Gesamtes Protokol
Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-zung ist eröffnet.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Bericht zur Deutschen Islam-Konferenz.Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Berichthat der Bundesminister des Innern, Herr Dr. WolfgangSchäuble.Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des In-nern:Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Die Bundesregierung hat sich heute mit dem Be-richt zur Deutschen Islam-Konferenz 2006 bis 2009 be-fasst.Die Bundeskanzlerin hat zu Beginn dieser Legisla-turperiode in ihrer Regierungserklärung im Novem-ber 2005 angekündigt, dass die Bekämpfung von Defizi-ten bei der Integration von Mitbürgern, die aus unter-schiedlichen Teilen der Welt und aus unterschiedlichennrRbumswgGZgswn1rTadbudRedetKulturkreisen zu uns gekommen sind und mit uns leben,einer der Schwerpunkte dieser Legislaturperiode seinwird. In diesem Zusammenhang hat die Integrationsbe-auftragte der Bundesregierung, Frau Kollegin Böhmer,den Nationalen Integrationsplan und den Integrations-gipfel als Dialogprozess entwickelt. Seit 2006 haben wiruns im Rahmen unserer Integrationspolitik mit diesenbesonderen Beziehungen und der Tatsache auseinander-gesetzt, dass der Islam ein Teil unseres Landes gewordenist.Damals haben wir angenommen, dass etwa3,5 Millionen Muslime in unserem Land leben; heutewissen wir, dass es über 4 Millionen sind. Sie haben ei-nen Anspruch darauf – dieser Anspruch istSeiten formuliert worden –, zum Beispiel hdes Verhältnisses zwischen Staat und Religioschaften so behandelt zu werden, wie es der
Metadaten/Kopzeile:
25558 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25559
)
)
Metadaten/Kopzeile:
25560 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25561
)
)
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Auch ich will aufdie Zusammensetzung der Islam-Konferenz eingehen.Herr Minister, Sie haben bei der Beantwortung andererFragen gesagt: Die Muslime selbst müssen noch einmalüberlegen, wie sie sich organisieren, jedenfalls der Teil,der bisher nicht in Verbänden organisiert ist.Ich muss sagen: Dass die Ergebnisse der Islam-Kon-ferenz doch recht dürftig sind, liegt zum Teil daran, dassman Einzelpersonen, die sich selber als Islamkritikerin-nen verstehen und nicht im Konsens und im Dialog vo-rankommen wollen, zu Mitgliedern der Islam-Konferenzberufen hat. Frau Kelek zum Beispiel hat den Moschee-bau in Köln in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung alsFortsetzung der Eroberung Konstantinopels – bis in dieBundesrepublik – dargestellt. Die Beschneidung vonJungen und das Schächten von Tieren führen nach ihrerMeinung dazu, dass muslimische Jugendliche gewalttä-tiger als andere Jugendliche seien. Das sind jetzt nurzwei von fünf, sechs Klopsen, die sich allein diese Ein-zelperson geleistet hat. Wenn man das in Betracht zieht,muss man eigentlich froh sein, dass die Dialogbereit-schaft der muslimischen Verbände, die ja zum Teil rechtkonservativ sind, überhaupt noch zum Tragen gekom-men ist.rf–lwdnjliFHsnsAdudulnszDsgkWSMiLwnbtuLhKdtd
as geleistet zu haben, ist ein ganz wesentlicher Erfolg.Ich teile Ihre Bewertung übrigens überhaupt nicht,ondern ich bin genau gegenteiliger Meinung. Die Er-ebnisse sind viel besser, viel zahlreicher und viel kon-reter, als ich vor drei Jahren zu hoffen gewagt hätte.enn Sie sie als dürftig bezeichnen, dann ist das Ihreache; das ist in Ordnung. Ich bin aber gegenteiligereinung; denn es ist gelungen, die Haltung der Muslimen unserem Land zu verändern. Wenn sie Teil unseresandes werden und in unserem Land heimisch werdenollen, dann dürfen sie Vielfalt, unterschiedliche Mei-ungen und Streit nicht als etwas verstehen, was man amesten verhindert, durch den Staat oder sonst wen kon-rolliert oder beseitigt oder durch eine Einheitsvertretungnterdrückt, sondern das genaue Gegenteil gilt: Unserand ist pluralistisch. Das ist doch der Reiz unserer Frei-eitsordnung. Jetzt liegt es an ihnen selber. Herrermani wäre nach Ihren Kriterien auch kein Mitglieder Islam-Konferenz. Sie können nun aber nicht bestrei-en, dass Herr Kermani eine ernstzunehmende Stimmees Islam in unserem Land ist. Er hat in der Plenarsit-
Metadaten/Kopzeile:
25562 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäublezung und auch öffentlich gesagt: Es liegt an uns Musli-men, dass wir die Vertretung der Vielfalt muslimischenLebens in unserem Land nicht nur den Verbänden über-lassen. Auch wir selber müssen uns engagieren. – Das istjedermann unbenommen.Noch einmal: Mit dem von uns gewählten Weg wurdedie Vielfalt muslimischen Lebens in unserem Land re-präsentiert. Die Frau Kollegin hat zu Recht darauf hinge-wiesen: Die Untersuchung ergibt, dass wir, wenn nur dieVerbände beteiligt gewesen wären, vielleicht 10 Prozentoder 15 Prozent des muslimischen Lebens und nicht dieWirklichkeit in ihrer großen Reichhaltigkeit erfasst hät-ten.
Frau Kollegin Dağdelen.
Vielen Dank. – Ich glaube kaum, dass man der Mei-
nung sein kann, dass die Grünen, wie die Linken auch,
intolerant sind und andere Meinungen, die von den eige-
nen abweichen, sozusagen unterdrücken wollen.
Hier sehen wir uns in der Tradition der französischen
Aufklärung: Auch wenn wir nicht alle Meinungen teilen,
das Recht, andere Meinungen zu vertreten, würden wir
bis zum Lebensende verteidigen.
Herr Minister, Sie haben gesagt, es gebe viele gute
Ergebnisse. Darauf haben Sie auch in Ihrer Eröffnungs-
rede in der letzten Woche hingewiesen. Mich würde inte-
ressieren, welche Ergebnisse dies sind. Sie sind derje-
nige, der zu dem Spiel, zur Deutschen Islam-Konferenz,
eingeladen und natürlich auch die Spieler und Spielerin-
nen ausgesucht hat. Dementsprechend konnten Sie den
Verlauf des Spiels schon im Vorfeld erahnen oder ver-
muten, und Sie konnten auch ein bisschen manövrieren.
Es ist ja schön und gut, wenn der Dialog innerhalb der
Deutschen Islam-Konferenz auf der einen Seite mit
Herrn Kizilkaya und auf der anderen Seite mit Frau
Kelek stattgefunden hat. Aber inwiefern hat das – das ist
ja sozusagen oben, also außerhalb der Gesellschaft –
wirklich Ergebnisse für das Handeln unten, vor Ort, lo-
kal, also da, wo das Zusammenleben stattfinden muss
und meines Erachtens der Dialog auch stattfindet? Ich
hätte gern, dass Sie mir konkrete Ergebnisse nennen –
einmal abgesehen von dem Dialog jener zwei Kontra-
henten auf der Deutschen Islam-Konferenz.
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des In-
nern:
Es ist doch ein nicht zu bestreitendes Ergebnis dieser
drei Jahre, dass in einer Reihe von Ländern an staatli-
chen Schulen experimentell Islamunterricht durchge-
führt wird.
E
l
g
d
g
R
ü
z
d
–
r
g
b
s
s
e
R
v
d
w
g
w
s
n
K
v
d
–
i
i
K
d
z
w
a
k
p
G
e
m
d
m
B
i
d
i
b
a
s ist nicht zu bestreiten, dass es in mehreren Bundes-
ändern konkrete Bemühungen gibt, islamische Theolo-
ie an Hochschulen zu installieren. Man kann doch nicht
ie Wirklichkeit bestreiten und sagen, es gebe kein Er-
ebnis. Es ist nicht zu bestreiten, dass wir gemeinsam
ichtlinien für den Moscheebau erarbeitet haben, die
ber die kommunalen Spitzenverbände allen Kommunen
ur Verfügung gestellt werden. Meine Einschätzung ist,
ass einerseits die Widerstände, die es gelegentlich
Köln ist hier genannt worden – in Teilen der Bevölke-
ung im Zusammenhang mit dem Bau von Moscheen ge-
eben hat, geringer geworden sind; es wird andererseits
esser verstanden, dass man beim Bau auch von Mo-
cheen oder anderen Gotteshäusern ein Stück weit Rück-
icht auf andere zu nehmen hat, weil es immer ein Mit-
inander ist. Toleranz lebt ja von gegenseitiger
ücksichtnahme.
Wenn Sie sich die Handreichungen für die Lösung
on praktischen Problemen im schulischen Alltag, die
ie Arbeitsgruppe 2 erarbeitet hat, genau ansehen, dann
erden Sie feststellen, dass für die meisten Fragen, die
elegentlich im täglichen Leben konkrete Probleme auf-
erfen, gemeinsame Empfehlungen gegeben worden
ind. Werten Sie bitte weder die Vertreter der Verbände
och die anderen muslimischen Vertreter in der Islam-
onferenz in der Weise ab, dass Sie sagen, diese seien
on irgendjemandem manipuliert worden. Das würden
ie mit aller Entschiedenheit zurückweisen.
Auch ich habe sie nicht manipuliert. – Das Folgende
st völlig unstreitig – ich habe es bereits gesagt, als wir
m Deutschen Bundestag über die Gründung der Islam-
onferenz debattiert haben –: Wir werden uns nicht auf
ie Repräsentanten der Verbände beschränken. Wir gren-
en sie nicht aus, aber wir geben ihnen kein Monopol,
eil sie nicht flächendeckend vertreten sind. Wir wollen
ngesichts der Vielfalt im Islam, die sich durch die Her-
unft der Menschen aus unterschiedlich islamisch ge-
rägten Ländern mit ihren verschiedenen Strukturen und
ewohnheiten ergeben hat, nicht einen deutschen Islam
ntwickeln – das habe ich bereits vorher gesagt –; viel-
ehr müssen wir die Muslime selbst dazu bringen, mit
ieser Vielfalt umzugehen. Denn die sind es, die das tun
üssen; das kann nicht der Staat, die Regierung, der
und, die Länder, die Kommunen. Unsere Gesellschaft
st darauf angewiesen, und sie wird dadurch stärker, dass
ieser Prozess stattfindet. Den haben wir gefördert, und
ch hoffe, dass er weitergeht.
Herr Kollege Wolff, bitte.Hartfrid Wolff (FDP):Herr Minister, mich interessieren die Vertiefung, Ver-reiterung und auch die Akzeptanz des Dialogs und vorllem die Einbeziehung von Praktikern vor Ort, insbe-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25563
)
)
Hartfrid Wolff
sondere der Imame und Hodschas aus den jeweiligenMoscheevereinen. Wie kann aus Ihrer Sicht am besteneine Verbreiterung des Dialogs auch in die einzelnenMoscheevereine organisiert werden bzw. stattfinden?Vielfach ist da ja auch der außenpolitische Bereich be-rührt, da zum Beispiel die Ausbildung vieler Imame imAusland stattfindet, die Curricula im Ausland aufgestelltwerden. Hier stellt sich natürlich die Frage der Akzep-tanz – ich sagte es bereits am Anfang der Frage – derImam-Ausbildung. Von daher ist aus meiner Sicht dieVerbreiterung des Dialogs sehr entscheidend. In dieseRichtung sollte weitergedacht werden. Wie stellen Siesich das vor?Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des In-nern:Was die Imam-Ausbildung anbetrifft, ist es nicht an-gezeigt, dass eine Regierung Empfehlungen abgibt,schon gar nicht die Bundesregierung. Dieser Bereich istja Ländersache. Wir vertrauen darauf, dass man in dieserFrage die Community der internationalen Wissenschaft-ler nutzen wird. Diejenigen, die islamische Theologie anHochschulen unterrichten, werden sich sicherlich mitHochschulen in islamisch geprägten Ländern rückkop-peln. Es gibt eine Vielzahl von Austauschmöglichkeiten,Begegnungen und Diskussionen. Das ist ein wichtigerProzess. Je fundierter die islamische Theologie inDeutschland wird, desto stärker wird auch der Beitragsein, den wir in den islamischen Teil der Welt ausstrah-len können. Das kann man nicht verordnen, aber mankann darauf vertrauen.Im Übrigen wird das, was wir mit der Islam-Konfe-renz in den letzten drei Jahren auf Bundesebene begon-nen haben, vermutlich auch auf regionaler und kommu-naler Ebene vielfältige Nachfolgeaktivitäten auslösen.Das ist auch beabsichtigt. In vielen Gemeinden gibt esdas schon. Das haben wir mit der Islam-Konferenz nichterfunden; ich will überhaupt nicht den Eindruck erwek-ken, als wollte ich das behaupten.
Es gibt unendlich viele Bemühungen in den allermeistenStädten und Kommunen. Aber wir haben das Thema einStück weit mit befördert und ihm, auch was den Islamselbst anbetrifft, eine stärkere Dimension gegeben, undwir haben in Kontakt mit Regierungen islamisch gepräg-ter Länder – insbesondere mit der Türkei – eine Mengevorangebracht. Ich habe eine Diskussion mit der türki-schen Regierung bzw. mit dem Präsidenten der türki-schen Religionsbehörde, Herrn Bardakoglu, geführt. DieEntwicklung stimmt mich sehr zuversichtlich, dass wirauf diesem Weg weiter vorankommen werden. Das mussim Übrigen auf Bundesebene geleistet werden.Solange es an den deutschen Hochschulen keine isla-mische Theologie gibt, können wir hier schwerlichImame ausbilden. Deshalb müssen wir erst Ausbildungs-kapazitäten schaffen.ikthwDwIDuMgelnvzbszeeuwErddlmwiwcrmzzsTtddGztn
Danke schön, Frau Präsidentin. – Ich weiß nicht, obs so persönlich wird, wie Sie es wünschen, Herr Kol-ege Grindel.Herr Innenminister, ich habe zwei Fragen, und zwarach der Zusammensetzung und der Zielsetzung. Icherhehle nicht, dass ich eine etwas liberalere Positionur Zusammensetzung habe als mein Kollege Winkler,esonders was zum Beispiel Frau Kelek anbelangt. Abertellen Sie sich einmal vor, Herr Minister – nur als kur-es Gedankenspiel –, dass wir eine solche Debatte überin vielfältiges Christentum zu führen hätten und Sie zuiner solchen Konferenz Opus Dei, die Piusbruderschaftnd den Bund der Antichristen einladen würden. Dannürde sich auch die Frage stellen, die ich jetzt in allemrnst vorbringe: Gab es für Sie nachvollziehbare Krite-ien, wie weit Sie sozusagen die konstruktive Vielfalt beier Zusammensetzung berücksichtigen wollten? Dassie vier oder fünf Verbände nicht ausreichen, ist sicher-ich jedem klar – mir jedenfalls ist es klar –, aber wennan Einzelpersönlichkeiten einbezieht, braucht man,eil man ja nicht 4 Millionen Menschen einladen kann,rgendwie geartete Kriterien. Mich interessiert auch,elche Kriterien Sie für die Zukunft vorschlagen.Meine zweite Frage betrifft die Zielsetzung. Wir brau-hen zweifelsohne für die Zukunft auch einen oder meh-ere organisatorische Zusammenschlüsse auf der musli-ischen bzw. islamischen Seite, wenn wir das Verhältniswischen Staat und islamischer Religion in etwa parallelu dem des Judentums oder der christlichen Kirchen in-tallieren wollen. Glauben Sie, dass mit der bisherigenätigkeit der Islam-Konferenz bereits Kriterien erarbei-et wurden, oder gibt es eine Zeitschiene, wann und wieiese Kriterien erarbeitet werden sollen? Sollen wirann, wenn die Kriterien feststehen, die muslimischeesellschaft in Deutschland bei dem Organisationspro-ess alleine lassen, oder soll der Staat diesen Organisa-ionsprozess helfend begleiten? Wie sollte das Ihrer Mei-ung nach konkret aussehen?
Metadaten/Kopzeile:
25564 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des In-nern:Herr Kollege Montag, wenn ich mit der Beantwor-tung Ihrer zweiten Frage beginnen darf. Ich möchte nichtentscheiden – wir können es auch gar nicht –, ob es eineislamische Religionsgemeinschaft oder mehrere islami-sche Religionsgemeinschaften gibt. Es gibt übrigensauch mehrere christliche Kirchen. Wenn Sie sich an-schauen, wie viele Kirchen und Freikirchen in den ein-zelnen Bundesländern – diese sind dafür zuständig – alsReligionsgemeinschaften anerkannt sind, dann sehen Sieeine große Vielfalt. Das mag auch im Islam so sein oderanders sein. Aber das entscheiden die Muslime, niemandsonst.Damit die Muslime Partner im Sinne unseres Reli-gionsverfassungsrechts, das wir aus der Weimarer Ver-fassung in das Grundgesetz übernommen haben, seinkönnen, müssen sie als Religionsgemeinschaft anerkanntsein. Das war eine der schwierigen Fragen am Anfang.Die Verbände haben gesagt: Wir machen eine einheitli-che Vertretung; dann ist es das. – Wir wollten nicht be-lehrend wirken. Man wird aber so wahrgenommen,wenn man sagt: Nein, eine weltliche Organisation istnoch keine Religionsgemeinschaft im Sinne des Grund-gesetzes. – Das muss also eher von den Moscheeverei-nen her aufbauen. Zudem bedarf eine Anerkennung ei-ner gewissen Kontinuität. Dafür braucht man einbisschen Zeit; das geht nicht innerhalb von sechs Mona-ten. Das ist in der Geschichte der Religionen über Jahr-hunderte immer so gewesen. Mir haben übrigens vieleGesprächspartner in islamischen Ländern gesagt: DreiJahre sind überhaupt keine Zeit, wenn es um das Verhält-nis des Staates zur Religion geht; das ist eine sehr kurzeZeitspanne. – Wir sollten nicht zu ungeduldig sein.Wenn man islamischen Religionsunterricht an staatli-chen Schulen durchführen will, braucht man eine ge-wisse Relevanz. Auch das ist Voraussetzung für einePartnerschaft. Darüber, wie die Muslime das machen,können wir beraten, indem wir als Staat – Bund, Länderund Kommunen, wer auch immer – für einen Dialog zurVerfügung stehen. Helfen wir mit, ohne zu bevormun-den! Das ist, glaube ich, die richtige Gratwanderung.Diesen Weg müssen wir weitergehen. Ich bin zuversicht-lich. Wir haben trotz aller Unterschiede gemeinsam mitallen Verbänden und allen Einzelpersönlichkeiten aufder dritten Plenarkonferenz im vergangenen Jahr völligeinvernehmlich verabredete Empfehlungen über die Vo-raussetzungen für Religionsunterricht an staatlichenSchulen und theologische Fakultäten formuliert.
