Gesamtes Protokol
Einen schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kol-
legen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der gestrigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Beschlüsse der Bundesregie-
rung zum Pakt für Beschäftigung und Stabilität zur
Sicherung der Arbeitsplätze, Stärkung der Wachstums-
kräfte und Modernisierung des Landes.
Das Wort für den fünfminütigen Einleitungsbericht
gebe ich dem Bundesminister der Finanzen, Peer
Steinbrück.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Ich will auf die Detailsnicht eingehen, zumal ich die Hoffnung habe, dass Sieschon Gelegenheit hatten, das zu lesen, was an Unterla-gen und Formulierungshilfen allen Fraktionen des Bun-destages zur Verfügung gestellt worden ist.Die Einschätzung der Bundesregierung ist, dass wiruns in einer Situation befinden, wie sie in der Geschichteder Bundesrepublik Deutschland ziemlich einmalig ist:Wir haben es mit einer weltweiten Rezession zu tun, dieein so exportabhängiges Land wie Deutschland, das40 Prozent seines Bruttosozialproduktes in Außenwirt-schaftsbeziehungen generiert, natürlich besonders harttrifft. Wir haben es mit einem regelrecht tektonischenBeben in der Finanzmarktarchitektur der Welt zu tun.Wir haben es darüber hinaus nicht mit einer Konjunktur-,sondern nach unserer Einschätzung durchaus mit einerStrukturkrise in einer der Leitindustrien zu tun, nämlichin der Automobilindustrie, und zwar nicht nur inDeutschland, sondern auch in anderen Ländern.In dieser Situation sind wir aufgefordert, uns antizy-klisch zu verhalten. Dies hat die Bundesregierung in zweiSchritten gemacht. Ich meine das, was Bundestag undBundesrat kurz vor Weihnachten verabschiedet haben,das erste Konjunkturpaket, und das, was Ihnen jetzt zurBeratung vorliegt: ein zweites Konjunkturpaket mit ei-nem öffentlichen Impuls von 50 Milliarden Euro. Ichdarf darauf hinweisen, dass die sogenannten automati-schen Stabilisatoren zusätzlich Wirkung entfalten. Ichwill damit sagen: Die konjunkturbedingten Minderein-nahmen und Mehrausgaben werden nicht durch ein dis-kretionäres Verhalten der Bundesregierung aufgefan-gen. Wir haben es darüber hinaus mit einer Reihe vonEntwicklungen zu tun, die in dieser Situation gelegent-lich etwas stärker betont werden dürfen. Ich denke bei-spielsweise an die fallenden Energie- und Rohstoff-preise, die für die Menschen, die noch vor einem halbenJahr an den Tankstellen und für Heizöl ganz anderePreise gezahlt haben, eine erhebliche Entlastung bedeu-ten. Wir haben es mit einer geringeren Inflationsent-wicklung zu tun. Darum werden die Reallohnzuwächsein diesem Jahr erkennbar höher sein als in den vergange-nen zwei bis drei Jahren.Wir haben keine Blaupause für eine Handlungsemp-fehlung in einer solchen Situation – weder die Bundesre-publik Deutschland noch andere Länder. Es ist daraufhinzuweisen, dass man die Maßnahmen anderer Ländervor dem Hintergrund unterschiedlicher Ausgangsbedin-gungen, Strukturen und Wettbewerbspotenziale nichteinfach kopieren kann. Ich glaube, dass die Bundesregie-rung mit ihren fünf Grundorientierungen etwas vorgelegthat, das konzise ist:Erstens darf Geld in einem Konjunkturzyklus wie die-sem nicht einfach verbrannt werden. Das war einer derGründe, warum ich massiv gegen Konsumgutscheineeingetreten bin. Wir müssen Investitionen fördern, dieüber diesen Konjunkturzyklus hinaus einen Modernisie-rungseffekt haben.Zweitens muss eine Kreditklemme vermieden wer-den, und zwar nicht nur bei den kleinen und mittleren,sondern auch bei den größeren Unternehmen.Drittens sind Nachfrageimpulse zu setzen, allerdingsanders akzentuiert. Mich wundert gelegentlich, dass voneinigen politischen Kontrahenten der Eindruck vermit-telt wird, als ob riesige Steuersenkungspotenziale nichtmit einer Neuverschuldung in erheblicher Dimensionverbunden seien. Die Frage ist, welche Verteilungs- undRedetext
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21750 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Januar 2009
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Bundesminister Peer SteinbrückKonjunktureffekte dies hätte. Diesbezüglich unterschei-den wir uns.Die vierte Orientierung ist: Eine Leitindustrie wie dieAutomobilindustrie ist mit einer Maßnahme zu unter-stützen. Diese Maßnahme wird von diesem Markt – dasist erkennbar – sehr begrüßt, und zwar von Produzentengenauso wie von Händlern. Die Abwrackprämie entwi-ckelt sich zum Renner.Fünftens ist in der Tat über eine Veränderung desGrundgesetzes dafür Sorge zu tragen, dass es einen grö-ßeren disziplinierenden Mechanismus gibt, damit manauf den Pfad der Konsolidierung zurückkehrt. Dies istgleichzeitig damit zu verbinden, dass die Bundesgelderin einem Investitions- und Tilgungsfonds zusammenge-fasst werden, der völlig offen ist. Deshalb verstehe ichden Vorwurf, da würde etwas versteckt oder camoufliert,als Teil der politischen Auseinandersetzung.Faktisch ist das völlig offengelegt und wird, wie ichfinde, mit dem Vorteil verbunden, dass wir hier eine Til-gungsregel gesetzlich verabredet haben, die – jedenfallsteilweise – bezogen auf den Erblastentilgungsfonds ihreFunktionsweise bereits gezeigt hat.Abschließend: Ein solcher antizyklischer Stimulus istzwangsläufig mit einer höheren Verschuldung verbun-den. Ich kann mich an viele Beiträge in diesem Hausevon den unterschiedlichsten Seiten, von den Medien undvon den wirtschaftswissenschaftlichen Expertisen imNovember und Dezember letzten Jahres erinnern, in de-nen die Bundesregierung aufgefordert wurde, einen mas-siven Akzent zu setzen. Jetzt gibt es plötzlich ein Erstau-nen darüber – das ist eine merkwürdige Lernkurve –,dass dies mit einer höheren Verschuldung verbunden ist.Mein Fazit lautet: Es kann keine unbefleckte Emp-fängnis von Konjunkturprogrammen geben, sondern esläuft darauf hinaus, dass wir erkennbar in eine Verschul-dung hineingehen, die uns in der nicht obsolet geworde-nen Zielsetzung, dass die öffentlichen Haushalte weiterkonsolidiert werden müssen, um Jahre zurückwirft.Ich danke Ihnen für Ihre Geduld. Ich höre Ihren Fra-gen jetzt gerne zu und hoffe, Ihnen einigermaßen kom-petente Antworten zu geben.
Herr Thiele, bitte schön.
Sehr geehrter Herr Minister, in einer solchen Situa-
tion ist klar, dass eine Regierung Schulden macht; das
wird ja auch erfolgen. Aber es ist unter einer rot-grünen
Koalition mit einem SPD-Finanzminister gesagt worden:
Wir wollen keine Sondervermögen haben, sondern sie
sollen ordentlich in den Haushalt integriert werden. Das
ist 1999 beschlossen worden. Da frage ich mich: Warum
bringen Sie diese Neuverschuldung jetzt nicht komplett
in die Bundesschuld ein, sondern richten ein Sonderver-
mögen „Investitions- und Tilgungsfonds“ mit 16,9 Mil-
liarden Euro Ausgaben und 4,1 Milliarden Euro Zins-
ausgaben ein? Die Bundesschuld beträgt nahezu
1 000 Milliarden Euro. Was für einen Sinn hat es, dane-
ben ein Sondervermögen als Zusatzschulden in der Grö-
ßenordnung mit Zinsen von etwa 18 bis 20 Milliarden
Euro zu errichten? Warum integrieren Sie das nicht
gleich in die Schuld?
Da drängt sich der Eindruck auf, dass das Absicht ist.
Hans Eichel war es, glaube ich, der sich für Haushalts-
klarheit und -wahrheit ausgesprochen hat. Deshalb
wurde das Sondervermögen in die Bundesschuld inte-
griert. Warum halten Sie sich nicht an den Grundsatz
„Klarheit und Wahrheit“, sondern schaffen ein Sonder-
vermögen, um den Eindruck zu erwecken, es finde eine
Tilgung statt? Denn die Tilgung der gesamten Bundes-
schuld kann erst erfolgen, wenn der Bund Überschüsse
macht. Solange er keine Überschüsse macht, wird die
Verschuldung durch Neuverschuldung weiter ansteigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie irren an mehreren Stellen, Herr Thiele. Denn es
gibt erstens eine gesetzlich verabredete Schulden- bzw.
Tilgungsregelung, die darauf hinausläuft, dass im ersten
Jahr – will sagen: in diesem Jahr – all das vom Bundes-
bankgewinn, was oberhalb von 3,5 Milliarden Euro liegt
– diese werden an den Bundeshaushalt abgeführt –, so-
fort zur Tilgung des Investitions- und Tilgungsfonds ein-
gesetzt wird. Im nächsten Jahr wird alles, was oberhalb
von 3 Milliarden Euro liegt, im übernächsten Jahr alles,
was über 2,5 Milliarden Euro liegt, dafür eingesetzt. Das
heißt, es gibt eine gesetzlich fixierte Tilgungsregelung,
die ihre Funktionsfähigkeit bereits mit Blick auf ihren
Teil bei der Tilgung des Erblastentilgungsfonds bewie-
sen hat. Insofern gibt es überhaupt keinen Zweifel.
Dies ist übrigens die wesentliche Raison d’Être, der
Grund, warum wir dieses Sondervermögen aufmachen:
Wir wollen diese Beiträge des Bundes, 16,9 Milliarden
Euro plus 4 Milliarden Euro Zinsen, bei einer Laufzeit
von zehn Jahren – hoffentlich brauchen wir nicht die ge-
samte Laufzeit – in dieser extraordinären Situation sehr
gezielt einer spezifischen Tilgungsregel unterwerfen.
Dies halte ich in der jetzigen Situation für ein wichtiges
Signal, nicht nur an die Öffentlichkeit, sondern auch an
die Märkte.
Zweitens – das ist ein Argument, das den Finanz-
minister sehr stark bewegt – diszipliniere ich damit stär-
ker die Vertreter aller Häuser hinsichtlich ihrer Begehr-
lichkeiten in zukünftigen Haushaltsverhandlungen.
Jetzt nicht. Ich werde Sie wieder aufschreiben und
fahre jetzt erst einmal in der Reihenfolge fort. Frau
Lötzsch, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, Siehaben zu Recht darauf verwiesen, dass uns allen die Pa-piere vorliegen. Wir haben natürlich versucht, die Pa-piere für diese Sitzung und diese Befragung ordentlichzu studieren. Darum habe ich eine Frage nach der Auf-
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Dr. Gesine Lötzschteilung der zusätzlichen Investitionsmittel. Sie sind ja imGesetzentwurf vorgelegt, und zwar in der Anlage „Wirt-schaftsplan des Sondervermögens“, und heißen imHaushaltsdeutsch: „die konjunkturunterstützenden Maß-nahmen im Bereich der Investitionen des Bundes“ sowieAusstattungsbedarf der Ressorts. Es geht also um die In-vestitionsmittel. Nun erklären Sie mir bitte, nach wel-chen Kriterien und Beweggründen Sie diese Mittel ver-teilt haben. Mir sind nämlich Ungleichgewichteaufgefallen, aber vielleicht können Sie der Öffentlichkeithierüber Auskunft geben.Falls es kein Druckfehler ist, ist es so, dass im Rahmendieser investitionsstützenden Maßnahmen das meisteGeld dem Einzelplan 14 – das ist das Bundesministeriumfür Verteidigung – zugutekommt: etwa 226 MillionenEuro; für militärische Beschaffungen, um das ganz klarzu sagen. Aber das Bundesministerium für Familie, Seni-oren, Frauen und Jugend zum Beispiel erhält aus diesenzusätzlichen Mitteln nur 5 Millionen Euro. Können Sieuns erklären, was Sie bewogen hat, diese Ungleichge-wichtung vorzuschlagen? Ich kann Ihnen nur sagen: Ichhalte das für eine wirkliche Fehlgewichtung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soweit ich Sie verstanden habe, Frau Lötzsch, heben
Sie gar nicht auf alle Investitionsmittel ab, sondern spe-
zifisch auf die 4 Milliarden Euro reine Bundesinvestitio-
nen, von denen der überwiegende Teil in die Verkehrsin-
frastruktur fließt und ein anderer Teil auf die Einzelpläne
verteilt wird. Die dort festgelegten Beträge sind gemäß
den Ressortverhandlungen für den jeweiligen Moderni-
sierungsbedarf vorgesehen, den die Ressorts haben. Das
ist völlig unstreitig. Es geht nicht darum, dass für die je-
weiligen Ressorts ein fester Schlüssel à la Königstein
festgelegt wird. Es hat darüber Kontakte zu den Ressorts
mit Blick auf die Notwendigkeit des jeweiligen Moder-
nisierungsbedarfes gegeben, der so schnell wie möglich
durch solche zusätzlichen Mittel bedient werden soll,
weil das Geld abfließen soll.
Eine besondere politische Gewichtung ist weder be-
absichtigt noch in meinen Augen erforderlich, sondern
es geht darum, jetzt schnell einen konjunkturellen Im-
puls auszuüben. Das ist die Hauptzielsetzung, die wir in
diesem Jahr so schnell wie möglich erreichen wollen.
Frau Haßelmann, bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Finanzminister,
meine Fragen beziehen sich auf den Komplex kommu-
nale Investitionen. Nun muss ich das gar nicht mit mei-
nen eigenen Worten sagen, sondern ich glaube, es gehört
auch zu Ihren Redewendungen: Wie wollen Sie sicher-
stellen, dass das Geld, das den Kommunen direkt zu-
kommen soll, nicht bei den Ländern „kleben“ bleibt?
Ich bin sicherlich nicht die einzige Abgeordnete, die
in den letzten Tagen in der kommunalen und regionalen
Presse verschiedene detaillierte Einlassungen von Abge-
ordneten der Regierungsfraktionen über Summen für In-
vestitionen in ihren jeweiligen Städten und Gemeinden
lesen konnte. Als Beispiel nenne ich eine Einlassung des
NRW-Staatssekretärs der CDU, Herr Kozlowski, der der
Presse mitteilte, dass sicherlich demnächst kommunale
Investitionsmittel unter anderem für den Weiterbau der
A 33 und der A 30 in Ostwestfalen zur Verfügung stehen
werden.
Mich interessiert: Wie stellen Sie als Ministerium si-
cher, dass das Bundesgeld für die kommunalen Investi-
tionen auch wirklich bei den Kommunen ankommt und
nicht für Landesinvestitionen verwendet wird, die von-
seiten der Länderregierungen vielleicht seit vielen Jah-
ren wünschenswert erscheinen? Wie tragen Sie dafür
Sorge, dass insbesondere Kommunen in Haushaltssiche-
rung und notleidende Kommunen, zum Teil mit Not-
haushalten – das betrifft zum Beispiel Nordrhein-West-
falen in besonderem Maße –, davon profitieren.
Mein Kenntnisstand aus Ihren Unterlagen oder Infor-
mationen ist bislang der, dass in jedem Fall Kofinanzie-
rungsmittel vonseiten der Kommunen zur Verfügung ge-
stellt werden müssen. Insbesondere Kommunen mit
Nothaushalten können gar keine Kofinanzierung leisten;
das wissen wir beide. Ich nenne als Beispiel Oberhausen
mit negativem Eigenkapital. Mich interessiert, wie Sie
sicherstellen, dass die notleidenden Kommunen diese
Mittel bekommen und das Geld nicht bei den Ländern
verbleibt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich antworten, Frau Präsidentin?
Herr Minister, Sie waren vorher mit Ihren Antworten
immer so schnell, dass ich mir jetzt gedacht habe: Sie
sind so eingespielt, dass ich lieber nicht dazwischenre-
den sollte. – Aber ich gebe Ihnen gerne das Wort. Bitte
schön!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bemerke meine eigene Unhöflichkeit.
Sie sprechen ein entscheidendes Thema an: Wir nen-nen das die „klebrigen Hände“ der Länder. Nicht nur Siehaben Erfahrungen, sondern auch ich selber habe damitErfahrungen gemacht, weil ich einmal auf der anderenSeite der Bank gesessen habe. Dieses Problem ist nichtganz von der Hand zu weisen.Es gibt eine Verwaltungsvereinbarung mit den Län-dern, in der einige Regularien festgelegt sind. Es ist ge-lungen, mit den Ländern einen klaren Prozentsatz zuvereinbaren, nach dem die 10 Milliarden Euro des Bun-des plus die 3,3 Milliarden Euro, die die Länder für das
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Bundesminister Peer Steinbrückkommunale Investitionsprogramm bereitstellen, auf dieKommunen verteilt werden sollen.Der Schlüssel ist 70 zu 30. 70 Prozent dieser insge-samt 13,3 Milliarden Euro sollen der kommunalen Infra-struktur zugutekommen, 30 Prozent der übergreifendenInfrastruktur, zum Beispiel Landeskrankenhäusern oderder Kommunikationsinfrastruktur.Die Kontrolle wird insbesondere durch einen be-stimmten Abrechnungsmodus erfolgen. Der Bund wirdsehr genau überprüfen, inwieweit Mittel zweckentfrem-det worden sind. Die Verwendungszwecke sind nämlichklar definiert. Das gilt insbesondere für die Verwendungder Mittel im Bildungsbereich, aber auch in den einzel-nen Infrastrukturbereichen.Es wird darauf ankommen, dass die Länder ihre Ver-antwortung wahrnehmen. Die rheinland-pfälzische Lan-desregierung tut dies bereits. Sie wird in einer ihrernächsten Kabinettssitzungen entscheiden, dass das LandRheinland-Pfalz den kommunalen Anteil der Kofinan-zierung zunächst einmal vollständig übernimmt und dasserst dann überprüft wird, welche finanziell stärkere oderschwächere Kommune in welchem Ausmaß in der Lageist, ihren Kofinanzierungsanteil aufzubringen.Für den Fall, dass ein Land diese Regelungen nichtübernehmen sollte, werden wir dafür sorgen, dass sichselbstverständlich auch finanzschwache Kommunen be-teiligen können. Wir werden bei der KfW ein Programmauflegen, in dessen Rahmen der Kofinanzierungsanteilfinanzschwacher Kommunen übernommen wird, wobeiZins und Tilgung gestundet werden.Ich möchte alle Kommunen bitten, über ihre kommu-nalen Spitzenverbände und über andere Selbstverwal-tungseinrichtungen den notwendigen Druck auf ihre je-weilige Landesregierung auszuüben. Der Bund ist nichtin der Lage, gesetzliche Vorschriften festzulegen, weildies mit den kommunalaufsichtsrechtlichen Zuständig-keiten der Länder kollidieren würde, eingedenk der ver-fassungsrechtlichen Realität, dass die Kommunen nichtBestandteil des Bundes, sondern Bestandteil der Ländersind. Dieses Problem haben wir im Visier. Im drittenStockwerk dieses Hauses wird gerade mit 200 bis300 Kommunalpolitikern über dieses Thema diskutiert.
