Protokoll:
17021

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 21

  • date_rangeDatum: 9. Februar 2010

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:43 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/21 Zusatzfragen Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Mündliche Fragen 3 und 4 Cornelia Möhring (DIE LINKE) In Betracht kommende Träger für Projekte gegen Linksextremismus und Islamismus; Belastbare Erkenntnisse hinsichtlich eines Bedarfs an Projekten gegen Linksextremis- mus Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswahlkriterien für die Besetzung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 12 Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1819 D 1820 B 1820 D 1824 C 1825 A 1826 A Deutscher B Stenografisc 21. Sit Berlin, Dienstag, de I n h a Absetzung des Tagesordnungspunktes 1 . . . . Erweiterung und Ablauf der Tagesordnung . . Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksachen 17/633, 17/645) . . . . . . . . . . . . Dringliche Frage 1 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Engpässe bei zwei Impfstoffen für Kinder Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1819 B 1819 B 1819 B 1819 C Zusatzfragen Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1821 B 1821 D undestag her Bericht zung n 9. Februar 2010 l t : Mündliche Fragen 7 und 8 Jörn Wunderlich (DIE LINKE) Zeitpunkt und Form der Ausschreibung für die Pilotprojekte gegen Linksextremismus und Islamismus Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 9 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1822 D 1823 A 1823 D Interessenkonflikte von Pricewaterhous Coopers bei der Beratung des Bundesm nisteriums für Verkehr, Bau und Stadten wicklung e- i- t- II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 16 Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) Gesetzliche Regelung der Barrierefreiheit in den Bereichen Verkehr, Bau, Wohnungs- wesen und Kommunikation Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 17 Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) Deckung des steigenden Bedarfs an barrie- refreien Wohnungen; Neuauflage des KfW- Förderprogramms für altersgerechten Woh- nungsumbau Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 18 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausrüstung eines der sechs Kraftwerksblö- cke des Kraftwerkes Jänschwalde mit einer CO2-Abscheidungsanlage Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 19 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1826 C 1826 D 1827 B 1827 D 1828 B 1828 C 1828 D 1829 C 1830 A 1830 C 1830 D 1831 A 1831 B Zeitplan für das Inkrafttreten eines CCS- Gesetzes Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 20 Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umsetzung des Ziels einer 30-prozentigen Reduktion von CO2 innerhalb der EU Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 23 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Energieversorgung durch Kernfusionskraft- werke Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 24 Dorothée Menzner (DIE LINKE) Der Bundesregierung vorliegende Anträge auf Beförderung von Mischoxid-Brennele- menten ab dem 1. Januar 2010 1831 C 1831 D 1832 C 1832 D 1833 A 1833 C 1833 D 1834 B 1834 C 1834 D 1835 B 1835 C 1836 A 1836 B 1836 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 III Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Mündliche Frage 25 Dorothée Menzner (DIE LINKE) Erteilte Genehmigungen für Anträge auf Beförderung von Mischoxid-Brennelemen- ten ab dem 1. Januar 2010 Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfrage Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Mündliche Frage 31 Dagmar Ziegler (SPD) Weitere Förderung des Programms AQUA durch den Europäischen Sozialfonds bzw. durch Bundesmittel Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 32 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Religionslehrer- und Imamausbildung an Universitäten in Deutschland Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 35 Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konkretisierung der von Staatsministerin Dr. Maria Böhmer favorisierten verein- fachten Regelung des Optionszwangs im Staatsangehörigkeitsrecht Antwort Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1836 D 1837 A 1837 C 1837 C 1838 A 1838 B 1838 C 1839 C 1840 A Mündliche Frage 36 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bewertung der Koordination der EU-Kata- strophenhilfe für Haiti Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 37 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) EU-Beitrittsperspektive der Ukraine Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Frage 44 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Beitrag der Bundeszentrale für politische Bildung zur Schärfung des gesellschaftli- chen Bewusstseins für Menschen mit Be- hinderungen Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatzfragen Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Was folgt aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Regel- sätzen bei Hartz IV? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Carsten Linnemann (CDU/CSU) . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . 1840 C 1840 D 1841 B 1841 C 1842 B 1842 D 1843 C 1843 C 1844 C 1846 B 1847 C 1848 D 1849 D 1850 D 1852 A IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Heike Brehmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht zur Strategie der Bundesregierung zur Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung (Drucksache 16/13852) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Burchardt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Erweiterung des Kündigungs- schutzes der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Schutz vor Kündigung wegen eines unbedeutenden wirtschaft- lichen Schadens) (Drucksache 17/648) . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Nešković, Jan Korte, Klaus Ernst, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zum Verbot der Verdachtskündigung und der Erweite- rung der Kündigungsvoraussetzungen bei Bagatelldelikten (Drucksache 17/649) . . . . . . . . . . . . . . . . . Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1853 C 1854 C 1855 D 1856 D 1858 B 1859 B 1859 B 1860 C 1862 B 1863 A 1864 B 1865 A 1866 B 1866 B 1866 C 1867 C 1868 B 1869 C 1870 B 1872 A 1873 A 1874 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Mündliche Frage 1 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Ausdehnung des Bundesprogramms „För- derung von Beratungsnetzwerken“ auf die generelle Extremismusbekämpfung Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Mündliche Frage 2 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Über Bundesprogramme gegen Rechtsex- tremismus geförderte Projekte mit extre- mistischen Charakter Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Mündliche Frage 5 Petra Pau (DIE LINKE) Einsatz der vorhandenen Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus auch zur Bekämp- fung des Linksextremismus und Islamismus Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Mündliche Frage 6 Petra Pau (DIE LINKE) Wissenschaftliche Begleitung und Evalua- tion der Pilotprojekte im Bereich Links- extremismus und Islamismus Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Mündliche Fragen 10 und 11 Harald Weinberg (DIE LINKE) Vorlage der Ergebnisse der ersten und zweiten Stufe der DRG-Begleitforschung 1875 A 1875 C 1875 D 1875 D 1876 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 V Antwort Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Mündliche Frage 13 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berücksichtigung der Barrierefreiheit bei den Vertragsverhandlungen der Deutschen Bahn über die Lieferung neuer ICx-Züge Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Mündliche Frage 14 Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eisenbahnunternehmen mit Programmen zur Herstellung der Barrierefreiheit von Bahnanlagen und Fahrzeugen Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Mündliche Frage 15 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Wahrnehmung der Kontrollpflichten durch die Vertreter der Bundesregierung im Auf- sichtsrat der Deutschen Bahn Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Mündliche Frage 21 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Radioaktive Abfälle bei der Kernfusion Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Mündliche Frage 22 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1876 B 1877 A 1877 B 1877 C 1877 D Kernfusion als etwaiger Bestandteil der er- neuerbaren Energien Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Mündliche Frage 26 Kathrin Vogler (DIE LINKE) Transport von Uranhexafluorid von Schwe- den nach Deutschland; Verhinderung illega- ler Transporte radioaktiven Materials aus dem Ausland Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Mündliche Fragen 27 und 28 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unbesetzt gebliebene Studienplätze in Fä- chern mit lokalem Numerus clausus und Wirkung der Internet-Studienplatzbörse Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Mündliche Fragen 29 und 30 Nicole Gohlke (DIE LINKE) Unbesetzte Studienplätze nach Bundeslän- dern und Konsequenzen aus dem Zulas- sungschaos an den Hochschulen Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 15 Mündliche Frage 34 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Änderungen im Haushaltsentwurf 2010 zur Einhaltung der Zusagen für den Glo- balen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1878 A 1878 B 1878 D 1879 B 1879 C VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 Anlage 16 Mündliche Frage 38 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Aufruf der Bundesregierung zu einem EU- weit einheitlichen Vorgehen gegenüber Honduras Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 17 Mündliche Frage 39 Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Reaktion auf die Erklärung des iranischen Präsidenten zur Urananreicherung und Vorschläge der Bundesregierung zur Lö- sung des iranischen Atomprogramms Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 18 Mündliche Frage 40 Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anstrengungen der Bundesregierung zum im Koalitionsvertrag angekündigten Abzug der in Deutschland verbliebenen Atomwaf- fen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 19 Mündliche Fragen 41 und 42 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berücksichtigung von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und Gender-Aspekten in der Ausbildung afghanischer Sicherheits- kräfte durch deutsche Ausbilder unter Be- achtung der afghanischen Kultur Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 20 Mündliche Frage 43 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 1879 D 1880 A 1880 C 1881 A Fördermaßnahmen für den tertiären Bil- dungssektor in Afghanistan sowie dortige Unterstützung des Deutschen Akademi- schen Austausch-Dienstes Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 21 Mündliche Frage 45 Halina Wawzyniak (DIE LINKE) Sicherstellung der beabsichtigten Aussetzung des Zugangserschwerungsgesetzes ohne zeit- liche Verzögerung Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 22 Mündliche Frage 46 Halina Wawzyniak (DIE LINKE) Löschung rechtsextremer und volksverhet- zender Websites bei ausländischen Hosts durch das Bundeskriminalamt Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 23 Mündliche Fragen 47 und 48 Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Geeignete Messgeräte für den Einsatz als Nacktscanner/Bodyscanner auf Flughäfen und anfallende Kosten Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 24 Mündliche Frage 49 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verstärkung der Polizeiausbildung in Af- ghanistan Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1881 C 1882 A 1882 A 1882 B 1882 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 VII Anlage 25 Mündliche Frage 50 Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE) Unterstützung des Bundes für den 13. Eu- ropäischen Polizeikongress Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 26 Mündliche Frage 51 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Abschiebung syrischer Asylbewerber noch vor Aktualisierung der Lagebewertung in Syrien durch das Auswärtige Amt Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 27 Mündliche Frage 52 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beitrag des Bundesministeriums der Justiz zur Analyse der Finanzkrise in Deutsch- land Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 28 Mündliche Frage 53 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Fiskalische und marktliche Wirkungen ver- schiedener Vorschläge zur Sanierung der Hypo Real Estate Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 29 Mündliche Fragen 54 und 55 Dr. Barbara Hendricks (SPD) Wiederzulassung von Leerverkäufen und Handhabung in den übrigen G-20-Staaten Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1882 D 1883 A 1883 B 1883 C 1884 A Anlage 30 Mündliche Frage 56 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Maßnahmen zur Entlastung der Städte und Gemeinden in der Finanzkrise Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 31 Mündliche Frage 57 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen der geplanten Änderungen im Außensteuergesetz und bei der Berech- nung der Gewerbesteuer für Finanzdienst- leister auf die Steuereinnahmen der Ge- meinden Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 32 Mündliche Frage 58 Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) Neu geschaffene Stellen in den Bundesmi- nisterien seit der letzten Bundestagswahl Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 33 Mündliche Fragen 59 und 60 Sonja Steffen (SPD) Ergebnisse der Arbeitsgruppe zur Rück- übertragung der zwischen 1945 und 1949 in Ostdeutschland enteigneten Grundstücke und Umsetzung Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 34 Mündliche Fragen 61 und 62 Günter Gloser (SPD) Stand der Umsetzung der EU-Dienstleis- tungsrichtlinie in den Bundesländern Antwort Peter Hintze, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1884 B 1884 C 1885 A 1885 B 1885 D VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 Anlage 35 Mündliche Frage 63 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Konsequenzen des Gutachtens von Profes- sor Dr. Eibe Riedel zur Wirkung der UN- Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen auf das deutsche Schul- system für Bund und Länder in der Bil- dungspolitik Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 36 Mündliche Fragen 64 und 65 Angelika Krüger-Leißner (SPD) Zahlung der Zusatzbeiträge der Kranken- kassen bei ALG-II-Beziehern Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 37 Mündliche Frage 66 Anette Kramme (SPD) Überbrückungsregelung für Überzahlungen beim Arbeitslosengeld II Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 38 Mündliche Frage 67 Anette Kramme (SPD) Mindestlohn im Pflegebereich Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 39 Mündliche Frage 68 Katja Mast (SPD) Konsequenzen aus dem Urteil des Bundes- verfassungsgericht zu den Hartz-IV-Regel- sätzen Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1886 B 1886 C 1887 A 1887 B 1887 C Anlage 40 Mündliche Fragen 69 und 70 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Geplante Kürzung der Zuschüsse für die Bundesagentur für Arbeit (BA) und ent- sprechender arbeitsmarktpolitischer In- strumente sowie Rücküberweisungen der BA an den Bund seit Einführung der Hartz- Reformen Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 41 Mündliche Fragen 71 und 72 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einfachgesetzliche Entfristung der zugelas- senen kommunalen Träger im SGB II trotz verfassungspolitischer Bedenken; Verfas- sungsänderung zur Absicherung der ge- meinsamen Arbeit von Bundesagentur für Arbeit und Kommunen in den Arbeitsge- meinschaften des SGB II Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 42 Mündliche Frage 73 Josip Juratovic (SPD) Gewährleistung der Mindestlöhne für Be- schäftige bei Unternehmen mit ausländi- schem Firmensitz Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 43 Mündliche Frage 74 Josip Juratovic (SPD) Umfang der Kontingente für Werkverträge zwischen polnischen Arbeitgebern und in Deutschland ansässigen Unternehmen seit 1990 und Entwicklung für 2010 Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1887 C 1888 B 1888 C 1888 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 IX Anlage 44 Mündliche Frage 75 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gewährleistung des Beitrags der europäi- schen Landwirtschaft zur Reduktion von Kohlendioxid und somit zur Erreichung des Klimaziels und Erhalt der Biodiversität Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 45 Anlage 47 Mündliche Frage 78 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zahl der Soldatinnen und Soldaten im Rahmen des neu vorzulegenden Mandats in Afghanistan für Ausbildung, Monito- ring, Schutz und Führungsleistungen sowie Vorbereitung der Quick Reaction Force auf die neuen Ausbildungsaufgaben Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 48 1890 A 1890 D Mündliche Frage 76 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einsatz von Spezialeinheiten der US-Ar- mee bzw. -Geheimdienste in den deutschen Zuständigkeitsbereichen in Afghanistan Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 46 Mündliche Frage 77 Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE) Zahl der durch die Bundeswehr im Rah- men ihres Einsatzes in Afghanistan ange- forderten Luftangriffe; verantwortliche Führungsebene der Bundeswehr bei sol- chen Angriffsbefehlen Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1890 B 1890 C Mündliche Frage 79 Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verantwortbarkeit des ISAF-Einsatzes von Soldaten im Rahmen des veränderten Af- ghanistan-Mandats angesichts fehlender Aus- bildung für das neue Konzept Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 49 Mündliche Frage 80 Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einsatz der AWACS-Flugzeuge in Afgha- nistan; erneute Entscheidung des Bundes- tages über eine Erhöhung der Anzahl der Soldatinnen und Soldaten im Rahmen des Afghanistan-Mandats Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1891 C 1891 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 1819 (A) (C) (B) (D) 21. Sit Berlin, Dienstag, de Beginn: 1
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 1875 (A) (C) (B) (D) Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 17/633, Frage 1): hung der Erkenntnisse der wissenschaftlichen Begleitun- gen und der Programmevaluation weiterentwickelt. Die Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Brackmann, Norbert CDU/CSU 09.02.2010 Ernstberger, Petra SPD 09.02.2010 Ferner, Elke SPD 09.02.2010 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 09.02.2010 Golze, Diana DIE LINKE 09.02.2010 Gunkel, Wolfgang SPD 09.02.2010 Hänsel, Heike DIE LINKE 09.02.2010 Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 09.02.2010 Dr. Höll, Barbara DIE LINKE 09.02.2010 Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 09.02.2010 Kotting-Uhl, Sylvia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.02.2010 Dr. Krogmann, Martina CDU/CSU 09.02.2010 Dr. Lammert, Norbert CDU/CSU 09.02.2010 Link (Heilbronn), Michael FDP 09.02.2010 Möller, Kornelia DIE LINKE 09.02.2010 Nestle, Ingrid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.02.2010 Otto (Frankfurt), Hans- Joachim FDP 09.02.2010 Pflug, Johannes SPD 09.02.2010 Pitterle, Richard DIE LINKE 09.02.2010 Dr. Schui, Herbert DIE LINKE 09.02.2010 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.02.2010 Anlagen zum Stenografischen Bericht Sieht die Bundesregierung im Bundesprogramm „Förde- rung von Beratungsnetzwerken“ ein allgemeines Antiextre- mismusprogramm, obwohl hier explizit nur von Rechtsextre- mismus gesprochen wird, und soll dieses Programm im Sinne des sogenannten Extremismusansatzes ausgebaut werden? Das Bundesprogramm „kompetent. für Demokratie – Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus“ richtet sich nach den in den Leitlinien verankerten Programm- zielen nicht nur gegen die Verfestigung rechtsextremisti- scher Strukturen, sondern in gleicher Weise gegen fremdenfeindliche und antisemitische Strukturen im Ge- meinwesen und deren gezielte Einflussnahme auf die Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger, die die demo- kratische Grundordnung unserer Gesellschaft bedroht. Der Bundesregierung ist bewusst, dass es sich bei Linksextremismus, Rechtsextremismus und Islamismus um jeweils unterschiedliche Phänomene handelt, die auch jeweils unterschiedlicher präventiver und beraten- der Ansätze bedürfen. In der vorgesehenen Sondierungsphase wird auch festzustellen sein, in welcher Weise die thematische Er- weiterung der Extremismusbekämpfung um die Berei- che Linksextremismus und Islamismus erfolgen soll. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 17/633, Frage 2): Hat die Bundesregierung gegenwärtig Anhaltspunkte da- für, dass Projekte, die über die Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus gefördert werden, „extremistische Bestre- bungen“ verfolgen, und, wenn ja, um welche Projekte handelt es sich hierbei? Die Bundesregierung hat gegenwärtig keine Anhalts- punkte dafür, dass Projekte, die über die Bundespro- gramme „Vielfalt tut gut.“ und „kompetent. für Demo- kratie“ gefördert werden, „extremistische Bestrebungen“ verfolgen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Petra Pau (DIE LINKE) (Drucksache 17/633, Frage 5): Reicht nach Ansicht der Bundesregierung eine Pilotphase von weniger als einem Jahr aus, um auf dieser Grundlage ei- nen Umbau der vorhandenen Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus auch zur Bekämpfung des Linksextremis- mus und Islamismus vorzunehmen? Die Bundesprogramme „Vielfalt tut gut.“ und „kom- petent. für Demokratie“ werden bis zum Start einer neuen Programmphase ab dem Jahr 2011 unter Einbezie- 1876 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 (A) (C) (B) (D) Bundesregierung erachtet die vorgesehene Zeit der Pilot- phase für eine thematische Erweiterung der Extremis- musprävention um die Themenfelder Linksextremismus und islamischer Fundamentalismus für ausreichend. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Petra Pau (DIE LINKE) (Drucksache 17/633, Frage 6): Wer soll die geplanten Pilotprojekte im Bereich Links- extremismus und Islamismus wissenschaftlich begleiten, und wird es eine Evaluation zu dieser Arbeit geben? Zur Vorbereitung der beiden Pilotprojekte gegen Linksextremismus und Islamismus ist zunächst eine Son- dierungsphase vorgesehen. In dieser Phase werden mög- liche Forschungs- und Themenfelder, Vorgehensweisen und Zielgruppen sowie Trägerstrukturen identifiziert werden. Hierbei werden auch bereits vorliegende wissen- schaftliche und behördliche Erkenntnisse zur Ideologie, Entwicklung und Struktur des Linksextremismus sowie des Islamismus mit einbezogen. Mit staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren des Bundes, der Länder und der Kommunen Berlin und Hamburg werden Fragen der praktischen Prävention von Islamismus und Linksextre- mismus erörtert. Das Ziel ist es, im 2. Quartal 2010 Pro- jektideen für Forschung, Expertisen und Modellprojekte zu entwickeln und zu realisieren. Im Rahmen dieser Son- dierungsphase wird auch festgelegt, wie die Evaluation dieser Projekte vorgenommen wird. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz auf die Fragen des Abgeordneten Harald Weinberg (DIE LINKE) (Drucksache 17/633, Fragen 10 und 11): Was sind die Ergebnisse aus der ersten Stufe der DRG-Be- gleitforschung – DRG: Diagnosis Related Groups –, welche die Bundesregierung in ihrer Antwort auf Frage 2 d der Klei- nen Anfrage der Fraktion Die Linke (Drucksache 16/13974) im September 2009 für das Ende des Jahres 2009 ankündigte, und, falls die Ergebnisse noch nicht vorliegen, weshalb verzö- gert sich dies ein weiteres Mal? Wann ist mit den Ergebnissen der zweiten Stufe der DRG- Begleitforschung zu rechnen? Zu Frage 10: Die Ergebnisse der ersten Stufe der DRG-Begleitfor- schung, die die Daten der Jahre 2004 bis 2006 umfasst, stehen unmittelbar vor der Veröffentlichung durch die nach § 17b Absatz 8 des Krankenhausfinanzierungsgeset- zes gesetzlich beauftragten Selbstverwaltungspartner (Deutsche Krankenhausgesellschaft, GKV-Spitzenver- band, Verband der privaten Krankenversicherung). Nach Auskunft des DRG-Instituts ist Anfang März 2010 mit der Veröffentlichung des schriftlichen Berichts zu rechnen. Im Rahmen der Ergebnispräsentation am 19. Januar 2010 wurden vom IGES-Institut, das den ersten For- schungszyklus durchgeführt hat, unter anderem die fol- genden Ergebnisse präsentiert: Die Akzeptanz des G-DRG-Systems ist bei den Ak- teuren in der Breite hoch. Der vollzogene Einführungsprozess, einschließlich der über mehrere Jahre gestreckten Konvergenzphase, wird als insgesamt positiv bewertet. Das G-DRG-System hat maßgeblich zur Erhöhung der Transparenz des stationären Leistungsgeschehens beigetragen. Die Grundlagen für eine verbesserte ökono- mische Bewertung der stationären Leistungen und der innerbetrieblichen Leistungserstellung wurden damit verbreitert. Das G-DRG-System hat die Strukturen der Leistungs- erstellung in den Krankenhäusern verändert, zum Bei- spiel Optimierungen der Aufbau- und Ablauforganisa- tion (insbesondere auch Zentrenbildung), Einführung und Ausbau von Instrumenten zur Standardisierung und Verbesserung von Prozessen (zum Beispiel Einführung klinischer Behandlungspfade und Entlassmanagement, Einrichten von Stellen für Medizincontrolling und Do- kumentationsassistenten). Die im Rahmen der Begleitforschung analysierten Daten der externen Qualitätssicherung geben keine Hin- weise auf eine Verschlechterung der Qualität (Ergebnis- und Prozessqualität). Zur Patientenzufriedenheit sind bisher kaum belast- bare Aussagen möglich, Hinweise für eine Verschlechte- rung gibt es nicht. Bei der Arbeitszufriedenheit von Pfle- genden sowie Ärztinnen und Ärzten konnten anhand der untersuchten Studien ebenfalls keine durch die DRG- Einführung induzierten Veränderungen festgestellt wer- den. Die ausführlichen Ergebnisse können dem in Kürze von den Selbstverwaltungspartnern auf der Bundesebene veröffentlichten umfassenden Ergebnisbericht entnom- men werden. Zu Frage 11: Nach Auskunft des DRG-Instituts ist mit Ergebnissen der zweiten Stufe, die die Daten der Jahre 2006 bis 2008 analysiert, zur Jahreswende 2010/11 zu rechnen. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Frage 13): Was unternimmt die Bundesregierung, damit bei den Ver- tragsverhandlungen der Deutschen Bahn AG mit dem von ihr „bevorzugten Bieter“ Siemens AG über die Herstellung und Lieferung von bis zu 300 neuen Zügen, das sogenannte ICx- Projekt, neben der Qualität der Technik auch die Barrierefrei- heit, das heißt unter anderem das Vorhandensein fahrzeugge- bundener Einstiegshilfen, barrierefreier Toiletten und mehre- rer Plätze für Rollstuhlfahrer und -fahrerinnen, ein zentrales Thema wird? Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 1877 (A) (C) (B) (D) Die Eisenbahnen sind nach § 2 Abs. 3 Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung verpflichtet, Programme zur Gestaltung von Bahnanlagen und Fahrzeugen zu erstel- len, mit dem Ziel, eine möglichst weitreichende Barrie- refreiheit für deren Nutzung zu erreichen. Für neue Infrastrukturen und Fahrzeuge haben sie dabei auch europarechtliche Regelungen zu beachten. Hierzu wird auch auf die Angaben zum Bereich „Bahnverkehr“ im „Bericht der Bundesregierung über die Lage von Men- schen mit Behinderungen und die Entwicklung ihrer Teilhabe“ vom 17. Juli 2009, Drucksache 16/13829 ver- wiesen. Die im Wettbewerb am Verkehrsmarkt operie- renden Eisenbahnunternehmen, so auch die Deutsche Bahn AG, entscheiden in eigener unternehmerischer Ver- antwortung, welche Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit ergriffen werden. Vor dem Hintergrund der Umsetzung des Beschlusses des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vom 27. Juni 1996 (Anlage 1 zu Drucksache 13/6149) kommentiert die Bundesregierung nicht die in der unternehmerischen Zuständigkeit der Deutsche Bahn AG liegenden Entscheidungen über Ein- zelmaßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit. Es wird deshalb angeregt, wegen der betreffenden Angaben an den Vorstand der Deutsche Bahn AG heranzutreten. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Frage 14): Welche Eisenbahnunternehmen haben Programme nach § 2 Abs. 3 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, EBO, zur Herstellung der Barrierefreiheit von Bahnanlagen und Fahrzeugen vorgelegt, und welche Eisenbahnunternehmen planen, in nächster Zeit ein ebensolches vorzulegen? Derzeit haben vier Eisenbahnunternehmen Pro- gramme zur Herstellung der Barrierefreiheit vorgelegt. Diese sind im Zielvereinbarungsregister beim Bundes- ministerium für Arbeit und Soziales gelistet. Die Deutsche Bahn AG hat als erstes Eisenbahnver- kehrsunternehmen in enger Zusammenarbeit mit den Verbänden behinderter Menschen und dem Bundesmi- nisterium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Jahr 2005 ein Programm zur Herstellung von Barriere- freiheit im Eisenbahnverkehr erstellt. Darin ist festge- legt, unter welchen Voraussetzungen Bahnhöfe und Züge barrierefrei sind. Die NBE Nordbahn Eisenbahngesellschaft mbH & Co. KG hat ein Programm für eine barrierefreie Gestal- tung von Fahrzeugen (Triebwagen Typ LINT 41/H) auf der Strecke Neumünster–Bad Oldesloe aufgestellt. Die AKN Eisenbahn AG hat ein Programm zur Barrie- refreiheit im Bereich der Infrastruktur auf den Strecken Hamburg-Eidelstedt–Neumünster und Elmshorn–Ulz- burg aufgestellt. Die Schleswig-Holstein-Bahn GmbH (100 Prozent Tochtergesellschaft der AKN Eisenbahn AG) hat ein Programm zur Barrierefreiheit im Bereich der Fahrzeuge (Triebwagen Typ LINT 41/H) auf den Strecken Neu- münster–Heide (Holst) und Heide (Holst)–Büsum aufge- legt. Die Infrastruktur auf den genannten Strecken wird von der Deutsche Bahn AG betrieben. Nach Kenntnis des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales werden zurzeit weitere Programme zur Barrierefreiheit von Schmalspurbahnen und Museums- bahnen wie der Harzer Schmalspurbahn GmbH, der Mansfelder Bergwerksbahn (Museumsbahn auf schmal- spurigen Werkbahngleisen) und der Dessau–Wörlitzer Eisenbahn erarbeitet. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Drucksache 17/633, Frage 15): Trifft es zu, dass die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat der Deutsche Bahn AG ihren Kontrollpflichten unzureichend nachgekommen sind, wie der Bundesrech- nungshof feststellt, und welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus dieser Einschätzung? Der Bund nimmt über seine Vertreter im Aufsichtsrat der Deutsche Bahn AG seine Kontrollmöglichkeiten im Rahmen des aktienrechtlich Zulässigen vollumfänglich wahr. Die Bundesregierung prüft derzeit den vertrauli- chen Bericht des Bundesrechnungshofes und wird hierzu gegenüber dem Bundesrechnungshof eine Stellungnahme abgeben. Anlage 10 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Frage 21): Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass nach heuti- gem Kenntnisstand bei der Kernfusion radioaktive Abfälle an- fallen werden – beispielsweise Anlagenteile, die durch die Kernfusion radioaktiv werden –, und ist ihr der Kernfusions- bericht vom Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deut- schen Bundestag bekannt (Bundestagsdrucksache 14/8959)? Nach heutigem Kenntnistand der Bundesregierung werden bei der Kernfusion radioaktive Abfälle anfallen. Bei der Kernfusion verschmelzen leichte Atomkerne, zum Beispiel Deuterium und Tritium, zu Heliumkernen. Bei dieser Reaktion wird Energie frei, die sich in Strom umwandeln lässt. Dabei werden auch Neutronen freige- setzt, die das Wandmaterial des Reaktors bestrahlen. Das Wandmaterial wird dadurch radioaktiv aktiviert und muss entsorgt werden. Von der Entwicklung niedrig akti- vierbarer Wandmaterialien hängt es unter anderem ab, in welchem Umfang radioaktive Abfälle minimiert werden können. Die entstehenden Abfälle müssen bei weitem nicht so lange gelagert werden wie bei konventionellen Kernkraftwerken. 1878 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 (A) (C) (B) (D) Der Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (Bundestagsdrucksache 14/8959) ist der Bundesregierung bekannt. Anlage 11 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Frage 22): Zählt die Bundesregierung die Kernfusion zu den erneuer- baren Energien, und bedeutet dies, dass die von der Bundesre- gierung langfristig angestrebte vollständige Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Energien den Einsatz der Kernfusion implizit umfasst? Erneuerbare Energien basieren auf nach menschli- chem Ermessen unerschöpflichen Energiequellen und kommen ohne Verbrauch nicht regenerierbarer Brenn- stoffe aus. Dies ist bei der Kernfusion nicht der Fall. In Fusionsreaktoren werden zur Gewinnung nutzbarer Energie Brennstoffe, zum Beispiel Deuterium und Tri- tium, das aus Lithium im Fusionsreaktor erbrütet werden soll, verbraucht. Die Umkehrung des Prozesses, also die Regenerierung der Ausgangsstoffe, ist nahezu unmög- lich und energetisch nicht sinnvoll. Die Kernfusion wird daher nicht als erneuerbar betrachtet. Die erneuerbaren Energien decken derzeit nach vor- läufigen Schätzungen circa 10 Prozent vom Endenergie- verbrauch und sollen zukünftig den Hauptanteil an der Energieversorgung übernehmen. Die Kernfusion ist eine Zukunftstechnologie. Mit der Fusionsforschung kann eine neue CO2-freie Energiequelle erschlossen werden. Es ist derzeit nicht kalkulierbar, wann die Kernfusion ei- nen relevanten Anteil an der Energieversorgung einneh- men kann. Anlage 12 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Kathrin Vogler (DIE LINKE) (Drucksache 17/633, Frage 26): Kann der Transport von 1,6 Kilogramm Uranhexafluorid über Grenzen hinweg von Schweden nach Deutschland als illegal bezeichnet werden, und, wenn ja, welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um künftig solch illegale Trans- porte radioaktiven Materials zu verhindern? Bei der Vorbereitung der Innenbesichtigung eines 30- Zoll-B-Behälters (ein Behälter zum Transport von ange- reichertem Uran-235 in Form von Uranhexafluorid) kam es am 21. Januar 2010 in der Urananreicherungsanlage der Firma URENCO in Gronau beim Öffnen des Behäl- terventils zu einer Freisetzung von Uranhexafluorid. Der von einem schwedischen Kunden der Firma URENCO angelieferte Behälter war als „clean and washed out“ de- klariert, enthielt jedoch etwa 1,6 Kilogramm Uranhexa- fluorid. Dieses Ereignis wurde in der Fragestunde des Deut- schen Bundestages am 27. Januar 2010 erörtert und ist Gegenstand der Beratung im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages am 9. Februar 2010. Die durch die Kunden der Urananreicherungsanlage in Gronau entleerten Behälter enthalten in der Regel Restmengen an Uranhexafluorid (sogenannte Heels) und benötigen daher für den Transport eine Genehmigung nach § 4 des Atomgesetzes sowie eine Einfuhrgenehmi- gung nach § 3 des Atomgesetzes. Der Beförderer bzw. der Importeur hat nicht für jeden einzelnen Transport entsprechende Genehmigungen, sondern jeweils für eine größere Zahl von Transporten bzw. Einfuhren. Hierzu wird auf die Antworten der Bundesregierung zu den Klei- nen Anfragen 17/253 „Uranhexafluorid – Sichere Lage- rung und sachgemäßer Umgang zur Vermeidung von Um- weltrisiken“ vom 16. Dezember 2009 sowie 16/5381 „Transporte und Lagerung von Uranhexafluorid“ vom 21. Mai 2007 verwiesen. In Abstimmung mit der zuständigen Landesaufsichts- behörde in Nordrhein-Westfalen hat das BMU Kontakt zur schwedischen Atomaufsichtsbehörde aufgenom- men, die bestätigt hat, dass der Behälter aus einer schwe- dischen Brennelementfertigungsanlage (Westinghouse Electric Sweden) nach Gronau geliefert wurde. Die schwedische Atomaufsichtsbehörde hat mitgeteilt, dass sie weitere Untersuchungen einleitet. Das schwedische Unternehmen hat – entsprechend dem schwedischen Re- gelwerk – 30 Tage Zeit, um sich zu dem Vorfall zu äu- ßern. In einer Presseerklärung vom 28. Januar 2010 hat das Unternehmen berichtet, dass bereits mit internen Un- tersuchungen begonnen und hierüber auch die schwedi- sche Aufsichtsbehörde unterrichtet wurde. Die Verantwortung für den Transport und Einfuhr des als „clean and washed out“ deklarierten 30-Zoll-B-Be- hälters trägt der schwedische Versender. Welche Maß- nahmen zur Verhinderung der Wiederholung zu ergrei- fen sind, kann erst nach Beendigung der laufenden Untersuchungen der atomrechtlichen Behörden in Nord- rhein-Westfalen und Schweden abschließend geklärt werden. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Fragen 27 und 28): Welche Informationen liegen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung über die Zahl der Studienplätze in Fä- chern mit lokalem Numerus clausus vor, die trotz der Studien- platzbörse unbesetzt geblieben sind? Wann wird die Bundesregierung die Fakten über die Wir- kung der Internet-Studienplatzbörse im Wintersemester 2009/ 2010, die der Kultusministerkonferenz offensichtlich vorlie- gen, dem Deutschen Bundestag zur Verfügung stellen, und wie bewertet die Bundesregierung diese Fakten? Zu Frage 27: Laut KMK-Bericht zum „Zulassungsverfahren an den staatlichen Hochschulen im Wintersemester 2009/2010“ sind in den örtlich zulassungsbeschränkten Studiengän- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 1879 (A) (C) (B) (D) gen zum Erhebungsstand Ende Oktober 2009 noch min- destens 18 000 Studienplätze unbesetzt gewesen. Das Zulassungsverfahren war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Nach Angaben der KMK wird diese Zahl nach Abschluss der Nachrückverfahren deut- lich niedriger sein. Zu Frage 28: Der Präsident der Kultusministerkonferenz hat am 5. Februar 2010 der Bundesministerin für Bildung und Forschung den Bericht zum „Zulassungsverfahren an den staatlichen Hochschulen im WS 2009/2010“ über- sandt. Er wurde am selben Tag wie vereinbart dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages sowie dem Ausschuss für Bildung und Forschung übermittelt. Hinsichtlich der Wirkung der Internet-Studienplatz- börse kommt der Bericht zu dem Ergebnis, dass sich diese positiv auf das derzeitige Zulassungsverfahren ausgewirkt hat. Wie zu erwarten war, hat die Studien- platzbörse Informationsdefizite mit Blick auf freie Studienplätze nach Abschluss des regulären Zulassungs- verfahrens – einschließlich Nachrückverfahrens – besei- tigt und damit zu einer besseren Auslastung der vorhan- denen Studienanfängerkapazitäten beigetragen. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen der Abgeordneten Nicole Gohlke (DIE LINKE) (Druck- sache 17/633, Fragen 29 und 30): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Zulassungschaos an den Hochschulen, wonach vier Wochen nach Semesterbeginn rund 18 000 Studienplätze unbesetzt blieben (vergleiche dpa vom 3. Februar 2010)? Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie sich die Zahl der vier Wochen nach Semesterbeginn noch im- mer unbesetzten Studienplätze auf die einzelnen Bundeslän- der verteilt? Zu Frage 29: Die Defizite des derzeitigen Hochschulzulassungs- verfahrens, insbesondere dessen lange Dauer aufgrund der Mehrfachbewerbungen, sind bekannt und nur durch ein komplett neues Verfahren zu beheben. Ein Konzept der Länder für ein solches Verfahren liegt mit dem ge- planten dialogorientierten Serviceverfahren, das die künftige Stiftung für Hochschulzulassung durchführen soll, detailliert ausgearbeitet vor und wird derzeit umge- setzt. Die Bundesregierung unterstützt dieses Vorhaben mit einer Anschubfinanzierung in Höhe von 15 Millio- nen Euro. Nach dem aktuellen Stand der Arbeiten wird es – wie geplant – zum Wintersemester 2011/2012 ein- gesetzt werden können. Zu Frage 30: Hierzu liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. Anlage 15 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/633, Frage 34): Welche Veränderungen zum bisher vorgelegten Haushalts- entwurf plant die Bundesregierung in das parlamentarische Verfahren zum Haushalt 2010 einzubringen, um wie angekün- digt ihre Zusage von 200 Millionen Euro für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose einzuhalten? Es ist nicht üblich, dass die Bundesregierung im Vor- hinein ankündigt, welche Anträge sie im parlamentari- schen Haushaltsaufstellungsverfahren einbringt, bzw. auf welche Weise im Zusammenwirken mit dem Parla- ment die Erfüllung von Zusagen sichergestellt wird. Fest steht, dass die Bundesregierung beabsichtigt, die für den GFATM gegebenen Zusagen einzuhalten und dieses auch im Bundeshaushalt zu manifestieren. Anlage 16 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Druck- sache 17/633, Frage 38): Wie begründet die Bundesregierung, dass sie zu einem einheitlichen EU-Vorgehen gegenüber Honduras in dem Sinne aufrief, sich seitens der EU-Mitgliedstaaten auf Geschäftsträ- gerebene an der Regierungsübernahme durch Porfirio Lobo Sosa in Honduras am 27. Januar 2010 zu beteiligen, obwohl dieser nur dank massiver Einschränkung der Presse- und Versammlungsfreiheit, dank Einschüchterung und mindestens 24 politischer Morde seit dem Putsch an die Macht gekom- men ist, und warum hat sie nicht versucht, Einheitlichkeit im Sinne einer Nichtteilnahme herzustellen? Für die Bundesregierung kam es in der Frage der Prä- senz bei der Amtseinführung des neuen Präsidenten Porfirio Lobo darauf an, eine einheitliche Haltung der EU-Mitgliedstaaten zu wahren. Zwischen den EU-Partnern bestand Einvernehmen, keine Delegationen aus den Hauptstädten zur Amtsein- führung zu entsenden. Hinsichtlich der von einem ande- ren EU-Mitgliedstaat vorgeschlagenen Wahrnehmung durch die amtierenden Geschäftsträger vor Ort sprach sich die Bundesregierung dafür aus, diese Option offen- zuhalten und von der weiteren Entwicklung in Honduras abhängig zu machen. Tatsächlich unternahm der gewählte Präsident Lobo in den Wochen vor Amtsantritt erhebliche Anstrengun- gen in Richtung einer nationalen Versöhnung. So for- derte er De-facto-Präsident Micheletti zum Rücktritt auf, was dieser zwar nicht befolgte, jedoch ließ Micheletti seit dem 22. Januar 2010 seine öffentlichen Ämter ruhen. Ferner traf der gewählte Präsident mit dem Präsidenten der Dominikanischen Republik, Leonel Fernández, eine Vereinbarung, die Präsident Manuel Zelaya, seiner Fa- milie sowie seinen Mitarbeitern freies Geleit, die Aus- reise in die Dominikanische Republik sowie dort den Status als „Ehrengast“ zusicherte. Schließlich verpflich- 1880 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 (A) (C) (B) (D) tete er sich in dem Abkommen nochmals zur Bildung ei- ner Regierung der nationalen Einheit und Versöhnung. In Würdigung dieser positiven Entwicklungen wurde auf Vorschlag der spanischen EU-Ratspräsidentschaft in der zuständigen Ratsarbeitsgruppe in Brüssel am 26. Ja- nuar 2010 Konsens zur EU-Teilnahme auf Botschafts- ebene (vor Ort anwesende Geschäftsträger bzw. Vertre- ter von in Nachbarstaaten von Honduras akkreditierten EU-Botschaften) erzielt. Anlage 17 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Frage 39): Wie reagiert die Bundesregierung insbesondere hinsicht- lich der laufenden Vorbereitungen härterer Sanktionen auf die Erklärung des iranischen Präsidenten, dass das iranische Uran im Ausland angereichert werden könne, und mit welchen Schritten beabsichtigt sie die iranische Regierung darin zu be- stärken, dass es der eigenen Sicherheit dient, einen sichtbaren Beitrag für eine atomwaffenfreie Welt zu leisten? Die in der Frage erwähnte Erklärung von Mahmud Ahmadinedschad vom 2. Februar 2010, die nie offiziell bestätigt wurde, ist mittlerweile überholt. Der iranische Präsident hat am 7. Februar 2010 die iranische Atomenergiebehörde angewiesen, Vorbereitun- gen für die Höheranreicherung iranischen Urans auf 20 Prozent zu treffen. Die Nachrichten aus Teheran be- stärken den Eindruck, dass Iran an seiner Verweige- rungshaltung festhält und nicht auf den Vorschlag der In- ternationalen Atomenergiebehörde, IAEO, von Ende Oktober 2009 zur Brennstoffversorgung des Teheraner Forschungsreaktors eingehen will. Der Vorschlag sah die Höheranreicherung iranischen Urans in der Russischen Föderation und die Verarbeitung zu Brennelementen für diesen Reaktor in Frankreich vor. Iran sollte endlich for- mell und verbindlich auf dieses Angebot der IAEO ant- worten. Fortschritte beim Thema Teheraner Forschungsreak- tor – die derzeit nicht absehbar sind – könnten nur einen Einstieg bieten. Substanzielle Nukleargespräche, die dazu dienen sollen, sicherzustellen, dass das iranische Nuklearprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient, und denen sich Iran weiterhin verweigert, werden dadurch nicht ersetzt. Iran bleibt, unter anderem durch Resolutionen des Si- cherheitsrats der Vereinten Nationen, unmissverständ- lich dazu aufgefordert, die bestehenden Zweifel der Staatengemeinschaft am angeblich ausschließlich fried- lichen Charakter seines Nuklearprogramms auszuräu- men. In den Gesprächen mit Iran verfolgen die E3+3 einen zweigleisigen Ansatz von Verhandlungsbemühungen und Angeboten und – da Iran bisher nicht kooperiert, sondern sein Nuklearprogramm noch ausbaut und die Anreicherung fortsetzt – auf der zweiten Schiene mit Sanktionen, um Iran an den Verhandlungstisch zu brin- gen. Das weiterhin gültige Angebotspaket der E3+3 enthält umfassende Ansätze für Zusammenarbeit unter anderem in den Bereichen Sicherheits- und Wirtschafts- politik. Davon würde Iran profitieren, wenn das Land sich bei der Frage des Nuklearprogramms zu Koopera- tion und Transparenz bereit zeigt. Die Bundesregierung fordert Iran auf, umgehend in substanzielle Gespräche über das iranische Nuklearpro- gramm auf der Basis der Genfer Vereinbarungen einzu- willigen. Das Angebot liegt auf dem Tisch, allerdings schafft Iran durch die fortgesetzte Anreicherung von Uran Zeitdruck. Sollte Iran seine Blockadehaltung fort- setzen, werden wir zügig umfangreiche weitere wirt- schaftliche Maßnahmen beschließen müssen. Anlage 18 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Frage 40): Welche konkreten Anstrengungen hat die Bundesregie- rung seit Beginn der Legislaturperiode im Dialog mit der amerikanischen Regierung und anderen NATO-Partnern un- ternommen, damit die in Deutschland verbliebenen Atomwaf- fen, wie im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP angekündigt, abgezogen werden? Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass sich die Bundesregierung im Rahmen ihrer Politik für Rüstungs- kontrolle und Abrüstung und im Zuge der Erarbeitung eines neuen strategischen Konzepts der NATO für einen Abzug der verbliebenen US-Nuklearwaffen aus Deutsch- land einsetzen wird. Vertreter der Bundesregierung haben in bilateralen Gesprächen mit den USA und anderen NATO-Partnern sowie in den dafür vorgesehenen NATO-Gremien für das Anliegen geworben und einen Prozess zu dessen Umsetzung angestoßen. So hat der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, die Angelegenheit mit seinen Kolleginnen und Kollegen auf der Sitzung der NATO- Außenminister am 4. Dezember 2009 aufgenommen. Auch im Rahmen der laufenden Arbeiten an einem neuen strategischen Konzept hat die Bundesregierung ihre Vorstellungen bei der Expertengruppe des NATO- Generalsekretärs eingebracht und wird dies auch im wei- teren Prozess fortsetzen. Die Annahme des neuen strate- gischen Konzepts ist auf dem nächsten NATO-Gipfel im Herbst 2010 in Portugal vorgesehen. Die Bundesregie- rung stimmt sich über das weitere Vorgehen kontinuier- lich ab. Anlage 19 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Fragen der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/633, Fragen 41 und 42): Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 1881 (A) (C) (B) (D) In welcher Form und welchem Umfang finden Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, Inhalte der Menschenrechte und Gen- deraspekte in der Ausbildung der afghanischen Sicherheits- kräfte durch deutsche Ausbilder Berücksichtigung? Inwieweit werden bei der Ausbildung kulturelle und soziologische Besonderheiten der afghanischen Gesellschaft berücksichtigt? Zu Frage 41: Der Schwerpunkt der Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte durch deutsche Ausbilder und Ausbil- derinnen liegt grundsätzlich im taktischen bzw. opera- tiven Bereich. Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Gender- aspekte werden unter Berücksichtigung der Besonder- heiten des Einsatzlandes durch deutsche Soldatinnen und Soldaten im Umgang mit den Soldaten der afghanischen Streitkräfte angemessen berücksichtigt. Dieses wird in Form von Unterrichten vermittelt und in der praktischen Ausbildung berücksichtigt. Das auf die Vorbildfunktion abzielende Verhalten der deutschen Soldatinnen und Soldaten hat dabei eine große Bedeutung. Die Grundsätze der Inneren Führung werden vorgelebt. Ganz bewusst setzten wir auch Soldatinnen in der Ausbildungsunterstützung der Nationalen Afghani- schen Sicherheitskräfte (ANSF) ein. Auch die Polizeiausbildung beinhaltet die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, Inhalte der Menschenrechte und Genderaspekte in allen Ausbildungsgängen. Es werden Theorieschulungen durch deutsche Polizeiausbilderin- nen und -ausbilder in den Bereichen „Umgang mit fest- genommenen Personen“, „Trennungsgebot von Männern und Frauen“ und „Menschenrechte“ durchgeführt. Während der Praxisausbildung in polizeilichen Ein- griffsmaßnahmen werden die theoretisch erlernten Be- reiche unter Anleitung intensiviert. Darüber hinaus werden Trainingsprogramme angebo- ten, in denen afghanische Polizistinnen und Polizisten im Kampf gegen häusliche Gewalt geschult werden. Dies betrifft besonders die Gewalt gegenüber afghani- schen Frauen und Mädchen. Die Schulungsprojekte wurden in Zusammenarbeit mit dem afghanischen Innenministerium und internatio- nalen Partnern entwickelt. Viele afghanische Polizistin- nen und Polizisten sind Analphabeten. Die Trainings- unterlagen sind entsprechend konzipiert. Zu Frage 42: Die kulturellen und soziologischen Besonderheiten der afghanischen Gesellschaft finden in der Ausbildung der Sicherheitskräfte besondere Berücksichtigung. Praktische Ausbildungsinhalte werden grundsätzlich nur gleichgeschlechtlich durchgeführt. Darüber hinaus wird in den Ausbildungsphasen besondere Rücksicht auf religiöse Befindlichkeiten genommen. Kulturelle und soziologische Besonderheiten der af- ghanischen Gesellschaft werden aber auch in der Ausbil- dung aller deutschen Soldatinnen und Soldaten ange- messen berücksichtigt. Der Verbesserung der interkulturellen Kompetenzen aller Soldaten wird während der Einsatzvorbereitung ein besonderer Stellenwert beigemessen. Dieses erfolgt in Form von Unterrichten und ist Bestandteil der prakti- schen Ausbildung innerhalb der einsatzvorbereitenden Ausbildung. Anlage 20 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Drucksache 17/633, Frage 43): Welche konkreten Fördermaßnahmen plant die Bundes- regierung im tertiären Bildungssektor in Afghanistan, und mit welchen gezielten Instrumenten plant sie die Arbeit des Deut- schen Akademischen Austauschdienstes im Hinblick auf Afghanistan zu unterstützen? In Fortsetzung unserer bisherigen Förderung plant der Deutsche Akademische Austauschdienst im Auftrag der Bundesregierung für 2010 eine Reihe von Maßnahmen, für die das Auswärtigen Amt derzeit eine konkrete Finanzierung prüft. Die vorgesehenen Maßnahmen konzentrieren sich auf die Schwerpunktregionen Kabul, Herat und Mazar-i- Sharif, beziehen aber auch fast alle weiteren 23 staatli- chen Hochschulen Afghanistans in übergreifenden Maß- nahmen ein (zum Beispiel im Kooperationsprogramm zur Weiterbildung aller afghanischen Wirtschaftsdozen- ten). Im Einzelnen sind unter anderem geplant: Maßnah- menpakete zum Aufbau von Fachbereichen an verschie- denen Universitäten (unter anderem in den Fachbereichen Informationstechnologie, Wirtschaftswissenschaften, Ger- manistik, Medizin, Naturwissenschaften sowie Geowis- senschaften), Einsatz von Kurz- und Langzeitdozenturen deutscher Wissenschaftler und Stipendien, Studienauf- enthalte und lokale Fortbildungsmaßnahmen. Die Zustimmung des Deutschen Bundestags voraus- gesetzt, wird das Auswärtige Amt zudem sein Engage- ment bei der Verwaltungs- und Justizausbildung erhöhen und dafür zusätzlich etwa 10 Millionen Euro bereitstel- len. Damit will das Auswärtige Amt unter anderem einen Beitrag zum Aufbau eines Netzwerks von Verwaltungs- akademien auf regionaler Ebene, vor allem in Masar-i- Sharif, leisten. Außerdem fördert das Auswärtige Amt den Bau einer Landwirtschaftsfakultät im nordafghanischen Taloqan und finanziert den Wiederaufbau des größten akademi- schen Lehrkrankenhauses Nordafghanistans in Masar-i- Sharif. 