Das ist über die Kultusministerkonferenz in alle Län-der kommuniziert worden. Die Länder setzen das – vor-läufig mit unterschiedlichen Konzepten – sehr kreativum. Ich bin für diesen Beitrag der Länder wirklich dank-bar.Nun möchte ich Ihre erste Frage beantworten. Sie istsicherlich bedenkenswert. Man muss aber vielleicht hin-zufügen: Wir leben in einem Teil der Welt, der über Jahr-hunderte durch die christliche Religion bzw. das christ-lRbblusudwRzmdmdfrncmeiAwnuGsrGWtsdhKlVgwddzfhKamsh–ta
Ich finde, Frau Kelek hat wirklich anspruchsvolle Bei-räge zu der Debatte geleistet, aber Sie vertritt nicht inllen Punkten eine Position, die Ihrer Meinung ent-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25565
)
)
Bundesminister Dr. Wolfgang Schäublespricht. Aber das Recht von Frau Kelek, diese Meinungzu vertreten, verteidige ich.
Auch ihre wissenschaftliche Qualifikation sollten wirnicht infrage stellen.So haben wir versucht, die Kriterien festzulegen. Werin der Literatur, der Publizistik oder auch im Bildungs-system – wir haben einen Vertreter aus Berlin, der in ei-ner Bildungsakademie sehr engagiert ist – hervortritt,der wurde eingeladen. So haben wir eine zugegebener-maßen nicht hundertprozentig repräsentative, aber dochPluralismus ermöglichende und daher hinreichend legi-time Vertretung gefunden. Die Ergebnisse waren besser,als die allermeisten am Anfang zu hoffen gewagt hätten.
Vielen Dank, Herr Innenminister, für die Beantwor-
tung der Fragen.
Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Ka-
binettssitzung? – Das ist nicht der Fall. Ich beende des-
halb die Befragung zum Themenbereich der heutigen
Kabinettssitzung. Gibt es darüber hinaus sonstige Fragen
an die Bundesregierung? – Das ist nicht der Fall.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksachen 16/13569, 16/13594 –
Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10
Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringliche
Frage auf Drucksache 16/13594 der Abgeordneten
Heike Hänsel auf:
In welcher Weise engagiert sich die Bundesregierung da-
für, dass in Honduras der rechtmäßige Präsident Manuel
Zelaya wieder in sein Amt eingesetzt wird?
Die dringliche Frage beantwortet Herr Staatsminister
Dr. Gernot Erler. Bitte schön, Herr Staatsminister.
D
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin
Hänsel, meine Antwort lautet wie folgt: Die Bundesre-
gierung hat sowohl bilateral als auch im Rahmen der Eu-
ropäischen Union und der Vereinten Nationen die Ver-
haftung und Exilierung des demokratisch gewählten
Präsidenten von Honduras, Manuel Zelaya Rosales, als
inakzeptable Verletzung der verfassungsmäßigen Ord-
nung in Honduras verurteilt. Sie fordert alle Beteiligten
dazu auf, auf friedlichem Wege den Dialog zu suchen
und eine Lösung zu finden, die der Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit gerecht wird. Die Bundesregierung
begrüßt die Vermittlungsbemühungen aus der Region,
insbesondere die der Organisation Amerikanischer Staa-
ten, über die Rückkehr des Staatspräsidenten Manuel
Zelaya nach Honduras und seine Wiedereinsetzung zu
verhandeln.
T
k
k
g
z
g
h
R
s
e
te
u
g
s
d
d
c
e
d
u
a
m
B
s
z
ü
a
V
e
d
w
w
d
s
a
r
j
n
a
s
f
Z
a
u
Metadaten/Kopzeile:
25566 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Kann die Bundesregierung hinnehmen, dass ein demo-
kratisch legitimierter Präsident gestürzt wird? Inwieweit
gedenkt die Bundesregierung Konsequenzen zu ziehen,
wenn sich eine politische Stiftung, die letztendlich auch
mit Steuergeldern finanziert wird, so äußert?
D
Frau Kollegin, ich unterstreiche noch einmal die von
mir hier dargelegte Position der Bundesregierung zu die-
sen unrechtmäßigen Vorgängen in Honduras, die auch in
einer Erklärung des deutschen Außenministers Frank-
Walter Steinmeier am 29. Juni zum Ausdruck gekom-
men ist. Mir sind die Äußerungen, die Sie zitiert haben,
nicht bekannt.
In Deutschland herrscht bezüglich der Bewertung von
aktuellen Vorgängen eine sehr ausgedehnte Meinungs-
freiheit, worüber ich wirklich froh bin. Insofern ist es
nicht meine Angelegenheit als Vertreter der Bundesre-
g
a
i
ü
n
c
T
n
D
t
n
D
e
A
w
D
a
g
F
b
d
m
d
h
n
s
d
z
m
G
n
Nachdem die dringliche Frage beantwortet worden
st, rufe ich die Fragen auf Drucksache 16/13569 in der
blichen Reihenfolge auf.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
isteriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
herschutz. Die Fragen 1 und 2 der Kollegin Dr. Kirsten
ackmann werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
isteriums der Verteidigung. Die Frage 3 der Kollegin
r. Martina Bunge wird ebenfalls schriftlich beantwor-
et.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
isteriums für Gesundheit. Die Fragen des Kollegen
r. Ilja Seifert – das sind die Fragen 4 und 5 – werden
benfalls schriftlich beantwortet.
Deshalb kommen wir nun zum Geschäftsbereich des
uswärtigen Amtes. Zur Beantwortung der Frage steht,
ie schon bei der dringlichen Frage, der Staatsminister
r. Gernot Erler zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 der Kollegin Veronika Bellmann
uf:
Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Sach-
verhalt, dass der namibische Altpräsident Dr. Sam Nujoma
mit neuerlichen, gleichermaßen streitbaren wie abstoßenden
Aussagen gegen Deutsche – so hat Dr. Sam Nujoma bei einer
Rede in einem Dorf nahe Ongwediva am Sonntag, dem
14. Juni 2009, die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche,
DELK, angegriffen und ihr unterstellt, „vor der Unabhängig-
keit mit dem Feind kollaboriert zu haben und möglicherweise
noch immer ein Feind zu sein“, und hinzugefügt: „Wir tolerie-
ren sie. Aber wenn sie sich nicht benehmen, werden wir sie
angreifen. Und wenn sie dann ihre weißen Freunde aus
Deutschland rufen, dann schießen wir ihnen in die Köpfe.“ –
negativ aufgefallen ist und sich die regierende SWAPO
– South West Africa People’s Organization – bisher nicht ein-
deutig von diesen Äußerungen distanziert hat?
D
Frau Kollegin Bellmann, meine Antwort auf Ihrerage lautet so:Die Bundesregierung hat die in verschiedenen Presse-erichten wiedergegebenen angeblichen Äußerungenes ehemaligen Staatspräsidenten Dr. h. c. Sam Nujomait Besorgnis zur Kenntnis genommen. Deshalb hat dereutsche Botschafter in Windhuk am 23. Juni 2009ochrangig Kontakt zur namibischen Regierung aufge-ommen und um Aufklärung gebeten. Bei diesem Ge-präch hat die namibische Regierung mit Erleichterungie besonnene Reaktion des namibischen Kirchenrates,u dem auch die Evangelisch-Lutherische Kirche in Na-ibia gehört, und die Tatsache, dass der Kirchenrat dasespräch mit Dr. Sam Nujoma sucht, zur Kenntnis ge-ommen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25567
)
)
Staatsminister Dr. h. c. Gernot ErlerAuch der namibische Botschafter in Berlin wurde ge-beten, seine Regierung von der Besorgnis der Bundesre-gierung in Kenntnis zu setzen. Die namibische Regie-rung sagte zu, den Wahrheitsgehalt der Presseberichte zuprüfen. Diese Prüfung ist bisher nicht abgeschlossen.Daher hat die namibische Regierung die Äußerung desfrüheren Präsidenten Dr. Sam Nujoma weder bestätigtnoch dementiert.Aus Sicht der Bundesregierung entsprächen die be-richteten Äußerungen nicht dem tatsächlichen gutenStand der bilateralen Beziehungen zwischen Deutsch-land und Namibia.
Ihre Zusatzfragen.
Herr Staatsminister, es ist der Regierung unbenom-
men, diese Äußerung noch einmal zu prüfen. Aus meiner
Sicht ist es keine Äußerung, die nur angeblich gemacht
worden ist. Sie ist von einem Angehörigen der namibi-
schen Menschenrechtsorganisation, der bei der Veran-
staltung anwesend war, auf der Sam Nujoma dies geäu-
ßert hat, direkt aufgenommen worden.
Wenn man hört, dass man Vertreter der Deutschen
Evangelisch-Lutherischen Kirche dort bei Nichtbeneh-
men angreifen werde und Deutschen, die ihnen zu Hilfe
kämen, in die Köpfe schießen werde, ist man schon er-
schüttert. Wir haben eine umfangreiche Partnerschaft
zwischen der Universität in Freiberg und der Universität
in Windhuk, die sich, wie ich aus meinem Wahlkreis
weiß, möglicherweise auch noch auf Kirchengemeinden
Sportverbände und dergleichen erstrecken könnte. Den
Menschen, die das wollen, aber das jetzt hören, macht
das schon Angst.
Hinzu kommt, dass diese Äußerung von Altpräsident
Sam Nujoma, die sich gegen Deutsche gerichtet hat,
nicht die einzige dieser Art ist. Er hat in der Vergangen-
heit auch gegen Ausländer, gegen Juden, selbst gegen
die Opposition menschenverachtende Äußerungen ge-
macht, die durchaus unter Menschenrechtsaspekten zu
bewerten wären.
Nun haben Sie gesagt, dass die deutsche Botschaft
eine Art Protestnote abgegeben hat und dass auch das
Auswärtige Amt seine Besorgnis zum Ausdruck ge-
bracht hat. Nun frage ich Sie: Ist das an dieser Stelle tat-
sächlich genug?
Hier schließt sich – ähnlich wie bei dem Thema Hon-
duras – noch eine Frage an. Wir geben einen nicht uner-
heblichen Teil unserer Entwicklungshilfegelder nach
Namibia – Entwicklungshilfegelder sind auch Steuergel-
der von Deutschen –, nicht nur für Deutsche, sondern für
das namibische Volk. Kann man es im Hinblick darauf
hinnehmen oder auch nur akzeptieren, dass man es bei
der Protestnote belässt?
Dazu noch die Frage: Wie gehen Sie nach Prüfung
dieser Äußerung damit um, auch im Hinblick auf die
Praxis bei der Entwicklungshilfe?
g
h
c
W
s
d
b
d
U
d
n
D
w
s
e
w
S
w
S
k
v
T
d
w
d
S
g
I
l
S
m
a
n
r
d
w
n
b
d
a
d
s
d
a
p
H
Metadaten/Kopzeile:
25568 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25569
)
)
Man hat mir aufgeschrieben – –
In Frage 18 heißt es:
… und sieht die Bundesregierung hier keine Ge-
fahr, dass die Eigenständigkeit der VNG Leipzig
beeinträchtigt wird?
P
Das war der zweite Teil der Frage. Im ersten Teil der
rage ging es darum, wie wir den Verkauf rechtfertigen.
arauf habe ich unter anderem geantwortet, dass die
rüfung durch das Bundeskartellamt und die Entschei-
ung der Hauptversammlung, ob der Verkauf überhaupt
enehmigt wird, ausstehen. Jetzt fragen Sie mich eher
ach einer politischen Bewertung. Darauf will ich wie
olgt positiv antworten: Die Bundesregierung hat ein
roßes Interesse an einer starken, in Sachsen verwurzel-
en, eigenständigen VNG AG. Im Rahmen unserer Mög-
ichkeiten begleiten wir den Prozess in diesem Sinne.
echtliche Einwirkungsmöglichkeiten haben wir nicht.
Sie haben keine weiteren Fragen.
Die Frage 20 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch wird
chriftlich beantwortet.
Jetzt rufe ich die Frage 21 des Kollegen Hans-
hristian Ströbele auf:
Für welche Empfängerstaaten wie etwa Iran oder China
haben die Nokia Siemens Networks oder verbundene Unter-
nehmen wie die Münchener „Perusa Partners Fund 1 LP“
Ausfuhrgenehmigungen gemäß dem Außenwirtschaftsgesetz
beim Bundesausfuhramt beantragt bzw. beantragen müssen
und erhalten für Technik zur Überwachung von Stimm- und
Datenkommunikation in jeglichen Netzwerken wie die 2008
an den staatlichen iranischen Provider TCI gelieferten soge-
nannten Monitoring-Center zum millisekundenschnellen Scan-
setzt wird, und welche Schritte wird die Bundesregierung un-
ternehmen, um künftig sicherzustellen, dass solche Überwa-
chungstechnik zumal einst deutscher Unternehmen nicht in
den Zugriff repressiver Regime gelangt?
P
Frau Präsidentin! Herr Kollege Ströbele, die Antwortautet: Genehmigungen für die Ausfuhr derartiger Ab-örtechnik, das heißt für sogenannte Lawful-Inter-eption-Management-Systeme, in den Iran bzw. nach
Metadaten/Kopzeile:
25570 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Parl. Staatssekretär Peter HintzeChina wurden nicht beantragt und nicht erteilt. Ein vonNokia Siemens Networks gestellter Antrag zur Ausfuhrvon Betriebs- und Verschlüsselungssoftware zum Be-trieb solcher Monitoring-Center in den Iran wurde abge-lehnt.
Ihre Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, wann das ge-
wesen ist und welche Art Kontrollanlagen das betraf?
Sie müssen nicht die Firma nennen.
P
Das war im November 2008. Die Firma habe ich ge-
rade genannt. Sie hatten ja nur nach einer Technik ge-
fragt; dazu hat es keinen Antrag gegeben und insofern
auch keine Anerkennung oder Ablehnung.
Dann habe ich, obwohl Sie nicht danach gefragt ha-
ben, versucht, dem Sinn Ihrer Frage noch tiefer auf den
Grund zu gehen, wie es meinem parlamentarischen Ver-
ständnis entspricht, und etwas zur Betriebs- und Ver-
schlüsselungssoftware ausgeführt. Dazu hat es im No-
vember 2008 einen Antrag gegeben. Diesen hat das
BAFA abgelehnt. Die Ausfuhrgenehmigung für diese
Software ist also nicht erteilt worden.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann es sein, dass Lieferungen
für Teile von Anlagen erfolgten, sogenannte auch in die-
sem Bereich existierende Dual-Use-Gegenstände, die
dann für solche Kontrolltechniken Verwendung finden
können?
P
Es können sogar ganze Anlagen geliefert worden
sein. Die Frage ist, ob ausfuhrrechtlich genehmigungs-
pflichtige Anlagen geliefert wurden. Diese Frage habe
ich mit Nein beantwortet. Dazu hat es auch keinen An-
trag gegeben. Den Medien haben wir entnommen, dass
nicht genehmigungspflichtige Anlagen geliefert wurden.
Ich nehme an, dass das zutrifft. Auch danach hatten Sie
zwar nicht gefragt; aber ich sage Ihnen dennoch, wie un-
ser Erkenntnisstand dazu ist. Nach unserem Erkenntnis-
stand sind das nicht genehmigungspflichtige Anlagen,
die mit dem Thema Telefonie zusammenhängen. Sie hat-
ten in Ihrer Frage auch noch das Thema Internet ange-
sprochen. Hierzu sagt das Unternehmen – weil ein ent-
sprechender Vorwurf in der Presse erhoben wurde –,
Anlagen, die sich auf Kontrollüberwachungsmöglichkei-
ten im Zusammenhang mit dem Internet beziehen, seien
nicht geliefert worden. Anträge dazu haben uns nicht
v
o
t
r
l
w
D
u
F
d
d
d
s
s
K
t
a
n
K
f
M
d
S
i
r
S
s
M
b
w
d
D
g
D
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25571
)
)
so lange gefährdet ist, wie die sieben ältesten Atomkraftwerke
in Betrieb sind, und auf welcher Grundlage basiert die Ein-
schätzung der Bundesministerin der Justiz?
A
Das ist eine Frage zum gleichen Themenkomplex, die
ch wie folgt beantworte: Mit dem Atomausstiegsgesetz
om 22. April 2002 hat der Gesetzgeber entschieden, die
utzung der Kernenergie zur gewerblichen Elektrizitäts-
rzeugung aufgrund der mit ihr verbundenen Risiken nur
och für einen begrenzten Zeitraum hinzunehmen. Der
eutsche Bundestag hat in seiner Entschließung dazu
ervorgehoben, dass die Ausstiegsnovelle geeignet ist,
uch auf allgemeine Risiken wie terroristische Bedro-
ungen sicherheitsgerichtet zu reagieren, indem insbe-
ondere ältere Anlagen noch vor Ablauf ihrer Restlauf-
eit vom Netz genommen und ihre Restlaufzeiten auf
ndere Anlagen übertragen werden.
Berücksichtigt man, dass gerade die alten Anlagen
en geringsten Schutz gegen Flugzeugabstürze oder ter-
oristische Angriffe aus der Luft bieten und weniger Si-
herheitsreserven als neuere Atomkraftwerke haben, ist
s aus Gründen der inneren Sicherheit und zum Schutz
er Bürgerinnen und Bürger geboten, dass die Betreiber
ie Möglichkeit des Atomgesetzes nutzen, die Restlauf-
eiten auf neuere, sicherere Reaktoren zu übertragen.
