Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-zung ist eröffnet.Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ichan die historische Bedeutung des heutigen Tages, des18. März, erinnern. In einem Gedenkjahr wie diesem,das uns immer wieder Gelegenheit zur Erinnerung anden langen Kampf unseres Volkes um Freiheit und Ein-heit und an Geschichte und Erfolg unserer freiheitlichenDemokratie bietet, sollte auch des 18. März als eines be-sonderen Datums gedacht werden.Am 18. März 1848 erreichte die sich radikalisierendeBewegung, die von der französischen Februarrevolutionvon 1848 auch in Deutschland ausgelöst worden war, ih-ren Höhepunkt. Überall wurden Forderungen nach Ein-haltung der Menschenrechte, Gewährung bürgerlicherFreiheiten sowie politischer Teilhabe erhoben. TrotzZugeständnissen des preußischen Königs FriedrichWilhelm IV. an die aufständischen Bürger gingen preu-ßische Truppen gewaltsam gegen Berliner Demonstran-ten vor. Hunderte von Menschen ließen ihr Leben in dendaraufhin ausbrechenden Straßenkämpfen, über tausendwurden verletzt. Schließlich kapitulierte der König undzog seine Truppen am 19. März aus der Stadt zurück.183 tote Revolutionäre wurden am 22. März vor demkwsAdküGZsgSiRedetDeutschen Dom am Gendarmenmarkt aufgebahrt. Alsder anschließende Trauerzug am Stadtschloss vorbei-kam, verneigte sich König Friedrich Wilhelm IV. vorden Toten. Die Revolution hatte gesiegt.Wenige Wochen später begann in der FrankfurterPaulskirche die Beratung über eine Verfassung für eingeeintes und demokratisches Deutschland. Der BerlinerAufstand markiert den ersten demokratischen Aufbruchin Deutschland, auch wenn schließlich doch die monar-chischen restaurativen Kräfte wieder erstarkten und dieVerfassung der Paulskirche scheiterte. – Vielen Dank fürIhre Aufmerksamkeit.Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 1 auErste Beratung des von der Bundesreggebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu
– Drucksache 16/12224 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieHaushaltsausschussEine Aussprache ist für heute nicht vorgesehen. Wirommen daher gleich zur Überweisung. Interfraktionellird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Druck-ache 16/12224 an die in der Tagesordnung aufgeführtenusschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstan-en? – Das ist der Fall. Dann wird so verfahren.Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe,ommen wir noch zu einer nachträglichen Ausschuss-berweisung. Interfraktionell ist vereinbart worden, denesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung desivildienstgesetzes und anderer Gesetze auf Druck-ache 16/10995 nachträglich an den Haushaltsausschussemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. Sindie auch damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dannst die Überweisung ebenfalls beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:extBefragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Bericht zur Umsetzung desBologna-Prozesses in Deutschland.Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Berichthat die Bundesministerin für Bildung und Forschung,Frau Dr. Annette Schavan. – Bitte schön.Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-dung und Forschung:Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-en und Herren! Das Kabinett hat sich in Sitzung mit dem Bericht zum Stand desses beschäftigt, bevor dann im April dietionale Konferenz stattfinden wird, dief:ierung ein-r weiterengen! Meine Damseiner heutigenBologna-Prozesnächste interna
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Bundesministerin Dr. Annette Schavangleichsam Bilanz über bisherige Prozesse ziehen undSchwerpunkte für die letzte Phase der Umsetzung in denLändern beschreiben wird. Mittlerweile beteiligen sich46 Länder. Das heißt, dass dies eine Entwicklung desWissenschaftssystems ist, die weit über Europa hinaus-geht. Dieser Prozess wird vermutlich zu den tiefgrei-fendsten Veränderungen und Weiterentwicklungen desWissenschaftssystems seit langem führen.Ziele waren die Veränderung des Wissenschaftssys-tems als Teil des europäischen Bildungsraumes – jetzt:als Teil des internationalen Bildungsraumes –, Ver-gleichbarkeit der Abschlüsse, Einführung von Qualitäts-standards und – das ist ein ganz wichtiger Punkt, der bisheute zu heftigen Debatten in den Hochschulen führt –die Förderung der Einsicht, dass ein Hochschulstudiumnicht allein der Vorbereitung auf eine wissenschaftlicheTätigkeit dient und die Studiengänge deshalb so weiter-entwickelt und umstrukturiert werden müssen, dass siemit künftigen Berufstätigkeiten in Verbindung stehen.In Deutschland sind nunmehr 75 Prozent des gesam-ten Studienangebots, rund 30 Prozent aller Studierendenund zwei Drittel aller Studienanfänger in den Bologna-Prozess einbezogen. Die Umstellung auf Bachelor- undMasterstudiengänge ist ein wirksamer Hebel, wenn esum eine stärkere Internationalisierung der Hochschulenin Deutschland geht. Das wird an den Mobilitätszahlendeutlich: Die Zahl ausländischer Studierender an deut-schen Hochschulen zum Beispiel ist von rund 108 000im Jahr 1999 auf jetzt 188 000 gestiegen, mit steigenderTendenz. Wir haben seitens des Deutschen Bundestagesund der Bundesregierung Mobilität gefördert, zum Bei-spiel indem wir die Möglichkeiten zur Mitnahme desBAföGs verbessert haben. Jetzt sind auch diejenigen, dieab dem ersten Semester im Ausland studieren, BAföG-berechtigt.Im Bereich der Qualitätssicherung ist ein Akkreditie-rungssystem etabliert worden. Die Idee, die vom Bo-logna-Prozess ausging, einen Qualifikationsrahmen zuschaffen, der in der Gemeinschaft derer, die diesen Pro-zess vorantreiben, zu Vergleichbarkeit und Transparenzhinsichtlich der Abschlüsse führt, ist auch von Deutsch-land aufgegriffen worden. Die damit verbundene Zertifi-zierung von Studiengängen ist in Arbeit.Der Schwerpunkt des in diesem Jahr vorgelegten Be-richts – dieser Bericht wird bei der Bologna-Konferenzvorliegen – ist die soziale Dimension. Wir können fest-stellen, dass bezüglich der damit verbundenen und indiesem Kontext geforderten stärkeren Durchlässigkeitim Bildungssystem – sprich: besserer Zugang zumHochschulstudium – in Deutschland durch entspre-chende Beschlüsse der Landesregierungen und der Kul-tusministerkonferenz insbesondere in den letzten Mona-ten – nach den Debatten über den Bildungsbericht, nachdem Bildungsgipfel etc. – einiges auf den Weg gebrachtworden ist. Sie wissen, dass die bayerische Landesregie-rung vor wenigen Wochen – ich glaube, das war derletzte Beschluss einer Landesregierung in diesem Zu-sammenhang – die Öffnung der Hochschulen fürMeister, Techniker und Absolventen beruflicher Bildungbeschlossen hat.mddUwedTghiwrRfKARHTieDemgdlkhdAddnsnkbgwvb–w
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Das Fragerecht geht jetzt an den Kollegen Kai
ehring.
Danke, Herr Präsident. – Aus unserer Sicht sind dietrategien im Hinblick auf die soziale Dimension desologna-Prozesses, die die KMK und das BMBF be-chrieben und vorgelegt haben, erschreckend, da dieoziale Selektivität auch im Rahmen dieser Reform deut-ich zutage tritt. Wenn man sich die Studienanfänger-ahlen ansieht, stellt man fest, wie wenige Arbeiterkin-er es tatsächlich auf den Hochschulcampus schaffen.
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Kai GehringAls zentrale Ursache dieses Problems wird die Finan-zierbarkeit des Studiums genannt.Da wir gerade über die soziale Dimension des Bologna-Prozesses diskutieren, möchte ich Sie fragen: Was be-deutet es aus Sicht der Bundesregierung, dass viele Stu-denten ihr Studium nicht finanzieren können? WelcheVeränderungen und Verbesserungen plant die Bundesre-gierung beim BAföG, bei Studienkrediten und bei Sti-pendien?Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-dung und Forschung:Erstens hat die Bundesregierung in dieser Legislatur-periode gemeinsam mit dem Parlament für eine Erhö-hung des BAföG gesorgt, und zwar für eine 10-prozen-tige Erhöhung des Förderbetrages und eine 8-prozentigeErhöhung der Freibeträge. Dadurch hat sich die Zahl derStudenten, die BAföG erhalten, deutlich erhöht. Im Hin-blick auf die Durchlässigkeit des Systems stehen wir iminternationalen Vergleich sowohl durch diese Maßnahmeals auch durch die anderen Maßnahmen im Rahmen derQualifizierungsinitiative ganz gut da.Das zweite Instrument, das neu geschaffen wurde,sind die Aufstiegsstipendien. Wie Sie wissen, werden inDeutschland 90 Prozent aller Stipendien im Kontext derBundesregierung vergeben. In Zukunft gibt es nicht nurBegabtenstipendien, die von den elf Begabtenförde-rungswerken vergeben werden, sondern auch Aufstiegs-stipendien.Der dritte Aspekt betrifft die Finanzierung des Stu-diums durch Studienkredite. Ein gewisser Anteil der Stu-denten finanziert sein Studium auf diese Weise. Aller-dings glaube ich, dass für die Gruppe, die uns besondersinteressiert – Studenten aus einkommensschwachen Fa-milien, die nicht dem akademischen Milieu angehören –,die BAföG-Erhöhung und die Einführung der Aufstiegs-stipendien am wichtigsten sind; allein in der erstenRunde sind in den letzten Monaten 1 500 solcher Stipen-dien vergeben worden.
