstand zum
Verkäufer und der Friseurin nicht mehr stimmt. Das ist
doch paradox. Als Arbeits- und Sozialministerin können
Sie auch dem Verkäufer und der Friseurin helfen. Stop-
pen Sie die Lohnspirale nach unten und sorgen Sie für
einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Ihre
Politik des Spaltens der kleinen Leute, also das Gegen-
einanderausspielen von Geringverdienern und Arbeits-
losen, ist einer Sozialministerin nicht würdig. Sie haben
die Instrumente in der Hand, beiden zu helfen. So viel
zum Allgemeinen.

Doch hier geht es jetzt um einen konkreten Antrag
zum Thema „Beitragssicherheit in den Sozialkassen“,
weil zum Ende des Jahres sonst eine Verjährung für

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(C (D ückforderungen ansteht; wohl gemerkt Geld – gechätzt sind es über eine halbe Milliarde Euro –, das für nsere soziale Sicherheit fehlt. Hier wird sich zeigen, ob ie, Frau von der Leyen, zusammen mit Ihrer schwarzelben Koalition tatsächlich die soziale Marktwirtschaft rnst nehmen. Sie müssten nur vor Ablauf des Jahres orsorglich Betriebe prüfen, damit die Verjährungsfrist icht verstreicht. Das ist wirklich nicht zu viel verlangt r voraussichtlich über eine halbe Milliarde Euro. Han eln Sie! Worum geht es konkret? – Die sogenannte Tarifgeeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit nd Personalserviceagenturen, CGZP, ist wieder einmal die Schlagzeilen geraten. Es ist nicht das erste Mal, ass wir im Deutschen Bundestag über die Rolle der GZP sprechen. Voraussichtlich im Dezember wird das undesarbeitsgericht abschließend über die Tariffähigeit der CGZP entscheiden. Stellt das Bundesarbeitsgeicht fest, dass diese sogenannte Gewerkschaft tarifunfäig ist, dürften sämtliche abgeschlossene Tarifverträge on Anfang an unwirksam sein. Die gute Konsequenz für ie Beschäftigten daraus wäre, dass den Leiharbeitneherinnen und Leiharbeitnehmern dann der gleiche Lohn ustünde, den Festangestellte erhalten, und zwar vorausichtlich rückwirkend. Dass ist richtig und folgt dem von er SPD verfolgten Ansatz „Gleicher Lohn für gleiche rbeit“, den wir auch in unserem Antrag „Fairness in er Leiharbeit“ klar formuliert haben und am Freitag im lenum beraten werden. Übrigens, die Gewerkschaften, erade die IG Metall, stehen an unserer Seite, denn sie ollen den Sozialstaat erhalten. Wenn die Arbeitnehmer rückwirkend mehr Lohn beämen, zahlen sie natürlich auch rückwirkend mehr Soialabgaben – das wären also geschätzt über eine halbe illiarde Euro, um die es geht, Geld, das sonst insbe ondere der Rentenversicherung fehlen würde. Im Kern geht also darum, dass der im Arbeitnehmerberlassungsgesetz formulierte Grundsatz „Gleicher ohn für gleiche Arbeit“ hier von Ihnen, Frau von der eyen, vorsorglich in einem Sonderfall durchgesetzt erden kann, indem Sie Ihre nachgeordneten Behörden um vorsorglichen Handeln bringen. Ich verstehe überaupt nicht, wo hier das Problem liegt. Jede schwäbiche Hausfrau würde hier handeln. Und Kanzlerin erkel hat doch gerade diese schwäbischen Hausfrauen um Vorbild ihrer Politik erklärt. Aber der heute zu beratende Antrag bildet nur einen inzelfall ab. Viel wichtiger ist aus meiner Sicht, dass ir in der Leiharbeit ganz allgemein zum Grundsatz Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ zurückkommen. Das t eine Kernfrage für mehr soziale Gerechtigkeit. Mich eibt um, dass über 50 Prozent der Leiharbeitnehmerinen und Leiharbeitnehmer so wenig verdienen, dass sie usätzlich Arbeitslosengeld II bekommen. Das ist ein ombilohn zur Förderung von Lohndumping. Das ist ein sozialdemokratisches Verständnis von Fairness auf em Arbeitsmarkt und erst recht nicht von sozialer arktwirtschaft. Wer arbeitet, soll sich davon ernähren önnen. Das geht mit 5 Euro pro Stunde nicht. Wir brauhen den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Paul Lehrieder gebene Reden )





(A) )

Das gilt heute in der Debatte, und das gilt auch Freitag
in der Debatte. Deutschland ist in ganz Europa Schluss-
licht in Sachen Mindestlohn. Einzig Zypern und Deutsch-
land haben keine Lohnuntergrenze in der Europäischen
Union. Auch hier könnten wir von Großbritannien,
Frankreich, Schweden und all den anderen Ländern in
Europa lernen.