Ihre Zusatzfragen.
Metadaten/Kopzeile:
25572 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Frau Staatssekretärin, Sie wissen, dass sich meine
Frage auf die Aussage der Justizministerin Brigitte
Zypries bezieht. In einer dpa-Meldung wurde sie dahin
gehend zitiert, dass alte Reaktoren abzuschalten seien,
weil die nationale Sicherheit gefährdet sei, solange sie
noch in Betrieb seien. Ist die Bundesregierung gemein-
sam der Auffassung, dass es unverantwortlich ist, die äl-
teren Reaktoren mit einer Laufzeitverlängerung zu bele-
gen, was die Reaktorbetreiber vorhaben?
A
Diese Frage hat der Gesetzgeber mit dem Atomaus-
stiegsgesetz beantwortet, mit dem bewusst entschieden
wurde, dass Restlaufzeiten für Atomkraftwerke zur Ver-
fügung stehen und Atomkraftwerke noch eine gewisse
Zeit in Deutschland am Netz bleiben, Atomkraftwerke
aber gerade unter Sicherheitsgesichtspunkten abgeschal-
tet werden sollen, und zwar ältere Atomkraftwerke
schneller als jüngere. Das spiegelt sich in dem Atomaus-
stiegsgesetz wider.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es
besser wäre, die sieben älteren Atomkraftwerke frühzei-
tiger vom Netz zu nehmen und die entsprechenden Rest-
strommengen auf jüngere Atomreaktoren zu übertragen?
A
Das Bundesumweltministerium hat dies immer aus-
drücklich bejaht und die Betreiber dazu aufgefordert, ge-
nau so zu reagieren und die Möglichkeit zu nutzen, die
ihnen das Atomausstiegsgesetz bietet.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwor-
tung der Fragen.
Ich schließe diesen Geschäftsbereich und rufe den
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung
und Forschung auf. Die Fragen 32 und 33 des Kollegen
Kai Gehring werden ebenso wie die Fragen 34 und 35
der Kollegin Cornelia Hirsch schriftlich beantwortet.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich unter-
breche die Sitzung bis zum Beginn der vereinbarten De-
batte zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
zum Vertrag von Lissabon um 15.05 Uhr.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
d
h
A
D
K
D
w
d
g
M
g
d
f
r
u
U
g
A
w
h
h
a
B
p
g
d
k
v
P
t
j
i
Zweitens. Das Zustimmungsgesetz mit den Änderun-en des Grundgesetzes zum Lissabon-Vertrag ist mitem Grundgesetz vereinbar. Auch das ist ein großer Er-olg für die große Mehrheit dieses Hauses.
Drittens. Im Begleitgesetz haben wir als Parlamenta-ierinnen und Parlamentarier unsere Beteiligung undnsere Möglichkeiten zur Mitwirkung nicht in vollemmfange genutzt. Deshalb hat das Bundesverfassungs-ericht an dieser Stelle Nein gesagt und uns bestimmteufgaben auferlegt, die wir erfüllen wollen und die wir,ie ich glaube, auch erfüllen können und werden. Des-alb diskutieren wir heute.
Lassen Sie uns hier die Maßstäbe zurechtrücken. Wereute Zeitung liest, hat manchmal den Eindruck, es gehellein um die Beteiligungsrechte von Bundestag undundesrat und weniger um den großen Erfolg der euro-äischen Integrationsgeschichte. Dieser Erfolg aber istleichzeitig ein Signal des Deutschen Bundestages undes Bundesrates zum Beispiel Richtung Irland, wo dasünftige Referendum, also die zweite Runde, erfolgreicherlaufen soll. Gleichzeitig ist es auch ein Signal an dieräsidenten Kaczynski und Klaus – auch nachdem dasschechische Verfassungsgericht so votiert hat –: Es gibtetzt keine rechtlichen Hindernisse mehr, die Verfassungn Form des Reformvertrages von Lissabon zu unter-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25573
)
)
Axel Schäfer
zeichnen. Auch das sollten wir heute an dieser Stelleganz deutlich machen.
Es kommt jetzt sowohl darauf an, was wir diskutie-ren, als auch darauf, wie wir es diskutieren. Zum Thema,wie wir es diskutieren, ist es aus meiner Sicht besonderswichtig, zu sagen: Nein, die Regierungsfraktionen habennicht immer nur recht.
Nein, die Oppositionsfraktionen haben nicht immer nurunrecht. Nein, das Bundesverfassungsgericht weiß nichtimmer alles besser. Auch diese drei Dinge sollten wir indie Diskussion mitnehmen.Wir wollen jetzt – das ist unser Anspruch, den ichgerne für die SPD-Fraktion zum Ausdruck bringenmöchte – zügig, aber solide und gründlich mit allenFraktionen dieses Hauses zu einer fairen Regelung kom-men, die ermöglicht, dass erstens der Deutsche Bundes-tag das Begleitgesetz noch in dieser Legislaturperiodeändert, dass sich zweitens auch der Bundesrat noch indieser Legislaturperiode damit befasst und dass drittensdie Ratifikationsurkunde bis Anfang Oktober dieses Jah-res in Rom hinterlegt wird; das wäre auch mit Blick aufdie dann in Irland stattfindende Volksabstimmung einwichtiges Signal. Ich glaube, darauf sollten wir alle unshier und heute verständigen.
Das deutsche Parlament hat eine außergewöhnlicheStärkung seiner Rechte erfahren, nicht nur insofern, alsdeutlich gemacht wurde, welche Rechte ein Parlamenthat, sondern auch, weil deutlich gemacht wurde, welcheRechte sich ein Parlament nehmen – manchmal könnteman auch sagen: was es sich herausnehmen – kann.Hier zeigt sich ein grundlegendes Problem jeder par-lamentarischen Regierungsform – auch der Regierungs-form, die wir haben und die wir wollen –: Ein Parlamentsteht, unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen, einStück weit im Konflikt mit jedweder Regierung. EinParlament hat nämlich immer ein Interesse daran, mehrgestalterische Möglichkeiten zu bekommen – das giltinsbesondere für die europäische Ebene –, während eineRegierung immer darauf bedacht ist, ihre Handlungs-möglichkeiten zu behalten, sodass sie genügend Ver-handlungsmöglichkeiten hat. Aus unserer Sicht darfnicht der Eindruck entstehen, dass das Parlament störendist. Vielmehr ist das Parlament ein wichtiger Faktor derGestaltung und der Kontrolle der Regierung. Auch dassollten wir heute betonen.
Wenn wir diese Aussage selbstkritisch hinterfragen– es ist wichtig, selbstkritisch zu sein; denn man kannnur selbstbewusst sein, wenn man auch selbstkritischist –, stellen wir fest, dass wir die Arbeitsweise unseresParlaments in Zukunft ein Stück weit werden ändernmüssen. Außerdem muss sich – das Haus ist nicht geradeübäEuDgdasltBBgdsDddk–„n1vsgaiglnErnMsdrdfmvude
ie Aussage – so steht es in einem Satz der Begründunges Urteils –, dass der Lissabon-Vertrag im Hinblick aufas Europäische Parlament keinen Zugewinn an Demo-ratie zur Folge hat
„keinen“ steht da, nicht „nicht genügend“, sondernkeinen“ –, ist falsch. Das sollten wir deutlich sagen.
Wenn man das Maastricht-Urteil zur Grundlageimmt, darf nicht so getan werden, als hätte sich von992 bis 2009 nichts geändert. 1992 gab es keine Formon gleichberechtigter Mitentscheidung des Europäi-chen Parlaments. Durch Lissabon haben wir das in un-efähr 90 Prozent der Fälle. So wie der Lissabon-Vertragngelegt ist, nämlich auf eine repräsentative Demokratie,st das Europäische Parlament ein zentraler Ort. Es istleichberechtigt mit dem Rat.Die Begründung, die von Karlsruhe angeführt wurde,autet: Gesetzgeber ist insbesondere der Rat, die natio-alen Parlamente haben eine wichtige Stellung, und dasuropäische Parlament tritt hinzu oder hat ein Veto-echt. – Von einem Vetorecht des Parlaments ist in kei-em Vertrag die Rede, wohl aber von gleichberechtigteritentscheidung. Dies sollten wir unterstreichen.
Das spielt nicht nur aufgrund der solidarischen Zu-ammenarbeit mit dem EP, sondern auch in Anbetrachter Tradition unseres Hauses eine wichtige Rolle. Es wa-en Generationen von Abgeordneten, von 1952 bis 1976,ie eine Direktwahl des Europäischen Parlaments einge-ordert haben. Die SPD stand hierbei Gott sei Dank im-er mit an der Spitze; aber dieses Anliegen wurde auchon allen anderen – von der FDP, von der CDU/CSUnd später auch von den Grünen – getragen. Auch umiese Frage geht es heute. Es geht heute nicht nur umine Stärkung der Rechte von Bundestag und Bundesrat
Metadaten/Kopzeile:
25574 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Axel Schäfer
in Europafragen, sondern auch um eine Anerkennung,eine Würdigung, eine Stärkung der Rechte des Europäi-schen Parlaments.Vielen Dank.
Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege
Markus Löning.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DieFDP-Fraktion begrüßt das Urteil des Bundesverfas-sungsgerichts in seinen verschiedenen Aspekten. Wir be-grüßen aber zuallererst, dass das Bundesverfassungsge-richt den Vertrag von Lissabon für verfassungskonformerklärt hat. Karlsruhe sendet damit ein ganz wichtigesSignal, auch über Deutschland hinaus.
Wir begrüßen auch, dass alle Verfassungsbeschwer-den und -klagen zurückgewiesen wurden.
Wir halten es für wichtig, dass in der politischen Argu-mentation, die sich gegen den Lissabon-Vertrag an sichgerichtet hat, nun die Maßstäbe des Bundesverfassungs-gerichts angelegt werden. Ich bin sehr gespannt auf diepolitische Debatte, insbesondere von denjenigen, die ge-gen den Vertrag an sich argumentiert haben.
Es wird jetzt darauf ankommen, dass der DeutscheBundestag ein weiteres Signal für die europäische Inte-gration sendet, und zwar in Richtung Irland. Ich denke,es ist richtig, dass wir das Begleitgesetz noch in dieserLegislaturperiode – wir sollten den 4. Oktober, den Tagder Volksabstimmung in Irland, im Auge haben – über-arbeiten, neu schreiben, auf den Stand bringen, den unsdas Bundesverfassungsgericht aufgetragen hat.An Deutschland wird der Vertrag von Lissabon nichtscheitern. Das ist ein wichtiges Signal, das wir nach Ir-land senden, aber auch in die Tschechische Republik undnach Polen; gerade für diese beiden Länder spielt ein an-derer Aspekt eine wichtige Rolle.Das Bundesverfassungsgericht hat uns für die weitereIntegration eine Reihe von Leitplanken gegeben. Der eineoder andere hat in der Debatte gesagt: Was wir da bekom-men haben, ist ein integrationsfeindliches Urteil. – Ichsehe es anders: Es ist im Gegenteil ein integrations-freundliches Urteil. Denn Karlsruhe hat sich in der Be-gründung nicht etwa von Integrationseuphorie, sondernvsDnPddmnKgnUrAgshüdVhBmmwsaPnMoptsingemzRifRds
Ich glaube, dass wir die Auswirkungen des Urteils aufie Verschiebungen zwischen den Verfassungsorganeno kurz nach dem Urteil noch gar nicht richtig über-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25575
)
)
Markus Löningblicken. Es wird zu einer Stärkung gerade derjenigenAbgeordneten führen müssen, die den Koalitionsfraktio-nen angehören. Es wird gerade bei den Kolleginnen undKollegen zu einem stärkeren Selbstbewusstsein gegen-über der eigenen Regierung führen müssen, die in denKoalitionsfraktionen sitzen. Sie müssen hier anders undmit deutlich mehr Selbstbewusstsein auftreten, als das inder Vergangenheit der Fall gewesen ist.
Ich wage die Prognose, dass sich das nicht auf die Europa-politik oder auf das, was auf europäischer Ebene pas-siert, begrenzen lassen wird.Wir brauchen hier – das werden wir auch bekommen –ein anderes Rollenverständnis des Bundestags im Ver-gleich zum Verfassungsorgan Bundesregierung. DiesesRollenverständnis wird sich selbstverständlich auch aufalle anderen Bereiche der Politik ausdehnen – auch aufdas Verhältnis zum Europäischen Parlament –, und eswird sich auch auf unser Verhältnis zu anderen nationa-len Parlamenten ausdehnen müssen.Weit über die Kooperationsmöglichkeiten hinaus, diewir jetzt über die COSAC haben, in der die Europaaus-schüsse miteinander kooperieren, brauchen wir ein Netz-werk der Kooperation zwischen den nationalen Parla-menten. Wir müssen bei jeder einzelnen Sachfrage in derLage sein – bei der Kontrolle der Subsidiarität, aber auchbei anderen Sachfragen –, sehr viel schneller zu politi-schen Vereinbarungen und politischen Abstimmungenmit anderen nationalen Parlamenten zu kommen. Ausmeiner Sicht ist die Stärkung des Bundestages und deranderen nationalen Parlamente die eigentliche Stärkungder Demokratie in Europa, die mit diesem Urteil verbun-den ist.Lassen Sie mich zu guter Letzt eines noch anfügen:Die FDP-Fraktion wird sich an der Ausarbeitung einesneuen Begleitgesetzes beteiligen, wie das von den Koali-tionsfraktionen angeboten worden ist. Wir werden da-rauf dringen, dass die BBV in Gesetzesform gegossenwird. Wir sollten hier keinerlei Risiken eingehen, son-dern wir sollten uns sehr klar darüber sein, was wir wol-len. Wir sollten keine komischen Zwitterpositionen ein-nehmen, sondern gesetzlich regeln, was gesetzlich zuregeln ist.
Eines sage ich hier aber auch ganz klar: Für unsereKooperation und unsere Zustimmung am Ende werdenwir strengste Maßstäbe an die Inhalte anlegen. Es darfhier nicht versucht werden, weichzuwaschen. Das, waswir heute in den Medien von Vertretern der Bundesregie-rung teilweise schon vernommen haben, nämlich Versu-che, das Urteil herunterzuinterpretieren, ist nicht akzep-tabel.Es geht hier um die Rechte des Parlamentes und da-rum, dass dieses Begleitgesetz verfassungsfest ist. Dawird es keine Kompromissbereitschaft auf unserer Seitegeben. Wir brauchen ein klares Begleitgesetz, das un-zweideutig verfassungsfest ist.SlnwDHSwUDhuobRwvbGGBzknsdnwdlBnmnBmGln
Zu guter Letzt wiederhole ich das, was ich an diesertelle schon oft gesagt habe: Die beste gesetzliche Rege-ung wird nicht helfen, wenn der politische Wille, sie zuutzen, nicht da ist. Man muss mehr Demokratie auchollen, und man muss mehr Demokratie auch wagen.ie eigentliche Aufgabe und Herausforderung für diesesaus besteht aus meiner Sicht darin, eine Änderung deselbstverständnisses zu finden und mehr Demokratie zuagen, auch was Europa angeht.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Michael Stübgen für die
nionsfraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ie Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ent-ält für die Bundesregierung, den Deutschen Bundestagnd den Bundesrat zwei zentrale Botschaften.Erstens. Das Grundgesetz – das kann man gar nichtft genug wiederholen – sagt Ja zum Vertrag von Lissa-on. Mit dieser sehr klaren Aussage des Vorsitzendenichters des Zweiten Senates, Professor Dr. Voßkuhle,erden die Anträge der Kläger im Organstreitverfahrenerworfen und zurückgewiesen, ebenso die Verfassungs-eschwerden, soweit sie das Ratifikationsgesetz und dierundgesetzänderung betreffen.Der Vertrag von Lissabon verstößt nicht gegen dasrundgesetz; er führt nicht zu einer Entstaatlichung derundesrepublik Deutschland; Art. 20 des Grundgeset-es, in dem die Bundesrepublik Deutschland als demo-ratischer und sozialer Bundesstaat definiert wird, isticht verletzt; auch die Entscheidungshoheit des Deut-chen Bundestages beim Einsatz der Streitkräfte wirdurch die Bestimmungen des Vertrages von Lissabonicht ausgehöhlt – um die wesentlichen Klageinhalte zuiederholen. Das Bundesverfassungsgericht hat damitie Verfassungsbeschwerden der Kläger in ihren zentra-en Punkten als unbegründet zurückgewiesen.