Vielen Dank. – Jetzt hat der Kollege René Röspel das
Fragerecht.
Vielen Dank. – Gibt es Erfahrungen aus Sicht der Stu-
dierenden mit der Umstellung der Studiengänge in
Deutschland im Rahmen des Bologna-Prozesses, und,
wenn ja, wie sind diese Erfahrungen in den Bericht ein-
geflossen?
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
dung und Forschung:
Es gibt ja eine schon lange dauernde Debatte, ob die
neue Struktur, die Bachelor-Studiengänge, am Ende
nicht zu zu großen zeitlichen Belastungen der Studieren-
den führt. Wo es um den Prozess der Qualitätssicherung
geht und um erste Erfahrungen mit den neu strukturier-
ten Studiengängen, sind die Studenten über die studen-
tischen Vertretungen beteiligt.
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Bitte schön, Herr Brandner.K
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Ab-
geordneter Schneider, wir hatten schon heute Morgen im
Ausschuss Gelegenheit, über Ihre Fragen zu diskutieren.
Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Zuerst will ich fest-
stellen, dass die Rentenanpassung immer nach Recht
und Gesetz erfolgt. Die Deutsche Rentenversicherung
Bund wurde am 16. März 2009 über die Höhe der Ren-
tenanpassung, wofür die zugrunde liegende Lohnent-
wicklung maßgebend ist, informiert. Die Renten in den
alten Bundesländern steigen danach zum 1. Juli 2009 um
2,41 Prozent und in den neuen Bundesländern – hier gibt
es eine deutlich stärkere Rentenanpassung – um 3,38
Prozent. Die Rentenanpassung 2009 ergibt sich daraus,
dass die anpassungsrelevanten Löhne im Westen um
rund 2,1 Prozent und im Osten um rund 3,1 Prozent ge-
stiegen sind. Der höhere Wert im Osten ist darauf zu-
rückzuführen, dass das Statistische Bundesamt für die
letzten Jahre in den neuen Bundesländern nun ein höhe-
res Lohnniveau ausweist als im vergangenen Jahr. Nach
Aussage des Statistischen Bundesamtes ist hierfür die
turnusmäßige Neuberechnung der Bruttolöhne und -ge-
hälter in den einzelnen Bundesländern verantwortlich.
Verschiedene, neue und aktualisierte Quellen vor al-
lem aus dem Bereich der Personalstandsstatistik führten
zu Veränderungen der Angaben in bestimmten Berei-
chen wie der öffentlichen Verwaltung. Die Renten sollen
zeitnah den Löhnen folgen. Daher ist die Verwendung
aktueller Daten unumgänglich. Um eine Rentenanpas-
sung zum 1. Juli durchführen zu können, muss auf die
im März vorliegenden Daten der volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes Bezug
genommen werden. Diese Daten werden vom Statisti-
schen Bundesamt im Zuge der regelmäßigen Berichter-
stattung auf der Basis erst später verfügbarer, zusätzli-
cher statistischer Informationen regelmäßig aktualisiert.
Es sind also alle Daten eingeflossen, die zum Zeitpunkt
der Bewertung vorhanden waren.
In Bezug auf die Rentenanpassungen sind solche Kor-
rekturen aus unserer Sicht unproblematisch; denn bei der
Berechnung der Veränderungsrate der Löhne werden die
aktuellen Daten auf die Werte bezogen, mit denen auch
die letzte Rentenanpassung berechnet wurde. Auf diese
Weise wird immer auf den aktuellsten Stand der verfüg-
baren statistischen Informationen Bezug genommen,
und eine statistische Aktualisierung früherer Werte wird
automatisch berücksichtigt.
Vielen Dank. – Nachfrage, Herr Schneider.
Herr Staatssekretär, wir bemühen uns seit einiger Zeit
– das haben wir unter anderem heute Morgen im Aus-
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Das war eine Frage.
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Zuallererst möchte ich festhalten: Der Zwischenruferat völlig recht. Sie haben eine Feststellung getroffen.ie wollten mir auf die Sprünge helfen, haben es aberatsächlich nicht getan.Sie haben eine klare Auskunft bekommen, Herrchneider; denn ich habe Ihnen die Bezugsquelle kon-ret genannt, habe Ihnen gesagt, woher die statistischenerte kommen, die für die Rentenberechnung zugrundeelegt werden, nämlich dass es die des Statistischenundesamtes sind, das die Daten regelmäßig aktuali-iert. Diese aktualisierten Daten sind Grundlage für dieentenberechnung.Des Weiteren haben Sie ausgeführt, die Rentenerhö-ung sei nicht das Verdienst der Bundesregierung, weilie Bundesregierung die Löhne und Gehälter nicht ent-prechend verändert oder festgesetzt habe. Ich macheie darauf aufmerksam, dass nicht die Bundesregierungie Löhne und Gehälter festsetzt, sondern dass das Sacheer Tarifvertragsparteien oder auch der einzelvertragli-hen Parteien ist. Die Bundesregierung wird höchstensm Rahmen von Mindestlöhnen auf der Basis von Tarif-erträgen Lohnregelungen vereinbaren. Insofern hat die
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Parl. Staatssekretär Klaus BrandnerBundesregierung auch nie für sich in Anspruch genom-men, dass die Rentensteigerung ihr Verdienst sei; viel-mehr ist es im Osten wie im Westen so, dass die Rentenden Löhnen folgen.Sie haben ferner auf statistische Fehler hingewiesen.Ich sage Ihnen: Sie haben, ohne dafür einen Beleg zu be-nennen, einfach behauptet, es gäbe statistische Fehler.Ich habe Ihnen deutlich gemacht, dass das StatistischeBundesamt Daten, die aktuell einfließen, aufnimmt undin die Berechnungen einstellt. Wenn Sie dazu Fragen ha-ben, bitte ich Sie, sie an das Statistische Bundesamt zurichten und sie sich von dort beantworten zu lassen.
Zweite Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, das ist doch einigermaßen unbe-
friedigend. Sie arbeiten schließlich mit den Daten des
Statistischen Bundesamtes. Können Sie mir bestätigen,
dass die Jahresarbeitsentgelte für den Osten rückwirkend
für 2004 um 30 Euro, für 2005 um 50 Euro, für 2006 um
130 Euro und für 2007 um 3 Euro, also insgesamt – wie
ich gesagt habe – um 218 Euro, angehoben wurden und
dass nun mit einem Verdienst 2007 von 22 322 Euro ge-
rechnet wird, statt – wie bisher – mit einem Verdienst
von 22 104 Euro? Ist es richtig, dass sich daraus ergibt,
dass in diesem Jahr im Osten eine Lohnentwicklung von
2,1 Prozent zugrunde gelegt werden müsste, was dazu
führen würde, dass die Rentenanhebung im Osten niedri-
ger wäre als die Rentenanhebung im Westen, dass man
aber stattdessen mit 3,1 Lohnentwicklung arbeitet, damit
man jetzt quasi das aufholt, was in der Vergangenheit
– warum auch immer – falsch ermittelt wurde, oder sage
ich hier etwas Falsches?
K
Ich stelle zuerst fest, dass nichts falsch ermittelt wor-
den ist. Ich habe Ihnen vielmehr die Berechnungsgrund-
lage der gesetzlichen Rente erläutert. Sie haben bisher
keinen Beleg dafür gebracht, dass eine falsche Ermitt-
lung durch die Bundesregierung oder das Bundesminis-
terium für Arbeit und Soziales stattgefunden hat. Ich
habe weiter erläutert, dass die statistischen Daten auch
im Nachhinein regelmäßig überprüft werden und Fakto-
ren, die Berücksichtigung finden müssen, in die volks-
wirtschaftliche Gesamtrechnung einfließen. Die Daten
sind also am aktuellen Tag nicht hundertprozentig kor-
rekt. Dies haben wir bewusst immer hingenommen, weil
wir wollen, dass sich die Rentenanpassung an aktuellen
Werten orientiert. Da im nächsten Jahr die Differenz
zwischen den Werten von 2009 und 2008 ermittelt wird
und diese Differenz rentenrechtlich berücksichtigt wird
– entweder rentensteigernd oder rentenmindernd –, erge-
ben sich für die Menschen in diesem Land, auch für die
in den neuen Bundesländern, keine Nachteile.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
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Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwor-ung der Fragen; das ist ja im Übrigen auch Ihre Pflicht.
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
– Das habe ich nicht gesehen; jetzt sind wir schon wei-tergegangen.Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht dieParlamentarische Staatssekretärin Nicolette Kressl zurVerfügung.Ich rufe die Frage 13 der Kollegin Christine Scheelauf:Was sind die steuerlich relevanten Gründe, dass die AdamOpel GmbH im Zeitraum 2005 bis 2007 von den deutschenFinanzämtern Erstattungen in Höhe zweistelliger Millionen-summen erhalten hat , obwohl sielaut Interview von Betriebsratschef Klaus Franz 2006, 2007und bis September 2008 schwarze Zahlen geschrieben hat
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Frau Kressl, bitte schön.N
Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kollegin
Scheel, Sie fragen nach sehr konkreten steuerlichen
Sachlagen, bezogen auf einen konkreten Steuerpflichti-
gen. Nach § 30 der Abgabenordnung gibt es das Steuer-
geheimnis, das verhindert, dass ich Ihnen diese Fakten
hier öffentlich mitteile.