Herr Weiß, bitte.
Gerald Weiß (CDU/CSU):
Herr Minister, im Gesamtpaket wird ein deutlicher ar-
beitsmarktpolitischer Schwerpunkt gesetzt. Regierung
und Koalition wollen insbesondere das Instrument der
Kurzarbeit attraktiver gestalten, es sozusagen gängiger
machen. Könnten Sie darlegen, was sich die Regierung
davon verspricht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Obwohl die Sehnsucht danach groß ist, ist es sehr
schwer, mit irgendwelchen Zahlen zu operieren, da diese
auch eine Scheinrationalität darstellen könnten. Da wir
alle uns bei der Prognose von Zahlen schon sehr häufig
getäuscht haben, sollten wir damit sehr vorsichtig sein.
Nehmen Sie es mir deshalb nicht übel, dass ich Ihnen
keine konkreten Arbeitsplatzeffekte in Aussicht stellen
kann.
Richtig ist, dass die Maßnahmen zum Kurzarbeiter-
geld, insbesondere die geplante Übernahme der Sozial-
versicherungsbeiträge – in diesem Fall geht es darum,
dass Unternehmer bereit sind, ihre Beschäftigten in der
Phase der Kurzarbeit zu qualifizieren, aber auch um an-
dere Qualifizierungs- und Vermittlungsmaßnahmen –, in
den Gesprächen, die die Bundeskanzlerin und viele Ka-
binettsmitglieder mit verschiedenen Verbänden und den
Gewerkschaften geführt haben, sehr positiv aufgenom-
men wurden.
Diese Maßnahmen werden den Haushalt der BA be-
lasten, in welchem Ausmaß, ist allerdings sehr schwer
abzuschätzen. Ob es dadurch im Laufe des Jahres 2010
zu einem völligen Verzehr der jetzigen Reserven der BA
kommt, ist sehr konjunkturabhängig und abhängig da-
von, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt. Aufgrund der
Maßnahmen, die in der Vergangenheit getroffen worden
sind, schätzen wir den Arbeitsmarkt in der gegenwärti-
gen rezessiven Phase allerdings robuster als in früheren
Jahren ein.
Sollten die Reserven der BA zur Finanzierung dieser
Maßnahmen, die als sehr sinnvoll und effektiv quali-
fiziert werden, aufgezehrt sein, müsste dieses Hohe Haus
im Zuge der Haushaltsberatungen gegebenenfalls da-
rüber entscheiden, ob man der BA ein Darlehen – keinen
Zuschuss mehr, sondern ein Darlehen – gibt.
Noch einmal: Eine Quantifizierung der Arbeitsmarkt-
effekte dieser Maßnahmen fällt sehr schwer. Ich scheue
mich ein bisschen, sozusagen aus der Hüfte zu schießen
und eine Prognose abzugeben, da diese von denjenigen,
die sich mit diesem Zahlenwerk besser auskennen als
ich, sehr schnell widerlegt werden könnte.
Herr Koppelin.
Herr Minister, da wir gleich im Haushaltsausschussnoch die Möglichkeit des Gesprächs und der Diskussionhaben werden, möchte ich nur auf eine aktuelle Forde-rung eingehen. Gestern hat der haushaltspolitische Spre-cher der Union gefordert, Goldreserven zu verkaufen.Ich habe in diesem Zusammenhang ein Zitat mitge-bracht, das Sie vielleicht interessiert:Die Aufforderung der Regierungskoalition an dieBundesbank zum Goldverkauf demaskiert dasScheitern der … Haushaltspolitik und ist ein ver-zweifelter Frontalangriff auf die Unabhängigkeitder Bundesbank.Dass der Kollege das gesagt hat, ist noch nicht lange her.Damals war er allerdings in der Opposition. Jetzt forderter den Goldverkauf.
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Herr Minister, wie ich lesen konnte, haben Sie sich er-freulicherweise gegen einen Verkauf von Gold ausge-sprochen. Ich frage Sie: Könnten Sie den Kolleginnenund Kollegen von der Union noch einmal erklären, wa-rum Sie dagegen sind, Gold zu verkaufen?
Herr Minister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gold macht sehr sinnlich. Der Vorschlag, Gold zu
verkaufen, kommt immer wieder. Da ich mir selber zu
Beginn meiner Amtszeit mit Begehrlichkeiten im Hin-
blick auf die Goldbestände der Bundesbank ein- oder
zweimal den Mund verbrannt habe, erlaube ich mir, auf
zweierlei hinzuweisen:
Erstens. Wenn man über die Goldbestände der Bun-
desbank verfügen wollte, müsste man eine Novelle des
Bundesbankgesetzes herbeiführen. Denn nach geltender
Rechtslage kann der Bundesbankvorstand über die Gold-
bestände souverän verfügen.
Zweitens. Es gibt ein internationales Abkommen, in
dem Kontingente festgesetzt sind, wer wie viel Gold ver-
äußern kann. Die Bundesbank macht von der Möglich-
keit, Gold zu verkaufen, übrigens spärlich Gebrauch; im
Wesentlichen veräußert sie Gold für die Prägung von
Goldmünzen in Deutschland. Im Übrigen hätte der Ver-
kauf von Gold Folgen für die Bilanz der Bundesbank.
Das heißt, bevor man mit einem solchen Vorschlag in
die Öffentlichkeit geht, ist man gut beraten, sich zu-
nächst mit dem Präsidenten der Bundesbank zusammen-
zusetzen. Solche Vorschläge wirken sonst eher verwir-
rend in einer Zeit, in der sich die Nachrichten über die
Probleme, mit denen wir es zu tun haben, aneinanderrei-
hen.
Die Kollegin Enkelmann.
Herr Minister, Sie haben davon gesprochen, dass es
um schnelle konjunkturelle Impulse geht. Nun ist ja strit-
tig, ob die Maßnahmen tatsächlich konjunkturfördernd
sind. Sind denn auch andere Maßnahmen beraten wor-
den, und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Ist zum Bei-
spiel beraten worden, den Hartz-IV-Regelsatz anzuheben
oder den Mehrwertsteuersatz auf Medikamente deutlich
abzusenken oder die steuerliche Abzugsfähigkeit von
Kinderbetreuungskosten zu verbessern? Das wären
Maßnahmen, die wirklich konjunkturfördernd sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich widerspreche Ihnen: Ich habe den Eindruck, dassdas Urteil der überwiegenden Mehrheit ist, dass unsereKonjunkturfördermaßnahmen durchaus schnell wirkenkönnen. Das entnehme ich insbesondere vielen Gesprä-chen mit Vertretern der Kommunen, die das kommunaleInvestitionsprogramm als sehr hilfreich empfinden, weilsich vieles direkt umsetzen lässt. Was die Einschätzungder Maßnahmen angeht, haben wir also einen Dissens.Natürlich sind weitere Maßnahmen debattiert worden.Alles, was mit der Mehrwertsteuer zu tun hat – denMehrwertsteuersatz auf Medikamente reduzieren, zeit-lich begrenzt die Mehrwertsteuersätze reduzieren –, isteinmütig verworfen worden, da der konjunkturelle Ef-fekt solcher Maßnahmen zumindest stark bezweifeltwird. Ich behaupte, dass er so gut wie nicht spürbarwäre. Abgesehen davon kann ich mir nicht vorstellen, inwelchem Ausmaß eine Absenkung des Mehrwertsteuer-satzes von 19 Prozent auf einen reduzierten Mehrwert-steuersatz den Konsum wirklich stärkt. Im Übrigen istfraglich, ob die Hersteller bzw. die Dienstleister einezeitlich begrenzte Mehrwertsteuersenkung an die Kon-sumenten weitergeben. Wer gibt Ihnen die Garantie da-für? Darüber hinaus wäre eine Mehrwertsteuersenkungmit Einnahmeverlusten in Milliardenhöhe verbunden.Der Nutzen wäre, denke ich, sehr gering. Dasselbe giltmit Blick auf eine Erhöhung der Transferzahlungen.Auch was den konjunkturellen Impuls von Steuersen-kungen angeht, gibt es einen Dissens zwischen Ihrer undunserer Auffassung. Wir können diesen Dissens nur fest-stellen.Die Bundesregierung hat sich von fünf Grundorien-tierungen leiten lassen, die ich bereits genannt habe.Dazu gehören vor allem: Investitionen fördern, eine Kre-ditklemme vermeiden, eine Leitindustrie unterstützen,einen Nachfrageimpuls geben. Wir haben deutlich ge-macht, dass wir uns verschärften Konsolidierungsregelnunterwerfen werden. Was den Nachfrageimpuls betrifft,bitte ich zu bedenken, dass sich das Ganze als Summeder verschiedenen Puzzleteile ergibt: Wir haben denKinderfreibetrag erhöht. Wir haben das Kindergeld er-höht. Wir haben den Beitrag zur Arbeitslosenversiche-rung von 3,3 Prozent auf jetzt 2,8 Prozent gesenkt – eineEntlastung paritätisch für Arbeitgeber wie für Arbeitneh-mer von jeweils 15 Milliarden Euro.
Wir reduzieren den Krankversicherungsbeitrag wieder.Zum 1. Januar 2009 wird der Krankenversicherungsbei-trag steuerlich anrechenbar; das entspricht einem Entlas-tungsvolumen von 9 Milliarden Euro. Der steuerlicheImpuls, auf den sich die Koalition geeinigt hat – Erhö-hung des Freibetrags, Rechtsverschiebung des Tarifes,Absenkung des Eingangssteuersatzes –, entlastet umweitere 6 Milliarden Euro.Wenn Sie die fünf oder sechs Bausteine, die ich be-schrieben habe, zusammennehmen, kommen Sie auf ei-nen durchaus nennenswerten Betrag, je nach Haus-haltstypus und je nach Steuerklasse. Wenn Sie desWeiteren bedenken, dass die Energie- und Rohstoff-preise gesunken sind, sehen Sie, dass antizyklisch beider Nachfrage etwas in Gang kommt, das sich durchaus
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21754 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Januar 2009
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Bundesminister Peer Steinbrückstabilisierend auswirkt. In welchem Ausmaß, kann Ihnenvielleicht einer der vielen Wirtschaftswissenschaftlerausrechnen, die im Augenblick täglich im Fernsehen zusehen sind.
Herr Kurth.
Herr Minister, ich möchte auch noch einmal die
schnell wirksamen konjunkturellen Impulse aufgreifen,
die Sie angesprochen haben. In dem Zusammenhang ha-
ben Sie ja auch erklärt, dass Sie Konsumgutscheine ab-
lehnen.
Ich nehme an, Sie hatten im Blick, dass durch direkte
Investitionen mehr Folgeinvestitionen angestoßen wer-
den. In dem Zusammenhang spricht man ja vom Multi-
plikatoreffekt. Wenn der Staat sich weiter verschuldet,
dann sollen durch jeden Euro, den er mehr ausgibt, mög-
lichst viele volkswirtschaftlich wirksame Folgeinvesti-
tionen ausgelöst werden.
Wie schätzen Sie in dem Zusammenhang in Ihrem
Hause den Multiplikatoreffekt der Steuererleichterungen
insbesondere mit Blick auf die Empfänger höherer Ein-
kommen ein? Ist nicht vielmehr anzunehmen, dass sich
lediglich die Sparquote erhöht und dass keinerlei Folge-
investitionen und volkswirtschaftliche Wirkungen von
dem Entlastungsvolumen ausgehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Einschätzung teile ich weitestgehend. Wir haben
uns schon in früheren Zeiten empirische Daten zu Steu-
ersenkungsprogrammen anderer Länder angeschaut und
sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Elastizität für
einen längeren Zeitraum zwischen 0,4 und 0,5 schwankt.
Das heißt, dass die Annahme, die häufig politisch vertre-
ten wird, dass sich Steuersenkungen nämlich in relativ
kurzer Zeit selbst finanzieren, eine Fehlannahme ist.
Durch die Untersuchungen, die man dazu heranziehen
kann, wird das nicht bestätigt.
Sie haben völlig recht, dass der Massenkonsum, den
man durch Steuersenkungen erreichen will, nicht beför-
dert wird, weil die Steuerbelastung in den unteren Ein-
kommensetagen nicht das große Problem ist, sondern
dort schlagen die Sozialversicherungsabgaben viel stär-
ker zu Buche. Für die oberen Einkommensetagen ist
durch das Bundesamt für Statistik klar belegt, dass dieje-
nigen, die ein monatliches Nettoeinkommen von über
3 500 Euro haben, eine Sparquote von weit über
20 Prozent – 22 bis 23 Prozent – aufweisen.
Im Übrigen ist nie ganz absehbar, wie ein zusätzlicher
Konsumschub durch Steuersenkungen wirkt und wel-
cher Konjunktureffekt dadurch erzielt wird. Wird das
Geld für chinesisches Spielzeug, japanische Elektronik
oder den Golfkurs auf Mallorca ausgegeben? Wo geht es
hin, und was hat das mit der deutschen Konjunktur zu
tun?
Deshalb sind wir zu einem Ergebnis gekommen, mit
dem wir diesen Bedenken durchaus Rechnung tragen:
Erhöhung des Freibetrages, Reduzierung des Eingangs-
steuersatzes und Rechtsverschiebung des Tarifs. Letz-
teres ist, wenn man den Freibetrag erhöht, in meinen
Augen automatisch erforderlich, weil man es sonst mit
Blick auf die Grenzbesteuerung bei den unteren Einkom-
men mit einem sehr viel stärker ansteigenden Ast zu tun
hat. Damit ist etwas vorgelegt worden, von dem ich
glaube, dass das stimmig ist.
Im Übrigen darf ich hinzufügen und wiederholen: Im
Rahmen einer Sitzung des Koalitionsausschusses habe
ich versucht, die Wette einzugehen, dass mit Blick auf die
öffentliche Haushaltslage am Ende dieses Jahres keine
Regierung, egal wie sie sich politisch zusammensetzt,
nach Koalitionsverhandlungen ein Steuersenkungspro-
gramm in einer Dimension wird beschließen können und
wollen, das ausreicht, um den Mittelstandsbauch beseiti-
gen zu können. Diese Wette halte ich aufrecht.
– Beschließen werden die es wegen der damit verbunde-
nen Konsequenzen auch nicht.
Einen Dialog kann ich jetzt nicht zulassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist pure Leidenschaft.
Frau Tillmann.
Herr Minister, ich teile Ihre Auffassung, dass daskommunale Investitionsprogramm bei den Kommunen– den zuständigen Stadträten und Bürgermeistern – gutankommt. Ich habe im Moment aber ein wenig dieSorge, dass Hoffnungen geschürt werden, die hinterhermit dem Programm nicht erfüllt werden, und dass dieStimmung dann kippt.Deshalb lautet meine erste Frage: Halten Sie es fürmöglich, dass nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz unddem darin genannten Förderbereich der Neubau vonFußballstadien gefördert wird?Zweite Frage. Wird es eine Handreichung zu diesenFörderbereichen geben – dabei denke ich insbesonderean sonstige Infrastrukturinvestitionen –, und wannkommt sie?
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Januar 2009 21755
(C)
(D)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In den Zweckbestimmungen, die auch in der Verwal-
tungsvereinbarung aufgeführt sind, sind die Bereiche
aufgelistet, die durch dieses kommunale Investitionspro-
gramm erreicht werden sollen. Ich habe im Augenblick
nicht ganz präsent, ob die Modernisierung von Sportstät-
ten auch dabei ist.
– Gut. Wenn sie nicht enthalten ist, dann wird dies nicht
möglich sein.
Erkennbar herausgenommen ist der Übergang in die
Verkehrsinfrastruktur, weil wir nicht wollen, dass das
plötzlich nur ein bloßer Ersatz der Finanzierungsmittel
ist, die wir nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungs-
gesetz bzw. auf der Basis dessen bereitstellen, was ohne-
hin im Bundesverkehrswegeplan steht. Ebenso werden
keine Maßnahmen des Schienenpersonennahverkehrs fi-
nanziert, weil dies Gegenstand des Regionalisierungsge-
setzes ist und durch die Mittel geleistet wird, die daraus
zur Verfügung gestellt werden.
Fazit ist: Es werden genau die Bereiche aufgelistet,
die mit diesen kommunalen Investitionen erreicht wer-
den sollen: Bildungsstätten im weitesten Sinne – von der
Kita bis zur Hochschule – und Vorhaben im Bereich der
kommunalen Infrastruktur.
Ich habe bisher viele Kommunalvertreter gesprochen,
die die unterschiedlichsten Parteien repräsentieren, die
alle im Deutschen Bundestag vertreten sind. Sie sagen
vor dem Hintergrund eines ungeheuren Nachholbedar-
fes, dass sie in der Lage sind, relativ schnell solche kom-
munalen Investitionsprojekte aus der Schublade zu zie-
hen. Daran ist mir insbesondere deshalb sehr gelegen,
weil wir die vergaberechtlichen Rahmenbedingungen im
Sinne einer Beschleunigung verbessern, wie mir Herr
Schauerte gerade bestätigt hat.
Herr Wissing.
Herr Minister, ich habe eine Frage im Zusammenhang
mit der Hypo Real Estate. Sie haben am 29. September
2008 über die Schieflage der Hypo Real Estate und die
staatlichen Rettungsmaßnahmen informiert. Dass dies
nicht früher geschehen ist, haben Sie damals damit be-
gründet, dass am Vortag die bayerische Landtagswahl
stattgefunden habe: Sie hätten schon früher darüber Be-
scheid gewusst, wollten aber keinen Einfluss auf das
Wahlergebnis ausüben.
Tatsächlich sind am 29. September 2008 Ansprüche
nach dem Umwandlungsgesetz verjährt. Meine Frage
lautet: Wann haben Sie von diesen Ansprüchen und der
Verjährungsfrist erfahren, und um welche Ansprüche in
welcher Höhe handelt es sich, die mit Ablauf des
28. September 2008 verjährt sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es tut mir leid; ich bin hier, um über das Konjunktur-
paket der Bundesregierung Auskunft zu geben, und kann
nicht aus dem Stand Fragen zu sehr komplexen Sachver-
halten beantworten. Stellen Sie mir die Frage noch ein-
mal schriftlich; dann beantworte ich sie gerne.
Herr Spieth.
Herr Minister, die Bundesregierung hat mit der Ge-
sundheitsreform zur Umsetzung des Gesundheitsfonds
zum 1. Januar 2009 einen Beitragssatz von 15,5 Prozent
festgelegt. Die Bundesregierung beabsichtigt jetzt, leider
erst passgenau zwei Monate vor der Bundestagswahl
eine Absenkung des Beitrags um 0,6 Prozentpunkte
vorzunehmen. Vertreter der Bundesregierung haben zu-
rückliegend darauf hingewiesen, dass es im Sinne von
konjunkturankurbelnden Maßnahmen wichtig wäre, den
Sonderbeitrag von 0,9 Prozent, der nur von Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmern und Rentnerinnen und
Rentnern gezahlt wird, abzuschaffen.
