Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Ich rufe den Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:Einsprüche gemäß § 39 der Geschäftsord-nung der Abgeordneten Herbert Behrens,Heidrun Dittrich, Annette Groth, HeikeHänsel, Inge Höger und Michael Schlecht ge-gen den am 17. September 2010 erfolgten Sit-zungsausschlussIn der letzten Plenarsitzung habe ich die genanntenAbgeordneten auf der Grundlage des § 38 unserer Ge-schäftsordnung von den beiden Sitzungstagen heute undmorgen ausgeschlossen. Um dennoch zu den Sitzungendes Plenums und der Ausschüsse an diesen Tagen zuge-lassen zu werden, haben fünf der ausgeschlossenen Ab-geordneten beim Bundesverfassungsgericht einenAntrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Vor demHintergrund dieses Verfahrens – auch zur Wahrung mög-licher Rechtsansprüche – habe ich mich entschlossen,den Vollzug der Ausschlüsse auszusetzen, um eine Klä-rung der Frage, die gegebenenfalls im Hauptsache-verfahren erfolgt, abzuwarten. Damit hat sich nach Auf-fassung des Bundesverfassungsgerichts der Antrag aufGewährung vorläufigen Rechtsschutzes erledigt.Bo–lWtdsgRedetUnabhängig davon ist gemäß § 39 unserer Geschäfts-ordnung über die Einsprüche der Abgeordneten zu ent-scheiden. Ihnen liegt die Unterrichtung vor, der Sie auchden Wortlaut der Einsprüche entnehmen können.1) Nach§ 39 unserer Geschäftsordnung entscheidet der Bundes-tag ohne Aussprache über die Einsprüche. Ich gehe da-von aus, dass über die sechs Einsprüche gemeinsam ab-gestimmt werden kann. Gibt es dazu eine andereAuffassung? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wirso.Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Einsprüchenstattgeben möchte, den bitte ich um das HandWer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der S1) Anlagen 2 bis 7
Damit sind die Einsprüche mit großer Mehrheit desundestages zurückgewiesen.Wir kommen nun zu den übrigen vereinbarten Tages-rdnungspunkten.Ich rufe zunächst den Tagesordnungspunkt 1 auf:Befragung der Bundesregierung
Nach dem Bericht dürfen Sie sich dazu selbstverständ-ich melden.
ir nehmen das aber schon einmal als angemeldetes In-eresse zu Protokoll. Es ist interessant, dass es noch vorer Unterrichtung der Bundesregierung über das voraus-ichtliche Thema eine lebhafte Anmeldung von Nachfra-en gibt.extIch warte jetzt noch einen Augenblick und bitte dieje-nigen, die an der Befragung der Bundesregierung wegenanderer Sitzungsverpflichtungen nicht teilnehmen kön-nen oder wollen, den Plenarsaal zügig zu räumen.Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Energiekonzept der Bundes-regierung.Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Berichthat zunächst der Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit,
Röttgen, und anschließend der Bundes-Wirtschaft und Technologie, Rainere sehr, Herr Minister Röttgen.zeichen. –timme? Dr. Norbertminister fürBrüderle. – Bitt
Metadaten/Kopzeile:
6324 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
)
)
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit:Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Ich möchte gerne einen Bericht über die Kabi-nettssitzung und die dort getroffenen Beschlüsse, insbe-sondere in Bezug auf das Energiekonzept, geben. Ichmöchte zu Beginn hervorheben, dass nunmehr – seitJahrzehnten erstmalig – ein Energiekonzept vorliegt.
Für jede entwickelte Gesellschaft, für jedes Industrie-land – das wollen wir bleiben, weil es zu unserem Vorteilist –, sind die Energieversorgung und deren langfristigeSicherung eine wichtige Lebensader,
die man ertüchtigen und gesund erhalten muss, wennsich ein Land weiterhin gut entwickeln will. Dement-sprechend haben wir die Entscheidungen getroffen.Es handelt sich um ein Energiekonzept, das langfris-tig angelegt ist. Energiepolitik kann nicht anders alslangfristig betrieben werden. Deshalb haben wir uns füreinen Planungshorizont von 40 Jahren bis zum Jahr 2050entschieden. Das ist notwendig, um Energiepolitik zumachen. Bei den Energieunternehmen geht es immer umInvestitionen in Milliardenhöhe. Ein Kohlekraftwerkwird für 30, 40 oder 50 Jahre gebaut. Eine Windparkan-lage wird für mindestens 20 Jahre konzipiert. Deshalbgibt es eine politische Bringschuld. Diese politischeBringschuld heißt Verlässlichkeit. Mit unseren Entschei-dungen haben wir die Grundlage gelegt, dass Verläss-lichkeit herrscht und die Energieversorgung weiterhingewährleistet ist.Welches sind die langfristigen Ziele, die wir mit die-sem Energiekonzept verfolgen? Wir verfolgen drei großeZiele, für deren Erreichen wir jetzt die Grundlagen ge-legt haben. Das erste Ziel ist die Energiesicherheit.
Es geht um die Sicherheit der Energieversorgung; diesewird durch unsere Entscheidungen gewährleistet. Daszweite Ziel ist die Klimaverträglichkeit, weil Klima-schutz einschließlich CO2-Reduzierung eine Bedingungnicht nur für wirtschaftliche, sondern auch für menschli-che Entwicklung ist. Das dritte Ziel ist: Durch die damiteinhergehende technologische Entwicklung und diewirtschaftliche Modernisierung wird gerade unser Landseine Wachstumspotenziale und seine Wettbewerbsfä-higkeit steigern. Deshalb ist die von uns verfolgte Strate-gie eine wirtschaftliche Modernisierungs- und Wert-schöpfungsstrategie.Die drei genannten Ziele drücken sich auch in kon-kreten Zahlen aus. Wir haben einen Zeithorizont von40 Jahren und das Ziel definiert, innerhalb dieses Zeit-raums die CO2-Emissionen um 80 bis 95 Prozent zu re-duzieren. Bis 2050 wollen wir einen Anteil der erneuer-baren Energien an der Stromversorgung von 80 Prozente2dwvnbZFphdüpwadnelWlDsDdleNbsiVgzesvlVDmksza
as fängt bei der Finanzierungsgewährleistung für Off-hore-Windenergieanlagen in der Nord- und Ostsee an.as sind Risikoinvestitionen. Die KfW wird einen Son-erkreditfonds auflegen und Mittel in Höhe von 5 Mil-iarden Euro für die Finanzierung von Offshore-Wind-nergieanlagen zur Verfügung stellen. Wir werden in derordsee Clusteranbindungen schaffen, genauso wie eineundesrechtliche Planung für Stromnetze, die dafürorgt, dass der Strom durch die Verteilnetze, sogenanntentelligente Netze, und durch intelligente Zähler beimerbraucher ankommt. Das zeigt, dass es sich um eineanz neue Infrastruktur handelt. Wir haben neue Poten-iale und neue Technologien, mit denen wir unsere Zielerreichen. Es ist eine Sache, vor zehn Jahren den Aus-tieg aus der Kernenergie mit einer Überbrückungszeiton 20 Jahren beschlossen zu haben. Es fehlte aber bis-ang der Einstieg in eine neue, moderne und effizienteersorgung mit regenerativen Energien.
as ist die zweite Seite der Medaille. Mit Aussteiger-entalität, Ideologie und Verantwortungsverweigerungann man kein modernes Industrieland führen. Das müs-en Sie endlich verstehen. Wir haben das verstanden undiehen die Konsequenzen daraus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss jetzt dochuf Folgendes aufmerksam machen: Wir debattieren im
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6325
Präsident Dr. Norbert Lammert
)
)
Augenblick nicht, auch wenn das vielleicht reizvollwäre.
Die für die Berichterstattung vorgesehene Zeit ist ab-gelaufen.
Eigentlich ist diese Zeit für die Berichterstattung insge-samt vorgesehen. Ich schlage aber vor, dass der KollegeBrüderle, wenn er möchte, das Gesagte mit einigen Hin-weisen ergänzt und wir die Befragungszeit entsprechendverlängern, damit die Zeit, die für die Berichterstattungin Anspruch genommen wird, nicht zulasten der Frage-möglichkeiten geht. Können wir so verfahren? – Dankeschön.Herr Kollege Brüderle zur Ergänzung.Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft undTechnologie:Im Jahr 1973 wurde das letzte Energiekonzept von ei-ner Bundesregierung erarbeitet. Dieses wurde 1991 fort-geschrieben. Jetzt hat die Bundesregierung ein umfas-sendes und langfristig ausgerichtetes Energiekonzept fürdie Zeit bis 2050 vorgelegt. In der gestrigen Kabinetts-sitzung wurde es verabschiedet. Es hat zum Ziel, dasZeitalter regenerativer Energien schneller herbeizufüh-ren. Ja, als Endziel streben wir alle regenerative Ener-gien als Hauptversorgungsquelle an. Aber der Weg dahinmuss überbrückt werden. Dafür braucht man Brücken-technologien wie Kohlekraftwerke, Gaskraftwerke undKernkraftwerke. Deshalb wurde im Zusammenhang mitdiesem Energiekonzept vereinbart, die Nutzungszeit derKernkraftwerke im Durchschnitt um zwölf Jahre zu ver-längern. Etwa die Hälfte der sogenannten Windfall Pro-fits, der Zusatzgewinne, die durch längere Nutzung derKernkraftanlagen entstehen, soll – das war die klare Vor-stellung – abgeschöpft werden. Ein Teil dieses Geldessoll zur Haushaltskonsolidierung verwendet werden;aber der überwiegende Teil soll genutzt werden, um denUmstieg zu beschleunigen und zu finanzieren.Wir haben noch keine geeignete Speichertechnologie,um Windenergie oder Solarenergie grundlastfähig ma-chen zu können. Wir haben noch nicht die Netze, die wirfür eine effektive, dezentrale Versorgung mit regenerati-ven Energien in unserem Land brauchen. Wir müssenden Netzausbau vorantreiben. Wir müssen auch Schrittein Richtung mehr Umweltfreundlichkeit machen. Ichnenne zum Beispiel die CCS-Technologie für Kohle-kraftwerke. Wir haben konzeptionell exakt beschrieben,welche Schritte notwendig sind.Wir haben noch mehr getan, da wir sofort anfangenwollen. Wir haben gleichzeitig ein Zehnpunktepro-gramm verabschiedet, das den Einstieg in die Umset-zung dieser Strategie bedeutet. Für uns sind in der Ener-giepolitik drei Ziele gleichrangig: Klimafreundlichkeit,ssbwERsurursFrrFldblushNmkgaugmSwHr
Die erste Frage stellt die Kollegin Höhn.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte meinerage an den Minister Röttgen richten.Wir haben heute eine Pressekonferenz der DUH er-ebt. Sie hat schwere Vorwürfe gegen die von der Bun-esregierung vorgelegte Novelle zum Atomgesetz erho-en. Es wurde gesagt:AtG-Novelle zur Flankierung der Laufzeitverlänge-rung verwässert Sicherheitsmaßstäbe und schränktKlagerechte von Betroffenen ein – Neuer Paragraph7 d durchlöchert „bestmögliche Schadensvorsorge“und schützt AKW-Betreiber vor teuren Nachrüstun-gen.Können Sie den Vorwurf entkräften, dass Klagemög-ichkeiten für Einzelne durch § 7 d abgeschafft werden,nd können Sie den Vorwurf entkräften, dass die Vor-chriften zur Nachrüstung alter Atomkraftwerke ausge-öhlt werden?Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,aturschutz und Reaktorsicherheit:Ich bedanke mich für die Frage. – Ich glaube, dassan das sehr nachvollziehbar entkräften kann; denn esann überhaupt keinen Zweifel daran geben, dass der imeltenden Recht vorhandene Sicherheitsstandard – mitllen dazugehörigen materiellen Vorschriften, Verfahrennd Klagemöglichkeiten – völlig unangetastet bleibt. Esibt nirgendwo einen Abstrich am geltenden Recht. Viel-ehr kommt zum geltenden Sicherheitsrecht eine neueicherheitsstufe hinzu. Es kommt also ausschließlich et-as dazu, und selbstverständlich wird nichts verringert.inzu kommt eine neue Qualität an Sicherheit im Atom-echt. Diese besteht darin, dass die Fortentwicklung von
Metadaten/Kopzeile:
6326 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Bundesminister Dr. Norbert Röttgen
)
)
Wissenschaft und Technik auf dem Gebiet der Sicherheitnun berücksichtigt wird und eine rechtliche Nachrüs-tungspflicht – auch gegenüber dem einzelnen Betreiber –über das bisherige sogenannte Erforderlichkeitsmaß hi-naus durchgesetzt werden kann.
Es kommt also „nur“ etwas dazu. Alle Klagemöglich-keiten, die bislang vorhanden sind, bleiben selbstver-ständlich erhalten.
Zu dem, was bislang im Gesetz vorhanden ist, kommt et-was hinzu. Das bedeutet mehr Sicherheit als bislang. Dasist nicht das, was Ihr Partei- und Fraktionskollege Trittinmit der Kernenergiewirtschaft verabredet hat; das istrichtig. Herr Trittin als mein Amtsvorvorgänger hat derKernenergiewirtschaft vertraglich zugesichert, dass dieBundesregierung keine Initiative ergreifen wird, um denSicherheitsstandard zu ändern, also zu erhöhen.
Wir machen das nicht. Wir erhöhen den Sicherheitsstan-dard. Das ist auch geboten und richtig.
Kollege Kauch.
Die Bundesregierung hat in ihrem Energiekonzept
den unbegrenzten Einspeisevorrang verankert und sorgt
daher dafür, dass erneuerbare Energien und Kernkraft
nicht miteinander in Wettbewerb stehen. Ich hätte von
der Bundesregierung gerne gewusst, welche weiteren
Maßnahmen sie zur Förderung erneuerbarer Energien,
insbesondere im Bereich der Offshore-Windkraft, und
des Netzausbaus ergreifen will.
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Bei der Förderung der Windenergie im Offshore-Be-
reich sowie dem Netzausbau und der Förderung der
Speichertechnologien sind Handlungsdefizite aufgetre-
ten, die leider wegen des Fixierens auf den Ausstieg
nicht beseitigt wurden. Deshalb liegen wir dort zurück.
Mit dem vorliegenden Energiekonzept werden die Bun-
desregierung und die Koalition die Handlungsdefizite
der Vorgängerregierungen abbauen. Das fängt damit an,
dass wir die Finanzierungsprobleme bei der Offshore-
Windenergie lösen werden. Es besteht dringender Be-
darf, die Finanzierung abzusichern. Die Errichtung eines
Windparks mit 60 bis 80 Windkraftanlagen hat ein In-
vestitionsvolumen von bis zu 1,5 Milliarden Euro. Hier
gibt es eine Zurückhaltung der Banken gegenüber neuen
T
D
a
g
i
n
u
w
L
f
N
S
d
d
d
A
f
n
i
g
R
E
d
s
i
w
S
t
w
c
t
w
I
d
s
N
m
r
N
K
nsofern frage ich Sie beide: Können Sie ausschließen,ass es weitere Verträge, Vereinbarungen oder Nebenab-prachen mit den vier großen Konzernen gibt?
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,aturschutz und Reaktorsicherheit:Über den Vertrag ist unter Federführung des Finanz-inisteriums verhandelt worden. Der Vorvertrag war be-eits bekannt. Seit gestern steht der Vertrag auch imetz. Es handelt sich um eine im Wahlprogramm und imoalitionsvertrag angekündigte Vereinbarung.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6327
Bundesminister Dr. Norbert Röttgen
)
Das ist wohl eine spezielle Form von Geheimhaltung.Wir haben immer gesagt: Es gibt eine Gewinnabschöp-fung. – Wenn Sie diese nicht wollen, können Sie das be-kunden. Laufzeitverlängerungen führen jedenfalls zuSondergewinnen, und diese Sondergewinne wollen wirfür die erneuerbaren Energien abschöpfen.
Im Augenblick geht es, Herr Minister, aber nicht um
die Frage des Inhalts solcher möglicher Verabredungen,
sondern um die Frage, ob es weitere Verabredungen gibt.
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Okay. – Das ist in dem Vertrag, der nun publiziert
worden ist, geregelt. Von weiteren Regelungen und Ab-
sprachen ist mir nichts bekannt.
Das hätte man doch auch gleich sagen können.
Herr Kollege Brüderle.
Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie:
Für die Bundesregierung hat Staatssekretär Beus in
der Ausschusssitzung, die Sie ansprechen, zweifelsfrei
erklärt, dass es keine Nebenabsprachen mit den EVUs
gibt.
Das bestätigt ausdrücklich auch der Chef des Bundes-
kanzleramts. Alle Vereinbarungen mit den EVUs sind
offen, transparent und liegen auch den Oppositionsfrak-
tionen vor.
Kollege Fell.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Frage an die
Bundesregierung, in diesem Fall an Herrn Röttgen, be-
zieht sich auf die arbeitsmarktpolitischen Aspekte des
Energiekonzeptes. Wir alle wissen: Wenn eine große
Branche wie die der erneuerbaren Energien, die zurzeit
300 000 Personen in Deutschland beschäftigt, gewaltige
Absatzeinbußen hat, dann wird das Arbeitsplatzverluste
und wahrscheinlich auch Konkurse zur Folge haben.
Aus dem Gutachten von EWI, Prognos und GWS, das
uns als Grundlage für dieses Energiekonzept vorliegt, ist
klar erkenntlich: Der jährliche Zubau von Onshore-
Windkraft wird in den nächsten zehn Jahren, ausgehend
vom aktuellen Wert, um 60 Prozent gekürzt. In der So-
larwirtschaft wird um 75 Prozent gekürzt, bei den Bio-
energien um 85 Prozent. Dies wird unweigerlich Ar-
beitsplätze vernichten.
T
i
P
h
e
w
s
a
N
g
r
e
O
I
V
z
W
S
t
V
v
p
S
b
m
d
t
d
J
8
c
b
t
r
n
W
t
u
Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Anteiler erneuerbaren Energien am Stromverbrauch in zehnahren 35 Prozent betragen wird; eine Quote von0 Prozent ist das Ziel für 2050. Die volkswirtschaftli-hen Effekte, die Wertschöpfungspotenziale und die Ar-eitsmarktentwicklung – die Zahl von 300 000 Beschäf-igten in dieser Branche haben Sie genannt; sie ist völligichtig – werden weiterhin positiv sein. Das ist der öko-omische Grund, warum wir so handeln. Das ist eineachstumsstrategie und auch eine Arbeitsplatzwachs-umsstrategie, die mit konkreten Maßnahmen und Geldnterlegt wird.)
Metadaten/Kopzeile:
6328 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Bundesminister Dr. Norbert Röttgen
)
)
Nächste Frage, Frau Dr. Enkelmann.
Nach dem, was Sie gerade erklärt haben, bin ich fast
versucht, zu fragen: Wozu brauchen wir dann die Verlän-
gerung der Laufzeiten?
Ich würde gerne eine Frage zur Braunkohleverstro-
mung stellen. Die Zweifel hinsichtlich der Zukunft der
Braunkohleverstromung wachsen auch in meinem Bun-
desland, in Brandenburg. Vor wenigen Tagen hat die In-
dustrie- und Handelskammer Brandenburg erklärt, dass
wir uns auf eine Zukunft der Lausitz ohne Kohlestrom
einstellen sollten. Das bedeutet natürlich – ich knüpfe
hier an die Frage des Kollegen Fell an – einen großen
Strukturwandel in der Region. Was will die Bundesre-
gierung tun, um einen solchen Strukturwandel künftig
nachhaltig zu unterstützen?
Kollege Brüderle.
Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie:
Wir verfolgen aus genau diesen Gründen ein anderes
Konzept. Wir sagen: Wir brauchen die Kohle, genauso
wie die Kernkraft, noch für eine längere Zeit, und zwar
als Brückentechnologie. Es gibt dazu keine Alternative.
Weil wir die Kohle noch für geraume Zeit nutzen müs-
sen, betreiben wir die CCS-Technologie. Wir wollen
vom Deponieren von CO2 in der Luft wegkommen und
dies stattdessen in komprimierter Form in der Erde la-
gern.
Ich darf darauf hinweisen, dass allein durch das Abfa-
ckeln der großen Kohleflöze in China mehr CO2 emit-
tiert wird als durch den Straßenverkehr in ganz Nord-
amerika. Insofern sind wir mit diesem ausgewogenen
Konzept unter Einbeziehung der Kohle, auch der Braun-
kohle, auf dem richtigen Weg.
Kollege Becker.
Vielen Dank. – Ich habe eine Frage an Herrn Bundes-
minister Röttgen. Sie haben eben gesagt, Ihnen seien
w
g
s
l
F
K
t
H
l
w
w
n
d
r
W
N
k
h
w
t
a
h
e
a
M
d
g
l
s
g
s
r
e
h
a
z
v
e
t
n
ürden Sie das bitte aufklären?
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
aturschutz und Reaktorsicherheit:
Das ist sehr leicht aufklärbar. Es hat im Kanzleramt
eine Verhandlungen gegeben, sondern im Kanzleramt
aben wir über das Energiekonzept gesprochen, es ent-
ickelt und verabredet. An diesen Verhandlungen, poli-
ischen Gesprächen war ich, wie ich auch im Umwelt-
usschuss gesagt habe, selbstverständlich beteiligt. Dort
aben wir die Schlussfassung des Energiekonzepts ver-
inbart bzw. die Schlussredaktion durchgeführt. Dort hat
lso die Befassung des Kabinetts bzw. der zuständigen
inister stattgefunden. Dabei ging es, wie gesagt, um
as Energiekonzept.
Darüber hinaus hat es Verhandlungen mit den Ener-
ieversorgungsunternehmen gegeben. Diese Verhand-
ungen – das hat heute auch der Kanzleramtschef so ge-
agt – habe ich nicht geführt. Das BMU hat sie nicht
eführt, übrigens auch nicht das Wirtschaftsministerium,
ondern zuständigkeitshalber das Bundesfinanzministe-
ium. Insofern habe ich keine Verhandlungen mit der En-
rgieversorgungswirtschaft geführt.
Es war in der Tat so – auch das habe ich gesagt; ich
abe damals sogar den Plural verwendet –, dass ein Be-
mter eine Fachfrage beantwortet hat, für die er hinzuge-
ogen worden war. Er hat die Gespräche dann wieder
erlassen und war nicht bis zum Abschluss dabei. Er hat
ine Fachfrage zur Strommengenberechnung beantwor-
et. Er hat aber keine Verhandlungen geführt, sondern
ur eine Frage beantwortet.
Kollege Breil.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6329
)
)
Ich habe eine Frage an Herrn Bundesminister
Brüderle zur Kernenergie. Wie hängen Laufzeitverlän-
gerung und Entwicklung der Strompreise zusammen?
Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie:
Es ist klar: Wenn man die Kapazitäten länger nutzen
und damit am Markt eine größere Menge zur Verfügung
stellen kann, so wirkt es preisdämpfend bis preissen-
kend.
Für die erneuerbaren Energien gibt es nach wie vor den
Einspeisevorrang, die Festpreisvergütung, sodass sie
nicht verdrängt werden. Wenn Strommengen aus ande-
ren Quellen das Angebot vergrößern, hat das dagegen
eine preisdämpfende bzw. preissenkende Wirkung.
Für mich ist der beste Mieterschutz immer ein Überan-
gebot an Wohnungen. Der beste Arbeitnehmerschutz ist,
wenn die Arbeitskräfte knapp sind und sich alle um sie
bemühen müssen. So ist es in der Analogie auch hier.
Kollege Kelber.
Herr Minister Brüderle hat sich als bisher einziges
Mitglied der Bundesregierung dahin gehend festgelegt,
dass es keine weiteren Nebenabsprachen, Verabredun-
gen oder Vereinbarungen mit den Atomkonzernen gibt.
Deswegen erweitere ich meine Frage an Herrn Minister
Röttgen. Nachdem die Umweltorganisation Greenpeace
vor drei Wochen die Verabredung mit den Atomkonzer-
nen aufgedeckt hat – sie ist seit gestern auf der Website
der Bundesregierung zu lesen –
und gestern Nacht nach dem Vorbericht des Magazins
Spiegel über ein Papier über verringerte Sicherheitsan-
forderungen an die Atomkraftwerke auch dieses Papier
online gestellt wurde, frage ich: Gibt es weitere Papiere
aus Ihrem Fachbereich zum Bereich der Atomtechnolo-
gie, die auf Veröffentlichung warten, nachdem Medien,
Opposition oder Zivilgesellschaft sie entdeckt haben?
N
n
d
D
l
a
d
c
m
–
m
l
t
G
b
S
m
t
M
A
n
d
D
W
h
r
b
w
l
a
d
h
n
I
h
d
T
A
w
Z
an kann politisch unterschiedlicher Auffassung sein.
ber ich gebe zu bedenken, ob Sie diese Angstkampag-
en nicht einstellen sollten.
Frau Kollegin Nestle.
