Protokoll:
17039

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 39

  • date_rangeDatum: 5. Mai 2010

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:38 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/39 nahme der Erklärung der Bundesrepublik Tagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen zum Erhalt der für die Finanzstabilität in der Währungsunion erforderlichen Zahlungsfähigkeit der Hel- lenischen Republik (Währungsunion- Finanzstabilitätsgesetz – WFStG) (Drucksache 17/1544) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Deutschland vom 6. März 1992 zum Über- einkommen über die Rechte des Kindes; weitere Fragen zur Kabinettssitzung . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, 3721 B 3721 C 3727 B 3731 A 3733 B 3746 C 3746 C 3747 B 3747 C 3747 D 3748 A 3748 C Deutscher B Stenografisc 39. Sit Berlin, Mittwoch, I n h a Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Peter Hintze und Manfred Nink . . . . Begrüßung der neuen Abgeordneten Ewa Klamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: zu den Maßnahmen zum Erhalt der Stabilität der Währungsunion und zu dem bevorstehenden Sondergipfel der Euro-Länder am 7. Mai 2010 in Brüssel in Verbindung mit 3721 A 3721 B 3721 B 3721 B Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3736 A 3739 A undestag her Bericht zung den 5. Mai 2010 l t : Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 2: Befragung der Bundesregierung: Rück- 3741 C 3743 B 3743 D 3744 B 3744 D 3745 A Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3748 C 3748 D II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: Fragestunde (Drucksache 17/1534) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 1 Dr. Barbara Hendricks (SPD) Unterstützung der Vergabe von Landtiteln an die ländliche Bevölkerung in Kambod- scha 3748 D 3749 A 3749 C 3749 D 3750 A 3750 B 3750 D 3751 A 3751 A 3751 B 3751 B 3751 C 3751 C 3751 D 3752 A 3752 B 3752 B 3752 C 3752 C 3753 A 3753 A 3753 B 3753 C 3753 D Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Barbara Hendricks (SPD) . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 2 Dr. Barbara Hendricks (SPD) Institutionelle Zusammenlegung der deut- schen technischen und finanziellen Ent- wicklungszusammenarbeit Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Barbara Hendricks (SPD) . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 3 Karin Roth (Esslingen) (SPD) Beitrag zum Erreichen des Millenniument- wicklungsziels 5 Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 4 Karin Roth (Esslingen) (SPD) Stärkere Berücksichtigung der Problemla- gen behinderter Menschen in Entwicklungs- ländern in der Entwicklungszusammenar- beit und Unterstützung der Partnerländer bei der Integration der Menschen mit Behinderungen Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 5 Burkhard Lischka (SPD) Auswirkungen der Kapitalerhöhung bei der Weltbank auf den finanziellen Beitrag Deutschlands 3754 A 3754 C 3755 A 3755 B 3756 B 3756 C 3757 B 3757 C 3759 B 3759 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 III Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 6 Burkhard Lischka (SPD) Austarierung des Einflusses zwischen Industrie- und Schwellenländern bei der Weltbank Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Fragen 7 und 8 Dr. Sascha Raabe (SPD) Wirkung von gebundener und ungebun- dener Budgethilfe des BMZ in den Ent- wicklungsländern; Konkrete Abstimmung innerhalb der EU über die Budgetfinanzie- rungen Deutschlands, der EU-Partner so- wie des Europäischen Entwicklungsfonds Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 9 Dr. Bärbel Kofler (SPD) Kooperation mit Partnerländern der deut- schen Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Klima-, Umwelt- und Ressourcen- schutz Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 10 Dr. Bärbel Kofler (SPD) Förderung bilateraler und multilateraler Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien und Verhalten des BMZ zu Anfragen von Partnerländern zur Förde- rung von Vorhaben im Bereich der Atom- energie 3760 D 3761 B 3762 C 3762 C 3763 C 3764 A 3766 D 3767 B 3768 B Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 15 Heike Hänsel (DIE LINKE) Unterzeichnung des Freihandelsabkom- mens mit Kolumbien erst nach Aufklärung der Enthüllungen über das Vorgehen des kolumbianischen Geheimdienstes DAS ge- gen Menschenrechtsorganisationen und EU-Abgeordnete Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 20 Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ziviler Aufbau in den Provinzen Badakh- shan, Kunduz und Baghlan vor Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 21 Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kriterien für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 3768 D 3768 D 3769 C 3769 C 3770 C 3770 D 3771 A 3771 C 3772 A 3772 B 3773 C 3775 A IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 Anlage 2 Mündliche Frage 11 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Schutz des Weltkulturerbestatus Speyerer Dom Antwort Eckart von Klaeden, Staatsminister BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Mündliche Fragen 12 und 13 Angelika Krüger-Leißner (SPD) Konzept zur Digitalisierung der Kinos Antwort Eckart von Klaeden, Staatsminister BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Mündliche Frage 14 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Teilnahme von Vertretern der Bundes- regierung an Gedenkveranstaltungen an sowjetischen Gedenkstätten und Kriegs- gräbern anlässlich des 65. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Mündliche Frage 16 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Voraussetzungen für den schrittweisen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Mündliche Frage 17 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Priorität sicherheitspolitischer Kriterien für die Einleitung eines schritt- weisen Abzugs der Bundeswehr aus Afgha- nistan gegenüber der Erfüllung von Krite- rien im Bereich des zivilen Aufbaus Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3775 B 3775 C 3776 A 3776 C 3776 D Anlage 7 Mündliche Frage 18 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kriterien für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Mündliche Frage 19 Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bereitschaft lokaler aufständischer Grup- pen in Afghanistan zu Gesprächen für eine politische Lösung des Konflikts Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Mündliche Frage 22 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Orientierung der Kriterien für den schritt- weisen Abzug der Bundeswehr aus Afgha- nistan am Abzugsplan der US-Streitkräfte Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Mündliche Frage 23 Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einberufung einer Sudan-Konferenz im Rahmen der UNO vor dem geplanten Refe- rendum über die Unabhängigkeit des Südsudan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Mündliche Frage 24 Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Deutscher Beitrag zur Lösung noch stritti- ger Fragen vor dem Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudan Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3777 A 3777 B 3777 C 3778 A 3778 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 V Anlage 12 Mündliche Frage 25 Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beteiligung Taiwans als Beobachter an den Aktivitäten der Internationalen Zivilluft- fahrt-Organisation (ICAO) Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Mündliche Frage 26 Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einbindung Taiwans in die Mechanismen der Klimarahmenkonvention der Verein- ten Nationen (UNFCCC) Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Mündliche Frage 27 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Einspruch des zypriotischen Parlaments gegen die Aufnahme von Handelsbeziehun- gen mit dem türkisch besetzten Teil Zypern durch die EU Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Mündliche Frage 28 Martin Dörmann (SPD) Bekämpfung kinderpornografischer In- halte im Internet sowohl durch Löschen als auch Sperren entsprechender Seiten Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 16 Mündliche Frage 29 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verhinderung der Abschiebung von Roma in den Kosovo Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3778 C 3778 D 3779 A 3779 C 3779 D Anlage 17 Mündliche Frage 30 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verhalten von Regierungsmitgliedern in der Diskussion um das Verbot von Waffen in privater Hand Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 18 Mündliche Frage 31 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Beanstandungen bei Kontrollen der Lage- rung von Waffen in privaten Haushalten seit der letzten Änderung des Waffengeset- zes Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 19 Mündliche Frage 32 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Konsequenzen aus dem Widerruf des soge- nannten Schweine-Patents für die Neuver- handlung des EU-Patentrechts Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 20 Mündliche Frage 33 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Bewertung des Anbringens von Kruzifixen in staatlichen Schulen als Verstoß gegen die Religionsfreiheit Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 21 Mündliche Frage 34 Martin Dörmann (SPD) Vorschläge der EU-Kommission zur Be- kämpfung kinderpornografischer Inhalte im Internet Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3780 B 3780 C 3780 C 3780 D 3781 A VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 Anlage 22 Mündliche Fragen 35 und 36 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Befürwortung einer europaweiten Einfüh- rung von Internetsperren zur Bekämp- fung der Kinderpornografie, insbesondere im Rahmen eines entsprechenden EU- Richtlinienentwurfs Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 23 Mündliche Frage 37 Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einführung von Internetsperren für die Bekämpfung der Kinderpornografie im In- ternet Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 24 Mündliche Fragen 38 und 39 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Übergabe des Truppenübungsplatzes Witt- stock an die Bundesanstalt für Immobilien- aufgaben sowie Verfügbarkeit für die zivile Nutzung Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 25 Mündliche Frage 40 Fritz Rudolf Körper (SPD) Vorschläge zur Aufspaltung der Kirchen- steuer in ein Beitrags- und ein Spendenele- ment zur Einschränkung des Steuerabzugs Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 26 Mündliche Frage 41 Kirsten Lühmann (SPD) Steuerrückzahlungen infolge der Zustim- mung der EU zu den Regelungen der Be- steuerung von Rapsöl im Wachstums- beschleunigungsgesetz 3781 B 3781 D 3782 A 3782 B Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 27 Mündliche Frage 42 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aufhebung der Haushaltssperre für das Marktanreizprogramm bzw. Alternativen zur weiteren Förderung des erneuerbaren Wärmemarktes Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 28 Mündliche Fragen 43 und 44 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beteiligung der Banken an der Finanzie- rung der Hilfen für Griechenland durch die Einführung einer Finanzumsatzsteuer Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 29 Mündliche Frage 45 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berücksichtigung von anderen Faktoren als wirtschaftliche Fundamentaldaten bei der Herabstufung von Portugal und Spa- nien durch Ratingagenturen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 30 Mündliche Frage 46 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Differenz zwischen dem Anteil Deutsch- lands an der Wertschöpfung der Euro- Zone und dem anteiligen Abschreibungs- bedarf der Banken Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3782 C 3782 D 3783 A 3783 B 3783 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 VII Anlage 31 Mündliche Frage 47 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Verhandlungen mit deutschen Banken über einen Beitrag zum Rettungspaket für Griechenland Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 32 Mündliche Frage 48 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Schlussfolgerungen aus der Griechenland- krise für die Regulierung der Finanz- märkte und deren Umsetzung Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 33 Mündliche Frage 49 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Maßnahmen der Bundesregierung zum Unterbinden von Spekulationsgeschäften deutscher Banken zulasten von Griechen- land, Portugal, Spanien und Italien Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 34 Mündliche Fragen 50 und 51 Siegmund Ehrmann (SPD) Berücksichtigung der Interessen der Kul- tur, der Kulturschaffenden und der Kultur- einrichtungen in der Zusammensetzung der Gemeindefinanzkommission und ihren inhaltlichen Beratungen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 35 Mündliche Frage 52 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Veröffentlichung von vier Nichtanwen- dungserlassen durch das BMF Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3783 D 3784 A 3784 B 3784 C 3785 B Anlage 36 Mündliche Frage 53 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Steuermehreinnahmen durch Anwendung des Progressionsvorbehalts bei Kurzarbei- tergeld 2009 und 2010 infolge der Verlän- gerung der Bezugsfrist Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 37 Mündliche Frage 54 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Übernahme sämtlicher Unternehmen auf die Liste der akkreditierten Stellen bei der Deutschen Akkreditierungsstelle ohne vor- herige Überprüfung Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 38 Mündliche Fragen 55 und 56 Dr. Eva Högl (SPD) Nationale Ziele im Rahmen der neuen Stra- tegie für Wachstum und Beschäftigung; Einbeziehung der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft sowie Unterrichtung des Deutschen Bundestages Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 39 Mündliche Fragen 57 und 58 Andrea Nahles (SPD) Ausbau des barrierefreien Tourismus und Gewinnung kleiner und mittlerer Unter- nehmen für den Seniorentourismus Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 40 Mündliche Frage 59 Heinz Paula (SPD) Konzeptionelle Gespräche mit den Län- dern und der Tourismuswirtschaft über die zu erwartenden Touristenströme in der Sommerferienzeit 3785 C 3785 D 3786 B 3786 D VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 41 Mündliche Fragen 60 und 61 Gabriele Hiller-Ohm (SPD) Derzeit finanzierte sowie geplante Projekte zur Förderung der Leistungssteigerung im Tourismusgewerbe und Ergebnisse der Ressortabstimmung Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 42 Mündliche Frage 62 Garrelt Duin (SPD) Anzahl und Ergebnisse der seit März 2010 vom Kreditmediator Hans-Joachim Metternich begleiteten Verfahren Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 43 Mündliche Frage 63 Garrelt Duin (SPD) Berechnungen des Sachverständigenrates und der Bundesregierung über den Beitrag des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes zur Wirtschaftsleistung Deutschlands Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 44 Mündliche Frage 64 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Inhalt des Zwischenberichts zu den Ener- gieszenarien Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 45 Mündliche Fragen 65 und 66 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3787 C 3787 D 3788 A 3788 B 3788 C Forderungen deutscher Rüstungsunter- nehmen gegenüber Griechenland und Ab- sicherung früherer Exportlieferungen durch Kredite und staatliche Bürgschaften sowie Einfluss der Bundesregierung auf die Entscheidung zu neuen U-Boot-Lieferun- gen Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 46 Mündliche Frage 67 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Szenarien des Energiekonzepts Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 47 Mündliche Frage 68 Hilde Mattheis (SPD) Fehlende Weitergabe von Steuer- und Sozialversicherungsbeitragssenkungen an Beschäftigte in Altersteilzeit durch den Ver- zicht auf eine neue Mindestnettobetrags- tabelle Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 48 Mündliche Frage 69 Hilde Mattheis (SPD) Verbleib des Differenzbetrags zwischen der früheren und der ab 1. Januar 2010 gelten- den Lohnsteuer beim Arbeitgeber durch die fehlende Anpassung der Mindestnetto- betragstabelle an die neue Rechtslage Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 49 Mündliche Fragen 70 und 71 Jutta Krellmann (DIE LINKE) Sicherstellung der Zusätzlichkeit der Tä- tigkeiten sowie der Finanzierung in den Plänen zur Bürgerarbeit 3788 D 3789 A 3789 B 3789 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 IX Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 50 Mündliche Fragen 72 und 73 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Ausgestaltung der geplanten Bürgerarbeit hinsichtlich des Bruttoeinkommens eines Singles ohne Kind, der Anzahl der einzu- richtenden Stellen sowie der Finanzierung Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 51 Mündliche Fragen 74 und 75 Werner Dreibus (DIE LINKE) Finanzierung von Bürgerarbeit Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 52 Mündliche Fragen 76 und 77 Günter Gloser (SPD) Schutz des Roten Thunfisches, des Dorn- und Heringshais sowie der Roten Koralle im Rahmen der neuen europäischen Fischereipolitik und der Union für das Mit- telmeer Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 53 Mündliche Frage 78 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Hinweise auf thermobarische Sprengköpfe in den Händen von Taliban-Gruppierun- gen Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 54 Mündliche Frage 79 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) 3789 D 3790 B 3791 A 3791 B 3792 A Gewährleistung der Kriegsgräberfürsorge gemäß dem Abkommen zwischen Deutsch- land und der Russischen Föderation vom Dezember 1992 Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 55 Mündliche Frage 80 Caren Marks (SPD) Geplante Veranstaltungen im Jahr 2010 zum Erfahrungsaustausch über familien- politische Maßnahmen zwischen der Bun- desregierung und anderen EU-Staaten Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 56 Mündliche Frage 81 Caren Marks (SPD) Konkretisierung der geplanten Einsparun- gen im Einzelplan 17 Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 57 Mündliche Frage 82 Dr. Marlies Volkmer (SPD) Ziele der Studie zur Sicherheit der Aufbe- reitung von Einmalprodukten Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 58 Mündliche Fragen 83 und 84 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Gesetzliche Neuregelungen infolge der Festlegungen der Gesellschafterversamm- lung der Gesellschaft für Telematikanwen- dungen der Gesundheitskarte mbH zur Zukunft der elektronischen Gesundheits- karte; Einsparpotenzial bei Umsetzung der Festlegungen Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3792 A 3792 C 3793 A 3793 B 3793 D X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 Anlage 59 Mündliche Fragen 85 und 86 Steffen-Claudio Lemme (SPD) Personenkreis ohne gesundheitlichen Ver- sicherungsschutz sowie gesetzlich Versi- cherte mit ruhendem Versicherungsver- hältnis aufgrund säumiger Beiträge Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 60 Mündliche Frage 87 Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) Geplante Ausnahmeregelungen für die Kopfpauschale bei Rentnerinnen und Rentnern Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 61 Mündliche Frage 88 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Regelmäßige Genehmigung von Massen- tierhaltungsanlagen als privilegierte An- lage im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 des Baugesetzbuchs Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 62 Mündliche Frage 89 Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Schutz des Weltkulturerbestatus Speyerer Dom beim Ausbau des Flughafens Speyer Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 63 Mündliche Fragen 90 und 91 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ursachen für die Baumängel an der Bun- desstraße 6n in Sachsen-Anhalt und damit 3794 A 3794 D 3795 A 3795 A verbundene Kosten für den Bund; Presse- artikel zu Hinweisen auf Betrugsverdacht und mangelnder Überprüfung durch Lan- desbehörden Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 64 Mündliche Frage 92 Hans-Joachim Hacker (SPD) Zulassung des kontrollierten Sichtflugs auf Antrag der Airlines ohne ausreichende Messwerte am 19. April 2010 Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 65 Mündliche Frage 93 Hans-Joachim Hacker (SPD) Schaffung stabiler Informationsstrukturen für Flugpassagiere als Folge der Sperrung des Luftraums aufgrund der Vulkanasche Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 66 Mündliche Frage 94 Kirsten Lühmann (SPD) Bei Testflügen entstandene Schäden an ei- nem Nato-Kampfjet in der Zeit der Sper- rung des Luftraums infolge der Vulkan- asche Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 67 Mündliche Frage 95 Michael Groß (SPD) Krisenpläne für den Flugverkehr im Fall weiterer Vulkanausbrüche mit Aschewol- kenbildung Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3795 B 3795 C 3795 D 3796 A 3796 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 XI Anlage 68 Mündliche Frage 96 Michael Groß (SPD) Den Bundesminister Dr. Peter Ramsauer beratende Institutionen in der Zeit der Luftraumsperrung infolge der Vulkan- asche sowie durchgeführte Messungen vor dem Flug der „Falcon 20E“ Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 69 Mündliche Frage 97 Ulrike Gottschalck (SPD) Einrichtung einer Task Force durch den Bundesminister Rainer Brüderle zum Umgang mit der Einstellung des Luftver- kehrs aufgrund der Vulkanasche und Ein- beziehung des Bundesministers Dr. Peter Ramsauer Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 70 Mündliche Frage 98 Ulrike Gottschalck (SPD) Staatliche Unterstützung bzw. Entschädi- gung der Luftverkehrsbranche infolge des gesperrten Luftraums aufgrund der Vul- kanasche vor dem Hintergrund unter- schiedlicher Äußerungen der Bundesminis- ter Rainer Brüderle und Dr. Peter Ramsauer Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 71 Mündliche Frage 99 Sören Bartol (SPD) Information der Flughäfen über die stun- denweise Öffnung des Luftraums am Abend des 18. April 2010 sowie Gründe für die geringe Nutzung durch die Airlines Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 72 Mündliche Frage 100 Sören Bartol (SPD) 3796 C 3796 D 3797 A 3797 B Initiator und rechtliche Grundlage für die vorzeitige Öffnung des aufgrund der Vul- kanasche gesperrten Luftraums Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 73 Mündliche Fragen 101 und 102 Ute Kumpf (SPD) Kriterien für die Einstufung des Luft- raums als sicher während der Sperrung in- folge der Vulkanasche sowie Gründe für die genehmigten Flüge im kontrollierten Sichtflug Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 74 Mündliche Fragen 103 und 104 Florian Pronold (SPD) Fehlende Einrichtung eines zentralen Kri- senstabs beim BMVBS während der Sperrung des Luftraums aufgrund der Vul- kanasche sowie Einbindung der Bundes- länder in das Krisenmanagement Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 75 Mündliche Fragen 105 und 106 Uwe Beckmeyer (SPD) Zeitpunkt der Information von Bundes- minister Dr. Peter Ramsauer und der Bun- deskanzlerin über die drohende Sperrung des Luftraums aufgrund der Vulkanasche; durch die Bundesregierung entsprechend eingesetzte Krisenstäbe Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 76 Mündliche Frage 107 Martin Burkert (SPD) Beteiligung von Bundesminister Ramsauer an der Telefon- und Videokonferenz der europäischen Verkehrsminister am 19. April 2010 zu den Auswirkungen der Vulkanasche auf die Flugsicherheit über Europa 3797 C 3797 D 3798 B 3798 D XII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 77 Mündliche Frage 108 Martin Burkert (SPD) Mögliche Beantragung von Sondergeneh- migungen für Flüge im kontrollierten Sichtflugverfahren vor dem 19. April 2010 Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 78 Mündliche Frage 109 Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umsetzung der angekündigten Anhebung des CO2-Reduktionsziels in der EU auf 30 Prozent Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 79 Mündliche Frage 110 Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einfluss des Petersburger Dialogs auf die anstehenden Klimaverhandlungen und Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen in den Entwicklungsländern Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 80 Mündliche Frage 111 Heike Hänsel (DIE LINKE) Fehlen von Vertretern der Bundesregie- rung beim alternativen Klimagipfel der Völker im bolivianischen Cochabamba Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 81 Mündliche Frage 112 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3799 B 3799 C 3799 D 3800 A 3800 B Menge des zusätzlichen radioaktiven In- ventars bei Laufzeitverlängerung sämtli- cher in Betrieb befindlicher Atomkraft- werke um 10, 20 bzw. 28 Jahre Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 82 Mündliche Frage 113 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Neuverpackung des in Ahaus zwi- schengelagerten Atommülls für den Wei- tertransport ins Endlager Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 83 Mündliche Frage 114 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berechnung der Kosten der Atomkraft für die Energieszenarien der Bundesregierung Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 84 Mündliche Frage 115 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erhöhung des EU-Ziels zur Emissions- reduzierung bis 2020 von 20 auf 30 Prozent und Unterstützung durch die Bundesregie- rung Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 85 Mündliche Frage 116 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Verstärkung der Forschung zu Diagnostik und Therapie von seltenen oder Waisen- krankheiten Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3800 C 3800 D 3801 A 3801 B 3801 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 XIII Anlage 86 Mündliche Frage 117 Heinz Paula (SPD) Initiativen zur Entzerrung der Sommer- ferienzeiten Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 87 Mündliche Frage 118 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Pläne für die Organisation des nationalen Stipendienprogramms ausschließlich durch die Hochschulen Antwort Anlage 89 Mündliche Frage 120 Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Soll-Kriterien bei der Vergabe von Stipen- dien laut Entwurf des Stipendienpro- gramm-Gesetzes und Stellenwert einzelner Auswahlkriterien Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 90 Mündliche Frage 121 Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berechnung der den Hochschulen beim nationalen Stipendienprogramm entste- 3801 D 3802 C Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 88 Mündliche Frage 119 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verlust des Stipendiums bei Studienort- wechsel im Inland laut Entwurf des Stipen- dienprogramm-Gesetzes sowie Möglichkei- ten einer Mitnahme des Stipendiums ins Ausland Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3802 A 3802 B henden Kosten sowie erwartete Steuermin- dereinnahmen gemäß Entwurf des Stipen- dienprogramm-Gesetzes Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 91 Mündliche Frage 122 Nicole Gohlke (DIE LINKE) Finanzierung des nationalen Stipendien- programms Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3802 D 3803 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3721 (A) (C) (D)(B) 39. Sit Berlin, Mittwoch, Beginn: 8
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3775 (A) (C) (D)(B) Die Erhaltung und Pflege von Weltkulturerbestätten ist nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes trages zwischen CDU, CSU und FDP: „In einer Gemein- schaftsaktion von Filmwirtschaft, Filmförderanstalt, Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Antwort des Staatsministers Eckart von Klaeden auf die Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 11): Was unternimmt die Bundesregierung, nachdem nun der Internationale Rat für Denkmalpflege, ICOMOS, eine Über- prüfung des Weltkulturerbestatus angekündigt hat, um den Status Weltkulturerbe für den Speyerer Dom zu schützen? Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Behm, Cornelia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 05.05.2010 Binder, Karin DIE LINKE 05.05.2010 Bleser, Peter CDU/CSU 05.05.2010 Bockhahn, Steffen DIE LINKE 05.05.2010 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 05.05.2010 Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 05.05.2010 Connemann, Gitta CDU/CSU 05.05.2010 Groschek, Michael SPD 05.05.2010 Höger, Inge DIE LINKE 05.05.2010 Hörster, Joachim CDU/CSU 05.05.2010 Klöckner, Julia CDU/CSU 05.05.2010 Lindner, Christian FDP 05.05.2010 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 05.05.2010 Philipp, Beatrix CDU/CSU 05.05.2010 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 05.05.2010 Schnieder, Patrick CDU/CSU 05.05.2010 Werner, Katrin DIE LINKE 05.05.2010 Zapf, Uta SPD 05.05.2010 Anlagen zum Stenografischen Bericht eine Angelegenheit des Denkmalschutzes und damit vor- rangig eine Aufgabe der Länder, welche die Annahme der Stätten in die UNESCO-Weltkulturerbeliste bean- tragt haben. Da nach Kenntnis der Bundesregierung ICOMOS eine Gefährdung des Weltkulturerbestatus für den Dom zu Speyer nicht zu erkennen vermag, ist nach Ansicht der Bundesregierung kein Handlungsbedarf er- sichtlich. Anlage 3 Antwort des Staatsministers Eckart von Klaeden auf die Fragen der Abgeordneten Angelika Krüger-Leißner (SPD) (Drucksache 17/1534, Fragen 12 und 13): Wie ist es in so kurzer Zeit gelungen, eine Einigung bei den Gesprächen über das am 6. Mai 2010 von der Bundesre- gierung zu präsentierende neue Konzept zur Digitalisierung der Kinos herbeizuführen, nachdem es anlässlich der Bera- tung des Antrags der SPD-Fraktion „Für eine Kinodigitalisie- rung, die den Erhalt unserer Kinolandschaft sichert“ in der Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien am 21. April 2010 von Ihrer Seite keinen Hinweis auf einen bevorstehen- den Abschluss der Gespräche insbesondere mit den Verleihern gab? Wird das am 6. Mai 2010 zu präsentierende Konzept, ohne den Details vorgreifen zu wollen, der Vorgabe des Koalitions- vertrags zwischen CDU, CSU und FDP gerecht, wonach die Digitalisierung der Kinos flächendeckend erfolgen soll? Zu Frage 12: Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsminister Bernd Neumann, wird am 6. Mai 2010 auf Einladung der CDU/CSU-Fraktion im Deut- schen Bundestag erstmals seine Überlegungen für ein Modell zur Digitalisierung der Kinos in Deutschland vortragen und mit Vertretern der Film- und Kinowirt- schaft diskutieren. Von einem bereits erfolgten Ab- schluss der Gespräche und Diskussion dazu kann keine Rede sein. In den Diskussionsprozess wird selbstver- ständlich auch der Ausschuss für Kultur und Medien ein- bezogen. In der letzten Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien am 21. April 2010 war ein Antrag der SPD- Fraktion im Deutschen Bundestag Beratungsgegenstand. Ein Sachstandsbericht der Bundesregierung zur Digitali- sierung der Filmtheater war nicht Gegenstand der Tages- ordnung und der Beratungen, Herrn Staatsminister Bernd Neumann wurde deshalb in der Sitzung zum An- trag der SPD-Fraktion auch nicht das Wort erteilt. Zu Frage 13: Die Überlegungen für ein Modell, die der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsmi- nister Bernd Neumann, am 6. Mai 2010 auf Einladung der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vortra- gen wird, gehen aus von der Aussage des Koalitionsver- 3776 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 (A) (C) (D)(B) FFA, Bund und Ländern soll schrittweise die flächen- deckende Digitalisierung der Kinos erfolgen, um die kulturelle Vielfalt in Deutschland zu erhalten.“ Daher stehen Programm- und Filmkunstkinos sowie herkömm- liche Kinos mit besonderen strukturellen Komponenten im Fokus der Bundesregierung, die den Umrüstungspro- zess von analoger auf digitale Projektionstechnik finan- ziell nicht aus eigener Kraft bewältigen können. Anlage 4 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksa- che 17/1534, Frage 14): An welchen Gedenkveranstaltungen und Kranzniederle- gungen oder anderen Feierlichkeiten an sowjetischen Gedenk- stätten und Kriegsgräbern anlässlich des 65. Jahrestages der Befreiung Deutschlands vom Faschismus nehmen Vertreterin- nen und Vertreter der Bundesregierung teil? Der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, hat am 30. April 2010 an einer Gedenkfeier an der Kriegsgräberstätte Zeithain teilgenommen; dort sind 15 000 russische Kriegsgefangene bestattet. Von russi- scher Seite waren Vertreter des Generalkonsulats Leip- zig bei der Gedenkfeier vertreten. Bundespräsident Professor Dr. Horst Köhler hat am 2. Mai 2010 anlässlich des 65. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau, in dem auch sowjeti- sche Kriegsgefangene ermordet wurden, an einem Ge- denkakt in der KZ-Gedenkstätte Dachau teilnehmen. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel wird am 9. Mai 2010 am zentralen Festakt zum 65. Jahrestag des Kriegs- endes in Moskau teilnehmen. Welche weiteren hochran- gigen Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung an dieser Veranstaltung teilnehmen werden, steht noch nicht fest. Der Koordinator für die deutsch-russische zwischenge- sellschaftliche Zusammenarbeit, Dr. Andreas Schockenhoff, MdB, hat den Botschafter der Russischen Föderation in der Bundesrepublik Deutschland sowie Vertreter aller Fraktionen des Deutschen Bundestages und weitere Gäste zu einer Gedenkveranstaltung und Kranzniederle- gung am 9. Mai 2010 im ehemaligen Kriegsgefangenen- lager StaLag III A bei Luckenwalde eingeladen. Darüber hinaus planen verschiedene politische Stif- tungen, Organisationen, Museen und Gedenkstätten ent- sprechende Gedenkveranstaltungen in Deutschland. Von russischer Seite sind sowohl in Deutschland als auch in Russland und vielen anderen Staaten ebenfalls Gedenkveranstaltungen vorgesehen. Wer von russischer Seite zu diesen Veranstaltungen über das jeweilige Diplomatische Korps hinaus im Einzelnen eingeladen wird, ist nicht bekannt. Soweit eine deutsche Auslandsvertretung eine Einla- dung erhält, wird der jeweilige Missionsleiter oder ein Vertreter an der Veranstaltung teilnehmen. Anlage 5 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 16): Welche konkreten Kriterien müssen hinsichtlich des Auf- baus der afghanischen Sicherheitskräfte auf Distriktebene er- füllt sein, um mit der Einleitung eines schrittweisen Abzugs der Bundeswehr zu beginnen? Die gemeinsam von der Internationalen Sicherheits- unterstützungstruppe, ISAF, und der afghanischen Re- gierung noch im Detail zu entwickelnden Kriterien für die Übergabe der Sicherheitsverantwortung werden auf die Lage in der jeweiligen Provinz abstellen. Hinsichtlich der Kriterien zur Sicherheitslage hat die Fähigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte, gegenwär- tigen oder zukünftigen Bedrohungen durch Aufständi- sche entgegenwirken zu können, eine zentrale Bedeu- tung. Konkret geht es um die Fähigkeit der afghanischen Armee, Afghan National Army, ANA, und der afghani- schen Polizei, Afghan National Police, ANP, effektive Operationen zu führen und hierzu entsprechende Be- fehls- und Kommunikationsstrukturen vorzuhalten. Der Ausbildungsstand der afghanischen Sicherheits- kräfte unterliegt einer regelmäßigen Bewertung durch ISAF. Anlage 6 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 17): Inwiefern sind sicherheitspolitische Kriterien für die Ein- leitung eines schrittweisen Abzugs der Bundeswehr aus Af- ghanistan prioritär gegenüber der Erfüllung von Kriterien im Bereich des zivilen Aufbaus? Die gemeinsam von der Internationalen Sicherheits- unterstützungstruppe, ISAF, und der afghanischen Re- gierung noch im Detail zu entwickelnden Kriterien für die Übergabe der Sicherheitsverantwortung werden auf eine umfassende Bewertung der Lage in der jeweiligen Provinz abstellen. Dabei geht es, neben der Sicherheitslage und der Fä- higkeit der afghanischen Regierung zur guten Regie- rungsführung, auch um die Schaffung von Grundlagen für eine eigenständige sozio-ökonomische Entwicklung. Die Erfüllung von Kriterien im Bereich des Wieder- aufbaus, etwa die Grundversorgung der Bevölkerung und Voraussetzungen für eine sich selbst tragende lokale Wirtschaft, werden somit bei der Einleitung der Über- gabe von Sicherheitsverantwortung mit berücksichtigt. Die Entscheidung über die Übergabe der Sicherheits- verantwortung in einer Provinz werden von der afghani- schen Regierung und vom NATO-Rat getroffen. Grundlage dafür werden Empfehlungen sein, die ein sogenanntes Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3777 (A) (C) (D)(B) „transition board“, bestehend aus COMISAF, dem Ho- hen Zivilen Repräsentanten der NATO in Afghanistan, dem Leiter der Unterstützungsmission der Vereinten Na- tionen in Afghanistan, UNAMA, dem Botschafter der jeweiligen Führungsnation des Regionalen Wiederauf- bauteams, PRT, und der afghanischen Regierung, ge- meinsam entwickelt haben. Anlage 7 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/1534, Frage 18): Welche Kriterien definiert die Bundesregierung für den schrittweisen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, und inwiefern unterscheiden sich diese von denen des Komman- deurs der ISAF, Stanley McChrystal, für die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan, ISAF? Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan erfolgt im Rahmen der Internationalen Sicherheitsunterstützungs- truppe für Afghanistan, ISAF. Grundsätzlich gelten die von ISAF entwickelten und im NATO-Rahmen gebillig- ten Grundsätze und Ziele der Operationsführung auch für die Bundeswehr. Dies gilt auch für die von ISAF entwickelten Grund- sätze für die nächste Operationsphase, die sogenannte Phase IV, „Transition“, deren Kern die Übergabe der Si- cherheitsverantwortung an afghanische Sicherheitskräfte ist. Die gemeinsam von ISAF und der afghanischen Re- gierung noch im Detail zu entwickelnden Kriterien für die Übergabe der Sicherheitsverantwortung werden auf die Lage in den jeweiligen Provinzen abstellen. Konkret geht es um die Sicherheitslage, die Verbesserung der Regierungsführung afghanischer Stellen insbesondere auf subnationaler Ebene sowie um die Schaffung von Grundlagen für die sozio-ökonomische Entwicklung. Die Entscheidung über die Übergabe der Sicherheits- verantwortung in einer Provinz werden von der afghani- schen Regierung und vom NATO-Rat getroffen. Grund- lage dafür werden Empfehlungen sein, die ein sogenannte „transition board“, bestehend aus COM ISAF, dem Hohen Zivilen Repräsentanten der NATO in Afghanistan, dem Leiter der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan, UNAMA, dem Bot- schafter der jeweiligen Führungsnation des Regionalen Wiederaufbauteams, PRT, und der afghanischen Regie- rung, gemeinsam entwickelt haben. Anlage 8 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 19): Ist es richtig, dass in einem Bericht über die Stimmungs- lage in den neun nördlichen Provinzen Afghanistans, den Ge- neral Frank Leidenberger in Auftrag gegeben hat (Die Welt vom 23. April 2010), auf eine Bereitschaft der lokalen auf- ständischen Gruppen, namentlich von Maulawi Wakil Ahmed Muttawakil, Ex-Außenminister der Taliban, zu Gesprächen über eine politische Lösung hingewiesen wird, und welche politischen Schritte will die Bundesregierung ergreifen, um diese Gesprächsbereitschaft vor Ort im Norden weiter auszu- loten und im Sinne einer politischen Lösung des Konflikts zu nutzen? Der Bundesregierung liegt kein entsprechender von General Frank Leidenberger in Auftrag gegebener Be- richt vor. Bei dem in der Presse zitierten Bericht handelt es sich um einen Reisebericht des Leutnants zur See Marco Hellgrewe, dessen Inhalt sich die Bundesregierung nicht zu eigen macht und nicht kommentiert. Anlage 9 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/1534, Frage 22): Inwieweit orientieren sich die Kriterien, die die Bundes- regierung für den schrittweisen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan aufstellt, am Abzugsplan der US-Streitkräfte, bzw. sind sie von diesem unabhängig? Der Bundeswehreinsatz und der Einsatz der US- Streitkräfte in Afghanistan erfolgen im Rahmen der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe für Afghanistan, ISAF. Grundsätzlich gelten die von ISAF entwickelten und im NATO-Rahmen gebilligten Grund- sätze und Ziele der Operationsführung für die Bundes- wehr wie auch für die US-Streitkräfte. Dies gilt auch für die von ISAF entwickelten Grundsätze für die nächste Operationsphase, die sogenannte Phase IV, „Transition“, deren Kern die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an afghanische Sicherheitskräfte ist. Die afghanische Regierung ist an der Entwicklung dieser Kriterien beteiligt. Zudem ist es ein Ziel der für Ende Juli angesetzten Kabuler Konferenz, die in London beschlossene Strategie der internationalen Gemein- schaft zur „Übergabe in Verantwortung“ zu präzisieren und mit konkreten Zielen und Vereinbarungen insbeson- dere im sozio-ökonomischen Bereich zu unterfüttern. Die Entscheidung über die Übergabe der Sicher- heitsverantwortung in einer Provinz werden von der afghanischen Regierung und vom NATO-Rat getroffen. Grundlage dafür werden Empfehlungen sein, die ein so- genanntes „transition board“, bestehend aus COM ISAF, dem Hohen Zivilen Repräsentanten der NATO in Afgha- nistan, dem Leiter der Unterstützungsmission der Ver- einten Nationen in Afghanistan, UNAMA, dem Bot- schafter der jeweiligen Führungsnation des Regionalen Wiederaufbauteams, PRT, und der afghanischen Regie- rung, gemeinsam entwickelt haben. 3778 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 (A) (C) (D)(B) Anlage 10 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 23): Was unternimmt die Bundesregierung, damit vor dem Re- ferendum über die Unabhängigkeit des Südsudan im Januar 2011 eine Sudan-Konferenz im UN-Rahmen stattfindet, wozu der Deutsche Bundestag in seinem interfraktionellen Antrag (Bundestagsdrucksache 17/1158) die Bundesregierung aufge- fordert hat? Die Bundesregierung steht im ständigen Dialog mit ihren Partnern, insbesondere in der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten von Amerika und in Afrika zur Abstimmung des weiteren Vorgehens im Bezug auf den Sudan. Es werden gegenwärtig verschiedene Ansätze zur Bestimmung einer gemeinsamen Position und Maßnah- men der internationalen Gemeinschaft erörtert. Die Afri- kanische Union, AU, hat das AU-High Implementation Panel unter Vorsitz des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten, Thabo Mbeki, mit der Begleitung des Re- ferendums über die Umsetzung des Umfassenden Frie- densabkommens für Sudan, Comprehensive Peace Agreement – CPA, beauftragt. Ein Koordinierungstref- fen in Addis Abeba ist für den 8. Mai 2010 geplant. Die USA planen eine CPA-Folgekonferenz, mögli- cherweise in Kairo. Die Bundesregierung ist in diese Diskussionsprozesse involviert und unterstützt dabei konsensfähige Maßnahmen, die vor allem den Wün- schen der Beteiligten im Sudan entsprechen und eine starke aktive Rolle der Vereinten Nationen vorsehen. Anlage 11 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 24): Was unternimmt die Bundesregierung, damit vor dem Re- ferendum über die Unabhängigkeit des Südsudan im Januar 2011 die strittigen Fragen wie die Aufteilung der Ölfelder, die Nutzung von Öltransportwegen, die Aufteilung der Öleinnah- men und sonstigen staatlichen Vermögen, die mangelnde Transparenz des Unity Fund, die Landverteilung, Wasser- und Weiderechte, Handelsbeziehungen, das Staatsangehörigkeits- recht oder der Minderheitenschutz umfassend gelöst werden, wozu sie der Deutsche Bundestag in seinem interfraktionellen Antrag (Bundestagsdrucksache 17/1158) aufgefordert hat? Die südsudanesische Regierung hat am 8. April 2010 offiziell bei den Vereinigten Staaten von Amerika und der EU und ihren Mitgliedstaaten, unter anderem auch Deutschland, um technische Beratung zu den in Ihrer Frage genannten Themen gebeten. Die sudanesische Re- gierung in Khartum unterstützt dies, erwartet aber auch die Einbeziehung des Nordsudan in Entwicklungspro- gramme. Die Regierung im Südsudan hat eine Taskforce einge- richtet, die mithilfe internationaler Experten Lösungen für diese strittigen Fragen erarbeiten soll. Im Moment lotet die internationale Gemeinschaft, konkret das „Joint Donor Comittee“ – alle Vertretungen und Entwicklungsorganisationen vor Ort –, im Sinne ei- ner Arbeitsteilung Unterstützungsmaßnahmen aus. Die Bundesregierung ist aktiv durch die Deutsche Botschaft in Khartum, die Außenstelle Dschuba und die Gesell- schaft für Technische Zusammenarbeit daran beteiligt. Darüber hinaus erarbeitet die Bundesregierung ein umfassendes Konzept für den Sudan, welches gegenwär- tig zwischen den Ressorts abgestimmt wird. Der Ressortkreis zivile Krisenprävention wird am 12. Mai 2010 diese Fragen ebenfalls erörtern. Sudan wird damit einen konkreten Anwendungsfall für unseren neuen Ansatz der vernetzten Sicherheit im Afrikakon- zept der Bundesregierung darstellen. Anlage 12 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 25): Welche Position vertritt die Bundesregierung bezüglich des Wunsches Taiwans, sich als Beobachter an den Aktivitä- ten der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, ICAO, zu beteiligen, und welche Schritte will die Bundesregierung un- ternehmen, um die sachlich gebotene Partizipation Taiwans zu ermöglichen? In Übereinstimmung mit der großen Mehrheit der Staatengemeinschaft erkennt Deutschland Taiwan nicht als souveränen Staat an. Die Bundesregierung hält un- verändert an ihrer Ein-China-Politik fest. Die Bundesregierung ist fest davon überzeugt, dass die Taiwan-Frage friedlich und im konstruktiven Dialog zwischen den Beteiligten gelöst werden muss. Deshalb hat die Bundesregierung pragmatische Lö- sungen für die Mitarbeit Taiwans in internationalen Or- ganisationen bisher unterstützt und beabsichtigt, das auch in Zukunft zu tun. Das gilt auch für die Mitarbeit Taiwans in der Interna- tionalen Zivilluftfahrt-Organisation, ICAO. Anlage 13 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 26): Welche Position vertritt die Bundesregierung bezüglich des Wunsches Taiwans, in die Mechanismen der Klimarah- menkonvention der Vereinten Nationen, UNFCCC, eingebun- den zu werden, und inwiefern widerspricht nach ihrer Ansicht der Ausschluss des weltweit 22 größten CO2-Produzenten dem Geist und den Zielen der Konvention? Die Bundesregierung ist fest davon überzeugt, dass die Taiwan-Frage friedlich und im konstruktiven Dialog zwischen den Beteiligten gelöst werden muss. Die Bun- desregierung unterstützt pragmatische Lösungen für die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3779 (A) (C) (D)(B) Mitarbeit Taiwans in internationalen Organisationen, auf die sich die beiden Seiten geeinigt haben, und beabsich- tigt, dies auch in Zukunft zu tun. Taiwan bemüht sich zurzeit erneut um einen Beobach- terstatus bei Konferenzen der Vertragsstaaten der Klima- rahmenkonvention, UNFCCC. Die Bundesregierung würde Gespräche zwischen Taiwan und der Volksrepu- blik China über konkrete Schritte einer sinnvollen Mit- arbeit Taiwans bei UNFCCC begrüßen. Beiträge Taiwans zum Klimaschutz tragen zur Errei- chung des klimapolitischen Ziels bei, den Anstieg der globalen Temperaturen auf zwei Grad zu begrenzen. Anlage 14 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Druck- sache 17/1534, Frage 27): Inwieweit teilt die Bundesregierung die im Brief des zyp- riotischen Parlaments vom 12. April 2010 geäußerte Feststel- lung, dass die Aufnahme von Handelsbeziehungen mit dem türkisch besetzten Teil Zyperns durch die EU internationalem Recht widerspricht, nach dem ein souveräner Staat – in die- sem Fall durch die völkerrechtlich anerkannte Regierung der Republik Zypern – das Recht hat, Häfen zu schließen – in die- sem Fall im türkisch besetzten Teil Zyperns – und sich Dritte an diese Entscheidung zu halten haben, und inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Aufnahme von Handelsbeziehungen mit dem türkisch besetzten Teil Zyperns die aktuellen Friedensbemühungen der Regierung konterka- riert? Zu Teil 1 der Frage, ob die Aufnahme von Handelsbe- ziehungen mit dem Nordteil von Zypern internationalem Recht widerspricht: Vor dem Hintergrund der Ablehnung des Annan-Plans durch die griechisch-zyprische Volksgruppe am 24. April 2004 hat die EU am 26. April 2004 beschlossen, der fak- tischen Isolierung des nördlichen türkisch-zyprischen Teils der Insel entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck wur- den mehrere Verordnungsvorschläge durch die EU-Kom- mission ausgearbeitet, von denen die Trennungslinien- und die Finanzhilfeverordnung in den Jahren 2004 bzw. 2006 in Kraft getreten sind. Der ebenfalls 2004 vorgelegte Entwurf einer Direkt- handelsverordnung konnte dagegen bisher nicht verab- schiedet werden, da insbesondere die Republik Zypern hiergegen juristische und politische Bedenken erhob. Mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages war die EU- Kommission verpflichtet, sämtliche schwebende Verfah- ren, die nach neuem Recht dem ordentlichen Gesetzge- bungsverfahren – Mitbestimmung durch das Europäische Parlament – unterlagen, an das Europäische Parlament weiterzuleiten. Darunter fiel nach Auffassung des juristi- schen Dienstes der EU-Kommission auch der Entwurf für die Direkthandelsverordnung. Aus Sicht der Kommission widerspricht die Möglichkeit des Direkthandels grund- sätzlich nicht völkerrechtlichen Vorgaben. Die Bundesre- gierung teilt diese Auffassung. Zu Teil 2 der Frage, inwieweit hierdurch aktuelle Friedensbemühungen konterkariert würden: Die Bundesregierung unterstützt jegliche Bemühun- gen, die einen Fortschritt der laufenden Zypern-Verhand- lungen ermöglichen. Der Friedensprozess bedarf neuer Impulse, um die Chancen auf eine dauerhafte Lösung zu verbessern. Aus Sicht der Bundesregierung gehört hierzu auch der Direkthandel mit dem nördlichen Teil Zyperns. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Martin Dörmann (SPD) (Drucksa- che 17/1534, Frage 28): Sind alle Ressorts der Bundesregierung der Auffassung, die Bekämpfung kinderpornografischer Inhalte im Internet sollte sowohl durch das Löschen als auch das Sperren entspre- chender Seiten erfolgen, oder ist dies eine Einzelmeinung des Bundesministers des Innern, der entsprechend in der Presse zitiert wurde? Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammen- hang auf die Koalitionsvereinbarung. Danach besteht Einigkeit, dass es notwendig ist, kriminelle Angebote schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren. Zu- nächst für ein Jahr sollen kinderpornografische Inhalte auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes nicht gesperrt werden. Stattdessen werden die Polizei- behörden in enger Zusammenarbeit mit den Selbstregu- lierungskräften der Internetwirtschaft wie der deutschen Internetbeschwerdestelle sowie dem Beschwerdestellen- netzwerk INHOPE die Löschung kinderpornografischer Seiten betreiben. In der Koalitionsvereinbarung ist ferner festgelegt, dass dies nach einem Jahr im Hinblick auf Erfolg und Wirksamkeit evaluiert und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse ergebnisoffen eine Neubewertung vorge- nommen werden soll. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 29): Wird die Bundesregierung der Aufforderung des Menschen- rechtskommissars des Europarates, Thomas Hammarberg, nachkommen, der in seiner Rede vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates am 28. April 2010 die europäi- schen Regierungen dazu aufforderte, keine Roma in den Kosovo abzuschieben, insbesondere weil aus Deutschland ab- geschobene Roma zum Teil in bleiverseuchten Lagern unter- gebracht wurden? Nein. Die deutschen Ausländerbehörden schieben ausreisepflichtige Roma und Personen anderer Ethnien aus dem Kosovo, die der vorausgegangenen Aufforde- rung zur freiwilligen, von Bund und Ländern auch finan- ziell in beachtlicher Höhe unterstützten Ausreise aus dem Bundesgebiet nicht nachgekommen sind, nicht in eine bestimmte Kommune oder „Lager“ im Kosovo ab. 3780 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 (A) (C) (D)(B) Vielmehr sind ab dem Zeitpunkt ihrer Einreise die koso- varischen Stellen für die Aufnahme, Unterbringung und Reintegration der Rückkehrer verantwortlich. Darüber hinaus steht es den rückgeführten Personen im Rahmen der verfassungsmäßig garantierten Freizügigkeit bzw. der nationalen Gesetzgebung der Republik Kosovo frei, über ihren Aufenthaltsort selbst zu bestimmen. Unab- hängig davon unterstützt die Bundesregierung zusam- men mit den Ländern Nordrhein-Westfalen, Niedersach- sen, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt mit dem Rückkehrprojekt URA in beachtlichem Umfang die Reintegration der Rückkehrer. Zu dem vielfältigen Leistungsangebot dieses Projekts gehören auch die Wohnraumvermittlung und die Gewährung von Miet- kostenzuschüssen. Bisher konnte im Rahmen dieses Pro- jekts jeder interessierte Rückkehrer in Wohnraum ver- mittelt werden – im Jahr 2010 bis Ende Februar 37 Personen, darunter 21 Angehörige ethnischer Min- derheiten, hiervon 15 Roma. Im Februar 2010 startete das Umsiedlungsprogramm der EU Mitrovica Support Initiative, EUMSRI, für die durch Umweltgifte kontaminierten Roma-Siedlungen in Nord-Mitrovica, Osterode und Cesmin Lug. Im ersten Projektabschnitt begannen zu diesem Zeitpunkt die Bau- arbeiten für die Errichtung von 90 Häusern in der Sied- lung Roma-Mahalla; in einem zweiten Abschnitt sollen weitere 50 Häuser errichtet werden. Derzeit sind im Camp Osterode noch 99 und in Cesmin Lug 46 Roma- Familien untergebracht. Bereits seit Mitte 2008 besteht für beide Camps ein Zuzugsverbot für Neuankömm- linge. Ausnahmen gelten nur in Einzelfällen für nahe Angehörige, die wegen ihrer im jeweiligen Camp woh- nenden Familienangehörigen um Aufnahme bitten. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat anläss- lich der Unterzeichnung des deutsch-kosovarischen Rückübernahmeabkommens am 14. April 2010 in Berlin betont, dass Deutschland das seit Jahren bewährte Kon- zept der schrittweisen Rückführung in das Kosovo auch künftig fortsetzen wird. So wurden im Jahr 2009 von circa 14 000 ausreisepflichtigen Kosovaren durch die Ausländerbehörden nur 541 Personen abgeschoben, dar- unter 76 Angehörige der Roma. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 30): Wie bewertet es die Bundesregierung, wenn Mitglieder von Regierungen in Bund und Ländern – wie in den vergange- nen Tagen etwa in Baden-Württemberg; siehe Süddeutsche Zeitung vom 29. April 2010 – in der Diskussion über die voll- ständige Umsetzung des gesetzlichen Verbots von Waffen in privaten Händen und Haushalten vom Besitz von Waffen in eigener Hand und ihren Erfolgen beim Übungsschießen schwärmen, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den Besitz von Schusswaffen in Ministerhand einzuschränken und damit zur Abrüstung auch in Landesteilen zu kommen, in denen die Waffenlobby verankert ist und die besonders vom Waffenhandel profitieren? Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, Pres- semeldungen zu waffenrechtlichen Sachverhalten in den Bundesländern zu kommentieren. Dies gilt auch, soweit in den Pressemeldungen Mitglieder von Landesregierun- gen genannt oder zitiert werden. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 31): Wie häufig – absolut und relativ – wurden welche Bean- standungen bei Kontrollen der Lagerung von Waffen in priva- ten Haushalten in den einzelnen Bundesländern seit der letz- ten Änderung des Waffengesetzes festgestellt? Der Bundesregierung liegen zu festgestellten Bean- standungen bei den Kontrollen der Lagerung von Waffen in privaten Haushalten keine statistischen Daten vor. Die Länder sind nicht verpflichtet, statistische Daten zu er- heben oder dem Bund zu berichten. Eine Abfrage bei den Ländern war in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 32): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Widerruf des als „Schweine-Patent“ bekannt gewordenen Patents EP 1651777, und wie wird die Bundesregierung die Neuverhandlung des EU-Patentrechts zum Schutze der Nicht- patentierbarkeit von Tieren, Pflanzen und Lebensmitteln vo- ranbringen? Das Europäische Patentamt hat das Europäische Pa- tent 1651777 mit Entscheidung vom 20. April 2010 wi- derrufen, nachdem der Patentinhaber Newsham Choice Genetics im Einspruchsverfahen mit Schreiben vom 31. März 2010 erklärt hatte, das Patent nicht aufrecht erhalten zu wollen. Weitere Informationen liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Bundesregierung prüft derzeit das weitere Vorgehen in Bezug auf tier- und pflanzenbezogene Patente. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 33): Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Migrantinnen und Migranten, die die Meinung vertreten, dass Kruzifixe in Klassenräumen staatlicher Schulen gegen die Re- ligionsfreiheit verstoßen, nicht nur in Übereinstimmung mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes stehen, das 1995 mit Blick auf Bayern festgestellt hat, ein Schulkreuz verstößt gegen die weltanschauliche Neutralität des Staates, sondern auch mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Men- schenrechte vom November 2009, und ist diese Meinung Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3781 (A) (C) (D)(B) nicht Ausdruck von Toleranz und einer europäischen Gesin- nung im Geiste der Aufklärung, ganz im Gegensatz zu jenen, die mittels des Kruzifixes eine einseitige Bezugnahme auf das Christentum erzwingen wollen? Nach dem sogenannten Kruzifix-Beschluss des Bun- desverfassungsgerichts von 1995 verstößt das Anbringen eines Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatli- chen Pflichtschule, die keine Bekenntnisschule ist, dann gegen die Religionsfreiheit, Art. 4 Abs. 1 des Grundge- setzes, wenn die Schülerinnen und Schüler dem Kruzifix zwangsweise ausgesetzt werden. In ähnlicher Weise hat eine Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Men- schenrechte, EGMR, 2009 in der Sache Lautsi gegen Italien entschieden, es verstoße gegen das Recht auf Bil- dung, Art. 2 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Men- schenrechtskonvention, in Verbindung mit dem Recht auf Religionsfreiheit, Art. 9 der Europäischen Menschen- rechtskonvention, wenn Schülerinnen und Schüler in öf- fentlichen Schulen zwangsweise dem Anblick eines Kruzifixes ausgesetzt würden. Diese Entscheidung ist noch nicht endgültig, da Italien die Große Kammer des EGMR angerufen hat. Die Auffassung, dass Kruzifixe in Klassenräumen staatlicher Schulen generell gegen die Religionsfreiheit verstoßen, trifft somit nicht zu. Das Anbringen von Kru- zifixen ist nach wie vor möglich, allerdings nicht gegen den erklärten Widerspruch der Schülerinnen und Schüler beziehungsweise ihrer Erziehungsberechtigten. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Martin Dörmann (SPD) (Drucksa- che 17/1534, Frage 34): Welche Position vertritt die Bundesregierung gegenüber Vorschlägen der EU-Kommission zur Bekämpfung kinderpor- nografischer Inhalte im Internet, und welche gesetzliche Re- gelung strebt sie selbst an? Die Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kin- derpornografie haben in der vergangenen Woche mit einer ersten Sitzung auf Ratsarbeitsgruppenebene begon- nen. Art. 21 des Richtlinienvorschlags war bislang nicht Gegenstand der Verhandlungen. Es ist derzeit auch nicht absehbar, wann diese Norm erstmals Gegenstand von Abstimmungsgesprächen auf Ratsarbeitsgruppenebene sein wird. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Fragen 35 und 36): Wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene, auch vor dem Hintergrund des zwischen den Koalitionsfrakti- onen vereinbarten Grundsatzes „Löschen statt Sperren“, ge- gen den in dem Entwurf einer Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie, KOM(2010) 94, der EU-Kommission angelegten Vorschlag einer europaweiten Einführung von Internetsperren aussprechen? Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die im Vor- schlag der EU-Kommission vorgesehene Verpflichtung der Mitgliedstaaten, eine Sperrung von Internetseiten vorzuneh- men, hinsichtlich der Notwendigkeit eines effektiven Kampfes gegen derartige Inhalte im Netz zielführend ist, oder vertritt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, dass Netzsper- ren für eine effektive Bekämpfung der Verbreitung der Darstel- lung von Kindesmissbrauch im Internet nicht nur völlig unge- eignet, sondern letztlich sogar kontraproduktiv sind, da die betreffenden Inhalte im Netz verbleiben? Zu Frage 35: Die Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuel- len Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornogra- fie haben in der vergangenen Woche mit einer ersten Sit- zung auf Ratsarbeitsgruppenebene begonnen. Art. 21 des Richtlinienvorschlags war bislang nicht Gegenstand der Verhandlungen. Es ist derzeit auch nicht absehbar, wann diese Norm erstmals Gegenstand von Abstimmungsge- sprächen auf Ratsarbeitsgruppenebene sein wird. Zu Frage 36: Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammen- hang auf die Koalitionsvereinbarung. Danach besteht Einigkeit, dass es notwendig ist, kriminelle Angebote schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren. Zu- nächst für ein Jahr sollen kinderpornografische Inhalte auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes nicht gesperrt werden. Stattdessen werden die Polizeibe- hörden in enger Zusammenarbeit mit den Selbstregulie- rungskräften der Internetwirtschaft wie der deutschen Internetbeschwerdestelle sowie dem Beschwerdestellen- netzwerk INHOPE die Löschung kinderpornografischer Seiten betreiben. In der Koalitionsvereinbarung ist ferner festgelegt, dass dies nach einem Jahr im Hinblick auf Erfolg und Wirksamkeit evaluiert und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse ergebnisoffen eine Neubewertung vorge- nommen werden soll. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 37): Welche Position vertritt die Bundesregierung, auch vor dem Hintergrund der Debatte um das zurzeit per Minister- erlass ausgesetzte deutsche Zugangserschwerungsgesetz, be- züglich der Einführung von Netzsperren als Instrument im Kampf gegen die Darstellung von Kindesmissbrauch im Inter- net sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene? Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammen- hang auf die Koalitionsvereinbarung. Danach besteht Einigkeit, dass es notwendig ist, kriminelle Angebote schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren. Zu- 3782 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 (A) (C) (D)(B) nächst für ein Jahr sollen kinderpornografische Inhalte auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes nicht gesperrt werden. Stattdessen werden die Polizei- behörden in enger Zusammenarbeit mit den Selbstregu- lierungskräften der Internetwirtschaft wie der deutschen Internetbeschwerdestelle sowie dem Beschwerdestellen- netzwerk INHOPE die Löschung kinderpornografischer Seiten betreiben. In der Koalitionsvereinbarung ist ferner festgelegt, dass dies nach einem Jahr im Hinblick auf Erfolg und Wirksamkeit evaluiert und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse ergebnisoffen eine Neubewertung vorge- nommen werden soll. Die Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kin- derpornografie haben in der vergangenen Woche mit ei- ner ersten Sitzung auf Ratsarbeitsgruppenebene begon- nen. Artikel 21 des Richtlinienvorschlags war bislang nicht Gegenstand der Verhandlungen. Es ist derzeit auch nicht absehbar, wann diese Norm erstmals Gegenstand von Abstimmungsgesprächen auf Ratsarbeitsgruppene- bene sein wird. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra- gen der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Fragen 38 und 39): Bis wann wird der Truppenübungsplatz Wittstock vom Bundesministerium der Verteidigung, BMVg, an die Bundes- anstalt für Immobilienaufgaben im Geschäftsbereich des Bun- desministeriums der Finanzen, BMF, übergeben? Ab wann wird das Gelände für die zivile Nutzung zur Ver- fügung stehen? Zu Frage 38: Das Bundesministerium der Verteidigung hat mit Schreiben vom 30. März 2010 das Bundesministerium der Finanzen darüber informiert, dass nach einem Ver- zicht auf die Nutzung des Truppenübungsplatzes Witt- stock als Luft-Boden-Schießplatz ein Bedarf für eine an- derweitige militärische Nutzung nicht besteht. Aufgrund ihrer Zuständigkeit prüft die Bundesanstalt für Immo- bilienaufgaben derzeit die Modalitäten einer Übernahme der Liegenschaft. Zu Frage 39: Über den Zeitpunkt einer zivilen Nutzung des Gelän- des des Truppenübungsplatzes Wittstock lassen sich ge- genwärtig noch keine Aussagen treffen. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Fritz Rudolf Körper (SPD) (Druck- sache 17/1534, Frage 40): Wie ist die Haltung der Bundesregierung zum Vorschlag des Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats beim Bun- desministerium der Finanzen, Professor Dr. Clemens Fuest, angesichts hoher Staatsschulden Kirchenmitglieder durch eine Reform der Kirchensteuer am Sparen zu beteiligen, indem durch eine Aufspaltung in ein Beitrags- und ein Spendenele- ment nur die Hälfte des Kirchensteuerbetrages als Spende steuerlich abzugsfähig sein soll (Interview in der Financial Times Deutschland vom 21. April 2010)? Es ist nicht beabsichtigt, den Abzug der gezahlten Kirchensteuer als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Num- mer 4 des Einkommensteuergesetzes zu verändern. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Kirsten Lühmann (SPD) (Druck- sache 17/1534, Frage 41): Wie und an wen – Mühlenbesitzer oder Endverbraucher – gedenkt die Bundesregierung nach der am 23. April 2010 er- folgten Zustimmung der EU zu den Regelungen der Besteue- rung von Rapsöl im Wachstumsbeschleunigungsgesetz die überzahlten Steuern zurückzuzahlen? Die im Wachstumsbeschleunigungsgesetz für Biodie- sel und Pflanzenölkraftstoff festgelegte Fortschreibung der Steuerentlastungssätze des Jahres 2009 für die Jahre 2010 bis 2012 ist aufgrund der beihilferechtlichen Ge- nehmigung der EU-Kommission vom 21. April 2010 rückwirkend ab dem 1. Januar 2010 in Kraft getreten. Die zuständigen Behörden der Zollverwaltung sind bereits mit Erlass des BMF vom 22. April 2010 ange- wiesen worden, nunmehr ausschließlich die aktuellen Steuerentlastungssätze anzuwenden und die notwendi- gen Korrekturen für die zurückliegenden Monate des Jahres 2010 von Amts wegen vorzunehmen. Die noch ausstehenden Beträge können aus rechtli- chen Gründen nur an die Steuerentlastungsberechtigten ausgezahlt werden. Steuerentlastungsberechtigt sind die Steuerschuldner, also in der Regel diejenigen Unterneh- men, die den Bioreinkraftstoff in den Verkehr gebracht haben – zum Beispiel die Ölmühlenbesitzer. Endver- braucher sind nicht steuerentlastungsberechtigt. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 42): Befürwortet die Bundesregierung eine Aufhebung der Haushaltssperre für das Marktanreizprogramm, MAP, und, wenn nein, welche alternativen Überlegungen existieren zur weiteren Förderung des erneuerbaren Wärmemarktes? Im Haushalt des BMU wurden beim Titel „Förderung von Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Ener- gien“ − zu dem auch das Marktanreizprogramm zählt − 115 Millionen Euro qualifiziert gesperrt, weil die Ein- nahmenentwicklung des Bundes aus dem Handel mit CO2-Emissionszertifikaten mit erheblichen Unsicherhei- ten behaftet war. Nach derzeitigem Stand hat sich keine Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3783 (A) (C) (D)(B) wesentliche Verbesserung gezeigt. Eine Aufhebung der qualifizierten Sperre kommt somit derzeit aus Haushalts- sicht nicht in Betracht. Alternative Überlegungen zur Förderung des erneuer- baren Wärmemarktes außerhalb des Marktanreizpro- gramms gibt es derzeit nicht. Diese wären gegebenen- falls im Rahmen des Energiekonzepts zu entwickeln. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra- gen der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Fragen 43 und 44): Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit, die Banken an der Finanzierung der Hilfen für Griechenland durch die Einführung einer Finanzumsatzsteuer zu beteiligen, wenn bereits ein Steuersatz in Höhe von 0,01 Prozent auf eu- ropäischer Ebene Einnahmen von mindestens 90 Milliarden Euro generieren könnte? Wird die Bundesregierung eine neue Initiative zur Einfüh- rung einer Finanzumsatzsteuer anregen vor dem Hintergrund der nicht erfolgten Einigung zur Bankenabgabe beim letzten G-20-Gipfel in Washington und der Tatsache, dass nun auch Russland die Einführung einer Finanzumsatzsteuer erwägt (Financial Times Deutschland vom 28. April 2010)? Zu Frage 43: Vor dem Hintergrund der in den letzten Wochen auf europäischer Ebene geführten Diskussionen schätzt die Bundesregierung die Möglichkeit als gering ein, auf EU- Ebene Einstimmigkeit für die Einführung einer Finanz- transaktionsteuer herzustellen. Zu Frage 44: Die Diskussion der G-20-Finanzminister und Noten- bankgouverneure am 23. April 2010 in Washington hat gezeigt, dass es international noch keinen Konsens für eine – wie auch immer geartete – Beteiligung des Fi- nanzsektors an den Krisenkosten gibt. Wichtige Schwellenländer, aber auch Kanada und Australien, sind in dieser Frage sehr zurückhaltend. Noch größer ist die Ablehnung bei einer Finanztransak- tionsteuer im engeren Sinne. Die Bundesregierung schätzt daher die Möglichkeit als gering ein, im Kreis der G 20 Einstimmigkeit für die Einführung einer Finanztransaktionsteuer herzustellen. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 45): Inwiefern liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, dass die jüngsten Herabstufungen durch Ratingagenturen der Länder Portugal und Spanien auf andere Faktoren als die Ver- änderung wirtschaftlicher Fundamentaldaten – zum Beispiel Absprachen mit Investoren – zurückzuführen sind, und, falls nein, beabsichtigt die Bundesregierung, in dieser Richtung untersuchend tätig zu werden? Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat zuletzt die Bewertung portugiesischer Staatsanleihen am 27. April 2010 um zwei Stufen auf „A-“ und die Bewertung spani- scher Staatsanleihen am 28. April 2010 um eine Stufe auf „AA“ mit jeweils negativem Ausblick herunterge- stuft. Zur Begründung ihrer Herabstufungen verweist die Agentur jeweils unter anderem auf vergrößerte haus- haltspolitische Risiken, schlechte Wachstumsaussichten und den aus Sicht der Agentur bestehenden Bedarf an zusätzlichen Sparanstrengungen. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darü- ber vor, dass die Entscheidungen der Ratingagentur auf andere Faktoren als die Veränderungen von wirtschaftli- chen- und finanzpolitischen Fundamentaldaten zurück- geführt werden könnten. Die Bundesregierung beabsich- tigt daher nicht, in dieser Richtung untersuchend tätig zu werden. Grundsätzlich gilt darüber hinaus, dass Ratings immer nur die Meinung der Ratingagenturen darstellen und sich Investoren bzw. Marktteilnehmer ein eigenes Bild von der Kreditwürdigkeit eines Landes machen müssen. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 46): Wie erklärt die Bundesregierung, dass Deutschland mit ei- nem Anteil von rund 30 Prozent an der Wertschöpfung – Brutto- inlandsprodukt – der Eurozone mit 47 Prozent einen – gemes- sen an der Wertschöpfung – weit überproportionalen Anteil an Abschreibungen der Banken verzeichnen muss – vergleiche IWF, Global Financial Stability Report, April 2010, 1. Kapitel –, und inwiefern sieht die Bundesregierung hier Handlungsbe- darf? Die Finanzierungsstruktur in Deutschland ist traditio- nell bankbasiert; deshalb hat der deutsche Finanzsektor ein verhältnismäßig hohes Gewicht. Die bankbasierte Finanzierung sorgt in Verbindung mit dem Hausbanken- prinzip und der dezentralen Bankenstruktur für eine si- chere Unternehmensfinanzierung auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Außerdem wurde Deutschland als exportorientiertes Land von der Wirtschaftskrise in be- sonderem Maße betroffen und hatte einen besonders star- ken Einbruch der Wirtschaftsleistung zu verzeichnen. Die Bundesregierung unterstützt die Bemühungen auf Ebene der G 20, des Financial Stability Boards und des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 47): Hat die Bundesregierung mit den deutschen Banken, die griechische Anleihen halten, über ihren Beitrag zum Ret- 3784 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 (A) (C) (D)(B) tungspaket für Griechenland verhandelt und, wenn nein, wa- rum nicht? In Abstimmung mit den Eurozonen-Finanzministern sucht die Bundesregierung gegenwärtig den Dialog mit Vertretern der Finanzwirtschaft. Vertreter der deutschen Finanzwirtschaft haben sich in einem Gespräch mit dem Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, am 4. Mai 2010 bereit erklärt, nach aller Möglichkeit, bestehende Kreditlinien und des Anleihenengagement gegenüber Griechenland für die Laufzeit des Hilfspro- gramms aufrechterhalten zu wollen. Außerdem haben die Vertreter der Finanzwirtschaft ihre Bereitschaft er- klärt, KfW-Anleihen zu zeichnen, die zur Finanzierung des deutschen Beitrages ausgegeben werden. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 48): Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung aus der Griechenlandkrise für die Regulierung der Finanzmärkte gezogen, und wann beginnt die Bundesregierung mit der Um- setzung dieser Schlussfolgerungen? Die Finanzkrise hat gezeigt, dass die Regulierung der Derivatmärkte auf europäischer Ebene noch stärker vo- rangetrieben werden muss. Hierbei sollen insbesondere die Abwicklung standardisierter Derivate über zentrale Clearingstellen und die Transparenz von Derivatetrans- aktionen verbessert werden. Hierzu hat die Europäische Kommission im Oktober 2009 eine entsprechende Mit- teilung veröffentlicht und plant, Mitte 2010 einen Recht- setzungsvorschlag vorzulegen. Ferner ist es erforderlich, die Qualität von Ratingagenturen zügig zu verbessern. Aus diesem Grund ist es von großer Bedeutung, dass die operative Aufsicht über Ratingagenturen nach den Vorgaben der EU-Ratingverordnung wie geplant im Sommer 2010 ihren Anfang nimmt. Die Bundesregie- rung ist durch das derzeit im Bundestag verhandelte Ausführungsgesetz auf einem guten Weg, die Vorausset- zungen für die operative Aufsicht zeitnah zu schaffen. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Fra- ge 49): Wie wird die Bundesregierung sicherstellen, dass deutsche Finanzhilfen jetzt für Griechenland und später vielleicht für Portugal, Spanien, Italien letztlich nicht wieder den deutschen Großbanken zugutekommen und zufließen, die die Finanz- krise wesentlich mitverursacht haben und jetzt durch Beteili- gung an der Spekulation zulasten der genannten Staaten von deren verzweifelter Finanzlage ohnehin profitieren, und wel- che konkreten Schritte unternimmt die Bundesregierung, um die Beteiligung deutscher Banken am Spekulationsgeschäft zulasten etwa von Griechenland auszuschließen? Das Eingreifen zur Rettung Griechenlands liegt zual- lererst in unserem eigenen nationalen Interesse. Ohne ein Handeln des Internationalen Währungsfonds und der 15 Staaten des Euro-Währungsgebiets käme es zur Zah- lungsunfähigkeit Griechenlands, die nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Kommission die Finanzstabilität in der gesamten Euro- päischen Währungsunion gefährden würde. Bundeskanzlerin Merkel hat in einem gemeinsamen Schreiben mit Präsident Sarkozy, dem luxemburgischen Premierminister Juncker und dem griechischen Minister- präsidenten Papandreou vom 10. März 2010 die EU- Kommission aufgefordert, möglichst rasch auf europäi- scher Ebene eine Untersuchung bezüglich der Rolle und Auswirkungen von Spekulationen mit CDS-Geschäften mit Staatsanleihen europäischer Länder durchzuführen und bei Verdacht auf einen maßgeblichen Einfluss spe- kulativer Geschäfte auf die Entwicklung der Renditen entsprechende Maßnahmen zu prüfen und gegebenen- falls Rechtsakte zu entwerfen. In Abstimmung mit den Euro-Zonen-Finanzministern sucht die Bundesregierung den Dialog mit Vertretern der Finanzwirtschaft, um sich über die aktuelle Lage und die jeweiligen Verantwortlichkeiten auszutauschen. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra- gen des Abgeordneten Siegmund Ehrmann (SPD) (Drucksache 17/1534, Fragen 50 und 51): Werden die Interessen der Kultur, der Kulturschaffenden und der Kultureinrichtungen in der Zusammensetzung der Ge- meindefinanzkommission und ihren inhaltlichen Beratungen berücksichtigt – bitte begründen – und, wenn ja, in welcher Form? Welche Vorschläge, Konzepte oder Modelle hat die Bun- desregierung zum Erhalt und zur Sicherung von Kultur- einrichtungen und kulturellen Projekten, die aufgrund der immensen Herausforderungen und Sparzwänge, denen die öf- fentlichen Haushalte aufgrund der Finanz- und Wirtschafts- krise, aber auch der Steuerpolitik der Bundesregierung aktuell gegenüberstehen, von Einsparungen und Schließungen be- droht sind vor dem Hintergrund, dass die Kommunen neben den Ländern die Hauptförderer der Kultur – in Nordrhein- Westfalen tragen die Kommunen fast 80 Prozent der gesamten öffentlichen Kulturfinanzierung – sind? Zu Frage 50: Die Gemeindefinanzkommission steht unter dem Vor- sitz des Bundesministers der Finanzen. Weitere Mitglie- der sind die Bundesminister des Innern und für Wirt- schaft und Technologie, die Finanzminister der Länder Bayern, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Rheinland- Pfalz sowie die Innenminister der Länder Brandenburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Der Kommis- sion gehören weiterhin die Präsidentin des Deutschen Städtetages, die Präsidenten des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des Deutschen Landkreistages – also der Träger der von Ihnen angesprochenen Kultur- einrichtungen – an. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3785 (A) (C) (D)(B) Die Erarbeitung von Alternativen bei der Gemeinde- finanzierung hat Auswirkungen auf eine Vielzahl von Handlungsfeldern, auch auf den Kulturbereich. Bereits im Rahmen der Kabinettbefassung zur Einsetzung der Gemeindefinanzkommission hat der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien daher nach- drücklich auf die Bedeutung einer Restrukturierung der kommunalen Finanzen für den Kultursektor hingewie- sen. Die Bundesregierung ist sich der mittelbaren Aus- wirkungen von Neuordnungen auf alle Bereiche kom- munaler Infrastruktur – auch auf die Kultur – bewusst und wird sie nicht außer Acht lassen. Zu Frage 51: Die Bundesregierung ist sich sehr wohl bewusst, dass bei einer andauernden finanziellen Schieflage der Kom- munen ihre zentrale Funktion als Träger vielfältigster kultureller Einrichtungen beeinträchtigt wird und die Kulturlandschaft in Deutschland Schaden nehmen kann. Mit der Einsetzung der Gemeindefinanzkommission hat die Bundesregierung die notwendigen Schritte zur Be- wältigung der aktuellen Finanzprobleme der Kommunen eingeleitet. Zuerst sind allerdings die Länder gefordert, die nach der Finanzverfassung für eine angemessene Finanzaus- stattung ihrer Kommunen verantwortlich sind. Sie besit- zen im kommunalen Finanzausgleich das geeignete Instrument, ihre Kommunen mit den Finanzmitteln aus- zustatten, die es ihnen erlauben, das gebotene Niveau an kulturellen Angeboten aufrechtzuerhalten. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 52): Wie rechtfertigt die Bundesregierung die bisherige Veröf- fentlichung von vier Nichtanwendungserlassen durch das Bundesministerium der Finanzen gegenüber dem im Koali- tionsvertrag selbst gesetzten Ziel zu der Praxis der Nicht- anwendungserlasse, und welche Schlüsse zieht die Bundes- regierung aus dem Urteil des Bundesfinanzhofes, BFH, vom 18. März 2010 (IX B 227/09), in welchem der BFH entgegen dem Nichtanwendungserlass vom 15. Februar 2010 seine Rechtsauffassung erneut bestätigt? Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag enthält den Auftrag, sich in BMF-Schreiben auf die Auslegung der Gesetze zu beschränken und die Praxis der Nichtanwen- dungserlasse zurückzuführen. Die seit Beginn der 17. Legislaturperiode im Einvernehmen mit den obers- ten Finanzbehörden der Länder ergangenen vier Nicht- anwendungserlasse haben die Auslegung der Gesetze zum Gegenstand, wenn auch mit einem von der Auffas- sung des Bundesfinanzhofs, BFH, abweichenden Ergeb- nis. Sie waren aus den in den BMF-Schreiben jeweils angeführten Gründen geboten. Das BMF wird aber auch in Zukunft weiterhin darauf hinwirken, dass BFH-Urteile grundsätzlich allgemein angewandt werden und damit der Vereinbarung im Koalitionsvertrag entsprochen wird. In Ausnahmefällen kann es aber auch künftig erforderlich sein, ein BFH-Ur- teil nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzu- wenden. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fra- gen der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 53): Welche steuerlichen Mehreinnahmen infolge des Progres- sionsvorbehalts auf Kurzarbeitergeld erwartet die Bundesre- gierung für das Kassenjahr 2009/2010 durch die Verlängerung der Bezugsfrist auf 24 Monate, und wie sieht die Bundes- regierung das Leistungsfähigkeitsprinzip gewahrt, wenn das Kurzarbeitergeld dem Progressionsvorbehalt unterworfen ist, hingegen per Doppelbesteuerungsabkommen freigestellte Mieterträge aus dem europäischen Ausland nach § 32 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes von diesem ausgenommen sind? Durch die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes sind keine Steuermehreinnahmen zu erwarten, da Kurzarbei- tergeld steuerfrei ist. Hingegen ist mit Steuerminderein- nahmen zu rechnen, soweit steuerpflichtige Löhne durch steuerfreies Kurzarbeitergeld ersetzt werden. Der Progressionsvorbehalt auf Kurzarbeitergeld ist gerechtfertigt, weil er den Grundsätzen einer Besteue- rung nach der Leistungsfähigkeit entspricht. Bezieht bei- spielsweise ein Steuerpflichtiger während des Kalen- derjahres nur steuerpflichtigen Lohn und ein anderer Steuerpflichtiger sowohl steuerpflichtigen Lohn als auch Kurzarbeitergeld in gleicher Gesamthöhe, so wäre der Steuersatz ohne Progressionsvorbehalt für beide Steuer- pflichtige unterschiedlich. Der Progressionsvorbehalt bewirkt, dass bei gleichen Gesamteinnahmen der gleiche Steuersatz auf die Löhne angewandt wird. Beim Progressionsvorbehalt für das Kurzarbeitergeld und ausländische Mieterträge liegen unterschiedliche Sachverhalte vor. Kurzarbeitergeld wird weder im Inland noch im Ausland steuerlich belastet. Hingegen sind die in Rede stehenden Mieteinkünfte in Deutschland nur dann steuerfrei und vom Progressionsvorbehalt ausge- nommen, wenn sie nach den Doppelbesteuerungsab- kommen im Ausland steuerpflichtig und gegebenenfalls auch steuerbelastet sind. Nach geltendem Recht kommt für ausländische Verluste aus Vermietung und Verpach- tung kein negativer Progressionsvorbehalt zur Anwen- dung. Die Gesetzesänderung entspricht der auch unter EU-Gesichtspunkten anerkannten Symmetriethese. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 54): Wie ist zu erklären, dass sämtliche Unternehmen auf die Liste der akkreditierten Stellen bei der Deutschen Akkreditie- rungsstelle ohne vorherige Überprüfung übernommen wur- den, und wie stellt die Bundesregierung sicher, dass diese Un- 3786 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 (A) (C) (D)(B) ternehmen in den nächsten fünf Jahren ihren Verpflichtungen und Auflagen bei Zertifizierungen nachkommen? Die Unternehmen auf der Liste verfügen über gültige Akkreditierungen, die von Mitgliedern des Deutschen Akkreditierungsrates, DAR, und/oder von staatlichen Einrichtungen, zum Beispiel Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik, Zentralstelle der Länder für Gesund- heitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten, Kraftfahrtbundesamt, vor Inkrafttreten des Akkreditie- rungsstellengesetzes ausgestellt wurden. Die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH, DAkkS, führt diese Ak- kreditierungen gemäß den Vorgaben der Verordnung, EG Nr. 765/2008 in Verbindung mit den Regelungen des Akkreditierungsstellengesetzes fort. Die Akkreditierung trifft lediglich eine Kompetenz- feststellung, also eine Aussage darüber, ob eine Konfor- mitätsbewertungsstelle technisch dazu in der Lage, das heißt kompetent ist, eine bestimmte Konformitätsbewer- tungstätigkeit durchzuführen. Mit der Akkreditierung durch die DAkkS ist nicht verbunden, dass die jeweilige Konformitätsbewertungsstelle ihre Tätigkeit ausüben und zum Beispiel am Markt anbieten darf. Hier bestehen verschiedene gesetzliche Regelungen, nach denen eine Konformitätsbewertungsstelle zusätzlich zur Kompetenz- bestätigung, das heißt der Akkreditierung, eines weiteren formalen Aktes bedarf, um in bestimmten Bereichen tä- tig werden zu dürfen, zum Beispiel Anerkennung, Zulas- sung, Benennung, Notifizierung. Das Akkreditierungs- stellengesetz verwendet für diesen formalen Akt den Begriff der Befugniserteilung. Ausgesprochen werden die Befugniserteilungen durch unterschiedliche Behör- den des Bundes oder der Länder, im Bereich der Medizinprodukte ist dies die ZLG, auf der Grundlage des jeweiligen Fachrechts, das mit der Schaffung des Akkre- ditierungsstellengesetzes nicht geändert wurde. Die zu- ständigen Behörden überwachen im Rahmen der Befug- niserteilung die Einhaltung von Verpflichtungen und Auflagen. Die befugniserteilenden Behörden sind ferner in den Akkreditierungsprozess mit einbezogen, vgl. § 2 Abs. 3 sowie § 10 Abs. 1 Nr. 3 Akkreditierungsstellen- gesetz. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra- gen der Abgeordneten Dr. Eva Högl (SPD) (Drucksa- che 17/1534, Fragen 55 und 56): Welche werden die nationalen Ziele, vor allem in den Be- reichen Wirtschaft, Umwelt, Soziales und Beschäftigung, sein, die sich die Bundesregierung im Rahmen der neuen Stra- tegie für Wachstum und Beschäftigung setzt? Wie werden dabei die Sozialpartner und die Zivilgesell- schaft einbezogen, und in welcher Form wird der Deutsche Bundestag darüber informiert? Zu Frage 55: Im Unterschied zur auslaufenden Lissabon-Strategie wird die neue Strategie „EU 2020“ dadurch geprägt, dass sie fünf EU-weite Kernziele enthalten wird. Zu die- sen Kernzielen hat der Europäische Rat am 25./26. März Eckpunkte beschlossen, aber noch keine abschließende Entscheidung getroffen. Allerdings sind die Mitglied- staaten aufgefordert, ihre nationalen Beiträge zur Erfül- lung der EU-weiten Ziele bis zum Europäischen Rat im Juni zu definieren. Dies sind bekanntermaßen Ziele zur Beschäftigung, Forschung und Entwicklung sowie Klima und Energie. Für die Ziele „Bildung“ sowie „För- derung der sozialen Integration, insbesondere der Ver- minderung der Armut“, sind noch geeignete EU-weite Zieldefinitionen zu finden. Hierzu wie auch zu dem Teil- ziel „Verbesserung der Energieeffizienz in Richtung auf 20 Prozent“ ist die Meinungsbildung innerhalb der Bun- desregierung bzw. zwischen Bundesregierung und Län- dern noch nicht abgeschlossen. In dieser Woche findet ein erster Gedankenaustausch mit der Kommission darüber statt, wie und in welchem Umfang Deutschland zu den EU-weiten Zielen beitragen kann. Zu Frage 56: Das BMWi hat am 18. März 2010 eine Informations- veranstaltung mit Vertretern der Zivilgesellschaft und den Sozialpartnern durchgeführt. Alle Beteiligten hatten Gelegenheit, ihre Position zur geplanten Strategie „EU 2020“ darzulegen. Des Weiteren findet ein kontinuierli- cher Informationsaustausch zu Einzelaspekten zwischen den jeweils dafür federführenden Ressorts und den ent- sprechenden Teilen der Zivilgesellschaft statt. Eine gesonderte Unterrichtung des Bundestages zur Beteiligung der Zivilgesellschaft ist nicht vorgesehen. Schon bisher hat aber eine intensive Befassung aller relevanten Bundestagsausschüsse zum Komplex „EU 2020“ stattgefunden. Die Bundesregierung wird diese Unterrichtung selbstverständlich fortführen. In diesem Kontext erinnere ich daran, dass die Bundeskanzlerin zugesagt hat, vor einer abschließen Entscheidung im Eu- ropäischen Rat die Rückendeckung des Bundestages ein- zuholen. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra- gen der Abgeordneten Andrea Nahles (SPD) (Drucksa- che 17/1534, Fragen 57 und 58): Wie ist der Sachstand der Arbeit der Initiative „Wirt- schaftsfaktor Alter“ und des RLW-Arbeitskreises Tourismus – RLW: Richtlinien für den ländlichen Wegebau – insbeson- dere hinsichtlich der Frage zum aktuellen Stand der Umset- zung des barrierefreien Tourismus und zur Gewinnung kleiner und mittlerer Unternehmen in der Tourismusbranche für den Seniorentourismus? Wie wird die Bundesregierung die Barrierefreiheit im Tourismus konkret kurzfristig erreichen, und welchen Stand hat die Umsetzung der Leitlinien für den Tourismus für diesen Bereich? Zu Frage 57: Im Rahmen der Initiative „Wirtschaftsfaktor Alter“ fanden bisher zwei Fachforen „Wirtschaftsfaktor Alter“ statt. Das zweite Fachforum am 28. April 2010 im Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3787 (A) (C) (D)(B) BMWi hatte das Ziel, Erkenntnisse zum Wirtschaftsfak- tor Alter in die kleinen und mittleren Unternehmen zu tragen. Zu diesem Zweck wurden im Rahmen von Vor- trägen und einer Ausstellung in sehr plastischer Form die heterogenen Bedürfnisse einer älteren Kundschaft darge- stellt. Außerdem wurden konkrete Umsetzungsstrategien von Unternehmen vorgestellt, Good Practice. Der Ar- beitskreis Tourismus tagte bisher einmal im Oktober 2009. Die Teilnehmer waren sich einig, dass das Thema „Wirtschaftsfaktor Alter“ nicht auf das Thema Barriere- freiheit verkürzt werden sollte. Zentrales Thema bei der Zielgruppe 50+ sei der Service. Der Arbeitskreis Touris- mus wird sich im Herbst 2010 ein zweites Mal treffen. Das Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e. V., RKW, das die Arbeitskreise organisiert, erarbeitet gerade eine Broschüre für kleine und mittlere Hotelbetriebe, gastronomische Betriebe und Freizeiteinrichtungen mit besonderem Fokus auf den Themen Service und Marketing. Des Weiteren sind re- gionale Aktivitäten rund um den Tourismus geplant, zum Beispiel Veranstaltungen für Unternehmen und – gemeinsam mit dem Deutschen Städte- und Gemeinde- bund – für die Bürgermeister als wichtige Promotoren des Themas Wirtschaftsfaktor Alter. Zu Frage 58: Das Ziel der Barrierefreiheit ist auch im Tourismus ein gesellschaftspolitisches Ziel, das alle Lebensbereiche umfasst und sich auf eine Vielzahl von Maßnahmen gründet. Mit Blick auf die grundsätzlich gleichberech- tigte Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftli- chen Leben sollen auch Urlaub und Reisen für behin- derte Menschen zur Selbstverständlichkeit werden. Dieses Ziel kann nur schrittweise erreicht werden und bedarf des Engagements aller am Tourismus beteiligten Unternehmen und Einrichtungen, Länder, Regionen, Kommunen, touristische Unternehmen, insbesondere das Gastgewerbe, Freizeitparks, Architekten, das Bau- wesen, der Verkehrsbereich usw. Die Bundesregierung kann hierzu nur Anstöße geben. Die Tourismuspolitischen Leitlinien der Bundesregie- rung sehen vor, das Ziel der Barrierefreiheit als Quer- schnittsaufgabe in allen Politikbereichen stärker zu ver- ankern. Die Bundesregierung fördert kontinuierlich Projekte der Nationalen Koordinationsstelle Tourismus für Alle e. V., NatKo. Die Zahl der behindertenfreundli- chen und behindertengerechten touristischen Angebote steigt deutlich an. Auch viele private Anbieter berück- sichtigen bei Ausbau und Modernisierung die Anforde- rungen der Barrierefreiheit. Die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie „Barrierefreier Tourismus für alle in Deutschland – Erfolgsfaktoren und Maßnahmen zur Qualitätssteige- rung“, 2008, hat eine Bestandsanalyse vorgenommen und Handlungsempfehlungen herausgearbeitet. Viele in der Tourismusplanung tätige Akteure haben den Hand- lungsbedarf erkannt und setzen ihn bereits um. Sie ver- stärken ihre Angebote für einen barrierefreien Touris- mus. Im Ergebnis der Arbeit an der oben genannten Studie hat sich die Arbeitsgemeinschaft „Barrierefreie Reiseziele in Deutschland“ gebildet. Ihr gehören inzwischen sieben Städte und Tourismusregionen an, die sich der Entwick- lung des barrierefreien Tourismus in Deutschland in besonderem Maße verschrieben haben – siehe: http:// barrierefreie-reiseziele.org Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksa- che 17/1534, Frage 59): Hat die Bundesregierung im Vorfeld der anstehenden Sommerferienzeit mit den Ländern und der Tourismuswirt- schaft konzeptionelle Gespräche geführt, um sich einen Über- blick über die zu erwartenden Touristenströme in Deutschland zu verschaffen, und, wenn nein, aus welchen Gründen ist dies nicht erfolgt? Die Bundesregierung steht im regelmäßigen Informa- tions- und Meinungsaustausch mit den Bundesländern wie auch mit der Tourismuswirtschaft und ihren Ver- bänden. Beispielsweise befasste sich der Bund-Länder- Ausschuss Tourismus am 26. und 27. April 2010 mit aktuellen gegenseitig interessierenden Belangen der Tourismuspolitik. Eine Einflussnahme auf die Touristenströme in Deutschland ist ausschließlich über die Ferienstaffelung im Rahmen der langfristigen Sommerferienregelung möglich, die derzeit bis zum Jahr 2017 festgelegt ist. Weitere Informationen hierzu enthält die Antwort auf Frage Nr. 117. Insoweit besteht derzeit kein aktueller Handlungsbedarf. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra- gen der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm (SPD) (Drucksache 17/1534, Fragen 60 und 61): Welche Projekte zur Förderung der Leistungssteigerung im Tourismusgewerbe werden derzeit finanziert, welche Pro- jekte sind darüber hinaus für diese Legislaturperiode in der Planung, und wie stellt sich der jeweilige Beratungsstand mit den Antragstellern, insbesondere der Deutschen Zentrale für Tourismus und dem Deutschen Tourismusverband, dar? Welche Ergebnisse hat die Ressortabstimmung mit den an- deren Bundesministerien erbracht, die ebenfalls tourismuspo- litisch relevante Projekte finanzieren und planen? Zu Frage 60: Eine aktuelle Übersicht über die Leistungssteige- rungsprojekte des BMWi wurde dem Tourismusauschuss des Deutschen Bundestages zuletzt mit Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs Ernst Burgbacher vom 24. März 2010 zur Verfügung gestellt. Zu den lau- fenden Vorhaben gehören unter anderem gemeinsam mit dem Deutschen Tourismusverband, DTV, ein Projekt zum Gesundheitstourismus und ein Pilotprojekt zum Radtourismus. In der Planungsphase befindet sich zum 3788 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 (A) (C) (D)(B) Beispiel gemeinsam mit der Deutschen Zentrale für Tou- rismus, DZT, ein Projekt zur Fußball-Frauen-WM 2011. Zu Frage 61: Der Beauftragte der Bundesregierung für Mittelstand und Tourismus wird in naher Zukunft Gespräche mit an- deren Ressorts führen. Dabei wird es auch um die ver- stärkte Koordination tourismusrelevanter Projekte in den einzelnen Ressorts gehen. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksa- che 17/1534, Frage 62): Wie viele Mediationsverfahren hat der seit dem 1. März 2010 von der Bundesregierung beauftragte Kreditmediator, Hans-Joachim Metternich, der laut Medienberichten ein Jah- resgehalt von 200 000 Euro bezieht sowie samt Mitarbeiter- stab den Bundeshaushalt mit jährlich rund 5 Millionen Euro belastet, begleitet, und mit welchen Ergebnissen konnten diese Verfahren abgeschlossen werden? Das Kreditmediationsverfahren wurde zum 31. März 2010 bei allen am Verfahren Beteiligten vollständig im- plementiert. Seitdem können mittelständische Unterneh- men, deren Finanzierungsbemühungen bislang ohne Er- folg geblieben sind, einen Antrag auf Kreditmediation stellen. Auf die Homepage des Kreditmediators wurde bereits über 63 000 Mal zugegriffen. Der Antrag auf Er- öffnung des Kreditmediationsverfahrens wurde über 2 000 Mal abgerufen. Bis Ende April sind davon 26 An- träge mit einem angegebenen Volumen in Höhe von 44 Millionen Euro eingegangen. Hiervon mussten 8 An- träge mit einem bei der Hausbank beantragten Kredit- volumen in Höhe von insgesamt 1,34 Millionen Euro aufgrund fehlender Antragsvoraussetzungen abgelehnt werden. Die übrigen Anträge werden gemäß dem defi- nierten Verfahren derzeit bearbeitet. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Garrelt Duin (SPD) (Drucksa- che 17/1534, Frage 63): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung be- züglich der negativen Auswirkungen des Wachstumsbe- schleunigungsgesetzes, die Mitarbeiter des Sachverständigen- rates mit Modellrechnungen nachgewiesen haben, da das Wachstumsbeschleunigungsgesetz die Wirtschaftsleistung Deutschlands maximal um lediglich 0,07 Prozent erhöht und gleichzeitig – durch die Steuermindereinnahmen – sogar ne- gative Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt erwartet werden, und zu welchen Ergebnissen ist die Bundesregierung bei ihren eigenen Berechnungen über die Wirkungsweise des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes gekommen? Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz setzt an vielen Stellen Impulse: Die Steuerlast von Unternehmen wurde gesenkt. Unternehmen können außerdem unter erleich- terten Bedingungen vererbt werden. Mit der Erhöhung des Kinderfreibetrags von 6 024 Euro auf 7 008 Euro und des Kindergeldes um 20 Euro je Kind ab 1. Januar 2010 werden Familien mit Kindern gezielt unterstützt. Gemeinsam mit den Einkommensteuersenkungen, die bereits in der letzten Legislaturperiode beschlossen wur- den, ist damit ein Sofortprogramm mit einem Entlas- tungsvolumen von rund 24 Milliarden Euro in Kraft getreten. Dies stärkt insgesamt die verfügbaren Einkom- men, die in diesem und im nächsten Jahr um 1 Prozent bzw. 1,4 Prozent zunehmen dürften, und stimuliert auf diese Weise die privaten Konsumausgaben. Isolierte Be- rechnungen zu den Wachstums- und Beschäftigungswir- kungen von einzelnen Politikmaßnahmen führt die Bun- desregierung grundsätzlich nicht durch. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 64): Wie konkret soll der Zwischenbericht der Energieszena- rien für das Energiekonzept der Bundesregierung – Projekt Nr. 12/10 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Techno- logie – nach dem Willen der Bundesregierung ausgestaltet sein, und sollen insbesondere die Ergebnisse der verschiede- nen Szenarien bereits darin enthalten sein? Im Auftragsschreiben ist vorgegeben, dass der Zwi- schenbericht der beauftragten Institute erste Ergebnisse enthalten soll. In den begleitenden Arbeitsgesprächen werden die erzielten Fortschritte regelmäßig diskutiert. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Fra- gen der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Fragen 65 und 66): Wie hoch beziffert die Bundesregierung die insgesamt ausstehenden Forderungen deutscher Rüstungsunternehmen gegenüber Griechenland, und in welcher Höhe sind frühere Exportlieferungen durch Kredite und staatliche Bürgschaften von Deutschland abgesichert? Kann die Bundesregierung Berichte bestätigen, nach de- nen Griechenland bei der Begleichung von U-Boot-Lieferun- gen gegenüber ThyssenKrupp neue Lieferungen in Auftrag gegeben hat, und welchen Einfluss hat die Bundesregierung auf diese Entscheidung genommen (Financial Times Deutsch- land, „Deutsche U-Boote, griechischer Zorn“ vom 20. April 2010)? Zu Frage 65: Umfassende Informationen über ausstehende Forde- rungen deutscher Rüstungsunternehmen gegenüber Grie- chenland liegen der Bundesregierung nicht vor. Die ihr bekannt gemachten Forderungen einzelner Unternehmen liegen in einer Größenordnung von 750 bis 800 Millio- nen Euro. Zwischen den Jahren 1983 und 2003 wurden Exporte von Rüstungsfirmen in Höhe von rund 428 Millionen Euro abgesichert. Es bestehen Überfälligkeiten aus einer Schlussrate in Höhe von 5,9 Millionen Euro. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3789 (A) (C) (D)(B) Zu Frage 66: Der Bundesregierung ist bekannt, dass ThyssenKrupp Marine Systems, TKMS, mit der griechischen Regierung Verhandlungen über die Begleichung von Restforderun- gen aus U-Boot-Lieferungen führt und dass die griechi- sche Regierung die unter Vertrag befindliche Moderni- sierung zweier älterer U-Boote stornieren und stattdessen zwei weitere neue U-Boote bei TKMS be- stellen will. Auf diese Absicht der griechischen Regie- rung hat die Bundesregierung keinen Einfluss genom- men. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 17/1534, Frage 67): Beinhalten die Szenarien, welche die Bundesregierung sich zur Erarbeitung ihres Energiekonzeptes erarbeiten lässt, auch dynamische Simulationen, welche die Fluktuationscha- rakteristik von Wind- und Solarenergie mit stündlicher Auf- lösung für die Zieljahre unter realen meteorologischen und hydrologischen Bedingungen berücksichtigen, und, falls ja, werden daraus Rückschlüsse auf die jeweiligen Jahresvolllast- stunden konventioneller Kraftwerke – Atomkraftwerke, Koh- lekraftwerke, Erdgaskraftwerke, Ölkraftwerke – im Betrach- tungszeitraum gezogen? Alle Szenarien werden durch dynamische Simula- tionsrechnungen gestützt. Im verwendeten Modell sind die Fluktuationscharakteristiken von Wind- und Solaren- ergie hinterlegt und an empirische Zahlen kalibriert. Diese Fluktuationen übertragen sich auf den Strombe- darf, der nach Berücksichtigung von „must-run-Kapazi- täten“ noch verbleibt und durch konventionelle Kraft- werke gedeckt werden muss, die „residuale Last“. Dies hat Auswirkungen auf die Fahrweise der konventionel- len Kraftwerke und somit auf die Volllaststunden. In der langen Frist passt sich durch diesen Mechanismus auch der Kraftwerkspark an, was ebenfalls in den Simulatio- nen berücksichtigt wird. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Hilde Mattheis (SPD) (Druck- sache 17/1534, Frage 68): Hält die Bundesregierung es für gerechtfertigt, dass Be- schäftigte in Altersteilzeit durch den Verzicht auf eine neue Mindestnettobetragstabelle im Gegensatz zu den aktiv Be- schäftigten nicht von den Senkungen bei Steuern und Sozial- versicherungsbeiträgen profitieren? Auch Arbeitnehmer in Altersteilzeit sind aktiv be- schäftigt und profitieren von den Senkungen bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Für Arbeitnehmer, die ihre Altersteilzeit ab dem 1. Juli 2004 begonnen ha- ben, gilt eine Bruttoaufstockung. Die bis zum 30. Juni 2004 gesetzlich geltende Mindestnettoaufstockung ist abgelöst worden. Steuer- und Beitragssenkungen kom- men danach allen Personen in Altersteilzeit, für die eine Bruttoaufstockung entsprechend der gesetzlichen Rege- lung im Altersteilzeitgesetz vereinbart wurde, zugute. Die gesetzlichen Mindestnettobeträge gelten lediglich noch für Altersteilzeitverhältnisse, die vor dem 1. Juli 2004 begonnen wurden. Da die maximale Förderdauer sechs Jahre beträgt, läuft die Förderung dieser Altfälle grundsätzlich spätestens zum 30. Juni 2010 aus. Nach Hochrechnungen der Bundesagentur für Arbeit gab es zu Beginn des Jahres 2010 höchstens noch etwa 1 000 Fälle. Die Bundesregierung appelliert an alle Betriebspart- ner und (Tarif-)Vertragsparteien, bei ihren Vereinbarun- gen zur Altersteilzeit die vom Gesetzgeber im Jahr 2003 vorgenommene Umstellung auf Bruttoaufstockungen nachzuvollziehen und so alle Personen in Altersteilzeit an Steuer- und Beitragssenkungen teilhaben zu lassen. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Hilde Mattheis (SPD) (Druck- sache 17/1534, Frage 69): Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass so- lange die Mindestnettobetragstabelle nicht an die geltende Rechtslage angepasst wird – der Differenzbetrag zwischen der früheren Lohnsteuer und der neuen, ab 1. Januar 2010 gelten- den Steuer – durch die Zahlung eines geringeren Aufsto- ckungsbetrags – beim Arbeitgeber verbleibt? Die Vereinbarung von Mindestnettobeträgen kann dazu führen, dass infolge von Steuer- und sozialversi- cherungsrechtlichen Entlastungen ein geringerer Aufsto- ckungsbetrag gezahlt werden muss. Das Altersteilzeitge- setz wurde bereits im Jahr 2003 geändert und auf diese Weise die schon damals von vielen als ungerecht emp- fundene Rechtsfolge vermieden. Steuer- und Beitrags- senkungen kommen seitdem allen Personen in Altersteil- zeit, für die eine Bruttoaufstockung entsprechend der gesetzlichen Regelung im Altersteilzeitgesetz vereinbart wird, zugute. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen der Abgeordneten Jutta Krellmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Fragen 70 und 71): Wie soll nach den Plänen der Bundesregierung zur Bür- gerarbeit die Zusätzlichkeit der Tätigkeiten sichergestellt wer- den, und ist dazu die verpflichtende Einrichtung von Beiräten oder ähnlichen Einrichtungen vorgesehen? Soll es nach den Plänen der Bundesregierung zur Bür- gerarbeit auch möglich sein, passive Leistungen zur Finanzie- rung heranzuziehen, also die entsprechenden Haushaltstitel – Arbeitslosengeld II, Beteiligung des Bundes an den Leistun- gen für Unterkunft und Heizung – mit einem Haushaltsver- merk zu versehen, und mit welchen Maßnahmen will die Bun- desregierung bei der Bürgerarbeit verhindern, dass es zu starken Creaming-Effekten kommt? 3790 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 (A) (C) (D)(B) Zu Frage 70: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat ein Interessenbekundungsverfahren zur Durchführung von Modellprojekten „Bürgerarbeit“ eingeleitet. Das In- teressenbekundungsverfahren wurde am 30. April 2010 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Im Rahmen der Mo- dellprojekte „Bürgerarbeit“ können Arbeitgeber geför- dert werden, die Arbeitsplätze für zusätzliche und im öf- fentlichen Interesse liegende Arbeiten im Sinne der Vorschrift des § 261 Drittes Buch Sozialgesetzbuch ein- richten. Danach sind Arbeiten zusätzlich, wenn sie ohne die Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden. Ar- beiten, die aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung durchzuführen sind oder die üblicherweise von juristi- schen Personen des öffentlichen Rechts durchgeführt werden, sind nur förderungsfähig, wenn sie ohne die Förderung voraussichtlich erst nach zwei Jahren durch- geführt werden. Die verpflichtende Einrichtung von Beiräten oder ähnlichen Einrichtungen ist nicht vorgesehen. Das Bun- desministerium für Arbeit und Soziales geht davon aus, dass bei einer sorgfältigen Anwendung der Kriterien und der freiwilligen Einbindung der maßgeblichen Akteure des regionalen Arbeitsmarktes die Zusätzlichkeit der Ar- beiten gewährleistet werden kann. Zu Frage 71: Die Zuschüsse für die vierte Stufe der Modellprojekte „Bürgerarbeit“, der befristeten sozialversicherungs- pflichtigen Beschäftigung mit zusätzlichen und im öf- fentlichen Interesse liegenden Arbeiten, sollen aus den Eingliederungsmitteln und ESF-Mitteln des Bundes fi- nanziert werden. Ein Deckungsvermerk zu anderen Haushaltstiteln ist nicht vorgesehen. Das Interessenbekundungsverfahren des Bundesmi- nisteriums für Arbeit und Soziales macht deutlich, dass ein möglichst hoher Anteil der arbeitslosen erwerbsfähi- gen Hilfebedürftigen durch qualitativ gute und konse- quente Aktivierung in den allgemeinen Arbeitsmarkt in- tegriert werden soll und nur diejenigen arbeitslosen Hilfebedürftigen in „Bürgerarbeit“ einmünden sollen, deren Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich ist. Interessierte Grundsicherungsstellen müs- sen im Antrag für eine Teilnahme an den Modellprojek- ten auch Aussagen zur Qualitätssicherung machen. Durch ein sorgfältig erarbeitetes und nachhaltig umge- setztes Konzept für ein Modellprojekt „Bürgerarbeit“ können Creaming-Effekte weitgehend vermieden, je- doch nicht vollständig ausgeschlossen werden. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Fragen 72 und 73): Stellen die Pläne der Bundesregierung zur Bürgerarbeit si- cher, dass Regelleistungsbezieher – Singles ohne Kind – da- mit aus dem Leistungsbezug Arbeitslosengeld II herauskom- men, und wie hoch soll das Bruttoeinkommen eines Singles ohne Kind sein? Wie viele Stellen sollen im Rahmen der Bürgerarbeit ein- gerichtet werden, und über welche arbeitsmarktpolitischen In- strumente soll die Bürgerarbeit – bitte konkrete Instrumente mit Sozialgesetzbuch und einzelnen Paragrafen bzw. Unterpa- ragrafen angeben – finanziert werden? Zu Frage 72: Gefördert werden sollen in der vierten Stufe der Modellprojekte „Bürgerarbeit“ befristete sozialversiche- rungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mit 30 Wo- chenstunden mit einem Zuschussbetrag zum Arbeitsentgelt in Höhe von 900 Euro monatlich, zusätzlich wird der So- zialversicherungsaufwand des Arbeitgebers, ohne Ar- beitslosenversicherungsbeitrag, mit bis zu 180 Euro mo- natlich gefördert. Die Beschäftigungsverhältnisse sollen nicht der Versicherungspflicht zur Arbeitslosenversiche- rung unterliegen. Für Personen, denen eine Beschäfti- gung mit 30 Wochenstunden nicht möglich ist, können alternativ auch Beschäftigungen mit 20 Wochenstunden und einem Zuschuss von 600 Euro monatlich und bis zu 120 Euro monatlich für den Sozialversicherungsaufwand des Arbeitgebers, ohne Arbeitslosenversicherungsbei- trag, gefördert werden. Bei einem Arbeitnehmerbruttoeinkommen von 900 Euro monatlich würde eine Single-Bedarfsgemeinschaft die Hilfebedürftigkeit nicht vollständig überwinden, diese aber deutlich reduzieren. Die Beschäftigungsstufe der Modell- projekte „Bürgerarbeit“ ist jedoch keine Vollzeitarbeits- stelle und nicht isoliert zu betrachten, sondern das Modellprojekt „Bürgerarbeit“ im Interessenbekundungs- verfahren des Bundesministeriums für Arbeit und Sozia- les beschreibt einen Prozess aus den Komponenten Beratung/Standortbestimmung, Vermittlungsaktivitä- ten, Qualifizierung/Förderung und der eigentlichen „Bür- gerarbeit“, einer sozialversicherungspflichtigen Beschäf- tigung. Es soll erreicht werden, einen möglichst hohen Anteil der arbeitslosen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen durch qualitativ gute und konsequente Aktivierung, Min- destdauer sechs Monate, in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren und nur die arbeitslosen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bürgerarbeit zu beschäftigen, deren Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt während der Aktivierungsphase nicht gelingt oder in absehbarer Zeit nicht möglich erscheint. Zu Frage 73: Über das Fördervolumen der Modellprojekte wird nach Auswertung des am 30. April 2010 im Bundesan- zeiger veröffentlichten Interessenbekundungsverfahrens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ent- schieden. Die Aktivierungsstufen, bestehend aus den Kompo- nenten Beratung/Standortbestimmung, Vermittlungsak- tivitäten, Qualifizierung/Förderung, werden im Rahmen der Dienstleistungen, zum Beispiel Beratung, Vermitt- lung, und Eingliederungsleistungen, zum Beispiel § 16 Zweites Buch Sozialgesetzbuch – Leistungen zur Einglie- derung – in Verbindung mit den Leistungen des Dritten Buches Sozialgesetzbuch, zum Beispiel Förderung aus Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3791 (A) (C) (D)(B) dem Vermittlungsbudget, Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, Förderung der beruf- lichen Weiterbildung, aus dem Gesamtbudget SGB II fi- nanziert. Die Phase der befristeten sozialversicherungspflichti- gen Beschäftigung „Bürgerarbeit“ soll aus Mitteln des Eingliederungstitels SGB II und Bundes-ESF-Mitteln fi- nanziert und fördertechnisch im Wege der Zuwendung durch das Bundesverwaltungsamt abgewickelt werden. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen des Abgeordneten Werner Dreibus (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Fragen 74 und 75): Woraus und in welcher Höhe ist nach den Plänen der Bun- desregierung zur Bürgerarbeit gegebenenfalls eine Trägerfi- nanzierung vorgesehen? Soll nach den Plänen der Bundesregierung zur Bürgerar- beit die Maßnahmezuweisung im Rahmen der Bürgerarbeit über eine Eingliederungsvereinbarung erfolgen? Zu Frage 74: Im Rahmen der im Interessenbekundungsverfahren zur Durchführung von Modellprojekten „Bürgerarbeit“ vorgesehenen Förderung durch den Bund ist eine Träger- finanzierung im Sinne der Kosten für die Einrichtung des Arbeitsplatzes, Overhead, nicht vorgesehen. Zu Frage 75: Das Modellprojekt „Bürgerarbeit“ im Interessen- bekundungsverfahren des Bundesministeriums für Ar- beit und Soziales beschreibt einen Prozess aus den Komponenten Beratung/Standortbestimmung, Vermitt- lungsaktivitäten, Qualifizierung/Förderung und der ei- gentlichen „Bürgerarbeit“, einer befristeten sozialver- sicherungspflichtigen Beschäftigung. Die ersten drei Komponenten, die Aktivierungsphase, werden im Rah- men des Regelinstrumentariums des Zweiten Buches So- zialgesetzbuch durchgeführt. Die Einmündung in die Beschäftigungsphase soll daher auch im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung gemäß § 15 Zweites Buch Sozialgesetzbuch erfolgen. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Fragen des Abgeordneten Günter Gloser (SPD) (Drucksache 17/1534, Fragen 76 und 77): Welche Schritte wird die Bundesregierung im Hinblick auf die Verhandlungen zur neuen europäischen Fischereipolitik nach dem Scheitern der Verhandlungen der 15. Vertragskon- ferenz zum Washingtoner Artenschutzabkommen zum Schutz des Roten Thunfisches, des Dorn- und des Heringshais unter- nehmen? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung im Rah- men der Union für das Mittelmeer, Maßnahmen zum Schutz des Roten Thunfisches und der Roten Koralle im Mittelmeer zu erreichen? Zu Frage 76: Die Bundesregierung setzt sich in Brüssel dafür ein, dass die Europäische Union in der zuständigen Interna- tionalen Kommission für die Erhaltung des atlantischen Thuns, der ICCAT, eine weitere Reduzierung des Fischerei- drucks auf den Roten Thun fordert. Die nächste ICCAT- Tagung findet im November 2010 statt. Im November 2009 haben die ICCAT-Vertragsparteien bereits eine Reihe wichtiger Beschlüsse dazu gefasst. Dazu zählen eine drastische Verringerung der Fangmengen für 2010 um rund 40 Prozent, die Verpflichtung zur Reduzierung der Fangkapazitäten mit doppelt so hohen Reduzierungs- sätzen wie im Vorjahr und die Verkürzung der Fangsaison von zwei Monaten auf einen Monat. Hinzu kommt eine Notfallklausel, wonach ein Fangverbot für Roten Thun erlassen wird, falls Wissenschaftler im Laufe des Jahres 2010 feststellen, dass ein unmittelbarer Bestandskollaps droht. Nach Auffassung der Bundesregierung sind jedoch noch rigorosere Bewirtschaftungsmaßnahmen nach Maßgabe wissenschaftlicher Empfehlungen, gegebenen- falls auch ein mehrjähriges Fangverbot, notwendig. Bei der Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass die EU unter anderem in den durch internationale Abkommen begründeten Regionalen Fischereiorganisationen, wie zum Beispiel der ICCAT, eine aktivere Rolle bezüglich einer nachhaltigen wissenschaftlich basierten Bewirt- schaftung der weltweiten Fischbestände, zu denen auch der Rote Thun gehört, unter Anwendung des Ökosys- tem- und Vorsorgeansatzes, übernimmt. Bezüglich des Schutzes von Dorn- und Heringshai im Nordostatlantik konnte Deutschland für 2010 ein Fang- verbot für Heringshai auf EU-Ebene durchsetzen. Beim Dornhai wurde die Fangmenge ebenfalls auf deutschen Druck hin auf null gesetzt, allerdings konnte im Rat das Verbleiben einer geringen Beifangquote bis 2011 nicht verhindert werden. Zu Frage 77: Die Bundesregierung sieht die Union für das Mittel- meer als Rahmen für konkrete projektorientierte Zusam- menarbeit, insbesondere auf Gebieten wie erneuerbare Energien und Wasserfragen. Für den Schutz der Meeresfauna bieten sich andere Foren an. Die Verantwortung für die Erhaltung und den Wiederaufbau der Thunfischbestände im Atlantik, ein- schließlich Mittelmeer, liegt bei der Internationalen Kommission für die Erhaltung des atlantischen Thun- fischs, ICCAT. Die Bundesregierung setzt sich in Brüs- sel dafür ein, dass die Europäische Union in dieser Kom- mission eine weitere Reduzierung des Fischereidrucks auf den Roten Thun fordert, siehe Antwort auf die vor- herige Frage. Die Rote Koralle ist in den vergangenen 50 Jahren in ihren Verbreitungsgebieten im Mittelmeer und Pazifik rapide zurückgegangen. Als Ursache gelten unter ande- rem die Übernutzung der Arten, der Beifang und die Be- schädigung der Riffe durch Fischerei. Zum Schutz der 3792 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 (A) (C) (D)(B) Roten Koralle existiert bisher kein international binden- des Abkommen. Der Antrag der EU und der USA, die Rote Koralle in Anhang II des CITES-Artenschutzab- kommens aufzunehmen, wurde von der letzten Vertrags- staatenkonferenz abgelehnt. Die Bundesregierung prüft derzeit, wie in dieser Sache weiter vorgegangen werden kann. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 78): Hat das Bundesministerium der Verteidigung Hinweise über thermobarische Sprengköpfe in den Händen von Taliban- Gruppierungen, und kann die Bundesregierung die Darstellung von Spiegel Online („Das Gesicht des Feindes“ vom 12. April 2010), wonach „Aufständische“ in Afghanistan im Besitz von „Aerosol-Panzergranaten“ sein sollen, bestätigen? Dem Bundesministerium der Verteidigung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass sich funktionsfähige thermo- barische Munition in den Händen von Taliban-Gruppie- rungen bzw. „Aerosol-Panzergranaten“ im Besitz von Aufständischen in Afghanistan befinden. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 79): Auf welche Art und Weise wird die Erfüllung des Abkom- mens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Re- gierung der Russischen Föderation über Kriegsgräberfürsorge in der Bundesrepublik Deutschland vom 16. Dezember 1992 gewährleistet, um die Gräber und Gedenkstätten, die an die Zehntausende sowjetischer Soldaten erinnern, die den Kampf um die Befreiung Deutschlands vom Faschismus mit ihrem Leben bezahlt haben und nun in deutscher Erde ruhen, würdig zu erhalten und zu pflegen? Die Gräber sowjetischer Soldaten, die im Zusammen- hang mit dem 2. Weltkrieg auf dem Gebiet der Bundes- republik Deutschland zu Tode gekommen sind, fallen unter das Gräberrecht. Das heißt, dass diese Gräber dau- ernd bestehen bleiben. Die Pflege und Instandsetzung aller Gräber, die unter das Gräberrecht fallen, wird von den jeweiligen Friedhofsträgern wahrgenommen. Dies können Kommunen, Landkreise, Kirchengemeinden oder auch Länder sein. Der Bund stellt zurzeit knapp 22 Millionen Euro jähr- lich für die Pflege und Instandsetzung der Gräber zur Verfügung. Dieser Betrag wird nach der Gräberpau- schalverordnung anteilig auf die Bundesländer verteilt, die ihrerseits die Gelder an die jeweiligen Friedhofsträ- ger weiterreichen. Um notwendige größere Sanierungs- arbeiten durchführen zu können, sind die Länder berech- tigt, aus den Pauschalen Rücklagen zu bilden. Dieses System hat sich in den vergangenen Jahren bewährt. Die eigentliche Pflege der Gräber ist und bleibt Sache der Friedhofsträger, die diese Aufgabe bisher sehr ernst genommen haben. Die Bundesregierung hatte bisher kei- nen Grund, sich über die Arbeit der Friedhofsträger zu beklagen. Gedenkstätten, die außerhalb von Kriegsgräberstätten gelegen sind oder auf Kriegsgräberstätten keinen unmit- telbaren Bezug zur den dort liegenden Toten haben, fal- len nicht unter das Gräberrecht. Diese werden zu den Denkmälern gezählt. Der Denkmalschutz ist Angelegen- heit der Länder und Gemeinden. Die Pflege erfolgt in der Regel durch die Gemeinden, auf deren Territorien diese Denkmäler stehen. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Druck- sache 17/1534, Frage 80): Welche Kontakte finden im gesamten Jahr 2010 zwischen der Bundesregierung und anderen EU-Staaten statt, bei denen es um einen Erfahrungsaustausch über familienpolitische Maßnahmen – bitte genaue Aufführung der Termine, der be- teiligten Staaten, der anvisierten Gesprächsthemen, der je- weils beteiligten Arbeitsebenen wie zum Beispiel Referate und Abteilungen im Bundesministerium für Familie, Senio- ren, Frauen und Jugend, der beteiligten Politikerinnen und Po- litiker – geht? Zum Erfahrungsaustausch über familienpolitische Themen zwischen Deutschland und anderen EU-Staaten haben im Jahr 2010 bereits folgende Veranstaltungen stattgefunden: internationale Fachtagung am 29. Januar 2010 in Berlin: Familienunterstützende Dienstleistungen in Europa: aktuelle Herausforderungen und Entwicklun- gen, veranstaltet von DV, ISS und BMFSFJ, Austausch mit: Belgien, Schweden Frankreich, Italien, Spanien, Li- tauen, UK, Polen; internationale Fachtagung am 11. und 12. Februar 2010 in Berlin: Förderung der Elternkompe- tenz in Europa – Instrumente und Effekte, veranstaltet von ISS, DV und BMFSFJ, Austausch mit: Spanien, Schweiz, Österreich, Frankreich, Ungarn, UK, Belgien, Portugal, Malta, Finnland, Niederlande, Irland, Grie- chenland, Rumänien, Estland; hochrangige Gruppe für Fragen der Demografie der EU-Kommission am 22. Februar 2010 in Brüssel zum Thema Europäische Allianz für Familien und Demografischer Wandel mit al- len Mitgliedstaaten; Seminar der EU-Kommission am 23. Februar 2010 in Brüssel zum Thema „Familienpoli- tik in der Wirtschaftskrise“ mit verschiedenen Mitglied- staaten und Informationsveranstaltung am 4. März 2010 in Brüssel zur „Familyplatform“, Austausch mit: Nieder- lande, Belgien, Irland, UK, Spanien, Tschechien, Polen, Österreich, Frankreich, Finnland, Zypern, Kroatien. Geplant sind im Jahr 2010 unter anderem noch fol- gende Termine: 1. Konferenz der Familyplatform im Auftrag der EU-Kommission in Lissabon am 25. bis 27. Mai 2010: Research on Families in Europe – Critical Review. Es wird der Stand der Forschung in Europa in zentralen familienpolitischen Themenfeldern aufbereitet, unter anderem Familienstrukturen und Familienformen, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3793 (A) (C) (D)(B) staatliche Familienpolitik, außerdem werden wichtige „policy issues“ einbezogen, Mutterschaft und Vater- schaft in Europa, Vereinbarkeit etc.; Best Practice Work- shop der EU-Kommission am 2. Juni 2010 in Brüssel zum Thema „Alleinerziehende im Rahmen der Europäi- schen Allianz für Familien“; Treffen des europäischen Expertennetzwerks für Familienpolitik am 25. Juni in Brüssel auf Einladung der EU-Kommission im Rahmen der Europäischen Allianz für Familien: Policies for families: focus on child well-being or promotion of employment; Treffen der Deutsch-Französischen-Kon- taktgruppe, BMFSFJ, Ministère du travail, des relations sociales, de la famille, de la solidarité et de la ville und Ministère de la santé et des sports, im Juni in Paris und im Herbst in Berlin geplant, Themen sind noch nicht abgestimmt; 2. Konferenz der Familyplatform am 4. und 5. November 2010 in Brüssel, Themen noch nicht abge- stimmt; Demografieforum der Europäischen Kommis- sion, am 22. und 23. November 2010 in Brüssel, bislang geplante Schwerpunktthemen: „Aktives Altern“ und „Europäische Allianz für Familien“ sowie hochrangige Gruppe zu Fragen der Demografie der Kommission, vor- aussichtlich im Juni und November 2010, Themen noch nicht bekannt gegeben; alle Mitgliedstaaten. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Caren Marks (SPD) (Drucksa- che 17/1534, Frage 81): Wann genau ist mit der Konkretisierung der geplanten Einsparungen im Einzelplan 17 des Bundeshaushalts – bitte exakten Termin nennen – zu rechnen? Ihre Frage lässt vermuten, dass die Notwendigkeit von Einsparungen im Einzelplan 17 bereits festgestellt ist. Diese Annahme ist nicht zutreffend. Soweit sich Ihre Anfrage auf Presseberichte zu einer angeblich geplanten Kürzung des Elterngeldes bezieht, können solche Berichte nicht bestätigt werden. Entspre- chend dem Koalitionsvertrag prüft die Bundesregierung eine Weiterentwicklung, Flexibilität und Entbürokrati- sierung des Elterngeldes. Danach sollen die Partnermo- nate gestärkt und ein Teilelterngeld bis zu 28 Monaten eingeführt werden. Ob es in diesem Rahmen zu einer Veränderung der Haushaltsansätze kommen wird, kann derzeit noch nicht beurteilt werden. Anlage 57 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Frage der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 82): Mit welchen Zielen hat die Bundesregierung die Studie zur Sicherheit der Aufbereitung von Einmalprodukten in Auf- trag gegeben, wenn die Bundesregierung gesetzliche Ände- rungen bereits vor Abschluss der Studie ausschließt (Nach- frage zu Frage 87, Fragestunde des Deutschen Bundestages am 21. April 2010, Bundestagsdrucksache 17/1388)? Die Bundesregierung hat mit der Antwort auf die Frage 87 der Fragestunde am 21. April 2010 lediglich darauf hingewiesen, dass das Bundesinstitut für Arznei- mittel und Medizinprodukte, BfArM, den Auftrag zur Durchführung der Studie nicht erhalten hat, um mit de- ren Ergebnissen gesetzliche Änderungen vorzubereiten. Der Studieninhalt orientiert sich vielmehr unter anderem am Ergebnis des „Erfahrungsberichts zur Aufbereitung von Medizinprodukten in Deutschland“ vom März 2008. Zitat aus Teil III des Berichts „Schlussfolgerungen und Maßnahmen“, Seite 18: Die Diskussionen in den vergangenen Monaten ha- ben gezeigt, dass keine belastbaren Daten zur Qua- lität aufbereiteter Medizinprodukte in Deutschland vorliegen. So gibt es zwar vereinzelt Gutachten zur Qualität von aufbereiteten, sogenannten Einmalpro- dukten, die aber lediglich auf punktuellen, zum Teil von Fernsehmagazinen initiierten Stichproben ba- sieren. Bundesweite valide Daten, die Handlungs- bedarf in der einen oder anderen Richtung begrün- den könnten, liegen nicht vor. Zahlreiche Länder haben daher das BMG gebeten zu prüfen, ob unter Federführung des BfArM eine breit angelegte Stu- die zur Qualität aufbereiteter Medizinprodukte durchgeführt werden könnte. Auch wenn, wie bereits gesagt, die Feststellung, ob im Bereich der Gesetz- oder Verordnungsgebung Hand- lungsbedarf besteht, nicht zur Zielstellung der Studie ge- hört, wird die Bundesregierung selbstverständlich auch gesetzgeberische Konsequenzen ziehen, sollten die Er- gebnisse der Studie dazu Anlass bieten. Anlage 58 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Fragen der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Fragen 83 und 84): Welche gesetzlichen Neuregelungen erachtet die Bundes- regierung für notwendig angesichts der Festlegungen der Ge- sellschafterversammlung der Gesellschaft für Telematik- anwendungen der Gesundheitskarte mbH, Gematik, vom 19. April 2010 zur Zukunft des Projektes „elektronische Ge- sundheitskarte“, und wann könnten diese erfolgen? Welches Einsparpotenzial erwartet die Bundesregierung durch eine Umsetzung der Festlegungen der Gesellschafter- versammlung der Gematik vom 19. April 2010, die eine Be- schränkung der Entwicklung und Einführung der elektroni- schen Gesundheitskarte auf drei Kernbereiche vorsehen? Zu Frage 83: Die Bundesregierung unterstützt die heute dazu im Ausschuss für Gesundheit von den Fraktionen der CDU/ CSU und FDP eingebrachten Änderungsanträge zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung krankenversiche- rungsrechtlicher und anderer Vorschriften (Bundestags- drucksache 17/1297). Zum einen wird mit praktikableren Regelungen zu den Schiedsverfahren sichergestellt, dass Leistungser- bringer ihre im Zusammenhang mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und dem Aufbau der 3794 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 (A) (C) (D)(B) Telematikinfrastruktur entstehenden Ausstattungs- und Betriebskosten zeitnah ersetzt bekommen. Zum anderen werden Regelungen zur Erstattung der beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik im Zusammen- hang mit dem Aufbau der Telematikinfrastruktur anfal- lenden Kosten aufgenommen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Sicherheit der Daten zu- nehmend an Bedeutung gewinnt. Da der Aufbau der Te- lematikinfrastruktur Aufgabe der Selbstverwaltung ist, sind die damit zusammenhängenden Kosten auch grund- sätzlich von ihr zu tragen. Ob darüber hinaus – entsprechend der Bitte der Kos- tenträger in der Gesellschafterversammlung der Gematik am 19. April 2010 – weiterer Regelungsbedarf besteht, wird derzeit geprüft. Zu Frage 84: Es war von Beginn an beabsichtigt, die Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte schrittweise einzu- führen. Die Selbstverwaltungspartner haben sich in der vorgenannten Gesellschafterversammlung darauf ver- ständigt, zunächst einen Notfalldatensatz, ein modernes Versichertenstammdatenmanagement sowie eine adres- sierte Kommunikation zwischen den Leistungserbrin- gern einzuführen. Andere Anwendungen haben ihre Pra- xisreife noch nicht erreicht und müssen deshalb noch überarbeitet und weiter getestet werden. Es haben sich also nicht die Anwendungen, sondern die Schrittfolgen der Einführung der Anwendungen ver- ändert. Die Details der weiteren Projektplanung sind jetzt von der Selbstverwaltung zu erarbeiten. Ob sich daraus finanzielle Auswirkungen ergeben, kann erst nach Abschluss der Arbeiten beurteilt werden. Anlage 59 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Fragen des Abgeordneten Steffen-Claudio Lemme (SPD) (Drucksache 17/1534, Fragen 85 und 86): Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung bezüglich des derzeitigen Personenkreises ohne gesundheitli- chen Versicherungsschutz in der Bundesrepublik Deutsch- land? Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über den Um- fang von in der gesetzlichen Krankenversicherung versicher- ten Personen, deren Versicherungsverhältnis aufgrund säumi- ger Beitragszahlung gemäß § 5 Abs. 3 a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ruht? Zu Frage 85: Die Zahl der Personen, die nach eigenen Angaben keine Krankenversicherung haben, wird alle vier Jahre aus Erhebungen des Statistischen Bundesamtes zum Krankenversicherungsschutz im Rahmen des Mikrozen- sus hochgerechnet. Die aktuellste Erhebung hierzu stammt aus dem Jahr 2007. Für den Jahresdurchschnitt 2007 bezifferte das Statistische Bundesamt die Zahl der nicht Krankenversicherten damals auf 196 000. Mit Wirkung vom 1. April 2007 wurden Nichtver- sicherte, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absi- cherung im Krankheitsfall haben und der gesetzlichen Krankenversicherung, GKV, zuzuordnen sind, versiche- rungspflichtig in der GKV. Personen ohne Absicherung im Krankheitsfall, die der privaten Krankenversiche- rung, PKV, zuzuordnen sind, konnten sich im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2008 im sogenannten modifizierten Standardtarif der PKV versichern. Seit 1. Januar 2009 greift für diesen Personenkreis eine Ver- sicherungspflicht in der PKV gemäß § 193 Abs. 3 Versi- cherungsvertragsgesetz. Im Rahmen der Statistik der GKV wird monatlich die Zahl sogenannter Rückkehrer erfasst. Demnach waren im März 2010 rund 110 000 Mitglieder aufgrund der Neuregelung für Personen ohne anderweitigen Anspruch im Krankheitsfall (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch So- zialgesetzbuch – SGB V) in die GKV zurückgekehrt. Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Zahl bei- tragsfrei mitversicherter Ehegatten und Kinder ist davon auszugehen, dass insgesamt rund 154 000 Personen über diese Regelung wieder einen Versicherungsschutz in der GKV erlangt haben. Die PKV verzeichnete nach aktuel- len Branchenangaben seit dem Jahr 2007 einen Zugang von 53 000 Personen aus der Nichtversicherung. Zu Frage 86: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darü- ber vor, wie viele Personen von einem Ruhen nach § 16 Abs. 3 a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betroffen sind. Die Statistiken der gesetzlichen Krankenversiche- rung sehen eine entsprechende gesonderte Erfassung nicht vor. Anlage 60 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 87): Ist es richtig, dass die Regierungskommission zum Ge- sundheitswesen über Ausnahmeregelungen zur Kopfpauschale bei Rentnerinnen und Rentnern nachdenkt (Süddeutsche Zei- tung vom 30. April 2010), und zu welchen Ergebnissen kam das für den 30. April 2010 geplante Treffen der Fachleute für die Lösung der verwaltungstechnischen Probleme bei der Er- hebung der Kopfpauschale bei Rentnerinnen und Rentnern? Die Regierungskommission zur nachhaltigen und so- zial ausgewogenen Finanzierung des Gesundheitswesens hat in ihrer Sitzung auf Ebene der Staatssekretäre am 21. April 2010 vornehmlich verfahrenstechnische Fra- gen erörtert. Darüber hinaus wurden die derzeit gelten- den beitragsrechtlichen Gegebenheiten der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung angesprochen. Entscheidungen sind nicht getroffen worden. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3795 (A) (C) (D)(B) Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 88): Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass Mas- sentierhaltungsanlagen regelmäßig nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 des Baugesetzbuchs als privilegierte Anlagen im Außenbereich genehmigt werden? Es entspricht der derzeitigen Praxis, dass gewerbliche Tierhaltungsanlagen, sogenannte Massentierhaltungs- anlagen, sofern es sich um ortsgebundene Anlagen han- delt, nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 des Baugesetzbuchs und unter Beachtung sonstiger gesetzlicher Vorgaben, insbe- sondere umweltrechtlicher Vorgaben, genehmigt werden können. Aus dieser Praxis erwächst für die Bundesregie- rung derzeit kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der Abgeordneten Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/1534, Frage 89): Wie beurteilt die Bundesregierung den Ausbau des Flug- hafens in Speyer unter der Berücksichtigung der Tatsache, dass beim Genehmigungsverfahren die Höhe des Speyerer Doms um circa 13 Meter zu niedrig angegeben wurde und nun der Status des Weltkulturerbes in Gefahr ist, und teilt die Bun- desregierung die Auffassung der Genehmigungsbehörde, dass die Differenz in der Höhenberechnung des Doms für die Ge- nehmigung des Flugplatzausbaus keine Rolle spielt? Die Zuständigkeit für den Ausbau des Verkehrslande- platzes Speyer liegt bei der Luftfahrtbehörde des Landes Rheinland-Pfalz. Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Fragen 90 und 91): In welcher Weise bemüht sich die Bundesregierung um Aufklärung der Ursachen für die Baumängel an der Bundesstraße 6 n in Sachsen-Anhalt bzw. der damit verbunde- nen Kosten, die der Bund tragen muss, und welche neuen In- formationen hat die Bundesregierung seit der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 6. Januar 2010 (Bundestagsdrucksache 17/396) zu die- sem Thema erhalten? Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den aktuellen Presseartikeln, die darauf hinweisen, dass beim Bau der Bundesstraße 6 n erheblich betrogen worden sein soll und die Landesbehörden das nicht ausreichend überprüft haben sollen, und wie bewertet die Bundesregierung die Handlungs- weise der Landesbehörden, insbesondere die Begleitung der Baumaßnahmen sowie die Informationen gegenüber dem Bund? Die Fragen werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hat das Land Sachsen-Anhalt, welches gemäß den Art. 90 und 85 des Grundgesetzes die Bundesfernstraßen plant, baut und betreibt, aufgefor- dert, zu den aufgetretenen Schäden, deren Ursachen sowie dem seitens des Landes Veranlassten kurzfristig detail- liert Stellung zu nehmen. Parallel hierzu wurde die Staatsanwaltschaft Magde- burg gebeten, zur Verifizierung der erhobenen Vorwürfe und zur Festlegung der seitens der Bundesregierung ein- zuleitenden Prüfschritte Akteneinsicht zu gewähren. Eine Bewertung der Vorfälle beim Bau der auch mit EFRE-Mittel-kofinanzierten Bundesstraße 6 n ist der Bundesregierung vor Vorlage und Auswertung der ange- forderten Unterlagen nicht möglich. Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksa- che 17/1534, Frage 92): Wie begründet die Bundesregierung, dass die Entschei- dung, den kontrollierten Sichtflug, CVFR, auf Antrag der Air- lines und nach Genehmigung durch das Luftfahrt-Bundesamt zuzulassen, am Montag, dem 19. April 2010, erfolgte, ohne dass das Forschungsflugzeug des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt Falcon 20E bereits gestartet war und ent- sprechende Messwerte über die Konzentration der Asche im deutschen Luftraum vorlagen? Die Bundesregierung war bemüht, solche Flüge zu er- möglichen, um gestrandete Fluggäste so rasch wie mög- lich zurückzuholen. Die Ergebnisse mehrerer Testflüge deutscher Luftfahrtunternehmen und die sehr guten Wet- terbedingungen boten günstige Voraussetzungen hierfür. Die Falcon des DLR konnte erst am späten Nachmittag des 19. April starten, nachdem die Einrüstung mit den Messgeräten und deren Kalibrierung abgeschlossen und die vorläufige Verkehrszulassung erteilt war. Anlage 65 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) (Drucksa- che 17/1534, Frage 93): Plant die Bundesregierung nach den offensichtlichen In- formationsdefiziten für Reisende in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, als Überflüge über Deutschland oder An- und Abflüge an deut- schen Flughäfen aufgrund der Aschewolke zeitweise nicht möglich waren, die Schaffung stabiler Informationsstrukturen für Passagiere, und wird für ähnliche Ereignisse die Einrich- tung einer kostenlosen Hotline für Betroffene erwogen? Die gigantische Aschewolke nach dem Vulkanaus- bruch auf Island stellte den gesamten europäischen Luft- verkehr vor eine historisch bisher einmalige Herausfor- derung. Die Bewältigung war für alle Beteiligten im Luftverkehr Neuland. Bei der Krisenbewältigung wurde im Interesse aller, insbesondere auch der Passagiere, eine Herangehensweise gewählt, die der Sicherheit Vor- 3796 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 (A) (C) (D)(B) rang einräumt. Diese Priorität ist auch in Zukunft ohne Alternative. Aufgrund der in dieser Krisensituation gemachten Er- fahrungen wird für die Zukunft bereits an Maßnahmen gearbeitet, um bei ähnlichen Ereignissen optimal reagie- ren zu können. Dies wird sicherlich auch den Bereich der Information von Fluggästen betreffen. Anlage 66 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der Abgeordneten Kirsten Lühmann (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 94): Wurden die Schäden, insbesondere am Triebwerk des Nato- Kampfjets F-16, der in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, als Überflüge über Deutschland oder An- und Abflüge an deutschen Flughäfen aufgrund der Aschewolke zeitweise nicht möglich waren, zu Testzwecken über Europa geflogen ist, ausführlich analysiert und, wenn ja, mit welchem Ergebnis? Die Bundesregierung hat Kenntnis über militärische Flüge, die am 21. April 2010 über Deutschland stattge- funden haben. Nach Aussage der US-Streitkräfte wurden dabei keine unmittelbar auf Vulkanasche zurückzufüh- renden Schäden festgestellt. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine ei- genen Erkenntnisse vor. Anlage 67 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Michael Groß (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 95): Hat die Bundesregierung Krisenpläne für den Fall eines weiteren Vulkanausbruchs mit Aschewolkenbildung, ver- gleichbar mit der Situation in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, als Über- flüge über Deutschland oder An- und Abflüge an deutschen Flughäfen aufgrund der Aschewolke zeitweise nicht möglich waren, und, wenn ja, wie sehen diese Krisenpläne aus, und wann greifen sie? Die Bundesregierung hat unverzüglich die grundle- genden Arbeiten zur Vorsorge im Luftverkehr bei künfti- gen Krisenfällen im Zusammenhang mit Vulkanasche aufgenommen. Bundesminister Dr. Ramsauer hat am 27. April 2010 mit Vertretern der Wirtschaft und der zu- ständigen deutschen sowie europäischen Behörden erör- tert, wie das bereits vorhandene Regelwerk anzupassen beziehungsweise fortzuentwickeln ist. An dieser Exper- tenrunde nahm auch der Koordinator der Bundesregie- rung für Luft- und Raumfahrt beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Parlamentarischer Staatssekretär Hintze, teil. Zu den laufenden Aktivitäten dieser Expertengruppe gehört auch die Ausarbeitung von Krisenplänen für eventuelle zukünftige Ereignisse dieser Art. Sobald kon- krete Maßnahmen ausgearbeitet worden sind, wird die Bundesregierung diese bekannt geben. Bundesminister Brüderle hat am 19. April 2010 mit Vertretern der betroffenen Wirtschaftszweige die Ein- richtung einer Task Force vereinbart. Ziel der Task Force ist es, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Flugver- bots zu ermitteln und Strategien zu erarbeiten, wie in vergleichbaren Fällen Unterbrechungen in der Wert- schöpfungskette vermieden werden können. Anlage 68 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Michael Groß (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 96): Von welchen Institutionen und Experten hat der Bundes- minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, als Überflüge über Deutsch- land oder An- und Abflüge an deutschen Flughäfen aufgrund der Aschewolke zeitweise nicht möglich waren, fachkundigen Rat eingeholt, und welche deutschen Messungen der Asche- konzentration in der Luft wurden in diesem Zeitraum vor dem Flug der Falcon 20E durchgeführt? Herr Bundesminister Dr. Ramsauer hat fachkundigen Rat bei den am Krisenstab direkt und indirekt Beteiligten eingeholt. In diesem Krisenstab waren Experten aus den verschiedensten Bereichen der Luftfahrt eingebunden. Bereits seit dem 16. April 2010 wurden in Deutschland von verschiedenen Institutionen Messungen der Vulkan- aschekonzentration in der Atmosphäre vorgenommen, so zum Beispiel durch die deutschen LIDAR-Stationen des Instituts für Troposphärenforschungen in Leipzig, IFT, der Ludwig-Maximilians-Universität in München und auf der Zugspitze. Der Deutsche Wetterdienst hat mithilfe seines neuen Ceilometermessnetzes, bestehend aus 52 Systemen in ganz Deutschland, die Vulkanasche- wolke flächendeckend registriert. Da sich die Vernetzung noch im Aufbau befindet, standen diese Daten nicht un- mittelbar zur Verfügung. Die Warnungen vor Vulkanasche bis zum 21. April 2010 wurden generell im Einklang mit ICAO-Vorschrif- ten und nationalen Betriebsvorschriften vom DWD, auf der Grundlage der Warnempfehlungen des VAAC Lon- don, in Warnungen für den Luftverkehr umgesetzt. Dies entspricht den internationalen gültigen Regelungen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, ICAO, fest- gelegt im ICAO DOC EUR 019. Anlage 69 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der Abgeordneten Ulrike Gottschalck (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 97): Wann hat der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung, Dr. Peter Ramsauer, von der Einrichtung einer Task Force zum Umgang mit der Einstellung des Luftverkehrs in Deutschland aufgrund der Aschewolke durch den Bundes- minister für Wirtschaft und Technologie, Rainer Brüderle, er- fahren, und auf welche Art und Weise war der Bundesminister Dr. Peter Ramsauer in die Vorbereitung und Durchführung des Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3797 (A) (C) (D)(B) ersten Treffens am Montag, dem 19. April 2010, involviert und hat Empfehlungen des Treffens, die den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung betreffen, wie zum Beispiel das temporäre Aussetzen des Nachtflugverbots und des Sonntagsfahrverbots für Lkws, er- arbeitet? Zwischen den Bundesministerien fand und findet eine enge Abstimmung statt. Es ist selbstverständlich, dass die einzelnen Bundesminister dringliche Anliegen, die im Rahmen ihrer Ressortzuständigkeit an sie herangetra- gen werden, aufgreifen und mit den Beteiligten erörtern. Die Bundesministerien nehmen hierzu eine gegensei- tige Unterrichtung sowie Beteiligung der anderen Res- sorts vor; dies ist regelmäßig und fortlaufend auch wäh- rend und nach den Tagen der Beeinträchtigung des Luftverkehrs durch Vulkanasche geschehen. Anlage 70 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage der Abgeordneten Ulrike Gottschalck (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 98): Wie bewertet die Bundesregierung die widersprüchlichen Äußerungen des Bundesministers Rainer Brüderle – „Brü- derle schloss ... staatliche Hilfen nicht aus“, in Hamburger Abendblatt vom 19. April 2010 – und des Bundesministers Dr. Peter Ramsauer – „Ich wehre mich gegen jeden Ruf an den Staat“, in Hamburger Abendblatt vom 19. April 2010 – be- züglich der Frage, ob es staatliche Unterstützung für die Air- lines wegen der wirtschaftlichen Verluste infolge der Sperrung des deutschen Luftraums aufgrund des Ausbruchs des Vulkans Eyjafjallajökull geben soll, und wird die Bundesregierung fi- nanzielle Entschädigungen bzw. finanzielle Unterstützungen für die Airlines wie auch für die Flughäfen und von den Flug- ausfällen betroffenen deutschen Fluggäste zur Verfügung stel- len? Die Bundesregierung läßt sich im Hinblick auf mögli- che Forderungen von folgenden Überlegungen leiten: Bei den bisherigen Gesprächen ist nicht über Hilfen, sondern über Krisenmanagement gesprochen worden. Anträge auf Staatshilfe liegen dementsprechend zum derzeitigen Zeitpunkt nicht vor. Die Bundesregierung ist im Übrigen der Ansicht, dass der Staat nicht für unter- nehmerische Risiken in die Pflicht genommen werden darf. Eine staatliche Hilfeleistung kann nur ultima ratio sein und muss zudem EU-weit koordiniert erfolgen. Die Situation ist nicht vergleichbar mit der in der Folge des 11. Septembers 2001. Damals war für die eu- ropäischen Luftverkehrsunternehmen durch die massi- ven Subventionen der US-Regierung für die dortigen Luftverkehrsunternehmen ein erheblicher Nachteil im Wettbewerb entstanden, den es auszugleichen galt. Dies ist nun nicht der Fall. Anlage 71 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Sören Bartol (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 99): Auf welche Art und Weise wurden die Flughäfen – und hier besonders die Regionalflughäfen – über die stundenweise Öffnung des Luftraums am Sonntagabend, dem 18. April 2010, informiert, und was waren die Gründe dafür, dass die zeitweise Öffnung des Luftraums durch die Airlines nur in äu- ßerst begrenztem Rahmen genutzt wurde? Die Information über die Gebiete mit von Asche kon- taminierten Lufträumen erfolgte durch den Deutschen Wetterdienst auf der Basis von sogenannten SIGMETs, Significant Meteorological Information. Derartige Luft- fahrtinformationen stehen allen am Luftverkehr Beteilig- ten rund um die Uhr zur Verfügung. Aus den SIGMETs ist ersichtlich, für welches Gebiet das kontaminierte Ge- biet vorhergesagt wird. Am 18. April 2010 änderte sich die Lage der kontami- nierten Gebiete für einen kurzen Zeitraum so, dass Flüge nach Instrumentenflugregeln durchführbar waren. Das kurze Zeitfenster ermöglichte nur wenigen Fluggesell- schaften, ihre Passagiere zu informieren, den Flug vorzu- bereiten und durchzuführen. Gleiches gilt für die Interna- tionalen Verkehrsflughäfen und die Regionalflughäfen. Anlage 72 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Sören Bartol (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 100): Wer hat den Auftrag an die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH und Vertreter der deutschen Airlines erteilt, einen Lö- sungsweg zu finden, der eine schnellere Öffnung des deut- schen Luftraums, der aufgrund der Aschewolke in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, weitestgehend geschlossen war, ermöglichen sollte und dann konkret das Zulassen von Sondergenehmigun- gen für Flüge im kontrollierten Sichtflugverfahren, CVFR, beinhaltete, und auf welcher rechtlichen Grundlage haben die DFS Deutsche Flugsicherung und die Airlines den Auftrag er- halten? Der Anspruch der Bundesregierung bestand darin, un- ter Wahrung größtmöglicher Sicherheit, gemeinsam mit allen Beteiligten eine Lösung zur Schadensminimierung zu finden. Alle Beteiligten haben innerhalb der gesetzli- chen und internationalen Rahmenbedingungen an der Erarbeitung einer Lösung mitgewirkt. Anlage 73 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen der Abgeordneten Ute Kumpf (SPD) (Drucksache 17/1534, Fragen 101 und 102): Wie bewertet die Bundesregierung die Feststellung, dass der Luftraum entweder sicher sei oder er es eben nicht sei, und welche technischen und/oder wissenschaftlichen Gründe gab es für die Entscheidung der Bundesregierung, die Geneh- migung von Flügen im kontrollierten Sichtflugverfahren, CVFR, zu erteilen? Welche Vorteile im Hinblick auf die Sicherheit der Passa- giere boten die durch die Bundesregierung in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, genehmigten Flüge im kontrollierten Sichtflugverfah- ren, CVFR, vor dem Hintergrund, dass es in weiten Teilen des 3798 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 (A) (C) (D)(B) deutschen Luftraums keine mit bloßem Auge sichtbare Aschewolke gab, und warum wurden vor diesem Hintergrund in ein und demselben Luftraum Flüge im kontrollierten Sicht- flugverfahren, aber nicht im Instrumentenflugverfahren ge- nehmigt? Die Fragen werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die gigantische Aschewolke nach dem Vulkanaus- bruch auf Island stellte für den gesamten europäischen Luftverkehr ein historisch erstmaliges Phänomen und damit eine bisher erstmalige Herausforderung dar. Es war deshalb bei Vorliegen erster Erkenntnisse absolut richtig und alternativlos, unverzüglich Vorsichtsmaßnah- men zu ergreifen und am 15. April 2010 erhebliche Ein- schränkungen des Flugverkehrs vorzunehmen. Sicher- heit und die Befolgung klarer internationaler Regeln waren oberstes Gebot. Die Bundesregierung hielt sich bei allen ergriffenen Maßnahmen deshalb an die Vor- gaben der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, ICAO. Das internationale Regelwerk untersagt Freigaben für Flüge nach Instrumentenflugregeln in mit Vulkan- asche kontaminierten Lufträumen. Flüge nach Sichtflug- regeln werden in dieser Vorschrift nicht adressiert. Flüge wurden im Einklang mit diesem Regelwerk ge- duldet, die nach den Kriterien des kontrollierten Sicht- fluges durchgeführt wurden, selbstverständlich unter bestmöglicher Nutzung der zur Verfügung stehenden In- strumente und unter Wahrung der gebotenen Sicherheit. Kontrollierte Sichtflüge setzen gute Sichtverhältnisse voraus, sowie eine geringe Inanspruchnahme. Sollte die Verkehrssituation es nicht zulassen, kann die Flugsiche- rung Freigaben für entsprechende Flüge verweigern. Am 17. April 2010 erfolgten auf diese Weise eine Reihe von Überführungsflügen unter anderem deutscher Luftverkehrsgesellschaften, um die Flugzeuge für den Normalbetrieb an ihren Bedarfsstandorten zu positionie- ren. Diese Flüge erfolgten ohne Passagiere und lieferten zudem als technische Überführungsflüge der Bundes- regierung und den zuständigen Fachbereichen wertvolle Erkenntnisse. Am darauffolgenden Montag folgten erste Passagierflüge unter den Bedingungen des oben be- schriebenen kontrollierten Sichtflugs, um die seit Tagen im Ausland auf Flughäfen gestrandeten Urlauber nach Deutschland zurückholen zu können. Grundsätzlich gilt: Ein regelmäßiger, kommerzieller Flugbetrieb nach den Regeln des Sichtflugverkehrs ist im dicht belasteten europäischen und deutschen Luft- raum sowie im Hinblick der herrschenden Wetterbedin- gungen nicht möglich. Auch bei dieser Frage offenbaren sich die offenkundigen Defizite des bisherigen ICAO- Regelwerks, welches die Bundesregierung nunmehr un- ter Hochdruck weiterentwickeln will. Anlage 74 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des Abgeordneten Uwe Florian Pronold (SPD) (Druck- sache 17/1534, Fragen 103 und 104): Was war der Grund dafür, dass in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mittwoch, den 21. April 2010, als Überflüge über Deutschland oder An- und Abflüge an deut- schen Flughäfen aufgrund der Aschewolke zeitweise nicht möglich waren, neben den unter Leitung der Deutschen Flug- sicherung in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetter- dienst und Eurocontrol ergriffenen Maßnahmen kein zentraler Krisenstab beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung angesiedelt wurde, in dem auch Vertreter der Airlines, der Flughäfen, der Bundesländer, der Trieb- werks- und Flugzeughersteller sowie der Bundesministerien in den Bereichen Wirtschaft, Verbraucherschutz, auswärtige Angelegenheiten sowie des Kanzleramtes eingebunden wa- ren? Auf welche Art und Weise und zu welchem Zeitpunkt wa- ren in der Zeit von Donnerstag, den 15. April 2010, bis Mitt- woch, den 21. April 2010, als Überflüge über Deutschland oder An- und Abflüge an deutschen Flughäfen aufgrund der Aschewolke zeitweise nicht möglich waren, die deutschen Bundesländer, die für die Luftverkehrsverwaltung und damit unter anderem auch für Themen wie die temporäre Aufhe- bung des Nachtflugverbots verantwortlich sind, in das Krisen- management eingebunden? Zu Frage 103: Die Bundesregierung hat unmittelbar am 15. April 2010 bei der DFS Deutschen Flugsicherung den zentra- len Krisenstab aktiviert, durch den das BMVBS die Ak- tivitäten koordiniert hat. Ein Austausch mit anderen betroffenen Stellen wie Bundesressorts, Fluggesellschaften, Flughäfen, den Bundesländern sowie der Herstellerindustrie hat regel- mäßig und anlassbezogen durch den Krisenstab oder im Rahmen der vorhandenen Strukturen stattgefunden. Der Krisenstab hat stets im engen Kontakt mit der Leitung des BMVBS gestanden, die vertreten durch den zustän- digen Staatssekretär und Abteilungsleiter persönlich auch vor Ort präsent waren. Zusätzlich fanden mehrere Gespräche auf nationaler und europäischer Ebene statt. Die deutschen Fluggesellschaften waren ebenfalls eng eingebunden. Zu Frage 104: Die Koordinierung mit den Bundesländern wurde durch eine Telefonkonferenz des Bundesverkehrsminis- ters Dr. Ramsauer mit den zuständigen Länderministern am 18. April 2010 eingeleitet. Zur Nutzung von Zeitfenstern erging ein Appell an die für die Genehmigung zuständigen Landesluftfahrt- behörden in Abhängigkeit von der Wetterlage und der Vulkantätigkeit eine Lockerung bzw. Aussetzung von Nachtflugverboten, insbesondere zur Unterstützung der Rückführung von Fluggästen, beizutragen. Anlage 75 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Fragen des Abgeordneten Uwe Beckmeyer (SPD) (Drucksache 17/ 1534, Fragen 105 und 106): Wann hat der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung, Dr. Peter Ramsauer, von der drohenden Gefahr erfahren, dass Überflüge über Deutschland oder An- und Ab- flüge an deutschen Flughäfen aufgrund der Aschewolke ver- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3799 (A) (C) (D)(B) boten werden müssen und damit der Luftverkehr in Deutsch- land weitestgehend eingestellt werden muss, und wann hat er die Bundeskanzlerin informiert und Kontakt zu seinen EU- Kollegen aufgenommen, um die notwendigen Maßnahmen zu koordinieren? Welche Krisenstäbe, geleitet durch Bundesminister, sind in Zusammenhang mit den Auswirkungen der Vulkanasche auf den Luftverkehr von der Bundesregierung zu welchem Zeitpunkt im Rahmen des Krisenmanagements in der Zeit vom 15. April 2010 bis zum 21. April 2010 eingesetzt wor- den, um unter anderem die Kommunikation und Entschei- dungsfindung zwischen den inhaltlich betroffenen Bundesmi- nisterien für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, für Wirtschaft und Technologie, für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und dem Auswärtigen Amt herzustel- len? Zu Frage 105: Herr Bundesminister Dr. Ramsauer wurde am Don- nerstag, den 15. April 2010 gegen Mittag zum Ende der Verkehrsministerkonferenz mit den Bundesländern über Warnmeldungen wegen der Aschewolke informiert. Eine Information der Bundeskanzlerin und der EU-Kollegen fand regelmäßig statt. Zu Frage 106: Die Bundesregierung hat unmittelbar am 15. April 2010 bei der DFS Deutschen Flugsicherung den zentralen Krisenstab aktiviert, durch den das BMVBS die Aktivitä- ten koordiniert hat. Ein Austausch mit anderen betroffe- nen Stellen wie Bundesressorts, Fluggesellschaften, Flughäfen, den Bundesländern sowie der Herstellerindus- trie hat regelmäßig und anlassbezogen durch den Krisen- stab oder im Rahmen der vorhandenen Strukturen stattge- funden. Der Krisenstab hat stets im engen Kontakt mit der Leitung des BMVBS gestanden, die vertreten durch den zuständigen Staatssekretär und Abteilungsleiter persön- lich auch vor Ort präsent waren. Zusätzlich fanden meh- rere Gespräche auf nationaler und europäischer Ebene statt. Die deutschen Fluggesellschaften waren ebenfalls eng eingebunden. Die angesprochenen Ressorts Wirtschaft und Auswär- tiges Amt wurden fallweise beteiligt. Daneben hat Bundesminister Brüderle am 19. April 2010 mit Vertretern der betroffenen Wirtschaftszweige die Einrichtung einer Task Force vereinbart. Ziel der Task Force ist es, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Flugverbots zu ermitteln und Strategien zu erarbeiten, wie in vergleichbaren Fällen Unterbrechungen in der Wertschöpfungskette vermieden werden können. Anlage 76 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Martin Burkert (SPD) (Drucksache 17/ 1534, Frage 107): Ist der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung, Dr. Peter Ramsauer, der Urheber des von den europäi- schen Verkehrsministern am Montag, dem 19. April 2010, in einer Telefon- und Videoschaltung beschlossenen Lösungs- weges für den Umgang mit den Auswirkungen der Asche- wolke auf die Flugsicherheit über Europa, und sollte er an der Telefon- und Videoschaltung nicht persönlich teilgenommen haben, was war der Grund für seine Verhinderung? Bereits am Wochenende 17./18. April 2010 hat Bun- desverkehrsminister Dr. Ramsauer mehrere Gespräche mit dem spanischen Verkehrsminister Blanco – EU-Rats- präsidentschaft –, mehreren EU-Verkehrsministern so- wie mit dem EU-Kommissar Kallas geführt. Unter spa- nischem Vorsitz hat dann am 19. April 2010 eine Telefon- und Videokonferenz der Verkehrsminister der EU-Mitgliedstaaten stattgefunden. Ziel war die Abstim- mung über ein koordiniertes europäisches Vorgehen, um den Flugverkehr unter sicheren Bedingungen wieder aufnehmen zu können. Der spanische Verkehrsminister hat in Wahrnehmung der Ratspräsidentschaft Bundes- verkehrsminister Dr. Ramsauer informiert; dieser war per Telefon von unterwegs direkt zugeschaltet. Vor-Ort- Teilnehmer an der Videokonferenz war sein Vertreter Staatssekretär Professor Scheurle. Anlage 77 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Ab- geordneten Martin Burkert (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 108): Ist die Feststellung richtig, dass die Beantragung von Son- dergenehmigungen für das Fliegen von Passagiermaschinen im kontrollierten Sichtflugverfahren, CVFR, beim Luftfahrt- Bundesamt bereits vor Montag, dem 19. April 2010, möglich gewesen wäre, und, wenn ja, was sind die Gründe dafür, dass die Airlines entsprechende Anträge nicht gestellt haben? Die Luftverkehrsgesellschaften hätten bereits vor dem 19. April 2010 entsprechende Anträge beim Luft- fahrtbundesamt stellen können. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, warum sie dies nicht ge- tan haben. Anlage 78 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 109): Auf welche Weise setzt die Bundesregierung die Ankündi- gung des Bundesministers Dr. Norbert Röttgen um, sich in- nerhalb der EU für die unkonditionierte Anhebung des EU- CO2-Reduktionszieles auf 30 Prozent starkzumachen? Die Bundesregierung unterstützt ein konditioniertes EU-Emissionsreduktionsziel bis 2020 von 30 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 im Rahmen der Be- schlusslage des Europäischen Rates vom 10./11. Dezem- ber 2009. Sie wird sich im Rahmen der auf europäischer Ebene anstehenden Diskussionen über die künftige Klima- schutzstrategie der EU auch mit der Frage befassen, ob die EU ihr Emissionsreduktionsziel auf 30 Prozent erhö- hen soll. 3800 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 (A) (C) (D)(B) Anlage 79 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 110): Welche Ergebnisse und Impulse hat der Petersberger Kli- madialog vom 2. bis 4. Mai 2010 aus Sicht der Bundesregie- rung für die kommenden Klimaverhandlungen gebracht, und wie ist vor dem Hintergrund der auf dem Petersberger Dialog diskutierten Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern durch die Industrieländer die Tatsache aufgenommen worden, dass es sich bei den durch die Bundes- regierung versprochenen Mitteln nur in kleinen Teilen um nicht bereits zuvor für andere Projekte und Maßnahmen ver- sprochene Mittel handelt? Der Petersberger Klimadialog fand vom 2. bis 4. Mai 2010 auf gemeinsame Einladung von Deutschland und Mexiko statt. Die Eröffnungsvorträge wurden von Bun- deskanzlerin Merkel und dem Mexikanischen Präsiden- ten Calderon gehalten. Geleitet wurde die Sitzung von Bundesumweltminister Röttgen und dem mexikanischen Umweltminister Elvira. Mit der Konferenz ist es gelun- gen, mit den zentralen Akteuren der internationalen Kli- mapolitik ein gemeinsames Verständnis für die notwen- digen Schritte bis zur Klimakonferenz in Cancun und darüber hinaus zu entwickeln. Auf der Konferenz wurde von vielen Ministern auf die Bedeutung der „fast start“-Finanzierung für den wei- teren Prozess hingewiesen. Die Bundesregierung hat auf dem Petersberg angekündigt, dass Deutschland 10 Mil- lionen Euro in den UN-Anpassungsfonds einzahlen wird und nochmals die „fast start“-Zusage von 1,26 Milliar- den Euro 2010 bis 2012 unterstrichen. Hiervon sollen mindestens 350 Millionen Euro, rund 30 Prozent der Gelder, für Projekte zur Reduzierung von Entwaldung in Entwicklungsländern zur Verfügung stehen. Mehr als 30 Prozent der Gelder sollen zudem in Anpassung flie- ßen. Anlage 80 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Druck- sache 17/1534, Frage 111): Weshalb hat die Bundesregierung keine Regierungsdele- gation zum alternativen Klimagipfel der Völker – auch: Welt- konferenz der Völker über Klimawandel und die Rechte der Mutter Erde – im bolivianischen Cochabamba vom 19. bis 22. April 2010 geschickt, welcher als alternative Folgekonfe- renz des gescheiterten UN-Klimagipfels ausgerichtet wurde? An der Weltkonferenz der Völker über Klimawandel und die Rechte der Mutter Erde vom 19. bis 22. April 2010 in Cochabamba, Bolivien, wurde die Bundesrepu- blik Deutschland durch die deutsche Botschaft La Paz vertreten. Auf diese Ebene der Wahrnehmung hatten sich die EU-Mitgliedstaaten verständigt. Anlage 81 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 112): Um welche Menge würde sich das radioaktive Inventar in Bezug auf Radionukleide mit einer Halbwertzeit von zehn Jahren erhöhen, wenn die Laufzeit sämtlicher in Betrieb be- findlicher Atomkraftwerke um 10, 20 bzw. 28 Jahre – bitte die Mengen sowohl für die 10, 20 als auch 28 Jahre getrennt an- geben – erhöht würde? Bei einer Verlängerung der Laufzeiten sämtlicher in Betrieb befindlicher Kernkraftwerke um zehn Jahre würde sich bei der zurzeit jährlich anfallenden mittleren Entlademenge von etwa 370 Tonnen die Gesamtmenge an bestrahlten Brennelementen um 10 x 370 = 3 700 Tonnen erhöhen. Damit ergibt sich bei einer Laufzeitverlänge- rung um zehn Jahre eine Erhöhung des Aktivitätsinven- tars um rund 1,5 x 1020 Bq (Becquerel). Bei einer Verlängerung der Laufzeiten sämtlicher in Betrieb befindlicher Kernkraftwerke um 20 Jahre würde sich die Gesamtmenge an bestrahlten Brennelementen um 20 x 370 = 7 400 Tonnen erhöhen. Für die Aktivität ergibt sich eine Erhöhung um rund 3 x 1020 Bq. Bei einer Verlängerung der Laufzeiten sämtlicher in Betrieb befindlicher Kernkraftwerke um 28 Jahre würde sich die Gesamtmenge an bestrahlten Brennelementen um 28 x 370 = 10 360 Tonnen erhöhen. Für die Aktivität ergibt sich eine Erhöhung um rund 4,2 x 1020 Bq. Anlage 82 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 113): Wo soll die Neuverpackung des Atommülls nach der Zwi- schenlagerung in Ahaus erfolgen, wenn es zutrifft, dass der schwach- und mittelradioaktive Abfall, der im Brennelemen- tezwischenlager Ahaus zwischengelagert werden soll, vor dem Transport von Ahaus in das Endlager Schacht Konrad neu verpackt werden muss, und war den zuständigen Behör- den die Tatsache der erforderlichen Neuverpackung bei der Genehmigung der Zwischenlagerung des Atommülls in Ahaus bekannt? Die Bezirksregierung Münster hat am 9. November 2009 eine Genehmigung nach § 7 Strahlenschutzverord- nung erteilt, im westlichen Lagerbereich, Lagerbereich I, des Transportbehälterlagers Ahaus radioaktive Rest- stoffe und Abfälle sowie ausgebaute oder abgebaute ra- dioaktive Anlagenteile bis zu ihrem Abtransport zum Endlager Konrad oder zum Abtransport in eine Einrich- tung zur Behandlung oder zur weiteren Zwischenlage- rung radioaktiver Abfälle und Reststoffe zu lagern. Die Abfälle stammen in der Regel aus dem laufenden Betrieb und der Stilllegung kerntechnischer Anlagen in Deutschland. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3801 (A) (C) (D)(B) Es handelt sich um eine Pufferlagerung von radioakti- ven Abfällen in der Regel für die Betriebsstätte der Ge- sellschaft für Nuklear-Service mbH, GNS, in Duisburg. Im Übrigen wurde diese Nutzung des Transportbehäl- terlagers Ahaus bereits in der Antwort der Bundesregie- rung auf die Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen vom 17. Dezember 2009 behandelt. Anlage 83 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 114): Wie sollen die Gutachter, die derzeit die Energieszenarien der Bundesregierung berechnen, realistische Werte für die Kosten der Atomkraft ansetzen, wenn sie nach Aussage der Bundesregierung vom 28. April 2010 noch keine verlässli- chen Vorgaben der Bundesregierung zu den Kosten für Si- cherheitsnachrüstungen, zur Besteuerung von Brennelemen- ten oder zur Kostenbeteiligung der Betreiber bei der Sanierung der Schachtanlage Asse haben – vergleiche Ant- wort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 17/1531? Die Bundesregierung und die Gutachter tauschen sich ständig über die den Energieszenarien zugrunde liegen- den Annahmen aus. Die relevanten Aspekte werden in den Ergebnissen der Gutachter Berücksichtigung finden. Anlage 84 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 115): Unterstützt die Bundesregierung auf europäischer Ebene eine Erhöhung des EU-Ziels zur Emissionsreduzierung bis 2020 von 20 Prozent auf 30 Prozent, angesichts der Tatsache, dass die Europäische Kommission in ihrer jüngsten Kommu- nikation „Unlocking Europe’s potential in clean innovation and growth“ die geringen Kosten und erheblichen wirtschaft- lichen Chancen eines solchen Schritts hervorgehoben hat? Die Bundesregierung unterstützt ein konditioniertes EU-Emissionsreduktionsziel bis 2020 von 30 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 im Rahmen der Be- schlusslage des Europäischen Rates vom 10./11. Dezem- ber 2009. Anlage 85 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 17/1534, Frage 116): Wie wird die Bundesregierung der Forderung des Gutach- tens 2009 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen nachkommen, die For- schung zu Diagnostik und Therapie von seltenen oder Wai- senkrankheiten, Orphan Diseases, und insbesondere für die Amyotrophe Lateralsklerose, ALS, zu verstärken, und inwie- weit werden Forschungsschwerpunkte des Deutschen Zen- trums für Neurodegenerative Erkrankungen im Bereich von Orphan Diseases und insbesondere von ALS gesetzt? Die Bundesregierung fördert im Rahmen des Gesund- heitsforschungsprogramms Forschung zu Krankheitsur- sachen, Diagnostik und Therapie von seltenen Erkran- kungen mit einer Fördermaßnahme, die darauf abzielt, nationale Kompetenzen zu Gruppen von seltenen Er- krankungen in Forschungsnetzen zu bündeln, 30 Millio- nen Euro für den Förderzeitraum 2003 bis 2009, 70 Mil- lionen Euro vorgesehen für 2009 bis 2018. Die internationale Netzwerkbildung von Wissen- schaftlern wird durch ein internationales Konsortium von Förderorganisationen – unter Beteiligung des BMBF – derzeit mit 20 Millionen Euro gefördert. Diese Maßnahmen sollen konsequent weiterentwickelt und die klinische Forschung ausgebaut werden. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass Anträge zur Er- forschung seltener Erkrankungen auch bei allgemeinen Maßnahmen zur Forschungsförderung durchaus konkur- renzfähig, das heißt erfolgreich, sind. Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Er- krankungen, DZNE, befindet sich noch im Aufbau, so- dass derzeit noch keine abschließenden Aussagen über die konkreten Projekte des Instituts möglich sind. Das DZNE hat seinen Forschungsschwerpunkt bei alters- bezogenen neurodegenerativen Volkskrankheiten wie zum Beispiel Parkinson, der Alzheimer-Erkrankung und anderen Formen der Demenz. Seltenere Formen der neuro- degenerativen Erkrankungen wie Prionen-Erkrankungen, Chorea Huntington oder die Amyotrophe Lateralskle- rose, ALS, sind explizit Teil des Themenspektrums des DZNE. Um eine national abgestimmte Strategie zur Verbesse- rung der gesundheitlichen Situation von Menschen mit seltenen Erkrankungen auszuarbeiten, wurde im März 2010 unter der Federführung des BMG ein Nationales Aktionsbündnis ins Leben gerufen, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Empfehlung des Rates der Europäischen Union umzusetzen. Dazu gehört unter anderem die Erstellung eines Nationalen Aktionsplans für seltene Er- krankungen und die Förderung der Bildung von Fach- zentren. Wesentliche Akteure der Regierung, des Ge- sundheitswesens und der Forschung sind aktiv eingebunden. Anlage 86 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Heinz Paula (SPD) (Drucksache 17/1534, Frage 117): Welches Engagement hat die Bundesregierung mit den Ländern/der Kultusministerkonferenz aufgebracht, die Som- merferienzeiten zu entzerren, und wie ist die mittelfristige Einschätzung hierzu? Auf ihrer 194. Amtschefskonferenz hat die Kultusmi- nisterkonferenz am 15. Mai 2008 die „Langfristige Som- merferienregelung 2011 bis 2017“ beschlossen. 3802 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 (A) (C) (D)(B) Die Regelung der Sommerferientermine fällt in die Kultuszuständigkeit und damit in die alleinige Verant- wortung der Länder. Hierzu stimmt sich die Kultusministerkonferenz mit der Wirtschaftsministerkonferenz ab. In Vorbereitung der letzten Beschlussfassung hatte sich der Beauftragte der Bundesregierung für Tourismus im Zusammenwirken mit der Wirtschaftsministerkonfe- renz mit großem Nachdruck für eine noch stärkere Ent- zerrung der Ferienzeiten eingesetzt, frühzeitig den Kon- takt zum Sekretariat der KMK aufgenommen und sich unter anderem auch direkt an die Ministerpräsidenten der Länder gewandt. Anlage 87 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 118): Wie plant die Bundesregierung – unter anderem personell und finanziell –, die Hochschulen in die Lage zu versetzen, die komplette Organisation und Verwaltung ihres nationalen Sti- pendienprogramms zu übernehmen, und welche Vorschläge will die Bundesministerin für Bildung und Forschung der Hochschulrektorenkonferenz angesichts des erheblichen Auf- wands für die Einwerbung und Administration von privaten Mitteln und der Erfahrungen aus anderen Ländern wie etwa Großbritannien – wo mehr als ein Drittel der eingeworbenen Beträge allein durch diese Bürokratiekosten aufgebraucht wurde – unterbreiten? Artikel 104 a Abs. 5 Grundgesetz (GG) schreibt vor, dass der Bund und die Länder die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben tragen. Anlage 88 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 119): Wieso hat laut dem Entwurf eines Stipendienprogramm- Gesetzes der Studienortwechsel eines Stipendiaten im Inland einen Verlust des Stipendiums zur Folge, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich diese Regelung mobilitätsfeind- lich auswirken dürfte, und unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen können Stipendien aus dem nationalen Sti- pendienprogramm mit ins Ausland genommen werden? Es wird davon ausgegangen, dass die privaten Mittel- geber gezielt Studierende derjenigen Hochschule fördern möchten, der sie Mittel zur Verfügung stellen. Zudem soll die Herstellung eines Kontakts zwischen Stipendia- tinnen und Stipendiaten und privaten Mittelgebern mög- lich sein. Im Falle eines Hochschulwechsels, sei es im Inland, sei es im Ausland, gibt ein Übergangssemester, während dessen das Stipendium von der abgebenden Hochschule fortgezahlt wird, die Gelegenheit, sich an der aufnehmenden Hochschule erneut um ein Stipen- dium zu bewerben oder eine andere Möglichkeit der Stu- dienfinanzierung zu suchen. Während eines Auslandsaufenthalts wird das Stipen- dium in gleicher Höhe fortgezahlt. Alternativ kann das Stipendium unterbrochen werden, zum Beispiel um eine Fördermöglichkeit des DAAD zu nutzen. Voraussetzung ist jeweils, dass der oder die Studierende nicht für den Rest des Studiums an die ausländische Hochschule wechselt, sondern weiterhin an der Hochschule immatri- kuliert ist, die das Stipendium bewilligt hat, oder dass ein beabsichtigter Verbleib an der Hochschule auf andere Weise deutlich gemacht wird. Anlage 89 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 120): Wie definiert die Bundesregierung die im Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung eines nationalen Stipendienprogramms, Stipendienprogramm-Gesetz, StipG, (unter § 1 Abs. 1) genannten Kriterien „Begabung und Leistung“, und warum sind „gesell- schaftliches Engagement, die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, oder besondere soziale, familiäre oder persönli- che Umstände“ anders als „Begabung und Leistung“ als Soll- kriterien geführt (unter § 3 StipG)? Die Stipendien dienen der Förderung begabter Studie- render. Bisher erbrachte besondere Leistungen in Schule, Studium oder Beruf sind für die Begabung ein wichtiges Indiz. Besondere Leistungen werden vor dem Hinter- grund der jeweiligen persönlichen Biografie gewürdigt. Zusätzliche Kriterien, die das Begabungskriterium er- gänzen, aber nicht ersetzen, sind gesellschaftliches Engagement und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, sowie besondere soziale, familiäre oder persönliche Umstände. Ihre Berücksichtigung ist der Re- gelfall. In atypischen Fällen, zum Beispiel bei der Wür- digung besonderer künstlerischer Begabungen, ist es denkbar, dass Zusatzkriterien keine Rolle spielen. Durch diesen Begabungsbegriff ist gewährleistet, dass die gesamte Persönlichkeit und ihr Hintergrund betrachtet werden. Anlage 90 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/1534, Frage 121): Wie kommt die Annahme der Bundesregierung zustande, den Hochschulen im Rahmen des nationalen Stipendienpro- gramms entstünden maximal 30 Millionen Euro Mehrausga- ben, obwohl es Hinweise zum Beispiel aus Großbritannien gibt, wonach der Aufwand allein für Einwerbung privater Mittel unter anderem für Stipendien ein Drittel der eingewor- benen Mittel beträgt, und auf welchen Annahmen basiert die Feststellung aus dem Entwurf eines Stipendienprogramm-Ge- setzes, dass im Endausbau des nationalen Stipendienpro- gramms 100 Millionen Euro an Steuermindereinnahmen durch mögliche Steuererleichterungen für private Stipendien- geber zu erwarten seien? Für die Mittelaquisekosten im Rahmen des nationalen Stipendienprogramms sind der Bundesregierung keine geeigneten internationalen Vergleichswerte bekannt. In Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 39. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 3803 (A) (C) (D)(B) der Projektförderung ist ein Verwaltungskostenanteil von fünf Prozent üblich. Die Annahmen zu den voraus- sichtlichen Steuermindereinnahmen beruhen auf Schät- zungen des Bundesministeriums für Finanzen anhand ähnlicher Konstellationen. Anlage 91 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Nicole Gohlke (DIE LINKE) (Druck- sache 17/1534, Frage 122): Warum spricht die Bundesregierung von einer hälftigen Finanzierung des nationalen Stipendienprogramms durch pri- vate Geldgeberinnen und Geldgeber, wenn in der Endausbau- stufe rund 430 Millionen Euro – Zuschuss, Verwaltungskos- ten, Steuermindereinnahmen – von Bund und Ländern, jedoch nur 200 Millionen Euro von privater Seite getragen werden, was einem Anteil von lediglich 31,75 Prozent entspricht und nicht den im Gesetzentwurf benannten und in der Öffentlich- keit suggerierten 50 Prozent? Die von den Hochschulen vergebenen Stipendien werden, wie der Gesetzentwurf richtig ausführt, zu je- weils 50 Prozent aus privaten und öffentlichen Mitteln finanziert. Die Steuermindereinnahmen entstehen durch Steuererleichterungen, die im Nachhinein für Spenden in Anspruch genommen werden können. Darin liegt kein Widerspruch zu der Aussage über die Zusammensetzung der Stipendienmittel. 39. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 5. Mai 2010 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16 Anlage 17 Anlage 18 Anlage 19 Anlage 20 Anlage 21 Anlage 22 Anlage 23 Anlage 24 Anlage 25 Anlage 26 Anlage 27 Anlage 28 Anlage 29 Anlage 30 Anlage 31 Anlage 32 Anlage 33 Anlage 34 Anlage 35 Anlage 36 Anlage 37 Anlage 38 Anlage 39 Anlage 40 Anlage 41 Anlage 42 Anlage 43 Anlage 44 Anlage 45 Anlage 46 Anlage 47 Anlage 48 Anlage 49 Anlage 50 Anlage 51 Anlage 52 Anlage 53 Anlage 54 Anlage 55 Anlage 56 Anlage 57 Anlage 58 Anlage 59 Anlage 60 Anlage 61 Anlage 62 Anlage 63 Anlage 64 Anlage 65 Anlage 66 Anlage 67 Anlage 68 Anlage 69 Anlage 70 Anlage 71 Anlage 72 Anlage 73 Anlage 74 Anlage 75 Anlage 76 Anlage 77 Anlage 78 Anlage 79 Anlage 80 Anlage 81 Anlage 82 Anlage 83 Anlage 84 Anlage 85 Anlage 86 Anlage 87 Anlage 88 Anlage 89 Anlage 90 Anlage 91
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703900000