Frau von der Leyen, Sie können handeln. Sie können
Solidarität organisieren. Sie können den Menschen
mehr netto vom Brutto geben, indem Sie dafür sorgen,
dass sie genug verdienen. Hören Sie auf, rhetorisch die
kleinen Leute gegeneinander auszuspielen. Fangen Sie
endlich an, Sozialministerin zu werden. Führen Sie eine
Lohnuntergrenze ein – am besten einen flächendecken-
den Mindestlohn. Dann müssten wir uns nicht mehr über
Tarifverträge mit Löhnen unter 5 Euro streiten. Sie ha-
ben die Instrumente in der Hand. Und vergessen Sie
nicht – gleiches Geld für gleiche Arbeit.


Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1706245600

Zuallererst möchte ich feststellen, dass es keineswegs

verwundert, dass die Deutsche Rentenversicherung
Bund abwartet, bis der Rechtsweg vollends ausge-
schöpft ist; so verhält es sich nun einmal in einem
Rechtsstaat.

Sie fordern in Ihrem Antrag, Beitragsforderungen aus
Entgelten, die auf den Tarifverträgen der Christlichen
Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservice-
agenturen, also der CGZP, beruhen, in ihrer Höhe kon-
kret festsetzen zu lassen und so möglicherweise rückwir-
kend fällig werdende Beitragseinnahmen vor der
gesetzlichen Verjährung zu schützen. Schwerlich werden
wir uns hier ohne jede weitere Begründung Spekulatio-
nen hingeben können.

In Ihrem Antrag schreiben Sie, dass es erhebliche
Zweifel an der Tariffähigkeit der CGZP gebe. Dies ist in-
sofern richtig, als dass die Verträge nach einer Klage
von Verdi in zwei Gerichtsinstanzen für ungültig erklärt
wurden. Die CGZP selbst wurde hier für tarifunfähig er-
klärt. Es ist ja richtig: Zuerst hat das Arbeitsgericht Ber-
lin die Tariffähigkeit der CGZP bestritten, dann hat das
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg diese Ent-
scheidung bestätigt. Aber noch einmal: Solange der
Rechtsweg nicht ausgeschöpft, ist die Frage nach der
Tariffähigkeit nicht abschließend beantwortet und so
lange ist die CGZP auch noch als tariffähig anzusehen.
So sieht es offenbar die Deutsche Rentenversicherung,
und so sehe ich das auch. Warten wir also auf die end-
gültige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die ja
voraussichtlich im Dezember 2010 fallen wird, und dann
sehen wir weiter.

Ich möchte es hier ganz deutlich sagen: Sozialkassen
bewahrt man nicht durch Ihre Rezepte vor Beitragsver-
lusten, sondern indem man wirksam die Arbeitslosigkeit
bekämpft und unsere Sozialversicherungssysteme zu-
kunftssicher macht. Die christlich-liberale Koalition hat
in dieser Hinsicht schon viel bewegt, und die Arbeitslo-
senzahlen vom heutigen Donnerstag bestärken uns in
unserem Tun. Auf ihrer monatlichen Pressekonferenz hat
die Bundesagentur für Arbeit heute die Zahlen für den

