Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-
zung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gebe ich bekannt:
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mitgeteilt, dass
der Kollege Volker Beck als stellvertretendes Mitglied
aus dem Vermittlungsausschuss ausscheidet. Als Nach-
folgerin wird die Kollegin Bärbel Höhn vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen Wider-
spruch. Dann ist die Kollegin Höhn zum stellvertreten-
den Mitglied des Vermittlungsausschusses gewählt.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung des Grundgesetzes
– Drucksache 16/13105 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
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Redet
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung luftverkehrsrechtlicher Vorschriften
– Drucksache 16/13107 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss
Eine Aussprache ist für heute nicht vorge
kommen daher gleich zu den Überweisungen
tionell wird Überweisung der Gesetzentwür
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24492 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Mai 2009
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0 dB(A) in der Nacht. Laut Fluglärmgesetz sind bei
ärmpegeln im Außenschallbereich unter 60 bzw.
0 dB(A) überhaupt keine Lärmschutzmaßnahmen vor-
esehen. Plant die Bundesregierung hier, sozusagen im
orgriff auf eine weitere Novellierung, die Grenzwerte
m Außenschallbereich, mit denen festgelegt wird, ab
ann Schallschutz zu bezahlen ist, abzusenken?
A
Die Bauschalldämmmaße in der Tabelle mit den ver-
chiedenen Grenzwerten für die unterschiedlichen Be-
astungen am Tag, in der Nacht und je nach Entfernung
um Flughafen sind so ausgestaltet, dass der Innenpegel
ür alle Betroffenen am Ende in etwa den gleichen Wert
rreicht. Auch für diejenigen, die weiter weg wohnen,
ind entsprechende Maßnahmen zu treffen. Das gilt für
iejenigen, die von Lärm mit weniger als 60 dB(A) be-
roffen sind.
Weitere Fragen? – Herr Kollege Kauch.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Mai 2009 24493
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Ich habe eine Frage zu § 5 Abs. 4 der Verordnung.
Dort ist vorgesehen, dass die Kosten für Schallschutz-
maßnahmen maximal 150 Euro pro Quadratmeter betra-
gen, und zwar inklusive der Belüftungsmaßnahmen. Auf
welche Weise hat die Bundesregierung sichergestellt,
dass diese Kostengrenze in jedem Fall ausreichend ist,
um die Dämmmaße, die in § 3 der Verordnung genannt
sind, zu erreichen?
A
Bisher galt hier eine Höchstgrenze von 130 DM je
Quadratmeter; jetzt sollen 150 Euro je Quadratmeter gel-
ten. Hier wurden die Kostensteigerungen seit der letzten
Verordnung eingerechnet, sodass an dieser Stelle der bis-
herige Höchstwert beibehalten wird.
Gibt es weitere Fragen? – Herr Kollege Kauch.
Das ist dann aber wirklich die letzte Frage. – Frau
Staatssekretärin, im Fluglärmgesetz von 2007, dem die
FDP zugestimmt hat, gibt es eine Bestimmung, die wir
kritisch gesehen haben, nämlich dass der Bund für dieje-
nigen Flughäfen, die er selbst betreibt, niedrigere Anfor-
derungen an den Schallschutz vorsieht als für diejenigen,
die den Privaten, den Ländern oder den Kommunen ge-
hören. Ganz konkret: Für Militärflughäfen gilt erst ab ei-
nem deutlich höheren Schallpegel die Verpflichtung, den
Anwohnern Schallschutzmaßnahmen zu bezahlen. Plant
die Bundesregierung hier eine Novellierung, um die An-
wohner von Militärflughäfen mit denen von Zivilflughä-
fen gleichzustellen?
A
Das Fluglärmgesetz ist gerade novelliert worden und
wird mit dieser Verordnung konkretisiert. Es ist richtig,
dass an militärische Flughäfen – und zwar nicht nur an
diejenigen, die im Eigentum des Staates stehen, sondern
auch an andere – andere Anforderungen als an zivile
Flughäfen gestellt werden. Das war im Wege des Kom-
promisses damals nicht anders durchsetzbar. Es gibt
keine Planung, das Fluglärmgesetz an dieser Stelle zu
novellieren.
Herr Kollege Kauch, haben Sie noch eine Frage? –
Nein. Dann schaue ich in die Runde, ob weitere Fragen
zu diesem Thema vorhanden sind. – Das ist nicht der
Fall.
Herr Staatsminister Gröhe, Sie beantworten Fragen zu
anderen Themen der Kabinettssitzung. Gibt es Fragen
dazu? – Frau Kollegin Enkelmann möchte gern eine
Frage stellen. Frau Enkelmann, bitte.
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zieht sie aus dieser kritischen Bewertung durch das von ihr
berufene Sachverständigengremium?
Bitte schön.
Dr
Herr Abgeordneter Gehring, zunächst einmal ver-
weise ich darauf, dass das Bundesjugendkuratorium ein
Beratungsgremium der Bundesregierung ist. Dieses Gre-
mium wurde am 2. Februar 2007 gebeten, praxisorien-
tierte Vorschläge bei der Profilierung der Jugendpolitik
vorzulegen. Ende März 2009 hat das Bundesjugendkura-
torium daher die zitierte Stellungnahme „Zur Neuposi-
tionierung von Jugendpolitik: Notwendigkeit und Stol-
persteine“ beschlossen.
Das Bundesjugendkuratorium hat in seiner Stellung-
nahme den querschnittsorientierten Ansatz der Jugend-
politik hervorgehoben, den aktuellen Stand der Debatte
zu einer zukunftsorientierten Jugendpolitik reflektiert,
die wichtigsten Handlungsfelder einer kohärenten Ju-
gendpolitik aufgeführt und eine umfangreiche Darstel-
lung der aktuellen politischen und fachlichen Diskurse
dazu vorgelegt. Die Bundesregierung dankt dem Bun-
desjugendkuratorium ausdrücklich für das Papier und
wird die darin enthaltenen Hinweise für die Entwicklung
einer kohärenten Jugendpolitik – soweit der Bund be-
troffen ist – prüfen.
Allerdings hat die Bundesregierung in ihrer Antwort
auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen „Jugendliche in Deutschland: Perspektiven
durch Zugänge, Teilhabe und Generationengerechtig-
keit“ vom 23. März 2007 zu den Zielen und Inhalten der
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Frau Kollegin Höhn, bitte.
Herr Staatssekretär, vor anderthalb Wochen haben in
mden ungefähr 5 000 Menschen gegen das geplante
ohlekraftwerk demonstriert. Ministerpräsident Wulff
us Niedersachsen hat in diesem Zusammenhang gesagt,
r wolle das Kohlekraftwerk in Emden nicht gegen den
illen der Bevölkerung in dieser Region bauen lassen.
ie sieht das die Bundesregierung? Kann sie die Hal-
ung von Herrn Wulff unterstützen, und meint auch das
undeswirtschaftsministerium, dass man es nicht gegen
ie Position der Menschen in dieser Region bauen
ollte? Sehen Sie den Protest von 5 000 Menschen als
eichen für den Willen der Bevölkerung, dass dieses
raftwerk nicht gebaut werden soll?
H
Frau Kollegin Höhn, auch hier ist die Trennung der
uständigkeiten zu beachten. Wir genehmigen solche
orhaben nicht; das machen die Länder und die Gemein-
en. Wie sie sich dazu stellen, liegt in ihrer eigenen Ver-
ntwortung. Das hat die Bundesregierung nicht zu kom-
entieren.
Ich rufe die Frage 23 der Kollegin Bärbel Höhn auf:
Wie beabsichtigt die Bundesregierung ein Vertragsverlet-
zungsverfahren der EU-Kommission wegen der schon seit
mehr als einem Jahr verspäteten Umsetzung der Richtlinie
über Energieeffizienz und Energiedienstleistungen zu verhin-
dern, und welche Sanktionen könnten Deutschland in einem
solchen Vertragsverletzungsverfahren schlimmstenfalls dro-
hen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
H
Frau Kollegin Höhn, die Bundesregierung unterrich-et die Europäische Kommission im Rahmen des Ver-ragsverletzungsverfahrens fortlaufend über Fortschritteei der Umsetzung der Richtlinie über Energieeffizienznd Energiedienstleistungen. Dabei hat die Bundesregie-ung die Europäische Kommission insbesondere über die
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Mai 2009 24505
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)
Parl. Staatssekretär Hartmut Schauerteim Rahmen des Integrierten Energie- und Klimapro-gramms der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmenzur Steigerung der Energieeffizienz, über die Einrich-tung der Bundesstelle für Energieeffizienz und über denVerfahrensstand zum Energieeffizienzgesetz informiert.Im Falle einer bislang nicht beschlossenen Klageerhe-bung durch die Europäische Kommission wegen nichtvollständiger Umsetzung der Richtlinie droht nach gel-tender Rechtslage noch nicht unmittelbar eine finanzielleSanktion, sondern es ergeht zunächst ein Feststellungs-urteil durch den Europäischen Gerichtshof nach Art. 226des EG-Vertrages. Erst danach kann die EuropäischeKommission das Vertragsverletzungsverfahren nachArt. 228 des EG-Vertrages einleiten, das dann zu finan-ziellen Sanktionen führen kann. Die mögliche Sanktio-nierung für die Zeit zwischen Ersturteil und Zweiturteilnach Art. 228 des EG-Vertrages bzw. dem Ende des Ver-stoßes besteht in der Zahlung eines Pauschalbetrages.Außerdem ist zusätzlich ein Zwangsgeld ab dem Zweit-urteil möglich. Finanzielle Sanktionen würde der Euro-päische Gerichtshof gegebenenfalls auf Vorschlag derEuropäischen Kommission beschließen. Die Europäi-sche Kommission berechnet die Sanktionen, die sie fürangemessen hält, nach den Parametern Schwere, Dauerdes Verstoßes sowie erforderliche Präventionswirkung,um einen erneuten Verstoß zu verhindern.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, es geht um die Energieeffizienz-
Richtlinie. Die Bundesregierung hätte die Richtlinie
schon vor einem Jahr umsetzen müssen.
Die Verbraucher hätten geringere Kosten zu tragen,
wenn Sie stärker auf Energieeffizienz gesetzt hätten;
auch das ist ein Aspekt von Energieeffizienz. Deshalb
frage ich Sie: Warum sind Sie bei der CCS-Technik so
unglaublich schnell – ein Gesetzentwurf zur CCS-Tech-
nik liegt vor, bei dem es um Subventionen für große
Energiekonzerne geht; diesen wollen Sie noch in dieser
Legislaturperiode durchpeitschen, weil Sie die CCS-
Technik in Deutschland einführen wollen –, aber bei der
Energieeffizienz so langsam, obwohl Sie den Menschen
durch eine Steigerung der Energieeffizienz besser helfen
könnten, weil die Energiekosten dann geringer wären?
Warum haben Sie die Richtlinie, die schon vor einem
Jahr hätte umgesetzt sein sollen, immer noch nicht um-
gesetzt?
H
Wir arbeiten sehr intensiv auf dem Gebiet der Ener-
gieeffizienz. Wir haben mit einer Reihe von gesetzlichen
Maßnahmen und freiwilligen Vereinbarungen sehr große
Fortschritte gemacht. Wir haben in Deutschland einen
Ablaufplan. Ich darf einige Zahlen nennen: 52 Prozent
der Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und
46 Prozent der Unternehmen mit mehr als 200 000 Euro
Energiekosten pro Jahr erfüllen bereits heute freiwillig
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Ich rufe die Frage 24 der Kollegin Bärbel Höhn auf:
In welchem Umfang hat die bereits mehr als ein Jahr dau-
ernde Verzögerung des Energieeffizienzgesetzes dazu geführt,
dass Verbrauchern und Wirtschaft vermeidbare Energiekosten
entstanden sind und das Klima durch vermeidbare Treibhaus-
gasemissionen belastet wurde?
H
Zu dieser Frage liegen der Bundesregierung keine Er-
ebungen vor. Zur Umsetzung der Richtlinie 2006/32/
G wurden jedoch zahlreiche Maßnahmen und Gesetze
m Rahmen des Integrierten Energie- und Klimapro-
ramms der Bundesregierung beschlossen. Die damit
erbundene Steigerung der Energieeffizienz senkt ten-
enziell die Energiekosten. Außerdem werden Treib-
ausgasemissionen in Deutschland dadurch gemindert.