Danke schön. – Meine Frage richtet sich ebenfalls anie beiden Minister, Herrn Röttgen und Herrn Brüderle.ie Klimaschutzziele im Energiekonzept basieren imesentlichen darauf, dass auch im Gebäudebereich sehrohe Einsparungen erzielt werden. Sie wollen die Sanie-ungsrate verdoppeln. Die Frage richtet sich an Sieeide: Wie, denken Sie, kann dieses Ziel noch erreichterden, nachdem Minister Ramsauer die ordnungsrecht-ichen Maßnahmen im Gebäudebestand abgelehnt hat,ber die Fördergelder, die bisher vorgesehen sind, nurie Hälfte dessen betragen, was wir im letzten Jahr ge-abt haben? Wie soll da noch die Verdoppelung der Sa-ierungsrate möglich sein? Akzeptieren Sie die Positionhres Kollegen Ramsauer, der nur über Fördermittel ge-en will und nicht auch im Ordnungsrecht betreffenden Gebäudebestand etwas machen will?Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft undechnologie:Ich habe die gleiche Frage schon heute Vormittag imusschuss beantworten können. Ich wiederhole die Ant-ort gerne. Wir haben in der Tat davon abgesehen,wangssanierungen durchzusetzen. Nehmen Sie einmal
Metadaten/Kopzeile:
6330 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Bundesminister Rainer Brüderle
)
)
den Fall eines älteren Ehepaars! Sie sind Rentner mit ei-nem kleinen Einkommen und haben ein Haus. Denenwürden Sie eine aufwendige Sanierung aufzwingen – siemüssten sich hoch verschulden –, die sie gar nicht durch-führen könnten.Deshalb ist eine anreizorientierte Konzeption vorge-sehen: Man gibt eine Hilfestellung, damit es zur Sanie-rung kommt.
In vielen Fällen ist das ja auch rechnerisch überzeugend,weil man Energie einspart, wenn man entsprechendeMaßnahmen durchführt. Deshalb setzen wir darauf, dassdie Anreize bei dem herrschenden Energiepreisgefügewirken.Es gibt entsprechende Programme, die beim KollegenRamsauer ressortieren,
und es gibt entsprechende KfW-Programme. Sie helfen,dies genau so umzusetzen, wie wir es uns vorgenommenhaben. Zwangssanierungen, durch die die Menschen inihrer Existenz gefährdet werden, können von einer Re-gierung, die anderen Zielen verpflichtet ist, nicht erwar-tet werden.
Zur Ergänzung, Herr Röttgen.
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Ich möchte das noch einmal bestätigen: Wenn man
dort etwas erreichen will, dann wird man es nur mit den
Bürgern und nicht durch Überwachung und Bevormun-
dung der Bürger erreichen, und darum, glaube ich, ist
das genau das Richtige.
Ich will noch eine ergänzende Anmerkung machen:
Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm war ein bis 2011
befristetes Programm. Durch die Entscheidung dieser
Koalition wird es eine Verstetigung genau dieses Pro-
gramms über 2011 hinaus geben,
mit Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von insge-
samt 500 Millionen Euro für diesen Zeitraum.
Einer der großen Vorteile – darüber ist heute noch gar
nicht gesprochen worden – ist, dass zur Erreichung der
Ziele, die wir definiert haben, die entsprechenden Instru-
mente und Maßnahmen durch ein gesetzlich geregeltes
und mit Förderzielen verknüpftes Sondervermögen, wo-
d
d
g
E
s
n
z
h
l
M
w
G
A
l
t
H
4
f
k
w
m
F
A
g
m
T
g
k
e
u
d
n
m
a
D
c
Herr Präsident, ich habe eine Frage an die beideninister. – In der Sondersitzung in der letzten Sitzungs-oche sagte der Sachverständige des EWI, dass dierenzkosten für die Herstellung einer Megawattstundetomstrom bei 11,4 Euro liegen. In einer Pressemittei-ung des Deutschen Atomforums vom selben Tag erklär-en die Atomenergieerzeuger, dass die Kosten für dieerstellung einer Megawattstunde Atomstrom bei7 Euro liegen würden. Ich wundere mich über die Dif-erenz zwischen diesen beiden Zahlen.Zur nächsten Frage. Das Deutsche Atomforum er-lärte weiter, bei einem Verkaufspreis von 50 Euroürde sich das bei weiteren Steuern wie der Brennele-entesteuer nicht mehr rechnen. Deshalb lautet meinerage an die Bundesregierung: Wieso zwingen Sie dietomenergieerzeuger dazu, die Laufzeiten zu verlän-ern, obwohl sich das doch nach deren eigener Presse-itteilung nicht rechnet?
Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft undechnologie:Wir haben deshalb ja unabhängige Sachverständigeewählt, die ihre eigenen Prämissen gesetzt haben, undeine Prämissen vorgegeben. In einer Marktwirtschaftntwickeln sich die Preise nach Angebot und Nachfragend nicht nur gemäß den Kostenstrukturen.
Die Konsequenz ist ja auch – Sie sehen das, wenn Sieie Börse beobachten –: Die Börsenkurse der EVUs sindicht nach oben gegangen. RWE muss drastische Spar-aßnahmen zusätzlich ergreifen, um sich entsprechendnzupassen.
as heißt doch nicht, dass sie damit Riesengewinne ma-hen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6331
Bundesminister Rainer Brüderle
)
)
– Wenn Sie die Antwort nicht hören wollen, dann kannich auch aufhören.Wir sagen, dass wir etwa die Hälfte der Windfall Pro-fits durch Steuern abschöpfen werden. Das halte ich imGrundsatz für eine faire Basis. Die zusätzlichen Einnah-men verwenden wir zur Erreichung unserer Ziele. Unter-nehmen müssen in einer Marktwirtschaft aber auch Ge-winne machen, damit sie die Arbeitsplätze erhaltenkönnen und nicht unsozial Arbeitsplätze gefährden.
Kollege Ostendorff.
Herr Präsident! Ich habe nicht den Eindruck, dass
diese Regierungsbefragung wirklich der Wahrheit dien-
lich ist. Wir haben von den beiden Ministern nichts ge-
hört, wodurch die Vorgänge um diesen geheimen Atom-
deal weiter aufgeklärt werden.
Weil Kollege Brüderle die Antwort auf die Frage, die
eben schon einmal gestellt worden ist, abgelesen hat,
stelle ich diese Frage noch einmal an den Kollegen
Röttgen, und ich bitte, kein instrumentelles Verhältnis
zur Wahrheit zu zeigen. Ich habe eine ganz einfache
Frage: Sind Ihnen weitere Absprachen zwischen der
Bundesregierung und den Atomenergieunternehmen be-
kannt?
Es reicht mir nicht, dass Sie sagen, es sei allein der
Atomfördervertrag wichtig. Ich möchte das von Ihnen
wissen. Wenn weitere geheime Absprachen herauskom-
men, werden wir Sie darauf festnageln.
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Ich kann die Frage erneut mit Nein beantworten, Herr
Kollege.
Frau Kollegin Bulling-Schröter.
Ich habe eine Frage zu den Strompreisen. Ich habe
von Minister Brüderle gehört, Strompreise sollten be-
zahlbar bleiben. Vonseiten der Koalition heißt es: Viel-
l
E
d
e
L
D
s
v
4
d
d
e
n
n
w
f
e
k
T
b
I
w
g
d
k
g
z
u
r
a
w
H
n
I
F
G
n
d
z
e
amals hieß es, die Preise würden sinken. Inzwischen
tellen wir fest, dass die Energiepreise für Otto Normal-
erbraucher – natürlich nicht für die Großkonzerne – um
0 Prozent erhöht wurden. Wie kommen Sie also darauf,
ass die Preise gesenkt werden könnten?
Sie haben die Zusatzgewinne angezweifelt. Was ist
enn mit den kostenlosen Zertifikaten, die nach wie vor
ingepreist werden und die natürlich den Energiekonzer-
en zugutekommen? Das sind Sonderprofite. Sie waren
icht bereit, diese abzuschöpfen. Auch beim Atomstrom
erden diese Sonderprofite neben sonstigen Sonderpro-
iten erzielt und nach wie vor nicht abgeschöpft. Noch
inmal: Wie kommen Sie darauf, dass die Preise sinken
önnten?
Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und
echnologie:
In der Marktwirtschaft richten sich Preise nach Ange-
ot und Nachfrage.
ch kann nicht vorhersehen, wie sich die Wirtschaft ent-
ickelt, ob der Strom zukünftig oft oder weniger oft ein-
eschaltet wird. Das unterliegt individuellen Entschei-
ungen, die wir nicht vorhersehen können. Aber eines
ann man sagen, und zwar aufgrund logischer Überle-
ungen: Wenn die Angebotsmenge höher ist, weil Kapa-
itäten länger genutzt werden,
nbeschadet des Einspeisevorrangs und der Festpreisga-
antie für erneuerbare Energien, spricht nach der Logik
lles dafür, dass das preisdämpfend bis preissenkend
irkt. Mehr kann Ihnen jemand, der nicht Prophet oder
ellseher ist, in einer marktwirtschaftlichen Ordnung
icht sagen.
Ich möchte gern einen Verfahrensvorschlag machen. –ch habe noch Wortmeldungen der Kollegen Pfeiffer,rau Kotting-Uhl, Hempelmann, Frau Menzner, Frauolze und Frau Dittrich. Alle diese würde ich gerneoch aufrufen. Ich bitte darum, dass wir einvernehmlichie in der Geschäftsordnung vorgesehene Befragungs-eit verlängern und die verfügbare Zeit der Fragestundentsprechend verkürzen, um den angemeldeten Frage-
Metadaten/Kopzeile:
6332 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Präsident Dr. Norbert Lammert
)
)
stellern Gelegenheit zu ihren Fragen zu geben. Ichwürde gleichzeitig gerne mit Ihrer Zustimmung dieseFrageliste schließen. Können wir so verfahren? – Das istder Fall. Dann bedanke ich mich.Nächste Wortmeldung, Kollege Pfeiffer.
Vielen Dank. – Da hier mehrfach unterstellt wurde,
dass diese vertraglichen Verhandlungen geheim, außer-
gewöhnlich, unrecht oder gar undemokratisch wären
– es wurde schon gesagt, dass sie transparent und nach-
vollziehbar waren –, frage ich die Bundesregierung: War
es nicht vielmehr so, dass auch die rot-grüne Bundesre-
gierung in der gleichen Art und Weise Verhandlungen
mit den Energieversorgungsunternehmen mit dem Ziel
geführt hat, die Laufzeiten willkürlich zu verkürzen, und
sie damit volkswirtschaftliche Werte vernichtet hat? Ist
es nicht jetzt so, dass diese Bundesregierung Verhand-
lungen mit dem Ziel führt, den volkswirtschaftlichen
Nutzen, den die Kernenergie hat, zu heben und die
Schritte hin zu den erneuerbaren Energien zu beschleu-
nigen – Stichwort: Brücke –, und dass sie über
30 Milliarden Euro zusätzlich in den Umbau der Ener-
gieversorgung investiert, die sonst nicht zur Verfügung
stehen würden?
Das kann am Freitag in aller Ruhe, vermutlich strei-
tig, weiterverfolgt werden.
Bitte.
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Herr Kollege, es ist richtig. Ich halte hier die Verein-
barung zwischen der Bundesregierung und den Energie-
versorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000 in Händen.
– Ich werde diese Vereinbarung immer wieder vortra-
gen; das kann ich hier ankündigen.
In jeder Debatte werde ich vortragen, was der damalige
Bundesminister Trittin ausgehandelt hat.
Ich habe eben schon die Verabredung zur Sicherheit
zitiert. Ich weise darauf hin, dass wir das anders gemacht
haben; wir haben nicht Sicherheit verhandelt. Darum hat
der für Reaktorsicherheit zuständige Minister dieser Re-
gierung mit den Energieversorgungsunternehmen keinen
Vertrag geschlossen, keine Verhandlung geführt. Der
Minister für Umwelt und Reaktorsicherheit Trittin hat
den Adressaten seiner Amtstätigkeit Zusagen dazu ge-
m
k
f
n
E
S
r
D
m
d
–
D
b
s
t
z
N
N
N
Die Beteiligten
das sind die Vertragsbeteiligten –
schließen diese Vereinbarung auf der Grundlage,
dass das zu novellierende Atomgesetz einschließ-
lich der Begründung die Inhalte dieser Vereinba-
rung umsetzt.
as Parlament ist sozusagen der Umsetzungsgesetzge-
er für die Vereinbarungen, die die Regierung abge-
chlossen hat. – So viel zum Parlaments- und Demokra-
ieverständnis der Herren, die heute kritisieren,
um Beispiel der Fraktionsvorsitzende Trittin.
Es geht aber noch weiter.
Ja, aber ich kann jetzt – –
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
aturschutz und Reaktorsicherheit:
Einen Satz darf ich vielleicht noch sagen.
Aber nur den einen.
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
aturschutz und Reaktorsicherheit:
Den einen Satz.
Gut.Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,aturschutz und Reaktorsicherheit:Er ist auch nicht kommentierungsbedürftig.Über die Umsetzung in der AtG-Novelle wird aufder Grundlage des Regierungsentwurfs vor der Ka-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6333
Bundesminister Dr. Norbert Röttgen
)
)
binettsbefassung zwischen den Verhandlungspart-nern beraten.Bevor das Kabinett entscheiden darf, wird mit den Ver-handlungspartnern beraten. – Das ist das Amtsverständ-nis der damaligen Regierung gewesen. Das unterschei-det sich grundsätzlich von unserem Amts- undStaatsverständnis.
Der Kollege Hempelmann ist der nächste Fragesteller.
Meine Frage richtet sich an den Wirtschaftsminister
Brüderle. Herr Brüderle, Sie sind als Wirtschaftsminister
sozusagen auch oberster Wettbewerbshüter innerhalb
des Kabinetts. Die obersten Wettbewerbshüter dieser
Republik, der Präsident des Bundeskartellamts und der
Präsident der Monopolkommission, haben sich äußerst
kritisch zur Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraft-
werke geäußert, insbesondere was die Folgen für den
Wettbewerb im Erzeugungsbereich angeht. Vor allem
der Präsident des Bundeskartellamts hat gefordert, dass
es kompensatorische Maßnahmen gibt. Konkret wurde
die Veräußerung von Kapazitäten in anderen Kraftwer-
ken an Wettbewerber oder die Schließung der ältesten,
ineffizientesten Anlagen vorgeschlagen, was ja auch ei-
nen ökologischen Effekt hätte. Davon findet sich – übri-
gens zum Bedauern des Bundeskartellamtspräsidenten
Mundt – in Ihrem Konzept nichts. Deswegen die Frage:
Ist etwas geplant, was in diesem Konzept nicht steht, um
die negativen wettbewerblichen Auswirkungen, die vom
Bundeskartellamt, von der Monopolkommission und
auch von den Wettbewerbern aufgezeigt werden, zu
kompensieren?
Rainer Brüderle, Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie:
Herr Kollege Hempelmann, Sie haben mir die gleiche
Frage heute Morgen im Wirtschaftsausschuss gestellt.
Ich kann Ihnen nur die gleiche Antwort wie heute Mor-
gen geben. Sie müssen verschiedene Marktstrukturen
sehen: die Erzeugerstrukturen und daneben den
Strommarkt. Eine Wettbewerbssituation, die dadurch ge-
kennzeichnet ist, dass mehr Kapazitäten länger im
Strommarkt vorhanden sind, stärkt die Position der Ab-
nehmer, also der Verbraucher, weil ein höheres Angebot
vorhanden ist.
Wir haben uns nach einer Abwägung – es gab Anhörun-
gen und Erörterungen – für den Weg entschieden, der im
v
d
N
n
z
A
n
S
s
t
n
D
g
i
d
t
e
s
d
d
s
s
W
s
n
u
l
N
T
e
h
ic
e
Frau Kollegin Kotting-Uhl.
Herr Röttgen, ich möchte Sie jetzt fragen, welcheseue Sicherheitsniveau Sie über die bestehende Geset-eslage hinaus eigentlich anstreben. Bisher gilt § 7bs. 2 Nr. 3 des Atomgesetzes. Die Genehmigung darfur erteilt werden, wenn – ich zitiere – „die nach demtand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vor-orge gegen Schäden durch die Errichtung und den Be-rieb der Anlage getroffen ist“.Nun treten Sie mit dem Anspruch an, mit einemeuen § 7 d diese Vorsorgeverpflichtung zu erweitern.as ginge naturgemäß nur, wenn die derzeitige Vorsor-eregelung des Atomgesetzes eine Lücke aufwiese. Dasst aber zumindest nach Aussagen von Gerichten nichter Fall. Spätestens mit dem Urteil des Bundesverwal-ungsgerichtes vom 10. April 2008 ist klargestellt, dasss bei der erforderlichen Vorsorge entgegen der Auffas-ung einiger Länder keine Lücke gibt. Ich zitiere die bei-en entscheidenden Sätze:Der weite Begriff der nach dem Stand von Wissen-schaft und Technik erforderlichen Schadensvor-sorge ist die Konsequenz des Grundsatzes der best-möglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge.Mit diesem Grundsatz wird die erforderliche Scha-densvorsorge von dem Restrisiko abgegrenzt, dasals unentrinnbar hinzunehmen ist …Ich frage Sie jetzt – Sie haben sich ja offensichtlicher damaligen Auffassung einiger Länder angeschlos-en, dass da Lücken seien –, wie Sie über diesen umfas-enden Vorsorgepflichtsbegriff, der nach dem Stand vonissenschaft und Technik definiert war – damit istchon immer, um das gleich vorwegzunehmen, eine Dy-amisierung verbunden; der „Stand von Wissenschaftnd Technik“ ist nichts Statisches –, hinausgehen wol-en.Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,aturschutz und Reaktorsicherheit:Frau Kollegin Kotting-Uhl, Sie haben Ihre Frage zumeil selbst beantwortet, als Sie gesagt haben, es gebe hierine andere Auffassung einiger Länder. Das sind immer-in die Länder, die die Aufsicht machen. Darum, findeh, ist zumindest – es ist meines Erachtens mehr als das –ine rechtliche Klarstellung der Meinung, die man hat,
Metadaten/Kopzeile:
6334 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Bundesminister Dr. Norbert Röttgen
)
)
dann auch gegenüber denen, die das Gesetz vollziehen,sinnvoll; so besteht über diese Frage kein Streit mehr.Sie selber sagen: Es ist eine Streitfrage.
Die, die das Gesetz anwenden, sehen es zum Teil anders.
Also wird das jetzt zumindest geklärt.Es wird aber mehr als geklärt. Hier wird ein zusätzli-cher Maßstab eingeführt. Es geht dabei nicht um dieFrage des Standes von Wissenschaft und Technik, son-dern um den Erforderlichkeitsmaßstab. Der Maßstab,den wir jetzt einführen, ist strenger als der, der bislangim Gesetz verankert war.
Nun mögen Sie ja sagen, sie fänden es nicht so wich-tig, dass wir wirklich das Äußerste an Präzision und Si-cherheitsanforderungen festlegen.
Wir legen jedoch den höchsten Wert darauf, dass Sicher-heitsfragen auf dem maximalen Niveau und mit rechtli-cher Durchsetzbarkeit gesetzlich geklärt werden. Darumverankern wir das bisherige Sicherheitsniveau steigerndezusätzliche Regelungen.
Frau Kollegin Dittrich.
Sehr geehrter Herr Umweltminister Röttgen, Ihr
Staatssekretär erklärte vorhin ganz freundlich, dass die
Bundesregierung sehr gerne die Ziele in dieser Demo-
kratie mit den Bürgern erreichen möchte. Daher meine
Frage: Interessiert es die Bundesregierung und vor allem
den Umweltminister, dass am 18. September über
100 000 Bürger in Berlin gegen Atomkraft und gegen
das Energiekonzept der Bundesregierung demonstriert
haben? Wie nimmt die Bundesregierung zum Beispiel
die Darlegungen der Ihnen bekannten Bürgerinitiative
Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, die sich auch an
dieser Demonstration beteiligt hat, auf, dass es auf der
ganzen Welt keinen sicheren Ort für die Lagerung von
Atommüll gibt und dieser auch auf 100 000 Jahre nicht
gesichert werden kann? Deutlicher noch: Welche
Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Zunächst haben Sie darauf hingewiesen, dass es eine
Demonstration gegen diese Pläne gegeben hat. Ich
glaube zwar, dass die Zahl 100 000, die Sie genannt ha-
b
m
i
d
m
k
d
s
b
e
S
m
s
z
K
m
e
D
i
d
z
l
m
m
c
M
n
d
f
k
n
u
P
s
R
r
e
D
N
d
P
d
nd dass dadurch Atommüll entsteht. Wir stehen in der
flicht, für eine sichere Entsorgung dieses Atommülls zu
orgen. Auch das gehört zum Energieprogramm dieser
egierung.
Die letzte Frage zum Energiekonzept der Bundes-
egierung stellt Frau Kollegin Menzner.
Danke, Herr Präsident. – Ich habe an beide Ministerine Frage, die sich an das vorhin Gesagte anschließt.ieses Thema ist von großem öffentlichem Interesse.ach mehrmaligem Nachfragen ist uns mitgeteilt wor-en, dass es außer diesem Förderfondsvertrag plus demapier zur Sicherheit offensichtlich keine weiteren Abre-en, Nebenabsprachen, Verträge etc. gebe.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6335
Dorothée Menzner
)
)
Meine Frage an Sie beide: Ist es aus Ihrer Sicht einnormales und der Demokratie und dem Parlamentaris-mus würdiges Vorgehen, wenn die Öffentlichkeit und dieParlamentarier in Ausschusssitzungen trotz mehrmaligerNachfragen gegenüber drei Staatssekretären keine Ant-wort bekommen, wenn solche Papiere erst durch Medienbekannt werden, wenn solche Papiere nur nach der Sala-mitaktik veröffentlicht werden? Meinen Sie, dass das einadäquates und dem Parlamentarismus würdiges Vorge-hen ist? Müssen wir davon ausgehen, dass zukünftigauch in anderen Bereichen so mit uns umgegangen wird?
Herr Minister Röttgen, bitte.
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Die Linkspartei bzw. die Linksfraktion steht aufgrund
ihrer parteipolitischen Vergangenheit natürlich in einer
ganz besonderen Tradition von Transparenz und Öffent-
lichkeit. Insofern haben Sie das Recht, diese Frage hier
im Parlament zu stellen.
– Wegen der Vergangenheit arbeiten Sie Ihre Vergangen-
heit auch in sehr transparenter Weise auf.
Um das klar zu beantworten: Hier herrscht völlige
Transparenz. Was hier betrieben wird, ist meines Erach-
tens eine Mischung von Falschbehauptungen und Stim-
mungsmache bis hin zur Angstmache.
Dass es eine Gewinnabschöpfung gibt, ist geradezu
programmatisch verkündet worden. Dies als ein Ge-
heimnis darzustellen, das war ein Wahlkampfthema. Das
stand tagelang in den Zeitungen, und zwar auch im Zu-
sammenhang mit der Verabschiedung des Energiekon-
zepts. Würden Sie regelmäßig Zeitung lesen, dann wären
Sie vollständig informiert gewesen. Wir werden uns aber
speziell um Ihre Information noch weiter sehr bemühen.
Vereinbarungsgemäß ist die Regierungsbefragung
nun beendet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksache 17/3007 –
Zunächst kommen wir zum Geschäftsbereich des
Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder zur
Verfügung. Es geht zunächst um ein Rechtsgutachten zur
Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Jerzy Montag
auf. – Ich höre gerade, dass schriftliche Beantwortung
beantragt worden ist.
D
H
H
F
t
t
V
H
m
–
w
l
d
s
s
d
w
t
a
r
s
b
r
d
A
u
ö
D
p
t
R
f
f
d
g
G
f
Z
d
B
p
T
g
n
ies gilt auch für die Frage 2 der Abgeordneten Ingrid
önlinger, die Fragen 3 und 4 der Abgeordneten Bärbel
öhn und die Frage 5 des Abgeordneten Hans-Josef
ell. Ebenso werden die Fragen 6 und 7 der Abgeordne-
en Dr. Eva Högl zur gesetzlichen Regelung von Geoda-
endiensten sowie die Fragen 8 und 9 der Abgeordneten
iola von Cramon-Taubadel schriftlich beantwortet.
Ich rufe somit die Frage 10 des Abgeordneten Andrej
unko auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung diskri-
minierender und feindseliger Einstellungen gegenüber Roma
und Sinti in der Europäischen Union, und was hat die Bundes-
regierung unternommen, um dem Antiziganismus in Deutsch-
land zu begegnen?
Wer von der Bundesregierung antwortet?
D
Ich kann gerne antworten.