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Zu Protokoll ge

(C (D urückliegenden Monat September veröffentlicht. Die rbeitslosenzahl ist im September um weitere 157 000 uf 3 031 000 zurückgegangen. Im Vergleich zum Vorhr bedeutet dies einen Rückgang um 315 000. Es ist ferner wichtig, eine generationengerechte Rennpolitik zu betreiben, um die Sozialversicherungssysme auch für kommende Generationen zu sichern. erade im Hinblick darauf, dass heutzutage erfreuli herweise weit mehr ältere Menschen im Arbeitsmarkt erbleiben, weil ihr Wissen und ihre Erfahrung gerade Zeiten des Fachkräftemangels gefragt sind, ist es un rlässlich, die Diskussion um einen flexiblen Renteneinitt zu führen. Die gesetzliche Rente muss zudem in ukunft stärker durch private und betriebliche Altersorsorge ergänzt werden; denn die individuelle Altersorsorge wird künftig Grundlage der Lebensstandardicherung sein. Hierzu müssen die freiwillige Altersvorsorge umfasend und unbürokratischer gefördert werden als bisher nd eine Abschaffung der Hinzuverdienstgrenzen bei leichzeitigem Rentenbezug erfolgen. Ebenso wichtig ist doch – ich kann das diese Tage gar nicht oft genug saen – eine Verbesserung der Zuverdienstmechanismen ALG-II-Bereich. Eine Erhöhung der Zuverdienstrenzen soll Hilfe dabei sein, sich Schritt für Schritt aus em Transferbereich emporzuarbeiten, um dann bestenlls keine Bezüge mehr zu benötigen. Derzeit fehlt vien hier der Anreiz, und das ist kein Wunder; denn wenn ach den ersten 100 Euro je weiterem Euro nur noch 0 Cent beim ALG-Beziehenden verbleiben, dann ist ies schlicht ungerecht und unfair. Wir stehen in der Verntwortung, dies zu korrigieren. Schließlich schafft eine erbeitragung dieser Zuverdienste zusätzliche Einnahen für die Sozialversicherung. Auf diese Weise wird ein nreiz dafür geschaffen, auf Wunsch länger im Erwerbsben zu verbleiben, und die Sozialkassen würden wirkch und nachhaltig entlastet. Bereits 2003 hat die Tarifgemeinschaft Christlicher ewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Servicegenturen – CGZP – den ersten bundesweiten Flächenrifvertrag für Leiharbeitsunternehmen abgeschlossen. chuld daran haben SPD und Grüne: Sie haben der eitund Leiharbeit Tür und Tor geöffnet. Und sie sind afür verantwortlich, dass Pseudogewerkschaften Gelligkeitstarifverträge abschließen dürfen. Dabei achten sie sich eine Ausnahmeregelung im Arbeitneherüberlassungsgesetz, AÜG, zunutze: Der Grundsatz equal pay“ kann ausgehebelt werden, wenn ein für eiharbeitnehmer gültiger Tarifvertrag vorliegt. Diese usnahmeregelung lässt den Gleichbehandlungsgrundatz im AÜG ins Leere laufen. Die Folgen für den Areitsmarkt und die Beschäftigten sind fatal; denn mitilfe dieses Schlupflochs vereinbarten die sogenannten hristlichen Gewerkschaften Dumpinglöhne in der eiharbeitsbranche. Die CGZP hatte solche Scheintariferträge abgeschlossen und damit sittenwidrige Löhne on weniger als 5 Euro durchgesetzt. Selbst bei nicht regiös eingestellten Leiharbeitern bleibt bei diesen un Katja Mast gebene Reden )

Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706245700




(A) )

christlichen Löhnen nur noch die Hoffnung auf ein bes-
seres Leben nach dem Tod.

Ich möchte daran erinnern, dass es das Land Berlin
zusammen mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi
war, die gegen die CGZP gerichtlich vorgegangen sind.
Am 7. Dezember letzten Jahres hat das Landesarbeitsge-
richt Berlin entschieden, dass die CGZP als Dachver-
band weiterhin nicht tariffähig ist. Damit wurde festge-
stellt, dass die CGZP keine Zeitarbeitstarifverträge
abschließen darf und bereits abgeschlossene Tarifver-
träge unwirksam sind. Inhaltlich begründet wird die
Entscheidung damit, dass es an der Tarifzuständigkeit
zum Abschluss dieser Vereinbarungen fehle. Damit be-
stätigte das Landesarbeitsgericht die gleichlautende
Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. April
2009. Weil das LAG Rechtsbeschwerde zugelassen hat,
ist mit einem endgültigen Urteil des Bundesarbeitsge-
richts erst am 14. Dezember zu rechnen.

Egal wie der Fall vor dem Bundesarbeitsgericht aus-
geht, er hätte weitreichende Folgen: Gewinnt die CGZP,
erhält eine systematische Praxis des Lohndumpings grü-
nes Licht. Verliert die CGZP, sind ihre Tarifverträge
rückwirkend unwirksam, und es greift der Equal-Pay-
Grundsatz. Somit können alle Leiharbeitnehmer, die un-
ter CGZP-Verträgen gearbeitet haben, die Differenz der
Lohnsummen gegenüber den Stammbelegschaften nach-
fordern. Gleichzeitig müssten die Entleihbetriebe die
entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge abführen.