Die zweite zentrale Botschaft lautet: Der Deutscheundestag und der Bundesrat müssen mit den ihnenach dem Grundgesetz zustehenden Ausgestaltungs-öglichkeiten bei der Umsetzung des Vertrages im in-erstaatlichen Recht selbstbewusster umgehen und ihreeteiligungsrechte aktiver und umfassender wahrneh-en. In dem 147 Seiten umfassenden Urteil erläutert dasericht auf den letzten Seiten sehr genau, welche Betei-igungsrechte des Bundestages und des Bundesratesicht in dem erforderlichen Umfang ausgestaltet worden
Metadaten/Kopzeile:
25576 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Michael Stübgensind. Gemeint sind in dem Kontext nicht nur die verein-fachten Verfahren zur Änderung der EU-Verträge, dienach der Auffassung des Verfassungsgerichts ein aktivesHandeln des Deutschen Bundestages erfordern und einerordentlichen Vertragsänderung im Wege eines Ratifika-tionsverfahrens gleichkommen müssen. Gemeint sindauch diejenigen Politikbereiche, die sich in einem dyna-mischen europäischen Prozess weiterentwickeln, ohnedass bereits heute ausreichend erkennbar wäre, in wel-che Richtung der Weg geht. Dies betrifft zum Beispieldie Entwicklungsklauseln im europäischen Strafrecht.Bei der Weiterentwicklung des EU-Primärrechts darfes keine Lücken in der demokratischen Legitimation ge-ben. Dies würde auch dem Prinzip der begrenztenEinzelermächtigung zuwiderlaufen. Der Deutsche Bun-destag muss also das Begleitgesetz zum Vertrag von Lis-sabon ändern, bevor die Ratifikationsurkunde in Romhinterlegt werden kann. Die Koalitionsfraktionen vonCDU/CSU und SPD haben hierfür bereits einen Fahr-plan beschlossen, der sicherstellt, dass die erforderlichenÄnderungen nach der Maßgabe der Entscheidung desVerfassungsgerichts noch vor der Bundestagswahl insGesetz geschrieben werden. Wir drängen in dieser Frageauf Eile, nicht nur deshalb, weil wir davon überzeugtsind, dass der Vertrag von Lissabon für die weitere Ge-staltung der Europäischen Union absolut notwendig ist.Wir drängen auch auf Eile, weil wir eine europäischeMitverantwortung für die rechtzeitige Inkraftsetzung desVertrages von Lissabon in der Europäischen Union tra-gen und vom Verhalten des Deutschen Bundestages unddes Bundesrates eine Signalwirkung für die noch ausste-henden Unterschriften unter das Ratifikationsgesetz inPolen, Tschechien und Irland ausgeht. Wir werden dieseVerantwortung wahrnehmen, ohne dass wir dabei dienotwendige Sorgfalt außer Acht lassen.Wer das Urteil des Bundesverfassungsgerichts imGanzen liest, kommt zu dem Ergebnis, dass der Deut-sche Bundestag als Gesetzgeber gestärkt aus dem Ver-fahren herausgekommen ist, nicht zuletzt deshalb, weildas Bundesverfassungsgericht Nachbesserungen beimBegleitgesetz verlangt hat, mit denen eine aktive Beteili-gung des Bundestages in allen europapolitischen Fragenverlangt wird, besonders aber bei jenen Fragen, bei de-nen der Integrationsweg nicht hinreichend bestimmt ist.Es reicht nicht, wenn der Bundestag Vertragsänderungenstillschweigend passieren lässt. Er ist durch das Grund-gesetz zur aktiven Verantwortungswahrnehmung ver-pflichtet.Das Bundesverfassungsgericht stärkt den DeutschenBundestag auch im Verhältnis zur Bundesregierung. Wirhaben uns in den vergangenen Jahren bei der Zusam-menarbeit in EU-Angelegenheiten auf die Zusammenar-beitsvereinbarung zwischen Bundestag und Bundesre-gierung stützen können und erst vor wenigen Wocheneinen Antrag dazu im Deutschen Bundestag verabschie-det, in dem Meinungsverschiedenheiten und Ausle-gungsdefizite ausgeräumt werden sollten. Das Bundes-verfassungsgericht hat gestern klargestellt, dass dieserVertrag mit der Bundesregierung schon wegen seiner un-klaren Rechtsnatur für die Ausgestaltung der Mitwir-kungsrechte nach dem Grundgesetz nicht ausreicht. WirwmsEbvdsfBrdSücfrbszwsmshlUkiUgZaABrdnebwpmfuieeksbg
Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch auch daraufingewiesen, dass ungeachtet der Stärkung der nationa-en Parlamente im Vertrag von Lissabon die Europäischenion zu ihrer Legitimation weiterhin auf die Rück-opplung mit den nationalen Parlamenten angewiesenst. Der supranationale Charakter der Europäischennion hat nach der Auffassung des Bundesverfassungs-erichts keine staatliche Identität. Er wird sie auch inukunft nicht bekommen, es sei denn – das ergibt sichus dem Urteil –, dass unsere Nachfolger im Sinne desrt. 146 des Grundgesetzes einen echten europäischenundesstaat gründen wollen, und zwar mit einem Refe-endum über eine echte europäische Verfassung. Ichenke aber, diese Fragen können wir getrost unserenachfolgenden Generationen überlassen.Die gestrige Entscheidung definiert eine Grenze deruropäischen Integration nach dem jetzigen Staaten-undmodell, die gerade von uns als Bundestag bei dereiteren Übertragung von Hoheitsrechten an die Euro-äische Union beachtet werden muss.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch ein-al darauf hinweisen, dass die CDU/CSU-Bundestags-raktion den Vertrag von Lissabon nachhaltig unterstütztnd alles daransetzen wird, dass er so früh wie möglichn Kraft gesetzt werden kann. Der Vertrag von Lissabonrweitert die Zuständigkeiten der Europäischen Union;r macht die Europäische Union jedoch zugleich demo-ratischer, indem er die Mitentscheidung des Europäi-chen Parlamentes und der nationalen Parlamente ver-essert und diesen zum Beispiel ein Klagerechtegenüber dem Europäischen Gerichtshof gegen Gesetz-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25577
)
)
Michael Stübgengebungsakte einräumt, die nach ihrer Auffassung gegendas Subsidiaritätsprinzip verstoßen.Auch andere institutionelle Neuerungen – zum Bei-spiel die Abschaffung der Rotation bei der EU-Ratsprä-sidentschaft und die Zusammenführung des Amtes desHohen Beauftragten mit dem des EU-Außenkommissars –sind aus unserer Sicht notwendig und stärken die Hand-lungsfähigkeit der Europäischen Union in ihren auswär-tigen Beziehungen. Europa soll künftig seine Interessennoch wirkungsvoller vertreten können. Dass dies not-wendig ist, zeigt sich beispielhaft an den Themen welt-weiter Klimaschutz und Bewältigung der globalen Fi-nanzkrise.Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Ent-scheidung kein Urteil gegen die europäische Integrationgefällt. Ganz im Gegenteil: Es hat auf die Europafreund-lichkeit des Grundgesetzes hingewiesen und die Not-wendigkeit unterstrichen, dass die Legimitation europäi-schen Handelns vor allem von den Nationalstaatenausgehen muss. Sie bleiben die Herren der europäischenVerträge. Die Europäische Union hat eben keine Kompe-tenzkompetenz. Diese darf ihr nach dem Grundgesetzauch nicht übertragen werden. Natürlich ist die Europäi-sche Union eine Rechtsgemeinschaft. Aber sie kann vol-len demokratischen Standards nur zusammen mit demGrundgesetz genügen.Wir haben in den nächsten Wochen eine ganze Mengezu tun. Wir alle wissen, was wir wollen und was möglichist; denn wir alle haben darüber in den letzten Jahren dis-kutiert. Deswegen habe ich die große Hoffnung, dass wires schaffen, mit großer Mehrheit das Begleitgesetz de-mokratischer zu machen – wie es das Bundesverfas-sungsgericht vorgegeben hat – und es noch im Septem-ber abzuschließen. Ich hoffe, dass der Bundesrat – dieZusammenarbeit mit ihm wird von besonderer Bedeu-tung sein – diesen Weg mitgeht und wir noch vor demReferendum in Irland am 4. Oktober unsere Urkunde inRom zur Ratifikation des Lissabon-Vertrages hinterlegenwerden.Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Dr. Gregor Gysi für die
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich glaube, die wenigsten haben über Nacht die147 Seiten des Urteils gelesen. Wer nicht dabei war undnicht zugehört hat und trotzdem so redet, als ob er eswirklich gelesen hätte, sagt deshalb falsche Sätze, zumBeispiel den Satz, es sei wunderbar, dass das Bundesver-fassungsgericht den Vertrag von Lissabon als grundge-setzgemäß angesehen habe. Dazu muss man zwei Dingesagen: Erstens. Noch nie hat das Bundesverfassungsge-re–SgwDdiuBtSw––sskpsSetPKpd–agwGgdvdR
Herr Trittin, warten Sie! Zu Ihnen komme ich noch.ie haben schon während der Verkündung alles besserewusst. Die Richter hatten es noch nicht vorgelesen, daaren Sie schon wieder oberschlau, lieber Herr Trittin.as habe ich mitbekommen.
Zweitens. Entscheidend ist, dass die Richter des Bun-esverfassungsgerichts den Lissabon-Vertrag völlig neunterpretiert haben
nd mit ihrer Interpretation Bundestag, Bundesrat undundesregierung gebunden haben. Dadurch hat der Ver-rag zum Teil einen neuen Inhalt. Lassen Sie mich zweiachen herausgreifen. Zum Beispiel bleibt die Bundes-ehr eine Parlamentsarmee.
Entschuldigung, im Vertrag ist es anders geregelt.
Das kann ich Ihnen sagen: im Urteil des Bundesverfas-ungsgerichts. Aber das haben Sie nicht gelesen. Dortteht, dass man die Bestimmung auch so verstehenönne, dass man das aber für Deutschland anders inter-retiere; das gehe nur, wenn der Bundestag zuvor zuge-timmt habe.
Dort steht ebenfalls, dass man die Bestimmung zurozialstaatlichkeit zwar auch so verstehen könne, dasss aber für die Bundesrepublik Deutschland nur eine In-erpretation gebe; sie müsse in der Zuständigkeit diesesarlaments bleiben. Das alles wollen Sie nicht zurenntnis nehmen. Der Lissabon-Vertrag ist durch Inter-retation des Bundesverfassungsgerichts deutlich verän-ert. Das ist Tatsache.
Das finden Sie wohl amüsant. Aber das ist gar nichtmüsant. Das hat das Bundesverfassungsgericht übri-ens schon oft gemacht, Herr Trittin. Zum Beispielurde die Organklage im Zusammenhang mit demrundlagenvertrag zwischen der BRD und der DDR ab-ewiesen. Aber Bayern hat das als Erfolg gefeiert, weilie Interpretation des Vertrages völlig anders war als zu-or. Auch das haben Sie nicht mitbekommen.
Nun gebe ich Ihnen einen Beweis. Wissen Sie, wieer vorletzte Satz des Urteils lautet? Dort steht: Mitücksicht darauf, dass das Zustimmungsgesetz zum Ver-
Metadaten/Kopzeile:
25578 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Dr. Gregor Gysitrag von Lissabon – Sie sind stolz darauf, dass die Be-schwerde dagegen abgewiesen wurde – nur nach Maß-gabe der Gründe dieser Entscheidung mit demGrundgesetz vereinbar und die Begleitgesetzgebung teil-weise verfassungswidrig ist, wurden Bundestag undBundesregierung verpflichtet, uns ein Drittel der Kostenzu erstatten; das haben Sie völlig übersehen. Ich findedas völlig richtig.
Ein weiterer Hinweis: Das 147 Seiten umfassende Ur-teil ist von grundlegender Bedeutung; denn die Richterdes Bundesverfassungsgerichts haben Stellung zur Euro-päischen Union, zum europäischen Recht, zum Europäi-schen Gerichtshof, zu Bundestag, Bundesrat und Bun-desregierung sowie übrigens auch zu den Kompetenzendes Bundesverfassungsgerichts genommen. Selten ist ineinem Urteil so häufig zu diesen Kompetenzen Stellunggenommen worden wie in diesem. Ich glaube, dass wiralle das Urteil noch sehr gründlich studieren und auswer-ten müssen, weil es von großer Relevanz für unserekünftige Politik ist. Es hat eine Sache festgestellt, die Sieauch nicht gesagt haben, nämlich dass die 27 souveränenStaaten Verträge schließen dürfen, die aber nicht so ver-wirklicht werden dürfen, „dass in den Mitgliedstaatenkein ausreichender Raum“ – alles wörtlich – „zur politi-schen Gestaltung der wirtschaftlichen, kulturellen undsozialen Lebensverhältnisse mehr bleibt“. Das ist einganz wichtiger Grundsatz, der hier aufgestellt wird.Ich komme zu einer weiteren Sache, nämlich dass dasBegleitgesetz für grundgesetzwidrig erklärt worden ist.
Was mich schon erstaunt – auch bei Ihnen, Herr Trittin,bei Ihnen allen –, ist, dass keiner von Ihren Fraktionenauch nur einen selbstkritischen Satz sagt, zum Beispiel:Ja, wir haben etwas Grundgesetzwidriges beschlossen. –
Das hat keiner von Ihnen gesagt. Das ist das Mindeste,was ich hier erwartet hätte.
– Ich wusste, dass Sie sich gleich aufregen, aber wahr istes trotzdem. Das hat nun einmal das Bundesverfassungs-gericht festgestellt. –
Das Nächste ist: Was hat das Bundesverfassungsgerichtentschieden? Es hat erstens Europa in den Bundestag ge-holt. Das ist wichtig. Es stimmt, was gesagt wurde: Wirmüssen über neue Bedingungen nachdenken. Das istwahr. Es wird übrigens auch höchste Zeit, wenn wir dieAkzeptanz der Europäischen Union in der Bevölkerungerhöhen wollen.ZklwsvobrSRnDBdSdbEcsfdGvEazkEzBeSgetkDFd
ie haben keine Rechte des Bundestages und keineechte des Bundesrates im Begleitgesetz festgelegt. Ge-au deshalb ist es für grundgesetzwidrig erklärt worden.as ginge doch auch nicht. Es geht doch nicht, dass sichrüssel überlegt, was hier eine Straftat sein könnte, under Bundestag noch nicht einmal darüber mitentscheidet.ie können doch einmal selbstkritisch sagen, dass Sieie Rechte des Bundestags in dieser Hinsicht verletzt ha-en.
s wird auch keine wichtigen zivil- und familienrechtli-hen Vorschriften aus Brüssel ohne vorhergehende Zu-timmung des Parlaments geben.Nun müssen wir also ein neues Begleitgesetz schaf-en. Wir werden dabei zusammenarbeiten. Ich stimmeem Vertreter der FDP zu: Auch mit uns wird es keinesetz geben, das versucht, die Vorgaben des Bundes-erfassungsgerichts zu umgehen. Aber das ist nicht dasinzige. Das Bundesverfassungsgericht hat noch etwasnderes vorgeschlagen, und ich bitte Sie, das gründlichu lesen. Es gibt Fälle, in denen die Europäische Unionompetenzüberschreitend oder identitätsverletzend wirkt.s wurde vorgeschlagen, über ein neues Verfahren nach-udenken, wie man diesbezüglich eine Feststellung desundesverfassungsgerichts einholen kann. Das verlangtine Änderung des Grundgesetzes. Ich bitte Sie, diesetelle genau zu lesen und uns dann in dem Gremiumleichzeitig beraten zu lassen, ob wir dieses Gesetz nichtinbringen, das Grundgesetz ändern und die Möglichkei-en des Weges zum Bundesverfassungsgericht erweitern.Letztlich kommen Sie um eines nicht herum – Sieönnen hier alle reden, was Sie wollen –:
urch Gauweiler, durch Graf Stauffenberg und durch dieraktion Die Linke sind die Rechte des Bundestages undes Bundesrates gestärkt worden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25579
)
)
Dr. Gregor GysiSie hätten sie geschwächt. Ein Satz von Ihnen hätte fal-len müssen: Danke, Graf Stauffenberg, danke, HerrGauweiler, danke, Fraktion Die Linke. –Danke.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun derKollege Rainder Steenblock das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Gestern war ein wichtiger, ein großer Tag für die Demo-kratie, für die Demokratie in Deutschland und für dieDemokratie in Europa. Dieses Ereignis wird uns – da ha-ben alle recht – noch sehr lange beschäftigen: die Men-schen, die ihre Hoffnungen auf Europa setzen, und uns,die wir das vermitteln müssen und die in den Kontaktmit den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes tretenmüssen, um Europa dichter an die Menschen zu bringen.Lieber Kollege Gysi, die Menschen in diesem Landeärgert immer besonders, dass sich nach Wahlen alle zumSieger erklären, selbst die Verlierer; auch ich finde dasäußerst ärgerlich, selbst wenn es Vertreter meiner Parteimachen. Ich meine, es ist für die politische Kultur aus-gesprochen wichtig, dass diejenigen, die aus einem Ent-scheidungsprozess als Verlierer hervorgegangen sind,ihre Niederlage akzeptieren.
In den letzten Monaten hat mich wirklich begeistert,wie die politische Figur John McCain seine Niederlagegegen Barack Obama akzeptiert hat; wie er darauf rea-giert hat, war für mich vorbildlich. Die Größe von Politi-kern und Parteien zeigt sich nicht beim Feiern von Erfol-gen, sondern insbesondere in der Niederlage. Was Sieallerdings an den Tag legen, das ist bitter.Herr Gysi, Sie haben recht – ich bin an dieser Stellevöllig bei Ihnen –: Dieses Urteil des Bundesverfassungs-gerichts ist für die Demokratie in Deutschland ein großerErfolg. Das, was Sie mit dieser Klage erreichen wollten,ist aber etwas völlig anderes als das, was das Bundesver-fassungsgericht festgestellt hat.
Sie sind jahrelang durch dieses Land gezogen und habenden Vertrag von Lissabon schlechtgeredet.
Das war sozusagen der Kernpunkt Ihrer Klage, also das,worauf Sie hingesteuert haben. Sie sind grandios ge-scheitert!
AzbZdwwVBtdmuKggdsdsKsgegtWtnDWgdUwzgnw–Is
usammen mit dem Kollegen Gauweiler haben Sie unsie Chance gegeben, die Demokratie in Deutschlandeiterzuentwickeln. Das ist gut so, und das unterstützenir. Ihr Tun sollte sich nicht darin erschöpfen, hier denertrag von Lissabon zu kritisieren. Wir, der Deutscheundestag und damit die Volksvertretung, also die Ver-retung der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, sindiejenigen, die durch dieses Urteil neue Kraft bekom-en haben. Wir haben neue Kompetenzen bekommen,nd – Markus Löning hat darauf hingewiesen – dieseompetenzen müssen wir auch nutzen. Das ist unsereroße Chance.Daraus ergibt sich eine Reihe von zusätzlichen Fra-en, die wir klären müssen. Eine zentrale Frage ist, wieie Verfassungsorgane in dieser Republik zueinandertehen. Eine Antwort, die wir bekommen haben, betrifftas Verhältnis von Bundesregierung und Parlament. Die-es Verhältnis wird sich ändern, und das wird erheblicheonsequenzen haben.Ich finde, der Bundesinnenminister hat heute einechlechte Erklärung abgegeben, als er gesagt hat: Ei-entlich wird sich gar nichts ändern; es müssen lediglichinige Änderungen an den Gesetzesformulierungen vor-enommen werden. Das ist falsch: Wenn wir dieses Ur-eil ernst nehmen, wird sich in diesem Hause viel ändern.ir alle, die Parlamentarier, werden mehr Verantwor-ung bekommen. Diese Verantwortung müssen wir an-ehmen.
as ist wichtig.Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen.enn wir in Zukunft das Verhältnis der Verfassungsor-ane untereinander neu gestalten, geht es auch darum,ie Rolle des Verfassungsgerichtes neu zu gestalten. Dasrteil des Verfassungsgerichtes enthält auch darauf Hin-eise; ich verweise auf bestimmte Fragestellungen be-üglich des Verhältnisses zwischen Bundesverfassungs-ericht und EuGH. Dieses Thema wird Sie in derächsten Legislaturperiode beschäftigen müssen; icherde dem Parlament leider nicht mehr angehören.