Mir wurde gesagt, dass Ihre Frage schriftlich beant-ortet wird. Ich fange einmal mit der Frage 10 des Kol-egen Hunko an.Die Bundesregierung teilt die vom Deutschen Bun-estag mit Beschluss vom 17. Januar 2008 in der Aus-chussfassung vom 16. Januar 2008 vorgenommene Ein-chätzung der Lage der Roma und Sinti in Europa undie dort gegebenen Empfehlungen. In diesem Beschlussird unter anderem dargelegt, dass Roma in vielen Staa-en Europas Diskriminierungen und Benachteiligungenusgesetzt seien, wozu auch eine undifferenzierte Be-ichterstattung in den Medien beitragen könne. Sie seientark von sozialen Problemen, Bildungsdefiziten und Ar-eitslosigkeit betroffen, nicht mit angemessenem Wohn-aum versorgt und hätten bei hoher Säuglings- und Kin-ersterblichkeit teilweise eine geringe Lebenserwartung.uch die schulische Versorgung sei in manchen Staatennzureichend. Eine von der EU-Grundrechteagentur ver-ffentlichte Umfrage zu europäischen Minderheiten undiskriminierungen von 2009 teilt diese Einschätzung.Die Bundesregierung unterstützt alle von der Euro-äischen Union, vom Europarat und von der OSZE ini-iierten Maßnahmen zur Verbesserung der Lage deroma und Sinti in Europa. Die Bundesregierung ver-olgt bei der Bekämpfung von Rassismus und Fremden-eindlichkeit einen ganzheitlichen Ansatz. Dieser zieltarauf, alle gesellschaftlichen Ebenen zu erreichen, undeht davon aus, dass eine wirkungsvolle Prävention vonewalt und Diskriminierung insbesondere durch dierühe Förderung und die Stärkung des gesellschaftlichenusammenhalts erreicht werden kann. Entsprechend för-ert die Bundesregierung Maßnahmen zur politischenildung, beispielsweise über die Bundeszentrale fürolitische Bildung. Diese beschäftigt sich mit demhema Vorurteile und Diskriminierung, um diesen ent-egenzuwirken. Spezifische Inhalte zum Thema Antiziga-ismus bzw. zur Bekämpfung von Vorurteilen gegenüber
Metadaten/Kopzeile:
6336 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Parl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder
)
)
Sinti und Roma finden sich im Rahmen verschiedenerPublikationen.
Nachfrage, bitte?
Vielen Dank. – Nun ist das Roma-Thema in den letz-
ten Wochen aufgrund der Massenabschiebungen aus
Frankreich innerhalb der Europäischen Union sehr durch
die Medien gegangen. Es ist die Aufgabe der EU-Kom-
mission als Hüterin der Verträge, hier auf die Einhaltung
der Grundrechtecharta zu pochen. Meine Frage: Wie be-
urteilen Sie die heutige Entscheidung der EU-Kommis-
sion, kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frank-
reich einzuleiten?
D
Die Bundesregierung beurteilt nicht die Entscheidun-
gen der Kommission. Die Kommission ist Hüterin der
Verträge, und somit ist dem, was die Kommission hier
entschieden hat, nichts hinzuzufügen.
Weitere Nachfrage?
In Deutschland leben über 100 000 Roma, und auch
hier sind Massenabschiebungen von Roma geplant –
nicht in einem Schwung, aber scheibchenweise. Die
letzte Abschiebung von Roma-Familien, deren Kinder in
Deutschland geboren sind, in den Kosovo hat am
2. September über den Flughafen Düsseldorf stattgefun-
den. Die EU-Kommission fordert auch die Bundesregie-
rung auf, die Abschiebung von Roma in den Kosovo zu
stoppen. Wie stehen Sie zu dieser Forderung? Können
Sie dazu etwas sagen?
D
Die Behauptung, dass es Massenabschiebungen von
Roma aus Deutschland in den Kosovo gibt, ist falsch. Es
wird in den Kosovo zurückgeführt, unabhängig von der
Ethnie; darunter sind auch Roma. Das machen wir sehr
maßvoll und in Absprache mit dem Staat Kosovo. Wir
setzen hier auf Freiwilligkeit, was durch viele Pro-
gramme unterstützt wird. Es gibt keine Massenabschie-
bung.
Es gibt noch einen Fragewunsch des Kollegen
Ströbele.
Meine Zusatzfrage: Sehen Sie einen Unterschied zwi-
schen der Abschiebung oder Rückführung – wie immer
S
A
d
P
k
d
n
g
d
p
m
t
d
u
s
s
r
m
w
s
g
p
d
w
l
s
f
d
e
z
F
n
v
R
v
s
e
g
E
i
G
m
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6337
)
westeuropäische Aufnahmestaaten, die ethnische Min-derheiten, darunter auch Roma, in die Republik Kosovozurückführen, getroffen. Zu diesen Staaten gehören un-ter anderem die Schweiz, Österreich, Frankreich und dasVereinigte Königreich.
Herr Kollege Hunko, eine Nachfrage?
Unabhängig davon, dass ich es nicht für zielführend
halte, sich in dieser gegenwärtigen Debatte auf Frank-
reich zu berufen, möchte ich nachfragen.
Sie sagten vorhin, dass es keine Massenabschiebun-
gen gibt. Das sogenannte Rückführungsabkommen mit
dem Kosovo ist seit dem 1. September in Kraft. Die
Welt, nicht unbedingt eine linke Zeitung, titelt dazu:
„Deutschland will 10 000 Roma ins Kosovo abschie-
ben.“ Frage: Wie soll das geschehen, ohne dass es eine
Massenabschiebung gibt?
D
Noch einmal: Es findet keine Massenabschiebung
statt. Aus der Zeit des Krieges dort gibt es immer noch
sehr viele Menschen, die sich in Deutschland aufhalten.
Zum Stichtag 30. Juni 2009 hielten sich circa 14 900 Aus-
reisepflichtige aus dem Kosovo in Deutschland auf. Seit
1999 kehrten circa 92 370 Personen freiwillig zurück. Es
geht also vorwiegend um eine freiwillige Rückkehr, und
es geht nicht um eine Massenabschiebung.
Ihre zweite Nachfrage, bitte.
Die Organisation Amnesty International hat heute in
einer Pressemitteilung den sofortigen Stopp von Ab-
schiebungen von Roma in das Kosovo gefordert. Zitat:
Diese Menschen landeten „dort buchstäblich auf
der Müllkippe“.
Halten Sie es für ausgeschlossen, sich dieser Forde-
rung von Amnesty International anzuschließen?
D
In diesem Zusammenhang stelle ich zunächst richtig,
dass der in der Fragestellung angeführte Kommissar für
Menschenrechte des Europarats, Thomas Hammarberg,
sich nicht generell gegen eine Abschiebung, sondern
prioritär gegen Massenabschiebung ausgesprochen hat.
Genau das machen wir auch nicht.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Ich komme auf
die Beantwortung der Fragen 1 bis 5 zurück, Herr
M
t
z
g
m
l
g
L
m
r
R
e
v
g
a
e
i
z
M
d
i
n
n
d
e
G
s
w
D
l
n
n
b
u
W
b
t
V
d
t
Metadaten/Kopzeile:
6338 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
)
D
Selbstverständlich werten wir auch die Beispiele aus
anderen europäischen Ländern aus. Wir beziehen in un-
sere Überlegungen auch ein, dass bei dem schon mögli-
chen gemeinsamen Sorgerecht nach Scheidung oder
Trennung durchaus gute Erfahrungen gemacht worden
sind. Dies hat sich sehr wohl bewährt.
Für die unterschiedlichen Modelle gibt es natürlich
eine Fülle von Gesichtspunkten, wobei man zunächst da-
rauf hinweisen muss, dass wir dann, wenn sich die bei-
den Elternteile einvernehmlich auf die gemeinsame
Sorge einigen, ohnehin keine Problemfälle haben. Es
geht also nur um die streitigen Fälle.
Dabei könnte man zugunsten des Antragsmodells ins
Feld führen, dass es damit eine klare Entscheidung der
Väter wäre, dass sie sich um die gemeinsame Sorge be-
mühen. Es ist nicht unzumutbar, dies zum Ausdruck zu
bringen, indem man im Streitfall bei Gericht hierfür ei-
nen Antrag stellt.
Auf der anderen Seite hat das Widerspruchsmodell
selbstverständlich auch Vorteile. Da entsteht zunächst
eine gemeinsame Sorge kraft Gesetzes. Man kann die
Hoffnung hegen, dass diese Phase dazu genutzt wird,
dass sich die Elternteile im Laufe der Zeit – womöglich
einvernehmlich – auf die gemeinsame Sorge einigen.
Umgekehrt muss es für die Frauen die Möglichkeit eines
Widerspruchs geben, weil die Lebenssachverhalte sehr
unterschiedlich sind und somit durchaus Konstellationen
denkbar sind, in denen es nicht dem Kindeswohl ent-
sprechen würde, wenn der Vater gemeinsam mit der
Mutter die Sorge ausüben würde. All dies muss bedacht
werden.
Am Ende ist es auch ein Kriterium, dass man vermei-
den möchte, dass zu viele Fälle zu Gericht gehen. Eine
Einigung zwischen den Beteiligten ist selbstverständlich
vorzugswürdig.
Eine weitere Nachfrage? – Bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
Sie haben in Ihrer Antwort von der „Überzeugung“ ge-
sprochen, „dass es dem Kindeswohl entspricht, wenn
Väter stärker als in der Vergangenheit in die Verantwor-
tung für das Kind einbezogen werden“. Das hat sich
vonseiten der heutigen Bundesjustizministerin, als sie im
vergangenen Jahr noch auf den Oppositionsbänken saß,
anders angehört: Sie hat damals gesagt, dass ein gemein-
sames Sorgerecht ohne die Zustimmung der Mutter ei-
gentlich untunlich sei. Darf ich Ihre erste Antwort so
verstehen, dass dies nicht mehr Auffassung des BMJ ist,
unabhängig von den gerichtlichen Entscheidungen?
D
Herr Kollege Lischka, jedenfalls gibt es höchstrich-
terliche Entscheidungen – sowohl auf europäischer
E
z
d
M
w
F
s
c
h
d
P
K
m
f
t
M
r
e
s
a
g
d
z
b
A
Z
A
d
f
d
h
D
e
f
B
Bitte schön.
D
Herr Professor Papier ist als Präsident des Bundesver-
assungsgerichts am 16. März 2010 in Ruhestand getre-
en. Er lehrt jetzt als Hochschullehrer an der Ludwig-
aximilians-Universität München. Das Bundesministe-
ium der Justiz hatte und hat keinen Anlass, in irgend-
iner Weise den Umstand zu bewerten, dass sich Profes-
or Papier Ende Mai und im September 2010 zu einer
ktuellen verfassungsrechtlichen Frage wissenschaftlich
eäußert hat.
Eine Nachfrage? – Bitte schön.
Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, ichanke Ihnen für diese klare Einschätzung. Sie führt michu meiner Nachfrage. Es ist unstreitig: Die Gesetzge-ungszuständigkeit des Bundes über die Nutzung dertomenergie resultiert aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG, dieustimmungspflicht des Bundesrates ergibt sich ausrt. 87 c des Grundgesetzes.
Nun liegen uns zwei Formulierungshilfen der Bun-esregierung zu den Gesetzentwürfen der Koalitions-raktionen in Bezug auf die Verlängerung der Laufzeitener Atomkraftwerke vor. In der ersten Formulierungs-ilfe steht nichts zu der Frage der Zustimmungspflicht.ie zweite Formulierungshilfe enthält ausschließlichine Bezugnahme auf Art. 87 d des Grundgesetzes, derür das Atomrecht ohne Bedeutung ist.Nun hat sich Herr Papier – auf Anforderungen derundesregierung hin – zu genau dieser Problematik ge-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6339
Jerzy Montag
)
)
äußert. Ich frage Sie: Warum findet sich in der neuestenFormulierungshilfe der Bundesregierung zu dieser sokomplexen und schwierigen Materie keine Auseinander-setzung mit den äußerst gewichtigen Argumenten füreine Zustimmungspflicht des Bundesrates? Herr Profes-sor Papier und viele andere haben sich mit genau dieserFrage auseinandergesetzt. Die Bundesregierung schreibtdazu in ihrer Formulierungshilfe kein einziges Wort.Warum eigentlich nicht?D
Herr Kollege Montag, die Frage der Zustimmungsbe-
dürftigkeit einer Laufzeitverlängerung war bereits vor
einigen Monaten Gegenstand vieler Fragen in der Frage-
stunde. Schon damals habe ich dazu Stellung genom-
men. Seither hat sich allerdings ein Faktum geändert. Ich
habe damals ausgeführt, dass es unter Gutachtern in der
wissenschaftlichen Lehre unterschiedliche Meinungen
gibt. Es gibt die Auffassung, jede Verlängerung bedürfe
der Zustimmung des Bundesrats, und es gibt die Auffas-
sung, dass dies nur in bestimmten Ausgestaltungen der
Fall sein sollte. Es gibt außerdem die Auffassung, eine
neue Zustimmung sei entbehrlich, weil der Bundesrat ur-
sprünglich schon einmal der Übernahme der Zuständig-
keit für die Verwaltung der Atomkraftwerke zugestimmt
hat.
Nunmehr gab es nach unserer damaligen Fragestunde
eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu
– wie Sie zu Recht sagen – Art. 87 d des Grundgesetzes,
und zwar zum Thema Luftsicherheitsgesetz. In dieser
Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht in gro-
ßer Klarheit ausgeführt, dass eine rein quantitative Aus-
weitung einer Aufgabe nicht zu einer neuerlichen Zu-
stimmungsbedürftigkeit des Bundesrats führt. Auf diese
Entscheidung nimmt die Bundesregierung jetzt Bezug,
weil wir der Überzeugung sind, dass die Grundsätze aus
dieser sehr neuen und ganz aktuellen Entscheidung eben
auch in Bezug auf Art. 87 c gelten. Das ist der Grund für
diese neue Situation. Selbstverständlich sind Argumente
insbesondere von Herrn Professor Papier, der von allen
Seiten – selbstverständlich auch von mir persönlich –
hochanerkannt ist, gewichtig. Gewichtig ist aber auch
die ganz aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungs-
gerichts.
Eine weitere Nachfrage. – Bitte.
Herr Staatssekretär Dr. Stadler, das Bundesverfas-
sungsgericht hat zwischenzeitlich Stellung genommen.
Dies hat es allerdings ausdrücklich in Bezug auf
Art. 87 d getan, während sich das Atomrecht und die Zu-
stimmungspflicht in Atomrechtsfragen nach Art. 87 c
richten. Genau zu dieser Problematik hat Herr Professor
Papier gesagt – dies wurde auch veröffentlicht –: Die
Gedankengänge und Regelungen zu Art. 87 d und inso-
weit auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts seien nach seiner Auffassung für das Atomrecht
u
g
W
h
r
g
P
e
m
i
n
r
S
s
c
a
f
e
k
B
h
g
G
l
b
g
k
P
1
n
l
d
K
d
d
A
K
b
I
s
m
W
F
d
K
s
t
t
H
l
Metadaten/Kopzeile:
6340 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
)
Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Krischer auf:
Was hat die Bundesregierung seit dem Steinkohlekompro-
miss 2007 zwischen Bund, Ländern, der RAG AG und der IG
BCE und dem dort vereinbarten Ende der Steinkohlesubven-
tionen bis 2018 in Deutschland konkret auf EU-Ebene unter-
nommen, um dies EU-rechtlich abzusichern?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
H
Herr Kollege Krischer, seit Ende des Jahres 2007 hat
die EU-Kommission offiziell Kenntnis von den deut-
schen Vereinbarungen zum Auslaufen des Steinkohle-
bergbaus. Seitdem befindet sich die Bundesregierung so-
wohl auf fachlicher als auch auf politischer Ebene zu
diesem Thema in einem ständigen Dialog mit der EU-
Kommission.
Nachfrage?
Herr Staatssekretär, Sie sagen, dass Sie sich seit drei
Jahren in Brüssel darum bemühen, das Ansinnen der
Bundesregierung bekannt zu machen. Wie kann es dann
sein, dass wir im Sommer einen Beschluss der EU-Kom-
mission zur Kenntnis nehmen mussten, der diese Rechts-
lage überhaupt nicht wiedergibt; vielmehr war von ei-
nem um vier Jahre verringerten Zeitraum die Rede?
Damit stehen wir vor der Situation, dass deutsches Recht
– wenn es wie vorgesehen umgesetzt werden würde –
den Regeln der EU deutlich wiedersprechen würde.
H
Herr Kollege Krischer, ich vermag zwischen meiner
Aussage und Ihrer Frage keinen Widerspruch zu erken-
nen. Der EU-Kommission war und ist die deutsche Posi-
tion bekannt. Uns beiden ist bekannt, dass es innerhalb
der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sehr unter-
schiedliche Auffassungen über die Frage gibt, inwieweit
Steinkohlebeihilfen europarechtlich zustimmungsfähig
sind. Im Klartext: Die EU-Kommission hat in Kenntnis
der deutschen Position diesen Vorschlag unterbreitet.
Zweite Nachfrage? – Bitte.
Wie erklären Sie es sich dann, dass der deutsche EU-
Kommissar, Herr Günther Oettinger, der als Energie-
kommissar für diese Frage fachlich zuständig ist, bei der
entscheidenden Sitzung, in der diese Frage erörtert
wurde, nicht anwesend war?
H
Es ist zutreffend, dass der deutsche EU-Kommissar
Oettinger bei dieser Sitzung nicht anwesend war. Das
h
n
s
n
a
s
G
d
d
z
K
e
P
h
d
w
d
v
z
1
d
t
R
P
n
z
d
d
J
B
t
t
R
s
h
n
f
A
b
t
w
h
d
d
t
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6341
)
land hat sich bereits früher an den genannten Projektenbeteiligt. Aus verschiedenen deutschen Forschungsreak-toren wurden bestrahlte Brennelemente in die USA ver-bracht.Aus dem konkreten, stillgelegten ForschungsreaktorRossendorf wurde bereits im Jahre 2006 unbestrahlteshochangereichertes Uran in die Russische Föderationverbracht. Bedenken, die gegen die Erteilung einer Ge-nehmigung zur Verbringung dieser Brennelemente ausdem Forschungsreaktor Rossendorf in die Russische Fö-deration im Rahmen des RRRFR-Programms sprechen,sind bei den Prüfungen des Bundesumweltministeriumsnicht zutage getreten.Vor dem Hintergrund des besonderen nichtverbreitungs-politischen Interesses an der Verbringung hat das Bun-desumweltministerium die Beförderungsgenehmigung er-teilt und beabsichtigt, auch die Genehmigung zurVerbringung nach der atomrechtlichen Abfallverbrin-gungsverordnung zu erteilen, wenn die Voraussetzungenerfüllt sind. Dazu gehört unter anderem, dass das Abkom-men zwischen der Russischen Föderation und Deutsch-land geschlossen ist.In den empfangenden kerntechnischen Einrichtungender Russischen Föderation wurden, wie die IAEO unddie USA bestätigten, erhebliche Anstrengungen zur Ver-besserung der Sicherheit und der Sicherungsmöglichkei-ten unternommen. Ebenfalls wurde mit der Sanierungder Altlasten begonnen. Die Russische Föderation be-tonte im Rahmen der bilateralen Verhandlungen, dassein Teil der Einnahmen aus dem Programm in die Sanie-rung der Standorte fließt.Herr Kollege, das war eine umfangreiche Antwort.Aber vielleicht ist es für Sie ganz interessant, das allesim Zusammenhang zu erfahren.
Nachfrage? – Bitte.
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär Otto, für die
ausführlichen Erläuterungen. Ich habe eine Nachfrage:
Trifft es zu, dass das Material in die Atomanlage Majak
in der Russischen Föderation verbracht werden soll?
Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung dann in die-
sem Zusammenhang den Umstand, dass wir es in dieser
Region noch vor wenigen Wochen mit schwersten Wald-
bränden zu tun hatten, welche in ganz Europa die Sorge
vor einer radioaktiven Kontamination der Luft, der At-
mosphäre auslösten? Wie sehen Sie vor diesem Hinter-
grund die Verbringung des hochradioaktiven Materials
aus Ahaus nach Majak?
H
Herr Kollege Krischer, zunächst bestätige ich, dass
eine Verbringung in die russische Wiederaufbereitungs-
anlage Majak im Südural geplant ist.
Ihre Befürchtung, dass nach den Waldbränden, die es
im vergangenen Sommer bedauerlicherweise in großem
U
e
g
b
s
d
I
d
d
d
g
D
is
d
w
d
w
w
n
s
d
d
l
d
M
r
S
a
l
f
t
e
g
t
m
v
d
S
n
e
w
g
d
F
B
r
j
e
s
n
e
Metadaten/Kopzeile:
6342 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
)
Erst danach sind wir zu der Auffassung gelangt, dass essicherheitstechnisch vertretbar ist.Nachdem die IAEO und die USA grünes Licht dafürgegeben haben und die Sicherheit der Anlage als ge-währleistet ansehen, sehen wir uns jetzt in der Lage, inZusammenarbeit mit dem Bundesumweltministerium,das ja auch zu einem entscheidenden Teil hier zuständigist, die entsprechenden Genehmigungen dafür zu ertei-len.Wir haben es uns also nicht leicht gemacht. Wir habeneine Untersuchung durchgeführt. Wir haben Prüfungendurchgeführt. Herr Kollege, ich respektiere Ihre Auffas-sung zur Sicherheit in Majak. Aber die Bundesregierunghat sich unabhängiger Organisationen bedient, um dieSicherheitsfrage zu beantworten, sie hat sie nicht nursubjektiv beantwortet. Deswegen sind wir auch derÜberzeugung, dass wir gerade im Hinblick auf Ihre For-derungen nach einem hohen Sicherheitsniveau alles ge-tan haben, was notwendig ist.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Die Fragen 26 des
Kollegen Duin und 27 der Kollegin Nestle werden
schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Arbeit und Soziales. Die Fragen 28
und 29 der Kollegin Silvia Schmidt, die Fragen 30 und
31 des Kollegen Dr. Seifert, die Fragen 32 und 33 des
Kollegen Dreibus sowie die Fragen 34 und 35 der Kolle-
gin Zimmermann werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf.
Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische
Staatssekretärin Julia Klöckner zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 36 des Kollegen Friedrich
Ostendorff auf:
Trifft die vom Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Gerd
Müller in der Pressekonferenz am 14. September 2010 ge-
machte Aussage, dass die Bundesregierung die Verdopplung
der deutschen Agrarexporte innerhalb von fünf Jahren zum
Ziel hat, auch auf die Exporte von Fleischprodukten zu?
Bitte schön, Frau Klöckner.
Ju
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehr-
ter Herr Kollege Ostendorff, ich darf auf Ihre Frage, die
s
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Politik der Bundesregie-
rung ist natürlich darauf ausgerichtet, nachhaltiges
Wachstum zu unterstützen. Denn davon erhoffen wir uns
zum einen einen Abbau der Arbeitslosigkeit und zum an-
deren eine Sanierung unseres Haushaltes. Der Parlamen-
tarische Staatssekretär Dr. Gerd Müller hat in einer Pres-
sekonferenz am 14. September dieses Jahres angesichts
der wachsenden weltweiten Nachfrage nach hochwerti-
gen Lebensmitteln seine Zuversicht geäußert, dass
Deutschland mit den Lebensmitteln, die wir hier produ-
z
z
h
d
i
m
a
S
s
N
s
P
W
w
A
c
j
J
c
p
d
b
r
d
W
R
z
d
d
N
r
r
w
D
d
d
h
R
l
U
Danke, Frau Staatssekretärin, für die Antwort. Es er-
taunt ja schon, mit welcher Präzision Ihr Kollege in der
ressekonferenz geantwortet hat. Denn er hat wenige
ochen zuvor auf die Kleine Anfrage der Grünen geant-
ortet, dass die Bundesregierung nicht in der Lage ist,
ngaben über die Quantität der Exportzuwächse zu ma-
hen. Woher kommt der Erkenntnisgewinn, sodass man
etzt davon ausgeht, dass man die Agrarexporte in fünf
ahren verdoppeln kann, nachdem man vor wenigen Wo-
hen noch nicht in der Lage war, zu sagen, wie der Ex-
ortzuwachs aussehen wird?
Ju
Herr Kollege Ostendorff, Mitglieder der Bundesregie-
ung sind zuversichtliche Personen; denn sie wissen,
ass die Bundesregierung hart und nachhaltig arbeitet.
enn diese Arbeit so weitergeführt wird, wir also die
ahmenbedingungen entsprechend setzen, können wir
uversichtlich sein, dass wir erheblich dazu beitragen,
ass unsere Wirtschaft boomt. Man muss Ziele haben,
amit man weiß, wohin man will.
Weitere Nachfrage?