Nachfrage, Frau Kollegin Scheel?
Frau Staatssekretärin, mir ist sehr wohl bekannt, dass
es in der Abgabenordnung das Steuergeheimnis gibt. Al-
lerdings hat in einer Situation wie der derzeitigen, in der
über staatliche Hilfen, über eventuelle Bürgschaften des
Staates – wir hatten das Thema ja auch in den vorherigen
Fragen – diskutiert wird, die Öffentlichkeit ein berech-
tigtes Interesse daran, ob Opel Zahlungen in Deutsch-
land geleistet hat. Vor dem Hintergrund dieses öffentli-
chen Interesses sind in verschiedenen Zeitungen, zum
Beispiel in der Welt, Summen genannt geworden. Da-
nach hat es im Jahr 2005 eine Rückerstattung von rund
48,5 Millionen Euro, im Jahr 2006 eine Zahlung in der
Größenordnung von etwa 960 000 Euro – also nicht ein-
mal 1 Million Euro – und im Jahr 2007 eine Zahlung von
18,5 Millionen Euro gegeben.
Schlussfolgerung: In diesen drei Jahren wurde insge-
samt mehr rückerstattet als gezahlt. Ich glaube, dass es in
der derzeitigen Situation, auch in politischer Hinsicht,
durchaus – trotz des Steuergeheimnisses – adäquat wäre,
vonseiten des Bundesfinanzministeriums wenigstens
grobe Angaben darüber zu bekommen, ob in Deutsch-
land Rückerstattungen geleistet wurden, ohne dass eine
Zahlung erfolgt ist, ob das verrechnet wurde oder wie
sich die Zahlen zusammensetzen.
Ist es also letztendlich so, dass die Gewinne abgeflos-
sen sind, aber die Verluste hier geltend gemacht wurden?
Ich glaube schon, dass die Bevölkerung einen Anspruch
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doch seit jeher wusste, woher der Input aller die Asse betref-
das BMBF bei seiner Auskunft gegenüber dem BMU verwen-
det?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
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Zu der von Ihnen aufgeworfenen Frage, sehr geehrterau Kollegin, möchte ich Ihnen antworten, dass dieussage meines Kollegen, des Parlamentarischen Staats-ekretärs Michael Müller, in der Fragestunde vom5. Oktober 2008 nach wie vor richtig ist. Seine dama-ige Aussage erklärt sich folgendermaßen: Die von deriederaufbereitungsanlage Karlsruhe in das Atommüll-ager Asse angelieferten Abfälle sind bei der Wiederauf-ereitung als Betriebsabfall der WAK entstanden undingen insofern in das Eigentum und damit in die Ver-ntwortung der öffentlichen Hand über. Dies beruht ins-esondere auf der Tatsache, dass die damalige Gesell-chaft für Kernforschung, die GfK – das ist das heutigeorschungszentrum Karlsruhe –, die WAK im Auftrages Bundes als Prototypanlage mit dem Ziel geplant undrrichtet hat, eine sichere Betriebsführung nachzuweisen,ie chemischen und technischen Prozesse der Wiederauf-rbeitung zu optimieren und somit eine industrielle Nut-
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Parl. Staatssekretär Thomas Rachelzung dieser Technik zu etablieren. Unabhängig von derHerkunft der wiederaufbereiteten Brennelemente wurdeder seinerzeitige Betrieb der WAK nach damaliger – übri-gens parteiübergreifender – allgemeiner Sichtweise demöffentlichen Interesse zugeordnet. Darüber hinaus hätteman mit einer Wiederaufarbeitung von Brennelementenallein aus Forschungsreaktoren den Nachweis einer Nut-zungsmöglichkeit dieser Technik nicht führen können.Daher stammt der von der WAK an die SchachtanlageAsse II abgegebene Abfall zwar aus der Wiederaufarbei-tung von Brennelementen der EVUs, ist aber gleichwohlnicht diesen, sondern der öffentlichen Hand zugeordnet.Im Statusbericht des Niedersächsischen Ministeriumsfür Umwelt und Klimaschutz wird dies ebenso festge-stellt.
Nachfrage, Frau Kotting-Uhl? – Bitte.
Danke schön, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär
Rachel, es bleibt meiner Meinung nach eine Nichtüber-
einstimmung zwischen der Aussage einerseits, die
Staatssekretär Müller damals mir gegenüber aufgrund
der ihm vom Bundesforschungsministerium gegebenen
Aussage gemacht hat, nämlich dass der Müll, der aus der
Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe in die Asse einge-
liefert worden sei, nicht aus Atomkraftwerken stamme,
und andererseits dem Inhalt des Inventarberichts von
2002, in dem Kampagnen aus dem Atomkraftwerk
Obrigheim in die Wiederaufarbeitungsanlage benannt
werden und dargestellt wird, dass dieser ursprünglich
aus Obrigheim stammende Müll dann als Müll aus der
Wiederaufarbeitungsanlage in die Schachtanlage Asse
geliefert worden ist. Können Sie diesen Widerspruch
aufklären?
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Frau Kollegin, einen Widerspruch in der von Ihnen
beschriebenen Art und Weise sehe ich nicht. Mein Kol-
lege, Staatssekretär Müller, hat erklärt, dass das Aktivitäts-
inventar, also das radioaktive Material, ganz überwiegend
aus der WAK stammt. Dies ist korrekt beschrieben. Die
Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe ist im Eigentum
und in der Verantwortung der öffentlichen Hand gewe-
sen. Dies war auch die klare Meinung der damaligen
Forschungsminister und auch parteiübergreifend die all-
gemeine Sicht.
Eine weitere Nachfrage? – Bitte.
Danke schön, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär
Rachel, was Sie mir jetzt als Antwort gegeben haben,
war keine Antwort auf meine Frage. Hierüber gibt es
keinen Dissens. Natürlich wissen wir beide und alle an-
deren, die sich damit befassen, dass der Großteil des
Atommülls – nicht vom Volumen her, aber von seinem
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt auch eine Frage der Kollegin Dr. Maria
Flachsbarth.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass die
Problematik, mit der wir uns gerade beschäftigen, keine
wirklich neue Problematik ist? Wenn ja: Wie lange be-
schäftigt das Thema „Unterbringung von schwach- und
mittelradioaktiven Abfällen in der Schachtanlage Asse“
die Bundesregierung schon? Könnten Sie mir bitte da-
rüber Auskunft geben, wie die letzte Bundesregierung,
insbesondere das Bundesumweltministerium, mit dieser
Fragestellung umgegangen ist?
Auch wenn ein Betreiberwechsel stattgefunden hat, ist
festzustellen, dass die oberste Strahlenschutzbehörde seit
Menschengedenken – jedenfalls, solange ich das ver-
folge – dem Bundesumweltminister untersteht.
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Die Zuständigkeit haben Sie korrekt beschrieben. Das
Bundesamt für Strahlenschutz spielt eine ganz besonders
wichtige Rolle. Durch den Übergang der Verantwortung
vom BMBF auf das Bundesumweltministerium zum
1. Januar 2009 hat es neue Verantwortung bekommen.
Das BMBF versucht selbstverständlich, das BMU bei
dieser Aufgabenerfüllung begleitend zu unterstützen.
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die EVUs für in der Asse entstandene Kosten heranzu-
ziehen. Dies findet seinen Ausdruck in der aktuellen No-
velle zum Atomgesetz. Frau Kollegin Klug hat dies übri-
gens, wie ich glaube, fünfmal in entsprechenden
Antworten in der letzten Fragestunde erläutert.
Bundesumweltminister Gabriel hat darüber hinaus
gesagt, dass es eine moralische Verantwortung der EVUs
gebe; dies ist die Position von Herrn Gabriel. Er hat an-
gekündigt, darüber Gespräche mit den EVUs zu führen.
Diese gilt es abzuwarten.
Weitere Nachfrage?
Ja, danke schön. – Wenn das BMU nun plant, Gesprä-
che zu führen, möchte ich das BMBF an dieser Stelle
fragen, ob es nach dem öffentlichen Bekanntwerden des
Asse-Skandals im Sommer 2008 Gespräche mit den
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Frau Kotting-Uhl, aber nicht jetzt, sondern in der
ächsten Fragestunde.
hr Fragerecht ist erschöpft.
Jetzt kommen wir zur Nachfrage der Kollegin Dr.
aria Flachsbarth.
Herr Staatssekretär, auch ich will meine Frage von
orhin noch einmal aufgreifen. Ich hoffe, Sie geben mir
echt, wenn ich sage, dass die Information über den Zu-
tand der Asse und auch die Frage der Gebührenträger
wer, wann, wo und wofür gezahlt hat – nicht vollstän-
ig neu sind. Vielmehr sind das Tatsachen, die man
chon vor einigen Jahren – schon vor zehn Jahren – sehr
ohl hätte kennen können, wenn man es denn gewollt
ätte. Deshalb noch einmal ganz konkret: Was hat die
orgängerregierung bezüglich der Sanierung der Asse
nternommen? Was hat insbesondere der oberste Strah-
enschützer, der Bundesumweltminister – das Ministe-
ium war damals, wie ich mich schwach erinnere, in grü-
er Hand –, getan, um die Zustände in der Asse, die wir
lle gemeinsam zu Recht beklagen, zu verbessern?
