Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6583
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dung vermitteln – das ist eine Quote von gerade einmalWagenknecht, Sahra DIE LINKE 30.09.2010
Ausbildungsplätze als vor zwei Jahren. Die Krise macht
dem Ausbildungsmarkt offenbar weiter zu schaffen. Von
den 534 605 Bewerbern um einen Ausbildungsplatz
konnten die Arbeitsagenturen nur 222 128 in eine Ausbil-
Walter
Süßmair, Alexander DIE LINKE 30.09.2010
Anlage 1
Liste der entschuldigte
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Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Beckmeyer, Uwe SPD 30.09.2010
Bellmann, Veronika CDU/CSU 30.09.2010
Binder, Karin DIE LINKE 30.09.2010
Daub, Helga FDP 30.09.2010
Hermann, Winfried BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
30.09.2010
Dr. Högl, Eva SPD 30.09.2010
Kolbe, Manfred CDU/CSU 30.09.2010
Kopp, Gudrun FDP 30.09.2010
Marks, Caren SPD 30.09.2010
Meierhofer, Horst FDP 30.09.2010
Meinhardt, Patrick FDP 30.09.2010
Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
30.09.2010
Dr. Murmann, Philipp CDU/CSU 30.09.2010
Dr. Neumann (Lausitz),
Martin
FDP 30.09.2010
Oswald, Eduard CDU/CSU 30.09.2010
Dr. Paul, Michael CDU/CSU 30.09.2010
Pronold, Florian SPD 30.09.2010
Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 30.09.2010
Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
30.09.2010
Schmidt (Aachen), Ulla SPD 30.09.2010
Schreiner, Ottmar SPD 30.09.2010
Schuster, Marina FDP 30.09.2010
Dr. Steinmeier, Frank- SPD 30.09.2010
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
n Abgeordneten
nlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Agnes Alpers, Jan van Aken,
Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Matthias
W. Birkwald, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn,
Christine Buchholz, Eva Bulling-Schröter, Dr.
Martina Bunge, Roland Claus, Sevim Dağdelen,
Werner Dreibus, Dr. Dagmar Enkelmann, Klaus
Ernst, Wolfgang Gehrcke, Nicole Gohlke, Diana
Golze, Annette Groth, Dr. Gregor Gysi, Heike
Hänsel, Dr. Rosemarie Hein, Inge Höger,
Dr. Barbara Höll, Andrej Hunko, Ulla Jelpke,
Dr. Lukrezia Jochimsen, Harald Koch, Jan
Korte, Caren Lay, Sabine Leidig, Ralph Lenkert,
Michael Leutert, Ulla Lötzer, Dr. Gesine Lötzsch,
Thomas Lutze, Ulrich Maurer, Dorothée Menzner,
Cornelia Möhring, Kornelia Möller, Niema
Movassat, Thomas Nord, Petra Pau, Jens
Petermann, Richard Pitterle, Ingrid Remmers,
Michael Schlecht, Dr. Herbert Schui, Dr. Ilja
Seifert, Kathrin Senger-Schäfer, Raju Sharma,
Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Sabine Stüber,
Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Axel Troost, Alexander
Ulrich, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak, Harald
Weinberg und Katrin Werner (alle DIE LINKE)
zur Abstimmung über die Beschlussempfeh-
lung: Sammelübersicht 137 zu Petitionen (Tages-
ordnungspunkt 31 i)
Wir lehnen die Beschlussempfehlung des Petitions-
usschusses (2. Ausschuss) – Sammelübersicht 137 zu
etitionen – auf Drucksache 17/2959 ab, weil damit fast
0 000 Jugendlichen bzw. Unterstützerinnen und Unter-
tützern der öffentlichen Petition für ein Grundrecht auf
usbildung (Pet. 1-16-06-10000-026255, in der zitierten
rucksache Beschlussempfehlung 3, lfd. Nr. 15) eine öf-
ntliche Beratung ihres Anliegens verwehrt wird. Die-
es Verfahren können wir nicht mittragen. Wir werden
Gegenteil die Jugendlichen, Schülerinnen- und Schü-
rvertretungen und Gewerkschaften weiter nach Kräften
arin unterstützen, dass endlich alle Jugendlichen eine
ute und umfassende Berufsausbildung bekommen. Es
t die Aufgabe der Politik, dies zu gewährleisten, statt
en jungen Menschen ein öffentliches Forum für ihr be-
chtigtes Anliegen zu verwehren.
Nach wie vor bleiben jedes Jahr Zehntausende Jugend-
che ohne Ausbildungsplatz. Die Zahl der Ausbildungs-
lätze ist in diesem Jahr nur ganz leicht um gut 2 Prozent
estiegen. Damit gibt es immer noch 4,5 Prozent weniger
6584 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
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42 Prozent. Trotzdem zählt die Bundesagentur nur
18 Prozent der Bewerber als unversorgt, der Rest – im-
merhin 215 116 Jugendliche – ist aus der Statistik ver-
schwunden, meist weil die Jugendlichen in Warteschlei-
fen abgeschoben wurden oder ihre Suche aufgegeben
haben. Ein Großteil der Jugendlichen meldet sich schon
gar nicht mehr bei den Arbeitsagenturen, weil sie sich da-
von keine Chancen auf eine Ausbildung versprechen.
Auch sie tauchen in der offiziellen Statistik nicht auf.
Die Zahlen zeigen deutlich: Die Zukunftsperspekti-
ven der Jugendlichen werden seit vielen Jahren mit Fü-
ßen getreten. Es wäre das Mindeste gewesen, die Initia-
torinnen und Initiatoren der vorliegenden Petition zu
einer öffentlichen Anhörung in den Bundestag einzula-
den, um ihr Anliegen ernst zu nehmen und zu beraten.
Der sang- und klanglose Abschluss der Petition in der
vorliegenden Sammelliste wird den Zehntausenden Un-
terzeichnerinnen und Unterzeichnern mit ihrem Anlie-
gen in keiner Weise gerecht.
Aus diesen Gründen lehnen wir die Beschlussemp-
fehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) zur
Sammelübersicht 137 zu Petitionen – Bundestagsdruck-
sache 17/2959 – ab.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Rede
zur vereinbarten Debatte: Bilanz und Zukunfts-
perspektiven der wissenschaftlichen Politikbe-
ratung „Technikfolgenabschätzung“ (Tagesord-
nungspunkt 13)
Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Dass das Büro für
Technikfolgeabschätzung ausgerechnet 1990 gegründet
wurde, war für mich zum einen überraschend, zum ande-
ren aber auch folgerichtig. Überraschend, weil es ja nun
wirklich Zeiten waren, in denen sich politische Ereig-
nisse gegenseitig in die Hacken traten. Sich unter diesem
Druck, Zeit für die Umsetzung eines Projektes wie der
Gründung des TAB zu nehmen, ringt mir Respekt ab.
Mithin, diese Bemerkung sei mir gestattet, stand der
Einigungsprozess bis heute im Zeichen von Folgeab-
schätzung. Umstritten blieb, wie sich der wirtschaftliche
Strukturwandel in den Neuländern vollziehen sollte. Das
Besondere an diesem Transformationsprozess besteht
darin, dass er sich eingebettet in einen zunehmend glo-
balen Strukturwandel der klassischen Industriegesell-
schaft vollzog. Von Wissens- und Informationsgesell-
schaft zu sprechen, ist in der Politik modern geworden.
Und mit Blick auf diesen grundlegenden Strukturwandel
war die Gründung des TAB notwendig und folgerichtig.
Es musste offensiv und prospektiv reflektiert werden,
dass alle Lebensbereiche, dass unsere Lebensweise in
größerer Komplexität von Wissenschafts- und Technolo-
gieentwicklung – insbesondere den Informations- und
Kommunikationstechnologien – geprägt werden.
Systematisch musste neues wissenschaftliches und
technologisches Wissen analysiert werden. Im Spiegel
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es Bestehenden waren und sind Anwendungsoptionen
bzuschätzen.
Aus Sicht der Linken sind der gesellschaftliche und
ulturelle Kontext, sind demokratische, digitale, ökono-
ische, ökologische, soziale, demografische und ethi-
che Perspektiven zu bedenken. Hier zeigen sich selbst-
erständlich Konflikte in der Bewertung, erst recht in
olitischen Entscheidungen.
So liegen für Die Linke in Nachhaltigkeit und Ge-
chtigkeit existenzielle Schutzinteressen von Gesell-
chaft und Natur. Sie sprengen das Korsett von Verwer-
ngs- und Wettbewerbslogik. Insofern stoßen nicht
elten die spannenden Empfehlungen aus den Studien
es TAB an Grenzen, die politische Machtverhältnisse
etzen.
Dennoch bieten sie wichtige Anregungen, Argumente
nd Fakten für parlamentarische Entscheidungen, für
ontrolle und kritische Auseinandersetzung mit Vorha-
en der jeweils Regierenden und für öffentliche Dis-
urse.
Das TAB hat dazu beigetragen, Wissenschaft und
olitik in neuer Qualität näher zusammenzubringen, wo-
ei weder Politik verwissenschaftlicht noch Wissen-
chaft politisiert werden sollten. Immerhin unterschei-
en sich Blickwinkel, Deutungen, Interessen, Erwartun-
en und Verantwortung. Dennoch durchzieht die Ver-
hrung, sich gegenseitig zu instrumentalisieren, viele
rozesse der Auseinandersetzung. Aber glücklicher-
eise kann im Zweifelsfalle immer mal wieder auf das
rundgesetz verwiesen werden.
Und schließlich lässt sich auch selbstbewusst festhal-
n: Das TAB hat – gewollt oder ungewollt – geholfen,
ie Forschungs- und Technologiepolitik der Regierungen
iner sachgerechten, inhaltlichen Kritik zu unterziehen.
esser noch wäre, könnten sich Parlament und interes-
ierte Öffentlichkeit an der Debatte über die Ausrichtung
eteiligen. Aber da arbeiten wir dran!
Die Verdienste des TAB können hier nur fragmenta-
sch aufgezeigt werden. Aber sie sind hinreichend, die-
es Podium zu nutzen, um für eine bessere Ausstattung
es TAB zu werben. Das wäre tätiger und bester Dank
es Parlaments.
nlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Tourismus und Land-
schaftspflege verknüpfen – Gemeinsam die Ent-
wicklung ländlicher Räume stärken (Tagesord-
nungspunkt 15)
Marlene Mortler (CDU/CSU): „Nirgendwo schmeckt
ylle besser“, hieß es vergangenen Sonntag in einem
elungenen Artikel der Berliner Morgenpost. Der Arti-
el hat meine Aufmerksamkeit geweckt, weil er mit die-
en Worten meine fränkische Heimat wunderbar be-
chreibt und weil er beispielhaft zeigt, worin die Stärken
es Deutschlandtourismus liegen: in der besonderen Au-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6585
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thentizität, der besonderen Vielfalt der einzelnen Regio-
nen.
Deshalb sind auch Sie, so wie ich, stolz auf Ihre, un-
sere Heimat.
Heimat! Gerade die Menschen vor Ort sorgen dafür,
dass unser Reiseland so attraktiv ist. Ob Nord- und Ost-
see, Harz, Eifel, Thüringer Wald, Sächsische Schweiz,
Erzgebirge, Schwarzwald, Teutoburger Wald, Bayeri-
scher Wald, Rhön, Allgäu oder Fränkisches Seenland,
um nur einige zu nennen – die Kulturlandschaft dieser
Regionen ist das Ergebnis von Landbewirtschaftung
über Jahrhunderte hinweg. Vitale ländliche Räume sind
keine idealisierten Bilderbuchlandschaften. Vitale länd-
liche Räume brauchen eine wirtschaftliche Basis. Früher
haben Menschen nur dann dort leben können, wenn sie
eine wirtschaftliche Basis hatten; wenn nicht, mussten
sie weiterziehen.
Mein Dorf, meine Heimat ist so ein Anker. Am kom-
menden Sonntag findet in meinem 250-Einwohner-Dorf
der Tag der Regionen statt. Wir erwarten Tausende Be-
sucher bzw. Tagesgäste. Der Themenschwerpunkt in die-
sem Jahr lautet „KulturLandschaft“ – wie passend!
Dehnberg bietet hierfür die idealen Voraussetzungen.
Unser Dehnberger Hoftheater ist eine bekannte kultu-
relle Institution im Landkreis mit hohem Niveau. Dehn-
berg selber liegt eingebettet in eine schöne Kulturland-
schaft. Hier können wir die beiden Themen authentisch
miteinander verbinden.
Und landschaftliche und kulturelle Vielfalt sind
Werte, die unsere Lebensqualität mitbestimmen, die wir
pflegen und bewahren müssen. Deshalb ist die regionale
Wertschöpfung in Deutschland so wichtig. Der Touris-
mus steht dafür. Er ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor,
denn er bietet Arbeitsplätze vor Ort. Es sind Arbeits-
plätze, die nicht exportierbar sind. Als arbeitsintensive
Branche sichert er bundesweit immerhin 2,8 Millionen
Arbeits- und 115 000 Ausbildungsplätze, quer durch un-
ser Land dank der touristischen Vielfalt in Stadt und
Land.
Und noch ein Grund zur Freude: Das Reiseland
Deutschland ist gestärkt aus der Krise hervorgegangen.
Die jüngsten Gästezahlen sind geradezu sensationell.
Wir sprechen vom besten Halbjahresergebnis aller Zei-
ten. Die Gästeübernachtungen aus dem In- und Ausland
stiegen insgesamt um 3 Prozent (Inlandsgäste: plus 2
Prozent, Auslandsgäste: plus 9 Prozent).
Diesen Schwung müssen wir weiter nutzen. Das
heißt, wir wollen Deutschland und seine Kulturland-
schaften als Reiseland noch intensiver bewerben. Nicht
nur in den großen Städten, gerade in den ländlichen Ge-
bieten ist das Geschäft mit der Reiselust ein wichtiger
Wirtschaftsfaktor. Es ist oft Motor der gesamtwirtschaft-
lichen Entwicklung mit unverzichtbaren Impulsen für
den lokalen Arbeitsmarkt. Nachgelagerte Bereiche wie
der Einzelhandel, die Land-, Forst- und Ernährungswirt-
schaft, die Genussmittelindustrie, das Transportgewerbe,
der Kulturbereich profitieren davon erheblich.
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Bei all diesen wirtschaftlichen Betrachtungen darf ei-
es nicht aus dem Blick geraten: Elementare Grundlage
r den Tourismus im ländlichen Raum ist eine intakte
atur und eine attraktive Kulturlandschaft. Damit kön-
en wir bei den Reisenden aus dem In- und Ausland
unkten. Denn Umweltprobleme in den weltweiten Ur-
ubsregionen werden von den Reisenden zunehmend
ahrgenommen. Sie beeinflussen die Reiseplanung so
ehr, dass inzwischen jeder zweite Urlauber sagt: Das
etter spielt nicht mehr die entscheidende Rolle; schöne
andschaften, eine unberührte Natur und eine saubere
mwelt stehen für mich hoch im Kurs.
Im globalen Dorf wird Nachhaltigkeit (überall) als
die Fähigkeit, vorauszublicken und vorzusorgen“ ver-
tanden. Zeitschriften wie Landlust, Schönes Land, mein
ebes Land und andere gehen weg wie warme Semmeln.
er Trend zum Unverfälschten, zum Natürlichen ist ein-
eutig.
Ich zitiere aus der Welt:
Nachhaltiges Reisen wird zum neuen Trend. Lange
galt das Motto: schneller, höher, weiter. Doch die
Tourismusbranche muss umdenken, denn die Wün-
sche der Urlauber haben sich gewandelt. Das Meer
lindert Schmerzen. Wellenrauschen wirkt sich posi-
tiv auf Angst und Stress aus. Ist das Wasser türkis,
senkt das den Blutdruck. Gebirge, Wüsten und dra-
matische Regionen lösen ein Feuerwerk an Glücks-
hormonen aus. Die stärkste mentale Wirkung aber
üben Landschaften mit lockerer Vegetation, ge-
schwungenen Wegen, sanften Hügeln und einge-
sprenkelten Gewässern aus. In allen Fällen sind kör-
perliche Reaktionen messbar gesundheitsfördernd,
das belegt die junge Disziplin der Landschaftspsy-
chologie.
Ein Beispiel: Hopfen und Bier, das gehört zusammen.
h denke hier an die Hopfengärten rund um Spalt, die so
pisch und landschaftsbildprägend sind. Aber auch an
ie einzigartige Spalter Brauerei, die einzige Brauerei
eutschlands, die von seinem Bürgermeister „regiert“
ird.
Mit unserem Antrag wollen wir einen Beitrag leisten,
ieses Potenzial noch stärker zu nutzen. Unser Ziel ist
lar: Nicht nur die großen Städte, auch die ländlichen
äume (strukturschwachen Räume) sollen sich durch
usätzliche wirtschaftliche Impulse weiter entwickeln.
er Weg: die bessere Verknüpfung von Tourismus und
andschaftspflege einerseits und noch mehr Verständnis
r Tourismus und Landbewirtschaftung andererseits.
Landschaftspflege ist ein wichtiges Segment. Aber
on der Landschaftspflege allein können Bauern und
erbraucher nicht leben. Landbewirtschaftung heißt also
um einen, die Landschaft in ihrer Vielfalt zu erhalten;
um anderen heißt es aber auch, die Kulturlandschaft zu
utzen, zu gestalten und zu pflegen, um von ihren Erträ-
en zu leben.
Die Land- und Forstwirtschaft braucht wiederum uns
ls Verbraucher. Das heißt, wir haben es in der Hand,
ass wir heimische Produkte noch mehr schätzen und
ezielt einkaufen.
6586 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
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Tourismus und Landwirtschaft brauchen sich gegen-
seitig. Der Tourismus stärkt die Wirtschaft. Er trägt auch
dazu bei, dass sich Landbewirtschaftung weiter lohnt.
Für den Einheimischen ist es Heimat auf dem Teller und
für den Gast Urlaub zum Mitnehmen.
Der Blick fürs Ganze zeigt doch auch, dass – das wird
mir immer wieder in intensiven Gesprächen bewusst –
eine gepflegte Landschaft mit einem verlässlichen
Rechtsrahmen eine Errungenschaft ist, um die wir welt-
weit beneidet werden. Darum machen wir Deutsche am
liebsten Urlaub im eigenen Land. Das ist ein Trend, der
in den letzten Jahren enorm zugenommen hat.
Aber auch ausländische Gäste schätzen diese Tatsa-
che.
Um die attraktive Vielfalt unserer Kulturlandschaften
zu sichern, sollen daher nach unserem Willen, nach dem
Willen der Unionsfraktion, das nationale Naturerbe, Na-
turschutzprojekte des Bundes, die nationalen Natur- und
Kulturlandschaften sowie das Bundesprogramm „Biolo-
gische Vielfalt“ vor allem über freiwillige Kooperatio-
nen weiter unterstützt werden. Zudem sollen naturtouris-
tische Angebote im Rahmen von Modellvorhaben
entwickelt und erprobt werden.
Die Achtung des Eigentums und der vorrangige Weg
der freiwilligen Kooperation sind bisher wesentliche Ga-
ranten des Erfolgs. Ökologie, Ökonomie und Soziales
sind im Miteinander zu betrachten. Festlegungen über
die gute fachliche Praxis hinaus, wie wir sie in der Land-
wirtschaft kennen und befolgen, sind deshalb finanziell
auszugleichen.
Bei den anstehenden Diskussionen über die Weiter-
entwicklung der EU-Politik nach 2013 setzen wir uns für
eine Fortführung der starken ersten Säule und eine finan-
ziell gut ausgestattete zweite Säule in der gemeinsamen
EU-Agrarpolitik ein.
Agrarumweltprogramme und Vertragsnaturschutz so-
wie die Ausgleichszulage sind wichtige Instrumente zur
Stärkung des Tourismus in ländlichen Gebieten. Dafür
kämpfen wir!
Im Koalitionsvertrag haben wir außerdem eine Tou-
rismuskonzeption für den ländlichen Raum angekündigt.
Ich führe dazu vielfältige Expertengespräche, um das
Ganze auf den Weg zu bringen.
Denn: Nirgendwo schmeckt Idylle besser.
Klaus Brähmig (CDU/CSU): Der ehemalige Euro-
paabgeordnete und Südtiroler Bergsteiger Reinhold
Messner hat vor Jahren dazu aufgefordert, der Globali-
sierung das Regionale entgegenzusetzen. Meines Erach-
tens hatte Reinhold Messner schon damals recht. Regio-
nalität bildet das Gegengewicht zur Globalität. Die
Regionen als Kultur- und Lebensräume gewinnen an Be-
deutung.
Mit der Unsicherheit des Menschen über die Auswir-
kungen der Globalisierung wächst das Bedürfnis nach
kultureller Verankerung und Vergewisserung der eigenen
Identität. Urlaub im eigenen Land, im ländlichen Raum
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it Angeboten für Wellness und Erholung ist ein aktuel-
r Trend mit wirtschaftlichem Potenzial.
Diese Beobachtung kann ich auch aus meiner Praxis
ls Vorsitzender des Tourismusverbandes Sächsische
chweiz bestätigen. Das Segment Landtourismus ist ein
achsender Markt, der Landwirten zusätzliche Einnah-
emöglichkeiten bietet und jungen Menschen eine Zu-
unft in der eigenen Heimat ermöglicht.
Diese Entwicklung ist auf der einen Seite zu begrü-
en, da die regionale Wirtschaft und die Einwohner da-
on profitieren. Gerade nahe gelegene Urlaubsregionen
ie Nord- und Ostsee, Harz, Eifel, Thüringer Wald,
ächsische Schweiz, Erzgebirge, Schwarzwald, Teuto-
urger Wald, Bayerischer Wald, Rhön und Allgäu ge-
innen dadurch an Bedeutung. Auf der anderen Seite of-
nbaren sich uns dort aber auch Probleme: Viele dieser
ttraktiven Landschaften und flächendeckenden Landbe-
irtschaftungen durch Landwirte sind gefährdet. Beson-
ers betroffen sind die Mittelgebirge mit ihren mageren
nd schwer zu bewirtschaftenden Böden.
Hier setzt der heutige Antrag an. Es handelt sich aus
einer Sicht um einen Dreiklang. Denn wir fordern,
ass Tourismus, Landschaftspflege und Landwirtschaft
ünftig enger zusammenarbeiten sollen. Nach unserer
nsicht können Tourismus, Landwirtschaft und Land-
chaftspflege in den Regionen, in denen eine wirtschaft-
ch tragfähige Landbewirtschaftung zunehmend schwie-
ger wird, gemeinsam gegensteuern: Der Tourismus
tärkt die Wirtschaft der Region und trägt so dazu bei,
ass sich Landbewirtschaftung weiter lohnt. Im Gegenzug
ichert Landschaftspflege nachhaltige Nutzungen und
chafft so eine besondere Grundlage für erfolgreichen
ourismus. Dieses Wechselspiel gilt es zu stärken.
An dieser Stelle möchte ich unserem Kollegen Josef
oppel danken, der als Vorsitzender des Deutschen Land-
chaftspflegeverbandes uns als Tourismuspolitiker der
nion für dieses Problem sensibilisiert hat und Mitinitia-
r des Antrages ist. Gerne haben wir seine Ideen aufge-
ommen und in den vorliegenden Antrag einfließen las-
en. Persönlich freue ich mich außerordentlich, dass das
hema Landschaftspflege und Tourismus zum ersten Mal
Deutschen Bundestag debattiert wird. Diese Thematik
arf gerade hinsichtlich ihrer querschnittsübergreifenden
edeutung künftig nicht unterschlagen und von der
genda gestrichen werden.
Schon Carl von Carlowitz, ein sächsischer Oberberg-
ann, erkannte als Erster im 18. Jahrhundert die Wich-
gkeit von einem nachhaltigem Umgang mit der Natur-
nd Kulturlandschaft und schrieb: „Wird derhalben die
rößte Kunst/Wissenschaft/Fleiß und Einrichtung hiesi-
er Lande darinnen beruhen/wie eine sothane Conserva-
on und Anbau des Holtzes anzustellen/daß es eine con-
nuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe/
eiln es eine unentberliche Sache ist/ohne welche das
and in seinem Esse nicht bleiben mag.“
Diesem Gedanken folgend möchte ich noch einmal
etonen, dass eine nachhaltige Tourismusentwicklung
kologische, ökonomische und soziale Aspekte gleicher-
aßen vereint. Nur so kann aus meiner Sicht eine stär-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6587
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kere Nutzung regionaler Produkte im Tourismus sehr gut
mit Naturschutz einhergehen und gleichzeitig Arbeits-
plätze schaffen.
Darüber hinaus trägt der Tourismus erheblich zum Le-
bensstandard und zum Lebensgefühl der Bevölkerung bei
und ist ein wichtiger Teil der Identifikation einer Region,
der Heimatverbundenheit sowie der Pflege von Brauch-
tum und Traditionen. Kurze Transportwege, regionale
Wirtschaftskreisläufe sowie mehr Wertschöpfung und
Arbeitsplätze vor Ort sind Ergebnisse einer Synergie von
Tourismus, Landwirtschaft und Landschaftspflege und
dienen dem Klimaschutz. Es lohnt sich deshalb, die Zu-
sammenarbeit von Naturschutz, Landwirtschaft und Tou-
rismus weiter auszubauen.
Aus meinem eigenen Wahlkreis ist mir beispielsweise
das gelungene Naturschutzgroßprojekt „Bergwiesen“
bekannt. Projektträger ist mein eigener Wahlkreis „Säch-
sische Schweiz – Osterzgebirge“. Ziel ist es dort, die ein-
zigartigen Wiesenlandschaften mit ihrer schützenswer-
ten naturräumlichen Ausstattung und bemerkenswerten
Flora und Fauna zu erhalten und ihre Attraktivität so-
wohl für Einheimische als auch für Gäste zu erhöhen.
Neben dem ästhetischen Erfolg ist eine deutlich ge-
wachsene Besucherzahl aus weiten Teilen Deutschlands
und Tagesbesuchern aus der näheren Umgebung zu kon-
statieren. All das wäre selbstverständlich ohne das groß-
artige Engagement der Landwirte und der vielen ehren-
amtlich Tätigen vor Ort nicht möglich. Diesen gilt
insbesondere mein Dank.
Aber wir müssen an dieser Stelle auch ganz klar sagen:
Die Landwirte brauchen in Zukunft ein verlässliches Fi-
nanzierungskonzept, um ihr langfristiges Überleben zu
sichern. Landschaftspflege muss sich für Landwirte auch
lohnen, und die bürokratischen Hemmnisse bei der Mit-
telbewilligung und beim Mittelabfluss müssen abgebaut
werden. Auch im Interesse einer nachhaltigen Tourismus-
entwicklung muss hier künftig eine größere Unterstüt-
zung erfolgen.
Die vielfältigen Kulturlandschaften sind ein wichtiger
Beitrag zur touristischen Attraktivität unseres Landes. Sie
sind das Ergebnis der seit Jahrhunderten durchgeführten
Landbewirtschaftung. Durch die einsetzende Gefährdung
gilt es meines Erachtens, die Zusammenarbeit und die
Vernetzung zwischen Tourismus und Landschaftspflege
im ländlichen Raum zu intensivieren. Nur durch diese
Zusammenarbeit kann die attraktive Vielfalt unserer Kul-
turlandschaft gesichert werden. Das nationale Naturerbe,
die Naturschutzgroßprojekte des Bundes, die nationalen
Natur- und Kulturlandschaften sowie das Bundespro-
gramm „Biologische Vielfalt“ müssen weiter unterstützt
werden.
Meines Erachtens bietet die engere Verknüpfung von
Tourismus, Landschaftspflege und Landwirtschaft eine
Vielzahl von ökonomischen und ökologischen Chancen.
Das, was sie auf jeden Fall bietet, ist eine Besinnung auf
die eigene Heimat, den Erhalt ihrer Natur und eine
Chance zur Stärkung des Gemeinsinns. Dafür lohnt es
sich, zusammen einzutreten.
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Heinz Paula (SPD): Deutschland bietet eine große
ielfalt an Natur und Landschaft: Küsten, Seen, Flüsse,
attlandschaften, sandige Heiden oder Mittel- und
ochgebirge. Das Potenzial in ländlichen Regionen mit
rem unverwechselbaren kulturellen Erbe, ihren vielsei-
gen Landschaften und ihrer Naturnähe erkennen zuneh-
end mehr Urlauberinnen und Urlauber.
Naturnahe Landschaften haben eine enorme touristi-
che Anziehungskraft. Touristinnen und Touristen aus
eutschland und der gesamten Welt erholen sich an den
een, wandern in den Bergen, erkunden die Naturschutz-
ebiete und besuchen die vielen Sehenswürdigkeiten.
ür 40 Prozent gehören Urlaub und Naturerleben zusam-
en – Tendenz steigend.
Ländliche Regionen mit ihrer Naturnähe und Touris-
us sind zwei Seiten derselben Medaille. Insbesondere
r strukturschwache ländliche Regionen ist die nachhal-
ge touristische Nutzung der Naturlandschaften ein
edeutender ökonomischer Faktor. Er ist eine tragende
äule für ihre Wirtschaftskraft. Mit rund 2,8 Millionen
eschäftigten und über 100 000 Ausbildungsplätzen ist
ie Tourismusbranche einer der wichtigsten Wirtschafts-
weige in Deutschland. Die Anzahl der Gästeübernach-
ngen in Deutschland beträgt 2008 laut DRV 370 Mil-
onen. Die Reiseausgaben der Deutschen beliefen sich
Inland auf über 66 Milliarden Euro (Statistik DZT).
Zugleich stärkt der Tourismus auch die Verbundenheit
it der Heimat und trägt dazu bei, dass dem Erhalt von
atur und Landschaft ein hoher Wert beigemessen wird.
ie kaum ein anderer Wirtschaftszweig ist der Landtou-
smus auf eine vielseitige, intakte Natur und Umwelt
ngewiesen. Zersiedelte und verbaute Landschaften lo-
ken die wenigsten. Ein „gesundes Klima“ ist vielen
enschen dabei besonders wichtig. Daher gilt: Ein na-
rnaher Landtourismus bietet großes Potenzial, stellt
ns aber gleichzeitig vor große Herausforderungen. Ziel
ei allen Überlegungen hinsichtlich naturtouristischer
ngebote muss daher sein, die Vielfalt unserer Natur zu
chützen. Ökologische Aspekte und der Grundsatz der
achhaltigkeit müssen hier als Gradmesser im Wettbe-
erb herausgestellt werden. Ein Tourismuskonzept für
ndliche Regionen muss in Einklang stehen mit dem
atur- und Umweltschutz sowie einer nachhaltigen
andwirtschaft und muss zugleich auch aktuelle gesell-
chaftliche Entwicklungen wie den demografischen
andel einbeziehen.
Ihr Antrag „Tourismus und Landschaftspflege ver-
nüpfen – Gemeinsam die Entwicklung ländlicher
äume stärken“ ist – mit Verlaub – das Papier nicht
ert, auf dem er steht. Alle wesentlichen Punkte zur
tärkung ländlicher Regionen bleiben für uns Sozialde-
okraten im Forderungsteil unberücksichtigt. Lassen
ie mich dies an ein paar Punkten verdeutlichen:
Kein Wort über eine ressortübergreifende Politik, die
ich an den Problemen der ländlichen Regionen orien-
ert und eine integrierte ländliche Entwicklung unter-
tützt.
Kein Wort zur Weiterentwicklung der Gemeinschafts-
ufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“ sowie der
6588 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
(A) )
)(B)
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen
Wirtschaftsstruktur“ als zentrale Förderinstrumente länd-
licher Regionen.
Kein Wort zu der Bedeutung des bürgerschaftlichen
Engagements als tragende Säule des gemeinschaftlichen
Zusammenlebens im ländlichen Raum.
Fehlanzeige auch in der Frage von barrierefreien An-
geboten insbesondere beim Naturerleben.
Fehlanzeige ebenso bei der Frage einer passgenauen
Aus- und Fortbildung für Touristiker, bei der Kenntnisse
über die nationalen Naturlandschaften und Ziele eines
nachhaltigen Tourismus verbindlich aufgenommen wer-
den.
