Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-zung ist eröffnet.Bei unserer heutigen Sitzung begrüße ich gerne Gästeaus der Zentralafrikanischen Republik, die an der15. Internationalen Berliner Begegnung teilnehmen.Herzlich willkommen hier im Hohen Haus!Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 1 auf:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Ergebnisse der Klausur-tagung der Bundesregierung über den Haushalt 2011und den Finanzplan 2010 bis 2014.Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Berichthat der Bundesminister der Finanzen, Herr Dr. WolfgangSchäuble.Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-zen:Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Die Bundesregierung hat sich auf ihrer Klausur-tagung am vergangenen Sonntag und Montag zum einenmit den Eckwerten bzw. dem Rahmen für die Aufstel-dnwvwslnwSdkvdN6wdSH6dJsRedetlung des Bundeshaushalts 2011, dessen Entwurf wir inder Kabinettssitzung am 7. Juli beschließen wollen, zumanderen mit der Fortschreibung der mittelfristigen Fi-nanzplanung befasst. Wir haben, indem wir zunächsteinmal den Rahmen vorgeben, eine Art vorgezogenesTop-down-Verfahren angewendet. Sie wissen, dass wiruns im Rahmen des Koalitionsvertrags vorgenommenhaben, in Zukunft bei der Haushaltsaufstellung ein sol-ches Top-down-Verfahren einzuführen. Dazu müssenwir allerdings zunächst die Steuerschätztermine verän-dern, sodass wir das Verfahren in diesem Jahr noch nichtanwenden konnten.Die erste Entscheidung, die wir für die Aufstellungdes Haushalts 2011 und die Fortschreibungfristigen Finanzplanung und damit für die Uder Schuldenbremse unseres Grundgesetzeshaben, lautet: Wir legen als Ausgangspunkt f
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Mit den Beschlüssen vom vergangenen Wochenendehaben wir diesen Konsolidierungsbedarf erfüllt, wobeiwir, was ich von vornherein für vertretbar gehalten habe,für das Jahr 2014, in dem die Ausgangslage für die Fort-schreibung der mittelfristigen Finanzplanung nicht sopräzise ist, vorläufig mit einer sehr begrenzten globalenMinderausgabe in der Größenordnung von etwa 5 Mil-liarden Euro operieren. Für die Jahre bis 2013 verzichtenwir zur Unterlegung der Rückführung des Defizits aufjede globale Minderausgabe.Wir haben dazu Maßnahmen getroffen. Sie sind Ihnenim Wesentlichen bekannt. Ich möchte sie in der Größen-ordnung noch einmal darstellen. Wir haben uns um eineausgewogene Verteilung der Maßnahmen bemüht. ImJahre 2011 werden wir die Konsolidierung in der Grö-ßenordnung von 11,1 Milliarden Euro dadurch errei-chen, dass wir für den Subventionsabbau und die ökolo-gische Neujustierung einschließlich der Beteiligung vonUnternehmen insgesamt 4,8 Milliarden Euro angesetzthaben; das sage ich für diejenigen, die sich mit der Aus-gewogenheit unserer Planungen beschäftigen.Zur Neujustierung von Sozialgesetzen: Man musshinzufügen, dass wir für das Jahr 2011 gegenüber dermittelfristigen Finanzplanung einmalig einen zusätzli-chen Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung inHöhe von 2 Milliarden Euro vorsehen müssen – und wirhaben uns dafür entschieden –, sodass wir insgesamt auf5 Milliarden Euro kommen. Davon gehen 2 MilliardenEuro in den zusätzlichen Steuerzuschuss für die gesetzli-che Krankenversicherung.Wir haben im Verwaltungsbereich bei den flexibili-sierten und den disponiblen Ausgaben – von den dispo-niblen Ausgaben hat im Übrigen der Verteidigungsetatgut die Hälfte der Reduzierungen zu tragen – insgesamt,einschließlich der Anpassung der Verwaltungsausgaben,der Nichterhöhung des Weihnachtsgeldes für Beamte,der Festlegung, dass in den Einzelplänen etwaige Besol-dungserhöhungen aufgefangen werden müssen, verein-bart, dass es keine Steigerung der sachlichen Verwal-tungsausgaben gibt und dass wir im Übrigen dasFiskusprivileg im Insolvenzverfahren wieder einführenwollen, weil es sich seit seiner Abschaffung im Wesent-lichen in Richtung einer Begünstigung der Banken undder Kreditinstitute ausgewirkt hat. Das halten wir ange-sichts der Notwendigkeiten des Fiskus für nicht ange-messen. Damit kommen wir etwa auf 2,8 MilliardenEuro. Wir haben die Planungen für den Aufbau des Ber-liner Schlosses verschoben, und wir können durch einegeringere Neuverschuldung bei vorsichtiger, konservati-ver Planung eine Zinsersparnis unterstellen. Das alleszusammen ergibt noch einmal 0,6 Milliarden Euro. Siesehen, dass es sich um ein ehrgeiziges, ausgewogenesProgramm handelt.Zur öffentlichen Kritik: Die einen sagen, es seienreine Luftbuchungen. Gegen Luftbuchungen muss manübrigens keine Demonstration ankündigen. Dann de-monstriert man gegen den Wind. Die anderen sagen, daswürde das Wachstum abwürgen. Die Dritten sagen dies,und die Vierten sagen jenes. Ich glaube, wir haben einenausgewogenen, abgestimmten, ausbalancierten Pfad ge-fMLmdwmctürbwtsdKrEGdePshdmtzdsßgaD–sMwgg
Frau Kollegin Künast, das ist aber jetzt nicht Gegen-tand der Berichterstattung aus der Kabinettssitzung. –it dem Einwand haben wir gerechnet. Aber die er-ähnte Entscheidung haben wir im vergangenen Jahretroffen. Sie war umstritten. Ich respektiere die Ge-enargumente. Aber diese Entscheidung ist gefallen. Die
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
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Bundesregierung macht doch nicht alle paar Monate dasGegenteil von dem, was sie gerade entschieden hat.
Darüber hinaus haben wir uns den Katalog der Leis-tungen, die einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz unter-liegen, sehr genau angeschaut. Ich will Ihnen sagen:Wenn Sie alle Leistungen, die dem ermäßigten Mehr-wertsteuersatz unterliegen, mit dem Regelsteuersatz be-steuern wollten, hätten Sie bei der Mehrwertsteuer einMehraufkommen von etwa 23 Milliarden Euro. Aber derHauptposten mit 17 Milliarden Euro sind Nahrungsmit-tel, einschließlich Trinkwasser. Die Bundesregierungwar bei ihrer Kabinettsklausur der festen Überzeugung,dass wir den Mehrwertsteuersatz für Nahrungsmittel undauch für Trinkwasser nicht anheben sollten.
Damit ist der weitere Spielraum sehr begrenzt. Übrigensist der zweitgrößte Posten, wenn ich es richtig im Ge-dächtnis behalten habe, die sogenannten kulturellenLeistungen, zu denen auch Zeitungen gehören. Sie wis-sen um die Schwierigkeiten des Zeitungsmarktes, auchinfolge der neuen Medien. Daher haben wir gesagt: EineErhöhung des Mehrwertsteuersatzes macht keinen rech-ten Sinn. – Deswegen sind wir bei dem geblieben, waswir im Koalitionsvertrag verabredet haben. Wir werdenuns mit den Ländern gemeinsam den Katalog der Leis-tungen, die einem unterschiedlichen Mehrwertsteuer-satz unterliegen, anschauen. Aber ich warne vor jederIllusion: Solange es unterschiedliche Mehrwertsteuer-sätze gibt, wird es bei der Abgrenzung im Einzelnen im-mer Widersprüche geben. Die Bundesregierung ist abernicht der Meinung, dass wir den ermäßigten Mehrwert-steuersatz abschaffen sollten, insbesondere wegen derBedeutung für Grundnahrungsmittel und auch wegen dersozialen Konsequenzen, die sich aus einer Abschaffungergeben würden.
Herr Schneider, bitte.
Herr Minister, ich würde gern zur Frage der Berech-nung des strukturellen Defizits kommen. In der Antwortauf eine Kleine Anfrage, die ich gestellt habe, hat IhrHaus vor nicht einmal einem Monat mitgeteilt: DasHaushaltssoll 2010 ist Grundlage für die Berechnung desstrukturellen Defizits. – Sie haben hier vorgetragen, dassSie jetzt ein anderes Verfahren wählen. Die Frage ist:Wie hat sich durch die Zugrundelegung anderer Annah-men die Einsparnotwendigkeit für die Jahre 2011, 2012,2013 und 2014 verändert, und was wären die exaktenZahlen bei Zugrundelegung der anderen Annahme ge-wesen?zarmdMddksewbpnkzfEdsswgwldddzWITRS–rZjDdrkfshrisw
2011 wäre das strukturelle Defizit ohne die Verände-ungen in diesem Jahr höher gewesen. Ich werde dieahlen hoffentlich irgendwo finden. Das können wiretzt rechnen: 2010 haben wir mit einem strukturellenefizit von 66 Milliarden Euro gerechnet. Ich rechneas jetzt überschlägig, aber wir beide können ja Kopf-echnen. 2016 müssen wir auf etwa 10 Milliarden Euroommen. 56 Milliarden Euro geteilt durch 6 sind unge-ähr 9 Milliarden Euro. Das heißt, wir hätten 2011 eintrukturelles Defizit von 57 oder 56 Milliarden Euro ge-abt. Jetzt rechnen wir für 2010 aber mit einem struktu-ellen Defizit von 53 Milliarden Euro. Daher hätten wirm nächsten Jahr keinen Konsolidierungsbedarf beimtrukturellen Defizit gehabt. Das schien uns nicht verant-ortbar zu sein.
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Herr Kollege Fischer, bitte.
Axel E. Fischer (CDU/CSU):
Herr Minister, die vorgelegten Eckwerte scheinen
eine gute Arbeitsgrundlage für die Aufstellung des
Haushalts zu sein.
Ich habe eine Frage an Sie: Können Sie uns sagen,
wie hoch der Anteil des Haushalts für Arbeit und Sozia-
les am Gesamthaushalt ist und wie groß das Einsparvo-
lumen des Bereichs Arbeit und Soziales am Gesamtein-
sparvolumen ist?
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:
Der Anteil des Haushalts für Arbeit und Soziales am
Gesamthaushalt – die Zahl kenne ich ganz genau – be-
trägt ungefähr 50 Prozent. Dabei darf man allerdings
nicht vergessen, dass der größte Teil des Haushalts des
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit annä-
hernd 80 Milliarden Euro der Zuschuss zur gesetzlichen
Rentenversicherung ist. Der Anteil der Einsparungen im
Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozia-
les an den geplanten Einsparungen im Bundeshaushalt
2011 von 11 Milliarden Euro beträgt – wenn ich das al-
les addiere – knapp über 4 Milliarden Euro. Das ist also
ein wesentlich geringerer Anteil als der Anteil, den das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales am Gesamt-
haushalt ausmacht.
Im Übrigen haben wir uns im Hinblick auf die Maß-
nahmen, die den Haushalt des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales betreffen, gezielt auf die Bereiche
konzentriert, die im Zusammenhang mit Anreizen positi-
ver und negativer Art zur Aufnahme regulärer Arbeit
stehen, während wir die Bereiche, die sich auf Menschen
beziehen, die im regulären Arbeitsmarkt keine Chance
mehr haben, praktisch unberührt gelassen haben.
In internationalen Debatten ist mir gelegentlich vor-
gehalten worden – auch von manchen Teilnehmern des
G-20-Gipfels der Finanzminister in Busan in Südkorea
am vergangenen Wochenende –, dass wir bei der Redu-
zierung unserer Defizite langsamer vorgehen und eher
die Wachstumskräfte stärken sollten. Daraufhin habe ich
immer gesagt, dass im Hinblick auf die demografische
Entwicklung Deutschlands die Steigerung der Aus-
schöpfung des Arbeitskräftepotenzials das wichtigste
Wachstumspotenzial ist. Darauf konzentrieren wir uns
auch bei der Adjustierung unserer sozialen Leistungen.
Herr Kollege Ulrich.
Herr Finanzminister, meine Frage bezieht sich auf diesoziale Schieflage. Der CDU-Wirtschaftsrat hat festge-sWzgzstzRcwKecn–BmwmwwdEtwghuwdsgmmEdnbürdezbZmg
Nein, Herr Kollege Poß. Aber Sie wissen, was ich seiteginn dieser Legislaturperiode gesagt habe. Sie habenich immer nach den Steuerentlastungen gefragt, dieir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Ich habe im-er gesagt: Wir werden den Haushalt aufstellen, sehen,elchen Handlungsspielraum es gibt, und dann die not-endigen Entscheidungen treffen.Ich habe heute eine Stellungnahme des Präsidentenes Bundesverbandes der Deutschen Industrie gelesen.r hat gesagt, dass wir aufpassen müssten, die Wachs-umskräfte nicht zu gefährden. Ich bin überzeugt, dassir dieser Mahnung schon im Voraus Rechnung getra-en haben, weil wir die investiven Ausgaben im Bundes-aushalt in einem gegenüber früheren Sparaktionen ganzngewohnten Maße geschont haben. Außerdem habenir Fragen der sozialen Symmetrie und Ausgewogenheitiskutiert. Was hätten wir auch zwei Tage lang machenollen, als uns ernsthaft mit allen Fragen zu beschäfti-en?
Wir sind schließlich zu den Entscheidungen gekom-en, die ich eben vorgetragen habe. Wir haben Maßnah-en verabschiedet, die sehr gezielt Ausnahmen beinergiebesteuerung und Subventionen betreffen. Außer-em haben wir uns auf Maßnahmen geeinigt, die den Fi-anzsektor zusätzlich zu der in den Grundzügen schoneschlossenen Bankenabgabe betreffen sollen. Es wirdbrigens nicht ganz einfach sein, das umzusetzen; da-über werden wir bei Gelegenheit noch miteinander zuiskutieren haben. Aber ich bin fest entschlossen, dies zurreichen.Außerdem glaube ich, dass wir auch mit den Anreizenur Aufnahme regulärer Arbeit die Balance gewahrt ha-en. Es geht darum, zu konsolidieren und gleichzeitigukunft zu gestalten. Deswegen haben wir alle Maßnah-en für Bildung und Forschung von jeder Kürzung aus-eschlossen. Das gilt auch für die Maßnahmen zur früh-
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
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kindlichen Integration; die Ausgaben dafür wollen wirsteigern.
– Ach, Herr Kollege Trittin, wir haben das 12-Milliar-den-Euro-Programm, durch das die Ausgaben für Bil-dung und Forschung in dieser Legislaturperiode erhöhtwerden, völlig unangetastet gelassen. Wir haben die In-vestitionshaushalte weitestgehend unangetastet gelassen.
Ich glaube, dass wir insgesamt die richtigen Entschei-dungen getroffen haben. Aber ich war nicht überrascht,dass manche gesagt haben, sie hätten sich anderes vor-stellen können. Solche Kritik höre ich auch aus den Rei-hen meiner eigenen Partei. Das zeigt nur, dass wir einegroße, umfassende Volkspartei sind.
Herr Kollege Poß.
Herr Minister, ist es nicht Augenwischerei, wenn Sie
bei der Bewertung der sozialen Ausgewogenheit den von
Sozialkürzungen Betroffenen die Unternehmen – unab-
hängig vom Aufkommen und der Wahrscheinlichkeit
des zukünftigen Aufkommens – gegenüberstellen und
nicht die Vermögenden und Spitzenverdiener? Es geht
um die Frage der Individuen. Das ist doch eine vollkom-
men schräge Bewertung, die Sie hinsichtlich der Ausge-
wogenheit – nicht nur Sie persönlich, sondern auch an-
dere Vertreter der Koalition – hier in die Debatte
einführen. Deswegen ist die Frage nach dem Spitzen-
steuersatz berechtigt.
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:
Herr Kollege Poß, im parlamentarischen Verfahren
– das sage ich aus Respekt vor der parlamentarischen
Debatte – gibt es keine unberechtigten Fragen. Ich habe
gar nicht gesagt, dass die Frage nicht berechtigt sei. Ich
habe sie beantwortet und vorgetragen, warum die Bun-
desregierung sich so entschieden hat. Ich versuche im-
mer, Fragen nicht zu sehr zu qualifizieren.
Zweite Bemerkung. Die Struktur des Bundeshaus-
halts – das muss man nicht Ihnen, aber gelegentlich in
der Öffentlichkeit und gegenüber ausländischen Partnern
erläutern – ist sehr spezifisch. Ich kann den Bundeshaus-
halt zum Beispiel nicht mit dem französischen Staats-
haushalt vergleichen; denn Frankreich ist ein zentralisti-
scher Staat, und wir sind ein Bundesstaat. Wir haben
geringe Personalausgaben. Wir können – im Vergleich
zu Frankreich – unser Defizit nicht über eine Senkung
der Personalausgaben reduzieren.
Denn gemäß Grundgesetz obliegt der Vollzug vieler Ge-
setze den Ländern, und somit fallen die wesentlichen
Personalkosten auf Länderebene an.
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enn Sie nun das Defizit reduzieren wollen – dieser
ufgabe fühlt sich die Bundesregierung verpflichtet,
ämlich zu konsolidieren und Wachstumskräfte zu stär-
en; denn die Stärkung von Wachstumskräften ist das
este politische Instrument, das eine soziale Nachhaltig-
eit von Regelungen gewährleistet –, dann können Sie
as im Wesentlichen nicht durch Maßnahmen auf der
innahmeseite erreichen, sondern Sie müssen zu einem
roßen Teil auf der Ausgabenseite ansetzen.
Dies können Sie nur in einem sehr begrenzten Maße
ozial ausgewogen machen, weil Sozialleistungen in
öhe von 173 Milliarden Euro bei einem Gesamthaus-
alt von nicht ganz 320 Milliarden Euro nicht allen Tei-
en der Bevölkerung unabhängig von Einkommen und
ermögen in gleichem Maße zugutekommen. Deswegen
üssen Sie bei der Neuadjustierung im Bereich der So-
ialleistungen schauen, wie Sie die Wachstumskräfte
tärken und wie Sie diejenigen, die keine Chance haben,
urch eine Veränderung des eigenen Verhaltens ihre Le-
enssituation zu verbessern, möglichst unberührt von
en Maßnahmen lassen. Genau das war die Zielrichtung,
er sich die Bundesregierung bei diesen Maßnahmen
erschrieben hat. Das halten wir insgesamt für eine rich-
ige, ausgewogene Strategie, um Konsolidierung und
tärkung der Wachstumskräfte zu erreichen.
Kollege Koppelin.
Herr Minister, vor der Klausur der Bundesregierungab es ja keine Vorschläge seitens der Opposition dazu,o man etwas einsparen könnte; mir jedenfalls sindeine bekannt. In diesen Tagen allerdings höre ich voner SPD, sowohl von Herrn Wowereit als auch vom Kol-egen Oppermann, den Vorschlag, man hätte das Wachs-umsbeschleunigungsgesetz zurücknehmen sollen. Sindie, Herr Minister, bereit, den Sozialdemokraten zu er-lären, dass die Rücknahme des Wachstumsbeschleuni-ungsgesetzes unter anderem eine Reduzierung des Kin-ergeldes und des Steuerfreibetrages für Kinderedeuten würde, damit auch die Sozialdemokraten daserstehen?
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4522 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
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Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-zen:Die Reaktion, Herr Kollege Koppelin, beweist nur,dass es notwendig ist,
dieses den Sozialdemokraten gelegentlich zu sagen: Vonden insgesamt 5 Milliarden Euro, mit denen das Wachs-tumsbeschleunigungsgesetz die Haushalte von Bund undLändern berührt, sind etwa 4 Milliarden Euro auf dieVerbesserung der familienpolitischen Leistungen zu-rückzuführen. In vielen öffentlichen Stellungnahmenwird das nicht erwähnt; dort spielen meistens andere As-pekte eine Rolle. Die Bundesregierung hat nun ihrenEntscheidungen zugrunde gelegt, die familienpolitischenLeistungen nicht zu kürzen.
Herr Schwanitz.
Herr Minister, ich möchte zu einem Bestandteil des
Pakets eine konkrete Frage stellen, und zwar zur Ab-
schaffung des Zuschusses zur Rentenversicherung bei
ALG-II-Bezug. Durch diese Entscheidung entziehen Sie
der gesetzlichen Rentenversicherung Einnahmen in
Höhe von 1,8 Milliarden Euro pro Jahr. Mich würde in-
teressieren, ob im Rahmen der Kabinettsberatungen eine
Prognoserechnung im Hinblick auf die Entwicklung des
allgemeinen Rentenversicherungsbeitragssatzes durch-
geführt wurde und wie Sie die Entwicklung des Bei-
tragssatzes mittel- und langfristig einschätzen.
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:
Herr Kollege Schwanitz, wir haben die Auswirkun-
gen dieser Maßnahme auf die Rentenversicherung in der
Tat sehr sorgfältig geprüft. Die Schwankungsreserve der
Rentenversicherung – Sie wissen das – bewegt sich der-
zeit in einem gesicherten Bereich. Diese Maßnahme
wird nicht dazu führen, dass sich die Schwankungs-
reserve auch nur annähernd einem kritischen Bereich nä-
hert. Mit dieser Maßnahme, die wir aus Gründen, die ich
Ihnen gleich erläutern werde, für richtig halten, ist keine
Veränderung des Rentenversicherungsbeitragssatzes in-
duziert. Die Folgen dieser Maßnahme werden, ohne dass
eine kritische Entwicklung zu befürchten ist, innerhalb
des gesicherten Bereichs der Schwankungsreserve auf-
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ie Auswirkungen auf die Rentenversicherung sind
orgfältig geprüft worden und verantwortbar.
Frau Haßelmann.
Herr Bundesminister, ich möchte bei diesem Themaleiben. Ich bin überrascht, dass Sie die Kürzung derentenanwartschaften für Bezieherinnen und Bezieheres ALG II ziemlich stark herunterspielen. Sie verlagernier nämlich ein Problem in die Zukunft und auf dieritte Ebene, die sich an dieser Stelle nicht wehren kann,ämlich auf die Kommunen. Wenn geringere Beiträgeezahlt werden, produzieren wir aber mehr Altersarmut;as ist klar.Deshalb frage ich Sie an dieser Stelle: Welche Aus-irkungen hat diese Maßnahme zahlenmäßig auf denezug von Grundsicherung im Alter? Warum teilen Sien dieser Stelle nicht die Befürchtung der kommunalenpitzenverbände, dass das massive Auswirkungen hat,lso nicht nur hinsichtlich der Zahl der von Grundsiche-ung im Alter Betroffenen, sondern auch hinsichtlich derinanzsituation der Kommunen? Deswegen bitten sieie ja seit vorgestern, seitdem sie von den Plänen wis-en, darum bzw. fordern die Bundesregierung auf, vonieser Maßnahme abzusehen.Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-en:Frau Kollegin, wie ich eben sagte, erwirbt jemand,er Leistungen nach dem SGB II bezieht und ein Jahr ar-eitslos ist, mit diesen Beiträgen einen zusätzlichen Ren-enanspruch von rund 2,20 Euro.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4523
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
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Natürlich nehmen wir alle Einwendungen und An-merkungen, die zu den Beschlüssen der Bundesregie-rung geäußert werden, sehr ernst, und wir werden sieauch weiter prüfen. Gegenstand heute ist aber zunächsteinmal, dass ich Ihnen hier darüber berichte, welche Ent-scheidungen wir getroffen haben und warum. Die An-merkungen dazu sollten notwendigerweise erst nach derEntscheidung der Bundesregierung gemacht werden.Das heißt, das sollten wir im weiteren Verfahren einStück weit betrachten.Ich bitte aber doch, mit in die Betrachtung aufzuneh-men, dass wir in unserem Koalitionsvertrag – das hatnicht jedes Mitglied des Hauses in gleicher Weise ge-freut, aber ich habe gelegentlich darauf hingewiesen –der Verbesserung der Finanzsituation der Kommuneneine sehr prioritäre Bedeutung eingeräumt haben.