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Ich stimme Ihnen zu, Frau Kollegin, dass sich am Zu-tand der Asse, aber auch an der Frage der Gebührenträ-er nichts Grundlegendes geändert hat. Insofern glaubech, dass mancher, der heute bei diesem Thema lautstarkrgumentiert, klug beraten ist, erst einmal zu überlegen,n welcher Art und Weise er in der Zeit der eigenen Ver-ntwortung dort agiert hat. Dies ist nicht immer der Fall.nabhängig davon glaube ich, dass wir von der Öffent-ichkeit daran gemessen werden, ob wir ein geeignetesonzept zur Schließung der Asse finden, mit dem wir si-herstellen, dass für die in der Umgebung lebende Be-ölkerung keinerlei Probleme entstehen.
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22674 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. März 2009
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Parl. Staatssekretär Thomas RachelWie Sie wissen, prüft das Bundesumweltministerium,nachdem das BMBF Vorarbeiten geleistet hat, in dieserLegislaturperiode verschiedene Schließungskonzepte.Ich gehe davon aus, dass der Bundesumweltminister, derjetzt zuständig ist, dem Parlament das von ihm präfe-rierte Konzept der Schließung zu einem geeigneten Zeit-punkt präsentieren wird.
Die Kollegin Brigitte Pothmer hat noch eine Frage. –
Bitte schön.
Herr Staatssekretär, ich würde gerne wissen, ob das
Bundesforschungsministerium die politische Forderung
des Bundesumweltministers, die EVUs, also die Verur-
sacher, an den Kosten der Schließung der Asse zu betei-
ligen, grundsätzlich unterstützt und ob es sich dafür ein-
setzt, diese Forderung, falls der Weg über nachgelagerte
Gebühren aufgrund rechtlicher Schwierigkeiten aus-
scheidet, auf anderem Wege zu erfüllen.
T
Aus Sicht des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung liegt die Verantwortung klar bei der WAK
und damit – da sie eine Einrichtung des Bundes gewesen
ist – beim Bund, für die Kosten der Einlagerung in die
Asse aufzukommen und die daraus entstehenden Konse-
quenzen zu tragen. Eine darüber hinausgehende rechtli-
che Verpflichtung gibt es nicht.
Ob Bundesfinanzminister Steinbrück freiwillige Leis-
tungen Dritter an die Staatskasse ablehnen würde, weiß
ich nicht. Ich vermute, nein. Diese Frage sollten Sie al-
lerdings direkt an den Finanzminister richten.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Justiz. Zur Beantwortung der Fragen
steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Alfred
Hartenbach zur Verfügung.
Die Frage 6 der Kollegin Gesine Lötzsch soll schrift-
lich beantwortet werden.
Wir kommen zur Frage 7 des Kollegen Hellmut
Königshaus:
Kann die Bundesregierung nach Einsichtnahme in das
Wortprotokoll der Beweisaufnahmesitzung des 1. Untersu-
chungsausschusses vom 22. Januar 2009 nunmehr bestätigen,
dass entgegen ihrer Darstellung in der Beantwortung meiner
schriftlichen Frage 14 auf Bundestagsdrucksache 16/12073
der Vertreter der Bundesanwaltschaft sich sehr wohl dahin ge-
hend geäußert hat, dass auch das Festhalten eines Zivilisten in
dem US-Militärgefängnis in Mannheim, das nicht vom Trup-
penstatut gedeckt ist, keine Straftat sei – Zitat, Seite 48 des
Protokolls: „Selbst wenn es ein Verstoß gegen das NATO-
Truppenstatut gewesen wäre, sehe ich keine Straftat“ –, und
wie bewertet sie dies?
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Da versteht man, warum die Rechtsfindung in Deutsch-
land so außergewöhnlich schwierig ist.
Jetzt hat der Kollege Königshaus eine Nachfrage.
Vielen Dank. – Lieber Herr Staatssekretär, Ihre letzte
Aussage war die, auf die ich mich gefreut hatte. Die
Aussage des Zeugen war missverständlich unter der Vo-
raussetzung, dass er eben nicht gemeint hat, dass der Tat-
bestand, der juristisch unter dem Begriff „Freiheitsbe-
raubung“ zu subsumieren wäre, keinerlei Raum
offenlässt für eine Differenzierung zwischen rechtmäßig
und strafbar. Noch ist in Deutschland verboten, jeman-
den ohne Rechtsgrundlage seiner Freiheit zu berauben.
A
Darf ich um Ihre Frage bitten?
Deshalb die Frage: Bleiben Sie bei Ihrer Aussage,
dass er sich nur missverständlich ausgedrückt habe und
genau dies ausschließen wollte, oder glauben Sie, bei
dem, was missverständlich herübergekommen ist, wollte
er – genau umgekehrt – in Wirklichkeit sagen, dass dies
selbstverständlich strafbar sei? Was wäre denn nun nach
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Wir verstehen uns so gut, dass ich so etwas sagen darf.
arüber müssen Sie sich nicht aufregen, Frau Schewe-
erigk.
Wir haben jetzt hier keine freie Diskussion, sondern
ine Fragestunde, die nach den Spielregeln unserer Ge-
chäftsordnung abläuft.
A
Sie wissen, dass ich das locker durchziehen würde.Ich fahre fort: Wir haben eine Aussage eines Zeugen,er, wenn ich mich richtig erinnere, an diesem US-Mili-ärgefängnis spazieren gegangen ist, übrigens dem Zen-ralgefängnis der US-Streitkräfte für ganz Europa. Dortat er drei Menschen in Overalls gesehen; das Weiterechenke ich mir. Daraus schließen Sie nun, es seien ge-angene Zivilisten gewesen. Hier kann man einen gan-en Strauß von Möglichkeiten ins Auge fassen: Es kön-en Kriegsgefangene gewesen sein. Das weiß ich nicht;ch sage es nur einmal so.
s können Zivilisten von irgendwoher gewesen sein,ber auch Menschen aus dem zivilen Gefolge der US-treitkräfte. Außerdem können es auch Soldaten gewe-en sein.Angesichts eines solchen Straußes von Möglichkeitenätten Sie doch eigentlich erwarten können, dass Ihnener Bundesanwalt gesagt hätte: Sehr geehrter Herrönigshaus, sagen Sie bitte etwas genauer, was Sie vonir wissen wollen. Dann hätte er vielleicht theoretischagen können: Wären es Kriegsgefangene gewesen,önnte es vielleicht eine Straftat nach dem Völkerstraf-
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22676 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. März 2009
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Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbachgesetzbuch gewesen sein. Sollten es aber Soldaten oderGefangene des zivilen Gefolges gewesen sein, wäre eskeine Straftat.Alles, was ich sage, ist rein theoretisch.
Das war keine Antwort auf meine Frage.
Herr Kollege Hartenbach, das Publikum wird den
Sachverhalt kaum nachvollziehen können.
A
Das ist doch ganz klar: Er hat sich missverständlich
ausgedrückt, mehr nicht.
Sie müssten bei Ihrer nächsten Frage schon einmal
ganz konkret sagen, was Sie von mir hören wollen.
Es kann nicht sein, dass jetzt die Staatssekretäre den
Abgeordneten einen Auftrag geben, was sie fragen sol-
len. Die Abgeordneten stellen ihre Fragen aus eigener
Erkenntnis.
A
Ich wollte ihm nur helfen.
Bitte schön, Herr Königshaus, Ihre zweite Nachfrage.
Ich nehme diese freundliche Hilfestellung natürlich
gerne an, will aber doch auf eines hinweisen: Bei der
Frage nach der Tatbestandsmäßigkeit überprüft man nor-
malerweise zunächst die Rechtslage – nach ihr hatte ich
gefragt –, und anschließend prüft man, ob darunter ein
bestimmter Sachverhalt zu subsumieren ist. Hier geht es
um die Frage des Tatbestandes. Hat der Bundesanwalt
nach Meinung der Bundesregierung die Auffassung ver-
treten, dass es strafbar sei, wenn es sich um Zivilisten
– also um einen Fall, der nicht dem Truppenstatut unter-
liegt – handelt und solche Menschen in diesem Militär-
gefängnis auf deutschem Boden ersichtlich gegen ihren
Willen und ohne rechtmäßige Mitwirkung deutscher Be-
hörden festgehalten werden?
A
Herr Königshaus, Sie können nicht von mir verlan-
gen, dass ich auf eine rein hypothetische Möglichkeit
– ich habe eben alle vier Möglichkeiten aufgezählt –
eine Antwort gebe.
Entschuldigung, ich habe nach der Rechtslage ge-
fragt.
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Ich bin ein schlichter Ökonom. Für mich ist es schwie-
ig, dieser juristischen Sprache zu folgen, sofern ich dies
uf mich beziehen darf.