Ihre Zusatzfragen.
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24506 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Mai 2009
)
)
Ich stelle gerne eine Frage dazu. Gestern stand in der
Financial Times, dass die Bundesregierung plant, die
energieintensiven Wirtschaftsbereiche zu unterstützen,
weil sie höhere Energiekosten zu tragen haben, zum Bei-
spiel aufgrund der CO2-Zertifikate. Der Kollege Pfeiffer
von der CDU/CSU-Fraktion hat gesagt, dass man in die-
ser Wahlperiode ein entsprechendes Paket verabschieden
will. Sie wollen die Wirtschaft also unterstützen, weil sie
hohe Energiepreise zu tragen hat. In dem Artikel wird
auch erwähnt, dass es schon Gespräche mit dem BMU
und dem Bundeswirtschaftsministerium gegeben hat.
Stimmt das? Sollen in dieser Legislaturperiode Subven-
tionen für energieintensive Betriebe beschlossen werden,
um diese zu unterstützen?
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Frau Höhn, Sie wissen, dass es bei uns einige ener-
gieintensive Betriebe gibt, die ganz eindeutig vor der
Entscheidung stehen, ob sie die Produktion einstellen,
Arbeitsplätze abbauen oder insgesamt schließen müssen.
Das ist eine in jedem Falle mehr als ärgerliche Entwick-
lung für die energieintensiven Unternehmen, die sich im
Wettbewerb befinden, zum Beispiel mit Unternehmen in
Frankreich, denen der Strom für die energieintensive
Herstellung der Güter und Waren erheblich günstiger ge-
liefert wird. Unsere Stromkosten in diesen Bereichen
sind doppelt so hoch wie in Frankreich. Deswegen über-
legen die Bundesregierung wie die Koalitionsfraktionen,
wie sie einen Arbeitsplatzabbau, der gerade in dieser
Situation doppelt ärgerlich ist, vermeiden können. Wir
suchen Lösungen, etwa eine befristete Energieverbilli-
gung für einige wenige Produktionsverfahren, die beson-
ders energieintensiv sind.
Sie haben noch eine Frage.
Welche Bereiche soll das betreffen? Das würde mich
jetzt sehr interessieren. Sie haben gesagt: wenige. Wie
hoch sollen die Subventionen sein, und wann sollen sie
beschlossen werden? Ich finde das interessant: Sie schla-
fen ein Jahr bezüglich der Energieeffizienz – dabei geht
es um hohe Preise für Verbraucher –, und jetzt wollen
Sie ganz schnell einen bestimmten Bereich subventio-
nieren. Ich hätte gern konkret gewusst: welche Bereiche,
wie schnell und in welcher Höhe?
H
Frau Kollegin, das hat nicht den Zusammenhang, den
Sie in Ihrer Frage unterstellen. Die Energieeffizienzan-
strengungen und hohe Energiekosten trotz aller wahrge-
nommenen Effizienzen – gehen Sie bitte davon aus, dass
wir uns bei diesen Unternehmen die Fortschritte bei der
Effizienz ansehen – haben nicht unmittelbar etwas mit-
einander zu tun. Selbst bei sparsamster Energieverwen-
dung im Rahmen aller Effizienzprogramme generell
wird es Bereiche geben, in denen die Wettbewerbsfähig-
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Das steht noch nicht fest. Wir sind im Prozess, festzu-
tellen, was nötig ist, wie es gehen kann, wann es gehen
ann und um wie viel Geld es geht.
Die Frage 25 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch sowie
ie Fragen 26 und 27 der Kollegin Sabine Zimmermann
erden schriftlich beantwortet.
Ich rufe deshalb die Frage 28 der Kollegin Sevim
ağdelen auf:
Welche Bedingungen stellt die Bundesregierung für die
Bereitstellung von Bürgschaften und Staatshilfen gegenüber
den drei konkurrierenden Angeboten zur Übernahme der
Adam Opel GmbH?
H
Frau Kollegin Dağdelen, ich antworte wie folgt:
ventuelle staatliche Unterstützungen sind an beihilfe-
nd haushaltsrechtliche Voraussetzungen geknüpft,
elche die Bundesregierung vor deren Bereitstellung
orgfältig prüfen wird. Da die vorgelegten Konzepte der
isher bekannt gewordenen Interessenten an einer Fort-
ührung oder industriellen Übernahme von Opel sich
tark unterscheiden, können wir zum gegenwärtigen
eitpunkt nicht sagen, welche Bedingungen konkret ein-
ufordern sind.
In jedem Fall wird es darauf ankommen, dass das von
eneral Motors zu wählende Investorenkonzept eine
ragfähige Lösung für die Adam Opel GmbH enthält. Zu
en weiteren Voraussetzungen gehören die hohe Wahr-
cheinlichkeit, dass die staatlichen Mittel nicht verloren
ehen sowie dass die Mittel nicht zur Muttergesellschaft
ns Ausland abfließen können. Die Abstimmungspro-
esse über entsprechende Abschottungsmechanismen,
um Beispiel im Rahmen eines Treuhandmodells, sind
och nicht abgeschlossen.
Lassen Sie mich eine Ergänzung anfügen: In diesem
tand des Verfahrens ist eine öffentliche Erörterung, zu
elchen Bedingungen welche Hilfen an wen gegeben
erden, als durchaus problematisch anzusehen. Denn
ies betrifft einen Kernbereich der Verhandlungen, die
un geführt werden müssen. Eine vorherige öffentliche
estlegung ist für die Erzielung eines im Interesse des
eutschen Steuerzahlers liegenden optimierten Ergebnis-
es eher schwieriger denn nützlich.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Mai 2009 24507
)
)
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich kann Sie nur da-
rin unterstützen, dass es nicht besonders sinnvoll ist, un-
terschiedliche Aussagen – besonders vor dem Hinter-
grund, dass es heute Abend zu diesem Thema ein
Gipfeltreffen geben wird; bekanntlich hat die Bundesre-
gierung dazu mehrere Gipfeltreffen abgehalten – zu den
Verhandlungen zu machen. Könnten Sie vielleicht an Ih-
ren Minister die Bitte von mir und auch anderen Abge-
ordneten herantragen, dass man nicht von Insolvenzen
reden sollte, während man von anderen Übernahmean-
gebote und Konzepte verlangt? Denn solche Äußerun-
gen lösen in der Öffentlichkeit Verunsicherung und Ver-
ängstigung aus, vor allen Dingen bei den Beschäftigten.
Ich möchte etwas zu den Bedingungen nachfragen.
Laut Presseberichten hat der Ministerpräsident von Nord-
rhein-Westfalen, Herr Rüttgers, erklärt, es sei bei den
Verhandlungen klar, dass man einem Konzept, das den
Abbau von Arbeitsplätzen in Bochum in Nordrhein-
Westfalen beinhalte und so keine Zukunft für Opel dort
vorsehe, nicht zustimmen könne. Am vergangenen Sonn-
tag gab es eine Konferenz der Vertrauensleute der
IG Metall, auf der nochmals bestätigt wurde, dass die
NRW-Landesregierung und die Bundesregierung einem
Konzept, das einen Abbau von mehreren Tausend Ar-
beitsplätzen in Bochum vorsehe, ihre Zustimmung ver-
weigern wollten.
Natürlich haben Sie bei den Verhandlungen wichtige
rechtliche Voraussetzungen zu beachten. Ich möchte Sie
fragen: Hat die Bundesregierung in den Verhandlungen
bisher die Position eingenommen, dass es keinen Ar-
beitsplatzabbau geben solle?
H
Ihre Frage beinhaltet zwei Elemente. Das erste Ele-
ment war, dass der Minister zu Guttenberg, der in dieser
schwierigen Fragestellung bisher eine ganz hervorra-
gende Arbeit geleistet hat,
in schädlicher Weise von Insolvenz gesprochen habe. Ich
halte es für absolut zielführend, hilfreich und notwendig,
bis zum Ende der Verhandlungen zwei Dinge festzuhal-
ten:
Erstens. Kein Investor darf so behandelt werden, dass
er meint, er müsse aufgeben und habe keine Chance.
Zweitens. Es liegt im zentralen Interesse des deutschen
Steuerzahlers und der Beschäftigten bei Opel, dass wir
zur Findung der besten und am Ende auch bezahlbarsten
Lösung alle Investoren – am liebsten hätten wir noch den
einen oder anderen Investor zusätzlich – so lange wie
möglich in einem Bieterwettbewerb halten.
Das zweite Element in diesem Zusammenhang ist:
Sie werden den Druck auf alle Beteiligten, die jetzt ihre
Lösungsvorschläge präsentieren, nur so lange aufrecht-
erhalten und damit den höchstmöglichen Ertrag für den
deutschen Steuerzahler und Zukunftsfestigkeit für die
Opel-Beschäftigten erreichen können, wenn Sie eine In-
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ormalerweise geht man anders vor, um Interessenten
u gewinnen. Das, was Sie für konstruktiv, sinnvoll und
ilfreich halten, kommt bei den Opelanern in meinem
ahlkreis ganz anders an. Diese sind eher verunsichert
nd sagen: Das Gerede über die Insolvenz kann man ge-
ade in dieser Zeit absolut nicht gebrauchen.
Ich möchte gerne auf die neuesten Meldungen einge-
en, dass nach dem heutigen Beschluss des Aufsichtsra-
es der US-Autokonzern General Motors die Werke, die
atente und sämtliche Rechte an Technologien von GM
urope an Opel übertragen hat.
Ich möchte Sie nach dem derzeitigen Stand der De-
atte über das Treuhandmodell fragen, weil es in den
ergangenen Wochen mehrere Vorschläge von den Opel-
ändlern, von den Bundesländern mit Opel-Standorten
nd auch von den Vertretern der Beschäftigten gab, das
nternehmen durch Staatsbeteiligungen zu retten, sofern
ie für die Fortführung des Unternehmens erforderlichen
atente, die Rechte und die Technologie an Opel abge-
eben werden.
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Soweit ich in dieser hochkritischen Situation der Ver-andlungen überhaupt noch etwas Weitergehendes sagenann, will ich darauf hinweisen, dass für die Bundesre-ierung und erst recht für den Bundeswirtschaftsministerine staatliche Beteiligung der Bundesrepublik, wie siein solches Modell vorsieht, nicht infrage kommt. Wirind zufrieden, dass wir mit dieser Grundkonstruktionmmerhin eine Situation erreicht haben, die vor vier Mo-aten noch undenkbar gewesen wäre, dass wir nämlichetzt drei, möglicherweise sogar vier ernsthafte, seriöseewerber haben, die bereit sind, die industrielle Führer-chaft und die industrielle Verantwortung zu überneh-en und sich an dem noch zu findenden Konstrukt, ei-em neuen Unternehmen deutschen oder europäischenuschnitts, zu beteiligen, sodass im Moment die Forde-ung nach Verstaatlichung eher zurückstehen kann. Dass
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24508 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Mai 2009
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Parl. Staatssekretär Hartmut SchauerteSie aus Ihrer Programmatik heraus generell für Staatsbe-teiligungen sind, ist klar, aber das kann nicht unser Ratsein in dieser schwierigen Situation.
Herr Kollege Schneider, bitte.
Herr Staatssekretär, Letzteres möchte ich zunächst
einmal zurückweisen. Primäres Ziel sollte – das gilt hof-
fentlich für alle Fraktionen in diesem Hause – der Erhalt
von möglichst vielen Arbeitsplätzen sein. Ich erlaube
mir, noch einmal nachzufragen – Frau Dağdelen hatte
Sie eben ausdrücklich danach gefragt, und Sie haben
keine Antwort auf die Frage gegeben –, inwieweit in Ih-
ren Überlegungen die Frage eine Rolle spielt, ob und in
welchem Umfang Stellen abgebaut werden, und insbe-
sondere, welche Bedeutung verschiedene Konzepte ha-
ben, die ausschließlich im Zusammenhang mit Bochum
diskutiert worden sind.
H
Sie haben recht; diese Frage habe ich vorhin nicht be-
antwortet. Ich hole das gerne nach und bedanke mich,
dass Sie mir Gelegenheit dazu geben.