– Wir haben eine Kommission aus Vertretern des Bun-des, der Länder und der kommunalen Spitzenverbändeeingesetzt, die sich dieser Frage widmet und mit Hoch-druck arbeitet. Diese Kommission soll bis zur Jahres-mitte – legen Sie mich jetzt nicht genau fest – entspre-chende Vorschläge erarbeiten. Ich habe immer gesagt:Das hat für mich prioritäre Bedeutung.In diesem Rahmen werden wir natürlich auch dieFrage betrachten, ob das Auswirkungen auf die Altersar-mut hat. Ich glaube, dass Auswirkungen in Höhe von2,20 Euro relativ begrenzt sind, es sei denn, Sie unter-stellen, dass die Leute dauerhaft Leistungen nach demSGB II beziehen. Genau das wollen wir nicht; denn wirwollen das Anreizsystem ja so überprüfen und überar-beiten, dass die Anreize verstärkt werden, nicht dauer-haft im Bezug solcher Leistungen zu verbleiben.Wir wissen, dass wir hier noch eine Menge Hand-lungsspielraum, aber auch Handlungsbedarf haben. Sosteht eine Neuordnung von Hinzuverdienstregelungenund Ähnlichem mehr ja noch bevor.
Dabei muss man aber auch auf das Lohnabstandsgebotachten, also darauf, dass die Aufnahme einer regulärenTätigkeit für die einzelnen Mitbürgerinnen und Mitbür-ger nicht dadurch weniger attraktiv wird, dass der Ver-zicht auf Sozialleistungen stärker wiegt als die Verbesse-rungen aufgrund regulärer Entlohnung.In diesem schwierigen Bereich müssen wir uns klugbewegen, aber eben immer auch das Ziel vor Augen ha-ben, unser Arbeitskräftepotenzial möglichst vollständigauszuschöpfen. Das ist das eigentlich Entscheidende,wenn dieses Land mit seiner demografischen Entwick-lung den Herausforderungen der Zukunft gerecht werdenwill.zr2KwdksezwBbduRwgdwsüsdiw6fngnDv–sAVuimedmzcWws
Herr Kollege Bonde, Sie wissen, das wir immer vor-ichtig sind. – Wir haben den gegebenen vorsichtigennnahmen lediglich die Auswirkungen einer höherenerschuldung gegenübergestellt. Das ist völlig seriösnd ergibt eine Reduzierung des strukturellen Defizitsm Sinne der Zahlen.Den Bürgerinnen und Bürgern können wir sagen: Wirachen das alles nicht, um die Menschen zu quälen, wies so oder ähnlich in den Medien dargestellt wird, son-ern wir machen es, um der dringendsten Sorge dereisten unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger gerechtu werden, die wie wir sagen: Wir dürfen die öffentli-hen Schulden nicht immer weiter ansteigen lassen.enn wir davon überzeugt sind, dass sie zurückgeführterden müssen, dann müssen wir jetzt damit anfangen,tatt es auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben.
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4524 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
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Genau das ist der Inhalt dessen, was wir entschieden ha-ben.
Frau Kollegin Ferner, bitte.
Herr Minister Schäuble, Sie haben eben in Ihrer Ein-
führung gesagt, dass Sie im Kabinett beschlossen haben,
im nächsten Jahr noch einmal einen Zuschuss von
2 Milliarden Euro zur Stabilisierung der gesetzlichen
Krankenversicherung zu zahlen. Ich schließe daraus,
dass diese 2 Milliarden Euro nicht für einen wie auch
immer gearteten Sozialausgleich genutzt werden kön-
nen, sondern lediglich zur Reduzierung des Defizits bei-
tragen sollen.
Das Defizit wird aber im nächsten Jahr etwa
10 Milliarden bis 15 Milliarden Euro betragen. Mit dem
von Ihnen erwähnten Zuschuss von 2 Milliarden Euro
würde das Defizit in der GKV also auf etwa 8 Milliarden
bis 13 Milliarden Euro reduziert. Inwieweit soll dieses
verbleibende Defizit von 8 Milliarden bis 13 Milliarden
Euro über Einsparungen gedeckt werden? Beitrags-
satzerhöhungen werden schließlich zumindest von Tei-
len der Koalition ausgeschlossen. Können Sie außerdem
ausschließen, dass diese Einsparungen zu Kürzungen im
Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung
führen?
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:
Frau Präsidentin, ich bin davon ausgegangen, dass ich
über den Inhalt der Kabinettsberatungen am Sonntag und
Montag unterrichten soll.
Wir haben in der Kabinettssitzung nicht über die Reform
der gesetzlichen Krankenversicherung beraten. Ich habe
vielmehr zur Kenntnis gegeben, dass wir bis 2011 über
die mittelfristige Finanzplanung hinaus einen Zuschuss
zur gesetzlichen Krankenversicherung – in diesem Jahr
beträgt er einmalig 3,9 Milliarden Euro – in Höhe von
2 Milliarden Euro vorsehen.
Weitergehende Fragen müssten Sie an meinen Kolle-
gen Rösler richten, der Ihnen vermutlich aber auch sagen
wird, dass wir darüber nicht entschieden haben, sondern
uns vorgenommen haben, in den nächsten Wochen zu
Entscheidungen zu kommen. So werden Sie noch ein
bisschen Geduld aufbringen müssen, wenn Sie uns nicht
unterstellen wollen, was wir angeblich alles falsch oder
richtig machen.
Ich kann Ihnen im Rahmen der Befragung der Bundes-
regierung Ihre Frage nicht beantworten.
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burg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und SchleswigHolstein verwendet. Zurzeit wird ermittelt, welche Flä-chen betroffen sind. Wir sind mit den Ländern, die heutetagen, im Gespräch über Konsequenzen und Maßnah-men.
Eine Nachfrage.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Ich habe den Ein-
druck, dass Sie mit dem Hinweis darauf, dass nur 1 Korn
von 1 000 Körnern betroffen ist, versuchen, die Gefahr
zu relativieren, und so tun, als könnte das nichts ausma-
chen. Ich sehe das ganz und gar nicht so. Ich sehe sehr
wohl die Gefahr, die auch von diesem einen Korn ausge-
hen kann.
Mich interessiert Folgendes: Sie haben geschildert,
auf welchen Flächen das Saatgut ausgebracht wurde.
Verfügt die Bundesregierung über Zahlen, die in etwa
den Schaden beziffern?
Dr
Die betroffenen Länder wurden genannt. Ich möchte
im Übrigen verdeutlichen, dass ausschließlich die Über-
wachungsbehörden der Länder für die Saatgutkontrolle
zuständig sind. Die Haftungsfrage ist geregelt. Die Saat-
gutvertreiber werden dafür in Haftung genommen wer-
den. Über die Höhe des Schadens kann ich derzeit keine
Aussage machen.
Vielen Dank. – Es handelt sich bei NK603 ja um ein
Konstrukt, das auf EU-Ebene nicht zugelassen ist. Da
ein Antrag auf Zulassung innerhalb der EU vorliegt, in-
teressiert mich, wie sich die Bundesregierung positio-
niert, wenn über die Zulassung von NK603 entschieden
wird.
Dr
Frau Kollegin, ich darf ergänzen: Die Maissorte
NK603 ist seit 2004 in der EU zugelassen, und zwar als
Lebens- und Futtermittel. Theoretisch und praktisch
könnten sowohl Sie als auch ich solchen Mais heute früh
mit dem Frühstücksmüsli verzehrt haben und uns den-
noch wohlfühlen. Das zeigt das Paradoxe in der Debatte,
die wir führen. Ein solches Maiskorn ist in Lebensmit-
teln und in Futtermitteln zugelassen. Nachdem aber die
Zulassungspraxis und das Zulassungsverfahren in Brüs-
sel differenziert worden sind, ist diese Maissorte für den
Anbau in Deutschland derzeit noch nicht zugelassen.
Dieses Zulassungsverfahren läuft derzeit.
Ich gebe das Wort zu einer weiteren Frage jetzt der
Kollegin Happach-Kasan.
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4526 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
Parl. Staatssekretär Dr. Gerd Müller
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Wenn aber ein Landwirt 1 Korn dieser Maissorte unter1 000 anderen Maiskörnern aussät, dann ist dies derzeitrechtlich nicht zulässig. Es ist für den Normalbürgerkaum nachvollziehbar, dass ein Saatgut, das von derEFSA als unbedenkliches Lebensmittel eingestuft ist, inDeutschland nicht ausgesät bzw. angebaut werden darf.
Das Ganze ist ein Ergebnis der Splittung des Zulas-sungsverfahrens in Brüssel. Wir diskutieren ja darüber.Ich möchte noch einmal ganz klar und unmissverständ-lich darlegen: Rechtlich gilt für den Anbau derzeit eineVerunreinigungsschwelle von 0,0 Prozent. Das heißt na-türlich auch, dass dann, wenn 1 Korn von 1 000 Körnernverunreinigt ist, eine Verunreinigung vorliegt. DieRechtsposition ist eindeutig: Dieses Saatgut darf wederin den Verkehr gebracht noch ausgesät werden. DieLandwirte müssen darauf vertrauen können, dass sie rei-nes Saatgut bekommen. Eine mögliche Weiterentwick-lung dieser 0,0-Prozent-Grenze wird in Brüssel derzeitdiskutiert.
Herr Ostendorff.
Herr Staatssekretär, ich weiß nicht so recht, wie ich
meine Frage anfangen soll, weil ich spüre, dass Sie ein
bisschen der Gefahr der Verharmlosung erliegen. 1 Korn
pro 1 000 – das scheint so harmlos zu sein: 0,1 Prozent.
Meine Frage ist: Geben Sie mir recht darin, dass wir bei
vielen Wirkstoffen heute über 1 Korn pro 1 Million,
sprich: parts per million, ppm, reden und Grenzwerte
festgelegt haben, die im Bereich von ppm und noch da-
runter liegen?
Dr
Herr Ostendorff, ich habe das für den Bürger, glaube
ich, sehr eindrucksvoll und nachvollziehbar dargestellt.
Eine große deutsche Tageszeitung hat geschrieben: Hat
Deutschland keine anderen Probleme?
Es geht um dieses eine Maiskorn einer in Deutschland
für den Anbau nicht zugelassenen Sorte; Verunreini-
gung: 0,1 Prozent bei 6 Prozent der Proben.
Dieses eine Korn, woraus Sie die große Gefahr kon-
struieren – andere haben von „Skandal“ gesprochen –,
wird Ihnen aber als Lebensmittel serviert. In dem Be-
reich ist es zugelassen. Das ist die Situation. Diese kann
jeder, der sich diesen Sachverhalt einmal klarmacht, sel-
ber bewerten.
Sie haben eine Nachfrage, Herr Ostendorff. Bitte sehr.
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Das bringt mich zu der folgenden Nachfrage, Herr
taatssekretär: 10 Prozent des Maissaatgutes, wenn wir
s richtig wissen, werden heute in Deutschland auf gen-
echnische Verunreinigung getestet. Heute Morgen
urde im Ausschuss davon gesprochen, dass 7 Prozent
Sie sagen: 6 Prozent – dieser zu 10 Prozent genomme-
en Proben gentechnisch verunreinigt gewesen sind.
Herr Staatssekretär, was gedenkt die Bundesregierung
u tun, damit auch die anderen 90 Prozent getestet wer-
en? Ich denke, der Bürger hat einen Anspruch darauf,
ass 100 Prozent untersucht werden und auch diese
öglicherweise ebenfalls zu 7 Prozent verunreinigten
roben – schlimm genug – aus dem Verkehr gezogen
erden.
Dr.
Herr Kollege, ich möchte noch einmal ganz eindeutig
larstellen: Diese Maissorte ist für den Lebensmittel-
nd Futtermittelbereich zugelassen, allerdings nicht für
en Anbau in Deutschland. Wir diskutieren ja gemein-
am über die Frage der Zulassungsverfahren in den
7 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, weil einiges
icherlich nicht nachvollziehbar ist. Sie als Vertreter der
rünen Partei erinnere ich an die EG-Öko-Audit-Veror-
ung. Als Lebens- und Futtermittel ist das zugelassen;
enn dort gelten andere Schwellen. Bei Saatgut gilt der-
eit aber eine 0,0-Prozent-Grenze. Deshalb diskutieren
ir darüber, was für die Zukunft Sinn macht.
Nun zu den Konsequenzen: Damit keine Rechtsunsi-
herheit entsteht, will ich noch einmal betonen: Die Län-
er, nicht der Bund, sind für die Kontrollen vollkommen
elbstständig zuständig, und sie tagen heute. Es gab eine
nzulänglichkeit. Niedersachsen hat dies offengelegt.
ransparenz und Offenheit bei der Weitergabe der Infor-
ationen sind ja auch wichtig. Die Kontrollen haben
ber funktioniert: Wenn es bei der Weitergabe der Infor-
ation nicht zu der – ich sage mal – menschlich beding-
en Verzögerung gekommen wäre, wäre es nicht zur
ussaat gekommen; aber dort, wo ausgesät wurde, kann
etzt reagiert werden. Der Mais ist nicht aufgegangen. In
ayern wird die Aussaat umgepflügt. Die anderen sechs
undesländer haben zu entscheiden, ob sie spritzen oder
twas anderes machen. Damit ist, glaube ich, das Pro-
lem nicht nur beherrschbar, sondern begrenzt.
Frau Tack, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie stellen zwar auf der eineneite richtig dar, dass es hier um einen Rechtsverstoßeht, erwähnen aber auf der anderen Seite in einem Ne-ensatz immer mit, dass das eigentlich absolut unbe-enklich ist. Ich glaube, diese Betrachtungsweise birgtine ganz große Gefahr; denn es handelt sich um einenechtswidrigen Zustand. Hier ist in sieben Bundeslän-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4527
Kerstin Tack
)
)
dern etwas passiert, was nicht rechtens ist. In etwa derHälfte aller Bundesländer haben wir verändertes Mais-gut festgestellt, obwohl das gesetzlich untersagt ist.Diese Dimension muss man in dieser Debatte deutlichmachen. Aus meiner Sicht kann man nicht ständig sa-gen: Aber das macht eigentlich nichts; denn der Verzehrist unbedenklich.Diesen Umstand, dass es sich um einen rechtswidri-gen Zustand handelt, muss man ernster nehmen, als esdie Bundesregierung scheinbar macht. Deshalb reicht esaus meiner Sicht auch nicht aus, zu sagen: Heute tagendie Bundesländer, die sollen mal gucken, ob sie mit-einander eine Regelung hinkriegen. Der Bund hält sichda komplett raus. Die Bundesregierung findet das für ihreigenes Handeln nicht weiter relevant.Deshalb frage ich: Welche Kontrollen – insbesondereauch eigene Kontrollen der Anbieter – wollen Sie in An-betracht der gegebenen Situation verschärfen und ergän-zen, um solche Situationen in Zukunft zu verhindern?Dr
Die Zuständigkeit für die Kontrollen liegt bei den
Ländern. Es ist vollkommen klar, dass Transparenz not-
wendig ist. Wir appellieren selbstverständlich an die
Länder, die Kontrolldichte und die Kontrollergebnisse
offenzulegen. Die Kontrolllinie hat in diesem Fall auch
funktioniert, nicht funktioniert hat die Weitergabe der In-
formationen. Deshalb muss dort jetzt reagiert werden.
Das Saatgut, das ausgebracht ist, darf nicht aufgehen.
Das ist die rechtliche Situation, die bestimmt, wie die
Bundesländer jetzt zu handeln haben.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal sagen: Die
Probeentnahme wurde – auch in Niedersachsen – früh-
zeitig vorgenommen. Die Aussaat hätte verhindert wer-
den können. Es kann nie ausgeschlossen werden – so ist
es dort passiert –, dass ein Beamter so etwas drei oder
vier Tage lang nicht weitermeldet. Wichtig war, dass die
Behörden entschieden gehandelt und den Saatgutherstel-
ler nicht nur ausfindig gemacht, sondern auch die Ver-
triebswege offengelegt haben. Alle weiteren Lieferungen
wurden überprüft. Ich glaube, das ist sehr wichtig.
Ich stelle noch einmal abschließend fest: Wir sollten
die Kirche im Dorf lassen, wenn wir über dieses Pro-
blem diskutieren. Wir diskutieren hier über diese eine
Maissorte, deren Körner Sie Zuhause mit dem Müslibrei
zu sich nehmen und die jetzt in Bezug auf die Frage der
Aussaat problematisiert wird.
Rechtlich ist das klar. Ich möchte aber an der Stelle
darauf hinweisen: Bei Lebensmitteln mit einem Anteil
der Spuren von gentechnisch veränderten Organismen
von über 0,9 Prozent muss entsprechend gekennzeichnet
werden. Auch bei Futtermitteln und Ökoprodukten ha-
ben wir – Sie wissen das – eine Toleranzgrenze. Beim
Saatgut liegt diese Grenze bei 0,0 Prozent. Darüber wird
diskutiert.
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ntscheidend für den Bürger draußen ist, dass die unab-
ängige europäische Behörde EFSA festgestellt hat, dass
s keine wissenschaftlichen Bedenken gegen diese spe-
ifische Maissorte als Futter- und Lebensmittel gibt. Die
,0 Prozent bei der Aussaat sind rechtlich unstrittig. Ich
abe dargestellt, dass die Länder hier handeln müssen
nd dass der derzeitige Zustand rechtlich nicht zulässig
t.
Es gibt noch vier Fragesteller. Ich werde jeweils noch
ine Frage ohne Nachfrage zulassen, damit wir dann zu
en anderen Fragen kommen können, und gebe der Kol-
egin Behm das Wort.
Herr Staatssekretär, es freut mich, dass Sie geltendesU-Recht und in Deutschland geltendes Recht anerken-en und dass Sie akzeptieren, dass es für nicht zugelas-ene Konstrukte die Nulltoleranz gibt. Die Nulltoleranzst ja keine spinnerte Idee irgendwelcher grünen Politi-er;
ielmehr hat man sich auch seitens der Wirtschaft Ge-anken darüber gemacht. Sie wissen alle, dass wir unsier um Wahlfreiheit und eine friedliche Koexistenz gen-echnisch veränderter und unveränderter Konstrukte be-ühen. Die Bürgerinnen und Bürger müssen das Rechtaben, gentechnisch unveränderte Produkte zu kaufen.n dem Rahmen spielt die Nulltoleranz eine ganz beson-ere Rolle; denn sie soll verhindern, dass andere Pro-ukte ungewollt in den deutschen Markt einwandern.Schauen Sie sich einmal einen Maiskolben an. Eineaispflanze wächst aus einem einzigen gentechnischeränderten Korn, und sie hat mehrere Kolben. Unterünstigen Bedingungen fruchtet dieser Mais, und dieaiskörner verbreiten sich. Dadurch könnte der hiericht für den Anbau zugelassene Mais – oder auch dereis, der vor kurzem einen Skandal verursacht hat
nd zu Recht hier nicht zugelassen wird – schleichendinwandern. In diesem Fall könnten wir weder die fried-iche Koexistenz noch die Wahlfreiheit, die wir den Ver-raucherinnen und Verbrauchern garantieren, sicherstel-en.Ich denke, Sie sind ein verantwortlich handelndesitglied dieser Bundesregierung.
Metadaten/Kopzeile:
4528 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
Cornelia Behm
)
)
Deswegen frage ich Sie: Was wollen Sie als verantwort-lich handelndes Regierungsmitglied tun, damit dieseNulltoleranz ohne Fehl und Tadel eingehalten wird, umdas schleichende Unterwandern der deutschen Agrarpro-duktion mit nichtzugelassenen Konstrukten, sei es Maisoder irgendetwas anderes, zu verhindern?Dr
Es muss für alle im Lande klar sein, dass Sicherheit
für Mensch, Gesundheit und Umwelt das absolute Maß
ist. Das ist durch die derzeitige Gesetzgebung der Euro-
päischen Union und der Mitgliedstaaten gewährleistet.
Die nächste Fragestellerin ist Frau Höhn.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir überein,
dass wir bei Saatgut besonders sensibel sein müssen,
weil aus einem Saatkorn eine erhebliche Ernte entstehen
kann, und muss ich Ihre relativierenden Aussagen zur
Nulltoleranz so verstehen, dass Sie versuchen, den Wert
von 0,0 bei nichtzugelassenem Saatgut aufzuweichen,
also den Grenzwert, der jetzt rechtlich gilt, eigentlich
nicht akzeptieren wollen?
Dr
Die Antwort auf Ihre erste Frage lautet ja, die Ant-
wort auf Ihre zweite Frage nein.
Herr Ott.
Danke, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, ich
muss gestehen, ich empfinde es als merkwürdig und Ih-
rer Rolle nicht angemessen, wie Sie hier mit geltendem
Recht umgehen. Da sitzt Ihr Kollege Stadler; vielleicht
können Sie sich von ihm in Bezug auf Recht und Gesetz
ein bisschen Nachhilfe geben lassen; denn wir haben die
Nulltoleranzgrenze gesetzlich festgelegt.
Vielleicht können Sie Folgendes aufklären: Ihr Kol-
lege Uhlenberg bestreitet, dass in NRW ausgesät worden
sein soll. Auf der Liste, die Sie gerade genannt haben,
steht meines Wissens aber auch NRW.
Dr
Das lässt sich aufklären. Auf der Liste stehen sieben
Bundesländer. Es heißt hier: Nach vorliegenden Infor-
mationen wurde die positiv beprobte Saatgutpartie an
Landwirte in sieben Ländern – Niedersachsen, Baden-
Württemberg, Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vor-
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Dr.