Ja. – Man muss Ziele haben – da sind wir natürlich Ih-er Meinung –, aber nicht dieses Ziel. Frau Staatssekretä-in, das führt mich zu meiner anschließenden Frage, dieir heute auch schon im Ausschuss behandeln mussten.ie EU-Kommission hat die Bundesregierung am 7. Juliieses Jahres gerügt bzw. darauf hingewiesen, dass wirie NEC-Richtlinie – so heißt das Konstrukt – nicht ein-alten, dass die Ammoniakemissionen Deutschlands denahmen, den Deutschland eingeräumt bekommt, deut-ich überschreiten.Wir werden das gleich noch in einer Frage an dasmweltministerium behandeln. Aber ich muss auch hier
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6343
Friedrich Ostendorff
)
)
nachfragen, weil Staatssekretär Müller heute im Aus-schuss verkündet hat – das war falsch –, dass Deutsch-land die Werte nicht überschreiten wird. Die Wertewerden überschritten. Ammoniakemissionen kommenzu 90 Prozent aus der Landwirtschaft. StaatssekretärMüller hat aber ausgeblendet, dass 10 Prozent auch ausanderen Quellen stammen. Er hat nur die landwirtschaft-liche Zahl beleuchtet.Wenn man die Agrarexporte verdoppeln will, dannbeinhaltet das ja sicherlich – das unterstelle ich jetzt –eine Verdoppelung der Fleischexporte. Wenn Fleisch ei-ner der wichtigsten Ammoniakemissionsträger ist undwir heute schon die Ammoniakemissionsgrenzen reißen– nicht zum ersten Mal, sondern schon seit längerer Zeit –,dann führt mich das im Fachbereich BMELV zu derFrage: Wie wollen Sie – Sie sind ja aufgefordert gewesen,der EU-Kommission bis Ende September Handlungsrah-men mitzuteilen – die Ammoniakemissionen angesichtseiner Exportstrategie, die darauf zielt, noch mehr Fleischzu erzeugen – sprich: noch mehr Ammoniakemissionenzu erzeugen –, senken? Wie soll das gehen?Ju
Sehr geehrter und geschätzter Kollege, unsere Land-
wirtschaft hat mehr zu bieten als Fleisch, und unsere
landwirtschaftliche Produktion ist so vielfältig und welt-
weit so gefragt, dass wir die anderen Länder natürlich
daran teilhaben lassen möchten. Dazu gehört die ganze
Produktpalette. Das ist das eine.
Zum anderen unterstellen Sie erneut, obwohl ich das
eben korrigiert habe, dass die Bundesregierung planwirt-
schaftlich vorgeht und sagt: Wir werden die Agrar-
exporte in fünf Jahren verdoppeln. Es ging um die Zu-
versicht, dass wir dazu beitragen können, die Nachfrage,
die vorhanden ist, mit unserer Kapazität zu decken. Ich
persönlich maße mir nicht an, anderen Ländern den Le-
bensstandard, den wir haben, abzusprechen.
Ein weiterer Aspekt, Stichwort Produktion. Herrn
Gerd Müller ist es als Exportbeauftragtem unseres Hau-
ses auch gelungen, für Produkte, die bei uns nicht ver-
zehrt werden, in anderen Ländern Märkte zu schaffen.
Es gibt nämlich unterschiedliche Verzehrgewohnheiten.
Zum Beispiel werden manche Bestandteile eines
Schweins, die hierzulande – vielleicht kulturell bedingt –
nicht gegessen werden, in Asien sehr stark nachgefragt.
Insofern wird es nicht zu der von Ihnen unterstellten Ver-
dopplung der Ammoniakemissionen kommen.
Ich bedanke mich für die Beantwortung, Frau Staats-
sekretärin.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Verteidigung.
Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentari-
sche Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 37 des Kollegen Hans-Christian
Ströbele auf:
d
f
C
t
A
r
a
s
m
N
r
m
V
s
H
b
d
m
v
s
d
z
c
f
W
G
G
l
Unsere Soldatinnen und Soldaten erfüllen ihren
chwierigen Auftrag mit großer Entschlossenheit und
it persönlicher Tapferkeit. Sie stellen sich dabei mit
achdruck dem Terror und allen anderen Einschüchte-
ungsversuchen in den Weg, und sie helfen gemeinsam
it den afghanischen Partnern und den internationalen
erbündeten, die afghanische Bevölkerung zu schützen.
Im Hinblick auf einen weiteren Punkt, den Sie ange-
prochen haben, möchte ich darauf hinweisen, dass die
altung der Bundesregierung zur Traditionswürdigkeit
zw. – in Bezug auf die Tradition der Bundeswehr – Tra-
itionsunwürdigkeit der Wehrmacht eindeutig ist. Die
ilitärischen Leistungen der Wehrmacht können nicht
on der politischen Zielsetzung des nationalsozialisti-
chen Regimes getrennt werden, auch dann nicht, wenn
iese Leistungen von ehemaligen Kriegsgegnern fallbe-
ogen als beispielhaft hervorgehoben werden. Auf sol-
he Leistungen können sich, ungeachtet ihrer militär-
achlichen Bewertung, keine Traditionslinien zwischen
ehrmacht und Bundeswehr gründen.
Eine Nachfrage, Herr Kollege Ströbele?
Ja.
Bitte.
Danke erst einmal, Herr Staatssekretär. Sie haben al-erdings nur den ersten Teil meiner Frage beantwortet.
Metadaten/Kopzeile:
6344 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Hans-Christian Ströbele
)
)
Zu diesem ersten Teil will ich die erste Nachfrage stel-len.Ihre Distanzierung von diesem Teil der Aussage, dieGeneral Petraeus in dem Interview getroffen hat, reichtmir nicht ganz. Er sprach von den deutschen Schlacht-feldhelden aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Dannfuhr er fort: Ich glaube, dass die guten Teile dieser Tradi-tion bewahrt werden. – Das sagte er in Bezug auf dieAufstandsbekämpfung der Bundeswehrsoldaten in Af-ghanistan.Wäre es nicht angemessen, dass die Bundesregierungnicht nur die Erklärung abgibt, dass sie ihre Auffassungbekräftigt, wie Sie es gerade formuliert haben, sondernsich in diesem Zusammenhang auch vom Lob der deut-schen „Helden“ im Ersten und Zweiten Weltkrieg undvon dieser Tradition klar distanziert und deutlich macht:„Das hat mit dem, was in Afghanistan getan wird, nichtszu tun; jedenfalls sollte es damit nichts zu tun haben“?C
Herr Kollege, ich denke, ich habe dazu das Notwen-
dige gesagt. Die Bundesregierung kommentiert keine In-
terviews von Angehörigen der Streitkräfte anderer Natio-
nen, auch dann nicht, wenn sie in militärisch wichtigen
Funktionen und Positionen sind.
Wenn man das Interview mit General Petraeus liest,
stellt man fest, dass er sich im Kern auf die Strategie, die
er in Afghanistan implementiert hat und anwendet, bezo-
gen hat. Gegen die Anwendung der COIN-Strategie und
die mit Begrifflichkeiten aus der Tierwelt und anderen
Bereichen verbundene Sichtbarmachung dieser Strategie
bestehen keine Einwände. Wir haben keine Veranlas-
sung, das in irgendeiner Weise infrage zu stellen.
Herr Kollege Ströbele, wollen wir einmal mit Herrn
Petraeus nicht gar zu streng schulmeisterlich deutsch
sein und nicht im Einzelnen auseinandernehmen, was er
wie wo gemeint haben könnte. Er hat von den guten Tei-
len der Tradition gesprochen. Ich habe Ihnen gesagt,
dass das nicht traditionsbegründend sein kann. Das ist
aber kein Anlass für eine Regierungskontroverse, son-
dern unter kulturell gebildeten Menschen allenfalls eine
Frage des Verständnisses von „gut“.
Eine weitere Nachfrage? – Bitte.
Jetzt komme ich auf den zweiten Teil meiner Frage,
den Sie mir überhaupt nicht beantwortet haben. Dabei
geht es darum, dass Herr Petraeus zwei Einheiten der
Bundeswehr lobt. Er sagt, wir könnten stolz auf diese
zwei Einheiten sein, weil sie Aktionen mit beeindru-
ckendem Erfolg durchgeführt hätten. Ich habe die Bun-
desregierung gefragt, ob sie diese Auffassung teilt und,
wenn ja, womit sie das Lob begründet, dass wir auf die
Einheiten stolz sein können. Erstens. Welche Einheiten
s
c
d
t
i
g
I
d
z
B
f
W
S
u
S
b
h
L
n
S
d
i
T
w
G
v
B
n
d
a
A
r
w
P
n
D
P
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6345
)
Task Force 47 unterstützt. Die anschließende Befragungder Gewahrsamspersonen erfolgte in Verantwortung derzuständigen afghanischen Sicherheitsbehörden. Die beiISAF eingesetzten und von Ihnen angefragten Feldnach-richtenkräfte der Bundeswehr können im Rahmen ihresAuftrags zur Gewinnung von Informationen über dieLage, Fähigkeiten und Absichten der regierungsfeindli-chen Kräfte an Befragungen von Personen im Gewahr-sam von afghanischen Sicherheitsbehörden teilnehmen.Dies ist in diesem Falle auch geschehen.
Nachfrage, Herr Ströbele.
Meine erste Nachfrage: Heißt das, dass in dem Lager
in Kunduz – ich nehme an, das ist das Lager der Bundes-
wehr in Kunduz gewesen – diese 15 Personen festgehal-
ten worden sind? Ist es auch zutreffend, dass sie den
ganzen Tag dort waren und dass ständig Bewachungs-
personal der afghanischen Armee anwesend gewesen ist,
das heißt, dass sie in Gewahrsam der afghanischen Ar-
mee gewesen sind und dass Deutsche allenfalls in der
Nähe oder dabei waren? Ist das so zu verstehen?
C
Herr Kollege, zur genauen Örtlichkeit würde ich Ih-
nen gerne eine schriftliche Antwort geben; ich bin ge-
genwärtig nicht in der Lage, Ihnen dies genügend prä-
zise zu sagen.
Bei den festgenommenen 15 Personen wurde eine
weitere Personenüberprüfung am gleichen Tage durch-
geführt. Acht von ihnen sind aufgrund vorliegender Ver-
dachtsmomente im Gewahrsam der zuständigen afghani-
schen Sicherheitsbehörden in Kunduz geblieben. Ich
sage: „geblieben“. Es mag eine Verlegung erfolgt sein.
Aber ich bitte, wie gesagt, um Zustimmung, dass ich Ih-
nen das nachliefere.
Der Umgang der Behörden mit diesen Gewahrsams-
personen erfolgte gemäß der nationalen Rechtsordnung
Afghanistans. Die ressortübergreifend abgestimmten
Grundsätze für die Befragung im Ausland Inhaftierter
durch nachrichtengewinnende Einrichtungen des Bundes
wurden gemäß den Anforderungen des Parlamentari-
schen Kontrollgremiums vom 25. Januar 2006 diesem
Gremium gegenüber berichtet. Demzufolge können ne-
ben den zuständigen Nachrichtendiensten MAD, also
Militärischer Abschirmdienst, und Bundesnachrichten-
dienst grundsätzlich auch sogenannte Feldnachrichten-
kräfte an der Befragung von Personen im Gewahrsam
der Sicherheitsbehörden des Einsatzlandes teilnehmen.
Um solch einen Vorgang hat es sich hier gehandelt.
Weitere Nachfrage?
G
d
F
L
u
s
d
B
s
d
f
m
F
s
m
u
d
d
Z
k
H
B
G
F
e
u
V
Z
f
L
R
k
Ja. – Trifft es zu – das steht schon in der Frage; auch
azu haben Sie sich nicht konkret geäußert –, dass die
estgenommenen bzw. Festgehaltenen anschließend in
uftfahrzeugen der Bundeswehr nach Kabul überführt
nd dort an die afghanische Armee übergeben worden
ind?
C
Ich hatte berichtet, dass die Task Force 47 und die
undeswehr beim Transport unterstützend tätig gewesen
ind.
Ich muss noch einmal Bezug auf meine Bitte nehmen,
ie Örtlichkeiten – Kabul, Kunduz – nachliefern zu dür-
en.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
inisteriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Die Frage 39 der Kollegin Veronika Bellmann und die
ragen 40 und 41 der Kollegin Caren Marks werden
chriftlich beantwortet.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
inisteriums für Gesundheit.
Die Fragen 42 und 43 des Kollegen Harald Weinberg
nd die Frage 44 der Kollegin Dr. Martina Bunge wer-
en ebenfalls schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
esministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
ur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatsse-
retär Dr. Andreas Scheuer zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 45 des Kollegen Dr. Anton
ofreiter auf:
Wie ist der Stand der Vorbereitungen für die Novellierung
des Personenbeförderungsgesetzes, und wann ist nach aktuel-
lem Stand mit einem entsprechenden Beschluss der Bundesre-
gierung über einen Gesetzentwurf bzw. mit der Einbringung
in den Deutschen Bundestag zu rechnen?
Bitte schön.
D
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!eschätzter Kollege Dr. Hofreiter, ich beantworte dierage wie folgt:Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt-ntwicklung arbeitet an einem Gesetzentwurf, mit demnter anderem das Personenbeförderungsgesetz an dieerordnung Nr. 1370/2007 angepasst werden soll.urzeit finden intensive Beratungen mit den für die Aus-ührung des Personenbeförderungsgesetzes zuständigenändern statt. Ein genauer Zeitpunkt für die Vorlage desegierungsentwurfs und die Behandlung im Kabinettann noch nicht genannt werden.
Metadaten/Kopzeile:
6346 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Parl. Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer
)
)
Ich füge hinzu, dass die beteiligten Verbände, wie Siewissen, verschiedene Meinungen haben, die wir in die-sen Prozess einbeziehen wollen.
Eine Nachfrage, bitte schön.
Mich würde in dem Zusammenhang insbesondere in-
teressieren, ob es bereits Lösungen für das Problem des
sogenannten ausschließlichen Rechts gibt. In der Verord-
nung Nr. 1370/2007 wird festgehalten, dass sie gilt,
wenn eine Ausgleichsleistung und/oder ein ausschließ-
liches Recht gewährt wird. Da geht es um die Linien-
verkehrsgenehmigung. Jetzt ist die Meinung vieler Be-
teiligter, die Sie gerade angesprochen haben, dass die
Linienverkehrsgenehmigung nicht mehr als ausschließli-
ches Recht angesehen wird. Die andere Seite aber sagt:
Wenn die Linienverkehrsgenehmigung kein ausschließ-
liches Recht mehr ist, dann können auf einer Linie meh-
rere fahren. – Das führt letztendlich zu Rosinenpickerei.
Hat das Ministerium eine Idee, wie es mit der Problema-
tik des ausschließlichen Rechts umzugehen gedenkt?
D
Wir haben die Arbeitsgruppe mit den Ländern und
den drei Verbänden, nämlich VDV, bdo und Städtetag,
um diese Fragen zu klären. Diese sind äußerst komplex.
Es gibt verschiedene Rechtsauffassungen an dieser
Stelle, wie Sie richtig sagen. Deswegen sind wir sehr en-
gagiert bei der Sache. Es liegt aber nicht am BMVBS,
dass diese Ausarbeitung Zeit in Anspruch nimmt. Diese
Rechtsfragen sind äußerst kompliziert.
Eine weitere Nachfrage, bitte.
Sie haben bereits erläutert, dass noch nicht absehbar
ist, in welchem Zeitrahmen es zu einem Gesetzgebungs-
verfahren kommt. Die Verordnung Nr. 1370 ist be-
reits im letzten Jahr in Kraft getreten und direkt gelten-
des Recht. Nach fast übereinstimmender Auffassung
widerspricht die Verordnung Nr. 1370 unserem be-
stehenden Personenbeförderungsgesetz. Deswegen muss
es novelliert und angepasst werden. Gilt denn jetzt nach
Ansicht der Bundesregierung das Personenbeförde-
rungsgesetz oder die dem momentan gültigen Personen-
beförderungsgesetz widersprechende Verordnung
Nr. 1370, die am 3. Dezember 2009 in Kraft getreten ist?
D
Nach unserer Auffassung kann die momentane Lage
hingenommen werden, bis der Regierungsentwurf das
parlamentarische Verfahren durchlaufen hat. Diese Mei-
nung teilen auch die einbezogenen Länder und Ver-
bände.
B
n
r
i
H
H
g
z
d
r
r
S
r
s
d
S
Ö
p
w
m
t
t
N
S
d
s
w
d
t
s
a
B
g
r
H
r
B
h
B
Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr
taatssekretär. – Der mit dem Öko-Sternchen verbun-
ene besondere naturschutzrechtliche Planungsauftrag
ollte nach der Begründung im Gesetz so ausgearbeitet
erden, dass zu den einzelnen Maßnahmen dem zustän-
igen Ausschuss jeweils ein Bericht über die Abarbei-
ung vorgelegt wird. Dass ein solches Projekt selbstver-
tändlich erst bei Vorliegen des Baurechts usw.
ufgenommen wird, ist klar. Das gilt für alle Projekte des
undesverkehrswegeplans bzw. des Fernstraßenausbau-
esetzes. Meine konkrete Nachfrage: Werden diese Be-
ichte – keinen einzigen von ihnen habe ich in der letzten
aushaltsberatung gesehen – in künftigen Haushaltsbe-
atungen vorgelegt, ja oder nein?
D
Kollege Dr. Hofreiter, zur Erlangung von Baurechtaben wir, wie Sie wissen, ein sehr intensives Verfahren.ei Vorhaben, die mit einem Öko-Stern gekennzeichnet
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6347
Parl. Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer
)
)
sind, sind die Umweltrisikoeinschätzung und die FFH-Verträglichkeitsabschätzung abzuarbeiten. Auf dieseSachverhalte wird bis zur Erlangung von Baurecht ohnehinsehr offen, in einem transparenten Verfahren, hingewie-sen. An diesem Verfahren können auch die Bürgerinnenund Bürger teilnehmen. Durch die Auftragsverwaltun-gen der Länder haben wir bis zur Erlangung von Bau-recht ohnehin die Möglichkeit, darüber eine Diskussionzu führen. Daher existiert in diesem Verfahren schoneine Art Bericht.
Eine weitere Nachfrage.
Die Frage bezog sich nicht auf den in unserem Ver-
waltungsrecht vorgesehenen Ablauf, also auf das Linien-
findungsverfahren, die Bauplanfeststellung, die Erlan-
gung von Baurecht usw. Das findet bei allen Projekten
statt. Bei den Projekten mit einem besonderen natur-
schutzfachlichen Planungsauftrag ist vorgesehen, dass
– nur zu diesen Projekten – ein gesonderter Bericht da-
rüber, wie der naturschutzfachliche Planungsauftrag
abgearbeitet wurde, an den Ausschuss geliefert wird.
Gedacht war, dass der Ausschuss aufgrund dieser Pro-
jektberichte – es geht nur um diese Projekte; es geht
nicht um all die anderen Projekte; Sie haben das Verfah-
ren korrekt dargestellt – entscheiden sollte. Die Frage
ist: Wann bekommen wir diese Berichte?
D
Herr Dr. Hofreiter, das rechtliche Verfahren zur Erlan-
gung des Baurechts ist ja dadurch gekennzeichnet, dass
dann, wenn die naturschutzfachliche Relevanz abgear-
beitet ist und alle Bedenken ausgeräumt worden sind,
Baurecht erwirkt wird. Das heißt, es gibt dann ohnehin
das Recht zur Umsetzung des Projektes. Daher verstehe
ich Ihren Hinweis nicht, wenn Sie sagen, Sie wollen
schon vorher eingebunden werden. Bevor das Baurecht
erlangt werden kann, gibt es ohnehin ein rechtsstaatli-
ches Verfahren, das alle Bedenken ausräumen und offen-
legen soll.
Vielen Dank. – Frau Herlitzius, Sie haben das Wort zu
einer weiteren Nachfrage. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, da muss ich einmal nachfragen.
Wir wissen, dass in den normalen Planverfahren – von
der Linienbestimmung bis zur Erlangung von Baurecht –
die naturschutzfachlichen Belange ganz klar geprüft
werden; das hat mein Kollege Toni Hofreiter ja gerade
gesagt, und Sie haben es auch bestätigt. Uns ging es aber
damals, bei der Festlegung der naturfachlichen Vorprü-
fung für Maßnahmen des Bundesverkehrswegeplans, da-
rum, dem etwas voranzustellen, damit die Straßen, die in
besonders sensiblen Naturbereichen geplant sind, dann
nicht Teil des Verfahrens werden, wenn man keine Sicher-
h
B
e
d
d
D
g
B
p
H
V
F
s
I
d
j
ü
I
u
F
F
b
m
B
j
w
E
b
B
b
s
l
e
s
Die Frage ist beantwortet.
Die Frage 47 der Kollegin Veronika Bellmann, die
rage 48 des Kollegen Dr. Wilhelm Priesmeier und die
rage 49 des Kollegen Heinz Paula werden schriftlich
eantwortet.
Wir kommen nun zu einer Reihe von Fragen, die sich
it der energetischen Gebäudesanierung befassen.
Zunächst Frage 50 des Kollegen Dr. Hermann Ott:
Welche Energiestandards sollen Neubauten und Sanierun-
gen im Bestand ab 2011 und darüber hinaus nach den Planun-
gen der Bundesregierung zu einer Vorbildfunktion bei der Re-
duzierung des Energieverbrauchs konkret erfüllen?
Bitte schön.
D
Speziell für Bauvorhaben des Bundes sollen bereits
etzt die jeweiligen EnEV-Anforderungen unterschritten
erden, soweit dies wirtschaftlich vertretbar ist. Das
nergiekonzept der Bundesregierung vom 28. Septem-
er 2010 betont die Bedeutung der Vorbildfunktion der
undesgebäude bei der Reduzierung des Energiever-
rauchs. Weiterhin wird mit dem Europarechtsanpas-
ungsgesetz Erneuerbare Energien, mit dem die Richt-
inie 2009/28/EG in deutsches Recht umgesetzt wird,
ine Vorbildfunktion öffentlicher Gebäude für den Ein-
atz erneuerbarer Energien festgeschrieben.
Nachfrage.
Metadaten/Kopzeile:
6348 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
)
)
Vielen Dank, Herr Präsident. – Wir hatten nach den
konkreten Planungen der Bundesregierung gefragt. Ihr
Kollege Jan Mücke hat ja zum Beispiel vorgeschlagen,
den Mittelansatz des Gebäudesanierungsprogramms der
KfW Bankengruppe auf ungefähr 3 Milliarden Euro zu
erhöhen. Das wäre ja vielleicht eine Möglichkeit.
Ganz spezifisch gefragt: Wie wollen Sie denn, wenn
Ihr Haus die Förderung für energetische Sanierungen so
massiv zurückfährt, wie das jetzt im Haushaltsentwurf
für das nächste Jahr geplant ist, eine Quote von mindes-
tens 2 Prozent, besser noch 3 Prozent der Erneuerung im
Bestand erreichen? So viel wäre ja notwendig, um die
Klimaziele Ihrer Regierung zu erreichen.
D
Herr Kollege Dr. Ott, Ihre Kollegin Herlitzius, die
hinter Ihnen sitzt, lächelt schon, weil sie eine ähnliche
Frage zum Thema gestellt hat.
Faktisch gilt jetzt auch für das für die Bundesbauten
zuständige BMVBS der Beschluss vom 28. September.
Ich selber bin wie meine Staatssekretärskollegen sehr
viel unterwegs und stoße dabei viele energetische Sanie-
rungsvorhaben in höchster Qualität an, auch aus dem
Konjunkturpaket. Sie können gerne eine Liste haben, aus
der hervorgeht, wie viele Mittel aus dem Konjunkturpa-
ket beispielsweise in die energetische Sanierung fließen
und welche Standards wir haben. Ich könnte konkrete
Maßnahmen nennen, die auch als Innovationstreiber für
den Standort Deutschland wichtig sind.
Im Zuge der Haushaltsberatungen greifen wir das
Thema im weiteren parlamentarischen Verfahren noch
einmal neu auf und beschließen in ein paar Wochen hier
im Plenum den Haushalt. Wir begleiten diesen Prozess
der konkreten Ausformulierung der Energieziele zusam-
men mit den Partnerhäusern, die sich auch mit diesem
Thema befassen.
Zweite Nachfrage.
Noch einmal nachgefragt: Mit welchen Prozentsätzen
planen Sie denn bei der Erneuerung im Bestand? Wir
wissen, wie wichtig Maßnahmen im Altbestand für die
Erreichung der Klimaziele sind. Es gibt ja Gebäude, die
noch 30 Liter pro Quadratmeter brauchen. Möglich wä-
ren 5 bis 6 Liter nach einer Sanierung. Da der Gebäude-
bestand 30 Prozent unserer klimawirksamen Emissionen
ausmacht, könnte das einen wirklich sehr großen Ein-
fluss haben. Welche Planungen hat Ihr Haus? In welchen
Raten soll sich der Bestand an sanierten Gebäuden tat-
sächlich erhöhen?
D
Sie haben ja gefragt, inwieweit wir für eine Vorbild-
funktion der Bundesbauten sorgen. Die konkreten Pro-
jekte der energetischen Sanierung, die im Titel der Bun-
d
z
d
d
m
w
r
g
e
P
h
B
d
s
d
B
n
e
s
B
e
B
e
E
s
I
w
W
b
c
h
d
n
d
s
B
m
b
d
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6349
)
Jetzt hat die Kollegin Bettina Herlitzius eine weitere
Frage.
D
Die hätte dann auch die nächste Frage.
Wir sind aber gerade bei den Energiestandards. Inso-
fern passt das jetzt etwas besser.