Die Beitragsnachforderungen aus den Jahren 2004
und 2005 sind bereits unwiederbringlich verloren, weil
diese einer vierjährigen Verjährungsfrist unterliegen.
Bisher sehen sich aber weder die Sozialversicherungs-
träger noch die Bundesregierung in der Lage, wenigsten
die Sozialversicherungsbeiträge vor Gericht feststellen
zu lassen. Damit verzichtet allein die Rentenversiche-
rung auf die größte Beitragseinnahme seit Jahren. Argu-
mentiert wird, dass sich die Sozialversicherungsträger
solange bis das letztinstanzliche Urteil vorliegt, neutral
zu verhalten hätten. In das gleiche Horn stößt die Bun-
desregierung. Tatsächlich könnte die Deutsche Renten-
versicherung Bund als zuständige Institution schon jetzt
Änderungsbescheide erlassen. Eine kleine Anfrage un-
serer Fraktion „Konsequenzen aus einer vorläufigen Ta-
rifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft der Christlichen
Gewerkschaften Zeitarbeit und Personalserviceagentu-
ren“, Bundestagsdrucksache 17/1121, hat zudem erge-
ben, dass mindestens 122 Firmen und Verbänden, die
namentlich bekannt sind, Tarifverträge mit der umstrit-
tenen CGZP abgeschlossen haben. Die könnten sich die
Prüfer der Rentenversicherung ganz unkompliziert zu-
erst vornehmen.

Angesichts des schmalen Zeitkorridors muss die Ren-
tenversicherung jetzt handeln, wenn sie weitere Verluste
aufgrund der Verjährungsregelung vermeiden will. Aber
das glatte Gegenteil ist der Fall: Da werden Hundert-
tausende von Beschäftigten in der Leiharbeit aufgrund
von Gefälligkeitstarifverträgen mit pseudochristlichen
Gewerkschaften um ihre Ansprüche gebracht und die
Bundesregierung sowie die Sozialversicherungsträger
haben nichts anders zu tun, als die Hände in die Hosen-

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Zu Protokoll ge

(C (D schen zustecken. Dies ist umso skandalöser weil nach chätzungen des Münsteraner Arbeitsrechtlers Profesor Dr. Schüren allein die Deutsche Rentenversicherung und angesichts von jährlich rund 200 000 betroffenen eiharbeitnehmern auf Beitragseinnahmen von mindesns 1,8 Milliarden Euro verzichtet. Wer glaubt er könne ahr für Jahr auf 600 Millionen Euro verzichten, hat ntweder nicht erkannt, was die Uhr geschlagen hat, der handelt absichtlich grob fahrlässig und schützt dienigen, die absichtlich und willentlich Scheintarifveräge abschließen, die offenkundig gesetzeswidrig sind. Gleichzeitig muss dem Leiharbeitsmissbrauch endch ein Riegel vorgeschoben werden. Der Gesetzenturf, den Frau von der Leyen vorgelegt hat, ist aber ollkommen unzureichend. Ich hab den Eindruck, dass uch hier die Lobby der Zeitarbeitsunternehmen kräftig itgemischt hat. Für die Masse der Leiharbeitsbeschäfgten gilt weiterhin, dass sie Arbeitnehmer zweiter lasse bleiben: Dumpinglöhne und die Spaltung der Begschaften werden weitergehen. Wir fordern deshalb equal pay“ als grundsätzliches Prinzip für jeden Einatz von Leiharbeitsbeschäftigten. Im Interesse der von illegalen Dumpinglöhnen Beoffenen und im Interesse der Solidargemeinschaft dürn die Sozialversicherungsträger solche Kostensen ungsstrategien, wie zwischen dem Arbeitgeberverband ittelständische Personaldienstleister und CGZP nicht uf sich beruhen lassen. Handeln Sie deshalb jetzt! Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften

r Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) ist
ekannt dafür, Gefälligkeitstarifverträge mit Arbeitge-
ern abzuschließen, durch die Beschäftigte niedrige
öhne hinnehmen müssen. Das ist uns schon seit langem
in Dorn im Auge. Deswegen begrüße ich auch, dass der
GZP in zwei Instanzen die Tariffähigkeit aberkannt
urde. Im Dezember wird das Bundesarbeitsgericht vo-

aussichtlich endgültig darüber urteilen. Ich hoffe, dass
ie Urteile der Vorinstanzen bestätigt werden und der
GZP endgültig die Tariffähigkeit aberkannt wird. Da-
it wäre endlich Schluss mit Billigtarifverträgen, unter
enen die Beschäftigten zu leiden haben.