Ich will es für diejenigen Verbraucherinnen und Ver-raucher, die sich für dieses Thema interessieren, nochinmal deutlich machen. Es geht um eine Maislinie, dieür Lebensmittel zugelassen ist. Es besteht aus diesericht keine Gefährdung für Mensch und Tier. Das müs-en wir einmal klarstellen. Die Rechtslage in Bezug aufas Saatgut ist eindeutig. Alle Informationen werden inoller Offenheit und Transparenz dargelegt.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4529
Parl. Staatssekretär Dr. Gerd Müller
)
)
Der Saatguthersteller ist öffentlich bekannt. Alle Ver-triebswege in die Bundesländer hinein sind kontrolliertworden. Die Flächen sind bekannt. Bayern hat sehr ent-schieden, schnell und richtig gehandelt. Die betroffenenFlächen werden umgepflügt. Damit dürfte das Problemfür den Anbauer behoben sein. Daneben stellen sich na-türlich Haftungsfragen an den Saatgutvertreiber.Es gibt noch eine andere Frage, die Sie richtigerweiseansprechen: Woher kommt das Saatgut, und wo ist dieStelle der Verunreinigung? Auch eine Verunreinigungmit einem Anteil von 0,1 Prozent ist nicht tolerabel. Diesgilt vor allen Dingen für den Landwirt. Eine entspre-chende Frage meinerseits konnte heute früh nicht präzisebeantwortet werden. Die betroffene Firma hat sich bisjetzt nicht eindeutig dazu geäußert. 70 bis 75 Prozent desSaatgutes werden aus dem Ausland importiert. Bei derbetroffenen Linie handelt es sich offensichtlich um eineLinie aus Ungarn. Man wird natürlich bis zum Produ-zenten zurückgehen müssen.Für die Saatgutfirmen ist entscheidend, mit welcherPräzision und Seriosität sie dieses Thema behandeln. Fürdie betroffene Firma wird es – Stichwort Haftung –enorme Auswirkungen haben. Die Behörden, die Betrof-fenen und alle Bundesländer haben eindeutig dargelegt– ich denke, das ist mehr als nur ein Signal an die Saat-guthersteller –, dass diese Firmen in Bezug auf den An-bau in europäischen und außereuropäischen Ländern ihrKontrollsystem und ihr Qualitätssicherungssystem we-sentlich verbessern müssen.Das Zweite ist – Herr Ostendorff, das nehmen wir na-türlich für die Bundesländer auf –: Genügt eine Testungvon 10 Prozent des Maissaatgutes? Testet jedes Bundes-land 10 Prozent? Ist die Risikokontrolle ausreichend?Mit einer Verunreinigung von 7 oder 6 Prozent dieser10 Prozent können wir nicht zufrieden sein; das istselbstverständlich.Das sind die Themen, die heute Nachmittag mit denLändern besprochen werden.
Nachdem die Dringliche Frage aufgerufen und aus-
führlich beantwortet und diskutiert worden ist, rufe ich
jetzt die Fragen auf Drucksache 17/1917 in der üblichen
Reihenfolge auf.
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums des Innern. Hier steht zur Beant-
wortung der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Christoph
Bergner zur Verfügung.
Schriftlich beantwortet werden die Fragen 1 und 2 des
Kollegen Kilic, die Frage 3 des Kollegen Volker Beck
sowie die Fragen 4 und 5 des Kollegen Nouripour.
Damit kommen wir zur Frage 6 des Kollegen
Montag:
Welche Maßnahmen sind nach Auffassung der Bundesre-
gierung erforderlich, um ein drohendes Vertragsverletzungs-
verfahren der EU-Kommission mit einer Geldstrafe von min-
destens 12,7 Millionen Euro gegen Deutschland wegen
mangelhafter Umsetzung der 3. EU-Geldwäscherichtlinie,
2005/60/EG, abzuwehren?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
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4530 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
)
die Länder dazu zu bringen? Immerhin heißt es in demArtikel im Handelsblatt, dass die Kommission es abge-lehnt habe, Ihnen eine Fristverlängerung zu gewähren,mit der Erklärung, Deutschland habe bereits mehrereMonate zur Übermittlung vollständiger Informationenzur Verfügung gehabt und die Kommission sehe nichtein, warum sie länger zuwarten solle.D
Herr Kollege Montag, ich will zunächst einmal fest-
halten, dass es im Interesse des Bundesinnenministe-
riums ist, dass die einschlägige EU-Richtlinie tatsächlich
umgesetzt wird. Wir haben es hier allerdings mit einer
Situation zu tun, die aus unserer Sicht auch europarecht-
lich hinreichend definiert ist: Wenn die entsprechende
Zuständigkeit bei den Ländern liegt, muss auch die Ver-
pflichtung von den Ländern wahrgenommen werden.
Wir haben uns auf unterschiedlichen Wegen bemüht,
die Länder auf diese Verantwortung hinzuweisen, und
müssen bedauerlicherweise zur Kenntnis nehmen, dass
die Angelegenheit im Hinblick auf die Ressortzuständig-
keit – im Regelfall ist der Innenminister oder der Wirt-
schaftsminister zuständig – zu einem Streitfall geworden
ist. Das äußert sich unter anderem darin, dass die Innen-
ministerkonferenz und die Wirtschaftsministerkon-
ferenz der Länder jeweils einstimmig einander aus-
schließende Beschlüsse gefasst haben. Vor diesem
Hintergrund bitte ich um Verständnis, dass wir in diesem
Punkt die Verantwortung für die erforderliche Umset-
zung der Richtlinie, die wir für außerordentlich wichtig
halten, bei den Ländern suchen. Die föderale Zuständig-
keit würde aus meiner Sicht falsch verstanden, wenn wir
die Verantwortung nicht so eindeutig benennen würden.
Dann kommen wir zur Frage 7 des Kollegen Montag
zum gleichen Thema:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit die in
§ 16 des Geldwäschegesetzes genannten Aufsichtsbehörden
der Kontrolle der in der Richtlinie genannten Berufsgruppen
– unter anderem Steuerberater, Versicherungsvermittler, Im-
mobilienmakler, Kasinobetreiber, Gold- und Devisenhändler,
Juweliere – in ausreichendem Maße nachkommen – verglei-
che Handelsblatt vom 31. Mai 2010?
D
Die Bundesregierung wird die Länder wie bisher bei
ihren Bemühungen um die Benennung der zuständigen
Aufsichtsbehörden unterstützen und die Thematik wei-
terhin in den geeigneten Bund-Länder-Gremien zur
Sprache bringen. – Dies ist im Wesentlichen das, was ich
schon auf Ihre Nachfrage zu antworten versucht habe.
Gibt es noch eine weitere Nachfrage, Herr Montag?
Ja.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Her
Rede von: Unbekanntinfo_outline
der Bund, welche Länder, mit welcher Be-
chlusslage?
D
Herr Kollege Ströbele, ich verweise auf das Gesetz
ur Lastentragung im Bund-Länder-Verhältnis bei Ver-
etzung von supranationalen oder völkerrechtlichen Ver-
flichtungen, wo es in § 1 – Grundsätze der Lasten-
ragung – aus unserer Sicht eindeutig geregelt ist, dass
ierfür die entsprechenden Länder aufkommen müssen.
Dann kommen wir jetzt zur Frage 8 des Abgeordne-
en Lars Klingbeil:
In wie vielen Fällen konnte seit Inkrafttreten des Zugangs-
erschwerungsgesetzes bei einem vom Bundeskriminalamt
oder von anderen Einrichtungen wie Inhope beanstandeten
Angebot mit kinderpornografischen Inhalten eine Löschung
nicht zeitnah erreicht werden, und welche Erkenntnisse liegen
der Bundesregierung hierzu zu den Serverstandorten und den
Gründen dazu vor?
D
Herr Kollege Klingbeil, alle dem Bundeskriminalamtekannt werdenden Hinweise auf kinderpornografischeebseiten werden durch das Bundeskriminalamt über-rüft. Bei Feststellung von auf ausländischen Servernehosteten kinderpornografischen Inhalten werden dieseuf dem Interpol-Weg unmittelbar an den betreffenden
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4531
Parl. Staatssekretär Dr. Christoph Bergner
)
)
Staat gemeldet. Dabei wird um zeitnahe Löschung, Iden-tifizierung der Verantwortlichen sowie um Rückmeldungzu den veranlassten Maßnahmen gebeten. In den Mona-ten nach Inkrafttreten des Zugangserschwerungsgeset-zes, also März und April 2010, konnte in Bezug auf ge-meldete Inhalte – insgesamt wurden in diesem Zeitraum304 Fälle gemeldet – in 174 Fällen festgestellt werden,dass diese eine Woche nach erfolgter Meldung weiterhinverfügbar waren.Die Zahlen für den Mai 2010 liegen derzeit nochnicht vor. Mehrheitlich betrafen die im März und April2010 bekannt gewordenen Fälle Server aus den USA,Russland und den Niederlanden, ich füge hinzu: ohnedass bereits jetzt eine belastbare Grundlage für eine ab-schließende Analyse gegeben wäre. In welchem Umfangdie Arbeit der im Inhope-Netzwerk zusammengeschlos-senen weltweiten Beschwerdestellen zum Löschen vonkinderpornografischen Inhalten geführt hat, ist der Bun-desregierung gegenwärtig nicht bekannt.
Haben Sie eine Nachfrage, Herr Klingbeil?
Zunächst vielen Dank für die Antwort, Herr Staats-
sekretär. – Sie haben im Koalitionsvertrag vereinbart,
dass zunächst ein Jahr lang auf Grundlage des Zugangs-
erschwerungsgesetzes nicht gesperrt wird. Vielmehr soll
das Löschen intensiviert werden. Es wird darauf gesetzt,
dass es nach einem Jahr eine Evaluierung gibt und die
Wirksamkeit und die Erfolge des Löschens geprüft wer-
den. Ich habe folgende Frage: Wann ist das Jahr vorbei
bzw. wann hat es begonnen? Hat es mit der Vereinba-
rung des Koalitionsvertrages begonnen? Hat es mit der
Einsetzung des Zugangserschwerungsgesetzes begon-
nen? Infolgedessen stellt sich die Frage: Wann haben wir
mit der Evaluierung zu rechnen?
D
Nach meinem Verständnis hat es mit dem Inkrafttre-
ten des Zugangserschwerungsgesetzes und der damit
beim Bundeskriminalamt auflaufenden Daten begonnen.
Diese – ich habe Ihnen die Vorabmeldung für die Mo-
nate März und April gegeben – werden dort in angemes-
sener Zeit ausgewertet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Justiz. Zur Beantwortung steht der Par-
lamentarische Staatssekretär Dr. Max Stadler zur Verfü-
gung.
Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Lars Klingbeil auf:
Wann beabsichtigt die Bundesregierung, das bei der Ein-
bringung der Gesetzentwürfe zur Aufhebung des Gesetzes zur
Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnet-
zen im Februar 2010 angekündigte Löschgesetz vorzulegen,
und was soll konkret in diesem Gesetz geregelt werden?
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4532 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
)
Es ist aber vielleicht noch zu ergänzen, dass mit denSelbstregulierungskräften der Internetwirtschaft geradekürzlich vereinbart worden ist, die Zusammenarbeit mitdem Bundeskriminalamt noch zu verstärken. Insbeson-dere das Bundeskriminalamt – das ist eine wichtige In-formation – hat etwa seit Mai die Zusammenarbeit mitden USA deutlich verstärkt; denn aus den vorgetragenenZahlen ist hervorgegangen, dass von dort besondersviele solcher Inhalte ins Netz gestellt werden.Dies geschieht in der Tat alles, ohne dass dafür eineneue gesetzliche Grundlage geschaffen worden wäre.Nach Ablauf von einem Jahr wird dann zu evaluierensein, ob diese Maßnahmen ausreichen. Abschließend be-werten – da schließe ich mich Herrn Kollegen Bergneran – kann man das aufgrund der jetzt vorliegenden Zah-len noch nicht. Wir glauben, dass die Zahl der Lösch-erfolge steigen wird.
Eine weitere Nachfrage kommt vom Kollegen
Montag.
Danke, Frau Präsidentin. – Ihre Erklärung, Herr
Staatssekretär, veranlasst mich dazu, kurz nachzufragen.
Habe ich Ihre letzten Ausführungen so zu verstehen,
dass die Frage, ob es überhaupt ein Löschgesetz geben
wird, offen ist? Ist also gar nicht sichergestellt, dass Sie
einen Entwurf für ein Löschgesetz vorlegen werden,
sondern ist es so, dass Sie erst abwarten, wie die Praxis
funktioniert, und erst danach entscheiden wollen, ob Sie
überhaupt einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen
wollen?
D
Sie haben es nicht ganz genau so verstanden, wie ich
es gemeint habe, oder ich habe es nicht präzise genug
ausgedrückt. Klar ist, dass nach einem Jahr evaluiert
wird, wie man weiter vorgeht, insbesondere ob es bei
dem von der neuen Bundesregierung favorisierten
Grundsatz „Löschen statt Sperren“ bleibt oder ob es zu
einer Rückkehr zu den Zugangserschwernisregelungen
der früheren Koalition aus CDU/CSU und SPD kommen
wird. Das war damit gemeint.
Sie haben meinen Ausführungen entnommen, dass
dem Bundestag von der Bundesregierung derzeit kein
Entwurf für ein eigenes Löschgesetz vorgelegt worden
ist. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage: Darüber
gibt es interne Gespräche, die aber bisher nicht zu dem
Ergebnis geführt haben, dass wir Ihnen einen solchen
Gesetzentwurf hätten vorlegen können.
Dann kann jetzt der Kollege Klingbeil seine zweite
Nachfrage stellen. Es gab hier gerade etwas Konfusion.
Vielen Dank. – Ich wollte genau den Punkt aufgrei-
fen, den auch der Kollege Montag angesprochen hat. Er
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Frau Kollegin Höhn, wie Sie wissen, ist die politischeeinungsbildung innerhalb der Bundesregierung überine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ineutschland und gegebenenfalls deren Ausgestaltungoch nicht abgeschlossen. Das in Ihrer Frage zitierte ge-einsame Gutachten des Bundesministeriums der Justiznd des Bundesinnenministeriums zur Frage der Zustim-ungsbedürftigkeit einer etwaigen Änderung des Atom-esetzes zur Verlängerung der Laufzeit wird natürlich inen Meinungsbildungsprozess der Bundesregierung ein-ließen und berücksichtigt werden.Das Gutachten kommt zu einer differenzierten Be-rachtung. Es stellt fest, dass eine zustimmungsfreieusgestaltung eines solchen Gesetzes unter bestimmtenedingungen noch vertretbar erscheint, sieht aber einicht unerhebliches verfassungsrechtliches Risiko alsegeben an, weil die Prüfung der Zustimmungsbedürf-igkeit sich in dieser Frage auf rechtlichem Neuland be-egt. Verfassungsgerichtliche Entscheidungen zur Fra-estellung gibt es bisher nämlich noch nicht. Es liegenehrere Rechtsgutachten vor, die aber zu unterschiedli-hen, konträren Ergebnissen kommen. Eine endgültigeerfassungsrechtliche Bewertung der Frage der Zustim-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4533
Parl. Staatssekretär Dr. Max Stadler
)
)
mungsbedürftigkeit ist erst nach Vorlage eines ausfor-mulierten Gesetzentwurfs möglich.
Frau Höhn, bitte.
Herr Staatssekretär, heute Mittag, 11.46 Uhr, ist über
Reuters die Meldung verbreitet worden, dass eine Vor-
entscheidung gefallen sei und der Bundesrat bei der Ver-
längerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke kein Veto-
recht haben solle.
Der Weg über ein zustimmungsfreies Gesetz werde
von allen maßgeblichen Personen in der Regierung
und den Regierungsfraktionen bis auf Umwelt-
minister Norbert Röttgen favorisiert.
Zu den Befürwortern eines zustimmungsfreien Gesetzes
„gehörten das Kanzleramt, Innen-, Finanz- und Justiz-
ministerium“ und die beiden Koalitionsfraktionen. Kön-
nen Sie bestätigen, dass Sie zu den nicht unerheblichen
Befürwortern gehören, die der Meinung sind, dass man
ein Gesetz machen soll, das der Zustimmung des Bun-
desrates nicht bedarf, obwohl Ihnen ein Gutachten vom
Anfang dieses Monats vorliegt, das also noch sehr jung
ist, nach dem nicht unerhebliche verfassungsrechtliche
Risiken damit verbunden sind und man nicht sicher da-
von ausgehen kann, dass das Bundesverfassungsgericht
im Streitfall die Zustimmungsbedürftigkeit verneint?
D
Frau Höhn, wie ich in der Antwort auf Ihre schriftli-
che Frage schon ausgeführt habe, ist die Frage der Zu-
stimmungsbedürftigkeit erst dann endgültig zu beant-
worten, wenn ein ausformulierter Gesetzentwurf
vorliegt, sodass dessen Inhalt bewertet werden kann. Ich
glaube, ich habe deutlich genug vorgetragen, dass es
Ausgestaltungen eines solchen Gesetzes gibt, die nach
der im Gutachten von BMJ und BMI vertretenen Auffas-
sung zustimmungsfrei sind, es aber auch andere Ausge-
staltungen eines solchen Gesetzes geben kann, die der
Zustimmung bedürfen. Leider ist es in der Juristerei oft
so, dass man eine Frage nicht einfach mit Ja oder Nein
beantworten kann, sondern mit dem berühmten Juristen-
satz „Es kommt darauf an …“ beantworten muss.
Vielleicht darf ich das verfassungsrechtliche Problem
ganz kurz erläutern. Es handelt sich um Art. 87 c des
Grundgesetzes. Nach dieser Vorschrift können Gesetze
– ich verkürze einmal –, die die friedliche Nutzung der
Kernenergie betreffen, wofür der Bund die ausschließli-
che Gesetzgebungskompetenz besitzt, „mit Zustim-
mung des Bundesrates bestimmen, dass sie von den Län-
dern im Auftrag des Bundes ausgeführt werden.“ Das
Gutachten, das BMJ und BMI vorgelegt haben, geht da-
von aus, dass der Maßstab für die Anwendung des
Art. 87 c Grundgesetz ist, ob in einer Laufzeitverlänge-
rung eine neue Übertragung dieser Aufgabe an die Län-
der als Bundesauftragsverwaltung liegen würde oder
nicht. Das ist der entscheidende Maßstab. Je nachdem,
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4534 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
)
Nein, ich habe doch gar keine Frage gestellt.
Sie sagten, Sie dachten, dass diese Meldung vom
Ministerium ausging, und der Herr Staatssekretär hat da-
rauf geantwortet. Deswegen würde ich jetzt gern Herrn
Montag die Möglichkeit zu einer weiteren Nachfrage ge-
ben.
Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär
Stadler, Sie haben schön geantwortet, und die von Ihnen
zitierte Verfassungslage ist mir bekannt. Aber ich will
noch einmal hinsichtlich des politischen Inhalts Ihrer
Antwort nachfassen.
Habe ich diese so zu verstehen, dass das Bundesjus-
tizministerium ein Laufzeitenverlängerungsgesetz für
verfassungsrechtlich unbedenklich halten würde, wenn
den Bundesländern in diesem Gesetz die Verwaltungs-
kompetenz für den Atombereich genommen und die
gesamte Verwaltung der Atomkraftwerke in die Zustän-
digkeit des Bundes überführt würde? Ist das die Quintes-
senz Ihrer Antwort?
D
Nicht ganz, Herr Kollege Montag. Sie haben ein Sze-
nario formuliert, bei dem der Art. 87 c Grundgesetz tat-
sächlich nicht einschlägig wäre und sich demgemäß
keine Zustimmungsbedürftigkeit nach dieser Vorschrift
ergeben würde. Mir ist allerdings bisher nicht bekannt,
dass das möglicherweise beabsichtigte Gesetz diesen
Weg gehen soll.
Wenn es bei der bisherigen Rechtslage, dass nämlich
das Atomgesetz von den Ländern in Auftragsverwaltung
des Bundes vollzogen wird, bleibt, dann kommt es da-
rauf an, ob mit der Gesetzesänderung eine neue Auf-
tragsverwaltung geschaffen wird – dann wäre der
Art. 87 c Grundgesetz einschlägig – oder ob dies nicht
der Fall ist. Dies wiederum hängt davon ab, welchen In-
halt das Gesetz haben wird.
Sie haben ein Szenario beschrieben, das man theore-
tisch betrachten kann, das uns praktisch aber in dieser
Form nicht vorgelegt worden ist.
Frau Steiner.
Herr Staatssekretär, es gibt ein Rechtsgutachten des
Landes Schleswig-Holstein, das zu dem Ergebnis
kommt, dass die Aufspaltung der geplanten Atomrechts-
änderungen in ein Gesetz, das die Laufzeiten verlängert,
und in ein Gesetz, das Sicherheitsbestimmungen enthält,
im Lichte der staatlichen Schutzpflichten gemäß Art. 1
und 2 Grundgesetz verfassungswidrig sein könnte. Ist
dies auch aus Sicht des Bundesministeriums der Justiz
eine ernst zu nehmende rechtliche Argumentation?
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icht ausgerechnet von mir als liberalem Politiker hier iner Fragestunde zu beantworten ist.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4535
Parl. Staatssekretär Dr. Max Stadler
)
)
Ich habe, glaube ich, als Parlamentarischer Staats-sekretär auch keinen Job, sondern eine Aufgabe. DieseAufgabe nehmen wir als Bundesjustizministerium in derWeise wahr, dass wir die bestehende Rechtslage darge-stellt haben.Ich darf versuchen, ein Missverständnis, das in IhrerFrage durchzuklingen schien, auszuräumen. Ich habenicht gesagt, dass ein Gesetz zur Laufzeitverlängerungzustimmungsfrei ist. Ich habe gesagt, dass Gestaltungendenkbar sind, in denen es zustimmungsfrei ist, dass aberauch andere Gestaltungen denkbar sind, in denen es– nach unserem Maßstab, den wir einer Parallelentschei-dung des Bundesverfassungsgerichts gemeinsam mitdem Innenministerium entnehmen – zustimmungspflich-tig ist. Insofern war in Ihrer Frage eine Annahme ent-halten, die nicht zutrifft. Wir können eine endgültigeBewertung nur vornehmen, wenn ein konkreter Geset-zestext vorliegt.
Die nächste Frage stellt der Kollege Krischer.
Danke schön. – Meine Frage zielt in die Richtung, ob
Ihr Ministerium ein Gesetz auf den Weg bringen wird,
auch wenn es Gutachten, Expertisen namhafter Experten
geben wird, die von einem Scheitern vor dem Bundes-
verfassungsgericht ausgehen. Wird Ihr Haus, wird das
Justizministerium, ein Gesetz mittragen, auch wenn es
deutliche Anhaltspunkte für ein Scheitern vor dem Bun-
desverfassungsgericht – Stichwort Zustimmungspflich-
tigkeit – gibt?
D
Die erste Frage kann ich mit einem klaren Nein beant-
worten. Unser Ministerium wird ein solches Gesetz
überhaupt nicht auf den Weg bringen; denn es ist nicht
federführend zuständig. Wenn, dann bringt die Bundes-
regierung das Gesetz auf den Weg.
Inhaltlich bezog sich Ihre Frage auf verfassungsrecht-
liche Bedenken. Das Bundesjustizministerium und das
Bundesinnenministerium sind um eine gutachterliche
Stellungnahme zur Verfassungsrechtslage gebeten wor-
den. Diese haben wir abgegeben. Ich glaube, es ist
selbstverständlich, dass das Gutachten in die weitere
Meinungsbildung der Bundesregierung einfließt. Diese
ist, wie Sie wissen, noch nicht abgeschlossen.