Mit unseren beiden Anträgen – „Nationale Naturland-
schaften – Chancen für Naturschutz, Tourismus, Um-
weltbildung und nachhaltige Regionalentwicklung“ aus
dem Jahr 2006 und „Unsere Verantwortung für die länd-
lichen Räume“ aus dem Jahr 2007, die wir gemeinsam
noch mit den Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU
in der Regierungskoalition beschlossen haben, waren
wir schon viel, viel weiter. All die genannten Punkte fin-
den Sie in den Anträgen wieder. Ich empfehle Ihnen:
Holen Sie sich diese aus der Schublade! Es lohnt sich.
Auffallend ist, dass Sie den Begründungsteil Ihres
Antrages in weiten Teilen aus der Resolution des Deut-
schen Verbandes für Landschaftspflege von 2008 abge-
schrieben haben. Auffallend ist allerdings auch, dass Sie
die Handlungsbedarfe und Forderungen der Resolution
nicht übernommen haben, wie beispielsweise – ich zi-
tiere – „dass der Tourismus nicht auf umweltbelastende
und landschaftszerstörende Großprojekte setzt“, „dass
sich der Tourismus an den Kosten beteiligt, die zum Er-
halt der Kulturlandschaft erforderlich sind“. Dazu gehört
auch die Forderung nach „einer Reform des kommuna-
len Finanzausgleichs“.
Auffallend ist ferner, dass Sie in Ihrem Forderungsteil
ländliche Räume erneut wieder nur einseitig – als Wir-
kungsfeld agrarischer Prozesse – verstehen. Einen res-
sortübergreifenden Politikansatz, der sich an den Men-
schen vor Ort orientiert und eine integrierte ländliche
Entwicklung unterstützt, sucht man vergebens.
Auffallend ist ebenso, dass Sie in der Diskussion über
die Weiterentwicklung der EU-Politik nach 2013 – ich
zitiere – „für die Fortführung einer starken ersten Säule
und für eine finanziell gut ausgestattete zweite Säule der
gemeinsamen EU-Agrarpolitik eintreten“. Eine Strategie
hinsichtlich der weiteren Ausrichtung der EU-Agrarpoli-
tik wird allerdings nicht erkennbar. Für Sie gilt: weiter
so wie bisher. Hier sind die EU und wir Sozialdemokra-
ten schon weiter. Wir wollen die Direktzahlungen stärker
konditionieren, das heißt zum Beispiel Basisprämie, der
Rest der Direktzahlungen als an Leistung, zum Beispiel
Umweltschutz, gekoppelte Prämie.
Sie präsentieren sich als Anwalt des ländlichen Rau-
mes und machen sich für eine zweite Säule stark. Gleich-
zeitig setzen Sie genau dort den Rotstift an, wo Nachhal-
tigkeit und Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft und der
ländlichen Räume gefördert werden. Sie kürzen die Mit-
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l aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
grarstruktur und Küstenschutz“ um 100 Millionen Euro
nd ebenso die Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe
Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ um
0 Millionen Euro als zentrale Förderinstrumente ländli-
her Räume. Das ist der Gipfel der Dreistigkeit. Oder soll
h es so verstehen, dass Sie Ihren kapitalen Fehler korri-
ieren wollen?
Ich meine unsere ländlichen Regionen haben mehr
orgfalt verdient. Ich fordere die Kolleginnen und Kol-
gen von CDU/CSU und FDP auf: Wachen Sie auf! Ma-
hen Sie endlich Schluss mit solch halbherzigen und
cheinheiligen Initiativen!
Fazit: Ihr Antrag für eine Stärkung der ländlichen Re-
ionen ist völlig unzureichend, ja überflüssig. Wir lehnen
ren Antrag deshalb ab. Wir fordern Sie vielmehr auf,
nsere fundierten CDU/SPD/CSU – Anträge „Nationale
aturlandschaften – Chancen für Naturschutz, Touris-
us, Umweltbildung und nachhaltige Regionalentwick-
ng“ aus dem Jahr 2006 und „Unsere Verantwortung für
ie ländlichen Räume“ aus dem Jahr 2007 konsequent
mzusetzen. So dienen wir der Entwicklung ländlicher
äume und stützen die Belange des Tourismus.
Jens Ackermann (FDP): Der ländliche Raum ver-
ient unsere besondere Aufmerksamkeit. Wer die Schaf-
ng gleicher Lebensbedingungen in allen Teilen
eutschlands als Auftrag ernst nimmt, weiß das. Doch
ie können wir den ländlichen Raum stärken? Die Land-
irtschaft allein schafft dies sicher nicht, der demografi-
che Wandel schreitet munter voran. Immer mehr junge
enschen wandern in Ballungsräume ab. Solange dort
ie wirtschaftliche Entwicklung so viel positiver ist als
uf dem Land, wird sich dieser Trend noch fortsetzen.
Eine Antwort bietet der Tourismus. Die Schaffung
ieler – auch hochqualifizierter – Beschäftigungsverhält-
isse in dieser Zukunftsbranche kann hier einen Um-
chwung einläuten. Doch damit nicht genug: Die Ver-
nüpfung von Tourismus und Landschaftspflege, die wir
ereits im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP
eschlossen haben, bringt auch einen Mehrwert jenseits
es Tourismus: Sie erhält bzw. belebt Landschaften wie-
er, ist aktiv gelebter Umweltschutz und führt zu einem
trukturwandel, der nicht „Heimat“ zerstört, sondern
urch ihre Bewahrung Neues ermöglicht.
Wir müssen auf nachhaltige Tourismusprojekte set-
en, damit die Qualität der Destinationen erhalten bleibt
der oft noch besser ausgebaut wird. Dieses enorme Po-
nzial spiegelt sich in den Gästezahlen wider: Touris-
us in Deutschland ist ein Boommarkt. Die Erhebungen
es Statistischen Bundesamtes zeigen, dass die Ankünfte
Deutschland im Jahr 2009 im Vergleich zum Vorjahr
m mehr als 9 Prozent gestiegen sind. Dieser Trend wird
ich in den nächsten Jahren fortsetzen.
Die Einwohner vor Ort haben in einer landschaftlich
izvollen Gegend eine höhere Lebensqualität. Es kann
ine Angebotsvielfalt entstehen, vom Müritz-National-
ark in Mecklenburg-Vorpommern über die Magdebur-
er Börde und Regensburg bis zu den Bayerischen Al-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6589
(A) )
)(B)
pen. Davon profitieren Kommunen und die regionale
Wirtschaft gleichermaßen.
Ich darf Sie bitten, uns bei dieser wirklich wichtigen
Strukturmaßnahme zu unterstützen.
Kornelia Möller (DIE LINKE): Ihr heutiger Antrag
erinnert stark an Ihren Antrag zum Kulturtourismus, den
wir im Februar beraten hatten. Thematisch haben die
beiden Anträge zwar nicht viel miteinander zu tun, sie
gleichen sich allerdings in ihrer Substanzlosigkeit. Wie-
der ein Schaufensterantrag, genau wie beim letzten Mal.
Von Ihnen, Frau Mortler, und Ihnen, Herr Meierhofer,
gerade als bayerische Abgeordnete hätte ich aber mehr
erwartet. Sie könnten besser wissen, wie man Landtou-
rismus effektiv gestaltet. Schließlich steht unser schönes
Bayern im Bundesvergleich mit circa 60 Millionen
Übernachtungen jährlich in den Landkreisen weit vorne.
Machen Sie sich doch vor dem Schreiben eines Antrags
persönlich vor Ort kundig, zum Beispiel bei einem Ak-
tivurlaub auf Kulturlandschaftspfaden, wie Tourismus
und Landschaftspflege zusammengebracht werden kön-
nen. Finden Sie vorher heraus, welche konkreten
Schritte für die Beteiligten vor Ort nötig sind, um eine
Optimierung im Sinne einer wirklichen Verknüpfung
von Tourismus und Landschaftspflege zu erreichen.
Stichwort: LEADER und sein Nutzen für Landwirt und
Eigentümer.
Ihr Antrag, Frau Mortler und Herr Meierhofer, igno-
riert die aktuelle Entwicklung in der Landwirtschaft, die
hin zu einer Industrialisierung geht, was für Natur und
Umwelt und damit auch für den naturorientierten Touris-
mus fatale Auswirkungen hat.
Den in Ihrem Antrag angesprochenen Direktzahlun-
gen als erster Säule in der europäischen Agrarpolitik
müssen ökologische und soziale Verpflichtungen der
Zahlungsempfänger an die Seite gestellt werden, sonst
fördern Sie lediglich den negativen Strukturwandel wie
zum Beispiel das Höfesterben. Sie tragen mit Ihrem An-
trag nichts bei zum Erhalt der biologischen Vielfalt, zum
Klimaschutz oder zur nachhaltigen Entwicklung in länd-
lichen Räumen. In diesem Sinne ist Ihr Antrag sogar
kontraproduktiv. Zudem blenden Sie wesentliche Ent-
wicklungen der letzten Jahre aus, wie zum Beispiel die
zunehmende Flächenkonkurrenz in den Kultur- und Na-
turräumen zwischen Landwirtschaft und regenerativer
Energie (Photovoltaik, Windenergie, Maisanbau für Bio-
gas usw.) oder die Flächenbelastung durch unnötigen
weiteren Ausbau der Verkehrsinfrastruktur.
Eine sinnvolle Herangehensweise an die Verknüpfung
von Tourismus und Landschaftspflege ist es, ein Touris-
muskonzept für den ländlichen Raum zu entwickeln, das
den Herausforderungen für den Landtourismus gewach-
sen ist. Es ist zwar schön, dass im Koalitionsvertrag zwi-
schen CDU/CSU und FDP vorgesehen ist, eine Touris-
muskonzeption für den ländlichen Raum zu erstellen.
Wenn dieses zeitlich so weit nach hinten rückt, dass
nicht einmal die antragstellenden Damen und Herrn Ko-
alitionäre darauf warten können, ist es fraglich, welchen
Wert es hat. Ein sinnvolles Tourismuskonzept muss die
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erschiedenen Entwicklungen im ländlichen Raum unter
inen Hut bringen, wie zum Beispiel eine meist defizi-
re Infrastruktur, den Strukturwandel in der Landwirt-
chaft, den demografischen Wandel und eine sich verän-
ernde Tourismusnachfrage. In Ihrem Forderungsteil
ehen Sie nicht einmal auf einen dieser Aspekte ein.
Sie stellen fest, dass Menschen öfter reisen und kür-
ere Zeit am Urlaubsort verbleiben, doch ziehen Sie da-
us keine Konsequenzen. Diese veränderte Urlaubskon-
eption führt zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen
nd zur stärkeren Umweltbelastung, wenn wir nicht
leichzeitig ökologische und umweltverträgliche – und
achhaltige – Verkehrswege durch Bahn und ÖPNV ge-
ährleisten und dem Rückzug der Bahn „aus der Flä-
he“ entgegenwirken.
Ein Beispiel für ein weitreichendes und erfolgreiches
erkehrskonzept ist das Gästeservice Umwelt-Ticket,
UTi, im Bayerischen Wald. Es beinhaltet für Gäste der
n diesem Konzept beteiligten Gemeinden eine kosten-
se Beförderung im gesamten Bayerwald-Ticket-Tarif-
ebiet. Dadurch können verschiedene Ausflugsziele im
ayerischen Wald umweltschonend erreicht werden.
Sie sprechen auch von nachhaltiger Tourismusent-
icklung – und das ist gut so. Peinlich wird es dann al-
rdings, wenn wir daraufhin konkrete Ideen suchen. Al-
s, was Sie in Ihrem Feststellungsteil zu bieten haben,
t die Nutzung von regionalen Produkten im Tourismus.
ber entschuldigen Sie bitte, es gehört doch allgemein
um „bewussten“ Konsum, beim Einkauf auf die regio-
ale Herkunft der Produkte zu achten. Es entsteht ja fast
er Eindruck, dass Sie nur im Bereich Tourismus Wert
uf einen verantwortungsvollen Konsum legen und Ih-
en sonst nichts einfällt.
Wie ich eingangs erwähnte, liegt Bayern bei den
bernachtungen, gemessen an Beherbergungsstätten mit
und mehr Betten, mit 60 Millionen Übernachtungen im
ahr 2009 in den bayerischen Landkreisen bundesweit
uf dem ersten Platz. Und Landtourismus ist eine der am
tärksten wachsenden Urlaubsformen. Leider gibt es
eine bundesweit belastbaren Zahlen oder amtlichen
tatistiken zur Bedeutung und Entwicklung des Touris-
us im ländlichen Raum. Die alle zwei Jahre stattfin-
enden Untersuchungen auf Basis der Reiseanalyse des
stituts für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeu-
pa GmbH reichen nicht aus. Man bekommt den Ein-
ruck, als interessiere sich die Bundesregierung nicht für
iesen wichtigen regionalen Wirtschaftszweig.
Ist Ihr Feststellungsteil schon schwammig, toppt der
orderungsteil das noch. Da belassen Sie es bei freiwilli-
en Kooperationen mit Grundeigentümern und Bauern,
m die Sicherung artenreicher und attraktiver Land-
chaften zu unterstützen, was ja schon mal ein Anfang
t. Bindende Zusagen an die Grundeigentümer und
andwirte fehlen ebenso wie eine finanzielle Unterstüt-
ung für Landwirte, damit sie die Aufgabe, die sich ih-
en stellt, auch erfüllen können. Wenn Sie vor allem Be-
örden und Verbände stärken möchten, können Sie dies
o beantragen. Jedoch ist dieser Antrag für Bodeneigen-
mer und Landnutzer ungeeignet.
6590 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
(A) )
)(B)
Ein ernst gemeinter Antrag im Sinne der Verbindung
von Tourismus und Landschaftspflege muss sehr viel
umfassender ansetzen und Verbindlichkeiten schaffen.
Zu nennen wären da beispielsweise die Erweiterung der
Investitionsförderung im Rahmen der Gemeinschafts-
aufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz, GAK, unter
Berücksichtigung der Barrierefreiheit als wichtiges Ele-
ment des Qualitätstourismus im ländlichen Raum, ein
Innovationsprogramm für Angebote im ländlichen
Raum, das durch konkrete Förderprogramme für nach-
haltigen Tourismus flankiert wird, und der Ausbau des
Breitbandanschlusses.
Bei Ihnen fehlt es jedoch an konkreten konzeptionel-
len Überlegungen, die über schwammig gehaltene „Frei-
willigkeiten“ hinausgehen und denen bindende Maßnah-
men folgen. Zudem muss die Bundesregierung in all
ihren Anstrengungen die Schaffung von barrierefreiem
Landtourismus im Auge haben und gewährleisten.
Man kann noch nicht einmal sagen, Sie seien als Ti-
ger gestartet und als Bettvorleger gelandet. Mit diesem
Antrag bleiben Sie gleich als Bettvorleger liegen.
Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
Bedeutung der ländlichen Räume wird oft unterschätzt.
Um die Bedeutung der ländlichen Bereiche unseres Lan-
des zu ermessen, muss man sich zunächst mal einige
grundlegende Dinge vor Augen führen: Zwei Drittel der
deutschen Bevölkerung leben in ländlich geprägten Re-
gionen. In diesen Regionen existieren mehr als 23 Mil-
lionen Arbeitsplätze, und hier werden 57 Prozent der
Wirtschaftsleistung Deutschlands erbracht.
Sie sind aber nicht nur ein wichtiger Wirtschafts-
standort, sondern aufgrund ihrer reichhaltigen Naturaus-
stattung Lebensräume für Fauna und Flora und vor allem
Rückzugs- und Erholungsraum für den Menschen.
Im ländlichen Raum liegen also zentrale ökologische,
aber auch ökonomische Zukunftsperspektiven, die in
Angriff genommen werden müssen. Gleichwohl müssen
Antworten auf soziale Herausforderungen wie den de-
mografischen Wandel gefunden werden. Tourismuspoli-
tisch können wir auch die steigende Beliebtheit der
Inlandsreisen und hier vor allem des Kurzurlaubs erken-
nen. Das ist eine große Chance, den vielen ländlichen
Regionen eine neue wirtschaftliche Perspektive zu ge-
ben. Gleichzeitig ermöglicht ein nachhaltiger Tourismus
den Erhalt unserer Kulturlandschaften. Er leistet darüber
hinaus einen Beitrag etwa zum Erhalt der Biodiversität.
Damit die im Einleitungsteil erwähnte Situationsana-
lyse aber auch ihre gewünschte nachhaltige – also ökolo-
gische, ökonomische und soziale – Wirkung für den
ländlichen Raum entfaltet, ist eine Vielzahl von Parame-
tern zu beachten. Diese bleiben in dem Antrag uner-
wähnt. Und genau da treffen wir das Manko des An-
trags: Die Forderungen passen nur teilweise zu ihrer
Analyse. Es fehlt an Verbindlichkeit und damit letztlich
an Stimmigkeit. Da hätte ich mir mehr Mut gewünscht.
Dennoch: Ich freue mich sehr, dass wir heute über die
künftige Gestaltung dieser Regionen diskutieren. Und
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h gebe auch unumwunden zu: Die zunehmend grüne
andschrift in Ihrem Antrag gefällt mir außerordentlich.
Ich möchte Ihnen die Knackpunkte an einigen Bei-
pielen verdeutlichen:
Sie fordern die Bundesregierung auf, die Sicherung
rtenreicher und attraktiver Landschaften über ver-
tärkte, freiwillige Kooperationen mit den Grundeigen-
mern und Bauern vor Ort stärker zu unterstützen. Das
egrüße ich ausdrücklich. Wenn Sie das jedoch ernsthaft
ollen, dann müssen Sie auch die finanziellen Rahmen-
edingungen schaffen. In den bisher stattgefundenen
aushaltsberatungen zum kommenden Bundeshaushalt
at sich das nicht niedergeschlagen.
Schauen Sie sich doch die bäuerlichen Strukturen an!
ier muss dringend umgesteuert werden. Sie haben die
öglichkeit, hier wirklich etwas im Interesse unserer
ndlichen Räume zu tun. Lippenbekenntnisse helfen vor
rt nicht weiter.
Stattdessen fordern Sie ein „Weiter so“ in der Agrar-
rderstruktur. Eine „starke” erste Säule und eine „finan-
iell gut ausgestattete” zweite Säule in der gemeinsamen
U-Agrarpolitik hilft nur den industriellen Agrargroßbe-
ieben. Ich sage Ihnen: Umgekehrt wird ein Schuh da-
us. Statt weiterhin auf einen hohen Anteil an Direkt-
ahlungen zu pochen, sollte die Koalition, wenn es ihr
irklich ernst um die regionale Wirtschaftsentwicklung
nd den Naturschutz ist, die zweite Säule stärken.
Wir Grüne wollen, dass es nach 2013 eine Kehrt-
ende im jetzigen Fördersystem gibt. Heute bekommt
ie industrielle Landwirtschaft die meisten Subventio-
en. Die damit verbundenen Kosten durch Wasserver-
chmutzung, Verlust an biologischer Vielfalt und alle
eiteren Nebeneffekte müssen von der Gesellschaft als
anzes getragen werden. Im Interesse vieler kleinerer
ndwirtschaftlicher Betriebe, insbesondere in besonders
enachteiligten Gebieten mit Hanglage usw., unserer
ulturlandschaften und damit auch der touristischen
ntwicklung muss es ein Umdenken geben.
Ein Ausgleich über die gute fachliche Praxis hinaus
t seit langem eine grüne Forderung. Dafür müssen je-
och auch in den entsprechenden Ausschüssen die Krite-
en der guten fachlichen Praxis im Hinblick auf Biodi-
ersität, Naturschutz und Erhalt der Kulturlandschaft
berarbeitet und nicht stets ausgebremst werden. Denn
h betone das auch gerne noch einmal: Keine Branche
bt so sehr von intakten Naturräumen wie der Touris-
us. Auch hier stellt sich allerdings die Frage: Woher
ehmen Sie die finanziellen Mittel? In den Haushaltsplä-
en ist das nicht abgebildet. Ich mache Ihnen einen Vor-
chlag: Strukturieren Sie die erste Säule der GAP um.
afür müssten Sie allerdings dem „Charme“ und der
urchsetzungsfähigkeit des Herrn Sonnleitner widerste-
en.
Ich frage mich bei Ihrer Forderung unter Punkt zwei:
as tut denn die Bundesregierung aktiv, um die Vernet-
ung von Grundeigentümern, Bauern, Naturschützern
nd Kommunen zu unterstützen? Auch hier gilt: Ihre
orderung ist grundsätzlich zu begrüßen, eine weitere
onkretisierung aber zwingend erforderlich.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6591
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)(B)
Grundsätzlich muss man sich ganz intensiv einigen
zentralen Fragen widmen, wenn man die ländlichen
Räume ökologisch, ökonomisch und sozial weiterentwi-
ckeln möchte:
Was können wir auf Bundesebene konkret tun? Man
wird dabei schnell auf die zentralen Bereiche Verkehr,
Regionalförderung und Steuern kommen. Wird hier
künftig in die gewünschte Richtung gearbeitet, sprich:
eine ökologische und soziale Lenkungsfunktion in den
Förderstrategien beachtet?
Ein anderer Bereich ist die vertikale Kooperation. Wo
können wir konkret finanziell fördern, um die interkom-
munale Zusammenarbeit auszubauen? Wird hier die
Rolle der Bund-Länder-Koordinierungstreffen ausrei-
chend genutzt?
Das BMELV hat festgehalten, dass nur ein Drittel
derjenigen, die Urlaub auf dem Land machen wollen, es
auch tatsächlich tun. Wie kann es also gelingen, dass die
Zahl auch tatsächlich erhöht wird? Sie alle wissen: Wir
stehen vor gewaltigen Herausforderungen, was die In-
landsvermarktung angeht.
Und noch etwas ganz Entscheidendes: Was tut die
Bundesregierung eigentlich, um die Entwicklung und
ihre tourismuspolitischen Instrumente zu evaluieren?
Ich schlage Ihnen vor, dass wir das, was wir gemein-
sam als wünschenswert erachten, gemeinsam konkreti-
sieren. Es gibt ein gemeinsames Ziel, nämlich die Kop-
pelung der Landschaftspflege mit der touristischen
Entwicklung in unseren ländlichen Regionen. Dieses
Ziel erreicht man nicht mit Lippenbekenntnissen, son-
dern mit greifbaren Maßnahmen.
Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie: Erstens.
Tourismus ist auf deutlichem Wachstumskurs: Bei Gäs-
ten aus dem Ausland wurden die krisenbedingten Rück-
gänge des vergangenen Jahres mehr als wettgemacht mit
11,4 Prozent mehr Auslandsgästen und 10 Prozent mehr
Übernachtungen per Juli 2010 zum Vorjahr. Der Inlands-
tourismus blieb bereits im vergangenen Jahr stabil und
wuchs in den ersten 7 Monaten dieses Jahres um 1,9 Pro-
zent auf 180,2 Millionen Übernachtungen.
Die Branche hat die Krise sehr schnell überwunden
und stellt erneut ihre Robustheit unter Beweis. Unsere
Stärken zahlen sich aus: die Vielfalt des touristischen
Angebotes, die verbesserte Qualität des touristischen
Angebotes (auch Servicequalität), das gute Preis-Leis-
tungs-Verhältnis.
Zweitens. Die Bundesregierung setzt klare Prioritäten –
auch für den Tourismus. Tourismus ist erstmals promi-
nenter Bestandteil des Koalitionsvertrages. Wir wissen,
dass der Tourismus eine der wesentlichen wirtschaftli-
chen Chancen für die ländlichen Räume ist. Wir werden
deshalb ein Tourismuskonzept für die ländlichen Räume
vorlegen, das praxisorientiert ist, den Querschnittscha-
rakter der Tourismuspolitik wie auch die unterschied-
lichen Ebenen der Zuständigkeit berücksichtigt. Auf
Ressortebene laufen die ersten Abstimmungen und Ko-
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rdinationen dazu, denn auf das gute Zusammenwirken
ller Beteiligten wird es ankommen.
Drittens. Tourismus lebt von intelligenter Vernetzung.
ies ist immer wieder eine große Herausforderung, auch
r mich als Tourismusbeauftragter. Für die ländlichen
äume und den vorliegenden Antrag heißt das, über die
achverbände und die kommunalen Spitzenverbände
uch die regionale und kommunale Ebene einzubezie-
en. Die Interessen von Tourismus, Landwirtschaft und
aturschutz müssen vor Ort unter einen Hut gebracht
erden.
Viertens. Artenreiche Landschaften sorgen für die
ohe Attraktivität des Reiselandes Deutschland. Der
eiz der Kulturlandschaft liegt in ihrer Vielfalt und un-
rschiedlichen Nutzungsarten, vor allem auch durch die
and- und Forstwirtschaft. Der ländliche Tourismus ist
ie gemeinsame Schnittstelle. Es gibt eine Vielzahl tou-
stischer Angebote, die die Erhaltung der Natur mit ih-
r touristischen Nutzung vereinbaren.
Die Bundesregierung fördert die verstärkte Entwick-
ng eines naturverträglichen Tourismus. Das „Erlebnis
rünes Band“ erschließt die ehemaligen Grenzsiche-
ngsanlagen entlang des Eisernen Vorhangs. Natur-
chutz und Tourismus arbeiten hier intensiv zusammen.
Außerdem fördert die Bundesregierung zahlreiche
rojekte zum Trend „Aktivurlaub in der Natur“. Dazu
ehören ein ressortübergreifendes Projekt mit fünf Bun-
esländern zur Förderung des Fahrradtourismus und eine
tudie zum „Zukunftsmarkt Wandern“. Damit sollen
ourismusanbieter unter anderem in den Mittelgebirgs-
gionen Know-how an die Hand bekommen, wie sie
en neuen Trend zum Wandern für sich erschließen kön-
en.
Fünftens. Die Bundesregierung stellt die Weichen und
as nötige Know-how. Sie wird auch zukünftig Leistun-
en der Land- und Forstwirtschaft für die Sicherung ei-
er attraktiven Kulturlandschaft und für flächende-
kende Landbewirtschaftung über die GAK fördern. Sie
etzt sich in der EU im Rahmen der Weiterentwicklung
er Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 mit Nach-
ruck für die Fortführung der einschlägigen Maßnahmen
er ländlichen Entwicklung zur Stärkung des Tourismus
ländlichen Gebieten ein.
Die Chancen sind gut, den starken Trend zum Na-
rerlebnis in der Freizeit und im Urlaub erfolgreich im
teresse der ländlichen Regionen zu nutzen und gleich-
eitig einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten.
nlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Bürgerfreundlichen
Ausbau der Rheintalbahn auf der Basis des Pro-
gnosehorizontes 2025 planen (Tagesordnungs-
punkt 16)
Steffen Bilger (CDU/CSU): Die Rheintalbahn ist
weifelsfrei eines der großen deutschen Bundes-Baupro-
6592 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
(A) )
)(B)
jekte des Verkehrsträgers Schiene. Der Engpass im
Rheintal muss beseitigt werden, um den wachsenden
Verkehrsströmen auf ökologisch und ökonomisch sinn-
volle Weise auf Gleisen gewachsen zu sein. Dabei geht
es uns in der Union nicht nur um die notwendige Schie-
nenerweiterung. Besonders der anwohnerfreundliche
Ausbau steht bei uns im Mittelpunkt. Die Belastung der
betroffenen Bürgerinnen und Bürger muss so gering wie
möglich gehalten werden. Deshalb ist der Antrag der
Grünen von der Idee her zu begrüßen. In der Tat handelt
es sich bei der Lärmbelastungsreduktion eben um ein be-
rechtigtes Anliegen. Leider bewahrheitet sich hier – wie
so oft – der Spruch: Gut gemeint ist das Gegenteil von
gut gemacht.
Die Grünen wollen in ihrem Antrag, dass der Deut-
sche Bundestag die Planfeststellungsbehörde anweist,
den Prognosehorizont des Jahres 2025 anstatt den des
Jahres 2015 zu nehmen. Hiermit wollen sie eine Verbes-
serung beim Lärmschutz für die Anwohner erreichen.
Wir von der Union wollen auch, dass die Anwohner bes-
ser vor Lärm geschützt werden. Nur, was würde passie-
ren, wenn der Bund der Planfeststellungsbehörde diese
Anweisung gibt? Es würde ein Fehler beim Verfahren
eintreten. Die Planfeststellungsbehörde muss ihre Ent-
scheidungen nämlich eigenständig treffen. Es entstünde
ein Abwägungsfehler. Das Resultat wäre: Durch eine an-
genommene Weisung wäre das Planfeststellungsverfah-
ren rechtlich anfechtbar. Und genau hier wäre dann das
Problem. Wie jeder weiß, gibt es immer und überall min-
destens einen, der sich ungerecht behandelt fühlen und
vor Gericht ziehen würde. Die Folge wäre genau das Ge-
genteil von dem, was die Grünen und wir alle wollen: ei-
nen effektiven Lärmschutz für die Anwohner der Rhein-
talbahn-Strecke. Deshalb lehnen wir den Antrag ab. Wie
gesagt: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht.
Wie wird es aber gut gemacht? Bestimmt nicht so,
wie es die Grünen in der letzten Zeit uns an vielen Stel-
len vormachen: mit Schaufensterpolitik nach dem
Motto: Hauptsache der Deutsche Bundestag ist beschäf-
tigt, und man kann anschließend oder auch schon vorab
in der Presse verkünden, was man wieder für Großtaten
auf der Bundespolitikbühne vollbracht hat. Außerdem
sieht dieser Antrag für mich nicht nach ehrlichem En-
gagement aus. Diese Drucksache riecht doch förmlich
danach, dass die Hoffnungen der Menschen vor Ort für
Meinungsmache missbraucht werden, um andere Ziele
zu erreichen. Das nenne ich nicht verantwortungsvolle
Politik, sondern durchsichtigen Vorlandtagswahlkampf.
Wer ist denn vor Ort? Wer besucht die Bürgerinnen
und Bürger, spricht mit ihnen, hört sich ihre Sorgen und
Nöte an, denkt kreativ über andere und neue Wege nach,
wie geholfen werden kann? Und jetzt sind wir auf der
Suche nach „gut gemeint und gut gemacht“ bei der Ant-
wort angekommen: Jetzt keine sinnlosen Anträge stel-
len, sondern konkret vor Ort überlegen, wie alles Not-
wendige möglich gemacht werden kann, um für mehr
Lärmschutz zu sorgen, eben zusammen mit den betroffe-
nen Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen und im Dia-
log gemeinsam mit allen Beteiligten mehr zu erreichen.
Genau das machen wir von der Union. Wir haben dafür
gesorgt, dass die zuständigen Staatssekretäre nach Baden
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amen, ebenso wie der Bahnchef. Der Vorsitzende des
orstands der DB AG kommt jetzt sogar zum zweiten
al innerhalb weniger Wochen an die Rheintalbahn-
rasse. Das alles geschieht nicht um der positiven Pres-
emeldungen im Anschluss. Hierbei wird konstruktiv
ommuniziert und nicht destruktiv beantragt.
Ich selbst war ebenfalls schon mehrfach mit CDU-
ollegen vor Ort und habe mich informiert. Gemeinsam
wischen Bund, Bahn, Land Baden-Württemberg und
er Raumschaft sind wir im Dialog dazu bereits voran-
ekommen. Wir sprechen dabei nicht nur, sondern han-
eln auch. Es wird auch neue Lärmschutzmaßnahmen
eben. Daran beteiligt sich das Land Baden-Württem-
erg freiwillig finanziell. So sieht ein ehrlicher Einsatz
r die Anwohner aus.
Apropos Anwohner: Das sind wirklich ehrbare und
onstruktiv-kritische Bürgerinitiativen. Hier setzen sich
eine Berufsdemonstranten nach ausgefeilten Plänen
on angekarrten Agenturen ein, wie wir das aus anderen
ällen kennen. Nein, das sind ehrliche Bürgerinnen und
ürger, die tatsächlich betroffen sind und die für sich
nd ihre Nachbarn etwas erreichen wollen. So etwas be-
rüßen wir.
Wir sind jetzt dank unserem Einsatz mit den Beteilig-
n in einer konstruktiven Phase. Das gibt Anlass zur
offnung. Mein erwähntes Beispiel ist ja auch erst der
nfang. Wir sind optimistisch, dass wir zu einem guten
rgebnis kommen werden. Diesen Realismus müssen
ir den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern vermit-
ln. Ein „Alles-wird-gut“-Pflaster in Form eines Feder-
trichs des Bundestages bringt hier nichts.