Ich hätte gerne eine Information zu den Konjunktur-
programmen. Sie haben das heute Morgen im Ausschuss
schon erwähnt und jetzt wieder. Diese Programme kon-
zentrieren sich natürlich schwerpunktmäßig auf die öf-
fentliche Infrastruktur. Mithilfe dieser Programme wur-
den Straßen gebaut, aber auch viele Schulen sind saniert
worden.
Worum es uns bei der KfW-Gebäudesanierung geht,
ist der private Hausbesitzer, der Wohnungen vermietet
oder auch selbst nutzt und der dringend Unterstützung
braucht.
Minister Brüderle hat vorhin so schön gesagt, er wolle
keinen Zwang zur Sanierung. Dabei hat er aber verges-
sen, dass es einen Zwang für die Mieter gibt, die die ho-
hen Nebenkosten bezahlen müssen. Diese können nicht
daran vorbei. Insofern muss man eine Lösung finden, um
beiden Interessen gerecht zu werden.
Sie haben gerade die Frage meiner Kollegin bezogen
auf Neubaustandards beantwortet. Ich frage Sie, wie Sie
sich Standards für den Altbaubestand vorstellen. Auch in
diesem Bereich muss etwas passieren, damit wir die
Ziele für die Gebäude erreichen können.
Die Heizverordnung sieht vor, dass Heizkessel ausge-
tauscht werden. Das ist auch passiert. Es gab ganz eindeu-
tig einen Zwang hierzu. Es gab dafür einen großen Zeit-
raum; es gab große Umsetzungsmöglichkeiten. Dann sind
aber alle Heizungen in Gebäuden ausgetauscht worden.
Diese Möglichkeiten müssen wir auch weiterhin eröff-
nen; denn ohne einen gewissen Zwang gekoppelt mit ei-
ner Förderung wird nichts passieren. Genau das sehen wir
bei dieser Regierung im Moment aber nicht.
D
Frau Kollegin Herlitzius, wir haben das Energiekon-
zept mit Bundesminister Brüderle und Bundesminister
Röttgen intensiv diskutiert. Diese Regierung steht für
Anreize und freie Entscheidungen, aber nicht für Zwang.
Es sollen Anreize für eine energetische Sanierung für die
Bürgerinnen und Bürger geschaffen werden. Wenn Sie
sich die Zahlen und die Programme anschauen, dann
stellen Sie fest, dass das in der Vergangenheit hervorra-
gend funktioniert hat. Es bestehen Anreize für Privatei-
gentümer, aber auch für große Wohnungsbaugesellschaf-
ten, energetische Sanierungen durchzuführen. Das ist ein
Erfolgsmodell. Daher steht diese Regierung nicht für
zwanghafte Maßnahmen, sondern für Anreize und freie
Entscheidungen der Bürgerinnen und Bürger.
H
B
B
s
E
h
g
t
M
z
S
s
E
u
d
d
i
S
W
z
z
b
H
B
g
s
m
r
d
Metadaten/Kopzeile:
6350 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
)
sches Niveau erreicht werden muss, das energetischnoch deutlich anspruchsvoller ist als das derzeit an-spruchsvollste von der KfW geförderte Sanierungs-niveau. Die spezifischen Kosten für einen solchen Stan-dard hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau undStadtentwicklung, ausgehend vom heutigen Sanierungs-technologiestandard und von den heutigen Kosten, grobauf 500 bis 700 Euro pro Quadratmeter geschätzt. Damitwürden energetische Gesamtkosten in Höhe von 2 bis2,4 Billionen Euro verursacht werden. Kosten für die In-standhaltung wie auch die kostenmindernden Effektedurch eine parallele Durchführung von energetischenSanierungsmaßnahmen zusammen mit ohnehin anste-henden Instandsetzungen sind dabei nicht berücksich-tigt.Es gibt natürlich inzwischen verschiedene Gutachten.Aber das Bundesministerium hat diese Berechnung aufder Basis der Gesamtquadratmeterzahlen vorgenommen.
Nachfrage?
Ja. – Was bezwecken Sie mit diesen Zahlen, die ge-
rade für Hausbesitzer sehr erschreckend sind? Die Dar-
stellung von Millionensummen, die bei der Sanierung
anfallen, und zwar bei einem Zeithorizont bis 2050, ist
im Moment nicht zielführend. Vielmehr müssen wir da-
für sorgen, dass wir die Gebäudebesitzer mitnehmen.
Deswegen frage ich Sie: Was ist in dieser Hinsicht Ihre
Strategie? Wie wollen Sie die Häuslebesitzer, die Eigen-
tümer, zur Sanierung bewegen, wenn Sie sie mit solchen
Zahlen erschlagen?
D
Frau Kollegin Herlitzius, Sie haben nach den Zahlen
gefragt, die das BMVBS berechnet hat.
Ich habe nur, um für größtmögliche Transparenz zu sor-
gen, Ihre Frage beantwortet, wie die Zahlen zustande ge-
kommen sind. In der Antwort auf die Frage 50 habe ich
das Maßnahmenpaket der Bundesregierung in Bezug auf
Sanierungen dargestellt. Durch die Antworten auf die
Fragen 50 und 51 müsste ein guter Überblick gegeben
worden sein.
Weitere Nachfrage?
Ja. – Meine Nachfrage bezog sich natürlich darauf,
dass es einen generellen Investitionsbedarf bei Immobi-
lien gibt, zum Beispiel auch mit Blick auf Barrierefrei-
heit oder Modernisierung. Nicht alles, was heute inves-
tiert werden muss, bezieht sich nur auf die energetische
Sanierung. Man kann Ihre Zahlen aber so lesen, als be-
t
N
n
B
t
n
m
g
g
u
d
r
w
w
g
W
l
t
g
d
e
n
f
f
K
2
d
e
b
g
r
B
t
g
f
G
ü
S
r
p
w
T
N
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6351
)
Wie will die Bundesregierung ohne den Nullemissions-standard im Gebäudebestand sicherstellen, dass der gesamteGebäudebestand bis 2050 80 Prozent weniger klimaschädi-gendes Kohlendioxid als heute verbraucht?D
Bei dieser Frage geht es um den Nullemissionsstan-
dard im Gebäudebestand, der vorhin schon Gegenstand
einer Ihrer Nachfragen war, Frau Kollegin.
Im Gebäudebestand stellt die Bundesregierung wirt-
schaftliche Anreize in den Mittelpunkt ihrer Politik. Der
langfristige Sanierungsfahrplan hin zum klimaneutralen
Gebäudebestand soll den Hauseigentümern einen ver-
lässlichen Orientierungsrahmen für Investitionen geben.
Sanierungszwang ist mit dieser Regierung nicht zu ma-
chen. Wir setzen auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit
und unterstützen im Übrigen weitere Maßnahmen mit ei-
ner wirksamen staatlichen Förderpolitik.
Danke schön. – Nachfrage?
Wenn Sie Zwang kategorisch ausschließen und wenn
es sowieso keinerlei Standards zu beachten gilt, frage
ich, warum wir dann noch verlässliche Rahmenbedin-
gungen für Hausbesitzer brauchen.
D
Ich habe nicht davon gesprochen, dass es keine Stan-
dards gibt, sondern davon, dass die Maßnahmen auf In-
vestitionsanreize und nicht auf Zwang basieren.
Weitere Nachfrage?
Sie merken aufgrund der vielen Nachfragen zu die-
sem Punkt, wie sehr uns dieses Thema auf den Nägeln
brennt. Einmal überspitzt gefragt: Habe ich Sie richtig
verstanden, dass Sie nur fördern und nicht fordern wol-
len, dass Sie also in diesem Bereich nur öffentliche Gel-
der einsetzen wollen? Sie haben zwar gesagt, Sie würden
Standards setzen. Aber dann haben Sie davon gespro-
chen, Sie wollten nur mit investiven Anreizen arbeiten.
Ich habe es an dieser Stelle noch nicht richtig verstan-
den: Setzen Sie im Altbaubereich nun Standards – ja
oder nein? Wenn Sie Zwang komplett ablehnen, müssten
Sie dann nicht eigentlich auch die Vorschrift ablehnen
– denn auch das ist ein Zwang –, dass der Schornsteinfe-
ger in regelmäßigen Abständen kommen muss? Sie kön-
nen doch nicht generell jeglichen Zwang in diesem Be-
reich ablehnen.
D
Ich habe vorher von den Standards gesprochen. Diese
Programme beinhalten natürlich gewisse Regeln, die be-
achtet werden müssen, damit die Gelder abgerufen wer-
d
d
S
g
v
H
P
d
M
e
g
d
l
P
B
n
I
n
d
c
G
N
s
H
d
B
s
H
F
d
k
w
K
l
c
ch bitte darum, an dieser Stelle die konkreten Zahlen
achreichen zu dürfen, die die Vorbildfunktion der Bun-
esregierung, was die Bundesbauten angeht, unterstrei-
hen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Wir kommen zum
eschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt,
aturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung
teht die Parlamentarische Staatssekretärin Ursula
einen-Esser zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 56
es Kollegen Friedrich Ostendorff:
Wie beurteilt das Bundesministerium für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit die vom Bundesministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geplanten
Maßnahmen zur Einhaltung des NH3-Grenzwertes von
550 kt NH3 ab 2010 gemäß der NEC-Richtlinie?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Urs
Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrtererr Kollege Ostendorff, diese Frage folgt quasi derrage, die Sie vorhin meiner Kollegin Julia Klöckner ausem Landwirtschaftsministerium gestellt haben. Ichann Ihnen sagen, dass unsere Antworten identisch sind;ir gehen in dieser Frage Seit’ an Seit’.Wir haben Ihnen bereits in der Beantwortung derleinen Anfrage vom August dieses Jahres sehr ausführ-ich dargelegt, dass die Bewertung der genannten mögli-hen Maßnahmen im Hinblick auf die Notwendigkeit
Metadaten/Kopzeile:
6352 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser
)
)
einer zusätzlichen Emissionsminderung, das Emissions-minderungspotenzial der einzelnen Maßnahmen, dierechtlichen Möglichkeiten der Implementierung und diekurzfristige Umsetzbarkeit sowie die Minderungskostennoch nicht abgeschlossen ist. Wie wir in der Antwort aufdie Kleine Anfrage ebenfalls angesprochen haben, hatdies damit zu tun, dass wir zurzeit unsere Emissionspro-gnosen zwar regelmäßig anpassen und überprüfen, aberdie Emissionsprognose für das Jahr 2010 auf Basis dervorhandenen Datenlage aus dem Jahr 2009 erst AnfangDezember dieses Jahres zur Verfügung stehen wird. An-schließend werden wir sie natürlich an die EuropäischeKommission übermitteln. Selbstverständlich zielt diesesProgramm darauf – ich glaube, hier sind wir gar nichtauseinander –, die Emissionshöchstmengen ab dem ge-nannten vorgegebenen Termin einzuhalten.
Eine Nachfrage?
Schönen Dank, geschätzte Kollegin Ulla Heinen. Wir
haben es hier natürlich mit demselben Themenkomplex
zu tun wie eben im Fachbereich Ernährung und Land-
wirtschaft. Aber das Bundesumweltministerium ist hier
fachlich zuständig. Adressat der Rüge oder des Briefes
der EU-Kommission – wie auch immer man es nennen
will – ist das Bundesumweltministerium. Bis Ende Sep-
tember mussten Maßnahmen nach Brüssel gemeldet
werden. Wir haben bisher keine Kenntnis, was die Bun-
desregierung gemeldet hat, was sie aktiv tun will, damit
die Ammoniakgrenzwerte in der Zukunft eingehalten
und nicht wie in diesem Jahr wieder um 11 Prozent über-
schritten werden.
Wir fragen natürlich vor dem Hintergrund, dass wir
aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium immer wie-
der hören, man wolle mehr Fleisch erzeugen. Fleisch ist
eine wichtige Eintragsquelle für Ammoniakemissionen.
In Deutschland sind circa 900 Ställe in Beantragung;
wenn wir dies auf Hähnchen umlegen, könnten im Jahr
ungefähr 200 Millionen Hähnchen mehr in diesen Stäl-
len gehalten werden. Angesichts dessen fragen wir uns
als Oppositionspartei, wie man die Richtlinien, die heute
schon überschritten werden, in Zukunft einhalten will,
wenn die wesentliche Eintragsquelle, die landwirtschaft-
liche Fleischproduktion, noch so stark ausgedehnt wer-
den wird. Da muss ich doch das Bundesumweltministe-
rium fragen, was Sie denn nun zusammen mit den
Ländern – sie sind hier gefordert – tun wollen und was
Sie ihnen an Hausaufgaben aufgegeben haben. Es wäre
für uns wichtig, zu erfahren, was hier im Einzelnen an-
gemahnt wird.
Ur
Das war jetzt gleich eine ganze Fülle von Fragen und
Anmerkungen. Lassen Sie mich eines voranstellen: Sie
haben recht, das Bundesumweltministerium ist in der Tat
f
b
w
A
w
S
n
d
a
g
b
d
t
g
l
ü
z
h
s
t
e
p
u
r
Ä
g
d
m
s
N
d
D
B
s
W
S
o
n
S
n
a
g
Z
s
ie sind selber Landwirt und wissen, woher der Ammo-
iak kommt. Das hat nicht nur etwas mit der Fleischpro-
uktion oder den Schweinen zu tun, sondern natürlich
uch mit dem gesamten Bereich der Düngung etc.
Zu dem Schreiben der Europäischen Kommission: Es
ab eine Anfrage an uns, die wir in den nächsten Tagen
eantworten werden. Ich bitte Sie, Ihr Augenmerk auf
ie Antwort auf Frage 4 Ihrer Kleinen Anfrage zu rich-
en. Darin steht, dass es eine Anfrage der Kommission
ibt, in der wir aufgefordert wurden, „Angaben über jeg-
iche Aktualisierung des Nationalen Programms sowie
ber ergriffene und/oder vorgesehene Maßnahmen vor-
ulegen, die die Einhaltung der Nationalen Emissions-
öchstwerte bis 2010 und darüber hinaus gewährleisten
ollen“.
Wir befinden uns in der Revision der Prognose zu den
atsächlichen Emissionsmengen in Deutschland; sie wird
rst Anfang Dezember vorliegen. Natürlich wird auch zu
rüfen sein, ob wir bestimmte Maßnahmen kurzfristig
msetzen, beispielsweise im Hinblick auf die Aktualisie-
ung und Verbesserung der Emissionsinventare oder
hnliches; auch das ist schon in der Kleinen Anfrage an-
esprochen worden. Wir werden unter Berücksichtigung
er Umsetzungsmöglichkeiten und in enger Abstim-
ung mit dem Landwirtschaftsministerium darüber ent-
cheiden.
Eine zweite Nachfrage? – Bitte schön.
Eine kurze Nachfrage: Beinhaltet das auch, dass Sie
arüber nachdenken, endlich eine Verschärfung der
üngeverordnung vorzunehmen?
Urs
Ich warte jetzt erst einmal relativ gelassen ab, welcheerte sich ergeben. Dann werden wir prüfen, welchetellschrauben es gibt, beispielsweise bei der Düngever-rdnung. Es kann sich aber auch um schlichtere Maß-ahmen handeln, beispielsweise um die Abdeckung vonchweinegüllelagern.Wir werden gemeinsam mit dem Landwirtschaftsmi-isterium darüber diskutieren und nehmen natürlichuch Ihre Hinweise, die Sie uns als Kenner der Materieeben, gerne entgegen. Wie gesagt: Lassen Sie uns jetzteit, um uns die tatsächlichen Emissionen genau anzu-chauen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6353
)
)
Vielen Dank. – Die Frage 57 des Kollegen Hans-Josef
Fell, die Frage 58 der Kollegin Dorothea Steiner und die
Frage 59 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl werden
schriftlich beantwortet.
Wir kommen dann zur Frage 60 der Kollegin Sylvia
Kotting-Uhl:
Welche Auswirkungen hat eine verzögerte Inbetriebnahme
des Endlagers Schacht Konrad – zum Beispiel im Jahr 2019 –
in Verbindung mit den geplanten Laufzeitverlängerungen für
Atomkraftwerke für die Kapazitäten der AKW-Standort-Zwi-
schenlager, und wie hoch – bitte möglichst exakte Darlegung –
ist der Einsatz von Kernbrennstoffen pro Megawattstunde
Bruttostromerzeugung in den deutschen AKW?
Ur
Herzlichen Dank, Herr Präsident. – An dieser und der
vorherigen Frage erkennt man die Bandbreite der Kom-
plexe, die das Bundesumweltministerium bearbeitet.
Wir haben das Bundesamt für Strahlenschutz beauf-
tragt, den Terminplan so zu überarbeiten, dass wirklich
alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die Ablauf-
pläne für die Errichtung des Endlagers zu optimieren.
Ziel ist es, im Endlager Schacht Konrad so zügig wie
möglich mit der Einlagerung der radioaktiven Abfälle
mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung zu begin-
nen.
Durch die Laufzeitverlängerung werden in den
Kernkraftwerken in Deutschland insgesamt über
10 000 Kubikmeter radioaktive Abfälle mit vernachläs-
sigbarer Wärmeentwicklung zusätzlich anfallen, die im
Endlager Schacht Konrad gelagert werden sollen. Wei-
terhin werden durch die Laufzeitverlängerung insgesamt
4 400 Tonnen Schwermetall in Form von bestrahlten
Brennelementen zusätzlich anfallen, die allerdings an
den Standorten zwischengelagert werden; denn es liegt
keine Genehmigung für eine Endlagerung dieser wärme-
entwickelnden bestrahlten Brennelemente im Endlager
Schacht Konrad vor.
Wechselwirkungen zwischen dem Beginn der Einla-
gerung im Endlager Schacht Konrad und der Lagerung
der bestrahlten Brennelemente an den Standorten der
Kernkraftwerke bestehen grundsätzlich nur dort, wo Be-
reiche von Standort-Zwischenlagern für die Transportbe-
reitstellung von radioaktiven Abfällen für das Endlager
Schacht Konrad verwendet werden. Die Wahrscheinlich-
keit von dadurch verursachten Engpässen bei der Entsor-
gung der bestrahlten Kernbrennstoffe kann abschließend
erst bewertet werden, wenn feststeht, ob es bei der Inbe-
triebnahme des Endlagers Schacht Konrad zu wesentli-
chen Verzögerungen kommt, mit welcher Auslastung die
betroffenen Kernkraftwerke in den nächsten Jahren be-
trieben werden und in welchem Umfang die einzelnen
Anlagen die Konditionierung der Abfälle für das Endla-
ger Schacht Konrad betreiben.
Die Menge des erzeugten Stroms pro Masseneinheit
des Kernbrennstoffs hängt vom Abbrand und damit indi-
rekt auch von der Anfangsanreicherung ab. Bei den
h
b
N
S
s
c
a
t
u
n
l
d
i
F
w
w
B
s
t
N
b
v
B
s
g
W
s
o
z
t
N
m
E
K
w
w
Danke schön, Herr Präsident. – Danke schön, Frau
taatssekretärin, für die ausführliche Antwort. Es hatte
ich ein Fehler in meine schriftliche Frage eingeschli-
hen. Wir haben versucht, den Fehler zu berichtigen;
ber das Ministerium hat es zurückgewiesen, die berich-
igte Frage aufzunehmen. Wenn es auf der einen Seite
m Schacht Konrad geht, geht es auf der anderen Seite
atürlich nicht um die AKW-nahen Standort-Zwischen-
ager, sondern um Gorleben; denn logischerweise wer-
en die schwachaktiven und mittelaktiven Abfälle nicht
n den AKW-nahen Standorten zwischengelagert. Meine
rage also korrigiert, wie wir eigentlich auch einreichen
ollten: Was bedeutet die Menge, die zwischengelagert
erden muss, für Gorleben?
Urs
Die Beantwortung dieser Frage – darum muss ich bit-
en – werde ich Ihnen schriftlich zügig nachreichen.
Gut. Das ist nett. – Vielen Dank.
Ich habe noch eine zweite Nachfrage: Ist inzwischen
ekannt, worauf die Verzögerung der Inbetriebnahme
on Schacht Konrad um fünf Jahre zurückzuführen ist?
Urs
Ich kann Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sa-
en, woran das liegt. Ich habe eingangs bereits gesagt:
ir haben das Bundesamt für Strahlenschutz gebeten,
ich darum zu kümmern und alle Möglichkeiten eines
ptimalen Ablaufs auszuschöpfen. Ich werde Ihnen sehr
ügig darüber berichten, sobald mir alle bekannten Da-
en vorliegen.
Gut. Vielen Dank.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-inisteriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit undntwicklung. Die Fragen 61 und 62 des Kollegen Uweekeritz und die Frage 63 des Kollegen Garrelt Duinerden schriftlich beantwortet.Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Aus-ärtigen Amtes. Die Fragen 64 und 65 des Kollegen
Metadaten/Kopzeile:
6354 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
)
)
Dr. Rolf Mützenich, die Frage 66 des Kollegen OmidNouripour und die Frage 67 der Kollegin SevimDağdelen werden schriftlich beantwortet.Damit sind wir am Ende der Fragestunde.Ich frage die Geschäftsführer der Fraktionen: Gibt esBedenken, sofort mit der Aktuellen Stunde zu beginnen? –Es gibt keine Bedenken.Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU undder FDPEinen fairen Interessensausgleich zwischenBeschäftigten und Arbeitsuchenden mit be-darfsgerechten Regelsätzen schaffenIch eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-nerin der Bundesministerin Ursula von der Leyen dasWort.
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin fürArbeit und Soziales:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ge-setzentwurf zu den neuen Regelsätzen liegt vor. DieseAktuelle Stunde ist jetzt die Stunde des Parlaments. An-lass sind die Hartz-Gesetze, die Rot-Grün vor siebenJahren konstruiert hat, damals unterstützt von der Union.Ich sage heute ganz deutlich: Die Zusammenlegung vonArbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, also der Gedanke,Menschen zu mobilisieren und niemanden in staatlicherAbhängigkeit abzuschreiben, war damals richtig und istes heute auch noch.
Das Bundesverfassungsgericht hat uns aber im Fe-bruar ins Stammbuch geschrieben, dass die Gesetzge-bung dazu damals hastig war und zum Teil – O-Ton desBundesverfassungsgerichts – „ins Blaue“ geschätztwurde. Das hat das Bundesverfassungsgericht gerügt.Wir haben jetzt nach seinen Vorgaben in den letzten sie-ben Monaten harter Arbeit detaillierte Berechnungen,Rohdaten und Entscheidungswege dargelegt. In den ver-gangenen Tagen habe ich von der Opposition gehört– wortwörtlich –: geschachert, gekungelt, gemauscheltund getrickst. Dazu kann ich nur sagen: Moment einmal!Sie sollten vielleicht nicht von sich auf andere schließen. –Sie haben das vielleicht 2003 getan.
Wir aber legen Ihnen umfassende Berechnungen vor.Alle Entscheidungswege sind dargelegt. Ich finde, dasswir auf dieser Datenbasis jetzt sachlich miteinander dis-kutieren sollten.
Die Regelsätze sind vom Verbrauchsverhalten derHaushalte im unteren Einkommensfünftel hergeleitet.DatddcWruugjRTpaWssnGsDdarrzM5aSszmHd
Zu den Wunschvorstellungen, die ich in den letztenagen von den Linken gehört habe: 500 Euro im Monatlus Warmmiete für jeden. Wie kommen Sie eigentlichuf diesen Betrag?
enn Sie sich nach den Vorgaben des Bundesverfas-ungsgerichts richten und die Berechnungen des Statisti-chen Bundesamtes zugrunde legen, dann kommen Sieicht einmal in die Nähe dieser Summe, auch wenn Sielücksspiel, Alkohol, Zigaretten, illegale Drogen, Pau-chalurlaube oder Flugreisen einrechneten.
ie Verfassungsrichter haben uns zu Recht aufgetragen,ie Regelsätze transparent zu gestalten. Wir haben unsn dieses Gebot gehalten. Jeder, der jetzt höhere Forde-ungen stellt, muss diese Forderungen nach den Krite-ien des Bundesverfassungsgerichts begründen, undwar im Detail.
ehr noch: Sie würden mit Ihrer Forderung nach00 Euro Lebensunterhalt im Monat plus Warmmiete
uf einen Schlag 2 Millionen Menschen zusätzlich in dasystem der passiven Leistung ziehen. Eine Politik, dieich darauf beschränkt, die Abhängigkeit vom Staat aus-ubauen und Passivität zu zementieren, ist kraftlos unduss scheitern.
artz IV darf kein Dauerzustand sein. Das Versprechen,ass sich Arbeitsuchende und die Gemeinschaft als Pakt
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6355
Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen
)
)
für die Not in die Hand gegeben haben, muss weiterhingelten.
Joschka Fischer hat 2004 bei Einführung der Hartz-Gesetze, die genau diesem Grundsatz folgen, gesagt– ich zitiere –:Die Ängste der Menschen nehme ich sehr ernst.Aber wir können sie entkräften. Hartz IV wird nichtmassenhafte Verarmung hervorrufen, sondern beiErhalt einer sozialen Grundsicherung mehr Chan-cen für den Zugang in den Arbeitsmarkt bieten.