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Sitzung ist eröffnet.

Der Kollege Peter Hintze hat ebenso wie der Kollege
Manfred Nink vor wenigen Tagen seinen 60. Geburts-
tag begangen. Im Namen des ganzen Hauses gratuliere
ich dazu auch auf diesem Wege herzlich und wünsche al-
les Gute.


(Beifall)


Die Kollegin Astrid Grotelüschen hat am 27. April
2010 auf ihre Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag
verzichtet. Als Nachfolgerin begrüße ich herzlich die
Kollegin Ewa Klamt.


(Beifall)


Herzlich willkommen! Auf eine gute Zusammenarbeit!

Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Ta-
gesordnung um eine Regierungserklärung der Bundes-
kanzlerin zu erweitern, die jetzt gleich zusammen mit
der ersten Lesung des Entwurfs des Währungsunion-Fi-
nanzstabilitätsgesetzes aufgerufen werden soll. Sind Sie
damit einverstanden? – Das ist offensichtlich der Fall.
Dann ist das so beschlossen.

Rede
Ich rufe also den Zusatzpunkt 1 sowie den Tagesord-
nungspunkt 1 auf:

ZP 1 Abgabe einer Regierungserklärung durch die
Bundeskanzlerin

zu den Maßnahmen zum Erhalt der Stabilität
der Währungsunion und zu dem bevorstehen-
den Sondergipfel der Euro-Länder am 7. Mai
2010 in Brüssel

1 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der FDP eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistun-
gen zum Erhalt der für die Finanzstabilität in
der Währungsunion erforderliche
fähigkeit der Hellenischen Repu
rungsunion-Finanzstabilitätsgesetz

– Drucksache 17/1544 –
zung

den 5. Mai 2010

.30 Uhr

Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-
rung eineinhalb Stunden vorgesehen. – Auch hierzu höre
ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
die Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Angela Merkel (CDU):
Rede ID: ID1703900100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat am
Montag vor dem Hintergrund der durch Griechenland
ausgelösten Krise ein Gesetz zur Stabilisierung der
Währungsunion in Europa beschlossen. Die Grund-
lage für dieses Gesetz ist eine Ultima Ratio, also eine
Notsituation. Die Notsituation besteht darin, dass Grie-
chenland faktisch keinen Zugang zu den Finanzmärkten
mehr hat. Daraus wären Auswirkungen auf die Stabilität

text
des Euro insgesamt entstanden. Das Vorliegen dieser
Notsituation wurde durch die Europäische Zentralbank,
die Europäische Kommission und den Internationalen
Währungsfonds festgestellt. Dieser Notsituation soll mit
einem Programm von IWF, EU-Kommission und EZB
begegnet werden.

Das Programm hat eine Laufzeit von drei Jahren, wie
alle Programme des Internationalen Währungsfonds. Es
hat einen Umfang von insgesamt 110 Milliarden Euro.
Der Internationale Währungsfonds wird davon 30 Mil-
liarden Euro übernehmen. Die Euro-Zone übernimmt
80 Milliarden Euro; der deutsche Anteil daran beträgt

as bedeutet rund 22,4 Milliarden Euro in
avon werden im ersten Jahr 8,4 Milliarden
, in den Jahren 2011 und 2012 zusammen
Milliarden Euro. Das Programm ist so ge-
n Zahlungs-

(Wäh – WFStG)


28 Prozent, d
drei Jahren. D
Euro anfallen
insgesamt 14

staltet, dass Kredite gegeben werden. In Deutschland





Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


(A) (C)



(D)(B)

geschieht das durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau.
Für diese Kredite bürgt der Bund und damit in letzter
Konsequenz der Steuerzahler, also wir alle.

Das sind die nackten Zahlen, Daten, Fakten des Ihnen
heute in erster Lesung vorliegenden Gesetzentwurfes.
Diese nackten Zahlen, Daten, Fakten vermögen nicht
einmal im Ansatz deutlich zu machen, wozu wir heute
hier zusammengekommen sind. Wir sind heute hier zu-
sammengekommen, weil wir in erster Lesung über ein
Gesetz entscheiden müssen, das eine enorme Tragweite
hat. Es ist – das kann nicht klar genug formuliert werden –
von enormer Tragweite für Deutschland und für Europa.

Die Überschrift dessen, was wir beraten – „Maßnah-
men zum Erhalt der Stabilität der Währungsunion“ –,
bringt diese Tragweite unzureichend zum Ausdruck.
Worum es tatsächlich geht, wenn wir in diesem Hause
über Maßnahmen zum Erhalt der Stabilität der Wäh-
rungsunion beraten, müssen wir unmissverständlich
beim Namen nennen: Es geht um nicht mehr und nicht
weniger als um die Zukunft Europas und damit um die
Zukunft Deutschlands in Europa.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das erlegt uns allen, die wir im Deutschen Bundestag
unser Volk vertreten, sei es in der Regierung, sei es in
der Opposition, eine außerordentlich große Verantwor-
tung auf. Selten gibt es solche Situationen. Selten gibt es
Situationen, in denen, erstens, ohne historisches Vorbild,
zweitens, mit unmittelbarer Wirkung für den Augenblick
und, drittens, mit weitreichender Wirkung für die Zu-
kunft unseres Landes und Europas entschieden werden
muss. Heute ist ein solcher Tag. Niemand kann uns, den
gewählten Vertreterinnen und Vertretern unseres Volkes,
diese Verantwortung abnehmen.

Noch klarer wird die uns auferlegte Verantwortung,
wenn wir uns vor Augen führen: Europa schaut heute auf
Deutschland. Ohne uns, gegen uns kann und wird es
keine Entscheidung geben. Ohne uns, gegen uns kann
und wird es keine Entscheidung geben, die ökonomisch
tragfähig ist und den rechtlichen Anforderungen sowohl
mit Blick auf europäisches Recht als auch mit Blick auf
nationales Recht in vollem Umfang Genüge tut.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Madame No!)


In einem Wort: Mit uns, mit Deutschland, kann und wird
es eine Entscheidung geben, die der politisch-histori-
schen Dimension der Situation insgesamt Rechnung
trägt.


(Thomas Oppermann [SPD]: Das hörte sich vor zwei Wochen noch anders an! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Sie müssen besser zuhören!)


Ich bin fest überzeugt, dass Deutschland dieser Verant-
wortung gerecht wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir heute, ei-
nen Satz zu wiederholen, den ich in meiner Regierungs-
erklärung am 25. März dieses Jahres, also in meiner Re-
gierungserklärung vor dem letzten EU-Rat der Staats-
und Regierungschefs, gesagt habe:

Ein guter Europäer ist nicht unbedingt der, der
schnell hilft. Ein guter Europäer ist der, der die eu-
ropäischen Verträge und das jeweilige nationale
Recht achtet und so hilft, dass die Stabilität der Eu-
rozone keinen Schaden nimmt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Warnungen, Skepsis und Zweifel, ob es richtig war,
Griechenland den Zugang zur Euro-Zone zu gewähren,
hat es im Jahr der Entscheidung, also im Jahr 2000, zu-
hauf gegeben. Es wurde auf die schlechte Wettbewerbs-
fähigkeit Griechenlands hingewiesen, auf eine Überfor-
derung des Landes insgesamt, unter dem Dach der
einheitlichen Währung die notwendigen Anpassungen
zu vollziehen. Dennoch muss im Jahr 2000 bereits früh-
zeitig eine vor allem politische Vorentscheidung zuguns-
ten des Beitritts Griechenlands zur Euro-Zone gefallen
sein.

Damit kein Missverständnis entsteht: Ich erwähne
dies nicht, um in irgendeiner Form in eine Diskussion
über Schuldzuweisungen und Verantwortung einzutre-
ten.


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Joachim Poß [SPD]: Wer denkt denn daran?)


Ich erwähne dies nicht, um in eine Diskussion einzutre-
ten, die sich hinsichtlich der damaligen Entscheidung
etwa an die Adresse der damaligen rot-grünen Regierung
richten könnte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Joachim Poß [SPD]: Nein, überhaupt nicht! – Thomas Oppermann [SPD]: Sie müssen in großer Not sein, wenn Sie so was anführen!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich führe eine solche
Diskussion nicht, weil sie, erstens, rückwärts gewandt
wäre. Zweitens wäre sie völlig unergiebig; denn sie
würde uns in keiner Weise von den Fakten befreien, mit
denen die heutige Regierung und die heutigen Abgeord-
neten des Deutschen Bundestages umzugehen haben. Ich
erwähne diese Warnungen, diese Skepsis und die Zwei-
fel aus einem anderen Grund. Ich erwähne sie, weil das
hilft, dass wir uns über den Ernst der Lage keinerlei Illu-
sionen mehr machen, dass wir uns dem Ernst der Lage
stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Das wissen wir schon länger, Frau Bundeskanzlerin! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Unglaublich!)


Dies kann in einem Satz zusammengefasst werden: Eu-
ropa steht am Scheideweg.





Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


(A) (C)



(D)(B)


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor sechs Wochen auch schon! Das ist unglaublich!)


Mit Europa stehen alle 27 Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Union und die 16 Mitgliedstaaten der Euro-
Gruppe am Scheideweg. Europa muss entscheiden, ob es
den Weg der Vergangenheit fortsetzen will. Dieser Weg
bestand zu oft darin, dass Probleme selten direkt beim
Namen genannt wurden,


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür, Probleme beim Namen zu nennen, sind Sie ja bekannt!)


dass sie in der Folge nicht konsequent genug angegan-
gen wurden, dass zu oft gehofft wurde, es werde sich
schon alles regeln und irgendwie gut gehen.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


Gut gemeint war nicht immer gut gemacht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Europa muss sich entscheiden, ob es diesen Weg fort-
setzen will,


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen sich entscheiden!)


dazu noch unter den Bedingungen der Globalisierung
des 21. Jahrhunderts, oder ob es erkennt, dass auch für
die Union der 27 Mitgliedstaaten ein Zeitpunkt gekom-
men ist, an dem sie ihre Kräfte vielleicht überschätzen
könnte, an dem sie von ihrer Substanz und über ihre Ver-
hältnisse lebt, an dem sie von Fehlentscheidungen der
Vergangenheit eingeholt wird,


(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Fehlentscheidungen!)


die sich nicht mehr verdecken lassen, sondern im Gegen-
teil nur noch behoben werden können durch ein konse-
quentes Aufdecken, durch eine schonungslose Analyse
der Lage und eine daraus folgende Therapie.


(Joachim Poß [SPD]: Jetzt bin ich mal gespannt!)


Ich bin der Überzeugung: Dieser Zeitpunkt ist spätestens
jetzt gekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der war schon vor sechs Wochen da! – Joachim Poß [SPD]: Das wollten wir vor drei Wochen hören!)


Die Bundesregierung hat sich deshalb für den zweiten
Weg entschieden. Sie hat sich für den zweiten Weg ent-
schlossen, weil sie überzeugt ist: Ein guter Europäer ist
nicht unbedingt der, der schnell hilft und damit vielleicht
nur den Anschein erweckt, als ob er das Problem lösen
würde.

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Geschichtsklitterung!)


Ein guter Europäer ist vielmehr der, der die europäischen
Verträge und das jeweilige nationale Recht achtet und so
dazu beiträgt, dass die Stabilität der Euro-Zone und der
ganzen Europäischen Union keinen Schaden nimmt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Jetzt kommt die MerkelLegende: Ich war die Beste! Ich habe alles richtig gemacht!)


So, aber auch nur so kann es uns gelingen, den Kreis-
lauf sich immer schneller und immer höher auftürmen-
der Probleme zu durchbrechen. So beenden wir das Le-
ben von der Substanz und über die Verhältnisse. So
dienen wir dem Wohl Europas und Deutschlands.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Auf dieser Grundlage hat die Bundesregierung in den
Verhandlungen mit Europa auf allen politischen Ebenen
von Beginn an wieder und wieder deutlich gemacht,


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Wir warten ab“, das ist das, was Sie deutlich gemacht haben!)


dass wir Hilfen an Griechenland nur in strikter Überein-
stimmung mit dem europäischen Recht und dem deut-
schen Verfassungsrecht, das heißt, nur unter folgenden
vier Voraussetzungen leisten werden und leisten kön-
nen:

Erste Voraussetzung. Der Schlüssel zur Lösung der
Krise liegt in Griechenland. Wir haben darauf bestanden,
dass Griechenland sich zu einer umfassenden Eigenan-
strengung verpflichtet. Eine Konsolidierung ohne maxi-
male Selbsthilfe Griechenlands hätte im Widerspruch zu
den bei uns durch die Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts und die europäischen Verträge abgesicher-
ten Prinzipien der Stabilitätsgemeinschaft gestanden. So
etwas war mit mir nicht zu machen. Das hat die Bundes-
regierung, ganz gleich, wie stark der Druck in Europa
und Deutschland auch immer war, von Beginn an strikt
abgelehnt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Seit Sonntag liegen der Bundesregierung die Einzel-
heiten der geplanten Vereinbarung zwischen dem Inter-
nationalen Währungsfonds, den 15 Mitgliedstaaten und
Griechenland vor.


(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Pech gehabt, was?)


Aus dieser Vereinbarung wird deutlich: Griechenland
verpflichtet sich zu einer umfassenden, zu einer maxi-
malen Eigenanstrengung. Das Land muss alles tun und
tut alles, um seine exorbitante Staatsverschuldung ab-
zubauen. Die Vereinbarung sieht einschneidende Maß-
nahmen vor. Das Programm ist ehrgeizig. Es soll die
Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands erhöhen, damit das
Land seine Verschuldung aus eigener Kraft abbauen
kann. Nur so lässt sich das Vertrauen der Kapitalmärkte





Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


(A) (C)



(D)(B)

wiedergewinnen. Dieses Programm erfüllt deshalb un-
sere erste Voraussetzung.


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)


Ich füge hinzu: Ich traue meinem griechischen Amts-
kollegen, Ministerpräsidenten Papandreou, zu, dieses
Programm, auch wenn es eine wahrhaft gewaltige Auf-
gabe ist, mit Unterstützung der europäischen Partner und
des IWF umzusetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Peter Altmaier [CDU/CSU], an die SPD gewandt: Können Sie vielleicht auch mal klatschen? Das ist doch richtig!)


Zweite Voraussetzung. Der Internationale Währungs-
fonds muss eingebunden werden. Wir haben darauf
bestanden, auch wenn wir mit dieser Haltung in der
Europäischen Union zu Beginn in der Minderheit waren.
Es ist der Internationale Währungsfonds, der mit seinen
Erfahrungen einen wertvollen – ich sage: unverzichtba-
ren – Beitrag zu einer erfolgreichen Umsetzung des grie-
chischen Sanierungsprogramms leistet. Ohne Deutsch-
land wäre es zu einer Einbeziehung des IWF nicht
gekommen.

Zur Wahrheit des heutigen Tages gehört ein Weiteres:
Auch das Programm Griechenlands mit den notwendi-
gen Eigenanstrengungen hätten wir niemals erreicht,
wenn Deutschland zu einem frühen Zeitpunkt, wie von
fast allen gefordert, finanziellen Hilfen ohne ausrei-
chende Entscheidungsgrundlage zugestimmt hätte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Vielmehr hätten wir das Gegenteil bewirkt. Eine frühe
Hilfe ohne ausreichende Entscheidungsgrundlage hätte
nur die Erwartungen gesteigert, dass hochverschuldete
Mitglieder der Euro-Zone ohne eigene Konsolidierungs-
anstrengungen schnell mit großzügigen Hilfen rechnen
könnten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD – Joachim Poß [SPD]: Ach was! Die Hilfen hatten wir doch teilweise schon beschlossen! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Boulevardzeitungsniveau!)


Das hätte zu ähnlichen Destabilisierungen geführt wie
eine grundsätzliche Verweigerung der Hilfen an Grie-
chenland. Dem hat die Einbindung des IWF mit seiner
langjährigen Erfahrung bei der Sanierung von hoch-
verschuldeten Staaten, bei der Erarbeitung eines Sanie-
rungsprogramms und bei der konsequenten Überwa-
chung der Umsetzung des Programms entgegengewirkt.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Warum waren wir denn dann dagegen?)


So, aber auch nur so schaffen wir es, in Europa zu den
gewohnten Pfaden zu kommen und nicht so schnell zu
glauben, ein Problem sei bereits gelöst, wenn es schnell
gelöst wird, obwohl es in Wahrheit immer größer wird


(Joachim Poß [SPD]: Und sehr teuer! Es wird von Tag zu Tag teurer!)

und nachfolgende Generationen, wie heute uns, eines
Tages einholt, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Sie haben die Spekulation mit angeheizt! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sagen Sie das mal Herrn Schäuble!)


Mit der am 26. März auf dem Rat der EU-Staats- und
Regierungschefs beschlossenen Einbeziehung des IWF
wurde also auch die zweite Voraussetzung erfüllt. Ich
füge hinzu: Sie hat sich, wie wir sehen, schon jetzt be-
währt.

Dritte Voraussetzung. Griechenland ist nicht mehr in
der Lage, sich selbst auf den internationalen Kapital-
märkten zu refinanzieren. Dies ist nicht allein ein Pro-
blem Griechenlands, sondern Ausgangspunkt unabseh-
barer Folgen für den gesamten Euro-Raum.


(Joachim Poß [SPD]: Auch der Spekulation, die Sie angefeuert haben!)


Deshalb gilt als vierte Voraussetzung: Die zu be-
schließenden Hilfen für Griechenland sind alternativlos,
um die Finanzstabilität des Euro-Gebietes zu sichern.
Wir schützen also unsere Währung, wenn wir handeln.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Und die Spekulanten! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Und die Ziele der deutschen Banken! Wie immer! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das merken Sie erst jetzt?)


Dazu haben die Europäische Zentralbank und die
Europäische Kommission unmissverständlich dargelegt:
Die sofortigen Hilfen sind das letzte Mittel zur Gewähr-
leistung der Finanzstabilität im Euro-Gebiet insge-
samt. Sie müssen erfolgen, damit es nicht zu einer
Kettenreaktion im europäischen und internationalen
Finanzsystem und zu einer Ansteckung anderer Euro-
Mitglieder kommt. Nachdem gerade das Gröbste der
Finanzkrise des Jahres 2008 überwunden ist und sich das
Euro-Gebiet auf dem Weg der Erholung befindet, wür-
den systemgefährdende Störungen der Finanzmärkte
diese Erholung zunichtemachen. Eine erneute Finanz-
krise würde zu spürbaren Wohlstandsverlusten und zu
höherer Arbeitslosigkeit auch in Deutschland führen.

Im Übrigen wird klar: So richtig es ist, alles dafür zu
tun, dass hemmungslosen Spekulationen an den Märkten
Einhalt geboten wird


(Zuruf von der LINKEN: Dann tut das doch!)


und Ratingagenturen klaren Regeln unterworfen werden,
so unabweisbar ist es, der ganzen Wahrheit ins Auge zu
sehen. Ursache oder Auslöser für die Lage in Griechen-
land und die Folgen für den ganzen Euro-Raum waren
nicht allein hemmungslose Spekulationen an den Märk-
ten und das Verhalten der Ratingagenturen.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch!)


Der Tag der ganzen Wahrheit war vielmehr der 22. April
dieses Jahres. An dem Tag meldete Eurostat beim grie-





Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


(A) (C)



(D)(B)

chischen Haushaltsdefizit eine nochmalige Korrektur
nach oben an. Es wurde deutlich: Die von Griechenland
zu zahlenden Zinsen stiegen in exorbitante Höhe. Eine
Refinanzierung Griechenlands am Kapitalmarkt wurde
praktisch unmöglich. Damit stand die griechische Zah-
lungsunfähigkeit unmittelbar bevor. Einen Tag später,
am 23. April, hat Griechenland um Hilfe nachgesucht.

Meine Damen und Herren, der Europäische Rat der
Staats- und Regierungschefs hat am 25. März dieses Jah-
res Griechenland für eine solche Situation Hilfen unter
genau den genannten vier Bedingungen in Aussicht ge-
stellt. Alle vier müssen erfüllt sein; keine einzige dieser
vier Voraussetzungen ist entbehrlich. Die Analysen des
IWF, der Europäischen Zentralbank und der Europäi-
schen Union lassen keinen Zweifel zu: Alle vier Voraus-
setzungen sind jetzt erfüllt. Sie sind die Grundlage unse-
rer Entscheidungen in dieser Woche, und sie markieren
politisch wie rechtlich ihren Rahmen.

Hinzu kommt die Klärung einer Beteiligung der
Gläubiger. Die Bundesregierung will in dieser Woche
eine Entscheidung, die auch die Verantwortung der Ban-
ken und anderer Gläubiger deutlich werden lässt.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn? Was denn? Wieso? Weshalb? Warum?)


Der Bundesfinanzminister hat dazu Gespräche geführt.


(Zurufe von der SPD: Oh!)


Banken und Gläubiger dürfen sich ihrer Verantwortung
nicht entziehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Klingelbeutel! – Joachim Poß [SPD]: Ablasshandel!)


Deshalb begrüße ich, dass es hierzu ganz offensichtlich
eine Bereitschaft bei Banken und Gläubigern gibt.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie kapitulieren!)


Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass
die Finanzwirtschaft plant, bestehende Kreditlinien an
Griechenland und griechische Banken bis 2012 aufrecht-
zuerhalten.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das Problem ist doch danach!)


Ich füge aber hinzu: Wenn sich die Banken von einem
solchen freiwilligen Beitrag erhoffen sollten, dass wir
sie gleichsam als Gegenleistung bei einer Bankenabgabe
oder anderen Maßnahmen entlasten,


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)


dann haben sie sich gründlich getäuscht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


An dieser Stelle auch ein Wort zur internationalen
Finanztransaktionsteuer. Der damalige Finanzminis-
ter und ich haben uns beim G-20-Gipfel in Pittsburgh da-
für eingesetzt, dass eine solche internationale Finanz-
transaktionsteuer Realität wird.

(Thomas Oppermann [SPD]: Wenn sich alle verständigen, sind Sie dafür!)


Daraufhin hat es einen G-20-Beschluss gegeben, der den
Internationalen Währungsfonds um Vorschläge gebeten
hat,


(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)


in welcher Form man die Banken in die Verantwortung
einbeziehen kann.


(Zurufe von der LINKEN: Hey!)


Inzwischen liegen die Empfehlungen des Internationalen
Währungsfonds für die nächste Tagung der G 20 in Ka-
nada vor.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Heiligendamm haben Sie auch schon darüber gesprochen!)


Der Internationale Währungsfonds unterstützt, dass wir
eine Bankenabgabe erheben, so wie es Deutschland vor-
sieht.


(Zurufe von Abgeordneten der SPD: Oh!)


Der Internationale Währungsfonds verwirft die Idee ei-
ner internationalen Finanztransaktionsteuer.


(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Falsch! – Weitere Zurufe)


– Ich würde an Ihrer Stelle einfach einmal zuhören. Sie
könnten ja vielleicht noch etwas lernen. Wirklich: Ein-
fach einmal zuhören.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können Sie am Kabinettstisch machen! Hier darf man zwischenrufen! Ein bisschen arrogant!)


Der Internationale Währungsfonds weist darauf hin,
dass eine internationale Finanztransaktionsteuer auch die
Realwirtschaft trifft, und empfiehlt stattdessen eine
Besteuerung der Gewinne und Gehälter der Banken.


(Thomas Oppermann [SPD]: Der Sparkassen!)


Ich finde, wir tun gut daran, den Empfehlungen des In-
ternationalen Währungsfonds eine große Beachtung zu
schenken. Ich bitte auch die Opposition, sich mit diesen
Vorschlägen auseinanderzusetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich sage auch in Richtung der Banken: Wenn jemand
in unserer Gesellschaft eine Gegenleistung erbringen
muss, dann ist das nicht der Staat gegenüber den Ban-
ken, sondern dann sind das die Banken gegenüber dem
Staat und damit gegenüber den Menschen in Deutsch-
land. Aus dieser Verantwortung werden wir sie nicht ent-
lassen, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warme Worte!)


Deshalb werden wir uns mit Nachdruck für weitere
Regulierungsmaßnahmen bei Derivaten, Hedgefonds





Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


(A) (C)



(D)(B)

und Leerverkäufen in Europa und weltweit einsetzen;
denn das Primat der Politik gegenüber den Finanz-
märkten muss – das ist mein Ziel, das ist das Ziel der
Bundesregierung und sicherlich auch dieses Hohen Hau-
ses – wiederhergestellt werden. Daran müssen wir arbei-
ten, und dabei werden wir nicht ruhen, meine Damen
und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von den Linken: Das ist doch lächerlich!)


Ein Zweites muss klipp und klar sein: Mit den jetzt zu
beschließenden Maßnahmen für Griechenland kann es
nicht getan sein. Die Stabilität des Euro muss langfristig
gesichert werden. Wiederholungen müssen vermieden
werden. Die wirtschafts- und finanzpolitische Koordi-
nierung und die gegenseitige Überwachung in Europa
müssen verbessert werden. Das muss auch ein Element
der neuen Wachstumsstrategie 2020 werden, die wir
im Juni verabschieden. Ich kann mir beim besten Willen
nicht vorstellen, wie wir in wenigen Wochen diese
Wachstumsstrategie verabschieden, ohne dass sie in kon-
kreter Form in einem Zeitplan und ersten Maßnahmen
deutlich macht, dass und wie Europa die Lehren aus die-
ser Krise zieht. Es wird ein Wille zu stärkerer wirt-
schafts- und finanzpolitischer Zusammenarbeit notwen-
dig sein.

Ich kann auch niemandem ersparen, dass dabei insbe-
sondere die Aufmerksamkeit auf solche Mitgliedstaaten
gelenkt wird, die über keine ausreichende Wettbewerbs-
fähigkeit verfügen. Dabei geht es nicht, um das gleich
vorwegzusagen, um Schuldzuweisungen; es geht statt-
dessen einmal mehr um die Abwendung von Schaden für
den gesamten Euro-Raum. Diese Abwehr von Schaden
ist – das ist meine Überzeugung – nur durch einen Weg
der Offenheit, der Klarheit und auch der Schonungslo-
sigkeit zu erreichen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Aber nicht der Verzögerung!)


Wir haben die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Euro-
päische Währungsunion langfristig auf ein stabiles Fun-
dament gestellt wird. Dazu gehört eine schnellere und
straffere Anwendung von Sanktionen gegen Euro-Mit-
gliedstaaten, die ihrer Verpflichtung zur Senkung des
Defizits unter 3 Prozent nicht nachkommen. Dazu gehört
eine Diskussion um verstärkte und vor allem wirksame
Sanktionen bei Verstoß gegen den Stabilitätspakt.

Ich sage es unmissverständlich: Teil dieser Sanktio-
nen müssen auch Suspendierungen aus dem EU-Haus-
halt sein. Wer sich nicht an die Maastricht-Defizitgrenze
hält, der verwirkt einen Teil seiner Strukturfonds- oder
Agrarmittel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


In letzter Konsequenz heißt das nichts anderes, als noto-
rischen Defizitsündern zumindest vorübergehend das
Stimmrecht zu entziehen. Für den äußersten Notfall
muss auch ein Verfahren für eine geordnete Insolvenz ei-
nes Mitgliedstaates entwickelt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

In einem Satz zusammengefasst: Wenn zur dauerhaf-
ten Erhöhung der Stabilität der Wirtschafts- und Wäh-
rungsunion Vertragsänderungen unumgänglich sind
– das sind sie mit großer Wahrscheinlichkeit –, dann
setzt sich die Bundesregierung, dann setze ich mich auch
ganz persönlich dafür mit allem Nachdruck ein. Wie
mühselig und langwierig ein solcher Prozess auch immer
sein mag, das darf uns nicht daran hindern, das Richtige
zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt: Das
sind wir den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes
schuldig, das sind wir unseren nachfolgenden Generatio-
nen schuldig. Ich sagte es: Europa steht am Scheideweg.
Die Entwicklung in Griechenland hat uns drastisch vor
Augen geführt, wohin eine unsolide Haushalts- und
Finanzpolitik führen kann. Es beweist sich auch für un-
ser eigenes nationales Vorgehen als wegweisend, dass
wir im vergangenen Jahr eine Schuldenbremse in unsere
Verfassung aufgenommen haben; sie gilt ab dem nächs-
ten Jahr.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sagen Sie das einmal der FDP!)


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Der jetzt vorgeschlagene Lö-
sungsweg einschließlich der vierteljährlichen Überprü-
fungen der Umsetzung des griechischen Programms bie-
tet mehr Chancen als jede andere Alternative. Er bietet
die bestmögliche Gewähr dafür, dass der deutsche Steu-
erzahler, der über den Bund für die Kredite der Kreditan-
stalt für Wiederaufbau bürgt, von einer Inanspruch-
nahme verschont bleibt.

1997 hat die Bundesregierung von Helmut Kohl,
Theo Waigel und Klaus Kinkel darauf bestanden, dass
der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt ein-
geführt wird. Die Aufgabe meiner Regierung und aller
Mitglieder dieses Hauses heute ist es, darauf zu beste-
hen, dass dieser Stabilitätspakt durchgesetzt wird, ihn zu
verteidigen und ihn als Lehre aus dieser Krise weiterzu-
entwickeln.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir müssen ihn so ausgestalten, dass er nicht mehr un-
terlaufen werden kann, sondern strikt einzuhalten ist. So
wie die Regierung Helmut Kohl 1997 größte Wider-
stände überwinden musste, so muss auch unsere politi-
sche Generation heute große Widerstände überwinden.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Kohl war wenigstens Europäer!)


Deutschland, der stärksten Wirtschaftsnation Euro-
pas, kommt in dieser Lage eine besondere Verantwor-
tung zu, und Deutschland nimmt diese Verantwortung
wahr.


(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Nein!)


Die glückliche Geschichte Deutschlands nach dem
Zweiten Weltkrieg, die Entwicklung zu einem freien, ei-
nigen und starken Land ist von der parallel verlaufenen
Geschichte der Europäischen Union nicht einmal in Ge-
danken zu trennen. Die europäische Einigung ihrerseits





Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


(A) (C)



(D)(B)

ist ohne die deutsche Beteiligung überhaupt nicht vor-
stellbar. Deutschland lebt in der Europäischen Union in
einer Schicksalsgemeinschaft. Ihr verdanken wir Jahr-
zehnte des Friedens, des Wohlstands und des Einverneh-
mens mit unseren Nachbarn. Der Krieg, der – nicht zu-
letzt durch deutsche Schuld – immer wieder Europa
verwüstet hat, verschont unseren Kontinent inzwischen
so lange wie nie zuvor in der jüngeren Geschichte.

Wir Bürgerinnen und Bürger Europas sind zu unse-
rem Glück vereint. Für diese Überzeugung hat noch jede
deutsche Bundesregierung – von Konrad Adenauer bis
heute – gearbeitet. Wir arbeiten für ein starkes Europa,
das seine Rolle in der Welt geeint und entschieden wahr-
nimmt, das seine Werte und Interessen selbstbewusst
verteidigt. Das war, ist und bleibt Deutschlands und Eu-
ropas Zukunft.

Ich bitte Sie heute um Ihre Zustimmung zu dem vor-
liegenden Gesetzentwurf.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Nein!)

Mit ihm schützen wir die Bürger unseres Landes,


(Joachim Poß [SPD]: Dafür haben wir keine Gewähr!)


mit ihm treffen wir die notwendigen Entscheidungen für
Deutschland, für die Bürgerinnen und Bürger unseres
Landes, und mit ihm leisten wir zusammen mit unseren
Partnern in Europa unseren Beitrag für eine gute Zukunft
Europas – denn es geht um die Zukunft Europas.

Herzlichen Dank.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703900200

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort erhält zunächst der Kollege Dr. Frank-
Walter Steinmeier für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD):
Rede ID: ID1703900300

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Die Entscheidung, die wir in dieser Woche im Deutschen
Bundestag zu treffen haben, ist über die Jahre gesehen
vielleicht die folgenreichste und deshalb schwerste Ent-
scheidung, die wir zu treffen haben. Dies ist eine Ent-
scheidung, die die Menschen – wir haben das auf den
Straßen erleben können – ganz ohne Zweifel verun-
sichert und beunruhigt.

Was wir hier erleben – das sage ich in Erinnerung an
manche Wortbeiträge auch von Beteiligten hier aus die-
sem Hohen Hause –, ist aber keine Griechenland-Krise,
sondern das ist ein bisschen mehr als das: Das ist die
größte Belastungsprobe für die europäische Integra-
tion seit den Römischen Verträgen. Ich habe bei den
Äußerungen in den letzten Tagen nicht immer den Ein-
druck gehabt, dass das jedem aus den Koalitionsfraktio-
nen hier bewusst war.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Frau Bundeskanzlerin, deshalb verbitten wir uns jede
selbstgerechte Belehrung in der Form, wie wir sie eben
gehört haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es ist doch eine Frechheit, uns, der SPD-Fraktion, zu er-
klären, die Beiziehung des IWF sei notwendig gewesen.
Wer von den Kolleginnen und Kollegen hat das in der
Vergangenheit bestritten?


(Joachim Poß [SPD]: Eben!)


Sie und die Regierung haben geschwankt wie ein Rohr
im Wind und erklären das nachträglich zur Strategie.
Das ist doch so durchsichtig wie nur irgendetwas.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Um aber allen Missverständnissen, den gewollten wie
den ungewollten, von vornherein den Boden zu entzie-
hen, sage ich, meine Damen und Herren: Jawohl, das
europäische Rettungspaket muss sein, die deutsche Be-
teiligung daran auch. – Wir haben den Weg dafür geöff-
net, dass ohne kleinliche Streitereien über das Verfahren
hier im Hohen Hause des Deutschen Bundestages in die-
ser Woche entschieden werden kann. Frau Merkel, wir
werfen Ihnen nicht vor, dass Sie handeln. Im Gegenteil:
Wir werfen Ihnen vor, dass Sie erst jetzt handeln. Das
Unheil, dass Sie bis hierhin angerichtet haben, ist näm-
lich gewaltig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Hier vorne sitzt der Kollege Poß aus meiner Fraktion.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das habe ich auch schon gehört!)


Er hat Ihrem Finanzminister am 11. Februar dieses Jah-
res geschrieben und ihn gefragt: Was ist los? Was ge-
denkt die Regierung in der Causa Griechenland zu tun? –
Das hat er sich ja nicht selbst ausgedacht,


(Joachim Poß [SPD]: Doch!)


sondern er hat ein bisschen auf die Finanzmärkte ge-
schaut


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Er war ratlos!)


und gesehen: Da ist etwas beunruhigend in Bewegung
geraten; da gibt es angriffslustige Hedgefonds, die Spe-
kulationswellen gegen Griechenland losgetreten und
den Wert des Euro ins Sinken gebracht haben.

Im Februar war doch schon erkennbar, dass Griechen-
land ganz gefährlich ins Trudeln geriet. Wer das hören
und sehen wollte, der konnte einigermaßen wissen, was
da auf uns zukommen würde. Das war der Zeitpunkt, zu
handeln, und da hätte eine gute Regierung mit einem
Krisenmanagement begonnen, das Parlament hier infor-
miert


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)






Dr. Frank-Walter Steinmeier


(A) (C)



(D)(B)

und Handlungsoptionen ausgeleuchtet. Das wäre ein
vernünftiges Krisenmanagement gewesen. Nichts da-
von! Ich habe es nicht gesehen. Stattdessen Verschieben,
Verschleiern, Schönreden.

Erst hieß es: „Es wird schon nicht so schlimm kom-
men“, dann wurde es eine Zeit lang zum griechischen
Problem erklärt, dann begann – das habe ich doch in gu-
ter Erinnerung – diese merkwürdige Taktiererei rund um
den 9. Mai dieses Jahres. Wir haben sehr wohl gespürt,
dass viele bei Ihnen gehofft haben, dass der griechische
Antrag erst am 14. Mai kommt und nicht bereits Ende
des vergangenen Monats. Es kam dann doch anders.

Die Krönung – ich kann nicht darauf verzichten, das
hier zu erwähnen – war aber doch dieses Theater, bei
dem ich bis heute nicht weiß, wer eigentlich die ent-
scheidenden Rollen besetzt hatte: auf der einen Seite die
Bundeskanzlerin auf einem Bismarck-Sockel auf Seite 2
der Bild-Zeitung mit dem Motto „Kein Euro für Grie-
chenland“ und auf der anderen Seite gleichzeitig das
Signal des Finanzministers an die Europäer: Am Ende
werden wir bei diesem Rettungspaket von Europa schon
mitmachen. – Das ist unanständig. So geht man mit dem
Parlament und der Öffentlichkeit nicht um.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Frau Merkel, die Regierungserklärung, die Sie gerade
abgegeben haben, war keine Werbung für eine breite Zu-
stimmung hier im Parlament.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich bin auch nicht mit dieser Erwartung hierhergekom-
men; das sage ich ganz ehrlich. Ich hätte aber Verständ-
nis dafür gehabt, wenn Sie gesagt hätten: Für eine Ent-
scheidung von einer solchen Tragweite brauchen wir
eine stärkere Mehrheit als nur die Mehrheit der eigenen
Koalitionsfraktionen. – Ich unterstelle Ihnen auch durch-
aus, dass Sie nicht nur deshalb ein Interesse daran haben,
weil Sie sich Ihrer eigenen Mehrheit unsicher sind. Denn
auch ich sage aus meinem Demokratieverständnis he-
raus: Es wäre gut, wenn bei Entscheidungen solcher
Tragweite die im Deutschen Bundestag vertretenen Par-
teien nicht Lichtjahre und Galaxien voneinander entfernt
wären. Deshalb habe ich öffentlich wie auch in Gesprä-
chen mit Herrn Schäuble und Ihnen gesagt: Ich schließe
nicht aus, dass wir am Freitag zu einer gemeinsamen
Entscheidung kommen. Aber ich habe ebenso deutlich
und auch das von Anfang an gesagt: Eine Zustimmung
zu einer nackten Kreditermächtigung wird es mit der
SPD im Deutschen Bundestag nicht geben.


(Beifall bei der SPD)


Das ist keine Antwort auf die Bedrohung, erst recht
keine angemessene.

Ich will noch hinzufügen: Das Verhalten der letzten
Woche – ich habe es kurz skizziert – hat uns eine mögli-
che Einigung am Freitag nicht gerade erleichtert. Wenn
sich das ändern soll, Frau Merkel, dann müssen Sie Ihr
Verhalten und das Verhalten der Regierung ändern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben wochenlang versucht, uns herauszuhalten. Es
gab wochenlang nicht den Ansatz eines Versuchs, ent-
weder – das wäre ja auch möglich gewesen – ein Paket
mit einer eigenen Konzeption vorzulegen, wie man mit
der Causa Griechenland und den Folgen umgehen will,
oder uns, die Opposition, einzuladen und sich anzuhö-
ren, welche Gedanken, Ideen und Vorschläge wir haben,
um miteinander ins Gespräch zu kommen.

Ich habe früher immer gesagt: Eine gute Regierung
muss funktionieren wie Brandschutz. Sie muss Gefahren
analysieren, vorausschauend handeln und vor allen Din-
gen entschlossen führen. Diese Regierung ist kein
Brandschutz für Deutschland. Sie haben die Dinge trei-
ben lassen und rufen jetzt, wo es lichterloh brennt, nach
der Feuerwehr. Ein bisschen spät, würde ich sagen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn es nur das wäre, dann hätte ich darauf verzichtet,
dies zu erwähnen. Entscheidender ist, finde ich: Sie
beide, Kanzlerin und Vizekanzler, haben auf der Brücke
gefehlt, als das Schiff in Seenot geraten ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sie haben es einfach laufen lassen, als die Neunmal-
klugen bei Ihnen gerufen haben: „Mir gebbet nix!“,
oder: „Sollen die Griechen doch ein paar Inseln verkau-
fen“. – Wo war da Führung? Wo war da Krisenmanage-
ment, Frau Merkel? – Nichts davon.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das war kein Krisenmanagement, sondern es war im-
mer auch – lassen Sie mich das so offen sagen – ein biss-
chen Schielen auf den Boulevard.


(Zuruf von der SPD: Ein bisschen?)


Das war das Doppelspiel, das uns in Europa enormes
Vertrauen und Ansehen gekostet hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben in den letzten Tagen viel mit Europäern ge-
sprochen. Das habe ich auch getan, und ich sage Ihnen:
Keine Bundesregierung hat es geschafft, in so kurzer
Zeit so viel Ansehen und Vertrauen zu verspielen wie Sie
in diesen Tagen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Beim Verspielen von Vertrauen ist Schröder gar nicht zu erreichen! – Widerspruch der Abg. Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU] und Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU])


Ich darf Ihnen jedenfalls versichern: Wir Sozialdemo-
kraten wissen und stehen dazu: Ohne den Euro hätten





Dr. Frank-Walter Steinmeier


(A) (C)



(D)(B)

Europa und Deutschland in der Weltwirtschaft keine Zu-
kunft. Ohne den Euro hätte uns diese Finanz- und Wirt-
schaftskrise noch sehr viel härter getroffen als jetzt. Es
glaube doch bitte niemand, auch nicht in diesem Hause,
dass wir nur eines der Probleme, mit denen wir umzuge-
hen haben, gelöst hätten, wenn die Menschen in Grie-
chenland wieder in Drachmen, in Italien in Lira und in
Spanien wieder in Peseten zahlten. Nicht ein einziges
Problem wäre dadurch gelöst. Aber dies den Menschen
zu erklären, Frau Merkel, ist Aufgabe einer Regierung.
Das ist Ihre Aufgabe. Das hätten Sie den Menschen sa-
gen müssen. Jetzt steckt die Karre für alle sichtbar im
Dreck.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auf Dauer gesehen – das ist meine feste Überzeu-
gung; sie bleibt es auch bei den gegenwärtigen Schwie-
rigkeiten – ist ein starkes Europa die richtige, mittel-
und langfristig vielleicht sogar die einzige Antwort auf
eine sich verändernde Weltwirtschaft. Das ist doch – so
habe ich es immer verstanden – unser Gegenentwurf zu
einer regellosen Welt.

Deshalb müssen wir diesen Entwurf aufrechterhalten
und Europa stärker machen, statt lästerlich darüber in
dieser Weise zu reden, wie das in letzter Zeit geschehen
ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das meine ich politisch, ich meine es aber auch wirt-
schaftlich. Wir in Deutschland wären doch die Haupt-
leidtragenden – Sie wissen das alles doch –, wenn die
Stabilität in der Euro-Zone dauerhaft in Gefahr ge-
riete. Zwei Drittel unserer Exporte gehen in die Staaten
der Europäischen Union. Die deutsche Wirtschaft spart
jedes Jahr rund 10 Milliarden Euro, weil sie im Euro-
Raum keine Kurssicherungsgeschäfte mehr machen
muss. Die Kredite für Griechenland sind deshalb – las-
sen Sie es mich noch einmal sagen – eben nicht nur eine
Frage europäischer Solidarität. Sie sind auch ein Gebot
wirtschaftlicher Vernunft. Das sieht die Sozialdemo-
kratie nicht anders als der eine oder andere hier im Ho-
hen Haus.


(Beifall bei der SPD)


All das, was ich Ihnen vorgetragen habe, ist wichtig.
Aber das trifft noch nicht den Kern; darüber möchte ich
jetzt noch reden. Es geht um Griechenland, es geht um
die Währungsunion, es geht um Europa. Ja, das stimmt.
Aber wir sind in der jetzigen Entscheidungssituation
auch an einem Punkt, an dem es um noch mehr geht. Ich
kann es nicht kleiner sagen: Es geht um das Vertrauen
der Menschen in die Gestaltungskraft der Politik
überhaupt. Es geht auch um das Fundament unserer
Demokratie.


(Beifall bei der SPD)


Warum sage ich das? Sie spüren doch genauso wie wir,
dass hinter dem ganzen Unbehagen, das uns begegnet,
eine tiefe, große Sorge, an der wir nicht vorbeigehen
können, steckt, eben die Sorge, dass die Politik die inter-
nationalen Finanzmärkte nie und nimmer unter Kon-
trolle bekommt, dass anonyme Hedgefonds – darüber
habe ich bereits gesprochen – nicht nur mit Banken, son-
dern am Ende auch mit Staaten Monopoly spielen kön-
nen, weil das Börsenkasino noch immer keine Regeln
hat. Viele Menschen zweifeln daran – Sie hören und spü-
ren das doch auch –, dass die Politik am Ende etwas ge-
gen die Macht der Finanzwelt ausrichten kann. Der Kern
des Problems ist doch die scheinbare Hilflosigkeit der
Politik gegenüber den Finanzmärkten. Das untergräbt
das Vertrauen der Menschen. Das ist die Grundsatzfrage
der Demokratie, über die wir in einem solchen Zusam-
menhang auch reden müssen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb sage ich: Wir müssen weiterdenken und mu-
tiger handeln, als die Bundesregierung das gegenwärtig
plant. Wir müssen an die Ursachen der Krise herange-
hen. Wir müssen die Lasten der Krise gerecht verteilen.
Ich frage Sie: Wann, wenn nicht jetzt in einer solchen
Krise nicht nur der Währungsunion, sondern ganz Euro-
pas, sollen wir handeln? Jetzt ist der Zeitpunkt, zu han-
deln.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Frau Merkel, machen Sie also Ernst! Keine Lippenbe-
kenntnisse mehr! Ich fordere Sie auf: Verbieten Sie
ungedeckte Leerverkäufe! Verbieten Sie spekulative
Kreditversicherungen! Sorgen Sie für eine strengere
Überwachung der Hedgefonds! Regulieren Sie die Ra-
tingagenturen! Schaffen Sie eine europäische Rating-
agentur! Sorgen Sie für einen Finanz-TÜV!


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was soll denn das?)


– Hören Sie einen Augenblick zu! Sie kommen auch
dran. – Ja, wir sind auch mit Ihnen der Meinung: Wir
müssen noch einmal an den Stabilitätspakt herangehen.
Wir brauchen mehr Transparenz und mehr Effektivität
bei der Kontrolle der Haushalte der Mitgliedstaaten. Da
haben wir zu wenig getan und durchgesetzt. Wir brau-
chen – auch davon bin ich überzeugt – einen neuen Kri-
senmechanismus.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Null Ahnung!)


Aber der entscheidende Punkt, auf den ich nun zu
sprechen komme, ist: Die Kosten dieser Krise dürfen
– das ist unabdingbar – nicht wieder einseitig auf den
Steuerzahler abgeladen werden. Da brauchen wir ein an-
deres Verhalten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Menschen erwarten dringend, dass wir mit dem Ver-
sprechen Ernst machen, dass auch die Verantwortlichen
beim Tragen der Kosten herangezogen werden. Ich sage
Ihnen: Mit ein paar Schautreffen mit Bankern – mehr
war das bisher nicht – wird das nicht gelingen. Wir brau-
chen eine ernsthafte Beteiligung der Banken mit dauer-





Dr. Frank-Walter Steinmeier


(A) (C)



(D)(B)

haften Beiträgen. Dafür kenne ich nur ein Instrument.
Das ist die Finanztransaktionsteuer. Über dieses In-
strument müssen wir miteinander reden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE] – Widerspruch des Abg. Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU])


Es gibt kein anderes Instrument. Deshalb fordern wir
Union und FDP auf: Gehen Sie diesen Weg zur interna-
tionalen Finanztransaktionsteuer, zur europäischen
Finanztransaktionsteuer. Lassen Sie uns bis Freitag nicht
nur darüber reden. Wenn Sie an einer gemeinsamen Ent-
schließung hier im Deutschen Bundestag interessiert
sind, dann muss das in dieser gemeinsamen Entschlie-
ßung stehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe Ihre diesbezügliche Argumentation eben
nicht so richtig verstanden, Frau Merkel. Ich habe mir
Ihre Texte dazu angeschaut. Sie haben im Januar 2010
erklärt:

Wir setzen uns für eine internationale Finanztrans-
aktionssteuer ein. Eine solche weltweit eingeführte
Steuer kann überbordende Spekulationen dämpfen
und einen Beitrag leisten, die finanziellen Lasten
der Krisenbewältigung in fairer Weise zu tragen.

Recht hatten Sie damals, Frau Merkel! Aber halten Sie
sich auch hier im Deutschen Bundestag an diesen Be-
schluss! Tun Sie als Bundeskanzlerin nicht das Gegen-
teil von dem, was Sie als Parteivorsitzende fordern!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein bisschen Erfahrung haben auch wir in den Ge-
sprächen gesammelt. Ich weiß, dass es in den Koalitions-
fraktionen unterschiedliche Auffassungen gibt. Es gibt
den einen oder anderen, der einem unter der Hand sagt:
Eigentlich wären auch wir für die Transaktionsteuer,
aber die FDP macht da nicht mit. – Dazu sage ich Ihnen,
Frau Merkel: Das sind Fragen, bei denen Führung ange-
sagt ist. Ich rufe Ihnen zu: Geben Sie den Lobbyinteres-
sen nicht nach, auch nicht der FDP!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Glauben Sie nicht denen, die jetzt schon wieder von ei-
ner Bedrohung der Finanzmärkte reden bzw. darüber
schwadronieren! Diese Bedrohung gibt es nicht bei einer
Belastung von 0,05 Prozent pro Transaktionsvorgang.
Wir sind es, die bedroht sind, wenn wir nicht handeln. So
sieht es aus, Frau Merkel.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Man kann nicht auf der einen Seite, meine Kollegin-
nen und Kollegen von der FDP, die letzten Möglichkei-
ten für gestaltende Politik, die wir noch haben in der
Klemme, in der wir in Deutschland sind, durch unverant-
wortbare Steuersenkungen verschenken und auf der an-
deren Seite auch noch auf mögliche Einnahmen verzich-
ten. Was sollen denn die Leute von uns halten?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Immer nur abkassieren!)


– Nein, das ist es nicht. – Was sollen denn die Leute von
uns halten? Sie geben doch im Grunde genommen denje-
nigen recht, die im Augenblick öffentlich erklären: Für
alles haben die Geld, aber nicht für eine ordentliche
Straße oder eine ordentliche Schule in meiner Ge-
meinde. –


(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ein Quatsch! – Widerspruch bei weiteren Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie müssen doch, wenn die Möglichkeit besteht, dafür
eintreten und dafür kämpfen, dass mit dem Instrument
einer Finanztransaktionsteuer Geld in die Kasse kommt,
mit dem wir in Deutschland Politik machen können. Sie
brauchen es und Ihre Nachfolgeregierungen auch.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb meine herzliche Bitte: Denken Sie nicht in den
Schablonen von Parteiprogrammen, denken Sie an die
Zukunft dieses Landes.


(Lachen bei der FDP)


– Wir werden uns bei dem Thema wiedertreffen.

Es geht um Griechenland, es geht um den Euro. Das
wird das Thema bleiben. Vor allen Dingen geht es aber
um Handlungsfähigkeit von Politik. Wenn wir jetzt nicht
nach vorne denken, wenn wir jetzt nicht bereit sind, mu-
tig zu handeln, dann haben alle diejenigen recht, die sa-
gen: Das Rennen zwischen der Politik und den Märkten
findet statt, aber ihr tretet nicht wirklich an. Ihr wollt gar
nicht gewinnen. Ihr wartet geduldig ab, bis das nächste
Unheil über euch zusammenbricht.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)


Ich sage: Eine solche Haltung verträgt unsere Demokra-
tie nicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Da sollten Sie mal vorsichtig sein!)


Lasst uns gemeinsam um Spielräume für Hand-
lungsfähigkeit von Politik kämpfen! Lasst uns dafür
sorgen, dass wir sie da, wo sie verloren gegangen sind,
wo wir sie eingebüßt haben, zurückerobern. Das sind wir
den Menschen in Deutschland und der Demokratie in
diesem Lande schuldig.

Herzlichen Dank.


(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(D)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703900400

Das Wort erhält nun die Kollegin Birgit Homburger

für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Jetzt wird es richtig schlecht! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das Niveau sinkt!)



Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1703900500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Lage Griechenlands stellt Europa vor die bisher größte
Herausforderung. Es ist eine Bewährungsprobe für die
Euro-Zone, aber auch für die Bundesregierung und für
dieses Parlament.

Es geht um die Frage, ob die Zahlungsunfähigkeit
Griechenlands und damit eine Destabilisierung des Euro
verhindert werden kann. Wir lassen uns bei unseren Ent-
scheidungen von dem Ziel leiten, die Stabilität der Wäh-
rung zu gewährleisten, und wir lassen uns von den Inte-
ressen der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und
Europa leiten. Wir spannen einen Schutzschirm für den
Euro.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Schutzschirm für die Banken meinen Sie!)


Wir sichern die Währungsstabilität und retten damit die
Ersparnisse der Bürgerinnen und Bürger. Mit diesem Ge-
setzentwurf ziehen wir eine Brandmauer, damit die Krise
eines Staates nicht auf den gesamten Euro-Raum über-
springen kann.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die FDP und die Koalition sind sich ihrer Verantwor-
tung bewusst. Es ist eine große Verantwortung, und wir
handeln im Bewusstsein dieser Verantwortung. Ich sage
ganz deutlich: Die Bundesregierung hat überlegt und
klug gehandelt. Das, Herr Steinmeier, ist auch öffentlich
deutlich geworden, wie man an den Äußerungen in den
letzten Tagen und Wochen erkennen kann. Aber das, was
Sie gemacht haben, indem Sie der Bundesregierung öf-
fentlich immer wieder vorgeworfen haben, sie betätige
sich als Brandbeschleuniger, ist unverantwortlich.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dass Sie hier von der Finanzierung öffentlicher Straßen
durch eine Finanzmarkttransaktionsteuer sprechen, ist
purer Populismus, Herr Steinmeier. Das müssen Sie sich
an dieser Stelle sagen lassen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Viele von uns – auch das gehört zur Wahrheit an ei-
nem solchen Tage – tun sich mit der Entscheidung
schwer. Jeder von uns weiß um die Tragweite und die
Bedeutung dieser Entscheidung. Deshalb ist es gut, dass
wir ausführlich und intensiv im Deutschen Bundestag
beraten und die Alternativen abwägen. Das haben wir in
den Fraktionen getan. Unsere Koalition steht hinter dem
Gesetzentwurf. Anders als bei Vorgängerregierungen,
Herr Oppermann, müssen wir nicht durch Vertrauensfra-
gen zur Verantwortung gezwungen werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Thomas Oppermann [SPD]: Wir werden sehen!)


Wir werden unserer Verantwortung gerecht werden, und
wir werden Ihnen keine Hintertür öffnen, durch die Sie
sich von Ihrer Verantwortung verabschieden könnten.

Wir handeln im Interesse der Menschen in Deutsch-
land und Europa, und wir handeln im Interesse der
Stabilität unserer Währung. Wir Freien Demokraten
sind unserer Verantwortung übrigens auch in der Oppo-
sitionszeit, beispielsweise beim Finanzmarktstabilisie-
rungsgesetz, gerecht geworden. Wenn es in Deutschland
um Stabilität für die Bürgerinnen und Bürger geht, dann
steht die FDP dafür ein. Diesen Beweis, Herr Steinmeier,
müssen andere Fraktionen hier im Deutschen Bundestag
in dieser Woche erst noch erbringen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: So ein Quatsch!)


Der Präsident der EZB und der zuständige EU-Kom-
missar haben der Euro-Gruppe am Sonntag das Ergebnis
ihrer Prüfungen mitgeteilt. Sie haben festgestellt, dass
sich die Finanzmarktentwicklungen in Griechenland,
wenn jetzt nicht gehandelt wird, auf die Finanzstabilität
des Euro-Gebietes auswirkten. Es ist die Situation der
Ultima Ratio eingetreten; Hilfen – das haben wir immer
wieder betont – sind das letzte Mittel. Daher müssen wir
jetzt konsequent handeln. Damit schützen wir das Ver-
trauen der Bürger und Unternehmen in unsere gemein-
same Währung und in die Euro-Zone.

Der gemeinsame Währungsraum hat wirtschaftlichen
Erfolg und Stabilität gebracht und sich gerade in der Wirt-
schafts- und Finanzkrise wieder einmal bewährt. Des-
halb, meine Damen und Herren, war der Euro eine Er-
folgsgeschichte. Dieser gemeinsame Währungsraum
muss weiter für Stabilität sorgen. Daraus wird die Bedeu-
tung gerade dieser Stabilisierungsbemühungen für den
Euro klar, und genau deshalb werden wir entsprechend
handeln.

Die Koalition hat auch in der richtigen Reihenfolge
gehandelt. Wer dieser Bundesregierung, Herr Steinmeier,
Blockadehaltung und Verzögerung von Hilfen vorwirft,
disqualifiziert sich selbst. Es ist doch so, dass man von
einem Land, das in eine solche Situation kommt, zu-
nächst einmal eigene Anstrengungen erwarten muss. Ich
frage Sie: Wollten Sie wirklich zu einem Zeitpunkt, als
Griechenland öffentlich erklärt hat, es brauche keine Hil-
fen, Hilfen anbieten? Wozu hätte das denn geführt?


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es hätte ausschließlich dazu geführt, dass die Hilfen
angenommen worden wären, dass aber keinerlei Sanie-
rungsprogramm auf den Weg gebracht worden wäre.
Das, Herr Steinmeier, wäre gegenüber den Bürgerinnen
und Bürgern in diesem Land unverantwortlich gewesen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)






Birgit Homburger


(A) (C)



(D)(B)

Schwierige Situationen bewältigt man mit Besonnen-
heit und eben nicht mit Aktionismus. Deshalb sind Hil-
fen als Ultima Ratio jetzt auch unumgänglich. Ich sage
es an dieser Stelle deutlich: Ich bin froh, dass der IWF
mit im Boot ist, mit seiner Erfahrung mit solchen Situa-
tionen und mit Instrumenten, mit denen er umzugehen
weiß, sodass ganz klar wird: Hier wird ein hartes Sanie-
rungsprogramm von Griechenland erwartet. Griechen-
land ist selbst in der Verantwortung, sich wieder Ver-
trauen an den Märkten zu erarbeiten.


(Beifall bei der FDP)


Es ist allerdings in dieser Zeit auch klar geworden,
dass man auf europäischer Ebene nicht so weitermachen
kann wie bisher. Mit Ihrem Vorschlag, Herr Steinmeier,
früher zu handeln, schneller Hilfen zu geben, sorgten
Sie, wenn er umgesetzt würde, nur dafür, dass man von
der Währungsunion zu einer Transferunion käme. Genau
das wollen wir verhindern.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb fordern wir, dass wir von einer Krisenbewälti-
gung direkt zu einer Krisenprävention kommen und
dass diese Maßnahmen zur Krisenprävention, Frau Bun-
deskanzlerin, auf dem Europäischen Rat auch angespro-
chen und sofort auf den Weg gebracht werden. Dazu ge-
hören die Revitalisierung grundsätzlicher Regeln des
europäischen Miteinanders und das Bekenntnis zur so-
zialen Marktwirtschaft, zum Prinzip des marktwirt-
schaftlichen Wettbewerbs, aber auch zu einer nationalen
Verantwortung für das gesamte Europa, für die gesamte
europäische Entwicklung. Das bedeutet, dass von jedem
Land der Euro-Zone eine solide Wirtschafts- und Fi-
nanzpolitik erwartet werden kann.


(Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD: Das wollen wir mal abwarten!)


Wir wollen den Stabilitätspakt erneuern und schär-
fen. In diesen Tagen wird doch deutlich, dass wir harte
Regeln brauchen. Die heutige Situation ist doch so, wie
sie ist, weil damals, Herr Steinmeier, im Jahre 2005, un-
ter einer rot-grünen Bundesregierung die Stabilitätskrite-
rien gelockert wurden, weil man beschlossen hatte, nicht
mehr so genau hinzuschauen, und weil man Sanktionen
verzögert hatte. Das wirkt sich jetzt fatal aus, und deswe-
gen müssen wir aus diesen Fehlern lernen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir brauchen klare Kriterien, und es darf auf europäi-
scher Ebene keine Unterscheidung zwischen guten und
schlechten Schulden mehr geben. Es bedeutet auch, dass
wir automatische Sanktionsmechanismen einbauen müs-
sen. Es darf bei Sanktionen keine politischen Rabatte
mehr geben. Wenn wir den Stabilitätspakt wieder wetter-
fest machen wollen, dann müssen wir entschieden han-
deln, und dann ist Klarheit nötig. Sie haben im Deut-
schen Bundestag die Chance, mit der Zustimmung zum
Entschließungsantrag Ihrer Verantwortung gerecht zu
werden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir wollen eine unabhängige europäische Rating-
agentur und eine Kontrolle der Ratingagenturen, die im
Übrigen bereits auf den Weg gebracht worden ist. Wir
wollen ein Frühwarnsystem etablieren. Wer falsche
Angaben macht, untergräbt die Glaubwürdigkeit des ge-
samten Euro-Raumes. Deswegen müssen Eurostat, also
die europäische Statistikbehörde, und der Europäische
Rechnungshof weitergehende Befugnisse zur Kontrolle
bekommen. Europa darf nicht länger zusehen, wenn vor
unserer Nase getrickst und getäuscht wird. Dem muss
Einhalt geboten werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir brauchen eine Ausweitung der Sanktionsmecha-
nismen, den Entzug der Stimmrechte und die Sperrung
von EU-Direktzahlungen. Das alles muss auf den Weg
gebracht werden, weil deutlich wird, dass die bisherigen
Mechanismen für die Stabilisierung nicht ausreichen.
Wir brauchen in letzter Konsequenz ein geordnetes In-
solvenzverfahren für Staaten. Das bedeutet eben auch
Umschuldung zu einem Zeitpunkt, wo dies noch mög-
lich ist.