Ulrich Lange (CDU/CSU): In ihrem Antrag „Bür-
erfreundlichen Ausbau der Rheintalbahn auf der Basis
es Prognosehorizontes 2025 planen“ setzen sich Bünd-
is 90/Die Grünen für einen Ausbau der Rheintalbahn
in. Damit rennen sie bei uns offene Türen ein. Wir wis-
en, dass die Güterverkehrsleistung in den nächsten Jah-
n stark ansteigen wird. Die Koalition setzt sich unter
er Führung von Bundesverkehrsminister Dr. Peter
amsauer dafür ein, dass so viel Güter wie möglich auf
ie Schiene verlagert werden, um auf der einen Seite die
traße zu entlasten, aber auch um den CO2-Ausstoß zu
erringern. Unter dieser Prämisse unterstützen wir den
eplanten Ausbau der Rheintalbahn.
Die Aus- und Neubaustrecke Karlsruhe–Basel ist ei-
es der wichtigsten Verkehrsinfrastrukturprojekte des
undes. Die 182 Kilometer lange Strecke gehört zu den
m stärksten befahrenen Magistralen im Netz der Bahn.
it der Fertigstellung der neuen Eisenbahn-Alpen-
ransversale in der Schweiz wird die Strecke zum wich-
gsten nördlichen Zulauf dieses Korridors, der über
ailand bis nach Genua führt. Die Fertigstellung der
us- und Neubaumaßnahme ist für 2020 geplant. Die In-
estitionen belaufen sich auf 5,7 Milliarden Euro.
Die Grünen, die eigentlich ja den Ausbau wollen, be-
indern dieses Bahnprojekt jetzt mit der Begründung,
ass der Planungshorizont des Bundesverkehrswegepla-
es bis 2015 als Basis genommen werde. Aber liebe Ab-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6593
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geordneten von den Grünen, Sie wissen doch ganz ge-
nau, dass dies nicht der Fall ist. Sie wissen, dass das
Land Baden-Württemberg in Abstimmung mit dem
Bund und der Deutschen Bahn AG eine Nachfragepro-
gnose für den Schienengüterverkehr und den Schienen-
personenverkehr auf der Oberrheinstrecke mit dem Be-
zugsjahr 2025 in Auftrag gegeben hat, die seit Februar
2008 vorliegt. Wenn man die Prognosen für 2015 und
2025 miteinander vergleicht, gibt es aber keine gravie-
renden Unterschiede, sodass die bisherigen Planungen
auch nicht wesentlich verändert werden mussten. Eine
neue Prognose für den Horizont 2025 ist derzeit in der
Erarbeitung und wird zum Herbst dieses Jahres vorlie-
gen. Auch diese kommende Prognose wird, wenn sie
vorliegt, in die weiteren Planungen einbezogen.
Weiterhin fordern die Grünen, eine Lärmminderung
des Schienenverkehrs bei diesem wichtigen Projekt. Was
meinen die Grünen genau? Nun, dem Antrag ist es nicht
zu entnehmen. Wollen Sie für dieses eine Projekt den
bisher gültigen Schienenbonus infrage stellen? Wohl
kaum, da dies eine nicht zu rechtfertigende Sonderbe-
handlung eines einzigen Schienenprojektes wäre. Zum
Schutz der Anwohner sind beidseitig der neuen Gleise
Schallschutzwände mit einer Gesamtlänge von mehr als
zehn Kilometern vorgesehen. In Haltingen können nach
Auflage der Behörde Schallschutzwände mit einer Höhe
von bis zu fünf Metern zum Schutz der Anlieger vorge-
sehen werden. Auch in Weil am Rhein, Friedlingen und
Otterbach sollen Wände in Höhen zwischen eineinhalb
und fünf Metern errichtet werden. Auf 20 Kilometern
kommt ein besonders überwachtes Gleis (BüG) zum
Einsatz. Hier wird die Geräuschemission durch eine re-
gelmäßige besondere Behandlung der Schienenoberflä-
che reduziert.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG
Dr. Rüdiger Grube hat kürzlich angeboten, dass ange-
sichts der großen Bedeutung der Güterbahnstrecke am
Oberrhein die Deutsche Bahn AG zu einer Selbstver-
pflichtung bereit ist, auf dieser Strecke nur noch Güter-
züge mit durchgehend lärmgeminderten Waggons fahren
zu lassen. Allerdings müssten dann alle anderen Unter-
nehmen, die diese Strecke nutzen, die gleiche Verpflich-
tung eingehen. Ich finde, das ist das bedeutsamste und
wirksamste Angebot zur Lärmminderung, das wir auch
politisch unterstützen sollten.
Insbesondere die Grünen vor Ort, wie zum Beispiel in
Offenburg und Freiburg, agieren gegen den Ausbau, for-
dern die Aussetzung des Schienenbonus für diese Stre-
cke. Dies geht so nicht. Die Grünen blockieren den Aus-
bau dieses von ihnen selbst als so wichtig bezeichneten
Schienenprojektes, obwohl sie wissen, dass es für die
Rheintalbahn einen Projektbeirat, bestehend aus Mitglie-
dern des Bundes, der Länder, der Kommunen und der
Region, gibt, der gemeinsam mit der Bahn die jeweiligen
Streckenabschnitte diskutiert.
Vorstandsvorsitzender Dr. Grube wird sich Ende Ok-
tober mit den örtlichen Abgeordneten sowie Landräten,
Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern treffen. Im Ge-
gensatz zu der Zeit, in der Rot und Grün die Verantwor-
tung trugen, findet jetzt ein breit angelegter Dialog statt,
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on dem ich deutliche Verbesserungen für die laufenden
lanungen erwarte. Die Bahn zeigt sich in den Gesprä-
hen mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort kompro-
issbereit, kommt den Forderungen so weit wie möglich
ntgegen. Er wird alle problematischen Streckenab-
chnitte persönlich in Augenschein nehmen. Auch die
uständigen Staatssekretäre aus dem Bundesministerium
r Verkehr, Bau und Stadtentwicklung haben sich be-
its vor Ort kundig gemacht und den Dialog mit den
etroffenen geführt.
Deshalb fordere ich die Grünen auf: Verlassen Sie
re populistische Plattform und unterstützen Sie mit uns
en Ausbau dieser so stark befahrenen Magistrale! Ha-
en Sie Rückgrat und beweisen Sie, dass Sie vor Ort zu
em stehen, was Sie in Berlin mit großen Worten for-
ern.
Ute Kumpf (SPD): Worum geht es heute bei diesem
agesordnungspunkt? Mit dem Vertrag von Lugano im
ahr 1996 hat sich die Bundesregierung verpflichtet, die
heintalstrecke zwischen Karlsruhe und Basel als Zu-
ufstrecke zu den NEAT-Tunneln (NEAT – Neue Eisen-
ahn-Alpentransversale) Gotthard und Lötschberg vier-
leisig auszubauen. Dies steht im Einklang mit der EU-
erkehrspolitik, mehr Güterverkehr auf die Schiene zu
erlagern. Der Neu- und Ausbau der Rheintalbahn ist für
as Land Baden-Württemberg und seine Bürgerinnen
nd Bürger von Bedeutung.
Nur mit dem viergleisigen Ausbau kann der Verkehrs-
ollaps entlang der Rheinschiene verhindert, durch er-
öhte Kapazitäten auf der Schiene eine Verkehrsverlage-
ng „vom Laster auf den Zug“ erreicht werden. Dies
hrt zu einer Entlastung der Straßen in Deutschland, der
chweiz und Italien und somit zu weniger Staus und Ab-
asen.
Die Verkehrsverlagerung bedeutet für die Anwohner
er Rheintalbahn laut Bundesverkehrswegeplan 2003
ber bis zu 580 Züge pro Tag, darunter 280 Güterzüge.
is zu 155 davon werden nachts verkehren. Sollte zu-
em der Oberrhein-Bypass verwirklicht werden, müsste
ie Bevölkerung mit einem Güterzug alle drei Minuten
nd um die Uhr leben. Südbaden wird vom zusätzlichen
ahnverkehr nicht in Form von Reiseverbindungen pro-
tieren, wohl aber eine große Belastung in Form durch-
llender Güterzüge ertragen müssen. Viele Menschen
ntlang der Strecke müssen deswegen mit massiver
ärmbelästigung rechnen, wenn die jetzigen Planungen
estand haben.
„Güter auf die Schiene“ ist das Kredo einer men-
chenverträglichen, umweltfreundlichen und zukunftsfä-
igen Verkehrspolitik. Der Neubau zweier zusätzlicher
leise für den Güterverkehr am Oberrhein ist die Ver-
flichtung, den Transitgüterverkehr vollständig auf die
euen Gleise zu verlagern.
Der Ausbau der Rheintalbahn ist für den gesamten
üdwesten unumgänglich, ein Projekt, das die Menschen
der Region mittragen und konstruktiv begleiten. Ge-
de deshalb müssen sie bei diesem Großprojekt mitein-
ezogen, ihre berechtigten Sorgen und Verbesserungs-
6594 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
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wünsche dürfen nicht weiter ignoriert werden. DB AG
und Eisenbahn-Bundesamt sind gefordert, die Interessen
der Menschen in die Planung miteinzubeziehen. Be-
schlüsse können nicht am grünen Tisch gefällt werden.
Was und wie geplant wird durch die politischen Ent-
scheidungsträger, die DB AG und das Eisenbahn-Bun-
desamt, stößt auf enormen und berechtigten Widerstand
bei der Bevölkerung, den Kommunen und Bürgerinitiati-
ven. Die Menschen in der Region befürchten einen Ver-
lust an Lebensqualität und sehen ihre Gesundheit gefähr-
det. Die Umwelt wird beeinträchtigt, wertvolles
Ackerland wird unwiederbringlich vernichtet, Immobi-
lien verlieren an Wert, die Wirtschaftskraft wird ge-
schwächt. Ortschaften und Städte ersticken im Lärm,
jede vernünftige Kommunal- und Stadtentwicklung wird
zunichtegemacht.
Gegen die Bevölkerung ist dieses Vorhaben nur mit
großen Zeitverzögerungen und gesellschaftlichen Kon-
flikten zu verwirklichen. Absolute Priorität müssen
Maßnahmen zur Lärmminderung und Lärmvermeidung
sowie die Prüfung von alternativen Trassen haben.
Denn: Der Leidensdruck ist groß.
Wir, die SPD, unterstützen die alternative Trassenfüh-
rung „Baden 21“, ein Projekt, das Kommunen und die
Bürgerinitiativen der Interessengemeinschaft Bahnpro-
test an Ober- und Hochrhein, IG BOHR, erstellt haben,
eine Alternativplanung, die über 90 Kilometer von Of-
fenburg bis südlich von Buggingen im Markgräflerland
reicht und durch eine weitgehende Akzeptanz der Men-
schen am Oberrhein gekennzeichnet ist. Die entwickel-
ten Vorschläge machen Sinn: ein Güterzugtunnel durch
Offenburg, eine autobahnparallele Trasse von Offen-
burg bis Riegel, die Lärm meidet und Ackerland schont,
Mittel- und Teiltieflagen mit lokal verstärkten Lärm-
schutzmaßnahmen von Riegel bis Mengen, teilgede-
ckelte Tieflage von Mengen bis südlich Buggingen. Die
Alternativplanung kostet mehr Geld, wohl wahr.
Aber auf dieser Strecke, ein besonders attraktiver Teil
der Europäischen Schlagader Rotterdam–Genua, werden
hohe Gewinne der DB AG prognostiziert. Der Konflikt
ist, dass die Bahn nach derzeitigen existierenden gesetz-
lichen Mindestanforderungen bauen will. Zunächst ihr
gutes Recht, aber alle Auseinandersetzungen und Infra-
strukturprojekte in den letzten Jahren müssen doch nach-
denklich machen. Planungsprozesse und Projekte von ei-
ner langen Realisierungszeit müssen mit und nicht gegen
die Bevölkerung geplant werden. Widerstand und Blo-
ckaden kosten Zeit und Geld und spalten die Gesell-
schaft, was bei anderen Großprojekte sichtbar ist.
Unter Bundesverkehrsminister Tiefensee wurde des-
halb der Projektbeirat Rheintalbahn einberufen. Er soll
den Planungsprozess begleiten, alternative Lösungen
vorschlagen und Verbesserungen, zum Beispiel beim
Lärmschutz, einfließen lassen. Mitglieder sind Vertreter
des Bundesverkehrsministeriums, des Eisenbahn-Bun-
desamts, der DB AG, des Landes, Kommunen und Bür-
gerinitiativen. Dieser Beirat muss ernst genommen wer-
den und darf nicht zur Spielwiese verkommen.
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Das Ergebnis der Projektbeiratssitzung im Juli machte
en Menschen in der Region Hoffnung, dass ihre Sorgen
rnst genommen werden. Nun stehen das Land und die
undesregierung im Wort und müssen ihre Versprechun-
en einlösen, sonst war alles heiße Luft für die baden-
ürttembergische Landtagswahl.
Die Bundesregierung hat Untersuchungen zur auto-
ahnparallelen Trasse zugesagt, um diese besser mit der
ntragstrasse der Bahn vergleichen zu können. Ebenso
urde die Bahn aufgefordert, einen Plan für einen Tun-
el für Offenburg vorzulegen. Bahnchef Grube hat An-
ng September in Bad Krotzingen bei einem Treffen mit
ürgerinitiativen und Politikern der betroffenen Regio-
en angekündigt, dass die Bahn sofort damit beginnen
olle, eine Tunnelvariante bei Offenburg zu untersu-
hen. Zudem will er die Planungsabschnitte bereisen und
it den Bürgern und den Initiativen vor Ort sprechen.
Zum Antrag der Grünen. Der Ausbau der Rheintal-
ahn hat zur Folge, dass weit über 100 000 Güterzüge
ro Jahr auf der Trasse fahren. Ein derartiger Ausbau
ird nur akzeptiert, wenn Lärm aktiv angegangen wird.
ärmvermeidung ist sinnvoller als Millionen in Lärm-
chutz zu investieren.
Deshalb heißt es, dem Lärm an die Wurzel zu gehen:
eisere Schienen und verbesserte Bremsen an Güterzü-
en können zu effektiven und schnellen Erfolgen führen.
eckelungen, Tunnellösungen, Tieflagen und Schall-
chutzwände sind weitere Bausteine zur Lärmvermei-
ung. Damit das umgesetzt wird, brauchen wir ein lärm-
bhängiges Trassenpreissystem.
Ein anderes Instrument ist der Schienenbonus. Beim
chienenbonus handelt es sich um eine gesetzliche Re-
elung, nach der für Bahnlärm geringere Höchstgrenz-
erte gelten. Während bei Schienenlärm die Vorbeifahr-
egel von Güterzügen meist sehr hoch sind im Vergleich
u den Pegeln in den Lärmpausen, ist der Unterschied
wischen den Vorbeifahrpegeln im Straßenverkehr und
en Pegeln in den Lärmpausen sehr gering.
Lärm aber bleibt Lärm, egal ob durch Bahn oder
urch Pkw verursacht. Daher muss der Schienenbonus
llen. Längst ist er zum Schienenmalus geworden. Neue
ntersuchungen bestätigen den Schienenbonus nicht.
er Schienenbonus darf deshalb nicht Grundlage von
ktuellen und zukünftigen Bahnplanungen sein. Die
undesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag die Ab-
chaffung des Schienenbonus festgeschrieben. Dieses
uss nun umgesetzt werden. Es darf nicht bei leeren
ersprechungen bleiben.
Was den Antrag der Grünen angeht, liegt der inhalt-
ch richtig. Nur, und das sollten die Grünen eigentlich
issen, kann die Bundesregierung nicht die DB Projekt-
au GmbH anweisen, laufende Planfeststellungsverfah-
n im Sinne des Antrages durchzuführen. Das geht al-
in juristisch nicht.
Gemeinsame Anstrengungen für einen menschen-
nd umweltverträglichen Ausbau der Rheintalbahn sind
numgänglich. Notwendig ist ein gemeinsamer, konkre-
r Einsatz für das Projekt „Baden 21“. Nur wenn Bahn,
und und Land die über den gesetzlich vorgeschriebe-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6595
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nen Mindeststandard hinausgehenden Notwendigkeiten
zu finanzieren bereit sind, wird es zur Realisierung von
„Baden 21“ kommen.
Wir fordern die Bundesregierung auf, die Rheintal-
strecke zum Pilotprojekt für die Abschaffung des Schie-
nenbonus zu machen.
Sibylle Laurischk (FDP): Mit dem vorliegendem
Antrag wird erneut der Versuch unternommen, die Aus-
bauplanung der Rheintalbahn zu revidieren, was ich
grundsätzlich auch für notwendig halte. Wir wissen um
die Problemstellung; es handelt sich um ein Jahrhundert-
bauwerk und wahrscheinlich um mehr als das. Mit dem
Ausbau dieser Güterverkehrstrasse sind aber auch be-
gründete Ängste der Menschen in der gesamten Region
Südbaden verbunden, was nicht verwundert; denn das
viergleisige Trassenteilstück Offenburg–Basel ist Teil ei-
ner Hauptverkehrsader Europas, die Rotterdam mit Ge-
nua, die Nordsee mit dem Mittelmeer verbinden soll. Es
handelt sich also keineswegs um ein nur in Südbaden re-
levantes Problem, sondern es ist eine Problemlage von
europäischer Bedeutung. Deshalb ist es auch ernst zu
nehmen, dass mit einer solchen Güterzugtrasse eine un-
zumutbare Lärmbelästigung für die Menschen in den
vom Bau betroffenen Städten und Gemeinden verbunden
ist. Es wird aber auch eine wertvolle Kulturlandschaft
am Oberrhein mit dieser Trassenführung in ihrem Wert
deutlich gemindert. Deshalb fordern die Bürgerinitiati-
ven, die entlang der geplanten Trasse engagiert und
sachkundig die Planung kritisieren, eine für Menschen
und Umwelt verträgliche Lösung.
Dies wurde auch bei einem kürzlichen Informationsbe-
such des Vorsitzenden der Deutschen Bahn, Herrn Grube,
in Bad Krotzingen deutlich, der den Bürgermeistern der
betroffenen Städte und Gemeinden, den Landräten aus
dem Ortenaukreis und den Landkreisen Emmendingen,
Breisgau-Hochschwarzwald und Lörrach, insbesondere
aber auch den Vertretern der Bürgerinitiativen zusagte,
dass er in einer zweitägigen Bereisung die Problemlagen
vor Ort kennenlernen möchte. Weiter hat er zur Klärung
der Möglichkeiten eines Tunnelbaus unter Offenburg
Probebohrungen zugesagt.
Ergebnis solcher Aktivitäten kann nach meinem Da-
fürhalten nur sein, dass eine Überarbeitung der Planung
als notwendig erkannt wird, da die derzeitige Planung in
Anbetracht der absehbaren Mehrbelastung nicht mehr
den Erfordernissen für die kommenden Jahrzehnte ent-
spricht. Planung und Bau einer nicht leistungsfähigen
Trasse kann jedenfalls nicht im Interesse der Deutschen
Bahn sein und schon gar nicht des Steuerzahlers. Herr
Grube erkennt dies, wenn er davon spricht, dass mit Er-
öffnung des Gotthard-Tunnels eine Sogwirkung hin-
sichtlich des Benutzerandrangs auf dieser Gütertrasse
entstehen wird, was eine deutlich höhere Belastung als
noch vor Jahren geplant bedeutet.
Wir anerkennen – nach dem ökologisch und ökono-
misch richtigen Grundsatz: Personen und Güter von der
Straße auf die Schiene – ausdrücklich die Notwendigkeit
der Optimierung der Strecke Karlsruhe–Basel als Teil
der europäischen Nord-Süd-Magistrale und damit auch
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ie Notwendigkeit des dritten und vierten Gleises zwi-
chen Offenburg und Weil. Wir wollen die Verträge mit
er Schweiz erfüllen. Deshalb sind jetzt rasche Entschei-
ungen vonnöten.
Die Menschen in Südbaden erwarten zu Recht, dass
ren Bedürfnissen nach Lärmschutz und nach einer
ndschaftsverträglichen Verkehrsplanung Rechnung ge-
agen wird. Eine Beeinträchtigung der Anwohner durch
ärm, Flächenverbrauch und gegebenenfalls auch Ein-
riffe in das Eigentumsrecht werden unvermeidbar sein.
ie Akzeptanz dieser Eingriffe kann jedoch in entschei-
ender Weise erhöht werden, wenn auf die Bedürfnisse
es Umwelt- und Lärmschutzes mit integrierten Lö-
ungsansätzen bei der Verkehrswegeplanung und insbe-
ondere der Trassenführung geantwortet wird.
Mit der Untertunnelung statt Durchfahrung Offen-
urgs und der Entlastung südlich gelegener Städte und
emeinden wie Lahr, Herbolzheim und Kenzingen
urch eine autobahnparallele Neubautrasse, der Trassen-
bsenkung westlich Freiburgs bis zum Nordportal des
engener Tunnels sowie der teilgedeckelten Tieflage ab
üdportal des Mengener Tunnels bis südlich von Bug-
ingen würde eine echte Verbesserung der Planung er-
icht. Eine solche Trasse wäre leistungsfähiger als ein
urch diverse Ortsdurchfahrten belasteter Bahnbetrieb.
a es sich bei der geplanten Gütertrasse um reinen Fern-
erkehr handelt, ist eine Anbindung im lokalen Bereich
icht notwendig.
Die FDP-Fraktion hat sich mit Anträgen in der
5. und 16. Legislaturperiode immer wieder für eine Über-
lanung der vorgesehenen Ausbaustrecke ausgespro-
hen. Die jüngsten Einlassungen des Vorstandvorsitzen-
en der Deutschen Bahn lassen hoffen, dass das
ntsprechende Engagement von Bürgerschaft und Kom-
unalpolitik vor Ort und der Landesregierung in Baden-
ürttemberg nun auch bei der Deutschen Bahn ein Um-
enken bewirken, sodass sie nicht mehr der von der Grü-
en geforderten Anweisung bedarf.
Die Bahn kann hier unter Beweis stellen, dass sie in
er Lage ist, vorausschauend zu planen und zu handeln.
ies wird die Beratungen in den Ausschüssen in den
ächsten Monaten begleiten. Den Menschen in Südba-
en, aber nicht zuletzt auch der Transportwirtschaft ist
ine zukunftsorientierte Planung, die sich von überhol-
n Planungsansätzen löst, seitens der Deutschen Bahn
u wünschen.
Sabine Leidig (DIE LINKE): Nach den Planungen
er Deutschen Bahn AG wird zwischen Offenburg
nd Weil am Rhein mit der neuen Schienentrasse,
. und 4. Gleis der Rheintalbahn, die mit am stärksten
elastete Gütertransitstrecke Europas entstehen. Der mit
em hohen Güterzugaufkommen sich abzeichnende
ngpass im Raum Basel soll durch eine Umfahrung Ba-
els am Hochrhein entlang, Hochrhein-Bypass, umgan-
en werden. Beim viergleisigen Ausbau der Rheintal-
ahn handelt es sich um ein Jahrhundertprojekt, das die
egionen an Ober- und Hochrhein für Generationen prä-
en und nachhaltige Auswirkungen auf die hier lebenden
enschen haben wird.
6596 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
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Wir wissen, dass der Ausbau der Schiene für den Gü-
terverkehr nicht nur unumgänglich, sondern auch wün-
schenswert ist. Wir wissen längst, dass EU und Schweiz
auf dem Ausbau mit abnehmender Geduld bestehen –
und das zu Recht.
Aber: Die Bahnpläne stoßen auf den massiven Protest
der südbadischen Bevölkerung, der sich zunehmend
großräumiger und heftiger formiert. Die Bürgerinitiati-
ven kämpfen gegen die unzureichende Qualität der Bau-
maßnahme im Hinblick auf Lärm-, Landschafts- und
Flächenschutz sowie gegen den Hochrhein-Bypass. Aus
betriebswirtschaftlichen Gründen baut die DB AG mit
einem Minimum an Kosten und bürdet die daraus entste-
henden Folgekosten den betroffenen Gemeinden und ih-
ren Bürgern auf.
Auf den eigenen Güterverkehrstrassen sollen – so se-
hen es die europäischen Pläne und die Planungen der DB
AG vor – rund 500 Güterzüge täglich verkehren. Und
das bedeutet einen Dreiminutentakt, rund um die Uhr.
Es ist zu erwarten, dass die Rheintalstrecke den Groß-
teil dieser Zugbewegungen aufnehmen wird. Dies ist
von deutscher Seite politisch gewollt, um die Einnah-
menseite der DB AG auf ihrem Weg zur Börsenfähigkeit
zu verbessern. Allein auf der Strecke Offenburg–Weil
dürfte die DB Netz AG bei Vollauslastung Trassengelder
in der Größenordnung von 100 Millionen Euro pro Jahr
erlösen.
Es ist nicht akzeptabel, dass zugunsten höherer Ge-
winne aus dem Güterverkehrsgeschäft an Umweltmaß-
nahmen, an Löhnen und fairen Arbeitsbedingungen oder
eben an Lärmschutzmaßnahmen gespart wird.
Gemeinsam mit der Interessengemeinschaft Bahnpro-
test Ober- und Hochrhein, IG BOHR, verlangen wir,
dass die Billiglösung der Bahn ersetzt wird durch eine
wert- und nachhaltige, ökologisch sinnvolle Umsetzung
des Projektes – konkrete Vorschläge liegen längst auf
dem Tisch. Die Bundesregierung muss die DB AG auf
einen Kurs zwingen, der Akzeptanz findet in der Bevöl-
kerung in Südbaden.
Die Bewohner und Bewohnerinnen im Rheintal dür-
fen nicht die Leidtragenden sein, wenn noch mehr Gü-
terzüge mit transnationalen Transporten durch ihre Re-
gion rollen. Deshalb ist der bestmögliche Lärmschutz
das Mindeste, was die Bahn leisten muss.
Den Antrag der Grünen, der dies fordert, unterstützen
wir.
Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich spreche heute Abend zu Ihnen zum Thema Rheintal-
bahn als wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-
Bundestagsfraktion. Nicht, weil mein Wahlkreis Frei-
burg mitten auf der Strecke zwischen Karlsruhe und Ba-
sel liegt und auch nicht, weil Schienenverkehrsthemen
gerade bei Grünen hoch im Kurs stehen, sondern weil
Güter-, Fern- und Regionalzugverkehre im Rheintal ein
Wirtschaftsfaktor sind, der weder an den prognostizier-
ten Zugzahlen, noch an der Bevölkerung vorbei geplant
werden darf!
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Im Rheingraben zwischen Karlsruhe und Basel bün-
eln sich die Verkehrsstränge auf Autobahnen und
chienenwegen, weshalb wegen des zu erwartenden An-
tiegs des Verkehrsaufkommens bereits in den 1990er-
ahren die Planung zum Ausbau der Rheintalbahn und
er Bundesautobahn 5 begannen. Seit Februar 2008 liegt
ine Nachfrageprognose für den Schienengüterverkehr
nd den Schienenpersonenverkehr auf der Oberrhein-
trecke mit dem Bezugsjahr 2025 vor, die vom Land Ba-
en-Württemberg in Abstimmung mit dem Bund und der
eutschen Bahn AG in Auftrag gegeben wurde.
Die Planung durch die DB findet momentan jedoch
och unter Berücksichtigung der Zugzahlen von 2015
tatt, weil das Eisenbahnbundesamt dies im Auftrag des
undestages im Bundesverkehrswegeplan so vorgege-
en hat. Deshalb wurde im Februar 2010 der Abschnitt
eil–Haltingen, kurz vor Basel, auf der Basis des Prog-
osehorizonts 2015 planfestgestellt. Das Regierungsprä-
idium Freiburg äußerte zwar Unverständnis darüber,
och die Arbeiten haben nun unter diesen Vorgaben be-
onnen.
Was passiert, wenn der Lärmschutz aufgrund von fal-
chen, veralteten Zugzahlen geplant wird? Der Mitte-
ngspegel als Grundlage der Planung wird bereits jetzt
on Gemeinden und Bürgerinitiativen abgelehnt. Höhere
ugzahlen verändern jedoch in manchen Orten nicht nur
en notwendigen Schallschutz, sondern auch das Be-
iebskonzept auf der Strecke. Was passiert mit dem
irtschaftsstandort Deutschland, wenn die Güter oder
er Fern- und Regionalzugverkehr ihre Kapazitäten
icht effizient ausnutzen?
Wenn die Strecke in ihrer Kapazität und Lärmauswir-
ung bereits in der Planung an der Realität vorbei geht,
ird die Rheintalbahn die wirtschaftliche Entwicklung
eutschlands, ja halb Europas nicht effizient befördern.
er Güterzugverkehr verdoppelt in Deutschland die Gü-
rverkehrsleistung bis zum Jahr 2050 gegenüber 2005.
er Transitverkehr durch Deutschland soll sich sogar
ehr als verdreifachen.
2025 wird nach heutiger Prognose das 3. und 4. Gleis
er Rheintalbahn zwischen Offenburg und Basel nicht
rtiggestellt sein. Doch die Züge werden trotzdem
urchs Rheintal donnern! Deshalb ist es überparteilicher
onsens zwischen Offenburg und Basel: Wir brauchen
en Rheintalbahn-Ausbau und müssen ihn bestmöglich
estalten.
Bei der Rheintalbahn spielt man gerne wahlweise der
B AG, dem EBA oder dem Bundestag den Schwarzen
eter zu. Dies mag im Einzelfall sogar richtig sein, doch
en Bürgern ist das reichlich egal. Sie wollen wissen,
oran sie sind. Zumindest ein Teil des Unmuts der Be-
ölkerung speist sich aus der Undurchsichtigkeit der
ntscheidungen. Bahnchef Grube hat bei seinem Besuch
orgemacht, dass er zumindest durch bessere Öffentlich-
eitsarbeit zum Erfolg der Rheintalbahn beitragen
öchte.
Dieser Antrag von Bündnis 90/Die Grünen über den
ir heute sprechen, sollte eigentlich interfraktionell ge-
tellt werden, doch unsere Bemühungen liefen ins Leere.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6597
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Das wundert mich dann doch sehr, dass die Kolleginnen
und Kollegen Weiß und Schuster, Dobrinsky-Weiß und
Laurischk es bisher nicht geschafft haben, bei ihren Kol-
legen für die angemessene Wahrnehmung der Probleme
bei diesem Projekt der DB zu sorgen. Insbesondere Sie,
Herr Schuster, fordere ich hiermit auf, dafür zu stimmen,
dass mit den Zugzahlen für 2025 geplant wird; in ihrem
Wahlkreis wird jetzt schon gebaut.
Lassen Sie uns hier und heute als Deutscher Bundes-
tag die Weichen stellen, dass die Rheintalbahn ein Er-
folgsprojekt wird – akzeptiert von der Bevölkerung und
geplant mit bestmöglichen Vorgaben.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Modernisierung des Benachrichtigungswesens
in Nachlasssachen durch Schaffung des Zentra-
len Testamentsregisters bei der Bundesnotar-
kammer (Tagesordnungspunkt 17)
Ute Granold (CDU/CSU): Wir beraten heute über ei-
nen Gesetzentwurf des Bundesrates zur Einrichtung ei-
nes elektronisch geführten Testamentsregister bei der
Bundesnotarkammer. Damit soll das Benachrichtigungs-
wesen in Nachlasssachen entscheidend verbessert wer-
den.
Nach Ansicht der Länder ist die heutige Benachrichti-
gungspraxis veraltet, langsam und fehleranfällig. So nut-
zen bisher weder die Nachlassgerichte noch die Standes-
ämter die Vorteile moderner Kommunikations- und
Speichermedien. Heute werden alle erbfolgerelevanten
Urkunden – insbesondere Testamente oder Erbverträge –
dezentral bei circa 5 200 Stellen über Karteikarten ver-
waltet. Dabei sind bundesweit geschätzt 15 Millionen
Karteikarten registriert. Komplizierte Meldewege, veral-
tete Verwahrdaten und Kapazitätsgrenzen führen zu
nicht unerheblichen Verzögerungen und unnötig hohen
Verwaltungskosten.
Im Erbfall nehmen vor allem die Nachlassgerichte
zahlreiche Aufgaben wahr. Das betrifft insbesondere die
Ausstellung der Erbscheine, also jener Urkunden, die für
den Rechtsverkehr feststellen, wer Erbe ist und welchen
Verfügungsbeschränkungen dieser gegebenenfalls unter-
liegt. Bei einer Vielzahl von Rechtsgeschäften wird ein
entsprechender Nachweis verlangt. Für die Erben hat der
Erbschein damit große praktische Bedeutung.