Welche Erkenntnisse haben die Bundesregierung
dazu bewegt, von diesen Positionen, die insbesondere
Frau Gesundheitsministerin Schmidt vertreten hat, abzu-
gehen und eine Absenkung vorzunehmen, von der nur
0,3 Prozentpunkte den Beitragszahlern – also den versi-
cherten Rentnerinnen und Rentnern und Arbeitneh-
mern – und die übrigen 0,3 Prozentpunkte als besonde-
res Förderprogramm der Wirtschaft zugutekommen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist ganz einfach, Herr Abgeordneter. Das ist das
Moment der Kompromissfindung als konstitutives Ele-
ment in einer Koalition innerhalb einer parlamentari-
schen Demokratie. So schlicht ist das.
Die SPD-Position war in der Tat, die Sonderbelastung
von 0,9 Prozent mit den von Ihnen dargestellten Vertei-
lungseffekten abzusenken, aber – man muss nicht lange
drum herumreden – im Zusammenwirken der Gesamt-
koalition ist dann das Ergebnis herausgekommen, den
Beitrag um 0,6 Prozentpunkte paritätisch abzusenken,
wovon Arbeitgeber, aber auch Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer und Rentnerinnen und Rentner profitie-
ren. Das ist das Ergebnis eines politischen Entschei-
dungsprozesses.
Herr Schick.
Herr Minister, ich habe eine Frage zu der 36-Monats-Regelung, wozu es offensichtlich Gespräche zwischender EU-Kommission und der Bundesregierung gab.Nach diesen Gesprächen – so die Medienberichterstat-tung – hat sich ein Mitglied des Leitungsausschusses desSoFFin für eine Änderung dieser Regelung ausgespro-chen. Mich interessiert, ob die Medienberichterstattungrichtig ist, dass Mitglieder des Leitungsausschusses des
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21756 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Januar 2009
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Dr. Gerhard SchickSoFFin offensichtlich nicht über die Gespräche zwi-schen der Bundesregierung und der EU-KommissionBescheid wussten, und wie es dazu kommen konnte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diejenigen, die sich geäußert haben, wussten Be-
scheid. Wir versuchen heute, klarzustellen, dass wir das
Echo aus Brüssel als unvollständig empfunden haben.
Die Einigung, die wir mit Brüssel erzielt haben, lautet,
dass eine 36-monatige Laufzeit festgelegt wird oder aber
– jetzt kommt es; das ist gestern vom Sprecher der Brüs-
seler Kommission nicht deutlich gemacht worden und
hat zur Verwirrung beitragen –, es zu einer Verlängerung
im Zuge einer Einzelnotifizierung kommen kann. Das ist
gestern bei den Angaben aus Brüssel weggefallen und
hat zu diesen zugegebenermaßen nachvollziehbaren,
aber für viele Beteiligte verwirrenden Darstellungen ge-
führt.
Es ist also im Zuge der Einzelnotifizierung eine Ver-
längerung möglich. Das ist das Ergebnis dessen, was wir
mit Brüssel erreicht haben.
Generell stellt sich die Frage im Hinblick auf das
Finanzmarktstabilisierungsgesetz in laufenden Prüfun-
gen, zu deren Ergebnissen ich allerdings erst Rede und
Antwort stehe, wenn sie abgeschlossen sind. Dabei geht
es darum, sich mit der Begrenzung des Cap im Hinblick
auf die Bereitstellung von Garantien und Kapitalinjek-
tionen zu befassen. Das werden wir im Zusammenhang
mit der Frage tun, welche möglichen Nachjustierungen
das Finanzmarktstabilisierungsgesetz – auch im Hin-
blick auf die Arbeit des Leitungs- und des Lenkungsaus-
schusses – erfahren muss. Ich stehe Ihnen gerne zur Ver-
fügung, wenn die Überlegungen abgeschlossen sind.
Herr Romer, bitte.
Herr Minister, ich möchte den 100-Milliarden-Euro-
Bürgschaftsrahmen ansprechen. Ich glaube, das ist eine
sehr wichtige Sache. Wie Sie wissen, gibt es in der Auto-
mobilindustrie schon seit Dezember letzten Jahres bzw.
Januar dieses Jahres Kurzarbeit oder verlängerte Ferien.
Das wirkt sich natürlich sehr stark auf die Zulieferer aus,
und zwar nicht nur auf die großen wie Bosch, sondern
vor allem auch auf die kleinen und mittelständischen Be-
triebe. Diese mussten sehr große finanzielle Vorleistun-
gen erbringen, um Material, Werkzeuge und Maschinen
zu kaufen. Nun bricht ihnen die Einnahmeseite weg, teil-
weise um bis zu 50 Prozent. Das bedeutet, dass diese Be-
triebe bei der Liquidität am Ende sind, insbesondere die-
jenigen, die in den letzten Jahren umgestellt oder
investiert haben und aufgrund dessen nur über eine sehr
dünne Kapitaldecke verfügen.
Nun ist es dringend notwendig, den betreffenden Be-
trieben schnell und rasch zu helfen. Vor Ort stelle ich im-
mer wieder fest, dass dann, wenn die Hausbank einge-
schaltet wird, die Frage gestellt wird: Wer übernimmt
das Risiko? – Es dauert viel zu lange, bis den Betrieben
Geld zur Verfügung gestellt wird, um die schwierige Zeit
zu überbrücken. Hier wäre dringend rasche Hilfe not-
wendig. Das notwendige Geld haben wir bereits zur Ver-
fügung gestellt. Was schlagen Sie vor, damit das Ganze
schnell und rasch umgesetzt wird und die Betriebe wis-
sen, an wen sie sich wenden müssen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Erstens. Bei der Abwicklung der Programme giltzwingend das Hausbankenprinzip; anders geht es nicht.Sonst werden die Landesbürgschaftsbanken und dieKfW nicht tätig sein können, weil sie sich dem Wettbe-werbsprinzip unterwerfen würden.Zweitens. Ich bitte um Nachsicht, aber die Probleme,die gelegentlich in Einzelfällen auftauchen – ich kommegleich auf die makroökonomische Ebene zu sprechen –,sollten nicht leichtfertig und schnell den Aktivitäten derBürgschaftsbanken zugeordnet werden. Gelegentlich hatdas auch etwas mit den betreffenden Unternehmen zutun.Ein Fachmann sagte mir neulich: Wenn die KfW be-reit ist, bei den Bürgschaften ein Risiko von 90 Prozentzu übernehmen, während von der Hausbank verlangtwird, ein Risiko von 10 Prozent zu übernehmen, undgleichzeitig wird verlangt, dass die Hausbanken voll-ständig entlastet werden müssen, dann muss man genauwissen, was es bedeutet, ein Risiko zu 100 Prozent zuübernehmen. Wenn es eine Sparkasse, eine Genossen-schaftsbank oder eine private Geschäftsbank gibt, diemit Blick auf eine solche Finanzierung von Betriebsmit-teln oder Investitionen bei einem selber zu tragenden Ri-siko von 10 Prozent sagt: „Nein, das machen wir nicht“– und zwar in Würdigung der Bonität oder des Ge-schäftsmodells des betreffenden Unternehmens –, dannlautet die Antwort von vielen: Dann sollte der Bund erstrecht nicht 90 Prozent des Risikos über seine Einrichtun-gen übernehmen.Die Abwägung muss vor Ort stattfinden. DenjenigenKreditinstituten, die an dem Bürgschaftsrahmen teilha-ben wollen, bleibt die Prüfung der Anträge der betreffen-den Unternehmen im Hinblick auf die Bonität nichterspart. Sie müssen genau prüfen, ob die Kredite zurück-gezahlt werden können. Wir dürfen dabei nicht verges-sen, dass wir in unseren öffentlichen Reden von denBanken verlangen, sehr viel stärker auf die Bonität unddie Risiken zu achten. Wir müssen aufpassen, dass eshier nicht zu Widersprüchen kommt.Insgesamt versuchen wir, das Verfahren zu beschleu-nigen. Mein Eindruck ist, dass das 15-Milliarden-Euro-Programm der KfW für den Mittelstand – das haben Sieangesprochen – sehr gut angenommen worden ist. HerrSchröder, der Vorstandsvorsitzende der KfW, hat unsmitgeteilt, dass relativ schnell erhebliche Summen inAnspruch genommen worden sind. Der Zufall will es,dass BMF und BMWi heute auf Ministerebene Kontakthatten und darüber beraten, wie der auf 100 MilliardenEuro aufgestockte Bürgschaftsrahmen schnell zu mobili-sieren ist, und zwar im Hinblick auf die Kreditversor-gung nicht nur kleiner und mittlerer, sondern auchgrößerer Unternehmen. Dafür müssen aber gewisseStrukturen geschaffen werden. Ich sage Ihnen freimütig:
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Januar 2009 21757
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Bundesminister Peer SteinbrückEben mal die Deckung des Kreditbedarfs eines größerendeutschen Unternehmens mitzufinanzieren, ist nichtSinn des Bürgschaftsrahmens.Ohne auf einzelne Firmennamen eingehen zu wollen,sage ich Ihnen, dass offenbar einige große Unternehmenden Eindruck haben, dass sie sehr schnell mit 10, 11, 12,13, 14 oder 15 Milliarden Euro unter den Schirm dieses100-Milliarden-Euro-Bürgschaftsrahmen kommen. Daswird zu prüfen sein, und zwar unter dem Gesichtspunktder Interessenlage des Haushalts und des Steuerzahlers.
Ich nehme Sie gern wieder auf die Liste, aber ich
fürchte, wir sind schon über die Zeit. Ich möchte noch
einige Fragen zulassen, aber nicht mehr alle.
Herr Thiele ist jetzt an der Reihe.
Herr Minister, jeder Bürger weiß, dass eine Schuld
erst dann getilgt ist, wenn sie nicht mehr besteht. Bei ei-
ner Umschuldung werden alte Kredite durch neue er-
setzt. Können Sie vor diesem Hintergrund die Aussage
der Bundeskanzlerin Angela Merkel und des Bundes-
außenministers und SPD-Kanzlerkandidaten Frank-
Walter Steinmeier bestätigen, dass der Erblastentil-
gungsfonds getilgt sei, oder ist nicht der größere Teil
umgeschuldet worden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Beides ist richtig.
Ihr Hinweis darauf, dass ein großer Teil von meinem
Vorgänger auf den Bundeshaushalt transferiert worden
ist, ist richtig, und der Hinweis von Herrn Steinmeier
und der Bundeskanzlerin, wonach über die Tilgungs-
regelung und die Inanspruchnahme des Bundesbankge-
winnes um die 35 Milliarden Euro – nach meiner Wahr-
nehmung, getilgt worden sind – ist ebenfalls richtig. Das
ist, wie ich finde, ein völlig zutreffender Vergleich mit
dem jetzt eingerichteten Fonds von knapp 21 Milliarden
Euro. Die Hinweise der Kanzlerin und des Außenminis-
ters, dass wir mit solchen Mechanismen durchaus gute
Chancen haben, in relativ kurzer Zeit über die Tilgungs-
regelung, die ich Ihnen vorhin genannt habe, und mittels
Inanspruchnahme – in bestimmten Grenzen – des Bun-
desbankgewinnes diesen Fonds zu tilgen, sind völlig
korrekt. Dies ist zutreffend.
Dass darüber hinaus auch UMTS-Lizenzeinnahmen
zur Tilgung des Erblastentilgungsfonds verwandt wor-
den sind, will ich der Vollständigkeit halber hinzufügen,
damit kein falscher Eindruck vermittelt wird. Im Übri-
gen betrug das Volumen des Erblastentilgungsfonds
nach meinem Wissen 171 Milliarden Euro. Wir reden
jetzt über ein Sondervermögen bzw. einen Investitions-
und Tilgungsfonds von 21 Milliarden Euro. 35 Milliar-
den Euro des Erblastentilgungsfonds sind über die Bun-
desbankgewinne getilgt worden. Das sind 14 Milliarden
Euro mehr, als das Volumen des jetzigen Fonds beträgt.
Insofern sehe ich keinen Widerspruch zu den Aussagen
der Kanzlerin und des Außenministers.
– Nein, das ist absolut zutreffend.
Frau Dr. Höll.
Herr Bundesfinanzminister, es ist in der Politik
manchmal schwierig, nicht zynisch zu werden. In Zei-
ten, in denen die wirtschaftliche Situation in der Bundes-
republik gut war, waren Sie für eine Sozialpolitik und
eine fehlende Arbeitsmarktpolitik verantwortlich, die
dazu geführt hat, dass Kommunen oftmals kein Geld
hatten, ihre Kitas zu pflegen und Schulen zu sanieren.
Alleine meine Heimatstadt Leipzig hat einen Sanie-
rungsstau von mindestens 200 Millionen Euro. Jetzt, da
die Zeit schlecht ist, bekennt sich der Bund richtiger-
weise zu seiner Verantwortung und will Geld in die
Hand nehmen, damit in den Kommunen tatsächlich et-
was getan werden kann. Also sind uns die Kinder und
die Bildung erst jetzt wichtig. Das finde ich schon kata-
strophal.
Wie wollen Sie jetzt sicherstellen, dass das Geld dort
tatsächlich eingesetzt wird? Sie sprachen vorhin, als Sie
auf eine Frage antworteten, von der KfW. Jetzt wird
Geld ausgegeben, um in Zeitungen zu annoncieren, dass
die KfW Kredite vergibt. Ich dachte, das weiß man in-
nerhalb der Bundesrepublik. Wie stellen sich die Mög-
lichkeiten konkret dar? Wird es erhöhte Zinsen für eine
Kommune bedeuten, wenn sie eine Stundung beantragt,
oder nicht?
Sie sagten des Weiteren, Sie seien für schnelle kon-
junkturelle Impulse. Warum werden dann die konjunktu-
rellen Maßnahmen erst zum 1. Juli wirksam? Das betrifft
die Senkung des Krankenversicherungsbeitrags. Hoffen
Sie, dass die Menschen, beispielsweise diejenigen, die in
Sachsen bei der AOK versichert sind, vergessen, dass sie
ab 1. Januar 3 Prozent mehr zahlen müssen, und dass sie
die Beitragssenkung als große Entlastung wahrnehmen?
Dann habe ich noch eine Frage.
– Das ist wirklich ein wichtiges Problem. – Sie schlagen
vor, dass die Regelsätze für die Kinder von Hartz-IV-
Empfängern, die zwischen 6 und 13 Jahre alt sind, ange-
hoben werden sollen. Warum nur für diese Kinder, und
warum nicht für alle?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das war eine lange Frage mit einer Reihe von Unter-stellungen und viel Stoff, auf den ich jetzt eingehen soll.Erstens. Ich teile Ihre Grundeinschätzung nicht, auchnicht mit Blick auf das, was Sie beklagen bezogen auf das
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21758 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Januar 2009
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Bundesminister Peer SteinbrückVolumen von Sozialmaßnahmen, die aus dem Bundes-haushalt finanziert werden. In diesem Bundeshaushaltwerden von einem eingenommenen Steuereuro ungefähr70 Cent für Sozialpolitik ausgegeben. Das widersprichtfundamental Ihrer Einschätzung, dass dieser Bundes-haushalt das ausstrahlt, was Sie hier immer unterstellen,nämlich soziale Kälte. Anders als Sie habe ich eher dieBefürchtung, dass der Bundeshaushalt auf der investivenSeite in eine Schieflage kommt. Wir müssen gelegentlichlernen, dass wir erst einmal etwas erwirtschaften müssen,ehe wir es verteilen können. Da sind wir wahrscheinlichin einem ziemlichen Dissens.Zweitens. Ich teile Ihre Einschätzung der Finanzent-wicklung und Finanzausstattung der Kommunen nicht.Nicht zuletzt mit Unterstützung dieses Hauses sind erheb-liche Beiträge geleistet worden, um die Finanzausstattungder Kommunen zu verbessern. Die Kommunen haben imletzten Jahr – wenn ich Sie daran erinnern darf – einenRekordüberschuss gehabt. Sie werden in diesem Jahrtrotz der obwaltenden Bedingungen 2008 wahrscheinlichnoch einmal einen größeren Überschuss haben, vermut-lich in einer Dimension von 7 bis 8 Milliarden Euro. In-sofern stimmt Ihre Annahme nicht, dass es den Kommu-nen – auch wegen der Politik der Bundesregierung – sehrviel schlechter gegangen ist; vielmehr ist es ihnen sehrviel besser gegangen. Ich gebe zu, dass die Divergenzzwischen finanzschwachen und finanzstarken Kommu-nen sich dabei weiter aufgefächert hat. Das heißt, die Ver-teilung innerhalb der kommunalen Familie ist nach wievor ein Problem. Aber ansonsten haben sich die Aus-gangsbedingungen für die Kommunen, das zu finanzie-ren, was Sie – teilweise auch ich – für nötig halten, durch-aus verbessert.Sie haben in Ihrer Fragestellung auf die Einführungeiner neuen Stufe des Regelsatzes bei Hartz-IV-Kindernzwischen 6 und 13 abgehoben – dies geht auf Berech-nungen des zuständigen Bundesarbeitsministeriums zu-rück –; die Berechnungen für diejenigen, die zwischen0 und 6 bzw. zwischen 14 und 18 Jahre alt sind, sinddurchaus legal. Die nächste sogenannte EVS, die Ein-kommens- und Verbrauchsstichprobe, ist abzuwarten;sie ist für die Festsetzung der Regelsätze maßgeblich.Fragen Sie mich nicht, wann die Ergebnisse vorliegen.Wie mir der Parlamentarische Staatssekretär Thönneszuruft, wird dies 2010 sein.Sie haben zwei weitere Fragen gestellt, die mir nichterinnerlich sind. Könnten Sie sie wiederholen?
Bitte schön, Frau Höll. Erinnerung ist möglich.
Ich habe nach konkreten Finanzierungsbedingungen
für Kommunen gefragt, wenn sie zum Beispiel die Mög-
lichkeit einer Stundung bei der KfW in Anspruch neh-
men.
Außerdem habe ich gefragt, warum konjunkturelle
Maßnahmen wie die Senkung des Krankenkassenbeitra-
ges erst ab dem 1. Juli gelten sollen; schließlich sind Sie
für schnelle konjunkturelle Impulse. Warum wollen Sie
– wir sind jetzt im Januar – bis Juli warten?
Herr Minister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Teilantwort auf Ihre erste Frage ist in dem ent-
halten, was ich der Kollegin Haßelmann gesagt habe.
Wir sind bereit, dafür zu sorgen, dass die KfW den Ko-
finanzierungsanteil von finanzschwachen Kommunen
übernimmt – unter Stundung von Tilgung und Zinsen.