1882 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 (A) (C) (B) (D) Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Halina Wawzyniak (DIE LINKE) (Drucksache 17/633, Frage 45): Wie gedenkt die Bundesregierung im Falle des Inkrafttre- tens des Zugangserschwerungsgesetzes die im Koalitionsver- trag beabsichtigte Aussetzung des Gesetzes für ein Jahr ohne zeitliche Verzögerung sicherzustellen? Die Überlegungen hierzu sind innerhalb der Bundes- regierung noch nicht abgeschlossen. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Halina Wawzyniak (DIE LINKE) (Drucksache 17/633, Frage 46): Wie viele Versuche hat das Bundeskriminalamt im Jahr 2009 auf eigene Initiative hin unternommen, im Ausland ge- hostete Websites mit rechtsextremistischen und volksverhet- zenden Inhalten löschen zu lassen, und wie viele auf Initiative der Staatsanwaltschaften? Das Bundeskriminalamt (BKA) hat im Jahr 2009 kei- nen Versuch unternommen, im Ausland gehostete Web- sites mit rechtsextremistischen und volksverhetzenden Inhalten löschen zu lassen. Das BKA wird insbesondere auf Ersuchen der Länder im Zusammenhang mit Ermittlungs- bzw. Strafverfahren sowie in Wahrnehmung landesrechtlicher Gefahrenab- wehrbefugnissen tätig. Im vergangenen Jahr ist kein ent- sprechendes Unterstützungsersuchen an das BKA heran- getragen worden. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) (Drucksache 17/633, Fragen 47 und 48): Welche Form von Messgeräten in Bezug auf das physische Messverfahren – Frequenz, aktiv oder passiv – erwägt die Bundesregierung an Flughäfen als Nacktscanner/Bodyscanner einzusetzen? Welche Kosten werden vermutlich pro Bodyscanner anfal- len, das heißt für Anschaffung, Wartung, eventuell geschultes Personal, und bestehen bereits Verträge über Forschungsauf- träge, Produktion und Abnahme dieser Geräte mit Unterneh- men? Zu Frage 47: Bei der Bundespolizei wird derzeit ein Körperscanner getestet, der mit aktiven Millimeterwellen (24,25 GHz bis 30 GHz) arbeitet. Millimeterwellen werden vom menschlichen Körper reflektiert und können zur Anzeige von Gegenständen, die in oder unter der Kleidung getra- gen werden, genutzt werden. Ob der zurzeit im Test be- findliche Körperscanner an Flughäfen eingesetzt wird, hängt von der Weiterentwicklung der Geräte ab. Zu Frage 48: Es bestehen keine Lieferverträge für Körperscanner. Für Körperscanner, wie dem derzeit bei der Bundespoli- zei getesteten, ist von Anschaffungskosten in Höhe von circa 130 000 Euro je Gerät auszugehen. Weitere Kosten könnten erst nach öffentlicher Vergabe beziffert werden. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Frage 49): Inwieweit trifft die Ankündigung des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister des Innern Dr. Ole Schröder auf dem Europäischen Polizeikongress am 2. Fe- bruar 2010 zu, wonach 80 zusätzliche deutsche Polizeiausbil- der in den nächsten dreieinhalb Jahren 15 000 afghanische Polizisten ausbilden würden, zunehmend auch „in [der] Flä- che“, allerdings „nur in befriedeten Gebieten ..., nicht in Re- gionen, in denen Bürgerkrieg herrscht“, und wie viele dieser 15 000 afghanischen Polizisten will die Bundesregierung je- weils weiterhin in Kursen zwischen sechs Monaten bis drei Jahren an der Polizeischule Kabul beschulen bzw. in den acht- wöchigen Schnellkursen? Das Begleitpapier der Bundesregierung zur Londoner Konferenz „Auf dem Weg zur Übergabe in Verantwor- tung“ sieht vor, dass im Rahmen des deutschen Afgha- nistan-Engagements nach der Londoner Konferenz die Zahl der deutschen Polizisten im bilateralen Polizeiaus- bildungsprojekt von derzeit rund 120 bis Mitte 2010 auf 200 erhöht wird. In den im Bau bzw. Ausbau befindli- chen deutschen Trainingszentren in Afghanistan mit ei- ner beabsichtigten Gesamtkapazität von rund 1 000 Aus- bildungsplätzen können jährlich circa 5 000 afghanische Polizisten aus- und fortgebildet werden. Ein Teil der 200 deutschen Polizisten des bilateralen Ausbildungs- projekts ist dafür vorgesehen, bis Ende 2012 circa 2 500 afghanische Polizisten im Rahmen des „Focused District Development Programms“ (FDD) in bis zu 40 Distrikten im Norden von Afghanistan in circa elf Monate dauernden Programmen zu qualifizieren. Die Gefährdungslage für den Einsatz deutscher PVB in den Provinzen und Distrikten wird wie bisher fortlaufend er- hoben und bewertet. Die Anzahl der Absolventen der Polizeiakademie Ka- bul bis Ende 2012 ist abhängig von den Einstellungszah- len der afghanischen Polizei. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/633, Frage 50): Mit welchem finanziellen, personellen und sonstigen Auf- wand hat der Bund den 13. Europäischen Polizeikongress un- terstützt? Personelle Unterstützung: Vertreter des Bundes haben beim 13. Europäischen Polizeikongress Fachvorträge Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 1883 (A) (C) (B) (D) gehalten bzw. Thesendebatten und Foren moderiert. Konkret handelte es sich dabei um Vertreter des BMI, des Bundeskriminalamtes, der Bundespolizei, des Bun- desamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, des THW, der Bundesagentur für Arbeit, des Zollkriminal- amtes, der Bundesdruckerei und des Bundesamtes für Justiz (siehe ergänzend anliegendes Tagesprogramm). Finanzielle Unterstützung: Für Behördenangehörige ist die Teilnahme am Polizeikongress gebührenfrei. Für einen Messestand, an dem die Bundespolizei zusammen mit anderen Behörden beteiligt war, fielen anteilige Standkosten für die Bundespolizei in Höhe von 4 125,56 Euro an. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/633, Frage 51): Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge trotz der Bitte bezüglich syrischer Staatsangehöriger, vorerst keine Ableh- nungen von Asylanträgen als offensichtlich unbegründet aus- zusprechen und Entscheidungen über Folgeanträge vorläufig zurückzustellen, bis eine aktualisierte Lagebewertung durch das Auswärtige Amt erfolgt ist, syrische Staatsangehörige, wie zum Beispiel A. N. A. T., trotz Asylfolgeantrags noch vor erfolgter Aktualisierung der Lagebewertung in Syrien durch das Auswärtige Amt abzuschieben plant? Die Abschiebung ausländischer Staatsangehöriger ob- liegt nicht dem BAMF, sondern ist nach § 71 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) Aufgabe der Aus- länderbehörden der Länder. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Länder diese in ihrer Zuständigkeit liegende Aufgabe verantwor- tungsvoll handhaben. Zudem hat das Bundesministerium des Innern in Bezug auf Syrien die Länder für die Thema- tik der Rückführung abgelehnter Asylbewerber nochmals sensibilisiert und ergänzend zu der ohnehin bestehenden gesetzlichen Verpflichtung gebeten, Abschiebungen nach Syrien mit besonderer Sorgfalt zu prüfen. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Frage 52): Welchen Beitrag wird das Bundesministerium der Justiz für eine „ehrliche und schonungslose Analyse der Finanzkrise in Deutschland“ leisten (vgl. Der Spiegel, 1. Februar 2010, S. 71)? Die Finanzkrise aufzuarbeiten, daraus Schlussfolge- rungen zu ziehen und diese umzusetzen ist eine Auf- gabe, der sich die Bundesregierung insgesamt stellt. Das Bundesministerium der Justiz hat für seinen Zuständig- keitsbereich, insbesondere im Gesellschafts-, Bilanz- und Insolvenzrecht, die Ursachen und Folgen der Finanzkrise analysiert und insbesondere mit dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung – VorstAG und dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG bereits gesetzgeberische Konsequenzen gezogen. Wei- tere Arbeiten sind zurzeit im Gange. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Frage 53): Hat die Bundesregierung den vom HRE-Vorstand – HRE: Hypo Real Estate – vorgeschlagenen Weg der mit einer um- fangreichen Auslagerung von Geschäftsteilen verbundenen Sanierung und anschließenden Privatisierung der HRE in Bezug auf die fiskalischen und marktlichen Wirkungen mit ei- ner vollständigen Abwicklung der HRE verglichen bzw. ihre Überlegungen einem entsprechenden Vergleich anderer insbe- sondere unabhängiger Institutionen zugrunde gelegt? Der Lenkungsausschuss des SoFFin hat die Frage, ob die HRE fortgeführt oder abgewickelt werden soll, vor seiner Entscheidung sorgfältig und auf Grundlage unab- hängiger Gutachten geprüft. Im Einzelnen: Die von der HRE beauftragten Wirt- schaftsprüfer haben verschiedene Geschäftsmodelle detailliert geprüft, darunter auch die vollständige Ab- wicklung des Institutes. Im Ergebnis war das Geschäfts- modell der Fortführung der HRE und der Auslagerung von Geschäftsbereichen in eine Abwicklungsanstalt aus wirtschaftlicher Sicht gegenüber der Abwicklung vorzu- ziehen. Ein weiteres von der HRE in Auftrag gegebenes Gutachten einer anderen Wirtschaftprüfungsgesellschaft hat dies ausdrücklich bestätigt. Darüber hinaus hat die Bundesregierung ihrerseits un- abhängige Experten beauftragt, die Prüfung und Bewer- tung der Geschäftsmodelle in einem ausführlichen Gut- achten zu untersuchen. Dieses Gutachten bestätigte, dass das Geschäftsmodell der Fortführung aus fiskalischer Sicht vorzuziehen sei und dass die Abwicklung von nicht strategischen Geschäftsbereichen über eine nach dem Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabili- sierung – „Bad Bank-Gesetz“ – zu schaffende Abwick- lungsanstalt vorteilhafter sei als eine interne Abwick- lung. Sämtliche drei genannten Gutachten werden dem Gremium nach § 10 a des Finanzmarktstabilisierungs- fondsgesetzes vorgelegt. (Wird in der 6. Kalenderwoche erfolgen.) Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Fra- gen der Abgeordneten Dr. Barbara Hendricks (SPD) (Drucksache 17/633, Fragen 54 und 55): Wie beurteilt die Bundesregierung die Entscheidung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin, soge- nannte Leerverkäufe wieder zuzulassen? Wie verhalten sich in dieser Hinsicht die übrigen 19 G-20- Staaten? 1884 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 (A) (C) (B) (D) Zu Frage 54: Die BaFin hatte am 19. und 21. September 2008 durch zwei Allgemeinverfügungen (ungedeckte) Leer- verkäufe untersagt. Das Verbot war zunächst bis zum 31. Dezember 2008 befristet und war drei Mal verlängert worden, zuletzt im Mai 2009 bis zum 31. Januar 2010. Das Verbot wurde vor dem Hintergrund der Verbesse- rung der Lage an den Finanzmärkten in den letzten Mo- naten nicht erneut verlängert und ist am 31. Januar 2010 ausgelaufen. Aus Sicht der Bundesregierung ist die Ent- scheidung der BaFin sachgerecht. Die BaFin prüft lau- fend die Entwicklung an den Finanzmärkten und wird bei einer erneuten Verschärfung neue Leerverkaufsregu- lierungen erlassen. Zu Frage 55: Soweit Informationen vorliegen, ergibt sich ein un- einheitliches Bild über das Verhalten der übrigen G-20- Staaten außer Deutschland. (Anmerkung: Die G 20 be- stehen aus 19 Staaten und nicht – wie in der Frage unter- stellt – aus 20; 20. Mitglied ist die Europäische Union vertreten durch Rat und EZB.) Folgende Länder haben nach Recherchen der BaFin Leerverkaufsverbote zwischenzeitlich wieder aufgeho- ben bzw. keine Verbote erlassen: Großbritannien, Brasi- lien, Italien, Kanada, USA. In folgenden Ländern bestehen derzeit weiterhin Leerverkaufsverbote: Australien, Frankreich, Japan, Südkorea. Zur Situation in den übrigen G-20-Ländern (Argenti- nien, China, Indien, Indonesien, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Türkei) konnten noch keine Informationen beschafft werden. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Frage 56): Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung den kommunalen Spitzenverbänden vorzuschlagen, um die Städte und Gemeinden in der Finanzkrise zu entlasten? Trotz der Zuständigkeit der Länder für eine angemes- sene Finanzausstattung der Kommunen bekennt sich der Bund zu seiner Mitverantwortung für eine funktionie- rende kommunale Selbstverwaltung. Die aktuellen Mel- dungen zeigen, dass nicht nur Bund und Länder, sondern auch die Kommunen als Folge der Finanz- und Wirt- schaftskrise eine schlechtere Finanzsituation zu verzeich- nen haben. Aus diesem Grund wird dem Kabinett bei sei- ner Sitzung am 24. Februar 2010 ein Beschlussvorschlag vorliegen, sehr kurzfristig eine unter dem Vorsitz des Bun- desministers der Finanzen tagende Regierungskommis- sion zur Gemeindefinanzierung einzuberufen, der auch Vertreter der Länder und der kommunalen Spitzenver- bände angehören werden. Diese Kommission soll die kommunalen Einnahmen und Ausgaben analysieren und Alternativen aufzeigen. Trotz dieses breiten Aufgaben- spektrums soll die Kommission möglichst zügig einen Bericht vorlegen. Den Kommunen wäre nicht geholfen, wenn den Ergebnissen der Kommission durch übereilte Sofortmaßnahmen vorgegriffen werden würde. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Frage 57): Welche Auswirkungen haben die geplante Ausweitung der Ausnahmen bei den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen für Finanzdienstleister und die geplante Änderung bei Funk- tionsverlagerungen im Außensteuergesetz auf die Steuerein- nahmen der Kommunen? Die geplante Änderung bei den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen von Finanzdienstleistungsunternehmen führt zu keinen finanziellen Auswirkungen. Die Rege- lung führt insbesondere dazu, dass Umstrukturierungen in Unternehmen, die auch Leistungen im Sinne der be- reits bestehenden Vorschrift ausführen, unterbleiben können. Diese Umstrukturierungen wären sonst bis Ende 2010 vorzunehmen gewesen. Bislang konnte die Regelung in den Fällen, in denen neben Finanzdienstleistungen auch andere Tätigkeiten ausgeführt wurden, nur durch Auslagerung der Finanz- dienstleistungen in ein neues Unternehmen (zum Bei- spiel Tochtergesellschaft) erreicht werden. Dies ist jetzt nicht mehr zwingend erforderlich. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass solche Auslagerungen in den Fällen, die bisher in größerem Umfang Finanzdienstleis- tungen ausgeführt haben, durchgeführt worden wären und sich somit keine zusätzlichen Steuermindereinnah- men ergeben. Die geplante Änderung bei Funktionsverlagerungen im Außensteuergesetz stellt im Kern eine Vereinfachung für die Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltung dar. Steuerausfälle sind nicht zu erwarten. Das erleichterte Verfahren auf der Grundlage von Einzelverrechnungspreisen ist an die Voraussetzung ge- knüpft, dass der Steuerpflichtige alle von der Funktions- verlagerung betroffenen, wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter – auch soweit sie noch nicht bilanziert worden sind – genau bezeichnet. Ansonsten bleibt es beim bisherigen Verfahren (Bewertung auf der Grund- lage des Transferpakets). Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Frage der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Drucksache 17/633, Frage 58): Wie viele Stellen wurden seit der letzten Bundestagswahl in den jeweiligen Bundesministerien neu geschaffen? Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 1885 (A) (C) (B) (D) Seit der letzten Bundestagswahl im September 2009 wurden in den Ministerien (jeweils Kapitel 01) im Ver- gleich zum ersten RegE 2010 insgesamt 51 Planstellen und Stellen neu im zweiten Regierungsentwurf des Bun- deshaushalts 2010 ausgebracht. Diese Zahl verteilt sich wie folgt auf die einzelnen Ministerien: Für alle nicht genannten Ministerien wurden keine neuen Planstellen und Stellen ausgebracht. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Steffen Kampeter auf die Fra- gen der Abgeordneten Sonja Steffen (SPD) (Drucksache 17/633, Fragen 59 und 60): Wie sehen die ersten Ergebnisse der vom Bundesministe- rium der Finanzen eingerichteten Arbeitsgruppe zur Rück- übertragung der zwischen 1945 und 1949 in Ostdeutschland enteigneten Grundstücke aus? Wann ist mit einer Umsetzung der Ergebnisse zu rechnen? Zu Frage 59: Die Arbeitsgruppe mit dem Arbeitstitel „SBZ-Enteig- nungen“ hat sich am 27. Januar 2010 konstituiert. Sie wird entsprechend dem im Koalitionsvertrag artikulier- ten Ziel prüfen, ob es noch Möglichkeiten gibt, Grund- stücke, die in der Zeit von 1945 bis 1949 unter sowje- tischer Besatzung enteignet wurden und sich noch in öffentlichem Eigentum befinden, den Betroffenen zum bevorzugten Erwerb anzubieten. Dies umfasst alle zwischen 1945 und 1949 unter so- wjetischer Besatzungshoheit enteigneten Flächen, land- und forstwirtschaftliche sowie Industrie- und Gewerbe- flächen. Diese Flächen sind nach geltendem Recht nicht in natura zurückzugeben. Die Alteigentümer erhalten für das enteignete Vermögen eine Ausgleichsleistung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz. Auswärtiges Amt 9 (4 in Kap. 0501, 5 in Kap. 0503 – Vertretungen des Bundes im Aus- land) Bundesministerium für Arbeit und Soziales 3 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 2 Bundesministerium für Gesund- heit 1 Bundesministerium für Umwelt 7 Bundesministerium für Wirt- schaftliche Zusammenarbeit 4 Bundesministerium für Bildung und Forschung 25 Die betroffenen Flächen können sich im Eigentum unterschiedlicher Stellen der öffentlichen Hand befinden (Bund, Länder, Kommunen, andere öffentliche Einrich- tungen). Im Bundesbereich ist in erster Linie die BVVG Bo- denverwertungs- und -verwaltungs GmbH betroffen. In- frage kommen zum Beispiel auch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die TLG Immobilien GmbH, die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsge- sellschaft mbH, möglicherweise auch das Eisenbahnver- mögen und das Bundesministerium der Verteidigung. Die BMF-interne Arbeitsgruppe hat sich aus Effi- zienzgründen darauf verständigt, ihre Überlegungen zu- nächst auf die Ermittlung des infrage kommenden Grundstücksbestandes zu konzentrieren. Im weiteren Verlauf ist beabsichtigt, die Arbeitsgruppe auf die übri- gen betroffenen Bundesressorts auszudehnen und die be- troffenen Länder hinzuzuziehen. Zu Frage 60: Die Identifizierung der in Betracht kommenden Grundstücke wird schwierig und aufwendig sein, weil sie nicht nach ihrer Herkunft aus Enteignungen regis- triert sind. Die Nennung eines genauen Zeitrahmens ist im ge- genwärtigen Stadium nicht möglich. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Hintze auf die Fragen des Abgeordneten Günter Gloser (SPD) (Drucksache 17/633, Fragen 61 und 62): Wie beurteilt die Bundesregierung den Stand der Umset- zung der EU-Dienstleistungsrichtlinie durch die 16 Bundes- länder, die bis zum 31. Dezember 2009 abgeschlossen sein sollte, und inwieweit sind insbesondere in allen Ländern die sogenannten One-Stop-Ansprechstellen für ausländische In- vestoren tatsächlich eingerichtet und arbeitsfähig? Wie sieht die Bundesregierung in den jeweiligen Regelun- gen der Länder und des Bundes die Verpflichtung zur Ge- währleistung eines hohen Maßes an sozialem Schutz gewähr- leistet, die in Erwägungsgrund 1 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt gefordert wird? Zu Frage 61: Alle Bundesländer haben sehr intensiv die Umset- zung der Dienstleistungsrichtlinie betrieben und insbe- sondere zahlreiche Gesetzesanpassungen vorgenommen. Nach Aussagen von Länderseite haben in allen 16 Län- dern die Einheitlichen Ansprechpartner ihre Arbeit auf- genommen. Die Bundesregierung hat durch eine sehr aufwendige Gesamtkoordinierung gemeinsam mit der Wirtschafts- ministerkonferenz auf Länderseite dafür gesorgt, dass ein intensiver Informations- und Meinungsaustausch stattgefunden hat. Dies betraf insbesondere zahlreiche schwierige rechtliche und organisatorische Fragen, unter 1886 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 (A) (C) (B) (D) anderem im Zusammenhang mit der Errichtung der Ein- heitlichen Ansprechpartner. Zu Frage 62: Darüber hinaus hat die Bundesregierung ein nationa- les Internetportal eingerichtet, damit die Einheitlichen Ansprechpartner in den Ländern gut auffindbar sind. Dieses Portal steht in deutscher und englischer Sprache zur Verfügung. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass sensible Be- reiche vom Anwendungsbereich der Dienstleistungs- richtlinie ausgenommen sind. Dies betrifft insbesondere das Arbeitsrecht einschließlich des Entsenderechts, das Recht der sozialen Sicherheit sowie nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse. Zudem hat die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern sichergestellt, dass der Inhalt der Richtlinie und die Ausnahmebereiche im elektronischen Normen- prüfraster abgebildet wurden. Dieses wurde von allen Prüfebenen (Bund, Länder, Kommunen, Kammern) bei der Überprüfung des dienstleistungsbezogenen Rechts auf seine Richtlinienkonformität, der sogenannten Nor- menprüfung, genutzt. Für den Bereich des Bundes achtet die Bundesregie- rung im Übrigen bei allen Gesetzgebungsvorhaben auf die Gewährleistung eines hohen Maßes an sozialem Schutz. Sie hat dies auch bei der Anpassung von Rege- lungen an die Dienstleistungsrichtlinie getan. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/633, Frage 63): Inwieweit begrüßt die Bundesregierung ebenso wie der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Hubert Hüppe, das Gutachten von Professor Dr. Eibe Riedel zur Wirkung der internationalen Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung und ihres Fa- kultativprotokolls auf das deutsche Schulsystem (siehe Pres- semitteilung des Beauftragten vom 28. Januar 2010), nach dem behinderte Kinder und Jugendliche bereits jetzt ein Recht auf die Aufnahme in die allgemeine Schule haben, ohne dass dem entgegengehalten werden könnte, es stünden nicht genü- gend finanzielle, organisatorische oder logistische Mittel zur Verfügung, und welche Konsequenzen hat dieses Gutachten für Bund und Länder in der Bildungspolitik? Die Bundesregierung begrüßt das Gutachten von Pro- fessor Dr. Riedel als weiteres Element der Debatte um die Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Na- tionen über die Rechte von Menschen mit Behinderun- gen. Für die Umsetzung der in Art. 24 des Übereinkom- mens vorgesehenen inklusiven Bildungsmöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen und damit auch die Beurteilung der praktischen Konsequen- zen des Gutachtens in der Bildungspolitik sind jedoch al- lein die Länder zuständig. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fra- gen der Abgeordneten Angelika Krüger-Leißner (SPD) (Drucksache 17/633, Fragen 64 und 65): Plant die Bundesregierung, die Bezieher von Arbeitslosen- geld II, ALG II, zu verpflichten, die Zusatzbeiträge der Kran- kenkassen selbst zu zahlen, und, wenn ja, sieht sie damit das Existenzminimum der ALG-II-Bezieher unterschritten? Unter welchen Bedingungen könnten die Zusatzbeiträge durch den Bund übernommen werden, und plant die Bundes- regierung, die Bezieher von ALG II – für den Fall, dass der Bund die Kosten übernimmt – zu verpflichten, die Kranken- kasse zu wechseln? Zu Frage 64: Bislang haben erst einige Krankenkassen die Erhe- bung eines Zusatzbeitrages beschlossen oder angekün- digt. Zahlreiche Krankenkassen haben bereits angedeu- tet, ihre Leistungen weiterhin ohne einen Zusatzbeitrag anzubieten. Sofern der ALG-II-Bezieher Mitglied einer Krankenkasse ist, die erstmals einen Zusatzbeitrag er- hebt, hat er diesen – wie alle anderen Mitglieder auch – grundsätzlich selbst zu tragen. § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V räumt den Mitgliedern aber bei erstmaliger Erhebung oder Erhöhung des Zusatzbeitrages ein Sonderkündi- gungsrecht ein, sodass es den ALG-II-Beziehern mög- lich ist, die Belastung durch den Zusatzbeitrag mit einem Wechsel der Krankenkasse zu vermeiden. Insoweit er- gibt sich keine Änderung für das verfügbare Einkommen der ALG-II-Bezieher. Allerdings ist ein Kassenwechsel nach geltendem Recht nicht notwendig, wenn es für den Hilfebedürftigen eine besondere Härte bedeuten würde (siehe Antwort zu Frage 65). Zu Frage 65: Der Grundsicherungsträger kann die Aufwendungen für den Zusatzbeitrag übernehmen, wenn der Kranken- kassenwechsel für den ALG-II-Bezieher eine besondere Härte bedeuten würde (§ 26 Abs. 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, SGB II). In diesem Fall besteht keine Verpflichtung zum Wechsel der Krankenkasse. Die Bundesregierung prüft zurzeit, in welchen medizinisch, wirtschaftlich oder so- zial begründeten Fällen typischerweise davon auszuge- hen ist, dass eine besondere Härte vorliegt. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Anette Kramme (SPD) (Drucksache 17/633, Frage 66): Warum verzichtet die Bundesregierung darauf, ähnlich wie im Vorjahr eine Überbrückungsregelung in die Arbeitslo- sengeld II/Sozialgeld-Verordnung zur Nichtanrechnung der aktuellen Kindergelderhöhung auf das Arbeitslosengeld II aufzunehmen, um Überzahlungen beim Arbeitslosengeld II und damit aufwendige Rückforderungen von den Arbeitsu- chenden zu vermeiden, und beabsichtigt die Bundesregierung, bei ihrer Haltung zu bleiben, dass sie eine Überbrückungs- regelung ablehnt? Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 1887 (A) (C) (B) (D) Eine Übergangsregelung führt zu erheblicher Un- gleichbehandlung und ist damit unter sozialen Erwägun- gen nicht zu rechtfertigen: Die Bewilligungszeiträume umfassen regelmäßig sechs Monate. Bei einer Über- gangsregelung wäre es von dem Zufall des Beginns des Bewilligungszeitraums abhängig gewesen, ob im Höchst- fall 100 Euro pro Kind (entsprechend einem Zeitraum von fünf Monaten in 2009) angerechnet worden wären oder nicht. Aufgrund des gegebenenfalls langen Über- gangszeitraums wäre es teilweise zu erheblichen Über- zahlungen gekommen. Der Verzicht auf eine Übergangsregelung ist auch kei- nesfalls unwirtschaftlich. Bei einer Übergangsregelung wären (saldierte) Mehrkosten in Höhe von etwa 50 bis 55 Millionen Euro entstanden. Zum jetzigen Zeitpunkt eine rückwirkende Übergangsregelung zu verabschieden, würde neben dem bereits angefallenen Verwaltungsauf- wand weiteren, nicht verantwortbaren Aufwand produzie- ren. Denn aus Gründen der Gleichbehandlung müssten die von den Grundsicherungsstellen bereits vorgenommenen Änderungen dann wieder rückgängig gemacht werden. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Anette Kramme (SPD) (Drucksache 17/633, Frage 67): Wann rechnet die Bundesregierung mit einem Ergebnis der Kommission für den Mindestlohn im Pflegebereich, und sind nach ihrer Ansicht die Voraussetzungen für eine Ermäch- tigung der Mindestlohnverordnung durch das zuständige Bun- desministerium für Arbeit und Soziales auch dann erfüllt, wenn kein einstimmiges Pflegekommissionsergebnis vorlie- gen sollte? Bei der Ersten Kommission zur Erarbeitung von Ar- beitsbedingungen in der Alten- und ambulanten Kran- kenpflege (Pflegekommission) handelt es sich um ein unabhängiges Gremium, das in eigener Verantwortung über Zeitplan und Inhalt seiner Beratungen entscheidet. Die Bundesregierung kann daher keine Auskunft da- rüber geben, wann die Pflegekommission ihre Beratun- gen abschließen wird. Die Bundesregierung wird zum gegebenen Zeitpunkt auf der Grundlage einer Empfehlung der Pflegekommis- sion unter Beachtung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Ziele und der im Koalitionsvertrag und der darauf aufbau- enden von den Regierungsfraktionen gemeinsam verabre- deten Grundsätze des politischen Handelns über den Er- lass einer Mindestlohnverordnung in der Pflegebranche entscheiden. Die Bundesregierung wird dabei im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigen, ob das Vo- tum der Pflegekommission einstimmig getroffen wurde. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Katja Mast (SPD) (Druck- sache 17/633, Frage 68): Welche politischen Konsequenzen zieht die Bundesregie- rung aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. Februar 2010 zu den Regelleistungen bei der Grundsiche- rung für Arbeitsuchende, insbesondere für Kinder? Urteile des Bundesverfassungsgerichts sind stets voll- ständig und in allen Belangen umzusetzen. Die Bundes- regierung wird deshalb die Entscheidungen genau analy- sieren und die erforderlichen Schritte dann einleiten. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fra- gen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/633, Fragen 69 und 70): Erwägt die Bundesregierung, die geplanten Zuschüsse für die Bundesagentur für Arbeit bzw. Arbeitslosenversicherung von 16 Milliarden Euro zu kürzen, und wie viel Geld musste die Bundesagentur für Arbeit seit Einführung der Hartz-Re- formen durch den Aussteuerungsbetrag bzw. Eingliederungs- beitrag bisher – bitte für die einzelnen Jahre aufführen – ab- führen? Ist im Rahmen möglicher Planungen, die Zuschüsse für die Bundesagentur für Arbeit zu reduzieren, vorgesehen, im Gegenzug Qualifizierungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit zu kürzen, und wird die Bundesregierung vor der Som- merpause 2010 einen Vorschlag zu der in ihrem Koalitions- vertrag in Aussicht gestellten Straffung der arbeitsmarktpoliti- schen Instrumente vorlegen? Zu Frage 69: Im Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2010 sind 16 Milliarden Euro als Zuschuss an die Bundes- agentur für Arbeit veranschlagt. Die Höhe des ausge- brachten Zuschusses basiert auf dem im vergangenen Dezember von der Bundesregierung genehmigten Haus- halt der Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2010. Dieser Haushalt wurde auf den zum damaligen Zeit- punkt geltenden Wirtschaftsannahmen sowie der Ein- schätzung des voraussichtlichen Ergebnisses für das Jahr 2009 aufgestellt. Zurzeit befindet sich der Entwurf zum Bundeshaushalt 2010 in den parlamentarischen Beratun- gen, deren Ergebnis abzuwarten bleibt. Für den Aussteuerungsbetrag sind von der Bundes- agentur für Arbeit in den Jahren 2005 bis 2007 folgende Beträge gezahlt worden: 2005: rund 4,6 Milliarden Euro, 2006: rund 3,3 Milliarden Euro und 2007: rund 1,9 Mil- liarden Euro. Ab dem Jahr 2008 hat die Bundesagentur für Arbeit in folgender Höhe den Eingliederungsbeitrag abgeführt: 2008: 5 Milliarden Euro und 2009: rund 4,9 Milliarden Euro. Umgekehrt hat sich der Bund seit dem Jahr 2007 nach § 363 Abs. 1 SGB III mit folgenden Beträgen an der Finanzierung der Ausgaben der Bundesagentur für Ar- beit beteiligt: 2007: 6,5 Milliarden Euro, 2008: 7,6 Mil- liarden Euro und 2009: 7,8 Milliarden Euro. Zu Frage 70: Die Bundesagentur für Arbeit hat in ihrem Haushalts- plan die nach ihrer Einschätzung für die aktive Arbeits- 1888 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 (A) (C) (B) (D) marktpolitik benötigten Mittel eingestellt. Die Bundes- regierung hat den Haushalt der Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2010 am 16. Dezember 2009 genehmigt. Dieser ist haushaltsrechtliche Grundlage für die von der Bundesagentur für Arbeit zu erbringenden Leistungen der Arbeitsförderung einschließlich der Förderung der Qualifizierung. Die Bundesregierung wird bis zur Sommerpause kei- nen Gesetzentwurf zur nochmaligen Überprüfung der ar- beitsmarktpolitischen Instrumente vorlegen. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fragen der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Fragen 71 und 72): Aus welchen Gründen plant die Bundesregierung trotz der im Schreiben von der Bundesministerin für Arbeit und Sozia- les, Dr. Ursula von der Leyen, dem Bundesminister des In- nern, Dr. Thomas de Maizière, und dem Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, an die Fraktionen der CDU/CSU und FDP vom 29. Oktober 2009 geäußerten erheb- lichen verfassungspolitischen Bedenken lediglich die einfach- gesetzliche Entfristung der bestehenden zugelassenen kom- munalen Träger im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, SGB II, und nimmt damit sehenden Auges das Risiko neuerlicher Kla- gen in Kauf? Mit welchen konkreten Vorschlägen und in welchem Zeit- raum will die Bundesregierung der Forderung der Unions-Mi- nisterpräsidenten Roland Koch, Horst Seehofer und anderer nach einer Verfassungsänderung zur Absicherung der gemein- samen Arbeit von Bundesagentur für Arbeit und Kommunen in den Arbeitsgemeinschaften des SGB II – Jobcenter – und für die Ausweitung der Möglichkeit, als kommunaler Träger zugelassen zu werden, entsprechen, um zeitnah eine Lösung im Sinne der Arbeitsuchenden mit ausreichenden Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat sicherzustellen? Zu Frage 71: Die Frage geht von unzutreffenden Voraussetzungen aus (siehe Antwort zu Frage 72). Zu Frage 72: Ein Partner der Regierungskoalition hat seine Posi- tion in dieser Frage inzwischen weiterentwickelt. Vor diesem Hintergrund prüft die Bundesregierung derzeit, ob ein Vorschlag für eine Verfassungsänderung vorge- legt werden soll. Die Prüfung dauert noch an. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Josip Juratovic (DIE LINKE) (Drucksache 17/633, Frage 73): Wie garantiert die Bundesregierung die Überwachung be- stehender Mindestlöhne für Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber ihren Firmensitz außerhalb Deutschlands haben und die folg- lich ihre Ansprüche nicht vor deutschen Gerichten geltend ma- chen und hier vollstrecken lassen können, und welche Möglich- keiten sieht die Bundesregierung, um eventuell bestehende Defizite zu beseitigen? Nach § 15 Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) ha- ben grenzüberschreitend entsandte Arbeitnehmer die Möglichkeit, ihre auf das AEntG gestützten Ansprüche auch vor einem deutschen Gericht für Arbeitssachen ein- zuklagen. Dies ist eine zusätzliche Klagemöglichkeit, die neben die bereits nach Heimatrecht bestehenden Mög- lichkeiten gerichtlichen Rechtsschutzes tritt. Im Übrigen wird die Einhaltung der auf das AEntG ge- stützten branchenspezifischen Mindestlöhne auch staatli- cherseits durch die Zollbehörden kontrolliert – §§ 16 ff. AEntG. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Josip Juratovic (SPD) (Druck- sache 17/633, Frage 74): In welchem Umfang wurden die Kontingente für Werkver- träge zwischen polnischen Arbeitgebern und in Deutschland ansässigen Unternehmen für den Zugang polnischer Arbeit- nehmer zum deutschen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der einzelnen Sektoren jährlich seit 1990 abgerufen und wel- che Entwicklung erwartet die Bundesregierung diesbezüglich für das aktuelle Jahr? Polen verfügte von 1990 bis 1992 über ein durch- schnittliches Jahreskontingent in Höhe von 34 806 Werk- vertragsarbeitnehmern. Tatsächlich beschäftigt waren in diesem Zeitraum 36 236 Arbeitnehmer, das entspricht einem Ausschöpfungsgrad von 104 Prozent. Auch in den Folgejahren wurde das zur Verfügung stehende Kontin- gent mehrfach überschritten mit der Folge, dass die Kon- tingenthöhe im darauffolgenden Jahr entsprechend redu- ziert werden musste. Ab dem Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 konnten Dienstleistungserbringungen in Wirtschaftbereichen, die nicht unter die Übergangsrege- lungen zur Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit fielen, frei erbracht werden. Somit gab es die Regelun- gen der Werkvertragsarbeitnehmer-Vereinbarungen ab 1. Mai 2004 nur noch in den Bereichen Baugewerbe und verwandte Bereiche, der Gebäudereinigung und der In- nendekoration. Die Höhe des ab diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Kontingents wurde entsprechend reduziert. Insbesondere seit dem Beitritt Polens zur Europäi- schen Union ist der Ausschöpfungsgrad der Werkver- tragsarbeitnehmerkontingente rückläufig. Während im Jahr 2004 der Ausschöpfungsgrad noch 82 Prozent be- trug, betrug er im Jahr 2009 nur noch 39 Prozent. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 1889 (A) (C) (B) (D) Im Einzelnen stellt sich die Entwicklung wie folgt dar: Mit der Herstellung der uneingeschränkten Dienstleistungserbringung durch entsandte Arbeitnehmer zum 1. Mai 2011 sind die Regelungen der Werkvertragsarbeitnehmer-Vereinbarungen obsolet. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Inanspruchnahme bis dahin umso geringer wird, je näher der Zeitpunkt des Auslaufens rückt. Zahlen über die im Jahresdurchschnitt beschäftigten polnischen Werkvertragsarbeitnehmer untergliedert nach Branchen liegen erst ab dem Jahr 1997 vor. Sie lauten wie folgt: Jahr Kontingent Anzahl Arbeitnehmer Ausschöpfungsgrad bis 1992 34.806 36.236 104 % 1993 27.731 31.190 112 % 1994 20.238 11.688 58 % 1995 22.560 22.336 99 % 1996 22.900 25.996 114 % 1997 19.611 22.322 114 % 1998 14.817 16.996 115 % 1999 19.724 17.792 90 % 2000 21.550 18.240 85 % 2001 22.710 20.892 92 % 2002 22.950 21.905 95 % 2003 22.290 20.497 92 % 2004 17.995 18.546 103 % 2005 13.185 10.824 82 % 2006 12.370 9.202 74 % 2007 12.740 7.525 59 % 2008 13.980 5.869 42 % 2009 14.670 5.761 39 % 2010 14.670 Jahr Land-, Forstwirt- schaft, Energie, Bergbau, Chemie, Kunst- stoffe Eisen-, Stahl- erzeug. Ver- arbeiten- des Gewerbe Bau Bau- ver- wandte Bereiche Isolierer Restaura-teure Fleischer- handwerk Ins- gesamt 1997 1.845 3.886 3.082 8.681 1.840 1.327 524 21.184 1998 1.683 3.845 2.165 6.566 1.321 897 466 16.942 1999 1.722 4.275 1.996 6.857 1.690 1.323 380 18.243 2000 1.566 5.027 1.882 6.167 2.192 1.397 306 18.537 2001 1.445 6.295 2.336 7.029 2.861 1.847 242 22.055 2002 1.217 5.736 2.501 6.596 2.493 2.057 221 371 21.193 2003 1.526 5.855 1.558 5.583 2.032 2.076 231 1.867 20.727 2004 1.397 3.811 772 5.581 1.836 2.091 277 781 16.546 2005 881 394 61 4.867 2.227 1.452 167 10.049 2006 548 17 0 4.865 2.113 1.348 135 9.026 2007 441 0 0 3.272 2.044 1.217 110 7.084 2008 355 3 0 2.673 1.733 940 65 5.769 2009 353 0 0 2.580 1.733 967 45 5.678 2010 am 26.01. 224 0 0 1.523 1.649 688 22 4.106 1890 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 (A) (C) (B) (D) Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Frage 75): Wie will die Bundesregierung mit ihrer auf Intensivierung und Exportorientierung ausgerichteten Agrarpolitik, die sie einem jetzt veröffentlichten Papier aus dem Bundesministe- rium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zufolge auch über 2013 hinaus in der europäischen Gemeinsa- men Agrarpolitik verankern will, gewährleisten, dass die eu- ropäische Landwirtschaft ihren Beitrag zur Reduktion von CO2 und somit für die Erreichung der Klimaziele – Kopenha- gen – und den Erhalt der Biodiversität leistet? Die Agrarpolitik der Bundesregierung ist nicht auf In- tensivierung und ausschließliche Exportorientierung der landwirtschaftlichen Produktion ausgerichtet. Dies wird auch in dem Papier des Bundesministeriums für Ernäh- rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) für die Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpoli- tik nach 2013 nicht gefordert. Die Treibhausgasemissionen der deutschen Landwirt- schaft sind unter anderem aufgrund des technischen und züchterischen Fortschritts seit 1990 erheblich gesunken. Die Politik der Bundesregierung zielt darauf ab, dass diese Emissionen weiter zurückgehen und die Biodiver- sität einschließlich der Agrobiodiversität besser ge- schützt wird. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Frage 76): Inwieweit trifft es zu (vergleiche Spiegel Online vom 4. Ja- nuar 2010), dass die Spezialeinheiten der US-Armee bzw. -Ge- heimdienste in Afghanistan unter ISAF-Kommando agieren oder aber im Rahmen der Operation Enduring Freedom – wie bei der Geheimoperation ab 2. November 2009 in der eigent- lich deutsch befehligten Region Kunduz; vergleiche Spiegel Online vom 8. November 2009 –, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung – bitte genau auflisten nach Datum, Herkunft der Einheiten, Unterstellungsverhältnis und Folgen des Einsatzes – über die bisher in den deutschen Zuständig- keitsbereichen in Afghanistan von solchen Spezialeinheiten durchgeführten Aktionen? US-amerikanische Spezialkräfte werden unter natio- naler US-amerikanischer Führung eingesetzt und unter- stützen sowohl OEF als auch ISAF im Vorgehen gegen Terrorverdächtige und Angehörige der Führungsriege der Taliban. In seinem Verantwortungsbereich wird COM RC (N) über die jeweiligen Operationen US-ame- rikanischer Spezialkräfte informiert. Über der Bundesregierung bekannte Informationen zum Einsatz von Spezialkräften anderer Nationen im Verantwortungsbereich des Regionalkommandos Nord (RC North) werden die Vorsitzenden, die stellvertreten- den Vorsitzenden und die Obleute des Verteidigungsaus- schusses und des Auswärtigen Ausschusses regelmäßig auf vertraulicher Basis unterrichtet. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Andrej Konstantin Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/633, Frage 77): Wie viele Luftangriffe wurden im Rahmen des Bundes- wehreinsatzes in Afghanistan durch die Bundeswehr angefor- dert (www.zeit.de), und durch welche Führungsebene der Bundeswehr wurde die Entscheidung zu den Angriffsbefehlen jeweils getroffen? Zunächst möchte ich festhalten, dass durch die Bun- deswehr Luftnahunterstützung angefordert wird und keine Luftangriffe. Wie die Luftnahunterstützung eingesetzt wird, also mit oder ohne Waffeneinsatz, ist immer abhängig von der Lage und den Gegebenheiten vor Ort. Luftnahunterstüt- zung wird überwiegend als Überflug des Luftfahrzeuges ohne Waffeneinsatz, sogenannter Show of Force, zur Ab- schreckung eingesetzt. Die Antwort für den gesamten Afghanistaneinsatz erfordert eine umfangreiche Recher- che. Bisher könnten die Daten für den Zeitraum März bis Dezember 2009 zusammengestellt werden. Im Jahr 2009 sind im Zeitraum März bis Dezember in insgesamt 57 Fällen Einsätze im Rahmen der Luftnahun- terstützung durch deutsche Kräfte angefordert worden. Von diesen Anforderungen wurde in 47 Fällen ein Luft- fahrzeug zugewiesen. Im Rahmen dieser Zuweisung kam es in 30 Fällen zum Einsatz von Show of Force und in neun Fällen zum Waffeneinsatz. In acht Fällen wurde das Flugzeug nicht eingesetzt, da die Notwendigkeit nicht mehr bestand. Die Anforderung der Luftnahunter- stützung erfolgt bei ISAF durch den militärischen Führer vor Ort. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Frage 78): Wie viele deutsche Soldatinnen und Soldaten plant die Bundesregierung im Rahmen des neu vorzulegenden Mandats in Afghanistan jeweils für Ausbildung, Monitoring, Schutz und Führungsleistungen einzusetzen, und wie sollen die Sol- datinnen und Soldaten der Quick Reaction Force auf ihre neuen Ausbildungsaufgaben vorbereitet werden? Unter Vorbehalt eines entsprechenden Kabinettsbe- schlusses und der Zustimmung des Deutschen Bundesta- ges gehen die Planungen derzeit dahin, dass neben einer Schwerpunktsetzung auf den Bereich des zivilen Wie- deraufbaus und der Entwicklung auch eine deutliche Stärkung des Sicherheitssektors erfolgen wird. Eine Fähigkeit „Monitoring“ ist im deutschen Ein- satzkontingent ISAF nicht abgebildet. Ich gehe davon aus, dass mit „Monitoring“ das „Mentoring“ im Rahmen der Operational Mentor and Liaison Teams (OMLT) ge- meint ist. Eine Differenzierung der Fähigkeiten auf den Einzel- dienstposten wird grundsätzlich nicht möglich sein, da Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 1891 (A) (C) (B) (D) viele Kräfte mehrere Fähigkeiten abbilden. So führen beispielsweise die OMLT sowohl „Mentoring“ als auch Bundesregierung verantwortbar, diese Soldatinnen und Solda- ten in einen Einsatz zu entsenden, für den sie nicht ausgebil- det sind und der erhebliche Risiken für Leib und Leben zur „Ausbildung“ durch. Sie fragen nach wesentlichen, wenngleich nicht allen zu stellenden Fähigkeiten des deutschen Einsatzkontin- gents ISAF. Im Einzelnen ist derzeit davon auszugehen, dass zukünftig etwa 22 Prozent des Kontingents mit Aufgaben aus dem Bereich „Führungsleistungen“ betraut sein werden (rund 1 150 Soldatinnen und Soldaten). Für die Aufgaben „Ausbildung“ und „Schutz“ sind insge- samt rund 28 Prozent eines Kontingents vorgesehen. Das entspricht rund 1 400 Soldaten. Für die Aufgabe „Mentoring“ bleibt es in der jetzigen Größenordnung von rund 6 Prozent (rund 280 Soldatin- nen und Soldaten), die aber in der oben genannten Zahl für die Aufgabe „Ausbildung“ bereits enthalten sind. Die einsatzvorbereitende Ausbildung der deutschen Soldatinnen und Soldaten beginnt nach der Beschluss- fassung des Deutschen Bundestages zum ISAF-Mandat mit dem Ziel, erstmals ab dem 24. Einsatzkontingent (voraussichtlich Oktober 2010) in das Einsatzgebiet ver- legt zu werden. Unverändert bleibt der Schwerpunkt der Einsatzvor- bereitung – auch für die Soldatinnen und Soldaten der derzeitigen Quick Reaction Force (QRF) – auf die indi- viduellen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Soldatinnen und Soldaten ausgerichtet. Ergänzend wird beispiels- weise verstärkt das Thema „interkulturelle Kompetenz“ vermittelt. Die einsatzvorbereitende Ausbildung der Soldatin- nen und Soldaten orientiert sich nicht an der Art der je- weiligen Gesamtoperationsführung. Neben individuellen Grundfertigkeiten werden allen Soldatinnen und Solda- ten im Rahmen ihrer Ausbildung zunächst Fähigkeiten und Kenntnisse auf allen Ebenen und unabhängig vom aktuellen Dienstposten vermittelt, die für Einsätze im Rahmen der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung benötigt werden. Die weiterführende Ausbildung be- rücksichtigt dann die jeweilige Bedrohungslage sowie Besonderheiten der Lage im Einsatzgebiet und umfasst im Weiteren einem auf den jeweiligen Auftrag und Sta- tionierungsort hin optimiertes sechsmonatiges Ausbil- dungsprogramm. Diese Ausbildung erfolgt dann wie bis- her im Team. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Frage 79): Inwieweit trifft es zu, dass die für den kommenden ISAF- Einsatz – ISAF: International Security Assistance Force – vorgesehenen Soldatinnen und Soldaten, zum Beispiel der Quick Reaction Force, gemäß dem alten – von der Bundesre- gierung als eher offensiv beschriebenem – Einsatzkonzept ausgebildet worden sind, und inwieweit ist es aus Sicht der Folge hat? Zwischen dem operativen Gesamtansatz im Regional- kommando Nord und den Zielen, Grundlagen und der Methodik der Einsatzvorbereitenden Ausbildung der Bundeswehr ist zu unterscheiden. Die Einsatzvorberei- tende Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten orien- tiert sich nicht an der Art der Gesamtoperationsführung. Neben individuellen Grundfertigkeiten werden allen Soldatinnen und Soldaten im Rahmen ihrer Ausbildung zunächst Fähigkeiten und Kenntnisse auf allen Ebenen und unabhängig vom aktuellen Dienstposten vermittelt, die für Einsätze im Rahmen der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung benötigt werden. Die weiterführende Ausbildung berücksichtigt dann die jeweilige Bedrohungslage sowie Besonderheiten der Lage im Einsatzgebiet und umfasst im Weiteren ein auf den jeweiligen Auftrag und Stationierungsort hin opti- miertes sechsmonatiges Ausbildungsprogramm. Ziel der Einsatzvorbereitenden Ausbildung ist es, die Soldatinnen und Soldaten in die Lage zu versetzen, ihren Auftrag zu erfüllen und auf jede denkbare Situation hin reagieren zu können. Das Bundesministerium der Verteidigung wird die Einsatzausbildung für die Einsatzkräfte in den zukünfti- gen Ausbildungs- und Schutzbataillonen dahingehend anpassen, dass die Soldatinnen und Soldaten ähnlich wie die Operational Mentor und Liaison Teams befähigt wer- den, im Sinne des angestrebten Partnerings eng mit den afghanischen Sicherheitskräften zusammenzuarbeiten. Insofern wird das Bundesministerium der Verteidigung weiterhin dafür Sorge tragen, dass die Soldatinnen und Soldaten gut vorbereitet und ausgebildet in den Einsatz gehen. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/633, Frage 80): Inwieweit sind die Voraussetzungen für einen Afghanis- tan-Einsatz der AWACS-Flugzeuge inzwischen weitgehend erfüllt, und kann die Bundesregierung ausschließen, dass der Deutsche Bundestag in den nächsten Sitzungswochen – zum Beispiel nach den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen – nicht erneut über eine Erhöhung des Bundeswehrumfangs für den Afghanistan-Einsatz – vermutlich in der Größenordnung von weiteren 300 Soldatinnen und Soldaten – entscheiden muss? Die Voraussetzungen für einen Einsatz von NATO- AWACS liegen derzeit noch nicht vor. Es ist die Absicht der Bundesregierung, den Bundestag erst dann mit einer möglichen deutschen Beteiligung an einem AWACS- Einsatz zu befassen, wenn alle Voraussetzungen für die- sen AWACS-Einsatz vorliegen. 21. Sitzung Berlin, Dienstag, den 9. Februar 2010 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16 Anlage 17 Anlage 18 Anlage 19 Anlage 20 Anlage 21 Anlage 22 Anlage 23 Anlage 24 Anlage 25 Anlage 26 Anlage 27 Anlage 28 Anlage 29 Anlage 30 Anlage 31 Anlage 32 Anlage 33 Anlage 34 Anlage 35 Anlage 36 Anlage 37 Anlage 38 Anlage 39 Anlage 40 Anlage 41 Anlage 42 Anlage 43 Anlage 44 Anlage 45 Anlage 46 Anlage 47 Anlage 48 Anlage 49
Gesamtes Protokol
Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702100000

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz, liebe

Kolleginnen und Kollegen.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wo sind denn die Regierungsparteien? Haben wir da was nicht mitbekommen?)