Für die Ausstellung des Erbscheins muss das Nach-
lassgericht zuverlässig und zeitnah erfahren, ob und wel-
che Verfügungen des Erblassers von Todes wegen
vorhanden sind. Andernfalls ist die Richtigkeit des Erb-
scheins nicht gewährleistet.
Damit die Erben und Erbteile zügig bestimmt und der
Erbschein erteilt werden kann, sind die Nachlassgerichte
also darauf angewiesen, dass sie zuverlässig und mög-
lichst kurzfristig nach einem Erbfall von etwaigen Testa-
menten und Erbverträgen erfahren. Das ist aber heute
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icht hinreichend gewährleistet, wie ein Blick in die Pra-
is zeigt: Bislang müssen die für die Verwahrung zustän-
igen Amtsgerichte und Notare an die Standesämter des
eburtsortes herantreten und diese Stellen über die Ver-
ahrung der erbrelevanten Urkunden informieren. Das
eschieht durch die Übersendung von Karteikarten, die
ann bei den Geburtsstandesämtern als Testamentsver-
eichnisse gesammelt und in Karteikästen aufbewahrt
erden. Sobald ein Sterbefall eintritt, benachrichtigt das
tandesamt des Sterbeortes das Standesamt des Geburts-
rtes. Dort wird dann von Hand geprüft, ob der Verstor-
ene im Testamentsverzeichnis vermerkt ist. Danach
ird das Amtsgericht oder der Notar, der das Testament
der den Erbvertrag verwahrt, durch einen Brief über
en Sterbefall informiert. Diese Stelle sendet schließlich
ie Urkunde an das zuständige Nachlassgericht und in-
rmiert dieses über den Sterbefall.
Man kann sich vorstellen, dass dieses System nicht
ur umständlich, zeitaufwändig und für den betroffenen
ürger schwer zu durchblicken, sondern auch fehleran-
llig ist. So kann beispielsweise schon eine Änderung
er Adresse des Notars dazu führen, dass die Meldung
ängenbleibt. Es dürfte insofern unstreitig sein, dass es
ringend einer Modernisierung des Benachrichtigungs-
esens bedarf.
Der Gesetzentwurf des Bundesrates schafft nun die
esetzlichen Voraussetzungen, damit künftig bei der
undesnotarkammer ein elektronisch geführtes zentrales
estamentsregister eingerichtet werden kann.
Die Einrichtung und dauerhafte Führung des Regis-
rs soll der Bundesnotarkammer – mithin einer Körper-
chaft des öffentlichen Rechts – als Pflichtaufgabe zuge-
iesen werden. Die Bundesnotarkammer soll dann die
ufgaben einer Registerbehörde im Wege der mittelba-
n Staatsverwaltung unter Rechtsaufsicht des Bundes-
stizministeriums übernehmen.
Künftig sollen, so der Vorschlag des Bundesrates, alle
orhandenen Daten in das Zentrale Testamentsregister
berführt werden. In diesem Register wären demnach
aten über den Verwahrungsort von Testamenten und
rbverträgen, die sich in amtlicher Verwahrung befin-
en, erfasst.
Nach den Plänen der Länder wären die Standesämter
erpflichtet, der Bundesnotarkammer als Registerbe-
örde jeden Sterbefall mitzuteilen. Diese wiederum kann
ann prüfen, ob im Zentralen Testamentsregister Ver-
ahrangaben vorliegen, und danach im Wege der auto-
atisierten elektronischen Datenübertragung das Nach-
ssgericht und die verwahrenden Stellen über den
terbefall sowie etwaige Verwahrangaben benachrichti-
en.
Damit wäre gewährleistet, dass das Nachlassgericht
eitnah und verlässlich von den Informationen Kenntnis
rlangt, die es zur Testamentseröffnung und der Ausstel-
ng eines Erbscheins benötigt. Das wäre ein großer
ortschritt und eine erhebliche Verbesserung, nicht zu-
tzt für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Insge-
amt würde das Benachrichtigungswesen infolge der
entralen elektronischen Registrierung effektiver, weni-
6598 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
(A) )
)(B)
ger fehleranfällig und transparenter. Darüber hinaus ver-
spricht die Umstellung erheblich weniger Verwaltungs-
aufwand. Schließlich würde die zentrale Registrierung
die Möglichkeit eröffnen, dass sich die Bundesrepublik
an den Bestrebungen verschiedener europäischer Staaten
zur Vernetzung der nationalen Testamentskarteien betei-
ligt.
Wir sind der Auffassung, dass es gute und stichhaltige
Gründe gibt, das Register zentral bei der Bundesnotar-
kammer einzurichten:
In jahrelanger Arbeit hat die Bundesnotarkammer ein
grundsätzlich überzeugendes Konzept erarbeitet, das ne-
ben der Zielsetzung eines effektiven Benachrichtigungs-
wesens auch die Einhaltung des Datenschutzes und der
Datensicherheit gewährleistet.
Der Bundesrat geht zu Recht davon aus, dass die Bun-
desnotarkammer über ausreichend Erfahrung und die er-
forderlichen Ressourcen verfügt, um ihr Konzept tech-
nisch und organisatorisch zu realisieren. Neben der
sachlichen Nähe zum Testamentswesen zeigen insbeson-
dere auch die äußerst positiven Erfahrungen bei der
Einrichtung und dem Betrieb des Zentralen Vorsorgere-
gisters, dass die Bundesnotarkammer eine solche
Herausforderung meistern kann. Wir sind daher zuver-
sichtlich, dass ein solches Register sehr gut bei der Bun-
desnotarkammer aufgehoben ist.
Die Kosten der Einrichtung sollen nach einer vom
Bundesrat eingeholten Machbarkeitsstudie bei voraus-
sichtlich einmalig 12,6 Millionen Euro liegen. Die Bun-
desnotarkammer hat sich bereiterklärt, diesen Betrag
vorzufinanzieren. Die laufenden Kosten des Registers
werden mit jährlich 2,8 Millionen Euro veranschlagt.
Beides, also die Rückführung der Vorfinanzierung wie
auch die Finanzierung der laufenden Kosten des Regis-
trierbetriebes, sollen durch eine einmalige Registrie-
rungsgebühr in Höhe von 15 Euro gedeckt sein – ein
nach unserer Ansicht fairer und den betroffenen Bürge-
rinnen und Bürgern zumutbarer Betrag.
Von der Bundesregierung wird das Gesetzgebungs-
vorhaben ausdrücklich begrüßt. Lediglich bei einzelnen
Punkten gibt es aus ihrer Sicht Nachbesserungs- bzw.
Klärungsbedarf. So ist die Bundesregierung beispiels-
weise der Auffassung, dass eine Benachrichtigung des
für das Erbscheinsverfahren zuständigen Nachlassge-
richts nicht notwendig und im Übrigen ohne Prüfung der
örtlichen Zuständigkeit auch gar nicht möglich sei. Bei
einer automatischen Benachrichtigung bestehe zudem
die Gefahr, so die Sorge der Bundesregierung, dass bei
den Nachlassgerichten eine Vielzahl von Negativmel-
dungen eingehen. Vorzugswürdig sei daher, dass im Erb-
scheinverfahren das Nachlassgericht seinerseits im
Wege des Amtsermittlungsgrundsatzes beim Zentralen
Testamentsregister eine Auskunft einholt.
Bereits im Koalitionsvertrag haben wir die Einrich-
tung eines Zentralen Testamentsregisters vereinbart.
Insofern handelt es sich bei dem vorliegenden Gesetz-
entwurf auch um unser Vorhaben. Die CDU/CSU-Bun-
destagsfraktion begrüßt daher wie die Bundesregierung
ausdrücklich die Initiative des Bundesrates. Es handelt
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ich zweifellos um ein gutes und ausgereiftes Konzept,
as im Interesse der betroffenen Bürgerinnen und Bürger
eitnah realisiert werden sollte. Klärungs- bzw. Ände-
ngsbedarf gibt es allenfalls noch im Detail. Die
undesregierung hat hier einige Punkte in ihrer Stel-
ngnahme genannt. Wir werden diese Fragen in den
usschussberatungen zügig und konstruktiv prüfen und
iskutieren.
Christoph Strässer (SPD): Der Tod gehört zum Le-
en dazu. Viele Bürgerinnen und Bürger setzen sich
ühzeitig mit dem Sterben auseinander und verfassen
ren letzten Willen privat- und handschriftlich zu Hause
der hinterlegen diesen rechtzeitig bei einem Notar oder
inem Amtsgericht. Über 15 Millionen Testamente und
rbverträge werden zurzeit von den öffentlichen Urkun-
enstellen in der gesamten Bundesrepublik verwahrt.
nd genau dieselbe Anzahl an Karteikarten – nämlich
5 Millionen – befindet sich zusätzlich beim zuständigen
mtsgericht Schöneberg, der Hauptkartei für Testa-
ente, oder bei dem Standesamt der Geburtsstadt des
rblassers, um Auskunft über den Verwahrungsort der
weiligen Urkunde zu geben. Das bisherige Registerwe-
en ist also dezentral-zersplittert, papiergebunden, nicht
uf dem neusten Stand der Technik, kurzum: nicht mehr
eitgemäß.
Stirbt ein Erblasser, setzt dies einen schwerfälligen
enachrichtigungsprozess in Gang. Das Standesamt des
terbeorts informiert das Standesamt des Geburtsorts
nd das Amtsgericht Schöneberg über den Sterbefall.
iese schauen dann in ihrer Kartei nach, ob der Verstor-
ene im Verzeichnis vermerkt ist und wo eine erbfolge-
levante Urkunde hinterlegt wurde. Diese Information
ird an die Verwahrungsstelle weitergeleitet, die wie-
erum dem zuständigen Nachlassgericht die Dokumente
ukommen lässt. Erst mit dieser letzten Handlung wird
as Nachlassgericht über den Sterbefall und das Vorlie-
en eines Testaments oder Erbvertrags in Kenntnis ge-
etzt und kann dem Erben einen Erbschein ausstellen.
Welche Nachteile bringt ein solcher Prozess mit sich?
unächst drängt sich der zeitliche Aspekt auf. Die Bear-
eitung eines Sterbefalls kann sich bei der Karteistelle
nter Umständen über ein ganzes Jahr hinziehen. Grund
r diesen langen Zeitraum ist die Tatsache, dass die An-
aben auf den Karteikarten im Laufe der Zeit mangels
tetiger Aktualisierung ihre Richtigkeit verlieren kön-
en, zum Beispiel wenn Notare ihren Amtssitz wechseln
der aus ihrem Amt ausscheiden. Folge ist, dass Anga-
en auf der einmal erstellten Karteikarte nicht mehr auf
en neusten Stand gebracht werden. Die Recherche des
euen Verwahrungsorts der Urkunden kostet die Kartei-
telle Zeit, was automatisch auch mit höheren Personal-
osten verbunden ist.
Dazu kommt die für den Bürger als auch für die zu-
tändigen Stellen fehlende Transparenz dieses Benach-
chtigungssystems. Im Zeitalter der neuen Medien sollte
r eine schnellere und sicherere Bearbeitung in Nach-
sssachen auf das Austauschen von Informationen durch
lektronischen Schriftwechsel gesetzt werden. Die betei-
gten Stellen informieren einander immer noch per Post.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6599
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)(B)
Geht ein Brief auf dem Postweg verloren, kann dies zu-
mindest in der ersten Zeit von keiner der beteiligten Stel-
len entdeckt und zurückverfolgt werden. Das Verfahren
stockt. Aufgrund der fehlenden Transparenz – die man
aber durch den Einsatz neuer Medien erreichen könnte –
entstehen dem Erben Nachteile, die die Ausstellung eines
korrekten Erbscheins durch das zuständige Nachlassge-
richt unter Umständen gefährden könnten.
Mit dem vorliegenden Bundesratsentwurf soll durch
die Schaffung eines elektronischen zentralen Testa-
mentsregisters das Benachrichtigungswesen in Nach-
lasssachen modernisiert werden und damit sowohl den
Gerichten und Notaren als auch den Bürgerinnen und
Bürgern Zeit und Geld sparen. Ein solches zentrales Tes-
tamentsregister könnte die Zettelwirtschaft in den über
5 200 öffentlichen Stellen beenden, Synergien schaffen,
Bearbeitungszeiten verkürzen und somit die Arbeit der
öffentlichen Stellen zugunsten der Erben erleichtern.
Das elektronische Register könnte, wenn es an den Start
geht, alle neu mitgeteilten Testamente registrieren. Für
die notwendige Registrierung der Altbestände werden
bis zu fünf Jahre veranschlagt. Zwei Systeme parallel
laufen zu lassen, wäre sicherlich nicht sinnvoll und
würde den gewünschten Transparenzgewinn um viele
Jahre oder Jahrzehnte verzögern.
Ferner könnte die Konzentration aller relevanten Da-
ten über den Aufenthaltsort von Urkunden weitere posi-
tive Nebeneffekte mit sich bringen. Notare, Gerichte und
Behörden könnten ohne größeren Aufwand die bei ihnen
verwahrten Dokumente melden und gegebenenfalls auch
aktualisieren. Für jede dieser Aufgaben wäre ein und die-
selbe Stelle zuständig. Außerdem wäre es einem Notar
durch diese Informationssammlung möglich, im Namen
seines Mandanten nach bereits existierenden Verfügun-
gen von Todes wegen zu suchen, über die der Mandant
keine oder nur noch ungenaue Angaben machen kann.
Gegen diese Art der Bündelung von sehr persönlichen In-
formationen könnten allerdings datenschutzrechtliche
Bedenken sprechen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass
ein in Deutschland so sensibles Thema wie die Datenspei-
cherung einer genauen Regelung über Art und Umfang
der Speicherung bedarf. Deshalb soll das Register auch
nicht die Urkunden oder deren Inhalt, sondern nur Anga-
ben enthalten, von wem das Testament oder der Erbver-
trag stammt und wo diese hinterlegt sind. Gleichwohl
sollten im Ausschuss noch einmal die datenschutzrechtli-
chen Fragen diskutiert werden.
Wo soll das elektronische Register entstehen? Man
hat sich für die Bundesnotarkammer entschieden. Das
Land Berlin hat angekündigt, sich von der Hauptkartei in
Schöneberg trennen zu wollen. Registerbehörden in den
Ländern hätten die Idee einer zentralen Stelle entwertet.
Die Bundesnotarkammer verfügt derweil bereits über
elektronische Datenbanken zur Verwaltung von Namen
und Adressen von Notaren und Amtsgerichten. Die Bun-
desnotarkammer verfügt auch über Erfahrungen mit der
Handhabung ähnlicher Register wie dem zentralen Vor-
sorgeregister. Es sprechen also durchaus einige Gründe
für die Übertragung der Verantwortung auf die Bundes-
notarkammer.
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Mit der Einführung eines neuen elektronischen Regis-
rs gehen auch entsprechende Kosten für die technischen
eräte sowie die Arbeitszeit für den Registeraufbau
urch Fachpersonal einher. Dazu werden einmalig Kos-
n von 12,6 Millionen Euro sowie jährlich anfallende
osten für die Pflege des Systems in Höhe von 2,8 Mil-
onen Euro veranschlagt. Diese Kosten will die Bundes-
otarkammer übernehmen. Die Rückfinanzierung soll
ber eine Registergebühr von 15 Euro pro Eintrag und
ebühren für Auskünfte laufen. Dass eine öffentlich-
chtliche Körperschaft wie die Bundesnotarkammer, die
ereits für die Verwaltung des zentralen Vorsorgeregisters
uständig ist, mehrere Millionen in ein weiteres Register
vestieren möchte, wirft die Frage auf, was sich die
ammer von der Vorfinanzierung erhofft und wie sich die
ebühren zukünftig entwickeln. Die Gebühren variieren
Europa deutlich – angefangen von drei Euro in Tsche-
hien, 9 Euro in den Niederlanden, über 17 Euro in Bel-
ien oder zum Beispiel 41 Euro in Slowenien. Die für
eutschland veranschlagten Gebühren bewegen sich da-
ach zunächst im Rahmen. Ich möchte dennoch in den
usschussberatungen einen Einblick in die Kostenkalku-
tion und die mögliche Kostenentwicklung für die Bür-
er erhalten.
Die Idee eines zentralen elektronischen Testamentsre-
isters berücksichtigt auch die europäische Entwicklung,
peziell in unseren Nachbarländern. Seit 2007 strebt die
uropäische Kommission bereits eine Vereinheitlichung
es Benachrichtigungssystems in Nachlasssachen an,
m das Leben der EU-Bürger zu erleichtern. Menschen
erden mobiler. Sie fahren in Urlaub, pendeln zwischen
ohnort und Arbeitsplatz oder wandern sogar ganz aus.
ach Angaben des Statistischen Bundesamtes zieht es
ie Deutschen überwiegend in das europäische Ausland.
iele EU-Bürger zieht es nach Deutschland. Insgesamt
9 europäische Länder, darunter Frankreich, Großbritan-
ien, Belgien, die Niederlande oder Österreich, haben be-
its ein zentrales Testamentsregister. Würde sich Deutsch-
nd ebenfalls für ein solches Register entscheiden, wäre
us europäischer Sicht ein großer Schritt Richtung Ver-
inheitlichung in Nachlasssachen unternommen. Endlich
ürde ein grenzüberschreitendes Auskunftswesen mög-
ch gemacht.
Einen Diskussionspunkt stellt die neue Regelung des
78 b Abs. 3 BNotO dar. Darin wird ausschließlich die
egistrierfähigkeit von öffentlich beurkundeten und in
mtliche Verwahrung genommenen erbfolgerelevanten
okumenten bejaht. Privatschriftliche Urkunden werden
on der BNotO nicht erfasst. Folge ist, dass Erblasser, die
r Testament in den eigenen vier Wänden verwahren, es
ber trotzdem im zentralen Testamentsregister eintragen
ssen möchten, dies gesetzlich nicht dürfen. So erlaubt
ber zum Beispiel die Verordnung über das zentrale Vor-
orgeregister auch die Registrierung von Vorsorgevoll-
achten, die nicht von einem Notar beurkundet wurden.
nerhalb der Behandlung des Rechtsausschusses sollte
ie Frage geklärt werden, ob nicht auch privat aufbe-
ahrte Testamente im Register registriert werden kön-
en, auch wenn der Verwahrungsort wechseln kann.
In den Bundesratsausschusssitzungen hat der Gesetz-
ntwurf große Zustimmung erfahren. Er wurde ohne Ge-
6600 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
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genstimme sowohl von den A- als auch den B-Ländern
angenommen. Die Einführung eines zentralen Testa-
mentsregisters ist grundsätzlich positiv zu bewerten – für
die Länder, den Bund, aber auch für die Bürger. Ich hoffe,
dass wir die noch offenen und beratungsbedürftigen Fra-
gen in den Ausschusssitzungen gemeinsam zielführend
erörtern und ein modernes Testamentsregister auf den
Weg bringen können.
Jens Petermann (DIE LINKE): Mit dem vorliegen-
den Gesetzentwurf des Bundesrates kommen erneut
Mehrkosten auf die Bürgerinnen und Bürger zu. In der
ohnehin chronisch unterbesetzten Justiz sollen Stellen
eingespart werden, ohne dass eine Kompensation ge-
plant wird.
Worum geht es also? Die Landesregierungen wollen
ein elektronisch geführtes Zentrales Testamentsregister
bei der Bundesnotarkammer einrichten. Dies ist zu-
nächst begrüßenswert.
Zum einen kann ich mir die Bundesnotarkammer als
geeignete Stelle dafür vorstellen, da sie eine Körper-
schaft des öffentlichen Rechts ist und in dieser Sache der
Aufsicht des Bundesministeriums für Justiz untersteht.
Auch wenn die Benachrichtigung der Nachlassgerichte
über den Tod eines Erblassers und der Verwahrungsort
erbfolgerelevanter Urkunden funktionell Aufgabe der
Justiz ist, scheint wenigstens die Gefahr des allseits be-
liebten Outsourcings in die private Hand gebannt zu
sein.
Zum anderen ist es gut, dass die Benachrichtigung in
Nachlasssachen endlich technisch zeitgemäß erfolgen
soll und der zeitaufwändige postalische Mitteilungsweg
von den verschiedenen zuständigen Stellen aufgegeben
wird. Die Registrierung von erbrechtlichen Urkunden
bei circa 5 200 Geburtsstandesämtern (bei im Inland re-
gistrierter Geburt) auf Karteikarten nach dem Zettelkas-
tenprinzip ist nun wirklich vorsintflutlich. Die kompli-
zierten Meldewege, erheblichen Verzögerungen und die
Kapazitätsgrenzen der Hauptkartei beim Amtsgericht
Schöneberg (mit Auslandsbezug) zwingen auch zu die-
sem Schritt.
Allerdings scheint dieser Plan nicht ausgereift und
unzureichend durchdacht. Durch die Einrichtung des
Zentralen Testamentsregisters entstehen voraussichtlich
Kosten in Höhe von 12,6 Millionen Euro, wobei die lau-
fenden Kosten mit jährlich 2,8 Millionen Euro veran-
schlagt werden. Die Bundesnotarkammer hat sich bereit
erklärt, die Kosten vorzufinanzieren. Eigentlich haben
die Länder die Kosten dafür zu übernehmen. Die von der
Bundesnotarkammer vorfinanzierten Kosten und auch
die laufenden Kosten holt sie sich von den Nutzerinnen
und Nutzern zurück und wird wohl in absehbarerer Zeit
daraus Profit ziehen können. Die ins Auge gefasste „mo-
derate“ Registrierungsgebühr von 15 Euro soll mit ei-
nem Einsparpotenzial im Bereich der Justiz- und Innen-
verwaltung gerechtfertigt werden. Kurz gesagt: Die
Bürgerinnen und Bürger finanzieren die Streichung von
Stellen in der Verwaltung und damit die Sparmaßnah-
men der Länder. Dabei gibt es so viele Bereiche in der
Justiz, wo dringend Personal gebraucht wird. Mir fallen
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a spontan die überlasteten Sozialgerichte ein, deren
erfahrenspensum jenseits von Gut und Böse liegt und
enen neben Richterinnen und Richtern auch Rechts-
flegerinnen und Rechtspfleger sowie Geschäftsstellen-
ngestellte fehlen.
Abgesehen von dem Preis, der für diese Art von Zen-
alem Testamentsregister gezahlt werden muss, ist das
orgesehene Verfahren durchaus sinnvoll. Der direkte
lektronische Zugriff der Nachlassgerichte auf die ge-
peicherten Daten bringt einen enormen Zeitgewinn bei
er Suche, ob überhaupt und wo ein Testament amtlich
erwahrt wird. Das Risiko eines Verlustes von Verwah-
ngsnachrichten auf dem Postweg bestünde damit nicht
ehr, jedoch ist auch eine vollelektronische Datenbank
icht vor Fehlern sicher. Es besteht die Gefahr, dass Da-
n bei der Übersendung und Speicherung durch techni-
ches oder menschliches Versagen verloren gehen. Als
och größere Gefahr sehe ich aber, dass kriminelle
acker das Zentrale Testamentsregister entern und damit
n amtlich verwahrte Informationen gelangen können.
ei einer dezentralen Karteikartenregistratur bestand je-
enfalls diese Gefahr nicht.
Damit bin ich beim Thema Datenschutz. Die Regelung
§ 8 des Gesetzes zur Überführung der Testamentsver-
eichnisse und der Hauptkartei des für ausländische Testa-
ente zuständigen Amtsgerichts Schöneberg in das Zen-
ale Testamentsregister der Bundesnotarkammer sieht
ohl einen Datenschutz vor, ist aber nicht konsistent.
urch die Speicherung besonders schutzwürdiger Daten
ind die Anforderungen an den Datenschutz bereichsspe-
ifisch besonders hoch anzusetzen. Jedoch wird in die-
em Gesetzentwurf die Datensicherheit nicht einmal
em Umfang des Bundesdatenschutzgesetzes gerecht.
eshalb würde ich mein Testament nicht in amtliche
erwahrung geben.
Gestatten Sie mir noch einen letzten Hinweis: Ich
efürchte, dass die im Gesetzentwurf vorgesehene Über-
itung der Altdaten weder reibungslos noch zeitnah
onstattengehen wird. Deshalb fordern wir eine Über-
angsregelung für die Zeit, in der die Standesämter, das
mtsgericht Schöneberg sowie das neue Zentrale Testa-
entsregister gleichzeitig arbeiten werden, damit der
ürger weiß, wer für seine Angelegenheit zuständig ist.
Ich hoffe, dass es der Bundesregierung gelingt, die
ritikpunkte auszuräumen und uns die Zustimmung zum
esetzentwurf damit zu erleichtern.
Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
ir befassen uns heute mit dem Antrag des Bundesrates
ur Einführung eines zentralen Testamentsregisters und
ines zentralen Vorsorgeregisters. Der vorliegende Ge-
etzentwurf befasst sich neben der Zusammenführung
on Urkunden zu Erbfällen auch mit Bereichen der Vor-
orgevollmacht und Betreuungsvollmacht.
Grundsätzlich befürworten wir die Einführung von
entralen Registern. Denn durch sie können – bei richti-
er Umsetzung – Verfahren vereinfacht und vor allem
eschleunigt werden. Zentrale Register können zu einer
eduzierung von bürokratischen Abläufen führen. Der
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6601
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Gesetzentwurf beantwortet allerdings nicht hinreichend
die Frage, wie ein zentrales Testamentsregister und Vor-
sorgeregister sicher und sinnvoll instrumentalisiert wer-
den kann.
Der Gesetzentwurf des Bundesrates sieht vor, die Ma-
terie durch Rechtsverordnung zu regeln. Neben der Zu-
sammenführung von Urkunden zu Erbfällen werden
auch Bereiche der Vorsorgevollmacht und Betreuungs-
vollmacht erfasst. In den zentralen Registern sollen so-
mit Daten aus verschiedenen Lebensbereichen und von
unterschiedlichen Stellen zusammengeführt werden. Da-
durch entsteht eine zentrale Datenbank. Entscheidende
Punkte, wie der Umfang der anzumeldenden Doku-
mente, die Aufsichtspflicht über den Bestand, Sicher-
heitsstandards usw. bergen erhebliche datenschutzrecht-
liche Risiken, insbesondere im Hinblick auf das Recht
der informationellen Selbstbestimmung. Für Vorhaben
dieser Größenordnung sieht unsere Verfassung den Vor-
behalt des Gesetzes vor. Das Parlament darf es sich nicht
nehmen lassen, diese Materie durch ein Gesetz zu re-
geln.
Auch auf weitere Aspekte aus dem Gesetzentwurf
möchte ich eingehen. Wir sind der Ansicht, dass auch für
ein sicheres Testamentsregister der Datenschutz an
oberster Stelle stehen muss. Wir können nicht 12,6 Mil-
lionen Euro für eine solche Maßnahme aufwenden und
dabei den Datenschutz nur unzureichend berücksichti-
gen.
Der Gesetzentwurf des Bundesrates sieht vor, die
Speicherung und Aufnahme der Daten lediglich im
Sinne des § 8 Bundesdatenschutzgesetz zu gewährleis-
ten. Die maßgeblichen Vorschriften für Anforderungen
an die technischen und organisatorischen Maßnahmen
werden durch § 9 Bundesdatenschutzgesetz sicherge-
stellt. Diese Schutzmaßnahmen greift der Gesetzesent-
wurf nicht auf. Die Speicherung und Aufnahme der Da-
ten wäre demnach lückenhaft. Hinzu kommt, dass der
Gesetzentwurf sich bei der Erhebung und Verwendung
der Daten nicht auf das notwendige Maß beschränkt.
Diese einschränkende Regelung fehlt vollkommen. Der
Datenschutz wird somit nicht vollumfänglich gewähr-
leistet.
Ein weiterer Aspekt betrifft den Übermittlungs- und
Überführungsvorgang. Wie kann sichergestellt werden,
dass die Daten auch übertragen werden, wenn die Tech-
nik versagt? Der Gesetzentwurf sieht neben den elektro-
nischen Regelungen keine Ausnahmen vor. Auch im
Zeitalter der scheinbar perfekten Technik sollten wir im-
mer auch noch eine andere Art der Datenübertragung si-
cherstellen. Wir müssen dafür sorgen, dass Informatio-
nen auch mit anderen Mitteln von A nach B gelangen
können.
Wo kann ich während der Überführung in das neue
Register in den nächsten drei Jahren Auskunft verlan-
gen? Der Gesetzentwurf enthält Regelungen zur Über-
führung der Altakten. Allerdings ist nicht geregelt, wann
die Überführung beendet sein soll. Der Gesetzestext bie-
tet keine hinreichende Gewähr dafür, dass es zu einem
Nebeneinander zwischen altem und neuem System
kommt. Wir regen an, dass eine Fristenregelung zur
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berführung der Altdaten eingeführt wird. Dies kann er-
eblichen Verzögerungen vorbeugen.
Um ein sinnvolles Testamentsregister zu schaffen,
ollte klar geregelt werden, wann die Registerbehörde
itteilungen zu machen hat. Der Gesetzentwurf sieht
or, dass die Registerbehörde im Todesfalle eine Mittei-
ng an das Nachlassgericht tätigt. Diese Regelung ist
icht praktikabel, da das Gericht in der Regel erst tätig
ird, wenn ein Erbscheinverfahren eingeleitet wird.
ann ist eine Auskunftserteilung von Amts wegen mög-
ch. Eine vorherige Zusendung würde ohne Bearbeitung
ei Gericht liegen und keinem Verfahren zugeordnet
erden können. Diese Vorschrift würde somit nur unnö-
gen Arbeitsaufwand verursachen.
Ich möchte gerne noch einen anderen wichtigen As-
ekt ansprechen: das Auskunftsrecht der Erblasser. Für
as Register ist lediglich vorgesehen, dass Gerichten und
otaren auf Ersuchen Auskunft aus dem Register erteilt
ird. Das genügt unserer Ansicht nach nicht. Den Erb-
ssern sollte ein eigenes Auskunftsrecht zustehen.
chließlich werden dort ihre Testamente registriert.
Als letzten Punkt komme ich auf die Kosten zu spre-
hen. In der Begründung führt der Bundesrat aus, dass
as Vorhaben Kosten in Höhe von 12,6 Millionen Euro
erursachen wird. Die Kosten des laufenden Registerbe-
iebs werden mit jährlich 2,8 Millionen Euro veran-
chlagt. Durch die Registergebühr in Höhe von 15 Euro
ollen diese Kosten bezahlt werden können. Konkretere
ngaben über die Einkommensseite werden nicht ge-
acht. Bei Vorhaben von solchem Ausmaß ist aber eine
enaue Kalkulation vonnöten.
Abschließend ist zu sagen, dass der Ansatz des Bun-
esrates zu begrüßen ist. Jedoch ist das Vorhaben insge-
amt nicht ausreichend durchdacht. Insbesondere das
rundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird
icht ausreichend abgesichert. Der Datenschutz ist lü-
kenhaft. Meine Fraktion lehnt diesen Antrag deshalb
b.
Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
esministerin der Justiz: Im Koalitionsvertrag haben wir
ns auf die Modernisierung des Mitteilungswesens in
achlasssachen durch die Einrichtung eines Zentralen
estamentsregister bei der Bundesnotarkammer verstän-
igt. Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf des Bun-
esrates ist man ein gutes Stück auf diesem Weg voran-
ekommen.
Das für die Eröffnung von Testamenten derzeit beste-
ende Benachrichtigungssystem zwischen Notaren, Ge-
chten und Standesämtern ist nicht mehr zeitgemäß und
töranfällig. In diesem sensiblen Bereich – der für jeden
inzelnen Bürger von Bedeutung sein kann – ist das
lektronische Zeitalter noch nicht angekommen. Dies
oll und muss sich nun ändern. Durch ein zentrales, elek-
onisches System wird zukünftig jeder, der ein Testa-
ent errichtet und es amtlich verwahren lassen hat, die
lektronisch gestützte Gewissheit erhalten, dass dies im
rbfall auch eröffnet wird.
6602 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
(A) )
)(B)
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird ein anti-
quiertes System reformiert und werden zugleich neue
Möglichkeiten eines modernen Informationsaustausches
auch auf europäischer Ebene eröffnet. Doch wo Chancen
sind, gibt es auch Risiken. Besonders bei einer zentralen
elektronischen Registrierung müssen die Datenschutz-
rechte gesichert sein. Darauf lege ich in der gegenwärti-
gen Debatte über den Schutz von Persönlichkeitsrechten
in den elektronischen Medien besonderen Wert. Der Ge-
setzentwurf sollte daher vom Bundesrat in Teilbereichen
nochmals geprüft werden.