Für uns ist natürlich der Erhalt von Arbeitsplätzen ein
ganz zentrales Beurteilungskriterium. Aber genauso
wichtig ist die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des
dann gefundenen Zuschnitts. Zum gegenwärtigen Zeit-
punkt sagen alle Investoren, eine Rettung von Opel sei
ohne eine Veränderung in der Beschäftigungsintensität
nicht möglich. Eine solche Veränderung wäre übrigens
auch bei einer Staatsbeteiligung sehr wahrscheinlich un-
vermeidlich.
Die Frage ist, wie viele Arbeitsplätze wo und mit wel-
cher Begründung abgebaut werden. Auch die Betriebs-
räte sehen, dass es ohne Arbeitsplatzabbau keine Lösung
geben kann. Das wissen die Belegschaften. Da ein vor-
läufiges Angebot vorliegt – vorläufig, es ist ja alles noch
nicht endgültig –, das zu einem ganz erheblichen, wie
wir sagen: deutlich überproportionalen, Arbeitsplatzab-
bau in Bochum führen würde, ist zu diesem Punkt eine
konkrete Nachverhandlung erforderlich, die noch nicht
abgeschlossen ist. Bei der Rettung des Opel-Konzerns
werden also europaweit und auch in Deutschland einige
Arbeitsplätze abgebaut werden müssen. Ein anderes Mo-
dell gibt es nicht, von keinem der Beteiligten.
Natürlich werden wir, sobald wir in diesem Zusam-
menhang nach der Bereitstellung von öffentlichen Mit-
teln gefragt werden, auch Wert darauf legen, dass diese
Arbeitsplatzveränderung – so will ich es einmal nennen
– sachgerecht, fair und sozialverträglich im Rahmen der
vorhandenen Möglichkeiten abläuft. Ganz werden wir
sie nicht verhindern können.
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nd der Verhaltenskodex der Europäischen Union vom. Juni 1998 bzw. der entsprechende Gemeinsame Stand-unkt, der am 8. Dezember 2008 durch den Rat verab-chiedet wurde.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Mai 2009 24509
)
)
Parl. Staatssekretär Hartmut SchauerteDie Bundesregierung hat über eine mögliche Liefe-rung von Leopard-2-Panzern an das Emirat Katar auf derGrundlage der Politischen Grundsätze aus dem Jahr2000 entschieden. Die Verhandlungen im Bundessicher-heitsrat unterliegen bekanntlich der Geheimhaltung.
Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, aus Ihrer Antwort, die Bundesre-
gierung habe „auf der Grundlage von …“ entschieden,
schließe ich, dass sie positiv entschieden hat.
Jetzt meine Zusatzfrage. Sie haben die Rüstungs-
exportrichtlinien angesprochen. In den Rüstungsexport-
richtlinien aus dem Jahr 2000 steht, dass Rüstungs-
exporte an sogenannte sonstige Staaten – an Staaten
außerhalb von NATO, EU und an nicht gleichgestellte
Länder wie zum Beispiel Neuseeland und Australien –
grundsätzlich nicht genehmigt werden,
es sei denn, dass … besondere außen- und sicherheits-
politische Interessen der Bundesrepublik Deutsch-
land unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen
für eine … Genehmigung sprechen.
Meine konkrete Frage: Welche erheblichen außen-
und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepu-
blik Deutschland und des Bündnisses sprechen für den
Export von Leopard-2-Panzern nach Katar?
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Herr Nachtwei, Sie haben in Ihrer ersten Einlassung
erklärt, dass Sie aufgrund meiner Antwort davon ausgin-
gen, dass diese Rüstungsexporte genehmigt seien. Dies
ist eine Annahme Ihrerseits, die ich weder bestätige noch
verneine.
Sie sind nicht berechtigt, mich so zu interpretieren, als
hätte ich sagen wollen: Dieser Vorgang ist positiv ent-
schieden.
Damit erübrigen sich auch die weiteren Fragen. Denn
ansonsten würde ich mich spekulativ über einen Vorgang
äußern – außerdem müsste ich Gründe nennen, die dafür
sprechen –, von dem ich sagen muss: Ich kann ihn nicht
bestätigen und werde ihn nicht dementieren.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Ich möchte, wie es in diesem Hohen Hause üblich ist,
die sicherheitspolitischen Implikationen eines möglichen
Exportes ansprechen. Immerhin – Angehörige meiner
Altersgruppe erinnern sich daran – hat die Bundesrepu-
blik in den 70er- und 80er-Jahren einen Beitrag zur mili-
tärischen Ausstattung des Irans und des Iraks geleistet.
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Es tut mir leid, Herr Kollege Steenblock, Ihr Frage-
echt ist ausgeschöpft.
Die Frage 42 der Kollegin Gitta Connemann und die
ragen 43 und 44 des Kollegen Dr. Ilja Seifert sollen
chriftlich beantwortet werden. Vielen Dank, Herr
taatssekretär.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswär-
igen Amts. Zur Beantwortung der Fragen steht der
taatsminister Dr. Gernot Erler zur Verfügung.
Die Frage 45 der Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann
nd die Fragen 46 und 47 der Kollegin Ute Koczy sollen
benfalls schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen zur Frage 48 der Kollegin Dağdelen:
Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um
die Einhaltung und Umsetzung der von Mexiko akzeptierten
Verpflichtungen gegenüber dem UN-Menschenrechtsrat zu
überprüfen, bei denen es um die Implementierung effektiverer
Sicherheitsmaßnahmen für die Menschenrechtsverteidiger
geht, damit zukünftige Angriffe gegen Menschenrechtsvertei-
diger verhindert werden und in Fällen von Ermordung, Dro-
hung und Angriffen gegenüber Menschenrechtsverteidigern
strafrechtlich ermittelt wird und die Täter bestraft werden, so-
wie Mexiko darin zu unterstützen, die Empfehlungen durch
konkrete und effektive Aktionen umzusetzen?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
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Mexiko hat im Februar 2009 in der vierten Sitzunges UPR-Verfahrens, also des universellen periodischentaatenüberprüfungsverfahrens, vor dem Menschen-echtsrat der Vereinten Nationen in Genf seinen nationa-en Menschenrechtsbericht vorgestellt und sich den Fra-en und abgegebenen Empfehlungen der Mitglieder desN-Menschenrechtsrats konstruktiv und aufgeschlos-en gestellt. Hierbei wurden von Deutschland und ande-en Mitgliedern des UN-Menschenrechtsrats Fragen ins-esondere zu der schwierigen und häufig gefährdetenituation von Menschenrechtsverteidigern gestellt. Die
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Staatsminister Dr. h. c. Gernot Erlermexikanische Regierung wurde aufgefordert, die Aktivi-täten von Menschenrechtsverteidigern besser zu schüt-zen.Im Anschluss an diese Sitzung wurden gegenüberMexiko wie gegenüber allen anderen Ländern, die demUPR-Verfahren unterliegen, Empfehlungen abgegeben,in denen auch die Situation von Menschenrechtsverteidi-gern ausdrücklich erwähnt ist. Gegenüber EU-Vertreternhat die mexikanische Regierung im März 2009 angege-ben, 83 der abgegebenen 91 Empfehlungen zu akzeptie-ren und in acht Fällen, bei denen eine gesetzliche Umset-zung wegen der Komplexität eine eingehendere Prüfungerfordert, einen Vorbehalt einzulegen. Es liegen keineInformationen vor, ob die Empfehlungen zu Menschen-rechtsverteidigern uneingeschränkt angenommen wer-den. Die mexikanische Regierung zeigte sich jedoch beidiesem Gespräch, auch zu diesem Thema offen. Im Rah-men des UPR-Verfahrens haben die Länder die Gelegen-heit, noch einmal gegenüber dem Menschenrechtsrat derVereinten Nationen Stellung zu nehmen, ob sie die Emp-fehlungen annehmen oder zurückweisen. Diese Ausspra-che wird für Mexiko im Juni während der elften Sitzungdes Menschenrechtsrats stattfinden. Hierbei wird sichMexiko auch zu den Empfehlungen zu den in Mexiko tä-tigen Menschenrechtsverteidigern äußern.Menschenrechtsfragen, insbesondere die Lage derMenschenrechtsverteidiger, sind Gegenstand des intensi-ven bilateralen Dialogs der Bundesregierung mit Me-xiko. Auf europäischer Ebene hat sich die Bundesregie-rung dafür eingesetzt, dass ein verstärkter strukturierterMenschenrechtsdialog mit Mexiko im Rahmen der stra-tegischen Partnerschaft zwischen der EuropäischenUnion und Mexiko begonnen wird. Menschenrechtsfra-gen waren bislang schon Gegenstand des auf Grundlagedes EU-Globalabkommens mit Mexiko geführten politi-schen Dialogs.
Nachfrage, Frau Dağdelen.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Ich möchte gerade
auch vor dem Hintergrund der Gespräche nachfragen,
die ich als stellvertretende Vorsitzende der deutsch-me-
xikanischen Parlamentarier- und Parlamentarierinnen-
gruppe mit pbi und den Menschenrechtsverteidigerinnen
und Menschenrechtsverteidigern vor Ort in Mexiko
führe.
Von den acht Empfehlungen, die im Rahmen des
Prüfverfahrens vor dem UN-Menschenrechtsrat formu-
liert wurden und die Mexiko noch nicht akzeptiert hat,
beziehen sich fünf auf die Anwendung der Militärge-
richtsbarkeit, also Fuero Militar, und zwar auf Fälle, in
denen militärisches Personal wegen Menschenrechtsver-
letzungen gegen Zivilisten angezeigt wurde, wobei die
Ermittlungen der Militärgerichtsbarkeit in derartigen
Fällen stets zu Straflosigkeit führen. Meine Frage – die
Ihnen zugeschickte Frage haben Sie, mit Verlaub, Herr
Staatsminister, nicht besonders gut beantwortet – lautet:
Was gedenkt die Bundesregierung im Hinblick auf die
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natürlich müssen wir den zweiten Auftritt Mexikos in
Genf abwarten, weil wir erst dann genau wissen werden,
wie Mexiko die Tatsache erklärt, dass es Vorbehalte ge-
gen acht der Empfehlungen hat. Sie haben korrekter-
weise dargestellt, dass es dabei überwiegend um die
Menschenrechtsverteidiger geht.
Neben den Möglichkeiten, die ich schon aufgezeigt
habe – bilaterale und multilaterale Gelegenheiten, etwa
EU-Mexiko-Dialog –, steht uns nur noch das Aufgreifen
von Einzelfällen offen, um deutlich zu machen, was un-
sere Position ist. Ich erinnere daran, dass das vor einiger
Zeit geschehen ist. Sie sind sicherlich über das tragische
Schicksal der indigenen Menschenrechtsverteidiger
Manuel Ponce Rosas und Raúl Lucas Lucía informiert,
die am 20. Februar verschleppt worden sind. Hierzu hat
es nicht nur eine scharfe Verurteilung durch die EU-Prä-
sidentschaft gegeben, sondern am 16. April auch eine
Reise von ständigen Vertretern aus EU-Ländern in die
Provinz Guerrero – wir haben daran teilgenommen –,
mit dem Ziel, sich vor Ort sehr deutlich zu diesem Fall
zu äußern und darauf zu drängen, dass eine Aufklärung
stattfindet. Das sind die Möglichkeiten, die wir haben, in
dem Sinne tätig zu werden, wie Sie es hier angesprochen
haben und ganz offensichtlich auch wünschen.
Die Frage 49 des Abgeordneten Volker Beck und die
Frage 50 des Abgeordneten Wilhelm Josef Sebastian
sollen wiederum schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe als letzte Frage der Fragestunde die Frage 51
des Kollegen Manuel Sarrazin auf:
Trifft es zu, dass Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel be-
reits sondiert hat, ob Friedrich Merz der nächste deutsche EU-
Kommissar werden wird?
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Herr Kollege Sarrazin, der Europäische Rat ist im De-
zember 2008 übereingekommen, dass der Prozess der
Ernennung der künftigen Kommission, insbesondere die
Benennung ihres Präsidenten, unverzüglich nach den
Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2009 ein-
geleitet wird. Gemäß der annotierten Tagesordnung
strebt der tschechische EU-Vorsitz an, beim Europäi-
schen Rat am 18./19. Juni 2009 Einvernehmen über die
Designierung des künftigen Kommissionspräsidenten zu
erzielen. Beschlüsse zu den übrigen Kommissaren ste-
hen derzeit nicht an.