– Dafür bin ich nicht zuständig, Frau Enkelmann. Die
Fraktionen bestimmen selbst, inwieweit sie ihr Recht, an
einer Plenarsitzung des Bundestages teilzunehmen,
wahrnehmen.

Interfraktionell ist vereinbart worden, dass die unter
Tagesordnungspunkt 1 vorgesehene Befragung der Bun-
desregierung entfallen soll. Die zur Beratung am morgi-
gen Mittwoch vorgesehenen Tagesordnungspunkte 5
und 6 sollen heute beraten werden. Sie werden nach der
Aktuellen Stunde aufgerufen. Von der Frist für den Be-
ginn der Beratung soll, soweit erforderlich, abgewichen
werden. Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde

Rede
– Drucksachen 17/633, 17/645 –

Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10
Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringliche
Frage auf Drucksache 17/645 auf.

Es geht um den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht die Parla-
mentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz
zur Verfügung.

Ich rufe die dringliche Frage 1 der Kollegin Kathrin
Vogler auf:

Wie bewertet die Bundesregierung die ak
gen zu Engpässen bei zwei Impfstoffen für K
che Maßnahmen plant sie, um für dieses aku
hilfe zu schaffen?

Frau Staatssekretärin, Sie haben das Wort.
zung

n 9. Februar 2010

5.00 Uhr

A
Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1702100100


Frau Präsidentin! Frau Abgeordnete Vogler, die aktuelle
Meldung auf der Homepage des Paul-Ehrlich-Instituts
besagt, dass – nach neuesten Informationen des Unter-
nehmens GlaxoSmithKline vom 8. Februar – der Sechs-
fachimpfstoff Infanrix Hexa ab Montag, dem
15. Februar, wieder lieferbar ist. Es handelt sich um rund
200 000 Impfstoffdosen, die etwa einem Monatsbedarf
des Sechsfachimpfstoffs entsprechen. Des Weiteren
wurde vom Paul-Ehrlich-Institut heute Mittag telefo-
nisch mitgeteilt, dass heute Vormittag eine weitere
Charge des Sechsfachimpfstoffs mit circa 215 000 Do-
sen freigegeben wurde, die dem Markt voraussichtlich
eine Woche später zur Verfügung stehen.

Die bislang nicht lieferbaren Impfstoffe sind jedoch
keineswegs so alternativlos, wie sich das in der Presse
derzeit darstellt. Der gleiche Impferfolg kann auch mit
anderen Impfstoffen in Kombination erreicht werden;
die Kinder müssen jedoch mehrfach geimpft werden.
Das war im Übrigen bis 1998 Standard, nämlich vor Be-
ginn der Zulassung von Fünf- und Sechsfachimpfstof-
fen.

Informationen zur Verfügbarkeit einiger Alternativ-
produkte – auch von anderen Impfstoffherstellern als

text
GlaxoSmithKline – werden auf der Homepage des Paul-
Ehrlich-Instituts schnellstmöglich bekannt gegeben. Sie
werden fortlaufend aktualisiert. Das Paul-Ehrlich-Insti-
tut steht zudem mit den Herstellern in Kontakt, die zuge-
sagt haben, weitere Impfstoffe nachzuliefern.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702100200

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702100300

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Es geht um die

aktuellen Meldungen in der Presse. Mir und auch vielen
sich die Frage: Inwieweit sind die Bundes-
die Landesregierungen mit ihren Bestel-

mpfstoffes gegen die Schweinegrippe für
len Engpass mitverantwortlich? Inwieweit
tuellen Meldun-
inder, und wel-
te Problem Ab-

anderen stellt
regierung und
lungen des I
diesen aktuel

wurde im Vorfeld der Massenbestellung von 50 Millio-






(A) (C)



(B) (D)


Kathrin Vogler
nen Dosen bei GlaxoSmithKline überhaupt in Betracht
gezogen, welche Auswirkungen das auf die Produktion
von anderen Standardimpfstoffen hat?

A
Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1702100400


Frau Abgeordnete, die Behauptung der Presse, dass
die Produktion des Pandemieimpfstoffs für den Ausfall
der Kinderimpfstoffe verantwortlich sein soll, kann nach
Ansicht des Paul-Ehrlich-Instituts so nicht nachvollzo-
gen werden. Es scheinen mehrere weitere Ursachen zum
Lieferengpass beigetragen zu haben, unter anderem eine
Umstellung von Sicherheits- und Qualitätskontrollen.
Dies wäre durch die Vertragsgestaltung im Vorfeld über-
haupt nicht beeinflussbar gewesen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702100500

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702100600

So richtig beantwortet, finde ich, ist diese Frage damit

noch nicht.

Ich habe trotzdem noch eine weitere Nachfrage: In-
wieweit ist die Bundesregierung darüber informiert, in
welchem Maße wirtschaftliche und nicht medizinpoliti-
sche Erwägungen der Firma GlaxoSmithKline dazu bei-
getragen haben, sich voll und ganz auf die Produktion
eines Pandemieimpfstoffs für die sogenannte Schweine-
grippe zu konzentrieren? Vor dem Hintergrund der Tat-
sache, dass die Standardimpfstoffe nach einer Grundim-
munisierung in der Regel nur alle zehn Jahre neu
gegeben werden müssen, ist davon auszugehen, dass es
sehr viel lukrativer ist, wenn man einen Impfstoff ent-
wickelt, mit dem jedes Jahr neu geimpft werden muss.
Ich wüsste gerne, ob die Bundesregierung eine Position
bezüglich der Frage hat, wie man mit einer solchen Prio-
ritätensetzung in der Industrie künftig so umgehen kann,
dass derartige Engpässe bei Standardimpfstoffen nicht
mehr vorkommen.

A
Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1702100700


Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte
über wirtschaftliche oder betriebswirtschaftliche Erwä-
gungen der Herstellerunternehmen vor. Im Übrigen
weise ich darauf hin, dass die Entwicklung eines Impf-
stoffes ein hochkomplexer biologischer Vorgang ist, der
immer gewissen Schwankungen in der Produktion unter-
worfen ist. Das gilt auch für die Produktion von solchen
Mehrfachimpfstoffen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702100800

Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Bunge das Wort.


Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702100900

Frau
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1702101000
Womit denn dann? Ist der Win-
ter schuld oder was? Sie sagen jetzt, dass Sicherheits-
überprüfungen stattgefunden haben. Gibt es ähnliche Er-
scheinungen bei der Belieferung in anderen Ländern
innerhalb oder außerhalb der EU, bei denen Sie den
Überblick haben, oder betrifft das nur Deutschland?

A
Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1702101100


Nach unserer Information betrifft das auch die Länder
Belgien und Italien. Lieferengpässe können bei der Pro-
duktion von Impfstoffen auftreten. Solche Liefereng-
pässe kommen auch bei anderen Impfstoffen unter dem
Jahr immer wieder einmal vor und werden dann auch ge-
meldet.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702101200

Danke, Frau Staatssekretärin. – Nachdem die dringli-

che Frage aufgerufen und beantwortet worden ist, rufe
ich jetzt die Fragen auf Drucksache 17/633 in der übli-
chen Reihenfolge auf.

Wir beginnen beim Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Dr. Hermann Kues zur Verfügung.

Die Fragen 1 und 2 der Kollegin Jelpke werden
schriftlich beantwortet.

Wir kommen zu den Fragen 3 bis 8. Sie befassen sich
alle mit den Pilotprojekten gegen Linksextremismus und
Islamismus.

Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Cornelia Möhring
auf:

Welche beispielhaften Träger hat die Bundesregierung im
Auge, die sie für eine Beteiligung an den Pilotprojekten gegen
Linksextremismus und Islamismus gerne gewinnen würde?

Bitte, Herr Staatssekretär.

D
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1702101300


Frau Präsidentin, ich bitte darum, die Fragen 3 und 4
zusammen beantworten zu dürfen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702101400

Dann rufe ich auch die Frage 4 der Kollegin Cornelia

Möhring auf:
Liegen der Bundesregierung belastbare Erkenntnisse für

den Bedarf an Projekten gegen Linksextremismus vor, und wo
ist dieser Bedarf bisher dokumentiert?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1702101500


Zur Vorbereitung der beiden Pilotprojekte gegen
Linksextremismus und Islamismus, die im Laufe dieses
Jahres gestartet werden sollen, ist zunächst eine Sondie-
rungsphase vorgesehen. In dieser Phase werden mögliche
Forschungsthemen, Forschungsfelder, Vorgehensweisen,
Zielgruppen sowie Trägerstrukturen identifiziert. Hierbei
werden auch bereits vorliegende wissenschaftliche und
behördliche Erkenntnisse zur Ideologie, zur Entwicklung
und zur Struktur des Linksextremismus sowie des Isla-






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues
mismus einbezogen. Mit staatlichen und nichtstaatlichen
Akteuren des Bundes, der Länder und der Kommunen,
zum Beispiel mit Berlin und Hamburg, werden Fragen
der praktischen Prävention von Islamismus und Links-
extremismus erörtert.

Das Ziel ist es, im zweiten Quartal 2010 Ideen für
Forschung, Expertisen und Modellprojekte zu entwi-
ckeln und zu realisieren. Im Rahmen dieser Sondie-
rungsphase werden Träger angesprochen, die die Bun-
desregierung für eine Beteiligung an den Pilotprojekten
gewinnen möchte. Die Verfassungsschutzberichte des
Bundes und der Länder, die in diesem Zusammenhang
veröffentlichten Zahlen zur politisch motivierten Krimi-
nalität, aber auch die Aussagen des Berliner Innensena-
tors und der Leiterin des Berliner Verfassungsschutzes
und die von ihnen am 11. November 2009 vorgestellte
Studie Linke Gewalt in Berlin belegen, dass es neben
dem Rechtsextremismus auch linksextremistische Ten-
denzen gibt, die undemokratisch sind und Menschen-
rechte verletzen. Diese müssen beobachtet werden, und
auf sie muss reagiert werden. Der Staat darf sich unserer
Auffassung nach auf solche Bestrebungen nicht nur mit
Mitteln der Strafverfolgung einlassen, sondern er muss
diese auch präventiv und nachhaltig bekämpfen. Das ist
der Ansatz von Aktivitäten im Bereich des Jugendminis-
teriums.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702101600

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Cornelia Möhring (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702101700

Danke, Herr Dr. Kues. – Wenn ich Sie richtig verstan-

den habe, wird die Bundesregierung direkt Träger an-
sprechen, die diese Modellprojekte mit durchführen sol-
len. Ich würde gerne von Ihnen wissen, welche Träger
Sie ins Auge gefasst haben.

D
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1702101800


Wir sind im Moment noch nicht so weit. Ich habe ja
gesagt, dass wir uns noch in der Sondierungsphase be-
finden. Das ist ein neuer Ansatz, eine neue Entwicklung.
Wir führen verschiedene Gespräche. Wir gehen davon
aus, dass wir dann in der Lage sind, sowohl die Frage-
stellungen, die angegangen werden können und müssen,
zu identifizieren als auch Trägerstrukturen auszuma-
chen, die dafür infrage kommen. Wir werden dabei alle
Informationen, die ich eben beschrieben habe, natürlich
auch die vom Verfassungsschutz – ich habe ja auf die
Studie Linke Gewalt in Berlin hingewiesen –, zugrunde
legen.

Wir gehen davon aus, dass wir einen eigenen Ansatz
finden. Ich glaube, dass jede Form von Extremismus ge-
sondert betrachtet werden muss; denn die Ursachen sind
unterschiedlich. Insofern müssen auch die Ansätze un-
terschiedlich sein. Das ist ein neuer Weg, den wir dort
gehen. Daher brauchen wir eine gewisse Vorbereitungs-
zeit.

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702101900

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Dieselbe Soße!)



Cornelia Möhring (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702102000

Ich gehe einmal davon aus, dass Sie Ihre Planungen

nicht nur auf die Berliner Studie beziehen. Daher würde
ich gerne von Ihnen wissen, wo Sie in der Auseinander-
setzung mit dem Linksextremismus Schwerpunktregio-
nen sehen.

D
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1702102100


Das kann ich jetzt nicht im Einzelnen darstellen,


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Berlin!)


weil wir dabei sind, dies zunächst zu erfassen. Berlin ist
sicherlich eine Stadt, über die man reden muss.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Genau! Wo die Linke regiert!)


Der Berliner Senat sagt dies ausdrücklich. Er hat ja auch
deswegen eine Studie in Auftrag gegeben. Von daher ist
es sinnvoll, dort anzuknüpfen und sich dann Gedanken
zu machen, wie man damit umzugehen hat.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Brandenburg! Wo die Stasi an der Regierung ist!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702102200

Zu einer weiteren Nachfrage hat nun der Kollege

Volker Beck das Wort.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702102300

Ursprünglich wollte ich gar nichts fragen, aber Ihre

Antworten haben mich stutzig gemacht. Ich habe den
Eindruck, das funktioniert nach dem Motto: Wir hätten
da gerne einmal ein Problem.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie wissen nicht, wo die besondere Belastung ist, also
wo Sie eine Notwendigkeit, einen Bedarf für Projekte
sehen. Es ist ja nicht so, dass wir uns nicht einig sind,
dass gewalttätiger Extremismus von allen hier im Hause
abgelehnt werden muss. Die Geschichte der Programme
gegen den Rechtsextremismus geht ja darauf zurück,
dass Gruppen in der Gesellschaft regelmäßig Opfer von
fremdenfeindlicher Gewalt, homophober Gewalt oder
antisemitischer Gewalt wurden. Um die Opfer sicherer
zu machen, hat man gesagt, dass man Strategien und
Programme dagegen entwickeln muss. Können Sie mir
sagen, welche Personenkreise besonders gefährdet sind,
Opfer gruppenbezogener Gewalt linker Gruppen zu wer-
den,


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das ist jeder Autofahrer in Berlin!)


oder ist die Problemlage so grundverschieden, dass man
sich vielleicht die Frage stellen muss, ob der neue An-






(A) (C)



(B) (D)


Volker Beck (Köln)

satz des Hauses angesichts der unterschiedlichen For-
men von Extremismus überhaupt sachgerecht ist?

D
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1702102400


Zunächst einmal ist es gut, dass Sie gesagt haben,
dass wir uns hinsichtlich der Notwendigkeit der Be-
kämpfung von Extremismus jeglicher Art einig sind. Ich
habe Ihnen auch zwei Standorte genannt, die ausweislich
dieser Studie, die ich eben erwähnt habe, aber auch aus-
weislich der Berichte des Verfassungsschutzes und von
Polizeiorganisationen offenkundig Zentren linksextre-
mistischer Gewalt sind. Wir werden uns damit auseinan-
derzusetzen haben, und wir werden dann zu überlegen
haben, wie wir damit umgehen.

Ich sage noch einmal ausdrücklich: Wir sind nicht für
die Sicherheitspolitik zuständig – das ist Aufgabe der In-
nenminister und der Innensenatoren –, sondern für die
Entwicklung pädagogisch-präventiver Konzepte; diese
müssen genau überlegt werden.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch für die Opferhilfe, oder?)


Ich bestreite allerdings nicht, dass auch andere Formen
des Extremismus existieren, allerdings mit anderen Ur-
sachen und Begründungen, die ebenfalls eine Herausfor-
derung darstellen; darüber haben wir bereits verschie-
dentlich gesprochen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702102500

Da die Fragen 3 und 4 im Zusammenhang beantwor-

tet wurden, hat die Kollegin Möhring die Möglichkeit,
zwei weitere Nachfragen zu stellen. – Kollegin Möhring,
bitte.


Cornelia Möhring (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702102600

Vielen Dank. – Da ich davon ausgehe, dass sich die

Bundesregierung, bevor sie einen Haushaltsentwurf vor-
legt, Gedanken darüber macht, welchen Bedarf sie zu-
grunde legt, möchte ich gern von Ihnen wissen, ob Sie
von einem gleichmäßigen Bedarf an Projekten gegen
Linksextremismus, Rechtsextremismus und Islamismus
ausgehen, also von ungefähr einem Drittel für jeden Be-
reich.

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1702102700


Nein, davon gehen wir nicht aus.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702102800

Ihre letzte Nachfrage, wenn Sie noch eine haben.


Cornelia Möhring (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702102900

Wovon gehen Sie aus?
Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1702103000


Wir haben gesagt – danach haben Sie auch im Aus-
schuss schon gefragt –, dass wir zunächst zwei Projekte
auf den Weg bringen. Diese werden wir zunächst identi-
fizieren. Dann werden wir Schlussfolgerungen zu ziehen
haben. Das können wir im Fachausschuss gern im Ein-
zelnen erörtern.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702103100

Da die Fragestellerin der Fragen 5 und 6 – –


(Abg. Heidrun Dittrich [DIE LINKE] meldet sich zu einer Nachfrage)


– Entschuldigung, jetzt waren Sie ein bisschen spät, Kol-
legin Dittrich. Aber ich gehe davon aus, dass Sie, da die-
ser Komplex noch weiter behandelt wird, Ihre Nachfra-
gen noch unterbekommen.

Noch einmal: Da die Fragen 5 und 6 von der Abge-
ordneten Petra Pau gestellt wurden, die erkennbar anders
beschäftigt ist, werden sie schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Jörn Wunderlich
auf:

In welcher Form und bis wann sollen die angekündigten
Pilotprojekte gegen Linksextremismus und Islamismus ausge-
schrieben werden?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1702103200


Frau Präsidentin, ich würde die Fragen 7 und 8 gerne
im Zusammenhang beantworten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702103300

Dann rufe ich auch die Frage 8 des Kollegen Jörn

Wunderlich auf:
Werden sich Vereine, Initiativen etc. für die angekündigten

Pilotprojekte gegen Linksextremismus und Islamismus be-
werben können, oder sollen vor allem staatliche Träger ange-
sprochen werden?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1702103400


Übrigens würde ich auch der Präsidentin eine Frage
beantworten, wenn sie sie stellen würde. Aber ich
glaube, das geht im Hinblick auf den parlamentarischen
Ablauf nicht.


(Vereinzelt Heiterkeit)


Kollege Wunderlich, einige Inhalte meiner Antwort
ergeben sich aus dem, was ich bereits gesagt habe. Ich
will Ihre Fragen trotzdem wie folgt beantworten: Wir
sind in der Tat dabei, im ersten Quartal dieses Jahres
mögliche Felder, Vorgehensweisen, Zielgruppen und
Trägerstrukturen zu identifizieren; das gilt hier in glei-
cher Weise. Wir werden dabei alle Erkenntnisse, die be-
reits vorliegen, einbeziehen: wissenschaftliche Untersu-






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues
chungen, das, was Behörden zusammengetragen haben,
und die Erkenntnisse zur Entwicklung der Ideologie und
zur Struktur des Linksextremismus sowie des Islamis-
mus. Dann werden wir mit staatlichen und nichtstaatli-
chen Akteuren von Bund, Ländern und Kommunen die
Fragen der praktischen Prävention von Islamismus und
Linksextremismus erörtern.

Das Ziel ist nach wie vor, im zweiten Quartal 2010
Ideen für Forschung, Expertisen und Modellprojekte zu
entwickeln und zu realisieren. Im Rahmen dieser Son-
dierungsphase werden wir auch festzulegen haben, wann
und in welcher Form ein Auswahlverfahren durchge-
führt wird. Das hängt auch von der jeweiligen Nachfrage
und davon ab, was als vernünftig angesehen wird. Da-
rüber kann zu gegebener Zeit im Einzelnen informiert
werden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702103500

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702103600

Herr Dr. Kues, schönen Dank erst einmal. – Da Sie

von Modell- oder Pilotprojekten sprachen und ich die
Argumentation Ihres Ministeriums im Hinblick auf Mo-
dell- und Pilotprojekte kenne, frage ich Sie: Wurde
schon darüber nachgedacht, wie lange diese Modell-
oder Pilotprojekte laufen sollen und wie die regionale
Verteilung ausgestaltet werden soll?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1702103700


Da es sich nach Auskunft des Ministeriums bis jetzt
um zwei Projekte handelt, ist die Frage nach der regiona-
len Verteilung relativ einfach zu beantworten. Ich habe
eben zwei regionale Schwerpunkte genannt. Ob man im
Verlauf des Verfahrens weitere Erkenntnisse gewinnt,
bleibt abzuwarten.

Über den Zeitraum haben wir schon heute Nachmit-
tag im Ausschuss diskutiert. Diese Projekte sind immer
zeitlich befristet, in der Regel auf maximal fünf Jahre.
Die Befristung wird man im Einzelfall zu prüfen haben,
je nachdem, was notwendig ist. Auf jeden Fall sind sie
befristet. Es handelt sich nicht automatisch um eine Dau-
erförderung. Im Übrigen gilt auch für alle anderen Pro-
gramme gegen Extremismus, dass sie immer wieder eva-
luiert werden. Das tun wir auch bei den Projekten gegen
Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeind-
lichkeit. Hierzu gibt es ausführliche Studien von Fach-
leuten, deren Ergebnisse dazu geführt haben, dass wir
unsere Strategie in diesem Bereich völlig geändert ha-
ben.

Wir sagen: Wir müssen die Länder und die Kommu-
nen einbeziehen, weil es keinen Sinn macht, über die
ganze Bundesrepublik verstreut einzelne Projekte iso-
liert zu fördern. Wir müssen die lokale Ebene einbezie-
hen; das ist ganz wichtig. Insofern gilt generell für alle
Programme, dass sie ausgewertet werden müssen.
Im Übrigen will ich noch sagen: Sie wissen – Sie ken-
nen sich da ja aus –, wie der Kinder- und Jugendplan ge-
staltet ist, wie Verbandsjugendarbeit und politische Bil-
dungsarbeit gefördert werden. Das sind letztlich alles
Maßnahmen für Vielfalt, Toleranz und Demokratie und
damit gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702103800

Ihre zweite Nachfrage.


Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702103900

Wo die Mittel ja zum Teil gekürzt werden. – Sie sa-

gen, dass es im zweiten Quartal losgehen soll. Das
zweite Quartal beginnt am 1. April. Von wie vielen Ein-
zelprojekten geht die Regierung, das Ministerium gegen-
wärtig aus?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1702104000


Ich habe nicht gesagt, dass es im zweiten Quartal los-
gehen soll, sondern ich habe gesagt, dass wir dann iden-
tifizieren wollen. Danach, hoffen wir, können wir die
Projekte irgendwann benennen. Wann es losgehen wird,
wird sich zeigen. Ich gehe davon aus, dass wir nach un-
gefähr einem halben Jahr so weit sein werden, sagen zu
können, um welche Projekte es sich handelt. Dann wird
auch feststehen, wann sie im Einzelnen beginnen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702104100

Eine weitere Nachfrage?


Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702104200

Sie sprachen von zwei Schwerpunkten. Gehen Sie

von weiteren Schwerpunkten in Deutschland aus, wo
Linksextremismus, wie er sich nach Ihrer Überzeugung
darstellt, vorhanden ist?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1702104300


Sie können die Berichte des Verfassungsschutzes le-
sen. Wir richten uns zunächst einmal auf Berlin und
Hamburg aus, weil wir da konkrete Anhaltspunkte ha-
ben.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702104400

Eine weitere Nachfrage? – Nein.

Dann hat die Kollegin Dittrich zu einer Nachfrage das
Wort. – Sie hat inzwischen verzichtet.

Der Kollege Liebich hat aber noch eine Frage. Bitte.


Stefan Liebich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702104500

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer

Antwort auf die Fragen des Kollegen Wunderlich auf die
Ausgaben für die Programme zur Bekämpfung des Ex-
tremismus Bezug genommen. Davor haben Sie viel über
das Land Berlin gesprochen. Ist Ihnen eigentlich be-
kannt, dass das Land Berlin sehr gut in der Lage ist, die






(A) (C)



(B) (D)


Stefan Liebich
Bekämpfung von Kriminalität – wozu das Anzünden
von Autos zweifellos gehört – selbst zu bewältigen?


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das ist doch nicht Ihr Ernst, oder? Das ist doch ein Witz, oder?)


Niemand im Land Berlin – schon gar nicht die zustän-
dige Senatorin für Integration, Carola Bluhm – hat um
pädagogische Hilfe, wie sie die Bundesregierung gerne
leisten möchte, gebeten. In der Regierung des Landes
Berlin herrscht vielmehr die große Sorge vor, dass die
sehr wichtigen Projekte zur Bekämpfung des Rechts-
extremismus gefährdet sein könnten.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Der Kollege Liebich probt für einen Gastauftritt im Rheinland! – Gegenruf des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE]: Die FDP ist wieder da! Sie haben ja lange gefehlt!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702104600

Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär

zur Beantwortung der Frage des Kollegen Liebich.

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1702104700


Ich kann zunächst einmal feststellen: Bei allen Pro-
grammen gegen Extremismus, die bisher auf Bundes-
ebene aufgelegt worden sind, ist das Land Berlin dabei
gewesen. Wir haben die Projekte immer auch mit dem
Land Berlin abgestimmt. Ich gehe davon aus, dass das
auch in diesem Fall selbstverständlich ist. Warten Sie
erst einmal ab! Der Innensenator des Landes Berlin hat
klar gesagt, dass dort Maßnahmen ergriffen werden
müssten. Wir werden uns im Einzelnen ansehen, in wel-
chem Umfang wir dort hilfreich sein können.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702104800

Ich rufe nun die Frage 9 des Kollegen Volker Beck

auf:
Welche fachlichen Kenntnisse auf dem Gebiet der Be-


(Antwort der Bundesregierung auf meine mündliche Frage auf Bundestagsdrucksache 17/493, siehe Plenarprotokoll 17/18 Anlage 14)

der Antidiskriminierungsstelle des Bundes Martina Köppen –
in einem Artikel im Wirtschaftsmagazin brand eins wird sie
zitiert: „Mit dem deutschen Diskriminierungsgesetz hatte ich
mich bis dahin gar nicht befasst“; www.brandeins.de; Glei-
ches geht auch aus zahlreichen Presseberichten hervor:
www.handelsblatt.com; www.fr-online.de; www.taz.de – und
hat die neu ausgewählte – aber aufgrund des Beschlusses des
Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg nicht einge-
stellte – Leiterin Christine Lüders – aus der Pressemitteilung
des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend vom 9. November 2009, www.bmfsfj.de, geht nicht
hervor, dass Christine Lüders fachliche Kenntnisse auf dem
Gebiet der Benachteiligung besitzt –, und wie – Zeitpunkt,
Person, Ausschreibung, Auswahlkriterien etc. – wird die Lei-
tung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes nun besetzt?

Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1702104900


Der Kollege Volker Beck hat gefragt – ich sage das
einmal in meinen Worten –, welche fachlichen Kennt-
nisse auf dem Gebiet der Benachteiligung vorhanden
sein müssen, um Leiterin der Antidiskriminierungsstelle
des Bundes zu werden. Gleichzeitig hat er nachgefragt,
welche fachlichen Kenntnisse die neu ausgewählte Lei-
terin – der Vertrag der Vorgängerin war ausgelaufen –,
Frau Lüders, auf dem Gebiete der Benachteiligung be-
sitzt.

Ich möchte jetzt nicht all das wiederholen, was im
Antidiskriminierungsgesetz steht, welche Voraussetzun-
gen gegeben sein müssen und was die Aufgabe der Anti-
diskriminierungsstelle ist. Ich will nur einige Punkte
nennen: Es geht um die Beratung anderer Stellen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht Gegenstand der Frage!)


Es geht um die gütliche Beilegung von Konflikten. Es
geht um Öffentlichkeitsarbeit, Verhinderung von Be-
nachteiligung, Durchführung wissenschaftlicher Unter-
suchungen usw.

Die bisherige Leiterin war viele Jahre im Kommissa-
riat der deutschen Bischöfe tätig. Es hat die Aufgabe, in
politischen Fragen gegenüber Organen des Bundes, ge-
meinsamen Einrichtungen der Länder, den Landesvertre-
tungen usw., gegenüber Parteien und auf Bundesebene
vertretenen gesellschaftlichen Kräften und auch interna-
tional Stellung zu nehmen. Das Kommissariat hat die
Aufgabe, die gesamte Entwicklung im politisch-gesell-
schaftlichen Bereich zu beobachten, politische Entschei-
dungen zu begleiten usw. Insofern glaube ich, wer dort
arbeitet, bringt Voraussetzungen in dem umfassenden
Sinne mit, wie ich es eben beschrieben habe und wie
dies für die Leitung der Antidiskriminierungsstelle not-
wendig ist.

Jetzt ist mit Frau Christine Lüders die neue Leitung
der Antidiskriminierungsstelle des Bundes bestellt wor-
den. Es hat – das wissen auch Sie; sonst hätten Sie wahr-
scheinlich diese Frage nicht gestellt – eine gerichtliche
Auseinandersetzung gegeben, weil noch jemand anderes
diese Stelle gerne innegehabt hätte.

Ich sage zur Qualifikation von Frau Lüders: Sie ist
Expertin für Integration, Öffentlichkeitsarbeit und Kom-
munikation. Sie verfügt über langjährige Verbindungen
in Politik und Wirtschaft. Sie war im Bereich der Luft-
hansa tätig. Später hat sie das Referat „Presse- und Öf-
fentlichkeitsarbeit, Kommunikation“ im Ministerium für
Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nord-
rhein-Westfalen geleitet.

Wir sind davon überzeugt, dass sie über Kenntnisse,
Erfahrungen und Kommunikationsfähigkeit verfügt und
Führungs- und Verwaltungserfahrung usw. besitzt, so-
dass die fachliche Ausrichtung der ADS damit gewähr-
leistet ist. Sie war schon bislang mit Benachteiligungs-
fragen befasst, und sie hat praktische Erfahrungen auf
dem Gebiet der Integration und Chancengleichheit. Sie






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues
ist zum Beispiel in einem Brennpunkt in Frankfurt, der
von einem hohen Migrationsanteil geprägt ist, tätig ge-
wesen.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat
im November 2009 die Aussage getroffen, dass die Be-
setzung der Leitung dieses öffentlich-rechtlichen Amtes
nicht im weiten politischen Ermessen der Bundesregie-
rung steht und somit eine Auseinandersetzung mit allen
etwaigen Bewerbungen erforderlich ist. Es hatte sich
ebenfalls eine Beschäftigte des Ministeriums um die
Stelle beworben. Der Bewerbung lagen jahrelange und
zum Teil gerichtliche Auseinandersetzungen zugrunde.
Dieser Konflikt ist jetzt beigelegt worden, und deswegen
ist Frau Lüders ernannt worden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702105000

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage, Kollege

Beck.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702105100

Ich möchte zu dem nachfragen, worauf Sie eigentlich

hätten antworten sollen – das haben Sie ausschweifend
vermieden –, nämlich zu den Qualifikationen sowohl
von Frau Lüders als auch von Frau Köppen. Sie haben
mir in der letzten Sitzungswoche auf eine Frage schrift-
lich geantwortet:

Vor diesem Hintergrund benötigt die künftige Lei-
tung der ADS neben fachlichen Kenntnissen auf
dem Gebiet der Benachteiligungen ausgeprägte
Kommunikationsfähigkeit und Kenntnisse und Er-
fahrungen im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Um
die Arbeit der ADS den fachlichen Zielen entspre-
chend ausrichten zu können, ist außerdem eine
langjährige Führungs- und Verwaltungserfahrung
erforderlich.

Nun hat Frau Köppen – dies ist der erste Fall – frei-
mütig bekannt, dass sie über keine dieser Qualifikations-
merkmale verfügt hat. In brand eins heißt es:

Warum man ausgerechnet sie gefragt hat, kann sie
nicht erklären. Sie sagt: „Mit dem deutschen Dis-
kriminierungsgesetz

– eigentlich müsste es „Antidiskriminierungsgesetz“ hei-
ßen; aber da weiß sie ja nicht so Bescheid –

hatte ich mich bis dahin gar nicht befasst. Ich
kannte das nur auf europäischer Ebene.“

Ich vermute, sie kannte das nur aus der Zeitung.

Im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend hat sie zu dem anderen Qualifikationsmerkmal, das
Sie benannt haben, freimütig bekannt, dass sie, als sie
ihre Stelle angetreten habe, keine Erfahrung mit der
Presse gehabt habe. Das war die Begründung für ein
Presse-Coaching, verbunden mit einem sechsstelligen
bzw. fünfstelligen Betrag für den deutschen Steuerzah-
ler.

Bei dem, was Sie hier zu Frau Lüders vorgetragen ha-
ben, zeigt sich der gleiche Befund. Sie behaupten, sie sei
Integrationsexpertin. Abgesehen davon, dass man des-
halb, weil man Deutschkurse konzipiert, noch kein Ex-
perte für das Thema Benachteiligungen ist, ist die ein-
zige Qualifikation, die mir bekannt ist und die übrigens
Ihr Pressereferat gegenüber meinen Mitarbeitern bestä-
tigt hat und die auch auf der Internetseite Ihres Ministe-
riums steht, die, dass sie einmal Pressesprecherin im nord-
rhein-westfälischen Familienministerium war. Der Titel
dieses Ministeriums beinhaltet neben vielen anderen Be-
griffen das Wort „Integration“. Das macht sie aber noch
lange nicht zu einer Integrationsexpertin und schon gar
nicht zu einer Antidiskriminierungsexpertin.

Deshalb frage ich Sie: Spielen Kenntnisse im Bereich
der Antidiskriminierungsarbeit und der Antidiskriminie-
rungspolitik bei der Besetzung der Leitung der Antidis-
kriminierungsstelle des Bundes eine Rolle, und, wenn
nein, welche Qualifikationsmerkmale sind dann erheb-
lich? Denn alle von Ihnen benannten haben bei den letz-
ten beiden Besetzungen keine Rolle gespielt.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702105200

Sie haben das Wort für eine Antwort, Herr Staatsse-

kretär.

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1702105300


Herr Kollege Beck, da Ihre Frage lang war, antworte
ich kurz: Sie spielen eine Rolle.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702105400

Damit hat der Kollege Beck das Wort zu einer zwei-

ten Nachfrage.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702105500

Welche Qualifikation auf dem Gebiet der Benachteili-

gungen bzw. welche konkrete Erfahrung mit der Be-
kämpfung von Diskriminierung hat die neue Stelleninha-
berin tatsächlich gehabt, oder können Sie das nicht
nennen?

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1702105600


Ich habe Ihnen den Ansatz bezogen auf die Antidis-
kriminierungsstelle erläutert. Er ist wesentlich breiter,
als Sie das eben in Ihrer Frage zugrunde gelegt haben.
Daraus habe ich die Schlussfolgerung gezogen, dass
Frau Lüders die notwendige Qualifikation dafür hat. Sie
sollten jetzt vielleicht einmal abwarten. Wenn sie arbei-
tet, dann werden Sie sicherlich auch davon überzeugt
sein.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also keine!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702105700

Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Seifert

das Wort.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702105800

Herr Staatssekretär, da Sie sehr ausschweifend nichts

gesagt haben,


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das ist die Aufgabe von Staatssekretären!)


darf ich jetzt zumindest einmal die Meinung aus dem
Kreis der Betroffenen zur Kenntnis geben. Man hat den
Eindruck, dass es besonders wichtig ist, eine besondere
Nähe zur CDU zu haben, um als für diese Stelle qualifi-
ziert zu gelten.

Ich darf diesbezüglich fragen, ob es hier irgendeinen
Zusammenhang damit gibt, dass Deutschland neben der
Tschechischen Republik der einzige Staat ist, der auf der
europäischen Ebene bei der Einführung einer allgemei-
nen Antidiskriminierungsrichtlinie besonders bremst. Ist
es eine Voraussetzung für die Berufung in dieses Amt,
hier möglichst viel zu bremsen? Diesen Eindruck hat
man jedenfalls in den Gruppen, die diskriminiert wer-
den.

Dr
Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1702105900


Herr Abgeordneter, Sie können das aus Ihrer Sicht so
sehen und so darstellen,


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Das ist so!)


aber ich glaube, das ist nicht die einzige Interpretation
der Einschätzung der Betroffenen.

Ich sage ausdrücklich: Ich weiß nicht einmal, ob Frau
Lüders einer politischen Partei angehört.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Ich habe von nahestehen gesprochen!)


Wenn sie einer politischen Partei angehört, dann darf sie
deswegen zumindest nicht benachteiligt werden. Ich
glaube, an der Stelle sind wir uns einig.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das ist Antidiskriminierung!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702106000

Danke, Herr Staatssekretär. Wir sind damit am Ende

Ihres Geschäftsbereichs.

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Gesundheit.

Die Fragen 10 und 11 des Kollegen Harald Weinberg
werden schriftlich beantwortet.

Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Enak Ferlemann zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 12 der Kollegin Dr. Valerie Wilms
auf:

Wie kommt das Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung in seiner Antwort auf meine schriftliche
Frage 61 auf Bundestagsdrucksache 17/494 zu der Erkennt-
nis, dass es keinerlei Hinweise auf mangelnde Objektivität
der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers
gebe, obwohl der Bundesrechnungshof festgestellt hat, dass
Interessenkonflikte nicht ausgeschlossen werden können und
dass sich außerdem verschiedene Stellen innerhalb der Wirt-
schaftsprüfungsgesellschaft gegenseitig zum wirtschaftli-
chen Vorteil beeinflussen, bevor die interne Prüfung abge-
schlossen ist?

Bitte, Herr Staatssekretär.

E
Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1702106100


Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Die Frage be-
antworte ich wie folgt: Der Bundesrechnungshof hat bei
seiner Prüfung keine Anhaltspunkte dafür gefunden,
dass es bei der von ihm dargestellten Verflechtung tat-
sächlich zu Fehlbeurteilungen oder sachfremden Erwä-
gungen zulasten des Bundes gekommen ist.

Konkrete Hinweise hat der Bundesrechnungshof in
dem Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen
Bundestages nach § 88 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung
über die Einbindung einer Wirtschaftsprüfungsgesell-
schaft in die Schifffahrtsförderpolitik vom 29. Dezember
2009 nicht dokumentiert. Die Wirtschaftsprüfungsge-
sellschaft PricewaterhouseCoopers hat gegenüber dem
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung bestätigt, dass die gesetzlichen Regelungen zur
Überprüfung der Unabhängigkeit eingehalten werden
und dass insbesondere kein interner Informationsaus-
tausch stattfindet.

Derzeit wird der Bericht des Bundesrechnungshofes
durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung intensiv geprüft. Entsprechend den
Anmerkungen des Bundesrechnungshofes werden die
verschiedenen Varianten für die zukünftige Aufgaben-
wahrnehmung im Bereich der Förderprogramme für die
Seeschifffahrt untersucht und nach Abschluss der Prü-
fung gewertet.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702106200

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702106300

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Ich habe noch

eine Nachfrage: Welche Teile des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung werden zukünf-
tig im Zusammenhang mit der Schifffahrtsförderpolitik
geprüft, wie wird diese Prüfung ausgestaltet, und wann
und in welcher Form werden der Bundestag und die Öf-
fentlichkeit über die Ergebnisse informiert?

E
Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1702106400


Derzeit kann ich noch nicht genau sagen, wie wir das
organisieren, weil wir noch in der Prüfung sind. Sonst
könnten wir uns die Prüfung schenken, wenn uns das Er-
gebnis schon vorher bekannt wäre.

Wir werden dann ausführlich gegenüber dem Bundes-
rechnungshof und den zuständigen Ausschüssen dazu
Stellung nehmen, also etwa die Mitglieder des Verkehrs-
ausschusses darüber informieren.






(A) (C)



(B) (D)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702106500

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.


Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702106600

Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, es laufen sicher-

lich noch weiterhin Anträge auf Schiffsbauförderung.
Wann und von wem werden die nächsten Anträge zur
Schifffahrtsförderung bearbeitet, und wann werden im
Bereich der Schifffahrtsförderpolitik die neuen Berater-
verträge vergeben?

E
Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1702106700


Derzeit bestehen noch rechtliche Verpflichtungen.
Das heißt, 2010 gilt noch das bisherige Verfahren. Ab
1. Januar 2011 müssen wir ein neues Verfahren anwen-
den. Dazu liegen verschiedene Vorschläge vor, wie das
Verfahren künftig organisiert werden kann. Das Jahr
2010 wird noch wie bisher abgewickelt.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702106800

Die Fragen 13 und 14 des Kollegen Markus Kurth zur

Barrierefreiheit in den neuen ICx-Zügen sowie zu Pro-
grammen zur Herstellung der Barrierefreiheit von Bahn-
anlagen und Fahrzeugen werden ebenso wie die Frage 15
der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch zur Wahrnehmung der
Kontrollpflichten im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn
durch die Vertreter der Bundesregierung schriftlich be-
antwortet.

Ich rufe die Frage 16 der Kollegin Silvia Schmidt auf:
Wird die Bundesregierung den Grundsatz der Barrierefrei-

heit in Verkehr, Bau, Wohnungswesen und Kommunikation
mit einer Gesetzesinitiative fördern, und wie soll insbeson-
dere die umfassende Barrierefreiheit im Bereich der Liegen-
schaften und Züge der Deutschen Bahn AG gewährleistet
werden?

Bitte, Herr Staatssekretär.

E
Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1702106900


Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich beantworte die
Frage wie folgt: Die Herstellung von Barrierefreiheit für
Ältere sowie für behinderte und in ihrer Mobilität einge-
schränkte Menschen hat für die Bundesregierung eine
hohe Bedeutung, die vor dem Hintergrund des demogra-
fischen Wandels künftig noch wachsen wird. Die ausrei-
chende Gewährleistung von Barrierefreiheit im Ver-
kehrs-, Bau- und Wohnungswesen sowie in der
Kommunikation ist ein wichtiger Faktor für eine selbst-
bestimmte und gleichberechtigte Teilhabe am gesell-
schaftlichen Leben.

Die Herstellung der Barrierefreiheit ist ein dynami-
scher Prozess, der nur schrittweise und unter Berück-
sichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vollzo-
gen werden kann. Da aufgrund der langen Lebensdauer
vorhandener, noch nicht barrierefrei konzipierter Infra-
struktureinrichtungen und Fahrzeuge der Nachholbedarf
nur nach und nach erfüllt werden kann, werden sukzes-
sive bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, Sys-
teme der Informationsverarbeitung und Kommunika-
tionseinrichtungen so gestaltet, dass sie für ältere,
behinderte und in ihrer Mobilität eingeschränkte Men-
schen ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich
ohne fremde Hilfe nutzbar sind.

Politische Entscheidungen, die Menschen mit Behin-
derungen direkt oder indirekt betreffen, müssen sich au-
ßerdem am Übereinkommen der Vereinten Nationen
über die Rechte von Menschen mit Behinderungen mes-
sen lassen. Zur Umsetzung des Übereinkommens wird
die Bundesregierung einen Aktionsplan entwickeln.

Die Zielbestimmung zur Barrierefreiheit im Bereich
der Eisenbahnen ist durch Art. 52 des Gesetzes zur
Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung
anderer Gesetze konkretisiert worden. Der dadurch ge-
änderte § 2 Abs. 3 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung
verpflichtet die Eisenbahnen, Programme für die Gestal-
tung von Bahnanlagen und Fahrzeuge mit dem Ziel zu
erstellen, eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit
für deren Nutzung zu erreichen.

Die im Wettbewerb am Verkehrsmarkt operierenden
Eisenbahnunternehmen haben die Bedingungen für die
Herstellung der Barrierefreiheit im Einzelnen in eigener
unternehmerischer Verantwortung zu regeln und darüber
zu entscheiden, welche Art von Maßnahmen zur Herstel-
lung der Barrierefreiheit ergriffen werden und zu wel-
chem Zeitpunkt Investitionen von ihnen aufzubringen
sind.

So können die Aufwendungen für die betreffenden
Verbesserungen mit den wirtschaftlichen Belangen der
Eisenbahnen in Einklang gebracht und nach Prioritäten
geordnet werden – das sind die sogenannten Bedarfs-
schwerpunkte –, damit möglichst viele Bahnreisende
von den Verbesserungsmaßnahmen profitieren. Sofern
eine Maßnahme zur Herstellung der Barrierefreiheit in
einem Programm festgeschrieben ist, muss das betref-
fende Eisenbahnunternehmen diese verpflichtend umset-
zen. Die Verpflichtung wird aber von der zuständigen
Eisenbahnaufsichtsbehörde überwacht.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702107000

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Silvia Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1702107100

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Ich habe eine

Nachfrage; Ihre Antwort war sehr allgemein gehalten.

Ich verweise auf die Verordnung der EU über die
Rechte und Pflichten der Fahrgäste im grenzüberschrei-
tenden Eisenbahnverkehr. In Art. 19 dieser Verordnung
wird eindeutig festgestellt, dass die Eisenbahnunterneh-
men und die Bahnhofsbetreiber unter Beteiligung der
Vertretungsorganisationen, also nach dem Motto „Nichts
ohne uns über uns“ zusammen mit den Betroffenen, dis-
kriminierungsfreie Zugangsregeln zu schaffen haben.
Dazu sollen entsprechende Zielvereinbarungen getroffen
werden.

Meine Frage ist: Ist das bereits geschehen? Erfolgt
das nur bei der Bahn AG, oder ist der Bund involviert?
Das müsste schließlich der Fall sein. Welchen Zeitplan
gibt es in diesem Zusammenhang?






(A) (C)



(B) (D)

E
Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1702107200


Grundsätzlich ist für die Ausgestaltung ausschließlich
die Deutsche Bahn zuständig, weil das in die Zuständig-
keit der DB Station & Service AG fällt. Natürlich bera-
ten wir als Bund mit, vor allem dann, wenn Infrastruk-
turmittel aus dem Bundeshaushalt für Baumaßnahmen
zur Verfügung gestellt werden müssen. In diesen Fällen
wird auch im Vorfeld einer solchen Maßnahme mit den
entsprechenden Verbänden und Organisationen intensiv
beraten. Das läuft sukzessive. Man kann nicht alles
gleichzeitig machen. Das kommt Projekt für Projekt
voran.


Silvia Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1702107300

Ich habe noch eine Nachfrage. Können Sie mir einen

Zeitplan nennen? Gibt es schon eine gemeinsame Ar-
beitsgruppe mit dem Bund bei der Bahn, in der eine Ziel-
vereinbarung erarbeitet wird, wann in den nächsten zehn
Jahren eine barrierefreie Bahn entstehen soll, oder wird
darüber noch philosophiert?

E
Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1702107400


Darüber wird nicht philosophiert, sondern daran wird
konkret gearbeitet. Aber einen konkreten Zeitplan für
alle Maßnahmen in ganz Deutschland kann es nicht ge-
ben.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702107500

Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Ilja

Seifert das Wort.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702107600

Herr Staatssekretär, mir ist nicht ganz klar, warum Sie

sagen, dass ausschließlich die DB Station & Service AG
dafür zuständig sei. Wir sind doch der Gesetzgeber. Es
gibt die Möglichkeit, allen Bahnunternehmen, die in
Deutschland aktiv sind, gesetzliche Vorgaben zu ma-
chen. Es wäre daher durchaus sinnvoll, zu sagen: Bis
zum Tag X haben alle Bahnen und rollenden Gegen-
stände barrierefrei zu sein, und bis zum Tag Y haben alle
Stationen und Bahnhöfe barrierefrei zu sein. Solche Fris-
ten könnten wir hier doch gesetzlich festlegen, wenn die
Regierung einen entsprechenden Gesetzentwurf vor-
legte. Warum kommen Sie nicht auf die Idee, so etwas
vorzuschlagen?

E
Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1702107700


So etwas kann man gar nicht vorschlagen; denn man
müsste unendlich viel Geld bereitstellen, wenn man
sofort die vielen Anlagen, die es in Deutschland gibt,
barrierefrei machen wollte.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Man muss eine Frist setzen!)


Deswegen ist kein konkreter Zeitpunkt zu benennen.
Was man machen kann, ist, nach Prioritäten vorzugehen
und dort, wo es besonders viele Fahrgäste gibt, zu begin-
nen und den weiteren Bedarf sukzessive zu decken. Aber
dafür einen konkreten Zeitpunkt zu benennen, würde die
Bundesregierung völlig überfordern.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Das ist wahr!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702107800

Danke, Herr Staatssekretär.

Die weiteren Fragen zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
beantwortet der Parlamentarische Staatssekretär Jan
Mücke.

Ich rufe die Frage 17 der Kollegin Silvia Schmidt auf:
Wie plant die Bundesregierung den im demografischen

Wandel steigenden Bedarf an barrierefreien Wohnungen zu
decken, und wann wird das Förderprogramm der KfW Ban-
kengruppe zur Zinsvergünstigung von altersgerechtem Woh-
nungsumbau neu aufgelegt?

Bitte, Herr Staatssekretär.

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1702107900


Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Kollegin
Schmidt, die Bundesregierung unterstützt die Woh-
nungswirtschaft und Einzeleigentümer bei der alters-
und behindertengerechten Anpassung von bestehenden
vermieteten und selbst genutzten Wohngebäuden mit
dem zum 1. April 2009 gestarteten KfW-Programm
„Wohnraum Modernisieren – Altersgerecht Umbauen“.
Hierfür wurden im Jahr 2009 im Rahmen des Konjunk-
turpaketes I im Bundeshaushalt, in Einzelplan 12, Pro-
grammmittel in Höhe von 80 Millionen Euro zur Ge-
währung zinsverbilligter Darlehen bereitgestellt. Ebenso
sind im Entwurf der Bundesregierung zum Haushalt
2010 erneut 80 Millionen Euro vorgesehen, um eine
Zinsverbilligung über die KfW zu ermöglichen.

Ferner enthält der Ihnen vorgelegte Regierungsent-
wurf zusätzlich eine neue Zuschusskomponente in Höhe
von 20 Millionen Euro insbesondere für die Förderung
selbst nutzender Wohnungseigentümer. Dies trägt der
Tatsache Rechnung, dass gerade ältere Menschen oft
keine Finanzierung mehr bei einer Bank bekommen
bzw. keine Finanzierung mehr wünschen. Deshalb hat
die Bundesregierung beschlossen, einen Zuschuss zu
zahlen. Darüber hinaus fördern wir mit dem Programm
Baumodelle der Altenhilfe und der Behindertenhilfe so-
wie mit der aktuellen Initiative „Wohnen für (Mehr) Ge-
nerationen – Gemeinschaft stärken, Quartier beleben“
die Schaffung beispielgebender Wohnprojekte, die sich
unter anderem durch besonders barrierefreie Lösungen
auszeichnen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702108000

Sie haben das Wort zu Ihrer ersten Nachfrage.