Das Zentrale Testamentsregister ist ein inhaltlich und
technisch anspruchsvolles Projekt, dem sich vor allem
die Bundesnotarkammer gestellt hat. Dabei kommen ihr
die Erfahrungen aus dem Aufbau und dem Betrieb des
Vorsorgeregisters zugute.
Eine Herausforderung besonderer Art wird beim Tes-
tamentsregister allerdings die Überführung der Alt-Ver-
wahrdaten sein. Ein zentrales Register kann nur erfolg-
reich funktionieren, wenn auch die bereits millionenfach
vorhandenen Karteikarten in das neue elektronische Sys-
tem überführt werden. In diesem Zusammenhang wer-
den Details der Finanzierung des Projekts durch Gebüh-
ren noch genauer zu prüfen sein – auch wenn ich die
Registergebühr in Höhe von 15 Euro für durchaus mode-
rat halte.
Trotz dieser noch nicht abschließend beantworteten
Einzelfragen sind wir sehr zuversichtlich, dass der Ge-
setzentwurf eine gute Grundlage für die weiteren Bera-
tungen und für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts
ist. Im Ergebnis wird das neue Testamentsregister die
Rechtssicherheit in der Testierfreiheit jedes einzelnen
Bürgers stärken und zugleich Verwaltungswege effizien-
ter und damit moderner gestalten.
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts: Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt
über ein Individualbeschwerdeverfahren ratifi-
zieren (Tagesordnungspunkt 19)
Frank Heinrich (CDU/CSU): Menschenrechtsthe-
men stehen in dieser Legislaturperiode hoch im Kurs.
Die Häufigkeit der Plenardebatten spricht hier eine deut-
liche Sprache. Und das ist gut so. Die Regierungskoali-
tion aus CDU/CSU und der FDP hat bereits im Koali-
tionsvertrag den Menschenrechten einen besonderen
Stellenwert in ihrer Arbeit eingeräumt. Als Querschnitts-
thema durchzieht es alle Politikfelder: die Innen- wie die
Außenpolitik, die Wirtschafts- wie die Sozialpolitik. Der
Mensch, das mündige Subjekt, das Individuum in Frei-
heit und Verantwortung, ist das Thema und der Mittel-
punkt christlich-liberaler Politik.
Hier und heute debattieren wir über das Individualbe-
schwerdeverfahren zu den sogenannten WSK-Rechten,
den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Men-
schenrechten. Wir debattieren damit in medias res, mit-
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n hinein ins Herzen des Themas. Direkter kann man
icht über Menschenrechte sprechen. Darum begrüße
h die heutige Debatte, auch wenn meine Fraktion und
h dem Antrag der SPD-Fraktion in dieser Form nicht
ustimmen können.
Nun zur Sache: Man stelle sich vor, dass man einmal
in Menschenrecht herausgreift, ein Einziges, um es als
as zentralste, das wichtigste, das unmittelbarste zu de-
larieren. Natürlich geht das nur hypothetisch, denn
chließlich ist ja gerade das unser höchstes Gut: dass
enschenrechte eben nicht teilbar sind, dass jeder
ensch gleiche Rechte hat – jeder Mensch; auch der
ensch, der anders aussieht als die anderen, auch der
ensch, der anders fühlt und anders liebt als die ande-
n, der Mensch, der anders denkt oder anders glaubt als
ie anderen. Denn nicht die Norm definiert die Würde
es Menschen, sondern eben gerade seine Individualität.
ir alle besitzen die gleichen Rechte, weil wir unteil-
are Einzelne sind, als Menschen, als Geschöpfe, als
benbilder Gottes.
Aber nehmen wir einmal an, man könnte es: ein Men-
chenrecht herausgreifen und extrapolieren. Welches
üsste das sein? Die Antwort lässt an Eindeutigkeit
icht zu wünschen übrig. Das vornehmste Menschen-
cht kann nur das Appell-, das Klage-, das Beschwerde-
cht des Individuums sein. Wie sonst kann ein Mensch
eine unveräußerlichen Rechte wahren, wenn er sie nicht
inklagen kann? Wie sonst kann ein Mensch sich gegen
de Form von staatlicher Willkür zur Wehr setzen? Nur
er eine unabhängige und übergeordnete Instanz besitzt,
n die er sich wenden kann und die ihm sein Recht ver-
chafft, wird in die Lage versetzt, sein Menschenrecht
uch wirklich als ein einklagbares Recht wahrzunehmen.
Eben deshalb hat die Bundesregierung auch federfüh-
nd und, wie sie in ihrem Antrag richtigerweise formu-
ert, „aktiv und konstruktiv“ daran mitgewirkt, das Do-
ument zu erarbeiten, welches die Generalversammlung
er Vereinten Nationen am 10. Dezember 2008 ange-
ommen hat und über dessen Ratifizierung wir heute
prechen: das Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt über
in Individualbeschwerdeverfahren. Durch dieses Proto-
oll wird ermöglicht, dass Einzelpersonen oder Gruppen
auch im Namen anderer – Beschwerden einlegen kön-
en, wenn sie die im UN-Sozialpakt festgeschriebenen
irtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ver-
tzt sehen und den nationalen Rechtsweg ausgeschöpft
aben.
Dadurch werden die wirtschaftlichen, sozialen und
ulturellen Rechte, die seit der Wiener Weltkonferenz
r Menschenrechte 1993 gemeinsam mit den bürgerli-
hen und politischen Menschenrechten als unteilbar mit-
inander verknüpft gelten, in ihrer Bedeutung gestärkt.
ies ist ein weiterer und notwendiger Schritt, die Unteil-
arkeit der Menschenrechte zu stärken. Daher kann ich
em Anliegen der Kollegen von der SPD-Fraktion, eine
atifizierung des Zusatzprotokolls zügig zu ermögli-
hen, nur zustimmen.
Wie Sie in Ihrem Antrag weiterhin richtig feststellen,
at „Deutschland bereits Individualbeschwerdemecha-
ismen zum UN-Zivilpakt, zum Übereinkommen zur
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6603
(A) )
)(B)
Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung,
zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von
Diskriminierung der Frau, zur UN-Anti-Folter-Konven-
tion und zur UN-Behinderten-Konvention anerkannt“.
Das ist richtig und unterstreicht den Stellenwert, den
Menschenrechte in Deutschland haben. Dennoch müs-
sen wir feststellen, dass Deutschland noch nicht zu den
Unterzeichnern des Zusatzprotokolls gehört. Momentan
haben 31 Staaten das Zusatzprotokoll ratifiziert, darunter
auch zehn europäische Staaten. Deutschland gehört noch
nicht dazu.
Nun stellt sich mir die Frage: Wenn die Bundesregie-
rung nun wirklich keinen Anlass gibt, am Stellenwert
menschenrechtlicher Themen zu zweifeln, wenn man
eine Ratifizierung des Zusatzprotokolls unterstützt und
gerade wenn man die Unteilbarkeit der Menschenrechte
durch eine Aufwertung der WSK-Rechte gestärkt sieht:
Warum ist dies der Fall? Warum zeichnet die Bundesre-
gierung, die ja federführend an der Erstellung mitge-
wirkt hat, das Protokoll nicht schneller? Es muss ja
Gründe geben.
Die Antwort ist mehrschichtig, aber eigentlich nicht
sonderlich kompliziert: Wie im Antrag richtig darge-
stellt, überprüft das Bundesministerium für Arbeit und
Soziales, in dessen Verantwortung der Ratifizierungs-
prozess liegt, die juristischen Folgen, die sich aus der
Unterzeichnung ergeben. Eine solche umfassende Prü-
fung muss der Zeichnung notwendigerweise vorausge-
hen. Würde dieser komplexe und umfangreiche Prozess
abgekürzt, könnte das in der Konsequenz negative Fol-
gen haben, die der Absicht des Zusatzprotokolls gerade
entgegengesetzt sind. Diese negativen Folgen eines vor-
eiligen Beschlusses können sich in zwei Richtungen ent-
wickeln:
Erstens ist eine Klageflut möglich. Auch wenn die
Kollegen von der SPD in ihrem Antrag auf die geringen
Fallzahlen von Beschwerden bei den von Deutschland an-
erkannten Individualbeschwerdemechanismen zum UN-Zi-
vilpakt, zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder
Form von Rassendiskriminierung, zum Übereinkommen
zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der
Frau, zur UN-Anti-Folter-Konvention und zur UN-Be-
hinderten-Konvention verweisen, lassen sich daraus
keine gesicherten Rückschlüsse auf die WSK-Rechte zie-
hen. Sollte es tatsächlich zu einer Flut von Klagen kom-
men, würde dies die Dauer der einzelnen Verfahren er-
heblich verzögern, was den wirklichen Opfern gerade
nicht gerecht werden würde, da auch ihre Anliegen nicht
in der gebotenen Dringlichkeit bearbeitet werden könn-
ten.
Es gilt hier nichts anderes als an anderen Stellen des
politischen Alltages auch – ich gestatte mir nur den Hin-
weis auf die Entstehung von Hartz IV –: Was mit heißer
Nadel gestrickt ist, wird langfristig mehr Zeit und Geld
kosten als eine gründlich erarbeitete Lösung. Übrigens ist
die Aussage der Antragssteller irreführend, dass durch
die Ratifizierung keine neuen Verpflichtungen über jene
hinaus entstehen, zu denen sich Deutschland als Vertrags-
staat des Sozialpakts sowieso verpflichtet hat. Wäre dies
der Fall, so wäre eine umfassende juristische Prüfung
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icht notwendig. Da haben Sie recht. Allerdings wäre
ann auch ein Zusatzprotokoll an sich obsolet, und das
önnen Sie doch eigentlich nicht meinen.
Zweitens. Menschen, deren Rechte verletzt werden,
üssen für ihre Beschwerde Rechtssicherheit haben. So-
nge die Rechtslage nicht klar und eindeutig nachvoll-
iehbar und gesichert ist, könnte das dazu führen, dass
uch inhaltlich berechtigte Klagen formal juristisch ab-
ewiesen werden müssten. Das schwächt in der Folge
ie wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der
enschen, statt sie im Sinne des Zusatzprotokolls zu
tärken.
Eine weitere negative Konsequenz bestünde darin,
ass die „Täter“ quasi reingewaschen werden könnten.
m es an einem Beispiel zu erläutern: Vor einigen Jah-
n habe ich den Fall eines Mannes miterlebt, der in
usübung eines therapeutischen Berufes sexuell über-
riffig geworden ist. Das Opfer wollte, nachdem es sich
iner Vertrauensperson offenbart hatte, Anzeige erstat-
n. Sie ging zum Anwalt, um sich Rat zu holen. Der An-
alt riet ihr zunächst von einer Anzeige ab. Es gab keine
eugen des Geschehens. Die Beweislage war zu wenig
indeutig, als dass es zu einer Verurteilung gereicht
ätte. Im Umkehrschluss wäre also ein Freispruch für
en Täter erfolgt – für die betroffene Person eine weitere
emütigung. Unsichere Rechtslagen verstärken das Un-
cht. Das kann nicht im Sinne des Zusatzprotokolls
ein.
Darum prüft das BMAS die Ratifizierung ausführlich.
nd das ist zu begrüßen. Eine Zeichnung des Zusatzpro-
kolls durch die Bundesrepublik Deutschland sollte er-
lgen, das ist unstrittig. Dies soll so schnell wie möglich
eschehen, und es soll so gründlich wie nötig geschehen.
Ein Letztes: Die Antragsteller fordern die Bundesre-
ierung auf, zur Klärung der juristischen Bedenken Pro-
ssor Dr. Eibe Riedel zurate zu ziehen. Ohne an der
chlichen Qualifikation von Professor Dr. Eibe Riedel
gendeinen Zweifel zu hegen, ist es nicht notwendig,
n hinzuzuziehen. Es würde sich lediglich um einen
eiteren Gutachter handeln. Die juristischen Gutachter
er Bundesregierung sind fachlich völlig ausreichend.
erade im Sinne einer zügigen Ratifizierung ist es sinn-
oll, es bei den bestehenden Gutachten zu belassen. Wei-
re Gutachter würden den Prozess nur unnötig verlän-
ern.
Daher folgt die CDU/CSU-Fraktion dem Antrag in
einer Intention, lehnt ihn aber in der vorliegenden Form
b.
Ullrich Meßmer (SPD): „Ein Großteil der Ge-
chichte ist erfüllt vom Kampf um die Menschenrechte,
inem ewigen Streit, bei dem niemals ein endgültiger
ieg zu erringen ist. Aber in diesem Kampf zu ermüden,
ürde den Untergang der Gesellschaft bedeuten.“ Dieses
itat von Albert Einstein gilt mit seiner Aufforderung
nd mit seinem Ansporn bis heute und wird auch in Zu-
unft gelten.
Ein halbes Jahr ist seit der ersten Lesung des Antrags
Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt ratifizieren“ ver-
6604 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
(A) )
)(B)
gangen, genug Zeit, um Bedenken zu klären und die Ab-
stimmung unter den Ministerien abzuschließen, genug
Zeit, um den Weg für eine endgültige Ratifizierung frei
zu machen. Das gilt für rechtliche wie politische Beden-
ken, zumal mit Prof. Eibe Riedel als deutschem Vertreter
im WSK-Ausschuss ein Experte gerade für rechtliche
Fragen zur Verfügung steht.
Es erstaunt schon, dass die gerade von der Bundesre-
gierung in Aussicht gestellte Ratifizierung bis heute
nicht erfolgt ist. Außenpolitisch läuft Deutschland Ge-
fahr, die positive internationale Rolle, die es bei der Ent-
stehung des Zusatzprotokolls eingenommen hat, zu ge-
fährden. Ein negatives Signal für andere Länder.
Deutschland hat bereits fünf Individualbeschwerde-
verfahren zugelassen, ohne dass sich die befürchtete Be-
schwerdeflut über Deutschland ergossen hätte. Es wur-
den gerade einmal 22 Beschwerden aufgrund der
bestehenden Verfahren eingereicht. Anerkannt wurde
gerade einmal eine Rechtsverletzung aufgrund einer In-
dividualbeschwerde, ich wiederhole: eine! Jede Indivi-
dualbeschwerde setzt die Ausschöpfung des nationalen
Rechtsweges voraus, konkret in Deutschland den Gang
bis vor das Bundesverfassungsgericht.
Ich möchte daran erinnern, dass es um Sozialstan-
dards geht. Hier verfügt Deutschland über eines der am
besten ausgestatteten Sozialsysteme weltweit. Schon
von daher dürften Individualbeschwerden keine Aus-
sicht auf Erfolg haben.
Aus der Ratifizierung des Zusatzprotokolls ergeben
sich keinerlei neue Verpflichtungen über jene hinaus, zu
denen sich Deutschland als Vertragsstaat des UN-Sozial-
pakts ohnehin verpflichtet hat. Weitgehend herrscht ja
Einigkeit, trotzdem noch einmal ein Blick auf die am
häufigsten angeführten Bedenken: So seien die WSK-
Rechte zu abstrakt und daher nicht justiziabel. Dahinter
steckt offenbar die kaum nachvollziehbare Befürchtung,
dass internationale Kontrollinstanzen falsche oder pro-
blematische Schlussfolgerungen bei einem Abgleich mit
dem deutschen Arbeits- und Sozialrecht ziehen könnten.
Dazu gibt es, wie bereits angeführt, keinen Anlass, es sei
denn, man beabsichtigt eine grundlegende Veränderung
unseres Sozialstaates.
Zum anderen wird befürchtet, dass Verbände diesen
Mechanismus missbrauchen, um eigene politische Ziele
zu verfolgen und zu befördern. Abgesehen davon, dass
die bisherigen Erfahrungen dagegen sprechen, ist bei ei-
ner Verletzung von WSK-Rechten immer ein Indivi-
duum betroffen. Eine Menschenrechtsverletzung ist per
Definition immer individuell, auch wenn eine größere
Gruppe insgesamt betroffen ist oder ein Interessenver-
band für mehrere Betroffene spricht. Dieser Einwand ist
logisch also schlicht falsch.
Natürlich gibt es Konfliktfelder, die für unser politi-
sches Handeln Herausforderungen darstellen. So ist zum
Beispiel das Diskriminierungsverbot in den WSK-Rech-
ten weiter gefasst als die bestehenden deutschen Bestim-
mungen, da auch „… sonstige Anschauungen, soziale
Herkunft, Vermögen, Geburt und sonstiger Status …“
genannt werden. Sanktionen bei Ablehnung einer zu-
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utbaren Arbeit könnten eventuell dem WSK-Recht auf
frei gewählte und angenommene Arbeit“ widerspre-
hen.
Dies gilt für den Einsatz von Gefangenen in der Pri-
atwirtschaft ebenso. Das bestehende, auch in Teilen un-
erer Gesellschaft umstrittene Streikverbot für Beamte
önnte dem Recht auf gewerkschaftliche Tätigkeit wi-
ersprechen. Die Einführung von Studiengebühren in ei-
igen Bundesländern ist mit dem WSK-Recht auf Bil-
ung wohl auch nicht vereinbar. Diese konkreten Punkte
effen eher den Kern der Bedenken, die es aber offenbar
icht nur bei uns gibt.
Ein Zitat des UN-Ausschusses für die WSK-Rechte
elegt, dass offenbar in mehreren freiheitlich-demokrati-
chen Staaten sich die Konkretisierung der WSK-Rechte
staatliches Handeln und nationale Gesetzgebung
chwierig gestaltet: „Die erschreckende Realität … ist,
ass Staaten und die internationale Gemeinschaft als
anzes noch immer viel zu häufig Verstöße gegen wirt-
chaftliche, soziale und kulturelle Rechte dulden – Ver-
töße, die, würden sie bürgerliche und politische Rechte
erletzen, Entsetzen und Empörung provozieren und zu
onzertierten Forderungen nach sofortiger Wiedergut-
achung führen würden.“
Natürlich bleibt es eine Herausforderung, die WSK-
echte in nationales Recht umzumünzen, aber kein un-
sbares Problem und erst recht kein Vorwand, um ein
dividualbeschwerdeverfahren abzulehnen. Gegenteil:
as individuelle Beschwerdeverfahren nach Ausschöp-
ng der nationalen Rechtswege schafft für die betroffe-
en Menschen zusätzliche Sicherheit. Für die Klärung
ffener Fragen und Abstimmungsprozesse gab es genü-
end Zeit und Gelegenheit.
Wenn sich Deutschland nicht dem Vorwurf einer ge-
ielten Verzögerungstaktik aussetzen will, müssen den
ausdrücklich auch von meiner Fraktion unterstützten –
olitischen Ankündigen der Bundesregierung auch Taten
lgen. Die Ratifizierung des Zusatzprotokolls bringt
ehr Vorteile und Klärung mit sich als Nachteile, vor al-
m weil dadurch die WSK-Rechte konkret werden, da
ie Ansprüche einzelner Menschen aufzeigen. Staatenbe-
chte zum UN-Sozialpakt können das mit ihren „Ab-
chließenden Bemerkungen“ und ihren „Allgemeinen
emerkungen“ nicht leisten. In ihnen verschwinden die
enschen hinter Zahlenreihen und Statistiken, in ihnen
ird das konkrete Einzelschicksal nur selten greifbar.
Mit einem Individualbeschwerdeverfahren aber wird
onkretes Recht in einem konkreten Fall für ein konkre-
s Opfer geschaffen. Erst durch das Individualbe-
chwerdeverfahren werden die WSK-Rechte auch für
ichtexperten nachvollziehbar und verständlich. Mögli-
hen Opfern wird so geholfen, ihre Situation richtig ein-
uschätzen und sich Hilfe zu holen. Sie werden damit zu
ktiven Trägern ihre Rechte. Sie lernen, diese einzufor-
ern und notfalls durch sämtliche Instanzen hindurch
inzuklagen. Damit erfüllen erst die Individualbe-
chwerdemechanismen den Grundsatz aller Rechtsstaat-
chkeit.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6605
(A) )
)(B)
Zwar haben die UN-Fachausschüsse als die letzte In-
stanz keine Rechtsetzungsgewalt und können auch keine
verbindlichen Urteile aussprechen, die politische Wirk-
kraft der Empfehlungen und Rügen an den jeweiligen
Staat sind aber keinesfalls zu unterschätzen. Und weiter:
Erst wenn der Zugang zu entsprechenden individuellen
Beschwerdemechanismen sichergestellt ist, erfüllt sich
der allgemein anerkannte Grundsatz der Unteilbarkeit
und der Interpendenz aller Menschenrechte. Damit wird
der UN-Sozialpakt, werden die sogenannten WSK-
Rechte den bürgerlichen und politischen Rechten gleich-
gesetzt.
Für die noch verbliebenen Zweifler lasse ich daher
noch einmal Charles de Gaulle zu Wort kommen: „Es ist
besser, unvollkommene Entscheidungen durchzuführen,
als beständig nach vollkommenen Entscheidungen zu
suchen, die es niemals geben wird.“ Für die weniger
Konservativen zitiere ich auch gerne unseren früheren
Außenminister, Dr. Klaus Kinkel: „Eine Gesellschaft,
die die Menschenrechte nicht respektiert, blockiert sich
selbst.“
In diesem Sinne erwarten wir eine zügige Ratifizie-
rung des Zusatzprotokolls zum UN-Sozialpakt durch die
Bundesregierung noch vor Ablauf dieses Jahres.
Pascal Kober (FDP): Mit dem Zusatz- bzw. Fakul-
tativprotokoll zum UN-Sozialpakt über ein Individualbe-
schwerdefahren wurde ein Kommunikationsverfahren
als Rechtsmittel beschlossen. Der Ausschuss der Verein-
ten Nationen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte ist damit nicht mehr nur für das Berichtsprü-
fungsverfahren, sondern auch für internationale Be-
schwerdeverfahren und Untersuchungsverfahren vor Ort
zuständig. Bisher gab es als Mittel der Überprüfung der
Einhaltung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Rechte innerhalb der Mitgliedstaaten der Vereinten Na-
tionen nur die Staatenberichte, in denen Rechenschaft
über die Menschenrechtssituation abgelegt und Verbes-
serungsmaßnahmen vorgeschlagen werden mussten.
Für die Ratifikation des Zusatzprotokolls spricht un-
ter anderem, dass Einzelpersonen durch das Individual-
beschwerdeverfahren oder Gruppen vor einem interna-
tionalen Gremium Beschwerde gegen ihren Staat
einlegen können. Voraussetzung für die Einklagbarkeit
der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ist
dabei die Ausschöpfung des nationalen Rechtsweges.
Negative Folgen der Ratifikation des Zusatzproto-
kolls könnte der erhöhte Arbeitsaufwand für das jewei-
lige Kontrollorgan sein, was schnelle und effektive Ent-
scheidungswege erschwert. Ein Beispiel für eine solche
Entwicklung sehen Sie im Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte, dessen Funktionsfähigkeit aufgrund
der explosionsartigen Zunahme der Streitfälle in den
letzten Jahren praktisch gelähmt war.
Trotzdem wird in Fachkreisen das Verfahren der Indi-
vidualbeschwerde trotz der mangelnden Rechtsbindung
als ein wichtiges Instrument beim internationalen Men-
schenrechtsschutz betrachtet.
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Worum geht es im UN-Sozialpakt eigentlich? Um die
ahrung elementarer menschlicher Rechte, nämlich Er-
ährung, Gesundheit und Bildung. Der Schutz dieser
echte ist ein wichtiges Anliegen der wertegeleiteten
ußenpolitik dieser christlich-liberalen Koalition. Sie
at sich zum Ziel gesetzt, weltweit für die wirtschaftli-
hen, sozialen und kulturellen Rechte von Menschen
inzutreten, für ihren Schutz zu sorgen und ihre Umset-
ung zu befördern. Die Möglichkeit eines Individualbe-
chwerdeverfahrens ist sicherlich ein richtungsweisen-
es Signal und die Ratifikation ein weiterer Meilenstein
der internationalen Menschenrechtsarbeit. Aber das
esultat eines solchen Rechtsbehelfs ist lediglich ein
ommunikationsverfahren, aus dem „views“ – also
mpfehlungen beziehungsweise nicht rechtsverbindli-
he Zielformulierungen – hervorgehen. Das ist ein gutes
tichwort. Unsere Zielformulierungen stehen nämlich in
nserem Koalitionsvertrag.
Wir wollen, dass die Globalisierung eine Chance für
lle Menschen wird: Alle Menschen sollen ohne Not,
elbstbestimmt und eigenverantwortlich leben können.
Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf geeinigt,
uf der bilateralen Ebene den Anteil der deutschen
ntwicklungszusammenarbeit zu stärken. Im Aktions-
lan Menschenrechte der Bundesregierung, der für die
ächsten zwei Jahre Maßstab ist, stehen ebenfalls klar
rmulierte Ziele. Unter anderem unterstützt diese Bun-
esregierung die Bemühungen universaler menschen-
chtlicher Standards für angemessenes Wohnen und für
as Recht auf Nahrung. Sie befürwortet die Erarbeitung
on „Freiwilligen Leitlinien zur verantwortungsvollen
erwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten und
nderen natürlichen Ressourcen“ sowie den Dialog über
ie Umsetzung von menschenrechtlicher Verantwortung
on Unternehmen. Ganz besonders wichtig finde ich die
örderung der Menschenrechtsbildung, aber auch der
ntwicklung von lokalen Bildungsbündnissen zur indi-
iduellen Förderung benachteiligter Kinder in Deutsch-
nd.
Bundesminister Niebel hat aus unserem Koalitions-
ertrag sechs Schwerpunkte für die deutsche Entwick-
ngszusammenarbeit abgeleitet, die ganz klar nach
enschenrechtlichen Gesichtspunkten ausgerichtet sind
nd die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte
etreffen: Dazu gehören die nachhaltige Bekämpfung
er Armut, die Förderung des Engagements von Zivilge-
ellschaften und auch, das wirtschaftliche Engagement
it dem Ziel von Nachhaltigkeit verstärkt zu nutzen. Ein
chlüsselsektor in der christlich-liberalen Entwicklungs-
olitik ist die Gesundheit, wozu auch der Kampf gegen
IDS gehört.
Wir finden, unsere Bilanz nach einem Jahr Men-
chenrechtspolitik kann sich sehen lassen. Wir haben uns
rfolgreich für das Menschenrecht auf den Zugang zu
auberem Trinkwasser und Sanitäranlagen eingesetzt,
ir haben mit Erfolg in Kampala bei der Überprüfungs-
onferenz daran gearbeitet, Strafbarkeitslücken im Rö-
ischen Statut zu schließen und damit die Gerichtsbar-
eit des Internationalen Strafgerichtshofes gestärkt. Ein
eiterer Fortschritt ist, dass in bestimmten Ländern fi-
6606 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
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nanzielle Zuwendungen für Entwicklungszusammenar-
beit an menschenrechtspolitische Bedingungen geknüpft
sind. Mit ausführlichen Anträgen zur Erreichung der Mil-
lenniumsentwicklungsziele und Bildungsarbeit in Entwick-
lungsländern haben wir ebenfalls Grundlagen für den
Schutz wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte
gelegt.
Natürlich kommt es auf die Effizienz und Gestal-
tungskraft der Instrumente zur technischen Durchfüh-
rung von Projekten der Menschenrechts- und Entwick-
lungszusammenarbeit an. Dabei komme ich nicht umhin,
die Strukturreform bei den Durchführungsorganisatio-
nen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung zu erwähnen. Ineffiziente
Doppelstrukturen werden abgebaut und damit die Effi-
zienz der Wirksamkeit der eingesetzten Mittel erhöht.
Hinsichtlich der Umsetzung von Zielformulierungen
kann sich die Jahresbilanz der christlich-liberalen Men-
schenrechtspolitik sehen lassen. Sie zeigt, wie wichtig
uns das Thema ist, und dass wir das Ergebnis der Res-
sortabstimmung zur Ratifikation des Zusatzprotokolls
gelassen abwarten können.
Daher lehnen wir Ihren Antrag ab.
Stefan Liebich (DIE LINKE): Wenn es die UNO
nicht gäbe, dann müsste sie erfunden werden. Die Ver-
einten Nationen sind ein unverzichtbarer Akteur in den
internationalen Beziehungen. Zunächst lag der Schwer-
punkt der Arbeit vor allem bei den Fragen der Sicherheit
der Staaten untereinander. Über die Jahrzehnte erwei-
terte sich das Themenfeld der Organisation und ihrer
Unterorganisationen auch auf andere Bereiche wie Kul-
tur, Umwelt und Soziales. Das war auch richtig; denn
Frieden und Sicherheit sind vor allem dann nachhaltig,
wenn es den Menschen gut geht. Dazu braucht man
Rechte, und – das ist hier der springende Punkt – diese
Rechte müssen einklagbar sein.
Wir begrüßen daher sehr, dass die UNO einen Weg
entwickelt hat, ihren Sozialpakt durch eine solche Form
der individuellen Beschwerdemöglichkeit zu ergänzen
und damit auch zu stärken. Die im Sozialpakt entwickel-
ten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ha-
ben damit eine größere Chance, auch real wirksam zu
werden. Wir wissen alle, dass das ein langer Prozess ist
und dass es auch den Mut der Zivilgesellschaft braucht,
aber der Weg dazu ist geöffnet.
Es war in diesen Tagen schon von positiven Erfahrun-
gen zu lesen. Amnesty International berichtete davon,
dass in einem Fall in Südafrika durch juristische Bezug-
nahme auf den Sozialpakt der diskriminierungsfreie
Zugang zu HIV/Aids-Medikamenten erreicht wurde. In
einem anderen Fall mussten per Gerichtsentscheid
100 Notunterkünfte für wohnungslose Menschen in In-
dien geschaffen werden. Das ist im täglichen Kampf ge-
gen Armut ein riesiger Fortschritt. Dass jeder seine so-
zialen Rechte auch vor Gericht durchsetzen kann, wäre
ein wichtiger Meilenstein für sozialen Fortschritt. Dies
würde zeigen, dass die Vereinten Nationen mit ihren in-
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titutionellen und rechtlichen Regelwerken auch soziale
ntwicklungen voranbringen können.
Die Linke begrüßt das sehr, auch mit Blick auf die
sgesamt eher ernüchternde Zwischenbilanz der Millen-
iumsziele, wo die massive Verringerung der Armut ein
anz zentrales Element ist.
Das Zusatzprotokoll wurde zwar von 35 Staaten ge-
eichnet, aber es fehlen zumindest sieben Staaten bei der
atifizierung, damit es in Kraft treten kann. Deutschland
ollte dem EU-Partner Spanien, aber auch der Mongolei
nd Ekuador nicht nachstehen. Deshalb fordere ich ei-
en zügigen Prozess bis hin zur Ratifizierung. Vor die-
em Hintergrund begrüße ich auch die Zielrichtung des
ntrages der SPD-Fraktion, der zu Recht darauf ver-
eist, dass die bürgerlichen und politischen Rechte mit
en wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten
leichgesetzt und letztere durch die Beschwerdeverfah-
n auch in gleicher Weise gestärkt werden. Die Forde-
ng nach zügiger Zeichnung und Ratifizierung ist zu
nterstützen.
In unserer Fraktion wurden allerdings auch Fragen
insichtlich des realen Engagements der Antragsteller in
üheren Zeiten gestellt. Ist es nicht so, dass zu Zeiten
iner SPD-Regierungsverantwortung das Ziel eines
,7-Prozent-BIP-Anteils für Entwicklungszusammen-
rbeit nicht entscheidend vorangebracht wurde und da-
it wesentliche Mittel auch zur Verwirklichung von so-
ialen Rechten in Entwicklungsländern fehlen? Und ist
s nicht so, dass mit Blick auf die soziale Sicherheit die
PD-Politik im eigenen Lande ganz andere Ergebnisse
ebracht hat? Es gibt zum Beispiel in Deutschland kei-
en gesetzlichen Mindestlohn, dafür aber Zuwachs bei
er Armut, insbesondere auch bei Kindern, um nur zwei
eispiele zu nennen.