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– Das ist doch lange her. Da waren auch Sie woanders.DnvIwsHmzeSbdbgSFsdVHwezJwBcrhkEsarIwwgdwisN
as können Sie ja nachher ausführen.Günter Verheugen hat vielleicht mehr Detailkennt-isse; denn er kennt seine SPD-Pappenheimer natürlichiel besser, als wir sie kennen. Dazu, dass Sie jetzt aufhren Wahlplakaten schreiben: „Finanzhaie würden FDPählen“ – das können Sie gerne machen; man bekommtogar viel Sympathie dafür –, kann ich nur sagen: Dieserai auf dem Plakat hat viele Zähne. Nun fangen wir ein-al in dieser Aktuellen Stunde an, diesem Hai die Zähneu ziehen.
2002 hat die FDP gefordert, die Bankenaufsicht unterinheitliche Kontrolle der Bundesbank zu stellen. Ratenie einmal, was Sie als Sozialdemokraten gemacht ha-en: Sie haben es abgelehnt. Wir haben gefordert, dassie KfW unter die Bankenaufsicht gestellt wird. Was ha-en die Sozialdemokraten gemacht? Sie haben dies ab-elehnt.
tattdessen sind Sie – damals noch unter Hans Eichel alsinanzminister – über die KfW bei der IKB-Bank einge-tiegen. Das war eine Riesenpleite zum Schaden deseutschen Steuerzahlers. Anschließend wurde sie – auforschlag der Sozialdemokraten – an eine sogenannteeuschrecke verkauft, wie Herr Müntefering sagenürde.Wir haben Ihnen immer gesagt: Es ist nicht Aufgabeiner staatlichen Förderbank, sich an Risikogeschäftenu beteiligen. Wo haben Sie gebremst? Sie sind seit elfahren in der Verantwortung. Es ist null geschehen. Siearen nicht da.
Im Zusammenhang mit der Hypo Real Estate hat dieundesbank erhebliche Mängel festgestellt. Entspre-hende Berichte gingen an das Bundesfinanzministe-ium. Wo landeten sie? In der Ablage. Nichts ist gesche-en. Da fragt man sich doch: Was ist denn da los? Manann nur immer wieder sagen: Verheugen hat recht.Wo waren denn die SPD-Finanzminister Lafontaine,ichel und Steinbrück, wenn es darum ging, die deut-che Bankenaufsicht zu stärken? Fehlanzeige über Fehl-nzeige! Sie waren nicht da. Insofern hat Verheugenecht. Sie hatten in den letzten elf Jahren überhaupt keinnteresse, die deutsche Bankenaufsicht zu stärken.
Ich nenne Ihnen ein anderes Beispiel; Kollege Rundeird sich an diesem Beispiel sicher erfreuen. Nehmenir die HSH Nordbank. Die Schwierigkeiten sind all-emein bekannt; aufgrund der knappen Redezeit will ichas nicht weiter ausführen. Kollege Runde – auch Siearen in der Verantwortung; Sie waren Regierungschefn Hamburg –, Sie werden der deutschen Bevölkerungagen müssen, wie es dazu kam, dass von der HSHordbank 20 Tochterfirmen in der Karibik, in Steuer-
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Dr. h. c. Jürgen Koppelinoasen, gegründet wurden. Den Kunden der HSH Nord-bank wurde empfohlen, das Geld in die Karibik hinüber-zuschaufeln.
Wann hat die Gründung dieser Unternehmen – insge-samt waren es 160 Beteiligungen der HSH Nordbank –stattgefunden? Ich habe nicht recherchiert, ob Sie da-mals im Amt waren.
Das werden Sie uns erklären können.Eines weiß ich: Der damalige Finanzminister desLandes Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, Sozialdemo-krat, saß im Aufsichtsrat. Heute ist er SPD-Chef inSchleswig-Holstein. Wo sind denn die Herrschaften ge-wesen? Warum haben sie in ihrer Amtszeit nicht aufge-passt und gesagt: „Es kommt überhaupt nicht infrage,dass in der Karibik von der HSH Nordbank Firmenbetei-ligungen übernommen werden und dass ihr euer Gelddahin verlagert“? Null ist geschehen. Da sind die Sozial-demokraten abgetaucht. Herzliche Grüße an Ihren Fi-nanzhai!
Das hätten Sie stoppen können. Sie haben doch die Mög-lichkeit dazu gehabt. Nicht Freie Demokraten saßen inden Aufsichtsgremien – das kann ich Ihnen sagen –, son-dern Sie. Sozialdemokraten haben in allen Aufsichtsrä-ten gesessen, aber sie haben nichts getan, was die Ban-kenaufsicht anbelangt.Deswegen hat Herr Verheugen recht: „Deutschlandwar Weltmeister in riskanten Bankgeschäften.“ Leider– das muss man sagen – saßen viele Sozialdemokraten inden Aufsichtsgremien und haben nichts getan. Sie habendie Banken diese Geschäfte machen lassen. Das warenkeine von der FDP, sondern Sozialdemokraten.
Ich finde, man muss dem EU-Kommissar Verheugenfür seine deutlichen und klaren Worte wirklich dankbarsein. Wir haben die heutige Aktuelle Stunde auch bean-tragt, um zu kritisieren, dass der BundesfinanzministerHerrn Verheugen öffentlich in unangemessener Weise– entschuldigen Sie diesen harten Ausdruck – angemis-tet hat. So geht man nicht miteinander um. Man musssich mit Kritik beschäftigen; aber dieser Finanzministerist ja nicht in der Lage, sich mit Kritik zu beschäftigen.Er ist nur in der Lage, verbal auszuteilen. Das ist dochdas Problem.Zu Ihrem Plakat sage ich: Ich weiß nicht, was Finanz-haie wählen. Eines aber weiß ich: Finanzhaie haben sichin den letzten elf Jahren bei den Sozialdemokraten sehrwohl gefühlt.Herzlichen Dank.
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ass bei der Landesbank Baden-Württemberg Justiz-inister Goll im Aufsichtsrat sitzt, dass bei der Landes-ank Hessen-Thüringen Herr Dieter Posch von der FDPm Aufsichtsrat sitzt.
itte sehr, diese Liste ließe sich fortschreiben. An diesertelle kann ich nur sagen: Wer im Glashaus sitzt, sollteie großen Steine lieber in der Hosentasche lassen, alsamit um sich zu werfen.
Vielmehr geht es doch um Folgendes. Sie haben einenlick auf die Historie geworfen. Man muss auch hier derahrheit die Ehre geben. In der Vergangenheit war eserade Finanzminister Eichel – das muss man zu seinerhrenrettung sagen –, der darauf hingewiesen hat, dassir ein Mehr an Aufsicht brauchen. Die Wahrheit anieser Stelle ist, dass er in der Vergangenheit an demiderstand unserer angelsächsischen Freunde, unserer
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Gunther Krichbaumbritischen Partner, und unserer Partner in den USA ge-scheitert ist. Das ist doch die Wahrheit.An dieser Stelle muss man darauf hinweisen, dass voreinem Jahr ein Brief Furore gemacht hat, in dem auf ge-nau diese Umstände hingewiesen wurde. Er wurde inden Zeitungen abgedruckt. Dort hieß es: Finanzmärktedürfen uns nicht regieren; wir brauchen eine bessere undeffizientere Aufsicht. Das war ein Brief von politischenPersönlichkeiten aus ganz Europa, der Furore gemachthat und an Aktualität mit Sicherheit nichts eingebüßt hat.Wie gesagt, es ist über ein Jahr her. Von daher kann manauch hier auf Herrn Verheugen verweisen. Ihm hätte essicherlich gut zu Gesicht gestanden, dieses Schriftstückwieder herauszuziehen. Dann hätte er gesehen, dassdiese Punkte in Deutschland sehr wohl beachtet wurden.Nein, es gibt in der Tat Forderungen für die Zukunft.Deswegen muss der Blick an dieser Stelle nach vornegerichtet sein. Wir brauchen ein höheres Maß an Effi-zienz in der Aufsicht. Gerade das muss auch in Deutsch-land verbessert werden. Deswegen plädieren wir seitensder CDU/CSU-Fraktion dafür, dass wir die Kompeten-zen von Bundesbank und BaFin in diesem Bereich zu-sammenlegen, um eine bessere und wirksamere Banken-aufsicht zu erreichen. Die Kompetenzen müssen einStück weit mehr auf die Bundesbank verlegt werden.
Wir brauchen ein europäisches Ratingsystem. Auchdas wird von unserer Fraktion ausdrücklich begrüßt. Ge-nerell muss sich gerade im Sinne der Verbraucher mehrTransparenz auf dem Markt ergeben. Wir brauchen einenTÜV für Finanzmarktprodukte. Die Verbraucher müssensich darauf verlassen können, dass sie wissen, was sietatsächlich einkaufen, gerade dann, wenn es sich wie beiFinanzprodukten um unsichtbare Waren handelt.Wir sollten anstreben – wenngleich das dem künfti-gen Kommissionspräsidenten vorbehalten bleibt –, eineneigenen Kommissar für diesen Bereich einzusetzen. Dasheißt, in der Struktur der Europäischen Kommissionmuss ein Kommissar für die Finanzmarktaufsicht undfür die Regulierung vorgesehen sein. Wir müssen aufdem Weg der G 20 weitergehen. Gerade jetzt, da das Ei-sen heiß ist, sollten wir durchsetzen, dass die Standards,die wir schon immer seitens Deutschlands durchsetzenwollten, internationale Standards werden. Wir solltenunsere amerikanischen und britischen Freunde jetzt da-von überzeugen.Ich denke, wenn wir das beherzigen – auch ausgehendvon der heutigen Mitteilung der Kommission in diesemZusammenhang; meine Redezeit erlaubt es mir nichtmehr, mich dazu zu äußern –, sind wir auf einem sehrguten Weg. Aber der Blick muss bei alledem nach vorngerichtet sein.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
von der Fraktion Die Linke.
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Dann kommt der Katzenjammer. Denn wer soll die Mil-liarden bezahlen, die für die Rettung der Banken ausge-geben wurden? Ich bin mir sicher: CDU, CSU und SPDbereiten die nächste Wahllüge vor. Heute heißt es ausdem Regierungslager noch: Steuern senken – natürlichin erster Linie für Unternehmen. Doch nach der Bundes-tagswahl wird es wieder eine Anhebung der Mehrwert-steuer oder anderer Massensteuern geben. So war dasauch 2005; ich sage das voraus. Wir als Linke werdenuns dem entschieden entgegenstellen.
Die Bundesregierung gibt nun vor, den Bankensektorstrenger regulieren zu wollen. Doch gegenwärtig erlebendie Menschen nur, dass die Bundesregierung Milliardenvon Euro in marode Banken steckt.Eine kleine Gruppe von Politikern und Bankmana-gern entscheidet über die Vergabe von Milliarden vonEuro, ohne dass sie vom Bundestag wirksam kontrolliertwerden kann. Das ist wirklich ein unhaltbarer Zustand.
Die FDP versucht mit dieser Aktuellen Stunde aller-dings den Eindruck zu erwecken, als ob die Schuld ander Bankenkrise allein bei der Bundesregierung liegenwürde. Doch das stimmt nicht ganz.
Die Banken in unserem Land haben ein enormes Erpres-sungspotenzial. Ihre Lobbyisten sitzen nicht nur im Bun-destag, sondern auch in wissenschaftlichen Einrichtun-gen, in Zeitungs- und Fernsehredaktionen.
Wer die Banken kontrollieren will, der muss ihnen,meine Damen und Herren von der FDP, ihr Erpressungs-potenzial nehmen. Dazu müssen die systemrelevantenBanken in Deutschland verstaatlicht und demokratischkontrolliert werden.
Dazu gibt es aus Sicht der Linken keine sinnvolle Alter-native.Vielen Dank.
Für die Bundesregierung hat nun der Parlamentari-
sche Staatssekretär Karl Diller das Wort.