A
Nein, nein, ich habe Ihre Frage korrekt beantwortet. –
ch sage es noch einmal: Auf hypothetische Fragen gebe
ch keine hypothetischen Antworten.
Ich bitte, nun die Frage 8 des Kollegen Königshaus zu
eantworten.
A
Sie werden sich nicht wundern: Die Bundesregierungieht keinen Anlass zu straf- oder dienstrechtlichen Maß-ahmen. Daran ändert auch die Zeugenaussage in dereweisaufnahmesitzung des 1. Untersuchungsausschus-es am 22. Januar 2009 nichts.Mit Ihrer Frage zielen Sie auf die Aussage eines An-ohners des US-Militärgefängnisses Coleman Barracksb, der angegeben hat, er habe dort im Jahr 2003 – even-uell war es auch schon im Jahr 2002; das weiß manicht genau – drei Gefangene in orangefarbenen Over-lls gesehen, die an Händen und Füßen zusammengeket-et gewesen seien. Sie seien seiner Ansicht nach keineS-Militärangehörigen gewesen, da sie, wie er sich aus-rückte, einer anderen Rasse angehörten als die US-Sol-aten, die in Mannheim Dienst taten.Die Bundesanwaltschaft war im Jahr 2006 – also dreiahre nach diesem angeblich beobachteten Vorfall – vonem Anzeigeerstatter in einem bei ihr geführten Ermitt-ungsverfahren auf diesen Vorfall hingewiesen worden.ieses inzwischen eingestellte Ermittlungsverfahrenatte den Verdacht zum Gegenstand, dass im US-Mili-ärgefängnis in Mannheim in der Zeit von April bis An-ang September 2006 Personen gefangen gehalten, ver-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. März 2009 22677
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Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbachnommen und gefoltert werden, die nicht der US-Armeeangehörten.Einen Hinweis auf den Vorgang aus dem Jahr 2002bzw. 2003 erhielt die Bundesanwaltschaft im November2006 auch vom Bundeskriminalamt. Dieser Hinweisging auf denselben Anwohner des US-Militärgefängnis-ses in Mannheim zurück. Das Bundeskriminalamt batum Mitteilung, ob dieser neu mitgeteilte Sachverhalt zudem Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft ge-höre. Dies hat die Bundesanwaltschaft verneint.Die Bundesanwaltschaft ist im Jahr 2006, als sie derHinweis erreichte, unter Berücksichtigung aller ihr be-kannten Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass da-durch kein Anfangsverdacht einer weiteren Straftat be-gründet war, für deren Verfolgung sie zuständig wäre.Sie hat daher auch kein weiteres Ermittlungsverfahrenwegen des Sachverhalts eingeleitet. Die Bundesanwalt-schaft hat außerdem keinen Anfangsverdacht für eineStraftat gesehen, für deren Verfolgung eine Landes-staatsanwaltschaft zuständig gewesen wäre.Der Sachverhalt ist übrigens ausführlich in der Ant-wort der Bundesregierung auf Ihre schriftliche Frage 14auf Bundestagsdrucksache 16/12073 dargestellt. Aufdiese Antwort möchte ich verweisen.Die Beurteilung des Anfangsverdachts einer Straftatobliegt übrigens nicht der Bundesregierung, sondern derBundesanwaltschaft als der zuständigen Staatsanwalt-schaft. Sie richtet sich nach den Umständen des Einzel-falles, wie sie sich der Staatsanwaltschaft zum Zeitpunktder Entscheidung darstellen.Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis darf ich nun dieentsprechende Vorschrift zitieren.
Nein, Herr Staatssekretär, wir wollen hier keine Ge-
setzesvorlesung durchführen.
A
Es würde aber gut passen.
Es wurde ja nur gefragt, ob straf- oder dienstrechtli-
che Maßnahmen eingeleitet werden sollen. Darauf kön-
nen Sie mit Ja oder Nein antworten.
A
Nein, das haben wir nicht vor. – Das Zitat hätte aber
dazugehört. Warum nicht?
Wir befinden uns hier nicht im Juristischen Seminar,
sondern im Deutschen Bundestag.
A
Nun gut, dann versuche ich es nachher noch einmal.
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Nein. Das habe ich Ihnen auf Ihre Frage hin mitgeteilt.
Weitere Nachfrage.
Herr Staatssekretär, wir haben nicht nur die Aussageines Zeugen, der diesen Vorfall beobachtet hat, sondernarüber hinaus Zeugenaussagen, in denen konkret vonolterungen berichtet wurde, sogar sehr dezidiert, sehrlar und insbesondere unter Benennung des infrageommenden Täterkreises. Hält es die Bundesregierungür richtig, dass keiner dieser Zeugen, die greifbar gewe-en wären, befragt wurde, mit dem Argument, man su-he einen bestimmten anderen Zeugen, den man nichtehr habe ausfindig machen können, und zwar aufgrunder Aussage eines Mitarbeiters der amerikanischen Mili-ärbehörde, der gerade zu denen gehörte, die unter Ver-acht stünden, wenn es denn eine Straftat war?Findet die Bundesregierung das richtig, und meint sieicht, dass weitere Nachforschungen erforderlich sind,nsbesondere da es sich hierbei auch um einen Verstoßegen das Völkerstrafrecht handeln könnte, der nichterjährt? Schließlich haben wir einen hohen moralischennspruch, was Den Haag betrifft.
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22678 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. März 2009
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Herr Kollege, Sie hypothetisieren schon wieder. Ich
werde Ihre hypothetischen Fragen – Sie haben, glaube
ich, drei Konditionen genannt – nicht beantworten. Ich
kann Ihnen – um zur Sachlichkeit zurückzukommen –
nur so viel sagen: Der Zeuge, der die drei in den orange-
farbenen Overalls gesehen haben will, wusste nicht ein-
mal, in welchem Jahr das war, und hat sich erst drei
Jahre später bei der Polizei gemeldet.
– Nein, Moment. Es ist rein hypothetisch, was Sie sagen.
Wir reden jetzt darüber, ob der Bundesanwalt etwas Fal-
sches gesagt hat. Darum ging es in Ihrer Frage.
– Doch. Das ist der Gegenstand der heutigen mündlichen
Frage. – Der Anwohner hat vergeblich versucht, weitere
Zeugen zu finden.
Auch wenn es der Herr Präsident bzw. möglicher-
weise jetzt auch die Frau Präsidentin mir untersagen,
verweise ich auf § 152 StPO, in dem klar geregelt ist,
dass ein Ermittlungsverfahren dann einzuleiten ist, wenn
zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Aus
meiner eigenen Erfahrung als Staatsanwalt hätte ich er-
hebliche Zweifel, auch wenn ich es nicht bis ins Letzte
geprüft habe.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung
der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen
steht die Parlamentarische Staatssekretärin Nicolette
Kressl zur Verfügung.
Die Frage 9 der Kollegin Veronika Bellmann wird
schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 10 der Kollegin Cornelia Behm
auf:
Wie viele Grundstücke mit baulichen Zeugnissen der
deutsch-deutschen Teilung in Brandenburg werden derzeit
von der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH, BVVG,
verwaltet, und wie plant die Bundesregierung mit diesen
Grundstücken und den darauf befindlichen Bauwerken umzu-
gehen?
N
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Kolle-
gin, sofern unter Grundstücken mit baulichen Zeugnis-
sen der deutsch-deutschen Teilung Grundstücke im
Bereich der ehemaligen Grenze, die zum Beispiel mit
Überwachungstürmen und Grenzabfertigungsanlagen
bebaut sind, zu verstehen sind, verfügt die Bodenverwer-
tungs- und -verwaltungs GmbH – im Folgenden nenne
ich sie BVVG – lediglich über das sogenannte Panzer-
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Unter den von Ihnen genannten Ländern bzw. Territo-
rien befinden sich einige, mit denen die Bundesregie-
rung durchaus öffentlich darüber diskutiert, wie mit den
Steuergesetzen und dem Bankgeheimnis umzugehen sei.
Mich interessiert, wie die Bundesregierung die Tatsache
bewertet, dass eine Bank wie die Commerzbank – inklu-
sive ihrer Tochterunternehmen –, an der der Staat mit
25 Prozent plus einer Aktie sowie in weiterem Umfang
mit einer stillen Einlage beteiligt ist, in diesen Ländern
bzw. Territorien tätig ist und ob die Bundesregierung ge-
denkt, mit ihren Vertretern im Aufsichtsrat Maßnahmen
zu ergreifen und Aktivitäten zu entfalten.