Es braucht den entschiedenen Einsatz für diesen Stabi-
litätspakt. Ich sage Ihnen, sehr verehrter Herr Steinmeier:
Angesichts der Geschichte des Stabilitätspaktes in Eu-
ropa haben wir Aufforderungen von Ihrer Seite nicht nö-
tig. Sie tun gut daran, Ihrer Verantwortung gerecht zu
werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Widerspruch der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zuruf der Abg. Caren Marks [SPD])


Auch das gehört heute zur Diskussion: Wer Verant-
wortung trägt, wird auch zur Verantwortung gezogen.
Der missbräuchliche Einsatz von Anlageformen wie
Kreditversicherungen zulasten der Stabilität von Staaten
muss europaweit unterbunden werden. Deshalb gibt es
einen freiwilligen Beitrag der Finanzbranche. Ich sage
allerdings auch: Das ist der erste und nicht der letzte
Schritt, den die Finanzbranche gehen muss. Deshalb
werden wir entschieden handeln. Die Koalition hat an
dieser Stelle schon einiges auf den Weg gebracht. Sie,
Herr Steinmeier, sagen hier, das Einzige, das helfen
würde, sei eine Finanzmarkttransaktionsteuer, sie sei das
einzige Ihnen bekannte Instrument. Es ist ein Armuts-
zeugnis, wenn Sie nur diese eine Option kennen. Es gibt
nämlich bessere.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Nennen Sie doch mal andere!)


Der IWF – das hat die Bundeskanzlerin schon ausge-
führt – hat uns deutlich gesagt, dass dieses Instrument
nicht treffsicher ist. Deshalb werden wir sicherstellen,
dass alle ihrer Verantwortung auf andere Weise gerecht
werden: über die Bankenabgabe, die wir bereits auf den
Weg gebracht haben, aber eben auch über das Verfahren
einer geordneten Insolvenz; denn bei einer Umschul-





Birgit Homburger


(A) (C)



(D)(B)

dung werden genau diejenigen zur Verantwortung heran-
gezogen, die die Verantwortung zu tragen haben. Des-
halb ist dies das Instrument der Wahl und in seiner
Wirkung durchschlagend.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sind längst an einem Punkt, wo es nicht um tech-
nische Abwicklung von Problemen, sondern darum geht,
verlorengegangenes Vertrauen wiederzugewinnen. Wenn
wir wollen, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise nicht
zur Krise unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems
auswächst, müssen wir Vertrauen schaffen. Deshalb ste-
hen wir zur sozialen Marktwirtschaft und zum Wettbe-
werb.

Soziale Marktwirtschaft hat auch ein ethisches Fun-
dament. Eigentum ist ein zentrales Ordnungsprinzip der
freiheitlichen Gesellschaft.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Eigentum verpflichtet!)


Eigentum verlangt aber auch individuelle Verantwortung
hinsichtlich der Auswirkungen auf andere Menschen. So
weit diese Verantwortung reicht, schuldet der Eigentü-
mer der Gesellschaft Rechenschaft. Dass Unternehmen
mit privatem Vermögen für die Folgen ihrer Entschei-
dungen haften, sorgt für verantwortliches Handeln. Das
tun viele Familienunternehmen und der Mittelstand in
diesem Land vorbildlich. Das Prinzip der persönlichen
Haftung der Handelnden muss auch im Hinblick auf Ka-
pitalgesellschaften und die Finanzmärkte durchgesetzt
werden. Dafür stehen wir ein.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, wir werden den Prinzipien
Haftung und Verantwortung durch neue Rahmenbedin-
gungen auf den Finanzmärkten zum Durchbruch verhel-
fen. Sie, Herr Steinmeier, haben in den letzten Jahren die
Chance dazu versäumt. Wir werden unsere Chance nut-
zen. Diese Koalition ist sich ihrer Verantwortung für die
Stabilisierung des Euro, aber auch für die Sicherung des
Vertrauens in unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsord-
nung bewusst. Dieser Verantwortung werden wir ent-
schieden und entschlossen gerecht werden.


(Anhaltender Beifall bei der FDP – Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703900600

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gregor Gysi,

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703900700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bun-

deskanzlerin, bei der Bild-Zeitung und anderen „Quali-
tätsmedien“ gingen Sie als die No-Kanzlerin in Bezug
auf Hilfe für Griechenland ein. Ich glaube, noch auf dem
Parteitag der FDP wurde beschlossen, auf gar keinen
Fall Geld für Griechenland vorzusehen.

(Zurufe von der FDP: Nein!)


Nun wollen Sie Milliarden für Griechenland beschließen
und vergessen, zu erwähnen, wie viele Milliarden davon
wieder in die Hände der Spekulanten fallen. Das ist näm-
lich das eigentliche Problem, mit dem wir es zu tun ha-
ben.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben im September 2008 hier über eine Finanz-
krise geredet, die niemand gesehen hat. Wir haben Ihnen
recht frühzeitig gesagt, dass daraus Staatskrisen werden
können, und zwar über Schuldenkrisen bestimmter Staa-
ten. Das, was wir jetzt in Griechenland erleben, droht
auch anderen Ländern, wie wir wissen, wenn wir an Ir-
land, Italien, Spanien und Portugal denken. Jedes Mal le-
gen Sie Ihre Hände in den Schoß und machen erst ein-
mal nichts, um dann innerhalb einer Woche Milliarden
zur Verfügung zu stellen, wie damals bei den Banken
480 Milliarden Euro innerhalb einer Woche. So kann
man mit unserer Bevölkerung meines Erachtens nicht
umgehen.


(Beifall bei der LINKEN)


Anlässlich der Finanzkrise, die logischer- und konse-
quenterweise in die jetzige Krise führen musste, haben
wir Ihnen viele Schritte vorgeschlagen, die man gehen
muss, um das zu verhindern. Wir waren es, die am
16. März 2010 – Herr Steinmeier, das ist auch für Sie in-
teressant – den Antrag „Eurozone reformieren – Staats-
bankrotte verhindern“ eingebracht haben. Wir haben da-
rauf hingewiesen, dass das Ganze passieren kann und
haben Maßnahmen vorgeschlagen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die erste Lesung war am 25. März. Was haben Sie,
Frau Bundeskanzlerin – ich weiß nicht, wohin Sie ge-
gangen sind; ach, in die letzte Reihe; das ist gut –,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


am 25. März 2010 gesagt? Sie haben gesagt:

Wir stellen fest: Es ist noch kein Euro und kein Cent
für die Unterstützung Griechenlands ausgegeben
worden. Bislang ist Griechenland nicht zahlungsun-
fähig geworden. Auch sind düstere Vorhersagen
über die Entwicklung in anderen Mitgliedstaaten
nicht Realität geworden. … Deshalb sage ich

– also die Bundeskanzlerin –:

Ein guter Europäer ist nicht unbedingt der, der
schnell hilft. Ein guter Europäer ist der, der die eu-
ropäischen Verträge und das jeweilige nationale
Recht achtet und so hilft, dass die Stabilität der
Euro-Zone keinen Schaden nimmt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Am Freitag wollen Sie nun die Milliardenhilfen be-
schließen; das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der LINKEN)






Dr. Gregor Gysi


(A) (C)



(D)(B)

Wir haben Ihnen gesagt: Verbieten Sie die Hedge-
fonds, die nur herumspekulieren. Sie wurden übrigens
von SPD und Grünen zugelassen; damit man auch diese
Wahrheit hier einmal erwähnt.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir haben das abgelehnt. Herr Steinbrück hat noch bei
Frau Illner erklärt: Wir standen vor der Frage, Kreis-
klasse zu bleiben oder Weltklasse zu werden. Eine Welt-
klasse-Krise haben wir dafür bekommen. – Vielen Dank,
Herr Steinbrück.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir haben Ihnen gesagt: Die Zweckgesellschaften der
Banken müssen unter Kontrolle gestellt werden. Sie ha-
ben es nicht gemacht.

Wir haben gesagt: Es gibt drei große private Rating-
agenturen, die über alle Werte der Finanzwelt entschei-
den, auch über die Werte der Staaten. Die Agenturen
waren nachweislich bestechlich. Deshalb haben wir ge-
fordert: Schaffen Sie eine europäische, staatliche Rating-
agentur, die verlässlich ist. Sie haben es nicht gemacht.

Wir haben gesagt: Verbieten Sie Leerverkäufe! Tat-
sächlich: Leerverkäufe waren anderthalb Jahre lang ver-
boten. Vielleicht ein paar Worte dazu, was Leerverkäufe
sind: Man geht an die Börse und spekuliert darauf, dass
Kurse fallen. Das heißt, man macht aus der Börse ein
Spielkasino. Dafür war die Börse ursprünglich gar nicht
gedacht. Wir haben gesagt: Das sind Spekulationsge-
winne, die zur Krise führen; man muss das verbieten.
Herr Bundesminister Schäuble, Leerverkäufe waren in
Deutschland anderthalb Jahre lang verboten. Warum
haben Sie sie zu Beginn dieses Jahres wieder erlaubt?
Griechenland hat sie inzwischen verboten.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir haben gesagt, dass wir die Tobin-Steuer, eine so-
genannte Transfersteuer, brauchen. Herr Steinmeier, jetzt
reden Sie auch von dieser Steuer, aber als Sie mit den
Grünen regiert haben, haben Sie sie nicht eingeführt. Da-
nach haben Sie unsere Anträge zu der Steuer abgelehnt.
Es ist schön, dass Sie jetzt in Opposition zu Ihrer Regie-
rung gehen. Es ist schön, dass Sie jetzt nach dem Primat
der Politik rufen, das Sie zusammen mit den Grünen in
Deutschland abgebaut haben. Lassen Sie uns jetzt ge-
meinsam dafür streiten, dieses Primat wiederherzustel-
len!


(Beifall bei der LINKEN)


Wir haben Ihnen eine Bankenabgabe vorgeschlagen.
Morgen werden wir namentlich über diese Bankenab-
gabe abstimmen. Wir haben Ihnen vorgeschlagen, nur
das zu tun, was Herr Obama vorschlägt, weil wir wissen,
dass Sie keine linke Mehrheit sind und damit keine ver-
nünftige Politik machen können.


(Lachen des Abg. Dr. Erik Schweickert [FDP])


Wir dachten aber, wir kämen Ihnen damit entgegen;
denn wir haben nur gefordert, das zu machen, was Herr
Obama macht. Das ist doch nicht zu viel verlangt.
Obama ist der Präsident der Vereinigten Staaten von
Amerika, kein Linker, kein Sozialist. Wir werden aber
erleben, dass Sie dazu Nein sagen. Ich sage Ihnen auch,
warum: Durch Einführung der Obama-Abgabe bekämen
wir von allen privaten Banken, die direkt oder indirekt
staatliches Geld erhalten haben, jährlich 9 Milliarden
Euro und könnten sie damit an den Kosten beteiligen;
aber das wollen Sie nicht.

Sie wollen eine klitzekleine Abgabe von allen Ban-
ken, auch von den Banken, die gar kein Geld bekommen
haben, von den Sparkassen, Volksbanken und Raiff-
eisenbanken. Das ist überhaupt nicht hinnehmbar. Die
müssen nichts zahlen; denn sie haben weder direkte noch
indirekte Leistungen vom Staat erhalten.


(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Die Deutsche Bank muss bezahlen?)


– Die Deutsche Bank muss bezahlen, andere Privatban-
ken auch.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja, warum?)


Was wollen Sie machen? Sie wollen einen Zukunfts-
fonds bilden. Herr Kauder, ich bitte Sie! Da soll etwas
eingezahlt werden, damit wir Geld für die nächste Krise
haben. Sie wollen hier jährlich 1,2 Milliarden Euro ein-
nehmen. Denken Sie an die Garantien in Höhe von
480 Milliarden Euro! Man bräuchte über 400 Jahre, um
auf den Betrag zu kommen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist keine Lösung. Nein,
die Banken und die Spekulanten sollen jetzt an den Kos-
ten beteiligt werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Genau das verweigern Sie.

Sie haben nichts gegen die Ursachen der Krise ge-
tan.

Die Deutsche Bank hat schon wieder einen Gewinn
erzielt: 2,8 Milliarden Euro im ersten Quartal 2010.
Ackermann bekommt sofort wieder einen Bonus ausge-
zahlt. Ich weiß, er wird immer zum Essen eingeladen.
Ich sage Ihnen, wo das Problem liegt. Wissen Sie, wes-
halb die Deutsche Bank Gewinn gemacht hat? Das kann
ich Ihnen genau sagen: Die Deutsche Bank hatte eine
Forderung gegen die HRE in Höhe von 10 Milliarden
Euro. Die HRE war aber pleite. Hätte die Deutsche Bank
die Forderung abschreiben müssen, hätte sie auch keinen
Gewinn gemacht, hätte Ackermann auch keine 10 Mil-
lionen Euro bekommen. Nun haben wir, das heißt Sie,
die HRE verstaatlicht, aber nur die HRE. Damit haben
die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler der Bundesre-
publik Deutschland es übernommen, die 10 Milliarden
Euro an die Deutsche Bank zu zahlen. Deshalb hat die
Deutsche Bank Gewinn gemacht.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie schüttet den Gewinn rein privat aus.





Dr. Gregor Gysi


(A) (C)



(D)(B)

Wir haben damals gesagt: So geht das nicht.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ach, herrje! Kasperletheater in anspruchsvoller Aufführung!)


Deshalb haben wir das schwedische Modell vorgeschla-
gen: Man muss alle Banken vergesellschaften, damit die
Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht nur die Schul-
den übernehmen, sondern auch die Einnahmen erhalten,
zumindest so lange, bis alles zurückgezahlt ist, was an
Steuergeldern zur Verfügung gestellt worden ist.


(Beifall bei der LINKEN)


Damit kommen wir zu Griechenland und Europa.
Was macht die Deutsche Bank, was machen alle anderen
deutschen Banken? Sie gehen zur Europäischen Zentral-
bank. Da erhalten sie Kredite, für die sie einen einzigen
Prozent Zinsen bezahlen müssen. Dann kaufen sie grie-
chische Staatsanleihen. Für die bekommen sie inzwi-
schen 9 Prozent Zinsen, ein Riesengewinn ohne jede
Leistung. Dann gehen sie zu einer Kreditausfallversiche-
rung und schließen eine Versicherung für den Fall ab,
dass Griechenland nicht pünktlich zahlt; die Versiche-
rung soll dann das Geld zahlen. Dann rennen viele zur
Kreditausfallversicherung und schließen Wetten ab. Sie
sagen: Wir glauben, dass Griechenland nicht pünktlich
zurückzahlt. Sie können 1 Million Euro einzahlen, und
wenn sie recht hatten, bekommen sie 2 Millionen Euro
ausgezahlt. Wenn sie nicht recht haben, dann haben sie
Pech und sind 1 Million Euro los. Das sind die Spekula-
tionsblasen, die uns nachher um die Ohren fliegen! Des-
halb sagen wir: Kreditausfallversicherungen müssen ver-
boten werden. Es ist nicht hinnehmbar, was dort läuft.


(Beifall bei der LINKEN)


Die größten Gläubiger Griechenlands sind übrigens
die Banken Frankreichs, der Schweiz und Deutschlands.
Was Sie nie erzählen, ist: Wenn wir Griechenland Geld
geben, dann fließt es an die deutschen Banken zurück.
Das ist der Weg, der gegangen wird. Das müssen wir
ehrlich benennen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Es gab übrigens die Forderung, dass die Banken in
Deutschland, in der Schweiz und in Frankreich ihre For-
derungen gegenüber Griechenland stornieren könnten.
Wenn sie das machten, wäre Griechenland schon fast aus
der Krise heraus. Dann müssten keine Hilfspakete in
Milliardenhöhe beschlossen werden. Sie haben uns das
nicht geglaubt, sie haben das Kurt Biedenkopf nicht ge-
glaubt, der Ihnen das beschrieben hat. Sie haben auch
nicht auf ein Schreiben der BaFin vom 20. Februar 2010
reagiert, in welchem die Krise vorhergesagt wurde. Sie
haben nichts gemacht. Sie haben das alles verzögert,
weil Sie keine Regulierung wollen, weil Sie sich aus
ideologischen und lobbyistischen Gründen so sehr dage-
gen wehren, endlich ein Primat der Politik über die
Finanzwelt zu stellen und zu sagen: So darf es gemacht
werden, anders lassen wir es nicht mehr zu.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie haben Griechenland einen Weg aus der Krise
aufgezeigt, den Sie für Deutschland ausschließen: Ren-
ten kürzen, später in Rente gehen, Löhne kürzen, Mehr-
wertsteuer erhöhen. Das ist nicht nur sozial unerträglich,
sondern damit organisieren Sie eine Rezession, eine
schwere Wirtschaftskrise. Dann müssen weitere Milliar-
denhilfen gezahlt werden. Der Weg, den Griechenland
beschreiten soll, ist ökonomisch blödsinnig. Ihre Ansich-
ten können wir nicht teilen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich habe zur Kenntnis genommen, dass so getan wird,
als ob es große Unterschiede zwischen CDU/CSU und
FDP auf der einen Seite und SPD und Grüne auf der an-
deren Seite gebe, aber letztlich sind Sie doch dabei, eine
gemeinsame Entschließung zu verabschieden. Sie wer-
den auch das Gesetz gemeinsam verabschieden. Wie
beim Afghanistan-Krieg, Hartz IV, der Rentenkürzungen
schwimmen sie wieder in der alten Konsenssoße. Sie ge-
hen diesen Weg, aber ich sage Ihnen: Er wird nichts
bringen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Übrigens ist Deutschland insofern den Weg Griechen-
lands gegangen, als wir die einzige kapitalistische Indus-
trienation sind, die in den letzten zehn Jahren die Real-
löhne um 11,3 Prozent und die Realrenten um 8,5 Pro-
zent gekürzt hat. Auch dafür werden wir noch teuer be-
zahlen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir fordern – lassen Sie mich das zum Abschluss sa-
gen –: Erstens. Die Spekulationsinstrumente – Leerver-
käufe und Kreditausfallversicherungen – müssen ver-
boten werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Zweitens. Hedgefonds, also Heuschrecken, müssen eben-
falls verboten werden. Zweckgesellschaften der Banken
sind zu kontrollieren. Wechselkurse müssen festgelegt
werden.

Drittens. Wir brauchen die Schaffung einer staatli-
chen europäischen Ratingagentur, die die käuflichen Pri-
vaten ins Abseits schiebt.

Viertens. Griechenland muss auf Jahre auf jeden Waf-
fenimport verzichten.


(Beifall bei der LINKEN)

Fünftens. Griechenland und andere EU-Länder müs-

sen endlich gerechte Steuern für Bestverdienende, Ver-
mögende, Banken und große Unternehmen einführen.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703900800

Herr Kollege.


Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703900900

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Wir brau-

chen für die Binnenmärkte endlich eine Börsenumsatz-
steuer und für die internationalen Finanzgeschäfte end-
lich eine Tobin- oder Transfersteuer.

Sechstens. Zumindest in Deutschland und allen ande-
ren Euro-Ländern muss eine Bankenabgabe eingeführt





Dr. Gregor Gysi


(A) (C)



(D)(B)

werden, wie sie Obama für die USA vorgeschlagen hat,
damit die Gewinner der Krise endlich für die von ihnen
verursachten Schäden bezahlen müssen. Wir werden
morgen im Bundestag darüber namentlich abstimmen.
Auch Spekulanten und Finanzprofiteure müssen zur
Kasse gebeten werden.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703901000

Herr Kollege.


Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703901100

Siebtens und letztens. Wir brauchen in Europa eine

Wirtschaftsregierung, damit in der EU Schritt für Schritt
bestimmte Standards durchgesetzt werden. Wir brauchen
eine Abstimmung hinsichtlich der Steuern, der Löhne,
der ökologischen und der sozialen Mindeststandards.

Wenn es das alles nicht gibt, dann gibt es von uns
auch keine Zustimmung für das Gesetz.


(Anhaltender Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703901200

Der Kollege Volker Kauder ist der nächste Redner für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1703901300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Gerade nach der Rede von Gregor Gysi


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Gute Rede!)


ist es, glaube ich, notwendig, noch einmal zu sagen, wo-
rüber wir heute beraten, worum es in dieser Woche geht:
Es geht um die Zukunft Europas und damit um unsere
eigene Zukunft. Das haben Sie nicht verstanden, Herr
Gysi.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der LINKEN – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie verspielen die Zukunft Europas!)


Der Euro, den wir eingeführt haben, war und ist eine
Erfolgsgeschichte. Er hat dazu geführt, dass wir besser
durch die Finanz- und Wirtschaftskrise gekommen sind,
als das bei Finanz- und Wirtschaftskrisen in früheren
Jahren, die gar nicht so dramatisch waren wie die letzte,
der Fall war. Deshalb geht es jetzt darum, dass wir den
Euro in seiner Stabilität stützen. Was wir jetzt, in dieser
Woche, im Deutschen Bundestag beschließen, hat sehr
viel mit unserer eigenen Zukunft zu tun, und es hat sehr
viel damit zu tun, dass wir die Ersparnisse der Menschen
in unserem Land sichern. Es geht darum, dass wir nicht
nur im Interesse unseres Landes, sondern auch im Inte-
resse der Menschen in unserem Land etwas für die Wäh-
rung tun. Deswegen werden wir in dieser Woche han-
deln.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Kollege Steinmeier, es geht natürlich auch um
die Frage, wie so etwas in Zukunft vermieden werden
kann. Ich rate aber dringend, Ursache und Wirkung
nicht zu verwechseln. Ich hatte bei den Diskussionen der
letzten Tage manchmal den Eindruck, dass zu wenig
über die wirklichen Gründe für das, was jetzt entstanden
ist, gesprochen wird, weil das zum Teil sehr unange-
nehm ist. Wir haben in der Koalition sehr frühzeitig ge-
sagt – ja, ich teile diese Auffassung –, dass wir etwas ge-
gen Spekulanten und insbesondere gegen diejenigen tun
wollen, die gegen Währungen spekulieren. Aber zu-
nächst einmal muss doch eine andere Frage gestellt wer-
den: Besteht das Grundproblem bei manchen europäi-
schen Staaten nicht darin, dass ständig über die eigenen
Verhältnisse gelebt wird, dass Schulden gemacht wer-
den, die uns nachher in diese Schwierigkeiten bringen?
Ohne die hohe Verschuldung hätten Spekulanten doch
gar keine Chance, etwas zu unternehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer lebt denn davon?)


Deswegen hätte ich mir schon gewünscht, dass ein biss-
chen mehr über diese Frage gesprochen wird.

Es ist überhaupt keine Schuldzuweisung, wenn wir
feststellen: Als die Griechen damals in die Währungs-
union aufgenommen wurden, haben sie die Vorausset-
zungen nicht erfüllt.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!)


Im Deutschen Bundestag wurde darauf hingewiesen, dass
es für die Griechen sehr schwer, vielleicht sogar unmög-
lich wird, ihre Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Euro-
päischen Währungsunion voranzubringen. Aus politischen
Gründen ist damals so entschieden worden. Ich sage das
jetzt nicht als Vorwurf an die rot-grüne Bundesregierung
der damaligen Zeit, Herr Kollege Trittin.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Theo Waigel war das!)


Ich sage nur, dass eine Konsequenz dessen, was wir jetzt
erleben, sein muss, dass es keine politischen Geschenke
geben darf, wenn es um die Stabilität unseres Euro geht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Bei der Frage, wer Mitglied der Europäischen Union und
wer Mitglied der Europäischen Währungsunion wird,
darf nur nach klaren Fakten und nicht nach politischen
Überzeugungen entschieden werden. Alles andere scha-
det der Stabilität unserer Europäischen Union.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das erzählen Sie einmal Helmut Kohl! Das hat Helmut Kohl anders gesehen!)


Deswegen war es zwingend notwendig, dass man Grie-
chenland diesen Weg, der für Griechenland nicht einfach
ist, zumutet. Ich hatte, als schon im März und April über
diese Frage gesprochen wurde, den Eindruck, dass sich
diejenigen, die sehr schnell, ohne irgendeine Vorbedin-
gung zu formulieren, Geld an Griechenland ausreichen
wollten, genau um diese Konsequenzen drücken wollten.





Volker Kauder


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der SPD: Das ist nicht wahr!)


– Wenn jetzt jemand ruft: „Das ist nicht wahr!“, dann
kann ich nur sagen: All diejenigen, auch einige Mitglieder
des Deutschen Bundestages, die auf der linken Seite des
Hauses sitzen, die gesagt haben: „Griechenland muss
schnell geholfen werden“, haben keine einzige Forde-
rung erhoben, dass in Griechenland endlich Reform-
und Sparmaßnahmen durchgeführt werden.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Lügner! – Weitere Zurufe von der SPD: Oh! Oh! – Das stimmt nicht!)


Sie hätten den Griechen Geld gegeben, nach dem Motto:
Weiter so wie bisher! Das haben wir verhindert, meine
sehr verehrten Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Erpresst haben Sie das! Das war Erpressung des IWF!)


Dass dies nicht so einfach war, wie jetzt mancher be-
hauptet, hat sich in den letzten Tagen gezeigt. Wenn jetzt
gesagt wird, man hätte schneller, man hätte sofort helfen
sollen, frage ich Sie: Um welchen Preis? Der IWF hat
Tage, fast eine ganze Woche gebraucht, um die Griechen
davon zu überzeugen, dass es auch in ihrem Interesse ist,
wenn sie endlich die Kurve kriegen


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war doch schon im März klar, Herr Kauder! – Zurufe von der SPD: Oh! Oh! – Na, na!)


und einsehen, dass Sparmaßnahmen notwendig sind.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Geschichtsfälschung! Aufpassen, Herr Kollege!)


Es hat Tage und Wochen gebraucht, bis wir so weit wa-
ren. Nachdem uns der IWF gesagt hat: „Jetzt sind die
Voraussetzungen erfüllt, weil Griechenland zugesagt hat;
jetzt können wir mit dem Rettungspaket starten“, haben
wir gesagt: Dann ist jetzt auch der Zeitpunkt, ab dem wir
mitmachen. – Es kann keine konditionslose Hilfe geben.
Es geht hier nicht um Solidarität, sondern es geht um
Stabilität.


(Abg. Michael Schlecht [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Dafür müssen wir in diesen Tagen werben und kämpfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Es geht auch um Solidarität!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703901400

Herr Kollege Kauder, gestatten Sie eine Zwischen-

frage?


Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1703901500

Nein. – Es geht auch darum, dass wir jetzt die richti-

gen Konsequenzen aus der Krise ziehen. Herr Kollege
Steinmeier, wir haben uns von Anfang an mit Ihnen da-
rüber unterhalten, dass wir neben dem Gesetzentwurf
gemeinsam mit Ihnen auch eine Resolution bzw. Erklä-
rung verabschieden wollen. Jetzt und auch später spre-
chen wir darüber, ob wir hier zu gemeinsamen Überzeu-
gungen kommen können. Es geht darum, dass wir klar
unterscheiden zwischen dem, was wir unternehmen
müssen, damit sich so etwas in Zukunft nicht wiederholt,
und der Frage: Wer muss mitfinanzieren?

Die entscheidende Frage lautet: Was müssen wir tun,
damit sich so etwas nicht wiederholt?


(Caren Marks [SPD]: Sie haben wohl nichts begriffen!)


Erstens. Wir müssen den Stabilitätspakt in Europa
neu justieren; ich bin sehr froh, dass auch Sie dies so er-
klärt haben. Wir dürfen nie mehr zulassen, dass über den
Stabilitätspakt so dahergeredet wird, wie es zu Zeiten der
rot-grünen Regierung geschehen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ausgerechnet Sie reden von Stabilität! Ich sage nur: 100 Milliarden Euro neue Schulden! Ist das Stabilität?)


Das gehört zur Wahrheit. Ich erinnere mich noch sehr
gut daran, dass von der damaligen rot-grünen Bundes-
regierung gesagt worden ist: In Sachen Stabilität lassen
wir uns von Europa nicht rügen. Wir rufen die Gremien
zusammen. Dann wird mit Mehrheit entschieden: Das
lässt sich Deutschland nicht gefallen. – Damit haben Sie
den Keim für die Verirrungen beim Stabilitätspakt ge-
legt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das darf
nicht wieder passieren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der zweite Punkt. Es muss dafür gesorgt werden, dass
schon frühzeitig von der Europäischen Kommission ein-
gegriffen werden kann, und zwar wenn erkennbar ist,
dass Verschuldung produziert wird, und das auch noch
auf Grundlage falscher Zahlen. Die Bundeskanzlerin hat
zu Recht darauf hingewiesen – das muss man deutlich
machen, damit keine Märchen entstehen –: Allein die
Tatsache, dass die Griechen in Erkenntnis ihrer schwe-
ren Notsituation falsche Zahlen genannt haben und dann
eine Korrektur durch den IWF erfolgen musste, durch
die die Verschuldung noch einmal um 1 Prozent angeho-
ben wurde, hat das ganze Misstrauen an den Finanz-
märkten hervorgerufen und dafür gesorgt, dass die Zins-
satzentwicklung so eskaliert ist. Deswegen fordern wir,
dass es der europäischen Statistikbehörde ermöglicht
wird, sich sehr frühzeitig anzuschauen, was in den ein-
zelnen Ländern passiert, sodass es schnell zu Korrektu-
ren kommen kann. Wir dürfen es nicht bis zu einem Zeit-
punkt laufen lassen, wie wir ihn jetzt haben. Das wird
sich in Zukunft ändern. Wir fordern die Bundesregierung
auf – wir unterstützen sie dabei auch –, dafür zu sorgen,
dass wir hier schneller zu Erkenntnissen kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU)






Volker Kauder


(A) (C)



(D)(B)

Dritter Punkt. Wir wollen, dass diejenigen, die Risi-
kogeschäfte machen, wissen, dass sie zahlen müssen,
wenn es schiefgeht. Deshalb fordern wir, ein Verfahren
für eine geordnete Insolvenz in Europa einzuführen.
Das nennt man auch Umschuldung. Wenn man Geld ir-
gendwo hingibt, muss man damit rechnen, dass es zu ei-
ner geordneten Insolvenz kommen kann. Das muss der-
jenige, der dieses Risiko eingeht, wissen.


(Otto Fricke [FDP]: Sehr gut!)


Wie bei jedem Insolvenzverfahren ist es dann so, dass
Gläubiger einen Teil ihrer Forderungen nicht realisieren
können. Es wäre gut, wenn wir dieses Verfahren schon
jetzt durchführen könnten; aber diese Möglichkeit hat
man damals nicht eingeräumt. Für die Zukunft wollen
wir dies jedoch.

Damit wir keine falschen politischen Diskussionen
führen, sage ich Ihnen, Herr Steinmeier: Diese Maß-
nahme wird mehr bringen als die Steuer, über die Sie
diskutieren. Diese führt angesichts der kleinen Summen
nicht dazu, dass Risiken begrenzt werden. Die Risiken
werden auf die Sparerinnen und Sparer umgelegt. Das
Risiko wird auf die kleinen Leute verteilt und nicht auf
diejenigen, auf die das Risiko verteilt werden muss.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deswegen bringt diese Steuer keinen Erfolg.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal den IWF-Bericht dazu!)


Man kann darüber reden – Herr Trittin, wir werden es ja
nachher machen –, ob diese Steuer Geld in die Kasse
bringt. Aber ich bitte Sie, nicht Verirrungen nachzuge-
hen und auch noch zu erklären, dass man mit dieser
Steuer das Problem der Risikoverteilung lösen kann. Das
funktioniert hinten und vorne nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Vierter Punkt. Ich glaube, dass es auch darum geht,
dass wir zeigen, dass Politik handelt und nicht getrieben
wird.


(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)


– Ich glaube nicht, dass da Gelächter angebracht ist. Ich
möchte ohnehin sagen: Ich bin sehr für die Auseinander-
setzung und Diskussion über den richtigen Weg. Aber in
dieser Woche geht es um die Stabilität und die Rettung
des Euro und Europas, nicht um billige Polemik und Par-
teitaktik, Herr Gysi. Darum geht es in dieser Woche
wirklich nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es geht darum, verantwortlich für unser Land zu han-
deln und den Menschen in unserem Land zu erklären:
Was wir jetzt machen, dient dazu, den Euro zu stabilisie-
ren, die Rettung dessen, was wir alle uns erarbeitet ha-
ben, zu ermöglichen und Zukunft für uns in Europa zu
realisieren. Das ist das wahre Thema. Ich bitte darum,
dass sich die Opposition ihrer Verantwortung bewusst
wird.

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, Herr Kauder!)


Es geht nicht so, wie Sie, Herr Gabriel, formuliert haben:
Vielleicht machen wir mit, vielleicht machen wir nicht
mit.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagten wir schon, als Sie noch gar nicht wussten, dass Griechenland Probleme hat! Blasen Sie sich nicht so auf!)


In dieser Frage kann man nur sagen: Jawohl, es muss ge-
handelt werden, damit der Euro stabil bleibt. Da kann
man nicht sagen: Ein bisschen mache ich mit, ein biss-
chen mache ich nicht mit. Ich hoffe, dass dies nachher in
der Besprechung mit den Fraktionsvorsitzenden gelin-
gen kann.

Die zentrale Frage wird sein: Gelingt es uns, die gro-
ßen Zusammenballungen von finanzieller Macht in den
Griff zu bekommen? Ich bitte darum, dass wir uns etwas
präziser ausdrücken. Natürlich geht es um Banken; aber
es geht vor allem um die Hedgefonds, die bisher nicht
kontrolliert werden und auch unter rot-grünen Regierun-
gen eher freigestellt als kontrolliert worden sind. Ich
kann die Bundesregierung hier nur unterstützen: Jawohl,
da muss etwas getan werden. Wir wissen, wie schwer
dies in Europa ist. Ich kann nur jeden in diesem Hause
auffordern, auf seinen parteipolitischen Kanälen in Eu-
ropa dafür zu sorgen, dass beispielsweise die Regierung
in England nicht ständig blockiert, wenn es um die Re-
gulierung von Hedgefonds geht. Da muss etwas getan
werden. Da darf man nicht wegsehen.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können Sie ja besser machen!)


Es gibt Dinge, die sich nicht im nationalen Bereich, im
nationalen Parlament lösen lassen. Dafür braucht die
Bundesregierung Unterstützung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Paket
besteht aus drei Elementen:

Erstens. Wir werden – das wird die Koalition in dieser
Woche beschließen – zur Stabilität der Situation im
Euro-Raum die Kreditanstalt für Wiederaufbau ermächti-
gen, Darlehen an Griechenland zu geben, keine Barzah-
lungen – und damit keine Belastung des Haushaltes –,
sondern einen Kredit, den wir verbürgen.

Zweitens. In einem Entschließungsantrag werden wir
die Dinge auflisten, die wir zur Vorbeugung, damit so et-
was nicht wieder passiert, für notwendig halten.

Drittens werden wir den Weg konsequent weiterge-
hen, den wir schon beschritten haben – das ist heute üb-
rigens noch gar nicht gesagt worden –, nämlich durch
konkrete Maßnahmen auch diejenigen zu beteiligen, die
am Finanzmarkt mit dazu beigetragen haben, dass wir in
diese Krise gekommen sind. Wir haben eine Banken-
abgabe und ein Gesetz über die Transparenz von
Ratingagenturen – das ist fast noch wichtiger als neue
Agenturen – in Vorbereitung. Wir werden den Weg einer
europäischen Ratingagentur beschreiten, die so selbst-





Volker Kauder


(A) (C)



(D)(B)

ständig und transparent sein muss wie die Europäische
Zentralbank. All dies werden wir voranbringen. Das
zeigt: Wir sind in dieser schwierigen Stunde handlungs-
fähig, und wir handeln. Die Menschen können sich da-
rauf verlassen, dass alles, was getan werden kann, getan
wird, um den Euro und damit ihre Ersparnisse zu si-
chern.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703901600

Das Wort hat nun der Kollege Jürgen Trittin, Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen.


Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703901700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind

ja heute Zeuge einer großen Gemeinsamkeit zwischen
Gregor Gysi und Angela Merkel geworden.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Was?)


Beide haben reine Rechtfertigungsreden gehalten: Wir
haben recht gehabt. – Nun ist das bei Gregor Gysi eher
ein esoterisches Problem.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Nein, Fakt!)


Aber bei Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, hat das schwer-
wiegendere Konsequenzen;


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Oberlehrer der Nation!)


denn das, was Sie hier in den letzten sechs Wochen
abgeliefert haben, der Versuch, aus Angst vor der Nord-
rhein-Westfalen-Wahl, aus Angst vor dem nächsten
Sonntag diese Krise auszusitzen, hat die Bundesrepublik
Deutschland, hat übrigens auch Europa unglaublich viel
gekostet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Teuerster Wahlkampf aller Zeiten!)


Sie haben noch im März gemeint, hier die Maggie
Merkel geben zu müssen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie heißt Angela!)


Und was ist heute? – Das politische Klima in diesem
Lande kann man sich jeden Morgen in der Bild-Zeitung
angucken.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Heute schon wieder!)


Die Folgen: Die griechische Botschaft wird mit Hass-
mails überschwemmt. Vor dem Konsulat von Griechen-
land in Düsseldorf demonstriert die NPD. Aber das ist
nicht nur ihr Privileg. Auch die Leute in Ihren eigenen
Reihen sagen, es solle Naxos oder was auch immer ver-
kauft werden.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Na ja! – Gegenruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch!)


Herr Pinkwart, der stellvertretende Bundesvorsit-
zende der FDP, erklärt auf einem Parteitag, auf dem Sie,
Herr Vizekanzler, neben ihm sitzen: Eine Hilfe für Grie-
chenland ist ein Schlag ins Gesicht unserer Bürgerinnen
und Bürger. – Wo waren Sie da? Wo sind Sie da aufge-
standen und haben gesagt: „So geht das nicht“?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Frau Bundeskanzlerin, Sie werden jetzt sagen: Was habe
ich damit zu tun? Ich mache ja nur eine Koalition mit
diesem unzuverlässigen Kandidaten. – Ich sage Ihnen:
Sie bedienen dieses nationale Ressentiment doch selber.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Das nehmen Sie zurück!)


Was sonst ist denn Ihr Vorschlag, den Sie ja auch in ei-
nen Entschließungsantrag schreiben wollen, von der
Suspendierung der Stimmrechte von Mitgliedstaaten?


(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])


Europa ist eine Gemeinschaft von 27 gleichberechtigten
Mitgliedstaaten. Da kann nicht ein Mitgliedstaat einem
anderen Mitgliedstaat die Rote Karte zeigen und sagen:
Du setzt dich jetzt mal eine Weile auf die Bank!


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wer sich nicht an die Spielregeln hält …!)


Das wird es in diesem gemeinsamen Europa nie geben.
Wenn es das nie geben wird, dann sollten Sie das auch
nicht fordern, meine Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ihre Politik hat nicht nur zu einem Verlust an Euro-
pafähigkeit Deutschlands geführt, kostet uns nicht nur
politisch etwas. Dass Sie sich seit Februar/März gegen
Hilfe für Griechenland gesperrt haben,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: War richtig!)


hat uns, hat Europa und übrigens auch die Griechen viel
Geld gekostet.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Quatsch! – Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: So ein Unfug!)


Herr Kauder, Sie haben hier gesagt: Der IWF hat eine
ganze Woche gebraucht, um mit den Griechen zu ver-
handeln.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie hätten das Geld doch schon vorher rausgegeben!)






Jürgen Trittin


(A) (C)



(D)(B)

Ich finde, das ist eine ziemliche Leistung. Die Wahrheit
ist doch: Sie haben den IWF sechs Wochen daran gehin-
dert, in dieser Frage zu handeln.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)


Wir haben den Direktor des IWF, Herrn Strauss-Kahn,
gefragt: Wie war das denn mit dem Faktor Zeit? Er hat
gesagt: Wenn der IWF im Februar/März hätte tätig wer-
den können, würden wir über geringere Summen re-
den. – Dass wir heute mit 22 Milliarden Euro ins Risiko
gehen, haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, mit Ihrer Zöge-
rei und Zauderei zu verantworten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich finde, die Menschen in diesem Lande hätten es
verdient, dass man ihnen erklärt, warum man Griechen-
land auf diese Weise hilft. Es ist nicht so, dass diese
Hilfe für Griechenland alternativlos wäre. Selbstver-
ständlich gibt es, wie im wirklichen Leben, Alternati-
ven, über die man entscheiden kann. Wie ist es mit den
Vorschlägen, die aus Ihren Reihen gekommen sind? Was
würde es heißen, Griechenland aus der Währungsunion
auszuschließen, damit die Griechen die Drachme wieder
einführen und sie entsprechend abwerten? Das Ergebnis
wären eine gigantische Kapitalflucht aus Griechenland
und der Zusammenbruch des griechischen Bankensek-
tors – mit allen Folgen für das europäische Bankensys-
tem. Das wären die Folgen der Alternative, die Sie ge-
predigt haben, lieber Herr Friedrich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wie ist es mit der Alternative – auch das ist gefordert
worden –, Griechenland den Staatsbankrott erklären zu
lassen? Die Folge wäre keine andere als bei dem vorigen
Vorschlag, nämlich eine massive Gefährdung und Zer-
störung des Bankensystems. Das System, mit dem wir
uns nun einmal herumzuschlagen haben, ist ein Kapita-
lismus, der sehr stark von Finanzmarktmechanismen ge-
prägt ist. Wenn man das weiß, wenn man weiß, dass man
dem Kapitalismus das Spekulieren in dieser Form nicht
abgewöhnen kann, wenn man weiß, dass es zyklisch im-
mer wieder Krisen geben wird, dann darf man sich doch
nicht, wie Sie es jetzt – zu spät – tun, auf Nothilfe be-
schränken, dann muss man doch darangehen, künftigen
Krisen vorzubeugen


(Birgit Homburger [FDP]: Entschuldigung! Das wollen wir doch!)


und damit Schadensbegrenzung zu betreiben. Das ist die
Herausforderung, vor der wir stehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie bewegen sich an einigen Punkten: Plötzlich darf
Eurostat auch in die deutschen Bücher schauen. Plötz-
lich sind auch Sie der Auffassung – Sie haben das lange
Zeit blockiert –, dass wir eine europäische Ratingagen-
tur brauchen.

Stellen Sie sich einmal vor, die Steuervorschläge der
FDP kämen durch und im Ergebnis würden wir gegen
den Stabilitätspakt verstoßen.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Würden wir ja auch! – Sigmar Gabriel [SPD]: Tun wir schon!)


Ich sehe schon den Jubel in Ihren Reihen, wenn für
Deutschland keine Agrarsubventionen und keine Struk-
turfondsmittel mehr fließen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich habe immer den Eindruck: Das gilt immer nur für die
anderen, aber nie für Sie selber.


(Birgit Homburger [FDP]: Das ist bei euch so! Der Hintergrund ist, dass Sie es genauso gemacht haben!)


Wenn solchen Krisen jetzt vorgebeugt werden soll,
muss man zwei Dinge in den Mittelpunkt stellen: Zum
einen kann es keine europäische Währungspolitik ohne
eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik ge-
ben. Das geht eben nur zusammen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Zum anderen kann man sich nicht wie der badische
Nationalökonom Kauder


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Baden-Württembergische!)


hier hinstellen und erklären, die Griechen hätten über
ihre Verhältnisse gelebt. Das stimmt zwar, aber das ist
nur ein Teil der Wahrheit. Herr Kauder, den anderen Teil
der Wahrheit muss man als guter Europäer auch sagen.
Der andere Teil der Wahrheit lautet nämlich: Davon,
dass die Griechen über ihre Verhältnisse gelebt haben,
haben andere gut gelebt.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Na ja!)


Ich kann das auch anders ausdrücken: Das Rekorddefizit
in Griechenland spiegelt sich im Handelsüberschuss der
Bundesrepublik Deutschland gegenüber Griechenland
wider. Das ist die simple ökonomische Wahrheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Mannomann! – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das ist Voodoo-Ökonomie! – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Dagegen war Gysi ja seriös! – Zurufe von der FDP)


– Meine Damen und Herren, Sie können sich beruhigen.
Ich muss Ihnen das vielleicht so erklären, wie man das
sonst den Kollegen von der Linkspartei erklärt:


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Herr Trittin, hören Sie auf! Sie blamieren sich!)






Jürgen Trittin


(A) (C)



(D)(B)

Wenn Sie 350 Leopard-Panzer an Griechenland verkau-
fen, dann ist es unfair, sich darüber aufzuregen, dass sich
die Griechen für das Geschäft verschuldet haben. – Ich
halte das jedenfalls nicht für einen Vorwurf, den man
leichtfertig erheben sollte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Mannomann!)


Der Kern ist aber ein anderer. Der Kern ist: Wir brau-
chen einen Abbau der Ungleichgewichte innerhalb der
Europäischen Union. Das, was es anderswo zu viel an
Binnennachfrage gibt, gibt es hier zu wenig an Binnen-
nachfrage.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie wollen also Deutschlands Wohlstand verringern?)


Durch eine europäische Wirtschaftskoordination, eine
Koordination der Wirtschaftspolitik innerhalb der Euro-
päischen Union, wird Deutschlands Wohlstand nicht be-
schädigt,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Doch!)


sondern gemehrt, weil das langfristig zu mehr Stabilität
und zu mehr Binnennachfrage der Menschen hier führt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist Unsinnswirtschaft!)


Wenn Sie die Banken und andere beteiligen wollen,
dann müssen Sie eine Finanztransaktionsteuer einfüh-
ren. Frau Merkel, ich habe es im Bericht des IWF nach-
gelesen. Darin steht ausdrücklich: Durch diese Steuer
werden hochspekulative Geschäfte belastet. – Das ist der
Grund, weswegen wir sagen: Sie ist zielgenau – anders
als Ihre Bankenabgabe –, und durch sie wird dafür ge-
sorgt, dass Spekulationen verteuert werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich sage Ihnen: Wir kommen in diesem Hohen Hause
nicht überein, auch wenn Sie jetzt die Position einneh-
men, man müsse Griechenland helfen, was Sie lange
Zeit blockiert haben, wenn Sie nicht den Schritt gehen,
endlich dafür Sorge zu tragen, dass diejenigen, die mit
Spekulationen Geschäfte machen, künftig auch für die
Folgen dieser Spekulationen in Haftung genommen wer-
den.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass endlich
wieder wirtschaftlich geordnete Verhältnisse in dieses
gemeinsame Europa einziehen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703901800

Der Kollege Dr. Friedrich ist der nächste Redner für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Joachim Poß [SPD]: Er hat „Griechenland raus!“ gefordert!)



Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU):
Rede ID: ID1703901900

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Lieber Kollege Trittin, dafür, dass Sie 2002, als
Griechenland in die Währungsunion geholt wurde, Bun-
desminister waren,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ablenkungsmanöver!)


dass Sie 2004, als der Betrug der Griechen aufgeflogen
ist und die Grünen, als Sie noch Bundesminister in die-
ser Regierung waren, windelweich reagiert haben – ich
habe die dpa-Meldung vom 24. September dabei –,


(Zuruf von der SPD: Sagen Sie doch mal was zu Ihren Vorschlägen!)


und dafür, dass Sie als Bundesminister in diesem rot-
grünen Kabinett zugeschaut haben, als Ihr damaliger Fi-
nanzminister Hans Eichel den Euro-Stabilitätspakt auf-
geweicht hat, riskieren Sie hier eine dicke Lippe.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


In Griechenland sind in den letzten Wochen und Mo-
naten Illusionen geplatzt, und zwar erstens die Illusion,
dass Wohlstand schon durch die geografische Lage in
Europa garantiert ist, und zweitens die Illusion, dass
Wohlstand auch dadurch gewährleistet ist, dass man dem
Euro-Raum angehört. Tatsache ist: Jeder Staat, jede
Volkswirtschaft ist nur so wohlhabend, wie es die Men-
schen in dieser Volkswirtschaft durch Fleiß, Ehrgeiz,
Disziplin und Leistungskraft ermöglichen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist die Wahrheit, und das müssen die Griechen jetzt
lernen, und zwar unabhängig davon, ob in Dollar, Euro
oder Gold bezahlt wird. Entscheidend ist: Die Währung
ist die geronnene Leistungskraft einer Volkswirtschaft.

Dafür, dass es Deutschland in dieser schwierigen
wirtschaftlichen Situation gut geht, sind Reformen ver-
antwortlich, die den Menschen in unserem Lande über
viele Jahre auferlegt worden sind, begonnen in den 90er-
Jahren unter Helmut Kohl und Theo Waigel mit den Re-
formen zur Sicherung des Standortes Deutschland bis
hin zu den Hartz-Reformen, die Sie unter Rot-Grün
durchgeführt haben und die unseren Bürgerinnen und
Bürgern schwere Belastungen auferlegt haben.

Griechenland hat in all dieser Zeit keine Reformen
durchgeführt, im Gegenteil.


(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Die konservative Regierung! Die Sozialdemokraten müssen jetzt aufräumen!)


Deswegen muss jetzt die internationale Staatengemein-
schaft, vertreten durch den IWF, die Europäische Zen-





Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)



(A) (C)



(D)(B)

tralbank und die Europäische Kommission, Griechen-
land zwingen, innerhalb kürzester Zeit all die Reformen
nachzuholen, die es wieder wettbewerbsfähig machen.


(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Die die Konservativen nicht gemacht haben! Die werden jetzt nachgeholt!)


Steuererhöhungen bei der Mehrwertsteuer und bei Ver-
brauchsteuern, Kürzung von Löhnen und Gehältern, Ver-
kauf von Staatsvermögen, Reduzierung des öffentlichen
Dienstes und Erhöhung des Rentenalters – dieses Pro-
gramm hat der IWF jetzt den Griechen auferlegt. Damit
wird das nachgeholt, was griechische Regierungen ver-
säumt haben. Das macht in etwa deutlich, lieber Herr
Gysi, was passiert, wenn Regierungen Freibier für alle
versprechen, statt rechtzeitig Reformen durchzuführen.
Darum geht es.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Griechenland hat, wie bereits gesagt wurde, über
seine Verhältnisse gelebt. Es kann seine staatlichen Ver-
pflichtungen nicht mehr wahrnehmen und keine Zu-
kunftsinvestitionen mehr vornehmen und fragt jetzt bei
seinen Partnern nach Krediten.


(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Sie reden über Ihre intellektuellen Möglichkeiten!)


Nun könnte man sagen: „Das ist uns egal. Was geht uns
Griechenland an?“ Griechenland liegt aber in Europa
und ist mit unserer Volkswirtschaft verflochten. Im Jahr
2008 hat die Exportnation Deutschland – Sie haben vor-
hin darauf hingewiesen, lieber Herr Trittin – Waren und
Dienstleistungen im Wert von 8,3 Milliarden Euro nach
Griechenland exportiert. Dafür haben deutsche Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer Leistung erbringen
müssen, und dafür haben sie ihren fairen und gerechten
Lohn bekommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


180 deutsche Unternehmen sind in Griechenland enga-
giert. Die deutschen Versicherungen und Renten- und
Pensionsfonds haben griechische Staatsanleihen gekauft;
denn diese Institutionen verfolgen sehr vorsichtige Anla-
gestrategien, und die vorsichtigste Strategie besteht da-
rin, in Staatsanleihen zu investieren. Deswegen besitzt
im Grunde jede Versicherung in Deutschland griechische
Staatsanleihen. Insofern ist eine Verflechtung über die
Finanzmärkte offensichtlich. Ein griechischer Staats-
bankrott hätte deswegen enorme Auswirkungen auf die
Wirtschafts- und Finanzbereiche in der gesamten Euro-
päischen Union.

Nun kann man einwenden, dass Griechenland sehr
klein und seine Volkswirtschaft gegenüber der großen
europäischen Volkswirtschaft und der Stärke des Euros
unbedeutend ist. Ja, der Euro ist stark, und Europa hat
insgesamt eine starke Volkswirtschaft. Dagegen ist Grie-
chenland relativ klein. Aber im September 2008 haben
auch viele Lehman Brothers für ein relativ unbedeuten-
des Finanzunternehmen gehalten, das man ruhig pleite-
gehen lassen kann. Die Folge war eine unabsehbare Ket-
tenreaktion auf allen Finanzmärkten, die die ganze Welt
erschüttert hat. Deswegen rate ich, keine Experimente zu
machen, sondern dafür zu sorgen, dass Stabilität in Grie-
chenland und in ganz Europa Einzug hält.


(Thomas Oppermann [SPD]: Deshalb haben Sie auch die BayernLB gerettet!)


Die europäischen Partner sind bereit – ich sage das
ausdrücklich –, Griechenland Kredite, Darlehen zu ge-
ben, übrigens nicht nur die Europäer, sondern die Welt-
gemeinschaft. Im IWF sind viele Staaten vertreten, auch
die Amerikaner und die Chinesen sind dabei. Sie alle ha-
ben ein Interesse daran, dass Griechenland, dass Europa
insgesamt stabil bleibt. Darum geht es. Das Ziel des In-
ternationalen Währungsfonds und der Europäischen
Union ist es, die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands
schnell wiederherzustellen.

Was wichtig ist: Es geht hier um Nothilfe. In den
90er-Jahren, in den 80er-Jahren und in den 70er-Jahren
hat die Deutsche Bundesbank in vielen Fällen mit Hun-
derten von Milliarden D-Mark fremde Währungen stüt-
zen müssen, um den Aufwertungsdruck von der D-Mark
zu nehmen. Die Finanzexperten unter Ihnen wissen das.
Damals war diese Nothilfe notwendig, um eine Währung
und ein Land zu stabilisieren. Eine solche Nothilfe wird
auch jetzt geleistet, aber es muss klar sein: Diese Not-
hilfe ist die Ultima Ratio. Sie darf nicht dazu führen,
dass wir eine Transferunion bekommen.

Ich bin der Bundeskanzlerin sehr dankbar dafür, dass
sie in den letzten Wochen und Monaten hartnäckig ge-
blieben ist. Es wäre das völlig falsche Signal an die
Weltgemeinschaft und an Europa gewesen, wenn wir mit
den Milliarden schon bereitgestanden hätten, nur weil
die Griechen schreien: Wir brauchen Geld.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Angelika Brunkhorst [FDP])


Ich darf den sozialdemokratischen Außenminister von
Spanien, Herrn Moratinos, zitieren – das können Sie üb-
rigens in der Süddeutschen Zeitung vom 30. April nach-
lesen –, der gesagt hat, wie hilfreich es gewesen sei, dass
die Bundesregierung hartnäckig geblieben sei. Er hat ge-
sagt, nur dadurch sei es möglich gewesen, Athen zum
Sparen zu zwingen. Ich danke Ihnen, liebe Frau Bundes-
kanzlerin, dass Sie mit harter Hand gezeigt haben, dass
Deutschland zwar zur Solidarität bereit ist, aber nur zur
Nothilfe und nicht zu einer Transferunion. Darum geht
es.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der LINKEN)


Wir wollen, dass die Maßnahmen, die der IWF Grie-
chenland jetzt verordnet hat, klar kontrolliert werden.
Der IWF hat das zugesagt. Es gibt regelmäßige Kontrol-
len. Griechenland bekommt Hilfe nur in dem Maße, in
dem es Fortschritte bei der Umstrukturierung seiner
Volkswirtschaft erzielt. Eines ist klar: Wir müssen jetzt
gemeinsam auf europäischer Ebene dafür sorgen, dass
das, was in Griechenland passiert ist, nicht wieder pas-
sieren kann. Deswegen braucht der europäische Stabili-
tätspakt nicht eine Aufweichung, wie sie damals unter
der rot-grünen Regierung geschehen ist, sondern er
braucht jetzt scharfe Zähne. Der europäische Stabilitäts-





Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)



(A) (C)



(D)(B)

pakt muss für all diejenigen Staaten strafbewehrt sein,
die sich nicht an die Ordnung halten. Es sind schon ei-
nige Dinge – Volker Kauder hat sie aufgezählt – genannt
worden: Zahlungen einstellen, Stimmrecht aussetzen.
All diese Möglichkeiten müssen kommen.

Dann gibt es einen zweiten Aufgabenkomplex. Dieser
betrifft die Finanzmärkte. Die Finanzmärkte sind nicht
ursächlich für die Krise, aber sie haben in der letzten
Phase die Krise beschleunigt. Das ist vergleichbar mit
dem Borkenkäfer, der einem gesunden Baum nicht scha-
den kann. Aber wenn ein Baum krank ist, dann kommen
die Schädlinge. Im Fall Griechenlands waren es die
Finanzhaie, die spekuliert haben. Deswegen müssen wir
uns gut überlegen, wie wir mit dieser Frage umgehen. Es
ist hier des Öfteren über Leerverkäufe gesprochen wor-
den. Ich sage: Ungedeckte Leerverkäufe, also wenn je-
mand Dinge verkauft, die er nicht hat, darf es nicht
geben. Es darf keine Kreditversicherungen geben für
Kredite, die es gar nicht gibt.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es ist erforderlich, dass die Regierung das verbietet! Sie sind wieder zugelassen!)


Wir sind auf dem richtigen Weg, und es wird alles
vorbereitet. Die entsprechenden Maßnahmen sind in
Brüssel in der Pipeline. Wir werden auf europäischer
Ebene mittels einer Derivaterichtlinie den Spekulanten
das Spielgeld aus der Hand schlagen. Aber machen Sie,
Herr Steinmeier, den Menschen in Deutschland bitte
nicht weis, wir könnten das national regeln. Die Finanz-
märkte – das weiß doch jedes Kind – sind international,
zumindest aber europäisch. Wir sollten – das ist richtig –
den Mut haben, Dinge auf europäischer Ebene auch
dann zu machen, wenn unsere amerikanischen und un-
sere anderen Freunde nicht mitmachen. Ja, das ist wahr.
Diesen Mut sollten wir haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Das wäre schon mal gut!)


Aber erzählen wir den Leuten nicht, dass wir das natio-
nal machen könnten; denn das ist nicht die Wahrheit.

Meine Damen und Herren, das Haus Europa hat ein
gutes Fundament. Aber in einigen Stockwerken dieses
Hauses ist Unordnung. Jetzt geht es darum, Ordnung zu
schaffen. Das kann ein starkes Land wie Deutschland
mit einer starken Regierungschefin. Die Bundesregie-
rung und die Koalition sind entschlossen, diese Ordnung
in Europa zu schaffen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703902000

Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem

Kollegen Otto Fricke von der FDP-Fraktion.


Otto Fricke (FDP):
Rede ID: ID1703902100

Meine Damen und Herren! Bevor man eine Äußerung

als falsch zurückweist, Herr Kollege Trittin, sollte man
die Zusammenhänge immer prüfen. Deswegen bitte ich
um Entschuldigung, dass meine Kurzintervention erst
jetzt erfolgt. Ich möchte Ihnen, Herr Trittin, auch im Na-
men meiner Fraktion die Möglichkeit geben, zu zeigen,
dass Sie ein Mann von Ehre sind, jemand, der eine fal-
sche Äußerung auch zurücknehmen kann.