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Meine Damen und Herren! Die bisherigen Debatten-beiträge der Opposition erinnern mich an den AnfangmdlAmalDbDaibVsgsdsslustkrmDrVDVRreddzD
Deswegen möchte ich ein paar Fakten nennen. Fraur. Lötzsch beklagt, dass wir die Banken nicht genügendeaufsichtigt haben. Die ganze Zeit war die politischeiskussion aber eine andere: Die Bundesregierung istufgefordert worden, dafür zu sorgen, dass die Bankenn der Bundesrepublik Deutschland weniger stringent alsisher beaufsichtigt werden, weil sich alle, von denolksbanken und Raiffeisenbanken bis hin zu den Ge-chäftsbanken, über die Bankenaufsicht und ihre Strin-enz beklagt haben.Im Übrigen, Frau Dr. Lötzsch, besteht die Bankenauf-icht nicht nur aus der BaFin, sondern in erster Linie auser Bundesbank; das haben Sie der Öffentlichkeit ver-chwiegen. Außerdem haben Sie verschwiegen, dassich in jeder Sitzungswoche dieses Bundestages ein par-amentarischer Ausschuss drei Stunden lang Zeit nimmt,m über die Kreditvergabe, die Garantievergabe und dietillen Einlagen an Banken zu beraten. Auch Ihre Frak-ion ist in diesem Ausschuss vertreten, hat das Wort undann ihre Bedenken oder Anregungen vortragen.Der Tagesordnungspunkt heißt: „Haltung der Bundes-egierung zu den kritischen Äußerungen von EU-Kom-issar Günter Verheugen über die Bankenaufsicht ineutschland“. Ich darf für die Bundesregierung erklä-en: Wir können diese Aussage des Herrn Kollegenerheugen nicht nachvollziehen.
ie deutsche Bankenaufsicht bewegt sich mit den ihr zurerfügung stehenden Instrumentarien voll und ganz imahmen der europäischen Richtlinien. Wir haben die eu-opäischen Richtlinien bezüglich der Bankenaufsichtins zu eins umgesetzt, was immer der politische Willeer Koalitionsfraktionen war.Dass sich andere Aufsichtsbehörden in anderen Län-ern besser geschlagen haben, wird gern behauptet. Ichitiere das von Herrn Verheugen genannte Beispiel:
Andere Länder in Europa stehen besser mit ihrenBanken da. Italien zum Beispiel. Da gibt es keineSchrottpapiere!
a staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich.
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Parl. Staatssekretär Karl DillerDenn Italien hat am 8. und 10. Oktober 2008 die rechtli-chen Grundlagen für staatliche Unterstützungsmaßnah-men geschaffen. Die Banca d’Italia und das dortige Fi-nanz- und Wirtschaftsministerium haben jetzt folgendeMöglichkeiten: die Rekapitalisierung von Banken durchErwerb von neu auszugebenden Aktien; Garantien fürBankschuldverschreibungen mit einer Laufzeit von biszu fünf Jahren, befristet auf Emissionen bis Ende 2009;weitgehende Liquiditätsgarantien für italienische Ban-ken; Tausch oder Absicherung von nicht-EZB-fähigenWertpapieren, die von italienischen Banken gehaltenwerden, gegen Wertpapiere, die zur Beschaffung von Li-quidität bei der EZB hinterlegt werden können; Absiche-rung der Spareinlagen über die gesetzliche Einlagensi-cherung hinaus für einen Zeitraum von 36 Monaten.Das sind handfeste Maßnahmen, die sich völlig im in-ternationalen Rahmen bewegen. Diese Maßnahmensprechen aber gegen die Behauptung, eine italienischeSuperaufsicht habe dort Probleme verhindert. Problemegab es offensichtlich; sonst hätte die italienische Regie-rung nicht zu solchen Maßnahmen gegriffen.
Deswegen ist das, was Verheugen mitgeteilt hat, frei er-funden und nicht nachzuvollziehen.Gerade im Vergleich mit anderen Staaten, beispiels-weise Großbritannien und den USA, ist die staatlicheUnterstützung des Bankensektors in Deutschland bisherrelativ moderat. In den USA wurde unter anderem derInvestmentbankenstatus faktisch abgeschafft. Dort sindStaatshilfen für beinahe alle Großbanken notwendig.Eine erhebliche Zahl regionaler Bankinstitute musste be-reits geschlossen werden. In Großbritannien sind dieProbleme erheblich größer. Das zeigt sich an Pleiten di-verser Banken und daran, dass Staatshilfen für beinahealle Großbanken geleistet worden sind.Gelegentlich wird in der Diskussion auch die Fragegestellt: Ist die spanische Aufsicht nicht besser als un-sere? Der Glanz des Beispiels Spanien ist allerdings inder Zwischenzeit durch Pleiten spanischer Banken sowiedurch offensichtlich generell und systematisch überzo-gene Bewertungen von Sicherheiten zur Erlangung vonHypothekenkrediten erheblich verblasst.
Die BaFin hat übrigens bei einer eingehenden Unter-suchung festgestellt, dass die spanische Aufsicht überdeutlich weitergehende Kompetenzen zur Regulierungdes Bankensektors verfügt als die BaFin selbst.Damit auch die BaFin bessere Befugnisse hat, legtedie Bundesregierung kürzlich den Gesetzentwurf zurStärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsauf-sicht vor. Mithilfe des neuen Gesetzes sollen die Bankenzu einem sorgfältigeren Management ihrer Risiken ange-halten werden. Wir alle sind als Abgeordnete des Deut-schen Bundestages gefragt, der BaFin das notwendigeEingriffsinstrumentarium zu verschaffen und dabei nichtvor Kritik aus der Wirtschaft zurückzuschrecken.VB6l6HtaUdwnvDAmdAklgnzbddrSzBDgg
eruntergebrochen auf einzelne Banken führen eindeu-ig amerikanische Banken das Feld der Verlustbringern. Ganz vorne mit dabei ist übrigens die schweizerischeBS. In der Mitte liegen britische und ganz am Schlusseutsche Banken. Das ist wahrlich nicht schön, abereltmeisterlich im negativen Sinne sind wir bestimmticht.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Gerhard Schick
on Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieebatte lässt mich ein bisschen sprachlos.
lles ist richtig gelaufen. Wir haben alles richtig ge-acht. Alles ist gut. – Das kann es ja wohl nicht sein.
Nach Auskunft der Bundesregierung haben wir beier IKB zu erwartende Verluste von 11 Milliarden Euro. –lles ist richtig gelaufen. Bei der Sachsen LB sind Risi-en in Höhe von 2,75 Milliarden Euro auf die Steuerzah-er übertragen worden, was die dort über Jahre hinwegeleisteten Sanierungsbemühungen in kurzer Zeit zu-ichtemachen wird. – Alles ist gut gelaufen.
WestLB: Wir diskutieren darüber, ob nicht sogar ein-elne Bundesländer ihre Tragfähigkeit überschritten ha-en. Denken Sie an die Äußerung von Herrn Rüttgers,er sagte, das Land Nordrhein-Westfalen könne das beier WestLB vielleicht nicht mehr schultern. – Alles istichtig gelaufen.Ja lebe ich denn in einem anderen Land? Selbst Herranio gibt inzwischen zu, dass der Finanzaufsicht ein-elne Fehleinschätzungen unterlaufen sind. Doch dieundesregierung will das noch nicht erkannt haben. Einesaster nach dem anderen ist herausgekommen. Ichlaube, es ist an der Zeit, endlich zuzugeben, dass Fehleremacht worden sind.
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Dr. Gerhard SchickEs wird, wenn Fehler zugegeben werden, gar nicht sosein, dass alle sagen: Um Gottes willen! – Im Grunde ge-nommen warten alle darauf, dass die Politik reagiert,sich nüchtern daranmacht, die Fehler aufzuarbeiten, undeine Kurskorrektur vornimmt. Dieses Kopf-in-den-Sand-Stecken muss endlich aufhören.
– Das Gesetz ist in der Anhörung nicht besonders gutweggekommen. Sie waren wohl nicht lange in der Anhö-rung dabei – jedenfalls habe ich Sie nicht gesehen –;deshalb will ich sagen: Die Experten hatten durchauskritische Anmerkungen.Wenn Sie die Kritik von Herrn Verheugen nicht nach-vollziehen können, empfehle ich Ihnen, sich die Faktennoch einmal anzuschauen. Vielleicht ist „Weltmeister“der falsche Begriff. Entscheidend ist nicht, glaube ich,ob andere noch schlimmer waren, entscheidend ist auchnicht das Ranking, entscheidend ist vielmehr, zuzuge-ben, dass Fehler – auch in Deutschland – es den deut-schen Banken ermöglicht haben, in außerordentlich gro-ßem und selbst für unser Land sehr gefährlichemAusmaß Risikopapiere aufzukaufen.
Die Bankenaufsicht ist nicht in der Lage gewesen, das zuverhindern; das wissen wir inzwischen. Die FAZ schriebim Februar 2008:Nur unter der Voraussetzung, „dass es grundsätzlichnie zu Marktstörungen kommt“, gehe die Strategieder sächsischen Landesbanker auf, warnte dieBaFin.Es sei ferner schon im April 2005 klar gewesen, dass dasrichtig bitter werden könne. – Und dann kauft wenigeMonate später dieselbe Landesbank von dieser Art Pa-piere noch einmal nach und erhöht ihr Risiko. Die BaFinsitzt im Verwaltungsrat; aber nichts wird gebremst. Allesrichtig gelaufen? Wachen wir auf und geben wir zu: Hierist Korrekturbedarf.
Ich dachte, wir seien weiter. Hat nicht in einem Be-richt im Finanzausschuss das BMF schon zugestanden,dass in Spanien in Bezug auf die Zweckgesellschaftenmanches besser gelaufen ist? Drei Anläufe hat es ge-braucht. Beim ersten Mal hieß es: Es kann gar nicht sein,dass die Spanier etwas anders gemacht haben. – Beimzweiten Mal hieß es: Nein, überhaupt nicht. – Erst beimdritten Nachhaken haben Sie es zugestanden. Jetzt fallenSie wieder dahinter zurück. Dabei wissen wir, dass esbesser gewesen wäre, wenn die Aufsicht bei den Zweck-gesellschaften knackiger zugegriffen hätte. Das hätteSchaden verhindert. Wir sollten uns das eingestehen undfür die Zukunft Regelungen treffen, die dafür sorgen,dass so etwas nicht mehr vorkommen kann. Das ist dieAufgabe, die es jetzt zu leisten gilt.aaSvdzissAwDKIdddDntssiAKhddKh
Das in den Wahlkampf zu ziehen und zu sagen: „Anllem sind nur die Sozialdemokraten schuld“, ist aberllzu billig, Herr Koppelin.
ie wissen, dass die Reden von damals anders waren. Anielen Stellen – denken Sie an die REITs-Gesetzgebung,enken Sie aber auch an andere Regulierungsfragen,um Beispiel an die Regulierung der Hedgefonds, auchnternational; lassen Sie uns ruhig in die Protokollechauen – haben die Freien Demokraten damals kriti-iert: zu viel Bürokratie, zu viel Regulierung, zu vielufsicht.
Wir müssen ehrlich sein und in aller Ruhe schauen,as falsch gelaufen ist und wie man es korrigieren kann.afür ist der Untersuchungsausschuss wichtig, Herrrichbaum.
ch würde allen Parteien raten, sich an der Aufklärung iniesem Ausschuss zu beteiligen und dafür zu sorgen,ass so ein Desaster, in dieser Größenordnung, nie wie-er vorkommt.
as ist unsere Aufgabe als Parlamentarier, und zwaricht nur der Opposition. Ich erwarte, dass die Koali-ionsfraktionen an der Aufklärungsarbeit mitwirken.
Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns in die-er Lage, wo die Arbeitslosigkeit steigt, wo die Men-chen Angst um ihren Job haben, wo sie 30, 40 Prozenthrer privaten Altersvorsorge verloren haben, dass wirufklärungsarbeit leisten, die Fehler analysieren undonsequenzen daraus ziehen. Nach der heutigen Debatteabe ich allerdings den Eindruck, dass die Bereitschaftazu noch nicht da ist; die wird aber nötig sein.Danke.