Herr Ströbele.
Danke. – Herr Kollege Stadler, kennt der Staatssekre-
tär im Justizministerium oder das Justizministerium oder
kennen beide eine Gesetzesformulierung zur Verlänge-
rung der Laufzeiten von Atomkraftwerken, in der keine
neue Auftragsverwaltung vorgesehen ist und die deshalb
nach Auffassung des Bundesjustizministeriums auch
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Ich beschränke mich daher auf die Beantwortung Ih-
er Frage und sage: Einen solchen Gesetzestext kenne
ch bisher nicht, weil unserem Haus noch kein Gesetzes-
ext vorgelegt worden ist. Ich habe abstrakt dargestellt,
as aufgrund einer Entscheidung, die das Bundesverfas-
ungsgericht zu einer anderen Vorschrift gefällt hat, der
rüfungsmaßstab sein wird.
Ich darf wiederholen: Die entscheidende Frage ist, ob
n einer Laufzeitverlängerung die Übertragung einer
euen Aufgabe liegt. Die Laufzeitverlängerung als sol-
he ist keine verfahrensrechtliche Vorschrift, die die
änder betreffen würde, sondern eine materiell-rechtli-
he. Dennoch ist die Fragestellung richtig.
Um vollständig vorzutragen, nehme ich Ihre Frage
um Anlass, noch etwas anderes deutlich zu machen
vielleicht wollte Frau Höhn mich danach fragen; dann
ann ich ihre Frage beantworten, ohne dass sie mich ge-
ragt hat –: In anderen Rechtsgutachten gibt es bekannt-
ich andere Ansatzpunkte. All dies wird bei der endgülti-
en Bewertung zu berücksichtigen sein.
Eine weitere Frage, diesmal von der Kollegin
erlitzius.
Danke. – Auch ich habe eine Frage, Herr Staatssekre-
är. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Horst Meierhofer
at erklärt, um eine Laufzeitverlängerung durchzufüh-
en, müsse diese – jetzt folgt das Zitat – „rechtlich was-
erdicht sein.“ Teilen Sie diese Auffassung?
D
Ich teile in der Regel alle Auffassungen meines ge-chätzten Kollegen Horst Meierhofer aus Regenburg.
Ich habe deutlich gemacht, dass das Bundesinnen-inisterium und das Bundesjustizministerium gemein-am auf verfassungsrechtliche Risiken bei bestimmtenusgestaltungen eines etwaigen Gesetzes hingewiesenaben. Dies wird sicherlich in die Meinungsbildung derundesregierung einfließen.
Metadaten/Kopzeile:
4536 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
)
)
Wir bleiben beim Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums der Justiz und kommen zur Frage 11 der Abge-
ordneten Sonja Steffen:
Wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Ände-
rung des § 522 der Zivilprozessordnung vorlegen?
D
Frau Kollegin Steffen, vielleicht darf ich kurz erläu-
tern, dass es bei § 522 Abs. 2 ZPO darum geht, dass Be-
rufungen in Zivilsachen per Beschluss verworfen wer-
den können, ohne mündliche Verhandlung, allerdings
nach einem Hinweis des Gerichts. An dieser Regelung
wird in der Praxis vielfach Kritik geübt. Deswegen sollte
diese Vorschrift so geändert werden, dass bei ihrer An-
wendung insbesondere eine einheitliche Rechtspre-
chungspraxis erreicht wird. Zu diesem Zweck ist insbe-
sondere die Einführung eines Rechtsmittels gegen den
Zurückweisungsbeschluss ins Auge zu fassen. Man
muss auch darüber nachdenken, die mündliche Verhand-
lung wieder zu stärken oder vielleicht die tatbestandli-
chen Voraussetzungen für einen solchen Zurückwei-
sungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verschärfen.
Das ist die eine Seite.
Auf der anderen Seite ist in die Überlegungen aller-
dings auch einzubeziehen, welche Folgen dies für die
Justiz und insbesondere welche finanziellen Auswirkun-
gen eine Gesetzesänderung auf die Haushalte von Bund
und Ländern hätte. Insofern handelt es sich um keine
ganz einfache Thematik. Auch hier ist die Meinungsbil-
dung innerhalb der Bundesregierung noch nicht abge-
schlossen.
Eine Nachfrage? – Bitte schön.
Vielen Dank. – Ich möchte Sie an den Gesetzentwurf
erinnern, der 2008 seitens der FDP-Fraktion eingebracht
worden ist. Sie werden wissen, dass die gesamte Anwalt-
schaft im Grunde genommen dafür plädiert, dass § 522
Abs. 2 ZPO abgeschafft wird. Ich hätte gerne gewusst:
Sprechen tatsächlich nur finanzielle Gründe dagegen?
Denn ich glaube, jeder Jurist plädiert dafür, diese Vor-
schrift abzuschaffen; es sei denn, er ist Richter und hat
aus dieser Perspektive damit zu tun. Aus meiner Sicht
stellt sie einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip
dar.
D
Frau Kollegin Steffen, Sie haben zu Recht Kritik aus
der Anwaltschaft an dieser Vorschrift zitiert, aber es gibt
auch eine erhebliche Kritik von Bürgerinnen und Bür-
gern, die persönlich davon betroffen gewesen sind. Ihre
Kritik geht vor allem dahin, dass man auch bei bedeutsa-
men Rechtstreitigkeiten und durchaus erheblichen Streit-
werten keine weitere Instanz zur Verfügung hat und dass
es im Falle eines solchen Zurückweisungsbeschlusses
nicht möglich ist, dem Gericht in mündlicher Verhand-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4537
)
Wie wird man mit Unternehmen umgehen, die, wie
beispielsweise Lone Star, über eigene Banken verfügen?
Im Koalitionsvertrag steht ja, dass es bei dem Schutz,
den Sie gewährleisten wollen, hauptsächlich um Unter-
nehmen geht, die die Forderung übernehmen, ohne eine
Banklizenz zu haben. Wie geht man dann also mit Unter-
nehmen um, die sich ein bisschen trickreich einer eige-
nen Bank bedienen?
D
Sie haben zu Recht aus dem Koalitionsvertrag zitiert,
in dem gewissermaßen ein Teilausschnitt der Problema-
tik angesprochen wird. Wir sind dabei, das Thema um-
fassender zu diskutieren.
Es gehört allerdings auch dazu, dass man die Refinan-
zierungsmöglichkeiten der Banken nicht abschneiden
darf; auch das muss man im Auge behalten. Das Ziel ist
aber, insbesondere Schuldner, die sich selber vertragsge-
mäß verhalten, davor zu schützen, dass sie plötzlich ei-
nem anderen Vertragspartner gegenüberstehen, der das
Recht hat, Verträge zu ändern oder eine Zwangsvollstre-
ckung durchführen zu lassen, obwohl es dafür keinen
Anlass gibt, den der Schuldner zu vertreten hat.
Auch diese Materie ist insgesamt etwas komplizierter,
als es vielleicht auf den ersten Blick aussieht. Deswegen
dauern die Arbeiten bei uns im Haus noch an. Wir wer-
den im Laufe des Jahres mit einem Regelungsentwurf
auf Sie zukommen.
Haben Sie eine weitere Nachfrage? – Nein.
Ich rufe Frage 13 auf:
Inwieweit ist das Ermittlungsverfahren hinsichtlich der
Tötung eines Hamas-Führers am 20. Januar 2010 in einem
Luxushotel in Dubai abgeschlossen, bei dem über den be-
schuldigten israelischen Geheimdienst Mossad mehr als
20 Verdächtige für den Anschlag mit Pässen westlicher Staa-
ten nach Dubai eingereist sein sollen, von denen zwölf von ih-
nen über britische, vier über französische Pässe und einer über
einen deutschen Pass verfügt haben sollen, und, wenn es ab-
geschlossen ist, zu welchem Ergebnis ist die Bundesregierung
hinsichtlich der Beteiligung des Mossad bzw. anderer israeli-
scher Stellen an der Fälschung deutscher Pässe im Zusam-
menhang mit der Tötung gekommen?
D
Frau Kollegin Dağdelen, der Generalbundesanwalt
führt hinsichtlich der Tötung des Hamas-Funktionärs
Mahmud al-Mabhuh am 20. Januar 2010 in einem Hotel
in Dubai kein Ermittlungsverfahren. Eine Bundeszustän-
digkeit zur Verfolgung dieser Tat ergibt sich aus dem
Gerichtsverfassungsgesetz nicht. Vielmehr werden die
Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft Köln geführt.
Allerdings möchte ich in diesem Zusammenhang da-
rauf hinweisen, dass sorgfältig zu prüfen sein dürfte, ob
es überhaupt eine Zuständigkeit für eine Strafverfolgung
in Deutschland gibt. Eine solche Zuständigkeit gäbe es
dann, wenn die Tat in Deutschland begangen worden
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4538 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
)
D
Frau Kollegin Dağdelen, ich gehe davon aus, dass der
Generalbundesanwalt, soweit er ein Ermittlungsverfah-
ren führt – ich habe den eingeschränkten Gegenstand des
Verfahrens bereits dargestellt –, alle Erkenntnisse, auch
solche, die sich aus Ermittlungen in anderen Ländern er-
geben, einbeziehen und ein Ergebnis vorlegen wird, über
das dann diskutiert werden kann.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwor-
tung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Finanzen. Die Frage 14 des Kollegen
René Röspel wird schriftlich beantwortet. Die Frage 15
der Kollegin Lisa Paus wird gemäß Nr. 2 Abs. 2 der
Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet.
Die Fragen 16 und 17 der Kollegin Dr. Barbara Höll
werden ebenfalls schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur
Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Hans-Joachim Otto zur Verfügung.
Hier werden die Frage 18 der Kollegin Dagmar
Ziegler, die Frage 19 des Kollegen Hans-Joachim
Hacker sowie die Fragen 20 und 21 der Kollegin
Gabriele Hiller-Ohm schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zur Frage 22 der Kollegin
Cornelia Behm:
Welche Ziele zum Ausbau der Offshorewindkraft bis 2020
und 2030 wurden den Gutachtern, die die Energieszenarien
der Bundesregierung erstellen, vom Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie vorgegeben?
Herr Staatssekretär, bitte.
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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Frau
Kollegin Behm, Grundlage der Energieszenarien ist,
dass die in der Koalitionsvereinbarung formulierten
Zielsetzungen der Bundesregierung für die Jahre 2020
und 2050 erfüllt werden. Demgemäß wurden dem Auf-
tragnehmer der Studie folgende Vorgaben gemacht – ich
zitiere –:
Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Strom-
versorgung erreicht im Jahr 2020 mindestens
30 Prozent und am Bruttoendenergieverbrauch …
mindestens 18 Prozent. Die Treibhausgasemissio-
nen werden bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent und
bis 2050 um mindestens 80 Prozent reduziert. Die
erneuerbaren Energien sollen den Hauptanteil an
der Energieversorgung übernehmen. Dabei sollen
in einem dynamischen Energiemix und unter Be-
rücksichtigung von Energieeffizienzsteigerungen
die konventionellen Energieträger kontinuierlich
durch alternative Energien ersetzt werden.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4539
)
H
Frau Kollegin Behm, ich bin mir gar nicht bewusst,
ob ich Ihnen darauf eine Antwort geben darf. Möglicher-
weise gibt es rechtliche Gründe, die eine Antwort ver-
bieten. Ich werde dies klären lassen. Wenn die Zulässig-
keit der Antwort auf die Frage nach der Vergütung der
Gutachter
– ja, das ist klar – bejaht wird, werden Sie die Antwort
unverzüglich schriftlich bekommen.
Eine Zusatzfrage hat Frau Kollegin Höhn.
Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, dass der Zwi-
schenbericht mittlerweile vorliegt. Wurde dieser Zwi-
schenbericht von der Bundesregierung schon abgenom-
men?
H
Nein. Dieser Zwischenbericht ist von den Gutachtern
ausdrücklich als vorläufig gekennzeichnet. Es gibt wäh-
rend der gesamten Zeit der Beauftragung eine ständige
Kommunikation zwischen verschiedenen Häusern der
Regierung und den Gutachtern. Es gibt keine Veranlas-
sung, einen vorläufigen Zwischenbericht abzunehmen.
Dieser Zwischenbericht ist eine vorläufige Information
an die Bundesregierung, auf deren Grundlage die bereits
begonnene Kommunikation mit den Gutachtern intensi-
viert werden kann.
Zum selben Sachverhalt rufe ich nun die Frage 23 des
Kollegen Friedrich Ostendorff auf:
Hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technolo-
gie den Gutachtern, die die Energieszenarien der Bundesre-
gierung erstellen, das Ziel der Gasnetzzugangsverordnung zur
Vorgabe gemacht, bis 2020 6 Milliarden Kubikmeter Biome-
thananteil am Gasverbrauch zu erreichen und 10 Milliarden
Kubikmeter im Jahr 2030?
H
Herr Kollege Ostendorff, es wird Sie nach der Ant-
wort, die ich eben der Kollegin Behm gegeben habe,
nicht überraschen, dass ich Ihnen mitteile, dass eine Vor-
gabe, bis 2020 6 Milliarden Kubikmeter Biomethanan-
teil am Gasverbrauch und 10 Milliarden Kubikmeter im
Jahre 2030 zu erreichen, nicht gemacht wurde, und zwar
bewusst. Frau Präsidentin, damit gehe ich indirekt schon
auf die folgenden Fragen ein, in denen es jeweils um de-
taillierte Vorgaben geht.
Herr Otto, mit Ihrem Einverständnis rufe ich dann
auch Frage 24 auf:
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Das Wort zu einer Nachfrage hat Herr Kollege
stendorff.
Schönen Dank, Herr Staatssekretär. – Sie haben deut-
ich gemacht, dass, was die Ergebnisse angeht, keine
orgaben gemacht worden sind.
Ich möchte zu den Grundlagen nachfragen. Mich inte-
essiert, auf der Grundlage welcher Annahmen hier vor-
egangen worden ist. Man muss das Wirtschaftswachs-
um, die Ölpreisentwicklung und möglicherweise andere
orgaben berücksichtigen, um zu gesicherten Ergebnis-
en zu kommen. Können Sie uns Aussagen dazu ma-
hen, welche Annahmen dort getroffen worden sind?
H
Herr Kollege Ostendorff, die einzigen Vorgaben, dieemacht worden sind – es sind verbindliche Vorgabennd keine Annahmen –, sind diejenigen, die ich der Kol-egin Behm eben in der Beantwortung der Frage 22 ge-annt habe. Weder die Bundesregierung noch Sie nochie Gutachter können nämlich mit Sicherheit davon aus-
Metadaten/Kopzeile:
4540 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto
)
)
gehen, wie sich beispielsweise die wirtschaftliche Ent-wicklung in Deutschland in den nächsten Jahren dar-stellen wird. Vorgegeben sind nur die Ziele. DieWissenschaftler der beauftragten Institute sind frei darin,auf Grundlage der unterschiedlichen Annahmen, die sieselbst für realistisch halten, Szenarien zu entwickeln. Esist auch durchaus nachvollziehbar und plausibel, dassman Wissenschaftlern, wenn man schon welche beauf-tragt, eine möglichst große wissenschaftliche Freiheitgibt, die Szenarien durchzurechnen. Je mehr Vorgabenwir machen, desto mehr engen wir die Wissenschaftlerbei der Erstellung ihrer Gutachten ein. Wir haben da-rüber diskutiert – das ist kein Geheimnis –, und es wurdeabgewogen, ob man präzisere, weitergehende Vorgabenmacht. Wir haben schließlich bewusst – auch in Überein-stimmung mit dem BMU, mit dem Bundesministeriumfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – aufsolche Vorgaben verzichtet.
Haben Sie eine weitere Nachfrage?
Ja, ich habe noch eine kurze weitere Nachfrage, da
Sie die Frage zur Fotovoltaik ja mitbeantwortet haben:
Ist das Ziel, das Bundesminister Röttgen vorgegeben hat,
nämlich den Anteil der Fotovoltaik bis 2020 auf 5 Pro-
zent zu steigern, in den Energieszenarien berücksichtigt
worden?
H
Herr Kollege Ostendorff, ich wiederhole mich. Es
sind den Gutachtern jedenfalls keine weitergehenden
Vorgaben gemacht worden als diejenigen, die ich Ihnen
eben mitgeteilt habe. Den Gutachtern ist es natürlich un-
benommen, bei der Erstellung der Szenarien zu berück-
sichtigen, welche Zielvorstellungen die Bundesregie-
rung hat. Sie können sie berücksichtigen. Sie können
Alternativvorschläge machen. Aber wir haben bewusst
darauf verzichtet, innerhalb des bewusst sehr knapp ge-
haltenen Rahmenwerks noch weitere Vorgaben zu ma-
chen.
Mir ist bewusst, Herr Kollege Ostendorff, dass Sie
eher dazu tendiert hätten und es eher befürwortet hätten,
solche weiteren Vorgaben zu machen; das kommt durch
die Vielzahl Ihrer Fragen zum Ausdruck. Ich möchte Ih-
nen jedoch entgegenhalten, dass wir uns nach reiflicher
Überlegung, auch in Abstimmung mit den anderen betei-
ligten Ressorts, insbesondere mit dem BMU, dazu ent-
schlossen haben, den Gutachtern die Freiheit zu lassen
und ihnen bis auf den wirklichen Kernrahmen keine wei-
teren Vorgaben zu machen.
Frau Kollegin Höhn, bitte.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
30 Prozent Erneuerbare bis
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ie nächste Frage stellt die Frau Steiner.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4541
)
)
Herr Staatssekretär, ich komme auf die Offenheit der
Vorgaben zurück. Das hört sich ja fast so an wie: Wir ha-
ben ganz lose, weiträumig formulierte Ziele, und jetzt
entwickeln Sie mal ein, zwei, drei bzw. viele Energiesze-
narien; mal gucken, was rauskommt. – Ich kann mir
nicht vorstellen, dass Sie das so gemacht haben; denn
daraus kann überhaupt kein solides und gutes Konzept
entwickelt werden.
Kann es denn sein, dass Sie den Gutachtern nicht in
irgendeiner Weise vorgegeben haben, die Verringerung
des Energie- bzw. des Stromverbrauchs mit einem nen-
nenswerten Anteil zu berücksichtigen? Wenn das Gut-
achten dies nicht beinhalten würde, wäre es nur halb so
viel wert. Haben Sie dazu Vorgaben gemacht? Oder ha-
ben Sie nicht einmal das hineingeschrieben?
H
Frau Kollegin, ich hatte Ihnen die kompletten Vorga-
ben mitgeteilt. Daraus ergibt sich, dass es weitere Vorga-
ben nicht gibt. Ich kann Ihnen aber verraten, dass die Er-
stellung der Szenarien in den Gutachten im Rahmen
eines kontinuierlichen Kommunikationsprozesses statt-
findet. Es ist völlig klar, dass die Gutachter – auch wenn
wir keine verbindlichen Vorgaben gemacht haben – mut-
maßlich auch die politische Landschaft berücksichtigen.
Sie haben nach Energieeffizienzen gefragt. Die sind
ausdrücklich angesprochen worden, aber nicht im Sinne
einer verbindlichen Vorgabe, sondern einer Zielbeschrei-
bung. Deswegen dürfen Sie – ohne dass ich dem Ergeb-
nis vorgreife – davon ausgehen, dass das endgültige Gut-
achten, das im Juli vorgelegt und dann selbstverständlich
auch mit Ihnen diskutiert wird, verschiedene Alterna-
tivszenarien enthält, die nicht wirklichkeitsfremd sind.
Das heißt, die Gutachter, die in einem sorgfältigen Ver-
gabeverfahren ausgesucht worden sind, werden die poli-
tischen Realitäten, die Sie eben zum Teil beschrieben ha-
ben, mit einbeziehen. Wir haben nur darauf verzichtet,
sie als verbindliche Vorgaben für das Gutachten zu for-
mulieren. Trotzdem befinden sich die Institute nicht in
einem politikfreien Raum. Die Gutachter werden selbst-
verständlich die Diskussionen und Überlegungen sowie
auch viele der Vorgaben, die Sie in Ihren Fragen formu-
liert haben, mit berücksichtigen.
Herr Kollege Krischer, bitte.
Herr Staatssekretär, ich bin einigermaßen überrascht.
Ein solches Verfahren zur Erstellung von Energieszena-
rien – in dem man Dinge, die politischen Entschei-
dungen unterliegen, der Wissenschaft nach dem Motto
überlässt: Die sollen sich mal was überlegen – dürfte si-
cherlich sehr ungewöhnlich sein.
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as lässt uns später einen größeren Spielraum, die Dingeu bewerten.Sie stehen dieser Regierung ja ohnehin kritisch ge-enüber. Wenn wir zu viele Vorgaben gemacht hätten,ätten Sie, Frau Kollegin Höhn, wahrscheinlich gesagt,iese Vorgaben seien Ihnen nicht ambitioniert genug, sieeichten Ihnen nicht. Wir haben das offengelassen. Wiraben das vorgegeben, was wir im Koalitionsvertragereinbart haben, woran wir uns messen lassen müssen
Metadaten/Kopzeile:
4542 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto
)
)
und wozu wir uns zum Teil auch auf europäischer Ebeneverpflichtet haben. Ob die von Ihnen genannten Vorga-ben in den Teilbereichen realistisch sind oder ob sie viel-leicht nicht ambitioniert genug sind, wird später mögli-cherweise auch anhand des Gutachtens zu beurteilensein.Wenn ich Oppositionsabgeordneter wäre, hielte ich esfür eine zu akzeptierende Maßnahme, dass die Bundes-regierung darauf verzichtet hat, den Gutachtern einenallzu engen Rahmen vorzugeben. Wir haben die wissen-schaftliche Freiheit, die Freiheit der Institute höher ein-geschätzt als politische Vorgaben. Wenn wir zu vielepolitische Vorgaben gemacht hätten, hätten Sie daswahrscheinlich kritisiert und gesagt: Ihr müsst die malrechnen lassen. – Jetzt machen wir das so, Herr Krischer,und wir werden am Ende sehen, ob die Ergebnisse aus-sagefähig sind, ob wir auf der Basis weiterkommen.Wenn die Ergebnisse nicht tragfähig sind, wird entspre-chende Kritik von Ihnen kommen, und die müssen wirdann aushalten.
– Das mag sein, dass Sie das nicht glauben.
Aber wir sind hier nicht in der Kirche. Wir haben nachsorgfältiger Prüfung entschieden, wie wir vorgehen. Ichhabe Ihnen auch die Hintergründe erläutert. Nach derVeröffentlichung, die ja schon in relativ kurzer Zeit an-steht, werden wir uns in diesem Hohen Hause sicherlichdarüber unterhalten, ob die Grundlage für die Vergabeder Gutachten und die Errechnung der Szenarien sinn-voll war. Ich ahne, dass Sie damit nicht zufrieden seinwerden. Aber dann werden wir darüber diskutieren. Je-denfalls: Sie mögen so viel fragen, wie Sie wollen, wirwerden den Weg nicht mehr ändern können. Die Gutach-ter sind an der Arbeit. Lassen Sie uns die Ergebnisse ab-warten! Ich freue mich auf die weitere Diskussion mitIhnen spätestens ab Juli.