Silvia Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1702108100

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Mir sind die Mo-

delle natürlich bekannt. Vor allem der ehemalige Minis-
ter Herr Tiefensee hat die 80 Millionen Euro auf den
Weg gebracht. Ist Ihnen aber bekannt, dass deutschland-
weit gerade einmal 300 000 barrierefreie Wohnungen






(A) (C)



(B) (D)


Silvia Schmidt (Eisleben)

existieren, dass wir aber laut Aussage der KfW und an-
derer Institute in den nächsten Jahren ungefähr
13 Millionen Wohnungen brauchen, um Barrierefreiheit
zu gewährleisten und sicherzustellen, dass ältere Men-
schen nicht in ein Heim gebracht werden müssen? Ange-
sichts dessen sind Summen wie 80 Millionen oder
20 Millionen Euro ausgesprochen gering. Mit der Förde-
rung der Schaffung von barrierefreiem Wohnraum soll
zudem die mittelständische Bauwirtschaft unterstützt
werden.

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1702108200


Frau Kollegin, die Bundesregierung ist sich der Be-
deutung der Barrierefreiheit gerade für die ältere Gene-
ration vollständig bewusst. Die Vorgängerregierung und
auch die jetzige Regierung haben sich extrem stark dafür
engagiert, dass diesem Aspekt eine größere Bedeutung
zukommt. Das sehen Sie schon allein daran, dass wir
eine Aufstockung dieses Programms um 20 Millionen
Euro vorgenommen haben. Ich glaube, dass wir mit den
jetzigen Ansätzen sehr gut vorankommen. Sie sollten
aber andere KfW-Programme nicht außer Acht lassen,
beispielsweise das Wohneigentumsprogramm. Bei diesen
Programmen wird ebenfalls großer Wert auf barriere-
freies Bauen in Deutschland gelegt. Es ist sicher wün-
schenswert, noch mehr Geld dafür auszugeben. Wir sind
aber zuversichtlich, dass wir mit dieser Steigerung der
Programmmittel um immerhin 25 Prozent dem steigen-
den Bedarf Rechnung tragen. Sie haben absolut recht
– das möchte ich ausdrücklich unterstreichen –, dass es
sowohl im Interesse der älteren Menschen als auch im
volkswirtschaftlichen Interesse ist, dass ältere Men-
schen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, mög-
lichst lange in ihrer Wohnung bleiben können. Deshalb
wird diese Politik weiter von uns fortgeführt werden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702108300

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.


Silvia Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1702108400

Vielen Dank. – Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt,

dass die EU eine Richtlinie vorbereitet, wonach alle
Wohnungen, auch die bereits bestehenden, barrierefrei
bzw. altengerecht oder behindertengerecht umgebaut
werden sollen? Die Wohnungswirtschaft hat sich dazu
deutlich positioniert und gefordert, dass die Bundesre-
gierung, wenn die Richtlinie verabschiedet wird, Förder-
programme auflegt.

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1702108500


Frau Kollegin, dieser Verordnungsentwurf ist mir be-
kannt. Die Bundesregierung hat aus grundsätzlichen Er-
wägungen Probleme mit diesem Entwurf. Wir sind der
festen Überzeugung, dass hier der Subsidiaritätsgrund-
satz greift. Die Städtebaufördermaßnahmen im Woh-
nungsbereich sind ausdrücklich eine Angelegenheit der
Nationalstaaten. Deshalb setzen wir darauf, dass wir in
Deutschland die besten Lösungen dafür finden und keine
Verordnungen der Europäischen Union benötigen.


(Beifall bei der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702108600

Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Ilja

Seifert das Wort.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702108700

Herr Staatssekretär, Sie haben gerade zum wiederhol-

ten Male gesagt, dass sich die Bundesregierung der Be-
deutung der Barrierefreiheit in allen Bereichen sehr be-
wusst ist. Das freut mich sehr. Mich wundert daher
schon ein bisschen, dass Sie diesbezügliche europäische
Initiativen eher ablehnen. Meine Frage geht in folgende
Richtung: Dass Sie eine Menge Sonderprogramme ha-
ben, ist schön und gut, aber wäre es nicht sinnvoll, um
Barrierefreiheit in allen Bereichen herzustellen, dann
auch allgemeingültige, dauerhafte Regelungen zu fin-
den, zum Beispiel steuerliche Erleichterungen wie beim
Umbau von denkmalgeschützten Wohnungen oder bei
der energetischen Gebäudesanierung? So könnten dieje-
nigen, die die Baumaßnahmen vornehmen, egal ob die
Wohnungen gewerblich oder selbst genutzt werden,
langfristig steuerliche Erleichterungen erhalten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702108800

Bitte, Herr Staatssekretär.

J
Jan Mücke (FDP):
Rede ID: ID1702108900


Sehr geehrter Herr Kollege Seifert, ich tue es nur sehr
ungern, aber ich möchte Sie korrigieren. Es gibt keine
steuerlichen Sonderabschreibungsmöglichkeiten für die
CO2-Gebäudesanierung, sondern dafür gibt es ebenfalls
ein KfW-Förderprogramm. Dieses CO2-Gebäudesanie-
rungsprogramm der KfW ist extrem erfolgreich. Deshalb
denken wir, dass wir mit dem KfW-Förderprogramm für
barrierefreies Bauen den richtigen Schritt gegangen sind.
Die Bundesregierung plant keine steuerliche Abschrei-
bungsmöglichkeit. Insofern muss ich Sie auf die KfW-
Programme verweisen.

Wichtig ist uns vor allen Dingen, dass wir mit diesem
KfW-Programm einen Anreiz setzen, privates Geld zu
investieren. Sie dürfen nicht vergessen, dass das Verhält-
nis von öffentlicher Förderung und privater Finanzie-
rung ungefähr bei 1 : 7 liegt. Das kommt auf das Pro-
gramm an. Das heißt, dass 1 Euro staatlicher Förderung
private Investitionen in Höhe von 7 bis 8 Euro nach sich
zieht. Das ist ein sehr erfolgreiches Programm. Außer-
dem möchte ich Sie auf die diversen Programme der
Länder verweisen. Auch die Länder haben einzelne Pro-
gramme aufgelegt, gerade in dem Bereich von Heimen,
aber auch in anderen Wohnungsbereichen. Die Pro-
gramme sind in den Ländern sehr unterschiedlich ausge-
stattet. Das ist mir bewusst. Das, was wir auf Bundes-
ebene tun, ist aus meiner Sicht außerordentlich
vorzeigenswert, insbesondere im europäischen Ver-
gleich.






(A) (C)



(B) (D)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702109000

Danke, Herr Staatssekretär. – Wir sind damit am Ende

Ihres Geschäftsbereichs.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamenta-
rische Staatssekretärin Katherina Reiche zur Verfügung.

Ich rufe Frage 18 der Kollegin Cornelia Behm auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Rechtssicherheit ei-

nes Genehmigungsverfahrens für die Ausrüstung eines der
sechs Kraftwerksblöcke des Kraftwerkes Jänschwalde in
Brandenburg mit einer CO2-Abscheidungsanlage durch das
Unternehmen Vattenfall nach dem Bundes-Immissionsschutz-
gesetz, obwohl es sich hierbei um eine ganz neue, bisher nicht
erprobte Technologie handelt und noch keine gesetzliche
Grundlage für die Schaffung von CO2-Lagerstätten beschlos-
sen wurde, geschweige denn diese Lagerstätten gefunden und
genehmigt sind?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702109100


Frau Präsidentin! Frau Kollegin Behm, ich beant-
worte Ihre Frage wie folgt: Nach Auskunft des Landes
Brandenburg liegt bislang kein Antrag der Firma Vatten-
fall zu dem geplanten Vorhaben vor. Über Einzelheiten
des Antragsgegenstandes und deren rechtlicher Bewer-
tung können daher noch keine belastbaren Aussagen ge-
troffen werden. Die Antragsunterlagen sollen vom Un-
ternehmen derzeit vorbereitet werden. Vorgesehen sei,
Ende Februar 2010 mittels eines sogenannten Scoping-
Termins den Untersuchungsrahmen für die Umweltver-
träglichkeitsprüfung zu ermitteln.

Parallel zu der dann vorgesehenen Umweltverträg-
lichkeitsuntersuchung sollen von dem Unternehmen die
Antragsunterlagen für das Vorhaben erstellt werden. Die
Antragstellung für die Genehmigung nach dem Bundes-
Immissionsschutzgesetz sei nach derzeitigem Planungs-
stand für das Frühjahr 2011 geplant. Sie sei abhängig
von den Erkenntnissen im Rahmen der Umweltverträg-
lichkeitsuntersuchung und der Fertigstellung notwendiger
Gutachten. Das immissionsschutzrechtliche Genehmi-
gungsverfahren ist auf der Grundlage des konkreten Ge-
nehmigungsantrags durchzuführen. Die Genehmigungs-
behörde des Landes Brandenburg wird auf der
Grundlage der geltenden Vorschriften des Bundes-Im-
missionsschutzgesetzes entscheiden, ob die Genehmi-
gungsvoraussetzungen vorliegen. Soweit die Abschei-
dungsanlage Teil des Kraftwerks sein soll, ist diese
bereits nach dem geltenden Bundes-Immissionsschutz-
gesetz genehmigungspflichtig. Für die Genehmigungs-
erteilung ist es nicht ausschlaggebend, ob es für die Ein-
lagerung von CO2 bereits einen gesetzlichen Rahmen
gibt.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702109200

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702109300

Vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage, Frau

Staatssekretärin. – Nehmen wir an, diese Anlage zur Ab-
scheidung von CO2 wird nach Bundes-Immissions-
schutzgesetz genehmigt, obwohl es kein CCS-Gesetz
gibt und obwohl es kein Lagerstättenkonzept gibt. Dann
stellt sich natürlich die Frage: Wohin mit dem CO2? – Es
geht um abgeschiedenes Kohlendioxid in einer nicht ge-
ringen Größenordnung. Plant die Bundesregierung, für
diesen Fall Zwischenlager für das CO2 einzurichten,
oder wie darf man sich das vorstellen?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702109400


Nach Auskunft von Vattenfall ist bislang vorgesehen,
in den Demonstrationsblöcken die CO2-Abscheidung zu
testen und zu demonstrieren und das CO2 gegebenenfalls
wieder in den Abgasstrom zurückzuführen, falls noch
keine Verbringungsstätten verfügbar sind. Das immis-
sionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ist zu-
sammen mit der Durchführung einer Umweltverträglich-
keitsprüfung geeignet, auch neue und bislang nicht
erprobte Technologien zu beurteilen. Bei einer neuen
Technologie wird die zuständige Landesbehörde die Ein-
haltung der einschlägigen rechtlichen Anforderungen
sehr eingehend prüfen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702109500

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.


Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702109600

Das ist eine spannende Geschichte. Das CO2 wird

zwar abgeschieden, dann aber wieder auf die Mensch-
heit bzw. auf die Umwelt losgelassen. Wie darf man sich
diese Technologie vorstellen? Wenn das CO2 einmal ab-
gefangen und möglicherweise komprimiert worden ist,
wie soll es dann schad- und störungsfrei wieder in die
Umwelt entlassen werden?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702109700


Es handelt sich um Demonstrationsanlagen. Demons-
trationsanlagen dienen dazu, technische Prozesse zu eva-
luieren und zu erforschen. Parallel sollen das Oxyfuel-
Verfahren und eine nachgeschaltete CO2-Rauchgas-
wäsche erprobt und demonstriert werden. Da es sich um
Erprobung und Demonstration der Abscheidung in einer
Nebenanlage eines Kraftwerks handelt, reicht die beste-
hende gesetzliche Grundlage.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702109800

Zu einer weiteren Nachfrage zur Frage 18 hat die

Kollegin Bärbel Höhn das Wort.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702109900

Frau Staatssekretärin, eine mit viel EU-Geld subven-

tionierte Pilotanlage fängt zwar CO2 ab, fügt es aber dem
Abgasstrom zu, sodass am Ende genauso viel CO2 wie
vorher in der Luft ist. De facto wird damit das Ziel dieser






(A) (C)



(B) (D)


Bärbel Höhn
Pilotanlage, nämlich CO2 abzufangen, verfehlt. CCS be-
deutet „Carbon Dioxide Capture and Storage“. Das
heißt, „Capture“ findet zwar statt; „Storage“ geschieht
allerdings im Abgasstrom und damit in der Atmosphäre.
Verstehe ich Sie richtig?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702110000


Frau Abgeordnete Höhn, in die konkrete Projektent-
wicklung ist die Bundesregierung nicht einbezogen. Das
ist eine Aufgabe der Unternehmen und der dort stattfin-
denden Forschung.

Unsere Aufgabe ist es, die EU-Richtlinie in nationales
Recht umzusetzen, also einen gesetzlichen Rahmen zu
schaffen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702110100

Herr Krischer, Sie haben das Wort zu einer weiteren

Nachfrage.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702110200

Wenn ich richtig informiert bin, wird dieses Projekt

öffentlich gefördert. Das CO2 wird jedoch nicht in den
Untergrund verpresst; stattdessen wird es über einen län-
geren Zeitraum dem Abgasstrom zugeführt. Dafür gibt
es keine Rechtsgrundlage. Wird die öffentliche Förde-
rung angesichts dessen zurückgefordert, oder läuft sie
immer weiter? Wie habe ich mir das vorzustellen?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702110300


Die Verantwortung für den Vollzug des Bundes-Im-
missionsschutzgesetzes – darauf zielt Ihre Frage – liegt
beim Land Brandenburg. Es gibt nach dem Bundes-Im-
missionsschutzgesetz keine Abhängigkeit zwischen der
Genehmigung der Anlage und der Genehmigung der
Möglichkeit der Einlagerung von CO2. Die Emission
von CO2 ist im TEHG geregelt. Alles andere, was sich
dazu aus § 5 Abs. 1 Satz 3 Bundes-Immissionsschutzge-
setz ergibt, kann durch die Anlagengenehmigung nicht
begrenzt werden. Der gesetzliche Rahmen für die ge-
samte CCS-Kette wird vorbereitet. Wir sind dazu durch
eine EU-Richtlinie verpflichtet.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702110400

Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Ott das

Wort.


Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702110500

Frau Staatssekretärin, die Frage der Kollegin Behm

bezog sich nicht darauf, wer die Hoheit in dem Verfah-
ren hat, sondern darauf, wie die Bundesregierung diese
Vorgänge bewertet. Da würde ich gern nachhaken: Wie
bewerten Sie, dass hier anscheinend mit Genehmigun-
gen gearbeitet wird, die mehr oder weniger hinfällig
sind?
Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702110600


Ich teile Ihre Einschätzung nicht. Sobald ein gesetzli-
cher Rahmen vorliegt, der es erlaubt, auch Lagerstätten
auszuweisen und abgeschiedenes CO2 diesen Lagerstät-
ten zuzuführen, wird der Prozess entsprechend eröffnet.
Bis dahin reicht für Abscheidung in einer Nebenanlage
eines Kraftwerks der durch das Bundes-Immissions-
schutzgesetz vorgegebene rechtliche Rahmen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702110700

Wir kommen damit zur Frage 19 der Kollegin Behm:

Welchen Zeitpunkt hat die Bundesregierung für das Inkraft-
treten eines CCS-Gesetzes – CCS: Carbon Dioxide Capture
and Storage –, welches Transport und Lagerung des in deut-
schen Kraftwerken abgeschiedenen CO2 regelt und dabei alle
Beeinträchtigungen, Risiken und Gefahren für Mensch und
Umwelt langfristig auszuschließen in der Lage ist?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702110800


Frau Präsidentin! Frau Kollegin Behm, die Bundes-
regierung wird rechtzeitig die Voraussetzungen dafür
schaffen, dass die gesamte Kette der CCS-Technologien
nach den Vorgaben der Richtlinie über die Abscheidung,
den Transport und geologische Speicherungen von Koh-
lendioxid geregelt wird. Die Verabschiedung eines natio-
nalen CCS-Gesetzes noch im Laufe des Jahres 2010
wird angestrebt. Die Frist zur Umsetzung der CCS-
Richtlinie endet am 25. Juni 2011.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702110900

Frau Behm, Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702111000

Frau Staatssekretärin, Sie haben soeben etwas zum

zeitlichen Rahmen und zu dem, was die Bundesregie-
rung anstrebt, gesagt. In meiner Frage bin ich ziemlich
deutlich darauf eingegangen, dass mit diesem Gesetz
alle Risiken, alle Besorgnisse, alle Gefahren für Mensch
und Umwelt wirklich auszuschließen sind. Bereits die
Vorgängerregierung hat einen entsprechenden Gesetz-
entwurf ausgearbeitet, der zurückgezogen werden
musste, weil es aus betroffenen Regionen massive Pro-
teste gab, insbesondere aus Schleswig-Holstein und aus
Brandenburg. Diese Proteste basierten insbesondere da-
rauf, dass die vielen Fragen, die die Betroffenen in den
Regionen hatten, nicht beantwortet werden konnten.

Nachdem Sie den von Ihnen gewünschten Zeitplan
genannt haben, frage ich Sie jetzt: Wird die Bundes-
regierung dieses Gesetz erst dann auf den Weg bringen,
wenn alle Fragen der Betroffenen – ich könnte Ihnen
ganze Fragenkataloge zuleiten, aber ich gehe davon aus,
dass Sie sie haben – wirklich schlüssig beantwortet sind?






(A) (C)



(B) (D)

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702111100


In einem Gesetzgebungsverfahren sind alle Betroffe-
nen anzuhören. Das werden wir tun. Erfahrungen liegen
in der Tat aus der letzten Legislaturperiode vor. Sorgen,
Ängste, Nöte und auch Widerstände muss man in einem
Gesetzgebungsprozess einbeziehen; darüber kann man
nicht hinweggehen.

Ich will auch nicht verhehlen, dass das Auftreten von
Vertretern einzelner Unternehmen in manchen Regionen
verbesserungsfähig ist. Aber darum geht es hier nicht.
Hier geht es darum, ein Gesetz zu schaffen, das den
höchstmöglichen Schutz von Mensch und Umwelt ge-
währleistet, gleichzeitig aber sicherstellt, dass wir in
Deutschland Kohle möglichst CO2-frei nutzen können.
Die CCS-Richtlinie zielt ja darauf ab, dass die große Be-
lastung durch den CO2-Ausstoß bei der Kohlenutzung
gemindert wird. Dafür sind verschiedene Arbeiten not-
wendig. Forschungsarbeiten laufen. Der gesetzliche
Rahmen muss diesem Ziel entsprechen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702111200

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.


Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702111300

Der zweite Teil Ihrer Antwort entsetzt mich ein biss-

chen. Sie sind als Staatssekretärin im Umweltministe-
rium in die Entwicklung involviert. Sie wissen genauso
gut wie ich, dass die Kohleverstromung eine sterbende
Technologie ist und dass die CCS-Technologie bei der
Kohleverstromung in Deutschland auf keinen Fall mehr
eingesetzt werden wird. Deswegen frage ich Sie: Inwie-
weit zielt das Gesetz auf die Abscheidung von CO2 aus
Kohlekraftwerken, und welchen Raum nimmt die Ab-
scheidung von CO2 beispielsweise aus Biomassekraft-
werken, aus Anlagen zur Zementherstellung oder zur
Metallverhüttung ein? Solche Anlagen werden wir in
Zukunft noch haben, und man könnte vermuten, dass der
Einsatz der CCS-Technologie dort sogar sinnvoll ist.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702111400


Die Richtlinie und ein entsprechendes Gesetz dienen
dem Klimaschutz. Das Gesetz wird sich in unsere Kli-
maschutzstrategie, die wir fortschreiben und weiterent-
wickeln, einpassen. Im Koalitionsvertrag haben wir am-
bitionierte Ziele festgelegt. Dass CCS keineswegs nur
geeignet sein kann, CO2 aus Kraftwerken abzufangen,
sondern auch in der Metallindustrie oder in der chemi-
schen Industrie – Sie haben Beispiele aufgezählt – eine
Option sein kann, muss man in die Betrachtungen einbe-
ziehen. Uns geht es darum, den Klimaschutz in Deutsch-
land weiterzuentwickeln und zu stärken, um unsere CO2-
Minderungsziele zu erfüllen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702111500

Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Oliver

Krischer das Wort.

Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702111600

Frau Staatssekretärin, ich habe an einer Veranstaltung

des Vereins „IZ Klima“ teilgenommen, der sich – ich
glaube, das kann man so sagen – sehr für den Einsatz der
CCS-Technologie engagiert. Dort hat Herr Staatssekretär
Homann aus dem Wirtschaftsministerium ein Grußwort
gesprochen. Er hat dargelegt: Ginge es nach dem Wirt-
schaftsministerium, dann würde man sofort einen Ge-
setzentwurf in das übliche Verfahren – Kabinett und Par-
lament – geben. Er hat ferner gesagt, das scheitere im
Moment daran, dass das Umweltministerium in einem
internen Findungsprozess sei. Könnten Sie mir erläutern,
worin dieser interne Findungsprozess im Umweltminis-
terium besteht, und könnten Sie mir darlegen, wie die
Ergebnisse dieses Prozesses voraussichtlich sein wer-
den?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702111700


Bei der Veranstaltung war ich nicht anwesend. Inso-
fern habe ich jetzt nur über Dritte, nämlich über Sie, ver-
nommen, was Herr Staatssekretär Homann gesagt haben
soll. Fakt ist, dass schon in der vergangenen Legislatur-
periode die Federführung für den Gesetzentwurf sowohl
beim BMU als auch beim BMWi lag. Die gemeinsame
Federführung wurde auch unter der neuen Regierung
aufrechterhalten. Es wird also einen gemeinsamen Ge-
setzentwurf geben.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702111800

Wir kommen damit zur Frage 20 des Kollegen

Dr. Hermann Ott:
In welcher Weise setzt die Bundesregierung die in der letz-

ten Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit des Deutschen Bundestages gemachte Aus-
sage der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Katherina Reiche um, innerhalb der EU für ein 30-prozentiges
CO2-Reduktionsziel zu werben, und wie war die Positionie-
rung Deutschlands in der EU in Bezug auf die unübliche
Übermittlung eines konditionierten Reduktionsziels – 20/30
Prozent – an das Klimasekretariat der Vereinten Nationen?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702111900


Frau Präsidentin! Herr Kollege Ott, die Bundesregie-
rung hat sich hinsichtlich der Meldung des EU-Emis-
sionsreduktionsziels für 2020 an das Klimasekretariat
der Vereinten Nationen entsprechend der Beschlusslage
des Europäischen Rates vom 10. und 11. Dezember des
Jahres 2009 für ein konditioniertes EU-Emissionsreduk-
tionsziel bis 2020 in Höhe von 30 Prozent gegenüber
dem Niveau von 1990 ausgesprochen. Diese Haltung
vertritt die Bundesregierung im Kreise der EU-Umwelt-
minister. Hierfür hat sich die Bundeskanzlerin in Kopen-
hagen eingesetzt. Dafür werden wir auch weiterhin ein-
treten.






(A) (C)



(B) (D)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702112000

Sie haben das Wort zu Ihrer ersten Nachfrage.


Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702112100

Vielen Dank. – Das höre ich ungern. Ich würde aber

dennoch gerne wissen, warum Bundesminister Röttgen
nach außen eine andere Ansicht vertritt. So hat er zum
Beispiel in einem Interview mit der Financial Times
vom 25. Januar dieses Jahres versprochen, dass sich die
Bundesregierung für ein 30-Prozent-Ziel innerhalb der
Europäischen Union einsetzt. So vermittelt er nach au-
ßen den Eindruck, dass die Bundesregierung fortschritt-
lich sei, was sie ja tatsächlich gar nicht ist, wie Sie hier
ja gerade bestätigt haben; denn auch Deutschland kämpft
nicht mehr dafür, dass sich die Europäische Union ein
unkonditioniertes 30-Prozent-Ziel setzt.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702112200


Deutschland ist ambitioniert, die Regierung ist ambi-
tionierter als es die Vorgängerregierung und auch die
beiden weiteren Vorgängerregierungen je waren.

Ich wiederhole mich ungern, tue es aber zum besseren
Verständnis: Es gibt ein gemeinsames Schreiben der spa-
nischen EU-Ratspräsidentschaft und der EU-Kommis-
sion an das UN-Klimasekretariat vom 28. Januar 2010.
Darin haben sich die EU und die EU-Mitgliedstaaten
formal der Kopenhagen-Vereinbarung angeschlossen so-
wie ein EU-Emissionsreduktionsziel für 2020 von 20 re-
spektive 30 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990
mitgeteilt. In der Fußnote wird die Konditionierung des
30-Prozent-Ziels auf Grundlage der Schlussfolgerungen
des Europäischen Rates, wie gerade ausgeführt, erläu-
tert. Im Anhang der Kopenhagen-Vereinbarung werden
auch alle EU-Mitgliedstaaten namentlich aufgeführt.

Sie erwecken den Eindruck, als sei das Aufstellen
bzw. die Übermittlung eines konditionierten Ziels ein
vollkommen unüblicher Vorgang. Das ist es nicht. Ne-
ben der EU haben zahlreiche weitere Industrieländer
ebenfalls ambitionierte Zielsetzungen davon abhängig
gemacht, dass es eine umfassende internationale Verein-
barung gibt, zum Beispiel Japan oder Australien. Eine
andere Haltung vertritt auch der Bundesminister nicht.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702112300

Sie haben das Wort zu Ihrer zweiten Nachfrage.


Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702112400

Es entschuldigt natürlich nicht, dass auch andere eine

solche defizitäre Haltung einnehmen. Es ist allerdings
im internationalen Bereich unüblich – darauf zielt die
Frage ab –, ein solches konditioniertes Angebot zu ma-
chen.

Dessen ungeachtet bestätigen Sie hier also, dass
sich die Bundesregierung nicht für ein unkonditioniertes
30-Prozent-Ziel einsetzt. Wenn es so ist, würde ich Sie
darum bitten, Ihrem Chef zu sagen, er solle das auch
nach außen nicht mehr so vertreten.
Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702112500


Die Bundesregierung hat sich für Deutschland ein
sehr ambitioniertes Ziel gesetzt. Das gibt mir die Gele-
genheit, hier noch einmal darauf hinzuweisen, dass
Deutschland eine Reduktion in Höhe von 40 Prozent als
Ziel, und das unkonditioniert, beschlossen hat und daran
arbeitet, dies umzusetzen.

Noch einmal: Für die EU gilt ein konditioniertes
30-Prozent-Ziel. Entgegen Ihrer Behauptung, ein solches
Vorgehen sei unüblich, kann ich Ihnen mitteilen, dass es
durchaus üblich ist, mit konditionierten Zielen zu arbei-
ten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702112600

Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin Bärbel

Höhn das Wort.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702112700

Frau Staatssekretärin, die EU hat bei den Verhandlun-

gen in Kopenhagen am Ende keine Rolle mehr gespielt.
Die USA haben Verabredungen mit China, Indien, Süd-
afrika und Brasilien getroffen. Alle Experten sagen, dass
die EU auch deshalb keine Rolle gespielt habe, weil sie
darauf beharrt habe, das konditionierte Reduktionsziel
aufrechtzuerhalten, und den Entwicklungsländern nicht
mit einem unkonditionierten 30-Prozent-Reduktionsziel
entgegengekommen ist.

Nach unseren Informationen ist es so gewesen, dass
Frankreich und Großbritannien ein unkonditioniertes
und Deutschland ein konditioniertes 30-Prozent-Ziel an-
gestrebt haben. Können Sie bitte hier einmal darlegen,
wie die interne Position von Frankreich und Großbritan-
nien an dieser Stelle war?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702112800


Frau Kollegin Höhn, Sie haben schon in der letzten
Fragestunde des Deutschen Bundestages am 27. Januar
Fragen zum 20- respektive 30-Prozent-Ziel bzw. zur un-
konditionierten oder konditionierten Anhebung des EU-
Klimaschutzzieles gestellt. Ich kann zu der Frage, wann
und an welcher Stelle welches Land welche Position ein-
genommen hat, nichts sagen. Ich trage Ihnen hier erneut
die Position der EU vor, der sich die Bundesregierung
angeschlossen hat. Gleichwohl bleibt es dabei, dass wir
in Deutschland ambitionierter vorgehen werden, um den
Beweis anzutreten, dass Wohlstandsgewinn und CO2-
Reduktion zwei Seiten einer Medaille sind.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702112900

Zu einer weiteren Nachfrage zur Frage 20 hat der

Kollege Ulrich Kelber das Wort.


Ulrich Kelber (SPD):
Rede ID: ID1702113000

Frau Staatssekretärin, ich möchte an die Frage der

Kollegin Höhn anschließen. Als die Staats- und Regie-
rungschefs von Spanien, Frankreich, Großbritannien und






(A) (C)



(B)


Ulrich Kelber
Schweden in Kopenhagen vorgeschlagen hatten, dass die
Europäische Union mit einem 30-Prozent-Ziel ohne Vor-
bedingungen in die Verhandlungen gehen sollte, hat die
deutsche Delegation, an diesem Tag sogar unter der Lei-
tung der Bundeskanzlerin, dem widersprochen und eine
20-prozentige Reduktion ohne Vorbedingungen und eine
30-prozentige Reduktion mit Vorbedingungen vorge-
schlagen. Können Sie das bestätigen?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702113100


Ich kann das nicht bestätigen und verweise an dieser
Stelle auf die Rede, die die Bundeskanzlerin im Rahmen
der Haushaltsdebatte gehalten hat. Zu diesem Punkt hat
sie ganz klar gesagt:

Ich bin sehr dafür, dass die Europäische Union auf
30 Prozent geht. Das kann nur passieren, wenn an-
dere europäische Mitgliedstaaten das 30-Prozent-
Ziel genauso unterstützen, wie die Bundesrepublik
Deutschland das tut.

Das war die Haltung, die wir in Kopenhagen vertreten
haben.


(Ulrich Kelber [SPD]: Eine glatte Lüge!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702113200

Die letzte Nachfrage zu dieser Frage stellt der Kol-

lege Oliver Krischer.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702113300

Frau Staatssekretärin, könnten Sie mir bitte erläutern,

wie die Bundesregierung bei den jetzt anstehenden Kon-
ferenzen und Klimaverhandlungen mit einem abge-
speckten, also mit einem konditionierten, 30-Prozent-
Ziel die internationalen Verhandlungen voranbringen
und dafür sorgen will, dass wir im internationalen Kli-
maschutz tatsächlich vorankommen?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702113400


Deutschland wird seine Ziele erreichen. Wir haben
sowohl gesetzliche Grundlagen geschaffen als auch vie-
lerlei Maßnahmen ergriffen, um mit Investitionen und
mit Anreizen den Klimaschutz in Deutschland voranzu-
bringen. Wir sind überzeugt, dass dies beispielgebend
ist.

Ich sage noch einmal: Auch wenn das Ziel konditio-
niert ist, arbeitet die Bundesregierung daran, wie von der
Bundeskanzlerin angekündigt, die EU von einem 30-Pro-
zent-Ziel zu überzeugen. Gleichwohl bleibt es bei dem
Beschluss, der für die Europäische Union und damit
auch für die Bundesregierung gilt.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702113500

Wir bleiben im Geschäftsbereich des Bundesministe-

riums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Die Fragen 21 und 22 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl
zur Zuordnung der Kernfusion zu den erneuerbaren
Energien trotz radioaktiven Abfalls werden schriftlich
beantwortet.

Ich rufe die Frage 23 des Kollegen Hans-Josef Fell
auf:

Bis wann rechnet die Bundesregierung damit, dass in
Deutschland Kernfusionskraftwerke einen relevanten Anteil
an der Energieversorgung einnehmen, und auf welche Ener-
gieträger setzt die Bundesregierung bis dahin?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702113600


Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Fell,
ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Kernfusionsfor-
schung ist derzeit noch Grundlagenforschung. Es kann
im Moment kein verlässliches Datum genannt werden,
ab wann die Kernfusion einen relevanten Anteil an der
Energieversorgung einnehmen könnte. Ziel der Bundes-
regierung ist es, dass die erneuerbaren Energien den
Hauptanteil an der Energieversorgung übernehmen. Wir
werden bis Herbst dazu ein Energiekonzept vorlegen,
welches das Zusammenwirken der verschiedenen erneu-
erbaren und konventionellen, sprich fossilen und nicht
erneuerbaren, Energieträger bis 2050 beschreiben wird.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702113700

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702113800

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Können Sie mir

hier bestätigen, dass – wie von Minister Röttgen am letz-
ten Wochenende in einem Interview mit der Süddeut-
schen Zeitung ausgeführt wurde – bei einem Anteil der
erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von
40 Prozent Atomkraft – das ist Kernspaltung und Kern-
fusion zusammen – vollständig verzichtbar ist?

Ich würde gerne wissen, wie viele Atomreaktoren die
Bundesregierung abzuschalten gedenkt, wenn das ange-
strebte Ziel eines Anteils der erneuerbaren Energien an
der Stromerzeugung von 30 Prozent 2020 tatsächlich er-
reicht wird.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702113900


Wie Sie wissen, Herr Kollege Fell, haben wir die
Kernenergie im Koalitionsvertrag als Brückentechnolo-
gie – als Technologie, bis die herkömmlichen Energien
verlässlich durch erneuerbare Energien ersetzt werden
können – bezeichnet. Unser Ziel ist es, den erfolgreichen
Ausbau der erneuerbaren Energien weiter voranzutrei-
ben. Auch dafür haben wir uns konkrete, ambitionierte
Ziele gesetzt. Dass die Kernenergie eine Brückentechno-
logie ist, wird Bestandteil des auszuarbeitenden Energie-
konzeptes sein.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702114000

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.

(D)







(A) (C)



(B) (D)


Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702114100

Frau Staatssekretärin, Ihnen sind sicherlich die Leit-

szenarien des Umweltministeriums für den Ausbau er-
neuerbarer Energien bekannt. Nach diesen Szenarien
beträgt der Anteil erneuerbarer Energien bis 2021 etwa
40 Prozent. Mit dem Abschalten des letzten Atomreak-
tors nach dem bestehenden Atomausstiegsgesetz ist also
bereits der angepeilte Korridor eines Anteils der erneuer-
baren Energien von 40 Prozent erreicht. Warum hält die
Bundesregierung dann noch an der Laufzeitverlängerung
für Atomreaktoren fest?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702114200


Wir halten uns an den Koalitionsvertrag und realisti-
sche Ziele in der Energiepolitik. Noch einmal: Die Bun-
desregierung, das BMU ist sehr froh über den schneller
als erwartet vorankommenden Ausbau der erneuerbaren
Energien. Wir haben ein unglaubliches Entwicklungs-
potenzial und große Exportchancen; die Erneuerbaren
waren auch ein stabiler Faktor während der Wirtschafts-
krise.

Dennoch bleibt es dabei, dass wir die Kernenergie als
Brückentechnologie brauchen. In welchem Umfang und
wie lange, das wird in dem Energiekonzept, das wir der-
zeit erarbeiten und im Herbst vorstellen wollen, zu be-
schreiben und zu bestimmen sein.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702114300

Zu einer weiteren Nachfrage hat die Kollegin Höhn

das Wort.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702114400

Frau Staatssekretärin, in dem Interview der Süddeut-

schen Zeitung mit Minister Röttgen ist ein Punkt er-
wähnt worden, der in der öffentlichen Debatte bisher
noch nicht so viel Aufmerksamkeit erfahren hat. Herr
Röttgen hat gesagt, dass man, wenn die Laufzeitverlän-
gerungen durchkommen, von den Energiekonzernen gar
nicht verlangen kann, dass sie einen Teil der Gewinne,
die sie daraus ziehen, abgeben, denn das sei – so sagt
er – verfassungsmäßig fragwürdig.

Das würde die Vorstellung, dass die Verbraucher auch
etwas von den Laufzeitverlängerungen hätten, weil die
Gewinne abgeschöpft werden, vollkommen konterkarie-
ren. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dieser Auffas-
sung von Herrn Röttgen?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702114500


Zunächst geht es darum, die hohen Sicherheitsstan-
dards der deutschen Kernkraftwerke beizubehalten und
auszubauen. In unserem Koalitionsvertrag steht, Frau
Kollegin Höhn, dass nähere Regelungen zu treffen sind,
wenn es um die Verlängerung von Laufzeiten geht. Sie
haben jetzt auf eine rekurriert. Es geht um die Betriebs-
zeiten der Kraftwerke, um das Sicherheitsniveau, die
Höhe und den Zeitpunkt eines Vorteilsausgleichs sowie
die Verwendung der Mittel für die Forschung, und zwar
vor allen Dingen auf dem Gebiet der erneuerbaren Ener-
gien und der Speichertechnologien. Ich möchte noch
einmal darauf hinweisen, dass wir im Rahmen des Ener-
giekonzeptes alle Einzelheiten dazu nicht nur ausführ-
lich besprechen, sondern auch festlegen werden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702114600

Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Ott. Bitte

schön.


Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702114700

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretä-

rin, ich beziehe mich auf die Frage des Kollegen Fell,
was nach Ansicht der Bundesregierung der Anteil der
Kernfusion zu einem bestimmten Datum sein wird. Ich
beziehe mich außerdem auf das wirklich sehr bemer-
kenswerte Interview mit Herrn Minister Röttgen, in dem
er gesagt hat, dass wir überhaupt keine Kernenergie
mehr brauchen, wenn wir einen Anteil der erneuerbaren
Energien an der Stromerzeugung von 40 Prozent erreicht
haben. Wie Herr Kollege Fell gerade ausgeführt hat, ge-
hört die Kernfusion natürlich auch zur Kernenergie.

Setzt sich das Ministerium innerhalb der Bundes-
regierung dafür ein, die Forschungsmittel für die Kern-
fusion zurückzufahren bzw. ganz aufzugeben, da die
Kernfusion überhaupt nicht mehr benötigt wird, selbst
dann nicht, wenn wir annehmen würden, dass sie irgend-
wann einmal in 50 Jahren doch funktionieren sollte?
Durch die erneuerbaren Energien haben wir die Mög-
lichkeit, die nötige Energie völlig ohne Gefahr für
Mensch und Umwelt zu erzeugen. Inwieweit setzt sich
Ihr Ministerium dafür ein?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702114800


Erstens. Die Kernfusion ist in der Tat eine sehr lang-
fristige Option, wenn man bedenkt, seit wann Forschung
betrieben wird. Den Zeitraum könnte man auch noch
verlängern. Es bleibt aber eine Option.

Zweitens. Sie haben suggeriert, dass Kernfusion das
Gleiche wie Kernspaltung wäre. Ich möchte die Gele-
genheit nutzen, das richtigzustellen. Es handelt sich
nicht nur um zwei physikalisch völlig unterschiedliche
Prozesse, sondern auch um technisch unterschiedliche
Prozesse. Sie ist eine Technologie, die kein CO2 erzeugt.
Durch sie könnte Energie in beträchtlichen Mengen zur
Verfügung gestellt werden.

Ich finde es richtig, dass wir an Optionen forschen.
Ich finde es richtig, dass die Bundesregierung verlässlich
Mittel zur Verfügung stellt, um Projekte zur Erforschung
der Kernfusion in Deutschland zu halten. Viele Länder
forschen an diesem Projekt, manchmal mit sehr viel am-
bitionierteren Zielen, als es in Deutschland, insbeson-
dere unter Rot-Grün, bislang der Fall war. Meiner Auf-
fassung nach kann man Japan, Frankreich oder den USA
diese Technologie nicht allein überlassen. Ich bin beein-
druckt, welchen Beitrag deutsche Wissenschaftler zur
Erforschung dieser Technologie bislang leisten konnten.






(A) (C)



(B) (D)


P
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1702114900
Es ist eine Option für die Zukunft. Wir
befinden uns in einem Stadium, in welchem die Grund-
lagen erforscht werden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702115000

Ich habe noch drei Wortmeldungen für Nachfragen

zur Frage 23. Ich habe vor, sie alle drei zuzulassen. Ich
bitte die betreffenden Kolleginnen und Kollegen im Inte-
resse der nachfolgenden Fragestellerinnen und Frage-
steller um Fragestellungen, die zügig beantwortet wer-
den können, damit möglichst viele der angemeldeten
Fragen beantwortet werden können.

Die nächste Frage stellt die Kollegin Dorothée
Menzner.


Dorothee Menzner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702115100

Frau Staatssekretärin, Sie haben eben ausgeführt, dass

die Bundesregierung, was den Anteil erneuerbarer Ener-
gien angeht, ambitionierte Ziele verfolgt. Was sagen Sie
dazu, dass sich Repräsentanten eines Bereiches, die in
den letzten Jahren sehr engagiert waren, nämlich Stadt-
werke, kommunale Energieversorger und die dazugehö-
rigen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, vehement
gegen eine Laufzeitverlängerung von AKWs ausspre-
chen, und zwar unabhängig von ihrer Parteizugehörig-
keit? Sie sehen sie nämlich als eine Bedrohung für die
kommunale Energieversorgung und deren Investitionen
an, die in dem Glauben getätigt wurden, dass die AKWs
begrenzte Laufzeiten haben.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702115200


Zunächst einmal bin ich froh, dass viele Stadtwerke
die Chancen, die sich aus der Nutzung erneuerbarer
Energien ergeben, erkannt und beherzt ergriffen haben
und entsprechende Investitionen in ihren Kommunen ge-
tätigt haben. Wir werden die Positionen der Stadtwerke
ebenso wie die Interessen aller anderen Marktteilnehmer
im Energie- und Industriebereich in den Diskussionspro-
zess einbeziehen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702115300

Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Behm.


Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702115400

Ich beziehe mich auf Ihre Antwort auf die Frage von

Frau Höhn. Frau Höhn hat eine Aussage von Minister
Röttgen angesprochen, der erhebliche verfassungsrecht-
liche Bedenken gegen die Abschöpfung von Einnahmen,
die sich aus der Verlängerung der Laufzeiten ergeben,
hat. Ich konnte Ihrer Antwort nicht entnehmen, inwie-
weit Sie sich auf die Frage bezogen haben. Deswegen
muss ich nachfragen: Wird Ihr Haus weiter am Atom-
fonds festhalten, obwohl er als verfassungsrechtlich be-
denklich eingeschätzt wird? Wie werden Sie sich verhal-
ten?
Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702115500


Im Rahmen des Energiekonzeptes ist zu prüfen, ob
und in welchem Maße Laufzeitverlängerungen möglich
sind und ob Windfall-Profits genutzt werden können, um
zum Beispiel in die Forschung erneuerbarer Energien zu
investieren. Allerdings ist es in Deutschland noch immer
so, dass es per se nicht verboten ist, Gewinne zu machen,
und man vor allem rechtsfeste Konstruktionen braucht,
um mit Geld verantwortungsvoll umzugehen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702115600

Die letzte Nachfrage zur Frage 23 stellt der Kollege

Krischer.


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702115700

Frau Staatssekretärin, Ihre Antwort auf eine Nach-

frage des Kollegen Fell habe ich so verstanden, dass das
40-Prozent-Ziel – 40 Prozent aus erneuerbaren Energien
bis 2020 – nicht mehr gilt. Das ist im Leitszenario 2009
des BMU – 40 Prozent bis 2021 – festgelegt. Deshalb
meine Nachfrage: Verfolgt das BMU weiterhin das im
Leitszenario 2009 festgelegte Ziel: 40 Prozent aus er-
neuerbaren Energien bis 2021?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702115800


Herr Kollege Krischer, ich bitte Sie, mich nicht frei zu
interpretieren.

Es gibt ein gemeinsames Ziel dieser Bundesregie-
rung, nach dem wir im Strombereich bis 2020 einen An-
teil der erneuerbaren Energien von 30 Prozent erreichen
wollen. Wir fühlen uns auch allen anderen EU-Zielen
– im Wärmebereich, im Bereich der Biokraftstoffe, aber
auch im Effizienzbereich – verpflichtet. Alles zusammen
ergibt ein schlüssiges Energiekonzept, weil CO2-Minde-
rungsziele und Klimaschutz sich nicht nur auf den
Stromsektor beziehen können. Insofern werden wir auf
allen anderen Sektoren ebenso engagiert arbeiten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702115900

Ich rufe die Frage 24 der Kollegin Dorothée Menzner

auf:
Welche Anträge auf Beförderung von Mischoxid-(MOX)-

Brennelementen, die sich auf Transporte ab dem 1. Januar
2010 beziehen, liegen der Bundesregierung vor?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702116000


Frau Präsidentin! Frau Kollegin Menzner, dem für die
Erteilung von Genehmigungen nach § 4 des Atomgeset-
zes zuständigen Bundesamt für Strahlenschutz liegt ein
Antrag der Firma Nuclear Cargo + Service GmbH vom
29. Juni 2006 für den Transport von maximal 16 Misch-
oxid-(MOX)-Brennelementen von der Anlage Sellafield
in Großbritannien zum Kernkraftwerk Grohnde vor. Mit
Änderungsantrag vom 11. August 2009 wurde die Zahl
der MOX-Brennelemente auf acht reduziert.






(A) (C)



(B) (D)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702116100

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Dorothee Menzner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702116200

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. In der Vergangen-

heit wurden in solchen Fällen sicherlich auch Straßen-
transporte vorgenommen. Ist das in diesem Fall wieder
geplant? Wenn ja, welche Sicherheitsauflagen bestehen
zum Beispiel bezüglich der Höchstgeschwindigkeit? Ist
an eine Geschwindigkeitsbegrenzung für diese Trans-
porte gedacht? Wenn ja, wie sieht diese aus?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702116300


Früher war es so, dass Seetransporte von MOX-Ele-
menten aus Großbritannien bzw. damals noch nach
Großbritannien jeweils über Bremerhaven abgewickelt
wurden. Der ursprünglich für Oktober 2009 vorgesehene
Seetransport von MOX-Brennelementen aus Großbritan-
nien in das KKW Grohnde musste aufgrund von Wider-
ständen in den Seehäfen Cuxhaven und Bremerhaven
auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Insofern kann
ich Ihnen zu Geschwindigkeiten und dergleichen kon-
kret nichts sagen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702116400

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.


Dorothee Menzner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702116500

Frau Staatssekretärin, es ist durchaus richtig, dass

man von Großbritannien bis Grohnde nicht auf der
Straße transportieren kann. Sie sind auf den Teil des
Transportes eingegangen, der auf dem Seeweg stattfin-
det. Ich habe aber explizit nach der Strecke zwischen ei-
nem Hafen, welchem auch immer, und der Anlage in
Grohnde, die per Schiff wohl eher nicht zu erreichen ist,
gefragt. Deswegen noch einmal meine Nachfrage: Wie
ist der Transport auf der Strecke dazwischen geplant?
Gibt es seitens der Bundesregierung hierfür Auflagen?
Gehen die Transporte auf die Straße oder auf die
Schiene? Wenn ja, mit welchen konkreten Sicherheits-
vorgaben?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702116600


Wie Sie treffend beschrieben haben, muss das Ganze
erst einmal in einem Hafen landen. Wie ich gerade aus-
geführt habe, wissen wir nicht, in welchem Hafen, weil
der Transport auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.
Wenn klar ist, wo die Elemente ankommen, wird man in
die Planung eintreten und den Transport, ob auf der
Straße oder auf der Schiene, sicherlich wie in der Ver-
gangenheit sehr sorgfältig vornehmen. Planungen dazu
liegen jetzt nicht vor.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702116700

Ich rufe Frage 25 der Kollegin Dorothée Menzner

auf:
Welche Genehmigungen für Anträge auf Beförderung von
MOX-Brennelementen, die sich auf Transporte ab dem 1. Ja-
nuar 2010 beziehen, wurden erteilt?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702116800


Frau Präsidentin, Frau Kollegin Menzner, nach An-
gabe des Bundesamtes für Strahlenschutz existieren zur-
zeit keine Genehmigungen für den Transport von MOX-
Brennelementen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702116900

Ihre erste Nachfrage, bitte.


Dorothee Menzner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702117000

Frau Staatssekretärin, Sie haben eben ausgeführt, dass

die Anträge schon geraume Zeit vorliegen. Wann ist
nach Ihrem Kenntnisstand mit einem Bescheid für diese
Anträge, ob positiv oder negativ, zu rechnen?

Ka
Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1702117100


Noch einmal: Derzeit liegen keine Genehmigungen
für den Transport vor.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Anträge!)


Ich kann deshalb keine Aussagen dazu machen, wann
möglicherweise eine Genehmigung vorliegen könnte.
Ich kann Ihnen keinen Zeitrahmen nennen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702117200

Sie verzichten auf weitere Nachfragen.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Macht ja auch keinen Sinn! Die ist wie Kernseife, die Frau Staatssekretärin!)


Die Frage 26 der Kollegin Kathrin Vogler wird
schriftlich beantwortet.

Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwor-
tung der Fragen stehen die Parlamentarischen Staatsse-
kretäre Thomas Rachel und Dr. Helge Braun zur
Verfügung.

Die Fragen 27 und 28 des Kollegen Kai Gehring zur
Wirkung der Internet-Studienplatzbörse im Winterse-
mester 2009/2010 werden schriftlich beantwortet.
Ebenso schriftlich beantwortet werden die Fragen 29
und 30 der Kollegin Nicole Gohlke zu Konsequenzen
aus den aktuellen Problemen bei der Studienplatzbeset-
zung.

Ich rufe Frage 31 der Kollegin Dagmar Ziegler auf:
Ist die weitere Förderung des Programms AQUA mit Mit-

teln aus dem Europäischen Sozialfonds durch die Verabschie-
dung entsprechender Richtlinien geplant, und, wenn dies nicht






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsidentin Petra Pau
der Fall ist, werden Bundesmittel in ausreichendem Umfang
zur Durchführung des Programms AQUA bereitgestellt?

Bitte, Herr Staatssekretär.

D
Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1702117300


Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Frau Kol-
legin Ziegler, es ist beabsichtigt, nach vorheriger Aus-
schreibung eine Programmstelle mit der Durchführung
des Programms zu beauftragen und danach Förderbe-
kanntmachungen zu veröffentlichen. In dieser neuen
Struktur des Programms AQUA sollen Qualifizierungs-
maßnahmen mit ESF-Kofinanzierung ab dem Jahre 2011
durchgeführt werden. Für den Zeitraum bis 2011 sind
Bundesmittel im Rahmen des bestehenden Programms
AQUA zur Durchführung von Qualifizierungsmaßnah-
men bis einschließlich Wintersemester 2010/2011 in be-
darfsangemessenem Umfang bewilligt worden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702117400

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. – Sie ver-

zichten auf Nachfragen.

Dann kommen wir zur Frage 32 des Kollegen Volker
Beck:

Welche konkreten Schritte plant die Bundesregierung an-
gesichts der Unzufriedenheit der Muslime in Deutschland mit
den in der Türkei ausgebildeten Imamen – Studie des Osna-
brücker Religionswissenschaftlers Dr. Rauf Ceylan –, um die
Religionslehrer- und Imamausbildung an Universitäten in
Deutschland auf den Weg zu bringen, und welchen Zeitplan
gibt es?

Bitte, Herr Staatssekretär.

T
Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1702117500


Herr Kollege Beck, am 29. Januar dieses Jahres hat es
eine sehr interessante Empfehlung des Wissenschaftsra-
tes zur Weiterentwicklung von Theologien und religi-
onsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschu-
len gegeben. Darin wird auch die Etablierung
theologisch orientierter islamischer Studien an den deut-
schen Hochschulen empfohlen. Die Bundesregierung
begrüßt diese Empfehlung des Wissenschaftsrates. Ich
denke, angesichts der großen Anzahl islamischer Kinder
in der Bundesrepublik Deutschland gehört die Ausbil-
dung von Religionslehrern und Islamwissenschaftlern zu
einer überzeugenden Integrationspolitik in einer moder-
nen Gesellschaft.