Jetzt stellt sich die Frage, welche Folgen eine Aber-
ennung der Tariffähigkeit der CGZP durch das Bundes-
rbeitsgericht hat. Einerseits könnten diese Pseudoge-
erkschaften in Zukunft keine Tarifverträge mehr
bschließen. Andererseits erhielten die Beschäftigten,
ie bisher die Leidtragenden dieser Tarife waren, erheb-
che Rückzahlungen, sofern sie gerichtlich ihre Löhne
nfechten. Sie hätten aber auch erhebliche Sozialversi-
herungsansprüche. Letztere müssten aber nicht von den
eschäftigten selbst eingeklagt werden. Die Deutsche
entenversicherung könnte selbst tätig werden und Bei-
äge nacherheben, ohne dass die Beschäftigten vor Ge-

icht gehen müssen.

Entscheidend ist dabei insbesondere für die Beschäf-
gten, für wie viele Jahre die Sozialversicherungsbei-
äge nachträglich erhoben werden können und ebenso,




Klaus Ernst
gebene Reden





Beate Müller-Gemmeke


(A) (C)



(D)(B)


ob die Deutsche Rentenversicherung in der Lage ist, eine
Verjährung der Ansprüche aufzuhalten. Ich bin – wie die
Fraktion Die Linke – der Auffassung, dass die Deutsche
Rentenversicherung diese Verjährung stoppen kann.

Deswegen begrüße und unterstütze ich den Antrag
der Fraktion Die Linke. Die Deutsche Rentenversiche-
rung Bund muss schnellstmöglich handeln und vorsorg-
lich Beitragsforderungen aus Entgelten basierend auf
Tarifverträgen mit der CGZP durch Betriebsprüfungen
feststellen, um rückwirkend fällige Beitragseinnahmen
vor der Verjährung zu schützen. Die Bundesregierung
muss endlich tätig werden und die Deutsche Rentenver-
sicherung Bund zum Handeln auffordern.

Meines Erachtens hat die Deutsche Rentenversiche-
rung Bund die Pflicht, tätig zu werden und die Versicher-
tengemeinschaft vor Beitragseinbußen zu schützen.
Auch die circa 200 000 betroffenen Leiharbeitnehmerin-
nen und Leiharbeitnehmer könnten so vor erheblichen
Nachteilen geschützt werden. Bleibt die Deutsche Ren-
tenversicherung Bund weiter untätig, müssten sie Einbu-
ßen bei ihren Rentenversicherungsansprüchen hinneh-
men. Und das wäre ein Skandal.

Wir können es nicht akzeptieren, dass sich die Bun-
desregierung hinter den Gerichten versteckt und abwar-
tet, bis das Bundesarbeitsgericht den CGZP die Tarif-
fähigkeit aberkennt – zumal zwei Instanzen schon
eindeutige Urteile gesprochen haben. Bundesministerin

von der Leyen muss endlich dafür sorgen, dass die Deut-
sche Rentenversicherung Bund ihrer Pflicht gerecht
wird. Sie hat die Rechtsaufsicht über die Deutsche Ren-
tenversicherung und kann handeln, sofern der politische
Wille vorhanden ist.

Die Ministerin muss im Sinne der Beitragszahlenden
handeln, und ebenso haben die Beschäftigten das Recht,
von der Bunderegierung vor der Verjährung ihrer
schwer verdienten Sozialversicherungsansprüche ge-
schützt zu werden.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706245800

Die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/3042

an den Ausschuss für Arbeit und Soziales wird vorge-
schlagen. – Damit sind Sie einverstanden. Dann ist das
so beschlossen.

Damit sind wir am Schluss der heutigen Tagesord-
nung, was sehr schade ist.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Freitag, den 1. Oktober 2010,
9 Uhr, ein.

Genießen Sie den restlichen Abend und die gewonne-
nen Einsichten.

Die Sitzung ist geschlossen.