Nächster Fragesteller ist der Kollege Dr. Ott.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege, das ist
offensichtlich Filibustern, was Sie hier machen. Ich bitte
Sie, meine nächste Frage kurz zu beantworten, damit
noch mehr Fragen gestellt werden können.
Ihre Reaktion provoziert folgende Nachfrage: Das,
was Sie unter Freiheit der Wissenschaft verstehen, ist
doch nicht der Kern der Sache; vielmehr geht es darum,
dass die Politik den Wissenschaftlern Vorgaben für die
Berechnung der Szenarien machen muss. Es geht nicht
darum, die Wissenschaft zu beschneiden, sondern es
geht darum, zu sagen: Wo geht es hin? Das ist der Man-
gel Ihrer Regierung, dass Sie keinen Plan haben, wo Sie
hinwollen. Wenn Sie zum Beispiel den Plan hätten, dass
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Frau Paus, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben noch einmal deutlich
emacht, wie Sie dieses Gutachten vergeben haben. Sie
ind der Vertreter des Wirtschaftsministeriums und ha-
en in dieser Funktion dargestellt, dass das, was Sie in
uftrag gegeben haben, eigentlich eine technische
achbarkeitsstudie mit nur sehr wenigen Vorgaben ist.
arüber haben wir schon intensiv gesprochen. Sie haben
ewusst auf wirtschaftspolitische, auf makroökonomi-
che Annahmen verzichtet.
Meine Frage ist: Warum hat das Wirtschaftsministe-
ium die Federführung bei diesem Gutachten, das offen-
ar eine reine Machbarkeitsstudie ist und damit in die
uständigkeit des Umweltministeriums fallen würde?
orin liegt der Beitrag des Wirtschaftsministeriums zu
iesem Gutachten?
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Frau Kollegin, ich darf Sie darauf hinweisen, dass dasundeswirtschaftsministerium federführend bei Ener-iefragen ist. Dass wir uns in dieser Frage mit dem Um-eltministerium abstimmen, ist völlig klar. Die Zusam-enarbeit klappt besser, als es manchmal in derffentlichkeit dargestellt wird.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4543
Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto
)
)
Aber da seit Jahrzehnten das BMWi das Energieministe-rium ist, ist es nahe liegend, dass das Energieministe-rium die Federführung in dieser Angelegenheit hat.
Die nächste Frage stellt die Frau Kollegin Wagner.
Herr Staatssekretär, Sie sagten vorhin, dass solche
Szenarien nicht ganz fern von Politik entworfen würden.
Deswegen lautet meine Frage: Wird die von der Bundes-
regierung nunmehr geplante Brennelementesteuer in die
Berechnungen von EWI/Prognos zur Wirtschaftlichkeit
der Atomkraft einbezogen?
H
Frau Kollegin Wagner, nicht im Sinne von Vorgaben.
Aber dass die Institute zur Kenntnis nehmen, dass es am
vergangenen Wochenende Überlegungen in Richtung ei-
ner Brennelementesteuer gegeben hat, ist doch klar.
Diese Steuer haben wir aber noch längst nicht. Es wur-
den noch keine Details geklärt.
Wenn die Institute gut arbeiten, dann werden sie die
politische und gesellschaftliche Realität im Auge behal-
ten. Ob die Brennelementesteuer überhaupt zu einer Ver-
änderung der Annahmen, die den Szenarienberechnun-
gen zugrunde liegen, führt und in welchem Umfang sich
diese ergeben, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber ich
gehe davon aus, dass die Institute nicht in einem abge-
schlossenen Raum arbeiten, sondern dass sie die Be-
schlüsse, die in der Klausurtagung der Bundesregierung
am vergangenen Wochenende getroffen wurden, zur
Kenntnis genommen haben und dass sie sich überlegen,
inwieweit diese Beschlüsse bei den Berechnungen ein-
zubeziehen sind.
Die Fragen 25 und 26 der Kollegin Ingrid Nestle wer-
den schriftlich beantwortet.
Es liegt zu demselben Sachverhalt noch eine Reihe
von Fragen vor. Da der Herr Staatssekretär schon viele
Fragen beantwortet hat, frage ich Sie, ob Sie noch Wert
auf die Beantwortung dieser Fragen legen.
– Sie legen also Wert auf eine Beantwortung.
Ich rufe somit die Frage 27 der Kollegin Herlitzius
auf:
Hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technolo-
gie den Gutachtern, die die Energieszenarien der Bundesre-
gierung erstellen, die Erreichung des Ziels der Bundesregie-
rung, den Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung bis 2020 auf
25 Prozent zu verdoppeln, zur Vorgabe gemacht?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
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asselbe gilt natürlich für die Fotovoltaik.
H
Sie mögen mich noch ein paar Mal fragen, und icherde das, was ich am Anfang gesagt habe, immer wie-er sagen. Das ist die komplette verbindliche Vorgabe.Frau Kollegin Herlitzius, das bedeutet nicht, dass dieutachter bzw. die Institute im luftleeren Raum arbeiten.hnen sind erstens die wirtschaftlichen Gegebenheiten,
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4544 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto
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zum Beispiel die Entwicklung im Bereich der Fotovol-taik, und zweitens das Integrierte Energie- und Klima-programm der Bundesregierung und einige andere Dingebekannt. Wir haben nur darauf verzichtet – um das nocheinmal zu präzisieren –, dies zur zwingenden Vorgabefür das Gutachten zu machen. Aber dass das Tatsachensind – wir Juristen sprechen von Rechtstatsachen –, diedie Gutachter tunlichst berücksichtigen sollten, ist völligklar.
Frau Kollegin Höhn, bitte.
Herr Staatssekretär, ich war lange an der Universität.
H
Schön.
Deshalb kenne ich mich relativ gut darin aus, wie
Gutachten erstellt werden. Ich selber habe auch eine
Menge Gutachten in Auftrag gegeben. Das heißt, zum
einen war ich auf der Seite derjenigen, die sich mit Gut-
achten beschäftigen mussten, und zum anderen war ich
auf der Seite derjenigen, die Vorgaben gemacht haben.
Normalerweise macht man Vorgaben und legt Rahmen-
bedingungen fest, und dann wird ein Endergebnis er-
rechnet. Sie wählen jetzt ein ganz seltsames Verfahren.
Sie geben bestimmte Rahmenbedingungen vor. Die ha-
ben Sie genannt; es sind sehr wenige. Jetzt verfahren Sie
so, dass Sie sich immer wieder mit den Gutachtern ab-
sprechen, wie die Rahmenbedingungen und die Vorga-
ben noch geändert werden sollen. Dadurch wird doch of-
fenkundig, dass Sie das Ergebnis des Gutachtens
beeinflussen. Wie wollen Sie dem Eindruck entgegentre-
ten, dass Sie mit diesem ungewöhnlichen Verfahren in
Bezug auf das Gutachten, das Sie in Auftrag gegeben ha-
ben, das Ergebnis dieses Gutachtens kontrollieren und
am Ende ein bestimmtes Ergebnis herbeiführen?
H
Liebe Frau Kollegin Höhn, erstens möchte ich Ihnen
mitteilen, dass auch ich einige Jahre an der Universität
gearbeitet und Gutachten erstellt habe. Auch mir liegt
das nicht fern.
Zweitens verstehe ich nicht, dass Sie der Bundesre-
gierung, der Sie als Opposition gegenüberstehen, vor-
werfen, dass sie den Instituten nicht präzisere Vorgaben
macht. Es müsste doch ganz im Sinne der Opposition
sein, dass die Regierung auf ihre politischen Möglich-
keiten verzichtet, den Gutachtern präzisere Vorgaben als
bisher zu machen.
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in ich doch überrascht, mit welcher Hartnäckigkeit Sie
ier fragen, zumal Sie, liebe Frau Kollegin Höhn, wissen
ich will Ihre wissenschaftliche Erfahrung ausdrücklich
nerkennen –, dass man mitten im Strom nicht mehr die
ferde wechseln kann. Es wäre auf keinen Fall möglich,
etzt noch irgendwelche verbindlichen Vorgaben zu ma-
hen. Die Fragekaskade mag berechtigt sein; aber sie ist
icht sehr sinnvoll, weil sie nichts mehr am Ergebnis än-
ern kann.
Herr Kollege Krischer.
Herr Staatssekretär, Sie werfen uns jetzt vor, –
H
Ich werfe Ihnen gar nichts vor.
– dass hier kurz vor Ende der Erstellung des Gutach-ens Fragen gestellt werden. Ich darf Sie fragen: Habenie zur Kenntnis genommen, dass wir diese Fragen überonate hinweg gestellt haben und die Bundesregierungie über Monate hinweg nicht beantwortet hat? Sie kom-en erst heute in dieser Deutlichkeit mit diesen Informa-ionen. Deshalb die Frage: Warum haben Sie diese Infor-ationen nicht früher dem Parlament zur Verfügungestellt?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4545
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Herr Kollege, erstens mache ich darauf aufmerksam,
dass ich überhaupt nichts vorgeworfen habe. Ich habe
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es völlig legitim
ist, wenn Sie fragen. Eine andere Frage ist, ob das sinn-
voll ist.
Zweitens. Ihr Kollege hat mir vorhin Filibusterei vor-
geworfen. Sie sagen, ich sei der Erste, der präzise Ant-
worten gebe. Vielleicht stimmen Sie sich einmal in Ihrer
Fraktion ab.
Drittens. Es hilft nichts: Die Verantwortung liegt bei
der Bundesregierung. Wir werden uns den kritischen
Fragen von Ihnen, Ihrer Fraktion und den anderen Frak-
tionen stellen, wenn das Gutachten vorliegt.
Mir ist bekannt, dass Sie seit Monaten danach fragen.
Mir ist übrigens nicht bekannt, dass Ihnen das, was ich
jetzt gesagt habe, nicht schon längst bekannt ist.
– Dann bin ich glücklich, dass ich nun eine präzise Ant-
wort filibustert habe. Ich habe Ihnen ganz präzise gesagt,
worum es geht.
Noch einmal: Da wir uns in einer fortgeschrittenen
Phase des Verfahrens befinden – das räumen Sie selbst
ein –, kann ich Ihnen heute die klare Antwort geben,
welche Vorgaben gemacht worden sind und welche
nicht. Wir alle hoffen, dass wir noch im Monat Juli die
endgültigen Berechnungen erhalten. Angesichts der Zeit
und der Tatsache, dass hier noch andere Kollegen Fragen
stellen wollen, schlage ich vor: Setzen wir die Diskus-
sion fort, sobald uns die Ergebnisse der Institute vorlie-
gen!
Wir sind immer noch beim Themenkomplex „Vorga-
ben für die Gutachter“. Dazu rufe ich nun die Frage 28
der Kollegin Herlitzius auf:
Welche Vorgaben zu den spezifischen CO2-Vermeidungs-
kosten verschiedener Technologien – Windkraft, CCS, Atom-
kraft etc. – hat es bisher seitens des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Technologie an die Gutachter gegeben?
H
Frau Herlitzius, komplette Überraschung: Die Gut-
achter haben keine Vorgaben zu den spezifischen CO2-
Vermeidungskosten verschiedener Technologien erhal-
ten.
Frau Kollegin, haben Sie dazu eine Nachfrage?
Nein, ich denke, das ist umfassend beantwortet. Das
heißt, Sie haben das Gutachten frei vergeben –
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ie bisherigen Absprachen mit den Instituten laufen da-auf hinaus, dass das Gutachten noch im Juli vorgelegtird.
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4546 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Otto
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– Ja, 2010. Ich bin präzise.
Damit haben wir den zeitlichen Rahmen der Frage-
stunde ausgeschöpft. Herr Staatssekretär, ich bedanke
mich bei Ihnen für die Beantwortung der Fragen.
Die Fragen 40 bis 46 wurden zurückgezogen. Die auf-
grund des Zeitablaufs der Fragestunde nicht beantworte-
ten Fragen werden, wie in unserer Geschäftsordnung
vorgesehen, schriftlich beantwortet.
Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Abbau der Neuverschuldung durch sozial ge-
rechte Belastung auch der starken Schultern
statt massiver Kürzungen bei Arbeitslosen
und jungen Eltern
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner das Wort dem Kollegen Carsten Schneider für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Mit großen Worten haben die Bundeskanzlerin und derBundesaußenminister am Montag ein angeblich histori-sches Sparpaket vorgelegt. Als geneigter Beobachterfragt man sich: Warum erst jetzt? Sind die Defizite deröffentlichen Haushalte erst seit dem vergangenen Wo-chenende bekannt? Ich frage Sie das so offen. Oder ha-ben Sie die Finanzplanung des Bundesfinanzministeri-ums bzw. des Kabinetts nicht gelesen, bevor Sie denKoalitionsvertrag geschlossen haben, der noch von Steu-ersenkungsutopien ausgegangen ist? Ich muss sagen:Entweder Sie wollten die Realität nicht akzeptieren, oderSie haben bewusst gewartet, bis die Wahl in Nordrhein-Westfalen vorbei ist, um erst danach die Karten offen aufden Tisch zu legen.
Das ist Wahlbetrug und Volksverdummung, zumindestder Versuch der Volksverdummung.
Das Ergebnis in NRW hat gezeigt: So dumm ist das Volknicht.Man fragt sich: Ist das, was Sie mit diesen Entwürfenvorgelegt haben – vieles ist noch unklar –, eine ange-messene Antwort auf die Wirtschafts- und Finanzkrise?Man muss sich auch die Frage stellen: Ist das gerecht?Wir als SPD sind der Auffassung: Wir müssen die Schul-den, das Defizit deutlich reduzieren. Deswegen habenwfGdImhWvAjtukgdkvKtArhsdgmDbjALhs
enn ich diese Frage mit der Antwort, die Sie vorlegen,ergleiche, dann kann ich nur sagen: Es waren nicht dierbeitslosen, die spekuliert haben. Es waren nicht dieungen Eltern, die weiterhin Elterngeld bekommen soll-en, die dafür gesorgt haben, dass wir eine Wirtschafts-nd Finanzkrise haben. Im Gegenteil: Es waren die Spe-ulanten. Sie geben keine Antwort darauf, wie diejeni-en, die viel Geld haben, die Reichen und Wohlhaben-en in unserem Lande, zu diesem Paket beitragenönnen.
Man muss immer überlegen, ob es ökonomisch sinn-oll ist, in der jetzigen Situation zu sparen; das ist dieernfrage. Ich glaube: ja. Es wurden 2 Prozent Wachs-um prognostiziert; es ist also der richtige Zeitpunkt.ber die Frage ist: Darf man nur die Ausgabenseite he-anziehen? Das betrifft natürlich immer den Sozialhaus-alt, weil 50 Prozent der Staatsausgaben Sozialausgabenind. Genau das tun Sie aber. Im Sozialbereich verwen-en Sie keine Nagelschere, wie Herr Westerwelle esenannt hat, sondern veranstalten fast ein Kettensägen-assaker.
ie Kürzungen betreffen fast nur den Sozialbereich: Ar-eitslose, zukünftige Rentner, junge Familien. Sie zeigenetzt Ihr wahres Gesicht.
ber das ist okay; damit kann man umgehen.Sie wollen zum Beispiel den Rentenanspruch, denangzeitarbeitslose erwerben und den Sie als Bund bis-er zahlen, streichen. Was hat das für Auswirkungen? Esind drei.Erstens. Sie plündern die Rentenkasse.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4547
Carsten Schneider
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– Natürlich. Der Rentenkasse werden etwa 2 MilliardenEuro fehlen. Das ist Fakt.Zweitens. Den Langzeitarbeitslosen, die bisher durchdie Rentenbeitragszahlungen des Bundes einen Renten-anspruch hatten
– er war nicht hoch, das ist keine Frage; aber sie hattenwenigstens einen –, wird dieser Anspruch vollkommengestrichen. Er ist komplett weg.Drittens. Was passiert denn dann mit diesen Men-schen? Sie rutschen gnadenlos in die Grundsicherung.Das heißt, die Kommunen werden letztendlich dafür blu-ten, dass Sie sich als Bund sanieren und die Rentenkasseplündern. Das bewirkt, was Sie als Entwurf vorgelegthaben.
– Ja, Frau Enkelmann, das kann man schon als „Sauerei“bezeichnen.
Vor allen Dingen aber ist dieses Paket unausgewogen.Sie belasten in keiner Art und Weise die Besserverdie-nenden. Die Bevölkerung ist durchaus bereit, zu sparen,
aber es muss gerecht zugehen. Nirgendwo werde bei-spielsweise ich belastet oder werden wir alle belastet, diewir alle einigermaßen gut verdienen. Nichts, aber auchgar nichts! Keine Belastung! Keine höhere Steuer! KeinVerzicht! Null! Das ist einfach nicht akzeptabel. Das istsozial ungerecht.
Hinzu kommt, dass in Ihrem Paket sehr viele Luft-buchungen enthalten sind. Haushalterisch werden Siedem Ganzen nicht gerecht. Das Haushaltsjahr 2011schaffen Sie so gerade. Aber das, was Sie zu den Jahren2013 und 2014 vorgelegt haben, besteht zu 50 Prozentaus Luftbuchungen. Ich nenne hier nur als Stichwortedie Globale Minderausgabe von 5 Milliarden Euro unddie Finanztransaktionsteuer, die Sie angeblich gar nichteinführen wollten, nun aber doch einführen wollen, fürdie Sie 6 Milliarden Euro eingerechnet haben. Das, wasSie bisher im Regierungsentwurf vorgesehen haben, istjedoch eine Abgabe, und diese Abgabe ist nicht für denBundeshaushalt bestimmt. Die Streitkräftereform soll4 Milliarden Euro einsparen; aber dieser Idee liegt keinKonzept zugrunde. – All diese Luftbuchungen summie-ren sich auf etwa 40 Milliarden Euro.Sie werden der Aufgabe, die Deutschland als Kern-land im Euro-Raum gerade im Bereich der Stabilisierungzukommt, überhaupt nicht gerecht. Wer in Europa alsZSssfdHMDazGfSgDudVeGoeDtmum
Nächster Redner ist der Kollege Norbert Barthle für
ie CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Solide Staatsfinanzen, das ist und bleibt einarkenzeichen der christlich-liberalen Koalition.
aran führt kein Weg vorbei. Deshalb unternehmen wirlle Anstrengungen, um dies möglichst schnell wiederu erreichen. Konsolidierte Staatshaushalte sind dierundlage für eine Zukunft in unserem Lande, für er-olgreiches Wirtschaften, für Sicherheit. Deshalb ist dasparpaket, das die Bundesregierung vorgelegt hat, eineroße, um nicht zu sagen: wirklich historische Leistung.
as ist eine große Leistung, weil mit diesem Paket klippnd klar zum Ausdruck kommt,
ass wir gewillt sind, mit einem ausgewogenen, fairenorgehen
rnsthaft zu sparen, um diesen Staat wieder auf soliderundlagen zu stellen.
Herr Kollege Schneider, nicht die Griechenland-Kriseder die Euro-Krise sind die Ursachen. Ursache ist diexorbitant hohe Staatsverschuldung.
ie exorbitant hohe Staatsverschuldung hat diese Koali-ion von der Großen Koalition übernommen. Ihr Finanz-inister Peer Steinbrück hätte die Möglichkeit gehabt,mzusetzen, was Sie vorschlagen. Hat er es denn ge-acht? Ich jedenfalls habe nichts Derartiges gesehen.
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4548 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
Norbert Barthle
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Sie geißeln uns für etwas, was Sie versäumt haben. Sogeht das nicht.
Das ist Fundamentalopposition der billigsten Natur.Setzen Sie sich mit dem Konzept ernsthaft auseinan-der. Dann werden Sie feststellen: Die Bundesregierunggibt mit diesem Paket ein klares Bekenntnis zum Stabili-tätspakt, zu den Maastricht-Kriterien und zur Schulden-bremse ab.
Dieses Bekenntnis ist mehr als klar. Daran ändert auchIhr Lachen nichts, Herr Trittin. Die Schuldenbremsewird von dieser Bundesregierung sogar übererfüllt.Durch die Tatsache, dass man nicht vom Sollansatz, son-dern vom Istansatz ausgegangen ist, übererfüllen wir dieAnforderungen der Schuldenbremse. Das ist eine großeLeistung dieser Regierung. Dazu gehört viel Mut. DieserLeistung zolle ich hohen Respekt.
Jetzt kommen wir zum Vorwurf der sozialen Unaus-gewogenheit. Das Paket – schauen Sie es sich genau an –ist in drei gleiche Teile aufgeteilt: Ein Drittel betrifft dieUnternehmen und die Subventionen, ein Drittel den so-zialen Bereich und ein Drittel uns selbst.
Schauen Sie sich das an. Schon deshalb ist dieses Paketausgewogen.Ich will noch etwas hervorheben – das ist etwas, dasbisher noch keine Regierung geleistet hat –: Wir sparennicht bei den Investitionen. Ich nehme das Prestigepro-jekt „Berliner Schloss“ aus; ansonsten wird nicht bei denInvestitionen gespart, sondern einzig und allein im kon-sumtiven Bereich. Das ist ein großartiger Schritt. Wirwissen doch alle, wohin sich dieser Sozialstaat ent-wickelt hat. Noch vor zehn Jahren hatten die Sozialaus-gaben einen Anteil am Bundeshaushalt von etwa 35 Pro-zent. Die Investitionen lagen bei knapp 13 Prozent.Heute haben wir gerade noch 8 Prozent Investitionenund einen Anteil der Sozialausgaben von rund 54 Pro-zent. Wenn wir nicht den Mut haben, das in ein ausgegli-chenes Verhältnis zu bringen, dann fahren wir diesenStaat, um es mit den Worten von Kollege Westerwelle zusagen, an die Wand. Das dürfen wir nicht zulassen; dasGegenteil muss passieren. Wir handeln verantwortungs-voll für die Menschen, die in Lohn und Brot sind, undfür diejenigen, die wir wieder in Lohn und Brot bringenwollen.
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chauen Sie sich die Maßnahmen genau an. Dann stellenie das sehr schnell fest.Ich will ein Beispiel herausgreifen, und zwar dietreichung des Elterngeldes für ALG-II-Empfänger.an muss sich klar vor Augen führen, dass Leistungenach dem SGB II dazu dienen, das Existenzminimumbzusichern. Zusätzliche Einkünfte werden angerechnet.n dieser Systematik ist das Elterngeld ein zusätzlichesinkommen. Deshalb ist es absolut systemgerecht, dieewährung dieser Leistung wieder zurückzunehmen.
m Übrigen kommt ein Paar mit zwei Kindern, dasLG II bezieht, mit 300 Euro Elterngeld zusätzlich proind auf ein monatliches Haushaltseinkommen von sagend schreibe 1 885 Euro netto. Sagen Sie das einmal ei-em Handwerker, einem Arbeiter, der morgens aufstehtnd abends nach Hause kommt, der für sein Einkommenrbeitet.
ir sorgen dafür, dass das Lohnabstandsgebot gewahrtleibt, dass ein Anreiz besteht, Arbeit aufzunehmen, undafür, dass diejenigen, die arbeiten, tatsächlich ein klei-es bisschen mehr in der Tasche haben als diejenigen,ie nicht arbeiten. Das ist für uns eine wichtige Devise.