Mit Blick auf diese Fragen wird die Linksfraktion
em Antrag nicht zustimmen. Wir werden aber auch
icht dagegenstimmen, weil wir das Kernanliegen, die
eichnung und Ratifizierung des Zusatzprotokolls, auch
ünschen, weil wir die Lernfähigkeit und den Positions-
andel der SPD und ihr Engagement in dieser Frage
ürdigen. Es bleibt wichtig, den Weg der Verrechtli-
hung auch über die internationalen Regelwerke zu ge-
en, um die UN und ihre sozialen Anliegen zu stärken
nd um im eigenen Lande Druck für entsprechende Poli-
ksubstanz im Auswärtigen wie in der Innenpolitik zu
ntwickeln. Es geht um Räume für die bessere Durchset-
ung individueller sozialer und kultureller Anliegen und
amit um Bürgerrechte, um Menschenrechte und um das
oziale an sich. Dafür sollten wir gemeinsam kämpfen.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
ündnis 90/Die Grünen unterstützt seit langem die im
ntrag enthaltene Forderung an die Bundesregierung,
as Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt zu zeichnen
nd zu ratifizieren.
„Eile mit Weile“ waren die Worte von CDU/CSU und
DP in der gestrigen Sitzung des Ausschusses für Men-
chenrechte, als wir über den Antrag berieten. Man solle
och zunächst die Ressortabstimmungen abwarten, denn
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6607
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übereiltes Handeln könne zu Komplikationen führen.
Mit Verlaub, aber das ist zynisch.
Knapp zwei Jahre sind nun vergangen, seitdem die
Generalversammlung der Vereinten Nationen das Zu-
satzprotokoll zum Sozialpakt über ein Individualbe-
schwerdeverfahren angenommen hat. Seitdem läuft die
Abstimmung zwischen den Ressorts der Bundesregie-
rung, ob man nun zeichnen und ratifizieren solle – zu-
nächst unter Schwarz-Rot, jetzt unter Schwarz-Gelb.
Knapp zwei Jahre sind vergangen, ohne dass die Bun-
desrepublik Deutschland einem der Kernverträge im Be-
reich der WSK-Rechte zugestimmt hätte. Gezeichnet ha-
ben das Zusatzprotokoll bislang 35 Staaten – zuletzt
etwa Kasachstan oder die Demokratische Republik
Kongo. Ist es vertretbar, dass wir dahinter zurückstehen?
Ich denke, nicht. Dieses Gewarte und Geprüfe entspricht
nicht der menschenrechtlichen Führungsrolle, die die
Bundesrepublik für sich selbst beansprucht.
Denn lassen Sie uns doch nur auf die Genese des Zu-
satzprotokolls zurückblicken: Die Bundesregierung hat
bei der Erarbeitung des Protokolls eine aktive und kon-
struktive Rolle gespielt. Und zu Recht lobte sich dafür
die Bundesregierung selber, als sie im Juli 2008 in den
8. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschen-
rechtspolitik schrieb, dass Deutschland sich für ein men-
schenrechtsfreundliches, juristisch sauber gestaltetes
und praktisch handhabbares Individualbeschwerdever-
fahren eingesetzt habe. Wer aber ein Individualbe-
schwerdeverfahren zum Sozialpakt vorantreibt, es dann
aber Ländern wie Kongo oder Kasachstan – also Staaten,
in denen die WSK-Rechte mit Sicherheit häufiger ver-
letzt werden als bei uns – überlässt, dieses zu unterzeich-
nen, der fördert nicht die eigene Glaubwürdigkeit.
Wir sind es doch, die fremden Staaten stets ins Gewis-
sen reden, die Menschenrechte seien unteilbar. Niemand
bestreitet, dass es im Bereich der wirtschaftlichen, sozia-
len und kulturellen Rechte beispielsweise in der Volks-
republik China in den letzten Jahren Verbesserungen ge-
geben hat. Aber stets fordern wir dann, dass dies nicht
zulasten der bürgerlichen und politischen Rechte gesche-
hen darf. Denn die Menschenrechte seien unteilbar. Und
was ist mit uns? Die Individualbeschwerdemechanismen
zum Zivilpakt und zu mehreren anderen Übereinkom-
men, die die bürgerlichen und politischen Rechte betref-
fen, hat die Bundesrepublik längst anerkannt. Warum
dann nicht auf für die WSK-Rechte?
Die einen behaupten immer noch, es könne womög-
lich zu einer Beschwerdeflut kommen. Diese Sorge ist
unbegründet. Zunächst einmal müssen der innerdeutsche
und auch der europäische Rechtsweg erschöpft sein. Erst
dann wäre eine Beschwerde zulässig. Wegen aller ande-
ren Individualbeschwerdemechanismen wurden bislang
22 Beschwerden gegen Deutschland eingereicht. Wer da
ernsthaft Angst vor einer Beschwerdeflut wegen einer
zusätzlichen Beschwerdemöglichkeit hat, der hat auch
Angst vorm bösen Wolf.
Andere, wie etwa Herr Klimke von der Union, sehen
die „Gesamtinteressen des deutschen Staates“ gefährdet.
Vielleicht ist es das schlechte Gewissen, das an ihnen
nagt. Pauschalierte Hartz-IV-Sätze für Kinder oder unso-
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iale Studiengebühren – möglicherweise könnte hierge-
en irgendwann einmal eine Individualbeschwerde erho-
en werden. Eventuell ist es ja das, was die Bundesregie-
ng zögern lässt. Wer aber angesichts sozialrechtlicher
ehler den von den Fehlern Betroffenen auch noch eine
bergeordnete Beschwerdeinstanz versagen möchte,
em ist der politische Kompass vollends abhanden ge-
ommen – sowohl im Sozialen als auch bei der Rechts-
taatlichkeit.
Deutschland hat in den letzten Jahren die wirtschaftli-
hen, sozialen und kulturellen Rechte stark gefördert,
twa das Recht auf Wasser, das Recht auf Nahrung oder
as Recht auf eine angemessene Unterbringung. Häufig
ird uns dabei aber vorgehalten, die WSK-Rechte seien
u abstrakt, zu unbestimmt und nicht praktikabel. Ge-
de diesen Kritikern sollten wir entgegnen, dass es ein
dividualbeschwerdeverfahren gebe. Denn Einzelfälle
achen Probleme anschaulich, holen sie aus dem Ab-
trakten ins Konkrete.
Wie lange also möchten Sie noch prüfen? Bis der
tzte Hartz-IV-Satz geändert und die letzten schwarz-
elben Studiengebühren abgewählt worden sind? So
chön dies wäre – lassen Sie uns nicht so lange warten
nd unterzeichnen und ratifizieren Sie endlich das Zu-
atzprotokoll!
Wir stimmen dem Antrag der SPD zu und bitten Sie,
ies ebenfalls zu tun.
nlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Bundesbesol-
dungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes
2010/2011 (BBVAnpG 2010/2011) (Tagesord-
nungspunkt 20)
Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Das
undesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz
010/2011 im Interesse der Beamten, aber auch der Ge-
ellschaft auszugestalten, war eine schwere Aufgabe.
nser Ziel ist es, den Staat gleichzeitig handlungsfähig,
ber auch effizient zu gestalten. Effizienz heißt für die
eutige Gesellschaft richtigerweise mehr denn je, Aus-
aben zu reduzieren und Neuverschuldung möglichst zu
ermeiden.
Juristisch gesehen ist es eine nicht einfache Güterab-
ägung, ganz praktisch ein Drahtseilakt: Einerseits gilt
s, unseren Beamten die Wertschätzung und das Ver-
auen entgegenzubringen, das sie wahrlich verdient ha-
en. Sie managen tagtäglich erfolgreich diesen Staat.
nd das ist im internationalen Vergleich ein nicht zu un-
rschätzender Standortfaktor für unser Land. Deshalb
at der Bund – bei allen Einsparungen der letzten Jahre –
ie Tarifergebnisse des öffentlichen Dienstes regelmäßig
eitnah auf die Beamtinnen und Beamte wie auch die
ensionäre übertragen. Genau das werden wir mit dem
undesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz
uch für die Jahre 2010 und 2011 wieder vornehmen.
as heißt, wir werden die Dienstbezüge um 1,2 Prozent
6608 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
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zum 1. Januar 2010, weitere 0,6 Prozent zum 1. Januar
2011 und nochmals 0,3 Prozent zum 1. August 2011 an-
heben. Für die Versorgungsempfänger haben wir das Ta-
rifergebnis ebenfalls weitgehend übertragen. Lediglich
die Einmalzahlung von 240 Euro haben wir als Beitrag
zur Haushaltskonsolidierung verwandt; angesichts der
Nullrunden bei den Rentenempfängern in den Jahren
2010 und 2011 ist das ein faires Ergebnis. Für mich sind
diese Erhöhungen im Kontext zur aktuellen Haushaltssi-
tuation ein echter Erfolg.
Andererseits ist es in der Regierungskoalition völlig
unstreitig, dass auch der Staat selbst seinen Solidarbei-
trag zur Haushaltskonsolidierung beizusteuern hat. Die
Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns eine erfolgrei-
che Bekämpfung einer in dieser Dimension nicht vorher-
sehbaren Weltwirtschaftskrise. Die Kasse in Ordnung zu
bringen, das Land weiterhin erfolgreich aus der Krise zu
führen und am Ende die Schuldenbremse einzuhalten,
betrachten wir als unsere erste Pflicht.
Deshalb haben wir uns entschlossen, dass der für Ja-
nuar 2011 vorgesehene Einbau eines Teils der Sonderzah-
lung, sogenanntes Weihnachtsgeld, in das Grundgehalt
– anders als im Dienstrechtsneuordnungsgesetz vorgese-
hen – nicht wirksam werden soll. Auf diese Weise tragen
die Bezügeempfänger des Bundes mit jährlich etwa
500 Millionen Euro zur Haushaltskonsolidierung bei.
Herr Professor Dr. Pechstein stellte als Sachverständiger
in der Anhörung fest, dass der Vertrauensschutz bei die-
ser weiteren Aussetzung der Sonderzahlung verfas-
sungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
Aber ohne drum herumzureden: Der Koalition und
gerade mir ist sehr bewusst, dass wir die im Hinblick auf
das Wiederaufleben der Sonderzahlung im Jahr 2005 ge-
gebene Zusage an die Beamten nicht einhalten und ge-
fühltes Vertrauen strapazieren. Aber es war am Ende ein
Abwägungsprozess, in dem wir uns an dieser Stelle für
die Finanzverantwortung des Staates entscheiden muss-
ten. Ich stehe zu dieser Entscheidung, fühle mich für sie
verantwortlich und habe sie mir nicht leicht gemacht.
Von daher hatten und haben die inszenierten Entrüs-
tungen der Opposition in den vergangenen Monaten na-
türlich keinen Beitrag zu unserer schwierigen Entschei-
dungsfindung geliefert. Im Gegenteil: Sie haben sie
allenfalls verzögert. Regierungspolitik beginnt immer
mit dem Betrachten der Wirklichkeit; wohl deshalb hat
der SPD-Wirtschaftsfachmann Rainer Wend im Novem-
ber 2005 die Kürzung der Sonderzahlungen seinerzeit
als angemessen bezeichnet. Ich zitiere: „Im Privatsektor
haben viele Arbeitnehmer Einbußen beim Weihnachts-
geld hinnehmen müssen, zum Teil bis auf Null“, sagte
Wend. Angesichts der „extrem hohen Pensionslasten“
müsse gehandelt werden. An dieser Stelle möchte ich
noch ergänzen, dass es auch in nicht CDU-geführten
Bundesländern wie zum Beispiel Berlin, Brandenburg
und Bremen einige Beamtengruppen gibt, die bei der
Frage der Sonderzahlungen schlechter gestellt werden
als die Bundesbeamten nach diesem Gesetz.
Auch die in der Anhörung kritisierte einseitige Be-
nachteiligung der Beamten gegenüber den Tarifbeschäf-
tigten bei der weiteren Aussetzung der Sonderzahlung ist
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u oberflächlich gedacht. Beleuchtet man alle Beschäfti-
ungsbedingungen beider Gruppen im Detail, so wird
ein Tarifbeschäftigter des Bundes eine Bevorteilung ge-
enüber den Beamten feststellen können und schon gar
icht empfinden.
Deutschland hat in Europa in einer schwierigen Lage
ieder einmal die „Lokomotivfunktion“ übernommen.
ie Gründe dafür liegen auf der Hand: weil wir in der
ergangenheit viele teils unbequeme, aber notwendige
eformen vollzogen haben. Hier hat sich der öffentliche
ienst nie ausgenommen, auch wenn dies in der Öffent-
chkeit selten genug so dargestellt wird. Ich erinnere an
ie Erhöhung der Arbeitszeit um 6,4 Prozent, das heißt
der Regel gibt es die 41-Stunden-Woche, den Wegfall
es Urlaubsgeldes seit 2004, die Kürzung der jährlichen
onderzahlung von 60 Prozent auf 30 Prozent und den
erzicht auf Inflationsausgleich bei Lohn und Gehalt seit
998.
Warum zähle ich das auf? Ich mache zunehmend die
rfahrung, dass immer mehr Arbeitnehmer und Unter-
ehmer der Privatwirtschaft sowie des öffentlichen
ienstes, Gewerkschaften und Berufsverbände, aber be-
onders unsere Beamten jenseits finanzieller Erwägun-
en auch stolz darauf sind, durch verantwortungsvolle
nd moderate Tarifpolitik mit dazu beigetragen zu ha-
en, dass Deutschland diese Krise so überragend meis-
rt. Genau so bewahren wir die Bundesrepublik vor
onsequenzen, wie sie einige unserer europäischen Part-
er erlebt haben oder noch erleben werden.
Daher habe ich mich mit aller Kraft dafür stark ge-
acht, dass der ausstehende Teil der Sonderzahlung
icht endgültig gestrichen, sondern bis zum 31. Dezem-
er 2014 weiter ausgesetzt wird. Das ist für mich ganz
nd gar kein Placebo, sondern vielmehr ein Signal. Wir
üssen in den kommenden Jahren die im Bundes-
aushalt zweifellos vorhandenen finanziellen Einspar-
otenziale zielgerichteter identifizieren und nutzen. Das
rfordert mehr strukturelle und weniger punktuelle Mo-
ernisierungsanstrengungen im öffentlichen Dienst. Ziel
uss es sein, Einsparvolumina, wie die jetzt beschlosse-
en 500 Millionen Euro jährlich, künftig innerbehörd-
ch auf verlässliche Weise zu erwirtschaften.
In den kommenden Jahren werden sich privatwirt-
chaftliche Unternehmen in direkter Konkurrenz zum
taat, besonders im Bereich der Natur- und Ingenieur-
issenschaften, um den Nachwuchs bewerben. Deshalb
ürfen wir uns nicht durch dauerhafte Einschnitte im
ersonalbereich ein Attraktivitätsproblem verschaffen.
ie weitere befristete Aussetzung soll daher den Ein-
tieg ermöglichen, ab 2015 die Sonderzahlung wieder
uf ein Niveau zu führen, das uns im Wettbewerb am
arkt bestehen lässt.
Die von einigen Sachverständigen innerhalb der öf-
ntlichen Anhörung, aber auch von Verbandsvertretern
orgeschlagenen Maßnahmen zur Steigerung der Attrak-
vität im öffentlichen Dienst sind aus systematischen
ründen nicht Bestandteil dieses Gesetzgebungsverfah-
ns. Gleichwohl sichere ich Ihnen hinsichtlich dieser
orschläge weitere Gesprächsbereitschaft zu. Sie haben
it Ihren Darlegungen dafür gesorgt, dass sich diese
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6609
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)(B)
parlamentarische Tür in der Regierungskoalition wieder
ein Stück weiter geöffnet hat.
Lassen Sie mich zum Schluss noch anmerken: Im
20. Jahr der Einheit dürfen wir auf die Situation der Be-
amten stolz sein: Sie sind eine der ersten und eine der
wenigen Berufsgruppen in Deutschland, bei denen wir
seit fünf Jahren, also seit der letzten Besoldungsanpas-
sung, die Angleichung der Gehälter von Ost und West
erfolgreich vollzogen und mit diesem Gesetz weiterhin
manifestiert haben. Hoffen wir auf die Vorbildwirkung
für weitere Tarifverträge und eine bessere Wahrnehmung
in der Öffentlichkeit.
Mit dem Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpas-
sungsgesetz übertragen wir das Tarifergebnis auf die
Dienst- und Versorgungsbezüge. Wir stellen also die Be-
amten, Richter, Soldaten und Versorgungsempfänger
besser. Daher kann man diesem Gesetz nur zustimmen.
Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Wer
schnellen und leichten Applaus sucht, der schimpft
gerne auf faule und überbezahlte Beamte. Mit der Reali-
tät hat dies jedoch nichts zu tun. Polizistinnen und Poli-
zisten, Soldatinnen und Soldaten und die vielen anderen
Beschäftigten des öffentlichen Dienstes leisten einen
wertvollen, sachkompetenten und engagierten Einsatz
für unser Land, unter Umständen sogar unter Einsatz des
eigenen Lebens. Ohne gute Beamtinnen und Beamte
wäre unser Land nicht so sicher, hätten wir die Finanz-
marktkrise nicht bewältigt und könnten weder Gesetze
vorbereiten noch durchführen. Wir sollten ihnen also lie-
ber danken für ihre Arbeit, anstatt sie ständig zum Sün-
denbock zu degradieren.
Es ist daher grundsätzlich gut, dass auch sie vom
Tarifergebnis im öffentlichen Dienst des Bundes profi-
tieren. In drei Schritten erfahren sie eine Erhöhung ihrer
Bezüge. Sie haben in der Vergangenheit ihren Beitrag
zur Konsolidierung der Staatsfinanzen getragen. Wenn
wir in Zeiten schärfer werdender Konkurrenz um Ar-
beitskräfte gegenüber der gewerblichen Wirtschaft mit
den Tarifstrukturen des öffentlichen Dienstes konkur-
renzfähig bleiben wollen, dann können wir nicht alleine
auf die durchaus auch bei jungen Menschen vorhandene
Bereitschaft zum Dienst für unseren Staat hoffen. Wir
müssen sie auch anständig und angemessen dafür bezah-
len. Deshalb wird sich nach all dem, was wir dem Beam-
tenbereich auch in sozialdemokratischer Regierungszeit
bereits zumuten mussten, die jetzige Planung fatal aus-
wirken. Denn hier wird massiv und sehenden Auges Ver-
trauen gebrochen.
In der großen Koalition hatten wir befristet bis zum
Ende dieses Jahres die Sonderzahlungen – das soge-
nannte Weihnachtsgeld also – von 60 auf 30 Prozent ge-
kürzt, ein schwerer Brocken für alle Betroffenen, den sie
aber schulterten in der Gewissheit, dass dies nun wieder
anders wird. Das wird es auch, aber eben nur für die Ta-
rifbeschäftigten. Die Schere zwischen Beamtinnen und
Beamten und den übrigen Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes geht damit also noch weiter auseinander. Lo-
gisch lässt sich dies nicht begründen, wohl aber damit,
dass die verbeamteten Beschäftigten leichte Opfer sind.
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as ist kein gutes Signal. Wir können uns bei all den be-
offenen Beschäftigten nicht ständig mit warmen Wor-
n bedanken für ihre Arbeit und sie dann so schäbig be-
andeln. Obwohl es nur für den Bund gilt, hat dies auch
ine Signalwirkung auf die Länder. Bayern kommt be-
its aus der Deckung.
Alle Gutachter – auch die von Schwarz-Gelb benann-
n – haben in der Anhörung am Montag das Agieren der
oalition scharf kritisiert. Nirgendwo wurde auch nur
erständnis geäußert; dennoch geht die Koalition igno-
nt über jeden Expertenrat hinweg. Das wird sich rä-
hen. Denn jede bemühte Erklärung greift nicht. Wenn
on Union und FDP das Einsparargument als Begrün-
ung genannt wird, dann halten wir dem entgegen: Die
00 Millionen Euro aus einem Gesamthaushaltsvolumen
on über 300 Milliarden Euro, von denen hier die Rede
t, hätten sie mal besser bei all ihren Steuergeschenken
ingespart. Der Schaden, den sie bei den Beamtinnen
nd Beamten auslösen, ist ungleich höher. Die FDP mag
och stattdessen lieber einmal ihr sogenanntes liberales
parbuch hervorkramen. Dort war ja noch die Rede da-
on, weniger Staatssekretäre zu halten und sogar ein
inisterium ganz einzusparen. Das Gegenteil ist ja be-
anntlich geschehen. Sie sollten sich daher doppelt und
reifach für diesen massiven Vertrauensbruch schämen.
rklären können sie ihn jedenfalls niemandem und nir-
endwo.
Nun versucht sich ja die Koalition zu retten mit dem
inweis, man werde in 2015 – dann aber ganz be-
timmt – das Weihnachtsgeld wieder in alter Höhe zah-
n. Mal ganz abgesehen davon, dass dies ein Verspre-
hen für die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl
äre: Wer soll Ihnen das eigentlich noch glauben, nach-
em Sie jetzt so agieren, wie Sie agieren?
Schlimm ist nicht nur, was Sie da beschließen wollen,
ondern auch wie das alles geschieht. Da wurden münd-
che Änderungsanträge im Ausschuss gestellt, die dann
och wieder zurückgezogen wurden; der Bundesinnen-
inister – also der Verfassungsminister – schreibt seinen
eschäftigten, dass alles so beschlossen und verkündet
ei, während der Bundestag noch nicht einmal mit den
eratungen begonnen hatte. Das spricht Bände. Wie
ollen Sie da noch Loyalität von Beamten erwarten?
Der Gutachter der Union hat während der Anhörung
ehr richtig festgestellt, dass es nicht nur eine Treue der
eamtinnen und Beamten gegenüber dem Dienstherren
ebe, sondern genauso eine Treue des Dienstherren ge-
enüber seinen Beamtinnen und Beamten. Das ist eine
rage von Verfassungsqualität.
„Schnoddrig“ – ich zitiere erneut Ihren Gutachter
rofessor Pechstein – wurde obendrein die Wiederein-
hrung der Versorgungsrücklage ins Gesetz gepackt.
eren Erforderlichkeit wurde entgegen der gesetzlichen
flicht dazu nicht geprüft. Schlechtes Handwerk also
uch das. Ebenso fehlt jegliche Begründung und Erklä-
ng dafür, warum die Versorgungsempfänger die Ein-
alzahlung in Höhe von 240 Euro nicht erhalten sollen.
o viel sind Ihnen also die Ehemaligen in Wirklichkeit
ert. Reden auf Weihnachtsfeiern sollten Sie von der
6610 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
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Koalition und Sie, Herr Innenminister, lieber nicht mehr
halten.
Lassen Sie mich abschließend noch einen weiteren
Aspekt ansprechen: Mit 10 000 Beamtinnen und Beam-
ten weniger wollen Sie auskommen. Sie sparen also
nicht nur bei den im Dienst Befindlichen. Sie wollen de-
ren Zahl gravierend weiter reduzieren. Ich warne vor
diesem Schritt. Stress und Arbeitsverdichtung haben
überall zugenommen. Laut einer Studie über die Bun-
despolizei liegt dort die Burn-Out-Quote dramatisch
über 30 Prozent. Wer also im öffentlichen Dienst immer
mehr reduziert, der nimmt in Kauf, dass die jetzt noch
hohe Qualität staatlichen Handelns sinkt, und hofft auf
Selbstausbeutung. Ist das verantwortungsvoll? Oder
wollen Sie sogar, dass mehr und mehr von Externen in-
nerhalb und außerhalb der Ministerien Gesetze vorberei-
tet werden? Dann wären wir endgültig in der Lobbyis-
tenrepublik angekommen.
Dr. Stefan Ruppert (FDP): Der Gesetzentwurf und
der von den Koalitionsfraktionen dazu eingereichte Än-
derungsantrag hat für viel Aufregung unter den Betroffe-
nen gesorgt. Dies liegt nicht nur an der Tatsache, dass in
dem Änderungsantrag die Wiedereinführung des gekürz-
ten Weihnachtsgeldes auf Ende 2014 verschoben wird.
Auch der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens hat zu Ir-
ritationen geführt.
Lassen Sie mich zunächst ein paar Worte zum Ablauf
des Gesetzgebungsprozesses sagen: Ja, es war ein langes
Verfahren, und der nachträglich eingebrachte Ände-
rungsantrag hat auch unter den Mitgliedern des Bundes-
tages selbst für Unruhe gesorgt. Umso zufriedener bin
ich nun, dass wir den Gesetzentwurf mit dem Ände-
rungsantrag in zweiter und dritter Lesung heute abschlie-
ßen können.
Der Gesetzentwurf übernimmt die Kernpunkte des
Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst, der am 27. Fe-
bruar 2010 vereinbart worden ist. Dieser Einigung sind
zähe Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Ge-
werkschaften vorausgegangen. Mit dem vorliegenden
Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz
2010/2011 erfolgt nun das, was allgemein als „guter
Brauch“ gilt: Die Ergebnisse des Tarifabkommens wer-
den zeit- und inhaltsgleich auf die rund 36 000 Beamten
des Bundes übertragen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass
sich die Dienst- und Versorgungsbezüge rückwirkend ab
dem 1. Januar 2010 um 1,2 Prozent erhöhen werden. Ab
dem 1. Januar 2011 ist analog zu den Tarifbeschäftigten
eine Erhöhung um 0,6 Prozent und ab dem 1. August
dann um nochmals 0,3 Prozent vorgesehen. Auch die
Einmalzahlung wurde auf die Beamten übertragen:
Empfänger von Dienstbezügen erhalten im Januar
2011 240 Euro, Anwärter bekommen 50 Euro. Diese
Übertragung der Tarifregelungen des öffentlichen Diens-
tes auf die Beamten ist notwendig, um eine Benachteili-
gung der Beamten zu verhindern. Besonders vonseiten
der Gewerkschaften wurde kritisiert, dass die Einmal-
zahlungen nicht wie eigentlich üblich auf die Versor-
gungsempfänger übertragen werden. Diese Nichtüber-
tragung muss jedoch unter dem Gesichtspunkt einer
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arallelen Entwicklung von Renten und Pensionen gese-
en werden. Da wir im Rentenbereich nur geringe Erhö-
ungen erwarten, muss auch die Steigerung der Pensio-
en angemessen erfolgen.
Lassen Sie mich nun zu dem Punkt kommen, der unter
en betroffenen Beamten für die größten Verstimmungen
esorgt hat: der Verschiebung der Wiedereinführung des
eihnachtsgeldes. Mit dem Dienstrechts-neuordnungs-
esetz wurde das Weihnachtsgeld in das Grundgehalt in-
griert. Ab Januar 2011 sollten diese von 2006 an für fünf
ahre halbierten Sonderzahlungen wieder ausgezahlt
erden. Diese Zusage müssen wir mit dem vorliegenden
nderungsantrag zurücknehmen. Dieser Schritt ist uns
icht leicht gefallen, weil auch wir ungerne gegebene Zu-
agen nicht einhalten. Aber das Sparpaket der Bundesre-
ierung hat uns konkrete Einsparsummen vorgegeben. Zu
iesen Sparbemühungen müssen alle einen Beitrag leis-
n, auch die Beamten. Eine Ausnahme der Beamten hätte
der öffentlichen Wahrnehmung das unzutreffende Bild
es überversorgten Staatsdieners gestärkt. Ich habe mich
uch vehement gegen Sonderregelungen beim Weih-
achtsgeld für bestimmte Besoldungs- oder Berufsgrup-
en ausgesprochen: Sonderregelungen führen zu einer
ivellierung der Besoldungsgruppen und stellen ein sys-
mwidriges Vorgehen dar.
Mit den Maßnahmen des Änderungsantrages können
ehrausgaben von rund 500 Millionen Euro jährlich
ermieden werden. Und auch wenn sich die Wirtschaft
erade erholt und die Konjunktur anzieht, darf die öf-
ntliche Hand nicht vorschnell wieder mehr Geld aus-
eben. Im Finanzplan des Bundes sind für dieses Jahr
0 Milliarden Euro Nettoneuverschuldung vorgesehen.
ie im Grundgesetz vorgeschriebene Schuldenbremse,
ie eine Begrenzung der Nettokreditaufnahme von maxi-
al 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ab 2016
orsieht, kann nur durch intensive Sparbemühungen ein-
ehalten werden. Eine konjunkturelle Komponente ist
brigens bei der Schuldenbremse bereits integriert. In
onjunkturell schlechteren Zeiten ist zwar eine höhere
euverschuldung erlaubt, in konjunkturell besseren und
uten Zeiten wird aber eine stärkere Rückführung der
euverschuldung durch verschärfte Sparanstrengungen
der Mehreinnahmen verlangt.
In der Anhörung des Innenausschusses am letzten
ontag ist eines deutlich geworden: Die Verschiebung
es Weihnachtsgeldes wurde als Vertrauensbruch bewer-
t. Ja, wir mussten die 2005 gegebene Zusage zurück-
ehmen, aber leider sind gerade finanz- und wirtschafts-
olitische Entwicklungen, die einen großen Einfluss auf
en Haushalt haben, nicht immer über einen so langen
eitraum vorhersehbar. Die Schuldenbremse beispiels-
eise ist erst 2009 im Grundgesetz festgeschrieben wor-
en. Umso mehr danke ich allen Beamten, die in Gesprä-
hen ein gewisses Verständnis für unsere Entscheidung
eäußert haben.
Der Vorwurf, dass durch diese Kürzungsmaßnahmen
ie Attraktivität des öffentlichen Dienstes beseitigt wird,
t nicht haltbar. Wegen des gekürzten Weihnachtsgeldes
ird sich niemand für oder gegen den Eintritt in ein Be-
mtenverhältnis entscheiden. Um die Attraktivität zu er-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6611
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höhen, sollten lieber andere inhaltliche Dinge angegan-
gen werden. Für mich stehen hierbei Fragen wie die der
Portabilität, das heißt der Möglichkeit der Mitnahme von
Versorgungsansprüchen bei einem Wechsel vom Beam-
tenverhältnis in die Wirtschaft, an erster Stelle. Deshalb
rate ich Ihnen, die Aufregungen der vergangenen Mo-
nate durch Zustimmung zum Gesetzentwurf und zu dem
Änderungsantrag jetzt zu beenden.
Frank Tempel (DIE LINKE): Zunächst haben Sie
mich vor der Sommerpause erst einmal überrascht. Nur
wenige Wochen nach der Tarifeinigung im öffentlichen
Dienst lag uns der Gesetzentwurf zum Versorgungs- und
Besoldungsanpassungsgesetz 2010/2011 vor, und der
ebenso schnellen Übertragung auf den Beamtenbereich
sollte dann wohl nichts mehr im Wege stehen. Aber sehr
schnell haben Sie das Bild, das man von dieser Regie-
rungskoalition haben muss, wieder in gewohnte Formen
gesetzt.
Die im Gesetzentwurf vorgesehene Übertragung des
Tarifergebnisses im öffentlichen Dienst auf die Beamtin-
nen und Beamten wird durch die Linke grundsätzlich be-
grüßt. Die lineare Anpassung erfolgt inhaltsgleich und
auch, das wollen wir positiv bemerken, zeitgleich. Wie
im Tarifabschluss vorgesehen, wird es erneut eine Al-
tersteilzeit geben. Das war notwendig und wird von der
Linken unterstützt.
Drei Schwächen des Gesetzentwurfes möchte ich je-
doch herausgreifen.
Versorgungsempfängerinnen und -empfänger sollen,
so der Wille der Bundesregierung, von der Einmalzah-
lung ausgeschlossen bleiben. Die Begründung hierfür,
dass sie somit einen weiteren Beitrag zur Stabilisierung
der Versorgungskosten leisten sollen, geht wohl an einer
logischen Argumentation weit vorbei. Stabilisierung
kann nur bei einem langfristigen Effekt hervorgerufen
werden. Also noch einmal zum Zuhören: Einmalzahlung –
Langfristigkeit? Sie werden mir recht geben müssen, da
passt irgendetwas nicht zusammen.
Des Weiteren sieht die Linke die Wiedereinführung
der Versorgungsrücklage ab 1. August 2011 skeptisch.
Die Erhöhung von Versorgung und Besoldung im Ver-
gleich zum Tarifabschluss wird 0,2 Prozent niedriger
ausfallen. Warum diese Wiedereinführung kommen soll,
ohne dass die dafür vorgesehene Überprüfung im Zu-
sammenhang mit einem tragfähigen Versorgungskonzept
erfolgt ist, haben sie nicht beantwortet. Befürchten sie,
dass diese Überprüfung anders ausfällt, als sie das wün-
schen?