Die Bundesministerin für Bildung und Forschung hat
ihre Zustimmung zu dieser Überlegung des Wissen-
schaftsrates mit der Ankündigung verbunden, dass der
Bund bereit sei, sich bei entsprechenden Initiativen der
Länder und der Hochschulen, die hier naturgemäß zu-
nächst gefordert sind, an der Umsetzung der Empfehlun-
gen zu beteiligen. Wir erwarten nun, dass aus den Län-
dern und Hochschulen konkrete Vorschläge gemacht
werden. Wir haben bei den öffentlichen Reaktionen
wahrgenommen, dass es ein starkes Interesse und auch
eine Bereitschaft gibt, solche Institute einzurichten.

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702117600

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702117700

Ich würde gerne von Ihnen wissen, ob Sie konkrete

Vorstellungen haben, wie es jetzt weitergehen soll, und
vor allen Dingen wie die Bundesregierung plant, auf
Dauer mit den religionsverfassungsrechtlichen Proble-
men der vom Wissenschaftsrat vorgeschlagenen Kon-
struktion umzugehen.

Der Wissenschaftsrat schlägt vor, für die islamischen
Studien bzw. die entsprechenden Fakultäten Beiräte ein-
zurichten, die in dieser Funktion anerkannte Religions-
gemeinschaften, die im Bereich des Islam bislang völlig
fehlen, sozusagen ersetzen sollen. Die Bundesregierung
hat mit der Islam-Konferenz ein Forum geschaffen, auf
dem man darüber sprechen könnte, wie all diese Pro-
visorien irgendwann einmal aufgelöst und auf eine reli-
gionsverfassungsrechtlich solide Grundlage gestellt
werden können. Welche Überlegungen stellt die Bundes-
regierung insgesamt – Sie antworten ja immer für die
Regierung und nicht nur für Ihr Haus – dazu an, wie
diese Probleme aufgearbeitet werden können, und wel-
che Rückwirkungen hat das auf Ihre Überlegungen, wie
es mit dem Terminplan zum Thema „islamische Stu-
dien“ jetzt weitergeht?

T
Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1702117800


Vielen Dank, Herr Kollege Beck. – Die Bundesregie-
rung hat aufmerksam registriert, dass die islamischen
Verbände, die sich bislang artikuliert haben, ihre grund-
sätzliche Bereitschaft zur Mitwirkung deutlich gemacht
haben. Die Bundesregierung ist sehr wohl der Auffas-
sung, dass die Deutsche Islam-Konferenz als Forum des
gesamtstaatlichen Dialogs mit den Muslimen in
Deutschland in den Prozess der Etablierung theologisch
orientierter islamischer Lehr- und Forschungsangebote
an den deutschen Hochschulen einbezogen werden kann,
indem sie diese Prozesse begleitet und unterstützt.

Darüber hinaus haben Sie gefragt: Welche Vorausset-
zungen werden aus Sicht der Bundesregierung im Ein-
zelnen zu erfüllen sein? Ich glaube, es ist wichtig, dass
wir uns die Stellungnahme des Wissenschaftsrates ge-
nauer anschauen. Denn er nennt sehr konkrete Voraus-
setzungen, deren Grundsubstanz aus unserer Sicht sehr
wohl überzeugend ist.

Der Wissenschaftsrat hat darauf hingewiesen, dass ein
möglicher Standort ein geeignetes universitäres Umfeld
aufweisen muss, um für eine solche Lösung überhaupt
infrage zu kommen. Dazu gehören leistungsstarke
Islamwissenschaften, die Präsenz der christlichen Theo-
logien und eine entwickelte Religionswissenschaft. Aber
auch die Hochschulen sind gefordert. Denn sie müssen
Konzepte zum Aufbau und zur Arbeitsweise eines sol-
chen Institutes und Konzepte für die geplanten theolo-
gisch kompetenten Beiräte entwickeln.

Schließlich – auch das sollte man nicht verschweigen –
werden wir auch die Bundesländer brauchen, da in erster
Linie sie für die Hochschulen zuständig sind und sie zu-






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Thomas Rachel
sammen mit den Universitäten eigene finanzielle Res-
sourcen mobilisieren müssen. Wenn wir diesen gemein-
schaftlichen Prozess auf den Weg bringen und in einen
intensiven Dialog mit den Ländern eintreten, dann, so
glaube ich, haben wir eine gute Chance, wesentlich vo-
ranzukommen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702117900

Ihre zweite Nachfrage, bitte.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702118000

Ich glaube, Sie haben meine Nachfrage entweder

nicht ganz verstanden, oder man hat Sie dafür nicht mit
Sprechzetteln präpariert. Deshalb möchte ich eine Nach-
frage stellen. Es gibt ein grundsätzliches Problem, das
auch der Wissenschaftsrat angesprochen hat. Er schlägt
vor, die Religionsgemeinschaften in Bezug auf die geist-
liche Ausbildung an den Universitäten durch einen Bei-
rat zu substituieren. Das wäre natürlich eine verfas-
sungsrechtlich windige Konstruktion, wenn man sie auf
Dauer vorsehen würde. Als Provisorium mag sie geeig-
net sein. In diesem Fall wäre ich durchaus bereit, zu sa-
gen: Das soll man ruhig einmal versuchen.

An der Universität Münster haben wir aber gesehen,
dass solche Konstruktionen nur so lange halten, wie
Konsens besteht. Entsteht aber Streit darüber, ob jemand
die religiöse Lehrbefugnis hat, stellt sich die Frage, wer
darüber entscheidet. Denn in diesem Fall ist der Partner
des Staates nicht die Religionsgemeinschaft, sondern ein
Beirat, der schlechterdings nicht die Rolle einer Reli-
gionsgemeinschaft im weltanschaulich neutralen Staat
wahrnehmen kann.

Vor diesem Hintergrund würde mich interessieren, ob
die Bundesregierung eine Idee hat, wie wir im Bereich
des Islam zu anerkannten Religionsgemeinschaften
kommen können, da ja die muslimischen Verbände, die
sich nach politischen, sprachlichen oder staatlichen
Grenzen definieren, die Voraussetzungen hierfür nicht
erfüllen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702118100

Bitte, Herr Staatssekretär.

T
Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1702118200


Herr Kollege Beck, ich glaube, wir haben ein unter-
schiedliches Grundverständnis. Ich glaube nicht, dass es
Aufgabe der Bundesregierung sein kann, islamische
kirchliche Organisationen zu organisieren, ins Leben zu
rufen oder institutionell zu verankern. Das ist sicherlich
eine wichtige Frage; aber das muss aus dem islamischen
Bereich in der Bundesrepublik Deutschland entwickelt
werden.

Wichtig ist, dass es in der Politik – auch in der Bun-
desregierung – Offenheit gibt dafür, die islamischen
Kräfte, die wir in Deutschland haben, einzubeziehen.

Sie haben in Ihrer Frage konkret nach der Beteiligung
der Deutschen Islam-Konferenz gefragt. Deswegen wie-
derhole ich meine Antwort: Die Deutsche Islam-Konfe-
renz kann in diesem Prozess nach unserer Auffassung
konstruktiv beteiligt werden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702118300

Ich rufe die Frage 33 des Kollegen Fell auf. Der Kol-

lege Fell ist zurzeit nicht im Plenarsaal. Wir verfahren
also, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.

Damit danke ich den beiden Staatssekretären.

Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung. Die Frage 34 des Kollegen Uwe
Kekeritz wird schriftlich beantwortet.

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich der Bundes-
kanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwor-
tung der Fragen steht Staatsministerin Professor
Dr. Maria Böhmer zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 35 des Kollegen Memet Kilic auf:
Was versteht die Staatsministerin im Bundeskanzleramt

und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flücht-
linge und Integration, Dr. Maria Böhmer, unter einem „verein-
fachten Verfahren“ zur Regelung des Optionszwangs im
Staatsangehörigkeitsrecht, da sie die jetzige Regelung für zu
komplex für die Jugendlichen hält, und zu wann soll diese
„Vereinfachung“ in Kraft treten?

Bitte, Frau Staatsministerin.

D
Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1702118400


Frau Präsidentin! Herr Kollege Kilic, ich darf Ihnen
wie folgt antworten: Mit dem Gesetz zur Reform des
Staatsangehörigkeitsrechts aus dem Jahre 1999 wurde
das Staatsangehörigkeitsrecht um den Jus-Soli-Erwerb
für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern
ergänzt.

Im Rahmen einer damit zusammenhängenden Über-
gangsregelung konnten auch Kinder, die zwischen 1990
und 2000 geboren wurden, auf Antrag die deutsche
Staatsangehörigkeit erwerben. 50 000 Kinder haben auf
diese Art und Weise die deutsche Staatsangehörigkeit
bekommen.

2008 haben die ersten dieser Kinder das
18. Lebensjahr vollendet und sind damit grundsätzlich
optionspflichtig geworden. Sie haben nun, wie wir wis-
sen, fünf Jahre Zeit, sich zwischen ihrer deutschen und
ihrer ausländischen Staatsangehörigkeit zu entscheiden.
Sollten sie neben ihrer deutschen ihre ausländische
Staatsangehörigkeit beibehalten wollen – etwa weil der
andere Staat sie nicht aus seiner Staatsangehörigkeit ent-
lässt –, müssen sie bereits bis zur Vollendung des
21. Lebensjahres eine Beibehaltungsgenehmigung bean-
tragen. Für den ersten Jahrgang der Optionskinder endet
diese Frist im nächsten Jahr.

Derzeit werden Erfahrungen mit den ersten Options-
verfahren gesammelt und auf möglichen Verbesserungs-
bedarf – sowohl in verfahrens- als auch in materiell-
rechtlicher Hinsicht – hin überprüft. Schwierigkeiten,
die im Zusammenhang mit der Regelung auftreten, neh-
men wir im Interesse der jungen Leute sehr ernst. Gege-
benenfalls werden Verbesserungsvorschläge erarbeitet.






(A) (C)



(B) (D)


Staatsministerin Dr. Maria Böhmer
Ich darf Ihnen aber sagen – wir stehen noch am Anfang –:
Für eine fundierte Bewertung ist es jetzt noch zu früh.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702118500

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Bitte.


Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702118600

Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Staatsministerin, es

ist Ihnen bestimmt bekannt, dass seit 28. August 2007
bei allen EU-Staatsangehörigen, aber zum Beispiel auch
bei Schweizer Staatsbürgern die doppelte Staatsbürger-
schaft hingenommen wird. Dieser Personenkreis ist von
dem Optionszwang praktisch nicht betroffen.

Wäre es nicht gerecht – auch im Sinne von Art. 3 un-
seres Grundgesetzes –, den Optionszwang abzuschaffen,
damit Jugendliche, deren Eltern keine EU-Staatsbürger-
schaft haben, wegen der Herkunft ihrer Eltern nicht be-
nachteiligt werden?

D
Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1702118700


Herr Kollege Kilic, ich hatte gerade gestern eine Dis-
kussion zu diesem Punkt. Ich merke, es geht Ihnen ähn-
lich wie vielen; deshalb weise ich noch einmal darauf
hin: Auch Kinder, die eine Staatsangehörigkeit eines
EU-Staates haben, fallen unter die Optionsregelung.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702118800

Ihre zweite Nachfrage.


Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702118900

Ich möchte noch fragen, ob diese EU-Bürgerinnen

und EU-Bürger ausgebürgert werden, falls sie sich bis
zum 23. Lebensjahr für keine der Staatsbürgerschaften
entscheiden wollen.

D
Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1702119000


Es gelten selbstverständlich für die beiden Gruppen
die gleichen Regelungen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702119100

Danke, Frau Staatsministerin.

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswär-
tigen Amtes. Zur Beantwortung der Fragen steht die
Staatsministerin Cornelia Pieper zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 36 der Kollegin Viola von Cramon-
Taubadel auf:

Wie beurteilt die Bundesregierung den Ablauf der EU-
Koordinierung bei der Katastrophenhilfe für Haiti – entspre-
chend den Vorgaben des gemeinsamen europäischen Konsenses
von Rat, Mitgliedstaaten, Europaparlament und Kommission
über die humanitäre Hilfe, 2008/C25/01 –, und wie verhält sie
sich gegenüber dem belgischen Vorschlag, eine europäische

(siehe Bericht aus Brüssel Nr. 01/2010 vom 25. Januar 2010, Seiten 13 bis 16)


Bitte, Frau Staatsministerin.
C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1702119200


Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben gut und
schnell Hilfe geleistet. Die Bestimmungen des Europäi-
schen Konsens über die Humanitäre Hilfe sind in Haiti
voll zur Anwendung gekommen.

Am 18. Januar 2010 nahm ein Sonderrat für Auswär-
tige Beziehungen Schlussfolgerungen an. Darin sagten
die EU-Mitgliedstaaten 122 Millionen Euro für die hu-
manitäre Soforthilfe zu. Inzwischen ist dieser Betrag auf
über 212 Millionen Euro gestiegen. In den Schlussfolge-
rungen werden darüber hinaus die Ankündigungen der
Kommission zur Kenntnis genommen, aus EU-Haus-
haltsmitteln für die Wiederherstellung staatlicher Struk-
turen in Haiti 100 Millionen Euro und für längerfristige
Hilfe 200 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.

Der Rat für Auswärtige Beziehungen am 25. Januar
2010 beschloss auf Anfrage der Vereinten Nationen die
Entsendung nationaler Gendarmeriepolizeikräfte und lo-
gistische Unterstützung als EU-Beitrag zur Unterstüt-
zung der VN-Mission MINUSTAH. Ergänzend wurde in
Brüssel eine Koordinierungszelle für diese Unterstüt-
zung eingerichtet.

Vor Ort in Haiti unterstützen Vertreter der Generaldi-
rektion für humanitäre Hilfe und ein EU-Katastrophen-
schutzteam die VN in ihrer Koordinierungsrolle. Im
Rahmen des EU-Gemeinschaftsverfahrens haben Kata-
strophenschutzeinheiten der Mitgliedstaaten wertvolle
Hilfe geleistet, unter anderem in den Bereichen Rettung
und Bergung sowie Trinkwasseraufbereitung.

Das Zusammenspiel von EU und Mitgliedstaaten in
der Reaktion auf die Haiti-Katastrophe hat also gut funk-
tioniert. Die Bundesregierung sieht vor diesem Hinter-
grund keine Notwendigkeit, auf EU-Ebene neue Struktu-
ren wie eine Katastrophenschutz- oder humanitäre
Eingreiftruppe zu schaffen, was die Gefahr mit sich brin-
gen könnte, bestehende Aufgaben und Strukturen der
VN und der Mitgliedstaaten zu duplizieren.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702119300

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage, bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Staatsministerin Pieper, wir hatten eben im EU-
Ausschuss das Vergnügen, Herrn Außenminister
Westerwelle dazu befragen zu können. Er sagte, dass
Lady Ashton die volle Unterstützung der Bundesregie-
rung auch bei der Koordinierung der Hilfe für Haiti er-
halte. Dazu meine Nachfrage: Ist es nicht doch im Sinne
der Bundesregierung, eine stärkere Koordinierung mit
einem höheren personellen und finanziellen Einsatz im
Hinblick auf die von der belgischen Regierung vorge-
schlagene sogenannte EU-Weißhelmtruppe vorzusehen?

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1702119400


Wir haben deutlich gemacht, dass wir unsere Rolle
bei der Bewältigung der Haiti-Katastrophe voll wahr-






(A) (C)



(B) (D)


Staatsministerin Cornelia Pieper
genommen haben. Aus der Haiti-Krise lässt sich aus
unserer Sicht nicht die Notwendigkeit ableiten, zusätz-
liche EU-Strukturen wie einen EU-Katastrophenschutz
oder eine humanitäre Eingreiftruppe aufzubauen. Die
Bundesregierung steht der Schaffung zusätzlicher EU-
Strukturen auch unter dem Gesichtspunkt des Subsidiari-
tätsprinzips, das in unserer Verfassung als eine Rahmen-
bedingung enthalten ist, kritisch gegenüber. Ich glaube,
dass Deutschland innerhalb der EU all das, was möglich
ist, gemacht hat, um Haiti zu helfen. Ich denke, das hat
der Außenminister in seinen Bemerkungen im Aus-
schuss deutlich gemacht. Ich konnte leider nicht dabei
sein, weil ich hier bzw. im Kulturausschuss war. Deswe-
gen bitte ich um Nachsicht.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702119500

Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das klang eben in der Tat ein bisschen anders; aber
das ist kein Problem.

Wie steht denn die Bundesregierung zu einer kurzfris-
tigen oder mittelfristigen Ausweitung des UN-Mandats
MINUSTAH in Bezug auf Haiti?

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1702119600


Ich habe deutlich gemacht, dass wir unsere Verant-
wortung im Rahmen der VN-Mission MINUSTAH
wahrgenommen haben. Ich denke, das wird Deutschland
auch weiterhin tun.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702119700

Damit kommen wir zur Frage 37 der Kollegin

Cramon-Taubadel:
Inwiefern setzt sich die Bundesregierung vor dem Hinter-

grund der ukrainischen Präsidentschaftswahlen am 7. Februar
2010 dafür ein, dass die Ukraine eine klare Beitrittsperspek-
tive zur Europäischen Union erhält?

Bitte, Frau Staatsministerin.

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1702119800


Die Bundesregierung hat ein großes Interesse an einer
stärkeren politischen und wirtschaftlichen Annäherung
der Ukraine an die Europäische Union. Wie Sie wissen,
wird das Assoziierungsabkommen, das derzeit verhan-
delt wird, eine breite und tragfähige Grundlage dafür
sein.

Die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn die
Verhandlungen zum Assoziierungsabkommen bald ab-
geschlossen werden könnten. Es geht jetzt um Teil zwei,
um das Freihandelsabkommen. Dies zieht sich noch et-
was hin. Für uns, die Bundesregierung, gilt allerdings:
Sorgfalt vor Eile.

Die Ukraine ist ferner ein wichtiger Partner in der im
Mai 2009 lancierten Östlichen Partnerschaft der EU als
einer spezifisch östlichen Dimension der europäischen
Nachbarschaftspolitik. Die Östliche Partnerschaft ent-
hält, wie Sie wissen, keine Aussage zu einer EU-Beitritts-
perspektive.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702119900

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Welche konkreten Maßnahmen sind innerhalb des
Assoziierungsabkommens geplant, um vor allem jetzt,
nach der gerade abgeschlossenen Präsidentschaftswahl
in der Ukraine, den Menschen dort eine ganz konkrete
Perspektive dafür aufzuzeigen, sich enger an den Westen
zu binden?

C
Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1702120000


Die Bundesregierung strebt nach den Wahlen natür-
lich an, ihre guten und intensiven Beziehungen mit der
Ukraine weiter zu verstärken. Vor dem durch freie und
demokratische Wahlen gewählten neuen Präsidenten lie-
gen große Reformanstrengungen im Inneren und im
wirtschaftlichen Bereich; das werden wir genau verfol-
gen.

Ich glaube, dass die Wahl auch eine Chance zur Über-
windung der innenpolitischen Krise bietet. Deutschlands
Interesse an einer unabhängigen, stabilen, demokrati-
schen und marktwirtschaftlich prosperierenden Ukraine
– die Ukraine ist ja in unmittelbarer Nachbarschaft der
EU – ist vom Außenminister ganz eindeutig immer wie-
der herausgestellt worden.

Ich sage noch einmal: Im Gegensatz zur Verhandlung
über ein EU-Assoziierungsabkommen steht die Beitritts-
perspektive nicht auf der Tagesordnung. Wir werden al-
les daransetzen, dass es nach der Wahl des neuen Präsi-
denten zu einer Stabilisierung im Inneren des Landes
kommt. Wir werden die Reformen, die ich bereits
nannte, mit vorantreiben: auf wirtschaftlichem, auf de-
mokratischem und insbesondere auch auf rechtsstaatli-
chem Gebiet. Das wird die Bundesregierung weiterhin
unterstützen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702120100

Ihre zweite Nachfrage, bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zu den Leuchtturmprojekten. Es gibt schon einiges,
was die Vorgängerregierung in Gang gesetzt hat, sprich:
die Förderung regionaler Energienetze, aber auch die
Entwicklung des südlichen Energiesektors etc. Sind da-
rüber hinaus noch weitere Projekte geplant, und, wenn
ja, in welcher Form? Sie haben gesagt, dass Sie die
rechtsstaatlichen Reformen unterstützen werden. Gibt es
hier noch andere, konkretere Ansätze?


Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1702120200

Ich bitte um Verständnis dafür, dass sich die Bundes-

regierung nach der jüngsten Wahl des Präsidenten natür-






(A) (C)



(B) (D)


Staatsministerin Cornelia Pieper
lich weitere Gespräche mit der ukrainischen Regierung
vorbehält. Natürlich werden wir alles daransetzen – das
sage ich noch einmal –, dass konkrete Maßnahmen un-
terstützt werden, nicht nur im Energiebereich, sondern
auch im rechtsstaatlichen und im marktwirtschaftlichen
Bereich. Gehen Sie davon aus, dass wir das sehr wohl-
wollend begleiten werden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702120300

Danke, Frau Staatsministerin. – Die Frage 38 der Kol-

legin Dağdelen zur EU-Repräsentanz bei der Regie-
rungsübernahme in Honduras wird schriftlich beantwor-
tet.

Dies gilt auch für die Fragen 39 und 40 der Kollegin
Agnes Malczak zur Reaktion auf die Erklärung des irani-
schen Präsidenten zur Urananreicherung und zu Maß-
nahmen zum Abzug der in Deutschland verbliebenen
Atomwaffen.

Die Fragen 41 und 42 der Abgeordnete Katja Keul
werden ebenfalls schriftlich beantwortet, allerdings auf
der Grundlage von Nr. 2 Abs. 2 unserer Richtlinien für
die Fragestunde und für die schriftlichen Einzelfragen.
Das heißt – für diejenigen, die das nicht so genau wis-
sen –, dass wir uns mit den Gegenständen dieser Fragen
noch in dieser Sitzungswoche befassen und sie deshalb
heute in der Fragestunde keine Rolle spielen.

Die Frage 43 des Kollegen Tom Koenigs zu Förder-
maßnahmen im tertiären Bildungssektor in Afghanistan
soll ebenfalls schriftlich beantwortet werden.

Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereiches des
Auswärtigen Amtes. Herzlichen Dank, Frau Staatsminis-
terin.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums des Innern. Ich rufe die Frage 44 des Abge-
ordneten Dr. Ilja Seifert auf:

Inwiefern wird die Bundeszentrale für politische Bildung
in ihrer Eigenschaft als Bundesanstalt im Geschäftsbereich
des Bundesministeriums des Innern und im Hinblick auf ak-
tuelle behindertenpolitische Belange ihrer Aufgabe gerecht,
durch Maßnahmen der politischen Bildung Verständnis für

(vergleiche die §§ 1 und 2 des Erlasses über die Bundeszentrale für politische Bildung vom 24. Januar 2001)

dertenrechtskonvention formulierten Verpflichtung für die
Vertragsstaaten, das gesellschaftliche Bewusstsein für Men-
schen mit Behinderungen zu schärfen?

Zur Beantwortung der Frage steht der Parlamentari-
sche Staatssekretär Dr. Ole Schröder zur Verfügung.
Bitte, Herr Staatssekretär.

D
Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1702120400


Die Bundeszentrale für politische Bildung hat die
Aufgabe, durch Maßnahmen der politischen Bildung
Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das
demokratische Bewusstsein zu festigen und die Bereit-
schaft zur politischen Mitarbeit zu stärken. Politische
Bildung fußt auf der normativen Grundlage von Demo-
kratie, Toleranz und Menschenrechten und fördert auf
diese Weise das Bewusstsein für Vielfalt und die Tole-
ranz gegenüber jeglichen gesellschaftlichen Gruppen
und Minderheiten.

Eine Grundlage der Entwicklung von Bildungsange-
boten in der Bundeszentrale für politische Bildung ist
der sogenannte Diversity-Ansatz, also Diversitätsansatz,
der die Vielfalt von Identitäten, Unterschieden und Zu-
gehörigkeiten beschreibt, die den Menschen zu eigen
sind und die naturgegebene, in der Regel nicht veränder-
bare Faktoren oder Merkmale wie etwa Alter, Ethnizität,
Geschlecht, sexuelle Orientierung, Behinderung oder
Religion umfassen.

Zu diesen Kerndimensionen von Diversität und den
Themenfeldern und Grundfragen der Demokratie und
Menschenrechte im engeren Sinne stellt die Bundeszen-
trale für politische Bildung umfangreiche Basismateria-
lien und didaktische Handreichungen zur Verfügung.
Hierzu gehören Publikationen wie Zivilcourage lernen,
ein Lehr- und Arbeitsbuch, das unter anderem Lehrein-
heiten enthält, in denen die Bereitschaft, sich in Kon-
fliktfällen für Benachteiligte oder Bedrohte erfolgreich
einzusetzen, gefördert wird.

Durch entsprechende Fortbildungen und Trainings
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundeszentrale
für politische Bildung werden zusätzlich die Vorausset-
zungen dafür geschaffen, dass der Diversitätsansatz mit-
telbar und unmittelbar in den Bildungsangeboten zum
Ausdruck kommt. Maßnahmen, durch die gezielt und
unmittelbar das gesellschaftliche Bewusstsein für Men-
schen mit Behinderung geschärft wird, hat die Bundes-
zentrale für politische Bildung bislang nicht ergriffen.

Im Rahmen der konzeptionellen Überlegungen der
Bundesregierung zur Umsetzung der Behindertenrechts-
konvention konzipiert das hierfür zuständige Bundesmi-
nisterium für Arbeit und Soziales einen Aktionsplan, der
unter anderem das Anliegen verfolgt, eine übergreifende
gesellschaftspolitische Diskussion über die Botschaft
des Übereinkommens anzustoßen.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Etwas mehr Leidenschaft, bitte! – Heiterkeit bei der LINKEN)


Ziel ist es, alle Bevölkerungsgruppen für das Thema
Behinderung zu sensibilisieren, zu verdeutlichen, dass
Behinderung jeden treffen kann, und Behinderung mit
positiven Attributen zu besetzen. Die Bundeszentrale für
politische Bildung wird in diesen Zusammenhang einge-
bunden.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702120500

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702120600

Vielen Dank, Herr Staatssekretär, dass Sie uns vor-

gelesen haben, welche Aufgabe die Bundeszentrale für
politische Bildung hat, und dass Sie uns beigebracht ha-
ben, wie man das Wort „diversity“ ausspricht. Das ist
immerhin etwas. Es geht mir aber nicht um die Vielfalt
im Allgemeinen, sondern darum, dass die Bundesrepu-
blik der UNO-Konvention beigetreten ist und sie ratifi-
ziert hat und dass es einen Wandel von der sozialen Aus-






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Ilja Seifert
richtung gegenüber Menschen mit Behinderungen hin
auf den Menschenrechtscharakter der Teilhabe von Men-
schen mit Behinderungen gibt. Ich finde, das ist ein ge-
waltiger Unterschied. Es wäre doch Aufgabe auch genau
dieser Bundeszentrale und nicht nur des BMAS, für eine
breite Aufklärungskampagne in der Bevölkerung und
auch bei den Behörden und Beamten, die die Bestim-
mungen ausführen sollen, zu sorgen, damit deutlich ge-
macht wird, dass es ein Unterschied ist, ob man jeman-
dem Hilfe leistet, der schwächer ist, oder ob diesem
Menschen ermöglicht wird, die Menschenrechte, die ihm
oder ihr zustehen, wahrzunehmen. Ich finde, hier hat die
Bundeszentrale für politische Bildung eine große Auf-
gabe; das haben Sie jetzt überhaupt nicht dargestellt.
Was macht sie jetzt also diesbezüglich?

D
Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1702120700


Wie ich bereits vorgelesen habe, wird das Bundesmi-
nisterium für Arbeit und Soziales ein Konzept erarbei-
ten, um diesen Aktionsplan umzusetzen und auch um die
von Ihnen angesprochenen Ziele zu erreichen; das be-
ginnt ab Februar 2010. Dabei wird natürlich die Bundes-
zentrale für politische Bildung einbezogen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702120800

Zweite Nachfrage, Dr. Seifert.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702120900

Ich hätte beinahe eine unanständige Bemerkung ge-

macht. Ich verkneife sie mir. – Entschuldigung, Herr
Staatssekretär, aber ich kann Sie beim besten Willen
nicht verstehen. Dass das Bundesministerium für Arbeit
und Soziales den Auftrag hat, im Namen der gesamten
Bundesregierung ein Umsetzungskonzept zu erarbeiten,
ist seit einem Jahr hinreichend bekannt. Ein Jahr wurde
verplempert, nichts wurde getan. Ich habe Sie aber da-
nach gefragt, was die Bundeszentrale für politische Bil-
dung dafür tut, dass die Bevölkerung überhaupt erfährt,
dass es ein Menschenrechtsabkommen gibt, das Men-
schen mit Behinderung als Bestandteil der Gesellschaft
begreift und Vielfalt als Gewinn ansieht. Das ist doch
eine Aufgabe, die die Bundeszentrale für politische Bil-
dung, eine Ihnen unterstellte Behörde, erfüllen kann,
ohne darauf zu warten, was sich das Bundesministerium
für Arbeit und Soziales irgendwann einmal ausdenkt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702121000

Bitte schön.

D
Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1702121100


Sicherlich kann die Bundeszentrale für politische Bil-
dung hier einen Beitrag leisten; das ist selbstverständ-
lich.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Dann fangen Sie doch mal an!)


Wir haben entschieden, dass das BMAS zunächst ein
Konzept erstellt. Ich finde es durchaus vernünftig, dass
hier ein Ministerium federführend ist und nicht alle Mi-
nisterien völlig unabhängig voneinander und völlig un-
abgestimmt eigene Maßnahmen ergreifen. Insofern sehe
ich keinen Widerspruch zu Ihrer Zielsetzung, den neuen
Ansatz nach vorne zu bringen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702121200

Die Zeit für die Fragestunde ist in wenigen Sekunden

abgelaufen. Deswegen beende ich die Fragestunde.

Wir kommen zum Zusatzpunkt 1:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE

Was folgt aus dem Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichts zu den Regelsätzen bei Hartz IV?

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin das Wort der Kollegin Katja Kipping von der Frak-
tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702121300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute hat

das Bundesverfassungsgericht zu den Hartz-IV-Regel-
leistungen geurteilt. In diesem Urteil heißt es: Das
Arbeitslosengeld II für Erwachsene sowie das Sozial-
geld für Kinder genügen nicht dem Grundrecht auf Ge-
währleistung eines menschenwürdigen Existenzmini-
mums. Im Klartext heißt das: Die Kernnormen von
Hartz IV sind verfassungswidrig. Ich finde, das ist eine
schallende Ohrfeige für alle Parteien, die Hartz IV mit
zu verantworten haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Nach diesem Urteil gibt es nun einen Überbietungswett-
bewerb. Die FDP meint, das Urteil sei eine Ohrfeige al-
lein für Rot-Grün. Die Ministerin mit CDU-Parteibuch
tut so, als ob sie dieses Urteil geradezu herbeigesehnt
bzw. herbeigebetet hätte. Kurzum: Man hat das Gefühl,
dass es keiner so recht gewesen sein will, wenn es um
Hartz IV geht. Da wundert man sich doch, wie das
Ganze überhaupt auf die Welt gekommen ist.

Vor diesem Hintergrund sollten wir in Erinnerung ru-
fen: Den Grundsatz von Hartz IV haben vier Fraktionen
des Bundestages mitgetragen, nämlich die von FDP,
CDU/CSU, SPD und Grünen. Da die Sozialministerin
nun so tut, als hätte sie dieses Urteil gewollt, wollen wir
deutlich machen, dass es Betroffene waren, die dieses
Urteil erkämpft haben. Wir wollen auch daran erinnern,
dass die Union Hartz IV nicht nur mitgetragen hat, son-
dern sich noch in der letzten Wahlperiode dafür einge-
setzt hat, dass das Sanktionsregime verschärft wird.


(Beifall bei der LINKEN)


Lassen Sie uns festhalten: Die Hartz-IV-Parteien ha-
ben nicht nur Millionen Menschen in Armut und Aus-
grenzung per Gesetz getrieben. Nein, sie sind offensicht-
lich noch nicht einmal in der Lage, verfassungskonforme
Gesetze zu verabschieden. Es handelt sich immerhin um
das zweite Urteil in höchster Instanz, das ihren Gesetzen
Verfassungswidrigkeit bescheinigt. Bei diesem Tatbe-
stand ist man geneigt, dem Verfassungsschutz zuzuru-






(A) (C)



(B) (D)


Katja Kipping
fen: Kümmert euch doch einmal ein bisschen um diese
Bundesregierung. Ganz offensichtlich hat sie Probleme,
die Bestimmungen des Grundgesetzes einzuhalten.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Na! Na! – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer im Glashaus sitzt!)


Das Bundesverfassungsgericht hat heute nur über das
Verfahren entschieden. Das Existenzminimum stellt die
unterste Grenze dar, die nicht unterschritten werden soll.
Das Gericht hat aber auch deutlich gemacht, dass ober-
halb dieser untersten Grenze ein Gestaltungsspielraum
besteht. Diesen sollten wir als Bundestag nutzen; denn
das verfassungswidrige Sanktionsregime Hartz IV ist
nicht alternativlos. Die Linksfraktion hat gestern einen
Antrag formuliert, mit dem wir uns klar dafür einsetzen,
dass der Regelsatz auf 500 Euro erhöht wird, dass die
Sanktionsparagrafen ebenso wie das Konstrukt der Be-
darfsgemeinschaft gestrichen werden, und mit dem wir
uns für einen Mindestlohn einsetzen. Kurzum, wir for-
dern Sie auf: Sagen Sie Ja zu einer sanktionsfreien, ar-
mutsfesten Mindestsicherung! Sagen Sie Ja zu unserer
Alternative zu Hartz IV!


(Beifall bei der LINKEN)


Auf einen Kritikpunkt des Bundesverfassungsgerichts
will ich im Detail eingehen, und zwar auf folgenden:
Noch folgt die jährliche Anpassung der Regelsätze dem
aktuellen Rentenwert. Das heißt, wenn die Rente steigt,
steigt prozentual auch das Arbeitslosengeld II. Die Linke
hat schon immer darauf hingewiesen, dass nicht der
Rentenwert das entscheidende Kriterium sein sollte, son-
dern die Lebenshaltungskosten. Im Klartext: Wenn die
Preise für Brot, für Strom oder für den Bus steigen, dann
muss im selben Maße die Grenze des Existenzminimums
angehoben werden. Das Bundesverfassungsgericht gibt
es Ihnen heute schwarz auf weiß, indem es sagt, dass der
Rentenwert der falsche Bezugspunkt für die Berechnung
des Existenzminimums ist. Diese Blamage hätte Ihnen
erspart bleiben können, wenn Sie eher Anträgen der
Linksfraktion zugestimmt hätten.


(Beifall bei der LINKEN)


Heute ist ein guter Tag; denn Betroffene haben sich
zur Wehr gesetzt und gezeigt, dass es sich lohnt, für
seine Rechte zu kämpfen.


(Beifall bei der LINKEN)


Heute ist ein guter Tag; denn der heutige Tag ist auch ein
Festtag für die Idee der sozialen Teilhabe. Das Bundes-
verfassungsgericht hat eindeutig klargestellt: Die Ge-
währleistung des Grundrechts auf ein menschenwürdi-
ges Existenzminimum ist nicht eine Frage der
Mildtätigkeit oder Großzügigkeit des Parlaments, son-
dern ein Verfassungsgebot. Wenn man manch einen
Wirtschaftslobbyisten oder den hessischen Ministerprä-
sidenten mit CDU-Parteibuch in den letzten Tagen ge-
hört hat, dann hatte man das Gefühl, vom Sozialstaatsge-
bot könne beliebig abgewichen werden. Als ob die
Prinzipien unserer Verfassung Rezepte wären, von denen
man beliebig abweichen kann! Unsere Verfassung ist
kein Kochbuch, sondern unsere Verfassung schreibt das
Sozialstaatsprinzip fest, und das ist nicht verhandelbar.
Die Gewährleistung des Existenzminimums ist eine
Pflicht, die nicht zur Verhandlung steht.


(Beifall bei der LINKEN)


Dabei geht es nicht nur – auch das hat das Bundesverfas-
sungsgericht unterstrichen – um das physische Existenz-
minimum, sondern es geht auch um Teilhabe am kultu-
rellen und politischen Leben. Kurzum, es geht nicht nur
um Essen, Strom und Seife, sondern es geht auch um den
Telefonanschluss, die Zeitung und den Besuch bei
Freunden; denn – so wortwörtlich das Bundesverfas-
sungsgericht – „der Mensch … existiert notwendig in so-
zialen Bezügen …“. Meine Damen und Herren, ich for-
dere Sie auf: Nehmen Sie dieses Urteil ernst!

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702121400

Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär

Dr. Ralf Brauksiepe.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


D
Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1702121500


Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Mit seinem Urteil zu den Regelsätzen im
Sozialgesetzbuch II hat das Bundesverfassungsgericht
heute Morgen erstmals zu einigen zentralen Grundfragen
der Sozialpolitik Stellung bezogen. Eines dazu gleich
vorweg: Die Bundesregierung begrüßt diese klarstel-
lende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der LINKEN: Oh!)


Das Urteil aus Karlsruhe ist keine Schwarz-Weiß-Ent-
scheidung, gibt uns aber die Leitplanken vor, die wir
brauchen, um zu einer allgemein akzeptierten Leistungs-
bemessung zu kommen.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist ein Armutszeugnis, Herr Kollege!)


Das Bundesverfassungsgericht hat die Höhe der Regel-
sätze und die Berechnungsmethode im Grundsatz nicht
infrage gestellt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber künftig muss besser und nachvollziehbarer begrün-
det werden, wie die Regelsätze im Einzelnen zustande
kommen. Das werden wir machen. Ich sage das auch in
Richtung auf die Fraktion Die Linke. Ihr Hinweis, dass
diese frei gewählte Regierung vom Verfassungsschutz
beobachtet werden soll, zeigt, wes Geistes Kind sie ist.
Das hat mit dem, worum es hier geht, nichts zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ist eine
verfassungsrechtlich zulässige und vertretbare Basis zur
Bestimmung des Existenzminimums; das geht aus dem






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe
Urteil klar hervor. Ebenso klar hat das Gericht allerdings
Korrekturen und Konkretisierungen angemahnt. Vor al-
lem in drei Punkten sieht das Bundesverfassungsgericht
den Grundsatz eines transparenten, folgerichtigen, sach-
und realitätsgerechten Verfahrens zur Ermittlung des tat-
sächlichen Bedarfs verletzt. Das betrifft erstens die, wie
es heißt, freihändige Setzung der Kinderregelsätze ohne
empirische und methodische Fundierung. Das betrifft
zweitens die bisher fehlende Berücksichtigung der be-
sonderen Bedarfe zum Beispiel für Schulkinder. Drittens
betrifft es die Fortschreibung nach dem aktuellen Ren-
tenwert.

Außerdem verlangt das Gericht eine Härtefallklausel.
Sie greift aber nur, wenn Hilfebedürftige einen unab-
weisbaren, laufenden und nicht nur einmaligen besonde-
ren Bedarf haben. Es wird sich dabei um seltene Einzel-
fälle handeln. Darauf hat auch die Bundesagentur für
Arbeit heute in einer öffentlichen Stellungnahme, wie
ich finde, zu Recht hingewiesen. Auch das Prinzip der
Pauschalierungen steht nicht infrage. Dort, wo Härtefälle
vorliegen, wo etwas geschehen muss, ist dies ab sofort
möglich.

Entscheidend ist außerdem, dass sich das Bundesver-
fassungsgericht ausdrücklich nicht befugt sieht, eine Be-
wertung über die Höhe der ermittelten Regelsätze abzu-
geben. Das Bundesverfassungsgericht stellt klar: Aus
der Verfassung ist die Höhe der Regelsätze nicht direkt
ableitbar, und die Regelsätze sind von ihrer Höhe her
nicht offensichtlich unzureichend. Auch das gehört zu
den Feststellungen in diesem Urteil.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es ist Sache des Gesetzgebers, die Regelsätze festzule-
gen. Er hat hier einen Spielraum. Diesen muss er trans-
parent und konsequent auf fundierter empirischer
Grundlage nutzen.

Im Urteil heißt es eben nicht, dass die Regelsätze jetzt
automatisch höher – und damit für den Staat teurer –
werden. Ich finde es wichtig, dass hier jetzt keine fal-
schen Hoffnungen geweckt werden. Das Bundesverfas-
sungsgericht hat das Lohnabstandsgebot mit seinem heu-
tigen Urteil nicht außer Kraft gesetzt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der LINKEN)


Wir als Bundesregierung werden Vorschläge machen,
wie der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nutzen
sollte. Das heißt auch, das Lohnabstandsgebot zu be-
rücksichtigen und dafür zu sorgen, dass diejenigen, die
der Hilfe bedürfen, die Hilfe bekommen, die sie brau-
chen, aber dass auch diejenigen, die jeden Morgen auf-
stehen und zur Arbeit gehen


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie müssen von ihrer Arbeit leben können!)


und diesen Sozialstaat mit ihren Steuern und Sozialabga-
ben finanzieren, sich nicht als die Dummen fühlen. Das
ist auch unsere politische Aufgabe.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Bei der Bekämpfung von Armut sind und bleiben die
direkten materiellen Leistungen unverzichtbar. Das ist
keine Frage, aber es geht um mehr. Arbeit und Einkom-
men spielen eine entscheidende Rolle. Das zeigt sich be-
sonders bei der Lebenssituation von Kindern. Wenn die
Eltern Arbeit haben, sinkt das Armutsrisiko der Kinder
massiv. Das ist es, was im Mittelpunkt steht: dafür zu
sorgen, dass Menschen wieder in Arbeit kommen. In ei-
nem Haushalt, in dem kein Elternteil erwerbstätig ist,
liegt das Risiko eines Kindes, arm zu werden, bei
48 Prozent; bei einer Vollbeschäftigung beider Eltern-
teile liegt es bei 4 Prozent. Das heißt, der Weg raus aus
dem Armutsrisiko, raus aus der Abhängigkeit und raus
aus der Hilfebedürftigkeit führt über Arbeit. Dafür müs-
sen wir die Rahmenbedingungen schaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD: Mindestlohn!)


Das heißt, es geht um maßgeschneiderte Leistungen
für Kinder und Jugendliche, die unter schwierigen Be-
dingungen aufwachsen. Es geht um maßgeschneiderte
Lösungen für Menschen mit Migrationshintergrund, die
individuelle Angebote brauchen, für Frauen, die nach ei-
ner längeren Familienphase wieder ins Berufsleben ein-
steigen wollen, und nicht zuletzt auch für Ältere, die den
Anschluss nicht verpassen dürfen und deren Erfahrun-
gen in dieser Gesellschaft gebraucht werden. Es ist we-
der Absicht noch Ziel der Grundsicherung für Arbeitsu-
chende, eine dauerhafte Abhängigkeit von staatlichen
Leistungen zu erzeugen. Fördern und Fordern gehören
zusammen. Dafür steht auch diese christlich-liberale
Bundesregierung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es geht uns um ein Gesamtkonzept, wie wir bessere
Teilhabechancen und faire Aufstiegsmöglichkeiten für
alle schaffen, also unabhängig vom Geldbeutel und un-
abhängig von der Herkunft.

Armut hat viele Gesichter; eines ist die Bildungsar-
mut. Umgekehrt gilt: Bildung eröffnet Teilhabechancen
ein Leben lang. Für Bildung ist niemand zu jung und
keiner zu alt. Deswegen begrüßt es die Bundesregierung,
dass uns das Bundesverfassungsgericht aufgegeben hat,
insbesondere Bildungsausgaben und Bildungsbedarfe
neu einzubeziehen. Das werden wir tun; dem werden wir
gerecht werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heute ist nicht der Zeitpunkt, um Schuldzuweisungen
vorzunehmen.


(Widerspruch bei der LINKEN)


Es macht Sinn, dass jeder dieses Urteil ernst nimmt und
dass wir gemeinsam die notwendigen Konsequenzen da-
raus ziehen. Für die Bundesregierung steht das außer
Frage. Auch wenn es nicht um Schuldzuweisungen geht,
stelle ich fest: Keinen einzigen der Punkte, die das Bun-
desverfassungsgericht vor allem kritisiert – die Art und
Weise der Festsetzung der Kinderregelsätze, die Nicht-
berücksichtigung besonderer Bedarfe für Schulkinder
und die Fortschreibung nach dem aktuellen Rentenwert –,
hat die christlich-liberale Koalition erfunden; nichts von






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe
dem, was kritisiert worden ist, hat diese Regierung zu
verantworten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Das ist ja unglaublich! – Weiterer Zuruf von der SPD: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?)


Ich will deutlich sagen: Das, was hier kritisiert worden
ist, stammt aus der Zeit, als das Sozialgesetzbuch II in
der heutigen Form geschaffen worden ist. Die rot-grüne
Vorgängerregierung hat genau die Regelungen einge-
führt, die das Bundesverfassungsgericht heute kritisiert
hat. Ich sage das ohne Schuldzuweisung. Es ist einfach
eine Tatsachenfeststellung. Auch darüber muss man in
diesen Tagen reden können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Mit der ersten Bundesregierung Merkel ist vieles bes-
ser geworden.


(Lachen bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben für die Schulkinder das Schulbedarfspaket
eingeführt. Wir haben einen dritten Kinderregelsatz von
70 Prozent für die 6- bis 13-Jährigen eingeführt. Das
mag verfassungsrechtlich nicht besonders elegant er-
scheinen. Die erste Regierung Merkel hat aber eine rot-
grüne Hinterlassenschaft beseitigt; sie hat dafür gesorgt,
dass es den Kindern, die von der Hilfsbereitschaft ande-
rer leben müssen, deutlich besser geht. Das ist ein Fort-
schritt, den die erste Regierung Merkel erzielt hat.

Die zweite Regierung Merkel, die christlich-liberale
Koalition, wird daran anknüpfen. Wir werden dafür sor-
gen, dass es den Menschen in diesem Land besser geht
und dass Kinder bessere Teilhabechancen haben. Das
werden wir aber nicht tun, indem wir Reichtum für alle
propagieren, sondern dadurch, dass wir Chancen auf
Teilhabe durch Bildung und durch Arbeit schaffen, in-
dem wir die Rahmenbedingungen für mehr Arbeit und
Beschäftigung in diesem Land herstellen.


(Zurufe von der SPD: Mindestlohn!)


Das ist unser Auftrag, und dem werden wir gerecht wer-
den.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702121600

Das Wort hat die Kollegin Elke Ferner von der SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1702121700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nachdem Frau von der Leyen heute Morgen in Karls-
ruhe war und auch dem Ausschuss für Arbeit und Sozia-
les Rede und Antwort stand, hätte ich mir gewünscht,
dass sie auch dem Plenum des Deutschen Bundestages in
der Aktuellen Stunde Rede und Antwort steht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Herr Brauksiepe, es hilft nichts, zu sagen, wir sollten
jetzt keine rückwärtsgewandte Debatte führen und keine
Schuldzuweisungen vornehmen, wenn Sie selbst im
nächsten Atemzug mit Schuldzuweisungen anfangen.
Ich möchte nur einmal daran erinnern, dass es unter der
ersten Regierung Merkel die SPD war, die das Schulbe-
darfspaket durchgesetzt hat, und dass es die CDU/CSU-
Bundestagsfraktion gewesen ist, die dieses Paket zu-
nächst einmal nur bis zum zehnten Schuljahr gewähren
wollte. Das gehört zur Wahrheit dazu, Herr Brauksiepe.


(Beifall bei der SPD – Ingrid Fischbach [CDU/ CSU]: Frau Ferner, das ist nicht richtig!)


Ich möchte an ein paar Punkte erinnern, die die Rich-
ter und die Richterin heute Morgen in Karlsruhe deutlich
gemacht haben.

Das soziokulturelle Existenzminimum muss immer
gewährleistet sein; das steht nicht zur Disposition. Man
kann nicht nach dem Motto vorgehen: Wir schaffen jetzt
einfach neue Berechnungsgrundlagen, und im Ergebnis
kommt das Gleiche wie bisher heraus. Das, was Herr
Brauksiepe eben gesagt hat, hörte sich ein bisschen so
an, als hoffe man, nicht mehr Geld ausgeben zu müssen.
Den Tickermeldungen habe ich eben entnommen, dass
Herr Kolb von der FDP gesagt hat: Die Mehrausgaben
sparen wir an anderer Stelle ein.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Hört, hört!)


Wo denn? Bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik, wo doch
gerade die aktive Arbeitsmarktpolitik der beste Schutz
vor Armut ist?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der beste Schutz vor Armut ist eine existenzsichernde
Erwerbsarbeit. So brauchen Erwachsene keine Sozial-
hilfe und keine Grundsicherung, und so sind vor allen
Dingen Kinder nicht auf Grundsicherungsleistungen an-
gewiesen. Der beste Schutz vor Kinderarmut ist die Er-
werbstätigkeit der Eltern.


(Beifall bei der SPD)


Karlsruhe hat auch gesagt: Die Ermittlung des Exis-
tenzminimums muss transparent und nachvollziehbar
geregelt werden, und zwar in einem Gesetz. Es wird ein
heißer Ritt sein, bis zum Ende des Jahres ein Gesetzge-
bungsverfahren zu diesem nicht ganz unkomplexen
Thema durchzuführen. Aber der Aufgabe werden wir
uns stellen. Außerdem müssen wiederkehrende Sonder-
belastungen, die bisher nicht im Existenzminimum be-
rücksichtigt sind, auch gesondert gedeckt werden. Vor
allen Dingen müssen kindspezifische Bedarfe bei der
Bildung gesondert und altersgerecht ermittelt und vor al-
len Dingen auch vollständig gedeckt werden. Das bedeu-
tet: Wir brauchen einen eigenen Kinderregelsatz – das
unterstützen wir sehr –, in dem die kindspezifischen Be-
darfe abgebildet sind.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das hätten Sie alles machen können!)







(A) (C)



(B) (D)


Elke Ferner
Das Bemerkenswerteste an dem heutigen Urteil ist,
dass Karlsruhe das Sozialstaatsgebot ganz deutlich ge-
stärkt hat. Durch diese Entscheidung ist klar geworden:
Der Sozialstaat ist keine disponible Masse. Er steht nicht
zur Disposition. Er steht vor allen Dingen nicht zur Dis-
position derer, die sich in ihrem Koalitionsvertrag daran-
machen, elementare Grundfesten des Sozialstaats anzu-
gehen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wo denn?)