Das ist kein Grund zum Klatschen.
ch selber habe mich dazu entschieden; das ist auch guto.
Metadaten/Kopzeile:
25580 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Rainder SteenblockGerade was die europapolitischen Fragen angeht,wird es nicht nur eine Herausforderung sein, den Prozesseuropäischer Gesetzgebung zu begleiten, sondern auch,im Parlament selber entsprechende Arbeitsstrukturen zuentwickeln; das ist nicht einfach. Darüber hinaus wird esArbeitsstrukturen auf europäischer Ebene – Stichwort„Zusammenarbeit zwischen den nationalen Parlamen-ten“ – geben müssen. Das Urteil des Bundesverfassungs-gerichts besagt sehr deutlich, dass die nationalen Staatenden Staatenverbund Europa gestalten. Das ist eine inte-grationsfreundliche Gestaltung. Das Verfassungsgerichthat noch einmal sehr klar gesagt: Dieses Grundgesetzwill – erlaubt also nicht nur – die europäische Integrationim Staatenverbund.
Das ist wichtig. Das ist eine ganz deutliche Ansage inRichtung der Nationalisten, von welcher Seite auch im-mer sie kommen.Wir wollen als deutsche Bundesrepublik mit demGrundgesetz die europäische Integration. – Das ist einsehr wichtiger Satz in dem Urteil.Deshalb müssen wir die Nationalstaaten in die Lageversetzen, zu kooperieren. Ich will jetzt gar nicht die De-batte um die zweite Kammer noch einmal aufmachen,aber: Wir müssen als Parlamentarier solche Strukturenschaffen, dass wir nicht nur unsere Regierungen kontrol-lieren, sondern auch diesen europäischen Prozess auf derEbene der europäischen Parlamente miteinander besserdiskutieren können – die COSAC ist dazu nach meinerKenntnis nicht in der Lage –; das steht an.
Natürlich müssen wir auch mit den Parlamentariernaus dem Europäischen Parlament – Axel Schäfer hat dar-auf hingewiesen – anders und besser zusammenarbeiten.Ich interpretiere das Urteil nicht als Schwächung dereuropäischen Parlamentarier, sondern als Stärkung dernationalen Parlamentarier. Auch die europäischen Parla-mentarier sind gut beraten, glaube ich, von ihrer Seiteaus aktives Engagement in diese Kooperation mit dennationalen Parlamenten zu investieren.In fast allen europäischen Ländern gibt es zum TeilUnverständnis, Misstrauen in europäische Entschei-dungsstrukturen. Als Parlamentarier, als diejenigen, dieauf nationaler Ebene vom Volk oder auf europäischerEbene gewählt worden sind, müssen wir die Verantwor-tung annehmen, das heißt kooperieren. Es geht nicht an,dass jeder in seinem eigenen Pott oder in seiner eigenenPartei rührt; wir müssen zusammenarbeiten.Zum Schluss möchte ich gern noch Folgendes anspre-chen: Wir werden diesen Prozess nur dann hinbekom-men, wenn wir unsere Rolle als Parlamentarier tatsäch-lich mit mehr Rückgrat spielen, als wir das bishergemacht haben; das meine ich jetzt nicht als individuel-len, persönlichen Vorwurf.
ebdmDtdsddjzwppdsaFWMw–dt
Kollege Steenblock, die Wünsche des gesamten Hau-
es, denke ich, begleiten Sie in Ihren neuen Lebens-
bschnitt.
Das Wort hat der Kollege Michael Roth für die SPD-
raktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!as ist dem Vertrag von Lissabon in den vergangenenonaten und Jahren nicht alles entgegengeschleudertorden? Hydra! Camouflage! Marktradikales Monster! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts besagt ein-eutig: Er ist weder ein asoziales Subjekt noch ein mili-aristischer Moloch.
Ich erlaube mir, aus dem Urteil zu zitieren:Der konstitutive Parlamentsvorbehalt für den Aus-landseinsatz der Streitkräfte besteht auch nach ei-nem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon fort.Der Vertrag von Lissabon überträgt der Europäi-schen Union keine Zuständigkeit, auf die Streit-kräfte der Mitgliedstaaten ohne Zustimmung des je-weils betroffenen Mitgliedstaates oder seinesParlaments zurückzugreifen.Außerdem heißt es darin:Der Vertrag von Lissabon beschränkt die sozialpoli-tischen Gestaltungsmöglichkeiten des DeutschenBundestages nicht in einem solchen Umfang, dassdas Sozialstaatsprinzip ... in verfassungsrechtlichbedenklicher Weise beeinträchtigt und insoweit
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25581
)
)
Michael Roth
notwendige demokratische Entscheidungsspiel-räume unzulässig vermindert wären.Insofern, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist diesesUrteil eine Ermutigung für alle Europapolitikerinnenund Europapolitiker in den Fraktionen, die sich tagtäg-lich darum bemühen, dieses europäische Einigungswerkdemokratischer, transparenter und handlungsfähiger zugestalten.
Es ist aber auch ein Weckruf für alle anderen Abgeord-neten, auch hier in diesem Hause, die sich mitunter et-was arrogant oder desinteressiert über diejenigen äußern,die im Europaausschuss sitzen und tagtäglich versuchen,ihre Arbeit zu leisten – nicht um ihrer selbst willen, son-dern damit dieses Integrationsprojekt auch weiterhin ineine gute Zukunft geführt werden kann. Es ist, liebe Mit-glieder der Bundesregierung, natürlich auch ein Stopp-signal für alle Exekutiven, sei es in Brüssel, sei es inBerlin, die der Auffassung sind, dass der Parlamentaris-mus bzw. seine Stärkung Sand im Getriebe des europäi-schen Räderwerks sind. Auch das muss man so klar unddeutlich benennen.
Dennoch hat mich das Urteil – das sage ich unum-wunden – enttäuscht. Ich frage mich, ob der DeutscheBundestag die Rolle eines Europaparlamentes zu über-nehmen in der Lage ist, wie wir es heute in der Über-schrift einer respektablen Zeitung haben lesen dürfen.Wir alle wissen – das ist jetzt auch schon mehrfach ge-sagt worden –: Allein die Änderung des Begleitgesetzes,auch wenn alle Fraktionen daran mitwirken sollen, müs-sen und dürfen, reicht nicht aus.Ich befürchte auch, dass wir bis zum Ende dieser Le-gislaturperiode nicht alle Fragen, deren Beantwortunguns das Verfassungsgericht aufgetragen hat, klären kön-nen. Deswegen erwarte ich von uns allen, ob wir diesemParlament dann noch angehören oder nicht, dass wir dieInhalte dieses Urteils auch als Arbeitsauftrag für dienächste Legislaturperiode verstehen und dann grundsätz-licher, in aller Ruhe und Sorgfalt noch einmal darübernachdenken, was das für den Europaausschuss heißt,was das für die Zusammenarbeit der Fachausschüsseheißt, was das im Einzelnen für die Fraktionen heißt undwas das für die Zusammenarbeit zwischen den Kollegin-nen und Kollegen im Europäischen Parlament und denAbgeordneten des Deutschen Bundestages heißt. Ichmeine, hier sind keine Schnellschüsse gefragt.Wir müssen aber anerkennen – das hat uns das Bun-desverfassungsgericht aufgegeben –: Europa ist Innen-politik. Heribert Prantl hat heute so schön geschrieben –wir haben uns hier im Plenum und im Ausschuss so oftdarüber beklagt, dass dies nicht geschieht –:Europa muss... ins Deutsche übersetzt werden.Ich meine, das gilt auch im übertragenen Sinne. Wirmüssen es den Bürgerinnen und Bürgern erklären. WirmCdsv2ldnütawsabfiasmdMW2spwvRcdHwnAdldgnwnwsndErdmc
Metadaten/Kopzeile:
25582 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Gauweiler aus der
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Kollege Steenblock hat zu Recht daraufhingewiesen, dass die heutige Debatte an einen Wahl-abend erinnert, an dem es lauter Sieger gibt. Nachdemdas Bundesverfassungsgericht gestern entschieden hat,dass der Deutsche Bundestag und die Bundesregierungmir nicht 30 Prozent, sondern 50 Prozent meiner Kostenerstatten müssen, fühle ich mich zur Hälfte als Sieger.Die andere Hälfte als Verlierer nehme ich gerne in Kauf,weil es sich um ein sehr gutes Urteil handelt, das da er-stritten worden ist.Ich möchte Ihnen zunächst ein paar Punkte zu demVorwurf vortragen, dass das Europaparlament schlecht-geredet worden ist. Das ist nicht der Fall. Das Bun-desverfassungsgericht hat sich zum Europaparlamentüberhaupt nicht politisch geäußert. Es hat rechtlich fest-gestellt, dass das Europaparlament nicht gleichheitsge-recht gewählt ist.
Es hat weiter erklärt, dass es deshalb nicht geeignetist, politische Leitentscheidungen zu treffen, die in einerDemokratie repräsentativ und zurechenbar sein müssen.Das Bundesverfassungsgericht hat damit gleichzeitigIhre Kompetenzen gestärkt, meine Damen und Herren.Das sollte einen Bundestagsabgeordneten ermuntern,statt ihm Anlass zur Kritik zu geben.
Ich möchte Ihnen sieben Punkte darstellen, die mir imHinblick auf das Urteil wesentlich erscheinen. Erstens.Das Bundesverfassungsgericht stellt ausdrücklich klar,dass das Prinzip der souveränen Staatlichkeit eineSchranke der Integrationsermächtigung ist.
Die Bundesregierung und der Bundestag haben diesin ihren Schriftsätzen ausdrücklich bestritten. InsofernfrFdAzsmaddwhgmAAdttShbhEKtmdwhszhhmldndGEsSed
s verlangt deshalb, dass die Inanspruchnahme dieserlausel – und zwar entgegen den Regelungen des Ver-rags, nach denen die Zustimmung der nationalen Parla-ente nicht nötig ist – in Deutschland der Ratifikationurch Bundestag und Bundesrat bedarf. Das ist ein ge-altiger Sieg. Damit ist das, was Sie hier beschlossenaben, ins Gegenteil verkehrt worden.
Viertens. Das Bundesverfassungsgericht hat – dastimmt; da haben Sie recht – zwar das Zustimmungsgesetzum Vertrag von Lissabon als verfassungsmäßig angese-en, allerdings ausdrücklich – darauf haben Sie schoningewiesen – nur nach Maßgabe der vom Gericht for-ulierten Entscheidungsgründe. Das Gericht hat an vie-en Stellen zu jedem Vertragspassus – das zieht sichurch das ganze Urteil – einschränkende Interpretatio-en vorgenommen und Auslegungsmöglichkeiten, dieer Wortlaut des Vertrags zulässt und die mit demrundgesetz unvereinbar wären, ausgeschlossen.
s hat fünf besondere Gebiete genannt, in denen die Zu-tändigkeit – schütteln Sie nicht den Kopf, sondern lesenie das Urteil – unter keinen Umständen, höchstens ininem sehr eng begrenzten Bereich, weitergegeben wer-en darf. Es hat insbesondere das Strafrecht, das staatli-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25583
)
)
Dr. Peter Gauweilerche Gewaltmonopol, die Staatsausgaben und die Prinzi-pien des Sozialstaates genannt. Es ist gut für denDeutschen Bundestag, dass das – erstmals – in dieserKlarheit festgestellt werden konnte.Fünftens. Das Bundesverfassungsgericht hat betont,dass – das war uns besonders wichtig – das Prinzip derbegrenzten Einzelermächtigung nach wie vor zentral fürden Staatenverbund ist. Nur weil dieses Prinzip nach wievor gilt, ist der Vertrag überhaupt mit dem Grundgesetz– mehrfach heißt es: „noch“ – vereinbar.
Das Bundesverfassungsgericht hat auch darauf hinge-wiesen, dass die Fülle von Einzelermächtigungen, die esnach dem Vertrag von Lissabon geben wird, die Gefahrin sich birgt, dass hier eine flächendeckende Kompetenzgeschaffen wird. Dem hat das Bundesverfassungsgerichtjetzt erstmalig in dieser Form einen Riegel vorgescho-ben.
Es verteidigt nämlich gegen eine mögliche Auslegungdes Vertrags seine Kompetenz, ultra vires gehenden, alsodie Grenzen der Ermächtigung überschreitenden, EU-Rechtsakten in Deutschland die Gefolgschaft zu verwei-gern.
Den Vorrang des EU-Rechts und die Zuständigkeitdes Bundesverfassungsgerichts durch einen völkerrecht-lichen Vorbehalt abzusichern, wird die Aufgabe dernächsten Wochen und Monate sein. Ich bitte die Bundes-regierung herzlich, uns allen hier Klarheit zu verschaf-fen.
– Die Bundesregierung kann das durch einen entspre-chenden Vorbehalt, der erklärt werden muss, absichern.Das sollten Sie eigentlich wissen. Das steht am Anfangder Debatte.Sechstens – ich komme gleich zum Schluss, Frau Prä-sidentin – hat das Bundesverfassungsgericht ausdrück-lich festgestellt, dass die demokratische Legitimation derEU-Organe unzulänglich ist und demokratischen Anfor-derungen nicht genügt.
Deswegen ist immer von „noch verfassungsgemäß“ dieRede.Siebtens und letztens. Das Urteil macht bedeutendeVorgaben für die weitere Entwicklung der europäischenIntegration. Das gilt insbesondere für die Notwendigkeiteiner verfassungsgebenden Volksabstimmung.Herr Kollege Steenblock, Sie haben in Ihrer Ab-schiedsrede die Befugnisse und das Recht des ParlamentsbdsUIaKhFsZfBVhrsamSedHeMdkdrng
ch möchte Ihnen herzlich mit auf den Weg geben, auchls Staatsbürger, der Sie ja sind: Ein Parlament, das seineompetenzen aufgibt, gibt sich selber auf. Dies zu ver-indern, sind wir da.
Das Wort hat der Kollege Dr. Diether Dehm für die
raktion Die Linke.
Meine Damen und Herren! Ich kann es Ihnen nicht er-paren: Die Medien vom heutigen Tage wie Süddeutscheeitung, Handelsblatt und Welt sind eine einzige Ohr-eige für die Bundesregierung und für die Mehrheit desundestages. Ich zitiere aus der FAZ von heute:Ein deutlicheres Attest ihrer Selbstentmündigunghätten die Parlamentarier kaum ausgestellt bekom-men können.om gespielten Jubel der Regierung ist die Rede. Sieätte einen starken Stier kaufen wollen und von Karls-uhe eine kleine Kuh geliefert bekommen; jetzt jubiliereie: Immerhin ein Rindvieh.Hätte die Koalition die Rechte des Bundestages nichtbgewertet, Karlsruhe hätte die Rechte nicht aufwertenüssen. Das ist doch die Wahrheit.
ie beschließen ein grundgesetzwidriges Gesetz, werdenrtappt und ernennen sich zum Sieger.Die Medien haben naturgemäß versucht, den Erfolger Linken so klein wie möglich zu halten.
inter den Medien stehen ja meist CDU/CSU, FDP undin paar Finanzhaie. Aber immerhin hat Herr Professorayer, der Prozessbevollmächtigte der Gegenseite undamit unser Gegner, heute Morgen im Ausschuss gesagt,ünftige Oppositionsfraktionen müssten der Linkenankbar sein; denn unsere Klage habe die Minderheiten-echte im Deutschen Bundestag gestärkt, was gänzlicheu sei. Lieber Rainder, sollen wir uns jetzt darüber är-ern oder sollen wir uns darüber freuen, dass der gegne-
Metadaten/Kopzeile:
25584 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Dr. Diether Dehmrische Prozessbevollmächtigte uns gesagt hat, durch unsseien die Minderheitenrechte gestärkt worden?
Aufrüstung und Kriege ums Öl wurden zwar gesternnicht gestoppt, aber der widerwärtige Versuch – so stehtes im Lissabon-Vertrag –, über den Einsatz der Bundes-wehr in Brüssel zu entscheiden statt allein im DeutschenBundestag.
Das ist durch den Vorbehalt des Bundesverfassungs-gerichtes gestoppt worden.Der Neoliberalismus, der die Finanzkrise bewirkt hat,wurde nicht gestoppt. Aber das Gericht hat deutlich dasSozialstaatsprinzip betont, ausdrücklich gegen EU-Bürokratie und Europäischen Gerichtshof. Das Bundes-verfassungsgericht betont: Wir sind und bleiben zustän-dig für den Schutz der Verfassungsidentität, zu der derSozialstaat gehört. Auch diese soziale Würde des Men-schen ist also nicht verhandelbar. Darüber ist jetzt klarentschieden worden.
Also passen Sie nicht mehr im vorauseilenden Gehor-sam Ihre Gesetze an den Neoliberalismus der EU an! Icherwähne in diesem Zusammenhang das niedersächsischeVergabegesetz hinsichtlich öffentlicher Bauaufträge undnenne nur das Stichwort Rüffert-Urteil. Lassen SieEuGH-Angriffe auf Volkswagen und auf die Tariflöhnenicht mehr zu, sondern streiten Sie mit den Gewerk-schaften und klagen Sie vor dem Bundesverfassungsge-richt! Seit gestern bietet sich die Gelegenheit förmlichan, dagegen zu klagen. Das sollte auch wahrgenommenwerden.