Zu Ihren Aussagen bezüglich des Parteitages der
FDP, der Worte von Herrn Pinkwart und des angebli-
chen Danebensitzens von Herrn Westerwelle möchte ich
Folgendes sagen:

Erstens. Herr Westerwelle war zu dem Zeitpunkt gar
nicht auf dem Parteitag. Das wissen Sie ganz genau. Zu
diesem Zeitpunkt war er – Sie können gleich richtigstel-
len, dass das schlicht eine falsche Aussage von Ihnen
war – an einem Ort, den wir alle, glaube ich, als sehr
schwierig empfinden, nämlich bei der Trauerfeier für die
Soldaten.


(Thomas Oppermann [SPD]: Am nächsten Tag war er aber da!)


Zweitens. Die FDP hat auf dem Parteitag ein Konzept
beschlossen, welches Hilfen für Griechenland gerade
nicht ausschließt, sondern im Gegenteil beinhaltet: Wir
müssen helfen; das muss aber an klare Bedingungen ge-
knüpft sein.

Drittens. Was Sie gesagt haben, Herr Trittin, geht weit
über das hinaus, was im Wahlkampf in einem gewissen
Maße möglich ist. Ich bitte Sie nochmals: Stellen Sie
klar, dass die Äußerungen, die Sie hier im Bundestag zu
dem gemacht haben, was Herr Pinkwart gesagt hat,
schlicht falsch waren. Ich habe mir eben am Telefon
noch einmal die Live-Aufzeichnung – wörtlich – ange-
hört – und kommen Sie mir nicht damit, Sie hätten das
irgendwo anders gelesen; wenn man andere Leute zitiert
und ihnen ihre Worte zum Vorwurf macht, dann sollte
man das genau geprüft haben –: Wer Griechenland Mil-
liardenhilfen in Aussicht stellt und dann vor die deut-
schen Arbeitnehmer und kleinen Betriebe sich stellt und
sagt: „Für euch ist kein Geld da“, der schlägt dem Bür-
ger ins Gesicht.


(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Das ist ja noch schlimmer!)


Das ist, glaube ich, immer noch ein himmelweiter Unter-
schied. Ich bitte Sie, jetzt hier klarzustellen, dass die Äu-
ßerung von Herrn Pinkwart so gefallen ist und nicht so,
wie Sie es gerade behauptet haben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703902200

Herr Kollege Trittin, Sie haben Gelegenheit zur

Reaktion.


Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703902300

Lieber Herr Kollege Fricke, ich bin Ihnen dankbar,

dass Sie das Verhalten Ihres stellvertretenden FDP-Bun-
desvorsitzenden hier noch einmal zur Sprache bringen.
So geht das auch nicht unter. Sie haben eben mein Zitat,





Jürgen Trittin


(A) (C)



(D)(B)

dass er dies als Schlag ins Gesicht der Bürger sieht, aus-
drücklich bestätigt.


(Otto Fricke [FDP]: Nicht „dies“! Sie haben etwas anderes gesagt!)


Ich unterstreiche an dieser Stelle: Der gleiche Herr
Pinkwart, der sich in dieser Form


(Otto Fricke [FDP]: Nein! Stellen Sie es doch klar!)


auf dem FDP-Parteitag und in diversen Hörfunkinter-
views – ich könnte Ihnen auch Zitate aus dem Deutschland-
funk mitbringen – geäußert hat, wird in seiner Funktion als
stellvertretender Ministerpräsident am kommenden
Freitag genau diesem – in seinen Worten – „Schlag ins
Gesicht“ im Bundesrat zustimmen.


(Birgit Homburger [FDP]: Das ist eine unglaubliche Verdrehung!)


In einem Punkte gebe ich Ihnen aber ausdrücklich
recht: Der Herr Außenminister war mit gutem Grund
– mit vollem Respekt von meiner Seite – am Samstag
nicht auf dem Parteitag der FDP.


(Otto Fricke [FDP]: Er hat also nicht danebengesessen! – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sie haben doch gesagt, er hat danebengesessen!)


Ich vermute aber, so wie ich den Kollegen Westerwelle
kenne, dass er sich die wesentlichen Äußerungen der Re-
den am Samstag angehört hat


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Bei der Trauerfeier, oder wie?)


und auch diese Passage von Herrn Pinkwart kannte. Als
Herr Westerwelle am Sonntag auf dem FDP-Parteitag
geredet hat, da hätte ich von ihm als Vizekanzler, als Au-
ßenminister der Bundesrepublik Deutschland und als
Vorsitzenden der Partei von Hans-Dietrich Genscher er-
wartet, dass er diese unglaubliche Äußerung von Herrn
Pinkwart zurückweist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dieser Erwartung ist Herr Westerwelle leider nicht ge-
recht geworden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703902400

Das Wort zu einer Kurzintervention auf die Rede des

Kollegen Friedrich erteile ich der Kollegin Viola von
Cramon.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herzlichen Dank. – Herr Kollege Friedrich, Sie stel-
len hier in den Raum, dass es der IWF gewesen sei, der
Griechenland zu diesen sehr ambitionierten Sparpake-
ten getrieben hat. Das ist nicht korrekt. Griechenland ar-
beitet – bereits im Dezember des letzten Jahres gab es
das erste und im Februar dieses Jahres das zweite Spar-
paket – ganz ohne die Unterstützung und die Hilfe des
IWF und auch ohne den Druck vonseiten des IWF an ei-
ner Lösung des Problems. Deutschland hat an dieser
Stelle nichts dazu beigetragen, dass Griechenland sich
dazu entschlossen hat, sein Defizit zurückzufahren.

Am 4. März dieses Jahres wurde das dritte Sparpaket
verabschiedet, wieder ohne die Mitwirkung des IWF.
Erst in der letzten Woche ist der IWF auf den Plan getre-
ten. Man hat dann darüber diskutiert, was die Griechen
bereits selbstständig und eigenverantwortlich ausgear-
beitet haben. Laut dem Handelsblatt von Montag dieser
Woche sagte der Direktor des IWF, dass er sehr zufrie-
den ist mit dem, was Griechenland vorgelegt hat. Erwe-
cken Sie also bitte hier nicht den Eindruck, dass es der
internationale oder sogar der Druck aus Deutschland ge-
wesen ist, der Griechenland dazu gebracht hat, Sparmaß-
nahmen vorzunehmen. Das war es ganz bestimmt nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Griechen sind Gott sei dank im Oktober des letz-
ten Jahres, als die neue Regierung ihre Arbeit aufgenom-
men hat, selbst zu der Erkenntnis gekommen, dass sie
radikale Sparmaßnahmen vornehmen müssen. Bitte neh-
men Sie das zur Kenntnis.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703902500

Herr Kollege Friedrich, bitte.


Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU):
Rede ID: ID1703902600

Frau Kollegin, ganz herzlichen Dank dafür, dass Sie

noch einmal das bestätigt und unterstrichen haben, was
die Frau Bundeskanzlerin hier vorgetragen hat.

Wir hatten auf europäischer Ebene gemeinsam die
Hoffnung, dass das, was Griechenland an Sparmaßnah-
men und Schuldenreduzierung auf den Weg bringt, aus-
reichen könnte, um die Märkte wieder zu beruhigen und
das Land tatsächlich aus der Krise zu führen. Diese
Hoffnung konnte man haben. Deswegen war es richtig,
nicht gleich zu sagen: „Ihr braucht keine Reformen zu
machen, hier habt ihr Geld“, sondern die Griechen bei
ihren ehrlichen und ernsthaften Bemühungen im Rah-
men ihrer Regierungsarbeit moralisch zu unterstützen.


(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Dann kann man sie aber nicht zugleich niedermachen!)


Aber dann – auch das ist in der Regierungserklärung
deutlich geworden – hat sich plötzlich herausgestellt,
dass all die Bemühungen, die Griechenland unternom-
men hat, nicht ausgereicht haben. Eurostat hat nämlich
festgestellt, dass die Nettokreditaufnahme noch höher
liegt. Diese Erkenntnis veranlasste die griechische Re-
gierung dazu, zu sagen: Jetzt sind wir mit unseren Mög-
lichkeiten am Ende; jetzt brauchen wir die internationale
Staatengemeinschaft.


(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Nein! Weil Deutschland unklar war auf den Finanzmärkten!)






Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)



(A) (C)



(D)(B)

Dann wurde der IWF eingeschaltet. Das ist die tatsächli-
che Reihenfolge.

Frau Kollegin, ganz herzlichen Dank dafür, dass Sie
noch einmal unterstrichen haben, dass das, was die Bun-
deskanzlerin hier vorgetragen hat, zutreffend ist.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordenten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703902700

Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich Kol-

legen Norbert Barthle von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1703902800

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-

nen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir stehen heute in dieser historischen Stunde
an einer Weggabelung für die Zukunft Europas. Ange-
sichts der Dimension der Entscheidung, die wir in dieser
Woche zu treffen haben, finde ich es ein Stück weit be-
merkenswert, mit welch teilweise billiger Polemik hier
vonseiten der Opposition versucht wird, innenpolitisches
Kapital – womöglich mit Blick auf eine Landtagswahl –
zu schlagen.


(Lachen des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Versuch der Union und der FDP ist gründlich schiefgegangen!)


Es besteht Konsens unter allen Euro-Ländern. Es geht
nicht um eine einzelne nationale Maßnahme, sondern
um ein Gesamtpaket, das in Abstimmung mit dem IWF,
mit der EZB und mit allen Euro-Ländern geschnürt wor-
den ist. Aus dieser schwierigen Situation auf diese bil-
lige Weise innenpolitisches Kapital schlagen zu wollen,
ist schon bezeichnend.


(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Darum geht es nicht!)


Letztendlich geht es uns doch darum, die Stabilität des
Euro zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass diese
Währung, die Grundlage unseres gemeinsamen Wohl-
stands ist, auch in Zukunft sicher ist. Auf diese Weise
schützen wir den gesamten Euro-Raum.

Natürlich geht es primär darum, Griechenland wieder
zahlungsfähig zu machen. Es geht auch darum, die Wett-
bewerbsfähigkeit Griechenlands zu stärken. Ich finde es
bemerkenswert, wenn Herr Gysi an dieser Stelle fest-
stellt, dass die international vereinbarten Maßnahmen
ökonomischer Blödsinn seien. Denn diese Maßnahmen
zielen gerade darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit Grie-
chenlands zu stärken und Griechenland in die Lage zu
versetzen, sich auf den Finanzmärkten zu refinanzieren.
Das ist schon bemerkenswert. Man kann an dieser Stelle
beobachten, was passiert, wenn ein Land leichtfertig
über Jahre hinweg – viel zu lange – von fremdem Geld
lebt, sich hoch verschuldet und es dabei versäumt, seine
Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lassen Sie sich das bei Ihren Steuersenkungsplänen gesagt sein!)


Wir sind der Auffassung: Es gibt tatsächlich keine Al-
ternative zu dieser Rettungsmaßnahme, diesem Notfall-
programm, das wir in dieser Woche auflegen wollen. Es
ist mir wichtig, zu erklären: Damit tun wir alles, um das
Risiko von den deutschen Steuerzahlern so weit als ir-
gend möglich fernzuhalten. Wir übernehmen eine Aus-
fallbürgschaft für die Kredite der KfW. Diese Kredite
sind letztendlich nichts anderes als Hilfe zur Selbsthilfe.
Es gibt keinen Blankoscheck – teilweise wurde das for-
muliert –: Die Hilfe ist an strenge Auflagen geknüpft.

Griechenland hat sich zu einem wirklich drastischen
Sparkurs verpflichtet, der daraus resultiert, dass Ein-
nahmeverbesserungen erzielt und durchgreifende Struk-
turreformen vorgenommen werden müssen. Griechen-
land will sein Defizit bis 2014 unter die 3-Prozent-
Grenze senken. Das ist alle Anerkennung wert. Das Me-
morandum of Understanding, das abgeschlossen und
von den Griechen unterzeichnet wurde, sichert uns zu,
dass diese Maßnahmen umgesetzt werden.

Immer wieder kommt die Frage: Welche Sicherheiten
haben wir? Natürlich kann niemand sagen, dass wir end-
gültige Sicherheit haben. Dennoch möchte ich an dieser
Stelle betonen, dass wir für die erfolgreichen, nach-
drücklichen Verhandlungen unserer Bundeskanzlerin
und unseres Finanzministers dankbar sein müssen, die
erreicht haben, dass der IWF beteiligt wird.


(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Das müssen wir nicht! Die haben alles nur verschlimmert durch ihre unklare Haltung!)


Durch die Beteiligung des IWF erhalten die Auflagen,
die mit dem Paket verknüpft sind, eine wesentlich grö-
ßere Durchschlagskraft; wir erhalten bessere Kontroll-
mechanismen. Dass sich der IWF mit 30 Milliarden
Euro finanziell beteiligt, zeigt, dass die internationale
Gemeinschaft Vertrauen in die Wirksamkeit dieses Pa-
kets hat. Das ist ein ganz wichtiges Signal.

Nebenbei bemerkt: Es ist Bestandteil dieses Paketes,
dass regelmäßig, vierteljährlich, eine Überprüfung vor-
genommen wird. Diese Überprüfung orientiert sich an
quantitativen Leistungskriterien und strukturellen Richt-
werten, um die erreichten Fortschritte zu bewerten und
gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu beschließen. Im
Kontext dieser Überprüfungen können wir als deutsches
Parlament jederzeit gegensteuern. Vierteljährlich findet
eine Unterrichtung durch die Bundesregierung im Haus-
haltsausschuss des Deutschen Bundestages statt. Wir ha-
ben die Möglichkeit, regelmäßig zu kontrollieren, ob die
entsprechenden Fortschritte erzielt werden.

Die Zahlungspraxis des IWF gestaltet sich folgender-
maßen: Die Zahlung weiterer Tranchen ist immer daran
geknüpft, dass die Maßnahmen erfolgreich sind. Das ist
ein wichtiges Signal an die deutsche Öffentlichkeit; denn





Norbert Barthle


(A) (C)



(D)(B)

damit haben wir ein Stück weit Sicherheit, dass das be-
schlossene Programm wirkungsvoll umgesetzt wird.

Es wurde bereits von den Vorrednern betont, dass es
über dieses Programm hinaus notwendig sein wird, wei-
tere Maßnahmen zu ergreifen, um künftige Vorfälle
ähnlicher Dimension zu vermeiden. Ich will das unter-
streichen. Wir denken da an zwei verschiedene Bereiche.

Einerseits müssen wir es schaffen, auf europäischer
Ebene dafür zu sorgen, dass bessere Transparenz und
bessere Kontrollmöglichkeiten entstehen. Da ist Eurostat
gefragt. Wir müssen es Eurostat ermöglichen, schärfer
und besser zu kontrollieren, transparentere, klare Zahlen
zu bekommen. Wir müssen entsprechende Sanktionen
vorsehen. Bisher wurden auf europäischer Ebene noch
nie Sanktionen ausgesprochen. Damit sind Sanktionen
ein stumpfes Schwert. Wir müssen die Europäische
Union in die Lage versetzen, tatsächlich Sanktionen aus-
zusprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Unser Fraktionsvorsitzender hat klipp und klar darauf
hingewiesen, dass es gelingen muss, ein Insolvenzver-
fahren vorzusehen. Wir brauchen die notwendigen In-
strumentarien, damit es künftig, wenn noch einmal solch
ein Fall eintreten sollte, nicht notwendig ist, in einem
mühsamen europäischen Abstimmungsverfahren ein
Programm zu beschließen. Vielmehr müssen Regularien
bestehen, die sofort greifen können. Andererseits wird es
darum gehen, die Finanzmärkte in den Blick zu nehmen.
Auch dazu hat die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungs-
erklärung das Notwendige gesagt. Es wird darum gehen,
eine unabhängige europäische Ratingagentur zu instal-
lieren; denn die Ratingagenturen – auch darauf hat der
Finanzminister immer wieder hingewiesen – haben in
diesem Kontext eine ausgesprochen verstärkende Wir-
kung erzielt. Das muss künftig verhindert werden. Wir
sind gerne bereit, über ein Verbot ungedeckter Leerver-
käufe zu sprechen. Das ist in unserem Maßnahmenpaket
vorgesehen. Wir sind auch gerne bereit, über ein Verbot
der sogenannten Credit Default Swaps zu sprechen,
wenn sie ohne Eigenkapitalunterlegung nur zur Spekula-
tion benutzt werden.

Das alles sind sinnvolle Maßnahmen, die wir ergrei-
fen wollen, um die Finanzmärkte besser als bisher regu-
lieren zu können. Aber – das muss man immer wieder
hinzufügen – das geht nur im internationalen Kontext.
Deshalb wünsche ich mir, dass der Deutsche Bundestag
in dieser Woche das vorliegende Maßnahmenpaket mit
großer Mehrheit verabschiedet und damit der Bundes-
kanzlerin den Rücken stärkt, damit sie unser Vorhaben
auf internationalem Parkett durchsetzen kann.

Danke sehr.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703902900

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfes auf Drucksache 17/1544 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist offensichtlich
nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich unterbreche nun die Sitzung bis 13 Uhr. Der Wie-
derbeginn der Sitzung wird rechtzeitig durch Klingel-
signal bekannt gegeben.

Die Sitzung ist unterbrochen.


(Unterbrechung von 10.51 bis 13.00 Uhr)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703903000

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der Kabinettssit-
zung von Montag mitgeteilt: Rücknahme der Erklärung
der Bundesrepublik Deutschland vom 6. März 1992
zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin der Justiz, Frau Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger. Bitte schön.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Recht herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Am 3. Mai 2010 wurde in der
Kabinettssitzung der Beschluss zur Rücknahme des Vor-
behalts gegen die Kinderrechtskonvention gefasst. Das
war ein wirklich guter Tag für die Kinderrechte. Mit der
Rücknahme der Erklärung zur Kinderrechtskonvention
der Vereinten Nationen haben wir ein jahrelanges Anlie-
gen des Bundestages umgesetzt. Die Koalition hat jetzt,
nachdem jahrelang über dieses Thema diskutiert worden
ist, den Durchbruch erreicht.

1989 wurde die Kinderrechtskonvention von der Ge-
neralversammlung der Vereinten Nationen angenom-
men. Im Jahr 1992 wurde sie von Deutschland ratifiziert,
wobei aber mit der Interpretationserklärung bei der Hin-
terlegung der Ratifikationsurkunde Anlass zur Diskus-
sion gegeben wurde. Diese Erklärung betraf das Fami-
lienrecht, das Jugendstrafrecht sowie das Ausländerrecht
und ist seinerzeit auf Wunsch der Bundesländer zustande
gekommen.

Viele Initiativen und Flüchtlingsorganisationen haben
sich seither für die Rücknahme der Erklärung stark ge-
macht, nicht nur der Bundestag, sondern besonders auch
die Kinderkommission, und zwar einstimmig. Die Bun-
desregierung hat sich im Koalitionsvertrag darauf
verständigt, diesen Vorbehalt zurückzunehmen. Die Län-
der haben sich mit der Bundesratsentschließung vom
26. März 2010 für die Rücknahme ausgesprochen. Das
war ein ganz wichtiges Signal, ein wichtiger Schritt da-
hin, dass sich jetzt auch die Bundesregierung zur Rück-
nahme des Vorbehalts entscheiden konnte. Denn – das
hat die Debatten in den letzten Jahren geprägt – es sollte
nicht gegen den Willen der Länder erfolgen.

Warum haben sich so viele für die Rücknahme des
Vorbehaltes über Jahre hinweg eingesetzt, und welche
konkreten Folgen resultieren aus der Rücknahme?





Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(A) (C)



(D)(B)

Deutschland hat natürlich immer die Kinderrechtskon-
vention der Vereinten Nationen respektiert. Die Erklä-
rung sollte nicht die Rechte der Kinder einschränken
oder außer Kraft setzen, sondern es ging darum, für die
genannten Bereiche Gefahren durch mögliche Fehl- oder
Überinterpretationen auszuschließen. Diese Sorgen hat-
ten die Länder immer zum Ausdruck gebracht.

Dies bezog sich besonders auf Aspekte des Auslän-
derrechtes. Deshalb hob die Erklärung hervor, dass die
Konvention kein Recht auf widerrechtliche Einreise und
Aufenthalt gewähre. Aber natürlich brauchen minderjäh-
rige Flüchtlinge einen ganz besonderen Schutz. Die
Frage, was wir für minderjährige Asylbewerber und
Flüchtlinge tun können, stellt sich in jedem Einzelfall.
Die Rücknahme der Erklärung ist daher vor allem ein
ganz wichtiges politisches Signal für den Vollzug, das
heißt: für die Gesetzesanwender. Es sollte den Ländern
Anlass geben, ihre Praxis zu überprüfen und zu überle-
gen, wie das Kindeswohl stärker berücksichtigt werden
kann. Ich denke an aktuelle Fälle, in denen Kinder in
Abschiebehaft sitzen. Auch wenn die Abschiebehaft
nach der Kinderrechtskonvention grundsätzlich zulässig
bleibt, muss sie auf die kürzeste noch angemessene Zeit
begrenzt werden. Hier sollten die Länder kritisch über-
prüfen, wie viele Kinder sich wie lange in Abschiebehaft
befinden, und dann entsprechend reagieren.

Auch im Bereich der medizinischen Versorgung sollte
die Bewilligungspraxis der Sozialbehörden auf die be-
sondere Schutzbedürftigkeit von Kindern und Jugendli-
chen, für die das Asylbewerberleistungsgesetz gilt,
Rücksicht nehmen.

Natürlich ist es richtig, im Asylverfahren nicht nur Ju-
gendlichen bis zum 16. Lebensjahr, sondern bis zum
18. Lebensjahr einen angemessenen Rechtsbeistand zur
Seite zu stellen und in diesen Verfahren auch besonders
geschulte Sachbearbeiter einzusetzen.

Insgesamt ist mit der Entscheidung über die Rück-
nahme ein ganz wichtiges Zeichen gesetzt worden, auch
auf internationaler Ebene. Unsere Botschaft ist klar: Für
uns steht das Kindeswohl im Mittelpunkt unserer Politik.

Vielen Dank.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703903100

Danke schön. – Als erste Fragestellerin zu diesem

Themenbereich hat Ekin Deligöz, Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen, das Wort.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703903200

Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank für Ihre

Ausführungen. In der Tat ist es ein großer Schritt, diese
Vorbehalte zurückzunehmen. Es steht Deutschland auch
international sehr gut zu Gesicht, das zu tun. Sie haben
hinsichtlich der Konsequenzen oft an die Länder appel-
liert. Mich interessiert, welche Konsequenzen Sie als
Bundesministerin daraus ziehen. Das heißt: Was werden
Sie konkret tun, sei es gesetzlich oder untergesetzlich,
um diese Rechte der Kinder bundesweit durchzusetzen?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Vielen Dank, Frau Deligöz, für die Frage. Ich möchte
noch einmal betonen, dass es gerade dieser Regierung
gelungen ist, und zwar mit Zustimmung aller Bundeslän-
der, hier weiterzukommen. Das haben andere Regierun-
gen, die sich natürlich auch immer um das Kindeswohl
bemüht haben, nicht erreicht.

Auf Bundesebene haben wir keinen Gesetzgebungs-
bedarf. Bei der Erklärung spielte zum einen das Fami-
lienrecht eine Rolle. Hier sind nach 1992 mit der Kind-
schaftsrechtsreform bereits Änderungen erfolgt und
Unterschiede zwischen ehelichen und nicht ehelichen
Kindern so weit wie möglich beseitigt worden. Nach der
Kinderrechtskonvention wird nicht ein ganz bestimmtes
Modell vorgegeben. Aber vor dem Hintergrund der Ent-
scheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichts-
hofs werden wir die Frage des Sorgerechts von nicht ver-
heirateten Eltern, gerade auch von Vätern, zu beraten
haben. Hier arbeiten wir bereits an einem Gesetzentwurf.

Im Bereich des Jugendstrafrechts geht es um einen
rechtskundigen oder anderen geeigneten Beistand zur
Vorbereitung und Wahrnehmung der Verteidigung. Nach
dem geltenden Recht besteht die Pflicht zur Bestellung
eines Pflichtverteidigers, wenn es keinen Wahlverteidi-
ger gibt und das Kind nicht in der Lage ist, sich selbst zu
verteidigen. Diese Regelung greift unmittelbar. Insofern
müssen wir auch hier auf Bundesebene nicht gesetzgebe-
risch tätig werden.

Auch im Bereich des Asyl- und Ausländerrechts se-
hen wir keinen legislativen Handlungsbedarf auf Bun-
desebene. Es wird verlangt, gerade Flüchtlingskindern,
ob begleitet oder unbegleitet, angemessenen Schutz und
humanitäre Hilfe zu gewähren. Insbesondere in diesem
Bereich – ich habe einige Bereiche angesprochen –
kommt es auf die Länder an. Die Länder waren im Vor-
feld der Befassung des Kabinetts sehr konstruktiv. Sie
haben sich in mehreren Bundesratssitzungen damit be-
fasst, ob sie einer Rücknahme der Erklärung zustimmen
können bzw. damit einverstanden sind. Die ursprüngli-
chen Vorbehalte der Länder – egal wer in den Ländern in
Regierungsverantwortung steht – sind in dieser Form
nicht mehr belegt. Aber wir werden natürlich – die
nächste Justizministerkonferenz im Juni bietet dazu si-
cherlich eine gute Gelegenheit – mit den Ländern da-
rüber reden, was passiert und wie sich die Situation nach
der Rücknahme des Vorbehaltes und der Zuleitung des
Kabinettsbeschlusses an den Generalsekretär der Verein-
ten Nationen konkret darstellt. Wir werden dann letzt-
endlich zu gewichten haben, ob es hier, an welche Stelle
auch immer adressiert, gesetzgeberischen Handlungsbe-
darf geben sollte.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703903300

Die nächste Frage stellt Diana Golze.


Diana Golze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703903400

Vielen Dank. – Frau Ministerin, ich möchte an die

Fragen meiner Kollegin Deligöz anschließen. Natürlich
begrüße auch ich die bevorstehende Rücknahme des





Diana Golze


(A) (C)



(D)(B)

Vorbehalts. Aber ich denke schon, dass sich hier für uns
als Bund Handlungsbedarf für Gesetzesänderungen
abzeichnet. Ich nenne als Beispiel die ausdrückliche Ver-
ankerung des Vorrangs des Kindeswohls im Asylverfah-
rens- und Asylbewerberleistungsrecht sowie im Aufent-
haltsgesetz.

Sie haben vorhin gesagt, dass die Abschiebehaft laut
UN-Kinderrechtskonvention grundsätzlich zulässig bleibt.
Wir könnten es uns doch durchaus erlauben, darüber hi-
nauszugehen und zu sagen: Während des Verfahrens ver-
bieten wir die Aufnahme von minderjährigen Flüchtlin-
gen in Abschiebehaft. Wir verbieten die Abschiebung
minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge.

Hier sehe ich den Bund in der Pflicht. Gerade jetzt, da
wir auf die Zustimmung der Länder hoffen können,
sollte der Bund auf die Länder in den Fragen zugehen, in
denen die Landesgesetzgebungen betroffen sind. Ich
denke hier zum Beispiel an den Schulbesuch von Kin-
dern unabhängig vom Aufenthaltsstatus.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Herzlichen Dank, Frau Kollegin, dass Sie noch ein-
mal meine Auffassung bestätigt haben, dass es nach der
Konvention jetzt nicht geboten und rechtlich vorgegeben
ist, die Abschiebehaft für Jugendliche abzuschaffen. Das
ist die richtige juristische Bewertung. Etwas anderes ist
die politische Diskussion, die hierüber geführt werden
muss.

Die Konvention verbietet die rechtswidrige oder will-
kürliche Inhaftierung und hält die Abschiebehaft als letz-
tes Mittel in der kürzesten angemessenen Zeit für an-
wendbar. Das ist der rechtliche Rahmen, in dem wir uns
bewegen. Die Debatte darüber, ob man über diese Rege-
lungen hinausgeht, ohne dazu durch die Konvention ver-
pflichtet zu sein, ist natürlich den Ländern, aber auch
dem Bundestag und den Fraktionen unbenommen.

Ich darf auf einen weiteren Punkt hinweisen: Sie ha-
ben den Schulbesuch von Kindern ohne Aufenthaltsbe-
rechtigung angesprochen, die sich also illegal hier auf-
halten. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist – ich
glaube nicht, dass das bei den Vorgängerregierungen in
den Jahren nach 1998 der Fall war –, im Koalitionsver-
trag festzuschreiben, dass gerade die Vorschriften
hinsichtlich der aufenthaltsgesetzlichen Übermittlungs-
pflichten öffentlicher Stellen geändert werden, sodass
der Schulbesuch von Kindern ermöglicht wird. Ansons-
ten können Kinder, die sich illegal in Deutschland auf-
halten, nicht zur Schule gehen, weil in einem solchen
Fall Meldepflicht besteht und dann entsprechende Kon-
sequenzen gezogen werden.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gesundheitsvorsorge!)


Genau diesen Punkt haben wir in Verantwortung ge-
genüber den Kindern und dem Kindeswohl als CDU/
CSU/FDP-Koalition in den Koalitionsvertrag aufgenom-
men. Ich glaube, daran sieht man, wie ernst wir gerade
diese Frage nehmen und wie konkret wir uns im Gegen-
satz zu anderen Regierungen auf Verbesserungen ver-
ständigt haben.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sehr konkret war das nicht!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703903500

Das Wort hat nun Kollege Peter Tauber.


Dr. Peter Tauber (CDU):
Rede ID: ID1703903600

Frau Ministerin, zunächst herzlichen Dank für diesen

Erfolg. Ich glaube, dass er zu gleichen Teilen der Ein-
sicht der Länder als auch Ihrem Charme geschuldet ist.

Mich interessiert nun: Erfüllt die Bundesregierung
bereits jetzt, das heißt unabhängig von der Rücknahme
der Vorbehaltserklärung, alle sich aus der Kinderrechts-
konvention ergebenden völkerrechtlichen Verpflichtun-
gen? Oft hat man ein bisschen die Sorge, dass in der öf-
fentlichen Debatte aufgrund dieser Rücknahme der
Eindruck entstehen könnte, das sei bisher nicht der Fall
gewesen.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Deutschland hat sich allen völkerrechtlichen Ver-
pflichtungen nicht nur theoretisch verpflichtet gefühlt,
sondern ist diesen Verpflichtungen natürlich auch immer
nachgekommen. Hier gab es gerade nach 1992 in man-
chen Bereichen gesetzliche Änderungen. Ich denke
besonders an die 1998 vorgenommene Kindschafts-
rechtsreform im Familienrecht, die, wenn sie vorher vor-
genommen worden wäre, damals bei Zeichnung der
Konvention ohne Abgabe des Erklärungsvorbehaltes
eher zu Problemen hätte führen können. Aber wir erfül-
len die Verpflichtungen aus der Konvention.

Für mich geht es jetzt vorrangig darum, zu klären,
was das für die Gesetzesanwendung bedeutet. Internatio-
nal stehen wir damit gut da. Zu Recht sind die Organisa-
tionen – UNICEF, Pro Asyl und viele andere –, die sich
der Situation von Kindern annehmen, mit der Entschei-
dung des Kabinetts einverstanden. Ich denke, das ehrt
diese Koalition.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703903700

Das Wort hat nun Kollegin Katja Dörner.


Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703903800

Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen herzlichen Dank

für Ihre Ausführungen. Ich möchte Sie ganz konkret
fragen, ob die Bundesregierung jetzt als Folge der Rück-
nahme der Vorbehaltserklärung plant, Kinder und Ju-
gendliche aus dem Asylbewerberleistungsgesetz heraus-
zunehmen. Sie wissen, dass das erhebliche Folgen hätte,
beispielsweise hinsichtlich der Versorgung im Gesund-
heitswesen und mit Blick auf das Existenzminimum.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Die Regierung hat nicht die Absicht, jetzt das Asylbe-
werberleistungsgesetz zu ändern. Natürlich können die





Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(A) (C)



(D)(B)

Länder durchaus gerade für minderjährige Jugendliche
bis zum 18. Lebensjahr Regelungen schaffen, zum Bei-
spiel – in Bayern wird aktuell darüber verhandelt – dass
keine Verpflichtung zur Unterbringung in Gemein-
schaftsunterkünften besteht. Da ist die Situation in den
Bundesländern sehr unterschiedlich. Aber kaum ir-
gendwo ist vereinbart worden, dass man das – ohne ge-
setzliche Änderung – im Rahmen von § 53 Asylverfah-
rensgesetz regelt. Auch hier besteht ganz klar die
Möglichkeit, in sehr viel größerem Umfang das Kindes-
wohl zu berücksichtigen und entsprechend tätig zu wer-
den. Aber wir haben uns auf Bundesebene – das liegt
nicht in der Kompetenz des Justizministeriums – nicht
darauf verständigt, das Asylbewerberleistungsgesetz zu
ändern.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703903900

Kollegin Marlene Rupprecht ist die Nächste.


Marlene Rupprecht (SPD):
Rede ID: ID1703904000

Frau Ministerin, ich kann es nur begrüßen, wenn die

Vorbehalte zurückgenommen werden. Mit diesem
Schritt signalisieren wir nach außen, dass wir nicht mehr
zwischen 0- bis 15- und 16- bis 18-Jährigen unterschei-
den. Das hat uns international immer Rüffel eingebracht.
Deshalb begrüße ich diese Rücknahme und bin dankbar,
dass wir das geschafft haben.

Mit der Rüge war aber immer auch verbunden, dass
es Folgen hatte, dass wir 16- bis 18-Jährige nicht als
Kinder angesehen haben, wie es die UN-Kinderrechts-
konvention eindeutig vorschreibt. Die Vorbehalte, die
Sie eben schon erwähnt haben, haben wir mit gesetzli-
chen Regelungen außer Kraft gesetzt, zum Beispiel beim
Kindschaftsrecht und in Bezug auf die Kindersoldaten.
Durch diese gesetzlichen Regelungen wurde die Wir-
kung erzielt, die durch die Vorbehalte verhindert wurde.

Wenn wir nun nicht nur eine Wirkung nach außen er-
zielen wollen, sondern auch nach innen, wenn die Rück-
nahme der Vorbehalte also nicht nur ein Placebo oder ein
Feigenblatt sein soll, müssen wir entsprechende Konse-
quenzen ziehen, vor allem im Jugendhilferecht. Kinder
bis 18 haben nach den internationalen Standards – egal
woher sie kommen und wer sie sind – das Recht auf Ju-
gendhilfe, das Recht auf Bildung, das Recht auf Gesund-
heit, auch das Recht darauf, nicht eingesperrt zu werden.
Wenn nun die Vorbehalte nur formal und mit Wirkung
nach außen zurückgenommen werden, ändert sich an
den Fakten des Rechts nichts. Deshalb ist meine Frage:
Wann und wie – da ist der Bund nicht allein zuständig,
weil das Jugendhilferecht zum Beispiel auch auf die
Schulgesetze durchschlägt und eine entsprechende Um-
setzung erfolgen muss – beabsichtigen die Länder, das
tatsächlich umzusetzen? Denn sonst ist die Rücknahme
ein Placebo, und wir hätten darauf verzichten können.
Die bisherige Kritik war eben, dass die Folgen aus den
Vorbehalten mit Blick auf die Kinder nicht hinnehmbar
sind. Deshalb die Frage an Sie: Wie sind die Länder-
minister Ihrer Partei aufgestellt? Denn die haben bisher
immer gebremst, wenn es ans Eingemachte, nämlich an
die tatsächliche Gesetzesänderung, ging.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Ich kann berichten, dass die Länder gerade in den ver-
gangenen Jahren, was zum Beispiel die Schulpflicht an-
betraf, das Recht dahingehend geändert haben, den
Schulbesuch auch ausreisepflichtigen Flüchtlingen zu
gewähren. Das ist im Saarland, in Baden-Württemberg
und in anderen Ländern geschehen. Zu meinen, es sei in
den vergangenen Jahren nichts passiert, ist nicht richtig.
Vielmehr ist mit Druck des Bundestages, der in ständiger
Wiederholung deutlich gemacht hat, dass etwas passie-
ren muss, die Gesetzgebung in den Ländern angepasst
und die Situation für jugendliche Flüchtlinge verbessert
worden.

Was das Asylbewerberleistungsgesetz angeht, wird
eine Rolle spielen, wie sich nach Rücknahme des Vorbe-
halts die Bewilligungspraxis in den Ländern gerade im
Hinblick auf Kinder, besonders auf traumatisierte Kin-
der, entwickeln wird. Ich bin froh, dass es gelungen ist,
die Länder von diesem Schritt zu überzeugen. Sie haben
sich im Bundesrat in eigener Verantwortung in mehreren
Sitzungen dazu eingelassen, zu sagen: Jawohl, wir sind
damit einverstanden, dass der Vorbehalt zurückgenom-
men wird. – Jetzt wird auch in den Ländern debattiert
– das wird von den jeweiligen Fraktionen und politi-
schen Kräften mit betrieben –, wie man konkret und
vielleicht auch durch eine Gesetzesänderung gewisse
Dinge auf Landesebene verbessern kann. Dieser Prozess
wird jetzt in Gang kommen. Man merkt dies an den Re-
aktionen der jeweils betroffenen Verbände, Organisatio-
nen und Initiativen.

Von daher wären wir ohne das Handeln der Bundes-
regierung, ohne die Unterstützung der Länder und natür-
lich der Koalitionsfraktionen im Vorfeld und ohne die
Koalitionsvereinbarung überhaupt nicht in die Situation
gekommen, über die Gesetzesänderungen, die in den
letzten Jahren vorgenommen worden sind, hinaus einen
möglichen Handlungsauftrag zu sehen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703904100

Jetzt Kollegin Michaela Noll.


Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1703904200

Sehr geehrte Frau Ministerin, auch von meiner Stelle

ein herzliches Dankeschön. Sie haben mit Ihrem Han-
deln ein deutliches politisches Signal für mehr Kinder-
freundlichkeit in Deutschland gesetzt. Ich glaube, es war
nicht schädlich, dass dies zwei Mitglieder der Kinder-
kommission – deswegen auch ein herzliches Danke-
schön an meine Kollegin Gruß – mitbegleitet haben. Wir
sind seit 2002 Mitglieder der Kinderkommission. Die
Zurücknahme des Vorbehalts war einheitlich unser
Wunsch. Jetzt haben wir es vollbracht. Es ist tatsächlich
die erste Bundesregierung, die dies jetzt auf den Weg ge-
bracht hat. Wir haben zwar vorher viel diskutiert; aber
jetzt wird es Tatsache. Ich glaube, dies ist ein wirklich
gutes Zeichen für uns hier und meiner Meinung nach
auch auf internationaler Ebene, das zeigt: Wir nehmen
unsere Vorbildfunktion wahr. Wir wissen, dass es noch
ein, zwei Länder gibt, die dies nicht auf den Weg ge-
bracht haben. Vielleicht könnten wir diese mit diploma-





Michaela Noll


(A) (C)



(D)(B)

tischem Geschick anstoßen, unserem guten Weg zu fol-
gen.

Es wird oft in den Raum gestellt, dass wir, gerade was
das Aufenthalts- und Asylverfahrensrecht von Kindern
angeht, den Vorgaben der Kinderrechtskonvention nicht
entsprechen. Ich bin vielmehr der Ansicht, dass schon
das jetzige Verfahren, die Art und Weise, wie wir mit
Kindern umgehen, den Vorgaben der Kinderrechtskon-
vention entspricht. Ich würde das gerne von Ihnen darge-
legt bekommen. – Danke schön.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Recht herzlichen Dank, Frau Noll. – Ich habe es deut-
lich gemacht: Ohne die fraktionsübergreifende Unter-
stützung der Kinderkommission, die sich diesen Fragen
aus tiefer Überzeugung und mit großem Nachdruck an-
nimmt, wären nicht dieser ständige Druck und diese Er-
wartungshaltung aufgebaut worden, die dazu geführt ha-
ben, dass wir diesen Vorbehalt als erste Regierung nach
1992, nachdem der Vorbehalt eingelegt worden ist, zu-
rücknehmen.

Ich möchte Ihnen bestätigen, dass ich unmittelbar aus
der Konvention keine legislative Handlungsnotwendig-
keit und keine Verpflichtung, Gesetze zu ändern, konsta-
tieren kann. Unsere Situation entspricht vielmehr den
Forderungen der Konvention. Was man in der Praxis, in
der Gesetzesanwendung verbessern kann, ist vorrangig
Aufgabe der Länder. Weitere Diskussionen müssen dann
dort geführt werden, wo man meint, Forderungen erhe-
ben zu wollen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703904300

Es gibt noch eine ganze Reihe von Fragestellern. Des-

wegen bitte ich um Kürze bei den Fragen und vielleicht
auch um Kürze bei den Antworten, damit wir noch viele
Fragesteller befriedigen können.

Jetzt Miriam Gruß.


Miriam Gruß (FDP):
Rede ID: ID1703904400

Sehr geehrte Frau Ministerin, auch bei der FDP-Frak-

tion herrscht große Freude. Der Vorbehalt wäre in die-
sem Jahr 18 Jahre alt, also erwachsen geworden. Nun ist
er vom Tisch. Ich freue mich außerordentlich, dass es
dieser Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen
gelungen ist, den Vorbehalt aufzuheben.

Ich darf daran erinnern: Wir hatten es geschafft, die
Rücknahme der Vorbehaltserklärung im Koalitionsver-
trag zu verankern. Wir haben später hier im Bundestag
eine Debatte dazu geführt, in der zum Ausdruck kam,
dass die Opposition es uns nicht zutraut, das zu schaffen.
Ein paar Monate später haben wir es schon geschafft.
Deswegen wundern mich ein paar Fragen vonseiten der
Kolleginnen und Kollegen.

Ich will an das große Ziel erinnern, für das wir von
der FDP – ich habe in den letzten vier Jahren für meine
Fraktion in der Kinderkommission Verantwortung getra-
gen – und viele Kolleginnen und Kollegen aus den ande-
ren Fraktionen gekämpft haben: die Aufhebung der Vor-
behaltserklärung. Das wäre nicht gelungen, wenn nicht
auch von Ihnen, Frau Justizministerin, ein permanenter
Druck auf die Länder ausgeübt worden wäre, sich zu be-
wegen. Dass sich die Länder bewegt haben, merkt man
daran, dass der Bundesrat im März die aktuelle Kabi-
nettsentscheidung ermöglicht hat.

Mit dieser Entscheidung setzen wir Signale in zwei
Richtungen: nach innen, aber auch nach außen.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Rede! Frage!)


Es wurden schon viele Fragen dazu gestellt, wie sich die
Entscheidung nach innen auswirkt. Mich würde interes-
sieren, wie sie nach außen – –


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703904500

Frau Kollegin, wollten Sie nicht ursprünglich eine

Frage stellen?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Miriam Gruß (FDP):
Rede ID: ID1703904600

Herr Präsident, ich akzeptiere das; aber just in dem

Moment wäre meine Frage gekommen: Wie waren die
Reaktionen im Ausland? Wurden schon Reaktionen an
Sie herangetragen? Wir haben von UNICEF Deutsch-
land gehört; vielleicht können Sie davon berichten. Ich
glaube, dass wir international ein großes Zeichen gesetzt
haben.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Vor der heutigen Information des Parlamentes über
unseren Beschluss, der am Montag gefasst worden ist,
haben wir uns natürlich noch nicht an viele Stellen ge-
wandt. Wir haben die Rücknahme des Vorbehalts noch
nicht übermittelt. Das wird jetzt, nach dieser Regie-
rungsbefragung, passieren: Durch Übermittlung an den
Generalsekretär der Vereinten Nationen wird die Rück-
nahme verfahrensmäßig vollzogen.

Die E-Mails, die ich als Reaktion auf die Entschei-
dung erhalten habe, bringen große Freude und Begeis-
terung darüber zum Ausdruck, dass sich gerade Deutsch-
land, ein wichtiges Land, in den Kreis derjenigen
einreiht, die die Achtung der Kinderrechte und des Kin-
deswohls auf ihre Fahnen schreiben. Wenn ich Gelegen-
heit dazu erhalte, werde ich gern über weitere Reaktio-
nen berichten. Wir werden hier im Bundestag sicherlich
in vielen Bereichen über das Kindeswohl diskutieren.
Dann werden Sie erfahren, welche Reaktionen es aus an-
deren Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen gab.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703904700

Nächste Fragestellerin ist Dagmar Enkelmann.






(A) (C)



(D)(B)


Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703904800

Frau Ministerin, man könnte in diesem Zusammen-

hang sagen: Was lange währt … Nach 18 Jahren wurde
der Vorbehalt aufgehoben; die Konvention ist älter.

Sie haben auf die Länder abgehoben: Sie schieben die
Verantwortung ein Stück weit auf die Länder. Ich
möchte dennoch nachfragen – das hat bei anderen Fra-
gen schon eine Rolle gespielt –: Was gedenkt die Bun-
desregierung, die Justizministerin zu tun, um die Kon-
vention tatsächlich in nationales Recht umzusetzen? Vor
allen Dingen: An welchen Punkten will die Bundesregie-
rung im nationalen Recht über die Konvention hinausge-
hen? Ich nenne das Stichwort Abschiebehaft.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Zunächst einmal möchte ich sagen, dass das nationale
Recht den geschriebenen Vorgaben in den Artikeln der
Konvention entspricht. Bei der Überlegung, was weiter
passieren kann, ist die Bundesregierung zuallererst an
das Grundgesetz gebunden. Wir sind ein föderaler Bun-
desstaat. Deshalb verweise ich zu Recht auf die Länder
und ihre Befindlichkeiten. Ich werde hier überhaupt
nicht sagen, welche Überlegungen die Länder vielleicht
anstellen sollten, welche Gesetzgebung sie in Angriff
nehmen könnten. Das ist wirklich zuallererst den Län-
dern überlassen.

Ich habe schon mehrmals betont: Es geht gerade und
vor allem um die Gesetzesanwendung in den Ländern.
Es ist den jeweiligen Fachleuten und den Länderminis-
tern unbenommen, auf den jeweiligen Treffen der Justiz-
minister, der Innenminister, der Familien- und Sozial-
minister den Austausch zu pflegen und sich dabei mit
konkreten Fragen zu befassen. Aus diesen Reihen kön-
nen Initiativen der Länder hervorgehen.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Die Regierung macht also nichts!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703904900

Nun stellt Ute Granold eine Frage.


Ute Granold (CDU):
Rede ID: ID1703905000

Frau Ministerin, die Diskussion über die Rücknahme

der Vorbehaltserklärung gehört bald der Vergangenheit
an. Ich habe eine konkrete Frage zu Art. 18 der UN-Kin-
derrechtskonvention. Bislang gab es eine Interpretation
der Bundesregierung zur gemeinsamen elterlichen Sorge
bei Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind. Hat die
Rücknahme der Vorbehaltserklärung Auswirkungen auf
die aktuelle Arbeit, was die Neuregelung der elterlichen
Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern angeht?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Nein, daraus ergibt sich keine unmittelbare Auswir-
kung auf die Überlegungen der Bundesregierung, die ge-
meinsame Sorge Nichtverheirateter unter bestimmten Vo-
raussetzungen zu ermöglichen. Die Konvention schreibt
kein bestimmtes Modell vor. Vielmehr muss nach dem
EGMR die Möglichkeit bestehen, rechtlich durchzuset-
zen, dass es gemeinsame Sorge gibt. Wie wir das machen
wollen, da haben wir nach wie vor Handlungs- und Ent-
scheidungsspielraum.


Ute Granold (CDU):
Rede ID: ID1703905100

Danke.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703905200

Die nächste Frage stellt Andrea Voßhoff.


Andrea Astrid Voßhoff (CDU):
Rede ID: ID1703905300

Frau Ministerin, auch ich möchte mich dem Dank für

die gute Entscheidung der christlich-liberalen Bundesre-
gierung anschließen. Mich würde in diesem Zusammen-
hang interessieren, wie sich das weitere Verfahren der
Rücknahme im Einzelnen gestaltet, insbesondere im
Lichte der Beteiligung der Länder nach dem Lindauer
Abkommen.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Vielen Dank, Frau Voßhoff. – Zunächst zum formalen
Verfahren gegenüber den Vereinten Nationen. Der Kabi-
nettsbeschluss wird dem Generalsekretär der Vereinten
Nationen mitgeteilt, und zwar durch das Auswärtige
Amt auf dem Wege einer Verbalnote.

Zum Lindauer Abkommen. Das Lindauer Abkommen
sieht bestimmte Regelungen zur Beteiligung der Länder
vor. Es ist aber nicht unmittelbar einschlägig, da es sich
bei der Rücknahme des Vorbehalts nicht um einen Akt
der Gesetzgebung handelt. Wir müssen kein Gesetz ver-
abschieden – dann hätten wir eine unmittelbare Anwen-
dung des Lindauer Übereinkommens –, sondern wir neh-
men den Vorbehalt durch Kabinettsbeschluss und eine
Mitteilung an den Generalsekretär der Vereinten Natio-
nen zurück. Wir reagieren so, damit die Konvention in
Deutschland in allen Punkten, ohne Einschränkung gilt.

Es könnte sich mittelbar aus dem Lindauer Abkom-
men eine Anwendung ergeben, wenn es um ausschließli-
che Ländergesetzgebungskompetenz ginge. Das ist aber
nicht der Fall. Es hat nichts damit zu tun, ob sich aus der
Konvention eine Verpflichtung zur Gesetzgebung ergibt
oder nicht. Ich habe klar die Auffassung der Bundesre-
gierung wiedergegeben. Ausländerrecht, Asylbewerber-
leistungsgesetz, Familienrecht, Jugendstrafrecht oder
Kinder- und Jugendhilferecht unterliegen nicht der aus-
schließlichen Gesetzgebung der Länder, sondern auch
der Bundesgesetzgebung. Deshalb haben wir nach sorg-
fältiger Prüfung zu dem Ergebnis kommen müssen, dass
kein weiteres Verfahren gemäß dem Lindauer Überein-
kommen einzuleiten ist.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703905400

Als Nächster stellt Frank Heinrich eine Frage.


Frank Heinrich (CDU):
Rede ID: ID1703905500

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich habe eine Frage

zum Verfahren, das Sie angesprochen haben. Wann kön-
nen wir damit rechnen, dass es gültig wird? Ich habe
auch noch eine konkrete Frage zum Umgang mit min-





Frank Heinrich


(A) (C)



(D)(B)

derjährigen Flüchtlingen, die möglicherweise als Kin-
dersoldaten eingesetzt waren. Wie ist es um deren
Rechtssicherheit bestellt? Sind sie rechtlich geschützt?
Denn sie haben Furcht davor, dass sie wegen der Strafta-
ten, zu denen sie gezwungen wurden, belangt werden.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Zu Ihrem ersten Punkt. Ich kann Ihnen kein genaues
Datum nennen, weil das Auswärtige Amt die Verbalnote
dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zuzuleiten
hat, aber aufgrund der Tatsache, dass wir nach Einlegung
des Vorbehaltes 18 Jahre gebraucht haben, um die Ent-
scheidung zu fällen, werden wir natürlich dafür sorgen,
dass es so zügig wie möglich vonstatten geht. Wir wer-
den Sie entsprechend unterrichten.

Zum Thema Kindersoldaten. Es hat sich hinsichtlich
der Konvention nichts ergeben. Bei Kindersoldaten, die
gezwungen werden, andere Menschen, Angehörige oder
Freunde zu bedrohen oder zu schädigen, und die sich
wegen entsprechender Altersgrenzen möglicherweise
strafbar gemacht haben, kam es in Deutschland meines
Wissens noch nie zu Strafverfahren. Ich denke, in einer
solchen Notsituation sind andere Aspekte zu berücksich-
tigen. Deswegen wird keiner daran denken, entspre-
chende Schritte einzuleiten. Man muss froh über jedes
Kind sein – der Ausdruck „Kindersoldat“ verharmlost
das, was mit diesen Kindern passiert –, das aus dieser Si-
tuation herauskommen kann.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703905600

Die beiden letzten Fragestellerinnen sind Katja Dör-

ner und Ekin Deligöz.


Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703905700

Ich möchte konkret nach der Schulpflicht fragen. Ich

entnehme dem aktuellen Staatenbericht, dass beispiels-
weise in Hessen Kinder und Jugendliche, die keinen
Aufenthaltsstatus haben, weiterhin nicht schulpflichtig
sind. Meine Frage lautet: Stimmen Sie mit mir darin
überein, dass das nach der Rücknahme der Vorbehaltser-
klärung nicht mit der UN-Kinderrechtskonvention über-
einstimmt?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Die Länder haben unterschiedliche Regelungen ge-
wählt. Baden-Württemberg knüpft die Schulpflicht an
den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthaltsort,
aber nicht an den rechtlichen Aufenthaltsstatus. Ich habe
schon in mehreren Antworten zum Ausdruck gebracht,
dass nun die jeweiligen Länderregierungen genau prüfen
müssen, inwieweit sie ihre Landesgesetze anpassen und
in welcher Form sie das tun wollen. Aber eines ist klar:
Der Aufenthaltsstatus selbst, also die rechtliche Zuord-
nung, soll nicht dafür ausschlaggebend sein, dass min-
derjährige Jugendliche von der Schule wegbleiben bzw.
dass ihnen der Schulbesuch verwehrt wird.

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703905800

Nun hat Ekin Deligöz das Wort.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703905900

Frau Ministerin, ich habe Ihnen sehr genau zugehört

und habe Ihren Ausführungen entnommen: Sie nehmen
zwar symbolisch die Vorbehalte zurück, sehen aber auf
der Bundesebene keinerlei Handlungsbedarf. Sie appel-
lieren an die Länder, ihren Prüfauftrag wahrzunehmen
und darüber nachzudenken, ob sie die Möglichkeit se-
hen, etwas zu verändern. Wenn Sie auf Bundesebene
nichts unternehmen wollen und an die Länder appellie-
ren, dann interessiert mich: Haben Sie im Zusammen-
hang mit der Rücknahme konkrete Vereinbarungen mit
den Ländern geschlossen, die darauf abzielen, dass sich
etwas verändern soll und muss, oder hat das, was Sie sa-
gen, lediglich Appellcharakter, und wollen Sie das, was
Sie vorhaben, auf einer der nächsten Justizministerkon-
ferenzen – womöglich unter „Verschiedenes“ – anspre-
chen?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Frau Deligöz, die Grünen selbst haben Regierungs-
verantwortung in den Ländern. Ich kann mich überhaupt
nicht erinnern, dass sich die Grünen, als sie selber noch
Verantwortung im Bund getragen haben, jemals im Ka-
binett mit der Rücknahme des Vorbehalts befasst hätten.
Mir ist nichts erinnerlich. Es tut mir leid: Aber wir ma-
chen es! Das als einen reinen Appell niederzumachen,
halte ich in der Sache für überhaupt nicht angemessen
und angebracht. Ich kann nicht verstehen, wie nun einige
anfangen, das kleinzureden. So viel zum ersten Punkt.

Der zweite Punkt ist: Mich freut sehr, wenn ich Vor-
schläge aus Hamburg bekomme, aus denen hervorgeht,
dass man nun dringenden Bedarf an Gesetzesänderungen
sieht. Ich warte auf solche Vorschläge und werde gerne
mit Herrn Steffen darüber sprechen. Ich mische mich
aber angesichts unserer föderalen Struktur nicht in Über-
legungen der Länder ein. Diese verbitten sich das zu
Recht.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie nichts machen wollen, sagen Sie es einfach!)


Deshalb wird das die Bundesregierung auch nicht tun.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie einfach, dass Sie nichts machen wollen!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703906000

Danke schön, Frau Ministerin. – Mir liegen bereits

seit längerem noch zwei Anmeldungen von Fragen zu
anderen Themen der Kabinettsitzung vor.

Zuerst Volker Beck und dann Kollege Matthias
Miersch.






(A) (C)



(D)(B)


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703906100

Ich habe eine Frage an das Bundesinnenministerium.

In der Liste 1 zur Kabinettsitzung hat die Bundesregie-
rung den Entwurf eines Bundesbesoldungs- und -versor-
gungsanpassungsgesetzes 2010/2011 verabschiedet, das
eine entsprechende Anpassung der Amts- und Versor-
gungsbezüge der Mitglieder der Bundesregierung und
der Parlamentarischen Staatssekretäre beinhaltet. Kön-
nen Sie uns bitte sagen, wie hoch diese Erhöhungen für
die Bundesminister und die Parlamentarischen Staatsse-
kretäre jeweils ausfallen und warum Sie vonseiten der
Bundesregierung, obwohl weder ein Gesetz zur Anpas-
sung der Hartz-IV-Bezüge verabschiedet wurde noch das
Hohe Haus bisher über eine Anpassung seiner Bezüge
diskutiert hat, einseitig vorpreschen und es anders halten
als in der 16. Wahlperiode, als die Bundesregierung fest-
gestellt hat – Drucksache 16/9341 –, dass sie auf die ent-
sprechenden Anpassungen verzichtet?

D
Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1703906200


Für uns ist wichtig, dass die Tariferhöhung bei den
Beamten wirkungsgleich umgesetzt wird. Dazu, welche
genauen Auswirkungen das hat, kann ich Ihnen zahlen-
mäßig nichts sagen. Ich würde Ihnen das gerne schrift-
lich übermitteln.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703906300

Wenn das heute noch möglich wäre. Aber wie recht-

fertigen Sie diese Maßnahme angesichts dessen, dass in
der 16. Wahlperiode anders verfahren wurde?


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703906400

Herr Staatssekretär, können Sie darauf noch antwor-

ten? Wenn nicht, wäre das erledigt.

D
Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1703906500


Wir würden Ihnen gerne schriftlich mitteilen, welche
konkreten Auswirkungen das hat.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich wollte die Begründung wissen!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703906600

Nun Kollege Matthias Miersch.


Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1703906700

Ich habe eine Frage an das Bundesumweltministerium.

Wir konnten der öffentlichen Berichterstattung entneh-
men, dass es einen Streit zwischen Bundesminister
Röttgen und Bundesminister Schäuble über die Frage der
Finanzierung vieler Programme, der kommunalen Klima-
schutzprogramme, der Marktanreizprogramme, und der
damit verbundenen Sperrung der Haushaltsmittel gab.
Augenblicklich warten ganz viele in den Kommunen,
aber vor allen Dingen auch im Mittelstand darauf, dass
die Entsperrung stattfindet. Das Bundesumweltministe-
rium möchte ich fragen, inwieweit dieser Streit noch aus-
gefochten wird, wann mit der Lösung zu rechnen ist und
ob das in den nächsten Wochen der Fall sein kann.

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703906800

Frau Staatssekretärin.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1703906900


Herr Kollege Miersch, das Bundesumweltministe-
rium streitet immer an vorderster Stelle, wenn es darum
geht, sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen.
Darum bemühen wir uns nach wie vor.

In der Tat ist es richtig, dass 115 Millionen Euro, die
wir für das Marktanreizprogramm dringend brauchten,
gesperrt sind. Wir wissen, wie erfolgreich dieses Pro-
gramm ist. Die 115 Millionen Euro Förderung hätten
dazu geführt, dass über 900 Millionen Euro Investitio-
nen ausgelöst würden. Wir sind davon überzeugt, dass
diese Argumente und der Erfolg des Programms, der un-
mittelbar Auswirkungen auf die einheimische Wirtschaft
hat, auch das Finanzministerium überzeugen wird, das
Programm fortzusetzen. Wir sind noch in Verhandlun-
gen. Ich weiß aber, dass die Haushälter und Fachpoliti-
ker der Koalitionsfraktionen dies mit uns bestreiten. Wir
hoffen, dass wir auf einem guten Weg sind.