Deshalb müssen die staatlichen Ebenen, die die neuen
Regelsätze und die Sicherung des Existenzminimums
nachher zu finanzieren haben, über die entsprechenden
finanziellen Grundlagen verfügen. Das schließt nach un-
serer Auffassung eine Steuerreform aus, bei der diejeni-
gen, die schon ein x-faches des Existenzminimums ha-
ben, noch entlastet werden sollen. Diese Masse ist nicht
verfügbar. Wie ich den Tickermeldungen entnehmen
konnte, sieht das im Übrigen auch die CSU so. Ich bin
einmal gespannt, wie Sie an der Stelle weiterkommen.
Das schließt im Übrigen genauso die Einführung einer
Kopfprämie aus, die einen Sozialausgleich von fast
40 Milliarden Euro erfordert; das Geld steht nicht zur
Verfügung.


(Beifall bei der SPD)


Ich kann Ihnen nur raten: Schaffen Sie auch die Vo-
raussetzungen dafür, dass Menschen, die arbeiten, von
ihrem Lohn leben können! Das Verfassungsgericht hat
nämlich auf die Menschenwürde abgestellt. Das Lohn-
abstandsgebot definiert sich seit heute nicht mehr nach
dem Motto: „Der unterste Hungerlohn ist der Maßstab,
um die Grundsicherung festzusetzen“, sondern danach:
Das soziokulturelle Existenzminimum plus X muss am
Monatsende bei denen in der Lohntüte vorhanden sein,
die acht Stunden am Tag und fünf Tage die Woche arbei-
ten.


(Beifall bei der SPD)


Deshalb ist Ihre Verweigerungshaltung beim Thema
Mindestlöhne überhaupt nicht mehr nachvollziehbar –
genauso wenig wie die Ausweitung der Regelungen zum
Kombilohn und zu den Minijobs, die Sie in Ihrem Koali-
tionsvertrag vereinbart haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben in den nächsten Wochen und Monaten
noch vieles zu tun. Ich hoffe, dass wir eine offene De-
batte darüber bekommen, was das soziokulturelle Exis-
tenzminimum ist und was dazu gebraucht wird, und
nicht eine Debatte darüber führen, welches soziokultu-
relle Existenzminimum wir uns leisten können; denn das
haben diejenigen, die auf Grundsicherung angewiesen
sind, nicht verdient.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702121800

Das Wort hat der Kollege Pascal Kober von der FDP-

Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1702121900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das

heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Re-
gelleistungen nach SGB II, den sogenannten Hartz-IV-
Regelsätzen, ist sicherlich kein Ruhmesblatt für die rot-
grüne Sozialpolitik der Vergangenheit,


(Elke Ferner [SPD]: Sie waren im Vermittlungsausschuss überall dabei! – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ihr habt doch mitgemacht!)


aber wir wollen uns nicht zu lange damit aufhalten, Ver-
gangenheitsschau zu betreiben und Schuldige zu suchen.

Wir als christlich-liberale Regierungskoalition sehen
in dem Urteil zunächst einmal eine Herausforderung – es
ist ein ehrgeiziges Ziel, die Zeitvorgabe „bis zum Ende
des Jahres“ einzuhalten –; vor allen Dingen sehen wir
darin aber eine Chance für die betroffenen Menschen,


(Beifall bei der FDP)


die wir gern nutzen, und daran machen wir uns ab sofort.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir begrüßen dieses Urteil als FDP insbesondere auch
deshalb, weil es in seinem Kern von Staat und Politik
Transparenz und Rechtfertigung des eigenen Handelns
einfordert – ein urliberaler politischer Gedanke der FDP.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn man sich konkret ansieht, welche Kritikpunkte
das Bundesverfassungsgericht an der rot-grünen Hartz-
IV-Politik formuliert hat, dann sieht man, dass es dem
Bundesverfassungsgericht im Grundsatz nicht um die
Berechnungsmethode ging, sondern, zugespitzt, um
mangelnde Transparenz und fehlende Wertungsentschei-
dungen, allerdings nicht bei der Frage nach dem physi-
schen Existenzminimum. Nein, es ging dem Bundesver-
fassungsgericht um fehlende Wertungsentscheidungen
bei der Frage, was die Menschen über das reine physi-
sche Existenzminimum hinaus an Unterstützung für die
gesellschaftliche Teilhabe benötigen. So werden wir als
christlich-liberale Regierungskoalition die Frage beant-
worten, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, damals
bewusst oder vielleicht auch unbewusst offengelassen
haben. Das ist vertrauenswürdige Politik und Politik, die
sich vor Verantwortung nicht scheut.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ute Kumpf [SPD]: Dann müssten Sie als Pfarrer doch auch für Mindestlohn sein!)


Zum jetzigen Zeitpunkt ist es auch völlig unange-
bracht, über die Höhe der Regelsätze zu diskutieren;
denn noch einmal: Darüber hat das Bundesverfassungs-
gericht keine Aussage getroffen.






(A) (C)



(B) (D)


Pascal Kober

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn sonst? – Zuruf von der LINKEN: Was?)


Angesichts des Tenors des Urteils ist wohl davon auszu-
gehen, dass, wenn die Höhe der Regelsätze unangemes-
sen wäre, das Bundesverfassungsgericht dies auch expli-
zit moniert hätte.


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Noch einmal nachlesen, das Urteil!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere der
SPD, ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass Sie
von Ihren Versäumnissen aus dem Jahr 2005 jetzt ablen-
ken wollen,


(Ute Kumpf [SPD]: Zumindest was den Mindestlohn anbelangt!)


indem Sie Ihre altbekannten Themen, Frau Ferner, wie
Mindestlohn oder die intellektuell etwas unambitionierte
Pauschalkritik am Steuerkonzept der FDP unsachgemäß
in diese Debatte einführen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ute Kumpf [SPD]: Machen Sie als Pfarrer diese Klientelpolitik mit? Das kann ich nicht verstehen!)


Wir haben ja schon darüber gesprochen, dass beispiels-
weise eine alleinerziehende Mutter, die, weil sie keine
Betreuung für ihr Kind findet, nur 15 Stunden die Woche
arbeiten kann, auch durch einen Mindestlohn von
7,50 Euro, 8 Euro oder 10 Euro nicht von staatlicher Un-
terstützung unabhängig wird.

Wenn Sie, Frau Ferner, meinen, heute schon wissen
zu können, was dieses Urteil für den Bundeshaushalt be-
deuten wird, muss ich Ihren Eifer entschieden zurück-
weisen. Noch einmal: Das Bundesverfassungsgericht hat
keine Aussage über die Höhe der Regelsätze getroffen.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber den Kinderfreibetrag erhöhen!)


Außerdem sind wir, die christlich-liberale Regierungs-
koalition, mit dem Anspruch angetreten, durch eine effi-
zientere und wirksamere Arbeitsvermittlung, durch effi-
zientere und wirksamere Arbeitsmarktinstrumente und
durch eine effizientere und wirksamere Wirtschafts-, Fi-
nanz- und Bildungspolitik immer mehr Menschen den
Weg aus dem SGB-II-Rechtskreis hinaus und in sozial-
versicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse und damit in
ein weitestgehend selbstbestimmtes Leben hinein zu eb-
nen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ute Kumpf [SPD]: Prekäre Beschäftigung!)


Von daher sind am heutigen Tag zu den Auswirkungen
dieses Urteils auf den Bundeshaushalt, Frau Ferner,
schlicht noch keine Aussagen möglich.

Wir werden die Sätze für Kinder wirklich kindspezi-
fisch ausgestalten.

(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Plastikenten!)


Wir als christlich-liberale Koalition denken nämlich vor
allen Dingen zunächst an die, die von Hartz IV am här-
testen betroffen sind.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In dieser Hinsicht bietet das Urteil viele Chancen, die
wir ergreifen und umsetzen werden. Das Urteil hat eine
klare Botschaft: Bildung ist der beste Schutz vor Armut.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Wort zum Sonntag!)


Nur durch gute Bildung besteht die Chance zur selbstbe-
stimmten gesellschaftlichen Teilhabe. Das ist im Übri-
gen eine Position, die wir als FDP-Bundestagsfraktion
schon lange vertreten und die sich auch im Koalitions-
vertrag wiederfindet.

Von daher sehen wir dieses Urteil als Chance und als
Herausforderung. Wir freuen uns auf die nächsten Mo-
nate.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Möwenpick-Partei freut sich auf die nächsten Monate!)


Die höchstrichterliche Entscheidung manifestiert die Be-
deutung von Bildung in unserem Land. Diese Chance
werden wir für die Menschen ergreifen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702122000

Das Wort hat der Kollege Markus Kurth von Bünd-

nis 90/Die Grünen.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702122100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

glaube, man muss hier doch einmal einiges klarstellen.

Frau Kipping, das Bundesverfassungsgericht hat heute
nicht insgesamt über das Sozialgesetzbuch II oder über
die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
geurteilt, sondern über den Kern der Regelsatzverord-
nung, nämlich die Höhe der Regelsätze.


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Ich habe das Urteil mit!)


Diese Regelsatzverordnung – Herr Brauksiepe, diese
Worte richte ich an die Bundesregierung – ist von der da-
maligen Bundesregierung im Jahre 2003 verabschiedet
worden. Dem haben aber im Bundesrat die Landesregie-
rungen,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Katja Kipping [DIE LINKE]: Es hat auch über die Paragrafen 20 und 28 geurteilt!)







(A) (C)



(B) (D)


Markus Kurth
an denen zum Teil die CDU und die SPD und teilweise
auch die FDP beteiligt waren, zugestimmt.

Wenn wir uns das Urteil und die dazugehörenden Be-
wertungen in Ruhe anschauen, dann kommen wir zu
dem Schluss, dass wir uns in der Tat kritisch fragen müs-
sen, ob die Bestimmung der Regelsatzhöhe durch die
Bundesregierung und durch die Landesregierungen im
Rahmen einer Verordnung bei diesen richtig aufgehoben
ist oder ob wir nicht besser darüber im Parlament disku-
tieren sollten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Elke Ferner [SPD]: Das hat Karlsruhe gesagt: Wir müssen es!)


Das Bundesverfassungsgericht spricht von Schätzun-
gen ins Blaue hinein, die keine realitätsgerechte Ermitt-
lung darstellten. Es führt weiterhin aus, die Bestimmung
des regelleistungsrelevanten Verbrauchs beruhe nicht auf
einer tragfähigen Auswertung der Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe, und die Kinderregelsätze beruh-
ten auf einer freihändigen Setzung ohne empirische und
methodische Fundierung. Auch die 100 Euro für das von
Ihnen eben so gepriesene Schulstarterpaket – Herr
Brauksiepe, hören Sie genau zu! – seien, so das Bundes-
verfassungsgericht, freihändig geschätzt. Das ist natür-
lich absolut dramatisch.


(Zuruf von der LINKEN: Von Rot-Grün!)


Jetzt höre ich die Zurufe „Das war Rot-Grün! Sie wa-
ren damals dabei!“ und dergleichen mehr.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber das stimmt doch!)


Ich möchte hier einmal feststellen, dass das von uns
nicht infrage gestellt wird. Aber selbstverständlich ha-
ben wir die Entwicklung in den Jahren nach 2003 genau
beobachtet und bewertet. In dem Familienbericht der
Bundesregierung aus dem Jahre 2006 steht, dass man mit
dem für Ernährung vorgesehenen Anteil des Hartz-IV-Re-
gelsatz nur bis zum 24. Tag eines Monats eine gesunde
Ernährung für Kinder sicherstellen kann. Das war ein
Familienbericht der Großen Koalition.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Statistische Bundesamt hat eine Untersuchung
über das Ausgabeverhalten von Niedrigeinkommenshaus-
halten durchgeführt, in der festgestellt wird, dass auch die
einkommensschwächsten Haushalte 60 bis 70 Euro mehr
für Kinder ausgeben, als im Regelsatz vorgesehen ist.
Daraus haben wir im Gegensatz zu Ihnen von der FDP,
die Sie jetzt von einer Ohrfeige für Rot-Grün sprechen,
unsere Schlüsse gezogen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben in den Jahren 2007, 2008 und 2009 An-
träge zu diesem Thema gestellt, denen Sie, wenn Sie den
bestehenden Zustand als so skandalös empfunden hätten,
hätten zustimmen können. Wir haben noch vor dem heu-
tigen Urteil die Situation genau analysiert und haben in
unserer heutigen Fraktionssitzung einen Beschluss ge-
fasst, den wir in der nächsten Sitzungswoche des Deut-
schen Bundestages als Antrag einbringen werden. Darin
gehen wir genau auf die Punkte ein, die das Bundesver-
fassungsgericht inkriminiert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir fordern, dass jetzt schnell gehandelt wird. Wir
sind der Auffassung, dass sofort gehandelt werden muss
und dass es nicht falsch wäre, eine sofortige Erhöhung
der Regelsätze für Erwachsene und Kinder vorzunehmen
und unverzüglich eine Kommission aus unabhängigen
Experten einzuberufen, die dem Parlament Vorschläge
macht, wie man zukünftig mit der Regelsatzfestsetzung
verfahren soll.

Wenn Sie, Herr Brauksiepe, jetzt sagen, niemand
solle sich Hoffnungen auf höhere Regelsätze machen,
dann laufen Sie Gefahr, den Fehler aus dem Jahr 2003 zu
wiederholen, nämlich vorab fiskalisch das Ausgabevolu-
men festzusetzen und dann den Regelsatz auf diese
Größe passend zu rechnen. Das würde uns umgehend
wieder vor das Verfassungsgericht führen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Ich möchte abschließend sagen: Bei der ganzen Argu-
mentation um das Lohnabstandsgebot ist die Menschen-
würde, also der Bezug auf Art. 1 des Grundgesetzes,
entscheidend. Das hat seinen Niederschlag in § 1 des
damaligen Bundessozialhilfegesetzes gefunden, wo es
hieß, dass die Sozialhilfe den Menschen ein Leben in
Würde ermöglichen soll. Das muss der erste Maßstab
sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es geht natürlich darum, den bereits angesprochenen
Mindestlohn einzuführen, um damit das Prinzip der
Menschenwürde sozusagen zu flankieren.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Da, wo der Mindestlohn nicht ausreicht, gilt es, die vor-
gelagerten Systeme wie beispielsweise Wohngeld und
Steuerzuschuss zu den Sozialversicherungsabgaben im
unteren Einkommensbereich zu stärken. Das ist wesent-
lich sinnvoller als Ihre Steuersenkungspläne, die sich mit
dem heutigen Urteil ein weiteres Mal, wenn nicht gar
vollständig, erledigt haben dürften.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702122200

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Carsten

Linnemann von der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Carsten Linnemann (CDU):
Rede ID: ID1702122300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich kann ja
verstehen, dass das Urteil von heute Emotionen weckt.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Carsten Linnemann

(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Vor allem bei den Betroffenen!)


Aber bei allen Emotionen sollten wir die Kirche im Dorf
lassen. Ich habe Ihnen einmal Tickermeldungen von
heute mitgebracht. Die stellvertretende Vorsitzende der
Partei Die Linke, Katja Kipping, sagte heute:

Der heutige Tag ist ein Festtag …

Das haben Sie auch eben noch einmal gesagt. Ich zitiere
weiter:

Die Partei DIE LINKE fordert … die Erhöhung der
Regelsätze für Erwachsene auf 500 Euro …


(Beifall bei der LINKEN)


Gregor Gysi sagte, dass das ganze System „ein Angriff
auf den Sozialstaat“ Deutschlands ist.


(Beifall bei der LINKEN)


So treten wir im Ausland auf.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ihre Politik ist das!)


Jetzt kommen die Fakten: Erstens. Der Bereich Arbeit
und Soziales macht den größten Ausgabenblock im
Haushalt aus.

Zweitens. Der Bereich Arbeit und Soziales wächst in
diesem Jahr auf knapp 150 Milliarden Euro an; das ist
ein Plus von 15 Prozent.

Drittens. 43 Prozent der wahlberechtigten Bevölke-
rung in Deutschland bekommen Sozialleistungen. Allen
Unkenrufen von Ihnen zum Trotz: Dieses Land ist ein
sozialer Staat, und wir können uns mit allen anderen
Staaten auf diesem Globus messen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ihre Entscheidung war verfassungswidrig!)


Wir blicken jetzt zurück auf sieben Stunden seit Ver-
kündung des Urteils um 10 Uhr. Wir freuen uns über die
Klarheit – auch das sagen wir offen –, und wir werden
Transparenz und Stringenz schaffen. Aber zwei Punkte
kann ich Ihnen heute schon sagen: Wer dieses Urteil aus-
nutzt, um einen Wettlauf um die höchsten Regelsätze
vom Zaun zu brechen und, wie Sie, einen Regelsatz von
500 Euro fordert,


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Menschenwürdige Regelsätze, darum geht es!)


der streut den Menschen Sand in die Augen. Dann wer-
den nämlich Millionen von Menschen in das SGB II rut-
schen,


(Lachen bei der LINKEN)


und dann wird der Grundsatz, dass Arbeit sich lohnen
muss, in Deutschland mit Füßen getreten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Schämen Sie sich!)

Über den zweiten und letzten Punkt habe ich mich ge-
rade noch mit Frau Fischbach unterhalten; dieser ist ganz
wichtig. Wir reden hier über Regelsätze. Aber bei allen
Emotionen und bei allem Eifer dürfen wir das Grundpro-
blem nicht aus den Augen verlieren: Das Ziel muss es
sein, die Menschen in Beschäftigung zu bringen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ute Kumpf [SPD]: Existenzsichernde Beschäftigung! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Dann tun Sie es doch!)


Nehmen Sie doch nur das Beispiel der Kinderregel-
sätze – ich zitiere Herrn Brauksiepe –: 50 Prozent der
Kinder, deren Eltern von Leistungen nach dem SGB II
leben, sind von Armut bedroht, aber nur – in Anfüh-
rungsstrichen – 8 Prozent der Kinder von Eltern, die Ar-
beit haben. Mit anderen Worten: Der Schlüssel ist, dass
die Eltern wieder in Beschäftigung kommen. Die Politik
kann zwar keine Beschäftigung schaffen, aber sie kann
den Rahmen dafür setzen. Die Union wird dies verläss-
lich und entschlossen tun.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702122400

Das Wort hat die Kollegin Gabriele Hiller-Ohm von

der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1702122500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich

komme wieder zum Thema zurück.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Bundesverfassungsgericht hat heute über eine der
wichtigsten Fragen überhaupt geurteilt: Wie soll die
Grundsicherung, also das letzte soziale Auffangnetz in
unserer Gesellschaft, aussehen?

Wir haben uns seit der Zusammenlegung von Arbeits-
losenhilfe und Sozialhilfe im Jahr 2005 immer wieder
mit diesem Thema befasst; auch Vereine und Verbände
haben intensiv über die Grundsicherung diskutiert. Das
ist auch gut so. Ich hätte mir diese Diskussion übrigens
schon viel früher zur Sozialhilfe gewünscht. Denn es
geht um nicht weniger als um die Absicherung der Exis-
tenz von Menschen, die auf einen intakten Sozialstaat
angewiesen sind. Das gilt ganz besonders für die über
2 Millionen armutsgefährdeten Kinder in unserem Land.
Das Bundesverfassungsgericht bemängelt, dass kinder-
spezifische Bedarfe überhaupt nicht eigens ermittelt,
sondern lediglich vom Erwachsenenregelsatz abgeleitet
werden.

Bedarfsgerechte und differenzierte Kinderregelsätze
sind eine zentrale Forderung der SPD.


(Beifall bei der SPD – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Seit wann das denn? Das habe ich schon anders gehört!)







(A) (C)



(B) (D)


Gabriele Hiller-Ohm
Die Schwachstelle in der Regelsatzbewertung haben wir
erkannt und deshalb in der letzten Legislaturperiode eine
Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchs-
stichprobe zur Ermittlung eigenständiger Kinderbedarfe
auf den Weg gebracht. Dies hatte eine Erhöhung der Re-
gelsätze, die Einführung der dritten Altersstufe und das
Schulbedarfspaket zur Folge.

Ich hätte mich gefreut, wenn wir damals mehr Unter-
stützung von unserem Koalitionspartner, der CDU/CSU,
gehabt hätten.


(Beifall bei der SPD)


Aber die mussten wir zum Jagen tragen, wir mussten sie
regelrecht schieben. Es ist kein Wunder, dass die Regie-
rungsbank jetzt praktisch leer ist. Keiner ist da, kein
Fachpolitiker sitzt hier.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ CSU und der FDP)


Wo ist die Ministerin? So wichtig ist der neuen Regie-
rung dieses Thema. Das ist bezeichnend. Das wirft ein
schlechtes Licht auf die schwarz-gelbe Bundesregie-
rung.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Einkommens-
und Verbrauchsstichprobe als Grundlage für die Regel-
satzberechnung nicht infrage gestellt. Ich finde das gut.
Ich begrüße das; denn auch hier im Bundestag bestand in
dieser Frage überwiegend Einigkeit. Schwierig wird es
bei der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchs-
stichprobe und bei den Festsetzungen der einzelnen Aus-
gabepositionen. Hier zeigt das Bundesverfassungsge-
richt ganz klar die rote Karte, verurteilt die bisherige
Methodik und fordert Transparenz.

Ich bin gespannt, was die schwarz-gelbe Bundes-
regierung vorlegen wird. Viel Zeit bleibt nicht. Die Frist
ist bis 1. Januar 2011 gesetzt. Herr Kuhn, natürlich wer-
den auch wir, die SPD-Fraktion, Hilfestellung leisten,
damit die Bundesregierung zu einer guten Reform kom-
men wird.


(Beifall bei der SPD – Elke Ferner [SPD]: Das setzt Einsichtsfähigkeit aufseiten der Bundesregierung voraus!)


Die Verfassungsrichter haben sich auch mit der An-
passung der Regelsätze an die Preissteigerung befasst.
Wir fordern schon seit längerem, den Zeitraum der Ein-
kommens- und Verbrauchsstichprobe zu verkürzen. So
könnte auf Preisveränderungen und veränderte Konsum-
strukturen angemessener reagiert werden als mit der
heute beanstandeten Koppelung an die Rentenentwick-
lung.

Das Bundesverfassungsgericht hat auch zu den soge-
nannten atypischen Bedarfslagen Stellung bezogen und
die derzeitige Regelung verurteilt. Das ist aus meiner
Sicht richtig; denn sowohl die Sozialhilfe als auch das
Arbeitslosengeld II dienen der Grundsicherung. Deshalb
muss es in beiden Rechtskreisen möglich sein, beson-
dere individuelle Bedarfslagen adäquat abzusichern. Im
SGB II, also der Grundsicherung für die Langzeitarbeits-
losen und deren Kinder, war dies bisher nicht möglich.
Das war ein Fehler.


(Beifall bei der SPD)


Bedarfsgerechte Kinderregelsätze sind ein ganz wich-
tiger Baustein zur Vermeidung von Kinderarmut und zur
Herstellung gerechter Chancen vor allem in der Bildung.
Doch das allein reicht nicht aus. Bund, Länder und Kom-
munen sind gemeinsam gefordert, ihren Verpflichtungen
gegenüber den Kindern nachzukommen, gerade jetzt
nach dem erfolgten Urteil. Wir brauchen deshalb eine
konzertierte Aktion gegen Kinderarmut.

Die SPD hat schon 2008 in ihrem Zehnpunktepro-
gramm aufgezeigt, was vor allem in den Ländern und in
den Kommunen getan werden muss. Die Herstellung ei-
ner intakten Infrastruktur für Kinder und Jugendliche
kostet natürlich Geld; Geld, das die Länder und Kommu-
nen gerade jetzt in der Konjunkturkrise nicht haben und
das ihnen besonders durch das von Schwarz-Gelb be-
schlossene sogenannte Wachstumsbeschleunigungsge-
setz noch weiter entzogen wird. Ich bin gespannt, wie
die schwarz-gelbe Bundesregierung die finanzielle Aus-
stattung der Kommunen sicherstellen will,


(Elke Ferner [SPD]: Gar nicht!)


und ich bin gespannt, woher sie die Mittel für die Umset-
zung des Karlsruher Urteils nehmen will. Durch Steuer-
geschenke und Steuersenkungen kommt man jedenfalls
nicht weiter. Auch hier muss eine Umkehr erfolgen, und
zwar schnell.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702122600

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.


Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1702122700

Ich komme zum Schluss. – Natürlich ist die Bekämp-

fung von Kinderarmut nur durch die Bekämpfung von
Arbeitslosigkeit möglich. Deshalb war dies in der letzten
Legislaturperiode und unter Rot-Grün ein Schwerpunkt
unserer Politik. Diesen Weg müssen wir weitergehen.
Meine Kollegin Elke Ferner hat schon darauf hingewie-
sen, dass wir endlich einen flächendeckenden gesetzli-
chen Mindestlohn durchsetzen müssen,


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ach ne! Aber bisher immer abgelehnt!)


um die Chancen der Menschen, die wenig verdienen,
und damit auch die Chancen der Kinder zu verbessern.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702122800

Frau Kollegin, bitte.


Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1702122900

So können wir Kinderarmut in unserem Land am bes-

ten und effektivsten bekämpfen.

Danke schön.






(A) (C)



(B) (D)


Gabriele Hiller-Ohm

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702123000

Das Wort hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb von der

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1702123100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das

heutige Urteil aus Karlsruhe ist ein wichtiges Urteil,
schon deswegen, weil es um 40 Milliarden Euro Steuer-
mittel im Bundeshaushalt und weitere circa 10 Milliar-
den Euro Steuermittel in den Haushalten der Kommunen
geht. Das macht die ganze Dimension des Problems
deutlich.

Frau Kollegin Kipping, Sie haben gesagt: Wir neh-
men das Urteil ernst. Liebe Kolleginnen und Kollegen
von der Linken, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen:
Dazu passt die gespielte Empörung, die künstliche Auf-
regung, die Sie hier an den Tag legen, nicht.


(Widerspruch bei der LINKEN)


Das wirkt alles sehr bemüht, Frau Enkelmann. Auf mich
macht das den Eindruck, Sie hatten Ihre Rede schon vor
Tagen formuliert. Es ist ja schon länger bekannt, dass
diese Aktuelle Stunde stattfinden wird. Das, was wir
heute aus Karlsruhe gehört haben, ist aber nicht so recht
Wasser auf Ihre Mühlen. Sie haben sich offensichtlich
ein bisschen mehr erhofft.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Da täuschen Sie sich aber gewaltig! – Diana Golze [DIE LINKE]: Im Gegensatz zu Ihnen waren wir vor Ort!)


– Wir sind auch permanent vor Ort. Das kann ich Ihnen
sagen. Nicht ablenken, Frau Kollegin!

Ich will beim Thema bleiben. Karlsruhe hat sehr deut-
lich gesagt: Nicht der Regelsatz als solcher ist nicht ver-
fassungsgemäß. Im Gegenteil, das Verfassungsgericht
sagt: Das, was für den Alleinstehenden, für den Partner
in der Bedarfsgemeinschaft, für das Kind gezahlt wird,
ist nicht evident unzureichend.


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Sie müssen uns hier nicht belehren! Wir haben das Urteil dabei!)


Karlsruhe sagt: Die Ermittlung des Regelsatzes ist nicht
verfassungsgemäß erfolgt. Man muss den Kollegen von
den Grünen, Herr Kurth, aber auch von der SPD, die sich
hier heute reinwaschen wollen, sagen: Das ist die Haupt-
kritik aus Karlsruhe. Karlsruhe sagt, es hätten wertende
Entscheidungen getroffen werden müssen, was über das
physische Existenzminimum hinaus für die gesellschaft-
liche, politische und kulturelle Teilhabe notwendig ist.


(Elke Ferner [SPD]: Das gilt für uns alle, die wir hier sitzen, für Sie auch!)

Diese Entscheidung haben Sie, Frau Ferner, in der Ver-
gangenheit verweigert,


(Elke Ferner [SPD]: Sie auch!)


und deswegen sind Sie durch Karlsruhe heute zu Recht
abgewatscht worden. Das muss man hier einmal deutlich
sagen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Für mich macht das Urteil noch einmal deutlich, wa-
rum es so wichtig ist, Steuersenkungen für Familien,
Entlastungen für Familien vorzunehmen, wie es die
christlich-liberale Koalition und vor allen Dingen die
FDP schon seit langem fordert.


(Elke Ferner [SPD]: Das glaubt doch kein Mensch mehr!)


Bei allem darf man das Lohnabstandsgebot nicht außer
Acht lassen. Das will ich hier sehr deutlich sagen.


(Beifall bei der FDP)


Wer sagt: „Regelsätze auf 500 Euro erhöhen“, der löst
sich vollkommen von dieser Systematik und überdehnt
unser Wirtschafts- und Lohnsystem. Das kann nicht ge-
leistet werden.


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Mit einem Mindestlohn von 10 Euro!)


Frau Ferner und Frau Kollegin Kipping, deswegen ist
es falsch, zu sagen: Wir kriegen das mit Mindestlöhnen
in den Griff. Das wird nicht der Fall sein. Der Kollege
Kober hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das zum ei-
nen eine Frage der Arbeitszeit ist. Wie lange kann ich als
Alleinerziehende, auch mit einem Mindestlohn, arbei-
ten? Die Zeit wird nicht immer reichen, um einen Betrag
oberhalb des Regelsatzes zu erwirtschaften. Zum ande-
ren ist das aber auch eine Frage des Familienstandes. Sie
sagen: Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn
müsste für Verheiratete mit zwei Kindern bei mindestens
12,50 Euro liegen, damit man transferbezugsfrei wird.


(Elke Ferner [SPD]: Wenn zwei Elternteile arbeiten, schon nicht mehr? Was haben Sie denn überhaupt für ein Rollenbild im Kopf, Herr Kolb?)


Das kann doch nicht allen Ernstes Ihre Auffassung sein;
denn damit würden flächendeckend und reihenweise Ar-
beitsplätze besonders in den neuen Bundesländern verlo-
ren gehen.


(Beifall bei der FDP – Elke Ferner [SPD]: Das Ein-Ernährer-Modell ist schon lange Geschichte!)


Frau Kollegin Ferner, weil wir hier auch über die
Menschenwürde reden: Für mich ist es auch eine Frage
der Menschenwürde, ob ich als Mensch mit einer gerin-
geren Qualifikation eine Chance auf einen Arbeitsplatz
habe. In diesem Zusammenhang muss man sehr deutlich
sagen, dass Mindestlöhne, wenn sie zu hoch sind, gerade
Menschen mit einer geringen Qualifikation aus dem Ar-
beitsmarkt aussperren. Das ist eine Null-oder-eins-Ent-






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Heinrich L. Kolb
scheidung. Entweder du bringst das, was gefordert wird,
oder du bist vollkommen raus.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Sie haben überhaupt keine Ahnung, wer mittlerweile im prekären Bereich alles arbeitet!)


Frau Kollegin Ferner, das ist am Ende nicht angemessen.
Das muss man deutlich sagen.

Der Zeitplan, der uns aus Karlsruhe vorgegeben wor-
den ist, ist sehr eng. Er ist auch deswegen eng, weil wir
noch einen zweiten Restanten aus rot-grüner Zeit zu be-
arbeiten haben, nämlich die Organisationsreform.


(Elke Ferner [SPD]: Da war Ihr Koalitionspartner dabei! Das könnte längst erledigt sein!)


– Sie waren auf jeden Fall dabei, Frau Ferner, da können
Sie sagen, was Sie wollen. Sie haben in den letzten elf
Jahren regiert. Sie haben auch den Arbeitsminister ge-
stellt.


(Elke Ferner [SPD]: Die da drüben haben es blockiert!)


Für mich haben Sie auch die Verantwortung dafür, dass
die Frage der Organisationsreform in der letzten Legisla-
turperiode nicht gelöst werden konnte;

denn natürlich muss der federführende Minister Lösun-
gen vorlegen, die am Ende eine breite Mehrheit finden.


(Beifall bei der FDP – Elke Ferner [SPD]: Nur die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat blockiert!)


Ich will noch eines sagen. Frau Kollegin Ferner, Sie
haben gesagt: Wir wollten da etwas mit Einsparungen
machen. Ich will nur sagen: Dieser Auffangtatbestand,
diese besondere Härte, die zu regeln uns das Bundesver-
fassungsgericht angemahnt hat, wird – das sagt Karls-
ruhe selbst – aufgrund der tatbestandlichen Vorausset-
zungen in der Tat nur in sehr wenigen Fällen greifen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir im Zuge der Orga-
nisationsreform die Effizienz der Vermittlung steigern
können, also eine schnellere Vermittlung in ein neues
Arbeitsverhältnis erreichen können, und dass wir auf
diesem Wege Einsparungen erreichen, die wir an anderer
Stelle den Bedürftigen zugutekommen lassen werden.

Auf diesem Kurs bewegen wir uns. Zur gespielten
Empörung, wie wir sie bei der Linken erleben, besteht
überhaupt kein Anlass.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Zu Recht Empörung! Das zeigt das Urteil!)


Wir werden das, was uns aufgegeben ist, in Ruhe regeln.
Die Zeit ist knapp; aber man kann das schaffen. Wenn
alle sich beteiligen, wird es umso besser gelingen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702123200

Das Wort hat die Kollegin Diana Golze von der Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Diana Golze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702123300

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! „Kinder sind keine kleinen Erwach-
senen.“ Dieser Satz ist nunmehr nicht nur eine Feststel-
lung von Sozialverbänden und der Fraktion Die Linke,
sondern er ist Bestandteil der Urteilsbegründung der
heutigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerich-
tes, und das ist gut so.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Hartz IV ist Armut per Gesetz, und dieses Gesetz
wurde heute zum zweiten Mal für verfassungswidrig er-
klärt; denn es widerspricht der Würde des Menschen und
dem Sozialstaatsprinzip.


(Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht, was Sie erzählen!)


Sehr geehrte Kollegen Kurth und Kolb, es ging eben
nicht nur um die Regelsatzverordnung, sondern sehr
wohl um die §§ 20 und 28 SGB II. Im Gegensatz zu Ih-
nen waren mein Kollege Ernst, meine Kollegin Kipping
und ich heute dort und haben die Urteilsbegründung ge-
hört. Wir haben das Urteil dabei und wissen sehr wohl,
wovon wir reden.


(Beifall bei der LINKEN – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Eindruck habe ich nicht!)


Ich möchte mich bei den vielen Menschen bedanken,
die in den vergangenen Jahren an unterschiedlichsten
Orten gegen diese gerade bei den Kindern an den Haaren
herbeigezogenen Regelsätze gekämpft haben. Ich be-
danke mich bei den Sozialverbänden und Initiativen, die
nach Lösungsvorschlägen gesucht und Alternativen an-
geboten haben. Ich bedanke mich nicht zuletzt recht
herzlich bei den Familien, die den langen Weg bis zum
heutigen Tag durch die Instanzen gegangen sind und uns
dieses Urteil beschert haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
macht deutlich: Die Regelsätze für Kinder im ALG II
müssen grundsätzlich neu und eigenständig berechnet
werden. Das Bundesverfassungsgericht zwingt die Re-
gierung nun, das zu tun, was seit Jahren überfällig ist:
Das Existenzminimum von Kindern muss anhand ihrer
eigenen Bedürfnisse gesichert werden. Hier bescheinigt
das Gericht den verantwortlichen Bundesregierungen
von Rot, Grün, Schwarz und Gelb einen „völligen Er-
mittlungsausfall“.

Die Regelsätze für Kinder sind in zweifacher Hinsicht
nicht mit der Verfassung vereinbar und verstoßen gegen
die Menschenwürde und das Sozialstaatsgebot. Zum ei-
nen sind sie prozentual vom Regelsatz der Erwachsenen
abgeleitet, was nicht sein darf, wie wir seit heute wissen.






(A) (C)



(B) (D)


Diana Golze
Zum anderen ist schon der Regelsatz für Erwachsene an
sich verfassungswidrig. Daran haben Rot-Grün und
Schwarz-Rot unter freundlicher Genehmigung der FDP,
Herr Kolb, gearbeitet. Insofern tragen Sie alle hier die
Verantwortung.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie haben sich an die von Ihnen selbst gesetzten Regeln
nicht gehalten. Sie haben ganze Ausgabenblöcke bei der
Berechnung des Regelsatzes nicht einbezogen, zum Bei-
spiel Ausgaben für Bildung.

Zu diesem Punkt möchte ich noch detailliertere Aus-
führungen machen. Gerade hier sind die Kinder in ganz
besonderer Art und Weise betroffen.

Ich bin dankbar für die Klarstellung des Gerichts,
dass erstens alle Menschen ein Recht auf Teilhabe auch
an Bildung haben, dass zweitens dieser Anspruch insbe-
sondere für die Kinder gilt und dass drittens dafür nicht,
wie bisher, die Bundesländer weiter verantwortlich ge-
macht werden können. Das Bundesverfassungsgericht
hat ganz klar festgestellt: Die Bundesländer sind verant-
wortlich für die Institution Schule, nicht aber dafür, den
Zugang aller Menschen zu diesen Bildungseinrichtungen
zu sichern. Das ist Bundesaufgabe. Dieser sind Sie bis-
her nicht nachgekommen. Dazu werden Sie nun vom
Bundesverfassungsgericht gezwungen.


(Beifall bei der LINKEN)


Sehr geehrte Damen und Herren, bisher, auch heute
wieder, haben Sie unsere Forderungen als Populismus,
als Wünsch-dir-was-Programm oder Ähnliches bezeich-
net. Ich sage nur: Nichts sehen, nichts hören, nichts sa-
gen.


(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Und nichts verstehen!)


Herr Brauksiepe, wenn Sie ein Problem nicht wahrneh-
men wollen, dann wollen Sie es auch nicht lösen. Aber
das Bundesverfassungsgericht gibt Ihnen auf, dieses
Problem zu lösen. Deshalb kann ich Ihnen nur empfeh-
len, mir erstens zuzuhören


(Lachen bei der CDU/CSU)


und zweitens das Bundesverfassungsgerichtsurteil zur
Kenntnis zu nehmen und endlich entsprechend zu han-
deln.


(Beifall bei der LINKEN)


Für uns als Linke kann die Lösung nur sein: Die Re-
gelsätze gerade für Menschen unter 18 Jahren müssen
spürbar angehoben werden, um endlich kindgemäß zu
sein. Sie müssen sich an dem Bedarf der Kinder ausrich-
ten, wie es die Linke schon seit langem gefordert hat.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Frist, die das Bundesverfassungsgericht gesetzt
hat, läuft bis Jahresende. Auch dies macht deutlich, dass
das Gericht einen großen und dringenden Handlungsbe-
darf sieht. In anderen Urteilen wurde der Bundesregie-
rung mehr Zeit als in diesem Urteil eingeräumt.
Aber die Bundesregierung hat Glück im Unglück. Sie
müssen nicht warten, auf neue Zahlen hoffen oder bis
zum Sankt-Nimmerleins-Tag irgendwelche Recherchen
durchführen. Nein, es gibt belastbares Zahlenmaterial.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat eine ausführli-
che Expertise vorgelegt, auf die Sie sich stützen können.
Ich fordere Sie auf, die Regelsätze für Kinder sofort und
unverzüglich auf mindestens die Höhe der Regelsätze
des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes anzuheben.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sichern Sie den bedürftigen Kindern nicht nur, wie es
das Bundesverfassungsgericht auch gefordert hat, umge-
hend die physische Existenz, sondern sichern Sie ihnen
auch die Teilhabe am sozialen, gesellschaftlichen, politi-
schen und kulturellen Leben! Die Würde des Menschen
ist unantastbar. Handeln Sie endlich danach!

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702123400

Das Wort hat die Kollegin Mechthild Heil von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Pascal Kober [FDP])



Mechthild Heil (CDU):
Rede ID: ID1702123500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Vor uns liegt die Aufgabe der Feinjustierung
der Regelleistungen des SGB II


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Die Abschaffung!)


in einem transparenten, verfassungskonformen Verfah-
ren. Das ist bei der CDU und unserer Ministerin Ursula
von der Leyen in guten Händen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])


Wir löffeln hier eine Suppe aus, die uns die rot-grüne
Regierung eingebrockt hat.

Eines ist uns allen klar – darüber sollten wir nicht
streiten –: Es geht um die Schwächsten der Schwachen,
es geht um die Menschen, die ihren eigenen Lebensun-
terhalt nicht bestreiten können, und es geht um deren
Kinder und ihren eigenständigen Anspruch nach Maß-
gabe ihrer spezifischen Bedürfnisse. Für sich selbst nicht
sorgen zu können, das ist schon hart. Nicht für seine
Kinder sorgen zu können, ist für Eltern – das wäre es
auch für mich als Elternteil – unerträglich.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist wichtig und richtig, dass die Solidargemein-
schaft in einer solchen Notlage helfend einspringt. Daran
zeigt sich die Qualität unseres Sozialstaates. Wir in
Deutschland haben hier eine hohe Qualität. Wir leben in
einem Land mit einem der ausdifferenziertesten Sozial-






(A) (C)



(B) (D)


Mechthild Heil
systeme der Welt, mit zwölf Sozialgesetzbüchern, dem
Behindertengleichstellungsgesetz, dem Pflegezeitgesetz
und dem Wohngeldgesetz oder dem Grundsicherungsge-
setz. Unser Bestreben ist es, soziale Gerechtigkeit zu
schaffen, Hilfe in Not und gegen Armut zu gewähren
und für jedermann ein menschenwürdiges Existenzmini-
mum bereitzustellen.

Ich will heute besonders die Frage: „Was braucht ein
Kind zur Sicherung seiner Grundbedürfnisse?“ in den
Mittelpunkt stellen, weil diese Frage der Ausgangspunkt
des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht war.

Für die Grundbedürfnisse der Kinder – Liebe, Gebor-
genheit, soziale Kontakte, Versorgung – sind und bleiben
die Eltern verantwortlich.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dem Staat fallen andere Aufgaben zu, um die Grundbe-
dürfnisse von Kindern zu sichern: Der Staat sorgt für
freien Zugang zu Bildung. Bildungsarmut darf nicht ver-
erbt werden. Der Staat sorgt für umfassende Gesund-
heitsvorsorge, von einer geeigneten Ernährung über me-
dizinische Versorgung bis hin zu Bewegungsförderung,
aber natürlich auch für finanzielle Unterstützung, wenn
die eigenen Mittel der Familie nicht ausreichen.

Deswegen werbe ich mit Nachdruck dafür, die
Grundbedürfnisse der Kinder als Ganzes in den Blick zu
nehmen und sie nicht rein materiell zu betrachten, wie
manche Kollegen uns das in ihrem Beitrag wieder nahe-
gelegt haben. Sogar die Würde der Menschen hängt für
Sie von den Linken am Geldbeutel. Mit Geld allein ist
nicht jedes Problem zu lösen. Bargeld stellt weder Erzie-
hungskompetenz noch Verantwortungsbewusstsein her.
Geld allein eröffnet auch nicht die richtigen, langfristi-
gen Perspektiven.


(Diana Golze [DIE LINKE]: Für wen haben wir dann das Familienlastenausgleichsgesetz gemacht? – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Unverschämtheit!)


Gute langfristige Perspektiven erreichen wir nur durch
gezielte Bildung. So erhöhen wir die Chancen unseres
Nachwuchses auf gesellschaftliche Teilhabe.

Ich werbe auch dafür, die Familien mehr als Ganzes
zu sehen. Der Zusammenhang ist einfach: Geht es den
Eltern gut, haben die Eltern Arbeit und Auskommen,
geht es in den allermeisten Fällen auch den Kindern gut.
Sind die Eltern aber missmutig, gestresst, leiden sie un-
ter den täglichen Belastungen und sehen sie vor allem
keine Aussicht auf Besserung, können die Kinder mit
noch so viel Geld vom Staat nicht wirklich gesund und
glücklich heranwachsen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD und der LINKEN)


Eine Chance für Eltern und Kinder, aus dieser Spirale
herauszukommen, ist Arbeit. 3,6 Millionen Arbeitslose
waren es im Januar dieses Jahres, zugleich gab es aber
knapp eine halbe Million offene Stellen. Vor allem quali-
fizierte Arbeitnehmer fehlen den Unternehmen. Für
schlecht qualifizierte bleiben nur prekäre Arbeitsverhält-
nisse.

Ich werbe auch dafür, bei der Diskussion über die
Höhe der Regelsätze die soziale Gerechtigkeit nicht aus
dem Blick zu verlieren: Das Lohnabstandsgebot muss
gewährleistet bleiben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Aha! Sie definieren das wieder von den schlechten Löhnen her! Ist ja interessant!)


Es darf nicht rentabler sein, von staatlichen Leistungen
zu leben, als arbeiten zu gehen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Deswegen brauchen wir Mindestlöhne, Frau Kollegin! Sie haben ja recht!)


Ebenso darf unser Sozialstaat die Schwachen nicht aus-
grenzen. Lassen Sie uns richtig fördern: mit Geld-, Sach-
und Dienstleistungen, aber auch durch konsequentes und
nachhaltiges Einfordern von Eigenverantwortung. Dann
kommen wir ein gutes Stück weiter auf dem Weg der
christlich-liberalen Solidargemeinschaft.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Schwarz-Gelb in die Gifttonne heißt das! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist ja der Hohn!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702123600

Das Wort hat die Kollegin Gabriele Lösekrug-Möller

von der SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1702123700

Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen!

Meine Damen und Herren – gleich, ob Sie auf die Tribü-
nen des Saales kommen oder uns vor dem Fernseher zu-
sehen –, worum geht es heute? Ich bin in den 80er-Jah-
ren Sozialarbeiterin gewesen. Ich kann Ihnen sagen: Ich
hätte mir damals eine Debatte über die Regelsätze der
Sozialhilfe gewünscht. Es gab diese Debatte nicht; jahr-
zehntelang hat das niemanden in der Politik interessiert.

Jetzt haben wir eine andere Situation, und auf einmal
sind die einen die Guten und die anderen die Schlechten.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die SPD ist auf jeden Fall bei den Schlechten!)


Schwarz-weiß können wir eine so komplexe Frage nicht
annähernd richtig behandeln.

Ich denke, dass wir heute aus Karlsruhe ein kluges
Urteil bekommen haben. Ich sage als Sozialdemokratin
„klug“, weil dieses Urteil bedeutet, dass man auch uns
ins Stammbuch geschrieben hat, dass wir nicht alles
richtig gemacht haben. Das gehört zur Wahrheit.






(A) (C)



(B) (D)


Gabriele Lösekrug-Möller

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Allerdings sage ich: Wir haben das Wesentliche getan;
dies wurde nicht beanstandet.

Herr Kolb, Sie sprachen von Restanten. Können Sie
sich noch an 1998 erinnern? Da gab es Restanten über
Restanten.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein, ich kann mich nicht erinnern!)


Die lagen wie ein Mehltau über Deutschland. Hätte es
damals nicht Rot-Grün gegeben, würden wir noch heute
darunter schlummern. – So viel zu den Restanten.


(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


Das Urteil ist meiner Ansicht nach klug; denn es hat
Grundsätzliches bestätigt und nimmt uns viel stärker in
die Pflicht. Uns nimmt es aus gutem Grund stärker in die
Pflicht; denn wir können es in Zukunft nicht einfach ei-
nem Ministerium überlassen, eine entsprechende Regel-
satzverordnung festzulegen. Das ist gut so. Ich denke,
dass es richtig ist, dass wir darüber reden, dass – ich zi-
tiere – „alle existenznotwendigen Aufwendungen folge-
richtig in einem transparenten … Verfahren nach dem
tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht“, bemessen
werden. Das ist zum Beispiel an Sie, Herr
Dr. Linnemann, die Einladung, einmal in Familien zu
gehen, die im Augenblick von Grundsicherung leben. In
Ihrer Rede kamen die gar nicht vor. Es wäre sehr schön,
Sie würden sich diesem Alltag ein bisschen stärker wid-
men.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie waren in den letzten vier Jahren auch nicht bei ihnen!)


– Herr Kurth, ich war ziemlich viel unterwegs; daran
lasse ich nicht rütteln. Sie können mich gerne zukünftig
begleiten.

Dieses Urteil hat uns gezeigt, an welchen Stellen wir
nachbessern müssen. Die sind nicht gerade klein oder
gar billig. Ich denke, dass wir im Laufe dieses Jahres
noch enormen Gesprächs- und Debattenbedarf dazu ha-
ben werden. Ich bin mir nämlich sicher, dass wir uns
über das, was uns ins Stammbuch geschrieben wurde,
nicht leicht einigen können. Wenn ich mir anschaue, wie
Schwarz-Gelb Kinder in letzter Zeit behandelt hat, dann
komme ich zu dem Ergebnis: Von Gleichbehandlung
konnte da keine Rede sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Kindergelderhöhung um 20 Euro!)


Ich sage: 0 Euro, 20 Euro, 40 Euro, und alle wissen, was
ich damit meine. Insofern glaube ich, dass wir das unbe-
dingt angehen müssen.

Herr Kolb, ich kann mich überhaupt nicht erinnern,

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Können Sie sich an nichts erinnern?)


dass es einen Antrag der FDP gab, aus der Regelsatzver-
ordnung ein Gesetz zu machen. Insofern sage ich jenen,
die mit im Boot sitzen und jetzt besser werden müssen:
Willkommen an Bord! Sie waren immer dabei. Sie kön-
nen sich nicht herausschummeln.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Diesen Dampfer besteigen wir nicht!)


Mit Blick auf die Kinder, um die es uns geht, stelle
ich fest: Alle Kinder und alle Jugendlichen haben ein
Recht auf gute Bildung, Teilhabe und Gesundheit. Ich
bin davon überzeugt, dass wir das nicht allein mit einem
stichhaltig entwickelten höheren Regelsatz erreichen.
Dieser ist zwar notwendig, den wollen wir herbeiführen;
aber es muss mehr folgen. Für uns von der SPD gilt: Je-
des Kind ist uns gleich viel wert. Ich will Frau Kipping
gerne Nachhilfe geben: Beschlusslage unserer Partei ist,
dass wir eine eigenständige Grundsicherung für Kinder
entwickeln wollen. Sie können sicher sein: Das wird
auch so kommen; wir legen dies vor.

Ich befinde mich in guter Gesellschaft. Frau Heil, ich
hatte den Eindruck, dass vielleicht auch Sie zu jenen ge-
hören, die wie der Deutsche Kinderschutzbund, die
AWO, die GEW und das Zukunftsforum Familie sagen:
Wir brauchen eine Kindergrundsicherung zur Gleichbe-
handlung aller Kinder. Diese haben nämlich einen Vor-
schlag auf den Tisch gelegt, bei dem nicht unterschieden
wird, wie wohlhabend oder nicht wohlhabend die Eltern
sind. Meines Erachtens brauchen wir den Mut, eine bes-
sere Struktur bei den familienfördernden Leistungen, für
die wir in diesem Land Jahr für Jahr viel Geld ausgeben,
einzuziehen. Wir haben im Augenblick ein großes Un-
gleichgewicht: Es gibt Steuererleichterungen und Kin-
derfreibeträge für Kinder in den Familien, die es sowieso
dicke haben. Bei den anderen gibt es wirklich allen
Grund nachzubessern. Wenn uns das gelingt, dann wer-
den wir – da bin ich mir sicher – verfassungskonforme
Lösungen entwickeln können. Die Kinder, die dies dann
betrifft, haben es verdient, dass wir uns kümmern. Die
SPD bietet Schwarz-Gelb tatkräftige Unterstützung an.
Ich glaube, die haben Sie nötig.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702123800

Das Wort hat jetzt der Kollege Paul Lehrieder von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1702123900

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen!