Das Wort hat jetzt der Kollege Leo Dautzenberg von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Die heutige Aktuelle Stundeat den Titel „Haltung der Bundesregierung zu den
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Leo Dautzenbergkritischen Äußerungen von EU-Kommissar GünterVerheugen über die Bankenaufsicht in Deutschland“.Das Bundesfinanzministerium hat zu seinen Vorhaltun-gen eine Presseerklärung veröffentlicht – ich weiß nicht,ob sie die Haltung der gesamten Bundesregierung wider-spiegelt –, in der es heißt – ich zitiere –, Verheugen of-fenbare „eine überraschende Unkenntnis der Fakten-lage“. Außerdem empfahl man dem EU-Politiker – er istimmerhin EU-Kommissar –, die Rolle der „aggressivenDeregulierungspolitik“ der EU-Kommission und derenVerantwortung für den Ausbruch und die Folgen derFinanzkrise nicht zu vergessen.
Meine Damen und Herren, genauso überzogen, wiedie Kritik von Verheugen war, ist auch diese Entgegnungdes Bundesfinanzministeriums hinsichtlich der Fakten-lage.
Es ist nämlich nicht so, dass eine „aggressive Deregulie-rungspolitik“ betrieben worden ist. Vielmehr wurden,auch von deutschen Interessen geprägt, im Rahmen derFinanzmarktgesetzgebung auf europäischer Ebene neueRegulierungen geschaffen, die später natürlich in natio-nales Recht umgesetzt werden sollten.Da Herr Verheugen die Bankenaufsicht in Deutsch-land kritisiert hat, muss ich sagen: Als EU-Kommissarhätte er sich stärker dafür einsetzen können, dassBasel II in den Vereinigten Staaten von Amerika schnel-ler umgesetzt wird, als das bisher der Fall war. Bisher istBasel II in den Vereinigten Staaten nämlich noch nicht inallen Bereichen umgesetzt worden. Aus europäischerund unserer nationalen Sicht ist auch dies eine Verpflich-tung.Meine Damen und Herren, heute geht es um dieFinanzaufsicht, vor allen Dingen um die Bankenaufsicht.Man sollte in diesem Zusammenhang keine vorschnellenSchlussfolgerungen ziehen. Man muss konstatieren: DieZusammenarbeit zwischen BaFin und Bundesbank beider Bewältigung der Finanzkrise, soweit sie deutscheFinanzinstitute betraf, war gut. Beide Institutionen unter-stützten unsere Anstrengungen im Rahmen des Finanz-marktstabilisierungsgesetzes und des -ergänzungs-gesetzes und haben auch ihre Unterstützung für dasdemnächst anstehende Finanzmarktstabilisierungsfort-entwicklungsgesetz signalisiert. Was die Systematik derMaßnahmen angeht, mussten wir kaum etwas ändern.Andere Länder hingegen, nicht zuletzt die USA undEngland, haben ihre Methoden zur Bewältigung derFinanzkrise mehrfach geändert und immer wieder Neuesversucht.Jetzt geht es im Grunde darum, die Finanzmarktauf-sicht auf europäischer Ebene neu zu strukturieren. Hier-bei stehen sich zwei Modelle gegenüber. Einige – dieserWeg wird auch von den Großbanken befürwortet – wol-len eine zentralistische europäische Aufsicht.
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Das Wort hat nun der Kollege Dr. Volker Wissing von
er FDP-Fraktion.
Besten Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnennd Kollegen! Lieber Kollege Dautzenberg, es istonstruktiv, wenn die Opposition im Deutschen Bundes-ag aufarbeitet, wo die Schwächen der deutschen Finanz-ufsicht liegen.
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Dr. Volker WissingDie Bürgerinnen und Bürger erwarten das von diesemParlament, weil sich Gleiches nicht wiederholen darf.
Wir haben einen Finanzminister, der für das Ausland,wenn es also um andere Staaten geht, immer Ratschlägeparat hat. Den Engländern erklärt er, wie man Konjunk-turpakete macht, den Schweizern, Luxemburgern undLiechtensteinern gibt er Nachhilfestunden in SachenSteuerehrlichkeit, und über Ouagadougou macht er sichgerne lustig.
Wenn dann die kleinste Kritik gegen ihn selbst auf-kommt, gerät er außer Rand und Band. Er weist allesvon sich und lässt seinen Staatssekretär hier verkünden,die deutsche Finanzaufsicht, die einen Scherbenhaufenvor sich findet, ein Desaster, habe alles richtig gemacht.Das haben Sie hier ernsthaft erklärt. Das ist nicht dieWahrheit.
Günter Verheugen hat nicht ohne Grund gesagt, dassDeutschland Weltmeister in riskanten Bankgeschäftenwar. Er hat das auch nicht aus der Luft gegriffen, er hateinfach Fakten verglichen und festgestellt: Die Bankenanderer Länder halten weniger Giftpapiere als deutscheInstitute.
Nach elf Jahren Bankenaufsicht in der Hand derSozialdemokraten erleben wir jetzt die größte Sozialisie-rung privater Spekulationsverluste, die die Bundesrepu-blik Deutschland je gekannt hat.
Sie können hier nicht fragen, was das mit der SPD zu tunhat. Das hat sehr viel mit Ihnen zu tun. Man kann darausnämlich den Schluss ziehen, dass für alle, die sich an denprivaten Finanzmärkten verzockt haben, die SPD eineinziger Glücksfall ist.Wie konnte es dazu kommen, dass es ausgerechnet inDeutschland so viele toxische Wertpapiere gibt? Dafürgibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder hat dieFinanzaufsicht davon nichts mitbekommen – dann ist sienicht fähig, die Finanzmärkte angemessen zu überwa-chen – oder aber sie hat, um die Worte von Verheugen zubenutzen, die Dinge einfach laufen lassen, was schlicht-weg unverantwortlich ist.
Herr Diller, Sie können sich jetzt aussuchen, welcheVariante Sie für Herrn Steinbrück lieber hätten. Feststeht aber: Es ist ein Versagen der Finanzaufsicht. Genaudas ist ein Versagen des Bundesministers der Finanzen.EtDgdsutrbüezSfaSeDWdEeDjddFmstFiswlP
Es gibt das Beispiel HRE. Bereits Anfang 2008 klin-elten bei der Finanzaufsicht die Alarmglocken. Bereitsamals wurden Liquiditätsberichte erst im Wochen- undpäter im Tagesrhythmus angefordert. Es wurde geprüftnd auch berichtet, aber Peer Steinbrück hat nichts ge-an. Obwohl die Alarmglocken bereits Anfang des Jah-es 2008 deutlich läuteten, dauerte es sage und schreibeis September 2008, ehe der Finanzminister das Läutenberhaupt einmal als leises Klingeln wahrnahm.Neun Monate sind in einer Finanzmarktkrise einextrem lange Zeit, in der die Bundesregierung tatenlosugesehen hat, anstatt etwas zu unternehmen. Jetzt redenie sich damit heraus, dass Sie sagen: Wir wussten An-ang des Jahres 2008 ja nicht, dass Lehman Brothersusgerechnet am 15. September 2008 in Insolvenz gerät.ie behaupten, dass die Schieflage der Hypo Real Estaterst dadurch entstanden ist.
as werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
ir werden Ihnen in dem Untersuchungsausschuss dezi-iert nachweisen, dass die Schieflage der Hypo Realstate bereits lange vorher bestanden hat. Dann sind Sientlarvt.
Wie schlecht es um die deutsche Finanzaufsicht ineutschland tatsächlich bestellt ist, wird auch durch dieüngsten Ankündigungen von Herrn Sanio verdeutlicht,er sagt: Wenn ein Untersuchungsausschuss Akten voner Finanzaufsicht möchte, dann kann die deutscheinanzaufsicht Banken nicht mehr beaufsichtigen, dannüssen wir unsere Tätigkeit einstellen, weil es die deut-che Finanzaufsicht so aufhält, Fotokopien für einen Un-ersuchungsausschuss zu machen, dass sie mitten in derinanzmarktkrise keine Institute mehr prüfen kann. – Esst ein erschreckendes Bild, das sich hier bietet.
Es ist für die Bevölkerung beängstigend, dass Sieich, anstatt einmal selbstkritisch darüber nachzudenken,as hier dringend verbessert werden muss, hier hinstel-en und sagen: Es ist alles gut gelaufen! Weiter so!rima!
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24524 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Mai 2009
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Dr. Volker WissingDer Präsident der BaFin hat nicht etwa gesagt, dass sieeinen personellen Engpass haben und eine Lösung brau-chen, nein, er hat gesagt: Jetzt werden wir die Bankennicht mehr prüfen.Ich weiß nicht, ob das eine Art Trotzköpfchen-Prinzipist. Jedenfalls offenbart es ein erschreckendes Bild deut-scher Finanzaufsicht, und es bestätigt die Auffassungvon Günter Verheugen auf dramatische Weise, dass daslaxe Amtsverständnis, das in der deutschen Finanzauf-sicht herrscht, in engem Zusammenhang zur Finanz-marktkrise steht. Es ist unverantwortlich, von den Steuer-zahlerinnen und Steuerzahlern zu erwarten, dass sie mit100 Milliarden Euro bürgen, aber selbst nicht bereit zusein, aufzuarbeiten, wo die Schwächen der deutschenFinanzaufsicht liegen.
Sie haben gesagt, Verheugen liege völlig falsch. Heutehat der EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevyerklärt, die Krise habe die Schwächen der Finanzaufsichtoffenbart. Die Finanzminister hätten häufig erst über dieMedien von Schwierigkeiten der Banken erfahren.
Es ist traurig und peinlich für ein Land wie die Bundes-republik Deutschland. Aber genau so einen Finanzminis-ter haben wir auch.
Das Wort hat jetzt der Kollege Ortwin Runde von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als
ich hörte, auf welche Äußerungen von Günter
Verheugen sich die Aktuelle Stunde bezieht, habe ich
mich mit dem Interview befasst, um bewerten zu kön-
nen, ob Verheugen wieder auf dem Weg zu Ihnen, zur
FDP, ist oder ob er ein richtig guter Sozialdemokrat ist.
In dem Interview habe ich eine Reihe von interessanten
Punkten gefunden.
Verheugen beruft sich auf den früheren Kommis-
Rede von: Unbekanntinfo_outline
„Mankann nicht erwarten, dass die Menschen einen Marktlieben.“ Das verstehe ich als ein Motiv von Verheugenseinerzeit, die FDP zu verlassen, die immer auf dieSelbstregulierung der Märkte gesetzt hat.
Weiter hat er gesagt:DpWssdueiodsDgndrwkdsvndbmswkdsddnSDdRkw
ann müssen eben alle Produkte reguliert werden, damitas Casino geschlossen wird. Auf der Grundlage solcheregelwerke kann in der Folge effiziente Finanzmarkt-ontrolle stattfinden.In der heutigen Anhörung wurde vorgetragen, dassir die BaFin als die Behörde, die die Einhaltung von
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Ortwin RundeRegelwerken zu kontrollieren hat, mit entsprechendenZugriffsrechten ausstatten müssen, sodass sie, bezogenauf einzelne Institute, die Risiken eingegangen sind, ent-sprechende Eigenkapitalunterlegung festlegt.In Bezug auf das Verhältnis der deutschen Aufsichtzur europäischen Aufsicht stimme ich Herrn Dautzenbergim Übrigen voll zu: In einer Situation, in der die einzel-nen Länder die Risiken voll übernehmen müssen, kön-nen wir nicht zu einer zentralen Einheit bei der Finanz-aufsicht kommen. Mein Vertrauen in die europäischeEbene und die Europäische Kommission ist hinsichtlichder Finanzmarktregulierung nicht so groß, als dass ichgegenwärtig Aufsicht dorthin abgeben wollte. Wir wärennicht gut beraten, diese Aufsicht an die europäischeEbene abzugeben.Schönen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Hans Michelbach
von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Un-sere Bürger erwarten glaubwürdige Antworten auf dieFinanzmarkt- und Wirtschaftskrise. Gerade in der Krisehat die Politik eine besondere Verantwortung; sie solltekeine Bühne für Showkämpfe sein, weder in Berlin nochin Brüssel. Ich halte es nicht für klug und angebracht,dass Herr Verheugen durch seine Kritik an der deutschenFinanzaufsicht gerade jetzt Öl ins Feuer gießt und mitseinen öffentlichen Äußerungen den FinanzplatzDeutschland geradezu beschädigt.