Drittens, Sie führen zwar eine Altersteilzeitregelung
ein, haben diese aber weder attraktiv noch für jeden
nutzbar ausgestaltet. Zum Beispiel kommt ein Beamter
bei Inanspruchnahme dieses Modells nun nur noch auf
70 Prozent des Nettogehaltes im Vergleich zu einem
Vollzeitbeschäftigten. Das waren vorher noch 83 Pro-
zent.
Zusammengefasst: Dem ursprünglichen Gesetzentwurf
hätte die Linke zustimmen können, eine Zustimmung mit
Bauchschmerzen, denn die bereits enthaltenen Kürzun-
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en sind weder sozial gerecht noch sachlich nachvollzieh-
ar.
Nun zu ihrem Änderungsantrag. Die in ihm enthal-
ne Forderung nach einer Fortführung der Kürzung der
onderzahlung in der Beamtenbesoldung, also des ehe-
aligen Weihnachts- und Urlaubsgelds, lehnen wir ent-
chieden ab. Es handelt es sich hierbei nicht nur um eine
nanzielle Angelegenheit, wie sie spätestens bei der An-
örung zur Bundesbesoldung am Montag mitbekommen
aben sollten.
Beamte stehen nach Art. 33 des Grundgesetzes zum
ienstherrn in einem „besonderen Dienst und Treuever-
ältnis“, einer Beziehung, die auf Vertrauen beruhen
ollte. Ein Vertrauen, das Sie meine Damen und Herren
on CDU, CSU und FDP, für jährlich 500 Millionen
uro verkaufen.
Dank der Opposition gab es eine Expertenanhörung im
nenausschuss, bei der Fachleute noch einmal Argu-
ente von allen Seiten zum Gesetzentwurf und den ein-
ebrachten Änderungsvorschlägen liefern sollten, eine
xpertenrunde, zu der jede Fraktion Vertreter benannt
at. Man hätte also erwartet, zumindest Ansätze von Ar-
umenten auch für die Regierungsabsichten zu erhalten.
ber Argumente für eine Wiedereinführung der Versor-
ungsrücklage ohne die notwendige vorherige Überprü-
ng waren nicht zu hören. Argumente für die Nachhal-
gkeit der Herausnahme der Versorgungsempfänger aus
en Einmalzahlungen waren nicht zu hören. Argumente,
ie einen Vertrauensbruch gegenüber den Beamten recht-
rtigen, waren nicht zu hören. Selbst Sie, meine Damen
nd Herren von den Regierungsfraktionen, konnten kei-
en Experten benennen, der das leisten kann.
Unsere Fraktion wird trotz aller Grausamkeiten nicht
egen den Gesetzentwurf stimmen, sondern sich enthal-
n. Wir wollen, dass die Übertragung des Tarifergebnis-
es im öffentlichen Dienst vollzogen werden kann. Dem
tzigen sozialen Amoklauf der Regierung würden bei
iner Ablehnung und Neuregelung des Gesetzes die letz-
n positiven Maßnahmen zum Opfer fallen.
Sehr geehrte Damen und Herren der Regierungsfrak-
onen, besuchen Sie weiter die Delegiertenkonferenzen
nd Podiumsdiskussionen der Beamtinnen und Beam-
n! Sprechen Sie weiter von Wertschätzung und hervor-
genden Ergebnissen! Wundern Sie sich aber nicht,
enn genau diese Beamtinnen und Beamten sich dabei
ie Taschen zuhalten. Erstens greifen Sie in diese Ta-
chen – zu oft und zu tief. Zweitens hauen Sie denen die
aschen im sprichwörtlichen Sinne oft genug voll!
Wer soll Ihnen noch etwas glauben, und was soll man
nen noch glauben? Etwa, dass die erneute Kürzung der
onderzahlung nun tatsächlich 2015 ausläuft? Ich denke,
ie glauben selbst nicht mehr daran, auch unter dem Ge-
ichtspunkt, dass es 2015 keine schwarz-gelben Regie-
ng mehr geben wird.
Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN): Die Anpassung der Dienst- und Versorgungs-
ezüge der Beamtinnen und Beamten im Bund, sowie
oldatinnen und Soldaten in Anlehnung an den Tarifab-
6612 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
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schluss für die Tarifbeschäftigten des öffentlichen
Dienstes war eigentlich beschlossene Sache. Das hatte
der Bundesinnenminister den betroffenen Beamten nicht
nur versprochen, sondern das ist gute Übung und ist
auch rechtlich weitgehend so verankert. Die Bundesre-
gierung ist dabei, dieses Versprechen nicht zu halten,
und zwar unter bemerkenswerten, wenig schmeichelhaf-
ten Umständen. Grund dafür ist der Änderungsantrag der
Regierungsfraktionen, mit der das Wiederaufleben der
vollständigen Weihnachtsgeldzahlung nach einer fünf-
jährigen Aussetzung erneut bis 2015 gestoppt werden
soll, sowie die Ausnahme der Versorgungsempfängerin-
nen und -empfänger von der Einmalzahlung für 2011.
Dazu – vermutlich unter Betonung der Verwerflich-
keit dieses Verhaltens – werden heute eine Reihe von
Kolleginnen und Kollegen noch mehr sagen. Deswegen
von mir dazu nur so viel: Es ist richtig, dass wir es hier
mit einem offenkundigen politischen Wortbruch von
Schwarz-Gelb zu tun haben, und es ist völlig zutreffend,
wenn in diesem Zusammenhang von einem ernst zu neh-
menden Vertrauensschaden der Bundesregierung bei den
betroffenen Bundesbeamten und -beamtinnen gespro-
chen wird. Und dieser Vertrauensschaden darf auch nicht
auf die leichte Schulter genommen werden; denn er
wirkt sich im Beschäftigungsverhältnis oft ganz unmit-
telbar auf die Arbeitsmotivation und damit nicht uner-
heblich auch auf die Gesamtsituation der Bundesverwal-
tung aus, einer Bundesverwaltung, die unstreitig mit
immer weniger Personal immer mehr Aufgaben bewälti-
gen muss.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoali-
tion, mit bloßem Sparen um des Sparens willen, ohne
das erforderliche Augenmaß, ist niemandem geholfen.
Damit man mich nicht falsch versteht: Verfassungswidri-
ges Verhalten wird man Ihnen nicht vorwerfen können,
und ich verwehre mich in der Sache auch nicht grund-
sätzlich dagegen, dass man über Modifizierungen oder
auch Kürzungen bei der Beamtenbesoldung und -versor-
gung nachdenkt. Kopfschütteln aber verdient, dass Sie
sich nicht einmal gezwungen sehen, den Wortbruch, das
heißt die weitere, hälftige Aussetzung der Sonderzah-
lung, näher als mit der dürren und nichtssagenden Erklä-
rung, eben „Geld sparen zu müssen“, zu begründen.
Ein wenig Nachdenken sollte Sie jedoch dazu führen,
dass, wenn man an dieser Stelle den Haushalt entlasten
will, behutsam und sozial verträglich vorgegangen wer-
den muss. Darum plädiere ich im Hinblick auf die Son-
derzahlung für einen degressiven Ansatz, der die Be-
diensteten der unteren und mittleren Besoldungsgruppen
die weitere Aussetzung deutlich weniger spüren lässt
und den höheren noch ein Plus, wenn auch ein sehr ge-
ringes, bringen würde. In einer solchen Verfahrensweise
wurde ich bei der Anhörung am Montag im Grundsatz
vom Sachverständigen Bäumer bestätigt, gewiss immer
unter der Voraussetzung, dass das Sparen an dieser Stelle
hinreichend und schlüssig begründet wird. Meine Aus-
führungen gelten im Übrigen analog für die Nichtbe-
rücksichtigung der Versorgungsempfängerinnen und
Versorgungsempfänger bei der Einmalzahlung 2011.
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Gleichwohl, verehrte Kolleginnen und Kollegen von
er SPD, ist es vernünftig, die Kritik insbesondere dann
icht zu überziehen, wenn man selbst, wie Sie als Mit-
lied in der schwarz-roten Vorgängerregierung, inhalt-
ch genau dieses Vorgehen politisch mitgetragen hat,
ämlich das fortgesetzte planlose Ad-hoc-Herumsparen
ei den Beamtinnen und Beamten nach aktueller Kas-
enlage. Niemand bestreitet, dass die massive Finanz-
rise den Bundeshaushalt zusätzlich belastet. Angesichts
ines Finanzierungsdefizits von 33 Milliarden Euro aber
tellt sich die Frage, ob ausgerechnet ein schon ge-
chnürtes Paket geöffnet werden musste, mit dem bereits
argelegten Flurschaden für die zunehmend knappe Res-
ource Vertrauen sowie angesichts einer Einsparsumme
on 500 Millionen Euro, die im Hinblick auf die Ge-
amtdefizitsumme bedauerlicherweise lediglich einen
ropfen auf den heißen Stein darstellt.
Dabei weist der vorgelegte Entwurf des Bundesbesol-
ungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes zumindest
inen Gesichtspunkt auf, den wir unter Nachhaltigkeits-
esichtspunkten durchaus begrüßen und der zumindest
em Ansatz nach ein Konzept erkennen lässt: Die Wie-
eraufnahme der Versorgungsrücklage stellt immerhin
inen, wenn auch allein nicht ausreichenden Beitrag zu
iner nachhaltigen, der demografischen Herausforde-
ng der kommenden Jahre gerecht werdenden und da-
it generationengerechten Neustrukturierung zumin-
est der Versorgungsbezüge dar.
Wie aber kann die Altersversorgung auch für zukünf-
ge Generationen gesichert werden? Das ist eine der
entralen, wenn nicht die alles entscheidende Frage, der
ir uns auch und gerade mit Blick auf die Beamtenver-
orgung stellen müssen. Auf Bundesebene sieht es hier
ank der vor nunmehr gut zwölf Jahren getroffenen
rundentscheidung, eine Versorgungsrücklage zu bil-
en, vergleichsweise gut aus, auch wenn hier womög-
ch, worauf der Sachverständige Bäumer hingewiesen
at, aufgrund zu positiver Zahlen in den Versorgungsbe-
chten der Bundesregierung falsch kalkuliert wurde.
In vielen Bundesländern sieht es dagegen düster aus.
eispiele: Schleswig-Holstein: Kosten für Versorgung 2010
irca 900 Millionen Euro, 2020 circa 1,3 Milliarden Euro;
hüringen: 2009 circa 50 Millionen Euro, Verdopplung
is 2013. Wissenschaftlichen Prognosen nach zu urteilen,
ird die Zahl der Versorgungsempfängerinnen und -emp-
nger in den Ländern und Gemeinden im Jahre 2020 auf
ber 1 Million wachsen, Tendenz für die folgenden Jahr-
ehnte weiter steigend.
Angesichts der Größenordnung dieser politischen
erausforderung drängt sich der Widerspruch zur klein-
ütigen Werkelei an den Beamtenbezügen und Beam-
npensionen, wie sie auch heute mit dem Beamtenbe-
oldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz von dieser
egierung dokumentiert wird, geradezu auf. Es kann
em Bund nicht egal sein, wenn sich die Schere zwi-
chen den Beamtenversorgungen der Länder und des
undes weiter öffnet und die sich abzeichnenden Finan-
ierungslücken bedrohliche Ausmaße annehmen.
Ähnliches gilt für die zukunftsgerechte Strukturierung
er Dienstbezüge. Gerade weil wir auch hier alle in der
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6613
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Pflicht sind, angemessene dienstrechtliche Konzepte
vorzulegen, sei es auf Bundes- oder Landesebene, ist es
unerlässlich, ernsthaft und auch ergebnisoffen darüber
zu diskutieren, wie die Zukunft des öffentlichen Diens-
tes insgesamt aussehen soll. Dabei stellt sich die Frage:
Wie kann die gegenwärtig hohe Qualität bei der Aufga-
benerfüllung aufrechterhalten, wie können die Attrakti-
vität der Tätigkeiten als auch die Motivation sowohl für
die Anwärterinnen und Anwärter als auch für die gegen-
wärtige Beamtenschaft gesteigert werden – auch und ge-
rade angesichts eines verschärften Wettbewerbes um
qualifizierte Beschäftigte auf dem Arbeitsmarkt?
Es stellt sich aber vor allem auch die Frage: Wie kann
die Vergütung einer Tätigkeit im Dienste der Öffentlich-
keit, für den Staat, auf lange Sicht generationengerecht
finanziert werden? Zahlreiche Beiträge zur Reformde-
batte liegen auf dem Tisch; zusätzlich müssen neue An-
sätze diskutiert werden.
Meine Damen und Herren der Koalition, die gegen-
wärtige Konzeptionslosigkeit der Regierung erscheint
angesichts der geschilderten Herausforderungen besorg-
niserregend. Auch aus diesem Grunde, nicht nur weil
ihre Anpassungen – außer dem gebotenen politischen
Anstand gegenüber den Tarifpartnern und der Beachtung
der sozialen Komponente – auch den notwendigen poli-
tischen Weitwinkel vermissen lassen, stimmen wir Ihrem
Gesetzentwurf in der vorgelegten Fassung nicht zu.
Anlage 9
Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung:
– Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen
vom 17. Februar 2010 zwischen der Bundes-
republik Deutschland und der Arabischen
Republik Syrien zur Vermeidung der Dop-
pelbesteuerung und Verhinderung der Steu-
erverkürzung auf dem Gebiet der Steuern
vom Einkommen
– Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen
vom 23. Februar 2010 zwischen der Bundes-
republik Deutschland und Malaysia zur Ver-
meidung der Doppelbesteuerung und zur
Verhinderung der Steuerverkürzung auf
dem Gebiet der Steuern vom Einkommen
– Entwurf eines Gesetzes zum Abkommen
vom 25. Januar 2010 zwischen der Bundes-
republik Deutschland und der Republik Bul-
garien zur Vermeidung der Doppelbesteue-
rung und der Steuerverkürzung auf dem
Gebiet der Steuern vom Einkommen und
vom Vermögen
– Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen
vom 30. März 2010 zwischen der Bundesre-
publik Deutschland und dem Vereinigten
Königreich Großbritannien und Nordirland
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und
zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf
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dem Gebiet der Steuern vom Einkommen
und vom Vermögen
– Entwurfs eines Gesetzes zu dem Änderungs-
protokoll vom 21. Januar 2010 zum Abkom-
men vom 11. April 1967 zwischen der Bundes-
republik Deutschland und dem Königreich
Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteue-
rungen und zur Regelung verschiedener an-
derer Fragen auf dem Gebiete der Steuern
vom Einkommen und vom Vermögen ein-
schließlich der Gewerbesteuer und der Grund-
steuern sowie des dazugehörigen Schlusspro-
tokolls in der Fassung des Zusatzabkommens
vom 5. November 2002
(Tagesordnungspunkt 22)
Manfred Kolbe (CDU/CSU): Dem Deutschen Bun-
estag liegen heute fünf Gesetzesentwürfe zur Ratifika-
on von überarbeiteten Doppelbesteuerungsabkommen
zw. zu einem Änderungsprotokoll vor.
Grundsätzlich dienen Doppelbesteuerungsabkommen
azu, die doppelte Besteuerung in den Vertragsstaaten
r Unternehmen und Privatpersonen zu vermeiden. Da-
it kann die internationale wirtschaftliche Zusammenar-
eit verbessert und können Investitionshemmnisse auf-
rund einer doppelten Steuerlast abgebaut werden.
Mit den Ländern Syrien, Bulgarien, Malaysia, Groß-
ritannien und Belgien wird nach dem heutigen Ab-
chluss des Gesetzgebungsverfahrens noch besser die
oppelbesteuerung nach OECD-Standard vermieden.
leichzeitig ist mit besagten Ländern ein verbesserter
ustausch in Steuersachen vereinbart, sodass wir mit der
eutigen Ratifizierung dieser Abkommen Steuerhinter-
iehung noch wirksamer und effektiver bekämpfen kön-
en.
Zunächst möchte ich aber auf die einzelnen Doppel-
esteuerungsabkommen jeweils eingehen:
Zunächst Syrien. Durch das erstmalige Vorliegen eines
oppelbesteuerungsabkommens mit der Arabischen Re-
ublik Syrien werden steuerliche Hindernisse zur Förde-
ng und Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen mit un-
erem Land abgebaut. Durch die eindeutige Zuweisung
er Besteuerungsrechte für alle Einkünfte im jeweiligen
ohnsitzstaat und die vorgesehene Begrenzung der
uellensteuersätze bei Dividenden, Zinserträgen und Li-
enzen können die Ziele von Doppelbesteuerungsab-
ommen erreicht werden.
Zukünftig werden Sozialversicherungsrenten im so-
enannten Kassenstaat versteuert. Das heißt, ein in Sy-
en lebender deutscher Rentner muss seine Steuererklä-
ng in Deutschland abgeben, da die Auszahlung aus der
deutschen Kasse“ erfolgt.
Durch die Einführung eines Informationsaustausches
Steuersachen nach 2005er-OECD-Standard können
ie zuständigen Steuerbehörden jetzt vom jeweiligen
ertragsstaat Informationen zu Steuerschuldnern erhal-
n. Dabei kann es sich um Auskünfte zu allen Steuerar-
n, auch wenn sie nicht im DBA erläutert sind, handeln.
6614 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
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Malaysia. Durch das vorliegende Abkommen wird
der Vertrag von 1977 aktualisiert und an bestehende
Realitäten angepasst werden. Folgende Veränderungen
sind hier hervorzuheben: einheitliche Quellensteuersätze
bei Zinsen und Lizenzen; Einführung der Besteuerung
von Sozialversicherungsrenten im Quellen- bzw. Kas-
senstaat; Wegfall der Anrechnungsmöglichkeit von fikti-
ven, aber nicht gezahlten malaysischen Steuern; Einfüh-
rung einer Umschwenkklausel von der Freistellungs- zur
Anrechnungsmethode zugunsten Deutschlands; Aus-
schluss von Abkommensvorteilen für Personen, die in
der Freizone Labuan Steuervergünstigungen in An-
spruch nehmen; Einführung eines verbesserten Informa-
tionsaustausches in Steuersachen nach 2005er-OECD-
Standard. Der Informationsaustausch betrifft auch die
Freizone Labuan. Es geht auch um die Schließung von
Steuerschlupflöchern.
Bulgarien. Das bisherige Abkommen von 1978 wird
durch die heutige Ratifikation abgelöst. Das DBA wird
somit an die bestehenden Realitäten angepasst. Struktu-
rell und inhaltlich orientiert sich das Abkommen weitge-
hend am OECD-Musterabkommen von 2005. Hierdurch
kann eine Vereinheitlichung der Regeln in Doppelbe-
steuerungsverfahren mehr und mehr erreicht werden.
Folgende besondere Regelungen sind hervorzuhe-
ben: gespaltener Steuersatz für Dividenden; Zinsein-
künfte können auch im Quellenstaat im Allgemeinen mit
bis zu 5 Prozent versteuert werden; Quellensteuersatz
bei Lizenzen bei weiterhin 5 Prozent; Sozialversiche-
rungsrenten werden künftig im Kassenstaat besteuert,
damit wird die deutsche DBA-Politik der letzten Jahre
fortgeführt; generell gilt im Abkommen die Freistel-
lungsmethode. Es besteht aber die Möglichkeit, auf die
Anrechnungsmethode umzuschwenken, um doppelte
Besteuerung besser zu vermeiden. Und schließlich: Der
Informationsaustausch erstreckt sich sowohl auf Ban-
kenauskünfte als auch auf Sachverhalte zur Bekämpfung
von Geldwäschedelikten, Korruption und Terrorismusfi-
nanzierung.
Großbritannien. Dieses am 30. März 2010 in London
unterzeichnete Abkommen löst das bisherige vom
26. November 1964 ab. Der an die modernen und gegen-
wärtigen Verhältnisse angepasste Vertrag entspricht da-
bei dem aktuellen OECD-Musterabkommen. Dadurch
kommt es, wie bereits auch bei anderen Abkommen, zur
weiteren Vereinheitlichung der Regeln auf dem Gebiet
der Doppelbesteuerungsabkommen. Aufgrund des In-
vestitions- und Handelsvolumens war eine Überarbei-
tung des alten DBAs dringend geboten.
Deutschland ist für das Vereinigte Königreich der
wichtigste Handelspartner, und für unser Land ist Groß-
britannien nach Frankreich, den USA und den Nieder-
landen der viertgrößte Wirtschaftspartner.
Folgende Änderungen möchte ich an dieser Stelle be-
sonders hervorheben: Der bisherige einheitliche Quel-
lensteuersatz auf Dividenden in Höhe von 15 Prozent
wird durch einen gespaltenen Steuersatz abgelöst. Für
Zinsen und Lizenzen hat weiterhin der Ansässigkeits-
staat das Besteuerungsrecht. Renten und Ruhegehälter
– außer Pensionen – werden im Wohnsitzstaat versteu-
ert, wohingegen Sozialversicherungsrenten im Kassen-
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taat versteuert werden müssen. Zur Förderung des
issenschaftlichen Austausches wurden neue Sonderre-
elungen für Gastprofessoren, Lehrer und Studenten ge-
offen. Bei der Besteuerungsmethode haben sich beide
egierungen – je nach Besteuerungssachverhalt – auf
ie Anwendung der Freistellungs- wie auch der Anrech-
ungsmethode verständigt. Die Freistellungsmethode
urde dabei noch durch eine Aktivitätsklausel und einen
rogressionsvorbehalt ergänzt. Sollte es zwischen den
teuerbehörden innerhalb von zwei Jahren im Einzelfall
eine Einigung bei der Frage nach der Methodik geben,
o ist eine Schiedsstelle anzurufen.
Belgien. Das vorliegende Änderungsprotokoll zum
oppelbesteuerungsabkommen von 1967 zwischen der
undesrepublik und dem Königreich Belgien sieht einen
erbesserten Austausch zwischen beiden Staaten in
teuersachen vor.
Damit können steuerlich relevante Sachverhalte bes-
er durch die Finanzbehörden aufgeklärt werden, deren
efugnisse im Allgemeinen auf das Inland beschränkt
ind. Zurzeit besteht folgende Situation: Sollte sich der
teuerschuldner oder eine dritte Person, die zur Sachver-
altsklärung beitragen kann bzw. muss, im Ausland auf-
alten, so ist diese für inländische Finanzbehörden in der
egel nicht greifbar. Durch den vereinbarten Informa-
onsaustausch gewähren sich beide Staaten Unterstüt-
ung bei der Aufklärung von Besteuerungssachverhal-
n. Somit können Steuerschuldner bzw. Dritte direkter
ur Sachverhaltsklärung herangezogen werden. Durch
as vorliegende Änderungsprotokoll kann grenzüber-
chreitende Steuerhinterziehung noch effektiver be-
ämpft und können sogenannte Steuerschlupflöcher ge-
chlossen werden.
Die heute vorliegenden Abkommen sind ein Beitrag
ur Bekämpfung der Steuerhinterziehung und zur Ein-
ämmung eines schädlichen Steuerwettbewerbs allge-
ein. Sie dienen weiterhin der Verbesserung der wirt-
chaftlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und
en jeweiligen Vertragspartnern.
Zusammenfassend kann ich feststellen, dass die Ver-
andlungsvertreter der Bundesrepublik sehr gute Ergeb-
isse und Regelungen im Sinne unserer Steuer- und
irtschaftspolitik ausgehandelt haben.
Trotz alledem müssen wir in diesem Hause darüber
iskutieren, wie zukünftig Doppelbesteuerungsabkom-
en ausgestaltet werden sollen. Die Diskussion in dieser
oche im Finanzausschuss hat dabei gezeigt, dass die
ethodik – Anrechnungs- oder Freistellungsmethode –
on Land zu Land unterschiedliche Auswirkungen auf die
teuereinnahmen und/oder auf die wirtschaftliche Situa-
on unserer Unternehmen haben kann. Hier gilt es künf-
g, zwischen den globalen Entwicklungsmöglichkeiten
nserer Unternehmen, der Bekämpfung von Steuerhinter-
iehung und der Verbesserung der Einnahmesituation des
iskus abzuwägen.
Heute aber haben wir zunächst über die fünf vorlie-
enden ausgehandelten Abkommen bzw. ein Ände-
ngsprotokoll abzustimmen. Die Unionsfraktion be-
rüßt die vorliegenden Gesetzesentwürfe und wird ihnen
us den von mir erläuterten Gründen zustimmen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6615
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Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Wir behandeln
heute fünf Doppelbesteuerungsabkommen mit Belgien,
Bulgarien, Malaysia, Syrien und dem Vereinigten Kö-
nigreich und Nordirland, UK. Die völkerrechtlichen Ab-
kommen und die entsprechenden Vertragsgesetze erset-
zen bestehende Doppelbesteuerungsabkommen, DBA,
die teils schon mehrere Jahrzehnte Gültigkeit haben und
den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutsch-
land und den Vertragsstaaten nicht mehr entsprachen.
Der Vertrag mit Belgien stammte aus dem Jahr 1967, der
mit Bulgarien aus dem Jahr 1987, der mit Malaysia aus
dem Jahr 1977 und der mit dem Vereinigten Königreich
aus dem Jahr 1964. Mit Syrien wird erstmals ein Ab-
kommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und
zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet
der Steuern vom Einkommen beschlossen; die übrigen
sind das Ergebnis von Verhandlungen zur Revision die-
ser bestehenden Verträge.
Eine wichtige Weiterentwicklung spiegelt sich schon
im Titel der Umsetzungsgesetze, mit denen die Vertrags-
inhalte der internationalen Abkommen in unsere Rechts-
ordnung übertragen werden. Früher haben wir meist
„nur“ von Doppelbesteuerungsabkommen gesprochen,
die Besteuerungsrechte zwischen Vertragsstaaten aufge-
teilt haben. Heute geht es um mehr, denn die Abkommen
dienen auch explizit der „Verhinderung der Steuerver-
meidung und Steuerhinterziehung“ auf dem Gebiet der
Steuern vom Einkommen (und Vermögen). Das markiert
eine qualitative Weiterentwicklung in der deutschen Ab-
kommenspolitik und verdeutlicht die neuen Schwer-
punkte in der Ausrichtung unserer internationalen Steu-
erpolitik.
Ich danke dem Bundesfinanzministerium an dieser
Stelle, dass es bei den teils jahrelangen Verhandlungen
die Gelegenheit genutzt hat, um die Abkommen in
Nachverhandlungen an der aktualisierten Version des
OECD-Musterabkommens aus dem Jahr 2005 auszu-
richten und damit die verbesserten Standards zum steu-
erlichen Informationsaustausch und zur Amts- und
Rechtshilfe zwischen den Steuerverwaltungen umzuset-
zen.
Die Abkommen mit Belgien, Bulgarien, Malaysia,
Syrien sowie UK beruhen im Wesentlichen auf dem gül-
tigen Musterabkommen der Organisation für wirtschaft-
liche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, aus
dem Jahr 2005, OECD-MA 2005. Die OECD hat im
Kampf gegen Steuerhinterziehung, Steueroasen und
schädlichen Steuerwettbewerb internationale Standards
zu Transparenz und Auskunftsaustausch entwickelt.
Diese Standards besagen im Kern, dass für die Be-
steuerung relevante Informationen zugänglich sein müs-
sen – etwa Bankinformationen, Informationen über Ei-
gentumsverhältnisse an Gesellschaften oder Begünstigte
von Stiftungen. Dies gilt unabhängig davon, ob straf-
rechtliche Ermittlungen bereits eingeleitet sind oder ob
es um „Aufdeckung und Ermittlung noch nicht identifi-
zierter Steuerfälle“ (Art. 26 OECD-MA) geht. Die
Finanzbehörden sollen also – wie bei inländischen Er-
mittlungen – auf alle „voraussichtlich erheblichen“ Da-
ten zugreifen können, die sie zur Aufklärung grenzüber-
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chreitender Sachverhalte benötigen. Außerdem müssen
iese Informationen auf Ersuchen ausländischen Steuer-
ehörden zur Verfügung gestellt werden.
Wichtig ist dabei, dass es sich um konkrete Ermittlun-
en zur Aufklärung eines steuerlichen Sachverhalts han-
elt; das heißt anlasslose Auskunftsersuchen „ins Blaue
inein“ sind unzulässig. Deutsche Finanzbeamte können
re Kolleginnen und Kollegen in den anderen Vertrags-
taaten also künftig auf dem Weg der Amts- und Rechts-
ilfe um Informationen bitten, die zur Bekämpfung der
teuerhinterziehung voraussichtlich erforderlich sind.
enn die begründete Vermutung besteht, dass ein deut-
cher Steuerpflichtiger Kapitaleinkünfte aus dem Aus-
nd erzielt und diese nicht oder nicht ordnungsgemäß
ersteuert, soll das Finanzamt diesen Sachverhalt mit
nterstützung von den Steuerverwaltungen der anderen
ertragsstaaten aufklären können.
Mit Blick auf die bisherigen Regelungen zum Infor-
ationsaustausch mit Belgien, Bulgarien und Groß-
ritannien und die Zusammenarbeit in Steuersachen
umen diese Verhandlungsergebnisse der deutschen
teuerverwaltung gegenüber diesen Staaten die gleichen
echte wie gegenüber allen anderen EU-Mitgliedstaaten
in.
Der mit Bulgarien vereinbarte vollumfängliche Infor-
ationsaustausch in Steuersachen umfasst nicht nur
ankauskünfte über grenzüberschreitende Einkünfte und
ermögen und die Amtshilfe bei der Beitreibung von
teuern, sondern verbessert auch unsere Aufklärungs-
öglichkeiten in der Terrorismusbekämpfung und im
ampf gegen Geldwäsche und Korruption.
Der Informationsaustausch gemäß OECD-Standard
mfasst alle drei Formen des Informationsaustausches
rt. 26 OECD-MA): den Informationsaustausch auf Er-
uchen einer Steuerbehörde, den spontanen Informa-
onsaustausch, das heißt das anlassbezogene „Zurverfü-
ungstellen“ steuerlicher Informationen durch eine
ehörde und den automatischen Informationsaustausch,
uf den ich später nochmals zu sprechen komme.
Die Doppelbesteuerungsabkommen, die wir heute im
undestag besprechen, verbessern nicht nur unsere
öglichkeiten im Kampf gegen Steuerhinterziehung,
ondern bieten auch wichtige Ansatzpunkte für die ord-
ungsgemäße Durchführung des Besteuerungsverfah-
ns – ein wichtiger Punkt; denn es widerspricht unserer
uffassung von Steuergerechtigkeit, dass eine Privatper-
on oder ein Unternehmen mit Einkünften aus dem Aus-
nd nur deshalb steuerlich bessergestellt ist als jemand
it „nur“ inländischen Einkünften, weil die Finanzämter
icht auf Daten aus dem Ausland zugreifen können.
iese Fehlentwicklung wird mit den vorliegenden Ab-
ommen im Austausch mit den anderen Vertragsstaaten
ehoben.
Dieser Aspekt ist mir wichtig, weil es in der Regel
icht der „normale“ Arbeitnehmer, Rentner oder Hand-
erker ist, der sein Privatvermögen auf den internationa-
n Kapitalmärkten, in Stiftungen und auf Treuhand-
onten anlegt und Zins- oder Dividendeneinkünfte aus
alaysia bezieht. Es ist für die gleichmäßige und ge-
6616 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
(A) )
)(B)
rechte Besteuerung und die Legitimität unseres Steuer-
systems wichtig, dass es keinen Unterschied macht, wo-
her jemand seine Einkünfte bezieht.
Die neuen bzw. überarbeiteten Abkommen ermögli-
chen der deutschen Steuerverwaltung – wie in Art. 26
des OECD-Musterabkommens 2005 vorgesehen – den
Zugang zu „Informationen, die zur Durchführung dieses
Abkommens oder zur Verwaltung bzw. Vollstreckung
des innerstaatlichen Rechts betreffend Steuern jeder Art
und Bezeichnung … voraussichtlich erheblich sind …“
(Art. 26 Abs. 1). Der Vertragsstaat darf die Erteilung von
Informationen nicht aus dem Grund ablehnen, dass er
kein innerstaatliches Interesse an diesen Informationen
hat und sie für seine eigenen steuerlichen Zwecke nicht
benötigt (Art. 26 Abs. 4). Die Erteilung von Informatio-
nen darf auch nicht deshalb abgelehnt werden, weil sich
die Informationen bei einer Bank, einem sonstigen
Finanzinstitut, einem Bevollmächtigten, Vertreter oder
Treuhänder befinden (Art. 26 Abs. 5).