Werte Kollegen! Frau Kollegin Kipping, Frau Kollegin
Golze und Herr Kollege Ernst, Sie waren in Karlsruhe.
Es ist gut, wenn man sich zu einem Gericht begibt, um






(A) (C)



(B) (D)


Paul Lehrieder
sein Wissen zu mehren. Man muss sich dann aber natür-
lich auch anhören, was das Gericht insgesamt gesagt hat,
liebe Frau Kipping.


(Elke Ferner [SPD]: Wir waren im Gegensatz zu Ihnen da!)


Sie haben in Ihr Täschchen gegriffen und das Urteil he-
rausgezogen. Mir liegt das Urteil auch vor. Es ist gerade
für einen Juristen immer wertvoll, in ein Urteil zu
schauen. Dadurch wird das Wissen enorm gemehrt,
wenn man das Urteil versteht.


(Elke Ferner [SPD]: Nicht jeder Jurist versteht es!)


Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsge-
richt hat uns heute aufgegeben, die Hartz-IV-Regelsätze
neu zu berechnen. Frau Bundesministerin von der Leyen
hat ja schon im Vorfeld angekündigt, dass wir jetzt ge-
nau definieren und auch genau definieren müssen – auch
das steht im Urteil –, was der Kinderbedarfssatz für die
soziale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist. Dabei
ist der Blick auch stärker auf Sachleistungen wie bei-
spielsweise Nachhilfe, Sportunterricht, Ausstattung für
den Schulunterricht und warmes Schulessen zu richten.
In dem Urteil steht auch, dass die 100 Euro im Rahmen
unseres Schulstarterpakets ein willkürlich gegriffener
Betrag ist. Wir müssen begründen, warum wir 100 Euro
und nicht 105 Euro oder 95 Euro gewählt haben.

Wie alle Entscheidungen des Bundesverfassungs-
gerichts nehmen wir auch dieses selbstverständlich sehr
ernst. Der Zeitpunkt, zu handeln, ist jetzt gekommen.
Wir werden uns die Zeit nehmen, die Regelsätze so an-
zupassen und deren Berechnung so zu gestalten, dass sie
verfassungsfest sind und dass wir den Bedürfnissen der
Betroffenen damit möglichst entgegengekommen.

Aus Ihrer Richtung kam hier die Kritik auf, dass wir
uns zu viel Zeit gelassen haben. Jawohl, es stimmt: Sie
haben im letzten Quartal des Jahres 2009 – auch schon
im Sommer 2009 – ein paar Anträge in dieser Richtung
vorgelegt und darauf hingewiesen, dass hier eine Schief-
lage ist. Es ist aber auch richtig, dass im Oktober die
mündliche Verhandlung war und dass es uns gut ansteht,
die Weisheit unserer Bundesverfassungsrichter bei einer
Neuregelung mit zu berücksichtigen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Diana Golze [DIE LINKE]: Wir haben von Anfang an gesagt, dass Hartz IV nicht richtig geregelt ist!)


Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem heutigen
Urteil expressis verbis bestätigt, dass der Gesetzgeber
bei Einführung der SGB-II-Regelungen in den Jahren
2004 und 2005 zur Sicherung eines menschenwürdigen
Existenzminimums feste Regelsätze schaffen durfte.

Frau Kollegin Enkelmann – sie ist gegangen; ich
frage mich, wo die Frau Kollegin Enkelmann ist; gerade
war sie noch da und hat geschimpft –


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie liest im Urteil nach! – Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Sie liest draußen das Urteil nach! Sie lässt sich das Urteil erklären!)


hat geschimpft und gesagt, dass sie das Urteil empört
hat. Man muss sagen: Das Urteil hat natürlich eine ge-
wisse wissenschaftliche Tiefe. Mit geneigter Erlaubnis
des Herrn Präsidenten möchte ich ein paar Sätze aus dem
Urteil zitieren:

Aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem So-
zialstaatsprinzip folge die verfassungsrechtliche
Pflicht zur Gewährleistung des Existenzmini-
mums, welches sich nicht auf das „nackte Überle-
ben“ beschränken dürfe, sondern auch die Teilhabe
am gesellschaftlichen Leben ermöglichen müsse.
Die Entwicklung des Leistungskonzeptes sei dabei
Aufgabe des Gesetzgebers, dem weite Gestaltungs-
möglichkeiten eingeräumt seien. Von Verfassungs
wegen geboten sei zwar eine dem Leistungskonzept

– wohlgemerkt: auch das schreibt das Bundesverfas-
sungsgericht –

adäquate, realitätsgerechte Bedarfsbemessung, der
Gesetzgeber unterliege jedoch keiner Begründungs-
pflicht. Bei der Bestimmung des Existenzmini-
mums sei der Gesetzgeber an Art. 3 Abs. 1 GG in
seiner Ausprägung als Gebot der System- und
Sachgerechtigkeit gebunden. Schließlich treffe den
Gesetzgeber entsprechend dem Gedanken eines
„lernenden Systems“

– man beachte –

eine Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht.

Ich kann mich an die Diskussionen in den letzten Wo-
chen hier erinnern. Wir haben regelmäßig darauf hinge-
wiesen: Hartz IV ist ein lernendes System. Hartz IV hat
noch Kinderkrankheiten.


(Lachen bei der LINKEN)


Hartz IV ist nach vier Jahren noch nicht perfekt, aber wir
arbeiten gemeinsam mit unseren Kollegen von der FDP
daran, es zu optimieren. Herr Kollege Kolb hat bereits
einiges dazu sehr treffend ausgeführt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Lernkurve ist nicht steil genug! – Zurufe von der SPD)


– Bevor sich die SPD zu arg echauffiert, darf ich noch
zwei Sätze zitieren:

Diesen Anforderungen genügten sowohl die Regel-
leistung nach § 20 Abs. 1 bis 3 SGB II als auch das
Sozialgeld nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB II.
Das Leistungskonzept des Sozialgesetzbuchs Zwei-
tes Buch sei in Übereinstimmung mit Art. 1 Abs. 1
GG auf Eigenverantwortung

– auch das schreibt das Bundesverfassungsgericht –


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Eigenverantwortung!)







(A) (C)



(B) (D)


Paul Lehrieder
durch Einsatz der Erwerbsfähigkeit orientiert mit
dem Ziel, dem Hilfebedürftigen schnell zur Siche-
rung seiner eigenen Existenz zu verhelfen.

Auch das – Fordern und Fördern – steht expressis ver-
bis in dem Urteil. Das Urteil umfasst leider 40 Seiten,
die man innerhalb von wenigen Stunden nicht im Detail
durcharbeiten kann. Ich kann aber jeder Kollegin und je-
dem Kollegen – insbesondere von der Linkspartei – nur
empfehlen, das Urteil einmal in Gänze zu lesen. Sie wer-
den Ihr Wissen dadurch tatsächlich mehren.


(Diana Golze [DIE LINKE]: Das ist uns eineinhalb Stunden lang vorgelesen worden!)


Die Art und Weise der Berechnung mit Pauschalab-
schlägen auf den Regelsatz eines Erwachsenen – das ist
richtig und wurde bereits von den Vorrednern ausgeführt –
entspricht nach Ansicht der Bundesverfassungsrichter
nicht einer transparenten und sachgerechten Berech-
nungsweise. Bei der Ermittlung des Bedarfs muss man
sich demnach stärker an dem tatsächlichen Bedarf als an
prozentualen Berechnungen ausrichten, mit denen man
sich am Haushalt eines alleinstehenden erwachsenen
Singles orientiert. Es wurde bereits darauf hingewiesen:
Ja, wir haben in den Regelsätzen für den Bereich Bil-
dung keinen Prozentsatz eigens für Kinder berücksich-
tigt. Das ist der größte Mangel. Wir haben den Single-
haushalt mit berücksichtigt.

Es war für uns nicht völlig überraschend, dass die Be-
rechnungsweise vom Verfassungsgericht kritisiert wird.
Das Verfassungsgericht hat aber an keiner Stelle des Ur-
teils, soweit ich es bisher durcharbeiten konnte, die Höhe
der Bedarfssätze per se infrage gestellt.

Wir werden überprüfen, was die Familien bzw. die
Kinder brauchen. Dann werden wir sine ira et studio,
ohne Zorn und Aufgeregtheit, die neuen Bedarfssätze
festlegen. Ich bitte alle Wohlmeinenden, entsprechend
daran mitzuwirken.

Herr Präsident, ich bedanke mich, dass Sie mir 40 Se-
kunden mehr Redezeit gewährt haben.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702124000

Das Wort hat die Kollegin Heike Brehmer von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Heike Brehmer (CDU):
Rede ID: ID1702124100

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Das heutige Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichts hat uns als Gesetzgeber aufgetragen, die
Berechnungsgrundlage für die Kinderregelsätze anzu-
passen und Härtefallregelungen für atypische Bedarfe in
das SGB II aufzunehmen. Wir nehmen dieses Urteil als
Grundlage und werden in den nächsten Wochen und Mo-
naten sorgfältig und so schnell wie möglich die von den
Verfassungsrichtern geforderten Konkretisierungen um-
setzen und dabei ein transparentes und realitätsgerechtes
Verfahren zur Berechnung der Regelsätze gesetzlich fi-
xieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das Gericht hat das Statistikmodell, das für die Be-
messung der Regelsätze gilt, als im Grundsatz taugliches
Berechnungsverfahren bestätigt. Die Richter sahen aber
in der Kopplung an den Rentenwert einen Maßstabs-
wechsel, der einen Verfassungsverstoß darstellt. Jetzt
wird es darum gehen, diese Berechnungsgrundlage
grundgesetzfest und transparent zu gestalten.

Für die christlich-liberale Koalition steht fest, dass bei
den gesetzlichen Änderungen vor allem die Belange der
Kinder im Mittelpunkt stehen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Kinder müssen am gesellschaftlichen Leben teilhaben
können und die materiellen Grundlagen für eine umfas-
sende Bildung erhalten.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Das habt ihr schon viele Jahre verhindert!)


Wir werden deshalb beim Bemessungsgrundsatz für
Kinder den Schwerpunkt auf eine ausreichende Ausstat-
tung mit Geld-, Sach- und Dienstleistungen für die Bil-
dung legen.

Das heutige Urteil hält vor allem die Abschläge vom
Regelsatz beim Sozialgeld für Kinder für empirisch und
methodisch nicht fundiert und beanstandet auch die Aus-
wertung der Einkommens- und Verbrauchsstichproben
beim Regelsatz für Erwachsene als nicht tragfähig. Ich
bin mir sicher, dass das zuständige Bundesministerium
der Vorgabe des Gerichts nachkommen und zügig einen
sachgerechteren Anpassungsmechanismus erarbeiten wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, seien Sie versichert,
dass wir in der christlich-liberalen Koalition uns dieser
Aufgabe in verantwortungsvoller Weise stellen werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat uns als Gesetzgeber
dazu einen straffen Zeitplan vorgegeben.

Wir haben in den zurückliegenden Wochen und Mo-
naten an dieser Stelle immer wieder gesagt, dass wir im
Rahmen verschiedener Neuregelungen im SGB II das
heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwarten
und entsprechend umsetzen werden. Selbstverständlich
werden darin auch verfassungskonforme gesetzliche Re-
gelungen zur Berechnung des Bedarfs bei Kindern und
die Berechnungsgrundlage für atypische Ausgaben ent-
halten sein.

Die Bundesverfassungsrichter haben ein Urteil mit
Augenmaß gefällt, welches nun sachgerecht von uns
umgesetzt werden muss. Zu dieser Reform gehört aber
auch die Neuorganisation im SGB II. Um es noch einmal
ganz deutlich zu sagen: Die Union hat die Erhöhung der
Regelsätze für Kinder als Einzelmaßnahme abgelehnt
und immer darauf verwiesen, dass wir das heutige Urteil
des Bundesverfassungsgerichts abwarten.

Abschließend möchte ich feststellen, dass es die ele-
mentare Aufgabe der Politik bleibt, die wirtschafts- und






(A) (C)



(B) (D)


Heike Brehmer
sozialpolitischen Weichen so zu stellen, dass wirtschaft-
liches Wachstum und sozialer Ausgleich kein Wider-
spruch sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Maßnahmen wie die anstehende Strukturreform im
SGB II, die im Koalitionsvertrag festgelegte Pauschali-
sierung der Kosten der Unterkunft und die Anhebung
des Schonvermögens sind dazu wichtige Bausteine. Dies
sind allesamt Regelungen, die die Leistungsbereitschaft
erhöhen und neue Perspektiven für hilfsbedürftige Fami-
lien mit Kindern in unserem Land eröffnen.

Wir sollten nicht lange zögern und die Umsetzung
dieses Urteils anpacken. Es gilt, transparente und nach-
vollziehbare Berechnungen vorzulegen. Es wäre im Inte-
resse aller Betroffenen und besonders der Kinder sehr
hilfreich, wenn wir gemeinsam diese Aufgabe lösen und
uns nicht um des Kaisers Bart streiten würden. Wir
könnten so ein großes Stück Vertrauen in unsere politi-
sche Arbeit hier im Deutschen Bundestag gewinnen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702124200

Frau Kollegin Brehmer, ich gratuliere Ihnen im Na-

men des ganzen Hauses zu Ihrer ersten Rede im Deut-
schen Bundestag.


(Beifall)


Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Unterrichtung durch die Bundesregierung

Bericht zur Strategie der Bundesregierung zur
Internationalisierung von Wissenschaft und
Forschung

– Drucksache 16/13852 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Wenn die Kolleginnen und Kollegen, die an dieser
Debatte nicht teilnehmen wollen, den Saal verlassen ha-
ben, kann ich die Aussprache eröffnen. – Das tue ich
hiermit und erteile als erstem Redner das Wort dem Par-
lamentarischen Staatssekretär Dr. Helge Braun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


D
Dr. Helge Braun (CDU):
Rede ID: ID1702124300


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Strategie
zur Internationalisierung von Wissenschaft und For-
schung hat das Bundeskabinett am 20. Februar 2008,
also etwa vor zwei Jahren beschlossen. Deutschland
muss sich – das ist die Grundüberzeugung – auf den Weg
begeben, einer der dynamischsten, wissensbasiertesten
Räume in Europa zu werden, und Europa muss der dyna-
mischste, wissensbasierteste Raum der Welt werden. Ein
Mangel an Rohstoffen macht diesen Weg für uns alterna-
tivlos. Aber gleichzeitig ist auch klar, dass wir diesen
Weg nicht allein mit nationalen Strategien gehen kön-
nen.

Man sieht in dieser Zeit noch etwas anderes: Die Dy-
namik in anderen Regionen der Welt ist ebenfalls groß.
Die UNESCO hat die Zahl der Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler im Zeitraum von 2002 bis 2007 welt-
weit beobachtet und hat die positive Entwicklung festge-
stellt, dass die Zahl der wissenschaftlich tätigen Men-
schen in den Entwicklungsländern in diesem Zeitraum
um sage und schreibe 56 Prozent angewachsen ist. Wenn
man das in Beziehung zu dem etwa 10-prozentigen An-
wachsen in Deutschland setzt, ist klar, dass wir im inter-
nationalen Vergleich einen geringeren Anteil an Wissen-
schaftlern in Europa und in Amerika haben: Heute sind
etwa 20 Prozent der Wissenschaftlerinnen und Wissen-
schaftler in China tätig, 28 Prozent in Amerika und
26 Prozent in Europa. Deshalb ist es eine Aufgabe der
nationalen Politik, Wissenschaft und Forschung in einen
Internationalisierungsprozess zu bringen, um langfristig
die Erfolge gemeinsam mit anderen zu mehren.

Im Kabinettsbeschluss von 2008 hat die Bundesregie-
rung daher vier Ziele festgelegt. Das erste Ziel ist die In-
tensivierung der Forschungszusammenarbeit mit den
weltweit Besten. Das zweite Ziel ist das Erschließen in-
ternationaler Innovationspotenziale. Das dritte Ziel ist
die deutliche Stärkung der Zusammenarbeit mit den Ent-
wicklungsländern. Das vierte Ziel ist die Übernahme
globaler Verantwortung bei der Bekämpfung und Beant-
wortung globaler Herausforderungen.

Zwei Jahre nach diesem allerersten Beschluss hat jetzt
die Bundesregierung einen ersten Bericht vorgelegt. Die-
ser zeichnet eine alles in allem ausgesprochen positive
Entwicklung. Wir können nämlich sagen, dass nahezu
alle Beteiligten in Deutschland die Internationalisie-
rungsstrategie der Bundesregierung aufgegriffen haben
und jetzt mit eigenen Initiativen dabei sind, diese mit Le-
ben zu erfüllen. Dazu gehören nicht nur die Bundesres-
sorts und die Länder, also der politische Teil Deutsch-
lands, sondern dazu gehören auch die Wirtschaft, die
Hochschulen, die Wissenschaftsorganisationen und un-
sere Mittlerorganisationen. Alle haben mit eigenen Ini-
tiativen die Internationalisierungsstrategie in den letzten
zwei Jahren mit Leben erfüllt.

Ich will dazu einige Beispiele erwähnen. Wir haben die
Alexander-von-Humboldt-Professuren ausgebaut und
werden sie weiter ausbauen. Sie sind ein geeignetes Mit-
tel, um Wissenschaftler, und zwar die besten der Welt,
nach Deutschland zu holen, damit sie hier ihre Expertise
einbringen. Das Interessante ist, dass in den letzten zwei
Jahren, nämlich von 2008 bis 2009, 10 der 16 Preisträger
der Alexander-von-Humboldt-Professur gar keine Bil-
dungsaus-, sondern ursprüngliche Bildungsinländer wa-






(A) (C)



(B) (D)


Parl. Staatssekretär Dr. Helge Braun
ren, die wir wieder nach Deutschland zurückholen konn-
ten. Somit ist das eine Maßnahme, die dem Braindrain in
Deutschland sehr wirksam entgegenwirkt.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung
hat im zweiten Halbjahr 2009 mit einer Pilotmaßnahme
die Kontakte deutscher Netzwerke aus Wirtschaft und
Wissenschaft mit den fachlich relevanten Netzwerken
und Clustern weltweit gefördert. Wir sind heute froh, zu
sehen, dass sich viele kleine und mittelständische Unter-
nehmen daran beteiligen.

Das nächste Zielfeld, die Zusammenarbeit mit den
Entwicklungsländern, ist ein Feld, das gut gedeiht. Es ist
uns wichtig, dass wir mit den Schwellen- und Entwick-
lungsländern auf Augenhöhe handeln und uns etwa in
den Kompetenzzentren in Afrika gemeinsam mit den
Herausforderungen von Hunger, Dürre oder vernachläs-
sigten Erkrankungen anwendungsnah auseinanderset-
zen.

Zusammen mit unseren Partnern in der EU, in den
Vereinten Nationen, in der OECD, den G-8-Staaten und
zunehmend auch den G-20-Staaten wollen wir wissen-
schaftliche Lösungsbeiträge für die globalen Klima-,
Ressourcen-, Gesundheits- und Sicherheitsprobleme
leisten. Gerade zu diesem Zweck hat das BMBF eine
multinationale Initiative bei der OECD angeschoben, die
noch in dieser Legislaturperiode Empfehlungen für eine
verbesserte multilaterale Zusammenarbeit entwickeln
soll.

Ein weiterer Vorstoß des BMBF im Rahmen der G 8
war gerade erst in der letzten Woche von einem schönen
Erfolg gekrönt. Unter der Federführung der Deutschen
Forschungsgemeinschaft, DFG, haben die Förderorgani-
sationen der G 8 ein multilaterales Pilotprogramm einge-
richtet. Künftig müssen Forschungsteams ihre Förder-
gelder nicht mehr einzeln in jedem G-8-Staat bei einer
Vielzahl von Organisationen, sondern nur noch einmal
gemeinsam bei einer federführenden Förderorganisation
beantragen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wer das Verfahren in der Vergangenheit kennt, der müsste
jetzt genauso begeistert wie die CDU/CSU-Fraktion sein.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Begeisterung sieht anders aus!)


Meine Damen und Herren, die Internationalisierungs-
strategie der Bundesregierung hat eine ungeheure Dyna-
mik in Gang gesetzt. Viele unserer Allianzinstitutionen
haben eigene Internationalisierungsstrategien auf den
Weg gebracht. Mit dem Vorsitz des europäischen Strate-
gischen Forums für Internationale Kooperation bei der
EU hat das BMBF eine Schlüsselposition neu besetzt.
Ich hoffe, dass der Bundestag die Internationalisierungs-
strategie der Bundesregierung in den kommenden Jahren
so unterstützt, dass wir diese mit Mitteln und Expertisen
fortsetzen können, und zwar im Interesse von Wissen-
schaft und Forschung in Deutschland, aber auch welt-
weit.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702124400

Das Wort hat die Kollegin Ulla Burchardt von der

SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Burchardt (SPD):
Rede ID: ID1702124500

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wissenschaft ist per se international, und schon
immer wirken die Wissenschaftlerinnen und Wissen-
schaftler in den großen deutschen Wissenschafts- und
Forschungsorganisationen an internationalen Austausch-
prozessen mit. In besonderer Weise tragen dazu seit
Jahrzehnten der DAAD durch die Förderung des Wis-
senschaftleraustauschs und die Alexander-von-Hum-
boldt-Stiftung mit einem weltweiten Netzwerk von
23 000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bei.

Auch die gezielte politische Förderung der Internatio-
nalisierung des Hochschul- und Forschungsstandorts ist
nicht neu. Ministerin Edelgard Bulmahn und die rot-
grüne Koalition haben 1998 damit begonnen und wich-
tige Weichen gestellt. Ich nenne nur die Einführung des
professionellen internationalen Hochschulmarketings,
das Schaffen attraktiverer Karrierewege durch die Ju-
niorprofessur, die Exzellenzinitiative mit international
sichtbaren Leuchttürmen, die Gründung der deutschen
Universitäten in Kairo und Amman, die Preise zur Ge-
winnung internationaler Spitzenwissenschaftlerinnen
und -wissenschaftler und nicht zuletzt den Pakt für For-
schung und Innovation.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nach Jahren der Stagnation war dieser Aufbruch
überfällig, und er war erfolgreich. Der Braindrain wurde
gestoppt, es gibt schon seit Jahren mehr ausländische
Studierende als je zuvor. Es gibt 18 000 Hochschulpart-
nerschaften und internationale Forschungscluster. Das
sind die Erfolge, die wir geschaffen haben und auf die
wir stolz sind.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


An sie kann die aktuelle Internationalisierungsstrategie
anknüpfen, über die wir heute debattieren.


(Beifall bei der SPD)


Wenn man sich den Bericht anguckt, dann sieht man,
dass er ein Ausdruck von Kontinuität ist, und das ist
auch gut so.


(Zuruf von der SPD: Genau!)


Es ist aber keine Frage: Was gut ist, das kann und
muss besser werden. Als SPD-Bundestagsfraktion haben
wir deshalb die strategischen Initiativen der letzten Bun-
desregierung, die Außenwissenschaftsinitiative und die
Internationalisierungsstrategie, ausdrücklich begrüßt.
Insbesondere mit der Außenwissenschaftsinitiative ist
ein Paradigmenwechsel in der Außenpolitik vollzogen
worden, und auch da sind die Erfolge sichtbar. Das Netz
der Wissenschaftsreferenten an den Botschaften wurde
endlich ausgeweitet. Es wurden attraktive internationale






(A) (C)



(B) (D)


Ulla Burchardt
Stipendienprogramme eingerichtet. Die Goethe-Institute
wurden reformiert und auch finanziell gestärkt, das war
überfällig. Germanistik und Deutsch als Fremdsprache
wurden gefördert.


(Beifall bei der SPD)


Wenn man sich international gut positionieren und das
Ansehen fördern will, dann sind das ganz wichtige Bei-
träge.

An der Internationalisierungsstrategie ist positiv, dass
erstmals die Gestaltung der Internationalisierung von
Wissenschaft und Forschung als Komplexität in den
Blick genommen wird. Besonders gut finde ich auch den
Ansatz, dieses Konzept als lernendes, sich dynamisch
entwickelndes und kontinuierlich zu überprüfendes zu
sehen. Das ist ein gutes Anliegen. Schauen wir einmal,
ob wir auch wirklich Fortschrittsberichte im Sinne der
Nachvollziehbarkeit dessen, was wirklich passiert ist,
bekommen können. Der jetzige Bericht ist leider noch
nicht so.

Positiv würde ich auch das Vorhaben nennen, mehr
Transparenz und Synergieeffekte zu schaffen sowie die
vielfältigen Akteure und Aktivitäten besser zu koordi-
nieren. Das ist wirklich sinnvoll.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Allerdings lässt der Bericht offen, ob und wie dies fak-
tisch passiert. Dem Bericht ist das wirklich nicht zu ent-
nehmen. Kollege Braun, ich höre es mit großem Inte-
resse, wenn Sie sagen, wie lebendig das alles passiere.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Gemessen an dem, was Sie hier erzählen, wirkt der Be-
richt jedoch relativ leblos. Vielleicht können Sie in der
Debatte im Ausschuss noch ein bisschen nachlegen und
ein wenig konkreter werden, statt in Schlagworten und
Schlagzeilen zu sprechen.

Vor allem wird mit dem vorliegenden Bericht nicht
erkennbar, ob es wirklich eine neue Dynamik im Sinne
eines mentalen Aufbruchs gibt. Der wäre notwendig, um
den Herausforderungen der globalen Wissensgesell-
schaft tatsächlich gerecht zu werden und eine globale
Gestaltungsperspektive zu entwickeln. Um es in ein Bild
zu fassen: Notwendig wäre der Wechsel von der Frosch-
perspektive zur Adlerperspektive. Das heißt, nicht nur zu
fragen: Wie lassen sich der Standort und das Standort-
marketing verbessern? Wie können wir das Schaufenster
besser gestalten? Vielmehr gilt es, zu fragen: Was kann
unser spezifischer deutscher Beitrag sein, um den globa-
len Strukturwandel mit Wissenschaft und Forschung so
zu gestalten, dass die Kluft zwischen Arm und Reich
wenn nicht überwunden, so doch zumindest kleiner
wird, sodass Wohlstandsgewinne für alle dabei herum-
kommen?


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das muss das Ziel sein!)


Nun nennt der Bericht die Millenniumsziele. Das ist
erfreulich. Wir lesen, dass es Bemühungen und Sondie-
rungen in der Frage gibt, wie die Ziele erreicht werden
sollen. Das alles hat aber nichts mit einem kohärenten
Ansatz zu tun, der notwendig wäre. Notwendig wäre ein
ganzheitlicher Ansatz von Capacity-Bildung. Das be-
deutet eben nicht nur, die strategische Kooperation mit
den Besten auszubauen, sondern auch, die Forschungs-
und Wissenschaftsstrukturen in denjenigen Ländern auf-
zubauen und zu stärken, die starke Partner brauchen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben zwar gehört, dass das in der nächsten Etappe
ansteht – das hört sich gut an –; spannend wird es aber,
wenn wir Konkreteres erfahren. Dann werden wir in die
Prüfung einsteigen.

Nötig ist in einer Internationalisierungsstrategie auch
das stärkere Engagement in den UN-Institutionen, ins-
besondere in der UNESCO; denn sie ist die globale
Science-Policy-Agentur. Was dort passiert, gibt der Be-
richt leider ebenfalls nicht wieder. Dabei ist eines völlig
klar – wer sich ein bisschen mit Weltpolitik und den UN-
Institutionen befasst hat, weiß das –, dass die Lösung der
globalen Probleme nicht nur davon abhängig ist, ob man
mit Wissenschaft und Forschung gute Beiträge liefert,
sondern auch davon, ob man mit der UNESCO eng ko-
operiert; sie ist nämlich der neutrale Mittler zwischen
den Staaten ist. Diese Kooperation ist – ich will es ein-
mal vorsichtig sagen – sehr ausbaufähig. Ohne die
UNESCO hätte es beispielsweise nicht die Installation
des in Deutschland entwickelten Tsunami-Frühwarnsys-
tems gegeben. Die UNESCO hat nämlich dafür gesorgt,
dass Staaten, die an sich nicht gut miteinander können,
sich auf dieses System eingelassen haben.

Da wir gerade bei den internationalen Organisationen
und ihrer Bedeutung sind: Ich glaube, wir sind an sich in
der Auffassung einig, dass eine starke Präsenz von Deut-
schen auch in den Spitzenpositionen der internationalen
Organisationen wichtig ist und daher dringend ausgebaut
werden muss.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es gilt, auch darauf zu achten, dass keine Position verlo-
ren geht. Ein solcher Verlust droht aktuell bei der
UNESCO. Der vorherige Außenminister Steinmeier hat
gegenüber der UNESCO-Spitze – dort findet nach dem
Wechsel jetzt das große Stühlerücken statt – deutlich ge-
macht, dass deutsche Positionen verloren zu gehen dro-
h
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1702124600
Ob wir unsere Position dort
halten, wird auch ein Prüfstein für das Engagement die-
ser Bundesregierung sein. Darüber werden wir in den
nächsten Wochen Klarheit gewinnen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich komme zum Schluss. Das Bild von der Adlerper-
spektive hilft auch, den Blick darauf zu lenken, wo es in
Deutschland noch hakt, wenn es darum geht, ein guter
Global Player in der Wissensgesellschaft zu werden.
Dazu muss man sich ehrlich die Frage stellen, wie
Deutschland von außen wahrgenommen wird – unab-






(A) (C)



(B) (D)


Ulla Burchardt
hängig davon, wie es gesehen werden will. Dazu drei
Punkte:

Junge Wissenschaftler aus Nicht-EU-Ländern berich-
ten mir immer wieder von erheblichen Problemen mit
den Visa-Abteilungen in deutschen Botschaften, die ihre
Beteiligung an Wissenschaftsprojekten verhindern.

Die Frage des Ansehens als Wissenschaftsstandort
entscheidet sich auch an den Alltagserfahrungen derjeni-
gen, die zu uns kommen und eine andere Hautfarbe ha-
ben. Wer sich bei den Ausländerämtern der Hochschulen
umhört, bekommt mit, dass Probleme mit den lokalen
Ausländerbehörden und bei der Wohnungssuche die Re-
gel und bittere Realität sind.

Nicht zuletzt wird das Erscheinungsbild unseres Lan-
des – ob wir wollen oder nicht – geprägt durch Bilder
von Neonaziaufmärschen und von brutalen Übergriffen,
wie sie zum Beispiel ein äthiopischer Wissenschaftler
am Potsdamer Max-Planck-Institut erleben musste.

Aus all diesen Gründen braucht die Internationalisie-
rungsstrategie dringend eine andere, eine erheblich wei-
tere Perspektive. Weltoffenheit und Toleranz sind die
entscheidenden Voraussetzungen, um die globalen Chan-
cen in der Wissensgesellschaft zu nutzen und das Anse-
hen Deutschlands in der Welt zu mehren. Ich werbe da-
für, dass Sie eine solche Kampagne zum integralen
Bestandteil der Internationalisierungsstrategie machen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Peter Röhlinger [FDP])



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702124700

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Martin Neumann

von der FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Martin Neumann (FDP):
Rede ID: ID1702124800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr ge-

ehrte Frau Burchardt, ich danke Ihnen für Ihren kon-
struktiven Beitrag.


(Ulla Burchardt [SPD]: So bin ich!)


Eines glauben Sie mir bitte: Die schwarz-gelbe Regie-
rung wird die Dynamik, die Sie eingefordert haben, si-
cherlich einbringen. Wir werden an bestimmten Stellen
nachhaken und an dieser Sache dranbleiben.

Wo Licht ist, gibt es bekanntlich auch Schatten. Jetzt
wollen wir natürlich darüber reden, an welchen Stellen
die Außenwissenschaftspolitik dieser Bundesregierung
verbessert werden muss. Wir müssen davon ausgehen,
dass diese Politik den wissenschaftlichen und akademi-
schen Austausch zwischen Deutschland und der Welt
fördern muss. Genau diesem Anliegen dient die Strate-
gie der Bundesregierung.

Herr Staatssekretär Braun hat die vier wichtigen Ziele
benannt. Aus meiner Sicht will ich das zusammenfassen.
Im Kern geht es dabei nicht um Selbstzweck, sondern
um internationale Hilfe, so wie Sie es auch gesagt haben,
um Kooperation, um die Weiterführung des Aufbaus ei-
nes internationalen entwicklungsfördernden Dialogs auf
Augenhöhe; darauf kommt es mir an der Stelle an.

Aus bildungs- und forschungspolitischer Sicht besteht
das Problem, dass unsere Bildungssysteme Schule und
Hochschule offensichtlich an einem Mangel an Attrakti-
vität leiden. Darüber kann auch die gestiegene Zahl aus-
ländischer Studierender nicht hinwegtäuschen. Die aus-
wärtige Kulturpolitik könnte uns dabei helfen, unsere
Bildungspolitik zu verbessern. England, Frankreich und
die USA haben erkannt, dass Bildung ein wichtiger
Standortfaktor ist und langfristig den Interessen ihrer
Länder mehr dient als manche harten Standortfaktoren.

Deutschland als Studienstandort wird bei den auslän-
dischen Studierenden zwar immer beliebter – er ist nach
den USA und Großbritannien am attraktivsten –; das er-
klärt sich aber leider auch aus der Tatsache, dass ein Stu-
dium in Deutschland für die Studierenden kostenlos ist.
So ist mittlerweile ungefähr jeder achte Studierende an
einer deutschen Hochschule ein Ausländer.


(Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])


– Ich stelle es ja nur fest. – In den letzten zehn Jahren hat
deren Zahl um 100 000 zugenommen; das ist ein Anstieg
um circa 66 Prozent. Die meisten ausländischen Studie-
renden kommen aus China – 13,6 Prozent –, Bulgarien,
Polen und Russland. Auffällig ist, dass diese Studieren-
den im Vergleich zu ihren deutschen Kommilitonen
überdurchschnittlich häufig ein Ingenieurstudium absol-
vieren. 15 Prozent der Ausländer wählen ein solches
Studium, während dies von den deutschen Studierenden
nur 9 Prozent tun. Hier liegen aus meiner Sicht große
Potenziale für die Gewinnung von Hochqualifizierten
für die Wirtschaft.

Die grenzüberschreitende Vernetzung des Wissen-
schafts- und Forschungsstandorts Deutschland mit den
Wissenschaftssystemen der Welt ist eine wesentliche Vo-
raussetzung für Forschung und Entwicklung sowie tech-
nologischen Fortschritt, Wachstum und Wohlstand.
Knapp 25 000 Wissenschaftler sind als Mitarbeiter an
deutschen Hochschulen tätig. Weitere 23 000 werden
von 66 Wissenschaftsorganisationen gefördert.

In diesem Zusammenhang ist die „Initiative Außen-
wissenschaftspolitik 2009“ positiv zu sehen. Das möchte
ich an dieser Stelle hervorheben. Mit dieser Initiative
werden Projekte gefördert wie der Aufbau von Deut-
schen Wissenschafts- und Innovationshäusern, die die
Sichtbarkeit der deutschen Wissenschaft im Ausland er-
höhen, und die Einrichtung von Exzellenzzentren der
Forschung und Lehre unter Mitwirkung deutscher Hoch-
schulen. Ein weiteres Projekt ist der Ausbau des Ange-
bots an Stipendien. So wird den Absolventen deutscher
Auslandsschulen die Möglichkeit zum Studium in
Deutschland eingeräumt. Es geht ferner um den Aus-
tausch von Wissen und die Vermittlung von Werten. Das
fördert die demokratische Entwicklung in den beteiligten
Ländern. Wichtig ist die Unterstützung von sogenannten
Orchideenfächern wie Kaukasiologie oder Koreanistik.
Das ist gerade für die Außenbeziehungen unseres Lan-
des, ob in Wirtschaft oder Kultur, von großer Bedeutung.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Martin Neumann (Lausitz)

Wichtig ist ferner die Schaffung von Grundlagen für den
Austausch über die gemeinsame Sprache. Zum Erlernen
der deutschen Sprache bieten moderne Technologien wie
das Internet bisher unbekannte Möglichkeiten.

Künftig sollte, auch im Rahmen der Debatte zur Ein-
führung von Studiengebühren, intensiver über den Bil-
dungsmarkt Deutschland nachgedacht werden.

Ich möchte noch einige Themen nennen, die die FDP-
Bundestagsfraktion in den letzten Jahren begleitet hat.
Zu nennen sind unter anderem das Mittel- und Osteuro-
pazentrum in Leipzig, die Stiftung Deutsche Geisteswis-
senschaftliche Institute im Ausland und – das halte ich
für ganz wichtig – die Konzentration der Zuständigkei-
ten für die auswärtige Kulturpolitik, die vorher in sechs
Bundesministerien verteilt waren. Diese Konzentration
hat auch dazu geführt, dass diese Politik jetzt viel besser
transportiert werden kann. Genau an dieser Stelle, meine
Damen und Herren, und mit dieser Strategie werden wir
weiterarbeiten.

Ich bedanke mich.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702124900

Das Wort hat die Kollegin Dr. Petra Sitte von der

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702125000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe

wie Frau Sager nur vier Minuten Zeit, um die Strategie
der Bundesregierung zur Internationalisierung von Wis-
senschaft und Forschung zu bewerten. Es ist völlig klar:
Das geht nur fragmentarisch. Deshalb – das wird Sie
nicht wundern – konzentriere ich mich auf die Kritik.


(Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Sagen Sie doch einfach, dass Sie das gut finden! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Da kommen Sie aber mit vier Minuten gut aus!)


– Lassen Sie mich doch erst einmal richtig anfangen.

Zunächst etwas Grundsätzliches: Ihre Strategie soll
langfristig greifen, und strategisch wollen Sie sich den
– ich zitiere – „großen Herausforderungen der Gegen-
wart und der Zukunft“ stellen. Laut Ihrem Bericht geht
es darum, den Klimawandel zu bewältigen, die Energie-
versorgung zu sichern, Armut und Infektionskrankheiten
zu bekämpfen und schließlich Fragen von Sicherheit und
Migration zu beantworten. Das liest sich nicht schlecht,
möchte man meinen. Bei mir jedoch ist Misstrauen ge-
blieben. Als ich weitergelesen habe, ist mir auch klar
geworden, warum ich so ein komisches Gefühl hatte.
Etwas weiter heißt es nämlich wörtlich in diesem Be-
richt:

Die Internationalisierung ist ein wichtiger Erfolgs-
faktor im globalen Wettbewerb und daher wesentli-
ches Element einer modernen Innovationspolitik.

Das heißt, Sie bleiben auch in diesem Feld Ihrer Logik
treu: Konkurrenz vor Kooperation. Das steht natürlich
– Sie haben es selbst erwähnt – im Einklang mit der Lis-
sabon-Strategie der EU, die Europa zum stärksten wis-
sensbasierten Wirtschaftsraum machen will. Dass Sie
das planen, deklinieren Sie im ganzen Bericht durch.

Ich kann angesichts dessen durchaus an die Ausfüh-
rungen von Frau Burchardt anschließen, was am Ende
bei einer solchen Politik herauskommt. Ich will ein dra-
matisches Beispiel nennen: In den Millenniumszielen
der UNO war die Halbierung der Zahl hungernder Men-
schen weltweit anvisiert. Von rund 800 Millionen Hun-
gernden wollte man auf rund 400 Millionen Hungernde
am Ende der ersten Dekade dieses Jahrhunderts kom-
men. Jetzt, meine Damen und Herren, 2010, liegen wir
weltweit bei fast 1 Milliarde Hungernden. Dazu hat eben
auch beigetragen, dass die auf den G-8-Treffen wie dem
in Heiligendamm abgegebenen Versprechen nicht gehal-
ten wurden. Die Entwicklungshilfe sollte massiv aufge-
stockt werden. Auch das ist nicht geschehen. Ein solches
Herangehen auf der Basis von Wettbewerbs- und Stand-
ortlogik verfestigt natürlich Ungleichheiten.

Wir als Linke haben immer einen kooperativen An-
satz gefordert. Wissensgewinnung und Wissensanwen-
dung sollen uneingeschränkt der weltweiten Verbesse-
rung von Lebensqualität und -grundlagen dienen, sollen
helfen, natürliche Ressourcen einzusparen und biolo-
gische Vielfalt zu erhalten, sollen aber natürlich auch
Beschäftigungsgrundlagen sichern wie soziale und kul-
turelle Teilhabe eröffnen. Solange Sie aber Wissen öko-
nomisieren und als Ware quasi künstlich verknappen,
solange soziale und auch patentrechtliche Zugangsbe-
schränkungen bestehen, bleibt dieses Strategieziel am
Ende Etikettenschwindel.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. René Röspel [SPD])


Mithin geht es Ihnen nicht nur um geronnenes Wis-
sen, das man sozusagen nachlesen und anwenden kann
und möglicherweise beim Patentamt anmelden kann.
Nein, es geht Ihnen auch um Internationalisierung unter
dem Blickwinkel der Gewinnung von Nachwuchseliten.
Im Bericht nennen Sie das Scouting und Monitoring.
Wenn dies allerdings unter den Vorzeichen geschieht, die
ich beschrieben habe, müsste man es eher als Hunting,
also die Jagd nach Köpfen, bezeichnen. Das heißt, Sie
schöpfen durchaus auch gezielt Ausbildungsleistungen
anderer Länder ab. Dem dienen die jüngsten Erleichte-
rungen für ausländische Qualifizierte in Deutschland in
Wahrheit. Am Ende ist es für Sie nur von sekundärer Na-
tur, welche Chancen jungen Zuwanderern eröffnet wer-
den. Es geht Ihnen vor allem um den wirtschaftlichen
Vorteil, den Sie sich davon versprechen,


(Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Das ist doch nichts Schlechtes!)


und um eine Reduzierung des permanenten Fachkräfte-
mangels.

Umgekehrt endet die Internationalisierung der Aus-
bildung des wissenschaftlichen Nachwuchses aus
Deutschland oft damit, dass die betreffenden jungen
Leute auswandern, weil hiesige akademische Karrieren
unattraktiv sind. Sie haben Rückholprogramme aufge-






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Petra Sitte
legt; die sind zwar gut gemeint, aber nicht die Lösung.
Den Studierenden war versprochen worden, mit der Stu-
dienreform im Zuge des Bologna-Prozesses auch Frei-
räume für Auslandsstudien zu schaffen. Das Gegenteil
ist eingetreten: Nur 15 Prozent der Studierenden gehen
während einer dreijährigen Ausbildung zum Bachelor
ins Ausland. Die dort erbrachten Leistungen werden hier
vielfach nicht anerkannt. Das BAföG deckt nur zum Teil
oder gar nicht die damit verbundenen Kosten ab. Die
Anzahl der angebotenen Stipendienprogramme ist viel
zu gering; denn die Zahl der Bewerberinnen und Bewer-
ber übersteigt sie um ein Vielfaches.

Im Forschungsausschuss hat uns letztens der Vorsit-
zende des Wissenschaftsrates, Professor Strohschneider,
sehr eindringlich das Dilemma eines Auslandsaufenthal-
tes einer jungen Studentin beschrieben. Die Problemla-
gen waren genau so, wie ich sie eben beschrieben habe.
Da kam wieder einmal das Leben daher und sagte: Ich
bin anders.

Wer die wirklich großen Herausforderungen von Ge-
genwart und Zukunft meistern will, muss Wissen globa-
lisieren. Er muss vor allem die Zugangsschranken ab-
bauen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702125100

Frau Kollegin Sitte, kommen Sie bitte zum Schluss.


Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1702125200

Danke für den Hinweis. – Ich komme zu meinem letz-

ten Satz: Nur wer Wissen teilt, wird es am Ende auch
vermehren können.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702125300

Das Wort hat die Kollegin Krista Sager vom Bünd-

nis 90/Die Grünen.


Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702125400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der

Internationalisierung der Wissenschaft haben wir es von
vornherein mit sehr unterschiedlichen Zielen und mit
sehr unterschiedlichen Interessen zu tun. Wir bewegen
uns in einem Spannungsfeld zwischen Kooperation und
Konkurrenz. Deswegen hat der Wissenschaftsrat recht,
wenn er sagt: Eine einzige Internationalisierungsstrate-
gie, die sich auf alle Akteure und Institutionen bezieht,
kann es gar nicht geben. – Deswegen ist die sogenannte
Internationalisierungsstrategie der Bundesregierung eher
ein Begriff aus dem politischen Marketing.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der heute vorliegende Bericht ist eine langatmige
Fleißarbeit im Wahlkampfjahr. Maßnahmen, Vorhaben
und Projekte werden aufgezählt. Aber spezielle Defizite
und Problemfelder des deutschen Wissenschaftssystems,
aber auch seine Vorzüge werden systematisch umschifft
und nicht aufgedeckt. Die Indikatoren, die uns anzeigen,
wie wir die Erfolge auf der Zeitschiene bewerten kön-
nen, werden nicht transparent gemacht. Deswegen ist
dieser Bericht für eine ernsthafte Strategiediskussion ei-
gentlich völlig ungeeignet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will mich auf einige Aspekte der internationalen
Mobilität konzentrieren. Wir hatten von 1997 bis 2006
einen sehr starken Anstieg bei den ausländischen Studie-
renden. 2007 und 2008 gab es in diesem Zusammenhang
eher Rückgang oder Stagnation. Gleichzeitig ist aber
weltweit die Zahl der Studierenden, die sich internatio-
nal bewegen, dramatisch angestiegen. Das relativiert den
dritten Platz, den wir unter den attraktiven Studentenlän-
dern einnehmen, ganz erheblich. Wir müssen uns fragen,
wie lange wir diesen dritten Platz noch werden halten
können.

In diesem Bericht müssten einige Probleme viel stär-
ker in den Fokus gerückt werden. Mit der Bologna-Stra-
tegie sollte gerade unsere internationale Anschlussfähig-
keit auf diesem Gebiet gesichert werden. Nun haben wir
aber schon auf nationaler Ebene bei der Anerkennung
und bei der Vergleichbarkeit von Abschlüssen große
Probleme. Die angestrebte Verbesserung bei der Betreu-
ung ist unterfinanziert. Die ausländischen Studierenden
klagen über Orientierungsprobleme, über Finanzierungs-
probleme und über mangelnde Anerkennung ihrer Vor-
bildung. Solche Punkte müssten in diesem Bericht im
Vordergrund stehen. Das ist hier aber nicht der Fall.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die stark gestiegene Mobilität der deutschen Studie-
renden ist natürlich erfreulich. Aber angesichts der Tat-
sache, dass ein großer Anteil von ihnen in die Nieder-
lande, nach Österreich und in die Schweiz geht und dass
es einen Sondereffekt bei den Studierenden der Human-
medizin gibt, müssen wir uns fragen, ob eine wachsende
Anzahl von NC-Flüchtlingen, von Studiengebühren-
flüchtlingen und von in Deutschland unterversorgten
Studierenden ein Erfolg dieser Internationalisierungs-
strategie sein kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Der Wissenschaftsrat hat zu Recht ein Problemfeld im
Zusammenhang mit den internationalen Wanderungssal-
dos besonders hervorgehoben. Mit Blick auf die Post-
Doc-Phase ist es offenkundig, dass wir in Deutschland
Probleme haben, attraktive und kalkulierbare Karriere-
wege anzubieten. Es ist in Ordnung, wenn man unter
Wettbewerbs- und Internationalisierungsgesichtspunkten
die Anwerbebedingungen für Spitzenforscher flexibili-
siert. Aber wenn das auf Kosten des wissenschaftlichen
Nachwuchses geht, dann haben wir national und interna-
tional mit Rosinen gehandelt. Auch das müssen wir ein-
mal sehen.

25 Prozent der ausländischen Studierenden in
Deutschland sind Bildungsinländer mit ausländischem
Pass. An der Gesamtzahl der Promotionen in Deutsch-






(A) (C)



(B) (D)


Krista Sager
land haben sie aber nur einen Anteil von 0,4 Prozent.
Wenn wir dieses Potenzial heben würden, hätten wir ei-
nen Diversifizierungsgewinn im Wissenschaftssystem
ohne eine einzige Anwerbung aus dem Ausland. Auch
das sollte einmal in den Fokus gerückt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dieser Bericht ist in erster Linie eine Lobpreisung der
Bundesregierung. Das lasse ich Ihnen durchgehen, denn
wir hatten Wahlen im letzten Jahr. Ich möchte aber, dass
Sie in dem nächsten Bericht die Problemfelder sowie
spezielle Defizite und Vorzüge in den Blick nehmen und
uns so in die Lage versetzen, eine wirkliche Strategie-
diskussion zu führen. Ich würde Ihnen auch anbieten, Sie
dabei weiterhin konstruktiv zu begleiten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1702125500

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat

nun der Kollege Dr. Reinhard Brandl von der CDU/
CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Reinhard Brandl (CSU):
Rede ID: ID1702125600

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Wir leben in einem Zeitalter einer immer schneller vo-
ranschreitenden Globalisierung in immer mehr Berei-
chen unserer Gesellschaft. Das beginnt bei der Wirt-
schaft und geht über fast alle Felder der Politik bis hin
zur Kultur. Aber in kaum einem anderen Bereich sind
der Nutzen und die Notwendigkeit des internationalen
Austausches so groß wie in der Wissenschaft und in der
Forschung.

Über 90 Prozent des Wissens entsteht außerhalb
Deutschlands. Um dieses Potenzial für uns zu erschlie-
ßen, brauchen wir internationale Zusammenarbeit. Das
hat nicht nur die ökonomische Dimension, dass wir als
Standort im weltweiten Wettbewerb um die besten
Köpfe und Innovationen bestehen. Wissenschaft und
Forschung sind auch die Grundlage für die Bewältigung
der großen Herausforderungen der Menschheit, wie Um-
gang mit dem Klimawandel, Kampf gegen Hunger, Ar-
mut und Krankheiten oder die Zukunft der Energiever-
sorgung.

Das sind globale Probleme, mit deren Erforschung
und Lösung ein einzelnes Wissenschaftssystem überfor-
dert wäre. Wir stehen in der Verantwortung, als starker
Wissenschaftsstandort Deutschland einen nachhaltigen
Beitrag zur Lösung dieser Probleme zu leisten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Unter Federführung von Ministerin Schavan und ih-
rem Ministerium hat die Bundesregierung dazu vor zwei
Jahren eine Strategie zur Internationalisierung von Wis-
senschaft und Forschung vorgelegt. Sie soll Richtschnur
für den Ausbau der internationalen Kooperationen unse-
rer Wissenschafts-, Forschungs- und Mittlerorganisatio-
nen sein und zugleich die Ausgangsbasis für ressortüber-
greifende Zusammenarbeit.

Wir wollen die Kooperation mit den besten Forschern
der Welt. Wir wollen unseren Wissenschaftlern und Un-
ternehmern helfen, sich weltweit Innovationspotenziale
und Märkte zu erschließen. Wir wollen aber auch die Zu-
sammenarbeit mit Entwicklungsländern in Bildung und
Forschung stärken und Verantwortung für die Bewälti-
gung der globalen Herausforderungen übernehmen.