Wir erwarten allerdings gleichzeitig, dass das Modell
Rheinland-Pfalz in denjenigen Ländern kopiert wird, in
denen man bereit ist, den Kofinanzierungsanteil für fi-
nanzschwache Kommunen zu übernehmen. Wir alle
können darauf dringen – auch Sie als Bundestagsabge-
ordnete –, dass dies in den Ländern gemacht wird. Ich
halte das für eine richtige Maßnahme.
Meine Antwort auf Ihre andere Frage lautet: Wir ha-
ben versucht, ein Datum zu wählen, das – sowohl mit
Blick auf die Steuersenkungen als auch mit Blick auf die
Rentenerhöhungen als auch mit Blick auf günstigere
Krankenversicherungsbeiträge am 1. Juli – dazu beiträgt,
dass das Ganze als Gesamtpaket wahrgenommen wird.
Der Kinderbonus wird wahrscheinlich schon vorher aus-
gezahlt werden können, wenn Bundestag und Bundesrat
die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen haben.
Es ging darum, in einem – wenn Sie so wollen – Aplomb
dazu beizutragen, dass es einen Nachfrageimpuls gibt,
den die Leute spürbar wahrnehmen können.
Die Letzte in dieser Fragerunde ist die Kollegin
Haßelmann.
Vielen Dank. – Herr Steinbrück, ich will gleich nach-fragen. Wenn das Modell Rheinland-Pfalz so toll ist undwirklich sichert, dass das Geld bei den Kommunen an-kommt, warum legen wir, der Bund, das dann nicht fest?Schließlich sind wir diejenigen, die das Geld für Inves-titionen zur Verfügung stellen: über 10 Milliarden Euro.Da könnten wir doch sagen: Wir erwarten von den Län-dern, dass sie mittragen, dass analog zum Modell Rhein-land-Pfalz – es ist mir jetzt im Detail nicht präsent; aberes muss seinen Grund haben, dass Sie es so loben – vor-gegangen wird. Oder glauben Sie, dass wir über die Ver-waltungsverfahren detailliert regeln könnten, dass sichdie Zuweisung zum Beispiel an Parametern wie „Anzahlder Einwohnerinnen und Einwohner“, „Kreditrahmen ineiner Kommune“ etc. orientiert? Alle diese Parameterkönnte der Bund doch festlegen, ohne in eine Debatte zugeraten, wie Sie sie vorhin angesprochen haben, nämlichnach dem Motto: Sind die Kommunen abgeleiteteInstanz der Länder? Können wir als Bund direkt zugrei-fen? – Wir könnten bestimmte Sachen gesetzlich festle-gen. Beabsichtigen Sie, das im Rahmen des Gesetzge-bungsverfahrens noch zu tun, oder sagen Sie: „Dasüberlassen wir völlig den Ländern; wir geben nur dasGeld, und den Rest regeln die Länder“?
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Januar 2009 21759
(C)
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Britta HaßelmannMein letzter Punkt in dem Kontext: BeabsichtigenSie, gesetzlich festzuschreiben, dass die Länder, wennsie die Mittel nicht zweckgebunden vergeben, die Zu-schüsse an den Bund zurückzahlen müssen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Letzteres ist Bestandteil des Abrechnungsmodus, mit
dem das aber erst ex post festgestellt wird. Das stimmt
mit unserem Bemühen überein, jetzt so unbürokratisch
und schnell wie möglich – um es umgangssprachlich
auszudrücken – Zug in den Kamin zu bekommen. Da ge-
rät man in einen Spagat. Will man das so unbürokratisch
wie möglich in Gang setzen, damit das in der aktuellen
Konjunktursituation wirkt, oder zieht man außer Hosen-
trägern, Gürtel und Sockenhaltern noch Korsettstangen
ein? Bürokratische und verfahrensleitende Auflagen ma-
chen es natürlich schwerer. Wir entscheiden uns so, dass
es so schnell wie möglich wirkt.
Ihre erste Frage, Frau Haßelmann, beantwortet sich
verfassungsrechtlich. Der Bund ist nicht in der verfas-
sungsrechtlichen Position, den Ländern bezüglich der
Behandlung der Kommunen Vorschriften machen zu
können, weil der Bund die kommunalaufsichtliche Zu-
ständigkeit der Länder nicht überregeln kann. Das heißt,
das müssen die Länder selbst entscheiden.
Dass man das kontrollieren kann, dass insbesondere in
der Verwaltungsvereinbarung bestimmte Verfahren vor-
gesehen sind, dass es den Abrechnungsmodus gibt, dass
sich die Länder durch entsprechende Hinweise auch
selbst gebunden haben, dass es beim Volumen insbeson-
dere über den Verteilungsschlüssel von 70 : 30 – 70 Pro-
zent des Volumens soll den Kommunen zugutekom-
men –, wenn man so will, Leitplanken gibt, will ich nur
wiederholen.
Im Übrigen: Die Länder werden einer Extrembeob-
achtung ausgesetzt sein, nämlich durch die Kommunen,
durch den Bund und, wie ich glaube, auch durch die Öf-
fentlichkeit, nämlich mit Blick darauf, dass wirklich das
Kriterium der Zusätzlichkeit erfüllt wird, dass die Gelder
an die Kommunen weitergereicht werden und dass vor
allem finanzschwache Kommunen nicht buchstäblich
schlechtergestellt werden als finanzstärkere Kommunen.
Insofern glaube ich, dass es genügend Hinweise dafür
gibt, dass die Zweckbestimmungen eingehalten werden
und die kommunale Investitionstätigkeit auch finanz-
schwacher Kommunen in Gang gesetzt werden kann.
Damit beende ich die Befragung der Bundesregie-
rung. Vielen Dank, Herr Minister.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksache 16/11715 –
Ich rufe die Fragen in der üblichen Reihenfolge auf.
Einige Fragen werden schriftlich beantwortet, näm-
lich aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Technologie die Frage 1 von Herrn
Fell, aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
die beiden Fragen der Kollegin Tackmann – das sind die
Fragen 2 und 3 –, aus dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Gesundheit die beiden Fragen des Kol-
legen Terpe; das sind die Fragen 4 und 5.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Auswär-
tigen Amtes.
Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Rainder Steenblock
auf:
Wie gestaltet sich der Fortgang der EU-Beobachtermis-
sion in Georgien, die inhaltliche wie auch zeitliche und strate-
gische Ausrichtung des Mandats sowie die politische Situa-
tion vor Ort in Georgien und speziell in Südossetien?
Ich bitte Herrn Gloser um Beantwortung der Frage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber KollegeSteenblock, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten:Die Lage in Georgien, insbesondere in den Gebietenum die Verwaltungsgrenzen zwischen Südossetien, Ab-chasien und dem übrigen Georgien ist ruhig, aber nichtstabil.Der bisherige Verlauf der EU-Beobachter-Mission istein Erfolg für die Europäische Union; denn die russi-schen Truppen haben sich aus den an die abtrünnigenGebiete grenzenden sogenannten Pufferzonen zurückge-zogen. Diejenigen, die aus diesen Zonen geflüchtet sind,sind dorthin zurückgekehrt. Die volle Erfüllung desMandats wird allerdings erschwert durch den fehlendenZugang zu Abchasien und Südossetien sowie den Man-gel an Gesprächskanälen mit Russland vor Ort. Die Mis-sion bemüht sich weiterhin, vertrauens- und sicherheits-bildende Maßnahmen zu entwickeln.Über die weitere mögliche inhaltliche und zeitlicheAusrichtung des Mandats wird insbesondere im Lichteder bevorstehenden Genfer Gespräche und der Entwick-lungen bei den anderen internationalen Präsenzen in Ge-orgien zu beraten sein.Die politische Lage in Georgien ist nach zwei kurzfris-tigen Kabinettsumbildungen im Oktober und Dezember2008 weitgehend unverändert. Trotz deutlicher Kritik ausOppositions-, aber auch aus den eigenen Reihen an Präsi-dent Michail Saakaschwili deutet sich auf Regierungs-seite kein Wechsel an. Forderungen nach Neuwahlen, wiesie unter anderem von der früheren Parlamentspräsiden-tin und jetzigen Vorsitzenden einer Oppositionspartei,Nino Burdschanadse, erhoben werden, finden nach wievor wenig Widerhall.Die De-facto-Regime Südossetien und Abchasien so-wie Russland haben am 16. Dezember 2008, wie bereitsim Freundschaftsvertrag zwischen Russland und denRegimen vom 17. September 2008 vereinbart, formellsogenannte diplomatische Beziehungen mit Russlandaufgenommen und „Botschafter“ ausgetauscht. Der rus-sischen Anerkennung Südossetiens und Abchasiensfolgte bislang nur Nicaragua.
Metadaten/Kopzeile:
21760 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Januar 2009
(C)
(D)
Staatsminister Günter GloserÜber die politischen Entwicklungen innerhalb dessüdossetischen De-facto-Regimes und dessen Verhältniszu Russland liegen der Bundesregierung derzeit keineverlässlichen Informationen vor.Priorität hat für uns, alle Prozesse, die der Konfliktbe-wältigung und nachhaltigen Stabilisierung der Regiondienen, zu unterstützen. Vorrangig gilt es dabei derzeit,eine internationale Präsenz in ganz Georgien herzustel-len und, wo vorhanden, nach Möglichkeit zu stärken.
Sie haben eine Nachfrage, Herr Steenblock? – Bitte
schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatsminister,
ich habe gehört, dass mittlerweile auch die Hamas Ab-
chasien anerkannt hat; aber das gehört nicht zum Inhalt
meiner Frage.
Nachdem Sie gesagt haben, dass die Schwierigkeit
darin liegt, dass die Beobachtermission der EU nicht Zu-
gang zu ganz Georgien hat, möchte ich Sie fragen, wie
sich denn die Zusammenarbeit mit den anderen interna-
tionalen Strukturen dort darstellt. Es gibt ja das
UNOMIG-Mandat, das bis zum 15. Februar verlängert
worden ist. Es gibt die im Grunde genommen ausge-
setzte OSZE-Mission. Hier stellt sich die Frage, wie
diese weitergeht, weil deren Mitglieder ja noch vor Ort
sind. Dann gibt es die Initiative des Europarates. Der
Menschenrechtskommissar Herr Hammarberg ist meines
Wissens der einzige europäische Vertreter, der sowohl
nach Südossetien als auch nach Abchasien reisen kann
und mit den Russen und den Georgiern im Gespräch ist.
Wie gestaltet sich also die Zusammenarbeit mit den Ver-
tretern dieser drei Organisationen – UNOMIG, OSZE
und Europarat – vor Ort? Welche Interessen vertritt ins-
besondere die Bundesrepublik zur Förderung dieser Zu-
sammenarbeit?
In der Tat war es von Anfang an wichtig, dass eine
Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen erfolgt.
Ich kann Ihnen zunächst einmal sagen, dass gerade
zwischen der EU-Beobachtermission, die ja nur die
Grenzgebiete umfasst, und UNOMIG ein sehr intensiver
Austausch stattfindet.
Des Weiteren ist zu sagen: Wir alle wissen, dass das
Mandat der OSZE-Mission aufgrund des Vetos der Rus-
sen nicht verlängert worden ist. Diese Mission befindet
sich sozusagen in einer Auslaufphase. Griechenland, das
derzeit den OSZE-Vorsitz innehat, versucht ja gerade,
ein neues Mandat zu schaffen. Darüber finden intensive
Gespräche, auch mit Russland, statt, allerdings bisher
ohne Erfolg.
Aus unserer Sicht kann ich also feststellen, dass es be-
züglich der Zusammenarbeit mit den von Ihnen genann-
ten Institutionen keine Reibungsverluste gibt.
Sie haben eine weitere Frage. – Bitte, Herr
Steenblock.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatsminister,
ich höre, dass sich die Situation in den Grenzregionen
doch deutlich verschärft hat, dass es immer wieder zu
bewaffneten – nicht unbedingt militärischen – Auseinan-
dersetzungen kommt, die von Banden oder Kriminellen
auf beiden Seiten – insgesamt ist die Lage wohl sehr in-
stabil – angezettelt werden, dass außerdem die Russen
den Checkpoint Perewi wieder besetzt haben, ohne, wie
eigentlich abgesprochen, das mit der EU-Beobachter-
mission zu besprechen, und dass die EU-Beobachtermis-
sion dort durch die Russen in ihrer Arbeit behindert
wird. All das deutet ja eher darauf hin, dass das Konfron-
tationspotenzial zunimmt, als darauf, dass sich die Situa-
tion dort entspannt. Teilt das Auswärtige Amt die Ein-
schätzung, dass es zu neuer Eskalation insbesondere auf
der Ebene der unkontrollierten, zum Teil aber auch von
Russland unterstützten bewaffneten Bewegungen in die-
ser Region gerade von Südossetien aus kommt?
Herr Kollege Steenblock, ich gebe Ihnen natürlich
recht, dass es bei der von Ihnen genannten Grenzstation
in der Tat zu Problemen gekommen ist, vor allem deswe-
gen, weil ja zunächst ein Rückzug stattgefunden hat und
es dann ohne Ankündigung wieder zu einer Besetzung
gekommen ist.
Weiterhin sollte man aber sehen, dass man einerseits
bei den Gesprächen in Genf einen Modus gefunden hat,
natürlich nicht mit den Erfolgen, mit denen wir vielleicht
gerechnet haben, und dass es andererseits auch kleine
Schritte gibt, die zwar noch keine Normalisierung dar-
stellen, aber die man auch bewerten muss. Dazu gehört
beispielsweise, dass die Gasversorgung nach der Repara-
tur der Pipeline in Georgien unter anderem für Südosse-
tien wieder möglich ist. Das ist, wie gesagt, ein kleiner
Schritt. Ich will das weder überdramatisieren noch he-
runterspielen. Jedenfalls sind wir nicht dort, wo wir ei-
gentlich hinwollten. Aber wir müssen die Chance gerade
der Genfer Gespräche nutzen, um zum einen Verschiede-
nes, unter anderem die Flüchtlingsrückkehr, zu klären
und zum anderen Stabilität in den Zonen, wie Sie es be-
schrieben haben, herbeizuführen.
Herr Sarrazin, bitte schön.
Frau Präsidentin! Herr Staatsminister, in den euro-päisch-russischen Beziehungen, aber auch für die geor-gische Seite ist die Frage, wie es zum Ausbruch desKrieges kommen konnte, immer noch von großer Be-deutung und Gegenstand vieler Gespräche und Debatten.Darum frage ich Sie nach dem aktuellen Stand der Un-tersuchung der auslösenden Momente des Krieges durchdie unabhängige Kommission.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Januar 2009 21761
(C)
(D)
Sie wissen, dass wir diese Untersuchung im Europäi-
schen Rat, auch auf Initiative Deutschlands und mit Un-
terstützung anderer EU-Mitgliedstaaten, beschlossen ha-
ben. Sie wird von einer Schweizer Diplomatin geleitet.
Alle betroffenen Institutionen sind sich klar darüber,
dass wir keinen Einfluss auf die Untersuchungskommis-
sion nehmen wollen. Konkret sagen lässt sich lediglich,
dass als Perspektive angestrebt wird, dass der Unter-
suchungsbericht im Sommer vorliegt. Das heißt, weder
die EU noch andere Institutionen, zum Beispiel OSZE,
Europarat oder UN, nehmen Einfluss in der Form, dass
zum Beispiel Zwischenberichte gefordert werden. Ich
bitte um Verständnis, dass wir der Kommission die Zeit
geben. Im Sommer werden wir dann möglicherweise ei-
nen Bericht über die Ursachen erhalten.
Herzlichen Dank.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Arbeit und Soziales. Die Frage 7 des
Kollegen Seifert wird schriftlich beantwortet. Die
Fragen 8 und 9 des Kollegen Ulrich sind zurückgezogen
worden.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Ich rufe die Fragen 10 und 11 des Kollegen Hofreiter
auf:
Warum wird – wie aus den Antworten der Bundesregie-
rung auf die Kleinen Anfragen der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen auf den Bundestagsdrucksachen 16/10577 und 16/11521
ersichtlich – Kostensteigerungen bei Bundesfernstraßenbau-
projekten seitens der zuständigen Ministerien in der Regel im-
mer zugestimmt, oder welche Fälle von Nichtzustimmung zu
Kostensteigerungen bei Bundesfernstraßenbauprojekten sind
der Bundesregierung bekannt?
Wie ist die Antwort der Bundesregierung „Die regelmä-
ßige Analyse der Investitionsaufwendungen zeigt – bis auf die
Steigerungen der Baukosten auf Grund der Baupreisentwick-
lungen – seit Jahren keine signifikanten Veränderungen der
dass beispielsweise allein bei 210 Bundesfernstraßenbaupro-
jekten des aktuellen Bedarfsplans Kostensteigerungen von
über 15 Prozent – in der Summe entspricht das 4 558 Mil-
lionen Euro – und bei 18 Bundesfernstraßenbauprojekten des
aktuellen Bedarfsplans Kostensteigerungen von mindestens
100 Prozent aufgetreten sind – in der Summe entspricht das
395 Millionen Euro –, und warum wurde nicht einmal beim
„Ausreißer“ hinsichtlich der relativen Kostenüberschreitung
– Bundesautobahn 66, Fulda-Süd–Autobahndreieck Fulda,
Kostenüberschreitung von 720 Prozent – eingeschritten?
Ich gebe dem Kollegen Achim Großmann als Parla-
mentarischem Staatssekretär das Wort zur Beantwortung
der Fragen.