Zu den wichtigsten Regelungen zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung gehören folgende Bestimmungen:
Erstens. Bei der Überarbeitung der bestehenden Ab-
kommen wurde eine Reduzierung der Quellensteuer-
sätze auf Dividenden aus zwischengesellschaftlichen
Beteiligungen von 15 Prozent auf 5 Prozent vereinbart
(Art. 11 Abs. 2). Im Ergebnis ergibt sich daraus eine ge-
ringere Anrechnung der im anderen Vertragsstaat erho-
benen Steuer auf die deutsche Steuer und Mehreinnah-
men für den deutschen Staat.
Das Abkommen mit Malaysia verhindert insbeson-
dere auch, dass malaysische Steuern, die nur „auf dem
Papier“ bestehen, aber von den Steuerpflichtigen nicht
bezahlt werden, in Deutschland angerechnet werden
können. Diese sogenannte fiktive Quellensteueranrech-
nung ist ab 2011 nicht mehr möglich (Art. 23 Abs. 1
Buchstabe f).
Mit der Absenkung des Quellensteuersatzes auf Divi-
denden im Abkommen mit Bulgarien und dem Verzicht
auf Quellensteuer bei Vergütungen für Ausrüstungslea-
sing ab 2015 sollen Investitionsanreize gesetzt werden.
Daraus ergeben sich auch eine geringere Anrechnung
der bulgarischen auf die deutsche Steuer – außer bei
Konstellationen, die unter die Mutter-Tochter-Richtlinie
fallen.
Das DBA mit Großbritannien sieht ebenfalls eine Re-
duzierung der Quellensteuersätze bei Dividenden von
15 Prozent auf 5 Prozent bei zwischengesellschaftlichen
Beteiligungen vor. Grundsätzlich bleibt es bei der Frei-
stellungsmethode mit Aktivitätsklausel und Progres-
sionsvorbehalt bei tatsächlicher Besteuerung in UK; dies
gilt insbesondere bei Gewinnen aus britischen Betriebs-
stätten und Ausschüttungen britischer Gesellschaften bei
Schachtelbeteiligungen. Aktivitätsklausel meint, dass
eine Freistellung nur gewährt wird, wenn die Betriebs-
stätte in Großbritannien eine aktive wirtschaftliche Tä-
tigkeit ausübt, nicht aber bei nur passiver Präsenz, bei-
spielsweise in Form einer vermögensverwaltenden
Tätigkeit. In diesem Fall gilt die Anrechnungsmethode.
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Zweitens. Die Abkommen enthalten zudem auch eine
ogenannte Umschwenkklausel (Subject-to-Tax-Klau-
el): Sie ermöglicht es Deutschland, von der im Regel-
ll vorgesehenen Freistellungs- zur Anrechnungsme-
ode umzuschalten, wenn keine Besteuerung im
nderen Vertragsstaat erfolgt und eine niedrige Besteue-
ng oder die doppelte Nichtbesteuerung die Folge sind.
Dies hat folgenden Hintergrund. Doppelbelastungen
r Unternehmen und Bürger lassen sich nach folgendem
rundmuster vermeiden: Das Doppelbesteuerungsab-
ommen weist dem Quellenstaat beschränkte Besteue-
ngsrechte zu. Der Quellenstaat ist der Staat, aus dem
inem Steuerpflichtigen Kapitaleinkünfte zufließen oder
us dem er Einnahmen aus sonstigem Vermögen erzielt,
dem er aber nicht seinen Wohnsitz hat; zu diesen Ein-
ünften zählen beispielsweise Zinsen aus einem Gutha-
en bei einer Bank in Belgien, Dividenden, die man aus
nteilen an einem Unternehmen mit Sitz in Großbritan-
ien hält, oder Einnahmen aus Vermietung oder Ver-
achtung von Grundbesitz in Bulgarien. Der Wohnsitz-
taat rechnet diese Quellenbesteuerung dem deutschen
teuerpflichtigen auf seine Steuer an (die sogenannte
nrechnungsmethode) oder stellt die Einkünfte von sei-
er Besteuerung frei (die sogenannte Freistellungsme-
ode).
Ein Beispiel kann den Mechanismus zur Vermeidung
iner doppelten Besteuerung verdeutlichen, die den
teuerpflichtigen unangemessen belasten würde. Ange-
ommen, eine Muttergesellschaft in Deutschland hält
ehr als 10 Prozent der Anteile an einer Tochtergesell-
chaft in Syrien. In diesem Fall wird der Gewinn der
ochter zunächst in Syrien der dort üblichen Körper-
chaftsteuer unterworfen. Auf die anschließend an die
eutsche Mutter ausgeschüttete Dividende kann Syrien
ine 5-prozentige Kapitalertragsteuer erheben. Deutsch-
nd vermeidet eine Doppelbesteuerung dadurch, dass es
iese Dividenden freistellt.
Nach diesem Grundmuster werden auch grenzüber-
chreitende Unternehmensgewinne zwischen Deutsch-
nd und Syrien behandelt. Syrien darf danach Gewinne
ines deutschen Unternehmens nur besteuern, wenn das
nternehmen eine Betriebsstätte im Land hat und die
ewinne der Betriebsstätte zuzurechnen sind.
Die Gesamtheit der deutschen Doppelbesteuerungs-
bkommen ist durch einen Methodenmix aus Freistel-
ng und Anrechnung gekennzeichnet. Grundsätzlich
ilt die Freistellungsmethode, um eine doppelte Besteue-
ng von Einkünften zu vermeiden; dazu gehören bei-
pielsweise Einkünfte, die ein deutsches Unternehmen
us einer Betriebsstätte in Malaysia bezieht, oder Ein-
ünfte aus Dividendenausschüttungen einer syrischen
esellschaft, an der ein deutscher Steuerpflichtiger zu
indestens 10 Prozent beteiligt ist. Diese Einkünfte wer-
en in Deutschland in der Regel nicht besteuert, das
eißt freigestellt.
Die Anrechnungsmethode gilt unter anderem bei Di-
idendeneinkünften aus Streubesitz, Zinsen, Lizenzge-
ühren, Gewinnen aus dem Verkauf von Unternehmens-
nteilen mit überwiegendem Grundbesitz im anderen
ertragsstaat.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6617
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Bedauerlicherweise lähmt derzeit ein Streit innerhalb
der Bundesregierung die wichtigen Verhandlungen mit
Singapur über ein neues Doppelbesteuerungsabkommen.
Das CDU-Finanzministerium konnte sich bislang leider
nicht durchsetzen und das Anrechnungsverfahren im
Abkommen verankern, um die deutschen Besteuerungs-
rechte zu wahren und Steuerhinterziehung zu unterbin-
den. Wirtschaftsminister Brüderle von der FDP hingegen
plädiert für die Freistellungsmethode und möchte auf die
deutsche Besteuerung von Unternehmensgewinnen aus
Singapur verzichten – obwohl er genau weiß, dass die in
Singapur gezahlten Steuern – angesichts sehr niedriger
Sätze und zahlreicher Ausnahmeregelungen – äußerst
gering sind. Keine Besteuerung in Deutschland, keine
oder nur sehr geringe Besteuerung in Singapur – eine
Steilvorlage für Steuergestaltung oder, in Brüderles
Sinne: eine Art „legalisierte Steuerhinterziehung“. An-
gesichts der stark wachsenden Bedeutung Singapurs als
internationales Finanzzentrum und unserer bisherigen
Erfolge im Kampf gegen internationale Steuerhinterzie-
hung, Steueroasen und Offshore-Finanzzentren wäre es
eine bedenkliche Entwicklung, wenn sich die neoliberale
Steuersenkungsideologie in unserer internationalen Ab-
kommenspolitik durchsetzen würde und mit Unterstüt-
zung der FDP eine neue Steueroase entstünde. Aber dass
die FDP an ihre Klientel denkt und gerne einen neuen
„sicheren Hafen“ für das bislang in Liechtenstein, der
Schweiz, auf karibischen oder britischen Kanalinseln
versteckte Geld anlegen möchte, kann spätestens seit
den Steuergeschenken für Hoteliers im sogenannten
Wachstumsbeschleunigungsgesetz eigentlich nicht mehr
überraschen. Aber ein wenig irritiert ist man dann doch,
wie unverfroren „Politik für die eigene Lobby“ zur
Grundlage völkerrechtlicher Abkommen gemacht wird.
Drittens. Auch die Verteilung der Besteuerungsrechte
von Ruhegehältern und Renten wird mit Blick auf den
Übergang zur nachgelagerten Besteuerung in Deutsch-
land neu geregelt. Gemäß Art. 17 Abs. 1 des Abkom-
mens erhält der Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen das
Besteuerungsrecht; davon ausgenommen bleiben Pen-
sionen aus öffentlichen Kassen. Bei Bezügen aus der ge-
setzlichen Sozialversicherung hingegen liegt das Besteu-
erungsrecht beim Kassenstaat. Steuerlich geförderte
Renten unterliegen dem Besteuerungsrecht des Wohn-
sitzstaates.
Auch im DBA mit Großbritannien ist die Neurege-
lung der Rentenbesteuerung und der Übergang zum Kas-
senstaatsprinzip vorgesehen; es besteht hier allerdings
ein Wahlrecht für Personen, die schon Sozialversiche-
rungsrenten erhalten; de facto verzögert sich damit die
Umstellung auf das Kassenstaatsprinzip.
Viertens. Im Bereich der Bekämpfung der Steuerhin-
terziehung und der Durchführung der Besteuerung ist
der erweiterte Informationsaustausch für Steuern jegli-
cher Art ein wichtiger Fortschritt. Dies gilt insbesondere
mit Blick auf Belgien, das wie die anderen OECD-Mit-
glieder Schweiz, Österreich und Luxemburg zunächst
Vorbehalte gegen den Art. 26 OECD-MA hatte. Dieser
Art. des OECD-Musterabkommens für Doppelbesteue-
rungsabkommen greift inhaltlich weitgehend das soge-
nannte OECD-Musterabkommen für Auskunftsaus-
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usch in Steuersachen (Tax Information Exchange
greement, TIEA) aus dem Jahr 2002 auf. Das Muster-
BA geht allerdings über das TIEA hinaus und ermög-
cht nicht nur den Auskunftsaustausch auf Ersuchen,
ondern auch den spontanen und den automatischen
ustausch.
Es ist ein wichtiger Fortschritt im Kampf gegen die
ternationale Steuerhinterziehung, dass mit Belgien ein
ECD-Mitglied endlich seinen Vorbehalt gegen die
ECD-Standards aufgegeben hat. Denn viele soge-
annte Steueroasen hatten sich zwar zur Umsetzung die-
er Standards verpflichtet, die konkrete Umsetzung
ieser Verpflichtungserklärungen allerdings davon ab-
ängig gemacht, dass auch alle OECD-Mitgliedstaaten
ie OECD-Standards akzeptieren und anwenden, der so-
enannte Level-Playing-Field-Vorbehalt – eine Ausle-
ung des Grundsatzes „Gleiches Recht für alle“, der die
teuerfahnder in der Vergangenheit immer wieder vor
roße Schwierigkeiten gestellt hat.
Mittlerweile haben sich viele dieser Steueroasen und
ffshore-Finanzzentren bereit erklärt, die OECD-Stan-
ards zum steuerlichen Informationsaustausch umzuset-
en; der Bundestag hat in dieser und in der vergangenen
egislaturperiode schon einige dieser Abkommen be-
chlossen. Die vorliegenden Doppelbesteuerungsabkom-
en setzen diese erfreuliche Entwicklung fort, die ohne
ie Vorarbeiten der Finanzminister Eichel und
teinbrück nicht denkbar gewesen wäre. Ich erinnere
sbesondere an das Gesetz zur Bekämpfung der Steuer-
interziehung aus der vergangenen Legislaturperiode,
ie klugen Verhandlungen der Beamtinnen und Beamten
us dem Bundesfinanzministerium und die europäische
insrichtlinie.
Die Zinsrichtlinie regelt für die meisten EU-Mitglied-
taaten die Besteuerung von Zinserträgen aus privaten
apitalanlagen und gewerblichen Zinseinkommen, die
atürliche Personen in einem anderen Mitgliedstaat er-
ielen, nach den Besteuerungsregeln des Wohnsitzstaa-
s – leider unterliegen andere Kapitaleinkünfte noch
icht den Richtlinienbestimmungen.
Besonders wichtig ist mir dabei das Verfahren, das ich
ir auch in den steuerlichen Beziehungen mit anderen
taaten wünschen würde. Über ein Kontrollmitteilungs-
ystem werden den Finanzämtern des Wohnsitzstaates
utomatisch Auskünfte über Zinszahlungen an wirt-
chaftliche Eigentümer bereitgestellt. 24 EU-Staaten
ehmen daran teil, ausgenommen Österreich, Belgien
nd Luxemburg, die lediglich eine Quellensteuer auf
inserträge der Anleger erheben und einen Teil der Ein-
ahmen daraus an Deutschland abführen. Das neue Ab-
ommen mit Belgien etabliert künftig einen Standard
es Informationsaustausches, der über das Kontroll-
itteilungssystem der Zinsrichtlinie hinausreicht – ein
ichtiges Signal, das hoffentlich zu einer Weiterent-
icklung sowohl der Richtlinie wie auch der zwischen-
taatlichen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbe-
teuerung und des Informationsaustausches führt.
Peer Steinbrück hat einige Vorschläge gemacht, um
ie Stärken des Mitteilungssystems der Zinsrichtlinie zu
erbessern und die Schwächen und Lücken im Regel-
6618 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
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)(B)
werk zu beseitigen. Dazu gehören die Streichung von
Ausnahmen bei erfassten Produkten und Steuerpflichti-
gen, die Verbesserung der Transparenz sowie insbeson-
dere die Ausdehnung des sachlichen, persönlichen und
räumlichen Anwendungsbereichs der Zinsrichtlinie.
Diese Überlegungen bieten sicherlich einen guten
Anknüpfungspunkt für unsere weiteren Bemühungen zur
Bekämpfung von Steuerhinterziehung, zum Informa-
tionsaustausch in steuerlichen Angelegenheiten und zur
Durchführung eines ordentlichen Besteuerungsverfah-
rens.
Ich hoffe, dass es uns gelingt, die Beteiligungsrechte
des Bundestages bei der Neuverhandlung oder Revision
bestehender DBA zu stärken und seine Mitsprache mit
Blick auf Ziele, Inhalte und Methodenwahl weiterzuent-
wickeln. Angesichts der hohen und weiter wachsenden
Bedeutung dieser Abkommen für die betroffenen Unter-
nehmen und Bürger, für die Finanzverwaltung, für un-
sere Steuereinnahmen und ein gerechteres Steuersystem
wollen wir die Beteiligungs- und Gestaltungsmöglich-
keiten des Deutschen Bundestages erweitern.
Dr. Birgit Reinemund (FDP): Von den mehr als
100 Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik
Deutschland mit anderen Staaten hat das Bundesfinanz-
ministerium seit Anfang 2009 insgesamt 54 neu verhan-
delt. Etliche Abkommen waren ausgelaufen, in anderen
Fällen wurden die neuen OECD-Standards zu Informa-
tionsaustausch und Amtshilfe aus dem Musterabkom-
men von 2005 eingearbeitet. Doppelbesteuerungsab-
kommen zielen in zwei Richtungen: Zum einen soll eine
steuerliche Benachteiligung international tätiger Unter-
nehmen vermieden werden, zum anderen gilt es, Steuer-
betrug und Steuerhinterziehung zu bekämpfen.
Eine doppelte Besteuerung von Einkünften bei grenz-
überschreitenden Tätigkeiten wäre für international tä-
tige Unternehmen mit hohem bürokratischen und finan-
ziellen Aufwand verbunden. Sie schwächt deren
Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen im gleichen
Land tätigen Unternehmen aufgrund von Unterschieden
in Unternehmensteuern und Einkommensteuer, das heißt
aufgrund unterschiedlich hoher Lohnkosten.
Es ist erklärtes Ziel deutscher und internationaler
Wirtschaftspolitik, Doppelbesteuerungen zu vermeiden.
Gerade für uns als Exportnation mit zahlreichen Nieder-
lassungen deutscher Unternehmen im Ausland ist es un-
erlässlich, eine Schlechterstellung unserer Unternehmen
im Ausland im Wettbewerb zur einheimischen Wirt-
schaft und zu Unternehmen anderer Länder zu vermei-
den und gleichzeitig Rechtssicherheit für die Betriebe
und ihre Mitarbeiter im Ausland herzustellen.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung, OECD, hat bereits im Juli 1963 ein
Musterabkommen vorgestellt, auf dessen Basis die Bun-
desregierung Doppelbesteuerungsabkommen verhan-
delt. Das Musterabkommen wird seither kontinuierlich
überarbeitet und an die Anforderungen unserer globali-
sierten Welt angepasst: zuletzt im Jahr 2005 durch Über-
arbeitung der großen Auskunftsklausel. Die OECD hat
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Rahmen ihres Programms zur Eindämmung des
chädlichen Steuerwettbewerbs festgestellt, dass der In-
rmationsaustausch zwischen den Steuerbehörden das
ffektivste Mittel zur Bekämpfung von Steuerhinterzie-
ung und Steuerbetrug ist. Die Bundesregierung kommt
ier schnell und gut voran. Ich bin froh, dass in allen
orliegenden Abkommen die Aufnahme der großen
uskunftsklausel durchgesetzt werden konnte.
So stimmen wir heute über die Revision der Abkom-
en der Bundesrepublik Deutschland mit Malaysia, der
epublik Bulgarien, dem Königreich Großbritannien
nd Nordirland sowie dem Königreich Belgien ab und
rstmals über ein Abkommen mit der Arabischen Repu-
lik Syrien. Insbesondere mit Belgien war bisher nur ein
ehr eingeschränkter Auskunftsaustausch möglich, da
elgien lediglich Informationen gewährte, die für die
urchführung des DBA selbst unbedingt erforderlich
aren. Diese Regelung war zwar bei Abschluss des ers-
n Deutsch-Belgischen DBA im Jahr 1967 Standard, al-
rdings wurde der Artikel bereits 1977 erstmals überar-
eitet. Jetzt nach mehr als 33 Jahren ist Belgien bereit,
eine restriktive Haltung aufzugeben und das bestehende
BA endlich entsprechend anzupassen.
Im Falle von Syrien und Malaysia konnte der betref-
nde Artikel noch nach Abschluss der ursprünglichen
erhandlungen geändert werden. Auch wenn dies zur
erzögerung des Abschlusses geführt hat, möchten wir
ls FDP-Fraktion an dieser Stelle ausdrücklich den Ver-
andlungserfolg und die Konsequenz unserer deutschen
erhandlungsführer loben. Erstmals ist die Amtshilfe bei
teuerhinterziehung – nicht erst bei Steuerbetrug – in
en DBA mit Großbritannien und Bulgarien enthalten.
alaysia und Syrien konnten sich dagegen leider noch
icht von den Vorteilen dieser Amtshilfe überzeugen las-
en.
In allen vorliegenden Abkommen wurde grundsätz-
ch die Freistellungsmethode vereinbart. Nur in klar
mrissenen Ausnahmefällen und bei Kapitaleinkünften
ird die Anrechnungsmethode angewendet – wie auch
chon in früheren Abkommen üblich.
Das DBA mit Bulgarien enthält darüber hinaus noch
ine Switch-over-Klausel von der Freistellungs- auf die
nrechnungsmethode. Dies gewährleistet im Falle von
Ausland nicht versteuerten Einkünften, sogenannten
eißen Einkünften, die Methode im Einzelfall wechseln
u können. In Ausnahmefällen und bei begründeten Fäl-
n ist dies allgemeiner Konsens. Eine Nichtbesteuerung
on Einkunftsanteilen will keiner.
Eine grundsätzliche Anwendung der Anrechnungs-
ethode würde allerdings dem Ziel zuwiderlaufen, glei-
he Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Es würde
rundsätzlich das höhere Steuerniveau zum Tragen kom-
en und die deutsche Wirtschaft bei ihrer Auslandstätig-
eit damit über Gebühr belastet. Dies ist nicht im Sinne
iner wirtschaftsfreundlichen Steuerpolitik.
Ich begrüße, dass die Bundesregierung hier aktiv und
ügig bilaterale Abkommen zur Vermeidung von Dop-
elbesteuerungen vorantreibt. Insbesondere das Doppel-
esteuerungsabkommen mit Liechtenstein, das derzeit
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 62. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010 6619
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verhandelt wird, erwarten wir mit Spannung. Ich bin zu-
versichtlich – auch wegen entsprechender Äußerungen
von Bundesfinanzminister Schäuble und des Liechten-
steiner Regierungschefs –, dass es noch in diesem Jahr
unterschrieben werden kann. Nach den Turbulenzen um
Liechtenstein im Jahr 2008 ist das ein Riesenerfolg.
Die nächsten Abkommen sind bereits auf den Weg
gebracht. Es ist erfreulich, dass immer mehr Staaten be-
reit sind, die OECD-Standards in der internationalen Zu-
sammenarbeit zu akzeptieren. Dies ist ein bemerkens-
werter Fortschritt in der Außenwirtschaftspolitik.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Beim Thema Steu-
ern wird es nie langweilig. Das ist gut! Denn wir brau-
chen sie unter anderem für Schulen, Straßen und lebens-
werte Kommunen. Wichtig ist, dass Steuern gerecht
erhoben und sinnvoll ausgegeben werden. Dann sind
Bürgerinnen und Bürger umso eher bereit, Steuern zu
zahlen. Und hier sehe ich ein Problem. Während Milliar-
den von Steuergeldern in der HRE versickern oder der
Atomindustrie hinterhergeschmissen werden, wird im
sozialen Bereich drastisch und ohne Verstand gekürzt.
Gleichzeitig werden weiter fleißig Steuern hinterzogen
(rund 30 Milliarden Euro pro Jahr entgehen dem Staat an
Steuereinnahmen). Dies muss weiter ernsthaft bekämpft
werden.
Ein Ansatz sind sogenannte Doppelbesteuerungsab-
kommen. Damit soll Folgendes erreicht werden: Erstens:
Vermeidung einer Doppelbesteuerung. Zweitens: Ver-
meidung von Steuerumgehung und -hinterziehung. Un-
terschiedliche Ausgestaltungen der Steuersysteme dür-
fen nicht ausgenutzt werden. Wenn Sie mir in diesen
Punkten recht geben, dann müssten Sie doch auch ent-
sprechende Regelungen einführen? Aber Fehlanzeige!
Sie wählten hier nur die Mindestlösung.
So lässt sich in den hier vorliegenden Gesetzentwür-
fen zu Doppelbesteuerungsabkommen mit Syrien, Ma-
laysia, Bulgarien, Großbritannien und Nordirland sowie
Belgien eine unterschiedliche Handhabung erkennen.
Mal ist nur das Einkommen Bestandteil des Doppelbe-
steuerungsabkommen (Malaysia), manchmal Einkom-
men und Vermögen (Bulgarien). Warum nicht beides
gleichermaßen?
Auch bei der Methode gibt es einen Mischmasch: So
soll im Falle Bulgarien teilweise die Freistellungsme-
thode mit Progressionsvorbehalt (das heißt die ausländi-
sche Steuer führt in Deutschland zur Freistellung bei der
Bemessungsgrundlage unter gleichzeitiger Berücksichti-
gung für die Ermittlung des Steuersatzes) angewendet
werden, aber auch die Anrechnungsmethode (das heißt
ausländische Steuer wird bei Berechnung der deutschen
Steuer angerechnet). Warum nicht konsequent die An-
rechnungsmethode? Bulgarien ist doch EU-Mitglied.
Zum leidigen Thema Informationsaustausch: Bei kei-
nem der uns vorliegenden Gesetzentwürfe ist eine Spon-
tanauskunft und ein automatischer Informationsaus-
tausch vorgesehen. Bei Tschechien und Ungarn ist dies
möglich. Warum nicht auch bei Bulgarien, Syrien und
den anderen? Wollen Sie Steuerhinterziehung bekämp-
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n, gehört ein automatischer Informationsaustausch
azu. Die jetzigen Forderungen führen nur dazu, dass
eutsche Finanzbehörden sich an das jeweilige Land
enden und ihren Verdacht erst begründen müssen. Dazu
rauchen sie etliche Daten, Daten über die sie erst Mal
erfügen müssen. Gerade im Hinblick auf die massive
teuerhinterziehung durch Kapitalanlagen im Ausland ist
ine Auskunft auf Ersuchen völlig unzureichend.
Was muss geschehen? Erstens: Sorgen Sie endlich für
inen internationalen Informationsaustausch, der eine
pontanauskunft sowie einen automatischen Informa-
onsaustausch vorsieht! Zweitens: Wir brauchen Sank-
onen gegen solche Staaten, die die OECD-Standards
icht einhalten. Hier ist eine Quellensteuer in Höhe von
0 Prozent auf Dividenden, Zinsen und Lizenzabgaben
enkbar. Drittens: Geben Sie der Finanzverwaltung aus-
ichende Ressourcen, damit diese ihre Arbeit erledigen
ann. Hier ein alarmierender Hinweis: Während es der-
eit rund 111 000 Planstellen bei den deutschen Finanz-
mtern gibt, waren es 2004 noch über 119 000. Dabei ist
ie Rendite eines solchen Beamten enorm: Rein rechne-
sch erbringt jeder Finanzbeamte pro Jahr rund 4,6 Mil-
onen Euro.
Wenn Sie hier bei den genannten Punkten nachbes-
ern, könnten wir endlich Fortschritte erzielen und mehr
teuergerechtigkeit schaffen.
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
ieder einmal stimmt der Bundestag über ein ganzes
aket von Doppelbesteuerungsabkommen gleichzeitig
b und wieder einmal ist dafür eigentlich keine Zeit vor-
esehen gewesen. Der Zeitpunkt mitten in der Nacht
acht das deutlich. Der Bedeutung von Doppelbesteue-
ngsabkommen wird das nicht wirklich gerecht. So
chnisch einzelne Doppelbesteuerungsabkommen aus-
rmuliert sein mögen, so war und ist ihre Ausgestaltung
och immer eine grundlegende Frage der Besteuerungs-
erechtigkeit und verändert die Attraktivität von Aus-
ndsaktivitäten entscheidend – legaler wie illegaler. Ge-
de in Zeiten noch immer zunehmender Mobilität von
ersonen und Kapital ist es nicht gerade eine Seltenheit,
ass Personen und Unternehmen in zwei oder mehr Staa-
n Einkünfte erzielen und damit den Regelungen von
oppelbesteuerungsabkommen unterliegen.
Natürlich ist die Vermeidung von Doppelbesteuerung
rundsätzlich wünschenswert. Oft aber verhindert die
usgestaltung der Abkommen nicht eine Doppel-, son-
ern eine faire Besteuerung. So ist es auch in den Ab-
ommen, über die wir heute abstimmen werden. Ich will
afür einige Beispiele nennen:
In allen vier reformierten und von der Bundesregie-
ng unterzeichneten Abkommen ist für Unternehmens-
ewinne nach wie vor die Freistellungsmethode vorgese-
en. Damit werden erzielte Unternehmensgewinne nur
och im jeweiligen Vertragsstaat besteuert, während die
ewinne in Deutschland von einer Besteuerung freige-
tellt werden. Das nützt den Unternehmen, die steuerlich
otivierte Verlagerungen von Steuersubstrat vorneh-
en, etwa in Form von Fremdfinanzierungsmodellen
der manipulierten Preisen für Transfers innerhalb des
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Konzerns. Wir Grünen fordern eine Umstellung der
deutschen Doppelbesteuerungsabkommen auf die An-
rechnungsmethode auch im Bereich der Unternehmens-
gewinne. So würde eine Gewinnverlagerung obsolet.
Zweites Beispiel: Im überarbeiteten Doppelbesteue-
rungsabkommen mit dem Vereinigten Königreich wird
die Quellenbesteuerung von Dividenden zwischen ver-
bundenen Unternehmen auf maximal 5 statt bisher 15 Pro-
zent begrenzt. Das vereinfacht Verlagerungen von Steuer-
substrat über Finanzierungsgestaltungen. Und ein drittes
Beispiel: In den Doppelbesteuerungsabkommen mit Bul-
garien, Syrien und Malaysia wird die Besteuerung öf-
fentlich geförderter Renteneinkünfte nicht geregelt, so-
dass hier Umgehungsmöglichkeiten entstehen. Das ist
bei Syrien und Malaysia weniger wichtig, bei Bulgarien
aber kann das durchaus in größerem Umfang relevant
werden. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Vor allem aber fehlt auf der Gegenseite ein steuerli-
cher Informationsaustausch mit Biss. Dann hätten die
Ich möchte im Rahmen dieses Themas auch auf das
Doppelbesteuerungsabkommen mit Singapur eingehen,
das die Bundesregierung zurzeit verhandelt und das da-
her wohl ebenfalls bald vom Bundestag ratifiziert wer-
den muss. Was bislang dazu den Medien entnommen
werden konnte, lässt nichts Gutes erahnen: Wirtschafts-
minister Brüderle will offenbar die Freistellungsmethode
für alle Einkünfte durchsetzen, die von Deutschen in
Singapur erzielt werden. Damit müssen Kapitalerträge,
die in der Steueroase Singapur anfallen, in Deutschland
nicht mehr versteuert werden. Das ist deshalb problema-
tisch, weil Singapur angesichts der inzwischen etwas
besseren Kooperation in Europa zunehmend zu einem
der zentralen Orte für Fluchtkapital wird. Denn es darf
als ausgeschlossen gelten, dass Singapur einem automa-
tischen Informationsaustausch zustimmt – und ohne die-
sen würde die Attraktivität der Steueroase Singapur mit
der Einführung der Freistellungsmethode noch einmal
drastisch erhöht. Wer allerdings, wie der Wirtschafts-
minister, die Steuervermeidung oder Steuerhinterzie-
hung mancher Steuerzahler toleriert, muss zugeben, dass
deutschen Steuerbehörden endlich ein Instrument in der
Hand, mit der sie Steuersündern, die ihr Kapital in diese
Länder transferieren, wirksam verfolgen könnten. Doch
die vorliegenden Doppelbesteuerungsabkommen sehen
lediglich eine Anpassung an das OECD-Musterabkom-
men zum Steueraustausch vor, das löchrig wie ein
Schweizer Käse ist. Denn Informationen gibt es in die-
sem Fall nur auf Ersuchen, und für ein Ersuchen muss
bereits ein erster Verdacht aufgetreten sein. Dieser ent-
steht doch aber häufig erst gar nicht, wenn nicht zu-
nächst schon erste Informationen mitgeteilt werden.
Deswegen fordern wir Grünen seit langem einen auto-
matischen Informationsaustausch zwischen den Steuer-
behörden. Die Bundesregierung aber gibt sich weiterhin
mit dem OECD-Standard zufrieden. Dieser Standard ist
für uns aber unzureichend für die Verabschiedung eines
Doppelbesteuerungsabkommens. Diese Verbindung von
steuerlichen Begünstigungen mit löchrigen Vorgaben
zum Informationsaustausch ist der Grund, warum wir
die heute vorliegenden Abkommen ablehnen.
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ndere – zum Beispiel ehrliche Steuerzahler oder kleine
nternehmen, die ihre Steuerlast nicht über verschie-
ene Standort optimieren können – die Gekniffenen
ind, weil ihre Steuerlast dadurch steigt. Die FDP steht
gelmäßig auf der falschen Seite dieser Auseinanderset-
ung.
Doppelbesteuerungsabkommen und die darin beinhal-
ten Informationsaustausche sind ja eben nicht nur eine
rage der technischen Ausgestaltung des Steuerrechts. Es
eht um die Frage der Besteuerung nach Leistungsfähig-
eit und damit einen Grundpfeiler der sozialen Markt-
irtschaft, gerade in einer so offenen Volkswirtschaft wie
er deutschen. Deshalb habe ich mich in der letzten Le-
islaturperiode dafür eingesetzt, dass wir im Finanzaus-
chuss wesentlich intensiver auf die Verhandlungsergeb-
isse der Bundesregierung schauen. Und deshalb war und
t es mir auch in dieser Legislaturperiode ein Anliegen,
ass diese Abkommen nicht sämtlich völlig ohne Befas-
ung im Plenum des Deutschen Bundestages durchge-
unken werden.
62. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 30. September 2010
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9