Die letzten beiden Punkte sind für mich das Bemer-
kenswerte an dieser Strategie. Deutschland bekennt sich
damit ausdrücklich zu seiner internationalen Verantwor-
tung. Die Internationalisierung von Wissenschaft und
Forschung wird explizit als Element unserer Entwick-
lungspolitik verstanden. Die Themen für Kooperationen
mit Entwicklungsländern lassen sich direkt aus den Mil-
lenniumszielen der Vereinten Nationen ableiten. Ich
nenne beispielhaft den Umweltschutz, die Landwirt-
schaft, die Nahrungsmittelversorgung, nachhaltiges Res-
sourcenmanagement oder den Gesundheitssektor.

Gleichzeitig müssen wir aber auch das Bildungs- und
Wissenschaftssystem in unseren Partnerländern vor Ort
stärken. Nur wenn vor Ort Wissen entsteht und weiterge-
geben werden kann, haben die Menschen eine Perspek-
tive, selbst an der Lösung ihrer Probleme zu arbeiten und
ihr Land weiterzuentwickeln.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Der nun vorliegende Zwischenbericht zeigt, dass wir
auf dem richtigen Weg sind. Die Strategie wird von allen
beteiligten Organisationen – vom Auswärtigen Amt bis
hin zum Wissenschaftsrat – mitgetragen und unterstützt.
Bei der Entwicklungshilfe sind das BMBF und das BMZ
die wesentlichen Akteure. Im BMBF ist ein neuer
Schwerpunkt der internationalen Aktivitäten entstan-
den, nämlich die Zusammenarbeit mit Entwicklungs-
und Schwellenländern. Dieser Bereich soll in Zukunft
nachhaltig gestärkt und ausgebaut werden. Dazu passt
auch, dass der Haushaltsansatz im vorliegenden Haus-
haltsentwurf erhöht worden ist. Das BMZ hat das Thema
offensiv aufgegriffen und mit der Entwicklung einer ei-
genen Forschungsstrategie begonnen, die den Grund-
linien der vorliegenden Internationalisierungsstrategie
folgt.

Zwischen den beiden Häusern wurde eine Ressortver-
einbarung geschlossen mit dem Ziel, Einzelinstrumente
gemeinsam zu überprüfen und eng abzustimmen. For-
schungsförderung und Entwicklungszusammenarbeit
müssen aufeinander aufbauen. Die eine Hand muss wis-
sen, was die andere tut. An der Verbesserung der Zusam-
menarbeit – nicht nur zwischen BMBF und BMZ, son-
dern zwischen allen beteiligten Institutionen in Bund
und Ländern – müssen wir weiter arbeiten. Wir brauchen
ein noch besseres, gemeinsames Verständnis von Priori-
täten und Zielen innerhalb Deutschlands, aber auch in
Abstimmung mit unseren Partnerländern. Darin sehe ich
das größte Potenzial und die meisten Ansatzpunkte für
die Zukunft.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Reinhard Brandl
Die Arbeitsgruppen „Bildung und Forschung“ sowie
„Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ der
CDU/CSU-Fraktion haben am Ende der letzten Legisla-
turperiode gemeinsam 13 Forderungen aufgestellt, die
darauf gerichtet sind, durch eine Allianz aus Politik,
Wissenschaft und Wirtschaft einen wirkungsvollen und
nachhaltigen Beitrag zur Lösung der globalen Probleme
leisten zu können. Unter Federführung der Kollegin
Hübinger werden wir dieses Thema in dieser Legislatur-
periode wieder aufgreifen;


(Beifall bei der CDU/CSU)


denn gerade was die Hilfe der Schwachen und
Schwächsten in der Welt angeht, sehen wir uns als
christlich-liberale Koalition in einer besonderen Verant-
wortung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702125700

Ich komme gerade rechtzeitig, um die Aussprache zu

schließen, was ich hiermit tun möchte.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/13852 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das sieht so aus. Dann ist die Überwei-
sung so beschlossen.

Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 6 a und
6 b:

a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erwei-
terung des Kündigungsschutzes der Arbeit-

(Schutz vor Kündigung wegen eines unbedeutenden wirtschaftlichen Schadens)


– Drucksache 17/648 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Wolfgang Nešković, Jan Korte, Klaus Ernst, wei-
teren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Ver-
bot der Verdachtskündigung und der Erweite-
rung der Kündigungsvoraussetzungen bei
Bagatelldelikten

– Drucksache 17/649 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Rechtsausschuss (f)

Federführung strittig

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Auch dazu
höre ich keinen Widerspruch. Dann haben wir das so
vereinbart.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Kollegin Anette Kramme für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Anette Kramme (SPD):
Rede ID: ID1702125800

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Es gibt kaum eine Kleinigkeit des alltäglichen
Lebens, die nicht vor einem Arbeitsgericht verhandelt
wurde. Es gibt den Fall mit den zwei gebratenen Fischen
und den drei Fischbrötchen. Es gibt den Fall mit dem
Aufstrich für ein Brötchen und zwei belegten Brötchen-
hälften. Es gibt den Fall mit dem Schluck Cola und dem
Schnapsfläschchen. Es gibt den Fall mit dem Frischkäse
und einen weiteren Fall mit Schnittkäse. Die Frikadelle
und die Maultaschen sind berühmt geworden.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Fleischpflanzerl!)


Die Urteile lesen sich wie eine Typologie geringwer-
tiger Produkte. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem
Essbaren. Man muss überlegen, wie andere Rechtsge-
biete mit Kleindiebstählen und kleinen Unterlassungen
umgehen.

Schauen wir uns den Bereich des Strafrechtes an.
Dort existiert eine relative Großzügigkeit. Bei Diebstäh-
len bis zu 50 Euro – so der typische Wert, manchmal et-
was niedriger, manchmal etwas höher – werden die Ver-
fahren eingestellt. Im Bereich des Zivilrechts haben wir
eine ähnliche Situation. Es gibt eine Entscheidung des
OLG Celle, nach der einem Geschäftsführer nicht ge-
kündigt werden kann, nur weil dieser 164 DM zu Un-
recht an sich genommen hat. Das Beamtenrecht geht
besonders weit. Dort heißt es: Der Diebstahl einer nur
geringfügigen Sache belege doch, dass der Beamte die
Eigentumsordnung des Dienstherrn dem Grunde nach
rechtfertige.

Sie alle haben in den letzten Wochen und Monaten
mitbekommen: Das Arbeitsrecht ist streng. Centbeträge
können ausreichen, um die Kündigung eines Arbeitneh-
mers zu rechtfertigen. Das wirft eine Menge Fragen auf:
Warum sollen die Interessen eines Geschäftsführers so
viel stärker gewichtet werden als die Interessen eines Ar-
beitnehmers? Warum sollen die Interessen eines Arbeit-
gebers so viel mehr wert sein als die Interessen eines Ar-
beitnehmers?

Für die Arbeitsnehmer sind die Konsequenzen am
weitreichendsten: Er wird erhebliche Schwierigkeiten
bei der Jobsuche haben, insbesondere wenn es zu einem
ungeraden Beendigungstermin kommt. Der Arbeitneh-
mer hat eine Sperrzeit hinzunehmen; die Bezugsdauer
beim Arbeitslosengeld ist verkürzt. Manchmal hat man
auch ein ganz klein wenig den Verdacht, dass da Willkür
existiert, den Verdacht eines vorgeschobenen Kündi-
gungsgrundes. Ein Beispiel, das mir einfällt: Eine Ar-
beitnehmerin klaut eine Rolle Klopapier. Der Arbeitge-
ber ist bereit, Tausende von Euro für einen Vergleich zu
zahlen; er ist aber nicht bereit, das Risiko einer Weiter-
beschäftigung einzugehen, das Risiko, dass vielleicht
noch einmal ein ähnlicher Vorfall passiert. Ich kann dazu
nur sagen: merkwürdig.






(A) (C)



(B) (D)


Anette Kramme
Wir sehen das nicht ein. Wir wollen Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen vor Bagatelldelikten schützen.
Wir wollen aber auch den Arbeitgebern sagen: So ein-
fach ist es nicht.


(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Warum erst jetzt, Frau Kramme?)


Im Arbeitsrecht ist es so, lieber Herr Kolb, dass bei ver-
haltensbedingten oder bei fristlosen Kündigungen zuvor
Abmahnungen ausgesprochen worden sein müssen. Es
gilt der Grundsatz des Abmahnungserfordernisses. Al-
lerdings macht die Rechtsprechung eine Ausnahme bei
Bagatelldelikten: Die Abmahnung sei in diesem Fall
ohne Sinn, weil der Arbeitnehmer wisse, dass er rechts-
widrig handle, dass er nicht klauen dürfe. Der zweite
Grund, das Abmahnungserfordernis entfallen zu lassen,
ist, dass eine unwiderrufliche Zerstörung des Vertrauens-
verhältnisses vorliegt.

Meines Erachtens kann beides infrage gestellt wer-
den.


(Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Muss!)


Liegt wirklich immer ein Unrechtsbewusstsein vor,
wenn eine Bulette vom Buffet genommen wird? Liegt
wirklich Unrechtsbewusstsein vor, wenn Dinge aus dem
Abfall des Arbeitgebers mitgenommen werden? Zerstört
es wirklich unwiderruflich das Vertrauen, wenn es um
eine Bagatelle geht? Sicherlich, Vertrauen ist etwas, was
flüchtig ist. Wenn die Wurst den Besitzer wechselt, dann
entsteht mit Sicherheit ein kleiner Riss in dem, was sich
Vertrauen nennt.


(Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Der Besitzer ist Eigentümer!)


Ich sage aber auch: Dieser Riss kann verheilen.

Wir wollen Folgendes machen: Wir wollen, dass es
grundsätzlich auch bei Bagatelldelikten zu einer Abmah-
nung kommt. Wir lassen aber durchaus zu, dass, wenn es
besondere Umstände der Tatausführung gibt, wenn be-
sondere Umstände es zwingend machen, ausnahmsweise
sehr wohl sofort die Kündigung ausgesprochen werden
kann. Pauschal sagen wir aber: Es muss das Prinzip der
zweiten Chance gelten, so wie es im gesamten Arbeits-
recht und auch im Zivilrecht gilt.


(Beifall bei der SPD)


Der Arbeitnehmer, der zu spät kommt, bekommt eine
Abmahnung. Der Arbeitnehmer, der beispielsweise mit
Gegenständen des Arbeitgebers nicht sorgfältig umgeht,
erhält ebenfalls eine Abmahnung.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Frau Kramme, weswegen fällt Ihnen das jetzt ein?)


Es gibt keinen Grund, hier eine andere Beurteilung vor-
zunehmen, zumal selbst das Strafrecht keinen Grund
sieht, mit voller Härte zuzuschlagen.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, lassen Sie mich ab-
schließend Folgendes sagen: Es ist sicherlich richtig,
dass es manchem Arbeitnehmer an Stil oder Benehmen
mangelt. Aber ein Arbeitsverhältnis ist existenziell, und
es ist sicherlich nicht der richtige Ort für die Erziehung.
Deshalb sagen wir ganz klar und deutlich: Die Abmah-
nung rügt; sie bringt regelmäßig berufliche Nachteile
und Nachteile beim beruflichen Fortkommen. Ebenso
sagen wir klar und deutlich: Nach dem zweiten Mal ist
Schluss. Eine Chance reicht. In diesem Sinne ist das,
was wir vorgelegt haben, eine sehr vernünftige Sache.

Ganz herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702125900

Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Johann

Wadephul für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1702126000

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die Kollegin Kramme hat hier den Untergang
des sozialpolitischen Abendlandes an die Wand gemalt.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Nö! – Gabriele Lösekrug-Möller [SPD]: Was? – Katja Mast [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)


Ich muss sagen: Das, was die SPD-Fraktion hier vorge-
legt hat, ist erstens offensichtlich der Versuch, der Links-
partei in populistischen Forderungen nachzueilen, und
zweitens ein Sammelsurium von handwerklich schlech-
ten Vorschlägen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es ist klar: Das Kündigungsschutzrecht der Bundes-
republik Deutschland gehört zu den sozialpolitischen Er-
rungenschaften unseres Landes. Es hat mit all seinen Fa-
cetten im Kündigungsschutzgesetz, im BGB, wo wir den
Grundsatz von Treu und Glauben anwenden, unterhalb
des Kündigungsschutzgesetzes im Sonderkündigungs-
schutz für Schwangere, für Betriebsräte und andere eine
weite Ausprägung erhalten und ist letzten Endes ein
wichtiger Bestandteil des Erfolgsmodells der sozialen
Marktwirtschaft.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Gesetzgeber ist sicherlich auch gehalten, an der
einen oder anderen Stelle zu überprüfen, was die Recht-
sprechung macht. Aber, Frau Kramme, der Gesetzgeber
ist nicht gehalten, es in jedem Falle besser zu wissen als
die Rechtsprechung. Ich mache darauf aufmerksam, dass
im Gegensatz zu dem Hohen Hause hier und zu den Ge-
richtsbarkeiten, die Sie genannt haben, in der Arbeitsge-
richtsbarkeit der große Vorteil besteht, dass dort nicht
nur Juristen sitzen, sondern auch zwei ehrenamtliche
Richter, die mit entscheiden; in aller Regel sind dies ein
Arbeitnehmer- und ein Arbeitgebervertreter. Da ist sehr
viel Sachverstand. Wir würden uns im Deutschen Bun-
destag verheben, wenn wir auch nur anstrebten, die Fülle
von Fällen, die Sie genannt haben, hier im Einzelnen zu
regeln. Das ist nicht unsere Aufgabe, sondern Aufgabe
der Rechtsprechung, die wir unterstützen sollten und der
wir klare Regeln – diese sind gar nicht so schlecht – an
die Hand geben sollten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. Johann Wadephul
Wenn man sich das Arbeitsrecht wie auch sonst
Rechtsgebiete in Deutschland ansieht, stellt man sehr
schnell fest, dass wir nicht zu wenig geregelt haben, son-
dern eher viel. Die Arbeitsgruppe „Arbeit und Soziales“
der CDU/CSU-Fraktion war gerade in Dänemark. Däne-
mark ist ja nun nicht gerade ein Hort des Neoliberalis-
mus, wie Sie wahrscheinlich sagen würden, sondern eher
ein Staat, der zumindest für Sozialdemokraten immer als
Musterländle gegolten hat. In Dänemark gibt es keinen
Kündigungsschutz.


(Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Hört! Hört!)


Wir haben dort mit Gewerkschaften gesprochen. Sie
werden in Dänemark keinen Gewerkschafter finden, der
fordert, dass es dort auch nur im Ansatz Regelungen ge-
ben soll, wie wir sie im Kündigungsschutzrecht in
Deutschland haben. Die fahren gut damit,


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ja! Das kann ich bestätigen!)


sogar mit der Folge, Herr Pronold, dass die EU das Mo-
dell der Flexicurity übernommen und als einen Standard
für ganz Europa vorgegeben hat.

Am deutschen Wesen soll nicht immer die Welt gene-
sen. Es lohnt, einmal in ein kleines Land wie Dänemark
zu schauen. Die machen uns in diesem Bereich manches
vor. Ich denke, wir haben jeden Anlass, uns daran ein
Beispiel zu nehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Anette Kramme [SPD]: Bei der Dauer des Arbeitslosengeldes! Bei den Steuerzahlungen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702126100

Herr Kollege Wadephul, lassen Sie Zwischenfragen

zu?


Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1702126200

Ja.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702126300

Bitte schön.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1702126400

Herr Kollege Wadephul, da Sie gerade Dänemark an-

führten und darauf hingewiesen haben, dass es dort sehr
offene Kündigungsschutzregelungen gibt, möchte ich
fragen: Ist Ihnen auch bekannt, dass in Dänemark die
Arbeitslosenentgelte, also die Arbeitslosenunterstüt-
zung, 90 Prozent des letzten Gehaltes betragen und über
mehrere Jahre gezahlt werden?


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Und wollen Sie das hier einführen?)



Dr. Johann Wadephul (CDU):
Rede ID: ID1702126500

Das ist mir selbstverständlich bekannt, Frau Kollegin.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?)

Wir haben uns dort nicht nur einseitig informiert, son-
dern mit allen dort gesprochen. Dieses Modell einer völ-
ligen Flexibilisierung im Arbeitsrecht verbunden mit
einem interessanten Modell einer schnellen Arbeitsver-
mittlung und auch einem hohen Versorgungsgrad, den
Sie gerade richtigerweise genannt haben, hat Dänemark
ganz große Erfolge in der Arbeitsmarktpolitik beschert.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie das jetzt auch hier?)


Ich sage ja nur: Wir sollten einmal darüber nachden-
ken, ob man das eine oder andere nicht nach und nach in
Deutschland überdenken und übernehmen könnte.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dann alles!)


Ich bin der Meinung – Frau Pothmer, wenn ich das
noch ergänzend sagen darf –, dass man in Deutschland
etwas missachtet: dass ein zu hoher Standard beim Kün-
digungsschutz zwar denjenigen nützt, die gerade Arbeit
haben, dass er aber diejenigen, die arbeitslos sind, nicht
in Arbeit bringt, weil er viele Arbeitgeber davon abhält,
Menschen einzustellen, da sie Angst haben, sich im
Zweifelsfall nicht von ihnen trennen zu können. So viel
dazu.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich will ganz kurz etwas zu den vorliegenden Gesetz-
entwürfen sagen. Im sozialdemokratischen Gesetzent-
wurf wird vorgeschlagen, man solle die Regelung tref-
fen, dass eine Kündigung dann sozial ungerechtfertigt
sei, wenn ein wirtschaftlicher Schaden nicht ins Gewicht
falle. Ich frage mich ganz im Ernst, Frau Kramme: Wel-
chen Maßstab wollen Sie eigentlich anlegen? Bei wem
soll der wirtschaftliche Schaden, von dem die Rede ist,
denn entstehen: beim betroffenen Arbeitnehmer oder
beim Arbeitgeber? Wie meinen Sie das überhaupt? Bei
einem Einzelhändler ist eher ein wirtschaftlicher Scha-
den zu erwarten als bei einer großen Discounterkette.
Was meinen Sie wohl, wie lange es dauert, bis bei Aldi
ein wirtschaftlicher Schaden eingetreten ist? Da kann
man eine Menge herausschleppen, bevor dort ein wirt-
schaftlicher Schaden entstanden ist.


(Heiterkeit bei der FDP)


Was ist das eigentlich für eine handwerklich schlechte
Arbeit, die uns eine Fachanwältin für Arbeitsrecht hier
vorlegt?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Katja Mast [SPD]: Buh! – Anette Kramme [SPD]: Wir wollen Abgrenzungen haben, damit es nicht um 5 Euro oder um 5,18 Euro geht!)


– Das hat der Kollege Nešković in seinem Gesetzent-
wurf in Anlehnung an § 248 a StGB besser geregelt.

Sie wollen des Weiteren die Abmahnvoraussetzung
grundsätzlich abschaffen. Meine sehr verehrten Damen
und Herren von der SPD, was haben Sie eigentlich für
Vorstellungen? Was soll denn der Arbeitgeber der be-
rühmten Kassiererin machen, wenn er zum ersten Mal
erlebt, dass sie 200 Euro aus der Kasse genommen hat?






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Johann Wadephul
Nach Ihrem Vorschlag dürfte er sie nur abmahnen und
müsste darauf warten, dass sie das nächste Mal in die
Kasse greift. Meinen Sie, dass das zumutbar ist? Glau-
ben Sie nicht, dass die normale Reaktion eines Arbeitge-
bers sein wird, viel rigidere Maßnahmen zur Überwa-
chung der Kassen und der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer einzuführen, Maßnahmen, über die wir
uns an anderer Stelle immer wieder beklagen? Das, was
Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hier ge-
ben, sind Steine statt Brot. Damit helfen Sie ihnen nicht.
Damit machen Sie die Situation insgesamt nur schwieri-
ger. Das trägt überhaupt nicht zu einer Verbesserung bei.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Jetzt komme ich zum berühmten Fall „Emmely“ – die
Dame heißt eigentlich Emme –, den Sie und auch Herr
Nešković bzw. die Linke in Ihren Gesetzentwürfen an-
führen. Ich muss Ihnen wirklich sagen: Hier ist in den
Medien etwas Ungeheuerliches geschehen. Dieser Fall
wurde verkürzt, und es wurde so getan, als habe – ich
setze das in Anführungsstriche – „nur“ ein Diebstahl ge-
ringwertiger Sachen vorgelegen.

Das Arbeitsgericht hat diesen Fall umfangreich ge-
prüft – Herr Bundestagsvizepräsident Thierse hat seine
unsägliche Kritik an dem Urteil mittlerweile zum Glück
zurückgenommen – und festgestellt: Erstens. Es ist ein
Diebstahl gewesen. Zweitens. Er ist geleugnet worden.
Drittens. Die Arbeitnehmerin hat sogar andere Arbeit-
nehmerinnen in Verdacht und damit in Gefahr gebracht,
ihren Arbeitsplatz zu verlieren, um den Verdacht von
sich selbst abzulenken. Wir als Gesetzgeber sollten in
diesem Fall nicht sagen: Hier hat ein Arbeitsgericht
schlecht entschieden. – Das Gericht hat schlicht und er-
greifend den Einzelfall betrachtet und ist zu dem Ergeb-
nis gekommen: In diesem Fall ist diese Entscheidung
richtig gewesen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das ist die ganze Geschichte.

Insgesamt betone ich das, was dankenswerterweise
auch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts hervor-
gehoben hat: Es ist keine Frage der Menschenwürde, sei-
nem Arbeitgeber einen, wenn auch nur geringwertigen,
Gegenstand zu klauen, sondern es ist schlicht und ergrei-
fend so, dass man Grundregeln des Anstands und der
Rechtsordnung in Deutschland einzuhalten hat. Wir soll-
ten die Verhaltensnormen nicht davon abhängig machen,
ob ein Gegenstand teuer oder billig ist. Man hat sich an
Grundregeln zu halten, und die Arbeitsgerichte entschei-
den sachgemäß.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702126600

Lieber Kollege Wadephul, ich gratuliere herzlich zu

Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag, verbunden
mit allen guten Wünschen für die weitere parlamentari-
sche Arbeit.


(Beifall)

Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Nešković
für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1702126700

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Was ist Gerechtigkeit? Der Dichter
Erich Fried hat versucht, diese Frage zu beantworten. Er
ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es fast unmöglich ist,
dafür eine befriedigende Definition zu finden. Hingegen
sei es einfach, zu wissen, was ungerecht ist. Er hat ge-
meint: Die Ungerechtigkeit liege offen am Weg, die
könne jeder erkennen, und der richtige Weg sei, die Un-
gerechtigkeit zu bekämpfen.

Jeder von uns kann sehen, was ungerecht ist. Natür-
lich ist es ungerecht, wenn einer Kassiererin nach
31 Jahren gekündigt wird, weil man sie verdächtigt,
zwei Pfandbons im Werte von 1,30 Euro unterschlagen
zu haben.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist ungerecht, wenn eine Altenpflegerin auf die Straße
gesetzt wird, weil sie Maultaschen mitgenommen hat,
die bereits für die Mülltonne bestimmt waren. Es ist
ebenso ungerecht, wenn einem Bäcker fristlos gekündigt
wird, weil er einen Teelöffel Schafskäsepaste probiert
hat, nachdem sich Kunden darüber beklagt hatten, dass
der Belag versalzen sei. Es ist genauso ungerecht, wenn
ein Industriearbeiter entlassen wird, weil er sein Handy
an der Firmensteckdose aufgeladen hat – Schaden:
0,014 Cent. Diese Fälle sind schwer glaublich; dennoch
sind sie geschehen. Sie haben zu Recht Empörung aus-
gelöst. Sie spiegeln die wirklichen Ungerechtigkeiten im
Arbeitsleben von Menschen wider.


(Beifall bei der LINKEN)


Der Arbeitsplatz hat in dieser Gesellschaft für die Ar-
beitnehmer und ihre Existenz herausragende Bedeutung.
Er bildet die wirtschaftliche Grundlage für sie und ihre
Familien. Lebenszuschnitt und Wohnumfeld werden von
ihm bestimmt, ebenso gesellschaftliche Stellung und
Selbstwertgefühl. All dies wird mit der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses gefährdet oder sogar zerstört. Ge-
nau deswegen genießt der Arbeitnehmer über das Sozial-
staatsprinzip den Schutz unserer Verfassung.

Dem Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt seines
Arbeitsplatzes steht allerdings das Interesse des Arbeit-
gebers, sein Eigentum zu schützen, gegenüber. Genau
diese Interessenabwägung soll die Vorschrift des § 626
BGB erreichen. Die Auswertung der Rechtsprechung
zeigt jedoch, dass diese Abwägung – bis auf wenige
Ausnahmen – im Ergebnis gar nicht vorgenommen wird.


(Anette Kramme [SPD]: So ist es!)


Trotz vermeintlicher Abwägung der Umstände des Ein-
zelfalls wird stets als Ergebnis eine nicht wiederherstell-
bare Zerstörung des Vertrauens des Arbeitgebers festge-
stellt, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für






(A) (C)



(B) (D)


Wolfgang NeškoviæWolfgang Nešković
diesen angeblich unzumutbar macht. Dies wird gerade
durch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Ber-
lin-Brandenburg im Falle „Emmely“ exemplarisch be-
legt. Da werden lange Abwägungen gemacht, was zu-
gunsten der Arbeitnehmerin spricht, und dann, ganz kurz
danach, heißt es – im Wege einer Rechtsbehauptung –,
es sei nunmehr so, dass das Vertrauen nicht wiederher-
stellbar sei.

Diese Rechtsprechung wird von der Präsidentin des
Bundesarbeitsgerichtes mit, wie ich meine, geradezu
trotziger Uneinsichtigkeit verteidigt. Ihr fehlt offensicht-
lich das ganz normale Gefühl für Ungerechtigkeit.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In all diesen Fällen handelt der Arbeitnehmer nämlich
nicht mit krimineller Energie, um den Arbeitgeber zu
schädigen. Regelmäßig handelt er aus Sorglosigkeit, Un-
bekümmertheit und Unbedarftheit. Damit ist ein solches
Verhalten nicht entschuldigt, und es ist auch nicht recht-
mäßig. Eine Kündigung mit ihren weitreichenden Aus-
wirkungen auf die Existenz des Arbeitnehmers stellt
aber eine unverhältnismäßige Reaktion auf das Fehlver-
halten des Arbeitnehmers dar. Hier wird mit Kanonen
auf Spatzen geschossen. Das Prinzip der Verhältnismä-
ßigkeit ist ein zentrales Prinzip unserer Rechtsordnung.
Da die Rechtsprechung überwiegend uneinsichtig bleibt,
ist nunmehr der Gesetzgeber gefragt.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Er muss diese Rechtsprechung des kalten Herzens, der
jegliches Gespür für die Lebenswirklichkeit abhanden-
gekommen ist, unmissverständlich an die gesetzgeberi-
sche Kandare binden.

Dafür bietet der Gesetzentwurf unserer Fraktion eine
ausreichende Grundlage. Der Gesetzentwurf der SPD
kann dies, muss ich leider sagen, nicht leisten, weil da-
mit lediglich die neuere Rechtsprechung des Bundesar-
beitsgerichts festgeschrieben werden soll.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702126800

Das Wort erhält jetzt der Kollege Johannes Vogel für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU])



Johannes Vogel (FDP):
Rede ID: ID1702126900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Werfen wir einen Blick auf das, was uns heute vorliegt.
Was will die SPD? Sie will, dass fristlose Kündigungen
– aber auch Kündigungen im Regelfall – bei Diebstahl
von geringem wirtschaftlichen Schaden nicht mehr mög-
lich sind, dass im Regelfall eine Abmahnung erforder-
lich ist. Faktisch – so ging es auch durch die Presse –
will die SPD eine Art Bagatellregelung einführen.
Die Linke geht noch darüber hinaus – ich würde sa-
gen, da wird der Gesetzentwurf der SPD noch ein biss-
chen verschärft –: Sie will, dass zwingend eine Abmah-
nung erfolgen muss, und sie will die Kündigung auf
Verdacht verbieten.

Es ist interessant, sich einmal die Vorgeschichte die-
ser Gesetzentwürfe anzuschauen. Frau Kollegin
Kramme, Sie haben eben selber darauf hingewiesen und
verschiedene Fälle zitiert, die in den Medien vorkamen.
Sie haben allerdings nicht darauf hingewiesen, dass das
seit 1984 herrschende Rechtsprechung ist, also eine län-
gere Zeit, könnte man sagen.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])


Elf Jahre in dieser Zeit haben Sie als SPD Regierungs-
verantwortung getragen;


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schon wieder! – Anette Kramme [SPD]: Sie langweilen!)


doch weder als größerer Partner noch als kleinerer Part-
ner der Koalition haben Sie jemals einen solchen Gesetz-
entwurf vorgelegt.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Es ist schon wichtig, sich das einmal vor Augen zu füh-
ren.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Einzige, was der FDP noch einfällt!)


– Nein, das ist nicht das Einzige, was uns einfällt. Lassen
Sie mich doch ausreden! Es ist doch gerade erst eine Mi-
nute meiner Redezeit vorbei.

Ich glaube, es ist kein Zufall, dass diese Forderung
aus der Opposition kommt. Eigentlich wissen Sie genau,
dass man dies nicht so einfach regeln kann. Das würden
auch Sie nicht tun, wenn Sie noch Regierungsverantwor-
tung tragen würden. Nur, dass Sie das nicht tun, hat ei-
nen guten Grund: Die Bürgerinnen und Bürger haben
das so entschieden.

Schauen wir uns einmal an, warum das nicht so ein-
fach ist. Wie ist denn die Rechtslage? Auch heute ist es
so: Außerordentliche Kündigungen kann es nur geben,
wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher wichti-
ger Grund ist natürlich eine Straftat. Dies kann niemand
als Kleinigkeit abtun; dies wird der Sache nicht gerecht.
Aber auch dann kann es natürlich sein, dass eine Interes-
senabwägung zwischen den beiden Vertragspartnern
stattfindet. Nur dann, wenn die Fortsetzung des Arbeits-
verhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar ist, wenn
das Vertrauensverhältnis irreparabel gestört wird, wird
überhaupt eine Kündigung vorgenommen. Ich kann
nicht erkennen, dass wir an dieser ausgewogenen Rege-
lung irgendetwas gesetzlich ändern müssten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Das ist doch reine Fiktion!)







(A) (C)



(B) (D)


Johannes Vogel (Lüdenscheid)

An die Kolleginnen und Kollegen von der Linken: Sie
wissen so gut wie ich, dass es für Verdachtskündigungen
sehr strenge Voraussetzungen gibt. Ich erspare es Ihnen,
dies jetzt im Einzelfall aufzuzählen.

Wir können festhalten: Wir haben eine klare und
nachvollziehbare Rechtslage. Sie ist ausgewogen. Weil
wir im Gegensatz zu Ihnen nicht an der Kompetenz der
deutschen Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichter zwei-
feln, sehen wir auch keine Notwendigkeit, daran etwas
zu verändern.

Warum wäre es falsch, das zu tun, was Sie vorhaben?
Es wäre falsch, weil Sie natürlich ein Problem schaffen.
Sie können nämlich die Frage, was eine Bagatelle ist und
was nicht, nicht gesetzlich klären. Die Präsidentin des
Bundesarbeitsgerichts – sie wurde heute schon mehrfach
angesprochen – hat häufig darauf hingewiesen, dass die
Situation schwierig ist: Wo liegt die Grenze? Bis wann
ist es eine Bagatelle? Sind es 5 Euro oder 10 Euro?
Wenn die Grenze bei 5 Euro liegt, was ist dann im Falle
von 5 Euro und 10 Cent, die geklaut wurden?


(Anette Kramme [SPD]: Kennen Sie das Wort des unbestimmten Rechtsbegriffs?)


So einfach ist es nicht. Der Punkt ist: Eigentum bleibt
Eigentum, und Diebstahl bleibt Diebstahl. Deshalb kön-
nen Sie es sich hier nicht so einfach machen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Anette Kramme [SPD]: Im Strafrecht steht auch nicht drin, dass bei 50 Euro eingestellt wird!)


– Das können wir aber nicht einfach so in das Privatrecht
übertragen, Frau Kramme; das wissen Sie so gut wie ich.

Natürlich will ich zugestehen – lassen Sie mich in ei-
nem Punkt auf Sie zugehen –, dass es Fälle gab, über die
in der Öffentlichkeit diskutiert wurde und die zu der
Frage führten: Kann es sein und ist es mit meinem Ge-
rechtigkeitsempfinden vereinbar, dass jemandem in die-
sen Fällen gekündigt wird? Der Kollege von der CDU/
CSU hat eben interessanterweise darauf hingewiesen,
dass die Gerichte in Deutschland schon heute eine Ein-
zelfallwürdigung vornehmen. Es ist eben nicht so, wie
Sie es dargestellt haben und wie es die Medien darstel-
len.


(Anette Kramme [SPD]: Schauen Sie mal bei juris nach! Googeln Sie einfach mal! Sie werden eine Vielzahl von Fällen finden!)


– Frau Kramme, ganz sicher. Aber Sie werden auch eine
Vielzahl von Fällen finden, bei denen eine entspre-
chende Würdigung zugunsten des Arbeitnehmers vorge-
nommen worden ist.


(Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Es gibt auch Fälle, wo der Arbeitgeber gar nicht kündigt!)


Schauen wir uns zwei Fälle einmal genauer an. Es ist
es wert, sich den Fall der berühmt-berüchtigten Kassie-
rerin, die Pfandbons entnommen hat, genauer anzuse-
hen. Er wurde schon von dem Kollegen von der Unions-
fraktion angesprochen; aber der Redner der Linken hat
ihn noch einmal angeführt. Da wurden nicht einfach nur
Pfandbons entwendet; vielmehr hat sich die Kassiererin
danach in Widersprüche verwickelt und dann noch Kol-
legen denunziert und beschuldigt. Erst dann war das Ver-
trauensverhältnis nach Ansicht des Gerichts so irrepara-
bel gestört, dass die Kündigung rechtswirksam war.
Dieser Fall liegt aber im Moment überhaupt noch nicht
rechtsgültig vor, weil die höchstrichterliche Entschei-
dung noch aussteht. Ich kann nicht erkennen, dass im
deutschen Rechtswesen keine ausreichenden Abwägun-
gen vorgenommen würden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Frau Kramme, Sie haben es gerade angesprochen: Es
gibt auch Fälle, bei denen Kündigungen vor Gericht kei-
nen Bestand hatten und für rechtswidrig erklärt wurden.
Wir haben zum Beispiel im März 2009 einen solchen
Fall vor dem Landesarbeitsgericht in Nordrhein-Westfa-
len erlebt. Da ging es um den Diebstahl, die Entwendung
von Brotaufstrich. Das ist natürlich ein Fall, bei dem
viele Bürgerinnen und Bürger draußen das Gefühl ha-
ben: Kann es sein, dass jemandem dafür, dass er sich nur
etwas Brotaufstrich auf sein Brot schmiert, gekündigt
wird? Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass solche
Fälle zugunsten des Arbeitnehmers entschieden wurden.
Dieser Fall hatte keinen Bestand; die Kündigung war
rechtswidrig. Auch das ist ein weiterer Beleg dafür
– Frau Kollegin Kramme, Sie haben eben gesagt, man
könne es nachschlagen; offensichtlich haben Sie es nicht
getan –, dass die Würdigung des Einzelfalls sehr gut vor
Gericht aufgehoben ist und dort gut funktioniert und wir
dies nicht gesetzlich regeln, sondern den Gerichten über-
lassen sollten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Der Punkt ist: Schon der erste Satz Ihres Gesetzent-
wurfs, den Sie uns vorgelegt haben, zeigt seine grund-
sätzliche Schwäche. Sie sagen:

Bei Bagatelldelikten von Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern herrscht rechtlich das „Null-Tole-
ranz-Prinzip“: Der Verzehr auch nur eines Bröt-
chens des Arbeitgebers … kann den Arbeitsplatz
kosten.

Sie sagen es selbst: Der Diebstahl, durch den ein gerin-
ger Schaden entsteht, kann den Arbeitsplatz kosten, er
muss es aber nicht. Es findet eine Abwägung statt. Wir
sollten es dabei auch belassen und hier keine handwerk-
lich schlecht gemachte Regelung einführen.

Deshalb werden wir den Gesetzentwurf ablehnen. Ich
freue mich aber auf die weitere Beratung im Ausschuss.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702127000

Die Kollegin Beate Müller-Gemmeke ist nun die

nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen.






(A) (C)



(B) (D)


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-
nen und Kollegen! Dieses Thema ist emotional und
schwierig gleichermaßen. Herr Wadephul, es geht in die-
sen Fällen eben nicht um einen bewussten Diebstahl von
Waren im Wert von 200 Euro.

Wenn der Verzehr einer Maultasche oder das Aufla-
den des Handys den Job kostet, dann empfinde ich das
als unanständig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass
bei den sogenannten Bagatellkündigungen immer ein
vorsätzlicher Diebstahl vorlag. Manchmal ist es auch
Unwissenheit, manchmal ist es schlichtweg Gedanken-
losigkeit. Ich denke, wir alle haben schon einmal verse-
hentlich einen Kugelschreiber in die Tasche gesteckt.


(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Aha!)


– Auch Sie sehr wahrscheinlich, Herr Wadephul. –
Manchmal kann es auch sein, dass sich die Beschäftigten
an diesem Tag einfach sehr ausgenutzt oder schlecht be-
handelt fühlten.

Manche Arbeitgeber setzen Bagatellkündigungen
sehr bewusst ein, um unangenehme Beschäftigte zu ent-
lassen. Andere stehen selber unter einem extremen
Druck und schauen den Beschäftigten deshalb genau auf
die Finger.

Ich kann nicht beurteilen, wann Bagatellkündigungen
angemessen sind und wann nicht. Eines aber weiß ich:
Es ist schwierig, den Menschen klarzumachen, dass ei-
ner Beschäftigten, wenn sie eine Frikadelle isst, das
Gleiche passiert wie einem Manager, der Beträge in
sechsstelliger Höhe veruntreut.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das ist nicht gerecht, und ich glaube auch, dass das ge-
sellschaftlicher Konsens ist.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Quatsch!)


– Quatsch? Ich glaube das schon.

Deswegen kann ich es auch nicht verstehen, wenn aus
den Reihen der CDU solche Bagatellkündigungen in der
Presse mit dem Argument verteidigt werden, dass sich in
diesem Arbeitsverhältnis schon länger etwas aufgestaut
haben muss. Mit dieser Aussage erhalten Unternehmen
Rückendeckung. Die Beschäftigten werden hingegen
pauschal verurteilt. Ich meine, der Politik steht eine sol-
che Parteinahme nicht zu.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Gitta Connemann [CDU/ CSU]: Sehen Sie sich die Einzelfälle an, Frau Kollegin!)

Die Politik darf die Stimmung nicht aufheizen, sie
darf aber auch nicht tatenlos zuschauen. Das Problem ist,
dass es im Arbeitsrecht, anders als im Strafrecht, eben
keine Bagatellgrenze gibt. Jeder Diebstahl gilt als Grund
für Vertrauensverlust, egal, ob es um 50 Cent oder
50 000 Euro geht.

Ich finde – wir Grünen finden –, an dieser Stelle muss
der Gesetzgeber etwas verändern. Die grundsätzliche
Abschaffung der Verdachtskündigung werden wir Grü-
nen in einem Fachgespräch prüfen.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: In Abwägung durch den Rechtsstaat!)


Uneingeschränkt und heftig unterstützen werden wir da-
gegen die gesetzlich verankerte Abmahnung; denn Ab-
mahnungen und eben nicht fristlose Kündigungen sind
die richtigen Antworten auf Bagatelldelikte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Nur so werden die Beschäftigten – gerade jetzt in der
Krise – vor einer willkürlichen Entlassung geschützt.

Abmahnungen werden im Übrigen auch dazu führen,
dass die betroffenen Beschäftigten in sich gehen. Sie
merken, dass sie eine Grenze überschritten haben. Vor
allem erhoffe ich mir auch, dass durch Abmahnungen in
den Betrieben Klarheit darüber entsteht, wo die Grenze
überhaupt liegt.

Natürlich wird die Abmahnungspflicht zu neuen Pro-
blemen führen, vor allem, weil die Bagatellgrenze nicht
gesetzlich definiert werden kann. Denn wo soll man die
Grenze ansetzen: bei 5 Euro, 10 Euro, 50 Euro oder
100 Euro? Diese Frage können natürlich nur die Ge-
richte im Einzelfall beantworten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nichts zu tun, wie es die Koalitionsfraktionen vorha-
ben, ist für uns jedenfalls keine Option. Sehr geehrte
Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, die
Beschäftigen sitzen immer am kürzeren Hebel und brau-
chen hier mehr Schutz. Für die Unternehmen geht es le-
diglich um Bagatellbeträge, für die Beschäftigten geht es
aber um ihre Existenz. Auch Sie wissen, dass beispiels-
weise Ältere nur wenige Chancen auf einen neuen Ar-
beitsplatz haben, und jungen Menschen wird damit ein
guter Start ins Berufsleben verbaut.

Ich kann nur sagen: Springen Sie endlich einmal über
Ihren Schatten! Beweisen Sie, dass soziale Kälte bei Ih-
nen eben nicht Programm ist!

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702127100

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der

Kollege Ulrich Lange für die CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)







(A) (C)



(B) (D)


Ulrich Lange (CSU):
Rede ID: ID1702127200

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich darf heute Abend den Schlusspunkt setzen, und ich
freue mich, dass von der Linksfraktion, die den Gesetz-
entwurf eingebracht hat und heute in Rotkäppchensekt-
laune ist, wie Sie vorhin so schön gesagt haben, immer-
hin noch vier Mitglieder anwesend sind. Das zeigt, wie
wichtig Ihnen dieses Thema wirklich ist. Es unter-
streicht, worum es Ihnen geht: um puren Populismus.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Ja, wo sind sie denn alle? – Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Wenn das Ihr Argumentationsniveau ist!)


Kaum eine arbeitsgerichtliche Entscheidung der let-
zen Jahre hat die Öffentlichkeit so beschäftigt wie die
zur heute schon mehrfach erwähnten Berliner Kassiere-
rin. Fast jeder in der Politik, ob mit oder ohne Rechts-
kenntnis, ob mit Urteilskenntnis oder ohne Urteilskennt-
nis, hat sich berufen gefühlt, irgendetwas dazu zu sagen.

Eines ist für uns in der Koalition sicher: Trotz seiner
medialen Ausschlachtung wird der Fall Emmely nicht
als wesentliches Datum in die Entwicklung der arbeits-
rechtlichen Gesetzgebung eingehen. Dazu ist die Sach-
lage zu klar. Was Sie hier bringen, ist nur Populismus.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Sie versuchen auch – das hat die Kollegin der Grünen
gerade deutlich gemacht –, eine Gerechtigkeitsdebatte in
der Wirtschaftskrise über Managerkündigungen und Ma-
nagerabfindungen


(Katja Mast [SPD]: Managerkündigungen wären gut!)


– nicht erfolgte Kündigungen – mit dem gezielt skanda-
lierten Fall Emmely in einen Zusammenhang zu bringen.
Das lassen wir nicht zu. Das hat nichts miteinander zu
tun. Sie machen plump Stimmung gegen die Arbeitge-
ber, die die Betriebe in den letzten Monaten sehr verant-
wortungsbewusst geführt haben. Das kann nicht der
richtige Ansatz sein.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Ja, natürlich. Der Ausspruch „Die Beschäftigten sitzen
immer am kürzeren Hebel“ zeigt, wie Sie denken.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das ist doch faktisch so!)


Wir lassen es auch nicht zu, dass Sie gegen unser gutes
deutsches Arbeitsrecht und die guten Arbeitsgerichte
hier zu Felde ziehen, die in den letzten Jahren eine sehr
gefestigte Rechtsprechung entwickelt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Daran werde ich Sie irgendwann erinnern, was Sie jetzt gesagt haben!)


In der fachlichen Diskussion muss ich Ihnen eines sa-
gen: Der Gesetzentwurf der SPD ist nicht nur system-
widrig und fachlich schlecht, sondern er ist auch in sich
unschlüssig und ohne Substanz.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Verweis auf die StPO hinkt; denn das Strafrecht ist
eine völlig andere Rechtsmaterie.


(Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Ihnen fehlt die Fähigkeit zur Abstraktion!)


Das Arbeitsrecht kennt keinen Sanktionsgedanken und
Strafanspruch.

Über das Abmahnungserfordernis will ich gar nicht
reden. Die fristlose Kündigung hat die Eigenart, dass ihr
gerade keine Abmahnung vorausgeht. Sie bringen Dinge
durcheinander, die Sie anscheinend nicht verstehen. Et-
was anderes kann ich dazu nicht sagen.


(Katja Mast [SPD]: Hauptsache, Sie verstehen es!)


– Wahrscheinlich ein bisschen mehr als Sie.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU)


– Natürlich. Ich habe mich 15 Jahre mit dem Arbeits-
recht beschäftigt. Was glauben Sie denn?

Aber es ist noch ein weiterer Punkt angesprochen
worden. Sie haben die Bagatellgrenzen nicht definiert.
Sie müssten die Frage beantworten, wo die Bagatell-
grenze liegt. Ich kann jeden von Ihnen fragen, ob Sie be-
reit wären, wenn ich mir aus Ihrer Tasche 5 Euro nähme,
mir diese zu überlassen, nach dem Motto „Es sind ja nur
5 Euro; das ist doch eine Bagatelle“.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Also Ihnen nicht! – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat überhaupt niemand gesagt!)


Klar ist auch: Wenn wir eine Bagatellgrenze zum Bei-
spiel von 5 Euro einführen, dann führen wir, wenn je-
mand 5,05 Euro genommen hat, wieder dieselbe Diskus-
sion. Dann sind wir kein bisschen weiter.

Auch wenn es unpopulär sein mag, aber Diebstahl
bleibt Diebstahl, und Untreue bleibt Untreue. Daran
führt kein Weg vorbei.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Anette Kramme [SPD]: Und Frikadelle bleibt Frikadelle!)


– Damit unterstreichen Sie einmal mehr, dass Sie be-
stimmte Dinge nicht verstanden haben. Der von Ihnen
vorgelegte Gesetzentwurf ist handwerklicher Murks und
völlig überflüssig. Wir haben eine gefestigte Rechtspre-
chung zu § 626 BGB. Wir haben eine gefestigte Recht-
sprechung zu Verdachtskündigungen, und es gibt verant-
wortungsbewusste Interessenabwägungen sowohl bei
den Arbeitgebern als auch später bei den Arbeitsgerich-
ten. Das machen auch die Urteile deutlich, von denen
heute schon einige angesprochen wurden: Wir haben den
pressebekannten Fall Emmely und die sogenannte
„Maultaschen“-Entscheidung. Wir haben aber auch den
„Kinderbettfall“ und den schon erwähnten „Brotauf-






(A) (C)



(B) (D)


Ulrich Lange

strichfall“. All dies zeigt, dass von den Richtern indivi-
duell sehr sauber abgewogen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Qualität der Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichter
ist hoch, auch die der ehrenamtlichen Arbeitsrichterin-
nen und Arbeitsrichter. Darunter befinden sich übrigens
auch Ihre Vertreter aus den Betriebsräten und den Ge-
werkschaften, falls Sie das vergessen haben sollten.

Wir distanzieren uns ganz klar von Ihrem Vizepräsi-
denten des Hohen Hauses; Kollege Wadephul hat darauf

Schönen Abend.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1702127300

Ich schließe die Aussprache.

Zum Tagesordnungspunkt 6 a: Interfraktionell wird
die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache
17/648 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus-
schüsse vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vor-
schläge? – Danach sieht es nicht aus. Dann ist die Über-
schon richtigerweise hingewiesen. Ihr Vizepräsident hat

das dann zwar zurückgenommen. Aber ich kann Ihnen
nicht ersparen, Sie daran zu erinnern, dass er die Arbeits-
gerichte als „barbarisch“ und „asozial“ bezeichnet hat.
Allein diese Äußerung zeigt, dass Sie kein Verständnis
von Arbeitsrecht und Gerichtsbarkeit haben, ganz zu
schweigen von Ihrem Verhältnis zu Eigentum und
Rechtsordnung.


(Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Und Ihnen fehlt das Verhältnis zum Sozialstaat!)


Mit den Linken will ich heute darüber nicht reden. Nach
den unseligen Äußerungen Ihrer Kollegin Kipping über
den Verfassungsschutz kann ich nur sagen: Zum Eigen-
tum haben Sie mit Sicherheit kein Verhältnis.


(Zuruf von der FDP: Ein gestörtes!)


– Ja, ein sehr gestörtes. – Die volkseigene Maultasche ist
noch nicht erfunden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich weiß, dass es grundlose Kündigungen gibt. Ich
habe heute in der Augsburger Allgemeinen gelesen:
„21-Jährige gefeuert, weil sie beim Feuerwehreinsatz
war.“ Einer jungen Arbeitnehmerin mit ehrenamtlichem
Engagement, die Menschen in Not hilft, wird gekündigt!
Solche Menschen brauchen unseren Schutz. Solche
Menschen brauchen unsere Unterstützung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Diese Kündigung ist gesellschaftlich zu verurteilen; da-
rum geht es.

Neue Gesetze sollten Probleme lösen und keine neuen
schaffen. Dieses Gesetz schafft mehr Probleme als es
löst. Wir brauchen es nicht, weder unter dogmatischen
Aspekten noch aus Gerechtigkeitsüberlegungen heraus.
Stampfen Sie den Gesetzentwurf ein! Lassen Sie es gut
sein!
weisung so beschlossen.

Zum Tagesordnungspunkt 6 b: Der Gesetzentwurf auf
Drucksache 17/649 soll an die in der Tagesordnung ge-
nannten Ausschüsse überwiesen werden. Hier ist die Fe-
derführung strittig. Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD,
FDP und Bündnis 90/Die Grünen wünschen die Feder-
führung beim Ausschuss für Arbeit und Soziales. Die
Fraktion Die Linke wünscht Federführung beim Rechts-
ausschuss. Ist das korrekt?


(Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Ja!)


Dann lasse ich zuerst über den Überweisungsvor-
schlag der Fraktion Die Linke mit dem Ziel, dem
Rechtsausschuss die Federführung zu übertragen, ab-
stimmen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvor-
schlag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Dann ist der Überweisungsvorschlag abgelehnt.

Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der
vorhin genannten übrigen Fraktionen des Hauses abstim-
men, der vorsieht, dem Ausschuss für Arbeit und Sozia-
les die Federführung zu übertragen. Wer stimmt diesem
Überweisungsvorschlag zu? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Dann ist die Überweisung so be-
schlossen. Die Federführung liegt also beim Ausschuss
für Arbeit und Soziales.

Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord-
nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf
morgen, Mittwoch, den 10. Februar 2010, 9 Uhr, ein.

Ich wünsche Ihnen allen einen halbwegs gemütlichen
und erfreulichen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.