N
Grundsätzlich lege ich Wert darauf, deutlich zu ma-
chen, dass die Tatsache, dass die Commerzbank auch in
solchen Staaten aktiv ist, nicht bedeutet, dass sie Steuer-
hinterziehung ihrer Kundschaft unterstützt. Ich glaube,
das noch einmal festzuhalten ist wichtig, weil leicht eine
Unterstellung in die Fragestellung implementiert werden
kann. Sie wissen auch, dass dies regelwidrig wäre und
entsprechende Konsequenzen zur Folge hätte.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Ich möchte da noch einmal konkret nachfragen. Die
Commerzbank-Tochter Dresdner Bank wirbt auf ihren
Webseiten mit den attraktiven Steuergesetzen, beispiels-
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In einem Bericht einer Schweizer Zeitung, des Tages-nzeigers, wird darüber berichtet, dass Schweizer Kun-en in Filialen der Dresdner Bank in Deutschland eineeratung erfahren, die ihnen durchaus dabei helfenönnte, Steuerhinterziehung zu betreiben. Jetzt gibt eserade einen Konflikt, im Rahmen dessen die Bundes-epublik Deutschland der Schweiz und Schweizer Ban-en vorwirft, Selbiges mit deutschen Steuerpflichtigenu tun. Wie bewerten Sie diesen Sachverhalt vor dem
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22680 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. März 2009
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Dr. Gerhard SchickHintergrund genau dieser Forderung der Bundesregie-rung?N
Ich will zunächst noch einmal sehr deutlich machen,
dass alle Maßnahmen, die rein hypothetisch – ich sage
nochmals: ich unterstelle das keiner Bank und kann das
auch keiner Bank unterstellen – zu einer Unterstützung
von Steuerhinterziehungen führen würden, von uns nicht
akzeptiert werden können. Über die von Ihnen angespro-
chene konkrete Frage hinaus, auch was die von der Bun-
desregierung entsandten Vertreter im Aufsichtsrat an-
geht, die ich schon vorhin beantwortet habe, will ich
deutlich machen, dass in der Bundesregierung durchaus
zu Recht darüber diskutiert wird, inwieweit eine Gesetz-
gebung dazu beitragen kann, Steuerhinterziehung und
Geschäfte mit Steueroasen schwieriger zu gestalten.
In § 5 der Finanzmarktstabilisierungsfondsverord-
nung heißt es, dass an Unternehmen, die Stabilisierungs-
maßnahmen in Anspruch nehmen, Anforderungen ge-
stellt werden sollen, um eine solide und umsichtige
Geschäftspolitik zu gewährleisten. Ist die Bundesregie-
rung der Ansicht, dass zu einer soliden und umsichtigen
Geschäftspolitik auch gehört, sämtliche Aktivitäten, die
einer Steuerflucht deutscher Steuerpflichtiger in entspre-
chenden Territorien Vorschub leisten könnten, zu unter-
lassen?
N
Die Überzeugung der Bundesregierung, dass solche
Maßnahmen nicht unterstützt werden dürfen, kann sich
nicht nur auf das Finanzmarktstabilisierungsgesetz be-
ziehen. Es ist vielmehr völlig klar, dass die Bundesregie-
rung nie akzeptieren würde – es geht nicht nur um die
Auffassung der Bundesregierung, sondern das ist auch
eine rechtliche Frage –, dass Hilfe zur Steuerhinterzie-
hung geleistet wird. Ich vermute, dass sich die Frage
darauf bezieht, inwiefern in die Verträge, die von dem
SoFFin ausgehandelt werden, entsprechende Maßnah-
men konkret hineingeschrieben werden. Das ist eine
Frage – das wissen auch Sie –, die in dem entsprechen-
den 10-a-Gremium jeweils im konkreten Fall bespro-
chen werden muss.
Die Frage 18 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann wird
schriftlich beantwortet. Wir sind deshalb am Ende dieses
Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin,
für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri-
ums für Wirtschaft und Technologie auf. Die Fragen be-
antwortet Frau Parlamentarische Staatssekretärin
Dagmar Wöhrl.
Die Fragen 19 und 20 des Kollegen Ernst Burgbacher
werden schriftlich beantwortet.
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Ich finde es etwas merkwürdig, wenn man hört, dass
s in Deutschland für die Besetzung dieses wichtigen
remiums keine Frauen geben soll. Ich frage Sie, wie
ie Bundesregierung künftig sicherstellen möchte, dass
in Gesetz, das vom Bundesparlament beschlossen wor-
en ist, von Teilen der Bundesregierung auch umgesetzt
ird.
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Ich kann Ihnen sagen, wie es bei dem Lenkungsrat ge-esen ist. Wir haben wirklich versucht, geeignete Per-önlichkeiten unter Berücksichtigung der Frage, was dieufgabe des Gremiums sein soll – beratende Funktionei der Unternehmensfinanzierung –, zu finden, die be-ondere Erfahrungen, Qualifikationen, Reputation inirtschaft und Wissenschaft sowie Flexibilität besitzennd verfügbar sind; denn die Gremien werden oft kurz-ristig einberufen. Es war sehr schwierig, jemanden zuinden. Die Bemühungen – damit komme ich zu Ihrerrage – haben leider nicht zum Erfolg geführt. Man kanniemanden zwingen, in ein Gremium zu gehen. Daheraren die diesbezüglichen Anfragen nicht von Erfolgekrönt.
Vielleicht können Sie beim nächsten Mal auf das Par-ament zurückgreifen und dort nachfragen. So gibt es
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. März 2009 22681
)
)
Irmingard Schewe-Gerigkzum Beispiel unter den Wirtschaftsweisen eine hochqua-lifizierte Frau.Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade über die Un-abhängigkeit derjenigen gesprochen, die im Lenkungsratsind. Bei diesen acht Herren – man kann fast von einerTafelritterrunde sprechen, die Herr zu Guttenberg einbe-rufen hat – handelt es sich bis auf eine Person – eine Per-son ist ein Wissenschaftler, der unabhängig ist – umengagierte Lobbyisten, die im eigenen Interesse handeln.Darum meine Frage: Sind Sie nicht wie ich der Mei-nung, dass es hier einen Interessenkonflikt gebenkönnte?D
Ich bin nicht Ihrer Auffassung.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs für
Wirtschaft und Technologie. Vielen Dank, Frau Staats-
sekretärin, für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums der Verteidigung auf. Die Frage 23 des Kollegen
Bonde wird schriftlich beantwortet. Ebenso werden die
Fragen 24 und 25 des Kollegen Wolfgang Gehrcke
schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri-
ums für Gesundheit auf. Die Fragen beantwortet Frau
Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk.
Ich rufe die Frage 26 der Kollegin Elisabeth
Scharfenberg auf:
Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Kritik
der bayerischen Sozialministerin Christine Haderthauer, CSU,
an den Vereinbarungen nach § 115 des Elften Buches Sozial-
gesetzbuch, SGB XI, über die Veröffentlichung und Bewer-
tungssystematik der Qualitätsprüfungen in der ambulanten
und stationären Pflege – „Schulnotensystem“ – in der Süd-
deutschen Zeitung vom 11. März 2009, wonach dieses Kon-
zept seinen Zweck verfehle, durch mehr Transparenz und Ver-
gleichbarkeit der Leistungen Missstände abzustellen, und der
Forderung Christine Haderthauers an die Bundesregierung,
diese Vereinbarung der Selbstverwaltung zu ändern?
M
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frau Kollegin Scharfenberg, der Gesetzgeber hat ent-schieden, dass im Rahmen der Neuregelung der Qualitäts-vorschriften des SGB XI die Transparenz als Ausdruckder gemeinsamen Verantwortung von Pflegekassen undLeistungserbringern auch dadurch hergestellt werdensoll, dass die Pflegequalität im Interesse all derjenigen,die Pflegeleistungen für ihre Angehörigen oder für sichselbst suchen, in Zukunft stärker kontrolliert wird. WieSie wissen, gab es im ganzen letzten Jahr vielerortsgroße Überschriften, die zum Thema hatten, dass Pflegenicht sachgerecht durchgeführt wird, dass es im BereichdglbdBQsheltdgeNswddaGzdBdostnEvVwPdthgSuHVkkssIsaDtjhgd
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22682 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. März 2009
)
)
Das erklärt vielleicht, dass sie den langen Vorlauf nichtkannte.
Ihre Zusatzfragen.
Vielen Dank. – Frau Staatssekretärin, Sie haben ge-
sagt, Sie hätten Hinweise dazu gegeben, wie das System
nachzubessern ist, und erklärt, das solle möglichst bald
geschehen. Können Sie die Zeitangabe „möglichst bald“
genauer fassen?
M
Ich möchte noch einmal hervorheben, dass wir bereits
in diesem Abstimmungsprozess sind. Uns hat die Selbst-
verwaltung Anfang dieser Woche eine überarbeitete Ver-
sion vorgelegt, in der die Abwertungen deutlicher wer-
den. Bislang war es so, dass eine Durchschnittsnote am
Ende auch gegeben wurde, wenn ein Bereich mangelhaft
war. Unseres Erachtens muss man aber deutlich machen:
Wenn in einem zentralen Bereich, in der Pflege bei-
spielsweise, die Note „mangelhaft“ vergeben wird, dann
kann es nicht zu einer Gesamtnote kommen. Diese Anre-
gungen sind aufgegriffen worden. Uns wurde, wie ge-
sagt, schon am Dienstag eine überarbeitete Version vor-
gelegt.
Statt eine öffentliche Kritik zur Unzeit zu formulie-
ren, hätte man besser mit konkreten und in der Sache
wichtigen Beiträgen an der Verbesserung des Systems
gearbeitet.
Wir sind froh darüber, dass unsere Ideen aufgegriffen
wurden. Ich darf an dieser Stelle noch einmal hervorhe-
ben: Es ist dadurch ein bundeseinheitliches System. Es
ist ein klares System. Jeder weiß, was Schulnoten bedeu-
ten, was beispielsweise eine Eins oder eine Fünf bedeu-
tet. Wir wollten etwas entwickeln, das für die Menschen
leicht nachvollziehbar ist.