Damit hat er die Aufgabe, an der wir weiterhin hart ar-beiten müssen, treffend beschrieben. Die OECD hat unsdiese Woche ins Stammbuch geschrieben, dass nicht dieRegelsätze zu gering sind, sondern die Anreize, auf demArbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Das müssen wir beachten. Eine verantwortungsvolle So-zialpolitik fördert eben nicht die Abhängigkeit von Men-schen, sondern sie fördert die Chancen, unabhängig zuwerden. Das ist die Politik, die wir verfolgen wollen.
Es geht nicht nur darum, die Existenz abzusichern.
Geld allein ist kein Allheilmittel gegen Ausgrenzungund Hilflosigkeit. Es geht auch darum, dass das Ver-trauen der Menschen an die Aufstiegsmöglichkeiten inder Gesellschaft nicht verloren geht. Dafür ist das Bil-dungspaket ein deutliches Zeichen. Es sind 620 Millio-nen Euro zusätzlich vorgesehen, nicht als Bargeld, son-dern als Bildungsleistung, damit den Kindern der Startins Leben gelingt, und zwar unabhängig davon, ob ihreEltern Arbeit haben oder nicht, damit sie Erfolgserleb-nisse haben, damit sie erfahren: Du kannst etwas. Duwirst gebraucht. Du hast eine Zukunft, und zwar unab-hängig von Hartz IV.
Ich weiß, dass die Aufgabe, der wir uns mit dem Bil-dungspaket stellen, ein logistischer Kraftakt ist. Vielemüssen anpacken: zuallererst der Bund, aber auch in denLändern und Kommunen, in den Vereinen, Verbändenund in der Zivilgesellschaft. Aber diese Anstrengungsollten wir uns abverlangen. Das ist ein Gewinn für dieKinder. Das ist es, was unsere Gesellschaft zusammen-hält. Hier lohnt sich der Einsatz, hier lohnt sich dieMühe, tatsächlich einen Paradigmenwechsel herbeizu-führen.buzdnwMPdlrBWJledaRfvadwdsSpuMAircGf
Die Konjunktur springt wieder an. Die Unternehmenekommen mehr Aufträge und suchen Arbeitskräfte,nd zwar längst nicht mehr nur unter den Hochqualifi-ierten. Jetzt öffnen sich – was schon lange nicht mehrer Fall gewesen ist – die Türen auch für diejenigen, de-en der Zugang zum Arbeitsmarkt bisher verschlossenar. Das heißt, jetzt ist es Zeit für eine Politik, die denenschen etwas zutraut, die sie ernst nimmt und dieerspektiven schafft. Wir investieren mit dem vorliegen-en Gesetzentwurf in Kinder, damit sie aus dem Kreis-auf der vererbten Armut herauskommen. Wir investie-en in Brücken in den Arbeitsmarkt, zum Beispiel dieürgerarbeit.
ir investieren in die passgenaue Vermittlung durch dieobcenter. Wir investieren in die Unterstützung von Al-einerziehenden, die arbeiten wollen. Wir investieren inffizientere Arbeitsmarktinstrumente.
Wir haben zwei große Reformen vor uns: zum einenie Jobcenterreform, die bereits gesetzlich verankert ist,ber noch umgesetzt werden muss, und zum anderen dieeform der Regelsätze und das Bildungspaket. Ich stelleest: Bedenkenträger gibt es genug – ich bin tagtäglichon unendlich vielen umzingelt –,
ber ich lade alle diejenigen, die über den Tag hinausenken können, ein, auch einmal darüber nachzudenken,ie man mit uns gemeinsam den Gestaltungsspielraum,ie Möglichkeit, die sich uns eröffnet, nutzen kann.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Ministerin für Soziales und Ge-undheit von Mecklenburg-Vorpommern, Manuelachwesig.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damennd Herren Abgeordnete! In meinem Bundesland,ecklenburg-Vorpommern, kennen wir das Problem derrmut leider nur zu gut. Insbesondere für viele Kinderst sie bitterer Alltag.Letzte Woche haben mir Schüler tausend Karten über-eicht mit der Bitte, sie der Bundeskanzlerin zu überrei-hen. Die Karten haben die Aufschrift: „Kinderarmut –emeinsam Barrieren überwinden“. Darauf steht: Häu-ig haben Kinder in Armut einen schlechten Gesund-
Metadaten/Kopzeile:
6356 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Ministerin Manuela Schwesig
)
)
heitszustand, sind sozial und kulturell ausgegrenzt. IhreChancen auf einen guten Bildungsabschluss und somitihre Lebenschancen sind gering. Wir können uns Kinderin Armut nicht erlauben und fordern Sie, Frau Bundes-kanzlerin, auf, den Kampf dagegen endlich beherzt an-zugehen und ein umfangreiches Konzept gegen die Ar-mut von Kindern zu verwirklichen. – Sehr geehrte FrauBundesministerin von der Leyen, genau diesen beherz-ten Kampf und genau dieses umfangreiche Konzept ver-misse ich bei Ihnen.
Frau von der Leyen, Sie haben eine große Chancevertan. Die Vorschläge, die Sie hier eben mit warmenWorten präsentiert haben, werden die Situation von Kin-dern und Eltern nicht spürbar verändern. Das Urteil desBundesverfassungsgerichts, in dem viel Hoffnungsteckt, war eine mutige Aufforderung, in unserem Landeinmal wieder klarzumachen, was eigentlich Kern desSozialstaates ist. Die Verfassungsrichter erinnern uns anArt. 1 der Verfassung:Die Würde des Menschen ist unantastbar.Dazu gehört ein menschenwürdiges Existenzminimum,dessen Höhe nicht politisch verhandelbar sein kann, des-sen Höhe nicht in Hinterzimmern ausgekungelt werdendarf.
Das Wegweisende an diesem Urteil ist, dass es nichtnur um den Anspruch auf ein Dach über dem Kopf undausreichend Lebensmittel geht, sondern auch um die so-ziokulturelle Teilhabe, um die Teilhabe am gesellschaft-lichen Leben.
Die Menschen, die Erwachsenen, aber vor allem dieKinder, wollen nicht mit Sozialleistungen abgespeist undzu Hause isoliert werden. Sie wollen am gesellschaftli-chen Leben teilhaben.
Dazu gehören vor allem für Kinder Bildung, Sport, Mu-sik, Freizeit und ein gesundes warmes Mittagessen.
Art. 1 des Grundgesetzes fordert auch Respekt gegen-über den Menschen ein, die von Armut betroffen sind.Gres–mRbiEusWVtDnMEmBrslisLa
enau an diesem Respekt, sehr geehrte Damen und Her-en Abgeordnete der FDP und der CDU/CSU, haben Sies in der Diskussion in den letzten Tagen mangeln las-en.
Wissen Sie, diese Parteigezänkdebatte brauchen Sieit mir nicht zu führen.
ot-Grün hat das Gesetz gemacht, Union und FDP ha-en im Bundesrat zugestimmt, und selbst die Linke warn einem Bundesland an der Regierung beteiligt.
s muss Schluss sein mit dem Parteigezänk. Wir müssenns um die Kinder in Deutschland kümmern.
Ich habe den Eindruck, dass Sie überhaupt nicht wis-en, wie es den Menschen, über die wir hier reden, geht.issen Sie eigentlich, dass auch die alleinerziehendeerkäuferin, die in Schwerin zwei Jobs hat, Sozialleis-ungen beziehen muss? Sie muss aufstocken, weil ineutschland Billiglöhne gezahlt werden, gegen die Sieichts machen. Wir brauchen deshalb den gesetzlichenindestlohn.
s geht auch um die alleinerziehende Bibliothekarin, dieich angesprochen hat. Vor 13 Jahren ist sie aus ihremeruf ausgestiegen, um ihrem Kind, das eine Behinde-ung hat, zu helfen. Nun, nach 13 Jahren, ist die Ehe ge-cheitert, und sie steht alleine da. Auch sie ist auf Sozial-eistungen angewiesen.Wer glaubt denn, dass diese Bibliothekarin so einfachn den Job zurückkann? Sie haben in den letzten Tageno getan – auch heute haben Sie so getan, Frau von dereyen; das enttäuscht mich sehr –, als ob alle Langzeit-rbeitslosen faule Leute wären,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6357
Ministerin Manuela Schwesig
)
)
die rauchen und trinken und nicht in den Job wollen.
Es geht nicht um Tabak und Alkohol. Es geht darum,wie diese Menschen wieder in den Job kommen. Dazuhabe ich von der Arbeitsministerin heute keine Antwortgehört. Ich habe auch keine Antwort darauf gehört, wiewir es mit den vielen Menschen machen – Frau von derLeyen, da haben Sie recht –, die arbeiten gehen und nichteinmal so viel haben wie Hartz-IV- oder Sozialleistungs-empfänger, sondern die aufstocken müssen, und was wirmit den Menschen machen, die arbeiten gehen und nur100 Euro mehr haben. Es ist doch perfide, dass diese Be-völkerungsgruppen in Deutschland, denen es allenschlecht geht, systematisch gegeneinander ausgespieltwerden.
Sie spielen die Geringverdiener gegen die Arbeitslosenaus, und parallel dazu stecken Sie der Pharmalobby undden Atomkonzernen das Geld in den Rachen. Das ist dieRealität in Deutschland.
Frau von der Leyen hat gesagt, wir sollten uns alle an-strengen, uns Mühe geben und uns an der Diskussion be-teiligen. Das tun wir, gerade die Länder. Ich kann Ihnensagen: Wir in Mecklenburg-Vorpommern versuchen, vielgegen Kinderarmut zu tun. Wir haben ein gesundes Mit-tagessen in Kitas. Wir haben gerade unsere Beteiligungfür Kitas in sozialen Brennpunkten aufgestockt. Aber dieExperten schreiben mir als Sozialministerin immer wie-der ins Stammbuch: Die Armut von Kindern ist die Ar-mut ihrer Eltern durch Arbeitslosigkeit oder durch Bil-liglöhne. Deswegen brauchen wir gute Arbeit und dengesetzlichen Mindestlohn.
Wir müssen das Urteil ernst nehmen. Was sagt denndas Urteil? Es sagt, dass alle Kinder in Deutschland ei-nen Rechtsanspruch auf Bildung und soziokulturelleTeilhabe haben. Dazu gehört für mich ein echtes Bil-dungspaket und nicht ein Bildungspäckchen. Dazu gehö-ren die Ganztagskitas, die Ganztagsschulen mit einemguten Angebot an Musik und Sport, mit einem gesundenwarmen Mittagessen.Klar, die beste Kita, die beste Schule kann die Elternnicht ersetzen. Deswegen brauchen wir auch gute Förde-rung für Eltern, die es schwer haben, ihrer Erziehungs-arbeit nachzukommen. Wir müssen über Eltern-Kind-ZrADsgShSKgdzkgksssLeRaelwSkzLdhvldTpdksDDs
ll diese Vorschläge der Länder liegen auf dem Tisch.as Beispiel Familienhebammen wird durch den Ge-undheitsminister in der Bundesregierung blockiert.Von Ihnen, Frau Bundesministerin, habe ich auf dieseanze Bildungsfrage, die uns die OECD auch instammbuch schreibt – lesen Sie die Berichte vollständig –,eute nicht eine Antwort gehört.
ie haben die Chance vertan, sich mit Ländern undommunen an einen Tisch zu setzen und genau diesesroße Bildungspaket zu schnüren. Was haben wir statt-essen erlebt? Mit dem Rechenschieber in den Hinter-immern sind die Regelsätze zustande gekommen.
Warum denken wir denn, dass gekungelt wird? Dasann ich Ihnen sagen: Weil es Herr Westerwelle war, deresagt hat, der Satz darf nicht steigen; weil die Bundes-anzlerin gesagt hat, hier ist ein guter Kompromiss zu-tande gekommen. Welcher Kompromiss? Das Urteilagt, das menschliche Existenzminimum, die Regelsätzeind eben nicht politisch verhandelbar. Wenn Sie dasohnabstandsgebot ins Spiel bringen, dann müssen Siendlich zur Kenntnis nehmen: Das Urteil verbietet zuecht, dass die Sozialleistungen allein wegen des Lohn-bstands nach unten geschraubt werden. Wir müssenndlich die Löhne erhöhen. Dann geht es allen besser.
Ganze 5 Euro sind herausgekommen. Ich finde, ehr-ich gesagt, es ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen,enn man davon redet, dass diese 5 Euro ein großerchritt, ein Meilenstein sind. Ich fordere die Bundes-anzlerin auf, einmal vor das Kanzleramt zu gehen, umu sehen, dass man sich für 5 Euro gerade einmal einenatte Macchiato kaufen kann. So zu tun, als ob sich füriese Menschen etwas ändert, wird der Realität über-aupt nicht gerecht. Diese Menschen brauchen Arbeit,or allem gut bezahlte Arbeit.Packen wir einmal das Bildungspaket aus, das vor unsiegt. In den letzten Monaten ist viel davon geredet wor-en – auch von Frau von der Leyen –, dass Kinder vieleilhabe haben sollen. Wenn wir das Bildungspaket aus-acken, dann bin ich ein bisschen an Julklapp erinnert;enn da packt man ein Paket aus, in dem wieder ein Pa-et ist, und dann kommt noch einmal ein Paket zum Vor-chein. Schließlich kommt ein kleines Päckchen heraus.arin ist ein Schulstarterpaket von 100 Euro im Jahr.as gibt es schon. Das hat die SPD erfolgreich durchge-etzt, inklusive für Abiturienten.
Metadaten/Kopzeile:
6358 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Ministerin Manuela Schwesig
)
)
Am Ende bleiben 10 Euro für Musik, Sport und gesell-schaftliches Engagement übrig. Mein Sohn geht mit denanderen Kindern der Kita in eine städtische Musik-schule, die öffentlich gefördert wird. Ein stinknormalerMusikunterricht kostet 20 Euro im Monat. Wie davonder von Ihnen vielgepriesene Geigenunterricht bezahltwerden soll, Frau von der Leyen, weiß ich nicht. Viel-leicht bekommt man dafür zehn Minuten im Monat.
Kommen wir zum warmen, gesunden Mittagessen.Den Zuschuss von 2 Euro finde ich sehr gut, aber das istzu kurz gesprungen. Denn es wird nicht gesagt, wie alleKinder in Deutschland dieses Mittagessen bekommenkönnen. Nur 20 Prozent der Kinder in Kitas und Schulenprofitieren derzeit vom gesunden Schulessen.
Deswegen fordere ich Sie auf: Lassen Sie uns gemein-sam reden. Wir brauchen eine Gesamtdebatte über Min-destlöhne, über ein Infrastrukturprogramm, darüber, wiewir Schulessen und Ganztagsschulen gewährleisten. Ichkann Ihnen heute sagen, dass die sozialdemokratisch re-gierten Länder diesem Vorschlag, der jetzt vorliegt, die-ser Minilösung, nicht zustimmen können.
Wir müssen gemeinsam über ein Gesamtpaket reden, da-mit wir am Ende zustimmen können. Lassen Sie uns dieChance nutzen, die Eltern und die Kinder wirklich ausder Armut herauszuholen. Dafür benötigen wir vernünf-tige Vorschläge und nicht nur warme Worte.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb von der
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Liebe Frau Schwesig, ich wundere mich doch sehr überIhre Rede – das muss ich sagen –
und frage mich, wo Sie die letzten elf Jahre eigentlichgewesen sind.DiSsDbSssnfmkgIgsngwHBmuAE2snSfHiHf
eswegen einmal zum Mitschreiben, Frau Schwesig: Esst Ihr Scherbenhaufen, es ist der Scherbenhaufen derPD, den wir jetzt nach dem Urteil des Bundesverfas-ungsgerichtes wegräumen müssen.
eswegen, Frau Ferner, finde ich es höchst unange-racht – ich muss es sogar unanständig nennen –, wennie sich, bildlich gesprochen, mit den Händen in den Ho-entaschen neben uns, die wir Ihre Arbeit nachbessern,tellen und uns auch noch wohlfeile Ratschläge – etwa:ehmt doch eine größere Schippe – geben wollen. Ichinde, wer den Scherbenhaufen selbst verursacht hat, deruss – das gehört sich so – dann auch die Ärmel hoch-rempeln und nach Kräften mithelfen, wenn es darumeht, die Baustelle zu beräumen.
n diesem Sinne, Frau Kollegin Ferner, sollten Sie mitebotener Demut und konstruktiv das anstehende Ge-etzgebungsverfahren begleiten und unterstützen und esicht noch unnötig erschweren. Die Zeit ist ohnehin kurzenug.
Frau Schwesig, die Menschen erinnern sich sehrohl, dass es die SPD-Bundesregierung war, dieartz IV ausgedacht und eingeführt hat, mit den inslaue hinein geschätzten Regelsätzen,
it dem jetzt verworfenen Anpassungsmechanismusnd ohne die Bildungschancen von Kindern auch nur imnsatz zu berücksichtigen, Frau Ferner.
s war ein SPD-Minister, der 2009 die dann im Februar010 vom Bundesverfassungsgericht verworfene Regel-atzverordnung erlassen hat. Auch daran muss man erin-ern dürfen. Das ist der Grund, Frau Ferner, warum diePD so eiert. Ich habe das heute Morgen im Frühstücks-ernsehen gesehen.
err Oppermann, Herr Beck, Sie tragen Schuld, die SPDst Täter. Das ist die Wahrheit.
Sie sollten nicht durchs Land laufen nach dem Motto:altet den Dieb, er hat mein Messer im Rücken. Dasunktioniert nicht, das werden Ihnen die Menschen in
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6359
Dr. Heinrich L. Kolb
)
)
diesem Lande auch nicht durchgehen lassen, weil es imhöchsten Maße unanständig ist, Herr Oppermann.
Merken Sie denn nicht, Herr Oppermann, Frau Ferner,wie Sie sich lächerlich machen?
Die aktuell geltenden Regelsätze wurden noch von ei-nem SPD-Minister ermittelt. Das ist kaum etwas mehrals ein Jahr her. Wenn die Regelsätze heute angeblich zuniedrig sind, dann müssen Sie sich doch fragen lassen,warum Sie zu Zeiten Ihrer Regierungsverantwortung dieRegelsätze nicht einfach auf das Niveau erhöht haben,das Sie heute für erforderlich halten. Das ist doch derPunkt.
Dann jammert Frau Schwesig hier wegen der Bil-dungschancen.
Sie haben, Frau Schwesig, die SPD hat in den Jahren, indenen sie den Kanzler in diesem Land gestellt hat, null,niente, gar nichts getan, um die Chancen von Kindernaus Hartz-IV-Haushalten zu gewährleisten.
Jetzt, da wir 620 Millionen Euro in die Hand nehmen,um die Bildungsteilhabe von Kindern – dieses Thema istuns wirklich sehr wichtig; das will ich betonen – zu fi-nanzieren, sagen Sie: Das, was Sie da jetzt machen, istuns aber viel zu wenig. – So kann man Politik wirklichnicht machen, und das ist auch nicht verantwortlich,Frau Ferner.
Sie null, SPD null, wir 620 Millionen Euro – ichfinde, Sie sollten in sich gehen, Sie sollten sich schämen.Sie sollten auch nicht anstehen, zu loben und anzuerken-nen, was wir jetzt, auch in Zeiten gebotener Haushalts-konsolidierung, zu tun bereit sind.
Gerade weil Sie selbst damals nicht die Kraft dazu hat-ten, Frau Ferner, sollten Sie dies heute tun.
Ich habe mich gefragt, wie Sie eigentlich auf die Ideekommen, bei der Berechnung des Regelsatzes könne ge-trickst worden sein,
und das umso mehr, als wir uns wirklich allergrößteMühe gegeben haben, ein offenes, transparentes Verfah-ren auf den Tisch zu legen.MgbsDSadaImnSaADDwWddDdkemaaCsa
ir ist die Lösung eingefallen, Frau Kollegin Ferner. Sieehen davon aus, wir hätten so gearbeitet wie Sie 2006ei der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchs-tichprobe 2003.
er damals geltende Regelsatz betrug 345 Euro.
ie hatten die Einkommens- und Verbrauchsstichprobeuszuwerten, haben gerechnet und gerechnet, und siehea: Es kamen 344,60 Euro heraus, die Sie auf 345 Euroufgerundet haben. Damals wurde kräftig geschoben.
ch muss sagen: Wir haben uns damals gewundert, wieit Abschlägen und Sonstigem operiert wurde, um ge-au diese Zahl zustande zu bekommen.
ie sollten wirklich nicht davon ausgehen, dass wir sorbeiten wie Sie. Wir haben einen vollkommen anderennspruch, und dem werden wir auch gerecht.
Bei allem Streit sollten wir uns über eines einig sein:ie Leistungen nach dem SGB II sollten nie als aufauer in Anspruch zu nehmende Leistungen angesehenerden. Sie sind angelegt als Hilfe auf Zeit.
ir müssen alles daransetzen, auch Langzeitarbeitslosenie Chance zu eröffnen, wieder eine Arbeitsstelle zu fin-en und in den Arbeitsmarkt zurückzukehren.
eswegen sind aus unserer Sicht auch Verbesserungener Hinzuverdienstregelungen erforderlich. Diese dürfenein Anreiz sein, den Transferbezug zu optimieren, wies derzeit der Fall ist, sondern sie müssen Anreiz sein,öglichst eine voll sozialversicherungspflichtige Arbeitufzunehmen. Denn wir wissen: Bei Personen, die mehrls 800 Euro im Monat verdienen, besteht die großehance, dass sie sich in den nächsten zwei Jahren voll-tändig vom Transferbezug lösen.
In diesem Sinne: Geben Sie Ihre destruktive Haltunguf, Frau Ferner und Herr Oppermann!
Metadaten/Kopzeile:
6360 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Dr. Heinrich L. Kolb
)
)
Helfen Sie mit, den kurzen und engen Zeitpfad zunutzen und eine Regelung zu verabschieden, die zum1. Januar nächsten Jahres als verfassungsfeste Regelungim Bundesgesetzblatt steht! Dazu sind wir aufgefordert,und das ist auch Ihre Pflicht.Danke schön.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Diana Golze von der
Fraktion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen undKollegen! Nach der lautstarken bisherigen Debatte willich versuchen, zur Sachlichkeit zurückzukehren.
Ich kann an dieser Stelle auch ruhig bleiben. Denn imGegensatz zu allen anderen Fraktionen hat die LinkeHartz IV an keiner Stelle zugestimmt.
Die Bundeskanzlerin hat aufgefordert: Wer das Kon-zept von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyenkritisiere, müsse sagen, an welcher Stelle man etwas fürfalsch halte und wo man noch etwas drauflegen wolle.Diesem Wunsch will ich sehr gerne nachkommen.Beginnen möchte ich mit dem, was Sie als „Anhe-bung der Regelsätze“ bezeichnen. Das, was Sie mit sa-genhaften 5 Euro pro Monat auch noch als wohltätigeGroßzügigkeit verkaufen, deckt noch nicht einmal imAnsatz den Kaufkraftverlust, den der Regelsatz seit derletzten statistischen Erhebung 2003 erlitten hat. Das istalso kein Draufsatteln. Es ist nicht einmal im Ansatz einAusgleich für den erlittenen Wertverlust.Doch damit nicht genug. Was Sie als großzügigesDraufpacken bezeichnen, nehmen Sie den Hartz-IV-Be-troffenen an anderer Stelle weg,
denn im Haushalt ist gleichzeitig die Streichung – esheißt zwar Anrechnung, aber es ist eine Streichung – desElterngeldes für junge Familien im ALG-II-Bezug ge-plant. Das ist ein Skandal. Sie sagen, Sie packen etwasdrauf, nehmen es den Menschen aber an einer anderenStelle weg. In Wirklichkeit ist es so, dass jetzt die jungenFamilien mit kleinen Kindern unter einem Jahr inHartz IV für die Bildungsgutscheine für Hartz-IV-Kin-der, die Sie jetzt ausgeben wollen, bezahlen. Das istkeine sozial gerechte Politik. Das ist Sparen bei denÄrmsten.SgSHRsBbtsIrrmmShÖwlVLVRanpnWlnuDDHGrisaK
Doch damit beginnen die Manipulationen leider nur.ie, Frau Ministerin, berufen sich in Interviews und hiererne auf das Bundesverfassungsgericht und beteuern,ie hätten sich an die Vorgaben gehalten. Bei genauereminsehen stellt man aber sehr schnell fest, dass Sie dieegelsätze heruntergerechnet haben. Sie haben Men-chen, die unterhalb des Existenzminimums leben, in dieerechnungsgrundlage eingeschlossen. Das heißt, Sieerechnen auf Grundlage von armen Menschen die Exis-enzgrundlage der Ärmsten. Das kann nicht die Wahrheitein.
ch fordere Sie deshalb noch einmal auf, Frau Ministe-in: Machen Sie die Rohdaten und die alternativen Be-echnungen öffentlich! Dann werden wir das volle Aus-aß der Manipulation sehen können. Die Regelsätzeüssten nämlich deutlich höher ausfallen.
ie haben das im Ausschuss für Arbeit und Soziales ersteute wieder abgelehnt. Damit zeigen Sie, dass Sie keineffentlichkeit wollen.