Die Angriffe von Herrn Verheugen sind als sachwid-rig zurückzuweisen. Deutschland war nicht Weltmeisterin riskanten Bankgeschäften, und die deutsche Banken-aufsicht hat die Dinge nicht einfach laufen lassen.
Ich wende mich gegen jede Geschichtsfälschung undgegen falsche Verdächtigungen. Die Wahrheit ist doch:Die Finanzkrise ist das Ergebnis von Fehlentwicklungenin vielen unterschiedlichen Bereichen, die erst in ihremZusammenwirken diese fatalen Folgen hatten.
Ihren Ursprung nahm die Krise, wie wir wissen, ineinem recht kleinen Segment für riskante Kredite amUS-amerikanischen Hypothekenmarkt. Die Verwerfun-gen am amerikanischen Immobilienmarkt entwickeltenihre tatsächliche Brisanz und Reichweite aber erst durchdas Zusammenspiel mit anderen Ereignissen, die daraufaufgebaut haben. Da war die konstruierte Niedrigzinspo-litik der US-amerikanischen Zentralbank, die damit dieSuche nach renditeträchtigen Anlageformen anheizte.DddmsHbvgflvidklzWhWiwaztbbnmhSgWowrsNta
a war etwa die Tatsache, dass Hypothekenbanken Kre-itforderungen in großem Maße überhaupt verkaufenurften. Das machte sie nachlässig dabei, die Zahlungs-oral der Schuldner zu kontrollieren. Da war der zutarke Verkauf der Kredite als Wertpapiere, durch die dieypothekenbanken die Belastung ihrer Eigenkapital-asis vermindern und immer mehr schnellere Krediteergeben konnten. Da war die Ausgründung in Zweck-esellschaften und die Undurchschaubarkeit des Verbrie-ungssystems.Das sind die wirklichen Ereignisse; sie müssen fach-ich und fachkundig beurteilt werden, wollen wir daserbessern, was notwendig ist.Wir müssen selbstkritisch feststellen: Das alles warnternational nicht eingeschränkt und konnte damit voner Bankenaufsicht auch nicht korrigiert werden. Jederonnte kaufen und verkaufen, was er wollte. Herr Kol-ege Wissing, ich wundere mich, dass Sie heute gleich-eitig von Regulierung und Deregulierung sprechen.as denn nun? Wir müssen uns schon entscheiden, wo-in wir in Zukunft wollen.
ollen wir in die Richtung, die der Kollege Dr. Schickn vielleicht zu scharfer Form angesprochen hat, oderollen wir Vernunft walten lassen, um unsere Bankenm Finanzplatz Deutschland auf internationaler Ebeneu unterstützen?Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die Poli-ik gilt zunächst, ein erfolgreiches Krisenmanagement zuetreiben und aus der Krise zu lernen. Vergangenheits-ewältigung allein bringt uns nicht weiter. In dieser Aus-ahmesituation hat die Bundesregierung ein gutes Krisen-anagement betrieben. Tatsache ist: Die Bundesregierungat über Nacht ein nachhaltiges Lösungskonzept iminne der sozialen Marktwirtschaft entwickelt und um-esetzt.
er diese Fakten leugnet, ist entweder falsch informiertder sorgt gezielt für politischen Flurschaden. Noch nieurde ein deutscher EU-Kommissar von einer Bundes-egierung so hart kritisiert und als sachunkundig darge-tellt, wie es heute der Kollege Diller getan hat.
Nun müssen wir Schritte hin zur systemischeneustrukturierung der nationalen, aber auch der interna-ionalen Finanz- und Bankenmärkte sowie der Finanz-ufsicht gehen. Hieran müssen wir ohne Scheuklappen
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Dr. h. c. Hans Michelbachund Ideologie gehen. Wir müssen vernünftige Wege be-schreiten. Dazu ist notwendig, dass wir, die Politik, eineneue Vertrauensbasis für den deutschen Finanzplatz her-stellen. Wir dürfen keine Verdächtigungen aussprechenund wechselseitig Schuldzuweisungen vornehmen. Dasist der falsche Weg. Dafür steht für Deutschland und ins-besondere für die deutsche Volkswirtschaft viel zu vielauf dem Spiel. Gerade wenn solche Diskussionen undDebatten wie jetzt angezettelt werden, müssen wir HerrnVerheugen, dem EU-Kommissar aus Deutschland, deut-lich sagen: Das war eine völlig falsche Aussage. – Dafürsollte er sich entschuldigen. Noch besser wäre, wenn wireinen neuen deutschen EU-Kommissar bekämen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Jörg-Otto Spiller von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Staatssekretär Diller, Sie haben vorhin einpaar Bemerkungen zur Funktion von Aktuellen Stundenaus Sicht der Opposition gemacht und gesagt, es kommefür sie nur darauf an, kein gutes Haar an der Regierungzu lassen. Herr Kollege Diller, ich möchte das ein Stückweit modifizieren. Es hat auch etwas Gutes, wenn eineOppositionsfraktion eine Aktuelle Stunde nutzt, um et-was von eigenen alten und überzogenen Vorstellungenabzurücken.
Die FDP hat uns über Jahre gepredigt, der Marktdürfe nicht durch zu viele Aufsichtsregeln oder staatli-che Eingriffe gestört werden. Herr Wissing und HerrKoppelin, Sie haben sich zwar nicht zu einer staatlichenPlankommission bekannt – so weit sind Sie nicht gegan-gen –, aber es war ziemlich nah dran.
Herr Koppelin, Sie reden überhaupt nicht mehr von derKrise der Banken, sondern von der Krise der Bankenauf-sicht.
Ich behaupte sicherlich nicht, dass sich die Aufsichtsbe-hörden in irgendeinem Land dieser Erde bei der Banken-aufsicht mit Ruhm bekleckert hätten. Das haben sie inder Tat nicht. Aber dass Sie aus der Bankenkrise ein Be-hördenversagen machen, ist schon ein bisschen dicke.Die Behörden haben sich nicht wirklich bewährt; das istwahr. Daraus müssen wir Konsequenzen ziehen. DassBundesbank und BaFin präventiv so gewirkt hätten, wieman es sich gewünscht hätte, kann man nicht behaupten.Sie bedürfen einer Stärkung.TkUvmliWresüavAdbfdngmdsshfdGiaadddniDSgzKVV
st erstaunlich.
enn es dazu kommt, dass Sie, Herr Wissing, eine diffe-enziertere Haltung zu der Rolle von Aufsicht und Marktinnehmen, dann ist das ein Fortschritt. Insofern hat esogar etwas Positives, wenn Sie neuerdings etwas andersber solche Fragen reden als noch vor ein, zwei Jahren.
Wir haben heute Vormittag eine Anhörung im Finanz-usschuss zur Stärkung der Bankenaufsicht gehabt, dieon der Bundesbank und von der BaFin ausgeübt wird.lle Sachverständigen haben zunächst einmal bekräftigt,ass es vernünftig ist, dass man nicht nur darauf wartet,is auf internationaler Ebene alle Verabredungen getrof-en worden sind, die wirklich sicherstellen können, dassas Ausweichen von einer Bank auf ein Tochterunter-ehmen in einem anderen Land nicht zu einer völlig un-eregelten Entwicklung von Risiken führt. Vielmehruss man jetzt im Rahmen der nationalen Entschei-ungsmöglichkeiten, die wir haben, unsere Bankenauf-icht, die Bundesbank und die BaFin, mit besseren In-trumenten ausstatten, als sie sie bisher zur Verfügungat.Es bleibt aber natürlich dabei: Es war ein großer Er-olg, auch ein Erfolg unseres Bundesfinanzministers,ass der G-20-Gipfel in London, verglichen mit früherenipfeln, in unerwarteter Deutlichkeit ein Bekenntnis zunternational verabredeten Regeln für die Finanzmärktebgelegt hat. Das war vor wenigen Jahren undenkbar,uch deshalb, weil dem ein überzogener Liberalismus iner Brüsseler Kommission entgegenstand. Deutschland,ie Partner in der EU und auf internationaler Ebene wer-en diesen Weg beschreiten müssen, aber wir werdenicht darauf warten können, bis alles schon verabredetst. Deswegen hoffe ich, dass Sie, Herr Kolleger. Wissing, und Sie, Herr Kollege Koppelin, nachdemie einen Ansatz zur Erkenntnis gemacht haben, die Re-ierung und die Koalition unterstützen werden, wenn sieur Stärkung der Bankenaufsicht in Deutschland dasreditwesengesetz und das Gesetz zur Aufsicht über dieersicherungen ändern.
ielleicht kommt Ihnen dabei sogar noch eine gute Idee.
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Das Wort hat der Kollege Otto Bernhardt von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich will gleich zu Beginn meiner Rede feststel-len, dass die Art und Weise, wie der deutsche EU-Kom-missar Kritik an wichtigen Einrichtungen der Bundesre-publik Deutschland geübt hat, unangemessen ist. Soäußert man sich nicht öffentlich als EU-Kommissar.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein italienischer oderein französischer Kommissar sich in einer ähnlichenForm äußern würde. Das sagt nichts über den Inhalt aus.Auf den komme ich noch. Ich finde es nicht gut, dieAuseinandersetzung in der Öffentlichkeit in dieser Formzu führen. Ich sage es deutlich: Das ist letztlich ein An-griff auf die Deutsche Bundesbank, die BaFin und dasFinanzministerium. Das ist nicht die Aufgabe eines EU-Kommissars.
– Sie haben recht, auch der Finanzminister ist bei diesemVorgehen nicht frei von Verantwortung. Ich habe ihn andieser Stelle verschiedentlich kritisiert.Der entscheidende Punkt, unabhängig von allenStilfragen, ist nur: Abgesehen von ganz wenigen Wis-senschaftlern, die leider keiner ernst genommen hat, hatkeine Bankenaufsicht in der Welt rechtzeitig mitgeteilt,was auf uns zukommt.Das heißt, das vorhandene Instrumentarium hat nichtausgereicht, um zu erkennen, was dort heranrollt. DieDeutschen waren da nicht besser als die anderen, aber– um es klar zu sagen – sie waren auch nicht schlechter.Bevor ich weiter auf diesen Aspekt eingehe, sage ich:Als die Krise da war, hat das Management in Deutsch-land zwischen Bundesbank, BaFin und Finanzministe-rium hervorragend funktioniert. Auch das muss man andieser Stelle einmal hervorheben.Die Frage ist jetzt: Was können wir tun, um der Ban-kenaufsicht für die Zukunft das notwendige Instrumenta-rium an die Hand zu geben, damit sie solche Krisenrechtzeitig erkennt? Einen kleinen Schritt haben wirschon getan; ich verweise auf die heutige Anhörung imFinanzausschuss zur Finanzmarktaufsicht. Wir werdenan verschiedenen Punkten etwas ändern.Sie wissen, dass wir von der Union seit langem einengrößeren Schritt wollen, den wir in der Großen Koalitionaber nicht durchsetzen können. Wir wollten von Anfangan – ich habe das von diesem Rednerpult aus schon vorfünf oder sechs Jahren erklärt – die gesamte Bankenauf-sicht bei der Bundesbank konzentrieren. Ich glaube, dieErfahrungen der letzten Monate haben gezeigt, dass dasnach wie vor der richtige Weg ist.dzgwhdhuspfLGGksGsemaa1wktWsLzMRusIbW–vtk
Aber: Wer sich einmal anschaut, was heute von Bun-esbank und BaFin geleistet werden muss, der wird mirustimmen, wenn ich sage: Wir können nicht jetzt einerundlegende Reform durchführen. Die können wirirklich erst dann auf den Weg bringen, wenn die Kriseinter uns liegt, vielleicht im Jahr 2011. Die Mitarbeiterort jetzt auch noch mit Grundsatzreformen zu überzie-en, wäre sicher der falsche Weg.Wir müssen noch bei einem anderen Punkt ansetzen,nd das ist schwierig. Wir müssen unserer Bankenauf-icht die Möglichkeit geben – ich sage sogar: die Ver-flichtung –, in Zukunft auch Geschäftsmodelle zu prü-en.
etztlich sind doch gerade die Landesbanken an ihremeschäftsmodell kaputtgegangen. Sie haben sehr vieleld eingekauft, noch mit Staatsgarantien, hatten abereine vernünftigen Anlagemöglichkeiten und stürztenich dann – das gilt zumindest für die meisten – in dieseseschäft.