Sie haben noch eine Frage.
Vielen Dank. – Als bayerische Abgeordnete kann ich
Ihnen darin zustimmen, dass aus den Reihen der CSU oft
zur Unzeit Kritik kommt.
Nun würde mich Folgendes interessieren: Hat sich
die CSU bei den Verhandlungen zum Pflege-Weiterent-
wicklungsgesetz für eine entsprechende Ausgestaltung
eingesetzt, gerade bei § 115 SGB XI? Das hat Frau
Haderthauer ja kritisiert. Es bestand für die CSU als Re-
gierungspartei doch die Möglichkeit, sich aktiv einzu-
bringen und auf eine positive Gestaltung zu drängen.
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lung einer Pflegeeinrichtung/eines Pflegedienstes in einem
Kriterium durch die positive Bewertung in einem anderen
Kriterium ausgeglichen werden könne oder dass an der Ent-
wicklung der Kriterien nach § 115 SGB XI die maßgeblichen
Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der
Selbsthilfe der pflegebedürftigen und behinderten Menschen
sowie unabhängige Verbraucherorganisationen nicht in aus-
reichendem Maße beteiligt worden seien?
M
Frau Kollegin Scharfenberg, ich antworte Ihnen gern
arauf. Die Verbände der pflegebedürftigen und behin-
erten Menschen wurden im Rahmen eines schriftlichen
nhörungsverfahrens beteiligt. Ansonsten haben die
inzelnen Parteien der Selbstverwaltung gemeinschaft-
ich an dem neuen Notensystem gearbeitet. Es ist also im
onsens entwickelt worden.
Zu der Frage, was zur Abwertung führt und wie
ransparenz hergestellt wird, habe ich Ihnen gerade
chon erläutert, dass es gegenüber dem ersten Vorschlag
eränderungen gibt. Sie sind uns am Dienstag dieser
oche vorgestellt worden. Wir sind sehr froh darüber,
ass die Selbstverwaltung auf die Vorschläge, die das
undesgesundheitsministerium unterbreitet hat, einge-
angen ist.
Ihre Zusatzfragen.
Vielen Dank. – Für wie zielführend hält es die Bun-esregierung unter dem Gesichtspunkt von Transparenznd Übersichtlichkeit, dass es parallel zu dem Verfahrenach § 115 SGB XI noch andere Ansätze gibt, zum Bei-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. März 2009 22683
)
)
Elisabeth Scharfenbergspiel das sogenannte Heimverzeichnis, das vom Bun-desministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-braucherschutz finanziell gefördert wird? Ist an eineZusammenführung in irgendeiner Form gedacht?M
Ich glaube, es handelt sich hier um unterschiedliche
Ansätze. Bund und Länder waren sich eigentlich einig,
dass das Schulnotensystem für die Heime das einzige
System bleiben soll, das bundesweit die Qualität der
Einrichtungen misst. Es ist natürlich auch wichtig, dass
man Grunddaten erhebt, um einen Überblick über die
Zahl der Einrichtungen in einer Region zu erhalten. Aber
die Pflegequalität sollte – das haben wir im Pflege-Wei-
terentwicklungsgesetz so geregelt – nur durch ein bun-
desweites System ermittelt werden.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Ja, meine letzte Frage. – Hält es die Bundesregierung
unter dem Gesichtspunkt der Transparenz und Über-
sichtlichkeit für förderlich, dass die Ergebnisse der Qua-
litätsprüfung nach § 115 SGB XI nicht bundesweit auf
einem Internetportal, sondern auf 16 Internetportalen
– das heißt, es gibt pro Bundesland jeweils eins – veröf-
fentlicht werden? Wenn ja, warum?
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Liebe Frau Kollegin Scharfenberg, wir haben ein fö-
derales System, gerade im Bereich der Heimstrukturen.
Sie wissen, dass das Heimrecht im Zuge der Föderalis-
musreform in die Verantwortung der Länder übergegan-
gen ist. Insofern glauben wir, dass es Sinn macht, wenn
jedes Bundesland separat informiert. Entscheidend ist
aber, dass die Qualität überall in Deutschland künftig in
jedem Heim und in jeder anderen Betreuungseinrich-
tung, die Altenpflege betreibt und Pflegebedürftige hat,
nach einheitlichen Kriterien gemessen wird und damit
von Flensburg bis Bayern dasselbe Notensystem herrscht,
damit einer, der innerhalb Deutschlands umzieht, eine
nach denselben Kriterien erstellte Beurteilung der Ein-
richtungen vorfindet. Das ist ein deutlicher Fortschritt.
Die Fragen 28 und 29 des Kollegen Dr. Ilja Seifert
werden schriftlich beantwortet. Wir sind deshalb am
Ende dieses Geschäftsbereiches. Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri-
ums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf. Die
Fragen beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekre-
tär Achim Großmann.
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Ich gebe das Wort der Bundesministerin Dr. von derLeyen.FgsRGtkdTtsWFfizsJsvzgwmddhgdLatnmrnsngMskJderAibh
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Deshalb ist richtig, worauf viele schon hingewiesenaben: Aktionistische und eindimensionale Forderungenerden dem furchtbaren Ereignis und der Komplexitäton Amokläufen nicht gerecht. Es reichte aber auchicht aus, wenn aus der Ratlosigkeit Sprachlosigkeit iner politischen Debatte würde. Vielmehr müssen wireute damit beginnen, über politische Konsequenzen zuiskutieren, allein deshalb, weil seit Mittwoch letzteroche – man mag dies geschmacklos oder richtig fin-en; es ist zum Teil auch eine Form der Verarbeitung –xperten, Verbände und Politiker bereits Vorschläge ge-acht haben. Daher ist es unser aller Aufgabe, alle Maß-ahmen zu prüfen, ob sie dazu geeignet sind, das Risikoon Amokläufen zu minimieren.Entscheidend und besonders wirksam ist aus unserericht eine Kultur des Hinsehens im sozialen Umfeld. Imor- und Nachhinein sind immer wieder Anzeichen vonrohenden Gewaltexzessen erkennbar, sei es in derachbarschaft oder in Internetchats. Das wichtigsterühwarnsystem sind deshalb aufmerksame Eltern,reunde, Mitschüler und Lehrkräfte.
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Kai GehringSchulen müssen Orte der Anerkennung sein, in denenMobbing, Kränkungen und Demütigungen entgegenge-wirkt wird. Neben einer angemessenen Ausstattung derJugendhilfe müssen in den Schulen selbst deutlich mehrSchulpsychologen und Sozialarbeiter eingesetzt wer-den. Wir brauchen vor Ort eine breite Sensibilisierungfür verschiedene Formen von Ausgrenzung, für Gewalt-bereitschaft und vor allem für soziale Isolation, weil siebei den Amokläufen ein sehr wichtiger Faktor gewesenzu sein scheint.Polizeien und Schulen müssen mit Krisenplänen aufdas Risiko von Amokläufen vorbereitet sein, bundesweitund flächendeckend. Ebenso muss es allerorts Strukturengeben, durch die sichergestellt ist, dass die Opfer fach-kundig betreut werden. Den professionellen Helferinnenund Helfern in Winnenden ist in diesem Zusammenhangausdrücklich zu danken.Liebe Kolleginnen und Kollegen, durch überzogeneForderungen nach Metalldetektoren, Chipkarten undEinlasskontrollen an allen Schulen wird dagegen weniggeholfen. Dadurch würde allenfalls eine scheinbare, aberkeine tatsächliche Sicherheit erreicht. Ich finde auch,dass Schulen jetzt nicht zu Festungen oder Hochsicher-heitstrakten werden dürfen, sondern Schulen sind geradedarauf angelegt, dass sie offene Orte des Lernens undLebens bleiben müssen.Ebenso wenig hilfreich sind neue Debatten über einVerbot von Computerspielen. Darüber wird heute imTicker erneut rauf und runter diskutiert. Deutschland hatbereits einen verantwortungsvollen Jugendmedienschutz.Gewaltverherrlichende und gewaltbeherrschte Compu-terspiele können verboten werden, und sie werden esauch. Wichtig ist nur, dass die bestehenden gesetzlichenRegelungen in der Praxis eingehalten werden. Ministerinvon der Leyen hat ja gerade selber auf Vollzugsdefizitehingewiesen.Gewaltspiele – das wissen wir – können auf Jugendli-che dann riskant wirken, wenn sie mit Sucht und mit Iso-lation einhergehen. Deshalb müssen wir dort ansetzen.Wenn sich Jungs mehrere Stunden täglich in virtuellenWelten bewegen, dann stellt sich die Frage nach nega-tiven Folgen und auch nach Alternativen: nach alterna-tiven Freizeitangeboten und danach, ob es ein Jugend-zentrum vor Ort gibt oder nicht.Wir als Grüne haben schon mehrfach vorgeschlagen,bei der Altersfreigabe endlich das Suchtpotenzial vonComputerspielen zu berücksichtigen. Das kann die Bun-desregierung konkret umsetzen. Die Eltern wiederummüssen zu Hause sehr genau hinschauen, was im Kin-der- und Jugendzimmer tatsächlich gespielt wird undwie lange es gespielt wird. Deshalb ist auch eine bessereMedienerziehung in den Schulen und in den Jugendein-richtungen besonders wichtig.Ich will in dieser Aktuellen Stunde deutlich sagen,dass wir auch beim Waffenrecht einen deutlichen Hand-lungsbedarf sehen; denn ganz entscheidend ist doch of-fensichtlich, dass wir eine massive Verringerung derVerfügbarkeit von Waffen erreichen. In diesem Sinnebrauchen wir ein restriktives und striktes WaffengesetzuundfldlKmkWbvnovmwgnwGGdhuSbdngaMdLrwSSuzHgs