Lassen Sie mich abschließend ein zweites Beispielenennen, den Heizkostenzuschuss für Wohngeldbezie-er. Was soll daran falsch sein, wenn man eine Unter-tützungsleistung, die eingeführt wurde, als der Heizöl-reis mehr als doppelt so hoch war wie heute, wiederinsammelt, sobald die Berechtigungsgrundlage entfal-en ist? Wohin führt es, wenn wir diesen Mut nicht auf-ringen können? Hätten wir diesen Heizkostenzuschussür alle eingeführt, also auch für die Arbeitnehmerinnennd Arbeitnehmer, die ihre Unterkunft selbst bezahlenüssen, dann hätten wir ihn auch bei allen wieder ein-ammeln müssen. So sammeln wir ihn nur bei denen ein,enen wir den Zuschuss in einer besonderen Situationewährt haben.
enn die Situation nicht mehr so schlimm ist, muss manas auch wieder beenden können. Nichts anderes ma-hen wir.Danke.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4549
Norbert Barthle
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Nächster Redner ist für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen der Kollege Jürgen Trittin.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! HerrKollege Barthle, wenn Ihnen die Arbeitnehmer mit ge-ringen Gehältern ein wirkliches Anliegen wären, dannmüssten Sie hier eigentlich lautstark für einen Mindest-lohn streiten und dürften nicht Arbeitslose gegen Arbei-tende ausspielen.
Meine Damen und Herren, Sie bezeichnen sich selberals „bürgerliche Koalition“. Werfen wir doch einmal ei-nen Blick auf die bürgerlichen Umgangsformen dieserTage – Frau Präsidentin, ich entschuldige mich, weil ichdas zitiere –: Da laufen „kleine Kinder“, von „Gurken-truppen“ bedrängt, ein „Rumpelstilzchen“ springt her-vor, und plötzlich droht ein Überfall von „Wildsäuen“.
Das ist der Ton dieser angeblich bürgerlichen Koalition.Lieber Herr Schäuble, nach dieser Logik wären Sie derSchatzmeister einer „Gurkentruppe“. Dagegen würdeich mich an Ihrer Stelle wehren. Das sollte Ihnen als se-riösem Politiker zu weit gehen.
Der bürgerliche Diskurs ist bei Schwarz-Gelb schlichtund ergreifend zum Türsteherjargon verkommen. Sie be-nehmen sich wie eine Koalition der Kesselflicker. EineKoalition der Kesselflicker ist aber nicht in der Lage, dieöffentlichen Haushalte zu sanieren.
– Das ist genau zur Sache. – Eine Koalition, die sich soaufführt, wird niemanden in diesem Lande davon über-zeugen können, dass es seriöser Anstrengungen bedarf,um die öffentlichen Haushalte in Ordnung zu bringen.Wer selber nicht seriös ist, kann keine seriöse Haushalts-politik machen.
Wie unseriös Sie sind, das können Sie in Ihrem eige-nen Katalog nachlesen. Ihre gesamte eigene KlientelkmjnDtWfWdgRJgSDdnmfRLDktÖEdsbwllStnu
a werden 30 Milliarden Euro bei den sozial Schwächs-en gekürzt. Dies begleitet der Fünf-Prozent-Herr-esterwelle mit der Ansage, alles andere wäre Freibierür alle. Nun will ich nicht bestreiten, dass Herresterwelle sich mit Freibier auskennt. Allerdings giltas nicht für Freibier für alle. Er war es doch, der zu Be-inn dieses Jahres Freibier für die Mövenpicks dieserepublik durchgesetzt hat.
ede seriöse Haushaltssanierung in diesem Lande be-innt mit einem ganz einfachen Schritt: Beenden Sie dieubvention bei der Mehrwertsteuer für die Mövenpicks!as bringt 1 Milliarde Euro in den Haushalt zurück, undas ist ein vernünftiger und seriöser Beitrag zu einer Sa-ierung der Haushalte.
Sie sagen, dass Sie jetzt versuchen wollen, Mitnah-eeffekte zu verhindern. Mitnahmeeffekte zu bekämp-en ist aber das alltägliche Geschäft jeder vernünftigenegierung. Das können Sie sich nicht als besondereeistung anrechnen lassen.Beim Subventionsabbau aber kneifen Sie.
as Umweltbundesamt hat die Summe der ökologischontraproduktiven Subventionen auf 48 Milliarden Euroaxiert. Durch die Abschaffung der Ausnahmen bei derkosteuer könnten Sie relativ schnell 5 bis 7 Milliardenuro einsparen. Das wäre ein Signal für eine Beteiligunger Wirtschaft und für den Willen gewesen, diese Gesell-chaft auf einen ökologischen Modernisierungskurs zuringen.
Schließlich tischen Sie uns ein Linsengericht auf undollen sich für die Laufzeitverlängerung der störanfäl-igsten Pannen- und Altreaktoren dieser Republik bezah-en lassen.
ie müssen sich einmal die Dimensionen vor Augen hal-en: Die Landesbank Baden-Württemberg, nicht die Grü-en, hat ausgerechnet, dass eine Laufzeitverlängerungm 25 Jahre bis zu 230 Milliarden Euro zusätzliche Pro-
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4550 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
Jürgen Trittin
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fite in die Kassen der Energiekonzerne bringt. Das be-haupten nicht die Grünen, sondern das behauptet dieLandesbank Ihres Heimatlandes, Herr Barthle.Sie kommen uns jetzt mit 2,3 Milliarden Euro proJahr. Damit bieten Sie uns aber nichts anderes als einenAblasshandel zulasten der Sicherheit der Bevölkerungan.
Mit der Bankenabgabe wollen Sie 1 Milliarde Euroeinnehmen. Hätten Sie das Modell von Obama übernom-men, hätten Sie das Zehnfache eingenommen.So geht das durch die Bank. Ich stehe mit meiner Auf-fassung in dieser Frage nicht alleine da. Schauen Sie sicheinmal, was Herr Laumann und was Peter Müller sagen:Dieses Paket hat eine soziale Schieflage, weil Sie es ver-säumen, die Menschen mit starken Schultern einzubezie-hen. Sie machen nichts beim Ehegattensplitting. Sie füh-ren keine Vermögensabgabe zum Abbau der Altschuldenein. Sie tasten noch nicht einmal das Steuerprivileg fürschwere Dienstwagen an; das würde übrigens auch1 Milliarde Euro bringen. Anders, als Herr Laumann undHerr Müller es gesagt haben, gehen Sie nicht an denSpitzensteuersatz heran.
Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.
Meine Damen und Herren, dieses Paket besteht aus
Feigheit und sozialem Zynismus.
Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.
Ich sage Ihnen: Die Bürgerinnen und Bürger haben
von Feigheit und Zynismus die Nase voll.
Sie wollen Verantwortung und Gerechtigkeit. Das übri-
gens sind bürgerliche Tugenden.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Jürgen Koppelin
für die FDP-Fraktion.
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ie sind in diesen Dingen kein Schulmeister für uns. Ichehme gerne Rat entgegen, aber in Fragen von Anstandnd Stil nicht von Ihnen, Herr Trittin.Lieber Carsten Schneider, nun auch ein Wort zu dir.on Volksverdummung vor der Wahl in NRW zu reden,as kann man in der politischen Auseinandersetzung ma-hen, aber ich denke, die Sozialdemokraten sollten dieetzten Jahre ihrer Geschichte, als sie an der Regierungaren, nicht vergessen. Ich erinnere mich an Sozialde-okraten, die im Wahlkampf sagten, mit ihnen gebe eseine Mehrwertsteuererhöhung, und anschließend mach-en sie die größte Steuererhöhung, die wir je in Deutsch-and hatten.
as war sicherlich ehrliche Politik und keine Volksver-ummung, oder? Das war totale Volksverdummung.uch so etwas lassen wir uns von euch nicht vorhalten.
Ich bin froh, dass es nach vielen Jahren endlich eineundesregierung gibt, die sich den Bundshaushalt vor-enommen hat und auf die Ausgabenseite schaut. Daag man durchaus das eine oder andere kritisieren, aberie Richtung insgesamt stimmt. Ich fordere jeden auf,er Kritik daran übt, sich zu beteiligen und Vorschlägeu machen, wo wir Ausgaben kürzen können.
obei ich als Haushälter sage, dass dies für mich keinparprogramm ist. Vielmehr versuchen wir mit alleracht, die Schulden, die wir aufnehmen müssen, zu re-uzieren, damit wir endlich zu einem ausgeglichenenaushalt kommen.
iese Schulden – das kann ich für die FDP sagen – ha-en doch nicht wir gemacht, die haben überwiegend Sieemacht.
ie haben in Ihrer Regierungszeit pro Jahr 50 Milliardenuro mehr eingenommen und trotzdem mehr Schuldenemacht. Wo haben Sie denn das Geld gelassen?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4551
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
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Der Kollege Carsten Schneider sprach von den Spe-kulanten. Das ist wunderbar, darüber können wir uns un-terhalten. Zu den Spekulanten haben auch die Sozialde-mokraten und teilweise die Grünen, Herr Trittin, gehört,die uns an die IKB verkauft haben. Anschließend habendie Steuerzahler ordentlich blechen müssen. Die Speku-lationen bei der IKB haben CDU/CSU und FDP massivabgelehnt. Das ist dem deutschen Steuerzahler teuer zustehen gekommen. Das waren allein Ihre Spekulationen.
Es gibt tolle Ideen. Man muss ja die Opposition auf-fordern, Alternativen vorzulegen. Plötzlich lese ich, dassHerr Wowereit und Kollege Oppermann, den ich jetztherzlich begrüße, sagen, man müsste das Wachstumsbe-schleunigungsgesetz zurücknehmen.
– Ich höre gerade: „Gute Idee!“ Daraufhin würde ich alsJournalist – so etwas habe ich früher einmal beruflichgemacht – heute oder morgen schreiben: Die Linken undauch die Sozialdemokraten wollen das Kindergeld redu-zieren. Das wollen Sie doch; denn im Wachstumsbe-schleunigungsgesetz haben wir etwas für die Kinder ge-tan: 20 Euro pro Kind mehr. Das wollen Sie anscheinendreduzieren.
Wir haben die Steuerfreibeträge angehoben; das wol-len Sie anscheinend reduzieren. 4,6 Milliarden Euromehr für Familien und Kinder haben wir Anfang desJahres beschlossen. Wollen Sie das reduzieren, ja odernein? Stellen Sie sich hin und sagen Sie, was sie wollen,aber kommen Sie nicht mit so einem Gerede, Sie wolltendas Wachstumsbeschleunigungsgesetz zurückziehen.Für uns ist wichtig – das ist das Entscheidende –: Siewollen nur Arbeitslosigkeit verwalten, wir wollen Ar-beitsplätze schaffen und sichern, damit die Menschen,die keine Arbeit haben, endlich wieder Lohn und Brotbekommen. Das ist unsere Politik.
Natürlich kann man das, was die Bundesregierung ge-macht hat, noch ergänzen.
– Frau Künast, ich habe gesagt, das ist unsere Aufgabe.Hören Sie doch zu, statt Kaugummi im Parlament zukauen!
Jetzt sage ich Ihnen Folgendes. Sie alle können sichbeteiligen. Ich mache Ihnen Vorschläge. Ich bin zumBeispiel Hauptberichterstatter für den Etat des Deut-sakskwSDwzsnsvdSeeAibvs–wn–f
Das Wort hat der Kollege Klaus Ernst für die Fraktion
ie Linke.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, wasir in dem von der Bundesregierung vorgelegten Kon-ept erkennen, ist ein Schutzschirm, aber ein Schutz-chirm für die Reichen. Das haben wir offensichtlich Ih-en von der FDP zu verdanken. Ich möchte Ihnen einesagen: Inzwischen läuft Ihnen Ihre eigene Klientel da-on. Es gibt fast keinen Menschen mehr, der die Politik,ie Sie machen, noch will.
ogar der Vorsitzende des Wirtschaftsrates der CDU hatrklärt,
r sei für eine Senkung des Spitzensteuersatzes.
ber in dem gesamten Programm, das Sie uns vorlegen,st kein einziger Punkt enthalten, durch den diejenigenelastet werden, die in den letzten Jahren ganz besondersiel verdient haben. Das, was Sie vorgelegt haben, istchofelig, meine Damen und Herren.
Ich meinte die Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Dasäre allerdings eine Forderung, die Sie einmal ernstehmen sollten.
Meine Damen und Herren, Sie können dazwischenru-en, bis Sie schwarz werden.
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4552 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
Klaus Ernst
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– Ja, das sind sie schon.Ich sage Ihnen: Die Bürger haben das Gefühl, dassSie Ihre Finger inzwischen bis zum Anschlag in ihrenGeldbeuteln haben, und zwar vor allem bei denen, dieschon fast nichts mehr haben. Dass Sie ausgerechnet beiden Kindern von Hartz-IV-Empfängern sparen wollen– hier wollen Sie 300 Euro pro Monat einsparen –,
zeigt eindeutig: Sie behandeln die Kinder in diesemLande nach ganz unterschiedlichen Maßstäben.
Wenn die Leute Ihre Vorschläge hören, halten sie ihreGeldbörse fest. Das ist inzwischen die Realität.
Diejenigen, die eigentlich zur Kasse gebeten werdenmüssten, werden aber nicht zur Kasse gebeten.Von wegen „ausgewogenes Konzept“. Meine Damenund Herren, wenn ich die Zahlen lese, die Sie uns vorle-gen, dann stelle ich fest, dass im Jahr 2011 bei Unterneh-men 3,3 Milliarden Euro eingesammelt werden sollen.2,3 Milliarden Euro davon sind aber ein steuerlicherAusgleich der Kernenergiewirtschaft. Das heißt, diesesGeld gibt es nur, wenn wir eine längere Laufzeit vonKernkraftwerken akzeptieren. Wo kommen wir denn dahin? Das sind doch Luftnummern, die Sie uns hier vorle-gen!Bei der Neujustierung von Sozialgesetzen rechnenSie im Jahr 2011 mit einer Zwischensumme von3 Milliarden Euro, weil Sie von einem zusätzlichenSteuerzuschuss für die gesetzliche Krankenversicherungin Höhe von 2 Milliarden Euro ausgehen. Das, was Sieuns hier vorlegen, ist eine Rosstäuscherei, die nicht zuüberbieten ist. Glauben Sie ernsthaft, dass die Bürgerdieses Landes sagen: „Das ist sozial ausgewogen“?Glauben Sie ernsthaft, dass die Bürger nicht merken,was Sie hier treiben?Wir hatten einen sogenannten Aufschwung. Daranwaren die Rentner nicht beteiligt, daran waren die Ar-beitnehmer nicht beteiligt, und die Menschen, die Ar-beitslosengeld II beziehen, waren daran sowieso nichtbeteiligt. Jetzt sagt uns die Kanzlerin: Wir haben alleüber unsere Verhältnisse gelebt. – Ich frage Sie: Werdenn? Waren es die Arbeitnehmer, die über ihre Verhält-nisse gelebt haben? Hat der Hartz-IV-Bezieher überseine Verhältnisse gelebt? Haben möglicherweise die,die im Niedriglohnbereich beschäftigt sind, über ihreVerhältnisse gelebt? Haben all die Menschen, die inLlhÜdsdwVDagfhddsSuKddwBsdss3inrwwsavswhD
ber ihre Verhältnisse haben diejenigen gelebt, die inen letzten Jahren abgezockt und an der Börse Geld ver-pekuliert haben. In Ihrem Konzept sehe ich nichts, wo-urch die Verursacher dieser Krise zur Kasse gebetenerden. Sie liefern hierzu keinen einzigen vernünftigenorschlag.
eshalb sage ich Ihnen, meine Damen und Herren: Es istbsolut unakzeptabel, was Sie uns vorlegen.Ich habe das Argument gehört, Ihre Vorschläge seienanz besonders mutig. Wissen Sie, in der Schule gab esrüher immer den einen oder anderen ganz Großen. Ichabe damals auch die Erfahrung gemacht, mit wem sichie Großen am liebsten angelegt haben: mit den Kleinen,ie sich nicht wehren konnten. Andere sind dann dazwi-chengegangen. Das, was Sie machen, ist nicht mutig.ie haben nämlich nicht den Mut, Ihre eigene Klientelnd diejenigen zur Kasse zu bitten, die eigentlich zurasse gebeten werden müssten. Deshalb ist das, was Sieem Deutschen Bundestag vorlegen, nicht mutig, son-ern äußerst feige.
Sie können natürlich so weitermachen und sagen: Wirollen weiterhin eine Steueroase für Reiche sein, die dieundesrepublik ja schon darstellt. Es wäre allerdingsinnvoll, stattdessen zu überlegen: Was ist eigentlich inen letzten Jahren passiert? Allein seit dem Jahr 2000ummieren sich die Steuerausfälle aufgrund der Steuer-enkungen bei Bund, Ländern und Gemeinden auf00 Milliarden Euro. Hätten wir diese Steuersenkungenn diesem Bereich nicht, dann hätten wir jetzt überhaupticht das Problem, über ein solches Sparpaket diskutie-en zu müssen.Nehmen Sie doch bitte einfach einmal das zurück,as die Leute, denen Sie es geben, teilweise gar nichtollen, und nehmen Sie vor allem das zurück, worüberich die Bürger dieses Landes nach wie vor berechtigtufregen. Ihre Klientel, die Hoteliers, behält das, was sieom Steuerzahler bekommen hat. Gleichzeitig holen Sieich das Geld bei denen, die sich wirklich nicht mehrehren können. Das, was Sie hier treiben, ist – damitöre ich auf – absolut schofelig.
Nun hat der Bundesminister der Finanzen,r. Wolfgang Schäuble, das Wort.
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Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-zen:Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen undKollegen! Herr Trittin hat ja gemeint, wir sollten eineseriöse Debatte führen.
Ich bin wirklich dafür, wir tun es. Deswegen will ich derVersuchung widerstehen, auf alles einzugehen, was hierunsachlich gesagt worden ist.Meine Damen und Herren, machen Sie sich keineIllusionen: Die große Mehrzahl unserer Bürgerinnen undBürger ist von einer wachsenden Besorgnis erfüllt, obwir, die politische Klasse, in der Lage sind, die wachsen-den Defizite der öffentlichen Haushalte noch zu beherr-schen und zurückzuführen und auch vor dem Hinter-grund unserer demografischen Entwicklung einePerspektive aufzuzeigen, dass wir diese hohe Verschul-dung irgendwann wieder zurückführen.Man muss hinzufügen – das wird vergessen –: Nachder mittelfristigen Finanzplanung vor der Finanz- undBankenkrise hätten wir 2011 im Bundeshaushalt eineNullverschuldung ausgewiesen.
– Herr Heil, wenn der Herr Steinbrück dafür verantwort-lich ist, dann ist er auch für die Bankenkrise verantwort-lich. Das ist ein so unsinniger Zwischenruf. Lassen Siees doch einfach!
Wir haben das einfach gemeinsam gemacht, aber dieKrise ist über uns gekommen. Es war auch eine richtigeEntscheidung, in dieser dramatischen Krise nicht pro-zyklisch zu reagieren,
sondern die automatischen Stabilisatoren wirken zu las-sen. Ich habe das bei der Präsentation des Entwurfs fürden Haushalt 2010 gesagt.Damit ist aber unausweichlich die Notwendigkeit ver-bunden, die Defizite zurückzuführen, sobald wir dasGröbste hinter uns haben und bevor die nächste Krisekommt. Es gibt darüber auch eine internationale Debatte,die sehr kompliziert ist. Ich habe meinem amerikani-schen Kollegen gesagt: Es mag sein, dass ihr glaubt, ihrkönntet eure Defizite, die ja viel höher als unsere sind, inden kommenden Jahren über Wachstum reduzieren. Beider Dynamik der Vereinigten Staaten von Amerika undder ganz anderen demografischen Entwicklung mag dasso sein. Wir in Kontinentaleuropa und wir in Deutsch-land können es nicht.Deswegen müssen wir realistisch sein. Wir haben einlängerfristiges Potenzialwachstum von anderthalb Pro-zDdssuheAgDrRwvdwWAwdgn––smlgFimmw–HlDbg
ir haben gesagt – das sage ich wieder und wieder –:ufgrund unserer demografischen Entwicklung müssenir alle Menschen so gut wie möglich ausbilden und füren Arbeitsmarkt gewinnen. Die Partizipationsrate mussesteigert werden. Darauf konzentrieren sich die Maß-ahmen.
Nein, überhaupt nicht.
Herr Kollege Heil, wenn Sie etwas genauer hin-chauen, dann werden Sie sehen, dass an den Maßnah-en im Bereich des Ministeriums für Arbeit und Sozia-es bei der relativen Bedeutung dieses Einzeletatsemessen am Gesamthaushalt kein Weg vorbeiführt.rau von der Leyen hat selbst darauf hingewiesen, dasshr Etat mehr als die Hälfte des Bundeshaushalts aus-acht, aber nur zu knapp einem Drittel an den Maßnah-en beteiligt ist. Das heißt, dieser Bereich ist wesentlicheniger stark betroffen.
Mit Lachen können Sie die Zahlen nicht ändern. Herreil, so wie Sie sich aufführen, würden Sie wahrschein-ich noch lachen, wenn man sagt: Zwei plus zwei ist vier.amit kann man Sie leicht in Freude versetzen. Aberleiben Sie doch ernst.
Wir haben die Maßnahmen in diesem Bereich sehrenau überprüft und erarbeitet. Die Debatten gehen im
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
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Übrigen weiter. Die Bundesregierung hat die Rahmenbe-dingungen beschlossen. Sie wird in diesem Rahmen denHaushaltsentwurf erarbeiten, und dann wird das Parla-ment ausführlich beraten und entscheiden.Unser Leitmaßstab dabei war, alles außen vor zu las-sen, was Menschen betrifft, die nicht mehr für den Ar-beitsmarkt zur Verfügung stehen können. Bei den Hinzu-verdienstregelungen gehört es aber zur Ehrlichkeit dazu,zu sagen, dass manche konkrete Einzelheit unserer Pro-gramme im Bereich des Bundesministeriums für Finan-zen wie auch beim Bundesministerium für Arbeit undSoziales dazu führt, dass das Lohnabstandsgebot nichteingehalten wird und die Anreize für die Aufnahme ei-ner regulären Tätigkeit schwach sind.
– Es ist klar: Wenn Sie meinen, das Geld kommt irgend-wie von oben, und wir müssen nur über die Verteilungreden, dann haben Sie kein Problem.