Heute ist es nicht Aufgabe der Bankenaufsicht, Ge-chäftsmodelle zu prüfen. Herr Sanio sagt sehr deutlich,r sei nicht davon begeistert, diese Aufgabe zu bekom-en. Ich gebe ihm recht; es ist sehr schwierig. Ich bleibeber dabei: Wenn eine Bank wie die Hypo Real Estateuf der einen Seite Kredite mit einer Laufzeit von7 Jahren vergibt und auf der anderen Seite den über-iegenden Teil davon kurzfristig deckt, braucht manein Banker zu sein, um zu wissen, dass das nicht funk-ionieren kann.
ir müssen unserer Bankenaufsicht hierzu ein neues In-trumentarium geben.
etztlich sind die meisten dieser Banken an ihrem Kon-ept gescheitert.Nun zurück zur Bankenaufsicht: Was in den letztenonaten dort geleistet wurde, soll man auch von diesemednerpult aus einmal anerkennen. Man arbeitet dortnter den politischen Rahmenbedingungen, die wir hieretzen.
nsofern sitzen die Schuldigen auch hier. Ich finde es einisschen unfair, die Mitarbeiter dort, die zum Teil keinochenende mehr kennen, plötzlich auch noch globalich komme auf meine Eingangsbemerkung zurück –on Brüssel aus zu beschimpfen. Das ist nicht der rich-ige Weg. Wir sollten uns gemeinsam bemühen, die Ban-enaufsicht in Deutschland zu verbessern. Wer meint:
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Otto Bernhardt„Nur so weiter! Wir brauchen keine Veränderung!“, derhat nicht begriffen, was sich in den letzten Monaten er-eignet hat. Wir brauchen grundlegende Veränderungen.Die Union wird daran mitarbeiten.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Simone Violka von der
SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Liebe Besucher! Eine Aktuelle Stunde gibtauch die Gelegenheit, viel zu lesen, nicht nur auf der ei-genen Seite, sondern auch beim Antragsteller der Aktuel-len Stunde. Auf der Internetseite der FDP findet sich in-zwischen ein Argumentationsleitfaden zur Finanzkrise.Es ist spannend, was da so steht:Staatliche Eingriffe setzen Rahmen falsch.… Am Beginn der Krise standen staatliche Ein-griffe in den US-Immobilienmarkt: Jahrzehntelangwar es erklärtes Ziel der Politik in den USA, auchnicht kreditwürdigen Personen zu Wohneigentumzu verhelfen.Letzteres unterschreibe ich sogar. Fakt ist nur: KeineBank in den USA war durch irgendein Gesetz gezwun-gen, das zu tun.Das wissen Sie auch; denn noch im November letztenJahres hat Otto Graf Lambsdorff erklärt, die amerikani-sche Regierung habe es versäumt, klare Regelungen zurKreditvergabe festzulegen. Ja, was denn nun? Verstehtdie FDP Deregulierung als staatlichen Eingriff? So stehtes bei Ihnen.
Vor dem Hintergrund, dass es, wenn so etwas Ähnlicheswie Basel II auch in den USA gegolten hätte, schon imVorfeld möglich gewesen wäre, das Desaster abzuwen-den, ist mir ein bisschen mehr Regulierung lieber alsdiese Form von Deregulierung, die uns nun in die Krisegeführt hat.Es geht noch weiter:Wir Liberale wissen: Kein Markt funktioniert ohneklare Regeln, …
Deshalb tritt die FDP seit Jahrzehnten für Transpa-renz der Finanzmärkte ein.Nachzulesen ist das für jeden zum Beispiel im Bundes-tagswahlprogramm der FDP von 1990. Da mussten Sieaber lange suchen, um so einen Satz bei Ihnen zu finden.Im Bundestagswahlprogramm von 1990 steht außerdemnoch die Forderung: „Die Macht der Banken und Versi-cherungen zu begrenzen“.IszvdlgKsfF„gBtttdssrsGWasEvhadwdvDBtvPwhklB
m Bundestagswahlprogramm der FDP von 2005 findetich jedoch ein ganz anderer Satz:Ferner muss der politische Einfluss im Bankensek-tor reduziert werden. Das vergrößert die Chancendes Bankenstandortes Deutschland.
Wenn man sich dann einmal anschaut, was Ihr Vorsit-ender zur gleichen Zeit, also zwischen 2005 und 2008,eröffentlicht hat – er sagte zum Beispiel: Die Eingriffees Staates sollen zugunsten von mehr marktwirtschaft-ichen Elementen und mehr Eigenverantwortung zurück-eführt werden; Deutschland braucht eine grundlegendeurskorrektur in Richtung mehr Deregulierung; die FDPteht für Entstaatlichung statt Verstaatlichung, für einereie und faire Gesellschaft –, wird einem klar, wofürDP in Wirklichkeit steht: das F für „für“, das D fürDeregulierung“, das P für „prinzipiell“. FDP ist alsoleich „Für Deregulierung prinzipiell“.
Schauen wir nun einmal, was die FDP hinsichtlich derankenaufsicht fordert. Sie wollen die gesamte Kompe-enz hierfür auf die Deutsche Bundesbank bei gleichzei-iger Abschaffung der politischen Einflussnahme über-ragen – laut Westerwelle eine „Stiftung Warentest füren Finanzmarkt“. Es ist also zwar Ihre Auffassung, dassich der Staat prinzipiell aus der Kontrolle heraushaltenoll, aber jetzt nutzen Sie jede Gelegenheit, zu suggerie-en, der Staat sei mangels Kontrolle an der Miserechuld. Das ist paradox, zeigt aber, welche moralischenrundregeln Sie befolgen, wenn es um Stimmenfang imahljahr geht. Bei moralischen Fragen setzt die FDP jauf Deregulierung und setzt diese Forderung auch schoneit Jahren konsequent in die Praxis um.Ja, es wurden viele Fehler gemacht, und das weltweit.s gab Fehler im Bankenmanagement, bei den immererwirrender werdenden Finanzangeboten, aufgrund zuoher Renditeforderungen, bei der Kontrolle, aber ebenuch bei zu gutgläubigen Anlegerinnen und Anlegern,ie oftmals den Grundsatz nicht befolgten: Kaufe nur,as du verstehst. – Wichtig ist es jetzt, Vertrauen wie-erherzustellen, nicht nur zwischen den Banken, sondernor allen Dingen auch bei den Sparerinnen und Sparern.as gelingt aber nur, wenn man bereit ist, die gesamteandbreite der verschiedenen Fehlerquellen aufzuarbei-en und daraus die richtigen Lehren zu ziehen. Es gehtöllig am Thema vorbei, wenn man jetzt den Schwarzeneter einer einzigen Institution zuschiebt und so tut, alsäre nichts passiert, wenn diese eine Stelle anders ge-andelt hätte. Da verwechselt man Ursache und Wir-ung.Wir brauchen klare internationale Regeln und vor al-en Dingen auch Sanktionsmöglichkeiten sowie stärkereefugnisse bei der Bankenaufsicht ohne rechtliche Er-
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Simone Violkamessensspielräume. Da bin ich schon gespannt, wie sichdie FDP bei diesen Punkten positionieren wird.
Ich weiß noch genau, wie sich gerade die FDP, als nochvor der Krise Peer Steinbrück hier an diesem Pult gefor-dert hat, dass man auf internationaler Ebene mehr Re-geln aufstellen und einfordern sowie den Markt besserregulieren soll, positioniert hat.
Da war das für sie alles Teufelswerk. Jetzt hat die FDPplötzlich erkannt, welche Stimmung in der Bevölkerungherrscht, und versucht jetzt entgegen all ihren Aussagenaus den vergangenen Jahren, auf den Zug aufzuspringen.Ich glaube, die Menschen im Land sind intelligent ge-nug,
zu merken, dass das ein Scheinkampf ist und dass Sie so-fort zu Ihrer Politik der Deregulierung zurückkehren, so-bald Sie die Stimmen der Wähler erhalten haben.
Als letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde hat der
Kollege Florian Pronold von der SPD-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Ich habe vor 13 Jahren eine Lehre bei derSparkasse Deggendorf begonnen, zusammen mit DjangoAsül, den vielleicht einige von Ihnen aus Funk und Fern-sehen kennen. Eine der ersten Grundregeln, die ich ge-lernt habe, lautete: Je höher das Renditeversprechen ei-nes Produktes, umso größer das Risiko.Das Zweite war: Man soll schon verstehen, was manda kauft.
Das waren zwei wirkliche Grundregeln. – Natürlichauch beim Verkaufen, das ist auch klar.Wir haben in dieser Finanzkrise feststellen können,dass nicht nur die Anleger, sondern auch die Entschei-dungsträger in den Banken und den Aufsichtsräten zumSchluss bekennen mussten: Sie wussten nicht, was siedort eigentlich gekauft haben.Das ist schon eines der Kernprobleme von Aufsichtund Entscheidungsfindung, mit eine Ursache für dieseFinanzkrise.Ein zweiter Bereich, der mit der ganzen Materie hierzu tun hat, ist die Frage, welche Rahmenbedingungendie Aufsicht gehabt hat. Denn Aufsicht kann nur imRahmen dessen ausgeübt werden, was vorgeschriebenifdBTddmVnFmmkWSDarWaeoüessdsknbfWHsgmDgF
enn ich erinnere mich, seit ich im Finanzausschuss bin,n all die Fragestellungen, die mit verbesserter Regulie-ung zu tun haben, die mit mehr Aufsicht zu tun haben.ir haben hier zum Beispiel mehrmals Ratingagenturenngehört, und da haben wir uns darüber unterhalten, obin Modell von Ratingagenturen sinnvoll ist, bei dem siehne jegliche Aufsicht sind, private Institutionen, dieber das Schicksal und Wohl von Papieren und Staatenntscheiden und vielleicht selber sogar vorher noch Rat-chläge geben, wie Papiere geschneidert werden, die siepäter selber objektiv „raten“. Als wir das als Sozial-emokraten thematisiert haben, da hat die FDP ge-chrien: Nein, nein, der freie Markt, der regelt das! Daslappt doch alles wunderbar!Als Hans Eichel, als Peer Steinbrück für internatio-ale Regulierung der Finanzmärkte eingetreten sind, ha-en Sie von „Bürokratie“ gesprochen, die dort auf denreien Markt wieder herniederprasselt.
ir haben in diesem Haus mehrmals über die Frage vonedgefonds, die Frage von REITs – daran werden Sieich sicherlich noch gut erinnern – und von anderen Din-en gesprochen. Immer hieß es: Je mehr an Aufsicht, jeehr an Regulierung, umso mehr Bürokratie ist das.
ie FDP hat immer die geistige Brandstiftung für dasemacht, was jetzt passiert, und versucht jetzt, deneuerwehrmann zu geben.
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24530 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Mai 2009
(C)
(D)
Florian PronoldEs würde einfach zur Ehrlichkeit dazugehören, dass manauch sagt: Was haben wir denn in den letzten Jahren indiesem Hohen Haus gesagt, und was davon bleibt dennnoch übrig im Wissen um die aktuelle Finanzkrise?Wenn es jemanden gibt, der nicht das Recht hat, mitdem Finger auf andere zu zeigen, dann ist es die FDP.Das ist in dieser Debatte absolut sicher.
– Sie waren überall dabei. Das gestehe ich Ihnen zu, dassdie FDP überall dabei war. – Ach, ich? – In der Landes-bank von Bayern war die SPD meines Wissens nicht mitdabei, aber das ist egal. Darum geht es nicht. Die Frageist doch: Warum passierte es nicht nur an dieser Stelle,sondern überall?Nicht an den Worten, sondern an den Taten sollt ihrsie erkennen. Die spannende Frage der Zukunft wird da-her sein: Wird sich die FDP daran beteiligen, die Mana-ger an die Kette zu legen, oder wird sie weiterhin dafürplädieren, dass man sie an der langen Leine laufen lässt?Ich wette alles, was ich habe, auf Letzteres.Danke schön.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 28. Mai 2009,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.