Der Bundestag ist nach dem Urteil zudem gehalten,sich mehr um internationale Verträge zu kümmern, diedie Lebenssituation der Menschen unmittelbar betreffen.Das gilt vor allem für die neoliberalen Angriffe über dieWTO auf die ärmsten Menschen auf allen Kontinenten.Sollten die Menschen draußen erschrocken sein überdie monströsen Schwächen, die der Bundesregierungund der Mehrheit des Bundestages attestiert wordensind, dann können sie in dieser Beziehung beruhigt sein:Sie haben eine starke Linke in den Deutschen Bundestaggewählt.
Das Wort hat der Kollege Dr. Carl-Christian Dressel
für die SPD-Fraktion.
k
n
s
g
G
i
b
t
D
d
I
H
r
e
w
r
m
d
s
m
g
g
z
m
d
v
v
O
O
iese Äußerung hat das Bundesverfassungsgericht inen Mittelpunkt seiner gestrigen Argumentation gestellt.ch sage: Darüber können wir alle froh sein.Ich darf den heute schon wiederholt erwähnteneribert Prantl zitieren, der die richtige Schlussfolge-ung gezogen hat:Diesem spektakulären, glänzenden und klugenKarlsruher Urteil gelingt die Kunst, den europäi-schen Integrationsprozess nicht aufzuhalten, son-dern ihn – bei einem deutschen Zwischenstopp –demokratisch zu befruchten.Ich denke, das ist die zentrale Botschaft. Das ist auchine Botschaft an diejenigen, die sich hier gerne als Ge-inner feiern lassen; denn von Gewinnen kann man nureden, wenn man mit seinen Zielen durchkommt. Wennan das Urteil nicht von hinten zu lesen beginnt, son-ern von vorne, dann sieht man, was Sie zum Gegen-tand Ihrer Anträge beim Bundesverfassungsgericht ge-acht haben, dann stellt man fest, dass Sie sich alleinegen das Zustimmungsgesetz und nicht gegen das Be-leitgesetz gewendet haben. Also Gewinner? Fehlan-eige, nur herbeigeredete Gewinner.
Es ist wichtig, dass wir uns darüber klar werden, wasit dem Urteil gesagt wurde. Wenn Sie noch mehr ausem Urteil hören möchten, kann ich Ihnen noch mehrorlesen. Auch wenn es Ihnen nicht recht ist, trage ichor – Seite 91 –:Das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabonist mit den Anforderungen des Grundgesetzes, ins-besondere mit dem Demokratieprinzip, vereinbar.Das Wahlrecht … ist nicht verletzt.der auf Seite 93:Die Europäische Union entspricht demokratischenGrundsätzen.der:Die mit den Antrags- und Beschwerdeschriften vor-getragene, im Mittelpunkt der Angriffe stehendeBehauptung, mit dem Vertrag von Lissabon werde
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25585
)
)
Dr. Carl-Christian Dresseldas demokratische Legitimationssubjekt ausge-tauscht, ist unzutreffend.Anderes brauchen wir nicht zu sagen. Jeden dieserSätze, die ich verlesen habe, sehe ich als einen knallen-den Schlag ins Gesicht derjenigen auf der linken Seitedieses Hauses, die sich als Sieger fühlen.
Wichtig ist auch, dass im Deutschen Bundestag ein-mal vorgetragen wird, was der Vorsitzende des ZweitenSenats, Vizepräsident Voßkuhle, zu Beginn der Urteils-verkündung gesagt hat. Er sprach von Vorurteilen undeindeutigen Vorverständnissen, über die das Bundesver-fassungsgericht nicht gerichtet hat. Welche Vorurteileund Vorverständnisse sind das? Das ist das, was ich amAnfang schon herausgearbeitet habe: Das sind die Euro-pafeindlichkeit und die überzogene Europaskepsis, diees leider auch in diesem Hause gibt. Wenn wir die Ak-zeptanz in der Bevölkerung erhöhen wollen, müssenauch wir uns klar zu Europa und zur europäischen Eini-gung bekennen, und diejenigen, die Probleme mit Eu-ropa und der europäischen Einigung haben, dürfen nichtweiter versuchen, sich als Sieger des gestrigen Tagesdarzustellen.
Ein kleines Detail, Herr Dehm, wenn ich Sie beim Te-lefonieren stören darf: Der Prozessbevollmächtigte desDeutschen Bundestages, Professor Mayer, hat im Aus-schuss gesagt, dass man sich bei Ihnen bedanken kann.Dazu sage ich: Interessant ist, dass sich Professor Mayerauf die Frage der Zulässigkeit bezogen hat, auf dieFrage, wann sich eine Oppositionsfraktion an das Bun-desverfassungsgericht wenden kann. Das hatte mit demInhalt, mit der materiellen Frage oder der Begründet-heitsfrage nicht das Geringste zu tun.
So viel zum selbsternannten, gefühlten Gewinner.
Ich sehe ein Handeln der Bundesregierung – darübersind wir uns in diesem Hause einig – nicht als veranlasstan, Kollege Gauweiler.
Für uns ist und bleibt es wichtig, dass wir das Begleitge-setz ändern und dass wir unsere Geschäftsordnung än-dern; darauf hat noch niemand Bezug genommen.
Ich halte es für zentral, dass wir wichtige Änderungen inder Geschäftsordnung vornehmen, damit wir unserenAufgaben, die uns das Bundesverfassungsgericht aufge-geben hat, im Rahmen unserer Möglichkeiten nachkom-men können. Das ist für mich die wichtige Botschaft.ddwmuiBdgGdPdtddsfFdrWdsmsgudBBdbUKgrsJfgD
Ich halte es für ebenso wichtig und für ein bedeuten-es Signal an die übrigen Mitgliedstaaten, dass Folgen-es zum Ausdruck gebracht wurde: Wir in Deutschlandollen nach wie vor die europäische Einigung, und wiröchten, dass unsere befreundeten Mitgliedstaaten mitns an der europäischen Einigung arbeiten. Deswegenst es unser Ziel, trotz der Wahlen zum 17. Deutschenundestag Ende September dieses Jahres noch im Laufeieser Wahlperiode schnell die notwendigen Änderun-en durchzuführen, um dieses Signal, das über unsererenzen hinaus wirkt, zu geben, ein Signal zugunstener Einheit Europas und zugunsten dessen, was in derräambel des Grundgesetzes schon festgestellt wird:em Ziel, „als gleichberechtigtes Glied in einem verein-en Europa dem Frieden der Welt zu dienen“.Wir sprechen auf der einen Seite über das Urteil; aufer anderen Seite sollten wir das, was angegriffen wor-en ist, nicht vergessen: den Vertrag von Lissabon. Esteht uns zu, nochmals darauf hinzuweisen, dass der Re-ormvertrag von Lissabon der Europäischen Union dieähigkeit verleihen wird, sich den Herausforderungenes 21. Jahrhunderts zu stellen und im Sinne der Bürge-innen und Bürger auf der Basis unserer europäischenerte die Europäische Union fortzuentwickeln.Ich wage eine Prognose, die uns alle betrifft: Wir wer-en noch im Laufe der 16. Wahlperiode das Begleitge-etz und unsere Geschäftsordnung ändern. Aber wirüssen uns darüber im Klaren sein, dass dies kein stati-ches System sein kann, sondern dass wir – das sehe ichemäß dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts anns alle – darauf Acht geben müssen, dass in der Praxis,ie wir hier im Deutschen Bundestag, aber auch Sie imundesrat dann an den Tag legen, der Entscheidung desundesverfassungsgerichts Rechnung getragen wird, so-ass wir dem Demokratieprinzip immer und unangreif-ar Rechnung tragen.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Kollege Gunther Krichbaum für die
nionsfraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Kollege Steenblock hat recht: Gestern war einuter Tag für die Demokratie. Wenn man den Ausfüh-ungen so mancher Kollegen hier folgt, dann muss manich die Frage stellen: Über was streiten wir eigentlich?eder fühlt sich als Sieger. Wenn sich jeder als Siegerühlt, dann bin ich für den weiteren Gang der vor uns lie-enden parlamentarischen Beratungen sehr optimistisch.enn das kann ja dann alles sehr gut über die Bühne ge-
Metadaten/Kopzeile:
25586 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Gunther Krichbaumhen, wenn wir uns in diesen wesentlichen Punkten schoneinig sind.Herr Kollege Gysi, gestatten Sie mir bitte folgendenHinweis: Es wäre zum ersten Mal in der Geschichte desBundesverfassungsgerichts, dass ein Sieger auf zweiDrittel seiner Verfahrenskosten sitzen bleibt.
Die Kostenteilung ist hier ein sehr sicheres Indiz; beiKollege Gauweiler waren es immerhin 50 Prozent. DieseQuote zeigt, wie das Bundesverfassungsgericht es sieht.Derjenige, der sich dafür interessiert, sollte sich einfacheinmal die Kostenverteilung ansehen.
Das erleichtert, glaube ich, den Überblick.Es war ein guter Tag für die Demokratie. Warum?Weil der Vertrag von Lissabon seitens des Bundesverfas-sungsgerichts als verfassungskonform angesehen wird.
Wir als Parlamentarier haben schon deshalb Vorteile,weil der Vertrag von Lissabon unsere Rolle, die Rolleder nationalen Parlamente aufwertet.
Das Begleitgesetz müssen wir in der Tat neu aufrol-len, aber mit sehr konkreten Vorgaben, die uns Parla-mentariern den Rücken stärken. Deswegen haben wir,wenn man es so nennen möchte, eine Win-win-Situation:Die Parlamente sind die Gewinner des gesamten Verfah-rens. Damit meine ich nicht nur das Verfahren vor demBundesverfassungsgericht.Weil wir hier in einer öffentlichen Debatte sind und somanches, was man den Berichterstattungen der Medienentnehmen durfte, eher zur Begriffsverwirrung der Bür-ger beigetragen hat, möchte ich Folgendes ausführen:Warum fühlen sich die meisten als Sieger? Ich glaube, eslohnt sich, einen Blick auf das bisherige Verfahren zuwerfen. Traditionell ist die Außenpolitik der Europäi-schen Union stets sehr regierungsgeprägt gewesen. Seitdem Maastricht-Urteil hat der Deutsche Bundestag seineEuropatauglichkeit aber kontinuierlich verbessert.Wir haben heute einen Europaausschuss, der sichnicht nur aus Mitgliedern des Deutschen Bundestages,sondern auch – und zwar aus guten Gründen – aus Kolle-gen des Europäischen Parlaments zusammensetzt. Wirhaben einen Unterausschuss Europarecht. Wir haben dieCOSAC-Konferenz, eine Kooperation der nationalenEuropaausschüsse. Wir haben mittlerweile ein Verbin-dungsbüro mit Mitarbeitern der Fraktionen und der Bun-destagsverwaltung in Brüssel. Seit zwei Jahren bestehtaußerdem eine Zusammenarbeitsvereinbarung zwischenBundestag und Bundesregierung. Dieses Parlament hatkontinuierlich für mehr Rechte gekämpft und diese auchbekommen. Deswegen betrachten wir die gestrige Ent-sWeDaßCinEwflldDzmbguGgEmbdmnwddswdimehMGsd
Ich komme zu den einzelnen Punkten, die Kollegeauweiler angesprochen hat. Ja, die Brückenklauseling dem Bundesverfassungsgericht zu weit, auch dieinschränkung beim Prinzip der begrenzten Einzeler-ächtigung, wobei es von Beginn an bei diesem Prinzipleiben sollte. In der Summe kann man aber feststellen,ass das Bundesverfassungsgericht damit aussagenöchte: Fahrt bitte auf Sicht, gleichsam mit angezoge-er Handbremse, auch bei der europäischen Integration,enngleich die europäische Integration erstmals als aus-rückliches Verfassungsziel postuliert wurde.Man muss allerdings auch einen Blick auf das Bun-esverfassungsgericht selbst werfen, das sich in einemtändigen Konkurrenzverhältnis zum EuGH sieht. Des-egen haben auch ein Bundesverfassungsgericht und dieortigen Richter ein elementares Interesse daran, dasshre eigenen Rechte gewahrt bleiben. In diesem Zusam-enspiel ist das Urteil sicherlich auch zu sehen. Es istin Grundsatzurteil und wird weit über den gestrigen Taginaus wirken. Es ist vielleicht noch bedeutender als dasaastricht-Urteil.Ich möchte noch eines aufgreifen, was Kollegeauweiler in einem Interview mit dem Berliner Tages-piegel gesagt hat. Ich zitiere – –
Kollege Krichbaum, gestatten Sie eine Zwischenfrage
es Kollegen Dr. Gysi?
Danach.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25587
)
)
Sie holten keine Luft. Ich hatte keine Möglichkeit,
zwischen Ihren Sätzen etwas zu sagen.
Sie wundern sich, für wie viel frischen Wind wir hier
sorgen können.
Das Zitat des Kollegen Gauweiler lautet:
Das Urteil werde die „europäische Gesinnung“ der
Bürger stärken und damit eine „proeuropäische,
volkspädagogische Wirkung“ haben.
Mit dem Wort Volkspädagogik, das der Kollege
Gauweiler benutzt hat, tue ich mich etwas schwer. Aber
wenn das Urteil zu einem dient, dann mit Sicherheit
dazu, dass die Akzeptanz der Bürger in Bezug auf die
europäische Integration nach dem gestrigen Urteil und
dem Ausspruch, dass der Vertrag von Lissabon der Ver-
fassung entspricht, steigen wird. Die Bürger können sich
fortan darauf verlassen, dass die Verfassungstauglichkeit
und die Verfassungsgemäßheit dieses Vertrages – gleich-
sam wie durch den TÜV – bestätigt wurden. Das fördert
die Akzeptanz der Bürger auch in die europäische Inte-
gration.
Bitte.
Herr Kollege, da hier immer wieder darüber diskutiert
wird, ob es seitens des Bundesverfassungsgerichts be-
züglich der Frage eines Einsatzes der Bundeswehr ir-
gendeine Art von Korrektur gegeben hat, möchte ich Sie
fragen, ob Sie mir bestätigen können, dass auf den
Seiten 135 und 136 des Urteils ausgeführt wurde, dass es
eine Bestimmung gibt, nach der, falls ein Mitgliedsland
überfallen wird, die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in
ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung im Ein-
klang mit Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen
schulden, und dass dann dargelegt wird, warum diese
Regelung für Deutschland nicht ohne einen Beschluss
des Bundestages gilt.
– Lassen Sie mich doch einmal zu Ende reden! – Kön-
nen Sie mir also bestätigen, dass das Bundesverfas-
sungsgericht durchaus akzeptiert hat, dass es eine Be-
stimmung gibt, die man auch anders hätte verstehen
können
–
h
h
u
a
S
s
L
ü
h
I
G
d
L
I
d
V
w
w
E
i
S
M
a
N
a
F
A
u
w
f
i
w
W
s
d
p
n
w
Herr Kollege Gysi, ich habe das Urteil, das 147 Seitenmfasst, nicht über Nacht auswendig gelernt. Ich habe esber gelesen. Wenn Sie das Urteil genau lesen, werdenie auf eine Passage stoßen, in der das Bundesverfas-ungsgericht darauf hinweist, dass die im Vertrag vonissabon vorgesehene gegenseitige Beistandspflichtber die Regelungen, die wir ohnehin schon haben, nichtinausgeht.
n genau diesem Kontext und in diesem Licht ist dasanze zu sehen. Parlamentsvorbehalte gab es schon iner Vergangenheit. Insofern wird durch den Vertrag vonissabon keine neue Situation geschaffen.
nfolgedessen gelangt das Bundesverfassungsgericht iniesem Punkt völlig zu Recht zu dem Schluss, dass derertrag von Lissabon der Verfassung entspricht.
Wie wird es nun weitergehen? Der Europaausschussird mehrere Sondersitzungen durchführen, und wirerden das weitere Verfahren konkret ausgestalten.nde August dieses Jahres wird dann die erste Lesungm Deutschen Bundestag anstehen. Es ist eine reineelbstverständlichkeit, dass dieses Gesetz dann aus deritte des Bundestages eingebracht werden sollte. Allesndere widerspräche dem Geist des gestrigen Urteils.atürlich wird es immer gerne gesehen, wenn, wie esuch heute geschehen ist, seitens der Bundesregierungormulierungshilfe angeboten wird.
ber dieser konkrete Fall ist die Stunde des Parlaments,nd es geht um die Rechte des Parlaments. Ich glaube,ir tun sehr gut daran, die Entscheidung des Bundesver-assungsgerichts zu berücksichtigen und die Maßgabenm neuen Begleitgesetz eins zu eins abzubilden.Unbestritten ist, dass wir unter Zeitdruck stehen. Des-egen muss das Ganze jetzt zügig über die Bühne gehen.enn wir das nicht mehr in dieser Legislaturperiodechaffen, können wir im Hinblick auf das Referendum,as in Irland noch durchgeführt werden muss, keinenositiven Impuls mehr geben. Hinzu kommt, dass wiricht wissen, wie sich die Situation in Großbritannieneiterentwickeln wird. Es gibt übrigens auch Zeiten, in
Metadaten/Kopzeile:
25588 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Gunther Krichbaumdenen ein Christdemokrat für die Gesundheit eines La-bour-Ministerpräsidenten in Großbritannien betet.
In diesem Sinne sage ich zum Schluss: Ich bin zuver-sichtlich, dass es uns, wenn wir zügige Beratungendurchführen, gelingt, das notwendige Begleitgesetz undden Vertrag von Lissabon auf den Weg zu bringen, damitEuropa erfolgreich in seine Zukunft gehen kann.Danke.
Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und
der SPD
Kritik der Bundesbank an überhöhten Kredit-
zinsen der deutschen Banken
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Ingrid Arndt-Brauer für die SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Das Thema unserer heutigen Aktuellen Stunde
lautet „Kritik der Bundesbank an überhöhten Kredit-
zinsen der deutschen Banken“. Sicherlich haben es die
meisten von uns in der letzten Woche gelesen: Bundes-
bankpräsident Axel Weber war über das seiner Meinung
nach schlimme Verhalten der Banken erbost und hat so-
gar gedroht, die Banken zu übergehen und selber Kredit-
geschäfte durchzuführen, um die Zinsweitergabe, die die
Banken seiner Meinung nach nicht vollziehen, selber zu
gewährleisten.