A
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Da die Fragen in-haltlich zusammenhängen, möchte ich sie gemeinsambeantworten.Die Aussage „Die regelmäßige Analyse der Investi-tionsaufwendungen zeigt … seit Jahren keine signifikan-ten Veränderungen der jeweils verausgabten Kosten“ be-zog sich auf einen Vergleich der jeweils verausgabtenKosten. Zur Beantwortung wurden für die Jahre 2003,2005 und 2007 analysierte Kostenaufwendungen fürBundesfernstraßen herangezogen. Deshalb muss ichjetzt, Herr Kollege, ein bisschen ins Detail gehen.Durchschnittskosten von realisierten, im Bau befind-lichen oder geplanten Bundesfernstraßenprojekten fürden zweistreifigen Neubau pro Kilometer lagen 2003 bei3,8 Millionen Euro, 2005 bei 4,0 Millionen Euro und2007 bei 3,9 Millionen Euro. Für den vierstreifigen Neu-bau lagen sie 2003 bei 7,9 Millionen Euro, 2005 bei8,3 Millionen Euro und 2007 bei 8,2 Millionen Euro.Für die sechsstreifige Erweiterung lagen sie 2003 bei7,2 Millionen Euro, 2005 bei 7,4 Millionen Euro und2007 bei 7,2 Millionen Euro. Daher ist die Aussage, dassim Durchschnitt grundsätzlich keine signifikanten Ver-änderungen der jeweils verausgabten Kosten erkennbarsind, hier nochmals zu bestätigen.Es trifft allerdings zu, dass in Einzelfällen wesentlichhöhere Kosten, als der Baupreisentwicklung geschuldet,auftreten. Dies hat im Wesentlichen folgende Gründe: Inden Bedarfsplan wurden neben detailliert geplanten Pro-jekten, für die genehmigte Entwürfe vorlagen oder diesich bereits im Baurechtsverfahren befanden, auch Pro-jekte in sehr frühen Planungsstadien aufgenommen. Fürdiese fast noch virtuellen Maßnahmen gibt es natürlichkeine genauen Kostenabschätzungen. Man zieht hier Er-fahrungswerte ähnlich gelagerter und realisierter Pro-jekte heran. Erst im weiteren Verlauf der Planungen,wenn die verschiedenen Varianten untersucht wurden,die Trassierung erfolgt ist und damit die Länge und derQuerschnitt sowie die erforderlichen Bauwerke festlie-gen, sind projektspezifische Besonderheiten erkennbar,die dann zu anderen Kosten als den ursprünglich ange-nommen führen können.Höhere Kosten sind vielfach durch spezifische örtli-che Anforderungen bedingt, die zu Planungsänderungenführen. Hierzu zählen unter anderem Anforderungen desUmwelt- und Lärmschutzes. Das sind zum Beispiel län-gere Brücken, zusätzliche Tunnelbauwerke, längere und/oder höhere Lärmschutzeinrichtungen, andere Strecken-führungen zur Umfahrung neu festgelegter Schutzge-biete, verbunden mit einer veränderten Gradientenfüh-rung, die unter anderem zu erheblichem Mehrbedarf anBodenbewegungen führt.Weitere Gründe für Planungsänderungen sind: Erstbei der Bauausführung kann ein Mehraufwand aufgrundvon schlechteren Bodenverhältnissen festgestellt wer-den. Oder: Bei der vorgesehenen Autobahnerweiterungwar nur der Anbau zusätzlicher Fahrstreifen geplant,aber bei der Aufstellung des Bauentwurfs musste festge-stellt werden, dass auch die vorhandenen Fahrbahnengrundhaft erneuert werden müssen. Oder: die Umset-zung höherer Sicherheitsanforderungen in Tunneln ge-mäß der entsprechenden EU-Richtlinie. Sie wissen, dassgerade die Tunnelrichtlinien in den letzten Jahren immerweiterentwickelt worden sind.Ergeben sich im Rahmen der Projektplanung solchewesentlichen Planungsänderungen und damit verbunden
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Parl. Staatssekretär Achim Großmannhöhere Kosten, so werden diese in der Regel im bilatera-len Gespräch zwischen Bund und Land vorabgestimmt.Bei Kostensteigerungen, die nicht nachvollziehbar sind,werden zusätzliche Begründungen von den Ländern ge-fordert. Gegebenenfalls werden die Länder aufgefordert,kostengünstigere Alternativen zu wählen. Erst bei plau-siblen Nachweisen und wenn sinnvolle Alternativennicht existieren werden die Projekte mit den ermitteltenKosten in den Bundeshaushalt, in den Straßenbauplan,eingestellt. Soweit die Planungsänderungen plausibel,nachvollziehbar und begründet dargestellt sind, erfolgtbei einer wesentlichen Kostenerhöhung eine Überprü-fung des ursprünglich ermittelten Nutzen/Kosten-Ver-hältnisses, um nachzuweisen, ob die Bauwürdigkeit undWirtschaftlichkeit der Maßnahme weiterhin gegebenenist.Die Antwort auf die Frage 3 in der von Ihnen genann-ten Kleinen Anfrage zum Kostenanstieg von Projektenwar auf den Vergleich zwischen den Kosten zum Zeit-punkt der Bedarfsplanaufstellung und den genehmigtenKosten bezogen. Hieraus kann somit nicht für alle Fälledie tatsächliche Kostensteigerung abgeleitet werden. Bei40 von den 214 genannten Projekten waren nicht die Ge-samtkosten zum Zeitpunkt der Bedarfsplanaufstellung,sondern die im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßengenannten Kosten ab dem Jahr 2003 aufgeführt. Somitwaren bei diesen Projekten bereits Finanzmittel in Höhevon rund 800 Millionen Euro verausgabt. Das genannteVolumen der Kostensteigerungen in Höhe von 4,6 Mil-liarden Euro reduziert sich daher um diese 800 Mil-lionen Euro auf 3,8 Milliarden Euro.Zu diesen Projekten mit Ausgaben vor 2003 gehörtauch das Vorhaben Autobahn A 66, Fulda-Süd–Fulda.Die genehmigten Gesamtkosten betragen 41 Millio-nen Euro. Im Bedarfsplan stehen aber nur 5 Mil-lionen Euro, weil vor 2003 bereits 35 Millionen Euroverausgabt wurden. Die Kostensteigerung beträgt alsonicht 36 Millionen Euro, sondern nur 1 Million Euro;das sind nur 2 Prozent und nicht 720 Prozent, wie Sie inIhrer Pressemitteilung uns glauben machen wollten.
Herr Hofreiter, Ihre Zusatzfragen.
Vorab will ich sagen: Die 36 Millionen Euro waren in
der Antwort Ihres Ministeriums auf unsere Frage enthal-
ten. Wir haben nur eine Umrechnung in Prozent vorge-
nommen.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann trifft die
Aussage des bayerischen Innenministeriums zu, dass die
Berechnung des Bundesverkehrsministeriums völlig
falsch ist. Ist es korrekt, dass es einen systematischen
Fehler Ihrerseits gab, den Sie bei der Beantwortung der
Frage zugegeben haben?
A
Ich will Ihre Frage etwas differenzierter beantworten,
Herr Kollege Hofreiter. Ihre Frage haben wir genau be-
antwortet; denn Sie haben nach den eingestellten Kosten
im Bedarfsplan gefragt. Trotzdem habe ich mich darüber
geärgert, dass wir nicht ungefragt darauf hingewiesen
haben, dass schon vorher Mittel verausgabt worden sind.
Ich kann also die Reaktion der Bayern verstehen.
Sie haben eine weitere Nachfrage, Herr Hofreiter.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich habe noch eine
Frage zu dem, was Sie vorher geantwortet haben. Wie
oft kommt es denn vor, dass die Kostensteigerungen
nicht plausibel dargelegt werden konnten und die Länder
dann umplanen mussten?
A
Das kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht sagen.
Aber ich bin sehr oft damit konfrontiert, dass Abgeord-
nete, Bürgermeister, Landräte, die Auftragsverwaltung
der Länder sowie Verkehrsminister und Staatssekretäre
der Länder mit mir über solche Projekte sprechen wollen
und wir hin und wieder Wünschen, die vorgetragen wer-
den, einen Riegel vorschieben müssen, weil die vorge-
schlagenen Varianten aus unserer Sicht wirtschaftlich
nicht realisierbar sind. Das passiert in Einzelfällen im-
mer wieder. Wie hoch die Gesamtzahl ist, kann ich Ih-
nen, wie gesagt, aus dem Stegreif nicht beantworten.
Herr Hofreiter, Ihre dritte Nachfrage.
Ich habe nicht danach gefragt, wer etwas vorschlägt.
Sie haben ja davon gesprochen, dass die Höhe der Kos-
ten erst einmal geschätzt wird, weil man sich in einem
sehr frühen Stadium befindet; Sie haben es „virtuelle
Projekte“ genannt. Dann wird die Planung exakter.
Wenn die Planung exakt ist, stellt man ab und zu fest,
dass die Kosten stark nach oben gehen. Es ist ja nicht
irgendjemand – ein Landrat oder ein Bürgermeister –,
der die Planungen durchführt, sondern die Auftragsver-
waltung.
Meine Frage lautet: Wie oft weist das Bundesver-
kehrsministerium die Planung an die Auftragsverwal-
tung zurück und sagt: „Bitte neu planen!“, weil die Kos-
tensteigerungen nicht plausibel dargelegt werden
konnten? Es geht mir also nicht um theoretische Dinge
oder um den Fall, dass mit Bürgermeistern gesprochen
wird, sondern ganz konkret um die Beziehung zwischen
Auftragsverwaltung und Verkehrsministerium.
A
Herr Kollege Hofreiter, wenn Bürgermeister kom-men, geht es um ganz konkrete Varianten: Die Auftrags-verwaltung hat zum Beispiel eine bestimmte Variantevorgeschlagen, und aus der Region kommt die Bitte,
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Parl. Staatssekretär Achim Großmanneine andere Variante zu wählen, deren Kosten unter Um-ständen höher sind. – Das ist der eine Fall.Natürlich gibt es auch den Fall – das passiert auf Ar-beitsebene; deshalb müssen wir den „Gesehen“-Vermerkaufbringen –, dass in Fachgesprächen zum Beispiel ge-sagt wird: „Wir müssen an den technischen Bauwerkensparen“ oder: „Wir müssen die Anbindung an eine an-dere Straße unterlassen.“ Es gibt oft den Wunsch, mehrStraßen anzubinden. Das gehört in den Zusammenhangder Überführung und Unterführung von Wirtschaftswe-gen; Sie kennen das. In vielen Details spricht der Bundbzw. unsere Verwaltung mit der jeweiligen Auftragsver-waltung und kümmert sich um die wirtschaftlichsteDurchführung eines Projektes. Dabei haben wir gute Er-gebnisse erzielt.
Sie haben noch eine Nachfrage, Herr Hofreiter? –
Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sie weichen der
Frage aus, Herr Großmann. Es geht mir nicht um den
normalen Arbeitsprozess. Ich versuche vielmehr, zu klä-
ren, wie genau die Kontrolle der Auftragsverwaltung
durch das Bundesverkehrsministerium funktioniert, vor
dem Hintergrund, dass es im Vergleich zur Vorplanung
eine Kostensteigerung geben kann.
Um ein Gespür dafür zu bekommen, wie genau diese
Kontrolle stattfindet, frage ich, wie oft, nachdem die Pla-
nung der Auftragsverwaltung beim Bundesverkehrs-
ministerium eingereicht wurde, zum Beispiel Folgendes
vorkommt: Bei der Vorabplanung wusste man nicht,
dass es ein sehr schwieriges geologisches Problem gibt
– ein Tunnel muss zum Beispiel durch eine Karsthöhle
gebaut werden, oder der Untergrund ist weitaus weniger
tragend, als ursprünglich vermutet wurde –, und das Ver-
kehrsministerium sagt dann: So geht es nicht. Die Auf-
tragsverwaltung muss es anders machen. – Oder sagt
dann das Verkehrsministerium wie das Bundesfinanz-
ministerium, das grundsätzlich sagt, bei Kostensteige-
rungen von über 15 Prozent habe es noch keinen Fall ge-
geben, in dem ein Vorhaben nicht genehmigt worden sei,
zur Auftragsverwaltung: „Ihr habt es schon richtig ge-
macht; das ist so in Ordnung“? Wie oft tritt der ganz
konkrete Fall, den Sie dargestellt haben, nämlich dass
plausible Kostensteigerungen nicht vom Bundesver-
kehrsministerium akzeptiert werden, ein? Ist dies in
10 Prozent der Fälle so? Kommt es wie beim Finanzmi-
nisterium nie vor? Kommt es in 50 Prozent der Fälle
vor? Ich möchte nur ein Gefühl dafür bekommen.
A
Genau auf diese Frage – das war Ihre zweite Nach-
frage – habe ich bereits geantwortet, dass ich Ihnen
keine Zahlen nennen kann. Ich habe Ihnen gesagt, dass
diese Situation im ganz normalen Vollzug im Alltag im-
mer wieder vorkommt. Ich kann Ihnen leider nicht sa-
gen, ob dies in 10 Prozent oder 15 Prozent der Fälle so
ist. Diese Zahlen habe ich, obwohl ich viel dokumen-
tiere, nicht auf meiner Festplatte.
Die Frage 12 des Kollegen Volker Beck und die
Frage 13 des Kollegen Ilja Seifert werden schriftlich be-
antwortet.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Hier steht die Parlamentarische Staatssekretärin Astrid
Klug zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Zunächst geht es um die Frage 14 der Kollegin
Kotting-Uhl:
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber
vor, inwiefern der ehemalige Betreiber der Schachtanlage
Gesundheitsschutz des in der Asse II tätigen Personals getrof-
fen hat, und welche Aufzeichnungen existieren zu den Radio-
aktivitätswerten, die die vom Asse-II-Personal getragenen Do-
simeter maßen?
Frau Klug.
As
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Kolle-
gin Kotting-Uhl, ich beantworte Ihre Frage wie folgt:
Die in der Asse tätigen Personen wurden grundsätzlich
seit Beginn der Einlagerung im Hinblick auf die berufli-
che Strahlenexposition gemäß den Anforderungen der
jeweils gültigen Strahlenschutzverordnung überwacht.
Hierzu gehören die Messung der äußeren Strahlenexpo-
sition mit Dosimetern, die von einer behördlich be-
stimmten Stelle ausgewertet werden, also die amtliche
Dosimetrie, sowie zusätzlich eine Messung mit soge-
nannten nicht amtlichen Dosimetern, an denen die
Personendosis sofort ablesbar ist. Die Ergebnisse der
dosimetrischen Überwachung wurden gemäß § 42 Strah-
lenschutzverordnung registriert und dokumentiert.
Der Istzustand des Betriebs der Schachtanlage Asse II
wurde hinsichtlich der strahlenschutzrelevanten Aspekte
und zum vorhandenen radioaktiven Inventar im Jahr
2008 vom TÜV Nord im Auftrag des niedersächsischen
Umweltministeriums begutachtet. Der TÜV Nord hat
die Dokumentation der dosimetrischen Überwachung
stichprobenartig eingesehen und bestätigt, dass keine
Dosen oberhalb der Nachweisgrenzen registriert wurden
und dass die betreibereigenen Inkorporationskontrollen
keine Hinweise auf messtechnisch erfasste Inkorporatio-
nen ergeben.
Frau Kotting-Uhl, Ihre Nachfrage.
Danke schön, Frau Präsidentin. – Ich zitiere jetzt ausder Braunschweiger Zeitung von diesem Montag. Dort
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Sylvia Kotting-Uhlwird unter anderem aus dem Bericht des Landes von2008 wie folgt zitiert:„Die Maßnahmen zur Ermittlung der Personendosisund zur Emissionsüberwachung sind angemessen.“Das Wort „angemessen“ bezieht sich, wie vorher ausge-führt wurde, darauf, dass die Asse als Forschungsberg-werk betrieben wurde. Dann heißt es weiter:Aber sie entsprächen eben nicht dem in kerntechni-schen Anlagen üblichen Standard.Dazu noch ein weiteres Zitat aus derselben Zeitungvon Montag, das den Asse-Mitarbeiter, der jetzt an Leu-kämie erkrankt ist, betrifft. Ein Kollege von ihm sagteder Zeitung:Wir haben keine Dosimeter gehabt.Der ehemalige Betreiber der Asse sagt – das ent-spricht auch Ihrer eben gegebenen Antwort –, es habeDosimeter gegeben, und beruft sich darauf, dass keineGrenzwertüberschreitungen beispielsweise von Tritiumverzeichnet wurden. Nun liegen aber Dokumente desehemaligen Betreibers vor, die belegen, dass die Tri-tium-Grenzwerte in der Asse Ende der 80er-Jahre bereitsum das 20-Fache überschritten wurden. Der entschei-dende Knackpunkt scheint also zu sein, ob die vorhande-nen Dosimeter auch tatsächlich getragen wurden odergleichsam sicher im Schrank hingen, während das Asse-Personal der Radioaktivität ohne Dosimeter ausgesetztwar.Daher meine Frage: Welche Erkenntnisse liegen derBundesregierung darüber vor, wie konsequent das Asse-Personal die Dosimeter tatsächlich getragen hat, undkann die Bundesregierung ausschließen, dass das vonder Braunschweiger Zeitung geschilderte Verhalten inder Asse der Wahrheit entspricht?As
Ich habe natürlich auch die Zitate in der Braun-
schweiger Zeitung gelesen. Ihr Zitat aus dem Statusbe-
richt des niedersächsischen Umweltministeriums ist
richtig. Dort wird festgestellt, dass die Maßnahmen zur
Ermittlung der Personendosis und zur Emissionsüberwa-
chung grundsätzlich angemessen waren, da die Anlage
bisher nach Bergrecht betrieben wurde, dass aber der
Strahlenschutz in der Anlage „nicht dem in kerntechni-
schen Anlagen üblichen Standard“ entspricht – dies ist
ein weiteres Zitat aus dem Statusbericht – und deshalb
die innerbetrieblichen Regeln künftig an diesen Erfor-
dernissen auszurichten sind. Das heißt, die Maßnahmen
waren angemessen und nicht substanziell defizitär, ent-
sprechen aber nicht dem heutigen Standard. Daher ent-
hielt der Statusbericht die ganz klare Empfehlung, dass
die Strahlenschutzanweisung grundlegend neu auszu-
richten sei und eindeutiger festgelegt werden müsse,
welche Anlagenbereiche zum Kontrollbereich und wel-
che zum übrigen Bereich gehören und wo, wann und von
wem die Dosimeter zu tragen sind. Genau dies setzt der
neue Betreiber, das Bundesamt für Strahlenschutz, jetzt
um und kommt damit der eben dargestellten Empfehlung
unmittelbar nach. Ob und bei welchen Mitarbeitern es
bei dem bisherigen Betreiber in der Vergangenheit zu
Versäumnissen gekommen ist, darüber liegen uns im
Bundesumweltministerium keine Erkenntnisse vor.
Ich habe der Braunschweiger Zeitung auch ein Zitat
von Ihnen entnommen, in dem es heißt, dass Ihnen Un-
terlagen vorlägen. Sie wissen, dass nach den Aussagen
eines Mitarbeiters, der an Leukämie erkrankt ist, staats-
anwaltschaftliche Vorermittlungen eingeleitet wurden.
Ich kann Ihnen nur empfehlen, wenn Sie dazu Unterla-
gen haben, diese der Staatsanwaltschaft zur Verfügung
zu stellen. Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, heraus-
zufinden, ob es hier in der Vergangenheit Versäumnisse
und Verfehlungen gab.
Sie haben eine weitere Nachfrage?
Ja.
Bitte schön.
Ich danke Ihnen für den Hinweis. Allerdings bin ichnach wie vor der Auffassung, dass es Aufgabe des Parla-ments ist, zum Beispiel mithilfe eines Untersuchungs-ausschusses herauszufinden, um welche Verfehlungen esbei der Asse ging. Aber damit stehen wir, abgesehen vonden Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Linken,im Parlament allein. Deswegen bitte ich darum, zu ak-zeptieren, dass wir hier noch weiter Fragen stellen müs-sen, um schneller als die Staatsanwaltschaft ein bisschenKlarheit zu erlangen.Ich komme auf einen anderen Punkt zu sprechen. Ichbeziehe mich weiterhin auf die Braunschweiger Zeitung,die sich erfreulicherweise als erste mit diesem neuen As-pekt im Asse-Desaster befasst hat. Das folgende Zitatstammt von Herrn Haury, dem Sprecher der Helmholtz-Gesellschaft:„Die Aufenthaltszeit von Herrn Duranowitsch– das ist der an Leukämie Erkrankte; das wissen Siewahrscheinlich, Frau Klug –vor den Einlagerungskammern, bezogen auf seinegesamte Arbeitszeit bei der Asse, wird auf rundeine Stunde geschätzt“ … Direkten Umgang mit ra-dioaktiven Stoffen habe Duranowitsch nicht gehabt,in Bereiche mit radioaktiven Stoffen sei er nicht ge-kommen.Herr Duranowitsch selber sagt:Ich war in allen zugänglichen Kammern, auch mitAtommüll. Zu einer Messstelle mussten wir mitdem Boot über einen Laugensumpf fahren, da kamman sonst gar nicht hin.