Für die SPD-Fraktion gebe ich der Kollegin Monika
riefahn das Wort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froharüber, dass sich in den letzten Tagen ebenso wie in dereutigen Debatte gezeigt hat, dass wir gegenüber Erfurtnd Emsdetten in der politischen Kultur ein wichtigestück vorangekommen sind. Bisher sind überwiegendesonnene Kommentare und Vorschläge zu hören. Undas ist gut so.Eine solch schreckliche Tat ist weder monokausaloch einfach zu erklären. Dieses Mal gibt es politischlücklicherweise nur einzelne Versuche, neue Medienllein als Sündenbock hinzustellen oder eben einzelneaßnahmen als die seligmachenden zu beschreiben. Ichenke, durch plakative Verbotsforderungen werden unsösungen vorgegaukelt. Deswegen sind sie nicht dieichtigen.Wir haben in den letzten Jahren viel dafür getan, dassir in Deutschland inzwischen eines der wirksamstenysteme für den Jugendmedienschutz in Europa haben.elbstverständlich müssen wir politisch diskutieren, wasnabhängig davon noch weiter zu tun ist. Dazu gehörtum Beispiel die Frage, ob man Waffen wirklich zuause lagern muss oder ob sie nicht im Schützenvereinelagert werden sollten. Auch über den Vollzug der be-tehenden Gesetze muss diskutiert werden. Es ist jetzt
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Monika Griefahnschon möglich, gewaltverherrlichende Computerspieleund Filme – auch das ist wichtig; es geht nicht nur umSpiele, sondern auch um Filme – zu verbieten. Bei derAltersfreigabe wird sehr genau darauf geachtet, welcheMedien ab welchem Alter freigegeben werden können.In dieser Hinsicht sind andere Länder viel großzügiger.Auch das müsste stärker harmonisiert werden.Wir müssen uns auch mit der aufsuchenden Sozial-arbeit befassen und prüfen, wo es Probleme gibt und obausreichend Personal vorhanden ist. Wichtig ist außer-dem – auch über dieses Thema wird viel zu wenig disku-tiert – die Frage nach der Medienkompetenz von Elternund Lehrern. Wie werden sie aus- und fortgebildet? Wiekönnen sie mit Medien umgehen? Angebote wie „Spiel-räume“ für Eltern, durch die sie sich ein Bild machenkönnen, womit sich ihre Kinder beschäftigen, gibt es vielzu wenig. Einige Länder und die Kirchen haben etwasgetan. Ich glaube, dass wir auch das weiter im Blick be-halten müssen. Denn wir können nicht ignorieren, dassdie Jugendlichen in der Onlinewelt leben. Wir als Elternkönnen nur versuchen, das nachzuvollziehen und zu ver-stehen und dann auch aktiv mit unseren Kindern zu dis-kutieren.Ein weiterer Punkt, über den wir auch schon in einerAnhörung im Ausschuss intensiv diskutiert haben, ist dieOnlinesucht. Notwendig ist, dass sie als Krankheit an-erkannt wird, um dadurch Hilfe zu ermöglichen, indemzum Beispiel die Krankenkassen eine Therapie bezah-len. Ich hoffe, dass wir damit weiterkommen.Ich persönlich finde auch den Vorschlag sinnvoll,Testkäufe von altersbeschränkten Medien oder von Al-kohol zu verstärken. Denn nicht die Gesetze sind dasProblem, sondern es ist immer wieder der Vollzug.Die Begriffe „Killerspiel“ oder „Killerfilm“ sind un-sinnige Kategorisierungen. Nicht jeder wird abhängig,der etwas ausprobiert. Wie für das Rauchen gilt, dassman nicht automatisch nikotinabhängig wird, sonderndamit auch wieder aufhören kann, führen auch Spielenicht gleich in die Abhängigkeit.Aber nicht nur politisch droht der Reflex von schnel-len und einfachen Erklärungen. Bei den Medien bleibtim Wettlauf um die erste Nachricht, die schnellste Erklä-rung und das beste Foto guter Journalismus leider oft aufder Strecke. In den letzten Tagen gab es erschreckendeBeispiele dafür. Um an Sensationen und Bilder zu kom-men, wurden Schüler dafür bezahlt, dass sie bestimmteAntworten geben oder Blumen niederlegen und sichdann weinend umarmen. Auch wurden Bilder des Tätersund der Opfer aus persönlichen Internetprofilen über-nommen und sogar von Gedenkstätten gestohlen. Im In-ternet – zum Beispiel bei Twitter, dem hochgelobtenneuen Medium – waren es diesmal zuallererst Journalis-ten, die pietätlos über die Opfer spekulierten oder sichpersönlich inszenierten. Ein Fernsehsender kaufte einHandyvideo und vermarktete die letzten Minuten desAmokläufers. Ein weiteres Beispiel ist das Angebot ei-nes Internetportals, die Tat sozusagen nachzuspielen.Das alles ist zutiefst makaber und hat mit Journalis-mus nichts zu tun.EAGwlbtamTgddaBdrFVdfsuNiudwnBSHmmfGUdmZFsWgvboszV
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Nächster Redner ist der Kollege Reinhard Grindel,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich will freimütig bekennen, dass ich die Politik in die-sen Tagen in einem Dilemma sehe. Eigentlich müsstenwir erst einmal die Ermittlungsergebnisse des schreckli-chen Amoklaufs von Winnenden abwarten, bevor wiruns dazu äußern. Gleichzeitig werden uns Fragen nachdarGacctAdgeddeauKdabucsumMOdRIüDhaferVGEhiiwsvhbhbdhHl
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Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Kucharczyk,
SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieaktuellen Geschehnisse in Winnenden und Wendlingenmachen uns sehr betroffen, ja fassungslos. Umso wichti-ger ist, dass wir genau hinsehen und schauen, wo die Ur-sachen wirklich liegen. Blinder Aktionismus im An-schluss an schreckliche Taten hilft uns nicht weiter.Festzustellen ist: Dieser Amoklauf ist die Verzweif-lungstat eines Einzelnen, eines Einzelgängers, der jedensozialen Halt verloren hat. Unsere Aufgabe ist nun, dierichtigen Schlüsse daraus abzuleiten und das Sozialisa-tions- und Hilfenetz so eng zu knüpfen, dass keine Kin-der und Jugendlichen durchfallen.swsszebSkcsBrAgpwctssSkpmJvlnrJsutMvdtgSDmFttkftWltw
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Ich gebe das Wort der Kollegin Michaela Noll, CDU/
CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Warum? Ich glaube, diese Frage hat sich jederin Deutschland gestellt, wahrscheinlich nicht nur einmal,sondern mehrfach. Warum konnte das geschehen? Wa-rum war niemand in der Lage, rechtzeitig entsprechendeSignale vom Täter wahrzunehmen? Ich glaube auch,dass manche Eltern mit ihren Kindern gesprochen habenund sich gefragt haben: Weiß ich wirklich, was in mei-nem Sohn, der mitten in der Pubertät ist und vielleichtabends stundenlang Computerspiele spielt, vorgeht? Ichdenke, diese Frage haben sich viele Eltern gestellt.Für mich ist das, was geschehen ist, nach wie vor un-vorstellbar. Trotzdem müssen wir uns fragen: Was wardie Ursache? Deshalb möchte ich ein Dankeschön analle Kolleginnen und Kollegen aussprechen. Ich freuemich über die Art und Weise, wie wir die Debatte hierheute führen. Alle waren bereit, zu sagen: Wir habennoch keine Antworten, wir haben auch noch keine richti-gen Lösungen. Gleichzeitig haben wir aber auch alle ge-sagt: Wir alle brauchen Zeit für Trauer. Die Opfer brau-chen Zeit. Und wir brauchen Zeit für Antworten.Auch die aktuelle Gewaltstudie des KriminologischenForschungsinstituts Niedersachsen passt nicht auf diesenFall. Die Eltern selber sagten, der Junge sei unauffälligund nie gewalttätig gewesen. Das heißt, es gibt keine Pa-tentrezepte.Manche fordern nun eine Verschärfung des Waffen-rechts. Darin sehe ich ebenso wie mein Kollege Grindel,der darauf vorhin schon ausführlich eingegangen ist,keine Lösung.Andere sehen einen Zusammenhang mit bestimmtenComputerspielen. Dieses Thema wurde ja mehrfach vonden Kolleginnen und Kollegen angesprochen. Wir haben2–kWevczegczfgdrdgrdrngWtzgwghhdJremlldgsAnhKaaTagsthgdu
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 210. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. März 2009 22697
(C)
(D)
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 19. März 2009,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.