Wie ist die Situation? Die EZB hat den Banken ein
Angebot gemacht, das folgendermaßen lautet: Für
371 Tage – das bedeutet Planungssicherheit für die Insti-
tute – gibt es für einen Zinssatz von 1 Prozent unbe-
grenzt Geld. Bisher fragten insgesamt 1 121 Finanzinsti-
tute bei der EZB 442,2 Milliarden Euro nach. Das
Angebot scheint also zu wirken. Wie das Handelsblatt
letzte Woche jedoch berichtete, sind die Banken sowohl
reich als auch arm. Einerseits gibt es eine Geld-
schwemme, andererseits – dies betrifft die Unternehmen –
anscheinend aber eine Kreditklemme.
Wie kann das sein? Es gibt einen Unterschied zwi-
schen Liquidität, also Geld für den Moment, und Kapi-
tal, also Geld, das der Bank für unbegrenzte Zeit zur Ver-
fügung steht. Die EZB kann Liquidität zur Verfügung
stellen, nicht aber Kapital. Wenn Firmen, nachdem sie
Auftragspolster abgearbeitet haben, weniger Umsatz und
damit auch weniger Gewinn machen, sinkt ihre Kredit-
würdigkeit. Dann – so argumentieren die Banken – müs-
s
a
B
d
t
s
a
t
g
s
w
d
l
B
z
K
–
D
b
a
a
e
m
h
g
E
u
–
s
m
t
d
h
G
m
M
a
a
w
A
g
e
g
t
v
f
B
Auch in Deutschland, gut. – Diese Spekulationen müs-
en, denke ich, kritisiert werden.
Laut Bundesverband deutscher Banken lag das Volu-
en der Kreditvergabe in Deutschland im ersten Quartal
rotz negativer Ausnahmen immer noch 7 Prozent über
em des Vorjahres. Das ist eine Tendenz, die mir – ich
abe in meinem ländlichen Wahlkreis eher wenig mit
roßbanken und Großunternehmen zu tun – meine hei-
ischen Sparkassen und Volksbanken bestätigt haben:
an schaut genauer hin; aber man gibt mehr als früher.
Für die Unternehmen stellt sich die Situation etwas
nders dar: Sie bestätigen, dass es mehr Nachfrage gibt;
ber es müssen mehr Sicherheiten aufgelistet werden, es
erden nicht mehr so leicht Kredite vergeben. Auf mein
rgument, dass wir alle wollten, dass bei der Kreditver-
abe mehr Vorsicht gezeigt wird, wird mir immer wieder
ntgegnet: Wenn keine Zwischenfinanzierungen mehr
emacht werden, drohen Insolvenzen. Das ist die Situa-
ion.
Natürlich brauchen wir einen Ausgleich zwischen
orsichtigem Handeln der Banken und genug Krediten
ür die Unternehmen. Als ich vor circa 30 Jahren mein
WL-Studium begonnen habe –
Kollegin Arndt-Brauer, achten Sie bitte auf die Zeit!
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25589
)
)
mein letzter Satz –, hieß es: Oberstes Ziel eines Un-
ternehmens ist Gewinnmaximierung. – Ich denke, in
Zeiten der Krise sollte gesamtgesellschaftliche Verant-
wortung hinzukommen.
Danke schön.
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Carl-
Ludwig Thiele das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenKolleginnen und Kollegen! Aus Sicht der FDP gibt esfür die deutsche Wirtschaft schon jetzt eine Kredit-klemme. Viele Firmen sind auf Fremdkapital angewie-sen; denn die Eigenkapitalausstattung deutscher Unter-nehmen ist im Vergleich zu der in anderen Ländernausgesprochen gering. Viele Unternehmen sind insbe-sondere in schwierigen Zeiten, wie jetzt, darauf ange-wiesen, das Kapital zu haben.Dieses Problem für den deutschen Mittelstand lässtsich kurzfristig überhaupt nicht lösen. Viele Firmen sindauf Kredite angewiesen. Einige der bisher bereits einge-räumten Kredite laufen aus und müssen neu verhandeltwerden. Andere Firmen benötigen auch in der heutigenZeit Kredite, um zu investieren und neue Arbeitsplätzezu schaffen. Daher sind ein funktionierender Geldkreis-lauf und die Versorgung mit Krediten für die Wirtschaftselbst und für jeden einzelnen Arbeitsplatz in unsererWirtschaft von überragender Bedeutung.
Angesichts der derzeitigen Krise ist festzustellen,dass gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten vieleUnternehmen schlechter eingestuft oder schlechter gera-tet werden, wie das heute heißt. Aus diesem Grunde er-halten die Unternehmen Kredite häufig nur zu deutlichverschlechterten Bedingungen. Hier ist aus Sicht derFDP zu prüfen, ob die entsprechenden Vorschriften imRegelwerk Basel II aus heutiger Sicht noch richtig undzielführend sind. Insofern muss Basel II aus unsererSicht auf den Prüfstand gestellt werden, um zu sehen, obdamit in der heutigen Situation noch der richtige Kerngetroffen wird, um auf der einen Seite die Versorgungder Firmen sicherzustellen und um auf der anderen Seiteden Banken die Möglichkeit zu geben, Kredite zu verge-ben. Es stellt sich aber eben auch die Frage, wie viel Ka-pital die Banken dafür binden müssen; denn gerade die-ses Kapital ist erforderlich, damit die Unternehmen eserhalten.
Aber auch der Finanzsektor selbst leidet darunter,dass in ihm trotz aller gesetzlichen Regelungen zu wenigEigenkapital vorgehalten wird. Gerade in wirtschaftlichstnLmutUgVHvEHzslsRbppPNdfUsidwslbmsDsLBtDkVedslgwt
Metadaten/Kopzeile:
25590 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25591
)
)
Das Wort hat die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch für die
Fraktion Die Linke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Die Europäische Zentralbank – das
ist schon angesprochen worden – hat unglaubliche
442 Milliarden Euro in den Finanzmarkt gepumpt. Das
ist eine Rekordsumme. Die Banken und Sparkassen kön-
nen sich für ein Jahr bei der Notenbank Geld zu 1 Pro-
zent leihen. Dieses Traumangebot haben bereits über
1 100 Banken aus der Eurozone genutzt. Damit wollte
die EZB die Bürger und Unternehmen ermuntern, Kre-
dite zu günstigen Konditionen aufzunehmen. Diese
Maßnahme sollte die Binnenkonjunktur beleben.
Doch die Rechnung der Europäischen Zentralbank
geht nicht auf, zumindest nicht in Deutschland. Denn die
deutschen Banken verhalten sich wie mittelalterliche
Wegelagerer. Sie geben die Zinssenkung der Zentralbank
nicht an die Kunden weiter. Der Zinssatz für Dispokre-
dite liegt aktuell deutlich höher als in der letzten Wirt-
schaftskrise. Am Ende des Krisenjahres 2003 verlangten
die Banken knapp 1 Prozent weniger Zinsen auf Dispo-
kredite als Anfang 2009. Die Banken verdienen sich
– ohne einen einzigen Handschlag gemacht zu haben –
mit der üppigen Zinsdifferenz weiterhin eine goldene
Nase, und die Bankenaktien steigen.
Das ist ein Skandal,
aber kein wirklich aktuelles Problem für eine Aktuelle
Stunde des Deutschen Bundestages. Bereits am 17. März
dieses Jahres – wir haben heute den 1. Juli – wurde in
der FAZ über den Verdruss des Bundesbankpräsidenten
Axel Weber über die deutschen Banken und ihre Zins-
politik berichtet. Jürgen Stark, Mitglied des Direkto-
riums der Europäischen Zentralbank, erinnerte an die
Verantwortung der Banken und forderte sie auf, die Zin-
sen zu senken: ohne Erfolg.
Nur einen Tag später brachte unsere Fraktion, die
Fraktion Die Linke, einen Gesetzentwurf in den Bundes-
tag ein, der eine Begrenzung des Zinssatzes bei Überzie-
hungskrediten fordert. Wir wollen ein Verbot des Zins-
wuchers.
F
r
a
g
–
w
K
b
n
l
u
C
W
m
r
s
m
e
g
u
w
A
t
d
d
c
m
n
s
m
b
r
B
R
w
f
l
Z
D
r
d
e
z
d
Metadaten/Kopzeile:
25592 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
Manfred Zöllmerzess noch nicht funktioniert. Die Banken haben sichrund 445 Milliarden Euro von der Europäischen Zentral-bank geliehen. Doch ein Großteil des Geldes ist wiederangelegt worden. Vertrauen sieht anders aus.Es geht hier aber nicht nur um die Unternehmens-investitionen. Die größte Komponente der gesamtwirt-schaftlichen Nachfrage ist die Konsumgüternachfrageder privaten Haushalte. Dabei spielt auch der Teil derKonsumgüternachfrage eine wichtige Rolle, der kredit-finanziert ist. Leider müssen wir feststellen, dass bei denderzeitigen Zinssenkungszyklen in den letzten Monatennur die Habenzinsen schnell nach unten angepasst wur-den, die Sollzinsen entweder gar nicht oder nur mitzeitlicher Verzögerung. Die Verbraucherinnen und Ver-braucher sind offensichtlich die neuen Melkkühe derBanken, da andere Profitquellen versiegt sind. Dies gehteindeutig zulasten der Verbraucherinnen und Verbrau-cher.Was ist zu tun? Seit der Aufhebung der Zinsverord-nung vor über 40 Jahren, am 1. April 1967, können dieZinssätze zwischen Kreditinstitut und Kunden frei ver-einbart werden. Liebe Kollegin Lötzsch, ich halte es fürsinnvoll, nicht wieder zur Praxis in den 70er-Jahren zu-rückzukehren. Für die Linkspartei ist ja das Programm.
Bei Girokonten behalten sich die Kreditinstitute zumeistdie Änderung des Zinssatzes in Zinsanpassungsklauselnvor. Diese Klauseln unterliegen dem Recht betreffenddie AGBs. Der BGH hat hierzu entschieden – FrauStaatssekretärin Heinen hat eben darauf hingewiesen –,dass diese Klauseln eine Anpassungssymmetrie habenmüssen. Das heißt, dass die Institute die Verpflichtunghaben, Zinssätze nicht willkürlich zu erhöhen. Im Um-kehrschluss gilt, dass daraus auch eine Verpflichtung zurHerabsetzung des Vertragszinses in Relation zur Markt-zinsentwicklung resultiert. Ich erlaube mir hier denHinweis, dass die Banken der Wettbewerbsaufsicht desBundeskartellamtes unterliegen, aber auch die Verbrau-cherorganisationen die Möglichkeit haben, mögliche ge-setzwidrige Praktiken im Zusammenhang mit den AGBsmit einer Unterlassungsklage zu verfolgen. Wir solltensie ermutigen, das auch zu tun.Was erwarten die Verbraucherinnen und Verbraucher?Erstens. Wir haben aus der Finanzkrise mit den unzähli-gen geschädigten privaten Kleinanlegern eines gelernt:Wir müssen die Nachfrageseite des Finanzmarktes stär-ken. Wir brauchen eine außerhalb der BaFin existierendeAufsicht – eine Art Finanz-TÜV –, die den Markt syste-matisch und verbraucherorientiert beobachtet, auch denBereich der Kreditzinsen.
– Erzählen Sie doch keinen Unsinn. ––dblWtUclbusüWninwcwEFkvshgfKDbukKanwetgwg
Schauen Sie sich doch einfach die Anträge an, die aufem Tisch liegen. – Es ist sinnvoll, dass etablierte Ver-raucherorganisationen kooperieren und wir diese staat-icherseits stärken und unterstützen. Mit der Stiftungarentest und den Verbraucherzentralen bestehen Insti-utionen, die dies leisten können. Barack Obama in denSA gibt ebenfalls ein Beispiel, wie das Ganze zu ma-hen ist.Zweitens. Es gibt im Privatkreditgeschäft offensicht-ich zu wenig Konkurrenz unter den Instituten. Der Wett-ewerb muss gestärkt werden; die Existenz von mehrnd auch kleineren Anbietern wird zu niedrigeren Zins-ätzen führen. Vielleicht sollte man wirklich einmalberlegen, wie groß Banken eigentlich werden dürfen.arum müssen sie systemisch sein? Warum können sieicht kleiner sein und den normalen Untergangszyklenn einer Marktwirtschaft unterliegen?Drittens. Schließlich müssen sich die Verbraucherin-en und Verbraucher auch im Kreditmarkt so verhalten,ie es beim Konsumgüterkauf üblich ist: Preise verglei-hen, mit den Instituten verhandeln oder den Anbieterechseln. Auch ein Girokonto kann gewechselt werden.s ist allerdings Fakt, dass die Kreditinstitute in vielenällen mit Lockvogelangeboten werben. Kaum jemandommt in den Genuss des niedrigsten Zinssatzes. Daerschleiern und tricksen die Banken.Es darf nicht sein, dass die Banken von der Krise, dieie selbst verursacht haben, auch noch profitieren. Des-alb fordern wir: Herunter mit den Kreditzinsen! Dies istut für die Verbraucherinnen und Verbraucher und auchür die Konjunktur.Herzlichen Dank.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die
ollegin Christine Scheel das Wort.
Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen!ie Frage, welche Privatkredite Verbraucher und Ver-raucherinnen bekommen, ist das eine; das andere istnsere wirtschaftliche Lage und die Überlegung, wieleine und mittlere Unternehmen an die notwendigenredite kommen. Letzteres ist das, was uns eigentlichm meisten umtreibt. Die Bedingungen für diese Unter-ehmen sind schlechter geworden. Das bedeutet, dassir nachweislich eine Kreditklemme haben. Wenn maninmal Revue passieren lässt, was in den letzten Mona-en passiert ist und welche Hausaufgaben die Bundesre-ierung in diesem Kontext hätte machen können, dannird klar, dass die Bankenrettung auf freiwilliger Basisescheitert ist.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25593
)
)
Christine ScheelDie EZB und andere Notenbanken haben Geld in dieMärkte gepumpt. Die Märkte wurden regelrecht geflutet.Das Geld versackt bei den Banken. Wir fragen uns, wa-rum die Banken bei der Kreditvergabe knausern und dieZinsen erhöhen. Die Antwort liegt seit Monaten auf demTisch: Die Banken haben auf der einen Seite zu wenigEigenkapital für neue Risiken, weil sie immer noch aufeinem Berg von Schrottpapieren sitzen. Gleichzeitig ha-ben sie kein Vertrauen in andere Banken, weil sie dieSorge haben, dass diese noch Leichen im Keller haben.Auch Ihr bombastisches Bankenrettungspaket von480 Milliarden Euro hat nichts daran geändert. DiesesTrauerspiel müssen wir zur Kenntnis nehmen.
Auf der anderen Seite ist es klar, dass Banken Eigen-kapital bilden müssen. Dazu müssen sie Gewinne erzie-len. Diese Polster werden sie – die Insolvenzwellekommt leider – dringend brauchen. Deswegen horten dieBanken die Liquidität und heben die Kreditzinsen an;denn nur so können sie Geld verdienen. Das ist die Lo-gik in dieser ganzen Angelegenheit. Es bringt nichts,wenn Finanzminister Steinbrück und Bundesbankpräsi-dent Weber die Rufer in der Wüste spielen und an dieBanken appellieren, mehr Kredite zu vergeben. Die Poli-tik ist hier gefragt, und die Politik muss einen Strategie-wechsel bei der Bankenrettung vollziehen. Andere Län-der machen uns das vor.
Was ist zu tun?Erstens. Wir brauchen einen Stresstest nach US-Vor-bild. Banken, die bei einem solchen Test schlecht ab-schneiden, sollen Rekapitalisierungsmaßnahmen nichtmehr ablehnen können.Zweitens. Notwendig ist, dass diese Banken ihreSchrottpapiere verbindlich und zu transparenten Bedin-gungen auslagern; denn nur so kann überhaupt Vertrauenin ein Neugeschäft entstehen.
Drittens. Es muss offengelegt werden, wohin dieSteuermilliarden fließen. In den USA wird im Internetveröffentlicht, welche Bank von welchen Maßnahmenprofitiert. Das Geld der Steuerzahler und der Steuerzah-lerinnen, der Bürger und der Bürgerinnen hat den Total-crash verhindert. Deswegen werden zu Recht mehrTransparenz und mehr parlamentarische Kontrolle ein-gefordert.
Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik konn-ten so wenige Menschen so viel Geld vergeben, ohne ei-ner effektiven Kontrolle zu unterliegen. Das halten wirfür skandalös. Auch hier muss mehr Transparenz ge-schaffen werden. Dazu braucht es eben diesen Strategie-wechsel. Um diesen Strategiewechsel herbeizuführen,mdlfeVggjPEdsmg1KHaKsdnKSBVrGDk3mdgEtbInnwZkra
Metadaten/Kopzeile:
25594 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Es klang ein bisschen so, als wenn du dich in Rage ge-edet hättest; egal.
Das Thema „Konjunkturpaket II“ ist keines, bei deman sich in Rage reden muss, sondern ganz im Gegen-eil: Es ist ein Thema, bei dem Applaus angesagt ist.
as Konjunkturpaket II ist eine tolle Sache. Es hilft denommunen. Wenn man mit Vertretern der Kommunenpricht, dann hört man eigentlich nur Lob für diesesonjunkturpaket II. Den Kommunen werden Mittel zurerfügung gestellt, die der Bund alleine schultert. Dasinden die Kommunen gut, und das kann man auch ver-tehen.