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(D)
Sylvia Kotting-UhlIch möchte damit die Dimension klarmachen, um diees hier geht. Dazu habe ich eine Frage: Was unternimmtdie Bundesregierung – jenseits der staatsanwaltschaftli-chen Ermittlungen –, um angesichts dieser nicht unbe-dingt zusammenpassenden Aussagen zur Wahrheit zukommen? Ich meine, dass man das nicht einfach so ste-hen lassen kann. Auch wenn die Anstrengungen jetztdarauf gerichtet sind, alles besser zu machen – das seheich ein, und das nimmt ja auch seinen Lauf –, glaube ich,dass man auch auf die Fakten zurückschauen muss, umVertrauen aufzubauen. Man muss schauen, wo man einbisschen schlampig mit den Vorgaben umgegangen ist.As
Frau Kollegin Kotting-Uhl, Sie haben die Aussage
des ehemaligen Mitarbeiters zitiert. Ich finde, dass man
diese Aussage sehr ernst nehmen muss. Deshalb gibt es
staatsanwaltschaftliche Ermittlungen. Es gibt die Aus-
sage des Helmholtz-Zentrums, dass dieser ehemalige
Mitarbeiter als Geotechniker keinen Zugang zu den Ein-
lagerungsbereichen gehabt habe und deshalb von einer
Kontamination nicht betroffen sein könne. Ich weiß aber
auch, dass hier Aussage gegen Aussage steht. Es wird
Aufgabe der Staatsanwaltschaft sein, herauszufinden,
wer recht hat.
Ich weiß, dass wir in der Vergangenheit bei der Asse
immer mal wieder negative Überraschungen erleben
mussten, zum Beispiel die, dass die Aktenlage nicht mit
der Realität übereinstimmte. Ich kann das auch für die-
sen Fall nicht ausschließen. Es ist Aufgabe der Staatsan-
waltschaft, genau das zu ermitteln. Sie können sicher
sein, dass, sobald der neue Betreiber, das Bundesamt für
Strahlenschutz, eigene Erkenntnisse hat, diese der
Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt werden. Mir
sind keine eigenen Erkenntnisse bekannt.
Der Kollege Hill möchte nachfragen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretä-
rin, weg von der Staatsanwaltschaft, hin zum normalen
Leben: Angesichts der Untersuchungen, der Optionsver-
gleiche und allem anderen, was man zurzeit anstellt,
möchte ich gerne wissen, welchen Kenntnisstand wir zur
Rückholbarkeit der radioaktiven Stoffe aus dem Berg-
werk Asse II im Einzelnen haben. Was sind derzeit die
wesentlichen Erkenntnisse?
As
Herr Kollege Hill, es gibt noch keine Erkenntnisse,
die eine abschließende Bewertung dieser Frage zulassen.
Sie wissen, dass wir eine Arbeitsgruppe „Optionenver-
gleich“ eingerichtet haben. Diese Arbeitsgruppe hat die
Aufgabe, genau das zu ermitteln. Diese Arbeitsgruppe
hat ihre zusammenfassende Stellungnahme zu dieser
Frage heute abschließend beraten und wird diese zeitnah
der Öffentlichkeit vorstellen. Daraus ergibt sich der wei-
tere Bedarf für Gutachten, in denen insbesondere die
Frage der Rückholbarkeit bzw. der Notwendigkeit der
Rückholung von Abfällen zu prüfen sein wird. Bis zum
Ende des Jahres wird es eine Entscheidung darüber ge-
ben, nach welchem Konzept die Asse stillgelegt wird
und ob eine Rückholung notwendig ist oder nicht.
Die Kollegin Menzner hat eine Frage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich möchte noch
einmal auf die Sicherheit der Arbeiter zurückkommen.
In der örtlichen Presse gibt es unterschiedliche Darstel-
lungen, was natürlich zu einer massiven Verunsicherung
in der Bevölkerung führt, sofern die Verunsicherung un-
ter den gegebenen Umständen überhaupt noch zu stei-
gern ist. Sie haben zu Recht gesagt, dass die Staats-
anwaltschaft den konkreten Fall klären muss. An Sie als
Staatssekretärin richte ich aber die Frage: Was gedenkt
das Ministerium zu tun, um die notwendige Transparenz
herzustellen und das begründete Misstrauen und die
Ängste in der Bevölkerung abzubauen? Die Menschen
müssen immer wieder feststellen, dass sich das, was ih-
nen erzählt wird, später als falsch herausstellt und alles
viel schlimmer und dramatischer als ursprünglich darge-
stellt ist.
As
Vielen Dank für diese Frage. – Es ist richtig, dass in
der Vergangenheit sehr viel Vertrauen vor Ort in die
rechtmäßige und sichere Betreibung dieser Anlage zer-
stört wurde. Das ist der Grund dafür, dass es zum
1. Januar dieses Jahres einen Betreiberwechsel gegeben
hat. Das Bundesamt für Strahlenschutz ist jetzt zustän-
dig. Die Anlage wird in Zukunft nach Atomrecht behan-
delt. Das bietet die Gewähr, dass Entscheidungen bezüg-
lich der Asse künftig nach Stand der Wissenschaft und
Technik getroffen werden.
Das ist angesichts der Situation vor Ort nicht ganz
einfach; aber das Bundesamt für Strahlenschutz hat von
Anfang an auf Betreiben des Bundesumweltministe-
riums größten Wert auf Transparenz und auf breite Öf-
fentlichkeitsbeteiligung gelegt. Deshalb haben wir vor
Ort eine Informationsstelle eingerichtet, die die Öffent-
lichkeit breit informiert und einbindet sowie auf die Fra-
gen und die Sorgen der Anwohnerinnen und Anwohner
eingeht, um, wie gesagt, größtmögliche Transparenz her-
zustellen. Ich denke, das sind wir den Menschen vor Ort
schuldig.
Herr Hofreiter hat eine Nachfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte FrauStaatssekretärin, in der Braunschweiger Zeitung wird
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(D)
Dr. Anton Hofreiternoch etwas anderes Ungewöhnliches berichtet, nämlichdass ein Teil der Fässer bereits beschädigt angekommenist bzw. vor der Einlagerung beschädigt war. Welche Er-kenntnisse hat Ihr Haus oder haben die nachgeordnetenBehörden dazu?As
Genau das ist auch eine Aufgabe, die das Bundesamt
für Strahlenschutz als neuer Betreiber als Allererstes an-
gegangen ist. Das Abfallinventar wird genau geprüft,
und mit den zuständigen Behörden vor Ort, also auch
dem niedersächsischen Umweltministerium und dem
Landesbergamt, widmet man sich diesen Fragen noch
einmal genau: Was ist tatsächlich eingelagert? Welche
Unterlagen gibt es dazu? Welche Augenzeugenberichte
– darauf werde ich bei der Beantwortung der nächsten
Frage noch eingehen – gibt es, die man heranziehen
kann, um mehr Erkenntnisse zu gewinnen und daraus
Rückschlüsse zu ziehen, die helfen, jetzt die richtigen
Entscheidungen für den weiteren Umgang zu treffen?
Die nächste Nachfrage kommt von der Kollegin
Pothmer.
Ich komme noch einmal auf den verletzten Mitarbei-
ter zurück. Wäre der Umgang mit kontaminierter Lauge
mit einer Strahlung von 3 Megabecquerel nicht geneh-
migungspflichtig gewesen? Da ist doch der Grenzwert
überschritten. Wenn ja, um ein Wievielfaches ist der
Grenzwert bei 3 Megabecquerel überschritten?
As
Ich kann diese Zahl nicht bestätigen, weil uns diese
Erkenntnisse nicht vorliegen. Ich kann deshalb auch
nicht bestätigen, dass es zu einer solchen Belastung ge-
kommen ist. Richtig ist, dass es bisher in der Anlage
keine Strahlenschutzumgangsgenehmigung gab; die Ein-
setzung einer solchen wurde jetzt vom neuen Betreiber
veranlasst. Das ist eines der Defizite, das im Statusbe-
richt des niedersächsischen Umweltministeriums ge-
nannt wurde.
Herzlichen Dank. – Ich komme jetzt zur Frage 15 der
Kollegin Kotting-Uhl:
Welche Informationen zu den fraglichen Sonderverpa-
ckungen, die sich in Kammer 4 auf der 750-Meter-Sohle des
Bergwerks Asse II befinden sollen, finden sich in der Asse-II-
Dokumentation, und welche technischen Möglichkeiten exis-
tieren, durch Messungen – beispielsweise über Sonden etc. –
Erkenntnisse über den Inhalt dieser Behälter zu gewinnen?
Frau Klug.
As
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Diese Frage beant-worte ich wie folgt: Informationen über die sogenanntenSonderverpackungen in Kammer 4 auf der 750-Meter-Sohle liegen aus Dokumenten der Schachtanlage Asse IIund aus einer Zeitzeugenbefragung vor.Bei den Dokumenten handelt es sich im Einzelnen umerstens zwei Schreiben der Transnuklear an die damaligeGesellschaft für Umwelt und Gesundheit, GSF, vom21. September 1970 und 17. Dezember 1970, in denenunter anderem der Inhalt und die Herkunft der radioakti-ven Abfälle in den Sonderverpackungen beschriebenwerden. Zweitens handelt es sich um einen Änderungs-antrag der GSF zur Genehmigung der Einlagerung vonSonderverpackungen aus Zinkblech vom 1. Dezember1970. Drittens gibt es eine Billigung der Einlagerungvon Sonderverpackungen des Bergamtes Wolfenbüttelvom 1. Februar 1971 und viertens eine Einlagerungsdoku-mentation, eine sogenannte Fasskontrolle, der Schacht-anlage Asse.Die Zeitzeugenbefragung erbrachte insbesondere In-formationen über den Einlagerungsort der Sonderverpa-ckungen in der Kammer 4. Diese lagern ungefähr15 Meter östlich des westlichen Kammerzuganges un-mittelbar am Nordstoß. Aus den Beschreibungen desZeitzeugen und den oben genannten Dokumenten gehthervor, dass es sich bei den Sonderverpackungen um zu-gelötete würfelförmige Zinkblechkisten mit einer Kan-tenlänge von 50 Zentimetern handelt, von denen jeweilsacht Stück in einem Gestell von circa 1,1 Meter Kanten-länge untergebracht wurden. Von diesen lagern zehnStück, jeweils zwei Stück übereinandergestapelt, in derKammer 4.In dem genannten Schreiben der Transnuklear an dieGSF wird erläutert, dass die Kisten aus dem Kernkraft-werk Gundremmingen stammten und dass der Inhalt imWesentlichen aus Schutt, Kombinationen, Isoliermate-rial, Blech, Handschuhen, PE-Folien und Glas bestehe.Die Aktivität, nicht spezifiziert nach Strahlungsart, wirdje Kiste mit 0,1 bis 0,2 Curie abgeschätzt. Die Dosisleis-tung der radioaktiven Abfälle wird mit durchschnittlich200 Milliröntgen pro Stunde und maximal 1 Röntgenpro Stunde angegeben. In den Einlagerungslisten liegendie Werte in 10 Zentimeter Abstand aber nur zwischen5 Milliröntgen und 15 Milliröntgen pro Stunde, was denEinlagerungsbedingungen entspricht.Außer durch die Auswertung der Dokumentation vonden Abfallabliefernden und der Eingangskontrolle könn-ten Erkenntnisse über den Inhalt der Behälter nur durchradiochemische Vollanalysen gewonnen werden, die je-doch eine repräsentative Beprobung der Behälterinhalteerfordern würde. Diese Beprobung dürfte unter den ge-gebenen Umständen nahezu unmöglich sein.Angaben zu – auch erneut gemessenen – Dosisleis-tungswerten, zum Beispiel durch Sonden, die in denGrubenbau eingebracht werden könnten, liefern nurAussagen im Hinblick darauf, welche Maßnahmen desStrahlenschutzes für den Umgang mit den Abfällen er-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Januar 2009 21767
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Parl. Staatssekretärin Astrid Klugforderlich wären. Die Dosisleistungswerte liefern keineAussage zum radioaktiven Inventar der Behälter.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Danke schön, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin Klug, für die Ausführungen. Ich muss
gestehen: So manches rauschte an mir vorbei; es waren
ja sehr viele technische Details. – Ich halte fest: Die Idee
einer stichprobenartigen Ermittlung des Inhalts über
Sonden, die vom BfS ins Gespräch gebracht wurde, ist
hinfällig. Sie haben begründet, dass diese Maßnahme
eigentlich keinen Erkenntnisgewinn bringt, wenn ich das
richtig verstanden habe. Heißt das jetzt, dass man sich
bei der Frage, was nicht nur in diesen, sondern auch in
anderen Behältern enthalten ist, allein auf die Doku-
mente verlassen muss?
As
Darüber ist noch nicht abschließend entschieden. Ich
habe Ihnen die Vor- und Nachteile aufgezeigt und darge-
legt, welche Erkenntnisgewinne von diesem aufwendi-
gen und risikobehafteten Verfahren ausgingen. Die Un-
terlagen werden ausgewertet. Das ist der derzeitige
Erkenntnisstand.
Ich habe die Antwort so ausführlich vorgetragen, weil
ich denke, dass dies an dieser Stelle einmal dokumentiert
sein sollte. Ich musste den Text dreimal lesen – Sie kön-
nen es nachlesen –, um das Ganze besser nachvollziehen
zu können. Das ist der derzeitige Erkenntnisstand. Sie
wissen aber, dass das BfS weitere Untersuchungen be-
treibt und dass man mit Experten und auch mit den Be-
hörden vor Ort im Gespräch ist. Es wird irgendwann zu
entscheiden sein, ob an dieser Stelle ein weiterer Er-
kenntnisgewinn notwendig ist, um zu wissen, wie die
Belastung in der Kammer ist, und um vielleicht doch
herauszufinden, was genau der Inhalt dieser Sonderver-
packungen ist. Dies wird aber erstens nicht einfach he-
rauszufinden sein; zweitens wissen Sie, dass diese
Kammer derzeit nicht stabil ist und die Einführung von
Sonden mit einem Risiko behaftet ist.
Ihre zweite Nachfrage.
Danke schön. – Ich danke Ihnen erst einmal ausdrück-
lich für diese ausführliche Beantwortung der Frage. Ich
werde sie mit Sicherheit auch dreimal lesen, weil das
durchaus einen Erkenntnisgewinn bringt. Dazu muss
man es aber erst einmal verstehen.
Ich stimme Ihnen durchaus zu, dass die Kammer 4 im
Moment ein Sonderfall ist und man sehr vorsichtig damit
ist, diese Kammer anzubohren oder auf andere Weise in
diese Kammer einzudringen. Es gibt aber noch andere
Kammern und Behältnisse, von denen nicht ganz geklärt
ist, was sie enthalten. Es gibt zum Beispiel 14 000 Be-
hälter mit – so nennt sich das – verlorenen Betonabschir-
mungen. Dies lässt darauf schließen, dass sich darin
mittelaktiver Abfall befindet und nicht schwachaktiver,
worunter diese 14 000 Behälter eigentlich fallen.
Wenn man die Einführung von Sonden in die Kam-
mer 4 aufgrund der genannten Problematik ausklam-
mert: Gibt es im BfS Überlegungen, in anderen Kam-
mern, bei denen man nichts über den Inhalt weiß und
sich auf Vermutungen verlassen muss, nachzuschauen
und hier vielleicht Sonden einzuführen?
As
Ich kenne natürlich nicht die Detailüberlegungen des
BfS. Sie können aber sicher sein, dass man sich dort mit
genau diesen Fragen befasst und dass man sie auch be-
antworten wird. Dass sich das BfS zuerst Kammer 4 zu-
gewendet hat, hat mit den mikroseismischen Aktivitäten
zu tun. Diese Kammer ist gefährdet. Daher hat man das
dort vorhandene Abfallinventar zuerst und besonders ge-
nau untersucht. Es ist allerdings Aufgabe des BfS und
der Arbeitsgruppe Optionenvergleich, sich diesem Thema
zu widmen, damit Ende dieses Jahres eine abschließende
Entscheidung, was mit der Asse geschieht, getroffen
werden kann.
Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Hans-
Kurt Hill das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Kolle-
gin Klug, in Anbetracht der zu erwartenden Ereignisse,
sprich: der Errichtung eines Atomendlagers in Frank-
reich, also in der Nähe des Saarlandes, beschäftigt mich
nach wie vor die Frage der Rückholbarkeit der Abfälle
aus der Asse; denn vielleicht kommt es in Frankreich ei-
nes Tages zu einem ähnlichen Vorfall wie in Deutsch-
land.
Als vorsichtiger Kaufmann frage ich Sie erstens: Was
meint die Bundesregierung, wie hoch die finanziellen
Mittel wären, die man für eine mögliche Rückholung der
Abfälle aus der Asse II benötigen würde?
Zweitens würde mich interessieren, inwiefern sich die
Atomwirtschaft bereit erklärt hat, sich an der Finanzie-
rung zu beteiligen.
As
Sehr geehrter Herr Kollege Hill, ich verstehe Ihre Un-geduld und Neugier. Sie möchten gerne wissen, was mitder Asse passiert und welche Entscheidungen getroffenwerden. Ich kann aber nur wiederholen, dass diese Ent-scheidung noch nicht getroffen wurde, dass es weitererUntersuchungen bedarf, dass es eine Arbeitsgruppe gibt,die sich mit genau dieser Frage beschäftigt und eineEmpfehlung abgeben wird und dass das Bundesamt für
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21768 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Januar 2009
(C)
(D)
Parl. Staatssekretärin Astrid KlugStrahlenschutz dann eine Entscheidung treffen wird. Daswird Ende dieses Jahres geschehen. Leider kann dieseEntscheidung nicht früher getroffen werden, weil dasBfS dafür bestimmte Erkenntnisse braucht, die derzeitnoch nicht abschließend vorliegen.Was die Kosten angeht, so wissen Sie, dass der Bundschon immer die Finanzverantwortung für die Asse IIhat, weil der Betreiber der Anlage eine bundeseigeneEinrichtung war, die bisher beim Bundesforschungsminis-terium angesiedelt war. Jetzt ist das Bundesamt für Strah-lenschutz zuständig. Deshalb hat nun das Bundesumwelt-ministerium die Finanzverantwortung für die Asse II. Esgibt keine rechtliche Handhabe, jemand anderen, auchnicht diejenigen, die ihre Abfälle dort eingelagert haben,in die Finanzverantwortung zu nehmen.