Ein Zusatz sei mir erlaubt: Die Mittel kommen aus
dem Verkauf der Emissionszertifikate. Zur Wahrheit ge-
hört es, zu sagen, dass die Wirtschaftskrise auch dazu
geführt hat, dass wir nicht mehr in dem Maße über Ein-
nahmen aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten ver-
fügen, wie das in wirtschaftlich guten Zeiten der Fall
war, als die Große Koalition sich entschlossen hat, Mit-
tel aus dem Verkauf von Zertifikaten für Klimaschutz-
maßnahmen auszugeben. Insofern müssen wir uns der
Tatsache gegenübersehen, dass wir nicht die Einnahmen
aus dem Verkauf von Zertifikaten zur Verfügung haben,
mit denen wir in wirtschaftlich guten Zeiten gerechnet
haben.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703907000

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Fragestunde
– Drucksache 17/1534 –

Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung. Zur Beantwortung der Fragen steht die Par-
lamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp zur Verfü-
gung.

Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Dr. Barbara
Hendricks auf:

Welche Bemühungen wendet die Bundesregierung dafür
auf, die Vergabe von Landtiteln an die ländliche Bevölkerung
in Kambodscha gerade in den Regionen zu unterstützen, in
denen großflächige Zuteilungen von Land an private Investo-
ren durch die kambodschanische Regierung vorgenommen
werden – sogenanntes Land-Grabbing – und somit zu be-
fürchten ist, dass dortige ländliche Bevölkerungsteile kaum
noch Aussicht auf Landtitel haben?

Bitte sehr, Frau Staatssekretärin.






(A) (C)



(D)(B)

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703907100


Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin
Dr. Hendricks, ich antworte Ihnen wie folgt: Die groß-
flächige Zuteilung von Land- und Minenkonzessionen
ist neben der Flächenfragmentierung durch Bevölke-
rungswachstum sowie Landverkauf in Notlagen eine we-
sentliche Ursache für die Zunahme landloser und landar-
mer Haushalte in Kambodscha.

Mit dem Landgesetz von 2001 wurden vier Kategorien
von Land festgelegt: privates Land, öffentliches Staats-
land, privates Staatsland und Land der Pagoden. De facto
hat erst mit der Verabschiedung des Landgesetzes die
Ausgabe von Rechtstiteln auf privates Landeigentum be-
gonnen. Die mehrheitlich arme ländliche Bevölkerung
nutzt privates Staatsland, das durch die Landtitelvergabe
mittelfristig vollständig privatisiert wird. Die Sicherung
der Eigentums- und Verfügungsrechte über die Ressource
Boden benötigt also leider Zeit und ist heute praktisch
noch nicht hinreichend gesichert. Die Landzuteilung an
einflussreiche Kreise erfolgt vor allem auf Flächen, die
rechtlich als öffentliches Staatsland gelten und zur priva-
ten Nutzung in Form langjähriger Konzessionen an pri-
vate Nutzer vergeben werden.

In diesem Bereich hat die Bundesregierung im Rah-
men ihrer Entwicklungszusammenarbeit keine Möglich-
keit der Einflussnahme. Demgegenüber besteht die Bun-
desregierung aber darauf, dass verstärkt privates
Staatsland für die Verteilung an die arme Bevölkerung im
Rahmen sozialer Landkonzessionen zur Verfügung ge-
stellt wird. Die deutsche Unterstützung richtet sich des-
halb auf die Verbesserung der politischen und rechtlichen
Rahmenbedingungen durch Beratung bei der Ausgestal-
tung der Landreformpolitik und bei der Entwicklung von
Durchführungsverordnungen.

Darüber hinaus werden die institutionellen Vorausset-
zungen für die systematische Landregistrierung sowie
Institutionen für die außergerichtliche Schlichtung bei
Landkonflikten gestärkt. Schließlich wird die gezielte
Landvergabe an Landarme und Landlose im Rahmen der
sozialen Landkonzessionen pilothaft gefördert.

Ich füge noch etwas hinzu – es ist zwar sehr lang; aber
ich denke, das ist wichtig, um in dieses Thema hereinzu-
kommen –: Im Rahmen des kambodschanischen Land-
sektorreformprogramms unterstützt die Bundesregierung
gemeinsam mit Finnland und Kanada die zuständigen
kambodschanischen Behörden dabei, einer signifikanten
Anzahl von Haushalten mit Rechtsansprüchen auf Land
rechtlich abgesicherte Landtitel zu verschaffen.

Langfristig soll ein nationales System der Landadmi-
nistration eingerichtet werden, um die Landrechte armer
Bevölkerungsgruppen insbesondere in den ländlichen
Regionen zu sichern. Dazu sollen möglichst schnell an
möglichst viele arme ländliche Haushalte private Land-
titel vergeben werden. Die Registrierungsaktivitäten
fokussieren sich daher auf Regionen mit einer hohen
Konzentration von ländlicher armer Bevölkerung auf
privatem Staatsland.

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703907200

Nachfragen dazu? – Kollegin Hendricks.


Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1703907300

Danke schön, Herr Präsident. – Frau Kollegin, ich

will insbesondere auf das eingehen, was Sie zuletzt ge-
nannt haben. Sie haben den Rechtsrahmen sehr gut ge-
schildert. Es ist ja die bundeseigene Gesellschaft für
Technische Zusammenarbeit, die als Ausführungsorga-
nisation tätig ist, um bei der Vergabe von Landtiteln an
die Landbevölkerung voranzukommen. Wie kann sicher-
gestellt werden, dass dies auch nachhaltig ist?

Nach meinem Kenntnisstand gibt es Anzeichen dafür,
dass auch Landtitel, die schon vergeben worden sind,
von größeren Investoren, ich sage einmal, begehrlich be-
trachtet werden. Es ist nicht sichergestellt, dass diese
Landtitelvergabe auf Dauer wirklich so nachhaltig ist,
wie wir es uns alle wünschen, sondern einmal vergebene
Titel sind allem Anschein nach nicht immer ganz sicher
bei der Landbevölkerung verblieben.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703907400


Frau Dr. Hendricks, Sie sprechen sehr wichtige Berei-
che an. Es ist sehr schwierig, im Hinblick auf das Land-
Grabbing, also den Landentzug, voranzukommen und
die Bevölkerung zur eigenen Versorgung zu ertüchtigen.

Ich will Ihnen nur sagen: Die TZ hat für diesen Be-
reich 4 Millionen Euro eingestellt. Mitte dieses Jahres
wird ein Überprüfungsprozess stattfinden. Wenn die
Überprüfung dessen, was bisher geschehen ist, wenn die
Evaluierung der vier Meilensteine negativ sein sollte,
wenn also keine Nachhaltigkeit gegeben ist, dann wer-
den wir über Mittelkürzungen bzw. sogar über den Aus-
stieg aus solchen Programmen entscheiden. Wenn wir
feststellen, dass sie nicht zu mehr Landeigentum für die
notleidende Bevölkerung dort führen, dann werden wir
sie auch nicht weiter finanzieren. Hier befinden wir uns,
wie gesagt, in einem Überprüfungsprozess.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703907500

Eine weitere Frage?


Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1703907600

Ja, ich habe noch eine kurze Nachfrage. – Werden Sie

im Rahmen dieses Evaluierungsprozesses auch überprü-
fen, ob die Durchführungsorganisationen – sowohl die
deutsche, aber natürlich auch diejenigen, mit denen wir,
wie Sie eben sagten, zusammenarbeiten, nämlich die aus
Finnland und Kanada – eng genug mit der Zivilbevölke-
rung in Kambodscha zusammenarbeiten?

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703907700


Ja, auch das prüfen wir. Wenn Sie nach der Wirksam-
keit unserer Instrumente fragen – diese Frage steht ja im-
mer dahinter –: Es wird nach unserer Überzeugung ganz
wichtig sein, dass die Geberländer mit einer Stimme





Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp


(A) (C)



(D)(B)

sprechen. Das heißt, wir müssen auch den Druck auf die
jeweilige Regierung aufrechterhalten; das gilt insbeson-
dere für Kambodscha. Wir haben die größten Erfolgs-
chancen, wenn wir an dieser Stelle zusammenstehen, un-
sere Forderungen gemeinsam vortragen und im Rahmen
dieser Überprüfung einerseits gegenüber der Regierung,
andererseits aber auch mit Blick auf die Durchführungs-
organisationen sicherstellen, dass in unserem Sinne er-
folgsorientiert und im Interesse der armen Menschen ge-
handelt wird.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703907800

Danke schön. – Die nächste Frage, die Frage 2,

stammt auch von der Kollegin Hendricks:
Hält es die Bundesregierung für sinnvoll, nach Abschluss

der sich derzeit in Planung befindlichen Strukturreform der
Ausführungsorganisationen der deutschen technischen Ent-
wicklungszusammenarbeit mittel- oder langfristig zusätzlich
eine institutionelle Zusammenlegung der deutschen techni-
schen und der deutschen finanziellen Entwicklungszusam-
menarbeit anzustreben, und, wenn nein, warum nicht?

Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703907900


Dazu kann ich Ihnen sagen: Die Bundesregierung
sieht die laufende Umstrukturierung der Durchführungs-
organisationen der technischen Zusammenarbeit be-
wusst als offenen Reformprozess. Die Bundesregierung
zielt darauf ab, Schritt für Schritt konkrete Reformergeb-
nisse zu erzielen. Somit ist auch die Frage einer Ver-
schmelzung von finanzieller und technischer Zusam-
menarbeit derzeit offen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703908000

Frau Kollegin, bitte.


Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1703908100

Das wundert mich etwas, weil es bisher hieß, dass die

Organisationen der technischen Zusammenarbeit – die
Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit,
der Deutsche Entwicklungsdienst und InWEnt, um die
drei zu nennen – zusammengeführt werden sollen. Bis-
her ist keinerlei Ankündigung gemacht worden, dass
etwa auch die KfW Entwicklungsbank oder die entspre-
chenden Abteilungen der KfW mit den genannten Orga-
nisationen der technischen Zusammenarbeit zusammen-
geführt werden sollen.

Aber ich will eine andere Ergänzungsfrage stellen und
mich damit wieder auf die technische Zusammenarbeit
beziehen: Plant die Bundesregierung im Rahmen der Zu-
sammenlegung der drei von mir genannten Organisatio-
nen der technischen Zusammenarbeit einen Personalab-
bau und, wenn ja, in welchem Umfang?

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703908200


Sie haben die drei Vorfeldorganisationen, die wir zu-
sammenführen wollen, genannt. Es geht uns darum – in
diesem Prozess befinden wir uns –, mit den Organisatio-
nen zusammen die Umstrukturierung vorzunehmen. Wir
wollen dadurch erreichen, dass die einzelnen Instru-
mente wirksamer werden. Wir wollen auch erreichen,
dass Doppelstrukturen – manchmal sogar Dreifachstruk-
turen – abgebaut werden. Wir wollen, dass bei der
Durchführung von Projekten diejenigen Durchführungs-
organisationen, die für das Projekt eine besondere Ex-
pertise haben, zum Zuge kommen und hier nicht meh-
rere Organisationen parallel arbeiten. Das ist die
Zielrichtung bei der Umstrukturierung, die wir vorneh-
men wollen. Diese Restrukturierung ist keine Kleinig-
keit: Diese Vorfeldorganisationen sind mit ungefähr
16 000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in 130 Län-
dern tätig; ihr Umsatzvolumen liegt bei 1,5 Milliarden
Euro.

Frau Kollegin Hendricks, ich will darauf hinweisen,
dass wir bis zur Sommerpause so etwas wie einen Sach-
standsbericht haben wollen. Wenn wir zum Jahresende
zu einem Ergebnis gekommen sind, wird es darum ge-
hen, ganz konkret in die Umsetzung zu gehen, beispiels-
weise zu sehen, wie wir die Schnittstellen zwischen
finanzieller Zusammenarbeit und technischer Zusam-
menarbeit abgleichen können.

Ich betone noch einmal: Eine Zusammenführung von
finanzieller und technischer Zusammenarbeit ist für
diese Legislaturperiode nicht geplant; so etwas ist auch
nicht Bestandteil unseres Koalitionsvertrages.

Ich sage noch einmal: Wir gehen bei der Zusammen-
führung der drei genannten Organisationen Schritt für
Schritt vor. Was die personelle Ausstattung betrifft, sind
in dem Prozess, der jetzt begonnen hat, viele Fragen
– Fragen der rechtlichen Voraussetzungen, der Verträge,
der personellen Ressourcen, der Zusammenführung der
Personalverträge der drei genannten Organisationen –
überhaupt noch nicht beantwortet. Wir haben aber bei
dieser Zusammenführung ein klares Ziel: Wir haben das
klare Ziel, die Entwicklungszusammenarbeit im techni-
schen Bereich effektiver und effizienter umzusetzen. Wir
haben nicht das Ziel eines Personalabbaus.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703908300

Noch eine weitere Nachfrage.


Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1703908400

Ich habe noch eine Frage zum Thema Personal und

weitere Verwendung. Wenn die Zusammenführung der
drei Institutionen der technischen Zusammenarbeit gut
läuft, dann können damit durchaus auch Synergieeffekte
gehoben werden. Ob es gut läuft, wissen wir noch nicht,
aber die Zusammenführung müsste mit dem Ziel verbun-
den sein, Synergieeffekte zu heben.

Plant die Bundesregierung, etwa Personal, welches
dann nicht mehr unmittelbar in den drei Institutionen ge-
braucht wird, zum Beispiel im Wege der Abordnung im
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
einzusetzen und auf diese Weise die Position des Minis-
teriums auszubauen und zulasten der Vorfeldorganisatio-
nen zu stärken?






(A) (C)



(D)(B)

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703908500


Ich denke, dass ich diese Bedenken zerstreuen kann.
Man muss berücksichtigen, was diese Strukturreform be-
wirken soll. Sie wissen, Frau Kollegin Hendricks, dass
diese Strukturreform längst eingefordert wurde, auch
vom Bundesrechnungshof, der festgestellt hat, dass wir
an dieser Stelle sehr viel effizienter arbeiten müssen.

Wir sehen das Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung nach einer solchen
Strukturreform in der Aufgabe, die politischen und in-
haltlichen Vorgaben zu machen, aber wir haben die Vor-
stellung, dass die neue Durchführungsorganisation, zu
der die drei Organisationen zusammengeführt werden,
selbstständig arbeiten kann. Wir rechnen auch mit einem
Effizienzgewinn bei der Arbeit. Wie sich das später ge-
nau verteilt und wer welche Aufgaben übernimmt, kann
ich Ihnen derzeit nicht seriös sagen. Das wäre reine Spe-
kulation.

Wir gehen davon aus, dass dieser schwierige Prozess
der Zusammenführung gut läuft. Wir haben jedenfalls
eine Vertrauensbasis aufgebaut. Nach unserer Vorstel-
lung soll nicht irgendeine Institution zu kurz kommen
oder sozusagen unter die Wasseroberfläche gedrückt
werden. Wir diskutieren auf gleicher Augenhöhe. Wir
haben Vorschläge der drei Organisationen dazu erbeten,
wie sie sich eine Zusammenführung vorstellen. Das ist
ein sehr transparenter und guter Prozess. Ich gehe davon
aus, dass er letzten Endes positiv ausgehen wird.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703908600

Es gibt noch zwei weitere Nachfragen. Zunächst Kol-

legin Ute Koczy und dann Kollege Sascha Raabe.


Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703908700

Frau Staatssekretärin, zur Zusammenlegung von TZ

und FZ haben Sie einiges ausgeführt. Wie wir wissen,
macht sowohl die KfW oftmals Finanzierungsangebote
verbunden mit einem Beratungsangebot als auch die
GTZ, die ihre Beratungsangebote mit einer finanziellen
Zusammenarbeit verbindet. Beides ist oftmals in einer
Art von Wechselwirkung zu finden.

Können Sie bestätigen, dass es tatsächlich keinerlei
Gespräche mit der KfW darüber gibt, ob im Falle einer
Zusammenführung der drei Vorfeldorganisationen Aus-
wirkungen auf die KfW stattfinden? Ich kann mir das
schlechterdings nicht vorstellen, weil es in der prakti-
schen Arbeit im Felde durchaus Resonanzen auf die un-
terschiedlichen Entwicklungen gibt. Ist es tatsächlich so,
dass Sie keinerlei Gespräche mit der KfW führen, um
die Veränderungen, die Sie bei der technischen Zusam-
menarbeit vornehmen, zu eruieren und die Auswirkun-
gen auf die KfW zu überprüfen?

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703908800


Frau Kollegin Koczy, wir sind derzeit dabei, die Vor-
schläge der drei Vorfeldorganisationen aufzunehmen
und sie dann in einen Konsens umzusetzen, den wir zu
erreichen hoffen. Wir sind derzeit noch nicht dabei, ir-
gendwelche Schnittstellen abzugleichen.

Es wird sich im Laufe der Zeit ergeben, wie ich schon
sagte. Wenn uns bis zur Sommerpause ein Sachstandsbe-
richt vorliegt, wie wir uns aufstellen, was mit den drei
Vorfeldorganisationen geschieht und ob der Konsens
auch weiterhin besteht, können wir zum nächsten Schritt
übergehen. Wenn sich Projekte in der Zuständigkeit
überschneiden, werden wir beraten müssen, wie wir da-
mit umgehen. Aber das ist derzeit nicht Gegenstand der
Beratungen. Wir müssen im Vorfeld der bevorstehenden
Zusammenlegung erst einmal Basisarbeit leisten. Ich
denke, dass wir bei dieser Frage sehr schnell weiterkom-
men werden. Wir gehen Schritt für Schritt vor. Das Ziel
sind die Effizienzsteigerung, die Steigerung der Wirk-
samkeit und der rechtliche Abgleich. Sie können sich
vorstellen, dass das noch schwierig genug wird. Wir
werden nach der Sommerpause quasi ans Eingemachte
gehen und die Rechtsfragen behandeln. Ich hoffe, dass
es gelingt, auch an der Stelle möglichst bald ein Einver-
nehmen herzustellen. Mehr kann ich dazu im Moment
nicht sagen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703908900

Kollege Sascha Raabe, bitte.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1703909000

Frau Staatssekretärin, können Sie mir zustimmen,

dass die Experten des Entwicklungsausschusses der
OECD und auch die der Wissenschaft immer gesagt ha-
ben, wichtig sei es, die finanzielle und technische Zu-
sammenarbeit zusammenzuführen, und dass das zuerst
geschehen solle? Wenn dem so ist, würden Sie mir auch
zustimmen, dass die Vorgängerin des Ministers, Frau
Wieczorek-Zeul, es richtigerweise probiert hat, diesen
ersten Schritt zu machen?

Frau Staatssekretärin, würden Sie mir auch zustim-
men, dass es falsch ist, wenn Minister Niebel es so dar-
stellt, als würde er jetzt eine Reform durchführen, die die
Vorgängerin nicht geschafft hat? Ist es nicht eher so, dass
ihm der Mut fehlt, diese große Reform anzugehen, und
er jetzt eine kleine Reform als großen Erfolg verkaufen
möchte?


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Was ist das für eine Frage?)


Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703909100


Herr Kollege Raabe, ich finde Ihre Äußerung sehr
mutig, und zwar insofern, als die Vorgängerregierungen
– das muss man sagen –


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Es nicht hingekriegt haben!)


eine institutionelle Reform dieser Vorfeldorganisationen
nicht geschafft haben, nicht teilweise und schon gar
nicht in vollem Umfang. Ich habe wahrgenommen, dass
wir in allen Berichten, seien es die des Bundesrech-





Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp


(A) (C)



(D)(B)

nungshofs, seien es die der OECD, gelobt und ermuntert
wurden, an diese Reform heranzugehen.

Ich sage noch einmal: Das ist keine Kleinigkeit. Wir
machen uns daran, im Sinne einer besseren Entwick-
lungszusammenarbeit den ersten konkreten Schritt hin
zu mehr Wirksamkeit und höherer Effizienz zu gehen.
Ich finde, das ist mindestens die Hälfte dieses Weges.
Die vorherige Regierung ist hingegen nicht einen Meter
weit gekommen. Ich bitte Sie doch um etwas mehr Mä-
ßigung. Ich bitte auch um Wertschätzung dessen, was
wir jetzt auf den Weg bringen werden. Ich lade Sie ein,
dabei mitzumachen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703909200

Wir kommen zur Frage 3 der Kollegin Karin Roth:

Wie lässt sich nach Ansicht des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der zuletzt
in der Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche
Frage auf Bundestagsdrucksache 17/1535 von der Bundesre-
gierung immer wieder betonte und gesetzte Schwerpunkt
„Gesundheit in den Entwicklungsländern“ mit der drastischen
Kürzung der Mittel für den Bevölkerungsfonds der Vereinten
Nationen, UNFPA, und die Internationale Föderation geplan-
ter Elternschaft, IPPF, verbinden, und wie gedenkt die Bun-
desregierung zur Erreichung des Millenniumentwicklungs-
ziels 5 beizutragen?

Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703909300


Frau Kollegin Roth, ich kann Ihnen bezüglich der
Kürzungen antworten, dass UNFPA und IPPF, diese In-
stitutionen der Vereinten Nationen, wichtige Partner für
Deutschland bleiben. Trotz der Kürzungen der Beiträge
zu den Vereinten Nationen und anderen internationalen
Organisationen wurde, anders als vom BMZ vorgeschla-
gen, vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags
beschlossen, das bilaterale Engagement Deutschlands in
einigen Bereichen zu stärken.

Sie können sich wahrscheinlich daran erinnern, dass
Bundesminister Niebel die Exekutivdirektorin der
UNFPA, Frau Obaid, erst vor zwei Wochen in New York
getroffen hat. Er hat ihr gegenüber ausdrücklich die
Wertschätzung der Arbeit der UNFPA zum Ausdruck
gebracht. Er hat betont, dass uns insbesondere im Be-
reich der reproduktiven Gesundheit die Erreichung der
Millenniumentwicklungsziele sehr wichtig ist. Auch die
enge Zusammenarbeit mit dem IPPF wird fortgesetzt,
zum Beispiel im Rahmen einer gemeinsamen Veranstal-
tung im kommenden Oktober in Berlin. Dort geht es um
einen internationalen Dialog der Bevölkerung im Zu-
sammenhang mit der Umsetzung des Menschenrechts
auf reproduktive und sexuelle Gesundheit.

Seien Sie versichert: Gesundheit ist und bleibt ein
Schlüsselsektor der Entwicklungspolitik der Bundes-
regierung. Das BMZ trägt auf vielfache Art und Weise
zur Erreichung des Millenniumentwicklungsziels 5, der
Verbesserung der Müttergesundheit, bei. So unterstützen
wir die diesjährige G-8-Initiative zur Verbesserung der
Kinder- und Müttergesundheit, und wir setzen uns aus-
drücklich für ein umfassendes Verständnis von Mütter-
gesundheit ein, was den Zugang zu sexuellen und repro-
duktiven Gesundheitsdienstleistungen einschließlich
Familienplanung umfasst.

Darüber hinaus wirken wir in einer Vielzahl interna-
tionaler Gremien und Initiativen mit, die die Erreichung
dieses Millenniumentwicklungsziels, also die Verbesse-
rung der Kinder- und Müttergesundheit, zum Ziel haben.
Ich verweise darauf, dass wir im Haushalt beispielsweise
für den Global Fund 204 Millionen Euro zur Aids- und
Malariabekämpfung bereitgestellt haben, dass wir den
GAVI-Fonds mit 4 Millionen Euro pro Jahr fördern und
dass wir weitere Förderung in Aussicht stellen können.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703909400

Nachfrage? – Bitte.


Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1703909500

Sehr verehrte Frau Kollegin Kopp, ich verstehe, dass

Sie am Ende Ihrer Antwort den Global Fund erwähnen,
um zu zeigen, dass die Bundesregierung im Gesund-
heitsbereich international Unterstützung leistet. Aber Sie
haben keine Zahlen genannt. Deshalb möchte ich sie
nennen: Für den Bevölkerungsfonds der Vereinten Na-
tionen sind die Mittel um über 20 Prozent, und für ent-
sprechende Vorhaben im Bereich der Internationalen Fö-
deration geplanter Elternschaft sind die Mittel um fast
20 Prozent gekürzt worden.

Es ist sehr freundlich, wenn Minister Niebel beim Zu-
sammentreffen mit der Exekutivdirektorin in New York
seine Unterstützung für ihre Arbeit zusagt. Aber gleich-
zeitig werden einige Programmschwerpunkte – zum Bei-
spiel die Familienplanung, die für die Bevölkerungsent-
wicklung sehr wichtig ist, der Schutz vor Gewalt gegen
Frauen und Kinder, die Gleichberechtigung der Ge-
schlechter, die Förderung der sexuellen und reproduk-
tiven Gesundheit – von uns nicht mehr in dem Umfang
finanziert, in dem es notwendig wäre.

Das Millenniumentwicklungsziel 5, also die Verringe-
rung der Müttersterblichkeit, haben wir nur zu 9 Prozent
erreicht. Das Ziel der Verringerung der Kindersterblich-
keit haben wir nur zu 32 Prozent erreicht. Dies ist ein
Armutszeugnis für die Bundesregierung. Es wird auch
nicht besser, wenn Sie in diesem Zusammenhang auf den
Haushaltsausschuss und auf das Parlament verweisen.
Diese Zahlen hat die Koalition zu verantworten.

Angesichts dieser aussagekräftigen Zahlen und der
großen Bedeutung der Zuverlässigkeit gegenüber den
Vereinten Nationen möchte ich fragen: Ist damit zu rech-
nen, dass Sie im nächsten Haushalt wenigstens das fort-
setzen, was die Große Koalition in der letzten Legisla-
turperiode gemacht hat, und dass Sie die entsprechenden
Mittel wieder bereitstellen? Wenn wir unsere Verspre-
chungen einhalten, können wir unser Gesicht wahren.






(A) (C)



(D)(B)

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703909600


Frau Kollegin Roth, die äußerst geringe Quote von
9 Prozent bei der Erreichung des Millenniumentwick-
lungsziels Müttergesundheit wurde zum Ende des Jahres
2009 bilanziert. Haben Sie Verständnis dafür, wenn ich
sage: Die neue Regierung ist erst Ende letzten Jahres ins
Amt gekommen. In den noch verbliebenen zwei Mona-
ten des Jahres 2009 konnten wir die schlechte Quote von
9 Prozent beim besten Willen nicht erhöhen. Das will ich
vorweg anmerken.

Seien Sie versichert, dass das Thema Gesundheit für
unser Ministerium und auch für die Bundesregierung
eine exorbitant wichtige Rolle spielt. Es ist überhaupt
keine Frage, dass wir in diesem Bereich sehr viel arbei-
ten müssen.

Zur internationalen Zuverlässigkeit will ich Ihnen
Folgendes sagen: Es hat in der vergangenen Woche ein
Treffen der G-8-Entwicklungsminister in Halifax gege-
ben, bei dem der diesjährige G-8-Gipfel in Kanada vor-
bereitet wurde. Minister Niebel hat mir gesagt, dass die
Ergebnisse dieser Vorbesprechung zur Vorbereitung des
Gipfels in Kanada Bestandteil des Gipfeldokumentes
sein werden. Es ist also nicht so, dass über dieses Thema
nicht inhaltlich substanziell beraten wird. Die maßgebli-
chen Punkte werden aufgenommen.

Noch einmal: Wir wollen und werden viele bilaterale
Projekte im Gesundheitsbereich finanzieren. Die neue
Leitung des BMZ hat erstmals im Hinblick auf Südafrika
bilateral einen Schwerpunkt HIV-/Aidsbekämpfung
– der Umfang der zur Verfügung gestellten Mittel liegt
bei insgesamt 10 bis 15 Millionen Euro – geschaffen.
Auch dies ist nicht etwa nichts, sondern wirklich bemer-
kenswert. Ich will das betonen; denn das hat es vorher
nicht gegeben.


(Zuruf von der SPD: Ach was!)


Jetzt noch etwas zu den künftigen Haushaltsplanun-
gen. Auch Sie kennen das Geschäft: Wir als Bundesre-
gierung können Mittel beantragen – das tun wir auch –;
aber letzten Endes steht jede Mittelanforderung unter
dem Haushaltsvorbehalt und unter dem Vorbehalt der
Zustimmung des Parlaments. Das müssen wir für jede
Initiative akzeptieren, die wir auf diesem Gebiet starten.
Darüber können wir uns nicht hinwegsetzen. Genauso
wenig kann ich Ihnen heute mit Vorgriff auf den Haus-
halt 2011 oder 2012 sagen, welche Mittelanforderungen
von unserem Haus in diesem Bereich kommen werden
und ob diese Mittel dann auch eingestellt werden. Das
müssen wir sehen.

Ich versichere Ihnen noch einmal: Wir sind hier nicht
unterschiedlicher Meinung; vielmehr sind wir der An-
sicht, dass die Erreichung des Millenniumentwicklungs-
ziels Müttergesundheit ganz obenan steht. Ich schließe
dabei immer die Ziele Kindergesundheit und Reduzie-
rung der Kindersterblichkeit ein.

Sie wissen, mit welch einfachen Mitteln wir verhin-
dern könnten, dass Kleinstkinder, also Kinder im Alter
von null bis einem Jahr, sterben. Allein schon durch
mehr Hygienemaßnahmen – durch eine bessere Infra-
struktur vor Ort, das heißt durch den Zugang zu saube-
rem Wasser, durch die Bereitstellung von Toiletten und
dergleichen – könnten wir ganz normale, gut behandel-
bare Krankheiten wie Durchfall oder Atemwegsinfektio-
nen sehr viel besser bekämpfen. In diesem Bereich sind
wir ebenfalls aktiv. Wir haben Mittel für diese Zwecke
eingestellt. Dies steht bei uns also im Fokus. Wir müssen
auf diesem Gebiet noch sehr viel mehr tun. Wir sind
dazu auch bereit. Ich bitte Sie und das gesamte Parla-
ment um die entsprechende Unterstützung.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703909700

Haben Sie eine weitere Nachfrage, Frau Roth? – Bitte

schön!


Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1703909800

Ja, gern, Herr Präsident. – Frau Kollegin Kopp, für

meine Fraktion, die SPD, möchte ich klarstellen, dass
wir für die Unterstützung der Vereinten Nationen bei der
Bekämpfung der Mütter- und Kindersterblichkeit keine
Reduzierung der Mittel im Etat vorgesehen hatten.

Darüber hinaus ist es gar keine Frage, dass das Thema
Müttersterblichkeit nicht in den letzten sechs Monaten
auf die Schnelle hätte bewältigt werden können. Mütter-
sterblichkeit war ein Problem der letzten Jahre und wird
auch eines der nächsten fünf Jahre sein; da gebe ich Ih-
nen recht. Die Frage ist nur: In welcher Weise kommen
wir voran? Ohne mehr Mittel für diesen Bereich – ent-
weder aus dem Global Fund oder von den Vereinten Na-
tionen oder durch bilaterale Projekte – wird dies nicht
möglich sein. Deshalb äußere ich noch einmal meine
dringliche Bitte, dass wir unsere Aufmerksamkeit gerade
auf die Millenniumentwicklungsziele 4 und 5 richten,
nämlich auf die Verringerung der Müttersterblichkeit
– jedes Jahr sterben über 500 000 Mütter – und auf die
Verringerung der Kindersterblichkeit; jährlich sterben
über 9 Millionen Kinder. Beabsichtigt die Bundesregie-
rung, Aktionspläne aufzulegen, damit wir auf diesen bei-
den Feldern vorankommen?

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703909900


Ich bestätige Ihnen, Frau Roth, dass das Thema Ge-
sundheit im Zentrum unserer Entwicklungspolitik steht;
das ist doch gar keine Frage. Zur Armutsbekämpfung
gehört, Folgendes zu sehen: Zunächst ist es wichtig, die
Ernährungssituation zu verbessern. Dann geht es darum,
die Gesundheit zu fördern. Erst wenn das gewährleistet
ist, sind Menschen meines Erachtens in der Lage, Bil-
dung zu erwerben. Diese drei Schritte sind von zentraler
Bedeutung. Zur Gesundheitsförderung muss der von Ih-
nen eben genannte Mix von Maßnahmen umgesetzt wer-
den. Es geht sowohl um multilaterale Förderung als auch
um bilaterale Projekte.

Der Schlüssel zu mehr Gesundheit der Mütter, zur er-
folgreichen Bekämpfung der Kindersterblichkeit und zur
Verbesserung der Gesundheitsversorgung insgesamt ist,
dafür zu sorgen, dass die Menschen in den ärmsten Län-





Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp


(A) (C)



(D)(B)

dern weltweit Zugang zu Gesundheitsversorgung bekom-
men, dass es Schwangerschaftsversorgung und Präventions-
maßnahmen gibt, um Komplikationen oder zumindest
unüberwindbare Komplikationen bei der Geburt zu ver-
meiden. Wir müssen Strukturen schaffen, die es Men-
schen ermöglichen, Gesundheitsversorgung abzufragen.
Wir diskutieren beispielsweise darüber, wie wir Entwick-
lungsländern helfen können, ein System aufzubauen, das
ärmste Menschen berechtigt, solcherlei Gesundheitsan-
gebote abzufragen. Hinsichtlich der Schaffung von Ge-
sundheitssystemen sind wir sehr aktiv; das gehört mit in
das Portfolio.

Ich kann Ihnen nur sagen: Unter dem Strich ist unser
Engagement im Bereich Gesundheit sehr groß. Ich versi-
chere Ihnen: Auch auf internationaler Ebene werden wir
dafür sorgen, dass Deutschland, dass die deutsche Bun-
desregierung die Vorreiterrolle im Entwicklungsbereich
behält und weiter ausbaut. Lassen Sie uns alles Weitere
evaluieren und auf dessen Umsetzbarkeit in der Realität
hin prüfen. Ich bin sicher, dass wir einer Prüfung sehr
gut standhalten können.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703910000

Wir kommen damit zur Frage 4, ebenfalls von der

Abgeordneten Karin Roth:
Wie beurteilt das Bundesministerium für wirtschaftliche

Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, anlässlich des Jah-
restages des Inkrafttretens der UN-Behindertenrechtskonven-
tion vom 3. Mai 2008 die Bedeutung der besonderen Pro-
blemlagen behinderter Menschen in Entwicklungsländern,
und welche konkreten Maßnahmen zur stärkeren Berücksich-
tigung dieser Personengruppe in der Entwicklungszusammen-
arbeit führt das BMZ zusätzlich zur Einrichtung eines runden
Tisches durch, um die Partnerländer bei der Integration der
Menschen mit Behinderungen – zum Beispiel im medizini-
schen, sozialen und rechtlichen Bereich – zu unterstützen?

Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703910100


Vielen Dank, Herr Präsident. – Weltweit leben
690 Millionen Menschen mit Behinderungen. Das sind
immerhin 10 Prozent der Weltbevölkerung; das ist eine
enorm große Zahl. 80 Prozent der behinderten Menschen
leben in Entwicklungsländern; das ist eine riesige He-
rausforderung für uns. Das bedeutet: Jeder fünfte in ab-
soluter Armut lebende Mensch hat eine Behinderung.
Die Millenniumsentwicklungsziele können nur erreicht
werden, wenn Menschen mit Behinderungen bei der
Umsetzung von Maßnahmen entsprechend berücksich-
tigt werden. Die VN-Behindertenrechtskonvention sieht
in Art. 32 vor, „dass die internationale Zusammenarbeit,
einschließlich internationaler Entwicklungsprogramme,
Menschen mit Behinderungen einbezieht und für sie zu-
gänglich ist …“. Das Bundesministerium für wirtschaft-
liche Zusammenarbeit und Entwicklung misst daher der
Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der Ent-
wicklungszusammenarbeit einen sehr hohen Stellenwert
bei und engagiert sich auf vielfache Weise.

Ich will Ihnen ein Event nennen, das kürzlich stattge-
funden hat: Am 27. April dieses Jahres, also vor weni-
gen Tagen, haben sich in Bonn auf Einladung des BMZ
Vertreterinnen und Vertreter von 25 Organisationen zu
einem runden Tisch zu diesem Thema zusammengefun-
den. Diese Veranstaltung führte erstmals staatliche wie
nichtstaatliche Akteure im Bereich Behinderung und
Entwicklung zusammen und machte deutlich, dass die
Bundesregierung auch die entwicklungspolitische Di-
mension der UN-Behindertenrechtskonvention als es-
senziell betrachtet. Dieser Dialog mit der Zivilgesell-
schaft soll fortgeführt werden.

Darüber hinaus fördert das BMZ über den Titel für
private Träger spezifische Vorhaben für Menschen mit
Behinderungen. Die Förderung betrug in 2008 – ich
nenne Ihnen eine alte Zahl – 1,9 Millionen Euro. Wir als
BMZ setzen uns ferner dafür ein, dass sich die Umset-
zung der entwicklungspolitischen Dimension der UN-
Behindertenrechtskonvention auch im Aktionsplan der
Bundesregierung widerspiegelt.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703910200

Nachfragen?


Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1703910300

Ja.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703910400

Bitte schön.


Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1703910500

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Liebe Frau Kolle-

gin Kopp, Sie haben nur eine einzige Zahl genannt – das
ist interessant –, nämlich die im Zusammenhang mit lau-
fenden Projekten für soziale Sicherung. Dort gibt es be-
zogen auf den gesamten Bereich Ausgaben in Höhe von
103,4 Millionen Euro. Die Bundesregierung sieht für
den Bereich der Menschen mit Behinderungen 1,2 Mil-
lionen Euro vor. Sie können selbst ausrechnen, wie hoch
der Anteil ist und was das bedeutet. Das ist angesichts
der von Ihnen richtig geschilderten Dramatik bzw. des
großen Personenkreises eine sehr geringe Unterstützung.

Deutschland hat die UN-Behindertenrechtskonven-
tion unterschrieben und erkennt damit an, dass die UN
eine wichtige Koordinierungsfunktion, auch im Rahmen
von Projekten, hat. Welche Möglichkeiten sehen Sie
– außer dass Sie im Jahre 2010 1,2 Millionen Euro für
die soziale Sicherung von Menschen mit Behinderungen
vorsehen –, in den nächsten Jahren Menschen mit Behin-
derungen in Entwicklungsländern verstärkt zu unterstüt-
zen, und welche Aktionen planen Sie außer denen, die
Sie bereits genannt haben?

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703910600


Bezüglich Aktionen kann ich Ihnen sagen, dass der
runde Tisch, der dieser Tage erstmals auf internationaler
Ebene getagt hat, zum Jahresende ein zweites Mal tagen
wird. Dort wollen wir uns mit konkreten Maßnahmen
und mit der Umsetzung weiterer Projekte beschäftigen.





Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp


(A) (C)



(D)(B)

Lassen Sie mich eine Zahl nachtragen, die ich sehr in-
teressant finde: In den letzten 20 Jahren wurden in
40 Ländern weit mehr als 180 Vorhaben, deren direkte
und indirekte Zielgruppe Menschen mit Behinderungen
waren, mit insgesamt 70 Millionen Euro gefördert.

Die Probleme der Menschen mit Behinderungen ge-
rade in armen Ländern nehmen eher zu. Als Beispiel
nenne ich nur Haiti: Viele Menschen, die unter Trüm-
mern lagen, mussten aus der Not heraus Notamputatio-
nen über sich ergehen lassen, um ihr Leben zu retten. An
diesem Staat – was Haiti angeht, ist es eigentlich nicht
seriös, von Wiederaufbau zu sprechen, sondern man
muss eher von Aufbau sprechen – sieht man, wie
schwierig es ist, zu ermessen, was diese Katastrophe für
Menschen mit Behinderungen bedeutet, die so gut wie
überhaupt keine Mittel haben, mit denen sie sich helfen
können, also Prothesen, Alltagshilfen, Rollstühle, Geh-
hilfen. Dort Abhilfe zu schaffen, das ist eine Riesenhe-
rausforderung.

Frau Roth, ich war vor wenigen Wochen bei der Früh-
jahrstagung der Interamerikanischen Entwicklungs-
bank. Auf dieser Tagung war die Lage in Haiti ein zen-
trales Thema: Wie gehen wir mit der Entschuldung um?
Wie wollen wir beim Aufbau helfen? – Ich habe dort ge-
nau die Frage gestellt, die Sie, Frau Roth, gestellt haben,
weil sie zuvor bei der Diskussion und in der Experten-
runde keine Rolle gespielt hatte. Ich habe gefragt, ob
bekannt ist, wie viele Menschen mit Behinderungen in
Haiti nach dem Erdbeben auf Hilfe und konkrete Hilfs-
mittel warten. Ich war erschrocken, dass mir niemand
eine Zahl nennen konnte. Ich habe also wahrgenommen,
dass dieses Thema auch auf internationaler Ebene in vie-
len Köpfen nicht genügend angekommen ist.

Natürlich ist die Not riesengroß. Zahlreiche Men-
schen sind ohne Obdach. Es gibt viele Kranke und ein
unglaubliches Ausmaß an Zerstörung. Es gibt sehr viele
Hilfsprogramme, die jetzt aber erst umgesetzt werden
müssen. Dazu gehört auch, dass wir alles tun, um auch
bei uns Geberländern und darüber hinaus auf internatio-
naler Ebene das Bewusstsein für die Problematik der
Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Wir als BMZ
sehen es als zentralen Punkt unserer Politik an, Mittel zu
geben, um an dieser Stelle mehr zu tun.

Aber es geht nicht nur darum, Gelder fließen zu las-
sen, sondern es geht auch darum, nachzuschauen, wofür
diese Gelder ausgegeben werden, wie wirksam sie sind,
welche Programme aufgelegt werden und an welchen
Programmen wir uns beteiligen. Bei den anstehenden
Konferenzen ist es wichtig – ich sagte bereits, dass die
nächste im Herbst stattfindet –, zu prüfen, wo wir stehen
und wo wir nachlegen müssen.

Seien Sie versichert, dass die Themen „Menschen mit
Behinderungen“ und „Was müssen wir tun, um deren
Situation weltweit zu verbessern?“ oben auf der Tages-
ordnung stehen, übrigens nicht nur im BMZ, sondern in
der gesamten Bundesregierung, denn dies ist ein über-
greifendes Thema.

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703910700

Weitere Nachfragen?


Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1703910800

Ja, noch eine, Herr Präsident. – Frau Kopp, ich höre

mit Freude, dass Sie dieses Thema auf die Tagesordnung
setzen; das ist wunderbar. Die Frage ist: Ist damit zu
rechnen, dass es im Rahmen dieser internationalen Ver-
abredungen ein Aktionsprogramm gibt? Man braucht na-
türlich unterschiedliche Maßnahmen – nicht nur im Be-
reich der sozialen Sicherung, sondern auch auf anderen
Politikfeldern –, um eine Politikkohärenz der Bundes-
regierung zu gewährleisten.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703910900


Ich kann Ihnen versichern, dass wir größten Wert auf
eine kohärente Politik legen. Diese verfolgen wir; alles
andere ergibt keinen Sinn. Sie haben gefragt, ob diese
kohärente Politik im Rahmen von Aktionsplänen erfolgt.
Ich bin beim Thema Aktionsplan immer ein wenig vor-
sichtig, weil viele Aktionspläne oder Aktionen auch in
ihrer Wirkung kurzfristig sind. Ich möchte gerne, dass
wir nachhaltig handeln.

Man kann mit einer Aktion, welcher Art auch immer,
einen Auftakt machen; aber es muss immer Substanz da-
hinter sein. Es ist nicht so, dass wir uns kurzfristig einem
Thema widmen und dann meinen, wir müssten hierzu ei-
nen Aktionsplan ins Leben rufen, sondern uns ist wich-
tig, nachhaltig vorzugehen, kohärente Politik zu machen
und diese auch zu verfolgen. Ob in diesem Zusammen-
hang ein Aktionsplan kommen wird, kann ich Ihnen
derzeit noch nicht sagen. Wichtig ist mir, dass wir eine
effiziente und effektive Politik im Sinne der Menschen
machen, die Hilfe brauchen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703911000

Danke schön. – Wir kommen zur Frage 5 des Kolle-

gen Burkhard Lischka:
Was heißt es für den finanziellen Beitrag Deutschlands,

dass 5,1 Milliarden US-Dollar der Weltbank durch eine Kapi-
talerhöhung zufließen sollen, und werden die Einflussmög-
lichkeiten Deutschlands infolge der Stimmrechtsreform aus
Sicht der Bundesregierung beschnitten?

Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703911100


Danke schön, Herr Präsident. – Ich muss Sie jetzt zu-
nächst einmal mit ein paar Zahlen quälen und hoffe, es
werden nicht zu viele. Bei der zurückliegenden Welt-
banktagung, an der ich für den Bundesminister teilge-
nommen habe, wurde eine Erhöhung des Kapitals der In-
ternationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung,
IBRD, um insgesamt 86,2 Milliarden US-Dollar vorge-
nommen. Davon sind 5,1 Milliarden US-Dollar ein-
zuzahlendes Kapital, und der Rest ist Haftungskapital.
Von dem einzuzahlenden Kapital entfallen 1,6 Milliar-
den US-Dollar auf eine selektive Kapitalerhöhung, die





Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp


(A) (C)



(D)(B)

durchgeführt wurde, um die Stimmrechte der Weltbank
anzupassen. Der Hauptteil wird von den Entwicklungs-
ländern getragen. 3,5 Milliarden US-Dollar entfallen auf
eine generelle Kapitalerhöhung.

Über die Größenordnung der Beteiligung Deutsch-
lands ist im Rahmen der Aufstellung des Bundeshaus-
haltes 2011 und des Finanzplanes 2014 zu entscheiden.
Der Stimmrechtsanteil Deutschlands sinkt von 4,35 auf
4 Prozent – darauf kommen wir gleich noch –, wodurch
auch seine Einflussmöglichkeiten geringfügig reduziert
werden.

Wir haben diese, wie ich finde, maßvolle Kapitalerhö-
hung durchgeführt, um wieder ein Gesamtausleihvolu-
men von 15 Milliarden US-Dollar zu erreichen. Ich will
hinzufügen, dass die Weltbank im Rahmen der Wirt-
schafts- und Finanzkrise vorübergehend nicht in der
Lage war, das Volumen, das vor der Krise Bestand hatte,
zu erreichen. Wir wollen die Weltbank in die Lage ver-
setzen, wieder über ein solches Volumen zu verfügen.

Das Ganze geschieht nicht nur im Rahmen eines Be-
schlusses über eine Kapitalerhöhung – sie hat Auswir-
kungen auf unseren Haushalt im Umfang von rund
110 Millionen Euro, verteilt über fünf Jahre –; vielmehr
haben wir das mit einem Maßnahmenpaket verknüpft,
das die Weltbank zu internen Reformen – sie hat in ihrem
Entwurf selber bestätigt, dass sie sie umsetzen wird – und
auch zu inhaltlichen Fokussierungen zwingt. Das heißt,
die Weltbank wird ihre Projekte auf die Armutsbekämp-
fung fokussieren. Die Weltbank wird eine Initiative für
mehr Transparenz starten. Sie wird ihre Projekte in kür-
zeren Zeitabläufen als zuvor evaluieren: Wirksamkeit
und Sichtbarkeit der gezahlten Gelder sind dabei das
Ziel. Wir wollen mehr Transparenz und mehr Effektivi-
tät bei der Verwendung der Mittel.

Die Weltbank selbst ist auf dem Weg einer weiteren
Dezentralisierung, weil sie festgestellt hat – das kann ich
gut nachvollziehen; die Weltbank ist derzeit in 120 Län-
dern weltweit präsent –, dass sie durch Büros bzw. Au-
ßenstellen in Ländern, die Hilfe und Projektförderungen
brauchen, näher dran ist und es so viel eher möglich ist,
einzuschätzen, welcher Art die Projekte sein müssen, ob
sie sinnvoll sind und ob mehr Beratung nötig ist. Es ist
also der richtige Weg, näher an den Ländern dran zu
sein, die Hilfsprojekte benötigen. Ich habe diesen Weg
zusammen mit den Partnern aus den Geberländern, die
sonst noch mit am Tisch saßen, unterstützt und auch die
Reformen, die ich eben genannt habe, explizit eingefor-
dert, also Erneuerungsbedarf bei der Weltbank und eine
stärkere Fokussierung auf mehr Transparenz und Evalu-
ierung. Das ist damit auch verbunden.

Ihre nächste Frage haben Sie zur Stimmrechtsreform
gestellt. Dazu komme ich dann gleich noch.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703911200

Eine Nachfrage zu dieser Frage? – Bitte.


Burkhard Lischka (SPD):
Rede ID: ID1703911300

Herr Präsident, vielen Dank. – Frau Kopp, ich komme

auf die künftigen Reformen zu sprechen. Ich habe nach
der Frühjahrstagung der Weltbank der Presse entnom-
men, dass Sie gesagt haben, ein Hauptziel müsse in den
nächsten Jahren sein, dass wir ein „nachvollziehbares und
transparentes“ System der Gewichtsverteilung in der Welt-
bank bekommen. Verstehe ich das im Umkehrschluss rich-
tig, dass wir dort derzeit ein intransparentes und nicht
nachvollziehbares System haben?

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703911400


Schauen Sie sich einmal an, wie die Stimmrechte bis-
lang verteilt werden – jetzt muss ich auf diesen Punkt zu
sprechen kommen, weil man das nicht diskutieren kann,
ohne darauf einzugehen –; dies geschah in einer Art und
Weise, die, wie ich jedenfalls finde, nicht nachvollziehbar
und wenig transparent war. Nehmen Sie nur einmal die
Übertragung von gut 3 Prozent der Stimmrechte: Wie
kommt man darauf? Wie wurden sie errechnet? Wie er-
folgt die Übertragung? Wer wird damit gestärkt? Sie wis-
sen, dass es darum ging, zur Stärkung der Entwicklungs-
und Schwellenländer über deren Basisstimmrechte hi-
naus gut 3 Prozent der Stimmrechte neu zu verteilen. Es
ist zwar richtig, diese Stärkung vorzunehmen – deswegen
haben wir das auch mitgetragen –, aber wie diese Stimm-
rechtsverteilung jetzt und auch die in der Vergangenheit
erfolgte, war nicht nachvollziehbar und nicht transparent.

Wir als Geberländer haben nun gesagt – auch darin
waren wir uns, jedenfalls die meisten, einig –: Diese
Umverteilung von 3 Prozent machen wir einmalig mit,
weil es anders schwierig wäre, einen Kompromiss zu er-
reichen. Es war nämlich – Herr Lischka, Sie wissen das
wahrscheinlich aus der Vergangenheit – ein unglaublich
schwieriger Prozess, diese 3 Prozent auf die schwäche-
ren Länder überhaupt zu verlagern. Das wurde ja seit
vielen Jahren versucht; aber das scheiterte immer auf in-
ternationaler Ebene. Das jetzt Erreichte ist also schon
einmal ein Fortschritt. Weil das so ist, habe ich, auch bei
der Konferenz, gesagt: Das machen wir diesmal, aber
mit der Auflage, dass es ein einmaliger Vorgang ist und
sofort nach der jetzigen Weltbanktagung eine Systemre-
form auf den Weg gebracht wird.

Ich glaube, der Webfehler war, dass bislang die Stimm-
rechte nach der jeweiligen Wirtschaftskraft verteilt wur-
den, also nach der ökonomischen Potenz. Ich finde, es ist
nicht weitreichend genug, das alleine zur Grundlage der
Stimmrechtsverteilung zu machen, sondern es muss auch
einbezogen werden, welche Beiträge die Geberländer
zum IDA-Fonds, dem Fonds für die ärmsten Länder, leis-
ten. Um nur ein Beispiel zu nennen: Ich finde, dass nicht
nur die ökonomische Kraft eines Landes, sondern eben
auch der Beitrag eines Landes zur Finanzierung dieses
Fonds für die Ärmsten mitzählen müsste. Das müsste ei-
gentlich bei der Stimmrechtsverteilung mitberücksichtigt
werden.

Insofern hat die deutsche Bundesregierung bzw. das
BMZ ein Pooling-Modell eingebracht und dargestellt,
welche Kriterien nach unserer Auffassung in Zukunft
zur Anwendung kommen sollten. Als wir den ersten Ent-
wurf vorgestellt haben, ist dieser auf recht positive Reso-





Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp


(A) (C)



(D)(B)

nanz gestoßen. Momentan ist noch nichts entschieden.
Wie gesagt, wir sind im Prozess der Reformierung. Aber
unbestritten ist, dass das System dringend verändert wer-
den muss.

Sie haben ja lesen können, dass von den 3 Prozent der
Stimmrechtsanteile, die an die Schwellen- und Entwick-
lungsländer verteilt wurden, 2 Prozent China zugefallen
sind. China ist in dem Pool der Entwicklungs- und
Schwellenländer nun wirklich führend, was die Stimm-
rechte betrifft. Es verfügt nun über 4,4 Prozent der
Stimmrechtsanteile. Deutschland ist auf 4 Prozent zu-
rückgefallen. Wir haben knapp 0,4 Prozent eingebüßt.
Die Franzosen und die Briten haben 0,55 Prozent einge-
büßt, also mehr als wir. Die Japaner haben sogar mehr
als 1 Prozent abgegeben; ansonsten wäre der Kompro-
miss gar nicht zustande gekommen.

Nach der derzeit geltenden Austarierung der Stimm-
rechte rein nach den Kriterien der Wirtschaftskraft ist es
nur logisch, dass China diesen Zuwachs an Stimmenrech-
ten bekommen hat. Damit müssen wir uns auseinander-
setzen. Nach Überzeugung meines Hauses ist allerdings
mit dem Zuwachs an Stimmrechten auch zwingend mehr
Verantwortung verbunden – und mehr Verantwortung
heißt auch, mehr Gelder bereitzustellen.

Eigentlich hätten wir an China im Rahmen des derzeit
geltenden nicht gut nachvollziehbaren, intransparenten
Systems noch mehr Stimmrechte übertragen können.
Darüber wurde auch diskutiert. Die Chinesen haben aber
abgelehnt und gesagt, dass sie das nicht wollen. Denn
das hätte natürlich in jedem Fall bedeutet, dass China
auch mehr Geld hätte bereitstellen müssen.

Es bleibt dabei, dass für mehr Transparenz gesorgt
werden muss und wirkliche Reformen durchgeführt wer-
den müssen. Wir wollen das System bis spätestens 2013
neu aufstellen. Ab 2015 – dann steht nämlich die nächste
Prüfung der Verteilung der Stimmrechte an – soll bereits
nach dem neuen System gehandelt werden. Ziel der
Bundesregierung ist es, die Entwicklungs- und Schwel-
lenländer zu stärken. Das ist an dieser Stelle auch ge-
schehen.

Ich füge eine persönliche Anmerkung hinzu: Wir wer-
den auch darüber diskutieren müssen, wer in dem Pool
der Entwicklungs- und Schwellenländer im Endeffekt
auf Dauer bleiben kann; ich hoffe, Sie verstehen, was ich
meine. Denn wenn ein Schwellenland irgendwann de
facto kein Schwellenland mehr ist, sondern in eine hö-
here Kategorie aufgestiegen ist – das wünschen wir ja al-
len –, dann muss zur Stärkung der schwächeren Länder
auch eine andere Verteilung der Stimmrechte erfolgen.
Aber das ist Zukunftsmusik. Wir müssen erst einmal
eine Stimmrechtsreform auf den Weg bringen, und das
wird schwierig genug.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703911500

Können wir zur Frage 6 kommen?


Burkhard Lischka (SPD):
Rede ID: ID1703911600

Das können wir machen.

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703911700

Dann rufe ich die Frage 6 des Abgeordneten

Burkhard Lischka auf:
Ist es bei der Frühjahrstagung der Weltbank aus Sicht der

Bundesregierung ausreichend gelungen, die Einflussvertei-
lung zwischen Industrie- und Schwellenländern neu auszuta-
rieren, und wie bewertet die Bundesregierung den durch die
neue Stimmverteilung festgeschriebenen hohen Machtzu-
wachs Chinas in der Weltbank?

Bitte schön.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703911800


Herr Präsident, Herr Lischka, ich hatte die Antwort
auf die Frage 6 eigentlich schon gegeben. Denn es geht
in dieser Frage um die Stimmrechtsreform. Ich kann
gerne noch etwas ergänzen. Aber ich habe Sie jetzt mit
so vielen Sätzen bedacht, dass ich erst einmal nachfra-
gen möchte: Haben Sie aus Ihrer Sicht zur Frage 6 noch
eine offene Frage?


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703911900

Bitte schön.


Burkhard Lischka (SPD):
Rede ID: ID1703912000

Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank. Ich habe

tatsächlich zwei Zusatzfragen, die die Stimmrechtsver-
teilung betreffen. – Einige Ökonomen haben in der
Presse die Befürchtung geäußert, dass es aufgrund der
neuen Stimmrechtsverteilung in Zukunft möglicher-
weise verstärkt zur Bewilligung von wirtschaftlich un-
sinnigen Projekten kommt. Ist das eine Befürchtung, die
Sie teilen, Frau Staatssekretärin?

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703912100


Diese Befürchtung hege ich nicht aufgrund der neuen
Stimmrechtsverteilung. Ich glaube, es ist generell nötig,
sehr viel mehr darauf zu achten, wohin die Gelder flie-
ßen. Das betrifft das gesamte Engagement und die ge-
samte Projektarbeit der Weltbank, aber nicht nur der
Weltbank. Was unsinnige Projekte sind, das muss man
erst einmal definieren. Es kommt natürlich darauf an,
aus welchem Blickwinkel Sie das sehen.

Ich möchte Ihnen dazu sagen: Ich finde es wichtig,
bei jeder Finanzierung dieser Art nachvollziehen zu kön-
nen, wohin und wofür die Gelder geflossen sind und wie
am Ende das Ergebnis aussieht. Das hat bei der Tagung
der Weltbank eine Rolle gespielt: Wir, die Geberländer,
wollen verstärkt darauf achten, dass beim Einsatz der
Mittel mehr Effizienz und Effektivität zu erkennen sind.
Ich glaube, die Weltbank hat als Erkenntnis mitgenom-
men, dass wir kürzere Evaluierungszeiträume fordern.
Wir kommen nur weiter, wenn die Evaluierungszeit-
räume verkürzt werden; denn nur so können wir schnell
genug erkennen, ob Mittel sinnvoll eingesetzt werden
oder nicht.





Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp


(A) (C)



(D)(B)

Die Führung der Weltbank steht jetzt enorm unter
Druck, für mehr Wirksamkeit und Effizienz zu sorgen.
Ich verspreche Ihnen: Wir werden sehr genau darauf
achten.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703912200

Weitere Nachfrage?


Burkhard Lischka (SPD):
Rede ID: ID1703912300

Ja, eine kurze Zusatzfrage. – Frau Kopp, dankenswer-

terweise haben Sie gerade viel zu künftigen Reformen
gesagt und uns Ihre Überlegungen zur Stimmrechtsver-
teilung und zur Stärkung der Mitsprachemöglichkeiten
der Entwicklungs- und Schwellenländer bei der Welt-
bank mitgeteilt. Es gibt ja den Vorschlag Brasiliens, bei
der Weltbank eine Stimmparität zwischen Nehmer- und
Geberländern herzustellen. Ist das auch aus Ihrer Sicht
ein taugliches Zukunftsszenario?

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703912400


Das ist im Augenblick realistischerweise überhaupt
nicht diskutierbar. Es spielte bei der Tagung der Welt-
bank keine Rolle. Ich habe bei der Vorbereitung auf die
Tagung – es war für mich die erste Weltbanktagung –
von diesem Ansinnen gelesen und mir die Stellungnah-
men dazu angeschaut. Ich kann Ihnen nur sagen, dass
eine Umsetzung auf die Schnelle im Moment nicht rea-
listisch ist.

Die Schwellen- und Entwicklungsländer verfügen
jetzt bei der Weltbank über einen Stimmrechtsanteil von
gut 47 Prozent. Sie wissen selber, welch ein riesiger
Kraftakt über Jahre hinweg nötig war, um überhaupt den
Transfer eines Teils der Stimmrechte zustande zu brin-
gen, also die Steigerung des Stimmrechtsanteils der
Schwellen- und Entwicklungsländer um 3 Prozentpunk-
te, von 44 auf 47 Prozent. Ich kann im Moment nicht be-
urteilen, ob es möglich sein wird, hier einen weiteren
Schritt, also eine Steigerung von gut 47 auf 50 Prozent,
in Angriff zu nehmen. Ich finde, wir müssen erst einmal
das umsetzen, was realistisch ist. Das haben wir mit dem
jetzt gefassten Beschluss getan; ich finde das gut.