Mit den Geldern können, wollen und müssen dieommunen die energetische Sanierung insbesondere ih-er Schulen finanzieren. In den Schulen führt man solcheaßnahmen in der Regel in den Sommerferien durch.a die Sommerferien gerade erst vor der Tür stehen, istlar, dass noch nicht sehr viele Mittel abgeflossen seinönnen. Das wird sich dramatisch ändern. Im Gesetz ha-en wir auch vorgesehen, dass die Hälfte der gesamtenrogrammmittel, wenn es eben geht, bis Ende des Jahresu investieren ist. Ich bin zuversichtlich, dass das klappt.Übrigens, die Bild-Zeitung hat vor kurzem eine Un-ersuchung zu genau dieser Frage in Auftrag gegeben.or zwei Wochen ist man in dieser Untersuchung zu demrgebnis gekommen: Das Paket beginnt zu wirken. – Manat uns – das ist bei der Bild-Zeitung schon etwas Be-onderes – für dieses Paket gelobt; das sollte man einmalesthalten.Jetzt aber zum Thema der Aktuellen Stunde – ichuss mich ein wenig beeilen; denn die Zeit läuft –: „Kri-ik der Bundesbank an überhöhten Kreditzinsen der
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25595
)
)
Bernd Scheelendeutschen Banken“. Heute Morgen hat der Vorsitzendedes Finanzausschusses zu Beginn der letzten Sitzungdieser Legislaturperiode eine kurze Bilanz gezogen undfestgestellt: Es war viel Arbeit in den letzten vier Jahren. –Das war immer schon so, auch in den vorherigen Legis-laturperioden, aber insbesondere natürlich im letztenJahr bedingt durch die Finanzkrise. Wir alle gemeinsamhaben im Finanzausschuss, im Haushaltsausschuss undauch hier im Plenum mit dem Bankenrettungsschirmeine Menge Arbeit gehabt. Diesen haben wir nicht auf-gespannt, weil es uns Spaß gemacht hat, sondern weildas die einzige Möglichkeit war, das Bankensystem vordem Kollaps zu bewahren und damit auch die Einlagender Sparerinnen und Sparer, die Einlagen von Versiche-rungen, von Lebensversicherungen, von Krankenversi-cherungen und anderen, zu sichern. Das hat, wie ichglaube, ganz gut funktioniert.Wir gehen in dieser Woche einen weiteren Schritt,und zwar am Freitag mit dem Bad-Bank-Gesetz, um denBanken nun wirklich auch jede Möglichkeit zu geben,ihrer eigentlichen Aufgabe nachzukommen, nämlichKredite zu vergeben. Die EZB hat diese Politik der Bun-desregierung, aber auch vergleichbare Politiken anderereuropäischer Regierungen durch eine Zinssenkungspoli-tik begleitet: Der Leitzins wurde von 3,75 Prozent imOktober letzten Jahres in mehreren Stufen bis heute auf1 Prozent gesenkt. Außerdem hat sie in der letzten Wo-che die Märkte sozusagen mit Geld überschwemmt undgeflutet. Geld ist also da; Liquidität ist vorhanden. Dasheißt, die Bundesregierung, das Parlament und die EZBhaben ihre Hausaufgaben gemacht. Es liegt jetzt an denBanken, ihrer Verantwortung auch gerecht zu werden.Die Aufgabe von Banken ist, Kredite zu vergeben. Wennsie das nicht tun, haben sie ihre Existenzberechtigungverloren. Ihre einzige Aufgabe ist, Kredite zu vergeben.
Wir haben ihnen dazu das Instrumentarium an die Handgegeben.Zu dem Problem, das unter dem Stichwort „Kredit-klemme“ diskutiert wird, gibt es zwei Meinungen: Dieeine lautet, es gibt sie. Die andere lautet, es gibt sienicht. Ich glaube, die Wahrheit liegt dazwischen. Es gibtkeine allgemeine Kreditklemme. Kollegin Arndt-Brauerhat ja vorhin darauf hingewiesen, dass viele Banken,Sparkassen, aber auch Genossenschaftsbanken, in die-sem ersten Halbjahr mehr Kredite als im Vergleichszeit-raum des vorigen Jahres ausgereicht haben. Wir hörenaber umgekehrt aus der Wirtschaft, dass dort das Emp-finden vorherrscht, dass Kreditlinien gekürzt werden,dass es schwieriger ist, an Kredite zu kommen, und dasshöhere Zinsen verlangt werden. Ich glaube, beides istrichtig. Dass im Einzelfall höhere Zinsen verlangt wer-den, will ich gar nicht kritisieren. Da muss man genauhinschauen. Wir haben mit Basel II ja beschlossen, dassKreditrisiken bewertet werden müssen und eine risiko-adäquate Bepreisung der Kredite erfolgen muss. Daswill ich also nicht kritisieren.Darüber hinaus muss man aber feststellen, dass dieBanken insgesamt viel zu vorsichtig bei Kreditvergabensind. Man muss auch festhalten, dass die Wirtschafts-kiAbKddtd–hrd86aDgatsnsdagdr–BbBwKK
as hat dazu beigetragen, dass die Unternehmen jetztanz gut durch die Krise kommen. Dafür hat sicherlichuch – der Zuruf von Staatssekretär Diller ist völlig rich-ig – das Steuerrecht gesorgt. Früher war es günstiger,ich hoch zu verschulden. Heute ist es günstiger, sichicht so hoch zu verschulden. Wir sind hier also gemein-am wohl auf dem richtigen Weg.
Kollege Scheelen, ich kann jetzt leider keine Zeitkre-
ite ausreichen. Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Ja, ich komme sofort zum Schluss. Ich bin eigentlich
m Schluss meiner Rede. Ich will zum Ende nur noch sa-
en: Wir appellieren heute an die Banken. Ich glaube,
er Weckruf des Bundesbankpräsidenten Weber ist zur
echten Zeit gekommen.
Er hat es jetzt noch einmal deutlich gemacht. – Der
undesfinanzminister und die Verbraucherministerin ha-
en in dieselbe Kerbe geschlagen. Es liegt jetzt an den
anken, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Dabei
ollen wir sie gerne unterstützen.
Vielen Dank.
Für die Unionsfraktion hat nun die Kollegin Julia
löckner das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Die derzeitige Arbeitsteilung, wonach die
Metadaten/Kopzeile:
25596 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Julia KlöcknerSteuerzahlerinnen und Steuerzahler, die Bürgerinnenund Bürger, für die solidarische Beschaffung des Geldesund die Banken für die individuelle Verwaltung derSchatztruhe zuständig sind, funktioniert nicht. Das führtzu erheblichen Unruhen. Jeder von Ihnen, der im Wahl-kreis unterwegs ist, kennt sicherlich folgende Situation:Man kommt mit Unternehmerinnen und Unternehmernoder Verbraucherinnen und Verbrauchern ins Gespräch,die sich darüber ärgern, dass sie recht niedrige Zinsenbekommen, wenn sie Geld bei einer Bank anlegen, aberein Vielfaches dieser Zinsen zahlen müssen, wenn sie zuderselben Bank gehen und Geld leihen wollen.
Natürlich liegt zwischen Spar- und Kreditzinsen eineMarge, aber die Frage ist, ob diese angemessen ist.Dass es, wenn die Leitzinsen gesenkt werden, sehrlange dauert, bis die Kreditzinsen der Banken, wennüberhaupt, angepasst werden – Frau Heinen hat eben er-wähnt, dass diese bei der Berliner Sparkasse sogar nocherhöht wurden –, dass aber, wenn die Leitzinsen angeho-ben werden, diese Erhöhung sofort weitergegeben wird,erinnert mich sehr an die Kopplung des Gaspreises anden Ölpreis: Herauf geht es schnell, herunter aber nurlangsam und selten.Wir werden uns in dieser Woche noch mit vielen The-men beschäftigen, bei denen es um das Verhältnis zwi-schen Verbraucherinnen und Verbrauchern und Bankengeht. Im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz wurde heute die Verbraucherkredit-richtlinie behandelt. In Zukunft darf in Zeitungsanzeigenoder anderen Werbebotschaften für Kredite nicht mehrmit Lockzinsen geworben werden, die eigentlich fürkaum einen Antragsteller gelten. Die meisten habennicht einen Zins von 2 Prozent, sondern von 12 Prozentoder 14 Prozent zu zahlen. Dies werden wir ändern. Der-artige Lockvogelangebote darf es zukünftig nicht mehrgeben. Vielmehr muss der versprochene Zinssatz in zweiDritteln der Fälle auch tatsächlich verfügbar sein. Überdas Schuldverschreibungsgesetz werden wir am Freitagdiskutieren; darauf möchte ich jetzt nicht eingehen.Die Verbraucher, die Unternehmer und wir Politikersehen es nicht länger ein, an der Nase herumgeführt zuwerden. Es darf nicht sein, dass just diejenigen die Sie-ger in der Finanzkrise sind, die in erheblichem Maße zuihrer Verursachung beigetragen haben. Es ärgert michsehr, wenn diese jetzt die größten Profiteure der Krisesind. Deswegen freue ich mich über die klaren Wortevon Herrn Weber; Kollege Otto Bernhardt wird späterdarauf noch eingehen.Ich bin sehr erstaunt darüber, dass die Commerzbankjetzt einen Sprechzettel mit Argumenten vorbereitet hat,mit denen man auf diese Debatte antworten kann; dennan Argumenten fehlt es doch gerade.Ich finde, dass die Kritik gerechtfertigt ist. Da dieBanken für die Kreditvergabe untereinander noch güns-tigere Konditionen als den Leitzins haben, kann es nichtsein, dass uns immer wieder gesagt wird, dass die über-hbbVShlgünnAdwdtbinasmtsjlnFWdgBnzsUbpdlfKvu
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25597
)
Doris BarnettDie Liquiditätsspritze hat also nicht in erster Linie dasZiel, die Banken aus der von ihr mitverursachten Krisezu retten oder sogar deren Gewinn zu erhöhen, sondernsie dient der Realwirtschaft mit kostengünstigen Kredi-ten, um die Konjunktur wieder zum Laufen zu bringenbzw. am Laufen zu halten. Nicht ohne Grund überlegtjetzt Bundesbankpräsident Weber, dass in dem Fall, dassdie niedrigen Zinsen nicht weitergegeben werden, dieWirtschaft direkt gestützt werden muss, wie es auch inden USA jetzt geschieht. Die dortige Notenbank kauftdie Papiere der Unternehmen direkt, um so unmittelbarin das Marktgeschehen einzugreifen. Selbst der ifo-Chef,Herr Sinn, bemerkt, dass seiner Meinung nach die Ban-ken darauf hinsteuern, das Geld eher zu horten und anzu-legen, als es in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen. Da-gegen verweist der Präsident des Bundesverbandsdeutscher Banken, Andreas Schmitz, darauf, dass dieBonität der Kunden während der Rezession sinkt unddeswegen die Banken zögerlich bei der Kreditvergabesind.Daraus erwächst aber die Gefahr, dass eine Spirale inGang gesetzt wird: Wenn die Außenstände der Unter-nehmen hoch sind, weil die Zahlungsmoral ihrer Kun-den, von denen sie abhängig sind, schlecht ist, da diesesich durch längere Zahlungsziele Vorteile verschaffenwollen, dann haben die Unternehmen oft nur sehrknappe Betriebsmittel und brauchen, um ihrerseits Rech-nungen bezahlen und Investitionen tätigen zu können,Geld von der Bank. Aber weil ihnen plötzlich die Luftausgegangen ist, werden sie von den Banken herunterge-stuft und kommen noch schwerer an Kredite, was bis zurInsolvenz führen kann.Noch schlimmer sieht es derzeit bei Existenzgründernaus. Sie haben oft keine gute Bonität, weil ihr Unterneh-men erst kürzlich gegründet wurde bzw. sie viel zu kurzam Markt sind. Dabei bemängeln wir doch ständig, dassdie Gefahr besteht, dass Deutschland zu einer Grün-dungswüste wird.Die Politik hat ihre Hausaufgaben gemacht. Wir ha-ben mit dem Konjunkturpaket I die Stabilisierung desBankensystems erreicht, und das Gesetz zur Bad Bankwerden wir wahrscheinlich noch in dieser Woche verab-schieden. Ich weiß, dass die Mittel, die wir in den Kreis-lauf gegeben haben, eine erhebliche Belastung für dieöffentlichen Haushalte sind, weshalb wir für die Banken,die Geld von uns bekommen, entsprechende Auflagenund eine Aufsicht vorgesehen haben.Durch das Konjunkturpaket II – darüber wurde eben-falls schon gesprochen – werden der Arbeitsmarkt, diePrivathaushalte und, nicht zu vergessen, auch die Kom-munen stabilisiert. Was wir jetzt brauchen, ist ein Mit-machen der Banken; denn sie sind Teil des Systems undkönnen sich nicht aus der Verantwortung stehlen.Die günstigen Bedingungen, die die Europäische Zen-tralbank für die Banken schafft, müssen – ich sage esnoch einmal – von diesen weitergegeben werden. Denngerade die Banken haben jetzt die Verpflichtung, mitzu-helfen, den Wirtschaftsmotor zum Laufen zu bringenbzw. am Laufen zu halten; sie dürfen ihn nicht abwür-gen. Vorsicht, wie Sie vorhin gesagt haben, ist für Ban-kGljstdebRtRIUnkUdsshucbrmsungEERgaKdfsajahs
Das Wort hat der Kollege Eckhardt Rehberg für die
nionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeord-eten! Die Wahrnehmung von Kredithürden und Kredit-lemmen ist natürlich sehr unterschiedlich. Die letztenntersuchungen des Ifo-Instituts von Ende Juni zeigen,ass 54 Prozent der Unternehmen mit über 1 000 Be-chäftigten – es sind nicht so sehr die kleinen und mittel-tändischen Unternehmen, Kollege Thiele – eine Kredit-ürde beklagen. Die letzte Umfrage von den Industrie-nd Handelskammern kommt im Prinzip zu dem glei-hen Ergebnis.Auf dem Geldmarktsektor gibt es drei Säulen: Privat-anken, Sparkassen und Volksbanken. Die Privatbankenefinanzieren sich überwiegend auf dem Interbanken-arkt. Auf diese trifft der Vorwurf des Bundesbankprä-identen Weber ohne Wenn und Aber zu. Die Sparkassennd die Volksbanken refinanzieren sich überwiegendicht am Interbankenmarkt. Aber auch sie müssen Fra-en beantworten; denn auch bei den Sparkassen sind dieinlagenzinsen überwiegend nicht höher als 1 Prozent.s gibt keine wesentlichen Unterschiede bei Zinsen füratenkredite, Überziehungs- oder Dispokredite im Ver-leich zu denen der Privatbanken. Die Sparkassen habenllein 111 Milliarden Euro mehr an Einlagen, als sie anrediten ausgereicht haben. Ich hebe hier deswegen aufie Sparkassen ab, weil wir ja ihre besondere Bedeutungür den Mittelstand sehen müssen. Die Sparkassen habenchon wegen ihrer regionalen Verankerung eine deutlichndere Funktion als Privatbanken. Außerdem gilt: Nichtede Sparkasse kann das Thema Landesbank als Problemnführen.Besonders spannend ist, was heute die Commerzbankerausgegeben hat. Die Commerzbank, die unter dentaatlichen Schutzschirm gekommen ist, hat am 8. Mai
Metadaten/Kopzeile:
25598 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009
)
)
Eckhardt Rehbergin einer Pressemitteilung geäußert, dass sie Schiffsfinan-zierungen – dies betrifft unter anderem auch meinenWahlkreis – nur selektiv bzw. gar nicht mehr machen will.Die Commerzbank sollte sich einmal genau das Finanz-marktstabilisierungsgesetz durchlesen. Was nun heute vonder Commerzbank herausgegeben worden ist, halte ich inTeilen schlichtweg für Verdummung. Es wird davon ge-sprochen, der harte Wettbewerb um Spareinlagen vonPrivaten habe dazu geführt, dass deren Zinssätze nachdem Zusammenbruch von Lehman Brothers nicht gesun-ken seien und sie daher inzwischen über dem EZB-Leit-zins lägen. Von Oktober 2008 bis Dezember 2008 lagendie Zinsen für Festgeld noch bei 4 bis 5 Prozent. Wiehoch sind sie heute?Weiter heißt es dort, die Zentralbankzinsen würdenvon den Banken derzeit genauso wirksam in Kreditzin-sen übersetzt wie in der Vergangenheit. Der Kreditkanalder Geldpolitik funktioniere also. Wer sich die Spreizungzwischen dem EZB-Zinssatz in Höhe von 4,25 Prozentzu den Hypothekenkreditzinsen vor einem Jahr an-schaut, der erkennt einen Unterschied von 150 Basis-punkten. Heute liegen die EZB-Leitzinsen bei 1 Prozent,und die Zinsen für Kredite sind eher auf dem gleichenNiveau geblieben. Deswegen kann ich nur an die Bankappellieren, mit dieser Verdummung – ich nehme diesenBegriff bewusst in den Mund – endlich aufzuhören.Frau Kollegin Scheel, noch eine Bemerkung zumKonjunkturpaket II. Die Baubetriebe bei mir vor Ort sa-gen mittlerweile: Macht nicht so schnell mit der Umset-zung. Wir haben im Augenblick noch genug Aufträge.Es ist besser, wenn noch etwas für das nächste Jahr übrigbleibt. – Insoweit glaube ich, dass man auch dieses Pro-blem realistisch betrachten muss. Außerdem sagen sie:An den Ausschreibungen merkt man, dass das Konjunk-turpaket II vor Ort wirkt. – Hieran wird deutlich, dasswir zielorientiert handeln.Ich möchte einen weiteren Bereich ansprechen: dieWarenkreditversicherung. Hier handelt die Bundesregie-rung schnell. Sie hat heute im Wirtschaftsausschussvorgetragen, dass der Bund, weil sich die privaten Kre-ditversicherer aus dem Akkreditivbereich fast völlig zu-rückgezogen haben, eine Lösung finden wolle. Dennwenn die Zulieferer keine Kreditversicherung mehr be-kommen, dann ist Vorkasse sehr schnell ein Thema fürden Hauptauftraggeber.Eine Abschlussbemerkung. Sicher gibt es eine weitwahrnehmbare Kredithürde, aber noch keine flächende-ckende Kreditklemme. Gleichwohl ist das gewichtigeWort des Bundesbankpräsidenten richtig, dass sich dieBanken – so übersetze ich das – ihrer gesellschaftspoliti-schen Verantwortung stellen müssen. In diesem Sinneverstehe ich auch diese Aktuelle Stunde.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Otto Bernhardt für die
Unionsfraktion.
H
v
d
d
w
b
A
s
A
a
g
u
d
e
u
t
e
4
d
d
i
a
s
z
d
t
k
n
e
e
i
v
t
s
v
a
s
Z
s
u
d
S
P
e
k
t
c
s
k
t
1
m
A
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 1. Juli 2009 25599
(C)
(D)
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 2. Juli 2009,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.