Die Kollegin Dorothée Menzner hat eine weitere
Nachfrage.
Danke, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretärin, ich
habe eine Nachfrage zu den Sonderverpackungen in
Kammer 4. Mittlerweile ist in der Öffentlichkeit be-
kannt, dass die Kammer 4 wohl doch deutlich instabiler
ist, als lange Zeit angenommen wurde, und dass hier von
relativ konkreten Gefahren auszugehen ist.
Können Sie mir und vor allen Dingen der Öffentlich-
keit bitte folgende Fragen beantworten: Welche Überle-
gungen gibt es – das gilt auch im Hinblick auf einen
möglichen Optionenvergleich –, die fraglichen Behälter
oder einen größeren Teil des Inventars dieser Kammer
umzulagern? Welche konkreten Probleme machen es
momentan unmöglich, dies in Angriff zu nehmen? Wel-
che Optionen werden von Ihnen bzw. vom BfS miteinan-
der verglichen, um zu prüfen, ob auf diesem Wege eine
Minimierung der Gefahren möglich ist?
As
Ich kann nur wiederholen, dass diese Entscheidung
noch nicht getroffen worden ist. Wenn uns alle Erkennt-
nisse und eine Empfehlung vorliegen, wird entsprechend
entschieden. Es werden keine Optionen ausgeschlossen.
Alle Optionen werden geprüft, und am Ende wird ver-
antwortlich entschieden.
Die einzige Option, die wir ausgeschlossen haben, ist
die sofortige Verfüllung der Kammer 4; dies wurde be-
reits von dem einen oder anderen in der Region gefor-
dert. Wir lehnen diese Option deshalb ab, weil durch
eine Verfüllung die Beantwortung der Frage, was Inhalt
der Sonderverpackungen ist, für alle Zukunft ausge-
schlossen würde. Wir haben auch vor Ort immer wieder
versprochen, dass wir keine vollendeten Tatsachen
schaffen werden. Ob es in Zukunft vielleicht notwendig
ist, diese Frage zu beantworten, werden die weiteren Be-
ratungen ergeben. Es werden vor Ort allerdings keine
vollendeten Tatsachen geschaffen, die irgendwelche Op-
tionen für die Zukunft ausschließen.
Ich wollte mich schon bei Ihnen bedanken, Frau
Staatssekretärin; aber es gibt noch eine Nachfrage der
Kollegin Stokar. – Bitte.
Frau Staatssekretärin, ich bitte um Entschuldigung,
dass Ihre zahlreichen Antworten, das werde bis Ende des
Jahres geprüft, gerade die Abgeordneten aus Nieder-
sachsen nicht beruhigen können. Es besteht ja nach wie
vor der Verdacht, dass sich im Tiefenaufschluss, in den
Kammern unter dem Bergwerk, auch hochradioaktives
Material befindet. Meine Frage: Wird mithilfe von Son-
den oder durch sonstige technische Untersuchungen ver-
sucht, herauszufinden, ob dem so ist? Man kann ja nicht
einfach Beton draufkippen und vor dem, was aus dem
Atommüll wird, die Augen verschließen.
As
Sie sagen selbst, dass lediglich ein Verdacht besteht.
Es gibt keine Erkenntnisse darüber, ob in der Asse hoch-
radioaktives Material eingelagert ist. Das Bundesamt für
Strahlenschutz prüft das Abfallinventar sehr sorgfältig
und nutzt alle Wege, um mehr über die in der Asse ein-
gelagerten Abfälle herauszufinden. Erst wenn wir wis-
sen, was für Abfälle eingelagert sind, welche Instabili-
täten es in der Asse gibt und ob eine Absicherung der
Asse möglich ist, wird endgültig entschieden, wie wir
vorgehen.
Das Bundesamt für Strahlenschutz ist seit gerade ein-
mal 28 Tagen Betreiber dieser Anlage. Beim BfS ist die
Asse in den besten Händen, die man sich nur vorstellen
kann. Sie müssen dem BfS jetzt eine Chance geben, zu
entscheiden, wie in Zukunft verantwortlich mit der Asse
umgegangen werden kann. In der Vergangenheit war das
ja nicht immer so.
Danke, Frau Staatssekretärin. – Eine zweite Nach-frage ist nicht möglich, Kollegin Stokar.Die Frage 16 der Kollegin Höhn wird schriftlich be-antwortet; sie befasst sich mit den Rechtsnachfolgern deran der Einlagerung von Atommüll in der SchachtanlageAsse II beteiligten Unternehmen.Die Fragen 17 und 18 der Kollegin Brigitte Pothmerwerden aufgrund der Regelungen in Nr. 2 Abs. 2 derRichtlinien für die Fragestunde ebenfalls schriftlich be-antwortet, da diese Fragen in einem anderen Tagesord-nungspunkt unserer Sitzungswoche behandelt werden.Auch diese Fragen befassen sich mit der Asse, allerdingsgeht es in diesem Fall um Gebühren nach § 21 b desAtomgesetzes.Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-desministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fra-gen steht der Parlamentarische Staatssekretär PeterAltmaier zur Verfügung.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Januar 2009 21769
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(D)
Vizepräsidentin Petra PauIch rufe die Frage 19 der Kollegin Monika Lazar auf:Aus welchen Haushaltstiteln welcher Etats könnte eine am21. Januar 2009 erstmals im Innenausschuss des DeutschenBundestags diskutierte Überbrückungsfinanzierung für dasNazi-Aussteigerprojekt „EXIT-Deutschland“ gezahlt werden?Bitte, Herr Staatssekretär.P
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Bei dem Projekt
„EXIT-Deutschland“ handelt es sich um ein zivilgesell-
schaftliches Aussteigerprojekt. Es gibt darüber hinaus
staatliche Aussteigerprojekte. Dieses zivilgesellschaftli-
che Projekt ist sehr wichtig; denn jeder Versuch, jungen
Menschen eine Brücke zum Ausstieg aus dieser Szene
zu bauen, verdient Förderung.
Wir haben die Situation heute Morgen im Innenaus-
schuss in extenso behandelt, Frau Kollegin Lazar. Des-
halb will ich in aller Kürze sagen: Das Projekt „EXIT-
Deutschland“ ist vom 1. Juli 2007 bis zum 30. Sep-
tember 2008 im Rahmen des XENOS-Sonderprogramms
„Beschäftigung, Bildung und Teilhabe vor Ort“ durch
das dafür zuständige Bundesministerium für Arbeit und
Soziales mit 175 000 Euro, die ursprünglich aus dem
Europäischen Sozialfonds kommen, gefördert worden.
In Zukunft wird aller Voraussicht nach wieder in diesem
Rahmen eine Förderung möglich sein, allerdings wohl
erst ab April 2009.
Es stellt sich die Frage, ob eine Überbrückungsfinan-
zierung möglich ist. Die infrage kommenden Ressorts
der Bundesregierung haben dies geprüft. Insbesondere
das Programm „Vielfalt tut gut“ des Bundesministeriums
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wäre in Be-
tracht gekommen. Die Prüfung hat allerdings ergeben,
dass eine konkrete Förderung wegen der Besonderheiten
des Programms „EXIT-Deutschland“ leider nicht mög-
lich ist.
Es gibt eine Möglichkeit der Überbrückungsfinanzie-
rung – allerdings aus dem Bereich des Bundesministeri-
ums des Innern –, und zwar aus den vorhandenen übertra-
genen Mitteln des Bündnisses für Demokratie und
Toleranz. Dieses Bündnis ist eine vom BMI und BMJ ge-
gründete Einrichtung sui generis – eigener Art –, deren
Finanzierung allein aus dem Einzelplan 06 – Bundes-
innenministerium – getragen wird. Hier wäre eine Finan-
zierung nach den Vorschriften denkbar. Das Bundes-
ministerium des Innern würde eine solche Finanzierung
auch befürworten. Allerdings muss ich darauf hinweisen,
dass eine Entscheidung nur mit Zustimmung des Beirates
dieses Bündnisses möglich ist. Das Bundesinnenministe-
rium ist ebenso wie das Bundesjustizministerium in die-
sem Beirat vertreten. Eine Sondersitzung des Beirates ist
inzwischen terminiert.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Schönen Dank, Frau Präsidentin. – Wie Sie schon
sagten, haben wir heute im Innenausschuss schon über
dieses Thema gesprochen. Für mich ist aber noch eine
Frage offengeblieben. Es geht um die Höhe der Mittel.
Von EXIT-Deutschland wurden 80 000 Euro angege-
ben. Nun würde ich gerne wissen, ob diese Eigenangabe
überprüft worden ist; denn EXIT-Deutschland konnte in
den letzten Monaten Spenden akquirieren, weshalb die
Summe vielleicht etwas geringer wird.
Des Weiteren würde mich der Haushaltsübertrag inte-
ressieren. Mir liegt ein Schreiben des Geschäftsführers
des Bündnisses für Demokratie und Toleranz von Mitte
Dezember vor, in dem es schon um einen generellen
Übertrag geht. Damals wurde EXIT-Deutschland noch
nicht angegeben, wahrscheinlich weil sich die Verant-
wortlichen von EXIT-Deutschland noch nicht beim
Bündnis für Demokratie und Toleranz gemeldet hatten.
Mich würde zum einen interessieren, ob der Haushalts-
übertrag schon genehmigt ist, und zum anderen, ob es ei-
nen neuen Antrag des Geschäftsführers gibt, dass auch
EXIT-Deutschland in den Übertrag einbezogen werden
soll.
P
Frau Kollegin, wir müssen die Reihenfolge genau ein-
halten. Das eine ist, dass das Bündnis im letzten Jahr un-
abhängig von EXIT-Deutschland nicht alle Mittel, die in
seinem Haushalt zur Verfügung gestellt wurden, veraus-
gaben konnte, was nicht zum ersten Mal der Fall ist. Das
zeigt im Übrigen, dass die Bundesregierung die Arbeit
im Hinblick auf die Eindämmung von Extremismus,
Rechts- und Linksextremismus gleichermaßen, sehr
ernst nimmt und auch die nötigen Mittel dafür zur Verfü-
gung stellt. Diese nicht verausgabten Haushaltsmittel
würden normalerweise zum Ende des Haushaltsjahres
verfallen. Aufgrund der Bedeutung der Aufgabe haben
wir schon in der Vergangenheit gesagt, dass wir es für
richtig halten, diese Haushaltsreste, die einen erhebli-
chen Umfang haben, zu übertragen. Ich kann Ihnen jetzt
nicht sagen, inwieweit das verwaltungstechnisch bereits
genehmigt ist, aber gehen Sie davon aus, dass in der
Bundesregierung politisch die Bereitschaft und der Wille
vorhanden sind, dies zu tun, und dass das auch erfolgen
wird.
Der zweite Punkt ist, dass die endgültige Förderung
von EXIT-Deutschland davon abhängt, dass beim Bünd-
nis ein entsprechender Antrag gestellt wird. Wir haben
heute Morgen gehört, dass dies inzwischen auf gutem
Weg ist. Dieser Antrag muss von der Geschäftsführung
des Bündnisses im Hinblick auf den tatsächlichen Finan-
zierungsbedarf geprüft werden; dann muss der Beirat
darüber entscheiden. Wie ich aus meiner eigenen Tätig-
keit im Beirat weiß, gehören Sie ihm an. Ich bitte herz-
lich um Verständnis, dass wir diesen Prüfungen vonsei-
ten des BMI an dieser Stelle nicht vorgreifen können.
Wir werden die Geschäftsstelle des Bündnisses im Rah-
men unserer Möglichkeiten aber selbstverständlich dabei
unterstützen.
Haben Sie noch eine weitere Nachfrage?
Metadaten/Kopzeile:
21770 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Januar 2009
(C)
(D)
Ja.
Bitte.
Es gibt Bestrebungen, außer dem Bündnis für Demo-
kratie und Toleranz auch die Bundeszentrale für politi-
sche Bildung einzubeziehen. Dahin gehend hat sich der
Vorsitzende des Innenausschusses, Edathy, in der letzten
Woche in der Ausschusssitzung geäußert; es gibt auch
eine Äußerung des Geschäftsführers des Bündnisses für
Demokratie und Toleranz dazu. Nun würde mich interes-
sieren, ob die Bundeszentrale für politische Bildung jetzt
völlig von der Finanzierung ausgenommen ist oder ob
geprüft wird, welche Mittel das Bündnis für Demokratie
und Toleranz geben kann und welche Mittel die Bundes-
zentrale für politische Bildung geben kann.
Können Sie mir schon vor der Sondersitzung des Bei-
rates des Bündnisses für Demokratie und Toleranz Aus-
kunft darüber erteilen, ob die Summe vielleicht auf beide
Institutionen, die beide durch das Innenministerium fi-
nanziert werden, gesplittet werden kann?
P
Es ist richtig, Frau Kollegin Lazar, dass beide Titel
aus dem Haushalt des Bundesinnenministeriums finan-
ziert werden. Richtig ist aber auch, dass wir vom Bundes-
innenministerium nicht den Entscheidungen der zustän-
digen Stellen vorgreifen möchten. Wie Sie wissen, sind
auch mit dem Leiter der Bundeszentrale für politische
Bildung Gespräche geführt worden, in die auch der Ge-
schäftsführer des Bündnisses für Demokratie und Tole-
ranz eingebunden war.
Ich hoffe, dass wir letzten Endes eine sachgerechte
Lösung finden werden, die die überbrückende Fortfüh-
rung des Aussteigerprogramms gewährleistet, bis die
ordnungsgemäße Finanzierung im Rahmen des BMAS
wiederhergestellt ist. Deshalb bitte ich herzlich um Ver-
ständnis, dass die genauen Einzelheiten – das heißt, ob
gegebenenfalls auch aus dem Titel der Bundeszentrale
bzw. in welcher Höhe finanzielle Leistungen erfolgen –
erst dann beurteilt werden können, wenn die genaue Si-
tuation im Hinblick auf EXIT bekannt ist. Dabei spielt
beispielsweise auch eine Rolle, inwieweit in der Zwi-
schenzeit Mittel von anderer Seite akquiriert werden
konnten. Das kann ich heute nicht abschließend beurtei-
len. Ich gehe davon aus, dass EXIT selbst die erforderli-
chen Angaben dazu machen wird.
Wir kommen damit zu Frage 20 der Kollegin Stokar
von Neuforn:
Sieht die Bundesregierung angesichts der sich häufenden
Datenschutzskandale bei privaten Stellen – zuletzt bei der
Deutschen Bahn AG – über die bisher bekannten Vorschläge
zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes – unter ande-
rem Verschärfung der Bußgeldvorschriften – hinaus nicht die
Notwendigkeit, auch für die Betroffenen selbst zivilrechtliche
Ansprüche – wie beispielsweise Schadensersatz für erlittene
immaterielle Schäden durch die Verletzung ihrer Persönlich-
keitsrechte – einzuführen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
P
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Es ist bekanntlich
ein alter Juristengrundsatz, dass ein Blick ins Gesetz-
buch die Rechtsfindung fördert. Im konkreten Fall hat
unser Blick ins Gesetzbuch ergeben, dass das Bundesda-
tenschutzgesetz in den §§ 7 und 8 bereits Schaden-
sersatzpflichten gegenüber Betroffenen enthält, soweit
ihnen durch eine nach dem Bundesdatenschutzgesetz
oder anderen Vorschriften über den Datenschutz unzu-
lässige oder unrichtige Erhebung, Verarbeitung oder
Nutzung ihrer personenbezogenen Daten ein Schaden
zugefügt wird.
Neben den Ansprüchen aus dem Bundesdatenschutz-
gesetz bestehen darüber hinaus die allgemeinen zivil-
rechtlichen Ansprüche sowohl nach Deliktsrecht als
auch gegebenenfalls nach Vertragsrecht fort. Im Rahmen
der deliktischen Ansprüche kann dann auch gegebenen-
falls ein Anspruch auf Geldentschädigung für eventuell
erlittene immaterielle Schäden – auf die es Ihnen in Ihrer
Frage besonders ankommt – geltend gemacht werden.
Insofern sieht die Bundesregierung derzeit keine Rege-
lungslücke und auch keine Notwendigkeit, weitere zivil-
rechtliche Ansprüche einzuführen.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Herr Staatssekretär, wenn die Bürgerinnen und Bür-ger wie in den letzten Tagen in der Presse verfolgen,dass mehrere Hundert Bedienstete der Deutschen BahnAG mitsamt ihrer Ehepartner bespitzelt wurden und dieDaten aller Neukunden der Telekom im Internet sichtbarwaren, dann werfen sie durchaus einen Blick ins Gesetzund fragen sich, wie sie ihren Anspruch durchsetzenkönnen. Bislang ist es leider so geregelt, dass sie als ein-zelne Bürgerinnen und Bürger den Schaden nachweisenmüssen. Dafür müssen sie erst einmal informiert sein.Deswegen lautet meine konkrete Frage an die Bundesre-gierung: Sind Sie bereit, angesichts der sich häufendenDatenpannen in diesen Fällen eine Informationspflichtfür Unternehmen einzuführen und damit die Beweislast-umkehr zuzulassen sowie – das halte ich für einen klu-gen Vorschlag, der auch zur Entlastung der Gerichte bei-trägt – ein pauschales Mindestbußgeld von 100 Euro fürjeden, der von einer Datenschutzpanne betroffen ist, indas Gesetz aufzunehmen? In den letzten sechs Monatenvoller Datenschutzskandale gab es zwar Ankündigungender Bundesregierung, aber nicht einmal einen Hauch ei-nes Gesetzentwurfs zur Verbesserung des Datenschutz-rechts.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Januar 2009 21771
(C)
(D)
P
Frau Kollegin Stokar, Sie haben weit offen stehende
Türen eingerannt; denn wir haben uns vor dem Hinter-
grund der von Ihnen genannten Vorgänge sehr detailliert
mit diesen Fragen befasst.
Das Bundesinnenministerium ist das Verfassungsmi-
nisterium und damit auch dafür zuständig, dass das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das den
Bürgerinnen und Bürgern zusteht, wirksam geltend ge-
macht werden kann. Es gab in den vergangenen Mona-
ten zwei Gesetzesinitiativen meines Hauses dazu. Das
eine ist der Gesetzentwurf zum Scoring, der bereits im
Sommer letzten Jahres vom Kabinett verabschiedet
wurde und der insbesondere die Informations- und Aus-
kunftsrechte der Betroffenen im Hinblick auf die Tätig-
keit von Auskunfteien ganz erheblich stärkt. Das andere
ist: Wir haben vor dem Hintergrund der bekannt gewor-
denen Vorfälle in der zweiten Hälfte des letzten Jahres
eine Novelle zum Bundesdatenschutzgesetz auf den Weg
gebracht. Diese Novelle sieht zum einen ein Daten-
schutzauditsiegel, das den Verbraucherinnen und Ver-
brauchern mehr Sicherheit gewährleisten soll, und zum
anderen konkrete Maßnahmen vor, um die Rechte der
Verbraucherinnen und Verbraucher zu stärken. Dazu ge-
hören ein erhöhter Bußgeldrahmen, mehr Bußgeldtatbe-
stände und die neu geschaffene Möglichkeit zur Ge-
winnabschöpfung.