– Ich rede schon zum Thema. – Wir haben nicht nurKonsolidierungsbedarf, sondern auch die Aufgabe, dieVoraussetzungen so zu gestalten, dass wir auch in derZukunft wettbewerbsfähig sind und eine maßvoll wach-sende Wirtschaft haben. Dazu müssen wir diesen Weggehen.Ich möchte noch zwei Bemerkungen zu Punkten ma-chen, die erwähnt worden sind, weil es dazu vielleichtnoch Informationsbedarf gibt. Wir bleiben bei der Ban-kenabgabe.
– Langsam. Damit das völlig klar ist, Herr KollegeSchneider: Was wir vorgesehen haben, ist nicht alterna-tiv geplant, sondern zusätzlich. – Darüber werden wirmorgen früh im Bundestag diskutieren, wenn die Bun-desregierung ihren Gesetzesentwurf einbringt.
– Darüber können wir diskutieren, Herr Kollege Poß. –Aber zunächst einmal will ich dem Kollegen Schneidersagen, dass das, was wir vorhaben, nicht alternativ, son-dern zusätzlich ist. Wir müssen ein insolvenzähnlichesVerfahren für Banken schaffen. Dafür brauchen wir ei-nen Restrukturierungsfonds und eine Abgabe, die ihnallmählich und maßvoll speist.Die Chancen, dass wir global zu einer Finanztrans-aktionsteuer kommen, sind sehr gering. Das habe ich andieser Stelle schon ein paar Mal gesagt. Ich habe inPusan beim Treffen der Finanzminister zumindest da-rüber Klarheit gefordert, dass sie auf absehbare Zeitnicht eingeführt wird. Dann werde ich mit aller Kraft da-für eintreten, dass wir zu einer europäischen Lösungkommen.–npwurdmehssEslVwsAnddeEhsGgDEWsvWDdtzsS
Ja, das ist in der Koalition verabredet.
Ich nenne auch gleich den nächsten Schritt. Er wirdoch schwieriger, und es wird vor allem schwierig, euro-aweit einen Konsens hinzukriegen. Selbstverständlichäre es besser, wenn alle Europäer mitmachen, auch UKnd die Schweiz. Für den Fall aber, dass nicht alle in Eu-opa mitmachen sollten, würde ich auch dafür werben,ass wir das zur Not im europäischen Währungsverbundachen. Deswegen war ich bereit, die 2 Milliarden Euroinzusetzen. Wenn es mehr werden, Herr Poß: à la bonneeure!Bisher würde ich eher sagen: Ich wäre froh, wenn wirie schon hätten. Denn ich brauche auch dafür einen Be-chluss innerhalb der Euro-Zone. Alleine, auf nationalerbene, können wir das nicht machen.Wir haben auch geprüft, ob wir die Börsenumsatz-teuer wieder einführen sollen. Aber das würden sicher-ich auch Sie nicht empfehlen; denn Sie wissen, dass dieoraussetzung für die Börsenumsatzsteuer seinerzeitar, dass wir eine eigene Währung hatten. Da wir inzwi-chen Teil einer Währungsgemeinschaft sind, wären dieusweicheffekte so groß, dass wir allenfalls eine Lach-ummer bieten würden. Deswegen haben wir uns füriesen Weg entschieden. Er ist ehrgeizig.Frau Kollegin Künast, zu Ihrem Zwischenruf: Wasas Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger angeht, bestehtin Unterschied zu den Hausfrauen darin, dass Hartz-IV-mpfängern ihr Existenzminimum garantiert wird. Sieaben einen Rechtsanspruch darauf; das ist unser Sozial-taat. Die Hausfrau bekommt nichts. Deswegen ist dieleichsetzung von Hausfrauen und Hartz-IV-Empfän-ern völlig falsch. Das genaue Gegenteil ist richtig.
as muss man sehen. Das Prinzip von Hartz IV ist diexistenzsicherung. Das wirkt sich vor allen Dingen beiohngeld und Kosten der Unterkunft in einem dramati-chen Maße aus; das alles muss man im Auge haben.Unsere Entscheidungen sind maßvoll. Sie sind sozialerantwortbar. Sie stärken unsere Chancen auf künftigesachstum. Wir sparen nicht kaputt. Aber wir führen dieefizite zurück. Damit legen wir die Grundlagen dafür,ass das Vertrauen unserer Bevölkerung in die Nachhal-igkeit unseres demokratischen, wirtschaftlichen und so-ialen Systems auch in Zukunft erhalten und weiter ge-tärkt werden kann.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Hubertus Heil für diePD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Sehr geehrter Herr Schäuble, bei Bildung woll-ten Sie nicht sparen, haben Sie gesagt. Das ist auch dieParole der letzten Tage gewesen. Ich sage Ihnen: Siesparen bei Bildung, und zwar in zweierlei Hinsicht. Zumeinen haben Sie vor Weihnachten durch das sogenannteWachstumsbeschleunigungsgesetz Löcher in die Haus-halte von Kommunen und Ländern gerissen, was zulas-ten der Schulpolitik geht. Zum anderen verstehen Sie of-fenbar nur Schulpolitik als Bildung. Sie haben von derdemografischen Entwicklung gesprochen. In Deutsch-land verlassen Jahr für Jahr 60 000 junge Menschen un-sere Schulen ohne Schulabschluss. Jeder Mensch weiß,wie schwierig es heute im Gegensatz zu früher ist, miteinem einfachen Hauptschulabschluss eine Ausbildungs-stelle zu finden. Man weiß, dass es fast unmöglich ist,ohne Schulabschluss Zugang zu Ausbildung und gere-gelter Arbeit zu finden. Hier geht es um Bildung undQualifizierung. Diesen jungen Menschen rauben Siedurch den Kahlschlag in der aktiven Arbeitsmarktpolitikdie Chancen. Am Ende wird es für den Staat teurer, weildiese jungen Menschen die Arbeitslosen und die Lang-zeitarbeitslosen von morgen sind. Sie versündigen sichan den jungen Leuten und ihren Chancen, HerrSchäuble.
Schauen wir uns die Zahlen einmal an. Sie könnenuns doch nicht erzählen, das alles bleibe ohne Effekte fürden Bereich des Förderns. „Fordern und fördern“ ist ein-mal das Prinzip der Arbeitsmarktpolitik gewesen. Siewollen im Jahre 2011 Einschnitte mit einem Volumenvon 2 Milliarden Euro im Bereich der aktiven Arbeits-marktpolitik vornehmen. Im Jahre 2012 sollen es 4 Mil-liarden Euro sein. Ab 2013 sollen es jährlich 5 Milliar-den Euro sein. Das heißt, allein bis 2014 wollen Sie16 Milliarden Euro im Bereich der aktiven Arbeits-marktpolitik einsparen. Wer hier kurzfristig spart, wirdlangfristig die Langzeitarbeitslosigkeit in diesem Landverfestigen. Das kostet die Gesellschaft Geld und zer-stört die Chancen von Menschen auf ein selbstbestimm-tes Leben durch Erwerbsarbeit. Das ist das, was Sie ma-chen.
– Herr Barthle, da Sie so lautstark dazwischenrufen:Wenn Sie zuhören, können Sie vielleicht etwas lernen.Wenn Sie so schreien, bekommt der Begriff „Primat derPolitik“ eine ganz neue Bedeutung. Was Sie hier auffüh-ren, ist tatsächlich erstaunlich.Ihre Kürzungen im Bereich der Qualifizierung undinsbesondere Ihr Kahlschlag bei den Weiterbildungs-maßnahmen gehen zulasten junger Menschen, die Quali-fikation brauchen, zulasten alleinerziehender Langzeit-arbeitsloser und zulasten älterer Langzeitarbeitsloser.Das ist nicht nur unfair gegenüber den betroffenen Men-schen. Es ist auch ökonomischer Unfug. Sie könnennicht – wie Frau von der Leyen – von einer Vermitt-lzblmShSmvhdpseGS5IfSd–zagnVlcuIdiAbnuesüisemM
Da Sie, Herr Schäuble, dazu aufgefordert haben, an-ere Vorschläge zu machen, präsentiere ich Ihnen einaar:Fangen wir an, einmal darüber zu reden – die FDPchweigt dazu inzwischen; die CDU auch; Sie auch, weils Ihnen vielleicht ein bisschen peinlich ist –, was Sie füreschenke ausgegeben haben. Herr Koppelin, das, wasie uns unterstellt haben, stimmt übrigens nicht. Aus den,6 Milliarden Euro, die dem Staatshaushalt aufgrundhres sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetzesehlen – von diesem Geld reden wir; wir wollen, dass dertaat es zurückbekommt –, sind das Kindergeld und an-ere Leistungen im Bereich Familien herausgerechnet.
Herr Fricke, Sie haben gleich die Gelegenheit, hier dasu sagen, was Sie in Talkshows hin und wieder kokettngedeutet haben.Nehmen Sie den reduzierten Mehrwertsteuersatz zu-unsten von Hoteliers zurück! Allein durch diese Maß-ahme hätten wir über 1,6 Milliarden Euro mehr zurerfügung. Dann müssten wir nicht zulasten von Fami-ien, von älteren Langzeitarbeitslosen und von Jugendli-hen sparen. Das wäre mutig: sich selbst zu korrigierennd auch Ihre Klientel zu belasten und heranzuziehen.hr Vorgehen untergräbt das Vertrauen von Menschen inemokratische Politik, weil die Gerechtigkeit fehlt. Dasst Ihr Problem.
Ich sage Ihnen noch etwas: Wir könnten durch denbbau umweltschädlicher Subventionen, durch den Ab-au von Privilegien der Atomwirtschaft, etwa durch ei-en Verzicht auf die Verlängerung der Restlaufzeiten,nd die Einführung einer Brennelementesteuer das Geldinnehmen, das wir brauchen, um die Asse in Nieder-achsen zu sanieren. Das ist notwendig; denn es kostetber 1,5 Milliarden Euro, diesen abgesoffenen Atomtopfn Ordnung zu bringen. Daran müssen Sie die Atomwirt-chaft beteiligen. Das tun Sie aber nicht, indem Sie ihrtwas schenken, nämlich längere Restlaufzeiten und da-it größere Profite.Sie lehnen den Mindestlohn ab, Herr Schäuble. Beimindestlohn geht es nicht um Geld von oben, wie Sie
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Hubertus Heil
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gesagt haben, sondern um Geld von unten, um es einmalklar zu sagen. Das Bundesarbeitsministerium, dasBMAS, hat die Aussage getroffen: Durch die Einfüh-rung eines flächendeckenden Mindestlohns könnten imBundeshaushalt Ausgaben in Höhe von 1,5 MilliardenEuro eingespart werden, weil die Aufstockergelder dannunnötig wären. Im Moment muss Steuergeld ausgegebenwerden, weil Dumpinglöhne gezahlt werden. Nutzen Siediese Gelegenheit, um diese Ausgaben einzusparen.
Last, but not least geht es darum, diejenigen, die dieseKrise verursacht haben, und auch die mit den breiterenSchultern stärker zu beteiligen. Ich sage Ihnen: DieSelbsttitulierung dieser Koalition von „Gurkentruppe“über „Wildsau“ und all das, was man noch so hört,spricht für sich selbst. Es wäre nicht schlimm, wenn esnicht die Zukunftsfähigkeit dieses Landes gefährdenwürde.Sie sparen nicht wirklich, sondern Sie kürzen kurz-fristig. Langfristig werden diese Gesellschaft, der Staat,unsere Demokratie die Zeche zahlen. Deshalb kann ichIhnen nur eines sagen: Sie müssen umkehren. Wenn Siees nicht freiwillig tun, dann werden wir nicht nur in die-sem Hause, sondern zusammen mit Gewerkschaften, mitklugen Unternehmerinnen und Unternehmern und mitgesellschaftlichen Gruppen Widerstand gegen das orga-nisieren, was Sie da machen. Wir werden nicht zulassen,dass Sie das Vertrauen der Menschen in den sozialen unddemokratischen Rechtsstaat durch eine irregeleiteteKlientelpolitik, von der diese schwarz-gelbe Regierungoffensichtlich geleitet ist, untergraben.
Herr Kollege, denken Sie an die Redezeit.
Sie machen eine Politik, die würdelos ist, die herzlos
ist und feige. Sie müssen damit aufhören. Wir werden
Ihnen das deutlich machen.
Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Otto Fricke für die
FDP-Fraktion.
Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenKolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Heil, auch mitBlick auf den Kollegen Trittin möchte ich kurz die Zah-len klären – es geht nur darum, dass Sie das einmal zurKit3Ddz4rmsHuuDWmencb–gHedEkcKumdE
Prozent dieser Belastung entfallen auf die Kommunen.as heißt, die Kommunen in Deutschland haben da-urch insgesamt eine Belastung von 24 Millionen Eurou verkraften. Auf den Bund entfällt eine Belastung von00 Millionen Euro. Ihr Vorschlag, diese Maßnahmeückgängig zu machen, brächte also 400 Millionen Euroehr für den Bundeshaushalt, und das bei einem Ein-parbedarf allein in diesem Jahr von 12 Milliarden Euro.
err Heil, daran wird der Unterschied zwischen Ihnennd uns klar: Sie versuchen, einen Popanz aufzubauen,nd sehen nicht, wie die Zahlen sind.
as ist Ihr eigentliches Problem in der Opposition:enn Sie verantwortungsvoll agieren wollen,
üssen Sie die Macht der Zahlen einfach irgendwanninmal akzeptieren.
Ich kann Ihnen wirklich nur anraten: Machen Sie ei-en Gegenhaushalt auf, und zwar so konkret und nachre-henbar wie der Haushalt, der am 7. Juli vom Kabinetteschlossen wird.
Ich weiß, getroffene Hunde bellen.
Ich will Ihnen noch eine zweite Zahl nennen. Sie sa-en, Sie wollen im Jahre 2013 einen Schuldenabbau inöhe von 24 Milliarden Euro möglichst durch Steuer-innahmen finanzieren. Ich weiß genau, woran Sie dabeienken. Wenn Sie Schulden in Höhe von 24 Milliardenuro abbauen wollen, dann müssen Sie als Sozialdemo-raten – die Grünen müssten das gegebenenfalls mitma-hen – genau das machen, was Sie zu Beginn der Großenoalition getan haben: einfach nur die Mehrwertsteuerm 3 Prozentpunkte erhöhen. Das brächte Mehreinnah-en in Höhe von 24 Milliarden Euro. Ich glaube, das istas, was Sie tief in Ihrem Innern wollen und was Herrrnst „Abkassieren“ nennt.
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Otto Fricke
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Meine Damen und Herren, warum machen wir es so,dass wir an die Ausgaben herangehen? Sie sagen, wirseien feige, oder Ähnliches mehr. Was von Ihnenkommt, Herr Kollege Trittin – im Ton vergriffen, in derZahlenwahl vergriffen –, was auch vonseiten der Linkenkommt – in anderen Dingen sowieso vergriffen –, ist et-was ganz anderes. Sie versuchen, genau hier den Angriffzu starten, und sagen, Sie hätten es gern anders.
Wir stellen uns aber dem Konflikt, Herr Kollege Heil,weil wir davon überzeugt sind, dass das, was wir vorle-gen, ausgeglichen ist,
weil es berücksichtigt, wer in welchem Maße Geld ausdem Haushalt bekommt, und weil wir immer noch in Er-innerung haben, wer zu wie viel Prozent die Steuernzahlt, die wir für den Haushalt brauchen, damit der Staatseinen sozialstaatlichen Aufgaben gerecht werden kann.Das, Herr Heil, ist der Grund dafür, dass wir hier mutigsind.
Sie haben das in der Vergangenheit anders gemacht.Sie haben immer wieder festgestellt: „Wir müssen hiereine Ausgabe erhöhen, wir müssen dort eine Ausgabe er-höhen“, und nach vier Jahren haben Sie gesagt: Es tutuns leid, liebe Bürger; wir müssen die Steuern erhöhen. –Dieses Prinzip durchbricht diese Koalition. Es ist daserste Mal seit Jahrzehnten, dass einer Koalition das ge-lingt. Ich bin froh darüber, dass das Kabinett das bei allerSchwere der Arbeit geschafft hat.
Sie hatten in elf Jahren sozialdemokratischer Regie-rungsbeteiligung nie den Mut, diese Arbeit zu machen.Unseren Mut kann man beschimpfen, aber er wird amEnde belohnt werden.
Wenn wir im November den Haushalt beschließen wer-den, sicherlich noch mit Veränderungen, dann werdenSie diejenigen sein, die an dieser Stelle blank dastehen;es sei denn, Sie kommen jetzt wirklich mal mit konkre-ten Einsparvorschlägen rüber statt mit falschen Zahlen.
– Ich weiß, Sie wollen das immer nur über Einnahmenmachen. Ich kann den Bürgern draußen nur sagen: JederPolitiker, der Ihnen erzählt, er wolle mehr Einnahmen,will am Ende an alle Leute ran.
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as kann man nicht an absoluten Zahlen festmachen,ondern man kann es feststellen, indem man prüft – derollege Barthle hat es gesagt –:
ie viel Prozent der Ausgaben des Haushalts entfallenuf den Bereich „Arbeit und Soziales“? 2002, am Endeon Rot-Grün, die angeblich so sozial waren, waren esach den Zahlen des Rechnungshofs 44,9 Prozent. Deraushalt 2010 der christlich-liberalen Regierung weistus: 54 Prozent, also 10 Prozentpunkte mehr.
er da behauptet, Rot-Grün sei sozial – Frau Kolleginagedorn, Zwischenfrage ist nicht! –, verweigert sichrneut der Macht der Zahlen.Sie können nicht nach dem Motto verfahren: Haupt-ache, man schreit am lautesten. – Wir sind nicht beimußball, wo das mit den Vuvuzelas geht. Da gilt dasotto: Wer am lautesten ist, hat gewonnen. – Wir aberind bei den Zahlen. Wir sind beim Haushalt.
ie müssen diese Zahlen erst liefern; denn – das ist deretzte Satz – das Unsozialste, was wir machen können,st die Verschiebung von Schuldenbergen, auf deneninder, wie wir alle wissen, weder spielen noch lernenönnen.Herzlichen Dank.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun dasort der Kollege Alexander Bonde.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir re-den hier über ein Sparpaket in einer schwierigen Situa-tion. Das billige ich Ihnen als Bundeskabinett, die Siedas verabschiedet haben, ausdrücklich zu. Sie versu-chen, hier aufzuzeigen, Sie seien die Einzigen, denen dasThema „Haushalt und Generationengerechtigkeit“ einAnliegen ist. Das ist aber nicht richtig. Im Kern streitenwir hier nicht über die Frage des Ob, sondern über dieFrage des Wie, und dieser Auseinandersetzung müssenSie sich mit Ihrem Paket stellen.
Herr Schäuble, Sie haben einen sehr bemerkenswer-ten Satz gesagt, den wir alle uns merken müssen, weil errichtig ist. Nämlich: Wir können in Deutschland die Pro-bleme nicht über Wachstum lösen. – Sie haben zu Rechtdarauf hingewiesen, wo das deutsche Potenzialwachs-tum in den nächsten Jahren liegt. Ich halte es für wichtig,dass diese Bundesregierung endlich bei der Erkenntnisangekommen ist, dass Wachstumsträumereien die Pro-bleme nicht lösen.
Ihre Erklärung steht dem diametral entgegen, was unsbisher als Regierungserklärung der Kanzlerin entgegen-gehalten worden ist und bis vor kurzem die Linie in Sa-chen „Finanzierung von Steuersenkungen“ war. Das willich in dieser Debatte noch einmal mit aller Ernsthaftig-keit, die sie verdient, festhalten.Sie reden hier immer über ein „mutiges Paket“. Ichfrage mich schon, worin der Mut besteht, wenn Sie im-mer dort zugreifen, wo Sie wissen, dass es einem als Ko-alition am wenigsten schadet. Sie haben in Bezug aufdieses Paket massiv Chancen verpasst. Die gesamteFrage des Subventionsabbaus – insbesondere die Fragedes Abbaus ökologisch schädlicher Subventionen – istvon Ihnen nicht angegangen worden.
Das findet sich im Prosatext Ihrer Koalitionserklärungwieder. Es gibt 48 Milliarden Euro umweltschädlicherSubventionen im Bundeshaushalt; an 1 Milliarde Eurowollen Sie jetzt herangehen.
Kollege Fricke, wenn Sie ausmisten wollen, sind Sienicht glaubwürdig, wenn Sie mit der Pinzette daherkom-men. Das ist das, was Sie hinsichtlich der ökologischschädlichen Subventionen machen.
Sie sind nicht mutig in der Frage des Subventionsab-baus.
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Ich rede jetzt einmal über Ihre Zahlen. Sie haben sichier hingestellt und gesagt, dieses Paket sei ausgewogen,eil der Anteil des Haushalts des Arbeits- und Sozial-inisteriums am Gesamthaushalt größer sei als der An-eil seiner Einsparungen in Bezug auf die Einsparungenm Gesamthaushalt. Der Minister hat in der Regierungs-efragung heute Mittag ehrlicher argumentiert. Er hatämlich gesagt, eigentlich müsse man den Anteil derente – 80 Milliarden Euro, das ist der größte Einzeltitel –erausrechnen. Wenn Sie die Rente herausrechnen, be-rägt der Anteil des Arbeits- und Sozialministeriums0 Prozent des Bundeshaushalts. Bei Ihren Ausgaben-ürzungen aber macht der Bereich Arbeit und Soziales0 Prozent aus. Das ist mehr als eine Schieflage. Es istöllig klar, wer da das Ziel Ihrer einseitigen Einsparun-en ist.
Es gibt keinen Beitrag der Besserverdienenden.tarke Schultern tragen zu diesem von Ihnen als histo-isch erklärten Sanierungsprojekt nichts bei, nicht einenent. Das macht überhaupt keinen Sinn. Es ist eine ver-ebene Chance. Wenn man Konsolidierung ernst nimmtnd diesen Haushalt wirklich sanieren will, braucht manine faire Verteilung der Lasten. Dann müssen auch die-enigen in diesem Land, die es können, einen Beitragazu leisten. Auch diese Chance haben Sie fahrlässigerpasst.
In der Regierungspressekonferenz wurde die Kanzle-in gefragt, weshalb das denn sozial ausgewogen sei. Da-auf hat sie geantwortet: Weil sich auch die Wirtschaftit der Brennelementesteuer beteiligt. Man muss deranzlerin lassen, dass sie da viel Humor gezeigt hat. Dierennelementesteuer ist in Kombination mit dem Ver-prechen der Laufzeitverlängerung zu sehen. Diese Artelastung, wo jemandem Milliarden geschenkt werden,st, mit Verlaub, nichts, womit eine soziale Symmetrie ino einem Paket begründet werden kann.