Fast überzeugend mitfühlend erklären Sie hier auch,as sich die Verkäuferin, der Maler und der Pförtner al-es nicht leisten können. Sie bemühen althergebrachteorurteile. Ich höre, dass es nicht sein könne, dass einangzeiterwerbsloser mehr haben könne als jemand, derollzeit arbeiten gehe. Im Klartext: Sie nehmen für denegelsatz Maß an den Menschen, die zu Hungerlöhnenrbeiten und damit nur etwas weniger arm sind als dieje-igen, die keine Erwerbsarbeit haben. Doch wer Dum-inglöhne zum Maßstab für das Lohnabstandsniveauimmt, schafft nichts als noch größere Armut.
er den Gering- und Normalverdiener gegen Erwerbs-ose ausspielt, schafft sozialen Unfrieden. Wer zudemoch über eine Debatte um Tabak und Alkohol alte Vor-rteile heraufbeschwört, verschärft die stigmatisierendeebatte der letzten Wochen.
ann würden die Kritiken an Herrn Westerwelle underrn Sarrazin völlig unglaubwürdig; denn wenn Sie dieenussmitteldebatten auf dem Rücken der Ärmsten füh-en, gießen Sie das Theater der beiden Herren auch nochn Gesetzesform, und das müssen Sie sich vorwerfen las-en.
Es gibt allerdings einen Vorwurf an alle, die seit 2003n dieser Arbeitsmarktreform mitgewirkt haben. Liebeolleginnen und Kollegen der SPD und der Grünen, zu
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6361
Diana Golze
)
)
Ihrer Kritik von heute an diesem Gesetz muss die Kritikam eigenen Tun von gestern dazugehören. Sie haben die-ses Gesetz geschaffen, das das Bundesverfassungsgerichtzu Recht kassiert hat. Aber – auch das gehört natürlichdazu – Union und FDP haben munter daran mitgewirkt,diese Regelsätze verfassungswidrig auszugestalten.
Meine Damen und Herren, unsere Kritik am vorge-legten Entwurf zur Neuberechnung der Regelsätzebleibt. Wer hinter verschlossenen Türen und ohne Betei-ligung der Öffentlichkeit einen Regelsatz zusammen-zimmert, sollte das Wort „Transparenz“ nicht benutzen.
Wer nicht bereit ist, verdeckte Armut als wachsendesProblem anzuerkennen, sondern sie stattdessen zum Be-rechnungsgegenstand macht, sollte nicht von einemsachgerechten Verfahren sprechen.Schaffen Sie mit gesetzlichen Mindestlöhnen eineexistenzsichernde Basis für Beschäftigte, damit Sieüberhaupt wieder von einem Lohnabstandsgebot spre-chen können! Sorgen Sie mit einer ehrlichen Berech-nungsmethode endlich für Regelsätze, die eine wirklicheGrundsicherung darstellen! Wir werden Sie bei IhremTun beobachten.Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Renate Künast für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Begin-nen wir einmal mit Herrn Kolb.
Hier von anderen großartig etwas zu verlangen, ohneselber einmal darüber zu reden, wer eigentlich seit Jahrund Tag mit viel sozialer Kälte dafür kämpft, dass dieRegelsätze möglichst niedrig bleiben, das ist schon einStück aus dem Tollhaus.
Wir mögen vielleicht nicht alles behalten, aber eineMenge von Ihrer Partei haben wir behalten. „Menge“heißt dann immer „Steuern senken für die, die reichsind“ und nie „existenzsicherndes Minimum für die, diearm sind“. Das kennen wir.
Ich sage Ihnen ganz klar: Das Bundesverfassungsge-icht hat einen Auftrag erteilt, der heißt: transparente Be-echnung, den tatsächlichen Bedarf ermitteln und dabeiatürlich Wertentscheidungen treffen. Es hat von eige-en Regelsätzen für Kinder gesprochen und auch davon,ass Kinder einen Anspruch auf individuelle Förderungaben, und zwar ab sofort.
rau von der Leyen hat daraufhin einen Riesenwindbeu-el gebacken. Das sind die, die, wenn man sie in denackofen tut, so aufgehen. Wenn man die Klappe zurüh aufmacht, ist die warme Luft raus, und das Ding istlatt.
as nennt sich bei von der Leyen „Chipkarte“. Mit derhipkarte haben Sie versucht, uns zu suggerieren, dieinder würden im ganzen Land eine umfassende Förde-ung bekommen. Das ist aber gar nicht der Fall.
ielmehr haben Sie trickreich eine Berechnung ge-acht, bei der das Ergebnis schon vorher feststand.
ie haben suggeriert, es gebe eine detaillierte Berech-ung. Warum legen Sie sie dann nicht vor?
Nein, es ist nicht vorgelegt. – Die Alternativberech-ungen, die man haben möchte, um die Wertentschei-ung und die Berechnung nachvollziehen zu können,urden dem Ausschuss heute verweigert.
rau von der Leyen hat angerufen und – ich danke dafür –ngeboten, Details, Rechnungen und Zahlen in Hinter-rundgesprächen mit den Fraktionen noch bekannt zueben.Auch schön, das mutet aber an, als seien die Informa-ionen beim Statistischen Bundesamt über Art und Um-ang des Lebensmittelverzehrs ungefähr so geheim ein-ustufen wie das Wissen des BND über Terrorismus.as ist nicht die Transparenz, die das Bundesverfas-ungsgericht gefordert hat.
Sie haben die Bezugsgrößen heruntergerechnet, damit esasst, zum Beispiel – dafür sehe ich keine Begründung –,ndem Sie sagen: Wir betrachten nicht mehr die unteren0 Prozent, sondern die unteren 15 Prozent. – Meinehese ist, dass Sie die Kriterien des Bundesverfassungs-erichts schlicht und einfach nicht zum Gegenstand der
Metadaten/Kopzeile:
6362 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Renate Künast
)
)
Beratung und Berechnung gemacht haben, sondern fürSie war nur das Lohnabstandsgebot sachleitend.Ich verstehe ja, dass die Menschen, die arbeiten ge-hen, sagen: Ich möchte auch sehen, dass da ein Unter-schied ist. – Ohne Zweifel. Diesen Unterschied erreichtman aber nicht, indem man erbärmliche Ressentimentsder Armen gegen die Ärmsten schürt, weil ja auch dieGeringverdiener nicht über die Runden kommen, son-dern dafür muss man den flächendeckenden gesetzlichenMindestlohn einführen. Das wäre Würde für beide.
Frau Schwesig hat es gesagt: Wie kommt denn dieVerkäuferin klar? Wie kommt in diesem Land denn eineFriseurin klar? – Das muss man nicht nur in den Ländernregeln, sondern das muss man bundesweit regeln, umnicht noch eine Bundesländerkonkurrenz aufzubauen.Der gesetzliche Mindestlohn muss her!Wir wissen, dass es jetzt einen Abstand gibt. Eine Fa-milie mit zwei Kindern und einem Verdienst von1 700 Euro brutto hat noch immer 460 Euro mehr als diegleiche Familie im Hartz-IV-Bezug.
– Ja, wenn Sie das Kindergeld, den Kinderzuschlag unddas Wohngeld dazurechnen, dann ist das so.
Ich sage Ihnen von der CDU/CSU: Sie brauchen keineSitzungen, bei denen Sie sich fragen, für was das „C“steht und welche Bedeutung das „C“ hat. Singen Sie ein-fach das Hohe C; treten Sie nicht auf der Hühnerleiternach unten.
Frau Merkel sagt – Frau von der Leyen sagt das auch –,der Hartz-IV-Bezug solle kein Dauerzustand sein, dieMenschen sollen wieder in Arbeit. – Ja, das wäre Würdeund Teilhabe für einen selbst und um dem Land etwaszurückzugeben. Tun Sie dann aber auch etwas dafür,dass das sozusagen eine Übergangsperiode ist; Sie ken-nen sich im Brückenbau doch so gut aus. Sie müssendann dafür sorgen, dass bei der BA in den nächsten Jah-ren nicht 16 Milliarden Euro gestrichen werden. DieWiedereingliederung und den Übergang bekommt mannur hin, wenn man das Geld hat und sinnvoll einsetzt.
Frau Merkel ist seit fünf Jahren Kanzlerin. Reden wirjetzt einmal nicht nur darüber, dass die SPD elf Jahre amStück regiert hat. Sie ist seit fünf Jahren Kanzlerin. WoisuEdsmzlüsGmaniFgthffHDas
Frau Kollegin, denken Sie an die Redezeit.
Ich komme zum letzten Satz. – Es geht auch nicht, so
u tun, als würde jedes Kind 250 Euro im Jahr an Sach-
eistungen bekommen. Nur 20 Prozent der Kinder sind
berhaupt an Schulen, an denen es eine Kantine gibt –
prich: 80 Prozent bekommen kein Essen und auch kein
eld dafür. Die 20 Prozent, die das Essensgeld bekom-
en, erhalten ungefähr 360 Euro im Jahr. Das ist mehr
ls der Durchschnitt von 250 Euro.
Meine Damen und Herren, es reicht hinten und vorne
icht. Wie sollen die Eltern ihre Kinder zur Musikschule
n die nächste Stadt fahren, wenn sie nicht einmal einen
ahrschein haben, um legal dahin zu fahren?
Frau Kollegin, Sie haben die Redezeit jetzt schon län-
er überschritten.
Ihre Struktur ist falsch, weil eine wirkliche Infrastruk-
ur fehlt. Diese Infrastruktur muss sein: Mindestlöhne
er, Kooperationsverbot weg und endlich Maßnahmen
ür Langzeitarbeitslose!
Der Kollege Karl Schiewerling ist der nächste Redner
ür die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ört man die Reden der Opposition, dann meint man:as blanke Elend ist in Deutschland seit längerer Zeitusgebrochen, Deutschland liegt danieder, die Menschenind nur noch arm, nichts ist da.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6363
Karl Schiewerling
)
)
Frau Künast, Sie haben in einer bemerkenswertenVerwirrungsaktion lauter Nebelbomben hier in diesenSaal geworfen und versucht, den Menschen klarzuma-chen, was alles nicht passiert.
Ich sage Ihnen, was passiert ist: Wir haben gemeinsam2003/2004 – damals gab es einen großen Konsens – diebeiden Leistungen der Arbeitslosenhilfe und der Sozial-hilfe zur Grundsicherung für Arbeitsuchende mit der Er-wartung zusammengelegt, dass wir den Menschen helfen,dass wir Gelder einsparen und dass wir vor allen Dingendafür sorgen, dass wir mit diesem Instrumentarium Men-schen aktivieren. Frau von der Leyen hat vorhin, wie ichfinde, sehr richtig Ihren früheren Außenminister JoschkaFischer zitiert, der genau diese Erwartungshaltung, umdie es ging und die wir für richtig gehalten haben, präziseformuliert hat.Dass damals, als die beiden Hilfeleistungen zusam-mengelegt worden sind, mehrere Fehler unterlaufen sind,hat uns das Bundesverfassungsgericht in zwei Urteilenattestiert. Den einen Fehler haben wir behoben, indemwir die Jobcenterreform durchgeführt haben. Das war dererste Schritt. Die zweite Maßnahme, die wir auf den Wegbringen, betrifft die Bedarfssätze der Erwachsenen undder Kinder, von denen das Verfassungsgericht gesagt hat,sie seien nicht transparent. Das Verfassungsgericht hatnicht gesagt, die Bedarfssätze seien nicht hoch genug,sondern sie seien nicht nachvollziehbar. Es hat nicht ge-sagt, wir müssten mehr Geld obendrauflegen, weil vondem Betrag keiner leben könne. Das Verfassungsgerichthat vielmehr gesagt: Analysiert das Ganze und legt dieKriterien vernünftig dar!
Das Zweite, was das Bundesverfassungsgericht gesagthat, war: Legt eigene Bedarfssätze für die Kinder fest!Das Dritte: Beachtet, dass Kinder Bildungs- und Teilha-bechancen haben!Genau das ist passiert. Über viele Monate hat dasBundesarbeitsministerium sehr sorgfältig die Daten er-hoben. Es ist genau das nicht eingetreten, was Sie vonden Linken und den Grünen behaupten, nämlich dass imHinterzimmer Daten zusammengetragen worden seien.
Das stimmt nicht. Noch nie gab es bei der Darlegung derBedarfssätze so viel Transparenz wie jetzt.
Ich halte es für falsch, zu sagen, die Bedarfssätze seiengedeckelt worden. Das ist nicht der Fall. Wenn 1 Euromehr herausgekommen wäre, dann wäre es eben nur1 Euro gewesen, wenn 50 Euro mehr herausgekommenwzhdBdnLHps–nsmrjgdcJmwImGlsbsIbPhzssddrWdw
Wir stellen nicht den Sozialminister.Zu der Frage, wie das Ganze weitergeht, sage ich Ih-en: Wir werden die jetzige Reform durchführen müs-en. Ich bitte sehr herzlich die SPD und die Grünen, dieit dafür gesorgt haben, dass Hartz IV, die Grundsiche-ung für Arbeitsuchende, auf den Weg gekommen ist,etzt auch mitzuhelfen, das, was das Bundesverfassungs-ericht als falsch kritisiert hat, gemeinsam mit uns wie-er in Ordnung zu bringen, so wie wir das mit der Job-enterreform gemeinsam gemacht haben. Im nächstenahr geht es dann um die arbeitsmarktpolitischen Instru-ente und darum, wie wir Menschen helfen können,ieder in Beschäftigung zu kommen.
ch sage Ihnen, dass wir wesentlich mehr Gestaltungs-öglichkeiten haben, wenn wir, wie es im Augenblickott sei Dank der Fall ist, keinen Aufwuchs von Arbeits-osigkeit haben. Wir werden hören, dass die Arbeitslo-igkeit abnimmt. Heute konnten wir feststellen: Wir ha-en den höchsten Beschäftigungsstand in Deutschlandeit langem und das Niveau vor der Krise übertroffen.ch glaube, dass wir allen Grund haben, die Kräfte zuündeln, um den Menschen, die sich schwertun, wiedererspektiven zu eröffnen. Ich glaube, dass wir Chancenaben, den Kindern Hilfe und Unterstützung angedeihenu lassen.Tun Sie doch nicht so, als ob die Hilfe, die wir organi-ieren – Mittagsbetreuung, Mittagessen, Teilhabe am ge-ellschaftlichen Leben –, nichts sei. Alles das hat es vorem Entwurf unserer Bundesarbeitsministerin Frau voner Leyen nicht gegeben. Das ist etwas, was wir einfüh-en.
ir machen Ernst mit der Förderung und Unterstützunger Kinder. Darauf legen wir den Fokus. Verschweigenir bitte nicht: Es geht nicht um 5 Euro.
Metadaten/Kopzeile:
6364 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Karl Schiewerling
)
)
Es geht um die Transparenz der Sätze. Wir werden Kin-dern über 30 Euro im Monat mehr zukommen lassen.Wir werden denen die Unterstützung geben, die sie drin-gend benötigen. Wir handeln, Sie reden nur. Wir ladenSie aber ein, mit uns gemeinsam an die Lösung der Pro-bleme heranzugehen.
Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Kollegin Elke
Ferner.
Ich gucke gern mit Ihnen zusammen in die Vergan-genheit.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen und Kolle-ginnen! Ich glaube, wir sollten hier nicht immer wiedermit dem Finger auf andere zeigen; denn wenn man miteinem Finger auf jemand anderen zeigt, zeigen drei Fin-ger auf einen selbst zurück.
Herr Kolb, die FDP und die Union, Sie alle waren imVermittlungsausschuss dabei. Wie ich von meinen Kol-legen, die damals im Vermittlungsausschuss waren,weiß, konnten Ihnen die Regelsätze gar nicht weit genugsinken. Sie wollten mit aller Gewalt durchsetzen, dassdie Regelsätze heruntergehen und der Niedriglohnsektorausgeweitet wird. Dass man, um einen Minijob auszu-üben, bis zu 400 Euro verdienen darf, hat die Union ge-wollt. Vor allen Dingen ging es um die Einführung undAusweitung von Kombilöhnen. Das ist es, was Sie alsRegierungskoalition auch heute noch proklamieren.
Wir sollten uns vielleicht noch einmal vergegenwärti-gen, was das Verfassungsgericht gesagt hat: Das Exis-tenzminimum darf nicht unterschritten werden. Man darfan dieser Stelle nicht beliebig Änderungen vornehmen.Was haben wir allerdings in der letzten Woche erlebt?Das Verfassungsgericht hat im Übrigen auch Transpa-renz, Nachvollziehbarkeit und eine bedarfsgerechte Aus-gestaltung der Regelsätze gefordert.In der letzten Woche haben wir von den Finanzpoliti-kern der Koalition gehört, die Neugestaltung der Regel-sätze dürfe keine Mehrkosten nach sich ziehen. HerrSeehofer hat gesagt: Null Euro zusätzlich. HerrWesterwelle hat gesagt: Ein bisschen mehr Geld, aberum Gottes willen nicht so viel. Am Donnerstag habenwir gehört, die Kanzlerin habe sich mit den Ministerprä-sidenten der CDU-geführten Länder auf deutlich unter20 Euro geeinigt. Am Sonntag ist dann beschlossen wor-dwmdunIuweGbsabSMMDswKmMgsVnWsdfsUdfnsdzIhtk
n diesen Fällen genügen Sie dem Verfassungsgerichts-rteil nicht. Ihr Gesetzentwurf enthält ein Zahlenwirr-arr. Das Ganze ist eine Blackbox und alles andere alsine transparente Ermittlung der Regelsätze.Außerdem wird durch Ihren Gesetzentwurf dasrundproblem überhaupt nicht gelöst. Das Grundpro-lem ist nämlich: Menschen sind arm, weil sie arbeitslosind oder weil sie zu Hungerlöhnen arbeiten müssen undm Ende des Monats auch noch eine Transferleistungeziehen müssen.
ie kürzen die Ausgaben für arbeitsmarktpolitischeaßnahmen. Das heißt, Sie verkleinern die Chancen derenschen, wieder in Arbeit zu kommen.
arüber hinaus weigern Sie sich nach wie vor, einen ge-etzlichen Mindestlohn einzuführen. Im Gegenteil, Sieollen mit der Erhöhung der Zuverdienstgrenzen denombilohn auch noch ausweiten. Das werden wir nichtitmachen; das sage ich Ihnen. Ohne die Einführung desindestlohns ist dieser Weg der Wahnsinn. Die Spiraleeht dann noch viel weiter nach unten, als sie es ohnehinchon ist.
Ich möchte ein Beispiel dafür geben, dass die vomerfassungsgericht eingeforderte Realitätsgerechtigkeiticht gegeben ist. Frau von der Leyen hat eben vonertentscheidungen gesprochen, die getroffen wordenind, nachdem bestimmte Sachen herausgerechnet wor-en waren. Es geht hier nicht um viel Geld, sondern ein-ach um die Denkweise, die hinter Ihrem Gesetzentwurfteht. Eine Position lautet etwa: chemische Reinigung.nterlegt ist diese Position mit etwas mehr als 1 Euro. Iner Begründung steht, eine solche Reinigung komme nurür teure Bekleidung infrage; die brauche man eigentlichur, wenn man arbeite; wenn man ein Vorstellungsge-präch habe, könne man sich die Reinigungskosten voner Arbeitsagentur oder von der Arge über irgendeinenur Verfügung stehenden Haushaltstitel erstatten lassen.ch frage mich, in welcher Welt Sie eigentlich leben. Ichabe in meinem ganzen Leben noch keinen Winterman-el gehabt, den ich in die Waschmaschine steckenonnte.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6365
Elke Ferner
)
)
Ich weiß nicht, warum die Rentnerin, die von Grund-sicherung lebt und sich sowieso nirgendwo bewerbenkann, ihren Mantel nach Ihrer Auffassung nicht mehr indie Reinigung tragen darf. So könnte man noch vieleEinzelbeispiele aufführen. Das zeigt, wes Geistes KindSie eigentlich sind.
Ich möchte zum Schluss noch einmal etwas zur Bil-dungsteilhabe sagen. Der Zuschuss zum Schulessennutzt nur 20 Prozent der Kinder, die im SGB-II-Bezugsind. Die anderen 80 Prozent haben keinen Zugang zumSchulessen, weil es keine Angebote gibt. Auch für an-dere Dinge, die im Teilhabepaket enthalten sind, gibt eswahrscheinlich nicht genug Angebote.Deshalb kann ich Ihnen nur sagen: Es sind nun achtMonate tatenlos ins Land gegangen, statt mit den Län-dern und den Kommunen an vernünftigen Umsetzungs-konzepten zu arbeiten.
Dafür brauche ich keine EVS und keine Neuregelung derRegelsätze; dafür muss ich nur meinen gesunden Men-schenverstand einschalten, werter Herr Kollege.
Deshalb fordern wir einen Rechtsanspruch auf Teil-habe an Bildungs-, Sport-, Freizeit- und Kulturangebo-ten für alle Kinder.
– Dann hätten Sie früher auch einmal etwas machen sol-len. Mir ist nicht bekannt, dass in der Großen Koalitionvon Ihrer Seite gesagt worden wäre: Die Regelsätze sindnicht transparent ermittelt. Wir müssen da etwas ma-chen.
Nichts davon! Im Gegenteil, Sie wollten immer weiterherunter.
Sie haben sogar noch die Chuzpe gehabt, das Schul-bedarfspaket im ersten Schritt nur für Kinder bis zur10. Klasse zu gewähren.
Wir mussten dann durchdrücken, dass auch die Kinder,die ein Gymnasium besuchen, davon etwas bekommen.–uFLRrdfdSbfnsASpAhWkak
Das ist wirklich ungeheuerlich gewesen, Herr Kollege,nd zwar von Ihrer Fraktion.Schönen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Pascal Kober für die
DP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!iebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, Ihreeaktion auf die Regelsatzbemessung der Bundesregie-ung war so vorhersehbar wie die Tatsache,
ass auch dieses Jahr Heiligabend auf den 24. Dezemberallen wird. Das Einzige, was mich ein bisschen verwun-ert hat, ist das Maß an Pathos, Frau Schwesig, mit demie hier Ihre angebliche Betroffenheit zum Ausdruck ge-racht haben.
Es war doch völlig klar und völlig vorhersehbar: Re-lexartig rufen Sie nach mehr. Sie wissen, dass es zu we-ig ist. Das wussten Sie schon am 9. Februar. Das wis-en Sie auch heute, obwohl Sie, Frau Ferner, gesternbend in einem Radiointerview zugegeben haben, dassie die Daten der Einkommens- und Verbrauchsstich-robe noch gar nicht gesehen haben.
ber Sie wissen, dass es mehr sein muss.Dabei durchschaut jede und jeder, die bzw. der unseute hier zuhört, das Spiel, das hier gespielt wird.
ären wir bei der Regelsatzbemessung auf 400 Euro ge-ommen, dann hätten Sie 420 Euro gefordert. Wären wiruf 420 Euro gekommen, wären Sie auf 440 Euro ge-ommen. Das durchschaut jeder. Dieses Hase-und-Igel-
Metadaten/Kopzeile:
6366 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Pascal Kober
)
)
Spiel machen wir nicht mit. Uns geht es um seriöse Poli-tik.
Deshalb hat diese Bundesregierung auf die Daten derEinkommens- und Verbrauchsstichprobe gewartet undmit ihnen klar und nachvollziehbar dargelegt, was Be-standteil der Regelleistung ist und was nicht. Im Gegen-satz zu Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, begründet die Bundesregierung sogar, warum siezu dieser ihrer Beurteilung kommt. Das unterscheidetgute, vertrauensbildende Politik von Willkür und, wiewir seit dem 9. Februar auch wissen, von verfassungs-widriger Politik.Vor allem haben wir eines gemacht, was Sie in derVergangenheit geflissentlich ignoriert haben: Wir habenden Regelsatz von Kindern und Jugendlichen eigenstän-dig berechnet. Somit ist der Bedarf von Kindern und Ju-gendlichen erstmals nachvollziehbar.
Nun höre ich von Ihnen in den vergangenen Tagen im-mer die Kritik, dass der Regelsatz für Kinder und Ju-gendliche nicht steigen würde. Damit erzählen Sie be-wusst nur die halbe Wahrheit. Nein, ich würde sogarsagen, Sie erzählen sie ganz falsch. Zum einen haben dieBerechnungen des Kinderregelsatzes ergeben, dass ersogar unter dem bisherigen Satz liegen müsste. Dies hatdie Koalition jedoch absichtlich so nicht umgesetzt. Wirzeigen damit, welche Bedeutung Kinder und ihre Chan-cen für uns haben.