Als Nächstes haben wir eine andere Reform vor uns:
Wir müssen nachvollziehbare Kriterien für die Stimm-
rechtsverteilung einführen. Im Zuge der Umsetzung die-
ser Reform werden wir uns natürlich mit der Frage be-
schäftigen, ob es bei der Stimmgewichtung bleibt oder
wir sie verändern. Das Thema wird dann auf der Tages-
ordnung stehen. Wann es dazu kommt, ist im Moment
noch nicht zu überschauen; denn auf internationaler
Ebene ist es, wie Sie wissen, immer schwierig, eine Eini-
gung zu erreichen. Wir werden aber mit Sicherheit in
Zukunft auch über diese Stimmverteilung beraten.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703912500

Danke schön. – Wir kommen jetzt zu den Fragen 7

und 8 des Kollegen Sascha Raabe:
Wie bewerten der Bundesminister für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung und die Parlamentarische
Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung aufgrund konkreter Beobach-
tungen und Gespräche bei ihren Auslandsreisen die Wirkung
von gebundenen und ungebundenen Budgethilfen in Entwick-
lungsländern, und sind sie bereit, auf Grundlage dieser Erfah-
rungen in diesen Ländern Budgethilfen weiterzuführen?

Wie und wann erfolgt in der EU die konkrete Abstimmung
über Budgetfinanzierungen Deutschlands und der EU-Partner
sowie des Europäischen Entwicklungsfonds entsprechend der
Pariser Erklärung über Kohärenz und Effizienz der Entwick-
lungszusammenarbeit und der Bestätigung dieser Erklärung in
Accra?

Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703912600


Herr Kollege Raabe, Sie sprechen ein Thema an, das
immer heiß diskutiert wird. Im Einklang mit dem Koali-
tionsvertrag vergibt die Bundesregierung Budgethilfen
nur nach strengen, transparenten Kriterien und überprüft
die entsprechenden Programme fortlaufend.

Sie haben nach meinen Beobachtungen und denen des
Ministers auf Auslandsreisen gefragt. Die Reisen dien-
ten auch dazu, uns über bestehende Budgethilfepro-
gramme zu informieren. Die Besuche haben gezeigt,
dass allgemeine Budgethilfen in den Ländern, in denen
es eine funktionierende parlamentarische Kontrolle, effi-
ziente Rechnungshöfe und eine starke Zivilgesellschaft
gibt, durchaus einen Beitrag zu mehr Eigenverantwor-
tung und verbesserter Rechenschaftslegung gegenüber
der eigenen Bevölkerung leisten können. Auch müssen
die Partner sichtbare Anstrengungen zur Verbesserung
der Situation bei den Eigeneinnahmen – Stichwort Steu-
erquote – vorweisen können.

Bundesminister Niebel hat bei seinen Gesprächen
deutlich auf die Notwendigkeit hingewiesen, Ergebnisse
der Reformen im Rahmen der Zusammenarbeit besser zu
dokumentieren. Herr Kollege Raabe, das war heute ja
auch im Ausschuss Thema. Ich will betonen, dass wir
allgemeine Budgethilfen – davon sprechen wir ja – ohne
eine Verknüpfung mit den Zielen von Good Governance,
also guter Regierungsführung, und mit der Beachtung
von Menschenrechten als sehr problematisch ansehen.
Dort, wo es gute Strukturen gibt, kann man durchaus mit
Budgethilfen agieren.

Wir haben aber, wie Sie wissen, im Koalitionsvertrag
festgelegt, dass wir eine neue Gewichtung vornehmen
und mehr in bilaterale Projekte investieren möchten,
weil sie transparenter sind und ihre Wirksamkeit besser
festgestellt werden kann. Wir möchten nicht, dass allge-
meine Finanzmittel irgendwo in Haushaltsbudgets von
Regierungen landen, die mit dem Geld nicht das finan-
zieren, was wir uns vorstellen, sondern den eigenen
Machterhalt, Korruption und viele Dinge mehr.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703912700

Nachfragen? – Bitte schön.






(A) (C)



(D)(B)


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1703912800

Frau Staatssekretärin, zunächst kann man feststellen,

wie auch Sie auf Ihren gemeinsamen Auslandsreisen mit
dem Minister beobachtet haben, dass die Budgethilfe,
die Deutschland leistet bzw. geleistet hat – wir haben ja
auch zuvor nur Budgethilfe geleistet, wenn die Rahmen-
bedingungen gestimmt haben –, in der Tat zu einer Ver-
besserung der Situation in den Ländern geführt hat. Es
ist auch legitim, von anderen Gebern zu fordern, ihre
Programme in Ländern, wo die Rahmenbedingungen
nicht gegeben sind, anzupassen – wohlgemerkt nicht
Deutschland; denn wir haben in der Vergangenheit nicht
mit solchen Ländern zusammengearbeitet. Aber es gibt
doch einen Unterschied zwischen einer derartigen diffe-
renzierten Kritik und – ich befürchte, dass Sie mir, wahr-
scheinlich berechtigterweise, wieder mangelnde Wert-
schätzung dem Minister gegenüber vorwerfen – einer
pauschalen Kritik, wie sie unser Minister leider häufig
übt nach dem Motto: Steuergeld wird in irgendwelchen
Haushalten von Despoten verschwendet, indem diese
sich goldene Paläste bauen. Sind Sie mit mir der Mei-
nung, dass solche pauschalen Verurteilungen unserem
gemeinsamen Anliegen, das wir verfolgen sollten, scha-
det?

Weiter frage ich Sie: Warum haben Sie im Koalitions-
vertrag eine Reduzierung der entsprechenden Mittel vor-
gesehen? Gehen Sie etwa davon aus, dass alle Entwick-
lungsländer immer schlechter und korrupter werden? Sie
haben anscheinend nicht die Hoffnung, dass es besser
wird. Wenn Sie davon ausgingen, dass die Rahmenbe-
dingungen besser würden, dann müssten Sie es doch of-
fenlassen, ob Sie das Instrument ausweiten oder reduzie-
ren, statt die Stammtischmentalität zu bedienen und zu
sagen: Das wird jetzt einfach einmal gekürzt. Vor Ort
stellen Sie dann aber fest, dass die Mittel eigentlich wei-
terhin gezahlt werden sollten.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703912900


Herr Kollege Raabe, es ist doch unumstritten und
auch belegt, dass wir es in der Vergangenheit gerade auf
dem afrikanischen Kontinent vielfach erlebt haben, dass
allgemeine Budgethilfen nicht transparent und werte-
orientiert verwendet wurden, sondern in irgendwelchen
Kanälen verschwunden sind. In Afrika haben über viele
Jahre und Jahrzehnte hinweg Hilfen in Milliardenhöhe
häufig nicht den Nutzen gebracht, den wir uns eigentlich
erhofft hatten. Das heißt: Es gibt viele Beispiele dafür,
dass allgemeine Budgethilfen ohne Verknüpfung mit
Qualitätskriterien und Prüfungen im Vorfeld häufig zum
Fenster hinausgeworfenes Geld war, das nicht zur Ver-
besserung der Lebensverhältnisse der Ärmsten, für die
es eigentlich gedacht war, beigetragen hat. Genau das
hat auch der Minister gesagt, indem er als Ziel formuliert
hat, bessere Verhältnisse zu schaffen. Ich habe doch eben
sehr differenziert argumentiert – das meine ich jeden-
falls –, als ich ausgeführt habe, dass die Budgethilfen,
sofern sie mit der Einhaltung bestimmter Werte ver-
knüpft sind, an der einen oder anderen Stelle auch sinn-
voll sein mögen.
Im Koalitionsvertrag sagen wir nun bei der Frage der
Austarierung von multilateralen und bilateralen Struktu-
ren nicht, dass wir gar keine multilateralen Förderungen
mehr wollen, vielmehr haben wir uns dafür ausgespro-
chen, einen größeren Schwerpunkt im bilateralen Be-
reich zu setzen. Wir haben nicht gesagt, dass wir ohne
multilaterale Strukturen auskommen wollen, vielmehr
geht es – das will ich deutlich sagen – um die Gewich-
tung und um die Verantwortung, die die gesamte Bun-
desregierung, aber mein Haus ganz besonders, dafür hat,
dass die Steuermittel, die wir ausgeben, so verantwortbar
wie irgend möglich eingesetzt werden und Wirkung ent-
falten können, hier also Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.
Das muss mit Qualitätskriterien verbunden sein. Einfach
nur auf Cashflow zu setzen und dann zuzuschauen, was
daraus wird, das können wir uns nicht leisten.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703913000

Eine weitere Nachfrage? – Bitte schön.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1703913100

Frau Staatssekretärin, das ist genau das, was ich

meine. Sie reden von Cashflow und darüber, dass man
nicht darauf schaut, was passiert. Sie reden reichlich ne-
bulös über Milliarden, die angeblich versickert sind, und
über Länder, in denen alles ganz schlimm gelaufen ist.
Ich frage Sie konkret – denn es geht um deutsche Steuer-
gelder –: Welches Land hat die Bundesrepublik Deutsch-
land in den letzten Jahren mit Budgethilfe unterstützt,
bei dem es Ihrer Meinung nach keine Verknüpfung mit
Kriterien gab? Wo haben wir nicht reagiert, als die Part-
nerländer die Bedingungen nicht erfüllten? Wo ist der
Cashflow in Ländern, bei denen überhaupt nicht ge-
schaut wurde, was mit dem Geld passiert ist?

Ich finde, wenn man so etwas behauptet, ist das auch
eine Beleidigung unserer Durchführungsorganisation
und der Menschen, die vor Ort arbeiten. Ich frage Sie
ganz konkret: In welchen Ländern haben Sie vor Ort die
von Ihnen beschriebenen Erfahrungen gemacht? Nennen
Sie doch die Namen der Länder, in denen in den letzten
Jahren die deutsche Budgethilfe in Form von Cashflow
herübergeschoben wurde und dann versickerte bzw. ver-
schwendet wurde, weil man sich nicht darum geküm-
mert hat. Wir reden nicht über andere Geber, sondern
über Deutschland.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703913200


Ich möchte Ihre Frage positiv beantworten, Herr
Raabe, und Ihnen sagen, welchen reformdynamischen
Niedrigeinkommensländern Deutschland Budgethilfe leis-
tet. Als Beispiele nenne ich Länder in Subsahara-Afrika:
Burkina Faso, Ghana, Mali, Malawi, Mosambik,
Ruanda, Sambia, Tansania und Uganda. Die Budgethilfe
für Benin ist derzeit ausgesetzt. Wie Sie wissen, be-
obachten wir auch genau, was in Uganda passiert. Be-
kanntermaßen gibt es dort eine parlamentarische Initia-
tive, Homosexualität mit der Todesstrafe zu belegen.
Bundesminister Niebel hat, wie Sie der Presse sicherlich
entnommen haben, den Botschafter Ugandas zu sich be-





Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp


(A) (C)



(D)(B)

stellt und gesagt, die Bundesregierung erwarte, dass sich
die Regierung Ugandas davon distanziere, und über ent-
sprechende Schritte nachdenken werde, wenn dies nicht
geschehe. Die Umsetzung dieser Art von Werteorientie-
rung hat schon Wirkung gezeigt. Wie Sie wissen, hat
sich die Regierung Ugandas von dieser Initiative distan-
ziert. Wie es dort in dieser Frage weitergeht, müssen wir
beobachten.

Wir haben jedenfalls die Aufgabe, bei der Finanzie-
rung von Budgets genau darauf zu achten, wohin die
Gelder fließen. Es gibt verschiedene Gutachten – ich
kann aus ihnen jetzt nicht zitieren, weil ich sie nicht da-
beihabe; täte das aber gerne –, die belegen, dass in der
Vergangenheit sehr viele Gelder in Kanäle geflossen
sind, die zu fördern nicht in unserem Sinne sein kann.

Neben der allgemeinen Budgethilfe gibt es ja noch
die sektorale Budgethilfe. Aus unserem Programm für
die Sektorbudgethilfe erhalten Peru, Ruanda und Äthio-
pien eine zweckgebundene Unterstützung für die Siche-
rung sozialer Grunddienste. Für den Senegal und Mada-
gaskar bestehen Budgethilfezusagen. Allerdings ist es
hier noch nicht zu einer Auszahlung gekommen. Eine
Ausweitung des Länderkreises ist zurzeit nicht geplant.

Ich kann Ihnen sagen, dass in Kürze eine erneute Prü-
fung und Evaluierung betreffend die Fortführung von
Budgethilfen und Budgethilfeprogrammen stattfinden
werden, um zu sehen, wo wir stehen, ob wir auf dem
richtigen Weg sind, wo wir nachjustieren müssen und
welche weiteren politischen Schritte wir gehen müssen.
Seien Sie versichert: Wir sind darauf aus, die uns anver-
trauten Gelder so verantwortlich wie irgend möglich zur
Verbesserung der Lebensverhältnisse in den ärmsten
Ländern einzusetzen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703913300

Danke schön. – Wir kommen damit zu den Fragen 9

und 10.


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Frage 8 ist noch nicht beantwortet!)


– Ich dachte, Frage 8 sei schon mitbeantwortet.


(Dr. Sascha Raabe [SPD]: Nein! Da geht es um Accra und die Pariser Erklärung!)


Bitte schön, Frau Kopp, zur Abstimmung über die
Budgetfinanzierungen.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703913400


Herr Präsident, auch ich meine, dass diese Frage
schon teilweise mitbehandelt wurde, wenn auch nur am
Rande.

Die Mitgliedstaaten stimmen ihre Budgethilfeent-
scheidungen mit der EU-Kommission und mit anderen
Mitgliedstaaten auf Ebene des zentralen, kontinuierli-
chen Austausches zwischen Länderabteilungen, Exper-
tengruppen und Budgethilfe auf EU-Ebene sowie vor
Ort unter Beachtung der jeweiligen nationalen Entschei-
dungskompetenz ab. Die Koordinierung von Budgethil-
feprogrammen ist insbesondere in den Ländern, in denen
sich auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit an
der Budgethilfe beteiligt, intensiv. Hier bestehen Mög-
lichkeiten zur konkreten gemeinsamen Positionierung
als EU in den Budgethilfegruppen vor Ort sowie im Rah-
men des Politikdialogs mit den Partnerländern.

Beim Europäischen Entwicklungsfonds sind die Mit-
gliedstaaten ebenso wie bei den anderen Außenhilfe-
instrumenten an allen Budgethilfeentscheidungen der
EU-Kommission beteiligt. Die Beteiligung der Mitglied-
staaten erfolgt sowohl im Rahmen der jeweiligen Län-
derprogrammierung in Brüssel als auch im Rahmen der
Vorbereitung und Durchführung vor Ort.

Im Zuge der Umsetzung der Schlussfolgerungen des
Rates zu Aid Effectiveness vom November 2009 haben
Kommission und Mitgliedstaaten insbesondere auf deut-
sche Initiative hin einen Dialog zur Ausarbeitung eines
koordinierten Ansatzes bezüglich Budgethilfen begon-
nen. Entsprechend der Pariser Erklärung und des Accra-
Aktionsplans geht es darum, den gemeinsamen Politik-
dialog, das konkrete Design von Budgethilfeprogram-
men sowie die Evaluierung der erzielten Ergebnisse stär-
ker untereinander abzustimmen mit dem Ziel, ein
möglichst einheitliches Auftreten der EU vor Ort zu si-
chern.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703913500

Bitte schön, Kollege Raabe. Wollen Sie nachfragen?


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1703913600

Gerne, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin, die

Frage zielte darauf ab, dass wir in der Pariser Erklärung
und der Erklärung von Accra auf internationaler Ebene
mit ganz vielen anderen Gebern vereinbart haben, dass
sich die Geber zur Effizienzsteigerung auf gemeinsame
Programme in Entwicklungsländern einigen sollen, und
zwar auch im Rahmen allgemeiner und sektoraler Budget-
finanzierung, damit sich nicht 100 oder 150 Geber bei
den Ministerien die Klinke in die Hand geben und damit
Kräfte gebunden werden, die besser zur Armutsbekämp-
fung verwendet werden könnten. Ich frage Sie, ob sich
diese Bundesregierung noch daran hält. In Ihren Koali-
tionsvertrag, auf den Sie ja auch eingegangen sind, ha-
ben Sie nämlich genau das Gegenteil von dem, was in-
ternational vereinbart wurde, hineingeschrieben. Sehen
Sie nicht die Gefahr, dass sich Deutschland international
immer stärker isoliert, wenn weitere Evaluierungen, die
wir meiner Meinung nach gar nicht brauchen, gefordert
werden? Oder geht es der Bundesregierung vielleicht
eher darum, wieder ganz viele deutsche Fahnen aufzu-
stellen, anstatt das Geld gemeinsam mit anderen wirk-
lich für die Ärmsten der Armen effizient einzusetzen,
wie es international vereinbart wurde? Halten Sie sich
also noch an diese Vereinbarungen?

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703913700


Nichts gegen deutsche Fahnen!


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Richtig!)






Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp


(A) (C)



(D)

Herr Kollege Raabe, Ihre Sichtweise kann ich nicht
teilen; das sage ich ausdrücklich. Ich habe mehrere Ent-
wicklungsministertreffen auf EU-Ebene mitgemacht,
auch zu dem Thema Budgethilfen. Unsere Skepsis, was
die transparente und werteorientierte Verwendung von
Budgethilfen betrifft, teilt eine große Zahl anderer EU-
Partner. Ich war erstaunt, weil auch ich bisher dachte,
dass neben uns Deutschen nur einige wenige Partner ein
wenig kritischer draufschauen. Nein, das ist nicht so. Es
gibt viele Länder in unserer EU, die diese Bedenken tei-
len. Auch diese Länder sagen: Wir wollen eine größere
Effizienz bei der Verwendung der Mittel; wir müssen
dringend genauer hinschauen. Genau das Gegenteil von
dem, was Sie gesagt haben, ist der Fall. Wir isolieren uns
nicht. Es ist vielmehr so, dass die Bedenken, die Minis-
ter Niebel und ich formuliert haben, auf EU-Ebene zum
großen Teil geteilt wurden.

Was nicht sein darf, ist Folgendes – auch darüber
wurde gesprochen –: Wenn die Mitgliedstaaten mit Pro-
jekten begonnen haben, dann aber zu der Erkenntnis
kommen, dass für den verantwortbaren Mitteltransfer
die Voraussetzungen fehlen, zum Beispiel, weil die Prin-
zipien von Good Governance nicht eingehalten werden
oder keine einigermaßen verlässlichen Strukturen vor
Ort vorhanden sind, dann kann es nicht sein, dass die
EU-Kommission die Finanzierung fortsetzt. Ich finde, es
kann nicht angehen, dass sie dann zwar die Mittel bei-
spielsweise für zwei Jahre aussetzt, aber den Gesamtbe-
trag nach drei Jahren plötzlich doch ausbezahlt.

Wir sagen, dass uns gute Regierungsführung, Beach-
tung von Menschenrechten, Transparenz der Mittel,
staatliche Strukturen, die einen verantwortlichen Um-
gang mit dem Geld überhaupt vermuten lassen, und viele
Dinge mehr wichtig sind. Wenn all das aber nicht gege-
ben ist, kann man in solche Projekte eigentlich nicht ein-
steigen. Dann muss man sich sehr genau überlegen, was
man tut. Wir sind auch mit der EU-Kommission sehr kri-
tisch umgegangen. Wir haben gesagt: Wenn wir zu dem
Ergebnis kommen, dass ein bestimmtes Projekt nicht
förderfähig ist, weil es nicht werteorientiert ist, möchten
wir nicht, dass die EU-Kommission dann anders handelt.
Kohärentes Handeln auf EU-Ebene ist uns wichtig. Da-
für treten wir auch ein.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703913800

Ihre zweite Nachfrage.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1703913900

Frau Staatssekretärin, die Abgeordneten und das Pu-

blikum haben das Anrecht auf eine wahrheitsgemäße
Beantwortung der Fragen. Sie haben es eben so darge-
stellt, als habe in der Paris-Deklaration und in der Erklä-
rung von Accra – ich selbst war bei der Konferenz in
Accra dabei – die Meinung vorgeherrscht, dass das In-
strument der Budgethilfe nicht ausgeweitet werden soll.

Natürlich muss dieses Instrument kontrolliert werden.
Aber ich frage Sie – ich kann übrigens gut lesen –: Wol-
len Sie allen Ernstes behaupten, dass in der Erklärung
der EU von Paris und in der Accra-Erklärung steht, wir
sollen das Instrument der Budgethilfe zurückfahren und
beschneiden, wie Sie es in Ihrem Koalitionsvertrag for-
muliert haben? Das, was Sie jetzt angeblich in Gesprä-
chen auf EU-Ebene erfahren haben, ist jedenfalls nicht
der Stand dieser Erklärungen. Ich würde Sie bitten, mir
diese Passagen zu nennen. Dabei muss es sich um ein
Geheimpapier handeln, aber nicht um den offiziellen
Text der Erklärungen von Accra und Paris.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703914000


Herr Kollege Raabe, weil auch ich bei der Wahrheit
bleiben möchte, will ich darauf hinweisen, dass die Er-
klärungen, die Sie gerade zitiert haben, auch und insbe-
sondere auf bestimmten qualitativen Werten beruhen.
Das heißt, es steht nirgendwo, dass Geld gezahlt werden
soll, ohne dass die notwendigen Voraussetzungen dafür
erfüllt sind.

Ganz im Gegenteil, es gibt genügend korrupte Regie-
rungen, die mit Geldern, die eigentlich entwicklungs-
orientiert eingesetzt werden sollen, Armeen finanzieren.
Das wollen wir nicht. Da kann man doch nicht sagen:
Das ist vielleicht eine Petitesse. Wir wollen so weiterma-
chen. – Nein, es muss so sein, dass die Gelder, die wir
geben, wirklich bei denen ankommen, die sie nötig ha-
ben. Wir dürfen durch unsere Finanzierung nicht die
Beibehaltung von Strukturen, die eigentlich längst nicht
mehr gefördert werden dürften, mitverantworten. Wir
brauchen Regierungen, die sich gegenüber ihrer eigenen
Bevölkerung verantwortlich verhalten, um deren Exis-
tenz zu sichern und nicht die eigene Macht. Ich kann Ih-
nen nur sagen: Hier wird und wurde in der Vergangen-
heit häufig genug falsch gehandelt. Wir wollen dieser
Fehlentwicklung, ob Sie es richtig finden oder nicht, mit
aller Macht entgegenwirken.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703914100

Wir kommen nun zur Frage 9 der Kollegin Dr. Bärbel

Kofler:
Welche zusätzlichen Anstrengungen bzw. inhaltlichen Än-

derungen hat das Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung im Vergleich zu den Vor-
jahren im Themenschwerpunkt „Klima-, Umwelt- und Res-
sourcenschutz“ unternommen, und mit welchen Partnerlän-
dern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit kooperiert
es derzeit in diesem Themenschwerpunkt?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703914200


Frau Kollegin Kofler, das Thema „Erneuerbare Ener-
gien in der Entwicklungszusammenarbeit“ ist ein sehr
wichtiges. Die Bundesregierung und das Bundesministe-
rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung planen in 2010 bedeutende zusätzliche finanzielle
Anstrengungen zur Förderung von Klima- und Umwelt-
schutz einschließlich der Unterstützung von Entwick-
lungsländern bei der Anpassung an die unvermeidlichen
Folgen des Klimawandels.

(B)






Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp


(A) (C)



(D)(B)

Als Teil der von der Bundesregierung auf dem Ko-
penhagener Klimagipfel zugesagten Fast-Start-Finanzie-
rung von insgesamt 1,26 Milliarden Euro im Zeitraum
von 2010 bis 2012 werden für diese Zwecke im Einzel-
plan 23 – Sie kennen das sicher – Mittel vorgesehen,
welche in 2010 im Vergleich zum Basisjahr 2009 um
205 Millionen Euro steigen.

Inhaltliche Änderungen für die deutsche Entwick-
lungszusammenarbeit werden sich vor allem durch die
im Juli 2009 beschlossene Einführung der obligatori-
schen Klimaprüfung für Maßnahmen der bilateralen
finanziellen und technischen Zusammenarbeit ergeben.
Die Leitlinien orientieren sich an den internationalen
Vorgaben der OECD. Umweltpolitik, Schutz und nach-
haltige Nutzung natürlicher Ressourcen sind derzeit
– Stand: Januar 2010 – Schwerpunkt der bilateralen Ent-
wicklungszusammenarbeit mit 19 Partnerländern, mit
weiteren neun Ländern im Rahmen regionaler themati-
scher Kooperationsprogramme. Ich will Ihnen ein paar
Beispiele nennen: im Bereich Mittelmeer, Naher Osten
und Mittlerer Osten Ägypten und Marokko; im Rahmen
regionaler thematischer Kooperationsprogramme Alge-
rien und Tunesien; in Afrika südlich der Sahara Benin,
Kongo, Kamerun, Madagaskar und Mauretanien; in
Asien und Ozeanien Indien, Indonesien, die Mongolei
und Vietnam; in Lateinamerika Brasilien, Ecuador und
Honduras. Hinzu kommen viele weitere Länder.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703914300

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Dr. Bärbel Kofler (SPD):
Rede ID: ID1703914400

Danke. – Frau Staatssekretärin, ich möchte noch ein-

mal auf die zusätzlichen Mittel, die im Einzelplan 23
sein sollen, zu sprechen kommen. Sie haben den Kopen-
hagen-Akkord zitiert, nach dem – zu Recht – in den
Haushalten für die nächsten drei Jahre und damit auch
im Haushalt 2010 jeweils ungefähr 400 Millionen Euro
vorzusehen sind.

Jetzt sprechen Sie von 205 Millionen Euro, die im
Einzelplan 23 zusätzlich vorhanden sein sollen. Deshalb
meine Nachfrage: Wo finden sich diese 205 Millionen
Euro? Können Sie mir im Bereich der finanziellen und
technischen Zusammenarbeit Vergleichszahlen aus dem
Jahre 2009 nennen, damit wir sehen können, wie sich die
Zahlen entwickelt haben? Der eine Titel, den es im Ein-
zelplan 23 gibt – Klimaschutz in den Entwicklungslän-
dern –, umfasst 35 Millionen Euro, aber nicht 205 Mil-
lionen Euro. Also müssten die übrigen 170 Millionen
Euro in anderen Titeln versteckt sein. Daher hätte ich
zum Vergleich gerne die Zahlen aus dem Jahre 2009.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703914500


Frau Kollegin Kofler, ich kann Ihnen Zahlen aus dem
Haushalt für 2010 nennen. Ich sprach eben davon, dass
Mittel im Umfang von 205 Millionen Euro eingestellt
sind. Diese Mittel verteilen sich wie folgt: jeweils rund
85 Millionen Euro für die bilaterale finanzielle und tech-
nische Zusammenarbeit sowie für die multilaterale Ent-
wicklungszusammenarbeit, hier vor allem für die Kli-
mainvestitionsfonds bei der Weltbank.

Mit der Entscheidung des Haushaltsausschusses vom
März dieses Jahres – neugeschaffene Titel für Klima-
schutzmaßnahmen in Entwicklungsländern – finden Sie
im Kap. 2302 Tit. 687 05 Mittel in Höhe von 35 Millio-
nen Euro, die sich noch in der Programmierung befin-
den. Diese Mittel sollen vor allem für bilaterale finan-
zielle und technische Zusammenarbeit verwendet
werden.

Zielgröße für das bilaterale Engagement 2010 im Kli-
mabereich Minderung und Anpassung sind laut BMZ-
Planung 930 Millionen Euro. Hinzu kommen die multi-
lateralen Mittel. Bereits im letzten Jahr hat das BMZ im
Anschluss an die Zusage von Bundeskanzlerin Merkel
auf der UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt im Juni
2008 in Bonn 223 Millionen Euro für Biodiversität und
Walderhalt zugesagt. Damit wurde das deutsche Engage-
ment gegenüber 2008 um rund 30 Prozent gesteigert.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703914600

Ihre zweite Nachfrage, bitte.


Dr. Bärbel Kofler (SPD):
Rede ID: ID1703914700

Ich finde die Frage der Zusätzlichkeit so nicht beant-

wortet. Es erstaunt mich schon, dass Sie, wenn ich nach
dem Vergleich der Zahlen von 2009 und 2010 frage, nur
Zahlen des Jahres 2010 nennen. Die spannende Frage
wäre doch, in welchem Bereich die Mittel erhöht wur-
den.

Es gab Anfang des Jahres Aussagen des Ministers, in
denen er sich von dem Kopenhagen-Akkord nicht über-
mäßig begeistert gezeigt hat, und auch in der Presse war
nicht von einem großen Engagement in diesem Bereich,
von Mittelaufwüchsen im Einzelplan 23, zu lesen. Wie
wollen sich das BMZ und der Minister, aber auch Ihre
Person engagieren? Werden Sie die Mittel für den Kli-
maschutz im Haushalt 2011 erhöhen, und wie soll das
ausgestaltet werden? Wie werden die Mittel explizit für
den Klimaschutz in Entwicklungsländern steigen? Bei
400 Millionen Euro im letzten Jahr – Vergleichszahlen
wurden gerade nicht genannt – liegt für mich ehrlich ge-
sagt der Schluss nahe, dass wir in diesem Bereich mehr
als diese Summe einbringen müssten.

Ich würde auch gerne wissen, wie die Abstimmung
mit dem Umweltressort in diesem Bereich erfolgt. Denn
in beiden Ausschüssen wird immer wieder auf den je-
weils anderen Ausschuss verwiesen und darauf hinge-
wiesen, dass neue Mittel nicht allein im eigenen Ressort
eingestellt werden. Mich interessiert deshalb die Ge-
samtsumme und die Zusammenschau.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703914800


Frau Kollegin Kofler, die Vergleichszahlen 2009
würde ich Ihnen gerne nachliefern, wenn Sie einverstan-





Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp


(A) (C)



(D)(B)

den sind. Denn ich habe sie jetzt nicht parat. Aber ich
liefere sie Ihnen gerne nach.

Selbstverständlich gleichen wir unsere Initiativen
auch ressortübergreifend ab. Das heißt, Klimaschutz-
maßnahmen sind sowohl im BMU als auch bei uns im
BMZ entsprechend verankert. Dabei gibt es auch ein ko-
härentes Verfahren. Unabgestimmte Maßnahmen gibt es
nicht.

Was den Klimagipfel in Kopenhagen und die, wie Sie
es ausgedrückt haben, sehr zögerlichen oder eher negati-
ven Äußerungen von Minister Niebel betrifft, sind wir
uns, glaube ich, einig, dass dieser Klimagipfel enttäu-
schend verlaufen ist. Wir sind doch davon ausgegangen,
dass es ein substanzielles Ergebnis im Sinne eines Ver-
trages geben könnte, an dem alle mitwirken können.
Dies war aber nicht möglich. Das haben wir zur Kennt-
nis genommen.

Ich finde, wir sollten nicht weiter zurückblicken. Die-
ser Tage hat in Bonn die Petersberger Konferenz stattge-
funden, bei der Vertreter von rund 50 Ländern mit am
Tisch saßen, um den Klimagipfel im November in Can-
cún vorzubereiten. Das Ergebnis liegt mir noch nicht
vor, aber ich glaube, dass alle teilnehmenden Länder
durch internationalen Druck auf uns alle zu einem wie
auch immer gearteten Ergebnis mit Substanz beitragen
wollen.

Ich denke, dass wir im November erneut die Möglich-
keit haben, das, was in Kopenhagen nicht optimal gelau-
fen ist, entsprechend zu korrigieren, ohne die Erwartun-
gen zu hoch zu schrauben. Wie gesagt, es kommt auf
internationaler Ebene darauf an, dass sich alle einig sind.
Das ist immer die Schwierigkeit. Man muss am Ende
meist Kompromisse schließen und kann nie 100 Prozent
erreichen.

Lassen Sie uns nach vorne blicken und uns bemühen,
gemeinsam zu einem substanziellen Ergebnis zu kom-
men. Ich bin zuversichtlich, dass das gelingen kann.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703914900

Bevor ich die nächste Nachfrage aufrufe, gestatten

Sie mir einen Hinweis. In Anbetracht der Tatsache, dass
wir noch ganze 25 Minuten für die Fragestunde haben,
bitte ich die Kolleginnen und Kollegen um kurze, prä-
zise Fragestellungen,


(Beifall der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])


sodass es dann wiederum der Bundesregierung ermög-
licht wird, kurz und präzise zu antworten, damit wir auch
den anderen Kolleginnen und Kollegen noch die Mög-
lichkeit zu einer Nachfrage geben können.

Zu einer Nachfrage hat der Kollege Raabe das Wort.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1703915000

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich will eine kurze

Frage stellen, die auch einfach mit Ja beantwortet wer-
den kann, Frau Staatssekretärin. Es hielt mich nicht mehr
auf dem Stuhl, als Sie sagten, der Klimaschutzgipfel in
Kopenhagen sei ein Erfolg gewesen, und falls nicht,
dann habe es daran gelegen, dass international keine Ei-
nigkeit erzielt wurde. Stimmen Sie mir zu, dass die Bun-
deskanzlerin auf diesem Gipfel 420 Millionen Euro für
Klimaschutzmaßnahmen versprochen und dieses Ver-
sprechen in diesem Haushalt eiskalt gebrochen hat, in-
dem nur 70 Millionen Euro eingestellt wurden? Sie hat
also die Weltgemeinschaft um 350 Millionen Euro belo-
gen. Stimmen Sie mir auch zu, dass dies genauso ein
Wortbruch ist, der internationale Glaubwürdigkeit kos-
tet, wie die Tatsache, dass sie das Versprechen gebro-
chen hat, die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit in
diesem Jahr auf 0,51 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
zu steigern? Sie können einfach mit Ja antworten. Dann
können wir weitermachen.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703915100


Ich wähle die Freiheit, schlicht und ergreifend Nein
zu sagen. Nein, Sie haben nicht recht.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703915200

Ich rufe die Frage 10 der Kollegin Kofler auf:

Welche bilateralen und multilateralen Programme/Pro-
jekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit werden im
Bereich der erneuerbaren Energien gefördert, und wie verhält
sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenar-
beit und Entwicklung zu Anfragen von Partnerländern zur
Förderung von Vorhaben im Bereich der Atomenergie?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703915300


Vielen Dank. – Ich will es etwas abkürzen. Das BMZ
unterstützt derzeit im Bereich der erneuerbaren Energien
83 Programme in 40 Ländern.

Das Volumen der in Durchführung befindlichen Er-
neuerbare-Energien-Programme beträgt 773 Millionen
Euro. Mit 16 Ländern hat das BMZ einen Energie-
schwerpunkt vereinbart. Diese Länder sind Afghanistan,
Albanien, Bangladesch, Bosnien-Herzegowina, Geor-
gien, Indien, Kosovo usw. Bei den Regierungsverhand-
lungen mit Südafrika am 9. April 2010 in Pretoria hat
das BMZ beispielsweise 60 Millionen Euro für Maßnah-
men im Bereich der erneuerbaren Energien zugesagt.
Diese Liste könnte ich erweitern, erspare mir es jetzt
aber aufgrund der knappen Zeit.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703915400

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Dr. Bärbel Kofler (SPD):
Rede ID: ID1703915500

Ich möchte meine Nachfrage gern zu dem Bereich

stellen, den Sie in Ihrer Antwort jetzt elegant umgangen
haben. Es geht um die Haltung des BMZ zur Atomener-
gie und zur Förderung von Projekten im Bereich der
Atomenergie. Der Hintergrund ist: In der letzten Legisla-
turperiode hatten wir bereits die Diskussion über die
Hermesbürgschaften zum Beispiel für brasilianische
Atomkraftwerke. Das BMZ hat sich damals vehement
gegen solche Hermesbürgschaften gestemmt. Mich





Dr. Bärbel Kofler


(A) (C)



(D)(B)

würde interessieren, wie sich das BMZ in solchen Fra-
gen in Zukunft verhält oder auch in den letzten Wochen
schon verhalten hat und wo es einen Konflikt mit der
eben beschriebenen Förderung der erneuerbaren Ener-
gien sieht.

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703915600


Das kann ich mit dem einfachen Satz beantworten,
dass dem BMZ keine formellen Anforderungen vorlie-
gen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703915700

Ihre zweite Nachfrage, bitte.


Dr. Bärbel Kofler (SPD):
Rede ID: ID1703915800

Dann frage ich nach: Hat das BMZ zu den beschlos-

senen Ausfallbürgschaften für das brasilianische Atom-
kraftwerk eine Meinung, und äußert es diese Meinung
auch im Kabinett?

Gu
Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1703915900


Natürlich haben wir Meinungen, und die äußern wir
auch. Das ist völlig klar.


(Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Welche sind das?)


Noch einmal: Das Projekt, das Sie eben erwähnt haben,
ist kein neues. Wir haben im Augenblick keinerlei Dis-
kussions- oder gar Entscheidungsbedarf, weil uns kei-
nerlei Anfragen vorliegen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703916000

Danke, Frau Staatssekretärin. – Wir sind damit am

Ende dieses Geschäftsbereichs.

Wir kommen zum Geschäftsbereich der Bundeskanz-
lerin und des Bundeskanzleramts. Zur Beantwortung
steht der Staatsminister Eckart von Klaeden zur Verfü-
gung. Die Frage 11 der Kollegin Tabea Rößner und die
Fragen 12 und 13 der Kollegin Angelika Krüger-Leißner
werden schriftlich beantwortet.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes. Zur Beantwortung steht die Staatsministerin
Cornelia Pieper zur Verfügung. Die Frage 14 des Kolle-
gen Dr. Ilja Seifert wird schriftlich beantwortet.

Wir kommen zur Frage 15 der Kollegin Heike
Hänsel:

Wie verhält sich die Bundesregierung zu der Empfehlung
von Menschenrechtsorganisationen und EU-Abgeordneten, die
anlässlich der jüngsten Enthüllungen über das Vorgehen des
kolumbianischen Geheimdienstes DAS gegen Menschenrecht-
ler, Nichtregierungsorganisationen und EU-Politiker, welche

(siehe taz vom 27. April 2010, „Geheimdienst gegen Menschenrechtler“)

bien auf keinen Fall unterzeichnet werden darf, bevor diese Af-
färe vollständig aufgeklärt ist?

Bitte.
C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1703916100


Frau Abgeordnete, die Bundesregierung hat sich un-
abhängig von den jetzt vorgebrachten Vorwürfen seit
längerem dafür eingesetzt, dass das Freihandelsabkom-
men zwischen der EU und Kolumbien sowie Peru und
gegebenenfalls später auch Ecuador und Bolivien klare
Menschenrechtsverpflichtungen enthält, deren Verlet-
zungen sanktionierbar sind. Das Abkommen erklärt be-
reits in seinem ersten Artikel die Einhaltung der Allge-
meinen Menschenrechtserklärung und der allgemeinen
Rechtsstaatsprinzipien zu einem essenziellen Element.
Es ist eigentlich ungewöhnlich, so etwas in ein Freihan-
delsabkommen aufzunehmen, aber das macht deutlich,
dass es der Bundesregierung in diesem Fall sehr wichtig
war. Die Bundesregierung hat daher keine Bedenken ge-
gen die Paraphierung des Abkommens durch die Euro-
päische Kommission. Zu den im genannten Artikel der
taz beschriebenen Aktivitäten des DAS liegen der Bun-
desregierung keine Erkenntnisse vor.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703916200

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703916300

Danke schön, Frau Staatsministerin. – Soll das hei-

ßen, dass Sie keinerlei Information haben, während eine
Zeitung ausführlich berichtet, dass der kolumbianische
Geheimdienst ein Büro in Europa unterhält und systema-
tisch die Arbeit von Europaparlamentariern überwacht,
gleichzeitig gezielt mit Propaganda versucht, die Men-
schenrechtsarbeit im Europäischen Parlament zu beein-
flussen, und dies nach Kolumbien rückmeldet? Diesen
Informationen müssen Sie doch in irgendeiner Weise
nachgehen. Meine konkrete Frage lautet: Wie reagiert
die Bundesregierung auf diese Meldungen?

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1703916400


In der Tat nehmen wir solche Meldungen ernst. Wir
sind ihnen nachgegangen. Ich kann Ihnen sagen: Die
Bundesregierung hat keinerlei Hinweise darauf, ob und
gegebenenfalls in welchem Umfang der DAS in Ländern
der Europäischen Union nachrichtendienstliche Opera-
tionen gegen Zivilpersonen, Nichtregierungsorganisatio-
nen oder Einrichtungen der Europäischen Union durch-
geführt hat.

Im Übrigen ist uns das Thema Menschenrechte sehr
wichtig. Das habe ich hier schon zum Ausdruck ge-
bracht. Die Bundesregierung weiß natürlich, dass der zi-
vile kolumbianische Nachrichtendienst DAS nach einer
Entscheidung der Regierung Uribe unter anderem auch
aufgrund eines seit Monaten anhaltenden Abhörskandals
aufgelöst und unter Beschränkung auf die Kernkompe-
tenzen Aufklärung, Spionageabwehr und Migrations-
kontrolle neu aufgebaut werden soll. Wir unterstützen
natürlich diese Reformbestrebungen der kolumbiani-
schen Regierung, die wir positiv beurteilen.

Die Regierung selbst hat das Büro der VN-Hochkom-
missarin für Menschenrechte in Bogota gebeten, diese





Staatsministerin Cornelia Pieper


(A) (C)



(D)(B)

Reform zu begleiten. Für die Fortsetzung dieser Refor-
men durch die neue Regierung sorgen neben der Beteili-
gung regierungsunabhängiger Stellen wie der obersten
Disziplinarbehörde auch das große Interesse der Medien
vor Ort und nicht zuletzt die erfolgreiche Einbeziehung
internationaler Akteure wie die bereits erwähnte Hoch-
kommissarin für Menschenrechte.

Frau Abgeordnete, die Zeitungsmeldungen beunruhi-
gen Sie zu Recht. Aber ich bitte Sie darum, zur Kenntnis
zu nehmen, dass wir ihnen nachgegangen sind, und sich
auch auf die Ergebnisse der Recherche der Bundesregie-
rung zu stützen. Wir alle im Parlament handeln verant-
wortungsvoll und sollten uns daher nicht einseitig nur auf
Zeitungsberichte, gerade was die deutsche Außenpolitik
anbelangt, stützen, sondern eine genaue Recherche vor-
nehmen. Uns allen sind die Menschenrechtsfragen welt-
weit wichtig. Deswegen wird die Bundesregierung die
Entwicklung weiter beobachten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703916500

Ihre zweite Nachfrage, bitte.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703916600

Mich würde noch interessieren, in welchem Umfang

Sie recherchiert haben. Haben Sie zum Beispiel auch re-
cherchiert, ob der kolumbianische Geheimdienst in
Deutschland in ähnlicher Weise agiert und auch hier die
Arbeit von Parlamentarierinnen und Parlamentariern do-
kumentiert? Gibt es von Ihrer Seite diesbezüglich ir-
gendwelche Erkenntnisse? Sind Sie in irgendeiner Weise
aktiv geworden? Wenn nein, würde mich interessieren,
weshalb nicht.

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1703916700


Ich kann nur sagen, dass die Bundesregierung allum-
fassend keine Hinweise hat, ob und gegebenenfalls in
welchem Umfang der DAS in Ländern der Europäischen
Union – dazu gehört auch Deutschland – nachrichten-
dienstliche Operationen gegen Zivilpersonen, Nichtre-
gierungsorganisationen usw. durchgeführt hat. Ich bitte
Sie einfach, dies zur Kenntnis zu nehmen. Die Ergeb-
nisse im Detail vorzutragen, ginge aus meiner Sicht zu
weit.

Ich bitte Sie daher noch einmal, Frau Abgeordnete,
sich nicht nur auf Zeitungsmeldungen zu berufen, son-
dern im Detail dem zu vertrauen, was wir Ihnen hier vor-
legen. Wir sind sehr daran interessiert, dass die Refor-
men in Kolumbien vorangehen. Dazu gehört auch die
Reform des Geheimdienstes DAS.

Wir sind zuversichtlich, was die Entwicklung in die-
sem Land anbelangt. Sie wissen, dass in Kolumbien
demnächst, am 30. Mai 2010, Präsidentschaftswahlen
anstehen und dass Präsident Uribe unter anderem die
Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 26. Februar
2010 gegen ein Referendum respektiert hat, das ihm ein
drittes Mandat ermöglicht hätte. Das Verhalten der Re-
gierung zeigt, dass es dort inzwischen relativ stabile Ver-
hältnisse gibt und dass man Vertrauen in die demokrati-
schen Institutionen des Landes gewinnen kann.

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703916800

Zu einer Nachfrage hat der Kollege Ströbele das

Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Kollegin, ich will Sie und schon gar nicht die
Bundesregierung auf Zeitungsrecherchen reduzieren.
Deshalb rate ich der Bundesregierung, über ihre Bot-
schaft in Bogota mit der Staatsanwaltschaft in Kolum-
bien Kontakt aufzunehmen. Die Staatsanwaltschaft in
Kolumbien, die das Büro des Geheimdienstes DAS
durchsucht hat, beschlagnahmte dort eine ganze Reihe
von Unterlagen. Auf einer dieser Unterlagen findet sich
ein handschriftlicher Vermerk, der auf deutsche Nach-
richtendienste Bezug nimmt.

Ich frage Sie: Ist die Bundesregierung bereit, sich auf
diesem Wege richtig zu informieren und dem Deutschen
Bundestag dazu Auskunft zu erteilen, in welcher Weise
es Verbindungen des DAS, der in Kolumbien wegen
schwerer Menschenrechtsverletzungen unter die Räder
gekommen und sogar einer Durchsuchung durch die
Staatsanwaltschaft ausgesetzt gewesen ist, zu bundes-
deutschen Nachrichtendiensten gibt, was Inhalt dieser
Verbindungen war und welchen Inhalts diese Zusam-
menarbeit gewesen ist?

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1703916900


Nach derzeitigem Kenntnisstand, Herr Abgeordneter,
so kann ich nur wiederholen, liegen uns dazu keine Er-
kenntnisse vor. Wir haben großes Vertrauen in die Aus-
landsvertretungen und natürlich auch in die Botschaft in
Kolumbien. Ich werde gern Ihren Hinweis aufgreifen,
dem noch einmal nachgehen und Ihnen die entsprechen-
den Informationen persönlich zukommen lassen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht mir, dem Deutschen Bundestag!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703917000

Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Dağdelen.


Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703917100

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatsministe-

rin Pieper, ich will daran anknüpfen, dass Sie im Vorfeld
die Frage meiner Kollegin Hänsel so beantworteten, die
Regierung habe sich allumfassend informiert und umfas-
send recherchiert. In diesem Zusammenhang frage ich
noch einmal nach: Was heißt „umfassend“ konkret?
Heißt dies: aus öffentlich zugänglich Quellen, aus nach-
richtendienstlichen Quellen, aus bilateralen Gesprächen?
Wie informiert sich die Bundesregierung ihrer Meinung
nach umfassend? Der Kollege Ströbele hat gesagt, dass
es eine Untersuchung der Staatsanwaltschaft gegeben
hat und ein Vermerk mit Bezug auf den BND dort gefun-
den worden ist. Oder wird die Bundesregierung vom
BND nicht allumfassend informiert?






(A) (C)



(D)(B)

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1703917200


Frau Dağdelen, ich sagte schon auf die Frage des Ab-
geordneten Ströbele: Allumfassend heißt, dass wir natür-
lich alle Quellen nutzen, die uns zur Verfügung stehen,
und die Recherche dementsprechend vornehmen. Ich
werde das jetzt nicht im Einzelnen darlegen; das ginge
zu weit. Aber ich betone noch einmal ausdrücklich, dass
ich den Hinweis des Abgeordneten Ströbele durchaus
sehr ernst nehme, auch im Namen der Bundesregierung,
und dass ich dies selbstverständlich noch einmal aufgrei-
fen und nicht nur Herrn Ströbele, sondern den Bundestag
darüber informieren werde.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703917300

Die Fragen 16 und 17 des Kollegen Nouripour, die

Frage 18 der Kollegin Keul und die Frage 19 des Kolle-
gen Dr. Frithjof Schmidt werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 20 der Kollegin Ute Koczy auf:
Welche konkreten Kriterien müssen im Bereich des zivilen

Aufbaus in den Provinzen Badakhshan, Kunduz, Baghlan er-
füllt sein, um mit der Einleitung eines schrittweisen Abzugs
der Bundeswehr zu beginnen?

Bitte, Frau Staatsministerin.

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1703917400


Sehr geehrte Frau Abgeordnete Koczy, der Bundes-
wehreinsatz in Afghanistan bettet sich in die internatio-
nale Sicherheitsunterstützungstruppe für Afghanistan ein
und orientiert sich daher an den im NATO-Rahmen ge-
billigten Grundsätzen und Zielen. Dies gilt für die soge-
nannte Transitionsphase, deren Kern die Übergabe der
Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Sicher-
heitskräfte ist. Entscheidendes Kriterium für die Einlei-
tung eines schrittweisen Abzugs ist neben der Sicher-
heitslage vor allem die Fähigkeit der afghanischen
Sicherheitskräfte, die Sicherheitsverantwortung zu über-
nehmen. Hinzu kommen die Fähigkeit der afghanischen
Regierung zu guter Regierungsführung sowie das Vor-
handensein grundlegender Voraussetzungen für eine
tragfähige sozioökonomische Entwicklung.

Daher soll auf der für den 20. Juli 2010 geplanten
Konferenz in Kabul ein zwischen der afghanischen Re-
gierung, der internationalen Gemeinschaft, der Unter-
stützungskommission der Vereinten Nationen in Afgha-
nistan, UNAMA, und ISAF abgestimmter Plan zur
Durchführung der Verantwortungsübergabe beschlossen
werden, der auch Kriterien im zivilen Bereich umfasst.
Diese Kriterien werden dann mit Blick auf die Lage in
den einzelnen Provinzen durch die afghanische Regie-
rung, UNAMA, ISAF und die Führungsnationen des je-
weiligen regionalen Wiederaufbauteams weiter konkreti-
siert.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703917500

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703917600

Danke. – Frau Staatsministerin, Ihrer Antwort ist zu

entnehmen, dass es dringend notwendig ist, diese Krite-
rien zu konkretisieren. Ich habe erwartet, dass sich die
Bundesregierung aufgrund des Wissens, dass der Abzug
der Truppen wahrscheinlich im Juli 2011 anfangen soll,
zügig darauf vorbereitet und Kriterien für diese Maßnah-
men entwickelt. Dabei geht es vor allem darum, die
Bevölkerung im zivilen Bereich darin zu unterstützen,
Verantwortung zu übernehmen. Es ist schlichtweg uner-
träglich, dass hier überhaupt noch keine konkreten Krite-
rien vorliegen.

Ich möchte deshalb nachfragen. In den Provinzen
Badakhshan und Kunduz gibt es zu wenig Polizei, die
Polizisten werden schlecht bezahlt, und wir wissen, dass
Arbeitsplätze fehlen. Machen wir es einmal an diesen
drei konkreten Kriterien fest. Was gedenkt die Bundes-
regierung in dieser Hinsicht zu tun? Werden die Gelder,
die im Auswärtigen Amt, aber auch im BMZ zur Verfü-
gung stehen, dafür ausgegeben und die Maßnahmen auf-
gestockt, die dringend erforderlich sind?

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1703917700


Frau Abgeordnete, Sie fragen, was die Bundesregie-
rung im zivilen Bereich konkret tut, um die von ISAF
entwickelten Kriterien im Norden des Landes zu erfül-
len. Ein zentraler Bestandteil der Strategie der Bundes-
regierung bleiben der Aufbau und die Ausbildung der
afghanischen Sicherheitskräfte in Nordafghanistan. Da-
neben fokussiert die Bundesregierung ihre zivile Unter-
stützung im Rahmen ihrer Entwicklungsoffensive noch
stärker auf Nordafghanistan und richtet neue flexible
Programme ein, zum Beispiel einen Stabilisierungs-
fonds, einen Regionalentwicklungsfonds und Infrastruk-
turfazilität. Dadurch soll die lokale Verwaltung bei der
eigenständigen Planung und Umsetzung von Wiederauf-
bau- und Entwicklungsmaßnahmen unterstützt werden.
So wird zum einen die Wahrnehmung der afghanischen
Verwaltung als Dienstleister gegenüber der eigenen Be-
völkerung gestärkt; zum anderen vermitteln solche Maß-
nahmen der Bevölkerung vor Ort eine spürbare Entwick-
lungsdividende.

Erlauben Sie mir, eines noch kurz zu ergänzen, weil
es zu meinem Aufgabenbereich gehört. Die verstärkte
Ausbildung der Polizei- und Sicherheitskräfte in Afgha-
nistan liegt uns zu Recht am Herzen, weil dadurch er-
möglicht wird, dass das Land seine Geschicke zukünftig
selbst in die Hand nehmen kann. Uns allen ist bewusst,
dass die Analphabetenrate gerade unter den Polizei- und
Sicherheitskräften sehr hoch ist; sie liegt bei 70 Prozent.
Die Bundesregierung hat seit 2009 ein Alphabetisie-
rungsprogramm auf den Weg gebracht. Ich persönlich
glaube, dass wir für die Polizei- und Sicherheitskräfte
– aber nicht nur für diese – mehr tun müssen; wir müs-
sen mehr in Bildung investieren. Deswegen haben wir
im Auswärtigen Amt dafür gesorgt, dass die Mittel für
die Bildungsinitiative Afghanistan, die natürlich die
Ausbildung der Polizei- und Sicherheitskräfte ein-
schließt, verdoppelt werden und in diesem Jahr bei rund
11 Millionen Euro liegen.






(A) (C)



(D)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703917800

Ihre zweite Nachfrage, bitte.


Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703917900

Daran kann ich anschließen. Es geht mir um die drei

Provinzen, die ich explizit genannt habe, weil sich daran
konkret zeigt, wie die Übergabe in Verantwortung aus-
sehen kann. Welche der von Ihnen vorgeschlagenen
Punkte werden in Badakhshan, in der Provinz Kunduz
und in Baghlan umgesetzt werden?

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1703918000


Alle Punkte.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703918100

Damit kommen wir zur Frage 21 der Kollegin Koczy:

In welcher Hinsicht bedingen sich die Abzugskriterien im
zivilen Bereich und beim Aufbau der afghanischen Sicher-
heitskräfte?

Bitte, Frau Staatsministerin.

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1703918200


Frau Abgeordnete Koczy, meine Antwort für die Bun-
desregierung lautet: Die von der Internationalen Sicher-
heits- und Unterstützungstruppe, ISAF, entwickelten
Kriterien für die Übergabe der Sicherheitsverantwortung
beruhen auf einer umfassenden Bewertung der Lage in
der jeweiligen Provinz. Dies trägt der Erkenntnis Rech-
nung, dass auch gut funktionierende afghanische Sicher-
heitskräfte alleine nicht dauerhaft für Stabilität sorgen
können. Funktionale Verwaltungsstrukturen, gute Regie-
rungsführung und die Aussicht der jeweiligen Provinz
auf eine tragfähige sozioökonomische Entwicklung wer-
den daher als Kriterien in die Lagebewertung einbezo-
gen. Ich habe das schon erwähnt, als ich Ihre vorherige
Frage beantwortet habe. Ich glaube, dass die beiden Fra-
gen zusammengehören und Sie damit auf die Kriterien
insistieren wollen. Sie hatten dazu ja schon Nachfragen
gestellt.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703918300

Ihre Nachfrage, bitte.


Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703918400

Gehen wir noch einmal konkret auf die Provinz

Kunduz ein. Ich habe Informationen, dass es dort ein
großes Misstrauen gegenüber dem Gouverneur und der
dortigen Provinzverwaltung gibt. Zwei der Kriterien
müssen natürlich die Korruptionsbekämpfung und eine
gute Regierungsführung durch die Gouverneursverwal-
tung sein. Wenn wir nun Unterstützung leisten und es
eine Provinzregierung gibt, die nicht das Vertrauen der
Bevölkerung und meines Wissens auch nicht das der
deutschen Bundesregierung hat, dann stellt sich natür-
lich die Frage, wie die Kriterien, die Sie vorhin in Bezug
auf den Abzug genannt haben, umgesetzt werden kön-
nen.
C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1703918500


Sie werden wahrscheinlich verfolgt haben, dass die
NATO-Außenministerkonferenz bei ihrem Treffen in
Tallinn das Verfahren zur Identifizierung übergabefähi-
ger Provinzen beschlossen hat. Die Übergabe soll in
zwei Stufen erfolgen. Die erste Stufe ist die Identifizie-
rung von übergabefähigen Provinzen in einem monatlich
stattfindenden Assessment Process. Dabei wird die Lage
in der jeweiligen Provinz hinsichtlich der Sicherheit, der
Fähigkeit der afghanischen Regierung zu guter Regie-
rungsführung sowie der Nachhaltigkeit der sozioökono-
mischen Entwicklung analysiert. In der zweiten Stufe
entwickelt ein Transition Board Empfehlungen für die
mögliche Übergabe der Sicherheitsverantwortung in be-
stimmten Provinzen, über die die afghanische Regierung
und natürlich der NATO-Rat beschließen werden.

Die Kabuler Konferenz wird die in London beschlos-
sene Strategie der internationalen Gemeinschaft zur
Übergabe in Verantwortung präzisieren und mit konkre-
ten Zielen und Vereinbarungen unterfüttern. ISAF beab-
sichtigt, die Grundlage für die Übergabe der Sicherheits-
verantwortung bis zum NATO-Gipfel in Lissabon im
November 2010 vorzulegen und dort die erste Tranche
der zu übergebenen Provinzen zu verkünden.

Dass besonderes Vertrauen der Bevölkerung in die
Verwaltung und zu den politisch dort agierenden Perso-
nen erst noch gewonnen werden muss, ist uns allen
bekannt. Diese Kriterien werden natürlich bei der zu-
künftigen Auswahl, die ja auch durch die afghanische
Regierung erfolgen soll, berücksichtigt.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703918600

Ihre zweite Nachfrage, bitte.


Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703918700

Danke, Frau Staatsministerin. – Ihre Antwort lässt

mich sehr nervös werden, und zwar hinsichtlich der Zeit-
schiene, die Sie gerade beschrieben haben. Ist denn,
wenn man analog der Obama-Strategie mit dem Abzug
im Juli 2011 beginnen will, diese Zeitschiene nicht fahr-
lässig lang in Bezug darauf, dass wir der Bevölkerung in
Deutschland klarmachen, dass wir einen Abzug begin-
nen wollen? Alle diese Maßnahmen können ja erst be-
ginnen, wenn der Juli und, wenn ich Sie richtig verstan-
den habe, auch der November 2010 vorüber sind. Das
bedeutet, dass wir ein halbes Jahr Zeit haben, die Krite-
rien umzusetzen, um dann mit dem Abzug im Juli 2011
zu beginnen. Das finde ich für die Menschen vor Ort
schlichtweg gefährlich.

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1703918800


Frau Abgeordnete, es gibt keinen Grund für Ihre Ner-
vosität. Wichtig ist, dass die Übergabe der Sicherheits-
verantwortung nicht gleichzusetzen ist mit dem Abzug
von ISAF-Kräften aus der jeweiligen Provinz, aber ein
wichtiger Schritt dazu ist.





Staatsministerin Cornelia Pieper


(A) (C)



(D)(B)


Was die Obama-Strategie anbelangt: Obama hat sich
eindeutig zur ISAF-Strategie bekannt, und die Amerika-
ner haben diese auch zu ihrer Grundlage gemacht.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703918900

Frau Staatsministerin, herzlichen Dank! Die übrigen

Fragen zu Ihrem Geschäftsbereich werden schriftlich be-
antwortet, ebenso wie alle anderen nicht aufgerufenen
Fragen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 6. Mai 2010,
10 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.