Sie richten mit diesem Haushalt Verschiebebahnhöfein. Damit, dass keine Rentenversicherungsbeiträge für
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4559
Alexander Bonde
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die Arbeitslosengeld-II-Empfänger eingezahlt werden,verschieben Sie bewusst Kosten in die Zukunft. Und Sieverschieben bewusst Kosten auf die Träger der Grund-sicherung im Alter, also die Kommunen.Das ist die Art von Tricks, die uns allen gemeinsamnicht weiterhilft, den Haushalt ehrlich auf die Schiene zubringen. Es bringt nichts, sich auf Kosten der Kommu-nen gesundstoßen zu wollen. Lassen Sie es doch einfach,solche Pakete zu schaffen, mit denen Sie es sich einfachmachen, bei denen Sie keinen Mut haben, an Subventio-nen heranzugehen, die nur zulasten sozial Schwacher ge-hen und die dort, wo es ernst wird, im Vagen bleiben.Nichts von dem, was Sie hier vorgeschlagen haben,ist schon Gesetz. Wir werden Sie im Herbst in den Aus-schüssen zwingen, Flagge zu zeigen. Es gibt viele klugeVorschläge aus der Koalition, wie das Paket sozialer undökologischer gemacht werden kann. Wenn es darumgeht, sind wir dabei. Aber wenn mit dem Paket nur aufbillige Weise versucht werden soll, auf Kosten derÄrmsten und der Umwelt eine Pseudokonsolidierung zumachen, dann können Sie zu Recht harten Widerstandvon uns und der restlichen Opposition erwarten.
Nächster Redner ist der Kollege Axel Fischer für dieCDU/CSU-Fraktion.
Axel E. Fischer (CDU/CSU):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Forderungnach einer stärkeren Belastung sogenannter starkerSchultern zum Tragen der Soziallast in unserem Land istnicht neu und auch wenig originell oder zukunftswei-send.
Aber sie wird nach wie vor von vielen sehr gerne gehört.Sie klingt nämlich in den Ohren derjenigen gut, die vonder umfassenden Umverteilung über den Sozialstaat inunserem Land profitieren oder sogar leben.
Doch welches Bild haben wir von unserem Sozial-staat, der von starken Schultern getragen wird? Ist dieserunser Sozialstaat ein Schmuckstück gelebter gesell-schaftlicher Solidarität, die wie ein diamantenbesetzterGelbgoldanhänger an einer goldenen Kette um den Halsgetragen wird? Oder haben wir bei mehr als 50 Prozentstaatlicher Umverteilung einen Punkt erreicht, an demeher das Bild einer Bleikugel an einer eisernen FußkettepLtaßssuLiduwFvzfSamHzvpFdkRttDHdvdvUmDbSvg
Diese Zerrbilder entsprechen jedoch keinesfalls derealität. Sie belegen nur das Ausmaß an Verantwor-ungslosigkeit, mit der Sie Ängste schüren, um auf Kos-en der Schwachen Ihr politisches Süppchen zu kochen.
as ist unverantwortlich.Als konkretes Beispiel nenne ich die Kritik an derartz-IV-Regelung. Was wollen wir? Wir wollen, dassie staatlichen Mittel zum Beispiel für die Qualifikationon Hartz-IV-Empfängern und deren Eingliederung inen Arbeitsmarkt genau für diese Zwecke und auch undor allem erfolgreich verwendet werden.
nser Ziel ist es, Arbeitsuchende wieder in den Arbeits-arkt zu integrieren.
azu brauchen wir sinnvolle Maßnahmen, die den Ar-eitsuchenden mit seiner individuellen Persönlichkeit,chaffenskraft und Qualifikation in den Arbeitsmarktor Ort mit dessen einzigartiger Wirtschaftsstruktur inte-rieren.
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4560 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
Axel E. Fischer
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Weil die Mitarbeiter in der Arbeitsverwaltung vor Ortdas beste Bild von beidem haben, wollen wir dorthinauch die Verantwortung und Entscheidungsbefugnis be-züglich der Auswahl und Durchführung der eigenenMaßnahmen verlagern.
Damit setzen wir die knappen Steuermittel zielgerichtetein und vermeiden zugleich die erheblichen Mitnahme-effekte, die unter anderem im Existenzgründungsbereichin der Vergangenheit aufgetreten sind.
Wer sich – wie Sie, Herr Heil – dafür einsetzt, dass wei-terhin und in verstärktem Umfang Steuermittel für Maß-nahmen verwendet werden, die den Arbeitsuchendenüberhaupt nicht weiterhelfen, der muss darlegen, wen ermit diesen Mitteln eigentlich beglücken möchte.Weil es darum geht, den Staatshaushalt in verantwort-licher Weise wieder ins Lot zu bringen, ist es richtig undwichtig, dass die Rentner von Einsparungen ausgenom-men werden.
Es wäre nicht richtig, die Renten für notwendige Rück-schnitte im Sozialstaat haftbar zu machen. Die solidari-sche Finanzierung des Alterslohns bleibt daher unange-tastet. Gleichwohl wird die Rentenversicherung einenSolidarbeitrag zur Einsparung leisten.
Mit Streichung der Rentenversicherungsbeiträge fürHartz-IV-Empfänger wird eine erhebliche Einsparungim Bundeshaushalt möglich.
Der Verlust von Rentenansprüchen in Höhe von etwa2 Euro erscheint im Gegenzug individuell zumutbar.Meine Damen und Herren, wir sehen, die Bundes-regierung hat Eckpunkte vorgelegt, die in die richtigeRichtung zeigen. Es ist unsere Aufgabe als Parlamenta-rier, in den nächsten Monaten in den Debatten und in denHaushaltsberatungen das auf einen guten Weg zu brin-gen.
Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin
Bettina Hagedorn.
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Nicht nur auf die Einnahmeseite, aber auch. Siechauen überhaupt nicht darauf.
Wir haben heute im Rahmen eines Berichterstatterge-prächs mit dem Bundesarbeits- und Sozialministeriumber diese Fragen gesprochen. Da hieß es, man denkeetzt nicht über die Einnahmeseite nach, weil man nichtisse, wie sich die Länder verhielten, die ja mitmachenüssten. Ich als Schleswig-Holsteinerin habe mich vor-in mit anderen Kollegen mit dem Ministerpräsidentenon Schleswig-Holstein getroffen, wo jetzt ebenfalls einparpaket auf den Weg gebracht worden ist, das zumeispiel dazu führt, dass das beitragsfreie Kindergarten-ahr abgeschafft wird. Ich habe den Ministerpräsidentenach der Einnahmeseite gefragt. Er sagte dazu, dass dieundesländer entsprechende Maßnahmen alleine nichtnitiieren könnten, weil man dabei auf den Bund ange-iesen sei. Ich sage Ihnen: Solange Schwarz-Gelb imund und in den Ländern mit diesem Schwarze-Peter-piel, mit diesem Hin und Her versucht, die Menschennd die Opposition an der Nase herumzuführen – dennn notwendige Steuererhöhungen da, wo sie sozial ver-räglich sind, wollen Sie nicht heran, und Sie wollen dieoteliersteuer nicht rückgängig machen, mit der Sieem Staat in die Tasche fassen –, so lange wird Ihr Paketozial unausgewogen bleiben.
Ich komme zum Thema Sparen. Sie sagen, dass Sieparen wollen. Aber auch das ist Trickserei. Denn ineiten Bereichen verschieben Sie Dinge lediglich in die
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4561
Bettina Hagedorn
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Zukunft. Ich nenne als Beispiel den Zuschuss an dieRentenversicherung für die Arbeitslosengeld-II-Empfän-ger in Höhe von 1,8 Milliarden Euro. Was bedeutet das?Was weniger an Zuschüssen fließt, fehlt doch im Etat derRentenversicherung. Die Schwankungsreserve, die wirgemeinsam mit ungefähr 16 Milliarden Euro auf einestabile Grundlage gestellt haben, wird von Ihnen ange-fasst. Wozu wird das in der Zukunft führen? Natürlich zueiner Erhöhung der Beiträge. Das wiederum ist Gift fürdie Konjunktur und außerdem unsozial. Das ist keinSparen.
Es gibt Aussagen von Herrn Weise im Haushaltsaus-schuss zu der Frage, wie hoch der erforderliche Arbeits-losenversicherungsbeitrag sei. Herr Weise hat im De-zember letzten Jahres gesagt, der Beitragssatz im Jahre2010 müsse bei 4,8 Prozent liegen, wenn man das Defi-zit allein decken wolle. Dabei ist also der Zuschuss ausSteuermitteln herausgerechnet, den die Bundesagenturfür Arbeit in diesem Jahr erhält.Nun sagen Sie aber, ab 2011 solle die Bundesagenturfür Arbeit ohne Zuschuss und ohne Darlehen auskom-men. Aktuell ist für 2011 ein Beitragssatz von 3 Prozentvorgesehen. Was bedeutet das Ganze denn? Das bedeutetim Endeffekt, dass Sie den Beitragssatz für die Arbeits-losenversicherung wieder werden anheben müssen. Esgibt nur noch eine Möglichkeit, wie Sie das eventuellvermeiden könnten; dann müssten Sie allerdings bei deraktiven Arbeitsmarktpolitik einen wirklichen Kahlschlagvornehmen. Ansätze dazu gibt es bereits. Da machen Sienämlich das, was Sie vorgeben nicht zu tun. Sie sparenbei der Bildung. Sie sparen nicht nur beim Hauptschul-abschluss, sondern auch bei weiteren Qualifizierungen.Sie sparen bei den Integrationschancen von jungen Men-schen, Frauen, Behinderten und Migranten. Damit pro-duzieren Sie das, was das Gegenteil von vernünftig ist:Sie verlagern die Kosten lediglich in die Zukunft undrauben den Menschen Chancen.Für das vermeintliche Sparpaket, das Sie vorgelegthaben, sollten Sie sich schämen. Von der FDP habe ichnichts anderes erwartet.
Aber dass die Partei mit dem „C“ in ihrem Namen dasmitmacht, das ist furchtbar.
Nächster Redner ist der Kollege Max Straubinger für
die CDU/CSU-Fraktion.
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ir lehnen dies deshalb ab, weil dies nicht zielführendür den wirtschaftlichen Aufwuchs in unserem Land ist,er letztendlich die Grundlage für die Gewährung sozia-er Leistungen für in Not geratene bzw. hilfebedürftigeenschen ist.Heute wurde fabuliert, dass die starken Schultern zuering belastet werden. Dazu möchte anfügen: 8 Prozenter Steuerzahler in unserem Land erbringen 50 Prozentes Aufkommens aus der Einkommensteuer. Ich glaube,as ist genug. Auch die damalige rot-grüne Bundesregie-ung unter Kanzler Schröder, Außenminister Fischer undundesumweltminister Trittin hatte dies erkannt. Sie haten Spitzensteuersatz von 53 auf 45 Prozent gesenkt, umie wirtschaftlichen Kräfte in unserem Land zu stärken.
Das war nicht falsch, verehrte Kolleginnen und Kolle-en von der Linken; denn damit ist bei Eintritt der CDU/SU in die Bundesregierung wirtschaftlicher Fortschrittrmöglicht worden. Damit sind 1,2 Millionen mehr so-ialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisseeschaffen worden und ist eine Rücklage in der gesetzli-hen Rentenversicherung erwirtschaftet worden.Heute wurde viel über Ausfälle bei der Rentenversi-herung fabuliert. Dazu möchte ich anfügen, dass zumnde der Regierungszeit von Rot-Grün nicht einmal eineücklage von 1 Cent in der gesetzlichen Rentenver-icherung zu verzeichnen war.
rst mit Bundeskanzlerin Merkel an der Spitze ist es ge-ungen, eine Rücklage von knapp einer Monatsausgabeu erwirtschaften.
iese Erfolge haben wir zwar unter der Großen Koali-ion erzielt. Aber diese Erfolge werden wir mit der FDPn der bürgerlich-liberalen Koalition nicht nur fortsetzen,ondern auch verstärken.
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4562 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
Max Straubinger
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Wir verstärken sie, weil wir sozial ausgewogen sparen,
und zwar dahin gehend, dass wir die wirtschaftlichenKräfte sowie Bildung und Forschung in unserem Landstärken. Das ist letztendlich die Grundlage für zukunfts-orientierte Produkte aus unserem Land.Wir sorgen dafür, dass es bei der Bildung nicht wieunter dem linken Senat in Berlin zugeht: Der Senat kannnicht einmal genügend Plätze an den Gymnasien anbie-ten. Damit werden die Chancen der jungen Menschen inBerlin zerstört; denn sie müssen sich einem Losverfah-ren unterziehen, um überhaupt zum Abitur gelangen zukönnen.
Das ist das Ergebnis linker Politik hier in Berlin.Es ist entscheidend, dass Investitionen gestärkt wer-den. Deshalb sind Investitionen von den Maßnahmendieses Sparpakets ausgenommen. Wir investieren wei-terhin in die Infrastruktur unseres Landes, darüber hi-naus in die Bildung und damit in die Zukunft. Das be-deutet auch: Wir schaffen weiterhin die Grundlage füreine starke und gute Sozialpolitik, die Grundlage für denWohlstand der Menschen.
Heute wurde nebenbei vielfältig kritisiert, dass mitdem Sparpaket der Beschluss der Koalitionsfraktionenverbunden ist, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zuverlängern. Es ist richtig und wichtig, die Laufzeiten zuverlängern. Ich möchte es am Beispiel Bayerns darstel-len: 60 Prozent der Stromproduktion in Bayern stammenaus Kernkraftwerken, und zwar aus sicheren Kernkraft-werken.
Die Kernkraftwerke haben aufgrund der niedrigenStromkosten die Grundlage dafür geschaffen, dass esüberhaupt einen industriellen, wirtschaftlichen Auf-schwung in Bayern gab.
– Gerade Herr Ernst, der Betriebsrat ist, sollte an die Ar-beitsplätze auch in diesen Kraftwerken denken,
– Wenn man ein richtiger Arbeitnehmervertreter ist,muss man für Arbeitsplätze kämpfen. Die bayerischenArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Kraft-werken haben nichts davon, wenn unsere Kernkraft-wmmOeHlrdpstgsBuwddLaFaPidEedDnrDIrm
as ist alles andere als christlich und liberal.
ch möchte insbesondere die Kollegen von der Union da-an erinnern: Das Elterngeld ist entweder eine Einkom-ensersatzleistung oder ein Mindestelterngeld.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4563
Caren Marks
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– Auch wenn Sie damals noch nicht dabei waren: Lesenlohnt sich manchmal! – Das Elterngeld ist eine Einkom-mensersatzleistung oder ein Mindestelterngeld von300 Euro für alle, die kein Einkommen haben. Dazu ge-hören Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger, Schü-lerinnen und Schüler, Studierende sowie Hausfrauen undHausmänner.
Ich möchte auch daran erinnern, dass es insbesonderedie Union war, die darauf Wert gelegt hat, dass das Min-destelterngeld eine Anerkennung für die Erziehungsleis-tung im ersten Jahr darstellt. Den Hartz-IV-Beziehernwerden als einziger Gruppe die 300 Euro Mindesteltern-geld ersatzlos gestrichen. Deren Erziehungsleistung wirdvon Schwarz-Gelb also nicht mehr anerkannt. Das istmehr als interessant.
Rund 130 000 Familien sind davon betroffen, darun-ter viele Alleinerziehende, die Frau Schröder und auchFrau von der Leyen angeblich so sehr am Herzen liegen.Hier werden die sozial Schwächsten am stärksten be-nachteiligt, Kinderarmut wird verfestigt.
Ich finde, dass die heute bei uns im Ausschuss von FrauMinisterin Schröder vorgetragene Begründung, dass beiEltern im ALG-II-Bezug der Grundbedarf bereits ge-sichert sei, mehr als zynisch ist.
Das sieht insbesondere im ersten Lebensjahr eines Kin-des wirklich anders aus. Vielleicht schauen Sie sich inunserer Republik etwas um.
Das Mindestelterngeld von Hausfrauen hingegen, diemit Spitzenverdienern verheiratet sind, lassen Sie unan-getastet.
Hier passiert nichts. Es wird deutlich, dass die Ministerinentgegen einer Pressemitteilung weder intelligent nochsozial ausgewogen spart.
Das ist nicht nur die Meinung der SPD, sondern einergroßen Mehrheit von Gewerkschaften, Verbänden undder Gesellschaft. Der Familienbund der Katholiken hatdie Vorschläge, das Elterngeld zu kürzen, als „Schwar-zen Montag“ für Familien bezeichnet, und auch Bundes-tagspräsident Professor Lammert kritisiert die sozialeSchieflage Ihrer Sparvorschläge.EkhDmKadlwtn1idVEhkPngtdttidanzrKSwtcsSguVNg
Die Kürzungen beim Elterngeld sind auch kontrapro-uktiv für mehr gelebte Partnerschaft von Müttern undätern; denn gerade für viele Väter wird der Bezug vonlterngeld unattraktiver werden, da sie häufig das hö-ere Einkommen beziehen. Die von der Ministerin ange-ündigte Weiterentwicklung des Elterngeldes mit mehrartnermonaten war reine Fassade, geschehen wirdichts. Sie haben die Familien getäuscht und im Stichelassen. Das werden die Familien im Gedächtnis behal-en.Schwarz-Gelb hat kein Konzept, um die Rahmenbe-ingungen für Familien wirklich zu verbessern, und un-ernimmt nichts, um die frühkindliche Bildung und Be-reuung voranzubringen. Dass sich Ministerin Schrödern einer Pressemitteilung selbst dafür lobt, dass das Son-ervermögen im Zusammenhang mit dem Betreuungs-usbau und dem Rechtsanspruch auf einen Krippenplatzicht angetastet wird, ist ein Armutszeugnis. Das infrageu stellen, wäre dreist, ein bildungspolitischer Offenba-ungseid und gegen die Absprachen mit Ländern undommunen.
ie lobt sich – das muss man der Ministerin sagen, auchenn sie leider nicht da ist – für Selbstverständlichkei-en.Das Sparpaket richtet sich nicht gegen die Verursa-her der Finanzkrise, sondern vor allem gegen sozialchwache Familien.
ie streichen Hartz-IV-Empfängern das Mindesteltern-eld, Wohngeldempfängern die Heizkostenzuschüssend begründen dies damit, dass keiner länger über seineerhältnisse leben dürfe.
icht in Sozialwohnungen wurde über die Verhältnisseelebt. Vielmehr haben viele Banker und Finanzjongleure
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4564 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010
Caren Marks
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auf den Finanzmärkten über ihre Verhältnisse gelebt.Hier gilt es zu handeln, und man darf nicht bei Ankündi-gungen stehenbleiben.Wir, die SPD, sagen den Familien: Allein die Rück-nahme der Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelüber-nachtungen, beschlossen von der Regierung Anfang die-ses Jahres, würde all die Sparvorschläge und die Politik,die auf dem Rücken der Familien ausgetragen wird,überflüssig machen.
Doch es wird deutlich, meine Damen und Herren vonSchwarz-Gelb: Dieser Regierung sind Hoteliers deutlichmehr wert als Familien in unserem Land.Herzlichen Dank.
Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege
Andreas Mattfeldt für die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wirerleben hier und heute Debattenbeiträge der Oppositionzum Thema Sparpaket, wie ich sie erwartet habe. Ich binsicher, selbst wenn wir die Überschriften der Parteipro-gramme der Linken, der Grünen und der SPD zitiert hät-ten, hätten wir dasselbe Gezeter gehört.
Das passt absolut zu dem, was ich in den letzten Wo-chen von Ihnen in diesem Haus gesehen habe. Das hatmit einer verantwortungsvollen und zukunftsorientiertenOppositionsarbeit überhaupt nichts zu tun. Das ist einepopulistische Show. Wie ernst gerade die Grünen dieseShow nehmen, sehen wir daran, dass ihre Spitze denRaum nach kurzer Zeit schon wieder verlassen hat.
Es ist immer einfach, zu sagen, wo überall nicht ge-spart werden soll. Ich höre das immer wieder von unter-schiedlichen Seiten, da die Interessen verschieden sind:Bei den Familien, bei den Arbeitslosen, in den BereichenGesundheit, Verteidigung oder auch Wirtschaft, nir-gendwo darf gespart werden. Diese Liste lässt sich un-endlich fortführen. Wir verfahren in diesem Haus seitJahren nach der Devise: Mir ist kein Opfer, das meinNachbar für mich erbringen kann, zu groß. Deshalb erin-nere ich gerade Sie, lieber Kollege Hubertus Heil, daran,dass Sie mit uns gemeinsam die Schuldenbremse verab-schiedet haben, auch wenn Sie das heute nicht mehr wis-sen wollen.hsUckbWdflEmil1tNnzr–PlaE–reaSdvsdDcdv
Ihre populistischen Schreie zeigen mir, dass Sie vonopulismus eine ganze Menge verstehen. Von Finanzpo-itik verstehen Sie aber überhaupt nichts.
Weil Sie es anscheinend vergessen haben, möchte ichn die Grundkonstruktion des Elterngeldes erinnern: Daslterngeld wurde als Lohnersatzleistung konzipiert.
Herr Heil, bitte beantworten Sie mir die Frage: Wieechtfertigen Sie vor dem Hintergrund des Lohnersatzesine pauschale Zahlung von 300 Euro an den Langzeit-rbeitslosen, der keinen Lohn, sondern Leistung vomtaat empfängt?
Wir wollen hier auch einmal ganz deutlich der Legen-enbildung vorbeugen: Der Grundbedarf der Empfängeron SGB-II-Leistungen wird bereits durch die Regel-ätze und durch die entsprechenden Zusatzleistungen,ie gerade für Kinder gewährt werden, gesichert.
as Existenzminimum der Familien wird weiterhin gesi-hert sein. Auch für das Neugeborene erhalten die Elternen Regelsatz. Eine Gewährung von Elterngeld in Höheon 300 Euro zusätzlich zum SGB-II-Leistungsbezug
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 45. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 9. Juni 2010 4565
Andreas Mattfeldt
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verringert für mich seit dessen Einführung zu sehr denAbstand zwischen dem, der arbeitet, und dem, der keinerArbeit nachgeht. Das ist den Fleißigen in unserer Gesell-schaft nicht zu vermitteln. Wer morgens früh aufstehtund arbeiten geht, der darf dafür nicht bestraft werden.
Das Elterngeld ist ein Erfolgsmodell. Damit das auchso bleibt und damit das Elterngeld vor allen Dingenlangfristig finanzierbar ist, müssen wir, auch wenn esschwerfällt, eine weitere Veränderung in diesem Bereichvornehmen. Wir tun dies, um die zukünftige Finanzie-rung des Elterngeldes zu sichern. Deshalb ist es notwen-dig, die Lohnersatzrate bei einem Nettoeinkommen vonüber 1 240 Euro im Monat moderat von 67 Prozent auf65 Prozent abzusenken. Damit ist auch langfristig dieUnterstützung von Erwerbstätigen im unteren und mitt-leren Einkommensbereich gewährleistet.Es geht in diesen Tagen nicht um Gezeter, sondern umdie Zukunft unseres Landes und um die Zukunft unsererKinder.
Arbeiten Sie konstruktiv daran mit und unterlassen SieVeranstaltungen wie die heutige populistische Show!Herzlichen Dank.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, 10. Juni 2010, 9 Uhr,
ein.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.
Ich schließe die Sitzung.