Erstmals berücksichtigen wir auch den Bedarf der Kin-der und Jugendlichen für Bildung und stärken so ihreEntwicklungschancen und ihre Teilhabechancen. 620 Mil-lionen Euro pro Jahr investieren wir in die Zukunft derKinder.Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, Siekönnen es drehen und wenden, wie Sie wollen: Diesechristlich-liberale Koalition ist die erste, die die Zukunftvon Kindern im Arbeitslosengeld-II-Bezug in den Blicknimmt und Möglichkeiten der Bildung verwirklicht.
Durch das Sachleistungsprinzip an dieser Stelle sorgenwir auch dafür, dass die Leistungen direkt bei den Kin-dern ankommen und dass sich die Chancen auf Verwirk-lichung von Teilhabe deutlich erhöhen.Es ist gut, dass Kindern jetzt die Möglichkeit gegebenwird, am warmen Mittagessen in der Schule teilzuneh-men.
EAaphEwWnDBIzfdakwdKkAmdhKsssdmSBvsrR
Liebe Frau von der Leyen, ich nehme Ihnen nicht ab,ass Sie an diesen Betrag von 5 Euro glauben, so dünn-äutig wie Sie sind.Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undollegen, es gibt eindeutige Indizien für die Verfas-ungswidrigkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat miteinem Urteil erstmals klare Maßstäbe gesetzt. Wir wis-en jetzt, was wir machen müssen. Vor dem Hintergrunder Vergangenheit aller Parteien, die hier vertreten sind,üssen wir sorgsam damit umgehen. Das wollen wir alsPD auch tun.
Fangen wir mit dem ersten Grundsatz an, den dasundesverfassungsgericht angeführt hat. Das Bundes-erfassungsgericht hat gesagt, dass es einen Gestaltungs-pielraum gibt. Das ist gut. Das Bundesverfassungsge-icht hat aber auch ganz klar und deutlich gesagt, deregelsatz dürfe nicht evident zu niedrig sein. Insbeson-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6367
Anette Kramme
)
)
dere das physische, aber auch das soziokulturelle Exis-tenzminimum müsse gewährleistet werden. Was be-obachten wir aber?Erstens verkleinern Sie die Bezugsgruppe. Als Be-zugsgruppe nehmen Sie die untersten 15 Prozent derHaushalte – dies bei einer rasanten Entwicklung im Nie-driglohnsektor. Ist denn überhaupt noch sichergestellt,dass dieses Existenzminimum ausreichend ist?Zweitens haben Sie die Aufstocker in der Statistik.Ich kann keine Sozialleistung berechnen, indem ich aufMenschen verweise, die Sozialleistungen beziehen.Auch das ist ein Zirkelschluss, der unzulässig ist.
Lieber Herr Kolb, es gibt einen dritten Punkt, derklarmacht, wie leichtfertig Sie mit diesem Urteil umge-hen. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, bei derletzten Berechnung sei es noch angemessen gewesen,die verdeckt Armen in der Statistik zu belassen. DasBundesverfassungsgericht hat aber auch klar aufgege-ben, dass die Statistik an diesem Punkt verfeinert werdenmuss. Jetzt befinden sich Menschen in der Statistik, dieweniger haben als Sozialleistungsempfänger.Wenn man alle diese Aspekte zusammennimmt, dannkann man nur sagen: Es gibt intensive Bedenken betref-fend die Verfassungswidrigkeit.
Auch Transparenz erreichen Sie nicht. Sie erläuternnicht, warum bei Einpersonenhaushalten nur 15 Prozentals Bezugsgruppe gelten und in den anderen Bereichen20 Prozent. Sie geben keinerlei Erläuterungen hierzu.Die nächste Frage ist: Warum haben wir heute imAusschuss keine Alternativberechnung erhalten? Warumsind Sie nicht bereit, zu zeigen, zu demonstrieren, was esbedeuten würde, wenn wir 20 Prozent als Bezugsgruppenähmen?Ich kann dazu nur sagen: Ein Schelm, wer Böses ver-mutet.
– Genau, Sie sehen es.Frau von der Leyen, im Sommer ist mir richtig warmums Herz geworden,
als Sie vom Reit- und vom Musikunterricht geredet ha-ben. Letztlich hat sich aber alles ergeben. Sie besitzenkeinerlei Durchsetzungskraft. Sie haben keine Durchset-zungskraft gezeigt gegenüber Frau Merkel, gegenüberHerrn Seehofer und gegenüber Herrn Westerwelle.Was ist denn in dem Paket der sozialen Teilhabe ent-halten?
EnvtzaRssgncfzDwptGWrsssdmwsFldFhvGw
In diesem Sinne herzlichen Dank.
Das Wort hat nun die Kollegin Ingrid Fischbach für
ie CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!rau Schwesig, ich weiß nicht, was Sie meinten; ichabe Sie gar nicht verstanden. Ich kann mir aber nichtorstellen, dass Sie Ihren eigenen Kollegen, die diesesesetz 2003 auf den Weg gebracht haben, vorhaltenollten, sie hätten nicht verhandelt, sondern das Gesetz
Metadaten/Kopzeile:
6368 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Ingrid Fischbach
)
)
hinter verschlossenen Türen ausgekungelt. Meinten Siedas wirklich so? Denn das würde bedeuten, dass das,was das Bundesverfassungsgericht bemängelt hat – näm-lich ins Blaue hinein zu schätzen, wie viel Prozent desAnsatzes für die Erwachsenen für Kinder genommenwird, um auf 50 Cent an die Summe heranzukommen,die schon vorher eingestellt worden ist –, so geschehenist. Aber das haben Sie sicher nicht gemeint.Wir gehen nicht so vor, und das ist wirklich neu. Siesollten sich ein Beispiel daran nehmen, auch mit Blickauf die Dinge, die zukünftig auf den Weg gebracht wer-den sollen. Wir wollen Transparenz. Sie haben recht: Esgeht nicht um Tabak und Alkohol. Diese Entscheidunghaben wir politisch getroffen. Es geht darum, die Men-schen in Arbeit zu bringen. Deswegen haben wir die In-ternetkosten und die Praxisgebühr mit aufgenommen.
Das gab es bei Ihnen nicht; das ist neu, und das mussman wissen.Wir brauchen Menschen auch nicht gegeneinanderauszuspielen. Deswegen bitte ich Sie, endlich mit denWorten von der guten Arbeit aufzuhören. Ich weiß nicht,was Sie sich unter guter Arbeit vorstellen.
Was ist denn schlechte Arbeit?
Diese Diskussion sollten Sie einmal mit denjenigen füh-ren, bei denen Sie schlechte Arbeit vermuten. Wenn Siegut bezahlte Arbeit meinen, dann müssen Sie es sagen.Aber eine Diskussion über gute Arbeit und schlechte Ar-beit sollten wir nicht zulassen.Frau Golze hat, genau wie Frau Kramme, gesagt, wirhätten bei den untersten Einkommen etwas weggelassenund wollten die Beträge nur niedrigrechnen. Wir habengenau das getan, was 2003 die rot-grüne Regierung ge-tan hat: Wir haben das unterste Einkommensfünftel ge-nommen. Aber wir haben 8,6 Prozent der untersten Ein-kommen herausgerechnet, was Sie nicht getan haben.Das heißt, wir gehen bei Einpersonenhaushalten von ei-nem Grenzwert von 901 Euro netto aus. Bei den Eckre-gelsätzen für Kinder gehen wir bei einem Paarhaushaltmit Kindern – das ist unterschiedlich gestaffelt, je nach-dem, wie alt die Kinder sind – von einem Grenzwert vonim Schnitt 2 327 Euro netto aus. Da sagen Sie mir, dasseien die untersten Einkommen? Welche Familie, in derjemand tagtäglich acht Stunden arbeitet, kommt auf2 400 Euro netto?
Zeigen Sie mir einmal solche Familien, um mir zu be-weisen, dass das das unterste Einkommensviertel in un-serem Lande ist. Das wage ich zu bezweifeln.kuWISAhh–nhwkbwrudRtSukzbSdnAhögww
ch habe es schon in der Haushaltsdebatte gesagt: Auchie haben bei den Kinderregelsätzen den zu geringennteil für Bildung und kulturelle Teilhabe nicht gese-en. Seien Sie doch froh, dass wir das Problem erkanntaben und den ersten Schritt gehen.
Nichts sehen, nichts hören und nichts sagen: Das ken-en wir von den drei Affen. Die sind heute aber nichtier.
Wir gehen den ersten Schritt, indem wir sagen: Wirollen die Förderung ausbauen. Seien Sie so fair und er-ennen Sie an, dass wir diesen ersten Schritt, der zuge-enermaßen noch nicht ausreichend ist, gehen. Dasürde der Sache guttun.Frau Ferner, ich möchte eine letzte Bemerkung zu Ih-er Rede machen. Wenn ich vor dem Fernseher gesessennd diese Debatte verfolgt hätte, hätte ich mich durchas von Ihnen angeführte Beispiel von der chemischeneinigung verhöhnt gefühlt. Alle Kleidung, die manrägt, kann in der Waschmaschine gewaschen werden.ie hängen sie tropfnass auf, bügeln von innen das Futternd dann ist sie wieder sauber.
Darum geht es aber überhaupt nicht. Sie sollten kon-ret sagen – das haben Sie aber nicht getan –, was Sieusätzlich haben wollen. Sie sagen nur pauschal: Wirrauchen mehr. – Sagen Sie doch genau, an welchentellen Sie mehr haben wollen. Wollen Sie den Satz fürie chemische Reinigung erhöhen? Dann stellen Sie ei-en entsprechenden Antrag.
ber ich sage Ihnen: Damit ist den Menschen nicht ge-olfen.Wir haben zum allerersten Mal in transparenter Weiseffentlich gesagt, welche Warenkörbe wir berücksichti-en. Wir haben die politische Entscheidung getroffen,as herausgenommen und was mit hineingenommenerden soll.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6369
Ingrid Fischbach
)
)
– Das ist doch unsere Aufgabe.
Das ist das Einzige, worüber wir politisch entscheidenkönnen. An allen anderen Punkten, Frau Ferner – das hatuns und Ihnen doch das Bundesverfassungsgericht insStammbuch geschrieben –, können wir mit Blick auf dieExistenzsicherung nichts ändern. Diese Vorgaben kön-nen von niemandem verändert werden. Die einzigenPositionen, bei denen wir politisch Akzente setzen kön-nen, beziehen sich auf Positionen, die nicht zur Existenz-sicherung gehören. Wir haben zu Recht gesagt, dassAlkohol und Zigaretten aus dem Warenkorb herausge-nommen werden müssen. Das Geld wollen wir für dieKinder einsetzen. Das soll ein Schwerpunkt sein. Auchwenn es wenig ist: Es ist richtig, diesen Schwerpunkt zusetzen. Diesen Weg werden wir gemeinsam weitergehen.
Ihnen kann ich nur ganz deutlich sagen: Sie helfenniemandem, wenn Sie einfach nur fordern: mehr, mehr,mehr. – Qualifizierte Angebote, genau auf die Bedürf-nisse der Menschen zugeschnitten, zu machen und dieKinder zu fördern, ist christlich-soziale Politik.
Das kennzeichnet unsere Regelsätze.
Nächster Redner ist der Kollege Max Straubinger für
die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!Wir erleben eine aufgeregte Debatte über ein Thema, beidem die Bundesregierung angesichts des Fehlverhaltensvon Rot-Grün nachbessern muss. Wir reparieren nämlichein Gesetz, das Rot-Grün so ausgestaltet hat, sodass dasBundesverfassungsgericht urteilen musste, dass die nö-tige Transparenz und Nachvollziehbarkeit nicht gegebenist.
Diesem Auftrag kommen wir mit dem von der Bun-desministerin vorgelegten Gesetz nach. Es zeigt sehrdeutlich, dass wir Transparenz und Nachvollziehbarkeitin den Mittelpunkt dieses Gesetzgebungsverfahrens stel-len.
MwbFSfwsbsDmmsWvidgSHrfammtsmdDidalskuhasdtiirdh
ir haben mehr Beschäftigung in unserem Land, undor allen Dingen über den Niedriglohnsektor, der hiermmer etwas falsch dargestellt wird, haben wir erreicht,ass viele Menschen in ordentliche Beschäftigungekommen sind. Wenn wir jetzt – Kollege Karlchiewerling hat darauf hingewiesen – in unserem Landöchstbeschäftigung wie von vor der Krise wieder er-eicht haben, dann zeigt dies sehr deutlich, dass die Re-ormen der vergangenen Zeit durchaus greifen und wiruf einem guten Weg sind.
Auf diesem Weg werden wir voranschreiten. Aberan muss auch darstellen, dass Hartz-IV-Bezug nichtit Armut gleichzusetzen ist, wie es Frau Landesminis-erin Schwesig in ihrer Rede heute wieder behauptet hat,ondern die Grundlage für ein menschenwürdiges Lebenit Teilhabe ist. Dies wurde so auch in der Begründunges rot-grünen Gesetzentwurfs im Jahre 2003 formuliert.avon soll man sich hier nicht verabschieden. Vielmehrst es eine großartige Leistung unseres Sozialstaates,ass wir diese Mittel erbringen und dass viele Menschenuch mit geringstem Einkommen durch ihre Beitrags-eistung die Grundlage dafür legen, dass letztendlich die-en sozialen Anforderungen nachgekommen werdenann.
Deshalb, werte Damen und Herren, liebe Kolleginnennd Kollegen, ist es schon entscheidend, auch daraufinzuweisen, dass es nicht nur um den finanziellen Teil,lso die 359 Euro oder die 364 Euro ab 1. Januar 2011,ondern um eine Betrachtung der Gesamtleistung geht,ie die Empfänger bekommen. Die Leistungen des Staa-es erschöpfen sich eben nicht in der Regelleistung sowiem Kostenersatz für Wohnung und Heizung. Enthaltenst zum Beispiel auch der Kranken- und Pflegeversiche-ungsbeitrag in Höhe von 164 Euro. Auch dies leistenie Steuerzahler für die Absicherung der ALG-II-Bezie-er.
Metadaten/Kopzeile:
6370 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Max Straubinger
)
)
Auch ist es mit entscheidend, darzustellen, dass Kom-munen und Länder den ALG-II-Beziehern Vergünsti-gungen im öffentlichen Personennahverkehr zusätzlichzur Grundleistung geben. Außerdem sind sie auch vonden Fernseh- und Radiogebühren befreit, was zeigt, dasssie zumindest unter Unterhaltungsgesichtspunkten amgesellschaftlichen Leben teilhaben können. Wir müssendies also in der Gesamtheit betrachten.Angesichts dessen frage ich mich schon, ob die SPDwirklich will, dass ein Alleinstehender, der Vollzeit ar-beitet und einen Stundenlohn von 7,50 Euro erhält – daswar ja einmal das Modell der SPD; jetzt werden Siewohl etwas aufstocken –, mit 1 250 Euro brutto nachHause geht. Er hat dann Abzüge von 250 Euro für So-zialbeiträge und von 50 Euro für Steuern und bekommtletztendlich 950 Euro ausbezahlt, während derjenige, derauf ALG-II-Leistung ist, immerhin auch 800 bis 850 Euroerhält.
Ich glaube, dass es durchaus entscheidend ist, dass wirein entsprechendes Lohnabstandsgebot wahren.
Derjenige in unserer Gesellschaft muss mehr haben, derarbeitet. Das ist entscheidend, damit unser Sozialstaatauch weiterhin funktionieren kann.In diesem Sinne danke ich herzlich für die Aufmerk-samkeit.
Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Gabriele
Hiller-Ohm das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!Die SPD hat schon im März einen umfangreichen An-trag zur Bemessung der Regelsätze und zur Bekämpfungvon Armut vorgelegt. Warum, so frage ich Sie, FrauMinisterin, haben Sie unsere Anregungen nicht aufge-griffen? Warum haben Sie so viel wertvolle Zeit mitLuftnummern wie dem Bildungschip und dem Basisgeldverstreichen lassen?Auch Sie wissen spätestens seit Februar, dass uns dasUrteil vor große Herausforderungen stellt. Sie, die Bun-desregierung, und wir, der Gesetzgeber, sind jetzt in derVvhwgFsskuwBkwlsddgghrerlEiEgpntLmudADl
er Gesetzentwurf wird auch nicht dadurch besser, dassie Koalitionsfraktionen auf Versäumnisse in der Ver-angenheit verweisen und mit dem Finger auf uns zei-en. Heute haben Sie die Regierungsverantwortung;
eute gibt es die Vorgaben des Bundesverfassungsge-ichts.Auch ich frage Sie: Wie wollen Sie allen Ernstes mitinem Minibetrag von 120 Euro pro Kind und Jahr ge-echte Teilhabe an Bildung, Sport und Kultur sicherstel-en? Privatunterricht ist teuer. Sie sagen: Dann müssenhrenamtliche herangezogen werden. – Frau Ministerin,ch finde diesen Vorschlag beschämend;
hrenamt darf in einem so wichtigen Bereich Pflichtauf-aben nicht ersetzen.Sie bleiben auch Antworten schuldig, wie Mittagsver-flegung, Förderunterricht oder Musikstunden abgerech-et werden sollen. Was Sie uns vorlegen, ist ein bürokra-isches Monstergesetz.
esen Sie unseren Antrag! Es liegt auf der Hand: Wirüssen Krippen, Kitas und Schulen zu echten Förder-nd Betreuungseinrichtungen ausbauen; dorthin gehörtas.
lle Kinder sollen die Einrichtungen nutzen können.iskriminierende Sonderstrukturen für Hartz-IV-Kinderehnen wir ab.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010 6371
Gabriele Hiller-Ohm
)
)
Privatisierung von Bildung ist der falsche Weg. Wirbrauchen in Deutschland ein nationales Programm zumAusbau von Betreuungseinrichtungen und Ganztags-schulen. Bringen Sie das auf den Weg, Frau Ministerin!Dafür haben Sie unsere Unterstützung.Zu den Regelsätzen. Als ich den Gesetzentwurf gele-sen habe, ist mir die Brille von der Nase gesprungen.Bisher wurden die unteren 20 Prozent der einkommens-schwachen Haushalte aus der Einkommens- und Ver-brauchsstichprobe als Referenzgruppe bei der Berech-nung der Regelsätze zugrunde gelegt. Schon dasempfand ich als ein gewagtes Unternehmen, gerade auchin Bezug auf die Ermittlung der Bildungsbedarfe. Sie ha-ben das jetzt aber noch getoppt, indem Sie nur die unte-ren 15 Prozent als Referenzgruppe heranziehen. FrauMinisterin, Sie bleiben mit der Größe der Referenz-gruppe selbst hinter Ihrem großmauligen Koalitionspart-ner zurück, der sich in einem vergangenen Wahlkampfzumindest eine 18 unter seine Schuhsohlen geklebt hat.
Sie legen Ihrer Berechnung der Regelsätze das Verbrauchs-verhalten der Menschen mit sehr kleinen Einkommenzugrunde. Sie scheuen sich nicht einmal, Aufstocker undSozialleistungsbezieher in die Referenzgruppe aufzuneh-men. Kein Wunder, dass die Regelsätze so niedrig aus-fallen!
Sie haben uns übrigens heute Morgen im Ausschuss dieBasiszahlen zur Regelsatzbemessung verweigert. HerrKolb, so viel zum Thema Transparenz.
Frau Ministerin, was Sie uns hier vorlegen, entsprichtnicht den Anforderungen der Verfassungsrichter.
Zu den Aufstockern: Wenn Sie einen Blick in unserenAntrag vom März geworfen hätten, wären Sie auf Vor-schläge gestoßen, wie man die Themen Aufstocker undArmut wirkungsvoll vom Tisch bringen kann. Es ist be-dauerlich, dass Sie diese Chance vertan haben und unseinen so schlechten Gesetzentwurf vorlegen. Aber es istbekanntlich nie zu spät, zu neuen Einsichten zu kom-men. Springen Sie also endlich über Ihren Schatten – erist nicht sehr groß –
und führen Sie in Deutschland einen gesetzlichen Min-destlohn ein, von dem die Menschen leben können!
Dann müssen Sie nicht mehr Geringverdiener gegenMenschen in der Grundsicherung ausspielen. Leider ar-gumentieren Sie in die entgegengesetzte Richtung. DenAkSsDMldbdMwfAüddeSdpdzWbrEgkh
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
r. Carsten Linnemann für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin deretzte Redner in dieser Debatte. Frau Schwesig, man haten Eindruck, dass Sie diese Debatte machtpolitisch einisschen ausnutzen und sie letztlich auf dem Rückenerjenigen austragen, die eigentlich Hilfe brauchen.
Erstens erzeugen Sie in diesem Land seit Wochen undonaten eine Stimmung, die bei den Menschen die Er-artung weckt, dass die Regelsätze auf jeden Fall signi-ikant steigen.
uf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind Sieberhaupt nicht eingegangen.Zweitens. In der gesamten Debatte sprechen Sie überen Regelsatz in Höhe von 364 Euro und tun so, als seiieses Geld das Geld zum Leben. Ich kann Ihnen nurmpfehlen: Gehen Sie einmal in eine Arge und fragenie dort einen Familienvater oder einen Single, wie hochie Mietsätze sind. Man kommt auf 364 Euro plus Mietelus Heizkosten. Dann kommen Sie zu dem Ergebnis,ass in fast jeder Stadt in Deutschland eine Familie mitwei Kindern mindestens 1 600 Euro netto bekommt.
enn Sie die Arge dann verlassen, sind Sie in der Le-enswirklichkeit dieses Landes angekommen.
Ich sage es noch einmal: Das Bundesverfassungsge-icht hat nicht die Höhe der Regelsätze infrage gestellt.s ging um das Verfahren. Es ist inzwischen transparenteregelt worden. Auf der entsprechenden Homepageönnen das alle Menschen, auch alle Besucher, die heuteier sind, nachvollziehen.
Metadaten/Kopzeile:
6372 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. September 2010
Dr. Carsten Linnemann
(C)
)
– Frau Künast, als Maßstab haben wir eine Familie mitdie Hälfte! Reden Sie doch nicht immer so vielUnsinn!)Die, die nicht arbeiten können, beziehen Leistungennach SGB XII. Aber um diese 5 Millionen Menscheneinfachem Einkommen genommen. Wir sind nämlichder Auffassung, dass soziale Gerechtigkeit auch die so-ziale Balance betrifft: die Balance zwischen denjenigen,die in das System einzahlen, und denjenigen, die alimen-tiert werden. Genau das ist für uns soziale Gerechtigkeit,nichts anderes.
– Sie tun so, als gäbe es in diesem Land keine sozialeGerechtigkeit mehr. Es gibt leider immer noch Familien,die seit mehreren Generationen von der Sozialhilfe le-ben.
Wir nehmen jetzt den Ball vom Bundesverfassungs-gericht auf. Die entscheidende Frage lautet doch: Waskönnen wir für die Kinder, die SGB-II-Leistungen erhal-ten, tun? Wenn Sie sich die Ergebnisse der Shell-Studieanschauen, stellen Sie fest, dass die Kinder, die vonSGB-II-Leistungen leben, sagen: Im Vergleich zu denanderen Kindern habe ich keine gute Zukunft zu erwar-ten. – Warum werden denn so wenige Kinder aus Hartz-IV-Familien Ingenieure, Professoren oder Arbeitneh-mer?
Wir müssen diese Kinder aus dieser Situation herausho-len. Deswegen leiten wir jetzt einen Paradigmenwechselein – das hätten übrigens auch Sie tun können –, indemwir uns den Sachmitteln zuwenden. Wir werden denKindern zielgenau helfen, um sie in die Lage zu verset-zen, später in ihrem Leben selbstständig klarzukommenund ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Zu den Eltern. Ich habe in den letzten Monaten vonIhnen nicht einen Vorschlag gehört, wie wir die Eltern inBeschäftigung bringen. Nicht einen Vorschlag!6,8 Millionen Menschen leben von SGB-II-Leistungen.1,8 Millionen davon sind Kinder. Es bleiben also5 Millionen Menschen übrig, die arbeiten könnten.
ie wird nämlich völlig falsch geführt, auch in jederalksendung. Die meisten Menschen sind Aufstocker,icht weil sie zu wenig verdienen, sondern weil sie zuenig arbeiten bzw. keine Vollzeitbeschäftigung haben.as ist das Problem.
llein 140 000 Hartz-IV-Empfänger verdienen genau00 Euro hinzu, weil sie diesen Betrag behalten dürfen.an kann diesen Menschen auch nicht böse sein, weilie sich völlig rational und ökonomisch verhalten. Sietellen sich nämlich die Frage: Was kann ich tun, umesser zurechtzukommen? – Wir wollen Anreize schaf-en, um diese Menschen in Arbeit zu bringen, nichts an-eres.
Nein. – Noch einmal: Die Frage ist, wie wir Anreizechaffen können, um die Menschen in Beschäftigung zuringen. Darüber denken Sie aber überhaupt nicht nach.ie wollen die Menschen in der Sozialhilfe belassen.artz IV darf kein Lebensmodell sein, sondern höchs-ens eine Episode.Vielen Dank.
Nun ist die Aktuelle Stunde beendet. Damit sind wir
uch am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Donnerstag, 30. September, 9 Uhr,
in.
Ich wünsche noch einen schönen Abend.
Die Sitzung ist geschlossen.