Wir haben das von Ihnen angesprochene Problem der
Informationspflicht gesehen und auch geregelt. Das
heißt, es gibt künftig bei Datenschutzpannen eine Infor-
mationspflicht auch gegenüber den Betroffenen. Somit
schaffen wir mehr Transparenz und die Möglichkeit,
seine Rechte wahrzunehmen und geltend zu machen. Wie
Sie wissen, haben wir in diesem Gesetzentwurf zudem
das sogenannte Listenprivileg erheblich eingeschränkt.
Künftig gibt es das Erfordernis, die Einwilligung der be-
troffenen Bürgerinnen und Bürger einzuholen. Dort, wo
Ausnahmen von diesem Einwilligungserfordernis fortbe-
stehen, haben wir das Widerspruchsrecht der Betroffenen
gestärkt.
Das ist eine Reihe ganz konkreter, fassbarer Verbesse-
rungen für Millionen Bürgerinnen und Bürger. Über die
beiden Gesetzentwürfe, die das Kabinett beschlossen
hat, beraten derzeit die zuständigen Parlamentsaus-
schüsse. Selbstverständlich kann die Bundesregierung
den Beratungen und der Entscheidungsfindung des Par-
laments nicht vorgreifen.
Ihre zweite Frage.
Herr Staatssekretär, ich habe eine konkrete Nach-
frage. Ich habe den Eindruck, dass es eine neue, ganz in-
teressante Arbeitsteilung in der Großen Koalition gibt.
Diese sieht wie folgt aus: Es gibt einen Skandal. Der In-
nenminister gibt eine Presseerklärung heraus. Das Kabi-
nett beschließt. Danach hat sich die Große Koalition da-
rauf verständigt, dass gar nichts mehr passiert. – Wir
warten seit Monaten. Angekündigt wurde die Behand-
lung dieser vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwürfe
im Dezember. Nun haben wir Ende Januar. Die Beratun-
gen über diese Gesetzentwürfe wurden auch nicht auf
die Tagesordnung für die Sitzungen im Februar gesetzt.
Ich weiß zwar, dass Sie, die Bundesregierung, nicht die
Verantwortung dafür tragen. Sie haben allerdings alle
Ihre Machtmittel eingesetzt, um zum Beispiel das BKA-
Gesetz im beschleunigten Verfahren durch die Fraktio-
nen und das Parlament zu bringen.
Meine konkreten Fragen an Sie lauten: Welche Ge-
spräche führen Sie mit den Fraktionen, damit der Kabi-
nettsentwurf tatsächlich dem Innenausschuss zugeleitet
wird, und wie intensiv ist Ihr Einsatz, damit das, was
vom Kabinett beschlossen und vom Innenminister befür-
wortet wird, auch im Parlament so beschlossen wird? Ich
habe das Gefühl, dass die Beratungen so lange aufge-
schoben werden, bis der Druck der Lobbyisten dazu
führt, dass Ihre Vorschläge aufgeweicht sind. Wir wer-
den dann keine Verbesserungen im Datenschutz errei-
chen.
P
Frau Kollegin Stokar, wir haben immerhin einen Fort-
schritt erreicht; denn Sie haben nun konzediert, dass die
Bundesregierung ihre Hausaufgaben gemacht hat. Wir
haben nach den Vorfällen schnell und effizient gehan-
delt. Wir haben Vorschläge eingebracht, die weitreichen-
der sind als das, was manche für möglich gehalten hät-
ten, selbst bei optimistischer Betrachtungsweise. Das
Bundeskabinett hat sehr zügig die entsprechenden Ge-
setzentwürfe verabschiedet. Wir haben sie im Übrigen
auch sehr schnell in den zuständigen Ministerien des In-
nern und der Justiz erarbeitet. Das war kein leichtes Un-
terfangen; denn wir mussten auch verfassungsrechtliche
Vorgaben beachten.
Nun liegen diese Vorschläge beim Bundesrat, und sie
müssen im Bundesrat und im Bundestag beraten werden.
Ich als Vertreter der Bundesregierung kann, das wieder-
hole ich, hier und heute keine Empfehlungen oder
Ratschläge an das Parlament richten. Sie haben Gesetz-
entwürfe zitiert, die in einem zügigen Verfahren verab-
schiedet worden sind. Deshalb ist die Bundesregierung
sehr optimistisch, dass das Parlament die Dringlichkeit
und die Notwendigkeit dieser Gesetzgebungsvorhaben
hoch einschätzen wird und dass es möglich sein wird, sie
vor Ablauf der Legislaturperiode ordnungsgemäß zu be-
raten und zu verabschieden.
Danke, Herr Staatssekretär.Die Frage 21 des Kollegen Volker Beck wird schrift-lich beantwortet, weil das Thema der Frage, nämlich dieHaltung der Bundesregierung zur Aufnahme unschuldi-ger Insassen bei Auflösung des Gefangenenlagers inGuantánamo, in dieser Woche noch auf der Tagesord-nung steht.
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21772 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Januar 2009
(C)
(D)
Vizepräsidentin Petra PauWir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-desministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung derFragen steht die Parlamentarische StaatssekretärinNicolette Kressl zur Verfügung. Die Fragen 22 und 23der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch werden schriftlich be-antwortet. Bei diesen Fragen geht es um die Pflichtenzur Meldung von faulen Krediten an die Bankenaufsichtund die Konsequenzen für die Bankenvorstände, wennsie diesen Pflichten nicht nachkommen, sowie um dieInformation des Deutschen Bundestages über die Ge-samtheit der faulen Kredite.Ich rufe die Frage 24 der Kollegin Christine Scheelauf:Plant die Bundesregierung eine Lösung für die sogenann-ten toxischen Wertpapiere in den Bankbilanzen, bei der derStaat die Wertpapiere im Tausch gegen Ausgleichsforderun-gen in Höhe des Wertes zum Bilanzstichtag übernimmt, und
Bitte, Frau Staatssekretärin.N
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Frau
Kollegin Scheel, Sie erlauben, dass ich beide Fragen im
Zusammenhang beantworte?
Das ist der Fall. Dann rufe ich auch Frage 25 der Kol-
legin Christine Scheel auf:
Welche Vorteile verspricht sich die Bundesregierung von
der Gründung solch einer Zweckgesellschaft – Bad Bank light –
im Verhältnis zu der Übernahme von sogenannten intelligen-
ten Staatsbeteiligungen an den jeweiligen Banken, um die
anstehenden Marktbereinigungen im Welfinanzmarkt zu orga-
nisieren und abzusichern, und welcher finanzielle Höchstrah-
men insgesamt und pro Institut ist vorgesehen?
N
Es gibt keine aktuellen Planungen in der Bundes-
regierung für eine nationale Bad Bank oder eine ent-
sprechende Bad Bank light. Natürlich überprüft die
Bundesregierung das bestehende Instrumentarium des
Finanzmarktstabilisierungsgesetzes regelmäßig und lau-
fend im Hinblick auf mögliche und notwendige Verbes-
serungen. Wenn die Bundesregierung zu dem Ergebnis
kommt, dass aufgrund geänderter Rahmenbedingungen
Anpassungen erforderlich sind, wird sie dem Parlament
selbstverständlich entsprechende Vorschläge vorlegen,
mit dem Parlament darüber diskutieren und, wie beim
Finanzmarktstabilisierungsgesetz, um die erforderliche
Mehrheit werben.
Sie haben jetzt die Möglichkeit zu insgesamt vier
Nachfragen. Bitte.
Schauen wir einmal, ob das nötig ist. – Danke, Frau
Staatssekretärin, für die Beantwortung. Mitte Februar
werden die Bilanzen der Banken für das letzte
Quartal 2008 vorliegen. Nach all dem, was wir bislang
wissen, schauen diese Bilanzen nicht sehr gut aus. Das
heißt, es gibt einen sehr hohen Abschreibungsbedarf.
Die Bundesregierung hat zugesichert, dass sie, was die
Kreditvergabe anbelangt, alles tut, was notwendig ist,
um den Interbankenhandel wieder anzuregen und diese
Papiere in irgendeiner Form bilanziell so zu bewerten,
dass sie etwas unschädlicher wirken. – Ich fasse das jetzt
einmal so zusammen.
Welche Maßnahmen planen Sie denn jetzt bis Mitte
Februar? Denn es wird von einer zweiten Änderung mit
Blick auf SoFFin und die Maßnahmen, die mit diesen
schlechten Papieren verbunden sind, gesprochen. Dazu
stehen verschiedene Überlegungen an. Was ist denn der
aktuelle Stand?
N
Es ist richtig, dass in den Zeitungen von verschie-
densten Überlegungen zu lesen war, wobei ich schon in
der Aktuellen Stunde, die wir zum gleichen Thema in
der letzten Woche hatten, deutlich gemacht habe, dass
wir uns an diesen öffentlichen Spekulationen, zum Bei-
spiel wie sogenannte toxische Wertpapiere bewertet wer-
den können, nicht beteiligen werden. Es ist vor allem
darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des bestehenden
Finanzmarktstabilisierungsgesetzes, was die Garantien,
die Rekapitalisierung und die Übernahme solcher Wert-
papiere betrifft, durchaus ein Instrument vorhanden ist.
Sie wissen – Herr Bundesminister Steinbrück hat es vor-
hin in der Regierungsbefragung angesprochen –, dass im
Rahmen einer Einzelnotifizierung auch eine unbefristete
Regelung möglich ist. Die Anwendung dieses Instru-
ments wäre durchaus eine der Möglichkeiten, auf die
Problematik, die Sie richtig analysiert haben, einzuge-
hen.
Ihre zweite Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, es ist bekannt, dass die Bundes-
regierung den Weg der Schaffung einer großen Bad
Bank nicht gehen will – das haben sowohl Sie als auch
der Herr Minister so gesagt –, dass es über das Finanz-
marktstabilisierungsgesetz aber Wege gäbe, im Einzel-
fall nach Prüfung und in Absprache mit der EU hier eine
Lösung zu finden.
Ein anderer Weg besteht darin – das wurde im Haus-
haltsausschuss von Kollegen der Koalition, vor allen
Dingen von Abgeordneten der Union, insbesondere von
Herrn Kampeter, angesprochen –, mit Ausgleichszahlun-
gen Abhilfe zu schaffen. Ist das Thema Ausgleichszah-
lungen vom Tisch oder spielt es noch eine Rolle?
N
Die Frage der Ausgleichszahlungen ist, da wiederholeich mich, zum Gegenstand von Spekulationen von Zei-tungen – auch ich habe sie gelesen – geworden. Das
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Januar 2009 21773
(C)
(D)
Pa
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wie
ist nach der deutschen Einheit in den 90er-Jahren vorge-
gangen worden? Selbstverständlich schauen wir uns
noch einmal an, wie das damals gelaufen ist.
Ich muss noch einmal deutlich machen: Es gibt ver-
schiedene Möglichkeiten. Vor allem existiert im Rahmen
der SoFFin bereits eine Möglichkeit. Wir werden unsere
Vorschläge öffentlich und vor allem gegenüber dem Par-
lament dann unterbreiten, wenn klar ist, was für einen
Weg es geben sollte. Ich will mich auch da wiederholen
– ich habe es bereits in der letzten Woche gesagt –: Ich
glaube, dass es ein Stück weit zur Verwirrung beitragen
kann, wenn ständig neue Varianten diskutiert werden.
Daran will sich die Bundesregierung in dieser Form
nicht beteiligen.
Ihre dritte Nachfrage, bitte.
Interessanterweise ist es so, dass die Varianten inner-
halb der Koalition diskutiert werden, und das öffentlich.
Das sei einmal dahingestellt. Das heißt, Sie kritisieren
Ihre eigenen Leute – aber gut.
Mich würde jetzt einmal interessieren – ich habe es
vorhin angesprochen –, wie die zeitliche Situation im
Hinblick auf das vierte Quartal ist. In dem einen oder an-
deren Fall besteht wohl ein relativ dringender Hand-
lungsbedarf. Können Sie bestätigen, dass es ein Vorha-
ben gibt – wie auch immer es im Detail aussieht –, bis
Mitte Februar einen klaren Vorschlag für eine zweite
Rettungsaktion zu machen?
N
Das kann ich nicht. Ich habe beschrieben, dass im Be-
reich des SoFFin Möglichkeiten existieren und dass
diese Möglichkeiten in die Überlegungen einbezogen
werden. Das bedeutet, dass für diesen Bereich nicht au-
tomatisch eine gesetzliche Änderung oder ein neuer Ret-
tungsplan auf den Weg gebracht werden muss. Ich kann
eine entsprechende Aussage also nicht treffen.
Ihre letzte Nachfrage, bitte.
Meine letzte Frage ist: Können Sie sicherstellen, dass
der vom Parlament eingesetzte Ausschuss, bestehend
aus Kollegen und Kolleginnen aus der Mitte des Parla-
mentes, frühzeitig genug über die Ergebnisse unterrich-
tet wird, sodass eine parlamentarische Mitwirkung an
diesem Punkt überhaupt noch möglich ist? Es sollte
nicht so sein, dass sich die Regierung festgelegt hat und
wir das am Ende bloß noch abnicken können.
N
Frau Kollegin, ich als Vertreterin der Bundesregierung
gehöre diesem Geheimgremium nicht an. Sie wissen, bei
wem die Federführung liegt. Soweit ich informiert bin,
wird dort sehr regelmäßig und sehr intensiv über die je-
weils aktuelle Lage unterrichtet. Außerdem wird über
Möglichkeiten, darauf zu reagieren, debattiert. Wie Sie
wissen – es handelt sich nicht ohne Grund um ein Ge-
heimgremium –, darf ich hier nichts Weiteres darstellen.
Die Fragen 26 und 27 des Kollegen Nouripour wer-
den schriftlich beantwortet. Darin geht es um den Zeit-
punkt des Abschlusses der Rückzahlung der Eigenkapi-
talhilfen des Bundes durch die Commerzbank AG sowie
den Zeitrahmen von gesetzlichen Maßnahmen zur Til-
gung der Schulden aus den Konjunkturpaketen I und II.
Diese Fragestellung ist auch anderweitig Gegenstand der
Tagesordnung dieser Sitzungswoche.
Ich rufe die Frage 28 der Kollegin Silke Stokar auf:
Ist es nach Auffassung der Bundesregierung ein angemes-
sener Beitrag zur Wiederherstellung des öfffentlichen Vertrau-
ens in die staatliche Finanzaufsicht, wenn der Bundesrat auf
Initiative der schwarz-gelben Koalition in Bayern in seiner
Stellungnahme zum Entwurf eines Zahlungsdiensteumset-
zungsgesetzes eine Infor-
mationssperre für den Bereich der Finanz-, Wertpapier- und
Versicherungsaufsicht verlangt, während andererseits der
neue US-Präsident Barack Obama angeordnet hat, die Rege-
lungen zur Informationsfreiheit künftig großzügig anzuwen-
den und Regierungsdokumente nur noch „aus wichtigen
Bitte, Frau Staatssekretärin.
N
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Kollegin, die Bun-
desregierung hat am 21. Januar 2009 in ihrer Gegen-
äußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates zum
Entwurf eines Zahlungsdiensteumsetzungsgesetzes zu-
gesagt – ich vermute, darauf beziehen Sie sich in Ihrer
Frage –, dass sie das Anliegen des Bundesrates prüfen
wird. Diese Prüfung ist allerdings noch nicht abge-
schlossen.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Die Antwort „Wir prüfen noch“ kenne ich schon. Ichmöchte dennoch die Gelegenheit nutzen, mehr zu erfah-ren.Mich hat schon verwundert, dass die FDP in Bayernsozusagen als erste Amtshandlung jetzt ausgerechnet dasInformationsfreiheitsgesetz angreift, gerade in einerKrise. Wie stehen Sie zu der Aussage, dass nur durchTransparenz Vertrauen geschaffen werden kann, und zudem Ansinnen aus Bayern, in dieser Phase den Finanz-und Versicherungssektor mit einer Informationssperre zubelegen, also mit unseren Geheimdiensten gleichzuset-zen? Sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass wir ge-rade in diesem Bereich mehr Informationszugang brau-chen anstatt weniger?
Metadaten/Kopzeile:
21774 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Januar 2009
(C)
(D)
N
Sehr geehrte Frau Kollegin Stokar, wir haben den Ge-
setzentwurf zur Umsetzung der EG-Richtlinie heute im
Finanzausschuss erstmalig beraten. Ich habe deutlich
gemacht, dass wir als Bundesregierung noch in der Prüf-
phase sind und dass zwischen notwendigen Informa-
tionsrechten und verfassungsrechtlich geschützten Be-
triebs- und Geschäftsgeheimnissen abzuwägen sein
wird. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Es
wird auch eine Anhörung geben. Ich will noch einmal
betonen, dass eine Abwägung zwischen diesen verschie-
denen Rechten und Notwendigkeiten stattfinden wird.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, diesen Prozess der Abwägung
mit Blick auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ge-
rade im Finanzsektor haben die Ministerien in meinem
Beisein nächtelang durchgeführt, als wir unter Rot-Grün
ein Minimum an Informationsfreiheitsgesetz geschaffen
haben. Muss ich Ihre Ausführungen jetzt so verstehen,
dass ausgerechnet diese Krise und der Vertrauensverlust
dazu führen sollen, dass die Errungenschaften des Infor-
mationsfreiheitsgesetzes – damit wurde ein Hauch von
Transparenz auch in den Finanzsektor hineingebracht –
zurückgenommen werden und sich die Bundesregierung
leider gemeinsam mit Bayern und gemeinsam mit der
FDP für Geheimhaltung und für eine Informationssperre
im Finanzsektor einsetzt?
N
Sehr geehrte Frau Kollegin, ich kann gut verstehen,
dass Sie noch einmal den Versuch unternehmen, über
meine Aussage „Wir prüfen“ hinaus mehr zu erfahren.
Ich habe Ihnen beschrieben, dass wir, wie in der Gegen-
äußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates formu-
liert, das Anliegen prüfen. Das ist noch nicht abgeschlos-
sen. Die Schlussfolgerung, die in Ihrer Frage implizit
enthalten war, will ich ausdrücklich nicht bestätigen.
Danke, Frau Staatssekretärin.
Die Frage 29 der Kollegin Ina Lenke wird schriftlich
beantwortet. Darin geht es um anhängige Verfahren zur
Absetzbarkeit der Betreuungskosten bei der Lohn- und
Einkommensteuer.
Die Frage 30 des Kollegen Hans-Josef Fell wird
ebenfalls schriftlich beantwortet. Darin geht es um die
Haltung der EU-Kommission zum Regierungsentwurf
eines Gesetzes zur Änderung der Förderung von Bio-
kraftstoffen und die Zielsetzung der Bundesregierung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 29. Januar 2009,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.